Wahrheit bei Wolfhart Pannenberg: Eine philosophisch-theologische Untersuchung [1 ed.] 9783666564543, 9783525564547

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Wahrheit bei Wolfhart Pannenberg: Eine philosophisch-theologische Untersuchung [1 ed.]
 9783666564543, 9783525564547

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Thorsten A. Leppek

Wahrheit bei Wolfhart Pannenberg Eine philosophisch-theologische Untersuchung

Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie Herausgegeben von Christine Axt-Piscalar, David Fergusson und Christiane Tietz

Band 159

Thorsten A. Leppek

Wahrheit bei Wolfhart Pannenberg Eine philosophisch-theologische Untersuchung

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN 0429-162X ISBN 978-3-666-56454-3 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de © 2017, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen/ Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Satz: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt

Motti

„Die Wahrheit richtet sich nicht nach uns […], sondern wir müssen uns nach ihr richten.“ (Matthias Claudius) 1 „Wo es um die Wissenschaft geht, haben romantische oder existentialistische Sensationen in der Tat keinen Platz – um so mehr aber die Frage nach der Wahrheit. Denn daß die Wissenschaft nach der Wahrheit und nach nichts anderem fragt, ist uns allen, die wir Wissenschaft treiben, eine unabdingbare Überzeugung.“ (Wilhelm Kamlah) 2 „Die Frage nach der Wahrheit, eines der wichtigsten und schwierigsten Probleme der Theologie wie des menschlichen Denkens überhaupt, ist in der Geschichte des Denkens in immer neuen Anläufen bearbeitet worden.“ (Christoph Schwöbel) 3 „Mit dem Thema der Wahrheit haben wir eines der schwierigsten, aber auch eines der entscheidenden Themen der Theologie als Wissenschaft […] berührt.“ (Martin Leiner) 4 „The question about the truth of Christian claims is assuredly not the only important question, but it is, in my view, the first question to ask.“ (Christiaan Mostert) 5

1 2 3 4 5

M. Claudius, An meinen Sohn Johannes, 3 (ohne Seitenzählung). W. Kamlah, Wissenschaft, Wahrheit, Existenz, 9. Chr. Schwöbel, Art. Wahrheit, 283. M. Leiner, Methodischer Leitfaden Systematische Theologie und Religionsphilosophie, 48. So auch schon Chr. Mostert (God and the Future, xi–xii) im Anschluss an W. Pannenberg. Er würdigt, dass Pannenberg der Wahrheitsfrage derartige Beachtung schenkt (vgl. a. a. O., xii): „Pannenberg’s theology exemplifies the way this question can become a significant part of constructive (systematic) theology.“

6

Motti

„Die Wahrheit ist ein derart schwieriges Problem, daß die meisten in ihr keines sehen.“ (Friedrich Dürrenmatt) 6 „Wahrheit kann gar nicht als solche erfasst werden ohne den Anspruch auf allgemeine Geltung.“ (Wolfhart Pannenberg) 7 „Meine Wahrheit kann nicht nur die meine sein. Wenn sie nicht zumindest grundsätzlich als Wahrheit für alle behauptet werden kann – obwohl das vielleicht kaum jemand sonst zu sehen vermag – dann hört sie unweigerlich auch für mich auf, Wahrheit zu sein.“ (Wolfhart Pannenberg) 8 „Die christliche Theologie würde ihren spezifischen Inhalt und vor allem das damit verbundene Wahrheitsbewußtsein verlieren, wenn sie dem Rat Heideggers folgen würde, im Bereich des Denkens von Gott zu schweigen.“ (Wolfhart Pannenberg) 9

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F. Dürrenmatt, Turmbau. Stoffe IV–IX, 88. W. Pannenberg, Beiträge zur Ethik, 120. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 60. W. Pannenberg, Metaphysik und Gottesgedanke, 13.

Inhalt

Motti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Anlass, Ziel und Zweck dieser Abhandlung . . . . . . . . . . . . . 1.1.1 Warum Pannenbergs Wahrheitskonzeption? . . . . . . . . .

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2. Wahrheit, Wahrheitsbegriff und Wahrheitsterminologie . . . . . . . . 2.1 Terminologische Differenzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Zum Phänomen Wahrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Zu den Phänomenen Wahrheit, Gewissheit und Evidenz . . . 2.2 Vorüberlegungen: Das Phänomen Wahrheit und seine wissenschaftliche wie auch alltägliche Präsenz und Relevanz . . . . 2.2.1 Wahrheit in Philosophie, Theologie, den Wissenschaften und im Alltag – einführende Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Das Phänomen ‚Wahrheit‘ – hartnäckig, allgegenwärtig und immun gegenüber jedweden Redefinitionsbestrebungen . . . 2.2.3 Das intuitive Wahrheitsverständnis des common sense und der semantisch-ontologische Wahrheitsbegriff . . . . . . . . . 2.2.4 Zur Kritik der Kritik der Korrespondenztheorie: Korrespondenz und die Kontroll-/Verifizierungsproblematik .

39 39 39 62

3. Wolfhart Pannenbergs Wahrheitskonzeption . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Problemanzeige: Bisherige Bestimmungen seines Wahrheitsverständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Die Wahrheitsfrage bei Pannenberg: Wonach fragt die Frage nach Wahrheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Zur Problematik der Wahrheitsfrage in „Was ist Wahrheit?“ .

99

70 71 75 77 94

99 111 112

8

Inhalt

3.2.2 Analyse: Zum Spektrum der Wahrheitsfrage in der Interpretation Pannenbergs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Die Attribute der Wahrheit und die Frage nach dem (formalen) Wahrheitsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Die Einheit der Wahrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Die Allgemeinheit der Wahrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3 Die Objektivität und Intersubjektivität der Wahrheit . . . . . 3.3.4 Die Ökumenizität und Katholizität der Wahrheit . . . . . . . 3.3.5 Die Geschichtlichkeit der Wahrheit . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.6 Die Göttlichkeit und Absolutheit der Wahrheit . . . . . . . . . 3.4 Wahrheitstheoretische Bestimmungen des (formalen) Wahrheitsbegriffs und Wahrheitskriteriologie: Pannenberg und die modernen philosophischen Wahrheitstheorien . . . . . . . . . . . 3.4.1 Überblicksartige Bemerkungen zur Einführung . . . . . . . . 3.4.2 Korrespondenz und die Korrespondenztheorie der Wahrheit . 3.4.3 Konsensus und die Konsensustheorie der Wahrheit . . . . . . 3.4.4 Kohärenz und die Kohärenztheorie der Wahrheit . . . . . . . 3.5 Äquivokationen und das Problem der Gleichzeitigkeit verschiedener (formaler) Wahrheitsbegriffe . . . . . . . . . . . . .

116 124 125 125 176 215 231 241 327

347 347 356 563 608 779 791

4. Gesamtfazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Was ist Wahrheit bei Wolfhart Pannenberg? Zusammenfassende Bemerkungen und evaluativer Ausblick zur Verortung seiner elaborierten Wahrheitskonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Pannenberg und der postfoundationalism – abschließende Würdigung seiner Wahrheitskonzeption vor dem Hintergrund einer neueren theologischen Rationalität . . . . . . . . . . . . . . .

791

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forschungsliteratur und weitere Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . .

815 815 830

Autorenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort

Wolfhart Pannenberg bin ich nie begegnet. Sein Denken entnahm ich seinen Schriften und zahlreichen Beiträgen der sog. Sekundärliteratur. Begeistert von seiner vernünftigen Theologie wurde er mir auf lange Sicht ein theologischer Lehrer. Mir imponiert vieles von dem, was er geschrieben hat. Einige Gedanken und Thesen teile ich. Und mit manchem, was auch zu seinem Werk zählt, bin ich nicht einverstanden. Ist das schlimm oder einfach nur menschlich? In der Ärzteschaft kursiert ein witziger Spruch: „Wenn zwei Ärzte derselben Meinung sind, dann ist einer davon überhaupt kein Arzt.“ (zit. nach: K. Tucholsky, Dürfen darf man alles. Lebensweiten – ausgewählt und hg. v. G. Stolzenberger, München 32009) Das Geschäft der Theologie scheint mir ganz ähnlich darin zu bestehen, dass um Meinungen, Perspektiven und Positionen gerungen wird. Während meiner Arbeit an dieser Studie kam ich mit mehreren Menschen über Wahrheit sowie über meine Arbeit über Wahrheit ins Gespräch – im systematischtheologischen Doktorandenkolloquium, anlässlich eines vereinbarten Gesprächstermins oder auch zwischen „Tür und Angel“. Allen solchen kommunikativen Begegnungen – insbesondere denen mit Herrn Prof. Dr. Walter Dietz, Frau Prof. Dr. Christiane Tietz, Herrn Prof. Dr. Christof Landmesser, Herrn Prof. Dr. Notger Slenczka, Herrn Prof. Dr. Jörg Lauster, Herrn Prof. em. Dr. Dr. h.c. Gunther Wenz, Herrn Prof. Dr. Stephan Weyer-Menkhoff, Herrn Apl. Prof. Dr. Albrecht Scriba, Herrn Prof. em. Dr. Friedrich Beißer, Herrn Pfarrer i.R. Dr. Dr. Klaus Harms und Herrn Dr. Dr. Norbert Jacoby – verdanke ich viele wichtige Hinweise, Gedanken und Einsichten. Als Experten ihres jeweiligen theologischen Fachgebietes haben mir meine Gesprächspartner ihre Sicht der Dinge dargelegt. Und ich habe mich daraufhin gefragt, wie sich in Bezug auf diese Sichtweisen meine Sicht verhält oder verhalten könnte. So unterschiedlich das Gesagte und Gedachte im Einzelfall einer Unterredung auch gewesen sein mag: alle Gesprächspartner ermutigten mich, die Arbeit an diesem Projekt aufzunehmen bzw. voranzubringen. Starten konnte ich mein Projekt durch ein Stipendium. Die Hessische Lutherstiftung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau förderte dankens-

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Vorwort

werterweise die erste Phase und gewährte nach Abschluss der Arbeiten einen großzügigen Druckkostenzuschuss – der EKHN sei Dank! Das Ergebnis – das vorliegende Buch – ist eine gekürzte Fassung der im Mai 2015 an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz eingereichten Dissertation. Am dortigen Seminar für Systematische Theologie und Sozialethik lehrt Herr Prof. Dr. Walter Dietz, dem ich in besonderer Weise zu Dank verpflichtet bin. Er betreute geduldig den langen Prozess der Entstehung dieser Arbeit – nicht ohne mir wichtige Impulse mitzugeben, die er selbst „aus erster Hand“ gewonnen hatte aus seiner Zusammenarbeit mit Wolfhart Pannenberg in München. Weil Herr Dietz mir seinerzeit eine Mitarbeiterstelle an seinem Lehrstuhl anbot, konnte ich meinem Forschen unter sehr passenden Rahmenbedingungen weiter nachgehen. Durch gemeinsame Lehrveranstaltungen an der Fakultät lernte ich viel, ganz besonders, das eigene hochspezialisierte Fragen nach Wahrheit im Horizont des größeren theologischen Gesamtkosmos wahrzunehmen. Ich danke Herrn Prof. Dr. Michael Roth nicht nur für die Erstellung des Zweitgutachtens, sondern auch für gute Gespräche und heitere Diskussionsbeiträge in der inzwischen von ihm gemeinsam mit Herrn Dietz geleiteten systematisch-theologischen Sozietät. Frau Prof. Christine Axt-Piscalar, Herrn Prof. David Fergusson und Frau Prof. Christiane Tietz danke ich sehr für die Aufnahme meiner Studie in die Reihe FSÖTh. Der Universität danke ich sehr herzlich dafür, dass sie meine Dissertation mit dem Preis der Johannes Gutenberg-Universität Mainz für das Jahr 2016 ausgezeichnet hat. Herrn Moritz Reissing gilt mein Dank für die zielführende Begleitung des Drucklegungsprozesses. Widmen möchte ich dieses Buch meinen Eltern, meiner Frau Marlene und meinem Sohn Jan-Linus. Sie haben mich immer unterstützt und erlebt, was es heißt, über längere Zeit für ein großes Projekt (am Schreibtisch) zu arbeiten. Idstein im April 2017

Thorsten Leppek

1.

Einleitung

1.1

Anlass, Ziel und Zweck dieser Abhandlung

Es geht in dieser Arbeit um die umfassende, d. h. systematisch-kritische und zugleich aber auch intentional konstruktive Aufarbeitung des Wahrheitsverständnisses des Münchener Systematikers Wolfhart Pannenberg1.

1.1.1 Warum Pannenbergs Wahrheitskonzeption? Eine erste und umfassende Rekonstruktion seines Wahrheitsverständnisses in kritisch-konstruktiver Perspektive erscheint mir seit Längerem als ein Desiderat im Gesamtzusammenhang des stets voranschreitenden theologisch-philosophischen Wahrheitsdiskurses. Daneben spricht für eine Beschäftigung mit Pannenbergs Wahrheitsverständnis dessen elaborierte Gestalt und die spezifische Eigenart seiner Theologie, die Wahrheitsthematik in den Mittelpunkt gerückt und rational bearbeitet zu haben. 1.1.1.1 Rationale Theologie mit Wahrheitsfokus „He offers a quite different proposal, focusing attention again on the classical quest for ultimate truth in the midst of the contemporary, post-Enlightenment situation.“2

1 Nicht gehen kann es hier um eine Aufarbeitung der Wahrheitsthematik innerhalb seiner gesamten Theologie. Auf thematische Verschränkungen der Wahrheitsfrage mit Teilen seiner Theologie wird hier nur dann eingegangen, wenn der Horizont seines Denkens im Zusammenhang mit der Klärung seiner Wahrheitskonzeption steht. 2 S.J. Grenz, Wolfhart Pannenberg: Reason, Hope and Transcendence, 87.

12

Einleitung

Pannenbergs Theologie im Ganzen besticht durch ein hohes intellektuelles Niveau3 und fasziniert durch eine aufrichtig-ernste Rationalität4, die in ihren Ausprägungen so bewundernswert5 wie eigentümlich ist. 3 Siehe auch die Einschätzung von R.J. Neuhauss aus dem Jahre 1969, die kaum an Aktualität eingebüßt haben dürfte: „It is in fact hard to imagine a more emphatically intellectual path to Christian affirmation than the one travelled by Pannenberg“ (R.J. Neuhaus, in: W. Pannenberg, Theology and the Kingdom of God, 15). D. McKenzie ist der Meinung, dass „the most impressive characteristics of Pannenberg’s thought are its comprehensiveness, its intellectual honesty, and its directedness and insightfulness. He never immunizes his claims with an appeal to faith“ (D. McKenzie, Wolfhart Pannenberg & Religious Philosophy, 145) – was ich persönlich faszinierend finde. Das gilt schon für seine Theologie im Ganzen, die von D.H. Olive zu Recht als „highly complex and sophisticated“ bezeichnet worden ist (D.H. Olive, Wolfhart Pannenberg, 11). Die Faszination an Pannenbergs Theologie dürfte mit ein Grund für die zahllosen Dissertationen über Pannenberg sein. Als ausdrücklich „fascinating“ hat etwa D. McKenzie das theologische Werk Pannenbergs gewürdigt. Siehe D. McKenzie, Wolfhart Pannenberg & Religious Philosophy, 6. 4 D.H. Olive urteilte: „The world of Wolfhart Pannenberg is a rational world.“ Das zeigt auch der sein Denken kennzeichnende intellektuelle Zugang zum christlichen Glauben (so treffend erkannt von Richard J. Neuhaus, Wolfhart Pannenberg: Profile of a Theologian, in: W. Pannenberg, Theology and the Kingdom of God, 15). Neuhaus meint sogar, dass ein ‚more emphatically intellectual path‘ als derjenige Pannenbergs kaum vorstellbar ist. James M. Robinson hat sicher Recht: „Pannenbergs eigener Weg zum Christentum war mehr ein Weg rationaler Reflektion als ein Weg christlicher Erziehung oder der einer Bekehrungserfahrung gewesen.“ (J.M. Robinson, Offenbarung als Wort und als Geschichte, 22 Anm. 26). Trotz allem darf m. E. doch nicht übersehen werden, dass Pannenbergs rationaler Theologie eine höchst emotionale Begebenheit vorausgegangen ist. Siehe dazu S.J. Grenz, Reason for Hope, 55 Anm. 81: Grenz spricht von einer „nonrational religious experience he had at age sixteen“ (Siehe zu diesem für Pannenberg prägenden Erlebnis auch W. Pannenberg, God’s Presence in History, 260–263 u. W. Pannenberg, An Autobiographical Sketch, 12). Es geht um Folgendes: Pannenberg hatte in seiner Jugend so etwas wie sein persönliches ‚Damaskus‘-Erlebnis, das ihn nachhaltig prägen sollte. Es war an einem 6. Januar, als Pannenberg den Rückweg von der Klavierstunde in Ostbrandenburg antrat und sein Weg ihn durch Felder und Wälder führte. Pannenberg schildert das Widerfahrnis folgendermaßen: „Es war ein Sonnenuntergang. Ich hatte das Gefühl, daß plötzlich die Differenz zwischen mir selbst und der Sonne verschwand, und ich ganz von diesem Sonnenball einbezogen wurde. Es dauerte eine kleine Ewigkeit. Dann war es vorbei. Ich war 16 Jahre alt. Was hatte das zu bedeuten? Ich wußte es nicht. Ich hatte das Gefühl, daß ich berufen war, aber ich wußte noch nicht wozu.“ (W. Pannenberg, Glaube, Vernunft und die Zukunft des Christentums. Ein Gespräch mit Wolfhart Pannenberg, 16). Pannenberg erklärt, er habe „[e]ine Öffnung für das unbekannte metaphysische Geheimnis“ erfahren, die er später in Karl Rahners Rede vom göttlichen Geheimnis wiedergefunden zu haben glaubt (ebd.). Zur Bedeutung von Karl Rahners Bezeichnung Gottes als „Geheimnis der Wirklichkeit“ in dessen „Grundkurs des Glaubens“ vgl. auch das Interview: W. Pannenberg, Wie von Gott reden? Ein Gespräch mit Professor Wolfhart Pannenberg, 184. Siehe auch den knappen Hinweis zu seinem ihn nachhaltig prägenden Erlebnis in W. Pannenberg, An intellectual Pilgrimage, 149 sowie die Darstellung bei T. Peters, Wolfhart Pannenberg, 363. Kurt Koch (Der Gott der Geschichte, 42) sieht sogar eine Parallele zwischen Pannenberg und Augustin: „Wie Pannenberg, aus dem Nihilismus herkommend, durch ein Lichterlebnis und auf dem Weg der Auseinandersetzung mit dem philosophischen und theologischen Denken zur Wahrheit des christlichen Glaubens fand, so wandte sich Augustinus nach seiner Abkehr vom Manichäismus zunächst der Skepsis der sogenannten Akademie“ zu. Entgegen einem verbreiteten Vorurteil

Anlass, Ziel und Zweck dieser Abhandlung

13

Pannenbergs Sympathien für eine rationale Theologie treten in seinen Publikationen unverstellt zu Tage. Sie prägen seine durch und durch an der Universität angesiedelte Theologie6. Doch Pannenberg zählte gerade wegen der rationalen Ausrichtung seines Ansatzes sicher nicht zu den beliebtesten Theologen des 20. Jahrhunderts7, was (zumindest oberflächlich betrachtet) eher gegen als für heißt Rationalität nicht Begrenzung auf eine theoretische/akademische Ebene oder Desinteresse am konkreten Leben (vgl. zu dieser Meinung auch D.H. Olive, Wolfhart Pannenberg, 15f). Man kann sogar u. U. fragen, ob diese (m. E. scheinbar als eine vocatio interna? zu deutende) Begebenheit die für Pannenbergs Theologie charakteristische Konzentration auf die Wahrheitsthematik bewirkte, wie T. Peters zu glauben scheint: „This nascent faith grew to express itself in the pursuit of truth through theology“ (ebd.). Vgl. Auch folgende Einschätzung von Peters: „The pursuit of truth through theology has been the way that faith has expressed itself.“ (T. Peters, The Systematic Theology of Wolfhart Pannenberg, 123). 5 Siehe dazu auch die Bemerkung von Chr. Schwöbel (Rational Theology in Trinitarian Perspective: Wolfhart Pannenberg’s Systematic Theology, 526): „Many readers will feel admiration for Pannenberg’s commitment to a rational defense of the truth claims of Christian doctrine“. 6 Ich teile mit Pannenberg grundsätzlich die Wertschätzung für Rationalität im universitären und wissenschaftlichen Betrieb. Man denke hier etwa nur an Pannenbergs Appell, es möge an der Uni vernünftig zugehen, und an seine Enttäuschung darüber, dass dies bedauerlicherweise aber nicht immer der Fall ist. Es gibt s.E. nicht nur unvernünftige Projekte und Lehrende, die ein unverünftiges Verhalten an den Tag legen, sondern auch „unvernünftige Studenten“ (W. Pannenberg, Gegenwart Gottes. Predigten, 154). Ich meine insbesondere mit Pannenberg darin übereinzustimmen, dass Rationaliät ein erstrebenswerter Wert an sich ist – gerade gegen immer wieder geltend gemachte Irrationalismen. Denn: „Man erwirbt das Recht, irrationalistisch zu sein, nur um den Preis, daß man auf das Recht zu kritisieren verzichtet“ (So Pannenberg mit einer Bemerkung von W.W. Bartley [Flucht ins Engagement, 111] in W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 47.) Pannenbergs theologische Rationalität ist nicht selten kritisiert worden. J.A. Stewart (Reconstructing Science and Theology in Postmodernity, 88) etwa meint: „Rationality leaves out or excludes the hidden power of emotion, the faithfulness of love, the gestalt of art, poetry and music, the ethical dimension of reality. Rationality alone can include explanations and defences of abuse. The high value Pannenberg gives to rationality is foundational for his conception of the human and the relation of the human to the divine, and I shall conclude that he puts too much faith in it, and leaves out the processes of love.“ Ich kann allerdings nicht erkennen, inwiefern aus dieser Kritik ein ernstzunehmendes Argument gegen eine rationale Theologie abgeleitet werden kann. 7 Pannenberg selbst stellt dies fest und verleiht bereits 1974 seiner (m. E. zutreffenden) Einschätzung entsprechend Ausdruck, dass dies aufs Ganze gesehen mit der rationalen Ausrichtung seiner Theologie zusammenhängt: „I am not the most popular theologian in Germany. I am found guilty for referring to reason.“ (So Pannenberg im TIME Magazine March 8 [1976], Bd. 107, No. 10, 76). Pannenberg ist sich bewusst – wie ein Interview (M. Bauman, W. Pannenberg, Wolfhart Pannenberg, Munich, West Germany) belegt –, dass der rationale Charakter seiner Theologie nicht nur Befürworter findet (a.a.O, 52f), sondern auch die Zahl derer mindert, die seinem Werk mit Wertschätzung begegnen. Pannenberg nimmt wahr, dass der rationale Charakter „limits the number of those who will appreciate what I am trying to do.“ (a. a. O., 53). „The other direction of the accusation of rationalism arises out of Pannenberg’s focus on rational inquiry as the central, if not the only, arbiter of truth. To this critique, which lies at the heart of the differences between Pannenberg and his opponents regarding the issue of faith and reason […], three preliminary considerations can be offered. First, Pannenberg recoils from the irrationality of the present age and identifies subjectivism as

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Einleitung

eine Auseinandersetzung mit Pannenbergs Wahrheitskonzeption spräche. Andererseits gehörte Pannenberg zweifelsohne zu den herausragenden Theologen dieses jüngst vergangenen Jahrhunderts8 und genoss internationale Anerkenan unfortunate attempt to shield faith from rational scrutiny. This forms an important challenge to many forms of contemporary theology.“ (S.J. Grenz, Reason for Hope, 40). S.J. Grenz spricht von einem „thoroughgoing rationalism“. Siehe dazu S.J. Grenz, The Irrelevancy of Theology: Pannenberg and the Quest for Truth, 310: Grenz hätte gerne der „idea of mystery and the place of the community of faith“ im Rahmen der Theologie mehr Bedeutung beigemessen gesehen; siehe zum Rationalismus Pannenbergs auch S.J. Grenz, Pannenberg and Evangelical Theology: Sympathy and Caution, 285. P. Warin (Le Chemin de la Théologie chez Wolfhart Pannenberg, 12ff) interpertiert Pannenbergs Theologie als eine rundweg rationale Theologie. Donald G. Bloesch erkennt bei Pannenberg einen „rationalizing thrust“, neben einem „respect for mystery and transcendence“ (Siehe dazu Donald G. Bloesch, There’s More to Church than Proclamation. Wolfhart Pannenberg’s sacramental theology, 70). Rory A. A. Hinton spricht von einem „overtly rational character“ hinsichtlich seines theologischen Ansatzes, den es zu korrigieren gelte. (R. A. A. Hinton, III. Pannenberg on the Truth of Christian Discourse: A Logical Response, 317.) Sicher nicht zutreffend ist dagegen die von D. McKenzie 1977 vorgetragene Einschätzung, Pannenbergs „primary purpose“ sei es, „to realize [the] Hegelian ideal of a rational religion.“ (D. McKenzie, The Rational Theology of Wolfhart Pannenberg, 122). Pannenberg ist, wie er selbst erklärte, kein Hegelianer: „I am not a Hegelian. I just happen to think that Hegel was one of the outstanding minds in the history of modern thought, one whose work sets a high standard for us to follow. That is why I believe that theology after Hegel should strive to rise to his level of sophistication and rigor. But very few of my ideas did I actually get from Hegel – very few. I feel much more closely related and indebted to thinkers other than Hegel. His ideas, for example, are not as good as those of Wilhelm Dilthey, to whose assumptions in the area of hermeneutics I am indebted.“ (M. Bauman, W. Pannenberg, Wolfhart Pannenberg, Munich, West Germany [Interview], 48). Hinsichtlich Pannenbergs Theologie merkt S.J. Grenz an, „the appeal to reason cannot be separated from the task of theology, for at least in part theology is the rational reflection on faith.“ (S.J. Grenz, Reason for Hope, 40). S.J. Grenz (Pannenberg and Evangelical Theology: Sympathy and Caution, 285) notiert des Weiteren über Pannenbergs Programm und dessen Rationalität: „Pannenberg believes – and at this point he seemingly overstates his case – that in the public testing of ideas, a rational delineation of the Christian faith, more so than personal piety, is the chief weapon of the church.“ Sein Interesse an „rational, critical investigation“ (so Pannenberg im Interview: M. Bauman, W. Pannenberg, Wolfhart Pannenberg, Munich, West Germany, 51) durchzieht sein gesamtes Werk. Vgl. dazu schon die Bemerkung von B. Burkhardt, Art. Pannenberg, 272: Burkhardt erläutert dort, Pannenberg gehe es u. a. darum, „der Theologie zu einem geklärten Selbstverständnis zu verhelfen […] hinsichtlich der rationalen Ausweisbarkeit ihres Wahrheitsanspruchs“. Mit Recht merkt Burkhardt ebd. an, dass dieses Bestreben ausdrücklich gegen die verschiedenen Spielarten des Glaubenssubjektivismus gerichtet ist. Der vergleichsweise geringe Beliebtheitsgrad seiner Theologie dürfte sicher auch mit daran begründet liegen, dass seine Theologie als eine „von kirchlichen Tagesinteressen durchaus distanzierte Theorie“ gelten kann (so nicht ganz zu Unrecht M. Hailer, Warum Theologie ein positionelles Geschäft ist – Vorüberlegung zur Systematischen Theologie, 216). 8 Siehe dazu Chr. Schwöbel (Wolfhart Pannenberg, 259), der konstatiert, Pannenberg sei „today at least as widely recognized as a leading contemporary theologian in the United States as in Germany.“ S.J. Grenz ist der Meinung: „Rather, he must be included among the most creative thinkers of the twentieth century, and his program has continued to influence the theological conversation not only in Germany and North America, but throughout the world.“ (S.J. Grenz, Reason for Hope, 2) Vgl. auch T. Peters, Wolfhart Pannenberg, 363: „One of the most so-

Anlass, Ziel und Zweck dieser Abhandlung

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nung9 für seine zahlreichen substanziellen theologischen Beiträge10. Hinsichtlich der theologischen Auseinandersetzung mit der Wahrheitsproblematik kommt

phisticated and complex theological visions of the last half of the twentieth century has emerged in the systematic theology of Wolfhart Pannenberg.“ Im Anschluss an Chr. Schwöbel siehe auch J. Kunath, „Sein beim Anderen“. Der Begriff der Perspektive in der Theologie Wolfhart Pannenbergs, (Klappentext); bei S.J. Grenz (Pannenberg and Evangelical Theology: Sympathy and Caution, 272 Anm. [nicht nummeriert]) ist notiert: „For some time Wolfhart Pannenberg has been recognized as one of the world’s leading theologians“. Chr. Mostert (God and the Future, 238) meint: „It is likely that he will be recognised as one of the great teachers and defenders of the Christian faith of the twentieth century.“ J.A. Stewart (Reconstructing Science and Theology in Postmodernity, 2) hebt hervor, dass Pannenberg unter den Theologen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts herausragt: Sie hebt hervor, „Pannenberg can be distinguished from other major theologians of the second half of the twentieth century by the intellectual seriousness with which he treats the natural and social sciences.“ Dazu passt die Einschätzung von Richard Rice: “Indeed, Pannenberg’s offering is arguably the most impressive systematic theology to emerge during the last quarter century. Other influential theologians, such as Jürgen Moltmann and Eberhard Jungel [sic!], have produced noteworthy studies on various doctrinal themes, but no one in Pannenberg’s league has produced a full-fledged system, an integrated presentation that encompasses the entire scope of Christian faith.“ (R. Rice, Wolfhart Pannenberg’s Crowning Achievement: A Review of His Systematic Theology, 55) R.A. Klein hielt vor nicht allzu langer Zeit fest, dass „Wolfhart Pannenberg zu den bekanntesten deutschsprachigen Theologen der Gegenwart“ zählt (R.A. Klein, Wolfhart Pannenberg: Systematische Theologie I–III, 267; siehe auch besonders zu Rezeption und Wirkungen a. a. O., 279f). Dass die theologische Auseinandersetzung mit Pannenbergs Denken nicht in der Breite erfolgt ist, wie dies vielleicht zu erwarten oder zu wünschen gewesen wäre, könnte – will man Th. Waap Glauben schenken – mit der eher dürftigen Wirkung seiner Systematischen Theologie (in drei Bänden) begründet liegen, von „deren langen Schatten“ (Gottebenbildlichkeit und Identität, 30) er spricht. Global betrachtet ergibt sich ein anderes Bild, durchaus das Bild einer breiten Rezeption. Zudem stieß Pannenbergs Werk insbesondere auf katholischer Seite auf positive bzw. positivere Resonanz. Vgl. dazu etwa A. Lange, Religion als Weltbemächtigung, 8 Anm. 1; Th. Waap, Gottebenbildlichkeit und Identität, 323 Anm. 3; ferner R.A. Klein, Wolfhart Pannenberg: Systematische Theologie I–III, 280: Sie nennt als Beispiele K. Koch, Der Gott der Geschichte (1988), S. Greiner, Die Theologie Wolfhart Pannenbergs (1988) sowie – (kritisch[er]) – A. Gläßer, Verweigerte Partnerschaft?(1991) und A. Kendel, Geschichte, Antizipation und Auferstehung (1999). Die herausragende Bedeutung Pannenbergs für die Theologie (wenigstens) im 20. Jahrhundert scheint zunehmend erkannt zu werden. Dass dies (verständlicherweise) nicht schon früher gesehen wurde, zeigt auf eindrückliche Weise etwa die Einschätzung von A.D. Galloway (Wolfhart Pannenberg, 133) aus dem Jahre 1973: Bei aller Wertschätzung für seine „remarkably fresh and original achievements in theology“ und der Berücksichtigung seines damals jungen Alters meinte Galloway, dass mit Pannenbergs theologischem Programm „the end of the age of the great ‚prima donnas‘ in theology“ eingeläutet werde, ein Ende „[of] the age of the multivolume monograph in which a whole system of theology was elaborated as the achievement of an individual.“ 9 So etwa auch José Sánchez de Murillo im Interview mit Pannenberg. Vgl. W. Pannenberg, Glaube, Vernunft und die Zukunft des Christentums. Ein Gespräch mit Wolfhart Pannenberg, 15. 10 So wird etwa festgestellt, dass Pannenberg „‘is fairly widely recognized to have published more substantive work in theology in the past decade’ than any other Protestant. . .“. (Siehe

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Einleitung

seiner Theologie sogar ein Sonderstatus zu: Es ist nicht gerade ein Geheimnis, dass die Wahrheitsthematik im Werk des Münchener Systematikers Wolfhart Pannenberg eine zentrale Rolle einnimmt – und das über die Jahrzehnte seines theologischen Schaffens hinweg11. „Kein evangelischer Theologe hat die Notwendigkeit der Wahrheitsfrage in der deutschen Diskussion der letzten Jahrzehnte so sehr betont wie Wolfhart Pannenberg.“12. Pannenberg konzipierte eine wahrheitszentrierte Theologie, die sich so sehr deutlich unterscheidet von bestimmten, im Wirkungsbereich der sog. Postmoderne entwickelten Entwürfen, die geradezu eine Abkehr von der Wahrheitsthematik erkennen lassen. Sollte Pannenbergs Fokussieren der Wahrheitsthematik seinen Grund im Kern darin haben, dass mit dem christlichen Glauben selbst schon ein Wahrheitsinteresse verbunden ist? 13 Einerseits hat Pannenbergs vorrangige Ausrichtung der Theologie auf das Wahrheitsstreben (“pursuit of truth“) durchaus Anklang gefunden (vgl. oben die Motti), andererseits ist er – wie William C. Placher, S.J. Grenz u. F. LeRon Shults zu berichten wissen – dafür kritisiert worden, sich den postmodernen Herausforderungen traditioneller Konzeptionen von Rationalität und Wahrheit nicht gestellt zu haben14 oder dafür, die Wahrheitsfrage überhaupt zu stellen15. Sie wird

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dazu W. Pannenberg, The Historicity of the Resurrection. The Identity of Christ (The Intellectuals Speak Out About God [INTERVIEW], 257). Das lässt sich belegen an der Vielzahl seiner Publikationen. Für Pannenberg ist die Wahrheitsfrage nicht erst dann Gegenstand des Interesses geworden, als sie von Philosophie und Theologie gegen Ende des 20. Jahrhunderts verstärkt wiederentdeckt wurde. Ungeachtet zeitweiliger Tendenzen zu einer allgemeinen „Wahrheitsvergessenheit in der systematischen Theologie“ (W. Kasper, Das Wahrheitsverständnis der Theologie, 171) und auch der Philosophie (vgl. dazu noch die Einleitung in A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 3ff) hat Pannenberg seit den 1960er Jahren die Frage nach der Wahrheit des christlichen Glaubens wiederholt als zentrales Thema ausgewiesen. In seiner „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ (1988–1993) wird die Wahrheitsfrage dann zu einem, wenn nicht dem systematisch-theologischen Leitmotiv überhaupt. Vgl. insbes. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I (1988) sowie das Vorwort in Bd. II (1991). So das m. E. zutreffende Urteil M. Leiners (Methodischer Leitfaden Systematische Theologie und Religionsphilosophie, 49). Die wahrheitszentrierte Ausrichtung der Theologie Pannenbergs würdigt er: „Zunächst einmal ist das Verdienst dieser nicht selten missverstandenen und kritisierten Ausführungen Pannenbergs hervorzuheben. Es gehört zur Aufgabe der Systematischen Theologie nicht nur christliche, sondern wahre Aussagen zu machen. Menschen orientieren ihr Glauben und Leben an ihr. Durch falsche Orientierungen kann es zu verheerenden Fehlentscheidungen im eigenen Leben kommen. […] Deshalb muss sie [= die Theologie] sich der Wahrheitsfrage intensiv und ohne Vorbehalte stellen.“ (a. a. O., 50f). Pannenberg schreibt: „Das subjektive Interesse des einzelnen an den Fragen der christlichen Lehre ist meistens schon darin verwurzelt, daß der christliche Glaube als solcher ein unveräußerliches Interesse an der Wahrheit der christlichen Botschaft und der christlichen Lehrüberlieferung hat [kursiv: T. L.]. Der Christ, der Theologie treibt, hat sich durch den Glauben schon eingelassen auf die Wahrheit der Botschaft [kursiv: T. L.], bevor er sich ihrer theologischen Untersuchung zuwendet.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 60). Vgl. die Bemerkungen von F. LeRon Shults, The Postfoundationalist Task of Theology, 1ff.

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von Manchen seiner Kritiker als anachronistisches Unternehmen verstanden. Sie könne in unserer heutigen von sämtlichen Nöten geplagten Welt als eine, gelinde gesagt, eher nachrangige Frage verstanden werden16. Hinzu kommt: „His overriding concern for the question of truth may appear to be an anomaly in an age in which the presence of competing truth claims has resulted in a mass movement into private enclaves of individualized, or even collectivized but always subjective attempts to gain meaning for human life.“17 Im krassen Gegensatz dazu und von solchem Zeitgeist unbeirrt, behielt Pannenberg die Wahrheitsthematik interessiert im Blick. Er verstand die Theologie als universitäre, der Wahrheitsfrage verpflichtete Wissenschaft18. Er konnte

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Siehe auch F. LeRon Shults, A Theology of Everything? Evaluating Pannenberg’s Interdisciplinary Method – Review Essay, 155f. Siehe ggf. etwa auch die Bemerkungen von A. Hollweg (Aus der Kirchengeschichte lernen. Eine Erwiderung auf Wolfhart Pannenberg, 481), der der Ansicht ist, Pannenberg habe „die Postmoderne ins Kreuzfeuer“ genommen. Hollweg kritisiert jedoch Pannenbergs Kritik der Postmoderne. Die von Pannenberg hoch geschätzte europäische Geistesgeschichte habe zu leeren ‚Begriffswahrheiten‘ einer den jeweiligen konkreten geschichtlich-empirischen Kontexten enthobenen, von Hollweg abschätzig als ideell titulierten Welt geführt. Dem entgegen will Hollweg den „geschichtlich-soziale[n] Kontext christlicher Glaubenswahrheit im Gespräch mit den Wissenschaften zur Geltung gebracht“ (ebd.) wissen. Siehe dazu S.J. Grenz, II. The Irrelevancy of Theology: Pannenberg and the Quest for Truth, 307: „[T]he aspect of Pannenberg’s work over which many thinkers this side of the Atlantic stumble is the German theologian’s concept of theology as the pursuit of truth.“ Das zeigt nach Meinung von Grenz auch die Rezension von W.C. Placher, Revealed to Reason: Theology as ‚Normal Science‘, 195. Man vgl. hierzu die Diagnose von Grenz: „In a world punctured by upheaval and crisis – racial riots, ozone depletion, and AIDS – who in our world really thinks that the pursuit of hard intellectual reflection concerning even the possibility of ultimate truth actually matters? Who even cares any more whether or not such truth is actually there to be pursued?“ (So S.J. Grenz, II. The Irrelevancy of Theology: Pannenberg and the Quest for Truth, 311.) Grenz selbst bleibt jedoch zuversichtlich, „that the classical theological project that thinkers like Pannenberg seek to embody is in the end neither passé nor irrelevant.“ (a. a. O., 311). Solchen Bedenken zum Trotz wird hier (u. a. im Anschluss an Grenz) die These vertreten, dass die Wahrheitsthematik nicht nur nicht irrelevant ist, sondern auch grundsätzlich nicht irrelevant werden kann – gerade auch angesichts konkret gelebten Lebens und der sich mit diesem ergebenden Herausforderungen sowie aufgrund des Bedürfnisses, sich darin zu orientieren. Mit Grenz urteile ich: „Pannenberg’s project stands as a lucid call to us not to become casualties of the contemporary stampede to sheer relativism or demonstrable relevancy – not to be prematurely cajoled into resigning from the dwindling ranks of those who are committed to the systematic-theological task. For what appears to be the irrelevancy of theology may in fact turn out to be its greatest relevancy – namely, keeping before academia, church, and society the age-old pursuit of truth, albeit understood as the pursuit of God in the midst of our existence in the world. Only that pursuit offers hope of discovering meaning, and hence relevancy, for our apparently meaningless and therefore irrelevant lives.“ (So S.J. Grenz, II. The Irrelevancy of Theology: Pannenberg and the Quest for Truth, 311). So S.J. Grenz (II. The Irrelevancy of Theology: Pannenberg and the Quest for Truth, 308). „Durchdrungen vom Glauben an Fortschritt der Wissenschaft und durch Wissenschaft hat er eine künftige, durch wissenschaftstheoretische Besinnung geläuterte, echt wissenschaftliche

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hierfür an den Nexus von (universitärer) Wissenschaft und Wahrheitssuche anknüpfen19. Die wahrheitszentrierte Ausrichtung seiner Theologie im Speziellen Theologie im Auge.“ (H. Kuhn, Die Theologie vor dem Tribunal der Wissenschaftstheorie, 266.) Kuhn meint allerdings auch, Pannenberg (wie auch K. Rahner) als „wissenschaftsgläubig“ einschätzen zu dürfen (vgl. a. a. O., 276). 19 „Für den deutschen Theologen Wolfhart Pannenberg hängt der Wahrheitsanspruch des Christentums eng mit der Behauptung zusammen, dass Theologie eine Wissenschaft sei.“ (So mit Recht Robert John Russell/ Kirk Wegter-McNelly, Die Verzahnung von Naturwissenschaft und Theologie, 59) Und in der Tat: Die Wissenschaft hat immer schon mit dem Thema Wahrheit zu tun. Siehe dazu exemplarisch K.R. Popper, Objektive Erkenntnis. Ein evolutionärer Entwurf, 44: „Unser Hauptziel in der Philosophie und Wissenschaft sollte die Suche nach Wahrheit sein.“ Zitiert nach Chr. Landmesser (Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 104 Anm. 8), der hier an Popper anschließt: „Die Frage nach der Wahrheit ist das sachlich gebotene movens einer jeden Wissenschaft.“ „Indeed, each science or discipline inquires in some way after truth. […] Truth is, for human communication and thus for every science […] a fundamental concept.“ (Chr. Landmesser, Truth in New Testament Science, 47) Zur Partizipation der Theologie an den universitären Bemühungen um Wahrheit siehe exemplarisch die Bemerkungen von T. Rachel, Die Stellung und Zukunft der theologischen Fakultäten aus politischer Perspektive, 30. Auch W. Kamlah, mit dem Pannenberg sich näher auseinandergesetzt hat, rückt die Wahrheitsfrage ins Zentrum der Wissenschaft: „Wo es um die Wissenschaft geht, haben romantische oder existentialistische Sensationen in der Tat keinen Platz – um so mehr aber die Frage nach der Wahrheit. Denn daß die Wissenschaft nach der Wahrheit und nach nichts anderem fragt, ist uns allen, die wir Wissenschaft treiben, eine unabdingbare Überzeugung.“ (W. Kamlah, Wissenschaft, Wahrheit, Existenz, 9). Der Einfluss Kamlahs speziell auf Pannenberg ist sicher nicht als gering einzustufen. Die Einschätzung von Jonathan P. Case, derzufolge Pannenbergs „concern for truth in the systematic task emerges from the crucible of the ongoing scientific and philosophical discussions on the nature of truth“ (The Death of Jesus and the Truth of the Triune God in Wolfhart Pannenberg and Eberhard Jüngel, 1) mag in Teilen richtig sein. Case kann darin zugestimmt werden, dass sich Pannenbergs Interesse an Wahrheit in seiner Partizipation am wissenschaftlichen Diskurs manifestiert. Man wird daraus allerdings nicht unbedingt ableiten dürfen, dass Pannenbergs Interesse an Wahrheit auf solche Diskussionen ursprunghaft zurückzuführen ist. Viel eher scheint mir Pannenbergs Thematisierung der Wahrheitsfrage ganz eng mit seinem tief verwurzelten Glauben und dem Bedürfnis zusammenzuhängen, dem biblischen Erbe und seinem Anliegen gerecht zu werden. Die von Pannenberg als fundamental eingestufte Bedeutung der Wahrheitsthematik innerhalb der Theologie ergibt sich allein schon daraus, dass das Streben nach Erkenntnis und damit auch das Streben nach Wahrheit für den universitären Wissenschaftsbetrieb überhaupt kennzeichnend ist (Zu dieser These vgl. W. Pannenberg, Freude des Glaubens. Predigten, 28ff). Die Universität ist für Pannenberg der ausgezeichnete Ort des Strebens nach Wahrheit: „Was könnte im Leben einer Universität wichtiger sein als der Geist der Wahrheit?“ (a. a. O., 28). „Erst recht gibt es in der Wissenschaft keine Erkenntnis und nicht einmal Behauptungen ohne den Anspruch auf Wahrheit.“ (ebd.). Gegen einen schon damals beobachtbaren Spezialisierungstrend propagiert Pannenberg ein Wissenschaftsverständnis, das Wissenschaft im Dienste der Wahrheit stehend begreift (vgl. a. a. O., 28f), also Lehrende und Lernende vereint im gemeinsamen Bemühen um Wahrheit. Als vorrangig klärungsbedürftig gelten ihm schon früh Wahrheitsfragen bei Urteilen, Meinungen, Aussagen und dergleichen. Er meint, dass die Urteilsbildung über Wahrheit und Richtigkeit in vielen, vielleicht sogar in allen Fällen begrenzt möglich sei, ja „vorläufig“ bleibe: „Die Richtigkeit von Aussagen kann man kontrollieren, die methodische Sauberkeit des Weges, der zu ihnen hinführt, nicht aber ihre

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hat Pannenberg insbesondere in seiner „Wi s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d T h e o l o g i e “ (1973) programmatisch entwickelt; sie ist später besonders deutlich in seiner dreibändigen „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ (1988–1993) als Leitmotiv erkennbar20. Die Theologie sieht Pannenberg zeitlebens mit einem „Ethos der Erkenntnis“ verbunden; er versteht sie vorrangig als „eine der Wahrheitsfrage verpflichtete Wissenschaft“21. Der Umgang mit der WahrheitsWahrheit.“ Die Folge sei „Resignation und Skepsis“ (a. a. O., 28). „Wahrheit erscheint darum manchen als ein allzu großes Wort“ (a. a. O., 28). 20 So erklärt Pannenberg etwa im Vorwort zum dritten Band seiner „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “, dass die „Frage nach der Wahrheit der christlichen Lehre […] das Leitthema der gesamten hier vorgelegten Darstellung bildet.“ Er dankt Gott dafür, dass er ihm „täglich neu die Kraft gegeben hat zur Arbeit an diesem Werk, dessen Werdegang sich durch die ganze Geschichte meines Studiums der Theologie und ihrer Behandlung in der akademischen Lehre hinzog und das dazu bestimmt ist, dem Ruhm seiner Herrlichkeit und Wahrheit zu dienen, soweit meine schwachen Kräfte es vermochten.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 12). 21 Die Wahrheitsfrage, nicht irgendwelche Ideologien oder bestimmte Interessen der Kirche, die sie aus spezifischen Praxiszusammenhängen heraus gewonnen haben mag, sind für Pannenberg entscheidend: Vgl. hierzu die aufschlussreichen Äußerungen Pannenbergs: „In der Tat ist es ja der immer wieder gegen die Theologie erhobene Vorwurf, daß es bei ihr nicht um vorurteilslose Erkenntnis der Wahrheit gehe, sondern um Ideologie im Interesse der Kirchen oder gar im Interesse einer herrschenden Gesellschaftsordnung. Die Geschichte der Theologie lehrt, daß Theologie ihr Ethos der Erkenntnis, als eine der Wahrheitsfrage verpflichtete Wissenschaft, immer wieder gegen derartige Interessen behaupten muß, darunter auch gegenüber dem pragmatischen Interesse der Kirchen an den Erfordernissen einer möglichst effektiven theologischen Ausbildung. Wo solche Interessen für das Selbstverständnis der Theologie konstitutiv würden, da könnte sie paradoxerweise gerade ihre eigentliche Funktion für die Kirche nicht mehr wahrnehmen; denn diese besteht in ihrer allein der Wahrheitsfrage verpflichteten Forschung.“ (W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 254f). Theologie wird nach Meinung von Pannenberg dort korrumpiert, wo geglaubt wird, man könne Theologie als eine Wissenschaft durch kirchliche oder gesellschaftliche Interessen konstituieren (vgl. ebd.). In einem Interview bestätigt er seine Sicht, dass seine Systematische Theologie „in erster Linie der Wahrheit verpflichtet“ sei (Vgl. W. Pannenberg, Geist gegen Zeitgeist. Gespräch mit dem Theologen Wolfhart Pannenberg, 268). Darin ist ihm Chr. Mostert gefolgt. Auch er hält die Wahrheitsfrage für die primäre theologische Frage. Vgl. Chr. Mostert, God and the Future, xi–xii. Pannenbergs eingehende Auseinandersetzung mit der Wahrheitsthematik – speziell im Dialog mit US-Amerikanischen Theologen und im Horizont aktuellerer wie intellektueller Herausforderungen – ist auch von Carl E. Braaten und Ph. Clayton begrüßt worden. Siehe dazu C.E. Braaten, Ph. Clayton, Preface, 10. „Theology has to do with truth“ formulierte Carl E. Braaten (Wolfhart Pannenberg, 655) in Bezug auf Pannenbergs Programmatik zutreffend. Dass allerdings „the claim to truth […] proof“ (ebd.) erfordere, trifft (wenn überhaupt) nur auf Pannenbergs frühe Theologie zu. Das BeweisenWollen ist (auch unter Einschluss einer m. E. unglücklichen, weil seinen Intentionen entgegenstehenden Formulierung [in: W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 70]) kein erklärtes Ziel (s. auch unten). Möglicherweise geht das wahrheitszentrierte Moment seiner Theologie auch auf den Einfluss seines Lehrers K. Barth zurück: In einem Brief an seinen Lehrer K. Barth vom 9. 5. 1965 würdigt er bereits dessen Programm der „Konzentration der Theologie auf die allem menschlichen Fragen und Reden überlegene Wahrheit [kursiv: T. L.] der Offenbarung Gottes in Jesus Christus“ (So W. Pannenberg in seinem Brief an K. Barth

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thematik erfolgt – der Grundcharakteristik seiner Theologie entsprechend – auf rationale Weise: Die „Vernunft [fungiert] als Anwalt der Einen Wahrheit.“22 In der „Wi s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d T h e o l o g i e “ greift er zur Legitimierung der für seine Theologie charakteristischen Wahrheitszentrierung auf geschichtliche Zusammenhänge zurück. Nachweislich ist seit dem 2. Jahrhundert in der Theologiegeschichte die Wahrheitsfrage in verschiedenen Hinsichten und mit Nachdruck behandelt worden. Sein veritatives Unternehmen scheint so für ihn auch ein vollkommen berechtigtes gewesen zu sein23. Der von Pannenberg vom 9. 5. 1965 [=W. Pannenberg, Zu Brief Nr. 174. Prof. Dr. W. Pannenberg an K. Barth, 564]). Und er fährt fort: „Ich werde nicht aufhören, dafür dankbar zu sein, daß ich die Konzentration aller theologischen Arbeit auf diese ihre Mitte bei Ihnen lernen durfte.“ (ebd.). 22 So Pannenberg in einer Überschrift aus seiner Vorlesung „Theologie der Vernunft“. Siehe dazu W. Greive, Wolfhart Pannenbergs Vorlesung „Theologie der Vernunft“. Eine Skizze, 98 sowie G. Wenz, Theologie der Vernunft, 274. 23 Faktisch habe „die Theologie sich natürlich immer wieder der Frage nach der Wahrheit des christlichen Glaubens gestellt.“ (W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 264). Dieser theologiegeschichtliche Umstand scheint ihn darin bestärkt zu haben, die Wahrheitsfrage als für die Theologie zentral zu erachten: „Seit den Anfängen einer christlichen Theologie überhaupt haben die christlichen Lehrer […] die allgemeine Wahrheit der christlichen Lehren zu erweisen gesucht.“ (W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 16). Christliche Denker hätten sich vom 2. Jahrhundert an darum bemüht, „die allgemeine Wahrheit der christlichen Botschaft darzutun“ (a. a. O., 17). „Um dasselbe Interesse, nämlich um die Wahrheit des Christentums auf dem Felde des allgemeinen Bewußtseins geht es seit dem 13. Jahrhundert bei der Frage nach dem Wissenschaftscharakter der Theologie und nach dem Recht der Theologie im Kreise der Wissenschaften an der Universität.“ (a. a. O., 17) Die Tatsache, dass Theologie „nicht mehr nur“ als sapientia verstanden wird, sondern seither auch als scientia gelten kann, ist für Pannenberg von entscheidender Bedeutung (vgl. a. a. O., 17f). Denn: „Im Hintergrund steht dabei [s.E.] das konstitutive Interesse des christlichen Denkens, sich seiner Wahrheit auf dem Boden des allgemeinen Denkens zu vergewissern.“ (a. a. O., 18). Siehe zum theologiegeschichtlichen Hintergrund auch S.J. Grenz, Reason, Hope and Transcendence, 77: „In one sense Pannenberg’s understanding of theology follows the classical model. As in the older view, he sees theology as a public discipline related to the quest for universal truth.“ Siehe auch S.J. Grenz, II. The Irrelevancy of Theology: Pannenberg and the Quest for Truth, 308. Angesichts dieses Theologieverständnisses gelangt Grenz zu dem Urteil: „Whether or not we agree with his position, we must acknowledge that the weight of theological tradition supports Pannenberg’s cause. His vision of theology has stood at the center of the Christian tradition from the second century until the modern era.“ (S.J. Grenz, II. The Irrelevancy of Theology: Pannenberg and the Quest for Truth, 308; siehe auch S.J. Grenz, Reason for Hope, 38). „His magnum opus constitutes a significant contemporary expression of the classical understanding of theology as the intellectual demonstration of the Christian truth claim and the Christian conception of God.“ (S.J. Grenz, Reason for Hope, 297). Siehe außerdem (zu Grenz‘ Pannenberg-Interpretation) die im Folgenden genannten Beiträge von Grenz: S.J. Grenz, Wolfhart Pannenberg’s Quest for ultimate truth, bes. 795; S.J. Grenz, Wolfhart Pannenberg: Reason, Hope and Transcendence, 77ff.; S.J. Grenz, Reason for Hope, 14, 183 u. 290ff. Aus Pannenbergs ‚klassischem‘ Ansatz folgt freilich auch eine relative Distanz zu praktischen Fragestellungen: Grenz bemerkt: „Pannenberg […] follows the more classical understanding that links theology to the pursuit of the truth about a divine reality that transcends the world

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beschrittene Weg dazu ist allerdings einzigartig, wie sich auch an dem von ihm proponierten Wahrheitsbegriff noch zeigen wird. Weil Pannenberg zufolge es „[d]ie Theologie […] mit der Wahrheit der christlichen Lehre überhaupt“ zu tun hat, geht es aus seiner Sicht nicht an, lediglich speziell den Gegenwartsbezug der Wahrheit zur Darstellung zu bringen, wie er es als Aufgabe der Predigt ansieht24. of human praxis and thus a pursuit that determines such praxis.“ (S.J. Grenz, Reason for Hope, 183). Der mit Grenz behauptete klassische Zusammenhang von Theologie und Wahrheitsthematik zeigt sich nicht zuletzt auch in frühen Deutungen des Theologiebegriffs, auf die Pannenberg verweisen kann. Nach Klemens von Alexandrien ist „[d]er Theologe […] der von Gott inspirierte Verkündiger der göttlichen Wahrheit, und Theologie ist diese Verkündigung“ (Pannenberg bezieht sich auf dessen Stromata I, 13,57,6 sowie 12,55,1. Siehe dazu W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 11). Siehe daneben auch Pannenbergs Bemerkungen zu Plato. Theologie galt ihm als „die dem göttlichen Logos eigene und durch ihn eröffnete Kunde von Gott. Dem Menschen wird sie nur als von Gott selber gewährte Schau der göttlichen Wahrheit zugänglich, also durch offenbarende Inspiration.“ (a. a. O., 12). A. Hollweg (Aus der Kirchengeschichte lernen. Eine Erwiderung auf Wolfhart Pannenberg, 481) hat in seiner Reaktion auf das Interview mit Pannenberg (W. Pannenberg, Geist gegen Zeitgeist. Gespräch mit dem Theologen Wolfhart Pannenberg) u. a. etwas beklagt, was mit der intellektuellen Ausrichtung seiner Theologie zusammenhängt, und zwar dass (nicht nur mit Blick auf die Wahrheitsfrage) das Urteil der Gemeinde keine Rolle spiele. Das ist sicher richtig. Einen Beitrag zu der hier behandelten Fragestellung könnte sie m. E. jedoch nur dann leisten, wenn sie – bzw. bestimmte Mitglieder – in dieser Frage fachlich kompetent sind. 24 So Pannenberg in Auseinadersetzung mit E. Jüngel, der dafür votierte, im Rahmen systematischer Arbeit den Gegenwartsbezug der Wahrheit der christlichen Lehre darzustellen. Pannenberg sieht bei Jüngel den Unterschied zwischen Predigt und Theologie verwischt. Siehe dazu W. Pannenberg, Den Glauben an ihm selbs fassen und verstehen, 357 (f). „Die Theologie hat es mit der Wahrheit der christlichen Lehre überhaupt und nicht speziell mit ihrem Gegenwartsbezug zu tun, so richtig es für unser geschärftes Bewußtsein der Geschichtlichkeit aller Auslegung bleibt, daß die Wahrheit überhaupt nur am jeweiligen Ort geschichtlicher Gegenwart erfragt und formuliert werden kann, darum auch immer nur in der Form geschichtlicher Vorläufigkeit.“ (a. a. O., 357). Pannenberg erkennt einen klaren Unterschied zwischen Theologie und Predigt: Die Predigt thematisiert den Gegenwartsbezug der Wahrheit, und zwar insofern, als in der Predigt der Sachgehalt des gepredigten Textes „dem Hörer als ihn gegenwärtig betreffende Wahrheit verkündet“ wird (W. Pannenberg, Den Glauben an ihm selbs fassen und verstehen, 357): „Den Gegenwartsbezug der Wahrheit, die Gegenstand christlicher Lehre ist, für sich zu formulieren, das ist ja wohl Aufgabe der Predigt, sofern diese nicht einfach im Zuspruch der Sündenvergebung aufgeht, sondern die Sache des Textes, über den gepredigt wird, dem Hörer als ihn gegenwärtig betreffende Wahrheit verkündet.“ (a. a. O., 357). „Die Predigt mag unvermittelt aussprechen, was der Prediger als die ihn und seine Hörer gegenwärtig betreffende Wahrheit des Textes erfaßt zu haben meint.“ (a. a. O., 357). Die dagegen nach Wahrheit überhaupt fragende – und damit auch insbesondere um die Frage nach der Wahrheit christlicher Lehre und ihrer Sache bemühte – Theologie sollte dagegen auf die Geschichtlichkeit überlieferter Formulierungen reflektieren. Die Notwendigkeit dafür ergibt sich für Pannenberg von daher, dass die Wahrheit der Sache, nach der die Theologie frage und die „am Ort der Gegenwart des Auslegers neu ausgesagt werden soll“, „nicht einfach als unterschiedslos identisch mit ihrer überlieferten Form gelten“ kann (a. a. O., 357). Eine solche Reflexion legt gleichsam „den Zugang zur Differenz der überlieferten Sprache von der eschatologischen und darum im Gang der Geschichte mit sich iden-

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Sein Ansatz ist im Ganzen aber konsequent ökumenisch – geht es doch, wie er selbst erklärt hat, – (wenigstens in seiner) „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ in drei Bänden „nicht um eine konfessionell lutherische Theologie und auch nicht um eine europäische (im Unterschied zu einer beispielsweise lateinamerikanischen) Theologie, sondern um die Wahrheit der christlichen Lehre und des christlichen Bekenntnisses schlechthin“25, ja sogar – wie sich wiederholt zeigt – um die eine Wahrheit überhaupt, ohne dabei jedoch den eigenen konfessionellen Hintergrund, von welchem aus jede Hinwendung zur Wahrheit nur möglich ist,

tisch bleibenden Wahrheit selber“ frei. (W. Pannenberg, Den Glauben an ihm selbs fassen und verstehen, 357) „Die Theologie muß einen Begründungsgang entwickeln, der von der historischen Gestalt überlieferter Lehre zur davon abzuhebenden Beschreibung ihres Themas und zur Neuformulierung ihrer Wahrheit führt.“ (W. Pannenberg, Den Glauben an ihm selbs fassen und verstehen, 357f.) Durch „problemgeschichtliche und begriffsgeschichtliche Erörterungen“ könne „der Zugang zur Sache der Überlieferung methodisch und also mit dem Anspruch auf Objektivität gewonnen werden“ (a. a. O., 358). Zur Objektivität, die Pannenberg anstrebt, formuliert er epistemisch klar und vorsichtig: „Es versteht sich allerdings von selbst, daß der Anspruch auf Objektivität in allen mit den Mitteln historischer Hermeneutik verfahrenden Disziplinen keine vollständige Ablösbarkeit von der Subjektivität des Auslegers intendieren kann, sondern nur dasjenige Maß an Unterscheidbarkeit einer Argumentation von der Subjektivität des Argumentierenden, das notwendig und hinreichend ist, damit andere seine Argumentation nachvollziehen können.“ (a. a. O., 358). Pannenberg geht es bei „Sachurteilen über deren Inhalt das in solchen Dingen erreichbare Maß an Objektivität und intersubjektiver Verbindlichkeit.“ (a. a. O., 359) Vgl. auch die Einschätzung von T. Peters: „The quest for truth is intrinsic to theological reflection. In this sense, theology might differ from a missionary’s sermon, where the truth is possessed, wrapped up in an attractive package, and presented to its listeners as a gift. For theology, in contrast, there is yet a quest for truth which always lies just beyond the theologian’s reaching finger tips. Furthermore, this quest is shared with scholars of all disciplines.“ (T. Peters, Truth in History: Gadamer’s Hermeneutics and Pannenberg’s Apologetic Method, 37). 25 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 10; siehe auch a. a. O., 9f. Pannenberg fügt hinzu: „Möge sie der Einheit aller Christen im Glauben an ihren einen Herrn dienen.“ (ebd.) Es sei u. a. Aufgabe der Theologie, „Inhalt und Wahrheit der christlichen Lehre darzulegen“ (W. Pannenberg, Dogmatische Theologie in ökumenischer Perspektive, 161). Anstatt dass eine vom konfessionellen Standpunkt aus betriebene systematische Darlegung der Inhalte des Glaubens erfolgen soll, propagiert er eine ökumenische und insofern „katholische“ Theologie, d. h. universale und nicht konfessionell verengte, Theologie, deren Vorzug er darin erkennt, dass Systematische Theologie „nicht nur apologetisch“ (a. a. O., 154) verfahren könne, sondern auch kritisch auf problematisch empfundene Partikularismen der eigenen Tradition reflektieren könne – gerade im Sinne des Inhaltes und der Wahrheit christlicher Lehre und des gemeinsamen Glaubens an den einen Herrn (vgl. dazu ausführlicher a. a. O., 152ff). Die Orientierung an solcher „recht verstandenen Katholizität der christlichen Lehre“ stellt laut Pannenberg für die Theologie geradezu auch „eine Bedingung der Glaubwürdigkeit ihrer Wahrheitsansprüche“ dar (a. a. O., 155). Pannenberg reklamiert ein „commitment as a theologian to the truth of the Christian faith.“ (W. Pannenberg, An intellectual pilgrimage, 158), wie es in seinen (sicher durch seinen Lehrer E. Schlink geprägten) ökumenischen Bemühungen wiederholt zur Geltung kommt (vgl. ebd.).

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zu leugnen oder die historisch-kulturelle, stets kontextuelle Bedingtheit des eigenen Unternehmens zu vergessen26. Es hat im Sinne Pannenbergs die Theologie die Wahrheit in den Mittelpunkt zu rücken. Gleichwohl falle speziell der Systematischen Theologie bzw. der Dogmatik diese ausgezeichnete Aufgabe der eingehenden Auseinandersetzung mit der Wahrheitsfrage zu27. Aufs Ganze gesehen ist Pannenbergs vorrangiges An-

26 Vgl. die folgende Selbsteinschätzung Pannenbergs: „Es ist offensichtlich, daß der vorliegenden Darstellung der christlichen Lehre die kritische Aneignung vornehmlich der europäischen Geschichte des christlichen Denkens zugrunde liegt. Diese geht aber nicht nur die Europäer an. Sie gehört zum geistigen Erbe aller Christen, zumal die Ursprünge der meisten außereuropäischen Kirchen heute letztlich in der Geschichte des europäischen Christentums liegen.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 9f) „Ebensowenig wie die geographische verleugnet die vorliegende Darstellung ihre konfessionelle Herkunft.“ (a. a. O., 10). Zu dieser von Pannenberg verfolgten Programmatik siehe auch ausführlicher W. Pannenberg, A Response to My American Friends, 330f (im Gespräch mit seinem Kollegen und Freund J. Cobb). 27 Die Zentralität wird nicht zuletzt daran anschaulich, dass die Wahrheitsthematik in nahezu allen Teilgebieten der Dogmatik begegnet und zu den vielfältigsten dogmatischen (und auch ethischen) Fragestellungen in Beziehung gesetzt wird. G.L. Müller erklärt: „Wenn aber das Thema der Theologie die Wahrheit der christlichen Lehre bzw. die Rede von Gott und nichts anderem ist, dann entscheidet sich ihr Wissenschaftscharakter an der Disziplin, die unmittelbar der Darstellung, Bewahrheitung und Prüfung des Inhalts ihres Wahrheitsanspruches zugeordnet ist. Alle anderen Disziplinen sind in dem Maße Theologie, als sie an der Fragestellung der Dogmatik partizipieren.“ (G.L. Müller, Pannenbergs Entwurf einer systematischen Theologie, 1f) Vgl. dazu auch die zutreffenden Bemerkungen von Chr. Schwöbel: „Dealing with the question of the truth of theological discourse is the task of dogmatics, and all other disciplines of theology are theological precisely inasfar as they participate in the task of dogmatics.“ (Chr. Schwöbel, Rational Theology in Trinitarian Perspective: Wolfhart Pannenberg’s Systematic Theology, 500). Vgl. hierzu ganz besonders Pannenbergs Ausführungen, aus denen die Wichtigkeit der theologischen Behandlung der Wahrheitsfrage hervorgeht: „Unter den Disziplinen der christlichen Theologie, wie sie gegenwärtig akademisch betrieben wird, haben nicht alle die Wahrheit des christlichen Redens von Gott zum Thema. In Lehre und Forschung der historischen Disziplinen wird diese Frage nicht gestellt. Ähnliches gilt für die exegetischen Disziplinen, soweit sie mit dem Instrumentarium der historischkritischen Methode arbeiten. […] Für die historisch-kritische Schriftauslegung der Neuzeit jedoch sind die biblischen Schriften grundsätzlich Dokumente eines vergangenen Zeitalters. Die gegenwärtige Relevanz ihres Inhalts ist daher im Rahmen der historischen Schriftauslegung prinzipiell nicht mehr entscheidbar. Damit hat sich das Gewicht der Frage nach der Wahrheit des Redens von Gott ganz auf die Dogmatik verlagert. Ansatzpunkte dazu gibt es freilich, wie sich zeigen wird, schon in der vorneuzeitlichen Entwicklung der Theologie. Aber das Ergebnis gehört doch erst der neuzeitlichen Problemlage der Theologie an, und es wird der Dogmatik bis heute schwer genug, sich mit diesem Ergebnis abzufinden und die ihr damit zugefallene Last auf sich zu nehmen. Sie muß diese Last tragen nicht nur, um ihrer besonderen Aufgabe gerecht zu werden, sondern zugleich auch als Dienst für die Theologie insgesamt. Bei der Arbeit der Dogmatik geht es um den spezifisch theologischen Charakter auch der übrigen theologischen Disziplinen. Diese sind „theologisch“ genau in dem Maße, in welchem sie teilhaben an der dogmatischen Aufgabe der Theologie. Wie aber kann die Dogmatik für die Wahrheit christlichen Redens von Gott eintreten? Kann sie das überhaupt?

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liegen gewesen, den Anspruch des christlichen Glaubens auf Wahrheit zu verteidigen, „to give ‚rational account of the truth of faith‘“ und in diesem Zusammenhang auch „reason for the Christian hope“28. Dieses verband sich mit dem Ziel, das Bewusstsein des einzelnen Christen von der Wahrheit christlicher Lehre und des Christentums zu stärken29. Die Theologie als Teil des universitären Wissenschaftsbetriebs ist ein wichtiges Forum zur Beschäftigung mit der Wahrheitsfrage: Denn diese sei nicht privat zu klären, sondern öffentlich zu verteidigen30. Pannenberg verstand die Theologie bewusst entgegen dem gegenwärtig dominierenden Trend zur Privatisierung und Isolierung des religiösen Glaubens als eine öffentliche Disziplin31. Denn soll es um

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Und wenn sie es faktisch tut: mit welchem Recht geschieht das, und wie geschieht das?“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 17f). So die Interpretation von S.J. Grenz, die in den Buchtitel seiner Darstellung der Theologie Pannenbergs eingegangen ist. Siehe dazu S.J. Grenz, Reason for Hope, 297. Pannenberg zufolge geht es in der Disziplin der Systematischen Theologie „zentral um die Wahrheit des Glaubens“ (W. Pannenberg, Geist gegen Zeitgeist. Gespräch mit dem Theologen Wolfhart Pannenberg, 266). Auf die Art und Weise, wie Pannenberg die Wahrheitsthematik in den einzelnen theologischen Disziplinen verortet wissen will, kann in diesem Rahmen nicht ausführlich eingangen werden. Zur Systematischen Theologie als dem unzweifelhaften Ort der Thematisierung der Wahrheitsfrage vgl. auch W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 7: Sofern in anderen theologischen Disziplinen die Wahrheitsfrage thematisiert werde, will Pannenberg von einer Partizipation dieser Disziplinen an der speziellen Aufgabe Systematischer Theologie reden: „Here we are at the core of our subject, the need for systematic theology, because it all depends on the question of truth:“ (W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 4). Er meint nun weiter (unten): „If theology properly faces that task, it can be of invaluable help in encouraging the preacher and in strengthening the good conscience of every individual Christian that the teaching of the church is true.“ (W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 6). In der Stärkung des Wahrheitsbewusstseins sieht Pannenberg auch das Ziel des universitären Theologiestudiums. Es geht ihm darum, dass die Studierenden „das ruhige Bewußtsein der Wahrheit des Christentums mit in ihr Amt nehmen.“ (W. Pannenberg, Geist gegen Zeitgeist. Gespräch mit dem Theologen Wolfhart Pannenberg, 266). Werde nun aber, was Pannenberg sehr bedauerte, zu wenig Systematische Theologie studiert, dann bleibe dies nicht ohne Folgen für das individuelle Wahrheitsbewusstsein (Vgl. ebd.). Pannenbergs ernüchternde Problemanzeige lautet, dass die Studierenden – angesichts eines häufig nur durchschnittlichen Intelligenzlevels – „die Universität oft nicht mehr mit einer begründeten Urteilsbildung über die Wahrheit des Christentums [verlassen].“ (W. Pannenberg, Geist gegen Zeitgeist. Gespräch mit dem Theologen Wolfhart Pannenberg, 266). Carl E. Braaten dürfte in der Einschätzung Recht haben, dass „those who are still committed to the viability and truth of the Christian message should be sympathetic with Pannenberg’s strategy of taking a stand and fighting the criticism rather than running and hiding in the inaccessible asylum of personal subjectivity.“ (C.E. Braaten, The Place of Christianity among the World Religions, 301). So mit Recht auch Grenz, der schreibt, „Pannenberg is attempting to change the course of contemporary theology, combating what he sees as the dominant trend toward the privatization of religious belief and, with it, of theology“ (S.J. Grenz, Reason for Hope, 290). Siehe auch die Bemerkungen von T. Peters (The Systematic Theology of Wolfhart Pannenberg,

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Wahrheit schlechthin gehen, dann bedeutet dies sowohl, dass wir alle am Streben nach ihr teilhaben32, als auch, dass sie uns alle, also nicht nur bestimmte, vereinzelte private Individuen oder bestimmte Gruppen, etwas angeht. Theologie ist für Pannenberg „wesenhaft eine öffentlich zu verantwortende Wissenschaft (public theology)“; geschützte Refugien oder bestimmte „sturmfreie[…] Zonen“, in die sich die Theologie zurückziehen könnte, gibt es nicht33. Auf öffentlicher Ebene solle Wahrheit deshalb – gleichsam „in the arena of public discourse“ – zum Gegenstand werden können34. Wahrheit war für Pannenberg ein Phänomen, das alle Menschen betrifft, eine Sache, die allein darum schon nicht angemessen lediglich auf der Ebene der Subjektivität des einzelnen Glaubenden behandelt werden könnte35. Die Wahrheitsthematik ist operational auf der Ebene der Re-

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123): „He turned existentialism into history, the subjective isolation of faith into public discussion of truth“. So gestaltet sich auch die Interpretation von T. Peters: „His method places theological discourse in the arena of public discourse on the grounds that we all share in the common pursuit of truth. And truth must be one.“ (T. Peters, The Systematic Theology of Wolfhart Pannenberg, 124f). So treffend N.H. Gregersen (Einheit und Vielheit der schöpferischen Werke Gottes. Wolfhart Pannenbergs Beitrag zu einer trinitarischen Schöpfungslehre, 102f) – wohl in Anlehnung an Pannenbergs Überzeugung von der Unmöglichkeit einer irgendwie gearteteten Rettungsaktion, mit deren Hilfe sich ein Glaubender angesichts der diesen in eine Notlage bringenden historischen Kritik in ein „‚sturmfreies Gebiet‘“ (W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 59) hinüberretten könnte. Gregersen hat behauptet: „Kein Theologe der Nachkriegszeit hat sich wohl wie Wolfhart Pannenberg gegen eine Theologie des Glaubenssubjektivismus wie auch gegen eine Theologie des Geheimwissens eingesetzt. Nach Pannenberg ist Theologie wesenhaft eine öffentlich zu verantwortende Wissenschaft (public theology), und es gibt keine „sturmfreien Zonen“, wohin man sich als Theologe vornehm zurückziehen könnte“ (Vgl. N.H. Gregersen, Einheit und Vielheit der schöpferischen Werke Gottes. Wolfhart Pannenbergs Beitrag zu einer trinitarischen Schöpfungslehre, 102f). Auch Grenz‘ Feststellung, wonach sich Pannenberg gegen eine Begründung der Theologie durch eine “decision of faith“ und gegen „the attemt to create a separate sphere for theology alongside scientific endeavor“ (S.J. Grenz, II. The Irrelevancy of Theology: Pannenberg and the Quest for Truth, 309 Anm. 6) wende, trifft völlig zu. T. Peters, The Systematic Theology of Wolfhart Pannenberg, 124f. Siehe auch schon D.H. Olives Hinweis, für Pannenberg sei „theology […] a public affair“ (D.H. Olive, Wolfhart Pannenberg, 36). Zu Pannenbergs Verständnis von Theologie als einer öffentlichen Wissenschaft siehe auch explizit S.J. Grenz, “Scientific“ Theology/ “Theological Science“: Pannenberg and the Dialogue between Theology and Science, 159. Es ist unstrittig, dass Pannenberg sich gegen jedwede Form des Glaubenssubjektivismus wandte: „Insgesamt zielt Pannenbergs Betonung der Wahrheitsfrage auf die Überwindung des Glaubenssubjektivismus.“ (S. Vasel, Philosophisch verantwortete Christologie und christlichjüdischer Dialog, 556) Vasel bezieht sich hier auf W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 143. Vgl. auch die Einschätzung B. Burkhardts, Pannenberg habe sich gegen die „gängigen Spielarten eines Glaubenssubjektivismus“ gewandt (B. Burkhardt, Art. Pannenberg, 272). Pannenberg erklärt sich selbst dazu: „Wie kann die Theologie den Primat Gottes und seiner Offenbarung in Jesus Christus verständlich und mit dem Anspruch auf Wahrheit geltend machen in einer Zeit, in der nun einmal alles Reden von Gott auf Subjektivität [kursiv: T. L.] reduziert ist“? (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 143).

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flexion zu behandeln, und darum stellt auch eine Auseinandersetzung mit ihr (zumindest vorrangig) ein rationales Unternehmen dar36. Die Wahrheitsthematik bedarf aus der Sicht Pannenbergs vor allem aber auch deshalb öffentlicher Behandlung, weil sie aufs Engste mit der Gottesfrage zusammenhängt: „Because the theological task is linked with the quest for ultimate truth, the truth of God, theology is a public and rational endeavour.“37 Pannenbergs wissenschaftstheoretische Überlegungen kulminieren so schließlich in der (Haupt-)These, dass die Theologie als eine der Wahrheitsfrage gewidmete (universitäre) Wissenschaft nur angemessen verstanden werden könne als Wissenschaft von Gott und nur so dem Christentum gerecht werden könne. Sie habe dabei „die Wirklichkeit im ganzen, wenn auch als das noch unvollendete Ganze der Bedeutungszusammenhänge der Erfahrung zum Gegenstand“38. Pannenberg verfährt universal-holisierend. Denn: „[W]o man damit Ernst macht, daß das Christentum sich auf Gott beruft, läßt sich das Thema der Theologie nicht mehr auf ein partikulares Thema neben anderen Themenbereichen beschränken.“39 Bei einer Wissenschaft von Gott gebe es „kein von anderen Gebieten abgegrenztes, isolierbares Gegenstandsgebiet. […] Denn die Frage nach Gott als der alles bestimmenden Wirklichkeit geht alles Wirkliche an.“40 Zur Klärung der Wahrheitsfrage, die in ihrer noch aufzuzeigenden Viel36 „It is on the level of reflection [kursiv: T. L.] that theology is concerned with the truth of the Christian faith.“ (W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 6). Entsprechendes hat T. Peters (ein Pannenberg-Schüler im weitesten Sinne) in einem Aufsatz über Pannenberg und Gadamer behauptet: „The quest for truth is intrinsic to theological reflection.“ (T. Peters, Truth in History. Gadamer’s Hermeneutics and Pannenberg’s Apologetic Method, 37). Pannenberg geht davon aus, dass die christliche Glaubenserfahrung und die christliche Glaubensgemeinschaft auf die Theologie angewiesen ist, „because it is on the level of reflection that all claims of truth are to be judged.“ (W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 6). Zum Thema siehe mehr ebd. Siehe auch die Bemerkungen von S.J. Grenz: „For him the truth question is to be answered in the process of theological reflection and reconstruction. He criticizes any attempt to divide truth into autonomous spheres or to shield the truth content of the Christian tradition from rational inquiry.“ (S.J. Grenz, Reason, Hope and Transcendence, 77). „This forms the background to his lifelong battle against what he sees as the subjectivist approach of modern Protestant theology.“ (S.J. Grenz, Reason for Hope, 291). Siehe auch S.J. Grenz, II. The Irrelevancy of Theology: Pannenberg and the Quest for Truth, 309 sowie S.J. Grenz, Reason for Hope, 16. 37 So treffend S.J. Grenz, Wolfhart Pannenberg: Reason, Hope and Transcendence, 78. 38 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 266: „Die Theologie kann dem Christentum nur gerecht werden, wenn sie nicht nur Wissenschaft vom Christentum ist, sondern Wissenschaft von Gott, und wenn sie als Wissenschaft von Gott die Wirklichkeit im ganzen, wenn auch als das noch unvollendete Ganze der Bedeutungszusammenhänge der Erfahrung zum Gegenstand hat.“ (ebd.). 39 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 265. 40 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 298. Daraus resultiert eine konsequente Offenheit gegenüber anderen Wissenschaften, die in den interdisziplinären Dialog mündet: „Die Theologie muß sich dann auf mancherlei andere Bereiche einlassen neben dem

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schichtigkeit wesentlich auch eine Frage nach der Wirklichkeit Gottes ist, erweist sich demnach auch die Bezugnahme auf die Totalität der Wirklichkeit als erforderlich41. Pannenbergs Theologie präsentiert sich ihren Lesern als eine im Ganzen rationale Theologie mit Wahrheitsfokus. Der universal-holisierende Zug in der (öffentlichen) Thematisierung und Profilierung des Gottesgedankens hängt – wie an späterer Stelle noch deutlich werden wird – ihrerseits inhaltlich und formal mit der Wahrheitsthematik zusammen. Auch darum lohnt die Auseinandersetzung mit Pannenbergs veritativen Beiträgen. Die herausragende Bedeutung der Wahrheitsthematik, die sich – nebenbei bemerkt – schon durch eine geradezu unübersehbare Quantität der Ausdrücke ‚Wahrheit‘ und ‚wahr‘ innerhalb seines magnum opus’ andeutet, ist selbst unstrittig. Speziell in Bezug auf Pannenbergs „S y s t e m a t i s c h e T h e o l o g i e “, aber auch mit Blick auf seine Theologie im Ganzen ist die herausragende Bedeutung der Wahrheitsthematik vielfach erwähnt worden42, wenn auch mit auffallend unterschiedlichen Akzentsetzungen in der Deutung: Eberhard Jüngel stellt fest: „Die Frage nach der Wahrheit der christlichen Lehre ist der beherrschende Gesichtspunkt der gesamten Darstellung Pannenbergs“43. Gerhard L. Müllers Ausführungen über Pannenberg zeigen, dass „das Thema der Theologie die der religiösen Erfahrung und des Christentums im besonderen. So redet die Theologie traditionell von der Schöpfung der Welt durch Gott. Sie muß sich dabei auch um das Weltverständnis der Naturwissenschaften kümmern, und zwar nicht nur unter dem Gesichtspunkt, ob die Naturwissenschaftler selbst Christen sind, sondern unter dem Gesichtspunkt der Vereinbarkeit ihrer Methoden und Erkenntnisse mit dem Verständnis der Welt, das der Schöpfungsglaube impliziert [kursiv: T. L.].“ (W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 265). T. Peters erläuterte Pannenbergs Verständnis christlicher Theologie folgendermaßen: „Christian theology should pursue the truth, and it should do so in conversation with the secular world surrounding the church.“ (T. Peters, Wolfhart Pannenberg, 364). Allerdings stellt sich, wie sich wiederholt zeigt, ein solches „Gespräch“ mit der säkularisierten Welt eher als eine kritische Auseinandersetzung mit ihr dar. 41 Für Pannenberg ist klar, „daß diese Frage sich auch nicht nur auf die Wahrheit des Christentums einschränken läßt. Oder vielmehr, die Frage nach der Wahrheit des Christentums läßt sich nicht behandeln ohne die Frage nach Wahrheit auf allen Gebieten menschlicher Erfahrung überhaupt.“ (W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 265) „Das ist so, weil das Christentum nicht nur behauptet, das Christentum zu sein, sondern Offenbarung Gottes sein oder doch auf solcher Offenbarung beruhen will.“ (ebd). Zu Pannenbergs wissenschaftstheoretischem Ansatz s. ausführlicher die Studien von M.W. Worthing (Foundations and Functions of Theology as Universal Science) und H.-M. Rieger (Theologie als Funktion der Kirche. Eine systematisch-theologische Untersuchung zum Verhältnis von Theologie und Kirche in der Moderne). 42 R.A. Klein hat von einer „[b]esonderen[n] Beachtung […] der wahrheitstheoretischen Grundlegung“ gesprochen (R.A. Klein, Wolfhart Pannenberg: Systematische Theologie I–III, 276). Allerdings hat dies bisher nicht dazu geführt, seine Wahrheitskonzeption eingehend zu untersuchen, wie es hier angestrebt wird. 43 E. Jüngel, Nihil divinitatis, ubi non fides, 207.

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Wahrheit der christlichen Lehre bzw. die Rede von Gott und nichts anderem ist“44. Für Hans-Peter Willi ist deutlich erkennbar: „Es ist das keinem Problem ausweichende Interesse an der Wahrheit, die unbeirrbare Konzentration auf die Sache der Theologie, wodurch sich diese Dogmatik empfiehlt.“45 Stephan Vasel urteilt, dass „[f]ür Pannenberg […] die Frage nach der Wahrheit der christlichen Lehre das bestimmende Thema systematischer Theologie“ darstellt46. Die Wahrheitsfrage sei programmatisch47. Vasel meint zudem, dass es sich um eine philosophisch verantwortete Theologie handelt, „insofern sie sich dem modernen Wahrheitsbewusstsein stellt.“48 Auch Jan Rohls stellt bei Pannenberg ein „Interesse an der Wahrheit“ fest, das er von Pannenberg v. a. darin begründet sieht, dass Pannenberg mit Augustin der Auffassung ist, dass Gott selbst die Wahrheit sei49. Der Pannenberg-Schüler Stanley J. Grenz ist überzeugt: „Above all, theology is for Pannenberg the quest for universal truth. This is evidenced by the title of the first chapter, ‚The Truth of Christian Doctrine as the Theme of Systematic Theology‘.“50 „In fact, the point of the entire dogmatic construction is to show the truth of the Christian faith for all humankind and as illuminating all knowledge.“51 Grenz attestierte seinem ehemaligen Lehrer ein „overriding concern for the question of truth“, speziell ein „central interest in universal truth“52: „Despite this broad intention lying behind Pannenberg’s work, its central importance lies in his understanding of the nature of theology itself and of the truth to which theology is related.“53 Peter Heltzel formuliert: „The primary theme of his systematic theology is truth.“54 Christoph Glimpel erkennt, dass „Pannenberg den ‚Wahrheitsanspruch der christlichen Lehre‘ […] zum eigentlichen Thema der Theologie erheben [möchte].“55 Rory A. A. Hinton notiert: „Pannenberg argues in Volume I of his Systematics that to take theology seriously, we must make the truth of 44 G.L. Müller, Pannenbergs Entwurf einer systematischen Theologie, 1f. 45 H.-P. Willi, Theologie der Menschwerdung. Ein Bericht über den zweiten Band der „Systematischen Theologie“ von Wolfhart Pannenberg, 339. 46 S. Vasel, Philosophisch verantwortete Christologie und christlich-jüdischer Dialog, 555. 47 Vgl. dazu S. Vasel, Philosophisch verantwortete Christologie und christlich-jüdischer Dialog, 493. 48 S. Vasel, Philosophisch verantwortete Christologie und christlich-jüdischer Dialog, 489. 49 J. Rohls, Protestantische Theologie der Neuzeit II, 829. 50 S.J. Grenz, Reason for Hope, 13. Der Kapitelhinweis bezieht sich auf den ersten Band seiner dreibändigen Systematischen Theologie. 51 S.J. Grenz, II. The Irrelevancy of Theology: Pannenberg and the Quest for Truth, 307. Siehe auch S.J. Grenz, Reason for Hope, 13. 52 S.J. Grenz, II. The Irrelevancy of Theology: Pannenberg and the Quest for Truth, 308. Siehe auch S.J. Grenz, Reason for Hope, 14 sowie 38: „The first issue is the nature of truth. The dogmatics is characterized from the beginning by an overriding interest in the question of truth.“ 53 S. Grenz, Wolfhart Pannenberg: Reason, Hope and Transcendence, 75. 54 P. Heltzel, Wolfhart Pannenberg (1928- ), in: Boston Collaborative Encyclopedia of Western Theology: Wolfhart Pannenberg, hg. von Wesley Wildman, http://people.bu.edu/wwildman/ WeirdWildWeb/courses/mwt/dictionary/mwt_themes_856_pannenberg.htm (Zugriff am 21. 03. 2008). 55 Chr. Glimpel, Gottesgedanke und autonome Vernunft, 48, zitierend aus W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 57f.

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Christianity a distinct theme within dogmatic theology.“56 Rebekka A. Klein schreibt: „Das ausgezeichnete Thema der STh I–III ist die Frage nach der Wahrheit des christlichen Dogmas, die nicht vorausgesetzt werden darf.“57 Sie behauptet: „Leitmotiv seines Denkens ist die Überzeugung von der Einheit und Universalität der Wahrheit des christlichen Glaubens, die für ihn in der theologischen Explikation des christlichen Gottesgedankens ihren adäquaten Ausdruck findet“58. Nach Klein belegt „[d]er dogmatische Entwurf Pannenbergs […] repräsentativ das Grundanliegen, ausgehend von einer allgemeinen Hermeneutik geschichtlichen Sinnverstehens den Sachgehalt des Dogmas als eine universell verständliche Wahrheit der Geschichte zu erweisen.“59 Joachim Ringleben hält fest, es sei „Gottes Wahrheit […] das spezifische und eigentliche Thema der Dogmatik in allen ihren Teilen“60. Christoph Schwöbel meint, „Pannenberg establishes the truth of Christian doctrine as the topic of systematic theology.“61 Christiaan Mostert stellt heraus, dass „Pannenberg’s concern is with ‚the truth of Christian doctrine and the Christian confession‘, for the doctrines of Christianity, in his view, make truth-claims about objective states of affairs, essentially about God and God’s activity in the world.“62 Walter Dietz urteilt: „Daß das Christentum mit einem umfassenden Wahrheitsanspruch verbunden ist, hat innerhalb der Theologie des 20. Jahrhunderts vor allem W. Pannenberg zu verdeutlichen versucht.“63 Martin Hailer versteht Pannenbergs Systematische Theologie so, dass sie „erklärtermaßen auch nichts anderes im Sinn [habe], als den christlichen Gottesgedanken zu entfalten“, und zwar in Gestalt einer „philosophisch interessierte[n] und von kirchlichen Tagesinteressen durchaus distanzierte[n] Theorie, die ihre Wahrheitsansprüche offen halten will.“64 Ted Peters attestiert Pannenberg bereits 1975 eine „honest quest for the truth“65. Friederike Nüssel beobachtet bei Pannenberg eine „Konzentration auf die Wahrheitsfrage“66. Wilfried Härle und Eilert Herms konstatieren ein „Wahrheitspathos, von dem gerade dieser theologische Ansatz bestimmt ist.“67 Karl Hinrich Manzke ist überzeugt: „Wie kaum ein anderer Theologe in diesem 56 R.A.A. Hinton, III. Pannenberg on the Truth of Christian Discourse: A Logical Response, 312. 57 R.A. Klein, Wolfhart Pannenberg: Systematische Theologie I–III, 273. Klein spricht zu Recht auch von einer „wahrheitstheoretischen Grundlegung“ seiner Systematischen Theologie (I– III) (a. a. O., 276). 58 R.A. Klein, Wolfhart Pannenberg: Systematische Theologie I–III, 267. 59 R.A. Klein, Wolfhart Pannenberg: Systematische Theologie I–III, 271. 60 J. Ringleben, Pannenbergs Systematische Theologie, 338. 61 Chr. Schwöbel, Rational Theology in Trinitarian Perspective: Wolfhart Pannenberg’s Systematic Theology, 500. 62 Chr. Mostert, God and the Future, 1. 63 W. Dietz, Wahrheit-Gewißheit-Zweifel, 386 Anm. 627. 64 M. Hailer, Warum Theologie ein positionelles Geschäft ist – Vorüberlegung zur Systematischen Theologie, 216. 65 T. Peters, Truth in History: Gadamer’s Hermeneutics and Pannenberg’s Apologetic Method, 56. 66 So F. Nüssel, die nicht zu Unrecht diese Konzentration mit dem Pannenberg‘schen Verständnis der Theologie als Wissenschaft von Gott verbunden sieht. Siehe dazu F. Nüssel, Theologie als Kulturwissenschaft?, 1163 (hinweisend auf W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 17). 67 W. Härle u. E. Herms, Deutschsprachige protestantische Dogmatik nach 1945 II, 51.

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Jahrhundert hat Wolfhart Pannenberg sich zum Programm gemacht, die Wahrheit des christlichen Glaubens in Auseinandersetzung mit außerchristlichen Deutungen von Welt und Mensch zu erweisen und darzulegen.“68 Carl E. Braaten behauptet, „Pannenberg’s major concern is for the truth, not only the meaning, of Christian faith.“69 Nach Einschätzung von Reginald Nnamdi hebt Pannenbergs theologisches Programm darauf ab, „eine Dogmatik zu entwerfen, welche auf Wahrheitsfindung […] abzielt“70. „To him the truth in the tradition is the fundamental matter of concern.“71 Das meint B. Mæland. In Bezug auf Pannenbergs Behandlung der christlichen ‚doctrines‘ (Glaubensinhalte) würdigt F. LeRon Shults dessen „tireless efforts to present their truth to contemporary culture.“72 Cyril Orji erkennt ebenfalls „Pannenberg’s concentration on the question of the truth claim of dogma“73 und nennt als Spezifikum für Pannenbergs Ansatz seine Behauptung „that systematics deals with the truth claims of dogma“74. Richard Rice erkennt in der Wahrheitsthematik eines von insgesamt drei ‚pervasive themes‘ bei Pannenberg75. „Pannenberg’s theological system is […] marked by a concern for truth, in particular the truth about God. And this distinguishes him from many other theologians today.“76 „Pannenberg joins a long tradition of theologians in seeking to establish the truth of Christianity, but there is nothing traditional in the way he goes about it.“77 Krzysztof Góz´dz´ hält fest: „Die Frage nach der Wahrheit der christlichen Lehre bildet den eigentlichen methodischen Ausgangspunkt der Dogmatik Pannenbergs.“78 Heinrich Springhorn sieht das zentrale theologische Anliegen Pannenbergs darin, „die christliche Wahrheit nicht nur vertreten, sondern vor Gott und der Welt verantworten“ zu wollen79. Dass Pannenberg

68 K.H. Manzke, Mut zur Theologie. Zur Bedeutung der Theologie Wolfhart Pannenbergs für Kirche und Verkündigung, 423. Die mit Pannenbergs systematisch-theologischem Ansatz verbundene „Dienstleistung“ besteht Manzke zufolge „für kirchliche Verkündigung […] darin, daß sie die Wahrheit des christlichen Glaubens in Auseinandersetzung mit dem allgemeinen Wahrheitsbewußtsein, wie es sich in Gesellschaft und Wissenschaft herausbildet, entfaltet.“ (ebd.). 69 C.E. Braaten, Wolfhart Pannenberg, 653. 70 R. Nnamdi, Offenbarung und Geschichte. Zur hermeneutischen Bestimmung der Theologie Wolfhart Pannenbergs, 186. 71 B. Mæland, ‚Invention‘ in contemporary doctrinal theory, 167. 72 F. LeRon Shults, The Postfoundationalist Task of Theology, 253. 73 C. Orji, Lonergan and Pannenberg’s Methodologies: A Critical Examination, 568. 74 C. Orji, Lonergan and Pannenberg’s Methodologies: A Critical Examination, 557. 75 R. Rice, Wolfhart Pannenberg’s Crowning Achievement: A Review of His Systematic Theology, 56: „Three pervasive themes in Pannenberg’s thought are eschatology, Trinity, and truth.“ 76 A. a. O., 57: „For neo-orthodoxy and the more recent „postliberal,“ „confessional,“ or „nonfoundationalist“ approaches to Christian thought, truth is the presupposition of theology.“ 77 A. a. O., 57. Das wird sich nicht zuletzt auch an seinem Wahrheitsverständnis zeigen. 78 K. Góz´dz´, Jesus Christus als Sinn der Geschichte bei Wolfhart Pannenberg, 21. Man beachte auch das Vorwort von Wolfhart Pannenberg. Darin legt er dar, dass er – ungeachtet konfessioneller Unterschiede – die „Einheit der theologischen Aufgabe“ darin erkennt, „von der Wahrheit der christlichen Offenbarung gedankliche Rechenschaft zu geben.“ 79 Vgl. H. Springhorn, Immanenz Gottes und Transzendenz der Welt. Eine Analyse zur syste-

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sich der Erforschung der „depth and range of the Christian truth“ in ihrem Verhältnis zu den intellektuellen Herausforderungen unserer Zeit gewidmet hat, wird von Carl E. Braaten und Ph. Clayton nicht nur festgestellt, sondern ausdrücklich als gemeinsames Interesse begrüßt80. Avery Dulles ist der Überzeugung, Pannenberg habe vielleicht mehr als andere kontemporäre Theologen dafür getan, „to vindicate the objective basis for Christian faith and the relevance of faith for the universal human quest for truth.“81 Nach Einschätzung von Chr. Mostert exemplifiziere Pannenbergs Theologie die Art und Weise, wie die Wahrheitsfrage „a significant part of constructive (systematic) theology“ werden könne82. Raymund Schwager hebt hervor, dass Pannenberg in seinem großen und umfangreichen Werk „entschieden den christlichen Anspruch auf Wahrheit betone […] und zum Widerstand gegen einen beliebigen Pluralismus aufrufe“83. Zudem warne Pannenberg „die Kirche vor der Anpassung an die säkularistische Kultur und vor der Relativierung der Wahrheit“84. Man kann noch weiter gehen und – mit Jacqui A. Stewart etwa – würdigen, dass Pannenberg gerade angesichts einer vielfach als Postmoderne verstandenen Gegenwart die Wahrheitsfrage in Angriff genommen hat85. John B. Cobb vermerkt: „Pannenberg stellt sein Denken dar als völlig offen für alles, was die moderne Welt ihn zu lehren hat und als ein Mittel, aufgeschlossene moderne Menschen von der überlegenen Wahrheit des christlichen Glaubens zu überzeugen.“86 John Apczynski bemerkte bereits 1982 die herausragende Bedeutung der Wahrheitsthematik im Denken Pannenbergs und stellte die These auf, derzufolge „one of the major concerns of Pannenberg’s theological program is to demonstrate the “objective truth“ of Christianity.“87 Gunther Wenz sieht Pannenbergs Theologie vorrangig darum bemüht, die

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matischen Theologie von Karl Rahner und Wolfhart Pannenberg, 9. Springhorn geht davon aus, dass Pannenberg dieses programmatische Anliegen mit K. Rahner teilt. So C.E. Braaten u. P. Clayton, Preface, in: C.E. Braaten, Ph. Clayton (Hg.), The Theology of Wolfhart Pannenberg, 10: „The editors also wish to acknowledge their gratitude to their good friend Wolfhart Pannenberg for entering into this conversation with American theologians, and thus advancing our mutual interest in exploring the depth and range of the Christian truth in relation to the intellectual challenges of our age.“ A. Dulles, Pannenberg on Revelation and Faith, 170. So C. Mostert, God and the Future, xii. R. Schwager, Religionswissenschaft und Theologie. Wolfhart Pannenberg und René Girard, 173 [Zurücknahme des Kursiven: T. L.]. Gleiches gilt nach Schwager auch für René Girard. So R. Schwager, Religionswissenschaft und Theologie. Wolfhart Pannenberg und René Girard, 173 [Zurücknahme des Kursiven: T. L.]. J.A. Stewart, Reconstructing Science and Theology in Postmodernity, viii: Stewart meint, „Pannenberg must be applauded for the depth of his scholarship in theology and philosophy, and for facing the questions of truth in postmodernity [kursiv: T. L.].“ Pannenberg „has taken on the questions of postmodernism“ (vgl. a. a. O., 8). Sie stellt außerdem fest, dass „Pannenberg is primarily concerned with the problem of truth.“ Dies führt sie u. a. darauf zurück, „that the rise of natural science in the twentieth century has raised serious questions about the concept of truth“ (a. a. O., 40). J.B. Cobb, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, 269. J.V. Apczynski, Truth in Religion, 52. Obwohl Pannenberg sich nicht weiter mit M. Polanyi auseinandergesetzt hat, bietet Apczynski einen Beitrag, der epistemische Aspekte in Pan-

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von Pannenberg als „Spezifikum des christlichen Glaubens“ ausgegebene Annahme der Vorwegereignung des „Ende[s] der Geschichte und der Zukunft der Welt in der Auferweckung Jesu Christi als der Bestätigung seines Vollmachtsanspruches durch Gott […] vor dem Forum des allgemeinen Wahrheitsbewusstseins zu rechtfertigen.“88 Kurt Kochs Überzeugung ist: „Pannenbergs Theologie ist als der umfassende Versuch zu verstehen, den Anspruch des christlichen Glaubens, dass in Jesus von Nazareth die eschatologische Wahrheit Gottes offenbar ist, vor dem Forum des allgemeinen Wahrheitsbewusstseins zu rechtfertigen und zugleich die menschliche Vernunft so zu öffnen, dass sie für diese Wahrheit empfänglich sein kann.“89 Paul D. Molnar ist überzeugt: „Pannenberg certainly intends to uphold God’s freedom and the truth of Christianity in a secularized world“90. Hermann Fischer und Philip Clayton gelangten zu der Einschätzung, „Pannenberg’s vocation is to ‚bring Christian truth into relation with the general consciousness [of contemporary thought]‘.“91 David McKenzie würdigt Pannenberg als Theologen und Religionsphilosophen und urteilt, er sei dazu in der Lage „to participate in the discussions of philosophical issues in a philosophical fashion, that is, with an honest, open, and free pursuit of the truth.“92 Carl E. Braaten sieht Pannenbergs theologischen Ansatz von folgender Fragestellung geleitet: „How can theology make clear the primacy of God and God’s revelation in Jesus Christ and vindicate its claim to truth in a time in which all speaking about God is reduced to subjectivity“93. Zufolge von Walter A. Euler besteht „Pannenbergs theologisches Grundanliegen“ darin, „die innere Vernunfthaftigkeit des christlichen Glaubens im Kontext der Anforderungen neuzeitlicher Rationalität darzulegen, d. h. „seinen universalen Wahrheitsanspruch in der Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der Wissenschaft und dem philosophischen Denken“ einzulösen.“94 Richard John Neuhaus skizziert Pannenbergs Interesse an der Wahrheitsfrage folgendermaßen: „The

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nenbergs Theologie mit Polanyis Theorie des Wissens konfrontiert. Vgl. a. a. O., 49–73, bes. 59ff. G. Wenz, Wolfhart Pannenberg, in: KuD 54 (2008), 147. Siehe auch G. Wenz, Wolfhart Pannenberg, 87f, G. Wenz, Wolfhart Pannenbergs Systematische Theologie, 11 sowie G. Wenz, Wolfhart Pannenberg (1928–2014). Ein Nachruf, 593. Diese Interpretation von G. Wenz versteht Pannenbergs Theologie also von der bereits in Offenbarung und Geschichte formulierten Hauptthese, dass in Jesu Christi Geschick „d a s E n d e a l l e s G e s c h e h e n s vo r we g e r e i g n e t i s t “ (= 4. These in OaG, 103). Die Geschichte Jesu Christi ist demnach Antizipation des Eschatons und „die universale Offenbarung der Gottheit Gottes.“ (So G. Wenz, Wolfhart Pannenbergs Systematische Theologie, 16). K. Koch, Vernunft des Glaubens in ökumenischer Leidenschaft. Dankbarer Rückblick auf das theologische Lebenswerk Wolfhart Pannenbergs, 491. So P.D. Molnar, Some Problems with Pannenberg’s Solution to Barth’s ‚Faith Subjectivism‘, 316. Ph. Clayton (Anticipation and Theological Method, 126) bezieht sich hier zurück auf H. Fischer, Fundamentaltheologische Prolegomena zur theologischen Anthropologie. Anfragen an W. Pannenbergs Anthropologie, 44. D. McKenzie, Wolfhart Pannenberg & Religious Philosophy, 18. C.E. Braaten, The Place of Christianity among the World Religions, 299. W.A. Euler, Wolfhart Pannenbergs Theologie der Religionen, 174f. Siehe auch U. Ruh, Den Glauben denken. Zu Wolfhart Pannenbergs „Systematischer Theologie“, 181 (Ruh schließt an Euler an).

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truths that most interest him are not instrumental truths, they are not immediately useful for any purpose other than understanding the truth. His uncompromising rejection of the claim that truth is defined by the praxis of sociopolitical consequence creates a deep breach between Pannenberg and much of contemporary theology.“95 Thomas Freyer erblickt bei Pannenberg eine Systematische Theologie, „die in das Zentrum ihrer Reflexionen die rationale Rechenschaft über den Gottesgedanken und die Frage nach seiner Wahrheit stellt.“96 Der Einschätzung von Richard Viladesau zufolge hat „Systematic theology for P. […] as its purpose the establishment of the truth of Christian doctrine as discourse about God authorized by God.“97 Timothy Bradshaw hält fest, dass „[t]he question of truth itself is crucial for Christianity in Pannenberg’s view“, wie sich bereits in seinem frühen Aufsatz „Wa s i s t Wa h r h e i t ? “ zeige98. Der katholische Theologe Helmut Hoping verweist auf W. Pannenbergs „S y s t e m a t i s c h e T h e o l o g i e B d . I “ als Exempel für eine Dogmatik, die u. a. zugleich die fundamentaltheologische Frage nach Wahrheit behandelt99. Ein Indiz für die besondere Bedeutung der Wahrheitsthematik findet sich auch in der Einschätzung von Pannenbergs Weggefährten und Kollegen aus der Wuppertaler Zeit – Jürgen Moltmann – , der zu berichten weiß, dass Pannenberg immer so lange „dachte und diskutierte“, „bis er eine feste Überzeugung in der Wahrheit gewann“ und diese dann – „ohne jeglichen Opportunismus“ – ‚zur Zeit und zur Unzeit‘ auch vertrat.“100 Abschließend sei noch eine Selbstauskunft Pannenbergs aufgeführt: Auf die Frage, als wer er einmal gerne erinnert werden wolle, antwortete Pannenberg: „As a good Christian, one who had confidence in the truth of God.“101

1.1.1.2 Seine Wahrheitskonzeption: originell, profiliert und komplex Zur Wahrheitszentriertheit der Theologie Pannenbergs passt der eingangs erwähnte elaborierte Charakter seiner Wahrheitskonzeption, sodass eine Auseinandersetzung mit seinem Wahrheitsverständnis allein deshalb schon lohnend erscheint. Pannenberg hat eine Konzeption von Wahrheit vorgelegt, die in der neueren Theologie ihres Gleichen suchen dürfte. R. Barth urteilt: „Pannenbergs Entwurf hat innerhalb der neueren Theologie als die profilierteste Position zum theologischen Wahrheitsbegriff zu gelten.“102 Pannenbergs Wahrheitsverständnis

95 R.J. Neuhaus, Theology for Church and Polis, 230. 96 Th. Freyer, Zeit – Kontinuität und Unterbrechung, 299, unter Bezugnahme auf W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 73–132. 97 R. Viladesau, Review Systematic Theology 1. By Wolfhart Pannenberg, 171. 98 T. Bradshaw, Pannenberg: A Guide for the Perplexed, 10. 99 Vgl. H. Hoping, Dogmatik als Grammatik des Glaubens? Zum Dogmatikkonzept Ingolf U. Dalferths, 163. 100 J. Moltmann, Festvortrag für Wolfhart Pannenberg zum 75. Geburtstag, 12. 101 M. Bauman, W. Pannenberg, Wolfhart Pannenberg, Munich, West Germany (Interview), 52. 102 R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 19. Die Richtigkeit dieser Einschätzung wird im Durchgang der einzelnen Aspekte deutlich werden, aber auch in Auseinandersetzung mit divergierenden (philosophischen und theologischen) Positionen.

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ist, wie Chr. Mostert es formulierte, zudem „thoughtprovoking and challenging“103. Und auch Peter Cook scheint mir darin Recht zu behalten, dass „Pannenberg’s approach to the problem of truth is considered original and creative“104. Er beweist nicht zuletzt auf dem Gebiet der Wahrheitsfrage Mut zur eigenständigen Meinungsbildung jenseits geläufiger Trends innerhalb konfessioneller Theologie105. Was das im Einzelnen heißt, wird noch zu zeigen sein. An dieser Stelle genügt zunächst die Erkenntnis, dass die Wahrheitsthematik für Pannenbergs Denken derart zentral ist, sodass m. E. davon ausgegangen werden kann, dass seine Theologie von der Wahrheitsthematik her nicht nur gelesen werden kann, sondern von dieser fundamentalen Themenstellung her verstanden werden muss. A. Gläßer sieht trotz aller Kritik bei Pannenberg einen „Wahrheitsbegriff von pikanter Originalität“ (A. Gläßer, Verweigerte Partnerschaft?, 83). 103 Chr. Mostert, God and the Future, 122. Dieses Urteil hat Mostert auch auf „Pannenberg’s view […] of concepts, and of the relation between thought and reality“ bezogen (ebd.). Sicher richtig ist auch, dass seine Theologie im Ganzen nicht nur innovativ ist, sondern auch als „provocative“ (so zu Recht D.H. Olive, Wolfhart Pannenberg, 11) eingestuft werden kann. 104 P.J.A. Cook, Pannenberg: A Post-Enlightenment Theologian, 252. 105 Carl E. Braaten formulierte treffsicher, Pannenbergs Theologie „escapes ready-made labels“ (C. Braaten, The Current Controversy on Revelation: Pannenberg and His Critics, 233f). Diese Einschätzung wird auch geteilt von S.J. Grenz, Reason for Hope, 3). Diese, wie ich finde, grundsätzlich bewundernswerte Eigenständigkeit seines nicht an konfessionelle Schranken gebundenen ökumenischen Denkens zeigt sich nicht zuletzt darin, dass Pannenberg durchaus als der „katholischste unter den protestantischen Theologen unserer Tage“ gelten konnte (M. Theunissen, Rezension Wolfhart Pannenberg: Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 266), was erklärt, warum „die katholischen Gesprächspartner eine innere Affinität zu dieser evangelischen Theologie entwickelten.“ (P. Eicher, Geschichte und Wort Gottes. Ein Protokoll der Pannenbergdiskussion von 1961–1972, 322). Pannenberg ist sich stets sein eigener Denker gewesen und schwamm nicht selten gerade gegen den Strom: Vgl. dazu die Beobachtungen von N.H. Gregersen: „Yet he was also viewed with some suspicion by fellow theologians.“ (N.H. Gregersen, Introduction. Wolfhart Pannenberg’s Contributions to Theology and Science, x). „At a time when liberal Protestants argued that the age of metaphysics and dogma was gone, Pannenberg studied medieval thinkers (the topic of his dissertations). At a time when existentialism reigned, he was a theologian with comprehensive intellectual ambitions that could best be described as metaphysical. When neoorthodox theologians argued that the message of the Bibel and the Church was different from all other religions and worldviews, Pannenberg resisted the isolation of the Christian tradition from other traditions. At a time when many said that Christianity at its core is not really a religion but a secularizing force, Pannenberg saw Christianity as one religion among others. In a climate when a high degree of minimalist cleanness was observed in theology (backed up by the then-existing hegemony of Protestantism in Northern Europe and North America), Pannenberg interpreted Christianity as the most syncretistic religion that had ever seen the day’s light. In an era, in which many theologians depicted Judaism and other religions as „religions of the law“, Pannenberg claimed that Christianity remains highly dependent upon its Jewish resources. Indeed, according to Pannenberg, the scope of Christianity can be evaluated only in the light of a comprehensive theology of all world religions.“ (a. a. O., x and xi).

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Es darf als eine glückliche Fügung verstanden werden, dass die hier angestrebte Aufarbeitung der Pannenberg’schen Wahrheitskonzeption in eine günstige Zeit fällt: Es ist (wenigstens) mir sehr willkommen, dass nach einer Hochkonjunktur des philosophischen Wahrheitsdiskurses im 20. Jahrhundert106, nach einer Zeit der „Erosion der Wahrheitsfrage“ und der einer gewissen „Wahrheitsvergessenheit“ in der Theologie107 die Wahrheitsdebatte in 106 „Seit der ersten Hälfte des 20. Jh. steht der Wahrheitsbegriff im Zentrum sich immer weiter ausdifferenzierender Diskussionen.“ (Chr. Landmesser, Art. Wahrheit, in: TRT5 Bd. 3, 1247). V. Gerhardt interpretiert die Hochkonjunktur der wahrheitstheoretischen Debatte im 20. Jahrhundert vor dem Hintergrund des Wirkens F. Nietzsches, insbesondere vor dem Hintergrund seiner Bestreitung absoluter Wahrheit. Vgl. dazu V. Gerhardt, Wahrheit und Öffentlichkeit, 14. Zur Wahrheitstheoriedebatte im 20. Jahrhundert vgl. auch exemplarisch R. Heinrich, Wahrheit, 66: „Im 20. Jahrhundert wurde Wahrheit zum zentralen Thema der theoretischen Philosophie. Kaum irgendwo sonst in diesem Bereich, wo Metaphysik, Logik und Erkenntnistheorie zusammentrafen, hat man vergleichbare Energie in die Erkundung von alternativen Ansätzen, in die Ausarbeitung von subtilen Argumenten und vor allem auch in die formale Aufrüstung der Theorien nach mathematischen Standards investiert. Dieses Interesse knüpfte aber nicht an die Auseinandersetzungen der Frühen Neuzeit an, sondern bildete sich zunächst aus anderen Motiven, von einer radikalen Reform der Logik her, aus. Erst dann wurden die neuen Gesichtspunkte, die sich für das Problem der Wahrheit ergaben, in der Theorie der Wissenschaft und in der Erkenntnistheorie geltend gemacht.“ 107 Walter Kasper stellte 1987 fest, dass – abgesehen von wenigen Ausnahmen – die Wahrheitsthematik weder in der katholischen noch in der evangelischen Theologie besondere Beachtung fände. Das ‚Wahrheitsverstädnis der Theologie‘ sei kein Thema (Vgl. W. Kasper, Das Wahrheitsverständnis der Theologie, 170). Seine These dürfte weitgehend zutreffend sein für die letzten Jahrzehnte des zurückliegenden 20. Jahrhunderts. Ein anderes Bild ergab sich in der (frühen) zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Seinerzeit schien die „Wahrheitsfrage […] bedrängend in den Vordergrund getreten“ zu sein, wie eine Einschätzung der Lage von O. Loretz aus dem Jahre 1964 belegt (Vgl. dazu O. Loretz, Die Wahrheit der Bibel, 11). Jahre später konstatiert Kasper außerdem noch, dass mit philosophischen Wahrheitstheorien kaum eine Auseinandersetzung stattfinde (Vgl. W. Kasper, Das Wahrheitsverständnis der Theologie, 170). Als Ausnahme nennt er H. Peukert, Wissenschaftstheorie – Handlungstheorie – Fundamentale Theologie, 1976. Dass daneben etwa auch Wolfhart Pannenberg ausdrücklich das Anliegen philosophischer Wahrheitstheorien rezipiert hat (s. u.), scheint Kasper bedauerlicherweise nicht bemerkt zu haben. Zu stark scheint sein Eindruck von einer „Erosion der Wahrheitsfrage“ und von einer „Wahrheitsvergessenheit in der systematischen Theologie“ geprägt gewesen zu sein (So W. Kasper, Das Wahrheitsverständnis der Theologie, 171; siehe zu dieser Diagnose auch M. Seckler, Theologie der Religionen mit Fragezeichen, 54f). Zu einer ähnlichen Einschätzung gelangte E. Jüngel 1979, wie seine damalige Kritik an einer Vernachlässigung des Begriffs der Wahrheit innerhalb der Theologie zeigt (Vgl. E. Jüngel, Wertlose Wahrheit, 92). Vor dem Hintergrund fehlender Auseinandersetzung mit der Wahrheitsthematik mag es auch nicht wundern, dass es, wie W. Härle und R. Preul in Anspielung auf ihr eigenes Theologiestudium zu berichten wissen, Zeiten gegeben haben mag, in denen man – „ohne den Begriff „Wahrheitstheorie“ jemals gehört zu haben, geschweige denn mit ihm etwas Gehaltvolles verbinden zu können“ – zum Examen habe ankommen können (So W. Härle/ R. Preul, Vorwort, in: Marburger Jahrbuch Theologie XXI (Wahrheit), VIII). I.U. Dalferth und Ph. Stoellger meinten sogar noch im Jahr 2001, dass in der Theologie zwar von dem „‚Wahrheitsbewußtsein‘ des christlichen Glaubens […] gern und viel die Rede“ sei (I.U. Dalferth/ Ph. Stoellger, Wahrheit, Glaube und Theo-

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jüngerer Zeit sowohl in Philosophie als auch in Theologie neu in Gang gekommen ist108. logie. Zur theologischen Rezeption zeitgenössischer wahrheitstheoretischer Diskussionen, 36), die Auseinandersetzung mit veritativen Fragen aus deren Sicht aber eher ein desolates Bild abgibt. Hinsichtlich der vielfach begegnenden Rede vom ‚Wahrheitsbewusstsein‘ fordern Dalferth und Stoellger zu Recht ein: „Was darunter zu verstehen ist, sollte daher auch dort bedacht werden, wo dieses Bewußtsein expliziert und diskutiert wird: in der Theologie. Aber nicht überall wird diese berechtigte Erwartung gefüllt.“ (ebd.). Gleiches wäre ganz besonders für den Ausdruck ‚Wahr(heit)‘ einzufordern. Der inflationäre Gebrauch des Ausdrucks ‚Wahr(heit)‘ bedeutet noch nicht, dass der Wahrheitsthematik und -problematik Rechnung getragen wird. Er kann sogar das Gegenteil, das „Ende der Wahrheit“ (um mit A. Kreiner zu sprechen) indizieren, wenn etwa der Ausdruck ‚Wahrheit‘ ausgiebig gebraucht wird, aber ohne klar festgelegte Sprachregelung auf sämtliche Probleme angewandt wird, letztlich dadurch schillernd oder gar inhaltsleer zu werden droht. Vgl. dazu A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 3: Kreiner meint sogar, dass die Bedeutung des Ausdrucks „um so hohler und nichtssagender“ zu werden scheint, je größer die Emphase ist, mit der diese Vokabel gebraucht wird. In der Philosophie steht (seit geraumer Zeit) „in fast allen wesentlichen Strömungen die Wahrheitsproblematik im Zentrum der Diskussion“ (Dalferth u. Stoellger beziehen sich auf die m. E. zutreffende Einschätzung von L.B. Puntel, Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie. Eine Kritisch-systematische Darstellung, 51ff.), was dagegen „von der Theologie so nicht gesagt werden“ kann (I.U. Dalferth/ Ph. Stoellger, Wahrheit, Glaube und Theologie. Zur theologischen Rezeption zeitgenössischer wahrheitstheoretischer Diskussionen, 36). Wie sie feststellen, sind nur vereinzelt Skizzierungen oder Ausarbeitungen eines theologischen Wahrheitsverständnisses in Angriff genommen worden (Vgl. a. a. O., 36f). Sie verweisen auf B. Köhler (Hg.), Religion und Wahrheit. Religionsgeschichtliche Studien, Festschrift für Gernot Wießner zum 65. Geburtstag, R. Schwager (Hg.), Relativierung der Wahrheit? Kontextuelle Christologie auf dem Prüfstand, Quaestiones disputatae 170 u. W. Härle/ M. Heesch/ R. Preul (Hg.), Befreiende Wahrheit, FS E. Herms. Man kann unabhängig von dieser, aufs Ganze gesehen sicher zutreffenden Diagnose von Stoellger und Dalferth mit R. Barth also einen grundsätzlichen Mangel an theologischer Beschäftigung mit der Wahrheitsproblematik feststellen (Vgl. R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 3 Anm. 6). Eine andere Frage ist es jedoch, ob sich die Theologie – um diesem Mangel entgegenzuwirken – veranlasst sehen sollte, ja ob es für sie überhaupt wünschenswert wäre, für ein dezidiert theologisches Wahrheitsverständnis einzutreten. Dass ein solches aus mehreren Gründen nicht erstrebenswert ist, wird im Horizont der Aufarbeitung der Wahrheitskonzeption Pannenbergs deutlich zu machen versucht. 108 Dass die Feststellung des Aufschwungs der Auseinandersetzung mit der Wahrheitsthematik nicht nur auf die Philosophie, sondern gleichermaßen auch auf die Theologie zutrifft, ist vielleicht „ein geistesgeschichtlich durchaus bemerkenswerter, vielleicht einzigartiger Umstand.“ (So im Klappentext des Marburger Jahrbuches Theologie zu der von den Herausgebern W. Härle und R. Preul gemachten Beobachtung eines gestiegenen Interesses an der Wahrheitsthematik vgl. a. a. O., deren Vorwort, VIII). Der Wahrheitsbegriff gehört, wie H. Schulz erst jüngst feststellte, „gegenwärtig zu den meistdiskutierten Themen der kontinentalen wie nichtkontinentalen Philosophie“, und „[a]uch im theologischen Kontext spielt das Thema seit geraumer Zeit eine zunehmend wichtigere Rolle“ (So die m. E. zutreffende Diagnose von H. Schulz, Einleitung, in: Marburger Jahrbuch Theologie XXI (Wahrheit), 1). Das 2009 veröffentlichte Marburger Jahrbuch Theologie XXI zum Thema der Wahrheit stellt sicher „nur ein Indiz für die Richtigkeit dieser Diagnose [dar].“ (ebd.). Es dürfte wohl eher kaum zu erwarten gewesen sein, dass etwa just seit Beginn der 1990er Jahre „die innerdeutsche wie die internationale Wahrheitsdebatte einen außerordentlichen und so nicht

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vorhersehbaren Aufschwung genommen [hat].“ (So die zutreffende Diagnose auf dem Klappentext des Marburger Jahrbuches für Theologie XXI [Wahrheit]). Volker Gerhardt spricht in Bezug auf den neueren (philosophischen) Wahrheitsdiskurs von einer „Beschäftigung mit der Wahrheit […], die alles Vorangegangene in den Schatten stellt und die auch im Rückblick schier unglaublich ist.“ (V. Gerhardt, Wahrheit und Öffentlichkeit, 14 [darauf rekurrierend auch H. Schulz, Vom Daseinsverständnis zum Evidenzerleben, 99 Anm. 2]). Dass die Wahrheit erneut in das Zentrum des Interesses gerückt ist, bestätigt (für die Philosophie) etwa auch der von R. Schantz 2002 herausgegebene Band „What is Truth?“ (2002) mit Beiträgen zum Thema aus der theoretischen Philosophie. Der neue Aufschwung der Wahrheitsdebatte innerhalb der Theologie lässt sich nachverfolgen an folgenden Publikationen: A. Kreiner, Ende der Wahrheit? Zum Wahrheitsverständnis in Philosophie und Theologie, 3ff. Das sicher unstrittige Stagnieren der Wahrheitsfrage während jener Phase darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auch von Seiten der Theologie immer wieder der Wahrheitsdiskurs gesucht wurde. Vgl. dazu etwa ‚Was ist Wahrheit? Ringvorlesung der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Hamburg‘, hg. v. H.-R. Müller-Schwefe (1965), E. Coreth (Hg.), Wahrheit in Einheit und Vielheit (1987) sowie auch H.-P. Willi (Hg.), Was ist Wahrheit? (1989). Eberhard M. Pausch stellte 1995 noch verhältnismäßig vorsichtig die Frage nach einer „möglichen Relevanz des Wahrheitsbegriffes für die gegenwärtige deutschsprachige protestantische systematische Theologie“ und machte in diesem Zusammenhang auf „die Unverzichtbarkeit und fundamentale Bedeutung des Wahrheitsbegriffes sowohl für christlich-religiöse Glaubensrede als auch für systematisch-theologische Diskurse“ aufmerksam (E.M. Pausch, Wahrheit zwischen Erschlossenheit und Verantwortung, 1). Er plädierte deshalb auch sinnvollerweise dafür, die Auseinandersetzung mit der Wahrheitsthematik zu suchen, d. h. v. a. genauer den Wahrheitsbegriff als theologischen Grundbegriff anzuerkennen und dessen Klärung voranzutreiben (vgl. a. a. O., 1 u. 9). Seine Studie behandelt im Kern die Wahrheitskonzeption R. Bultmanns und der dabei zu berücksichtigenden Heidegger-Rezeption, zugleich bemüht er sich darum, das mit dem Wahrheitsbegriff verbundene Potential für die Systematik auszuloten (vgl. a. a. O., bes. 325ff). 1998 hatte Chr. Landmesser den Wahrheitsbegriff als einen semantisch-ontologischen bestimmt und ihn als Grundbegriff in seiner Relevanz für die (speziell neutestamentliche) Wissenschaft herausgearbeitet (Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft). Siehe auch die Arbeiten von W. Dietz, Wahrheit – Gewißheit – Zweifel. Theologie und Skepsis. Studien zur theologischen Auseinandersetzung mit der philosophischen Skepsis (= die 2013 erschienene Überarbeitung der Habilitationsschrift von 1993) und R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewusstsein. Das Verhältnis von logischem und theologischem Wahrheitsbegriff – Thomas von Aquin, Kant, Fichte und Frege (2004). Man beachte auch zwei neuere Sammelbände: I.U. Dalferth/ Ph. Stoellger (Hg.), Wahrheit in Perspektiven. Probleme einer offenen Konstellation (2004); W. Härle/R. Preul (Hg.), Marburger Jahrbuch Theologie XXI. Wahrheit (2009). Siehe daneben die kaum zu überblickende Vielzahl an Aufsatzbeiträgen aus Philosophie und Theologie zum Thema. Hierzu bietet einen ausführlichen Überblick H. Schulz, Vom Daseinsverständnis zum Evidenzerleben. Exemplarische Standpunkte der wahrheitstheoretischen Debatte in der neueren deutschen evangelischen Theologie, 99ff (Anmerkungen 1–4). Zu neueren veritativen Beiträgen aus den Jahren 2004– 2008 siehe H. Schulz, Einleitung, in: Marburger Jahrbuch Theologie XXI (Wahrheit), 1 inkl. Anm. 2 u. 3.

2.

Wahrheit, Wahrheitsbegriff und Wahrheitsterminologie

2.1

Terminologische Differenzierungen „Viele Diskussionen um die Wahrheitsfrage kommen schon deshalb zu keinem Ergebnis oder bleiben gar im Vorfeld stecken, weil fundamental unklar bleibt, was eigentlich Gegenstand der Erörterung ist“.1

Vor einer eingehenden Aufarbeitung der Pannenberg’schen Wahrheitskonzeption beginne ich mit der Vorstellung des von mir verwendeten Begriffsrepertoires. Um terminologische Konfusionen zu vermeiden und Präzisierungen zu ermöglichen, bedarf es m. E. eines differenzierten begrifflichen Instrumentariums. Ich weise darum vorab auf wichtige Termini und die damit in Zusammenhang stehenden begrifflichen Distinktionen hin, die eine sinnvolle und gründliche Erörterung der Wahrheitskonzeption bei Wolfhart Pannenberg überhaupt erst ermöglichen2. Dazu ist zunächst das (größere) Phänomen ‚Wahrheit‘ (und mit ihm die sich stellenden Fragehorizonte) in Augenschein zu nehmen:

2.1.1 Zum Phänomen Wahrheit Das ausgewiesene Thema dieser Studie ist weder eine umfassende Aufarbeitung der Wahrheitsthematik im Denken W. Pannenbergs noch eine eingehende Auseinandersetzung mit dem weiten Feld der Wahrheitsproblematik in ihrer Behandlung durch ihn. Diese Arbeit behandelt diesen Themenbereich zwar en 1 E.M. Pausch, Wahrheit zwischen Erschlossenheit und Verantwortung, 41. 2 E.M. Pausch (Wahrheit zwischen Erschlossenheit und Verantwortung, 41ff) hat zu Recht gefordert, angesichts eines bis dato recht unübersichtlichen theologischen Wahrheitsdiskurses begrifflich präzise terminologische Unterscheidungen vorzunehmen, um so zu gewährleisten, dass im Wahrheitsdiskurs kategorial verschiedene Fragestellungen nicht vermengt werden.

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passant mit, fokussiert aber die engere Frage, was Pannenberg unter Wahrheit versteht. Es ist dies die Frage nach seinem Wahrheitsverständnis im Sinne einer Wahrheitsauffassung, Wahrheitskonzeption oder Wahrheitsvorstellung3. In der Bearbeitung dieses klar abgesteckten Fragehorizonts wird geklärt werden, wie Pannenberg bereits das menschliche Fragen nach Wahrheit verstanden hat, d. h. welche Interpretation der Wahrheitsfrage ihn bei seiner Herangehensweise geleitet hat. Die Bedeutung des jeweiligen Fragens nach Wahrheit zur Eruierung einer Wahrheitskonzeption ergibt sich grundsätzlilch aus der hier unterstellten Annahme, dass bereits die Frage ‚Was ist Wahrheit?‘ niemals a-perspektivisch gestellt wird, sondern stets verknüpft ist mit bestimmten (möglicherweise bloß subjektiven) Vorstellungen und Grundannahmen darüber, wonach mit der Frage nach Wahrheit überhaupt gefragt wird. Eine Untersuchung der Interpretation der Wahrheitsfrage erlaubt darum wertvolle Rückschlüsse auf Wahrheitsverständnisse. Die Frage nach charakteristischen Attributen bzw. Kennzeichen, Merkmalen und Eigenschaften von Wahrheit (zum Exempel die Vorstellung, der Wahrheit eigne ein Wesen) gehört ebenso zur Frage nach einem Wahrheitsverständnis wie die (etwas weiter gefasste) Frage nach dem von ihm unterstellten und teils auch näher explizierten formalen Wahrheitsbegriff. Die Frage nach dem Wahrheitsbegriff wird anders als hier nicht selten auch synonym verwandt für die Frage nach dem Wahrheitsverständnis. Es gilt hierbei die nicht nur von Pannenberg mit dem Ausdruck ‚Wahrheit‘ intendierte und bezeichnete Sache herauszuarbeiten, um in einem zweiten Schritt herauszufinden, inwiefern diese Sache auch für Pannenbergs Erwägungen zum Thema relevant oder in ihnen präsent ist4. Es geht dabei um eine Beschreibung des (mehr oder weniger scharf zu umreißenden) ‚semantischen Zentrums‘ dieses Begriffs überhaupt und auch bei Pannenberg5. Die Überlegungen zum Phänomen Wahrheit und auch zur Frage nach seiner begrifflichen Erfassung, Definition oder Explikation sind zunächst und primär motiviert durch das Bedürfnis nach gelingender Kommunikation innerhalb der

3 E.M. Pausch (vorwiegend) u. R. Barth sprechen in diesem Sinne von Wahrheitskonzeption. Siehe dazu E.M. Pausch, Wahrheit zwischen Erschlossenheit und Verantwortung u. R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein. Chr. Landmesser etwa gebraucht (in identischem Sinne) den Terminus Wahrheitsvorstellung (vgl. Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 1 passim). Siehe exemplarisch seine Aufarbeitungen der Wahrheitsvorstellungen von R. Bultmann (a. a. O., 169ff) und anderen ausgewählten Neutestamentlern in Teil III seiner Arbeit (= a. a. O., 327–422). 4 Ich folge hier der Sprachregelung von L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff in Philosophie und Theologie, 27. 5 In einem solchen Sinn hat etwa auch E.M. Pausch vom Wahrheitsbegriff gesprochen. (Vgl. E.M. Pausch, Wahrheit zwischen Erschlossenheit und Verantwortung, 45) Nach Meinung von Pausch erweist sich jedoch das semantische Feld als „vage, weit und komplex“ (a. a. O., 46).

Terminologische Differenzierungen

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Wissenschaft, wie es schon von Chr. Landmesser propagiert worden ist6. Es bedarf der Klarheit darüber, was mit dem Ausdruck ‚Wahrheit‘ gemeint sein soll, was seine Struktur und was seine Funktion ist. Verweigert man sich der Frage, was der Ausdruck ‚Wahrheit‘ heißen soll, zieht man den Verdacht auf sich, es nicht genau sagen zu wollen oder zu können. Im schlimmsten Fall weiß nicht einmal derjenige, der diesen Ausdruck verwendet, was er genau bedeuten soll. „Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen der formalen und der materialen Wahrheit. Die formale Wahrheit beschreibt deren allgemeine Struktur, die materiale Wahrheit beinhaltet das, was tatsächlich für wahr anzusehen ist. Beide Dimensionen von Wahrheit bleiben immer aufeinander bezogen.“7

Die Relevanz der Klärung der Frage nach dem formalen Wahrheitsbegriff zeigt sich daran, dass erst unter der Bedingung einer Klärung dieses Wahrheitsbegriffs eine Verständigung im weitesten Sinn, eine Diskussion, Kontroverse o. ä. über einzelne konkrete Wahrheiten, wie z. B. bestimmte wahre Aussagen (sog. materiale Wahrheit) überhaupt erst möglich wird. Um beispielsweise überhaupt verstehen zu können, was es heißen soll, dass der Satz ‚Ich bin wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Mainz.‘ mit dem Prädikat wahr versehen wird, muss man bereits wissen, welche Bedeutung mit dem Ausdruck ‚Wahr(heit)‘ assoziiert wird bzw. werden kann. Und auch eine Reflexion auf den von den Wissenschaften jeweils applizierten Wahrheitsbegriff legt sich von daher nahe, wie Chr. Landmesser es ebenfalls für erforderlich hält: „Um aber materiale Wahrheit angemessen zur Geltung bringen zu können, muß ein möglichst weitgehendes Verständnis des vorausgesetzten Wahrheitsbegriffs angestrebt 6 Vgl. Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 2. 7 Chr. Landmesser, „Die Wahrheit wird euch frei machen“. Biblische Perspektiven, 140 Anm. 42. Landmesser hat diese Elementar-Unterscheidung zu Recht für den neutestamentlichen Wahrheitsdiskurs aufgegriffen. Doch wird, wie mir scheint, die Bedeutung dieser Unterscheidung kaum oder gar nicht beachtet, wie exemplarisch an einer Bemerkung von M. Köhlmoos und M. Wriedt gezeigt werden kann: Sie meinen, „[d]er neutestamentliche Wahrheitsdiskurs zeigt exemplarisch, dass Wahrheit nicht mit einer griffigen Formel zu definieren ist, sondern dass sie im Dialog zwischen Wahrheitsansprüchen, oder Positionen, verhandelt werden muss.“ (M. Köhlmoos, M. Wriedt, Zum Geleit, in: M. Köhlmoos, M. Wriedt, Wahrheit und Positionalität, 8). Dagegen ist zu sagen, dass sich im Neuen Testament (wie auch im Alten Testament) verschiedene Bedeutungen der Ausdrücke ‫ ֱאֶמת‬und ἀλήθεια nachweisen lassen; manche Belege können (eindeutig) einem bestimmten (formalen) Wahrheitsbegriff (z. B. dem aussagetheoretischen Wahrheitsbegriff und insofern einer bestimmten Definition von Wahrheit) zugeordnet werden. Wie wichtig die Distinktion zwischen formaler und materialer Wahrheit ist, belegt sehr eindrücklich die äußerst problematische These, Wahrheit müsse – statt definiert – dialogisch „zwischen Wahrheitsansprüchen […] verhandelt werden“ (ebd.). Denn es wird hierbei übersehen, dass selbst das Vertreten von Wahrheitsansprüchen an einen bestimmten formalen Wahrheitsbegriff, nämlich nolens volens an einen (im weitesten Sinne) aussagetheoretischen Wahrheitsbegriff, gebunden ist, d. h. kaum anders gedacht werden kann (s. u.).

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werden. Nur unter dieser Bedingung kann materiale Wahrheit wirkungsvoll beansprucht oder auch bestritten werden. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, daß alle am Diskurs um die materiale Wahrheit Beteiligten eine Verständigung über den vorausgesetzten Wahrheitsbegriff anstreben müssen. Innerhalb einer Wissenschaft muß dies ausdrücklich und begründet geschehen. Es stellt sich daher die Aufgabe, sowohl nach dem faktisch unterstellten Wahrheitsbegriff zu fragen wie auch insbesondere einen der Theologie bzw. der neutestamentlichen Wissenschaft angemessenen Wahrheitsbegriff zu entwickeln.“8

Es bleibt also wichtig, dieser Einsicht ansichtig zu werden: „Die inhaltliche Wahrheitsfrage kann in jeder Wissenschaft aber nur dann einigermaßen befriedigend geklärt werden, wenn auch – zumindest prinzipiell – Auskunft über den zugrundegelegten Wahrheitsbegriff gegeben werden kann.“9 Lässt man sich dagegen nicht ein auf die Frage nach dem (formalen) Wahrheitsbegriff und auf die verschiedentlich unternommenen Versuche, diesen Begriff wahrheitstheoretisch explikativ einzuholen – etwa mit der Begründung, diese Frage sei eine vermeintlich rein theoretische, abstrakte und darum für die Theologie irrelevante Option10– wird man kaum den von Landmesser beschriebenen Schwierigkeiten aus dem Weg gehen können: „Wird die Frage nach dem Wahrheitsbegriff nicht beantwortet oder gar nicht gestellt, dann besteht auch keine Klarheit darüber, was denn die (komplexen) Sätze, für die Wahrheit in irgendeiner Weise beansprucht wird, aussagen sollen, welchen Stellenwert sie im jeweiligen Kontext haben sollen oder welche Funktion ihnen zugesprochen wird. Es besteht also ein unauflöslicher Zusammenhang und zugleich ein deutliches Gefälle zwischen der wahrheitstheoretischen Fragestellung und der Frage nach der materialen Wahrheit. Jede Behauptung materialer Wahrheit setzt faktisch – ob bewußt oder unbewußt, ist dabei nicht entscheidend – einen Wahrheitsbegriff und eine Wahrheitskriteriologie voraus.“11

Insbesondere die Wissenschaft sollte – wie Landmesser zurecht anmahnte – an der Klärung des von ihr vorauszusetzenden Wahrheitsbegriffs interessiert sein, will sie begründet über einzelne materiale Wahrheitsansprüche urteilen, sich der Möglichkeit sinnvoller intersubjektiver Kommunikation nicht entziehen, sich nicht der Chance rationaler Argumentation berauben und schließlich auch nicht eine Atmosphäre schaffen, die hinsichtlich „Diffusität und Unreflektiertheit der

8 Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 1. 9 Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 327. 10 Die Erkenntnis, dass mit dem Ausdruck ‚Wahr(heit)‘ ein bereits im Alltag geläufiges Phänomen assoziiert wird, macht es m. E. nicht nur wünschenswert, sondern (eher) notwendig, in der Auseinandersetzung mit der Wahrheitsthematik auf die Philosophie, genauer auf die Wahrheitstheorie, einzugehen. Schließlich reflektiert sie dieses Phänomen und die mit ihm zusammenhängenden Fragehorizonte und Problemkonstellationen. 11 Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 327f.

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im nichtwissenschaftlichen Lebenszusammenhang geäußerten Wahrheitsansprüche“ in nichts nachstehen würde12. Zu unterscheiden ist grundsätzlich zwischen dem Fragen nach einem Wahrheitsbegriff und den je und je mit dem Ausdruck ‚Wahrheit‘ assoziierten Bedeutungen, insofern Letztere im schlimmsten Falle durch den Wahrheitsbegriff „nicht gedeckt“ sind, d. h. die Einzelbedeutungen von diesem Begriff der Wahrheit nicht ableitbar sind; im besten Falle liegen die Bedeutung(en) im Horizont des vom Wahrheitsbegriff vorgegebenen semantischen Bedeutungsfeldes13. Von nicht unerheblicher Bedeutung ist die Klärung der Frage, wie sich der Wahrheitsbegriff sowohl zur Konzeption Pannenbergs verhält als auch zu dem, was gemeinhin im Alltag und in der Wissenschaftssprache unter ‚Wahrheit‘ verstanden wird bzw. werden kann. Neben Pannenbergs Metaaussagen über Wahrheit müssen hierfür auch die objektsprachlichen Verwendungen des Ausdrucks ‚Wahrheit‘ bzw. ‚wahr‘ Berücksichtigung erfahren (s. o.). Denn jedes Urteil über eine einzelne, konkrete, inhaltliche, sog. materiale Wahrheit wird überhaupt erst dadurch ermöglicht, dass geklärt ist, was mit dem Wort oder Ausdruck ‚Wahr(heit)‘ gemeint ist. Struktur und Form des Wahrheitsbegriffs müssen also bereits geklärt sein, wenn die Frage nach materialer Wahrheit im Einzelnen einer Klärung zugeführt werden soll14. Ob im Einzelfall überhaupt materiale Wahrheit vorliegt, ist vielfach umstritten, oft über längere Zeit. Die Frage nach formaler und materialer Wahrheit muss ihrerseits noch einmal unterschieden werden von derjenigen nach bestimmten Charakteristika oder Attributen der Wahrheit. Jede Angabe eines bestimmten Charakteristikums oder Attributes von Wahrheit ist nur dann sinnvoll und nachvollziehbar, wenn klar ist, 12 Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 328. Siehe auch die Bezugnahme auf T. Koch. 13 Diese meine Überlegungen sind maßgeblich von L.B. Puntel beeinflusst, der den wichtigen Unterschied zwischen dem formalem Wahrheitsbegriff (1), den mit dem Ausdruck ‚Wahrheit‘ verbundenen verschiedenen Bedeutungen (2) und auch der Funktion des Ausdrucks ‚Wahrheit‘ (3) zu beachten fordert: „Unbeachtet bleibt häufig der Unterschied zw. dem Ausdruck W., dem Begriff der W. u. der Funktion od. Rolle, die dem Ausdr. bzw. dem Begriff (der) Wahrheit in den verschiedensten Kontexten u. Diskursen im tägl. Leben, in den Wiss. u. in der Philos. (u. Theol.) zugeschrieben wird bzw. werden kann. Die Erklärung der Bedeutung des Ausdrucks W. kann nicht einfach mit der Bestimmung/Definition des Begriffs der W. identifiziert werden, da das in vielfacher Weise in Anspruch genommene „Verständnis“ (des Begriffs) der W.“ nicht als extensionsgleich mit der Zuschreibung einer bestimmten Bedeutung z. Ausdr. W. betrachtet werden kann. Jede Rede über die Funktion des Ausdr./ Begriffs (der) W. setzt aber die Kenntnis seiner Bedeutung bzw. seiner begriffl. Bestimmung voraus.“ (L.B. Puntel, Art. ‚Wahrheit‘, 927). 14 Zum Zusammenhang der zunächst zu unterscheidenden Fragen nach formalem Wahrheitsbegriff und materialer Wahrheit siehe auch die Bemerkungen von Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 1.

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in Bezug auf welchen Wahrheitsbegriff dies gelten soll. So ist etwa die These der Geschichtlichkeit (i. d. R.) dann plausibel, wenn sie auf ontologische Wahrheit bezogen wird, für gewöhnlich nicht dagegen, wenn sie sich auf aussagetheoretische Wahrheit bezieht. Diese elementare Unterscheidung zwischen formaler und materialer Wahrheit oder überhaupt die Angabe eines einigermaßen klaren Wahrheitsbegriffs lassen so manche theologische Entwürfe sträflich vermissen15. In den Wissenschaften aber auch im Alltag konfligieren verschiedene Ansprüche auf Wahrheit, etwa zwischen den Religionen16. Wahrheitsansprüche sind sprachlich artikulierte Geltungsansprüche auf (materiale), d. h. konkrete, ‚eigentliche‘ Wahrheit. Ihr Wahrheitsgehalt ist vor jeder Prüfung als zunächst offen anzusehen. Die Auseinandersetzung mit (der Frage nach) Wahrheit erfordert die Unterscheidung zwischen definitorischer und kriteriologischer Fragerichtung: Die definitorische Frage fragt danach, welche Bedeutung bzw. welche Bedeutungsfelder mit dem Ausdruck oder Wort ‚Wahr(heit)‘ assoziiert wird bzw. werden. Im Rahmen einer solchen Bemühung um die Definition von Wahrheit ist es – wie bei jeder Definition – erforderlich, dass für das definiendum – in diesem Fall Wahrheit – ein solches definiens gefunden wird, das der Herausforderung einer Äquivalenz von definiens und definiendum gerecht wird17. Von der definitorischen Frage nach der Bedeutung von Wahrheit zur Statuierung eines spezifischen Wahrheitsbegriffs sollten unterschieden werden die epistemologisch motivierten Fragen nach den verschiedenen, stets methodisch geleiteten Bemühungen um (Wahrheits-)Erkenntnis. Wahrheit als Thema der Epistemologie heißt, die Auseinandersetzung zu suchen mit den Möglichkeitsbedingungen von Erkenntnis, die ihrerseits ihrem Anspruch nach immer auch 15 Man beachte in diesem Zusammenhang die in diese Richtung gehenden Bemerkungen Puntels zu höchst problematischen, weil systematisch nicht (durch-)reflektierten Äußerungen innerhalb der Theologie: „Nicht selten trifft man bei Theologen auf „Bestimmungen“ des Wahrheitsbegriffs, die einfach nicht-nachvollziehbar sind. […] Es ist [beispielsweise; erg. T. L.] schwer zu sehen, was eine […] „Charakteristierung“ mit dem Begriff der Wahrheit zu tun hat.“ (L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff in Philosophie und Theologie, 29): „Beim Theologen Hans-Peter Müller findet man die Formulierung: Wahrheit ist ‚nicht nur passive Anpassung der Vernunft an die Sache, sondern … aktive, wagemutige Anpassung der Sache an die menschliche Vernunft. Wahrheit ist Anverwandlung der Realität an das Menschgemäße, Assimilation der Umwelt zur menschlichen Umwelt.‘“ (Puntel zitiert ebd. H.-P. Müller, Mythos – Kerygma – Wahrheit. Zur Hermeneutik einer biblischen Theologie, 55). 16 Siehe zur Unterscheidung von Wahrheitsbegriff und konfligierenden Wahrheitsansprüchen auch die Bemerkungen von R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 18. 17 Siehe dazu auch K. Gloy, Wahrheitstheorien, 15. Siehe auch Gloys instruktive Kommentierung zu den verschiedenen Definitionstypen und den damit mehr oder weniger verbundenen Schwierigkeiten, einen (philosophischen) Grundbegriff wie Wahrheit definitional einholen zu wollen, 13ff.

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zugleich wahre Erkenntnis ist. Denn Erkenntnis, die nicht zugleich wahre Erkenntnis wäre, kann nicht gut als Erkenntnis ausgegeben/verstanden werden18. Das ist auch bei Pannenberg nicht anders: „Geht es doch in allem Streben nach Erkenntnis darum, herauszufinden, was wahr ist.“19 Um entscheiden zu können, was im Einzelfall als begründet wahr oder falsch gelten kann, bedarf es der Berücksichtigung von Wahrheitskriterien (z. B. Kohärenz und Konsensus). Mithilfe solcher Kriterien soll also eine rational legitimierbare Unterscheidung zwischen ‚wahr‘ und ‚falsch‘ ermöglicht werden. Wahrheitskriterien geben demnach die Bedingungen an, die erfüllt sein müssen, damit ein sprachlich artikulierter Wahrheitsanspruch (z. B. in Gestalt von Aussagen, Sätzen, Propositionen) berechtigt als Anspruch auf Wahrheit vorgetragen werden kann. Kontrovers diskutiert wird, welches Kriterium bzw. welche Kriterien dafür in Betracht kommen20. Kriterien der Wahrheit dienen der Wahrheitsfindung, insofern an ihnen „erkennbar werden kann, welche der strittigen Auffassungen dem Gegenstand oder Sachverhalt entsprechen und welche nicht.“21 Sie spielen deshalb eine Rolle im Zusammenhang der Bemühungen um Verifikation im größeren Fragehorizont der Wahrheitsproblematik: „Das Wahrheitsproblem ist jedoch stets, einmal ganz ungefähr gesagt, mit dem Verifikationsproblem „verbunden“, weil wir ja stets die Wahrheit erkennen wollen und nicht nur wissen wollen, was „Wahrheit“ bedeutet.“22

18 Zur Erkenntnis als ihrem Anspruch nach stets wahrer Erkenntnis siehe K. Gloy, Wahrheitstheorien, 21. Es geht um den Gedanken, dass „jede Erkenntnis, wenn sie denn eine Erkenntnis zu sein beansprucht, eine wahre Erkenntnis darstellt, ansonsten wäre sie keine Erkenntnis.“ (K. Gloy, Kants Wahrheitstheorie und moderne Positionen, 3). 19 W. Pannenberg, Freude des Glaubens. Predigten, 28. 20 Ein sorgsamer, d. h. differenzierter, Gebrauch entsprechender Begriffe dürfte gelingender Verständigung gereichen. Ein Kriterium der Wahrheit ist etwas anderes als eine Definition von Wahrheit, mit der z. B. festgehalten werden kann, dass Gott die Wahrheit sei. Darum bleibt mir nicht nachvollziehbar, dass M. Hailer (Warum Theologie ein positionelles Geschäft ist – Vorüberlegung zur Systematischen Theologie, 217) in Gottes Wahrheit (zugleich) das letzte Wahrheitskriterium erkennen will. Wenn in Gott das letzte Wahrheitskriterium liegen sollte, müsste m. E. zudem gesagt werden, wie dieses Kriterium erkenntnistheoretisch nutzbar ist. Wo dies nicht geschieht, kann dieses Kriterium der Wahrheit für menschliche Erkentnisbemühungen nicht herangezogen werden. 21 So mit Recht auch W. Pannenberg (Systematische Theologie Bd. I, 34). Es „müssen Kriterien ihrer Wahrheit oder Unwahrheit angebbar sein.“ So W. Pannenberg (Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 54) in Bezug auf theologische Aussagen/ Behauptungen. Pannenberg vermisst die Beachtung solcher Wahrheitskriterien etwa bei seinem Lehrer K. Barth: Siehe a. a. O. Anm. 41: „Insofern ist mit der Forderung nach „Sachgemäßheit“ der Theologie als Kennzeichen ihrer Wissenschaftlichkeit (K. Barth, Kirchliche Dogmatik I/1, 1932, 7) zwar eine berechtigte Forderung erhoben, aber kein Kriterium dafür angegeben, wie ihr genügt werden kann.“ 22 W. Kamlah, Der moderne Wahrheitsbegriff, 124.

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Insofern spielen Kriterien der Wahrheit im weitesten Sinne auch eine nicht unerhebliche Rolle im Kontext der Suche nach brauchbaren Verfahren der Wahrheitsfindung, die im Rahmen dieser Studie allerdings, weil sie eben selbst nichts zur Klärung des Wahrheitsverständnisses bzw. -begriffs beitragen, sondern mit ihnen bereits ein bestimmter Wahrheitsbegriff vorausgesetzt werden muss, nur knappe Berücksichtigung finden können. Pannenberg unterscheidet selbst zwischen definitiver, eschatologischer Verifikation einerseits und vorläufiger Verifikation andererseits als einem Verfahren, das lediglich auf Bewährung theologischer Aussagen abzielt und darum auch nicht mit strengen verifikatorischen Absichten zu verwechseln ist23. Ungeachtet einer methodisch strikten Trennung zwischen der Frage nach der Bedeutung oder nach dem Wesen von Wahrheit einerseits und der Frage nach ihrer Erkennbarkeit andererseits, ist nicht auszuschließen, dass die Beschaffenheit von Wahrheit, d. h. bestimmte Charakteristika etwa wie der Aspekt der Geschichtlichkeit, einen Einfluss auf die Möglichkeiten ihrer Erkenntnis ausüben können. Gerade von Pannenberg ist behauptet worden, dass die Möglichkeiten der Wahrheitserkenntnis maßgeblich durch die der Wahrheit eigene Struktur mitbestimmt werden. In der Philosophie konkurrieren verschiedene Wahrheitstheorien (= Wahrheitsmodelle24) miteinander. Aber auch die Frage, welches Gewicht der Frage nach Wahrheit beizumessen ist, wird innerhalb der Philosophie kontrovers diskutiert. Stark vergröbernd lassen sich in der Philosophie zwei Lager unterscheiden: Nach Meinung der sog. alethischen Realisten ist der „Begriff der Wahrheit ein wichtiger, ein tiefer, ein unentbehrlicher oder ein substantieller Begriff ist, ein Begriff jedenfalls, um den es sich zu kämpfen lohnt.“25 „Innerhalb dieses Lagers können wir weiter diejenigen Philosophen, die sich einer realistischen Auffassung der Wahrheit verschrieben haben, von denjenigen unterscheiden, die für eine epistemische Analyse dieses Begriffs eintreten. Die alethischen Realisten glauben, daß Wahrheit als eine Beziehung zwischen Sprache und den Gedanken, die sie ausdrückt, und der Realität erklärt werden muß. Sie sind gewöhnlich auch Anhänger der klassischen Korrespondenztheorie der Wahrheit […]. Dagegen versuchen die Befürworter epistemischer Analysen den Begriff der Wahrheit durch ein epistemisches Begriffsrepertoire, durch solche Begriffe wie Verifi-

23 Dies ist charakteristisch speziell auch für Pannenbergs Verständnis von Verifikation (s. u.). 24 Der Begriff Wahrheitsmodell dient hier nur dem Zweck der Erläuterung des Begriffs (definitorischer) ‚Wahrheitstheorie‘. Der Begriff ist von H.-D. Heckmann bereits im Titel seiner Arbeit (Was ist Wahrheit? Eine systematisch-kritische Untersuchung philosophischer Wahrheitsmodelle) verwendet worden, wird üblicherweise jedoch kaum und darum auch in dieser Arbeit nicht weiter verwendet. 25 R. Schantz, Wahrheitstheorien in der analytischen und pragmatistischen Tradition, 369.

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zierbarkeit oder gerechtfertigte Behauptbarkeit oder Rechtfertigbarkeit unter idealen Bedingungen, zu definieren.“26 Diesem Lager stehen andere Philosophen gegenüber, die die Vorstellung, dass Wahrheit eine Natur habe, ablehnen. Sie meinen, die „daß die Vertreter des ersten Lagers sich schwer täuschen, daß sie im Grunde einer Schimäre nachjagen, wenn sie glauben, Wahrheit habe eine zugrundeliegende Natur, eine Natur, die epistemisch oder ontologisch oder semantisch analysiert werden könnte. Die Vertreter des zweiten Lagers stellen die radikale Behauptung auf, daß Wahrheit kein substantieller oder explanatorisch relevanter Begriff ist, kein Begriff, der eine interessante Eigenschaft oder eine interessante Relation ausdrückt. Wahrheit ist ihnen zufolge vielmehr ein rein formaler Begriff. Sie plädieren für eine „deflationistische“ oder „minimalistische“ Analyse der Wahrheit.“27 Diese sog. deflationistischen Theorien der Wahrheit sind i. d. R. antikorrespondentistisch orientiert und halten den Wahrheitsbegriff in vielen (wenn auch nicht allen) Anwendungsfällen für redundant28. Sie stehen den o.g. klassischen, sog. substantialistischen, Wahrheitstheorien, wozu in jedem Fall die Korrespondenztheorie der Wahrheit zählt, gegenüber.

Wie sich hier bereits andeutet, herrscht auch innerhalb desjenigen Lagers, das von der Bedeutung der Wahrheit(-sthematik) überzeugt ist, keinesfalls Einmütigkeit. Es bleibt grundsätzlich und insbesondere zu beachten, dass in den verschiedenen Wahrheitstheorien zum Teil unterschiedliche Phänomene verhandelt werden, obwohl der Ausdruck ‚Wahrheitstheorien‘ dies nicht zu suggerieren scheint29. Für eine Bewertung ihres jeweiligen Leistungspotentials sollte m. E. insbesondere kritisch gefragt werden, ob sie dasjenige Phänomen zum Gegenstand haben, das gemeinhin mit dem Ausdruck ‚Wahrheit‘ assoziiert wird, konkret also die Verknüpfung von sprachlicher mit außersprachlicher (ontologischer) Ebene thematisieren bzw. problematisieren. Manche Wahrheitstheorien befassen sich mit der (primär) definitorischen Frage nach der Bedeutung bzw. dem Bedeutungsspektrum des Wortes Wahrheit (z. B. die Korrespondenztheorie 26 R. Schantz, Wahrheitstheorien in der analytischen und pragmatistischen Tradition, 369. 27 R. Schantz, Wahrheitstheorien in der analytischen und pragmatistischen Tradition, 369. Schantz verweist hier auch auf P. Horwich, Truth, Oxford 1990. Die Redundanztheorie und die Disquotationstheorie der Wahrheit sind Beispiele für eine solche deflationistische Theorie der Wahrheit. Siehe dazu R. Schantz, Wahrheitstheorien in der analytischen und pragmatistischen Tradition, 376–379. 28 Vgl. zu dieser Kategorisierung ausführlicher auch die z.Tl. kritischen Bemerkungen von L.B. Puntel, Struktur und Sein. Ein Theorierahmen für eine systematische Philosophie, 193f. 29 „Traditional theories of truth are motivated by diverse concerns and propose accounts of truth so divergent from one another that one might wonder whether they target the same phenomenon.“ (F.F. Schmitt, Theories of Truth, 1) Auch wenn es grundsätzlich möglich ist, mit dem Ausdruck ‚Wahrheit‘ mehrere, voneinander verschiedene Phänomene zu assoziieren, wird dadurch das hier zu behandelnde, gemeinhin mit dem Wort ‚Wahrheit‘ in Verbindung gebrachte Phänomen nicht tangiert.

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der Wahrheit), andere dagegen haben den Schwerpunkt auf der kriteriologischen Ebene oder widmen sich überhaupt nur der kriteriologischen Frage (z. B. bestimmte Varianten der Kohärenztheorie). In der philosophischen Wahrheitstheorie wird Wahrheit in der Regel als Eigenschaft von Aussagen verstanden. Der (häufig auf Aristoteles zurückgeführte) aussagetheoretische Wahrheitstypus besteht schlicht darin, dass Aussagen Sätze sind, die falsch oder wahr sein können, ganz gleich, in welchem (alltäglichen oder wissenschaftlichen) Zusammenhang sie Anwendung finden30. Solche Aussage(n)wahrheit oder Satzwahrheit wird nicht selten mit dem Typus der sog. logischen Wahrheit (zum Teil auch mit der als propositional näher bestimmten Wahrheit) identifiziert31, wie sie klassisch in der Korrespondenztheorie der Wahrheit thematisiert und als Korrespondenzwahrheit zum Ausdruck kommt. Die von den alethischen Realisten nicht selten vertretene Korrespondenztheorie32 verknüpft die sprachliche Ebene mit der außersprachlichen als der ontologischen Ebene, indem sie unsere Aussagen/Sätze/Behauptungen/Urteile/Propositionen etc. (als dem Subjektkorrelat) in Korrelation setzt zur Wirklichkeit/Welt/den Dingen etc. (= Objektkorrelat). Wahrheit bedeutet nach dieser Theorie die Übereinstimmung eines Subjektkorrelats mit einem Objektkorrelat, wie es etwa in der berühmten Formel des Thomas v. Aquin zum Ausdruck kommt: veritas est adaequatio intellectus et rei33. Von der Vorstellung ausgehend, dass mit dem auf der Aussagenlogik basierenden korrespondenztheoretischen Wahrheitsbegriff Wahrheit als eine Eigenschaft von Aussagen verstanden wird, können die verwendeten Termini für die sprachliche Seite der Erkenntnisrelation (= Aussagen/Behauptungen/Urteile etc.) als sog. Wahrheitsträger (truth bearers) 34 bezeichnet werden, wobei kon30 Dies ist von W. Kamlah zu Recht herausgestellt worden: „Unter „Satzwahrheit“ soll, wie gebräuchlich, die Wahrheit von Sätzen verstanden werden, wobei demgemäß nur solche Sätze in Betracht kommen, die wir auch „Aussagen“ nennen. Denn „Aussagen“ sind traditionell definiert als Sätze, die wahr oder falsch sind. Somit wäre die Wahrheit eines mathematischen Lehrsatzes Satzwahrheit, desgleichen aber die Wahrheit des Satzes, daß Gott die Welt geschaffen hat. Denn auch ein solcher Satz ist entweder wahr oder falsch.“ (W. Kamlah, Wissenschaft, Wahrheit, Existenz, 56). 31 Vgl. dazu die Ausführungen von J. Szaif, Die Geschichte des Wahrheitsbegriffs in der klassischen Antike, 1f. Zu empfehlen wäre m. E. eine Zurückhaltung gegenüber solchen Tendenzen der Identifikation von logischer mit propositionaler Wahrheit, da Propositionen nur einen bestimmten Typus von Wahrheitsträgern neben anderen repräsentieren. 32 Zur These, dass alethische Realisten zumeist auch Korrespondenztheoretiker sind, siehe R. Schantz, Wahrheitstheorien in der analytischen und pragmatistischen Tradition, 369. 33 Zu dieser Formel siehe ausführlicher Th. v. Aquin, Von der Wahrheit. De veritate (Quaestio I). 34 Ich folge mit diesem inzwischen gebräuchlichen Ausdruck u. a. J.L. Mackie, der unter den „Bearers of Truth“ „the sorts of things that we can call true“ verstand – also (primär) Aussagen (statements) u. dergl. Vgl. dazu J.L. Mackie, Truth, Probability, and Paradox, 17ff. Zur (inzwischen hoch differenzierten) Diskussion um Truth Bearers / Wahrheitsträger siehe Kap. 2 in: R.L. Kirkham, Theories of Truth. A Critical Introduction, 41–72 sowie L.B. Puntel,

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trovers diskutiert wird, welche oder welcher Wahrheitsträger primär in Betracht kommen sollte. Sind es Sätze oder etwa auch/nur (?) die in ihnen zum Ausdruck kommenden Sachverhalte (Propositionen) oder sprachliche Äußerungen (von Puntel sog. kognitive Instanzen)? 35 Da die Wahrheit der mit Hilfe von Wahrheitsträgern artikulierten Wahrheitsansprüche nicht vom Subjekt und seinem eigenen Fürwahrhalten abhängt, das solche Aussagen o. ä. formuliert, sondern von den außersprachlichen Entitäten, können die in Betracht kommenden Objektkorrelate auch als sog. Wahrmacher (truthmakers) bezeichnet werden36. Wird mithilfe einer Wahrheitstheorie in der Erkenntnisrelation zwischen Subjekt- und Objektkorrelat ‚Wahrheit‘ konzeptionell nur der Ebene des Subjekts zugeordnet, spricht man von subjektivitätstheoretischen bzw. subjektimmanenten Wahrheitsbegriffen, deren prominenteste theoretische Explikationen die Kohärenztheorie und die Konsensustheorie der Wahrheit sind37. Während in der neueren und insbesondere philosophischen wahrheitstheoretischen Diskussion das Wahrheitsproblem verstärkt auf dieser subjektiven Ebene von Aussagen bzw. Wahrheitsträgern verhandelt wird (sog. Aussage(n)wahrheit), gibt es daneben eine alte, etwa im antik-griechischen Denken und in der biblischen Tradition erkennbare Vorstellung, wonach Wahrheit vor-

Grundlagen einer Theorie der Wahrheit, bes. 308–321. Innerhalb der Theologie wird der Ausdruck ‚Wahrheitsträger‘/truth bearer z.Tl. positiv aufgegriffen, etwa bei A. Kreiner für die Verteidigung der Korrespondenztheorie (in: Ende der Wahrheit?) oder bei Chr. Landmesser für den semantisch-ontologischen Wahrheitsbegriff (vgl. exempl. Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, bes. 92–98 sowie Chr. Landmesser, Truth in New Testament Science, 56 oder Chr. Landmesser, Neutestamentliche Wissenschaft und Weltbezug, 194). 35 Eine differenzierte Betrachtung der Wahrheitsträger hat L.B. Puntel vorgenommen. Vgl. exemplarisch ders., Grundlagen einer Theorie der Wahrheit, bes. 313ff. Für Puntel sind Propositionen die primären Wahrheitsträger, die übrigen zwei (der Satz und die kognitive Instanz) sind solche mit einem anderen Status. Chr. Landmesser etwa hat daran angeknüpft, s. dazu Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 92ff. 36 Siehe dazu etwa schon Richard Brinkley in seiner res-Theorie: R. Brinkley, Summa nova de logica. De significato propositionis, in: M.J. Fitzgerald (Hg.), Richard Brinkley’s Theory of Sentential Reference, Leiden 1987, 35. Siehe dazu und auch zu der im 14. u. 15. Jahrhundert erhobenen Frage nach den Wahrmachern von Sätzen D. Perler, Satz, Seele und Sachverhalt. Der propositionale Wahrheitsbegriff im Spätmittelalter, 203ff. Zu den Wahrmachern in der neueren Wahrheitstheorie siehe L.B. Puntel, Grundlagen einer Theorie der Wahrheit, 357– 360. 37 Dazu: „Das dritte Fundamentalkonzept resultiert aus einem versubjektivierten Wahrheitsbegriff, der die Wahrheit ausschließlich der Seite des Subjekts zuordnet und folglich als subjektivitätstheoretisch konzipierte Wahrheitstheorie auftritt, bei der es um innere Konsistenz und Kohärenz sowie Systematik von Aussagen geht. Bekannt geworden ist diese Theorie unter dem Namen „Kohärenztheorie“. Ihre pragmatischen Spielarten sind Dialogund Konsensustheorie.“ (K. Gloy, Kants Wahrheitstheorie und moderne Positionen, 3).

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rangig oder gar ausschließlich auf der objektiven, (rein) ontologischen Ebene zu verorten sei. „Der Sinn dieser ‚ontologischen Wahrheit‘ besteht in der Einschließung von Wirklichkeit; im Erkennen wird Seiendes zur Erscheinung gebracht. […] Letztlich, in ihrer Fülle, besteht die Wahrheit [erstens] im einschränkungslos vollen, im rundum gelungenen Zur-Erscheinung bringen von [zweitens] dem wahrhaft Seienden (Aristoteles sagt: onto¯s on).“38 Einem solchen ontologischen Wahrheitsverständnis gemäß rücken Wahrheit und Wirklichkeit (von: griechisch: on – das Seiende) nahe aneinander. Das kommt in Ausdrücken wie Seinswahrheit, Sachwahrheit und Tatsachenwahrheit deutlich zum Ausdruck. Wahrheit wird so (u. U. ausschließlich) auf der ontologischen Ebene loziert39. Wahrheit wird bei diesem Wahrheitsverständnis an das Objekt gebunden, von sog. ‚ontischen Wahrheitstheorien‘ wird sinnvollerweise gelegentlich auch gesprochen40. Ontologische Wahrheit kann als Attribut des Seienden bzw. des Wirklichen verstanden werden41 oder vollständig mit der

38 O. Höffe, Wahrheiten im Überfluss? Philosophische Überlegungen, 17. 39 Pannenberg kann beispielsweise unter „Seinswahrheit“ speziell ‚Beständigkeit‘ und ‚Verlässlichkeit‘ verstehen – und zwar intentional im Sinne des von ihm sog. biblischen Wahrheitsverständnisses (vgl. W. Pannenberg, Freude des Glaubens, 31). Zu den verschiedenen Typen eines ontischen bzw. ontologischen Wahrheitsverständnisses, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann, siehe K. Gloy, Wahrheitstheorien, 76ff. Zu diesem Typus rechnet Gloy die reine ‚Sachwahrheit‘, insofern dieser Ausdruck indiziert, dass Wahrheit nur auf der ontologischen Ebene verortet wird (vgl. a. a. O., 92). Trotz der Lozierung von Wahrheit auf der ontologischen Ebene abstrahieren die verschiedenen Konzeptionen ontologischer Wahrheit nicht durchweg von Relationen. Siehe dazu etwa J. Seifert, Wahrheit und Person. Vom Wesen der Seinswahrheit, Erkenntniswahrheit und Urteilswahrheit. 40 So etwa auch bei K. Gloy: „Insistiert man auf dem Objekt, so resultiert daraus ein so genannter ontischer Wahrheitsbegriff, eine Sach- oder Tatsachenwahrheit, und eine ihm entsprechende ontische Wahrheitstheorie.“ (K. Gloy, Kants Wahrheitstheorie und moderne Positionen, 3). 41 Vgl. J. Szaif, Die Geschichte des Wahrheitsbegriffs in der klassischen Antike, 2. Maßstab für die ontologische Wahrheit ist (dann) „die reine Wesenheit“; diesem Verständnis zufolge besteht ontologische Wahrheit dann, „wenn ein Ding mit dem Wesen, das es realisieren soll, übereinstimmt.“ (W. Trillhaas, Ethik, 300). Zuweilen wird die ontologische Wahrheit auch als metaphysische Wahrheit ausgegeben, welche in der Scholastik von der aussagetheoretischen, logischen Wahrheit unterschieden worden ist (vgl. J. Rohls, Korrespondenz, Konsens und Kohärenz. Pragmatische und analytische Wahrheitstheorien, 29; so im Übrigen auch die Distinktion bei Pannenberg: siehe W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 56). Den Ausdruck metaphysische Wahrheit vermeide ich im Folgenden soweit wie möglich, da die mit ihm assoziierten Bedeutungsgehalte stark variieren können, teilweise sogar eine Relationalität zwischen dem erkennenden Subjekt und der außersprachlichen Wirklichkeit angenommen wird, die üblicherweise für die ihr entgegengesetzte logische Wahrheit kennzeichnend ist. So heißt es etwa bei R. Eisler im Wörterbuch der philosophischen Begriffe in dem (sehr ausführlichen, theologie- und philosophiegeschichtlich sehr informativen) Artikel „Wahrheit“ (in: Teil 3, 1702–1723): „Metaphysische Wahrheit ist die Übereinstimmung des Denkens mit der absoluten Wirklichkeit“ (a. a. O., 1702).

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Wirklichkeit identifiziert werden (wie dies exemplarisch bei Parmenides geschehen ist) 42. Das ontologische Verständnis von Wahrheit hat insbesondere im Christentum und so auch in der wissenschaftlichen Theologie an Bedeutung gewonnen, nicht zuletzt deshalb, weil Wahrheit in der Bibel, aber auch später in der Theologiegeschichte (z. B. bei Anselm v. Canterbury, Augustin und Thomas v. Aquin) wiederholt als Gottesprädikat verstanden worden ist und Gott selbst mit der Wahrheit identifiziert worden ist (= absolute Wahrheit), was in der Transzendentalienlehre mit dem Gedanken des ens et unum, verum, bonum, pulchrum convertuntur einen Höhepunkt erreichte43. So wird nicht selten ein spezielles, dezidiert christliches bzw. (onto-)theologisches44 Wahrheitsverständnis postuliert – in sehr eingeschränktem Sinne zählt auch Pannenberg Wahrheitskonzeption zu dieser Gruppe45. Bei aller Wertschätzung, die man einem solchen Wahrheitsverständnis entgegenbringen mag, ist der diesem Wahrheitsverständnis eigene Konnex Gott-Wahrheit enormem Plausibilisierungsdruck ausgesetzt. Hinzu kommt eine weitere Schwierigkeit, die als ein grundsätzliches Defizit ontologischer Wahrheitskonzeptionen gelten kann. Und zwar besteht die Problematik eines ontologischen Wahrheitsverständnisses ganz grundsätzlich in der Ausblendung des Unabkömmlichen, nämlich der semantisch-ontologischen Relationalität, die anzeigt, dass wir uns durch sprachliche (bzw. semantische) Mittel und also niemals ohne sie (!) auf die außersprachliche, ontologische Ebene beziehen46. Diese neuere, sich wohl erst im Gefolge des linguistic turn bahnbrechende Einsicht47 wird von maßgeblicher Bedeutung sein für die kritische Aus42 Die ontologische Wahrheit gewinnt bei Pannenberg besondere Bedeutung, wie wiederholt deutlich werden wird. 43 Vgl. dazu auch die Bemerkungen von H.-P. Großhans, Art. Wahrheit V, 1252f. 44 In der Bezeichnung theologisches Wahrheitsverständnis folge ich M. Enders, der darunter auch trinitätstheologische (Aus-)Differenzierungen subsummiert (s. M. Enders, Wahrheit und Notwendigkeit, 68); ebenso schließe ich an R. Barth an, der den Ausdruck onto-theologische Wahrheit gebraucht und durch diese Wortwahl zugleich den Konnex zwischen ontischer und theologischer Wahrheit indiziert (R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 21 in Bezug auf Augustin und Pannenberg). 45 Er spricht an einer Stelle von einem „christliche[n] Wahrheitsverständnis“, für das „entscheidend wichtig [sei], daß der christliche Glaube in einem positiven Verhältnis zu aller menschlichen Sehnsucht nach Vollendung des Menschen steht.“ (W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 180). 46 Es ist eine der Hauptthesen dieser Arbeit, dass die alte, gerade auch von Pannenberg gewertschätzte ontologische Wahrheit in der Praxis nicht ohne eine sprachliche Dimension auskommt, weshalb diese als konstitutiv für den Begriff von Wahrheit erachtet wird. Siehe unten auch die aufgegriffene Kritik A. Kreiners an W. Pannenbergs Argumentationsansatz zur Ableitung urteilstheoretischer Wahrheit von einer als fundamentaler gedachten ontologischen (Kohärenz-)Wahrheit. 47 Das Problem der Ausblendung der semantisch-ontologischen Relationalität sei exemplarisch an zwei willkürlich ausgewählten Beispielen – an Petrus Aureolis Wahrheitsverständnis und

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einandersetzung mit einem solchen alten, von antikem Denken herkommenden und sich auch in der gegenwärtigen Theologie hartnäckig haltenden Wahrheitsverständnis, von welchem auch Pannenbergs Wahrheitskonzeption nicht in geringem Maße geprägt ist. Die nicht zu leugnende Bedeutung von Sprache darf jedoch nicht zur einseitigen Verabsolutierung von Sprache führen und zu Lasten des metaphysischen Realismus gehen, d. h. etwa in einem dezidiert anti-realistischen Konstruktivismus enden, wie dies in postmodernen Kreisen zum Teil in der Ablehnung des Gedankens, dass es so etwas wie außersprachliche bzw. objektive Tatsachen gibt, erfolgt ist und (noch) erfolgt. Denn der performative Selbstwiderspruch tritt dort

an Hegels Wahrheitsbegriff – skizziert. Th. Kobusch hat Aureolis Position wie folgt beschrieben: „Der Begriff der Wahrheit beinhaltet überhaupt nicht so etwas wie ein Verhältnis, keine Übereinstimmung, nicht Angleichung oder Gleichförmigkeit. Wahrheit meint nach Aureoli – wenn man so sagen kann – geradezu das Gegenteil davon: Wahrheit bezeichnet die unvermischte Reinheit der Wesenheit, ihre Lauterkeit und Absonderung, z. B. die Echtheit des Goldes oder des Silbers. Sie wird nach Aureoli am deutlichsten durch das „Ist“-Sagen ausgedrückt. Der Satz „der Stein ist“ drückt nicht eine Bestimmtheit aus, die dem Stein noch hinzugefügt würde, sondern drückt die „Setzung“ der Wesenheit des Steines in der Naturwirklichkeit, d. h. als extramentales Sein, aus, und das macht seine „reine Wahrheit“ aus.“ (Th. Kobusch, Adaequatio rei et intellectus. Die Erläuterung der Korrespondenztheorie der Wahrheit in der Zeit nach Thomas von Aquin, 163) Kobusch bezieht sich auf Petrus Aureoli, Scriptum super Primum Sententiarum d. 8. S. 21 n. 78, hg. von E.M. Buytaert, St. Bonaventure 1956, 905. Siehe auch dazu die Erläuterungen von Th. Kobusch a. a. O., 163f. Es wurde weder von Aureoli noch später von Hegel und vielen anderen Denkern der Philosophie- und Theologiegeschichte (s. u.) die unhintergehbare Dimension der Sprache bedacht, die für die Wahrheitsthematik zwangsläufig konstitutiv ist und bleibt – unabhängig davon, ob die dem Phänomen Wahrheit eigene semantisch-ontologische Relationalität speziell per Korrespondenz- oder Adäquationstheorie der Wahrheit oder auch durch eine grundsätzliche Alternative realisiert wird. So hat z. B. L.B. Puntel mit Recht Hegels Umgang mit dem Wort ‚Wahrheit‘ (damit ist insbesondere Hegels Transponieren von Wahrheit auf eine ontologische Ebene und die damit verbundende Ausblendung der semantischen Dimension, die ihrerseits das Referieren auf die ontologische Ebene überhaupt erst ermöglicht, kritisiert. Siehe dazu L.B. Puntel, Hegels Wahrheitskonzeption. Kritische Rekonstruktion und eine „analytische“ Alternative, 208–242. Denn Hegel fasst den Begriff der Wahrheit „als Übereinstimmung des Gegenstands mit sich selbst, d. h. mit seinem Begriff.“ (a. a. O., 211) Die Vernachlässigung der semantischen Dimension im Wahrheitsbegriff bei Hegel (was freilich schon deshalb problematisch ist, da auch Hegel – wie Puntel zeigt – nolens volens sich der Sprache bedienen muss (a. a. O., [228]) erklärt jedenfalls, warum er keine sog. ‚Wahrheitsträger‘ (truth bearers) – also Urteile, Sätze, Aussagen, Propositionen etc. – kennt (vgl. a. a. O., 213f., 228). Im Unterschied zu Hegel ist die für den Wahrheitsbegriff konstitutive Differenz der zwei Ebenen (= der semantischen und der ontologischen Ebene) für Pannenbergs Wahrheitskonzeption konstitutiv – zu Recht! Man beachte nur die Inanspruchnahme der von Hegel vernachlässigten sprachlichen Dimension, speziell die Inanspruchnahme der Korrespondenzwahrheit und den damit zusammenhängenden Gebrauch von ‚Wahrheitsträgern‘ (Aussagen, Sätze, Propositionen etc.). Es verwundert darum nicht, dass Pannenberg nicht weiter auf Hegels Ausführungen eingegangen ist, um seine (eigene) Wahrheitskonzeption zu explizieren und zu profilieren.

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zu Tage, wo Tatsachen geleugt werden und zugleich etwas über etwas ausgesagt wird48.

48 Vgl. B. Goebel u. F.S. Müller, Postmodernismus: Status quo einer philosophischen Strömung. Einleitung – Überblick der Beiträge, bes. 14ff. Als Beispiele für den Antirealismus nennen die Herausgeber R. Rorty u. P. Feyerabend. Die Kritik an der Postmoderne bedarf freilich keiner Polemik, auch dann nicht, wenn diejenige A. Sokals u. J. Bricmonts an der Postmoderne m. E. weitestgehend zutreffend ist. Typisch für die Postmoderne ist „die Faszination wirrer Ideen, ein epistemischer Relativismus, […] ein exzessives Interesse an subjektiven Überzeugungen unabhängig von deren Wahrheitsgehalt sowie eine Betonung von Diskurs und Sprache im Gegensatz zu den Tatsachen, auf die sich diese Diskurse beziehen (oder, schlimmer noch, bereits die Ablehnung des Gedankens, daß Tatsachen existieren oder daß man sich auf sie beziehen könne).“ (A. Sokal/ J. Bricmont, Postmoderne in Wissenschaft und Politik, 929). Dass jedes Negieren oder Infragestellen von außersprachlichen Tatsachen nicht nur wenig plausibel ist, sondern auch für ihre Vertreter zum Problem wird, indem sie etwas über etwas aussagen und sich dadurch in einen performativen Selbstwiderspruch verwickeln, ist mehr als deutlich. Nicht selten herrscht im Kreise postmodernen Denkens Skepsis bezüglich der Vorstellung, es gebe so etwas wie Tatsachen in dem (geläufigen) Sinne als der Erkenntnis vorgegebene, also objektive, außersprachliche Größen. Bei Postmodernisten kann man in der Tat die Auffassung finden, Wahrheit spiele sich nur im Bereich von Aussagen ab, nicht auf der Ebene von Tatsachen. Analog dazu kann die Auffassung treten, bei Objektivität ginge es um intersubjektive Übereinstimmung unter Menschen und damit nicht um „korrekte Repräsentation von etwas, das jenseits der menschlichen Sphäre liegt.“ (S. Zabala, Eine Religion ohne Theisten und Atheisten. Einleitung, 15; vgl. zum Genannten auch die Hinweise zum Thema a. a. O., bes. 16). Schon F. Nietzsche, dem sich die ihrem Selbstverständnis nach als postmodern verstehenden Denker gerne verpflichtet wissen, war folgender Aufassung: „[…] Thatsachen giebt es nicht, nur Interpretationen“ (F. Nietzsche, Nachgelassene Fragmente. Herbst 1885 bis Anfang 1887, 315). G. Vattimo hat diese hermeneutische These adaptiert, will sie allerdings „selbst natürlich nicht als eine objektive, metaphysische Aussage missverstanden“ wissen, sondern lediglich als Interpretation (So G. Vattimo, Christentum im Zeitalter der Interpretation, 17). Weil für Vattimo ohnehin alles nur Interpretation ist, ist für ihn auch Wahrheit stets nur als interpretierte Wahrheit zu denken (Vgl. die Bemerkungen von Thomas Eggensperger im Vorwort des Herausgebers. Wahrheit oder/ und Interpretation, 13). Zur Postmoderne und ihrer Tendenz, Wahrheit als lediglich interpretierte Wahrheit zu verstehen, siehe auch R. Schröders Replik (Dankbarkeit ist nicht nihilistisch. Antwort auf Gianni Vattimos „Christentum im Zeitalter der Interpretation“). Er stimmt Vattimo darin zu, dass es nur Interpretationen gibt, aber das heiße nicht, dass es die Tatsachen nicht gebe, „sondern dass es nur interpretierte Tatsachen gibt.“ (so R. Schröder, a. a. O., 34). Er meint: „Es gibt legitime Interessen an Tatsachen, das heißt wissen wollen, wie es wirklich war. Und es gibt das illegitime Interesse an der Verschleierung und Verdrängung der Tatsachen.“ (ebd.) Allerdings denkt er die ontologische Ebene nicht als objektiv: „Die Hermeneutik ist unser Schicksal, es gibt kein Zurück zur abendländischen Metaphysik, es gibt keine objektive Welt hinter der Polyperspektivität der Interpretationen.“ (So R. Schröder, a. a. O., 33). Wie nun dieser relativierende Gedanke mit der Vorstellung des Unterschieds von Tatsachen einerseits und der Möglichkeit ihrer Verschleierung andererseits zusammengedacht werden kann bzw. soll, ist mir nicht klar. Im Übrigen vermengt Schröder die Frage nach der Beschaffenheit der Wirklichkeit mit derjenigen nach den Möglichkeiten ihrer Wahrnehmung und Erkenntnis. Jeder, der wie Vattimo über etwas redet und zugleich auch etwas sagen will, der scheint ganz klar auf Wahrheit im semantisch-ontologischen Sinn angewiesen zu sein.

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Aber auch in einer anderen Hinsicht kann sich ein ontologisches Wahrheitsverständnis als problematisch erweisen, und zwar wenn eine Identifikation Gottes mit der Wahrheit vorgenommen wird, wie sie sich in der Theologie gerne in Form der Rede von der Wahrheit Gottes manifestiert. Allzuoft wird nicht so recht klar, was die Vokabel ‚Wahrheit‘ bedeuten soll. Die Rede von Gott als der Wahrheit schillert dadurch oder wird im schlimmsten Falle inhaltsleer. Um dieser Gefahr zu wehren, müsste expliziert werden, was konkret ausgesagt werden soll, wenn von Gott als der Wahrheit die Rede ist und inwiefern überhaupt Wahrheit ein Gottesprädikat darstellt. Anstatt also einfach Sämtliches mit ‚Wahrheit‘ in Verbindung zu bringen und damit das Wort semantisch auszuhöhlen, also die Bedeutungsgehalte zu etwas Diffus-Nebulösem verkommen zu lassen, wäre sehr viel gewonnen, wenn die jeweiligen, von den biblischen Autoren benannten Sachanliegen in unsere Sprache mit geeigneten Vokabeln ‚übersetzt‘ würden. Dass nicht durchgehend expliziert wird oder wenigstens angegeben wird, was es bedeuten soll, dass Gott als die Wahrheit gelten kann, lässt sich auch in Pannenbergs Ausführungen nachweisen. Wahrheitstheoretischen Entwürfen kommt im Allgemeinen, aber auch im Speziellen bei Pannenberg entscheidende Bedeutung zu für die Klärung sowohl definitorischer als auch kriteriologischer Fragen, also derjenigen Fragen, die immer schon von fundamentaler Bedeutung sind für den Umgang mit Wahrheit. Die Relevanz von Wahrheitstheorien sollte darum auch für die Theologie auf der Hand liegen. Deren Relevanz ergibt sich auch ganz besonders in der Hinsicht, dass durch die Distinktion zwischen Wahrheitsträgern (Subjektkorrelaten) und Wahrmachern (Objektkorrelaten) jene Ebenendifferenz zwischen einer sprachlichen und ontologischen Ebene thematisch wird, die bereits „phänomenologisch“ für die Wahrheitsthematik in Alltag und Wissenschaft charakteristisch und insofern auch als für sie konstitutiv gelten darf 49. Die Kenntnis von Wahr49 Eine positive Inanspruchnahme philosophischer Wahrheitstheorien scheint mir auch dann gewinnbringend, wenn von den jeweiligen Ansätzen sämtliche metaphysische Implikationen ferngehalten werden sollen. Zur meiner Einschätzung nach richtigen Beobachtung einer zunehmenden Beachtung philosophischer Wahrheitstheorien siehe R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 11ff. R. Barth konstatiert, dass „die theologisch-metaphysische Dimension des Wahrheitsbegriffs in der gegenwärtigen Philosophie nicht mehr zu finden ist.“ Vgl. a. a. O., 59 u. 357. Anders und irgendwie jenseits dieser elementaren Einsichten äußert sich etwa der Systematiker H.-M. Barth (Dogmatik. Evangelischer Glaube im Kontext der Weltreligionen, 7): Im Wissen um des Risikos, mit dem Christentum „auf die falsche Karte zu setzen“, gelte es, „sich bewußt dazu zu entscheiden, so denken und leben zu wollen, als ob die Versprechen des Evangeliums wahr wären. Denn anders läßt sich die Wahrheit und Tragfähigkeit des christlichen Glaubens nicht erfahren.“ Diese Überlegungen scheinen mir wenig überzeugend, weil so aus einer individuellen Entscheidung letztlich die Wahrheit eines Glaubens abgeleitet wird. Dass über eine bewusste Entscheidung die Wahrheit (und die Tragfähgikeit) des christlichen Glaubens erfahrbar sein soll, scheint mir eine Behauptung zu sein, die erst noch zu plausibilisieren wäre.

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heitstheorien ermöglicht aufgrund dessen auch eine längst überfällige Kritik an sonderbaren theologischen Wahrheitskonzeptionen: So wichtig manch einem ein theologisches Verständnis von Wahrheit für die Theologie ist, so kann daraus nicht notwendig gefolgert werden, dass sie ein eigenes theologisches/christliches oder religiöses Wahrheitsverständnis vertritt – und zwar schon deshalb nicht, weil, wie zu zeigen sein wird, weder der alltägliche Umgang – der sog. truth talk des Alltags – noch die Theologie als wissenschaftliche Disziplin auf Wahrheit im philosophisch explizier- und analysierbaren semantisch-ontologischen Sinn verzichten kann. Die Theologie als Wissenschaft verfügt über kein eigenes Wahrheitsverständnis50, womit jedoch freilich nicht bestritten werden soll, dass ein solches in der Theologiegeschichte und bis in die Gegenwart hinein zum Teil postuliert worden ist. Mit guten Gründen hat man in neueren kritischen Studien über verschiedenste Wahrheitskonzeptionen gefragt, ob der Ausdruck ‚Wahrheit‘ in einem äquivoken Sinne, d. h. in einem doppel- oder gar mehrdeutigen Sinne, verwendet wird. Die Relevanz dieser Frage ergibt sich von der m. E. sehr berechtigen Einschätzung her, dass ein äquivoker Sprachgebrauch für die Kommunikation – sei es im Alltag oder auf wissenschaftlicher Ebene – niemals förderlich ist: „Äquivokationen führen – auch in der Wissenschaft – häufig zu Verwirrungen. ‚Omnis aequivocatio mater errorum.‘“51

Äquivokationen scheinen dann häufig aufzutreten, wenn verschiedene Wahrheitsbegriffe nebeneinander Anwendung finden, was zumeist dann der Fall sein dürfte, wenn eine Reflexion auf den in der Verwendung der Vokabel ‚Wahrheit‘ zugrunde gelegten Wahrheitsbegriff ausbleibt – aus welchen Gründen auch immer. Wenn mit keinem (wenigstens einigermaßen) klar benennbaren Wahrheitsbegriff operiert wird, ist die Gefahr für Äquivokationen und den daraus resultierenden Unklarheiten und Konfusionen fast schon die unweigerliche 50 Ich schließe mich mit dieser These Puntel an, wonach sich Philosophie und Theologie nicht hinsichtlich des Wahrheitsbegriffs unterscheiden (siehe dazu L.B. Puntel, Das Verhältnis von Philosophie und Theologie, 28), wenngleich dies, worauf Puntel hinweist, nicht heißen muss, „daß ein entsprechender Wahrheitsbegriff schon vorliegt)“. (ebd.) Darum bedarf es m. E. auch nicht erst – wie R. Barth meint – grundsätzlich einer „Reformulierung eines theologischen Wahrheitsbegriffs“, von der Barth (Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 363) meint, sie u. a. auch bei Pannenberg erkennen zu können. Dies ist nicht ganz richtig, insofern Pannenbergs Fassung des Wahrheitsbegriffs maßgeblich auf philosophische, außertheologische Dimensionen zurückgreift. 51 Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 332. Landmesser gibt ein Zitat von M. Luther (Disputatio de sententia: Verbum caro factum est (Joh 1,14), WA 39 II) wieder. Vgl. dazu die in dieselbe Richtung gehende Bemerkung von A. Kreiner, wonach Mehrdeutigkeiten mit Blick auf die Wahrheitsfrage eine Last darstellen (siehe A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 85).

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Folge. Je weniger klar der Begriff von Wahrheit ist, umso eher droht er zu einer vagen und schillernden Größe zu werden, im schlimmsten Fall zu einer (wenn auch gefälligen und wohlklingenden) „Leerformel“52. Weil Äquivokationen zu beträchtlichen Konfusionen führen können, bereiten sie allen im Umgang mit Sprache beteiligten Individuen mehr oder weniger große Schwierigkeiten in der Verständigung, oder besser gesagt zumindest denjenigen, die auf Verständigung aus sind. Es lassen die Produzenten von Äquivokationen den Leser (gerade auch theologischer Literatur) nicht selten im Unklaren darüber, was mit ‚Wahrheit‘ jeweils gemeint sein soll. (In manchen theologischen Beiträgen gewinnt man den Eindruck, selbst deren Autoren wissen es nicht so recht). Es geht hier um das nicht zu unterschätzende Problem der Möglichkeit, dass die verschiedenen, ja teilweise sehr vielfältigen mit ‚Wahr(heit)‘ assoziierten Bedeutungen nicht mehr einem einigermaßen angebbaren semantischen Bedeutungsfeld angehören, oder anders gesagt, die Bedeutungsvielfalt nicht von einem bestimmten (formalen) Wahrheitsbegriff her verstanden werden kann. Äquivokationen werden hier darum auch nicht einfach positiv als Plurivokationen gewürdigt werden können53. Damit der Begriff der Wahrheit nicht zu einem Container-Begriff (im 52 M. Theunissen (Rezension Wolfhart Pannenberg: Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 267), dem sich Pannenbergs Freiheitsbegriff aufgrund seiner Vagheit zurecht als problematisch erweist, hat auf die Gefahr verwiesen, dass dieser Begriff von Freiheit droht, zu einer bloßen „Leerformel“ zu werden. Die Frage nach dem erreichten Präzisionsgrad hinsichtlich seiner Wahrheitskonzeption (und insbes. im Hinblick auf seinen [formalen] Wahrheitsbegriff) ist nun innerhalb dieser Studie zu klären. 53 Wie etwa von I.U. Dalferth u. Ph. Stoellger. Sie meinen, „daß die Rede von Wahrheit so vielfältig ist wie die vom Sein. Aber diese Rede ist nicht einfach äquivok, sondern kann intendierterweise plurivok sein (semiotisch gesprochen: plural codiert).“ (I.U. Dalferth/ Ph. Stoellger, Wahrheit, Glaube und Theologie. Zur theologischen Rezeption zeitgenössischer wahrheitstheoretischer Diskussionen, 48). Dalferth u. Stoellger denken nicht vom Phänomen Wahrheit her, sondern von der prinzipiellen Möglichkeit, mit dem Ausdruck ‚Wahrheit‘ verschiedene Bedeutungen zu assoziieren, weshalb sie die Suche nach einem einheitlichen Wahrheitsbegriff für problematisch halten: „Was mit ‚wahr‘ oder ‚Wahrheit‘ bezeichnet wird, hängt am konkreten Kontext des Gebrauchs dieser Wörter. Das macht die Suche nach einem klar und einsinnig bestimmten Wahrheitsbegriff problematisch wenn nicht aporetisch: Einerseits ist das Wort ‚wahr‘ semantisch nicht auf nur eine Weise definierbar, andererseits ist es pragmatisch im Reden miteinander und kritisch in der Reflexion über unser Reden nicht verzichtbar.“ (I.U. Dalferth u. Ph. Stoellger, Perspektive und Wahrheit, 2). Zur „irreduziblen Vielfalt im Gebrauch des Wortes ‚wahr‘“ und der Problematik, die Dalferth hierin erkennt, vgl. auch I.U. Dalferth, Religion und Wahrheit, 204, der sich dort auf D. Davidson beruft, der seinerseits urteilte, der Ausdruck ‚wahr‘ sei „semantisch nicht definierbar“ (ebd.) (wenn er sich auch in pragmatischer Hinsicht als unverzichtbar erweise). In diesem Punkt urteilt H. Schulz recht ähnlich: „Das Wort ‚wahr‘ wird in vielfacher Bedeutung gebraucht: So spricht man von wahrem Leben, wahrer Liebe, wahrer Kunst, wahren Gefühlen, wahrem Heldenmut, wahren Aussagen, wahren Geschichten, wahren Begebenheiten, wahrem Gott etc.“ (H. Schulz, Vom Daseinsverständnis zum Evidenzerleben, 123). Den „vielfältigen Verwendungsweisen“ entsprächen, wie er sagt, die „nicht aufeinander reduzierbare[n] Funktionen“ (dabei Bezug nehmend auf R. Rorty, „Objectivity, Relativism, and Truth“, 128, worin Rorty drei Grund-

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schlechten Sinn) verkommt oder – wie Kreiner es bildhafter und treffender nicht hätte formulieren können – zu einem „semantischen Monstrum aufgeblasen“ wird und die mit diesem Ausdruck assoziierten, und im schlimmsten Falle sogar beliebigen und willkürlichen Bedeutungen nicht einem Wust von Mehrdeutigkeiten gleichkommen54, empfiehlt es sich, (wenigstens) für den wissenschaftlichen Umgang mit der Wahrheitsfrage und im Sinne gelingender Verständigung über die Sachthematik offenzulegen, was man unter dem Ausdruck ‚Wahrheit‘ versteht. Definitorische und explikatorische Ausführungen hinsichtlich des (formalen) Wahrheitsbegriffs sind also auch innerhalb der Theologie an ihrem Platze und grundsätzlich sinnvoll – im Sinne der Transparenz, die erkennen lässt, welches Phänomen mit dem Ausdruck ‚Wahrheit‘ assoziiert wird55. Größtmögliche Verständigung hat erst (und nicht nur in der Wissenschaft) dann eine Chance, wenn der Ausdruck ‚Wahrheit‘ nicht einfach willkürlich nach persönlichem Gusto, sondern auf einheitliche Weise, d. h. weitestgehend in univokem Sinn, verwendet wird und der Wahrheitsdiskurs von „überflüssigen Mehrdeutigkeiten“ entlastet wird56. Von solchen, zu Konfusionen führenden Äquivokationen können solche Äquivokationen unterschieden werden, die sich als weit weniger problematisch erweisen. Dieser Fall scheint mir dann gegeben, wenn Äquivokationen nicht zufällig oder willkürlich sind, sondern ihr Bedeutungsfunktionen unterscheidet: endorsing, cautionary, disquotational). H. Schulz merkt m. E. zu Recht an, dass mit der „pragmatischen Funktionsbestimmung“ bei Dalferth weder die Frage nach der Wahrheit von Aussagen noch die nach Kriterien oder Wahrmachern geklärt ist. Man kann feststellen, dass diese Fragen von ihm lediglich aufgeworfen werden. Vgl. I.U. Dalferth, Religion und Wahrheit, 208f. Bedauerlicherweise machen Dalferth und Stoellger keine Unterscheidung zwischen Wahrheitsbegriff und dem auch von Puntel zugestandenen Spektrum verschiedener Bedeutungen, die unter Zugrundelegung mehrer Wahrheitsbegriffe oder aber eben auch unter Inanspruchnahme nur eines bestimmten Wahrheitsbegriffs mit dem Wort ‚Wahrheit‘ assoziiert werden (können). Die m. E. entscheidende Frage ist, ob sich die verschiedenen, mit dem Wort ‚Wahrheit‘ assoziierten Bedeutungen von einem bestimmten Begriff der Wahrheit her verstehen lassen, oder ob dies (leider) nicht der Fall ist. S. dazu den Abschnitt zur Äquivokationenproblematik. 54 Das ist ein wichtiger Aspekt in A. Kreiners Kritik an der prinzipiellen Möglichkeit von Redefinitionen des Wahrheitsbegriffs (A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 470 [zit.], siehe zu Letzterem a. a. O., 472f). 55 Vgl. dazu auch A. Kreiner, Warum Wahrheit und Gewissheit nicht zusammenkommen können, 122: Von Kreiner werden Definitionen geschätzt, weil sie für die Verständigung einen wertvollen Beitrag leisten: „Definitionen sind deshalb wichtig, weil sie die Weichen im Hinblick auf jene Fragen und Themen stellen, die mit den jeweiligen Begriffen assoziiert werden.“ (ebd.). Zum „Nachteil […] in der Äquivokation des Begriffs und den dadurch begünstigten Kommunikationsschwierigkeiten“ siehe auch schon exemplarisch A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 440. 56 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 472f. „Im Interesse einer maximalen Verständigung sollte aber gerade der in seiner Bedeutung einhellig als zentral eingestufte Wahrheitsbegriff wenigstens einigermaßen eindeutig verwendet werden.“ (a. a. O., 473). Das bleibt auch dann m. E. richtig, wenn mit Kreiner die Aussichten darauf eher als gering einzuschätzen sind.

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gehalt von einem bestimmten Wahrheitsbegriff her eruiert werden kann oder – noch besser – um jenes semantisches Feld (Bedeutungsfeld) kreist, das mit dem Ausdruck ‚Wahrheit‘ intuitiv verbunden ist und in Gestalt eines semantischontologischen Wahrheitsbegriffs näher expliziert werden kann, konkret also in allen Fällen, die die Vorstellung der Verknüpfung der sprachlichen mit der außersprachlichen (ontologischen) Ebene erkennen lassen. In solchen Fällen ließe sich möglicherweise trotz Äquivokationen begründet von Dimensionen im Wahrheitsbegriff sprechen, wie sich dies etwa auch gerade bei Pannenberg zeigt. Das Adjektiv ‚wahr‘ kann (wenigstens in der deutschen und englischen Sprache) attributiv verwendet werden. Das ist der Fall, wenn Pannenberg beispielsweise vom wahrem Gott57, von der wahren vita apostolica58, wahrer Gemeinschaft59, „wahre[m] Leben“60, wahrer Kirche61, wahrer Demut62, „wahrer Gerechtigkeit“63, wahrer Gestalt64, „wahrer Humanität“65, wahrer Vernunft und wahrer Philosophie66, wahrem Gottesreich67, wahrer Kirche68, von der wahren Bedeutung der Dinge und Ereignisse69 spricht oder auch speziell in Bezug auf Jesus gesagt wird, er sei der wahre Mensch70 oder behauptet wird, in ihm sei „die wahre Menschlichkeit des Menschen verwirklicht“71 und – „[i]m Lichte des nahenden Endes“ erschlösse sich in seiner Verkündigung „das wahre Wesen der Schöpfung.“72 Wenn das Adjektiv auf solche Weise verwendet wird, nimmt es aber in den meisten Anwendungsfällen durch eben diese Verwendung zumeist einen Bedeutungsgehalt an, der mit der (hier als klassisch angesehenen) Wahrheitsthe57 Vgl. exemplarisch W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 274. 58 Vgl. exemplarisch W. Pannenberg, Apostolizität und Katholizität der Kirche in der Perspektive der Eschatologie, 105. 59 Vgl. exemplarisch W. Pannenberg, Christliche Spirtiualität, 31 etc. 60 Siehe exemplarisch W. Pannenberg, Freude des Glaubens. Predigten, 37 [kursiv: T. L.]. 61 Vgl. exemplarisch zur „Unsichtbarkeit der wahren Kirche“ W. Pannenberg, Anspruch auf Katholizität. Das Augsburger Bekenntnis als Grundlage für die Einheit, 31. 62 Vgl. W. Pannenberg, Theologie und Reich Gottes, 36. 63 W. Pannenberg, Theologie und Reich Gottes, 37 [kursiv: T. L.]. 64 Vgl. W. Pannenberg, Theologie und Reich Gottes, 40. 65 W. Pannenberg, Theologie und Reich Gottes, 41 [kursiv: T. L.]. 66 Vgl. dazu W. Pannenberg, Geist gegen Zeitgeist. Gespräch mit dem Theologen Wolfhart Pannenberg, 266. 67 Vgl. den Titel des folgenden Aufsatzes: W. Pannenberg, Der Sozialismus – das wahre Gottesreich? 68 Vgl. W. Pannenberg, Theologie und Reich Gottes, 59. 69 Vgl. exemplarisch W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 64. 70 Vgl. dazu bspw. die Überschrift in § 5 (W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 195: = „Der wahre Mensch“): Insofern es um den wahren als den echten Menschen geht, geht es um das Wesen des Menschen mitsamt seiner Bestimmung: „Als Offenbarung Gottes ist Jesus zugleich die Offenbarung des menschlichen Wesens, der Bestimmung des Menschen.“ (ebd.). 71 W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 203. 72 W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 237.

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matik kaum etwas oder besser – gar nichts – zu tun hat, worauf u. a. J.L. Mackie, W. Kamlah, N. Rescher, L.B. Puntel, H.-D. Heckmann und H.J. Adriaanse hingewiesen haben73. In den aufgeführten Beispielen geht es um so etwas wie eine „eine Qualität von Realem“74. Die Vokabel wahr meint in diesen Zusammenhängen soviel wie Eigentlichkeit oder Echtheit75. Für die hier zu behandelnde Wahrheitsfrage werden jene Verwendungsweisen außer Acht gelassen, weshalb also fast ausschließlich jene Sätze relevant, in welchen das Adjektiv ‚wahr‘ veritativ, d.i. zumeist prädikativ (also in der Form ‚es ist wahr, dass …‘), verwendet wird, da – von wenigen Ausnahmen (wie z. B.: wahre Behauptungen [s. o. zu diesem Sprachgebrauch Pannenbergs]) abgesehen – üblicherweise nur im prädikativen Gebrauch dieser Ausdruck als Explikandum desjenigen Phänomens gelten kann, das in den verschiedenen Wahrheitstheorien zu klären versucht wird76. Der Ausdruck ‚Wahrhaftigkeit‘ bzw. ‚wahrhaft(ig)‘ kann durchaus mit E.M. Pausch als ein „Nachbarbegriff“ zum Ausdruck ‚Wahrheit‘ verstanden werden, insofern Schnittmengen in semantischer Hinsicht bestehen77. Im Deutschen kann ‚wahrhaft‘ für gewöhnlich ein Synonym für ‚wahr‘ sein; es kann zudem „von einem Streben nach Wahrheit erfüllt, gekennzeichnet“ bedeuten, aber häufig auch 73 Zu dieser Einsicht merkte etwa schon der analytische Philosoph J.L. Mackie an, dass „[s]uch uses of ‚true‘ as ‚He has now shown his true colours‘ and ‚He is a true friend‘ are, from a logical point of view, peripheral, however important they may be for the history of the meaning of the word.“ (J.L. Mackie, Truth, Probability, and Paradox, 17. Diese wichtige Einsicht entnimmt er dem Oxford English Dictionary zu ‚true‘ [s. ebd.]). Siehe auch W. Kamlah, Wissenschaft, Wahrheit, Existenz, 40f (zum Bedeutungsspektrum des Ausdrucks ‚wahr‘ in der deutschen Sprache); N. Rescher, The Coherence Theory of Truth, 1 (der notiert, dass der „adjectival use in contexts like ‚a true friend‘ or ‚a true line‘ or ‚a true artist‘ […] are beside the point of concern.“); H.-D. Heckmann, Was ist Wahrheit?, 9f sowie für die Theologie speziell auch H.J. Adriaanse, Wahrheit und Vielheit. Zur Reichweite theologischer Begründung, 450; zu Puntel s. o. 74 So H.J. Adriaanse, Wahrheit und Vielheit. Zur Reichweite theologischer Begründung, 450: Zu seinen Beispielen für dieses in der Umgangssprache anzutreffende, sich von der logischen Wahrheit unterscheidende Verständnis der Wahrheit zählt er u. a. ‚der wahre Jakob‘ und ‚die wahre Demokratie‘. 75 So schon W. Kamlah (Wissenschaft, Wahrheit, Existenz, 41) in Bezug auf Beispiele wie ‚wahre Demokratie‘ oder ‚wahres Leben‘: „Das sind Redeweisen, in denen offenbar von Wahrheit, jedoch nicht von Satzwahrheit gesprochen wird.“ (ebd.). Man vgl. etwa auch zur Wahrheitsdefinition schon bei Albertus Magnus die Adaption eines (wohl damals schon verbreiteten Wortgebrauchs)‚ wie er sich exemplarisch in der Rede vom wahrem Gold wiederfindet: Siehe dazu W. Senner, Wahrheit bei Albertus Magnus und Thomas von Aquin, 106. Solche Verwendungsweisen scheinen mir stark von der ontologischen Wahrheit geprägt (vgl. dazu a. a. O., 106f). 76 So schon H.-D. Heckmann, Was ist Wahrheit?, 10. 77 Zu weiteren, von Pausch sog. „Nachbarbegriffe[n]“ siehe E.M. Pausch, Wahrheit zwischen Erschlossenheit und Verantwortung, 105: Pausch zählt zu den wichtigsten Nachbarbegriffen „Wahrhaftigkeit, Richtigkeit und Echtheit.“ (ebd.)

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so viel wie „wirklich, richtig, regelrecht, echt“ meinen oder auch zur Bekräftigung von Aussagen („in der Tat; wirklich […]; tatsächlich“) dienen78. Pannenberg scheint – das sei vorweggenommen – in seinem Sprachgebrauch davon nicht abzuweichen. Schon A.D. Galloway erkannte bei seiner Pannenberg-Lektüre, dass „truly“ offenkundig mit „really“ (wirklich) in Verbindung zu bringen ist79. Diese letztere Bedeutung dürfe anzunehmen sein, wenn Pannenberg von Gott (mit Blick auf Mk 10,18) sagt, er sei allein wahrhaft gut80, das wahrhaft Unendliche81, eben wahrhafter Gott82. Semantisch gleichsinnig zu interpretieren sind Fälle, in denen z. B. von wahrhaft Gläubigen83 oder wahrhaft menschlichem Leben84 geschrieben wird, wenn von den „wahrhaft menschlichen Bedürfnissen des Handelnden“85 die Rede ist, wenn wir „wahrhaft katholisch“86 lesen oder wenn von Christus gesagt wird, er sei „wahrhaftig auferstanden“87 oder schließlich notiert wird, dass „in Jesus die wahrhafte Bestimmung des Menschen erschienen ist.“88 Das Nomen ‚Wahrhaftigkeit‘ wird von Pannenberg eher selten gebraucht, was wohl damit zutun haben dürfte, dass es eher in der Ethik eine Rolle spielen kann. Auch für dieses Wort scheint Pannenberg keine besondere, d. h. vom ge78 Vgl. dazu Art. ‚wahrhaftig‘ in: Brockhaus Enzyklopädie Bd. 28 (Deutsches Wörterbuch III RICK – Z), 4411. Sie auch folgende Bemerkungen von Kambartels: „Wir kennen ja einen Gebrauch des Wortes ‚wahr‘, der weit über das hinaus geht, was wir die Wahrheit einer Behauptung nennen können; z. B. wird das Wort ‚wahr‘ auch auf Lebensverständnisse angewendet und gerät dann in die begriffliche Nähe von Worten wie ‚wahrhaftig‘ oder ‚ernsthaft‘.“ (So F. Kambartels Diskussionsbeitrag in: W. Oelmüller (Hg.), Wahrheitsansprüche der Religionen heute, 338). 79 Vgl. A.D. Galloway, Wolfhart Pannenberg, 130. Galloway bezog sich auf den Anwendungsfall ‚wahrhaft Gott‘ und ‚wahrhaft Mensch‘ in seiner Christologie. Zu truly vgl. exemplarisch W. Pannenberg, The Churches and the Emergence of European Unity, 422. 80 Vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 349. 81 Vgl. hier nur folgenden exemplarischen Beleg: W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 104–111 (weitere Belege s. o. im Dokument). Zu Gott als dem wahrhaft Unendlichen vgl. ausführlicher Chr. Axt-Piscalar, Das wahrhaft Unendliche. Zum Verhältnis von vernünftigem und theologischem Gottesgedanken bei Wolfhart Pannenberg, 319–337. 82 Siehe exempl. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 122f u. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 477. 83 Vgl. W. Pannenberg, Theologie und Reich Gottes, 47. 84 Vgl. W. Pannenberg, Theologie und Reich Gottes, 49. 85 W. Pannenberg, Theologie und Reich Gottes, 66 [kursiv: T. L.]. 86 W. Pannenberg, Theologie und Reich Gottes, 56 [kursiv: T. L.]. Vgl. ferner zu wahrhaft exemplarisch W. Pannenberg, Apostolizität und Katholizität der Kirche in der Perspektive der Eschatologie, 98. Vgl. auch W. Pannenberg, Beiträge zur Ethik, 235 (zur „wahrhaft katholischen Kirche“), W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 264 und W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 139 (zu der Vorstellung der ganzen Kirche als wahrhaft anwesender (vere adest) in der Gemeinde vor Ort). 87 W. Pannenberg, Freude des Glaubens. Predigten, 109 [kursiv: T. L.]. Siehe auch a. a. O., 118. Wahrhaft und wahrhaftig können im deutschen Sprachgebrauch kongruent sein, wie offenkundig in diesem Anwendungsbeispiel. 88 W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 214.

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läufigen Sprachgebrauch abweichende Bedeutung zugrundezulegen. Wahrhaftigkeit scheint auch bei ihm kongruent mit „das Wahrhaftigsein“89, das – wie oben bereits erwähnt – „von einem Streben nach Wahrheit erfüllt, gekennzeichnet“90 meint91. ‚Wahrhaftigkeit‘ scheint ausschließlich bei der Bezugnahme auf R. Descartes’ Argumentation in seinen Meditationen von Bedeutung zu sein – und zwar im Zusammenhang der veracitas Gottes als Ermöglichungsgrund für die Wahrheitserkenntnis92. Als Nachbarbegriffe zu Wahrheit verdienen sie im Kontext der hier zu behandelnden Frage nach dem Wahrheitsverständnis Pannenbergs keine weitere Beachtung. Gängige Gegenbegriffe zu Wahrheit sind Unwahrheit und Falschheit; gelegentlich werden auch Irrtum und Lüge als solche geführt.93 Unwahrheit und Falschheit (einschließlich der Adjektive unwahr und falsch) stellen die zwei wichtigen Gegenbegriffe zu Wahrheit dar; sie gehören sozusagen zum Kern der Wahrheitsthematik. Weil im Unterschied dazu der Irrtum eine Angelegenheit ist, die den Kenntnisstand erkennender Subjekte betrifft94 und die Lüge Täuschung und insoweit Falschheit intendiert95, scheinen sie mir keine direkten, unmittelbaren Gegenbegriff zur Wahrheit zu sein, weshalb sie von Pannenberg u. U. auch nicht im Umfeld der Wahrheitsthematik näher behandelt worden sind (und so auch in dieser Untersuchung von lediglich peripherer Bedeutung sind). 89 Siehe dazu Art. ‚Wahrhaftigkeit‘ in: Brockhaus Enzyklopädie Bd. 28 (Deutsches Wörterbuch III RICK – Z), 4411. 90 Siehe dazu Art. ‚wahrhaftig‘ in: Brockhaus Enzyklopädie Bd. 28 (Deutsches Wörterbuch III RICK – Z), 4411. 91 Siehe dazu folgende Formulierung Pannenbergs: „Die Pflicht zur Wahrhaftigkeit nötigt zu dem Eingeständnis, daß der Friede Gottes, von dem im Neuen Testament die Rede ist, nicht einfach identisch ist mit dem Weltfrieden.“ (W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 146). 92 S. u. 93 Vgl. zu Lüge, Irrtum und Falschheit als möglichen, aber aus der Sicht E.M. Pauschs problematischen Gegenbegriffen: E.M. Pausch, Wahrheit zwischen Erschlossenheit und Verantwortung, 56–59). Mit Pausch wird man in der Unwahrheit, aber gegen Pausch durchaus auch in der Falschheit „die kontradiktorische Negation von „Wahrheit“/„wahre Aussage“ (a. a. O., 56) sehen dürfen. Denn „spezifisch andere Nuancen“, die mit den jeweiligen Ausdrücken nach Pausch verbunden sind und ihn zu diesem Urteil veranlassten, sind freilich auch schon mit dem Gebrauch auch nur eines Wortes, etwa Wahrheit, gegeben. Die Lüge (als absichtlich geäusserte Unwahrheit) und der Irrtum dürften dagegen allenfalls in einem nur mittelbaren Verhältnis zur Wahrheitsthematik stehen. (vgl. dazu auch die Bemerkungen von Pausch a. a. O., 57). 94 Die Irrtumsproblematik begegnet bei Pannenberg üblicherweise in epistemologischen Kontexten, an einer Stelle wird jedoch die Wahrheit dem Irrtum als eine Art Antonym gegenübergestellt (Vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 567). 95 Seine Definition („Lüge besteht in der Verkehrung einer nur partiellen Einsicht zu einer Totaleinsicht. Das erst ermöglicht den Schein des Wahren, der für den Begriff der Lüge konstitutiv ist.“ [W. Pannenberg in seinem Diskussionsbeitrag, in: S.M. Daecke, H.N. Janowski, W. Pannenberg, G. Sauter, Theologie als Wissenschaft. Ein Gespräch, 100]) wird dem geläufigen Verständnis von Lüge als intendiertes Falschaussagen m. E. nicht ganz gerecht.

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2.1.2 Zu den Phänomenen Wahrheit, Gewissheit und Evidenz Gerade in theologischen Beiträgen zur Wahrheitsthematik erfolgt eine Auseinandersetzung mit Wahrheitsverständnissen häufig unter Einbeziehung der Gewissheitsthematik. Das ist lange Zeit üblich gewesen96 und kennzeichnet teilweise auch neuere Publikationen zum Thema (wie etwa diese von W. Dietz (s. u.) und R. Barth97). Dieser Praxis folge ich nicht, weil mir diese Verknüpfung nicht einleuchtet. Wahrheit und Gewissheit sind – das werde ich im Folgenden verdeutlichen, zwei voneinander klar zu unterscheidende Phänomene: Wahrheit wird hier als Relation zwischen sprachlicher Ebene einerseits und außersprachlicher (= ontologischer) Ebene verstanden. Das führt konsequent zu einem semantisch-ontologischen Wahrheitsbegriff, auf den noch näher einzugehen sein wird. Gewissheit dagegen wird von mir (dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend) als ein kognitiver und mentaler Zustand begriffen, also als ein Bewusstseins- (nicht: Reflexions-)Phänomen verstanden. Dies kann m. E. für jede Form von Gewissheit gelten, also auch für die theologisch besonders relevante Glaubens- oder Heilsgewissheit, und für Evidenzen im Allgemeinen98. Evidenzen und Gewissheiten besagen lediglich, wie mir als dem erkennenden Subjekt die Erkenntnisgegenstände erscheinen, über die Wahrheit der Sätze, die diese Erkenntnisgegenstände zum Inhalt haben, ist damit jedoch nicht notwendig etwas gesagt. Diesen egologischen Charakter hat H.-D. Heckmann deutlich herausgestellt99: „Mein intentionales Leben ist mir klar und deutlich, evident, gewiß. Aber das hat mit der Wahrheit von Propositionen noch gar nichts zu tun. Selbst wenn mir eine Proposition absolut gewiß erscheint, wenn ich sie nicht bezweifeln kann, wenn ich sie für wahr halten „muß“, braucht sie darum noch nicht wahr zu sein. Propositionen sind nicht wie Intentionen auf Subjekte relativiert, auf Bewußtseine, in denen sie vorfindlich werden“100.

96 Siehe dazu J. Werbicks These, dass „Wahrheit und Gewißheit […] in der Geschichte des abendländischen Wahrheitsverständnisses stets eng, wenn auch nie problemlos aufeinander bezogen“ waren (J. Werbick, Theologie als Theorie?, 225). 97 So rechnet etwa R. Barth die Gewissheitsthematik zur Wahrheitsproblematik (vgl. R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 59). 98 Sofern alle Gewissheiten irgendwie mentale Phänomene sind, wüsste ich nicht, wie ein potentieller Sonderstatus für bestimmte Gewissheiten (z. B. Glaubens- oder Heilsgewissheiten) reklamiert werden könnte, geschweige denn argumentativ plausibilisiert werden könnte. Über die bloße Behauptung eines solchen Status dürfte man m. E. nicht hinauskommen können. 99 Siehe dazu ausführlicher H.-D. Heckmann, Was ist Wahrheit?, 160ff. 100 H.-D. Heckmann, Was ist Wahrheit?, 154f. (dort in Anknüpfung an G. Frege) vgl. auch a. a. O., 155 sowie zu den Evidenztheorien als einem auf R. Descartes zurückgehenden problematischen, weil bewusstseinstheoretischen Wahrheitypus a. a. O., 148ff.

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Wahrheit ist das eine, Evidenz oder Gewissheit das Andere. Die Wahrheit von Evidenz(-erfahrungen) abhängig zu machen, ist also höchst riskant101. Wahrheit ist, worauf Heckmann hingewiesen hat, nicht bewusstseinsrelativ: „[…D]ie Wahrheit einer Proposition kann […] nicht darin bestehen, daß sie mir evident erscheint; von all dem, was mir evident erscheint, ist es nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern im Gegenteil sogar wahrscheinlich, daß einiges davon falsch ist.“102

Solchen Überlegungen von Heckmann ist Kreiner gefolgt103. Er betont im Anschluss an J.L. Mackie völlig zu Recht, dass es wahre Sätze nicht nur dort geben kann, wo Gewissheit über sie vorliegt, sondern auch dort, wo keine Gewissheit hinsichtlich ihrer Wahrheit besteht104. Es liegt darum auch nahe, mit J.L. Mackie, H. Albert, H.-D. Heckmann und A. Kreiner die Wahrheits- und die Gewissheitsthematik nicht nur einfach sauber auseinanderzuhalten105, sondern – wie erwähnt – in der Wahrheit und in der Gewissheit zwei verschiedene Phänomene zu sehen106. Während Wahrheit – sofern sie wie hier semantisch-ontologisch 101 Zur Problematik der Versuche, über die Evidenz zu argumentieren, siehe auch die folgende Bemerkung von Chr. Landmesser, der meint, dass „[d]ie Behauptung unmittelbarer Evidenz“ im Kontext wissenschaftlicher Begründungszusammenhänge u. a. deshalb als inakzeptabel zurückzuweisen sei, „da durch eine solche Behauptung intersubjektiv nachvollziehbare Argumentationsgänge an beliebiger Stelle sistiert werden könnten.“ (Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 105). 102 H.-D. Heckmann, Was ist Wahrheit?, 161. 103 Vgl. dazu A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 96f. Kreiner bezieht sich auf H.-D. Heckmann, Was ist Wahrheit?, 154f. 104 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 96. In Anm. 39 verweist er auf J.L. Mackie, Truth, Probability, and Paradox, 27. 105 H. Albert (Traktat über kritische Vernunft, bes. 36ff u. 40) „verficht eine totale Unverträglichkeit von wissenschaftlicher Wahrheitssuche und Gewißheit“, wie J. Werbick (Theologie als Theorie?, 226) es korrekt beschreibt. 106 Darum erscheinen mir auch alle theologischen Ansätze als problematisch, die die Wahrheitsthematik vordringlich oder gar ausschließlich unter der (offenbar als übergeordnet verstandenen) Frage nach der Wahrheitsgewissheit verhandeln. Im Zusammenhang der Profilierung eines ausgesprochen theologischen Wahrheitsbegriffs, demzufolge Gott bzw. Christus als die Wahrheit gelte (vgl. exempl. W. Dietz, Wahrheit-Gewißheit-Zweifel, 33 u. 149f), betont Dietz im Unterschied zur hiesigen Verhältnisbestimmung von Wahrheits-, Evidenz- und Gewissheitsthematik deren elementare Zusammengehörigkeit (vgl. a. a. O., bes. 34f u. 54f), woraus sich eine relativ große Distanz zur modernen wahrheitstheoretischen Diskussion ergibt (vgl. auch zu seiner Kritik an „abstrakte[n] Wahrheitstheorien“ a. a. O., 36 [zit], zum Thema auch a. a. O., 134f, 146, 257, 513, 606ff, 623f, 643f): „Im Blick auf die Theologie versteht sich das Ungenügen abstrakter Wahrheitstheorien ganz von selbst, da die von ihr herausgestellte Wahrheit im neutestamentlichen Sinn wesentlich an Vergewisserung und Aneignung orientiert ist. Aber auch philosophisch ist es – nach Descartes und nach Nietzsche – wichtig, sich die Untrennbarkeit der Wahrheits- von der Gewißheitsproblematik zu vergegenwärtigen.“ (W. Dietz, Wahrheit-Gewißheit-Zweifel, 36, auch bes. 54f). Denn Theorien der Wahrheit seien nur als Theorien der Erkenntnis sinnvoll, die ihrerseits ohne die Gewissheitsthematik nicht auskämen (vgl. ebd.) „Da es im Christentum um die Wahrheit für den Einzelnen geht, zielt eben diese Wahrheit auf Aneignung, d. h. auf Vergewisserung der

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gefasst wird – als Eigenschaft von Sätzen gelten kann, ist Gewissheit „eine Qualität von mentalen Zuständen oder Intentionen“107. „Wahrheit und Gewißheit gehören verschiedenen Kontexten an“, wie J. Werbick feststellte108. Kreiner

eigenen Lebenswirklichkeit im Horizont ihres Gesetztseins durch Gott. – Auch für Kierkegaard wäre demnach Wahrheit nicht als reine Theorie denkbar, ebensowenig wie für Descartes, Hegel oder Luther. Von der Erkennbarkeit der Wahrheit zu sprechen, ohne auf die Möglichkeit ihrer Vergewisserung zu reflektieren, wäre für sie alle ein höchst fragwürdiges Unterfangen. Es ist ihre einhellige Meinung, daß Wahrheit auf Vergewisserung zielt und Glaube auf der Möglichkeit der – zumindest antizipativen – Aneignung von Wahrheit im Horizont der endlichen (zeitlichen) Subjektivität basiert.“ (W. Dietz, Wahrheit-GewißheitZweifel, 635). Die objektiv-abstrakten Wahrheitstheorien werden von Dietz der Konzeption von Wahrheit als Wahrheit für mich im Sinne Kierkegaards gegenübergestellt, weil für ihn von entscheidender Wichtigkeit ist, dass „Erkenntnis auf das Für-mich-Sein der Wahrheit bezogen ist, nicht auf deren bloßes An-sich (wie in der Mathematik oder Logik).“ (W. Dietz, Wahrheit-Gewißheit-Zweifel, 624). Dietz konzediert jedoch, dass die Evidenzerfahrung auch trügen kann (W. Dietz, Wahrheit-Gewißheit-Zweifel, 136). Was in Bezug auf die Evidenz gesagt wurde, gilt auch für die Gewissheit. Auch sie hält er für „‘irrtumsanfällig‘, bedingt durch die Vorläufigkeit des theoretischen Wahrheitsanspruchs, der die definitive Verifizierung ihres Inhalts ausschließt.“ (W. Dietz, Wahrheit-Gewißheit-Zweifel, 603). Gewissheit ist „für sich noch kein Garant von Wahrheit“ (a. a. O., 34f). Während in der gegenwärtigen Wahrheitstheoriediskussion der Evidenz- und Gewissheitsthematik vergleichsweise wenig oder gar keine Bedeutung beigemessen wird, besteht in dem bei Dietz erkennbaren besonderen Interesse an der Evidenz- und Gewissheitsthematik eine größere Nähe nicht nur zu Augustin und Luther, sondern auch zu den Philosophen des 17. und 18. Jahrhunderts, inbesondere zu Descartes, der bei seiner Behandlung der Erkenntnisthematik um Evidenz und Gewissheit bemüht war, nicht jedoch eine Klärung des Wahrheitsbegriffs anstrebte. Zu dieser Schwerpunktsetzung und zu den verschiedenen Wahrheitsbegriffen jener Zeit vgl. M. Albrecht, Wahrheitsbegriffe von Descartes bis Kant, 231f: „Wie die meisten anderen prominenten Philosophen des 17. und 18. Jahrhunderts interessierte sich auch Descartes nur am Rande für den Begriff der Wahrheit. Das liegt daran, daß für Descartes das Erkenntnisproblem zum Schlüssel der Philosophie wurde. Die Lösung dieses Problems liefert auch die Antwort auf die Wahrheitsfrage. Selbstverständlich erhob die Erkenntnistheorie den Anspruch, zur Wahrheit des Erkennens vorzustoßen, doch dafür war eine Eröterung des Begriffs der Wahrheit nicht wichtig. Was angestrebt wurde, war Evidenz oder Gewißheit. Die Wahrheit wurde der Gewißheit nachgeordnet. Sobald die Gewißheit errungen ist, ergibt sich von selbst, was Wahrheit ist.“ (M. Albrecht, Wahrheitsbegriffe von Descartes bis Kant, 231f). 107 So A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 97 mit H.-D. Heckmann. Es wäre in der Tat „eine ‚Abart des subjektivistischen Wahnsinns‘, wollte man die Ereignisse der Vergangenheit vom Seelenleben bzw. von mentalen Zuständen irgendwelcher Subjekte abhängig machen.“ (a. a. O., 97). 108 In diesem Punkt stimme ich mit J. Werbick (vgl. J. Werbick, Theologie als Theorie?, 226f [zit. 226]) überein. Dass der „Ort des Prädikats „wahr“ […] der wissenschaftliche Diskurs [sei], worin – dem Experiment vergleichbar – der von Handlungs- und Entscheidungsdruck freigestellte Austausch und die verallgemeinerungsfähige Gewichtung von Argumenten stattfinden“ und wo „das Prädikat „wahr“ […] einer durch Argumente als unbeliebig nachgewiesenen Behauptung beigelegt“ werde (a. a. O., 226f), erscheint mir jedoch zu einseitig. Die große Bedeutung der Wahrheitsthematik im truth talk des Alltags sollte m. E. nicht unterschätzt werden (s. u.).

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hat später den Unterschied zwischen Wahrheit und Gewissheit deutlicher herausgestellt: „Gewissheit ist eine Eigenschaft bzw. ein Zustand unseres Bewusstseins, und zwar ein sog. intentionaler Zustand, d. h. ein Zustand, der auf etwas bezogen ist bzw. der einen bestimmten Inhalt hat. Intentionale Zustände sind Glauben, Zweifeln, Wünschen, Hoffen, Befürchten, Beabsichtigen usw. Sie alle haben einen bestimmten Inhalt. Man kann nicht glauben, ohne etwas zu glauben; nicht zweifeln, ohne etwas zu bezweifeln. Ähnlich gibt es keine Gewissheit, ohne sich über etwas gewiss zu sein.“109

Nun hat Kreiner deutlich zu machen versucht, dass beide Phänomene – Wahrheit und Gewissheit – als relationale verstanden werden könnten, jedoch – und das ist von entscheidender Bedeutung – als Phänomene, bei denen es um (grund-) verschiedene Relationen geht: „Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied, dessen Tragweite kaum zu überschätzen ist. Wahrheit (im korrespondenztheoretischen Sinn [und – wie hier herausgestellt – als eine semantisch-ontologische Größe]) hängt nämlich zusammen mit der Relation der Aussagen zu den Tatsachen; Gewissheit hängt zusammen mit der Relation, die wir zu Aussagen bzw. zu unseren Überzeugungen haben. Wahrheit ist also eine Eigenschaft unserer Überzeugungen, Gewissheit ist hingegen eine Qualität unseres Überzeugtseins.“110 „Genauer hin bezeichnet Gewissheit üblicherweise die Festigkeit oder Intensität, mit der bestimmte Überzeugungen für wahr gehalten werden.“111

In dieser Grundverschiedenheit liegt denn dann auch das entscheidende Argument dafür, die überkommene Koppelung der Wahrheitsthematik mit der Gewissheitsthematik aufzulösen. Bei Kreiner wird diese Grundverschiedenheit auf den Gegenstand zwischen (stets) subjektiver Gewissheit einerseits und objektiver (korrespondenztheoretischer) Wahrheit andererseits gebracht. Gewissheit muss nicht notwendig etwas mit Wahrheit zu tun haben. Schon in seiner Habilitationsschrift hob Kreiner hervor, dass „subjektive Gewißheitserfahrungen […] niemals die objektive Wahrheit von Aussagen garantieren“ können112. Aus alledem folgt dann konsequenterweise die „Trennung von „Wahrheit“ und „Gewißheit“ und der damit verbundene Verzicht auf „Gewißheit“ als Wahrheits-

109 A Kreiner, Warum Wahrheit und Gewissheit nicht zusammenkommen können, 123. Kreiner bietet in diesem Zusammenhang eine, wie ich finde, beachtenswerte Erklärung dafür, warum vielfach die Wahrheits- und die Gewissheitsthematik als zusammengehörig verstanden werden: „Wessen man sich gewiss sein kann, scheinen nun dieselben Dinge zu sein, die auch als Wahrheitsträger in Frage kommen, also Sätze, Aussagen, Behauptungen, Überzeugungen und Erkenntnisse. Das ist wohl der Grund, warum „Wahrheit“ und „Gewissheit“ häufig im selben Boot zu sitzen scheinen.“ (ebd.). 110 A. Kreiner, Warum Wahrheit und Gewissheit nicht zusammenkommen können, 123. 111 A. Kreiner, Warum Wahrheit und Gewissheit nicht zusammenkommen können, 123. 112 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 159.

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kriterium“113. Im Endeffekt können dann – ebenfalls mit Kreiner – die verschiedenen Gewissheits- und Evidenzerlebnisse als für die Epistemologie irrelevant erklärt und dem „Bereich der Psychologie“ zugeordnet werden114. Die Separation der Wahrheits- von der Gewissheitsthematik lässt sich nicht nur mit Kreiner über die Verschiedenheit der mit diesen Phänomenen assoziierten Relationalität, sondern – vielleicht noch deutlicher – an der prinzipiellen (logischen) Unabhängigkeit dieser verschiedenen Phänomene zueinander demonstrieren: Auch eine Unterscheidung zwischen dem Typus subjektiver Gewissheit (‚das Erkenntnissubjekt ist gewiss, dass p‘) und einer gleichsam transsubjektiven objektiven Gewissheit (‚es ist gewiss, dass p‘) im Anschluss an Goclenius115 ändert nichts daran. Beide Gewissheitstypen stehen ebenso wenig in 113 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 159. Wie auch immer Glaubensgewissheit näher zu verstehen ist (und Kreiner interpretiert sie nicht als theoretische Gewissheit „im Sinne des Resultats eines zwingenden argumentativen Schlußverfahrens“ (A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 158), so dürfte doch nicht nur für Kreiner mit K.R. Popper klar sein, dass sie „im Sinne eines theoretisch relevanten Wahrheitskriteriums“ nicht fungieren kann (A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 159). Kreiner stimmt G. Ebeling nicht darin zu, dass dadurch „Gewißheitserfahrungen und -erlebnisse schlechthin desavouiert werden“ (a. a. O., 160). Denn: „Die Kritik der Gewißheit qua Wahrheitskriterium zwingt auch nicht dazu, permanent alles für ungewiß oder gar falsch zu erachten.“ Das wäre eine Verzeichnung des Anliegens des Kritischen Rationalismus. Es gehe ihm nicht um einen „anarchischen Zweifel“; er fordere vielmehr „die Haltung einer permanenten Offenheit gegenüber sachlicher Kritik an den eigenen Erkenntnisansprüchen und denjenigen anderer“ (a. a. O., 160). 114 A. Kreiner, Warum Wahrheit und Gewissheit nicht zusammenkommen können, 126. 115 W. Künne diskutiert die Gewissheitsfrage u. a. anhand der von R. Goclenius eingeführten Distinktion zwischen objektiver Gewissheit („certitudo rei cognitae“) und subjektiver Gewissheit („certitudo hominis cognoscentis“). Siehe dazu W. Künne, Art. Gewißheit I. Philosophisch, 908f. Seinem Aufweis der log. Unabhängigkeit der verschiedenen Gewissheitstypen untereinander sowie seiner Demonstration eines nicht bestehenden log. Abhängigkeitsverhältnisses zwischen Gewissheit und Wissen wird hier gefolgt. Die Frage nach der Berechtigung der Annahme objektiver Gewissheit soll hier nicht weiter diskutiert werden. A. Kreiner dürfte einer solchen Form von Gewissheit skeptisch gegenüber stehen. Er vertritt die Meinung, es gebe eine gleichsam transsubjektive Gewissheit an sich nicht. Diese Vorstellung hält er für eine contradictio in adjecto, weil damit die (wenigstens für seine Definition) der Gewissheit konstitutive innersubjektive Relationalität gekappt wäre: „Eine Überzeugung mag wahr an sich sein, aber sie kann nicht gewiss an sich sein, jedenfalls dann nicht, wenn man Gewissheit als Relation zwischen dem Subjekt und seinen Überzeugungen definiert. Per definitionem macht es dann nämlich überhaupt keinen Sinn, von einer Gewissheit an sich zu sprechen, weil dadurch gerade diese Relationalität gekappt und die Gewissheit ausschließlich auf die Seite des propositionalen Gegenübers verlagert wird.“ (A. Kreiner, Warum Wahrheit und Gewissheit nicht zusammenkommen können, 129). Diese Frage, ob Gewissheit stets innersubjektivisch relational zu denken ist oder daneben durchaus auch von transsubjektiver, verallgemeinerbarer objektiver Gewissheit gesprochen werden kann, wird hier nicht weiter verfolgt. Von entscheidender Bedeutung hier bleibt die Einsicht, dass Gewissheit – ganz gleich um welche Form es sich handeln mag – zwar mit Wahrheit zu tun haben kann, sie es aber nicht muss, auch wenn dieser Meinung die lange theologiegeschichtliche Tradition einer engen Verbindung von Wahrheits- und Gewissheitsthematik entgegensteht und darin zum Ausdruck kommt, dass versucht worden ist, beides, Wahrheit

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einem logischen Abhängigkeitsverhältnis zueinander wie das Verhältnis beider Gewissheitstypen zum Wissen und zur Wahrheit, wie W. Künne gezeigt hat: „Objektive und subjektive G. sind voneinander logisch unabhängig: Man kann gewiß sein, daß p, obwohl es nicht gewiß ist, daß p; und es kann gewiß sein, daß p, obwohl niemand gewiß ist, daß p. Es kann nicht sowohl gewiß als auch nicht gewiß sein, daß p; aber der eine mag gewiß sein, daß p, während der andere es nicht ist. Ein Zusammenhang zw. beiden Arten von G. wird durch ein normatives Prinzip hergestellt: Man hat nur dann das Recht, gewiß zu sein, daß p, wenn es gewiß ist, daß p.“116 „Das Verhältnis zw. subjektiver G. und → Wissen beirrt die Philos. seit dem Auftreten des Skeptizismus. Es handelt sich um kognitive Zustände, die logisch voneinander unabhängig sind. In Prüfungssituationen zeigt sich immer wieder, daß jemand wissen kann, daß p, ohne gewiß zu sein, daß p. Man kann gewiß sein, daß p, ohne zu wissen, daß p. Die Wahrheit von „p“ ist nämlich eine notwendige Bedingung dafür, daß jemand weiß, daß p, aber nicht dafür, daß jemand gewiß ist, daß p. – Zw. objektiver G. und Wissen besteht zumindest keine wechselseitige logische Abhängigkeit: In einer bestimmten Situation kann es gewiß sein, daß p, obwohl niemand glaubt, geschweige denn weiß, daß p.“117

Lediglich die Wahrheit erweist sich als eine „notwendige Bedingung“ für Wissen, nicht aber als eine solche in Bezug auf Gewissheit, wie deutlich wurde. Selbst Wissen kann u. U. nicht wahr sein, zumindest wenn durchschaut wird, dass es Wissen nur in Form von Geltungsansprüchen gibt, die wahr zu sein beanspruchen, ihre Wahrheit aber nicht verbürgen können118. Nach Wahrheit zu fragen ist etwas anderes als nach Gewissheit zu fragen. Im Ergebnis erweist sich die Wahrheitsthematik als das eigentlich Fundamentale und darum als erstrebenswerter Referenzpunkt für die Frage nach Wissen und (vielleicht auch) nach Gewissheit. Doch kann weder von Wahrheit auf Gewissheit

und Gewissheit, „zusammenzubringen“ (vgl. dazu A. Kreiner, Warum Wahrheit und Gewissheit nicht zusammenkommen können, 124 und seinen Hinweis hierfür auf A. Musgrave, Alltagswissen, Wissenschaft und Skeptizismus. Eine historische Einführung in die Erkenntnistheorie, Tübingen 1993). 116 W. Künne, Art. Gewißheit I. Philosophisch, 909. 117 W. Künne, Art. Gewißheit I. Philosophisch, 909. 118 Diesen Sachverhalt hat L. Wittgenstein deutlich hervorgehoben: „ – Denn ‚Ich weiß . . .‘ scheint einen Tatbestand zu beschreiben, der das Gewußte als Tatsache verbürgt. Man vergißt eben immer den Ausdruck ‚Ich glaubte, ich wüßte es‘.“ (L. Wittgenstein, Über Gewißheit, 12 [§ 12]). Ob es sich tatsächlich um eine Tatsache handelt hinsichtlich dessen, was man zu wissen glaubt, ist eine zunächst offene Frage. Mit Wittgenstein bleibt festzuhalten, dass von einem Wissensanspruch nicht auf die Tatsächlichkeit geschlossen werden kann. Aus ‚Ich weiß p‘ folgt nicht notwendig ‚p‘. (Vgl. a. a. O., 12 [§13] und 107 [§ 415]). Es sei bereits an dieser Stelle bemerkt, dass Pannenberg ganz ähnlich Sympathien gezeigt hat für die Rückführung des Wissensbegriff auf den des Glaubens (Belief) im Sinne eines sich in Behauptungen artikulierenden Fürwahrhaltens. Vgl. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 246f und s. u.

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geschlossen werden noch umgekehrt von Gewissheit auf Wahrheit119. Denn – das liegt auf der Hand: Wo Wahrheit besteht oder vorliegt, muss man nicht notwendig ihrer gewiss sein, so wie es umgekehrt Gewissheiten dort geben kann, wo keinerlei Wahrheit vorhanden ist. Einen notwendigen Zusammenhang zwischen beiden Phänomenen wird man kaum behaupten können. Wohl aber sollte die je subjektive Gewissheit ein Interesse an der Wahrheit als einer strukturellen, objektiven und allgemeinen haben120. Ein nicht unwesentliches Problem mit der theologisch-christlichen Bemühung der Gewissheit und bestimmter Evidenzerlebnisse dürfte an einer von A. Kreiner formulierten kritischen Frage sichtbar werden, und zwar an der, ob es sich tatsächlich um – wie zuweilen gern behauptet – von Gott geschenkte Gewissheiten handelt oder ob sie doch vielleicht nur ‚selbstfabriziert‘ (H. Albert121) sein könnten. „Dass es sich bei der eigenen Gewissheit um eine gottgeschenkte, bei der Gewissheit anderer um eine selbstfabrizierte handeln soll, lässt sich zwar nicht grundsätzlich ausschließen. Es lässt sich aber vermutlich auch nicht noch einmal mit Gewissheit feststellen. Letzten Endes läuft diese Strategie darauf hinaus, sich auf das eigene Glück zu verlassen, was bekanntlich immer ein wenig ungewiss bleibt.“122 Insofern – aber auch angesichts der oben skizzierten Pro119 Die Einsicht, dass Wahrheit und Gewissheit nichts miteinander zu tun haben müssen, geht aus den Bemerkungen von W. Kamlah hervor: „Wir haben die allersicherste Wahrheit, aber sie geht uns nichts mehr an. Oder wir haben eine erlösende Gewißheit, aber wir wissen nicht sicher, ob sie sich auf Wahrheit gründet.“ (W. Kamlah, Wissenschaft, Wahrheit, Existenz, 59). Pannenberg kennt dieses Werk, sodass zu fragen bleibt, ob diese Einsicht in Pannenbergs Theologie eingegangen ist. 120 Das sieht auch W. Pannenberg so und stellt fest, dass das Verhältnis beider Größen zueinander auch spannungsreich sein kann (vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 60: „Der Allgemeinheit und Allgemeingültigkeit der Wahrheit kann die subjektive Wahrheitsgewißheit nicht grundsätzlich absagen, so groß die Spannungen sein mögen, die hier bestehen können“.) 121 So H. Albert, Traktat über kritische Vernunft, 36 hinsichtlich des Gewissheitsstrebens: „Alle Sicherheiten in der Erkenntnis sind selbstfabriziert und damit für die Erfassung der Wirklichkeit wertlos.“ Siehe auch die a. a. O., 36ff kritisierten (und zum Scheitern verurteilten) Versuche, mittels eines Rekurses auf Gewissheit sich vor jeglicher Kritik zu immunisieren zu versuchen. 122 A. Kreiner, Warum Wahrheit und Gewissheit nicht zusammenkommen können, 130. Die angesprochene Problematik dürfte grundsätzlich gelten und damit auch für spezielle Formen von Gewissheit, sei es die Gottes-, Welt-, Selbst- oder auch Glaubensgewissheit. Auch wenn man – wie häufig in der Geschichte des Christentums – geneigt sein sollte, Letztere „als Geschenk dessen zu interpretieren, an den man glaubt“, also „nicht als das Ergebnis einer denkerischen Vergewisserung, sondern als das gnadenhafte Geschenk Gottes“ (A. Kreiner, Warum Wahrheit und Gewissheit nicht zusammenkommen können, 128), so wird man doch mit Kreiner (der sich hier speziell auch auf die certitudo fidei bezieht) davon ausgehen können, dass diese Interpretation letztlich noch nichts hinsichtlich der Frage nach ihrem Wahrheitsgehalt aussagt. Denn es gilt, „dass subjektive Gewissheit und objektive Wahrheit unterschiedliche Eigenschaften unterschiedlicher Entitäten sind und dass das eine niemals das andere zu garantieren vermag.“ (a. a. O., 130).

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blematik – wird auch hier mit Kreiner davon ausgegangen werden können, dass die Bedeutung der Gewissheit für den Glauben (so bei Kreiner) in der Theologiegeschichte eher überschätzt worden sein dürfte123, ihr „nicht unbedingt ein eindeutig hoher Wert [zukommt], sondern insgesamt eine recht ambivalente Sache [darstellt].“124 Die strikte Distinktion zwischen Wahrheits- und Gewissheitsthematik125 ermöglicht eine konsequente und stringente Ausblendung der Letzteren in dieser 123 A. Kreiner bezieht sich auf Keith Ward (A Vision to Pursue. Beyond the Crisis in Christianity, London 1991): Es habe „KEITH WARD zu Recht betont, dass die Rolle der Gewissheit für den Glauben traditionell stark überbetont wurde. Seines Erachtens sollten wir akzeptieren lernen, dass nichts gewiss und unrevidierbar ist. WARD bestreitet, dass der Glaube dadurch irgendwie unterminiert werde. Im Gegenteil, dadurch werde eine Glaubensform möglich, in der sich intellektuelle Redlichkeit, Bescheidenheit und Glaubensengagement verbinden lassen. Im Hintergrund stehen keineswegs nur die epistemischen Schwierigkeiten, Wahrheit und Gewissheit zusammenzubringen, sondern auch die Rolle, die Gewissheiten in der religiösen Praxis spielten.“ (a. a. O., 131). Mit Rekurs auf Ward zeigt Kreiner, dass es im Namen des Glaubens (und den damit verbundenen Gewissheiten) zur Unterdrückung abweichender Meinungen gekommen ist (vgl. a. a. O., 131f). „Die Einsicht, dass man sich dabei auch täuschen kann, findet sich in der Christentumsgeschichte relativ selten und relativ spät – und vorwiegend im Hinblick auf die Gewissheiten anderer.“ (a. a. O., 132). 124 A. Kreiner, Warum Wahrheit und Gewissheit nicht zusammenkommen können, 132. Es sei noch darauf hingewiesen, dass es Kreiner weder um eine „Diffamierung sämtlicher Gewissheitserlebnisse“ noch um „das Plädoyer für einen anarchischen Zweifel an allem und jedem“ geht (A. Kreiner, Warum Wahrheit und Gewissheit nicht zusammenkommen können, 132). Mit Kreiner soll hier lediglich auf die Grenzen menschlichen Erkennens aufmerksam gemacht werden und an die prinzipielle Fallibilität gerade auch in Bezug auf Evidenz- und Gewissheitserlebnisse erinnert werden. Demut kann dann als so etwas wie eine ‚epistemische Tugend‘ gelten (vgl. ebd.), m. E. als solche entdeckt und neu geschätzt werden. 125 Anders W. Dietz, der sich entschieden gegen die Separation der Wahrheits- von der Gewissheitsthematik gewandt hat – wie sie etwa im Kritischen Rationalismus K.R. Poppers und H. Alberts propagiert und innerhalb der kath. Theologie etwa von A. Kreiner befürwortet worden ist. Vgl. dazu W. Dietz, Wahrheit-Gewißheit-Zweifel, 603ff. Die Separations-Kritik leuchtet mir allerdings nicht ein. Denn es lassen sich eine Vielzahl von Wahrheiten denken, derer Menschen nicht gewiss sein können (oder wollen), aber deren Relevanz, Bedeutung o. ä. ganz eindeutig vorhanden ist und auch erkannt werden kann, ohne dass sich so etwas wie Gewissheit, jedenfalls im Sinne eines Bewusstseinsphänomens, einstellt (ein geeignetes Beispiel dafür, wie weit Wahrheit und Gewissheit auseinanderliegen können, kann an den erst kürzlich von den Physikern am Kernforschungszentrum Cern in Genf entdeckten sog. „Gottesteilchen“ exemplifiziert werden: Die ausbleibende Gewissheit mancher Laien (oder gar auch Experten) tangiert nicht die Wahrheit des Satzes, mit welchem ihre Existenz behauptet wird). Für W. Dietz ist dagegen der Sinn von Wahrheit entscheidend, weshalb er auch die Aneignungs- und Vergewisserungsprozesse als einem solchen Sinn hervorhebt und dadurch freilich die beiden Themenfelder eng miteinander verbindet: „Der Sinn der Wahrheit ist ihre Aneignung und Vergewisserung durch den Einzelnen (so, wie der Sinn des Lebensbrotes das Sattwerden des Einzelnen ist). Die abstrakte Wahrheit ist die Unwahrheit. Die konkrete Wahrheit führt zu individueller Freiheit (Joh 8,32).“ (a. a. O., 607). Von daher versteht sich, dass Augustin, Descartes und Luther für sein theologisches Denken zu wichtigen „Gewährsmännern“ werden, haben sie doch Wahrheits- und Gewissheitsthematik

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Arbeit, zumal sie eben als eine andere Thematik ohnehin nichts beitragen kann zur Frage nach dem Wahrheitsverständnis eines Theologen, worum es hier im Kern geht. Von diesen Überlegungen her wird im Durchgang durch die Aufarbeitung des Pannenberg‘schen Wahrheitsverständnisses die Rolle, die Pannenberg der Gewissheits-/ bzw. Evidenzthematik beigemessen hat, allenfalls am Rande zu klären und zu evaluieren sein.

2.2

Vorüberlegungen: Das Phänomen Wahrheit und seine wissenschaftliche wie auch alltägliche Präsenz und Relevanz

Nach ersten Abgrenzungen der hier zu verfolgenden Frage nach dem Wahrheitsverständnis von anderen Fragerichtungen im Gesamtumfeld der Wahrheitsthematik und der Unterscheidung der Wahrheits- von der Gewissheitsthematik soll als eine weitere Vorarbeit im Folgenden die ‚Wahrheit‘ in ihrer Phänomenhaftigkeit gründlich in Augenschein genommen werden. Erst mit den hierbei zu gewinnenden Einsichten scheint mir eine Auseinandersetzung mit einer spezifischen Wahrheitskonzeption wie derjenigen Pannenbergs sinnvoll.

eng verknüpft. Dietz würdigt dies: „Hier wird die Wahrheit wesentlich von der Gewißheit verbürgenden Aneignung im Glauben her thematisiert. Das esse der veritas ist nicht als abstraktes Sein und die Teilhabe an ihr nicht bloß als Erkenntnisakt faßbar. Im johanneischen Sinn ist das Sein aus und in der Wahrheit verbunden mit einem Lebensvollzug, der ein bestimmtes personales Wahrheitsverständnis voraussetzt. Im augustinischen Sinn ist die Wahrheit aber zugleich ein absolutes esse. Die Vergewisserung vollzieht sich demnach als Reflexion auf den Grund aller Gewißheit. Im cartesischen Sinn ist das esse der veritas nur noch im Selbstvollzug des Cogito von Interesse: ich denke – ich bin (mit einem zeitlos vorzustellenden Binde-/Gedankenstrich, der nicht für ein schlußfolgerndes ”also” steht).“ (W. Dietz, Wahrheit-Gewißheit-Zweifel, 230f). In dieser Arbeit wird deutlich zu machen versucht, dass u. a. auch für Augustin das hier zu verteidigende aussagetheoretische Wahrheitsverständnis von Bedeutung gewesen ist. Während Dietz das, „[w]as sich im Glauben vollzieht“, für „nichts anderes als definitive Vergewisserung der Wahrheit“ (a. a. O., 607) hält, wird hier methodisch im Sinne Pannenbergs die Wahrheitsfrage (vorläufig) offen gehalten und unter Berücksichtigung wahrheitstheoretischer Überlegungen zu klären versucht, in welchem Einzefall es sich tatsächlich um (epistemische) Vergewisserung von Wahrheit handeln kann.

Das Phänomen Wahrheit und seine wissenschaftliche wie auch alltägliche Präsenz

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2.2.1 Wahrheit in Philosophie, Theologie, den Wissenschaften und im Alltag – einführende Bemerkungen „Die Frage nach Wahrheit ist so alt wie die Philosophie selbst. Sie beherrscht aber nicht nur die Philosophie, sondern auch die Theologie, die Kunst, die Wissenschaften sowie das vorwissenschaftliche alltägliche Leben. Als Menschen unter Menschen suchen wir zu erkunden, was das wahre Gesicht unseres Nachbarn jenseits von Maske und Verstellung sei oder der wahre Charakter desselben jenseits aller Rollenspiele“126.

„Die Frage nach der Wahrheit ist keine spezifisch theologische, sondern ein Grundanliegen jeder ernsthaften Wissenschaft, allen voran der Philosophie.“127 Sicher ist es auch ein Grundanliegen der Theologie128. Und mehr noch: Es ist inzwischen vielfach – und zwar sowohl von Seiten der Philosophie als auch von der Theologie – hervorgehoben worden, dass der Wahrheitsthematik schon im alltäglichen Leben enorm große Bedeutung zukommt, wie nicht nur das obige Zitat der Luzerner Philosophin K. Gloy zeigt. Die Wahrheitsfrage kann – um es mit den Worten von Günter Gawlick zu sagen – als „eine der Grundfragen des Menschen“129 gelten. Das ist schon deshalb so, weil „ein Leben ohne Urteilen und Werten, ohne Entscheidung und Sinngebung nicht möglich ist“130. Doch auf welche Weise kann diese Grundfrage nach Wahrheit in unserem Alltag von Relevanz sein? Innerhalb der neueren Philosophie scheint mir diese Einsicht besonders von P. Janich herausgestellt worden zu 126 K. Gloy, Kants Wahrheitstheorie und moderne Positionen, 2. Für Gloy bedeutet jedwedes Fragen nach Wahrheit zugleich auch ein Fragen nach Wahrheit schlechthin, setzt also die Vorstellung der Einheit der Wahrheit voraus. Auf diesen Aspekt wird später zurückzukommen sein. 127 W. Dietz, Wahrheitsgewissheit und Einheit der Wirklichkeit aus theologischer Sicht, 56. Zur Sinnhaftigkeit und Legitimität der wissenschaftlichen Suche nach Wahrheit s. auch Dietz‘ Bemerkungen a. a. O., 72: „Die Suche nach der Wahrheit durch Erschließung der Welt ist auch in ihrer Begrenztheit ein sinnvolles Unterfangen, durch das der Mensch seinen Lebenshorizont konstruktiv erweitern und das gleichsam göttliche Potential seiner Vernunft [LUTHER, Disputatio de homine, 1536, th.4.] produktiv unter Beweis stellen kann.“ 128 H. Hübner, Der Begriff „Wahrheit“ in der Theologie, 576–586: In dieser Besprechung hob er hervor: „Diese Rezension ist eine der wichtigsten, die ich in den letzten Jahrzehnten für die ThLZ geschrieben habe. Es ist geradezu „die Stunde der Wahrheit“; denn wenn es in den hier zu rezensierenden Büchern um die Wahrheit geht, die philosophische und die theologische, dann geht es um das Wesen von Philosophie und Theologie, dann geht es, was die Theologie betrifft, fundamental um das Sein der Kirche, um das Sein des Christen und sein Sich-selbstVerstehen. Und es geht des Weiteren um das enge Band von Philosophie und Theologie.“ (a. a. O., 576). 129 G. Gawlick, Art. Wahrheit II. Philosophisch, 1518. 130 G. Gawlick, Art. Wahrheit II. Philosophisch, 1518.

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sein: Im alltäglichen Leben – und nicht wie vielfach vermeint erst auf einer theoretischen Ebene – ist die Wahrheitsthematik primär zu verorten131. Es ist nicht so, als diene die Beschäftigung mit der Wahrheitsfrage allein dazu, auf wissenschaftlichem Wege zu neuen Erkenntnissen und zur Generierung von Wissen beizutragen, das seinerseits dann als „anwendungsfreies Bildungswissen“132 dem täglichen (Alltags-)Leben in Gestalt seiner theoretischen Abstraktheit diametral entgegenstünde. Hier im alltäglichen Leben hat, wie P. Janich darlegte, die Wahrheitsfrage gleichsam ihren ‚Sitz im Leben‘133. Und sie zeugt deshalb von lebenspraktischer Relevanz134, weil wir Menschen inmitten unseres alltäglichen Lebens bereits mit Wahrheit und Falschheit – etwa in Gestalt menschlicher Rede – konfrontiert werden135. Ob dies nun explizit oder implizit geschieht, ob wir dies bemerken oder nicht, ist zwar eine interessante Frage, aber eine solche von untergeordneter Bedeutung. Als Grundfrage fungiert die Frage nach Wahrheit im menschlichen Leben nicht zuletzt auch nach Meinung des Tübinger Neutestamentlers Chr. Landmesser136. Janich in dieser Hinsicht nicht unähnlich, hebt auch er mit Nachdruck die eminent lebenspraktische und lebenswichtige Bedeutung der Wahrheitsthematik im alltäglichen Leben hervor. Elementar ist die Wahrheitsfrage vor allem deshalb, weil wir in unser aller Leben nach der Wahrheit fragen und für gelingende Lebensgestaltung und Handlungsvollzüge auf einen verstehenden Umgang mit der Welt angewiesen sind und unser Verstehen der Wirklichkeit in Form eines Wahrheitsanspruchs sprachlich artikulieren137. 131 132 133 134 135 136

So etwa auch P. Janich, Was ist Wahrheit?, 12ff. So auch P. Janich, Was ist Wahrheit?, 13. So auch P. Janich, Was ist Wahrheit?, 12ff. Vgl. P. Janich, Was ist Wahrheit?, 13. So auch P. Janich, Was ist Wahrheit?, 14. Siehe Chr. Landmesser, Art. Wahrheit, in: TRT5 Bd. 3, 1247f sowie auch schon im Ganzen seine Promotionsschrift Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft. Siehe ähnlich auch die einmütige Einschätzung des Philosophen und Theologen M. Enders und seines philosophischen Kollegen J. Szaif, wonach der Begriff Wahrheit als für menschliches Denken überhaupt zentral sei (vgl. dazu M. Enders/J. Szaif, Die Geschichte des philosophischen Begriffs der Wahrheit, V). 137 Siehe ausführlicher dazu Chr. Landmesser, „Die Wahrheit wird euch frei machen“. Biblische Perspektiven, 145; ferner Chr. Landmesser, Art. Wahrheit, in: TRT5, Bd. 3, bes. 1247f. Siehe auch diese seine folgenden, von dem oben Dargelegten her zu verstehenden Bemerkungen: „We rely on the search for truth to make decisions, to act, to communicate meaningfully with one another, and even to live at all. Discussion, accord, controversy, and opposition, all means of communication, without which human coexistence would be unthinkable, connect in some manner to the question of truth.“ (Chr. Landmesser, Truth in New Testament Science, 47) „Wahrheit ist – zumindest auch – ein operationaler Begriff, denn er hilft uns zu leben und Entscheidungen zu treffen.“ (So Chr. Landmesser in: M. Fellinger/ C. Landmesser/ K. Müller/ W. Thönissen/ R. Polak, Wahrheit, Sicherheit, Gewissheit. Eine Podiumsdiskussion, 162). Siehe auch die die lebenspraktische Relevanz der Wahrheit herausstellenden und in eine ähnliche Richtung gehenden Bemerkungen von E. Herrmann (Wir Menschen,

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Die Wahrheitsfrage hat (welt-)orientierende Funktion für unser Alltagsleben und die sich in ihm zu verwirklichende, möglichst glückende Lebensgestaltung – das scheint weithin anerkannt und auch in der Theologie angekommen138. Als lebenspraktische Frage stellt sich die Wahrheitsfrage also im Lebensvollzug – nicht erst, aber eben auch (nicht minder) im Horizont eines dezidiert christlichen oder theologischen Frageinteresses139. Mit alledem ist auch das Wahrheitsproblem zugegen – und das mit nicht zu unterschätzender lebensweltlicher Relevanz, – ganz gleich ob man dies bemerkt oder nicht, anzuerkennen bereit ist oder sich darüber eher verärgert zeigt140. Aus dieser offenkundig signifikanten lebensWahrheit und Wirklichkeit, 167): „Um überleben und außerdem ein gutes Leben führen zu können, ist es äusserst wichtig, daß wir korrekte Erklärungen der kausalen Zusammenhänge erstreben und korrekte Beschreibungen der Tatsachen liefern.“ Die Wahrheitsthematik ist also – wie von Herrmann angedeutet – an ihrem Platze. 138 L. Honnefelder kommt zu dem Schluss, dass die Frage nach Wahrheit – „sowohl nach der theoretischen wie der praktischen Wahrheit“ – zweifelsohne „im Zusammenhang der Daseinserhellung und Weltorientierung“ stehe; darum stelle sie eine Frage dar, „ohne die der Mensch nicht leben kann und an der er deshalb ein ursprüngliches Interesse“ habe (L. Honnefelder, Wahrheit und Sittlichkeit. Zur Bedeutung der Wahrheit in der Ethik, 163 [inkl. Anm. 64]. Honnefelder beruft sich seinerseits auf H. M. Baumgartner, Art. Wahrheit/Gewißheit, 263); W. Härle und R. Preul etwa gelangten zu der Überzeugung, dass „kaum ein philosophischer Grundbegriff […] zugleich so stark in der Alltagswirklichkeit beheimatet und für die alltägliche Kommunikation und Lebensorientierung von Bedeutung [sei] wie der Begriff der „Wahrheit“ – und der ihm unmittelbar benachbarte Begriff „Wahrhaftigkeit“.“ (W. Härle/ R. Preul, Vorwort, in: Marburger Jahrbuch Theologie XXI [Wahrheit], VII); V. Gerhardt schreibt: „Der Mensch, so wie er sich in seinem Denken, Sprechen und Handeln versteht, ist auf die Wahrheit angewiesen. Er hat sie nötig, um der zu sein, der er ist und der er offenkundig auch sein will. […] Jeder von uns ist ursprünglich auf die Wahrheit angelegt; er hat sie nötig, sobald er etwas erkennen, wissen oder von sich aus mitteilen will; er braucht sie wie nichts anderes, wenn er seinen Erwartungen entsprechend handeln können will“. (V. Gerhardt, Wahrheit und Öffentlichkeit, 21; siehe ausführlicher den gesamten Beitrag). Zur Klärungsbedürftigkeit der Wahrheitsfrage zum Ziele gelingender Lebenspraxis knüpft an Gerhardts Überlegungen H. Schulz (Vom Daseinsverständnis zum Evidenzerleben, 124) an. Prägnant formuliert der Theologe M. Leiner diesbezüglich: „Systematische Theologie zu treiben, schließt eine Verantwortung für die Menschen, die sich im Glauben und Leben orientieren wollen, mit ein. Deshalb muss sie sich der Wahrheitsfrage intensiv und ohne Vorbehalte stellen.“ (M. Leiner, Methodischer Leitfaden Systematische Theologie und Religionsphilosophie, 51). In der Zuwendung zu dieser Thematik sieht er m. E. mit vollem Recht ein wesentliches Verdienst der Theologie Pannenbergs (vgl. a. a. O., 50f). 139 „Dass die Wahrheitsfrage in der Theologie überhaupt eigens zu stellen ist“ scheint mir daher nicht etwa dadurch geboten, wie M. Leiner es schildert, dass einer „eher traditionell christliche[n] Sicht“ zufolge „das Christliche als solches bereits das Wahre“ sei (M. Leiner, Methodischer Leitfaden Systematische Theologie und Religionsphilosophie, 48 (inkl. Anm. 28). Leiner meint: „Dafür gibt es gute Gründe, wie die Identität von Christus und Wahrheit (Joh 14,6) oder die von Gott und Wahrheit“ im Sinne des deus ipse veritas bei Augustin. Wie klärungs- und explikationsbedürftig sich diese These erweist, wird in Auseinandersetzung mit Pannenbergs ontotheologischer Hauptausrichtung des Wahrheitsbegriffs in besonderer Weise deutlich werden. 140 Insofern kann ich nicht nachvollziehen, wie I.U. Dalferth und Ph. Stoellger angesichts des

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praktischen Bedeutung der Frage nach Wahrheit im Alltag sollte nun nicht gefolgert werden, die Behandlung der Wahrheitsfrage könne oder sogar solle nicht auf Klärung auf der Theorieebene, etwa im wahrheitstheoretischen Diskurs, erfolgen. Vielmehr sollte die Präsenz dieser Sachthematik in unser aller Leben gerade Anlass und Ansporn sein für eine gründliche Klärung per Bemühungen um Definition und Explikation141, also konkret Anstoß sein für eine Aufarbeitung dieses gemeinhin mit dem Ausdruck ‚Wahrheit‘ in Verbindung gebrachten Phänomens.

jüngst gestiegenen Interesses an der Wahrheitsfrage hervorheben, dass die Wahrheitsfrage ihrer Meinung nach „weder das Erste noch das Letzte noch in jedem Fall das Wichtigste“ sei. Sie betonen dagegen: „Vor der Wahrheitsfrage kommt das Leben, und vor allem im Bezug darauf wird Wahrheit relevant. […] Sie [sc. die Wahrheitsfrage] entsteht in einem der sich immer stärker ausdifferenzierenden Bereiche des menschlichen Lebens, uns sie verweist über diese hinaus in den weiteren Zusammenhang dieses Lebens zurück. Niemals steht die Wahrheitsfrage daher am Anfang, und keine Antwort auf sie ist das Ende. Ehe nach Wahrheit gefragt wird, muß sehr viel anderes geschehen sein“. (I.U. Dalferth u. Ph. Stoellger, Perspektive und Wahrheit, 1). Die These der lebensweltlichen Relevanz der Wahrheit verdient uneingeschränkte Zustimmung. Wenn Wahrheit für menschliches Leben jedoch relevant wird, ist mir unverständlich, wie dann die Priorität des Lebens vor der Wahrheitsfrage betont wird. Unbestritten ist das Leben (die alltägliche Lebenswelt und Praxis) eine Voraussetzung für den Umgang mit der Wahrheitsfrage, doch sobald menschliches Leben geführt wird, ist die Wahrheitsfrage von fundamentaler Bedeutung (s. o.), sodass mir diese Form der Subordinierung der Wahrheitsthematik nicht einleuchtet. Ähnliche Bedenken hatte Chr. Landmesser angemeldet: „Wenig plausibel ist die in diesem Text behauptete Vorrangigkeit des Lebens vor der Wahrheitsfrage (1), eröffnet doch gerade erst die gestellte Wahrheitsfrage den Blick auf eine dem Menschen angemessene und freie Gestaltung seines Lebens; die Wahrheitsfrage erscheint aber dann als mit dem Leben bereits mit gesetzt.“ (So Chr. Landmesser in seiner Rezension des o.g. Werkes, in: ThLZ 131 [2006], 1026). 141 Dahin scheint schon die Überlegung von W. Kamlah zu gehen. „Daß die Menschen, indem sie miteinander leben und miteinander reden, voneinander auf der Hut sein müssen, weil einer den anderen zu täuschen vermag, daß sie also untereinander angewiesen sind auf Wahrhaftigkeit, Zuverlässigkeit, Aufrichtigkeit […] ändert wiederum gar nichts daran, daß der explizierte Wahrheitsbegriff [kursiv: T. L.] nirgends entbehrlich ist, wo Menschen miteinander reden, und daher auch überall anzutreffen ist, wenn auch in geschichtlich verschieden angeordneten Bedeutungsfeldern bestimmter Worte.“ (W. Kamlah, Der moderne Wahrheitsbegriff, 123) Grob verallgemeinernd meint W. Kamlah behaupten zu können, „daß in den indogermanischen Sprachen einst der Zusammenhang von „wahr“ mit „wahrhaftig, treu, zuverlässig, freundlich“ den Sprachgebrauch kennzeichnete. (ebd.). Solche Etymologisierungen sind – wie am Beispiel Pannenbergs noch verdeutlicht werden wird – allerdings mit Vorsicht zu genießen.

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2.2.2 Das Phänomen ‚Wahrheit‘ – hartnäckig, allgegenwärtig und immun gegenüber jedweden Redefinitionsbestrebungen Es wurde oben zu zeigen versucht, dass es bei der Wahrheitsthematik um eine Sache, ein Phänomen, geht, das für menschliches Leben von fundamentaler Bedeutung ist, insofern Wahrheit und die Auseinandersetzung mit ihr eine im weitesten Sinne orientierende Funktion erfüllt und darum auch im Besonderen für menschliches Handeln relevant wird. Außer dass es sich bei Wahrheit um eine Sache, ein Phänomen handelt, ist bisher noch nichts näher darüber gesagt worden, was unter dieser Sache, diesem Phänomen, präzise zu verstehen ist. Zunächst interessiert die schiere Phänomenhaftigkeit von Wahrheit. Eine in diesem Zusammenhang entscheidende und zunächst trivial wirkende Einsicht ist die, dass der Ausdruck ‚Wahrheit‘ auf eben dieses, bislang noch nicht näher bestimmte, Phänomen verweist. Anders ausgedrückt: Es geht bei der Wahrheitsthematik im Kern also nicht um ein Wort, sondern um die Sache, die mit diesem Wort gemeinhin assoziiert wird. Das bedeutet, dass (zumindest) theoretisch – auch wenn dafür kein begründeter Anlass bestehen dürfte – der Ausdruck ‚Wahr(heit)‘ mit seiner Buchstaben(ab-)folge ‚W-A-H-R-H-E-I-T‘ durchaus ersetzt werden könnte durch Ausdrücke, die sich aus einer anderen Buchstabenkombination konstituieren, etwa durch ‚Wohrheit‘, ‚Wuhrheit‘ oder meinetwegen auch ‚Wohörehit‘. Doch was ändert das? A. Kreiner hielt nicht zu Unrecht fest: „Die sachliche Thematik erweist sich gegenüber terminologischen Retuschierungsversuchen als immun. Wird sie nicht mehr unter dem Terminus „Wahrheitsfrage“ zugelassen, so taucht sie eben unter einer anderen Bezeichnung auf“142. Diese Überlegungen sind nicht neu. Kreiner seinerseints konnte zur Veranschaulichung dieser Einsicht bereits auf die ironische Bemerkung des polnischen Logikers A. Tarski hinweisen, dass im Falle, dass man sich auf einem Kongress der Wahrheitstheoretiker für einen nicht-klassischen Wahrheitsbegriff ausspräche, der klassische Wahrheitsbegriff eben künftig unter einem anderen Ausdruck, beispielshalber „fahr“, thematisiert werden könnte143. Spätestens 142 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 467. 143 Vgl. A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 467. Kreiner bezieht sich auf A. Tarski, Die semantische Konzeption der Wahrheit und die Grundlagen der Semantik, 161. Zur Problematik der Redefinition des Ausdrucks ‚Wahrheit‘, wie sie sich etwa in Gestalt der Rede von einem spezifisch biblischen, personalen oder dialogischen Wahrheitsverständnis zeigt, siehe A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 465ff: „Sofern die Redefinitionsversuche tatsächlich versuchen wollen, die traditionelle Wahrheitsfrage in den Hintergrund zu drängen oder auszuschalten, sind sie in argumentativer Hinsicht gescheitert. Ob diese Frage als Wahrheitsfrage tituliert wird oder nicht, spielt nämlich keine Rolle. Entscheidend ist, daß sie überhaupt noch formulierbar bleibt, unabhängig davon, welche Bedeutung dem Wort „Wahrheit“ beigemessen wird. Durch die bloße Redefinition des Wahrheitsbegriffs kann jener Fragestellung nicht ausgewichen werden, die ursprünglich damit bezeichnet wurde.“ (a. a. O., 467). Mit

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hiermit ist klar, dass freilich auch das mit dem Adjektiv ‚wahr‘ Assoziierte nicht leicht aus der Welt zu schaffen ist. Im Ganzen hat auch der WahrheitstheorieExperte Puntel so argumentiert: Es geht bei der Erörterung der Wahrheitsfrage nicht um ein Wort, sondern um eine Sache, auf die dieses Wort intentional verweist. Weil in der Wahrheitsdebatte um die mit dem Ausdruck ‚Wahrheit‘ intendierte Sache und nicht um einen Ausdruck gerungen wird, könnte, wie Puntel behauptet, die (wahrheitstheoretische) Diskussion auch dann fortgesetzt werden, wenn der Ausdruck ‚Wahrheit‘ zugunsten eines anderen, etwa neuen Ausdrucks ersetzt würde144. Es dürfte freilich kaum Anlass für solche kreativen Wortschöpfungen bestehen. Dieses Gedankenspiel verdeutlicht aber, dass die gemeinhin durch den Ausdruck ‚Wahr(heit)‘ bezeichnete Sache, das bezeichnete Phänomen, nicht etwa hinwegdisputiert oder dadurch verdrängt, geleugnet oder gar gänzlich aus der Welt geschafft werden kann, dass dieses Wort durch ein anderes Wort ersetzt wird. Gerade weil es sich, wie hier behauptet und einsichtig zu machen versucht wird, bei Wahrheit um ein Phänomen handelt, müssen auch alle die Versuche scheitern, die zeigen sollen, dass Wahrheit eine Chimäre o. ä. sei. Ein Ende der Wahrheit (s. o.) in dem Sinne, dass das damit assoziierte Phänomen verschwinden könnte, ist sicher nicht zu befürchten145. Die „Hartnäckigkeit“ des Phänomens Wahrheit lässt sich schließlich noch anhand der prinzipellen Möglichkeit von Redefinitionen des Ausdrucks ‚Wahrheit‘ illustrieren. Selbstverständlich ist es prinzipiell denkbar, den Ausdruck ‚Wahrheit‘ zwar beizubehalten, diesen aber neu zu definieren, was bedeutete, mit dem Wort eine andere Sache zu assoziieren. Doch auch dadurch kann das überlicherweise mit der Vokabel ‚Wahrheit‘ in Verbindung gebrachte Phänomen nicht zum Verschwinden gebracht werden. Damit bleibt festzuhalten: Auch wenn das Phänomen ‚Wahrheit‘ im Denken und Urteilen Einzelner (z. B. Skeptiker) verschwinden mag, so verschwindet es Kreiner ist festzuhalten, dass solche Redefinitionsversuche insofern scheitern, als sie die traditionell damit verbundene Sache – nämlich ein semantisch-ontologisches Phänomen – nicht zum Verschwinden bringen lassen können (vgl. auch ähnlich a. a. O., 466). 144 Vgl. dazu L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff in Philosophie und Theologie, 24. 145 Man vgl. oben A. Kreiners Auseinandersetzung mit dem möglicherweise nahenden ‚Ende der Wahrheit‘. W. Dietz hat in Anspielung auf Kreiners Buch nachfolgende Behauptung aufgestellt: „Das Ende der Wahrheit kann man im neuplatonisch-augustinischen Sinn überhaupt nicht (be)fürchten, da der Gegenstand dieser Furcht nichts als ein leerer, sinnloser, in sich widersprüchlicher Gedanke wäre. Man muß bzw.kann nur das Ende bestimmter Wahrheitstheorien befürchten oder erhoffen. Wahrheitstheorien können in der Tat ein Ende haben, z. B. wenn sie von falschen Voraussetzungen ausgehen oder das erkenntnistheoretische Vergewisserungsinteresse des Menschen verkennen.“ (W. Dietz, WahrheitGewißheit-Zweifel, 613). Im Unterschied dazu wird hier das Ende der Wahrheit deshalb nicht befürchtet, weil es das Phänomen ‚Wahrheit‘ als ein semantisch-ontologisches Phänomen (alltäglich) gibt und darum nicht gut bestritten werden kann.

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doch zweifelsohne nicht an sich (aus der Welt), sondern begleitet uns in unserem Lebensvollzug und bleibt als solches faktisch „hartnäckig“ präsent. Die Wahrheitstheorie, die sich dem Phänomen ‚Wahrheit‘ (insbesondere in definitorischer, explikatorischer und kriteriologischer Hinsicht) zuwendet, sieht aus dem eben geschilderten guten Grund weder postmoderne Dekonstruktions- und Relativierungsprogramme noch skeptizistische Infragestellungen146 o. ä. als ernsthafte Bedrohungen für die Wahrheitsthematik an.

2.2.3 Das intuitive Wahrheitsverständnis des common sense und der semantisch-ontologische Wahrheitsbegriff Was unter ‚Wahrheit‘ über seine bloße Phänomenhaftigkeit hinaus gemeinhin verstanden wird und wie sich das Phänomen ‚Wahrheit‘ zum alltäglichen, vortheoretischen sog. intuitiven Wahrheitsverständnis verhält und schließlich für die wissenschaftliche Handhabe begrifflich eingeholt werden kann, soll im Folgenden knapp dargelegt werden. Der für die wissenschaftliche Kommunikation erforderliche und von ihr auch faktisch vielfach nolens volens in Anspruch genommene Wahrheitsbegriff ist nun seinerseits kein spezieller Begriff von Wahrheit, der zu einem alltäglichen, bereits intuitiv-vorfindlichen und in diesem Sinne auch vortheoretischen Wahrheitsverständnis in keinerlei Beziehung stünde. Es ist vielmehr so, dass er (allenfalls) als theoretische Explikation eines ohnehin immer schon wirksamen Wahrheitsverständnisses gelten kann. Chr. Landmesser vermutet wohl mit Recht, „daß das in einer Wissenschaft vorausgesetzte Wahrheitsverständnis, wenn es nicht eigens vorgestellt und diskutiert wird, sich sehr häufig oder gar zumeist an dem in der alltäglichen Lebenswelt wirksamen Wahrheitsbegriff orientiert.“147 Das ist von daher plausibel, dass zumindest prima vista die Wahrheitsfrage eine zunächst einfache zu sein scheint. Diese Vermutung legt sich schon von daher nahe, dass sich ‚Wahrheit‘ als ein Phänomen erwiesen hat, dessen beständige Allgegenwart in der täglichen Kommunikation und dessen hohe Relevanz für das menschliche Leben beobachtbar ist und darum wohl auch vielfach hervorgehoben worden ist. Das Alltagsleben zeigt eine häufige und in der Regel zumeist problemlose, geradezu selbstverständliche Verwendung des Ausdrucks 146 W. Dietz bietet eine gründliche Auseinandersetzung mit der philosophischen Skepsis und dem neueren Skeptizismus: W. Dietz, Wahrheit-Gewißheit-Zweifel. Theologie und Skepsis. Studien zur theologischen Auseinandersetzung mit der philosophischen Skepsis. Anders als hier verteidigt Dietz das (theologische) Fragen nach Wahrheit nicht auf der Ebene wahrheitstheoretischer Überlegungen, sondern in kritischer Auseinandersetzung mit dem philosophischen Skeptizismus. 147 Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 328.

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‚Wahr(heit)‘ im sog. truth talk. Offenbar haben wir alle so etwas wie ein „Vorverständnis von Wahrheit“, und sei dieses nur implizit und ungesichert148. Es lässt sich nämlich in der Tat beobachten, dass veritative Kommunikation, d. h. der truth talk des Alltags, erstaunlich oft gelingt. Es scheint genau dieses dann der Fall, wenn das intuitiv vorhandene Wahrheitsverständnis des common sense bemüht wird, das seinerseits Verständnisschwierigkeiten zumeist gar nicht aufkommen lässt – ironischerweise im Unterschied zur Theoriediskussion, die nicht selten um den Versuch kreist, die mit dem intuitiven Wahrheitsverständnis verbundenen Intuitionen zu explizieren oder rational zu rekonstruieren149. Das intuitive Wahrheitsverständnisses funktioniert also über weite Strecken zuverlässig – Ausnahmen ausgenommen150. Ich möchte mich bei meinen Überlegungen hinsichtlich des erwähnten und uns allen irgendwie bekannten Vorverständnisses von Wahrheit im Alltag nicht nur auf die Gegenwart beziehen. Es ist geradezu interessant, dass schon Anselm von Canterbury in seiner Zeit im aussagetheoretischen Wahrheitsverständnis das alltägliche und gewöhnliche Verständnis von Wahrheit, nämlich das des ‚natürlichen Bewusstseins‘, erkannte! 151 Im 20. Jahrhundert hat Karl Rahner ebenfalls die Auffassung vertreten, dass wir über so etwas wie einen vorläufigen Entwurf von Wahrheit verfügten. Bei der Frage danach, was Wahrheit sei, wüssten wir immer schon, was gemeint sei. Und das war für ihn so auch das, was hier als Wahrheit des common sense präsentiert wird: semantisch-ontologische Wahrheit, die oftmals in Gestalt der Aussagenwahrheit in Erscheinung tritt152. In einem solchen Sinne dürfte auch W. Härles These zu verstehen sein, wonach der Wahrheitsbegriff etwas Simples bezeichne: „Im Unterschied zu vielen anderen Begriffen bezeichnet der Begriff „Wahrheit“ bzw. das Adjektiv „wahr“ etwas Schlichtes, Einfaches.“153 „Jedes Kind (‚von sieben Jahren‘)“

148 So G. Gawlick (Art. Wahrheit II. Philosophisch, 1518) zum alltäglichen Bewusstsein von Wahrheit. 149 Siehe zu dieser Problematik insbes. den Beitrag von A. Rust, Wo Wahrheit zum Problem wird. 150 Dazu Landmesser: „Dabei ist es durchaus möglich, daß der vorausgesetzte Wahrheitsbegriff und die beanspruchte Kriteriologie unreflektiert und diffus sind. Dies dürfte zumeist in der nichtwissenschaftlichen Lebenswelt der Fall sein. Es ist dann angemessen, von einem intuitiven Wahrheitsbegriff bzw. von einer intuitiven Wahrheitsvorstellung zu sprechen“. (Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 328). 151 Siehe dazu den Hinweis bei M. Enders, Wahrheit und Notwendigkeit, 116 inkl. Anm. 7 mit Hinweis auf K. Flasch. 152 Siehe dazu K. Rahner, Die Wahrheit bei Thomas von Aquin, 24: Das Verständnis von Wahrheit als adaequatio intellectus et rei gilt ihm als ein vorläufiger Entwurf dessen, „was wir immer schon wissen, wenn wir zu fragen beginnen, was Wahrheit sei.“ Siehe dazu auch die Bemerkungen von A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 414 Anm. 13. 153 W. Härle, Das christliche Verständnis der Wahrheit, 63.

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wisse, „ was gemeint ist, wenn von „Wahrheit“ und „Unwahrheit“, vom „Wahrsein“ oder „Nicht-Wahrsein“ die Rede ist.“154

Härle hebt hier auf das intuitive Wahrheitsverständnis des common sense ab, das im alltäglichen Gebrauch in der Tat zumeist keine größeren Schwierigkeiten, etwa Verständnisschwierigkeiten und dergleichen, aufwerfen dürfte. Es ist eine alles andere als unwichtige Beobachtung, dass der Ausdruck ‚Wahrheit‘ im Alltag deshalb weitgehend unproblematisch ist, weil im Gebrauch dieses Ausdrucks offenbar mehr oder weniger klar zu sein scheint, welche Bedeutung mit ihm verbunden wird bzw. werden kann. A. Kreiner hat diese Einsicht festgehalten: „Die Bedeutung der Ausdrücke „Wahrheit“ und „wahr“ scheint in ihrer alltagssprachlichen Verwendung zumindest so lange als unproblematisch und selbstverständlich vorausgesetzt zu werden, wie nicht über ihre Bedeutung reflektiert wird. In der Regel bereitet es keinerlei Schwierigkeiten, ihren Sinn im jeweiligen Verwendungskontext mit hinreichender Verläßlichkeit zu verstehen. Dies überrascht um so mehr, als gerade im Alltag ihre Bedeutung erheblich variiert; werden doch völlig unterschiedliche Entitäten als „wahr“ bezeichnet […]. Auch ohne sich im einzelnen Rechenschaft über den disparaten Status der „Wahrheitsträger“ abzulegen, bleibt der jeweilige Sinn von „wahr“ verständlich, insofern keine grobe Regelwidrigkeit vorliegt. […] Intuitiv versteht jeder, was mit einer „wahren“ Aussage gemeint ist und was diese von einer „unwahren“, falschen oder erlogenen, Aussage unterscheidet.“155

Trotz eines zumeist problemlosen Gebrauchs dieses Ausdrucks lässt sich das folgende Paradoxon kaum leugnen, und zwar dass „die Häufigkeit u. Selbstverständnis seiner Verwendung […] im umgekehrten Verhältnis z. Grad des Konsenses über seine genaue Bestimmung u. Tragweite [steht].“156 Dies trifft primär sicher auf den Diskurs innerhalb der philosophischen Wahrheitstheorie zu, auf die Puntel diese seine Aussage gemünzt hat, dürfte aber auch den truth talk kennzeichnen. Denn überall, wo die Frage nach Wahrheit kontrovers dis154 W. Härle (Das christliche Verständnis der Wahrheit, 63) nimmt hierbei, wie er selbst erklärt, einen „einfachen, umgangssprachlich vertrauten Grundsinn der Worte ‚wahr‘ und ‚Wahrheit‘“ an, um diesen dann für die theologische Auseinandersetzung mit der Wahrheitsthematik fruchtbar zu machen (a. a. O., 63 Anm. 3). In Bezug auf die Altersangabe verweist er auf M. Luther [BSLK 459, 21], der im dritten Teil der Schmalkaldischen Artikel im Alter von sieben Jahren „die untere Grenze der selbstständigen Urteilsfähigkeit (inbesondere im Blick auf die Unterscheidung von gut und böse)“ erblickt hat, sich in diesem Kontext jedoch – wie Härle anmerkt – nicht unmittelbar auf die Beurteilung von Wahrheit und Unwahrheit, sondern auf die Kirche bezogen hat (a. a. O., 63 Anm. 4). 155 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 77. Kreiner bezieht sich seinerseits auf W. Kamlah, Der moderne Wahrheitsbegriff, 110f. 156 So die Einschätzung L.B. Puntels zum philosophischen Wahrheitsdiskurs (Siehe L.B. Puntel, Art. Wahrheit, 927). Aufgrund einer neuen erkennbaren Differenziertheit im theologischen Umgang mit der Wahrheitsfrage dürfte dieses Urteil inzwischen auch auf den binnentheologischen Wahrheitsdiskurs zutreffen.

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kutiert oder schlicht unterschiedliche Konzeptionen von Wahrheit wirksam sind, tun sich Probleme auf. Und auch Härle konzediert, dass eine Definition des Begriffs der Wahrheit, „erst recht aber die Entfaltung einer Wahrheitstheorie außerordentlich komplex und kompliziert sein kann.“157 So sehr einerseits die vorherrschende Pluralität unterschiedlicher Wahrheitsvorstellungen ihrerseits die (herausragende) Bedeutung des Begriffs der Wahrheit innerhalb menschlichen Lebens158 auf vorzügliche Weise unterstreichen mag, so besteht andererseits das Problem eben in dieser Pluralität unterschiedlicher Wahrheitsbegriffe: Sie sind ein Ballast für jede Kommunikation, die glücken will. Wie problematisch ein unklarer Sprachgebrauch sein kann, hat A. Kreiner deutlich demonstrieren können: „Offensichtlich ist der Wahrheitsbegriff allerdings nicht verschwunden, sondern statt dessen zum Label einer kaum mehr überschaubaren und völlig disparaten Fülle von Problemstellungen geworden. Auch darin mag sich das Ende der Wahrheit ankündigen. Je emphatischer der Begriff nämlich verwendet wird, um so hohler und nichtssagender scheint seine Bedeutung zu werden. Dieser sich immer deutlicher abzeichnenden Tendenz wollen meine Untersuchungen entgegenwirken.“159

Um nichts anderes geht es auch hier. Die Feststellung, dass der Ausdruck ‚Wahr(heit)‘ im truth talk des Alltags mit so manchen verschiedenen und divergierenden Bedeutungen verbunden ist, mag allein schon für den ein oder anderen eine eher weniger erfreuliche Feststellung zu sein. Ungleich schwerer dürfte wiegen, dass die Theologie zur Kenntnis nehmen muss, dass diese Feststellung nicht nur für den alltäglichen Sprachgebrauch, sondern – wie L.B. Puntel beobachtet hat – auch ganz besonders für den wissenschaftlichen Sprachgebrauch in der Theologie charakteristisch ist. Überhaupt schon vermittelt das, was Philosophen und Theologen über Wahrheit sagen, insgesamt ein heterogenes Bild160. Für die Theologie im Besonderen konstatierte Puntel 1995: „Die heutigen Theologen sagen kaum etwas Bestimmtes, geschweige denn Präzises; vielmehr verwenden sie ‚Wahrheit‘ meistens als ein großes Wort, mit dem sie ein extrem breites Bedeutungsfeld, das seinerseits mit allerlei historisch-philologischen, bibelexegetischen, theologiegeschichtlichen, oft auch unterbestimmt bleibenden philosophischen Elementen verschiedenster Provenienz in kaum überbietbarer Weise überfrachtet ist.“161

157 158 159 160 161

W. Härle, Das christliche Verständnis der Wahrheit, 63 Anm. 3. So auch schon Chr. Landmesser, Art. Wahrheit, in: TRT5, Bd. 3, 1248. A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 3. Vgl. dazu L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff in Philosophie und Theologie, 16 u. ferner 24ff. L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff in Philosophie und Theologie, 16.

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Diese für theologische Ohren eher unerfreuliche Diagnose lässt sich nach meinem Eindruck kaum bestreiten, sondern eher leicht belegen – in eindrucksvoller Deutlichkeit beispielsweise bei H. Vogel, der unter ‚Wahrheit‘ disparate Fragestellungen verhandelt und so Konfusionen heraufbeschwört162. Es ist sogar eher erstaunlich und auch bedauerlich, dass der für sein systematisches Denken bekannte Münchner Systematiker Wolfhart Pannenberg vor jener von Puntel angesprochenen Problematik nicht (ganz) gefeit zu sein schien. Meiner Meinung nach ist es erstrebenswert, die Frage klären zu wollen, worum es in der Debatte um das mit dem Ausdruck ‚Wahrheit‘ assoziierte Phänomen substanziell geht. Ich kann hier nur Puntels These beipflichten, dass ein völlig offener, willkürlicher Gebrauch der Ausdrücke ‚Wahrheit‘ und ‚wahr‘ nicht nur den hohen Wert und die wichtige, bereits im alltäglichen Umgang (noch) wirksame und elementare Funktion des Wahrheitsbegriffs für das menschliche Leben enorm schwächen würde. Jede Abwendung von definitorischen und explikatorischen Bemühungen erwiese sich so letztlich als im weitesten Sinne kontraproduktiv – und das in mehrerlei Hinsicht; in diesem Zusammenhang kann mit Puntel (und durchaus auch in Gefolgschaft mit A. Kreiner u. Chr. Landmesser) für einen disziplinierten und präzisen Sprachgebrauch, was den Gebrauch des Wortes ‚Wahrheit‘ betrifft, geworben werden163. An einem letztlich nur Konfusionen und Ungereimtheiten fördernden willkürlichen Sprachgebrauch, wie ihn ähnlich zu Puntel auch Kreiner tadelte, kann auch m. E. wissenschaftlicher Theologie nicht gelegen sein164. Den hier beklagten semantischen Unschärfen der Vokabel ‚Wahrheit‘ im Sprachgebrauch kann nun konstruktiv begegnet werden durch Einführung eines Wahrheitsbegriffs. Der hier favorisierte sog. semantisch-ontologische Wahrheitsbegriff kann als ein einheitlicher gelten – insofern er in Philosophie und Theologie Anwendung findet165. Warum genau für solch einen Wahrheitsbegriff votiert wird, wird im Folgenden verständlich zu machen versucht: 162 Wie A. Kreiner gezeigt hat, kann Vogels Aufsatz „Wann ist ein theologischer Satz wahr?“ als ein „anschauliches Beispiel für […] Konfusionen“ im Umgang mit der Wahrheitsthematik gelten (vgl. A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 304 Anm. 10). 163 Vgl. L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff in Philosophie und Theologie, 40; siehe auch Puntels, direkt an die Theologie gerichtete Forderung, zu einer gründlichen Klärung ihrer Sprachpraxis vorzudringen (a.a.O, 45). 164 A. Kreiner notierte zu Recht, „daß die Strategie, alles und jedes als Wahrheit zu bezeichnen, was von irgendeinem Interesse oder von irgendwelcher Wichtigkeit ist, oder was irgendwann von irgend jemandem als Wahrheit bezeichnet wurde, zwar sicherlich möglich, aber völlig willkürlich ist. Auf den ersten Blick erscheint dieses Ergebnis kaum von größerem Interesse zu sein. Immerhin ließen sich mit seiner Hilfe aber eine Reihe von Ungereimtheiten und Konfusionen ausräumen, die die Rede von der Wahrheit häufig in einem ausweglosen Chaos von Mehrdeutigkeiten enden lassen.“ (A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 4). 165 Puntel betonte, dass von ihm „ausschließlich ein einheitlicher Begriff von Wahrheit vertreten“ werde. Siehe dazu L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff. Ansatz zu einer semantisch-

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Zu Beginn ist bereits klar, dass mit diesem Wahrheitsbegriff entscheidende Vorteile verbunden sind. Dazu zählt zuvörderst, dass der semantisch-ontologische Wahrheitsbegriff an ein ohnehin immer schon vorhandenes, alltägliches Wahrheitsverständnis anknüpft. Als ein zweiter Vorteil kommt hinzu, dass kein weiterer Wahrheitsbegriff für die wissenschaftliche Handhabe der mit diesem assoziierten Sache eingeführt zu werden braucht166. „Die semantisch-ontologische Wahrheitsvorstellung knüpft also an ein offensichtlich immer schon wirksames Wahrheitsverständnis an, das im theoretischen Raum erläutert und begründet wird.“167 In den nachfolgenden Überlegungen wird deutlich werden, was genau gemeinhin unter Wahrheit verstanden wird. Mit Puntel und Landmesser wird hier die These vertreten, dass der Ausdruck ‚Wahrheit‘ vorwiegend Verwendung dafür gefunden hat und findet, „ein bestimmtes Problem zu klären, nämlich das Problem des Verhältnisses von Sprache und Welt“168. Es geht bei dem Phänomen ‚Wahrheit‘ genauer also um ein sprachliches und zugleich auch ontologisches ontologischen Theorie, 872. Vgl. auch folgende Feststellung von Puntel: „Eine Differenz hinsichtlich des ‚Wahrheitstypus‘ meint also hier nicht eine Differenz bezüglich des Wahrheitsbegriffs (bzw. der Wahrheitsdefinition). Es wird hier davon ausgegangen, daß Philosophie und Theologie sich in letzter Hinsicht nicht unterscheiden (was freilich nicht heißt, daß ein entsprechender Wahrheitsbegriff schon vorliegt).“ (L.B. Puntel, Das Verhältnis von Philosophie und Theologie. Versuch einer grundsätzlichen Klärung, 28). Man mag zwar feststellen, dass es in der Philosophie keinen „einheitlichen Wahrheitsbegriff gibt (so beispielsweise W. Dietz, Wahrheitsgewissheit und Einheit der Wirklichkeit aus theologischer Sicht, 59f u. 63 (es gebe „nicht „den“ philosophischen Wahrheitsbegriff“) oder O. Höffe, Wahrheiten im Überfluss? Philosophische Überlegungen, 28 (der eine „Vielzahl von Wahrheitsbegriffen“ konstatiert). So unbestritten dies ist – welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind, bleibt zu klären. Höffes These, „die Suche nach einer einzigen, in sich homogenen Wahrheit“ sei deshalb verfehlt „[w]eil der Ausdruck der Wahrheit auf legitime [kursiv: T. L.] Weise mehrere Bedeutungen hat“ und man auf diese Weise „das Wesen des Gegenstandes“ (ebd.) verfehle, überzeugt nicht, v. a. schon deshalb nicht, weil seine (in anderer Hinsicht, da hypostasierende, und insofern nicht ganz unproblematische) Rede vom Wesen des Gegenstandes doch immerhin eine Einheitlichkeit von Wahrheit und Wahrheitsbegriff zu präsupponieren scheint, die er andererseits preiszugeben bereit ist. 166 Vgl. Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 328f. Als Neutestamentler hat Landmesser freilich seine Überlegungen auf die neutestamentliche Wissenschaft fokussiert, ohne sie auf diese Disziplin begrenzt wissen zu wollen: „Für die folgenden Überlegungen ist die sich aufgrund der vorgestellten Erörterung des Wahrheitsbegriffs ergebende Grundeinsicht leitend: Innerhalb der neutestamentlichen Wissenschaft kann kein anderer Wahrheitsbegriff vorausgesetzt werden als in allen anderen Wissenschaften auch. Damit ist auch gesagt, daß der in der neutestamentlichen Wissenschaft vorausgesetzte Wahrheitsbegriff kein anderer ist, als der in der gesamten wissenschaftlichen Theologie vorauszusetzende Wahrheitsbegriff.“ (Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 427). 167 Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 329. 168 L.B. Puntel, Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie (Aufl. v. 1993), 258f. Siehe auch Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 5.

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Phänomen, nach dem nun genauer zu fragen sein wird. „Es ist also danach zu fragen, welches sprachliche bzw. ontologische ‚Phänomen‘ als Wahrheit zu bezeichnen ist.“169 Der Kerngehalt dieses Wahrheitsbegriffs ist hier von Interesse170. Meine Überlegungen schließen hier an diejenigen von Puntel und Landmesser an. Durch folgende, hier skizzierte Erwägungen hat Puntel diese These eines einheitlichen semantisch-ontologischen Wahrheitsbegriffes plausibilisieren können, gegen den prima facie zu sprechen scheint, dass es grundsätzlich möglich ist, mit dem Ausdruck ‚Wahrheit‘ sämtliche verschiedene Bedeutungsgehalte zu assoziieren, wodurch ein einheitlicher Sprachgebrauch unterminiert wird. Dass es einen pluralen Sprachgebrauch tatsächlich immer schon gegeben hat, dessen ist sich Puntel durchaus bewusst. Er illustriert dies an zwei Verwendungsweisen des Ausdrucks ‚Wahr(heit)‘: „‚Es ist wahr, dass Schnee weiß ist‘ und: ‚In diesem Staat herrscht eine wahre Demokratie‘, weisen keine relevante begriffliche Einheitlichkeit auf. Dieses Problem wird besonders deutlich und akut, wenn man gewisse Gebiete der Geistesgeschichte betrachtet, in ganz besonderer Weise die religiöse, und hier ganz speziell die christliche, Sprache und Tradition. Hier hat das Wort ‚Wahr(heit)‘ einen alle Grenzen einer begrifflichen Einheitlichkeit sprengenden uneingeschränkten Gebrauch.“171

Die Erklärung für diesen Umstand wird mit Puntel darin gesehen werden können, dass – da Begriff und Wort nicht dasselbe sind – mit einem Ausdruck bzw. einem Wort nicht nur ein Begriff, sondern auch mehrere Begriffe verbunden sein können. Diese Tatsache muss jedoch nicht notwendig eine Gefährdung für die Einheitlichkeit des Wahrheitsbegriffs bedeuten. Im Rahmen der hiesigen Bemühungen um Explikation des Wahrheitsbegriffs wird nicht die Intention eingebracht, gleichsam allen Vorkommnissen und Bedeutungsgehalten des Ausdrucks ‚Wahr(heit)‘ und seiner biblischen Äquivalente gerecht werden zu wollen172. 169 Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 4. 170 Vgl. Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 1f. Landmesser strebt in seiner Arbeit „eine Rekonstruktion der wichtigsten Aspekte dieses Wahrheitsbegriffs“ an (a. a. O., 2). 171 L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff. Ansatz zu einer semantisch-ontologischen Theorie, 872. Siehe ferner und im Folgenden auch die ausführlichere Variante dieses Beitrages: L.B. Puntel, „Wahrheit“ als semantisch-ontologischer Grundbegriff, 69–102. 172 Siehe dazu die folgenden Bemerkungen Puntels: „1. In der Regel stellt man die Frage nach der Klärung eines Begriffs, indem man von einem Wort ausgeht. Wort und Begriff sind nicht dasselbe, vielmehr ist/sind in der Regel mit einem Wort ein Begriff oder mehrere Begriffe verbunden. Stellt man nun die Frage nach dem „Wahrheitsbegriff“, so muss man davon ausgehen, dass man es anfänglich mit einem Wort, dem Wort ‚Wahr(heit)‘, zu tun hat. Will man nun dieses Wort in der Weise verstehen und klären, dass man einen mit ihm assoziierten einheitlichen Begriff annimmt, so fragt sich, um welchen Begriff es sich handelt. Wie immer dieser Begriff aussehen mag, es würde sofort klar werden, dass eine solche Einheitlichkeit es so gut wie unmöglich machen würde, allen Vorkommnissen des Wortes

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Auch wenn es unmöglich ist, allen Vorkommnissen mit der Fassung eines einheitlichen Wahrheitsbegriffs gerecht zu werden, wie Puntel herausgestellt hat, wird hier mit Puntel davon ausgegangen, dass die mögliche Heterogenität der Bedeutungsgehalte des Ausdrucks ‚Wahr(heit)‘ keineswegs zu der Schlussfolgerung nötigt, in ihnen verschiedene Wahrheitsverständnisse oder -auffassungen zu entdecken173. Hinsichtlich des von ihm selbst propagierten Wahrheitsbegriffs konzediert er, was auch hier zugrunde gelegt wird: „Zum Schluß sei die Bemerkung angefügt, daß keineswegs alle, ja möglicherweise nicht einmal die meisten Verwendungen des Ausdrucks „Wahr(heit)“ in der immensen biblischen, kirchlichen, liturgischen, theologischen Sprache bzw. Literatur im Sinne des vorgeschlagenen Wahrheitsbegriffs interpretiert werden können. Bei einem erheblichen Teil der einschlägigen Verwendungen dürften mit „‘ämät“ Bedeutungsgehalte zu verbinden sein, die in vielen Fällen ein nur lose und in wieder anderen Fällen überhaupt keine Beziehung zum vorgeschlagenen Wahrheitsbegriff beinhalten“174.

Entsprechendes gilt freilich auch für die Äquivalente ἀλήθεια, veritas, Wahrheit etc. Doch Puntel kann dem mit einer äußerst gewichtigen Einsicht begegnen: „Es wird hier von folgender zentralen Einsicht bzw. These ausgegangen: Auch wenn es grundsätzlich möglich ist, mit dem Ausdruck ‚Wahr(heit)‘ jede beliebige Bedeutung oder jeden beliebigen Begriffsgehalt zu verbinden, kommt man nicht an der Tatsache vorbei, dass diesem Wort in der Umgangs- und Bildungssprache sowie in der Geschichte der Philosophie und in der ganzen abendländischen Geistesgeschichte eine bestimmte, grundsätzlich eruierbare, Bedeutung zugeordnet wurde bzw. wird.“175

Genau darauf kommt es mir an. Es lässt sich zeigen, dass die für den Ausdruck ‚Wahr(heit)‘ in der deutschen Sprache ebenso wie für die griechischen und hebräischen Äquivalente (ἀλήθεια und ‫ )ֱאֶמת‬nachweisbaren Bedeutungen und Äquivokationen nur prima vista als willkürlich oder eher zufällige Äquivokationen erscheinen mögen. Es wird hier u. a. mit J. Szaif davon ausgegangen, dass es sich bei dem von sämtlichen – freilich nicht von allen – Äquivokationen repräsentierten und unstrittig komplexen Bedeutungsfeld gerade nicht um willkürliche Äquivokationen handelt, sondern Anlass zu der Annahme besteht, dass es sich bei dem Bedeutungsfeld, das mit den genannten Ausdrücken assoziiert ist, „um ein strukturiertes Feld von Bedeutungen [handelt], die in der einen oder anderen Weise sachlich miteinander zusammenhängen.“176

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‚Wahr(heit)‘ gerecht zu werden.“ (L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff. Ansatz zu einer semantisch-ontologischen Theorie, 872). Vgl. L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff in Philosophie und Theologie, 27. L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff in Philosophie und Theologie, 44. L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff. Ansatz zu einer semantisch-ontologischen Theorie, 872. J. Szaif, Die Geschichte des Wahrheitsbegriffs in der klassischen Antike, 1. Szaif münzt diese These zunächst auf den deutschen, aber auch auf den antik-griechischen Sprachgebrauch

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Wenn dem so ist, dass dem Ausdruck ‚Wahr(heit)‘ eine – freilich unten noch näher zu bestimmende – eruierbare Bedeutung zukommt, wird man schon fragen dürfen, wie dann beispielsweise eigenwillige, vom geläufigen Gebrauch abweichende Verwendungen des Wortes ‚Wahrheit‘ zu legitimieren sind, bei denen der Ausdruck ‚Wahrheit‘ etwas anderes meint, also semantisch nicht auf diese erwähnte eine Sache/dieses eine Phänomen rückgebunden wird. Um Missverständnisse zu vermeiden und die Verständigung im Diskurs zu ermöglichen, sollten m. E. derartige ungewöhnliche Verwendungsweisen vermieden werden. Sie sind schlicht nicht sachdienlich. Angesichts der oben getroffenen Einsicht, sollte also auch die Rede von einem einheitlichen Wahrheitsverständnis legitim sein177. Wie kann nun das in Aussicht gestellte einheitliche und semantisch(ἀλήθεια). M. E. lässt sie sich problemlos auch auf die englische und französische Sprache, sicher auch noch auf weitere Sprachen anderer Kulturen übertragen. 177 Anders dagegen I.U. Dalferth u. Ph. Stoellger, die sich in mehrerlei Hinsicht kritisch und skeptisch gegenüber den Versuchen zeigen, einen einheitlichen Wahrheitsbegriff zu eruieren oder nur eine bestimmte Wahrheitstheorie inmitten der Pluralität von Wahrheitstheorien zu akzeptieren. Dahinter vermuten sie u. a. ‚homogenisierende Übervereinfachungen‘ (Vgl. I.U. Dalferth/ Ph. Stoellger, Wahrheit, Glaube und Theologie. Zur theologischen Rezeption zeitgenössischer wahrheitstheoretischer Diskussionen, 47ff.): „Wieso aber soll in den verschiedenen Hinsichten je von ‚Wahrheit‘ die Rede sein, wenn es keinen homogenen synthetischen Begriff von ‚Wahrheit‘ gibt, der das Grundlegende oder allgemeine Gemeinsame dieser Verwendungsweisen kontextübergreifend synthetisiert? Die Meinung, daß ein übergeordnetes Allgemeines den Zusammenhalt der verschiedenen Sinne von ‚Wahrheit‘ bilden müsse, ist weder plausibel noch notwendig.“ (a. a. O., 47f.) Sie fahren fort: „Seit Hegel und auf andere Weise seit Wittgenstein ist dieses porphyrianische Modell einer begrifflichen Synthesis nicht mehr alternativlos. Dabei zeigt sich in den im folgenden zu besprechenden wahrheitstheoretischen Studien, daß die Rede von Wahrheit so vielfältig ist wie die vom Sein. Aber diese Rede ist nicht einfach äquivok, sondern kann intendierterweise plurivok sein (semiotisch gesprochen: plural codiert). Definitionsversuche ‚der Wahrheit‘ zielen auf einen homogenen, eindeutigen, vollständig bestimmten Begriff von Wahrheit. Sie orientieren sich an einer bestimmten Gebrauchsform, die sie zu einem allgemeinen Standard hypostasieren, und scheitern in der Regel gerade an ihrer homogenisierenden Übervereinfachung. Oder sie suchen ‚Wahrheit‘ als etwas jenseits aller konkreten Gebrauchs- und Lebenszusammenhänge zu fassen und tendieren so zu einer gleichsam metaphysischen Theorie über ein „unknown something“ (Hume).“ (I.U. Dalferth/ Ph. Stoellger, Wahrheit, Glaube und Theologie. Zur theologischen Rezeption zeitgenössischer wahrheitstheoretischer Diskussionen, 48). Vgl. auch die folgende Bemerkungen von Dalferth: Es könne nicht darum gehen „ein bestimmtes Verständnis von Wahrheit als grundlegend auszuzeichnen und für alle anderen Verwendungsweisen des Wortes ‚wahr‘ für maßgeblich zu erklären.“ (I.U. Dalferth, Religion und Wahrheit, 205f). „Weder gibt es den Kernbegriff von Wahrheit, der allen Verwendungen von ‚wahr‘ homolog zugrunde liegt, noch die Wahrheitstheorie, wie die philosophische und theologische Denkgeschichte belegt. Die Aufgabe besteht vielmehr darin, diesseits der gängigen Unterscheidungen von Wahrheitsbegriff, Wahrheitstheorien und Wahrheitskriterien das Fungieren der Wahrheitsthematik und des Wortes ‚wahr‘ in unterschiedlichen Kontexten und Praxiszusammenhängen zu erkunden, um den Aporien einer pauschalen Wahrheitsskepsis ebenso zu entgehen wie denen einer begriffsorientierten Wahrheitsemphase, die beide zur leeren Rhetorik werden können.“ (I.U. Dalferth, Religion und Wahrheit, 206). Freilich gibt es – hierin ist Dalferth zuzustimmen – keinen Wahrheitsbegriff, der allen

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ontologische Wahrheitsverständnis aussehen? Die Lösung führt zurück auf das bereits im Alltag geläufige Phänomen der Wahrheit. Puntel hat hinsichtlich des gemeinhin dem Ausdruck ‚Wahr(heit)‘ zugeordneten Bedeutungsgehalts mit guten Gründen mit A. Tarski von einem intuitiven Wahrheitsverständnis gesprochen178, das seinerseits im truth talk des Alltags beheimatet ist. Tarski hat für seine These eines intuitiven Wahrheitsverständnisses folgende „Vor-Definition von ‚Wahr(heit)‘“ (Puntel) 179 gegeben: „[E]ine wahre Aussage ist eine Aussage, welche besagt, dass die Sachen sich so und so verhalten, und die Sachen verhalten sich eben so und so.“180

Es geht also um die Bezeichnung eines existierenden Sachverhalts durch eine Aussage. Tarskis Wahrheitsdefinition lässt sich anhand seines Beispiels veranschaulichen: „Die Aussage ‚Schnee ist weiß‘ ist wahr genau dann, wenn Schnee weiß ist.“181

Die nähere Betrachtung dieses intuitiven Wahrheitsverständnisses ergibt, dass für Wahrheit ganz offenkundig und grundlegend der Bezug auf die ontologische

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Verwendungsweisen gerecht werden kann. Das erkennt auch Puntel, wie oben dargelegt (L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff. Ansatz zu einer semantisch-ontologischen Theorie, 872). Nur wird man aber doch mit Recht die Rückfrage stellen dürfen, ob mit dem Ausdruck ‚Wahrheit‘ jedes x-beliebige Phänomen assoziiert werden sollte, wenn doch (wie oben gezeigt) ein gewisses, nämlich faktisch semantisch-ontologisches Wahrheitsverständnis sowohl intuitiv im Alltag als auch in den (nicht nur empirischen) Wissenschaften wirksam ist, effektiv angewandt wird. Das ist der Grund, warum ich mich hier demjenigen Phänomen zuwende, was gemeinhin mit Wahrheit in Verbindung gebracht wird – es geht mir also um diejenige Sache und nicht um alternative Sachen, die willkürlich und beliebig mit ‚Wahrheit‘ in Verbindung gebracht werden können/könnten. Insofern widerspreche ich der Sicht von I.U. Dalferth, der meint: „Und man braucht weder eine klare Definition von Wahrheit noch eine akzeptierte Wahrheitstheorie, um mit dem zu tun zu haben, was diese präzisierend und damit auf bestimmte Aspekte einschränkend zu erfassen suchen.“ (I.U. Dalferth, Religion und Wahrheit, 206f). „Wahrheitsbegriffe“ sind, wie Dalferth urteilt, „stets eine Reduktionsform nichtbegrifflicher Gebrauchsweisen, deren vergessene Hintergründe zu erinnern“ seien (a. a. O., 208). Ähnlich wie Dalferth u. Stoellger argumentiert P. Kolmer von Seiten der Philosophie: Ausgehend von der Vieldeutigkeit und Nichteindeutigkeit hinsichtlich unserer Wahrheitsverständnisse, Wahrheitsbegriffe, Wahrheitstheorien und unseres faktischen Gebrauchs der Ausdrücke ‚Wahrheit‘ und ‚wahr‘ plädiert sie in ihrer Arbeit für eine Wende hin zur ‚Vieldeutigkeit in der Wahrheitstheorie‘ (P. Kolmer, Wahrheit. Plädoyer für eine hermeneutische Wende in der Wahrheitstheorie, bes. 23ff). Daran anknüpfend auch L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff. Ansatz zu einer semantischontologischen Theorie, 872. Puntels verweist auf A. Tarski, Der Wahrheitsbegriff in den formalisierten Sprachen, 448. L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff. Ansatz zu einer semantisch-ontologischen Theorie, 872. A. Tarski, Der Wahrheitsbegriff in den formalisierten Sprachen, 450 (= zitiert nach L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff. Ansatz zu einer semantisch-ontologischen Theorie, 872). A. Tarski, Die semantische Konzeption der Wahrheit und die Grundlagen der Semantik, 143. Siehe dazu auch die knappe Präsentation dieses Gedankens bei J. Rohls, Korrespondenz, Konsens und Kohärenz, 39f.

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Ebene, d. h. konkret die Referenz zur (außersprachlichen) (Welt-)Wirklichkeit hin, ist182. Das im Alltag „global intuitiv“ präsente und wirksame sog. intuitive Wahrheitsverständnis abendländischer Tradition meint ein Verhältnis von Denken/ Sprache einerseits und Welt andererseits183. Es kann deshalb in Gestalt eines semantisch-ontologischen Wahrheitsbegriffs expliziert werden. Es weist neben dem Bezug auf die ontologische Ebene (1) drei weitere Merkmale auf, die von Puntel184 und (daran in der Theologie anschließend) von Landmesser benannt worden sind185. Die folgenden Merkmale ergeben sich aus ersterem186: – Es besteht eine Ebenendifferenz – konkret die zwischen einer sprachlichen Ebene (z. B. Aussagen, Denken, Geist) einerseits und einer ontologischen Ebene (Welt, Wirklichkeit etc.) andererseits. Im Fall von Wahrheit besteht eine Beziehung zwischen diesen beiden Ebenen. – Wahrheit hat zu tun mit Geltungsansprüchen, die rational und diskursiv eingelöst werden müssen. – Wahrheit setzt irgendwie maximale Determiniertheit voraus187. Puntel und Landmesser haben diese hier genannten Momente des intuitiven Wahrheitsverständnisses wahrheitstheoretisch näher expliziert und rationalsystematisch zu rekonstruieren versucht – d. h. konkret sich um eine Eruierung des dort vorkommenden faktischen Verständnisses von ‚Wahr(heit)‘ bemüht188. 182 Vgl. L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff. Ansatz zu einer semantisch-ontologischen Theorie, 872f. 183 L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff in Philosophie und Theologie, 24. 184 Siehe dazu insbes. L.B. Puntel, Grundlagen einer Theorie der Wahrheit, 302ff; L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff. Ansatz zu einer semantisch-ontologischen Theorie, 872f. 185 Auch E.M. Pausch (Wahrheit zwischen Erschlossenheit und Verantwortung, 50–52) hat im Anschluss an Puntel die im Folgenden aufgeführten Merkmale übernommen. 186 Siehe dazu L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff. Ansatz zu einer semantisch-ontologischen Theorie, 873. Vgl. zu diesen 4 Aspekten L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff in Philosphie und Theologie, 32. 187 Vgl. Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 328. Siehe auch schon etwa a. a. O., 91. Landmesser rekurriert hier auf L.B. Puntel, Grundlagen einer Theorie der Wahrheit, 302–305 u. L.B. Puntel, Theorie der Wahrheit. Thesen zur Klärung der Grundlagen, 126f. Siehe passenderweise auch L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff. Ansatz zu einer semantisch-ontologischen Theorie, 872 u. L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff in Philosophie und Theologie, 32. Chr. Landmesser (Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 100) hat im Anschluss an Puntels Beobachtungen den Begriff der Wahrheit darum als ‚semantisch-ontologischen‘ bezeichnen können. 188 „Dies ist freilich zunächst die Artikulation eines nur intuitiven Verständnisses. Die Aufgabe besteht jetzt darin, dieses Verständnis zu explizieren.“ (L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff. Ansatz zu einer semantisch-ontologischen Theorie, 873). Siehe dazu auch L.B. Puntel, Theorie der Wahrheit. Thesen zur Klärung der Grundlagen, 124. Landmesser schließt sich diesem Vorhaben an. Siehe dazu Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, bes. 91ff.

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Ungeachtet der Detailfragen, die sich stellen können, aber hier unberücksichtigt bleiben müssen, bleibt wichtig festzuhalten, dass die Bezugnahme auf die ontologische Ebene „als wesentliches Ingrediens des Wahrheitsbegriffs“ (Puntel) 189 zu begreifen ist. Doch mit der bereits im alltäglich-intuitiven Wahrheitsverständnis vorhandenen Bezugnahme auf die ontologische Ebene ist noch nicht gesagt, auf welche Weise genau(er) auf diese Ebene Bezug genommen wird. Verallgemeinert gesagt geschiet dies durch das Mittel der Sprache. Nicht selten wird aus gutem Grund so auch schon das intuitive Wahrheitsverständnis mit seiner Bezugnahme auf die ontologische Ebene als korrespondenztheoretisches Wahrheitsverständnis bezeichnet, weil mit diesem Wahrheitsverständnis die Verknüpfung von semantischer Ebene einerseits und ontologischer Ebene andererseits erfolgt, und zwar dadurch, dass Wahrheit definiert wird als Korrespondenz/Entsprechung/Adäquation o. ä. von Sätzen, Gedanken u. ä. einerseits und Welt, Wirklichkeit u. ä. andererseits190. Puntel selbst hat, weil er die Korrespondenztheorie mit erheblichen Schwierigkeiten konfrontiert sieht, bereits 1990 für eine sog. Identitätsthese plädiert, wonach gelte: „Eine wahre Proposition „ist nichts anderes, nichts weniger und nichts mehr, als ein Bestandteil der wirklichen

189 L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff. Ansatz zu einer semantisch-ontologischen Theorie, 885. 190 „Es ist unbestreitbar, dass in der ganzen Geschichte der Philosophie der Bezug zur Wirklichkeit, zur ontologischen Dimension, als wesentliches Ingrediens des Wahrheitsbegriffs betrachtet wurde. Als die ganz natürliche Artikulation dieser Einsicht galt in der Geschichte der Philosophie (und gilt heute noch in vielen philosophischen Kreisen) die Korrespondenztheorie der Wahrheit.“ (L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff. Ansatz zu einer semantischontologischen Theorie, 885). Siehe zur Korrespondenztheorie in ihrem Variantenreichtum und Verhältnis zum intuitiven Wahrheitsverständnis auch den knappen Hinweis von L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff in der Ethik: Versuch einer Klärung, 314. Für eine Bezugnahme auf außersprachliche Entitäten, wie sie dem intuitiven Wahrheitsverständnis gemäß über die Korrespondenztheorie der Wahrheit erfolgt, spricht sich auch A. Kreiner (Ende der Wahrheit?, bes. 3 und passim) aus. Im Anschluss an L.B. Puntel sieht auch E.M. Pausch wenigstens den Kern des „intuitiv-alltäglichen Wahrheitsverständnis“ in dem „vage[n], zunächst theoretisch unaufgeklärte[n] Korrespondenzbegriff der Wahrheit.“ (E.M. Pausch, Wahrheit zwischen Erschlossenheit und Verantwortung, 51) Vgl. auch a. a. O., 50–52. Das alltagssprachliche Wahrheitsverständnis bestimmt er als „vage, weit und komplex“ (a. a. O., 104). Daneben hatte auch schon K. Rahner in dem korrespondenztheoretischen Wahrheitsverständnis das intuitive, alltägliche Wahrheitsverständnis erkannt, insofern er im Adäquations- bzw. Korrespondenzgedanken einen Vorentwurf dessen gesehen hat, „was wir immer schon wissen, wenn wir zu fragen beginnen, was Wahrheit sei.“ (K. Rahner, Die Wahrheit bei Thomas von Aquin, 24). Wenn A. Rust behauptet, „daß der Wahrheitsbegriff im Wesentlichen seit Aristoteles bis etwa ins 19. Jahrhundert mehr oder weniger unbestritten als Korrespondenz verstanden worden war“ (A. Rust, Wo Wahrheit zum Problem wird, 142), ist dies eine grobe Verallgemeinerung, die aufs Ganze gesehen nicht zutreffend ist. Dennoch – das Entscheidende ist die darin sich ausdrückende Relationalität zwischen semantischer und ontologischer Ebene, die mit dem Ausdruck ‚Wahrheit‘ mehr oder weniger und in der einen oder anderen Weise immer wieder assoziiert worden ist und deshalb auch gegenwärtig (noch) für den Wahrheitsbegriff kennzeichnend ist.

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Welt“191. Chr. Landmesser, dessen semantisch-ontologischer Wahrheitsbegriff im Anschluss an Puntel entwickelt worden ist, hat wie er eine ausdrückliche Korrespondenztheorie der Wahrheit abgelehnt, weil – das ist der Kern seiner Kritik – „alle Spielarten der Korrespondenztheorie das Problem [hätten], dass eine wie auch immer näher bestimmte Form der Übereinstimmung nicht plausibel gemacht werden“ könne192. Ich möchte dagegen an der Korrespondenztheorie als einer praktikablen, wenn auch metaphorischen Explikation des semantischontologischen Wahrheitsbegriffs festhalten. Ich tue dies in einem durchaus geläufigen, aber eben weiteren Sinne, und zwar so, dass unter Korrespondenztheorie keiner bestimmten Fassung der Relation zwischen Subjekt- und Objektkorrelat der Vorzug gegeben wird, sondern einfach nur gemeint sein kann, 191 L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff. Ansatz zu einer semantisch-ontologischen Theorie, 886. Siehe ausführlicher dazu L.B. Puntel, Grundlagen einer Theorie der Wahrheit, 325 und die folgende Erläuterung: „Nach der hier vertretenen Theorie ist Wahrheit die Bezeichnung für jenen Status einer Entität (Satz, Proposition), der darin besteht, daß die primär als wahr qualifizierte Entität (Proposition) mit einer Tatsache in der Welt nicht nur ‚übereinstimmt‘, sondern identisch ist, und zwar derart, daß diese Tatsache in der Welt einen ganz bestimmten und definitiven Platz im Ganzen der Welt einnimmt. Zu beachten ist nun, daß unter dem Titel „Wahrheitstheorie“ nur die These formuliert wird, daß Wahrheit einen solchen bestimmten und definitiven Platz der als wahr qualifizierten Entität im semantischontologischen Ganzen bzw. Rahmen besagt. Es ist nicht die Aufgabe der Wahrheitstheorie, zu zeigen und darzustellen, wie oder als was sich dieser Status im einzelnen gestaltet. Ein Satz bzw. eine Proposition kann auch dann wahr sein, wenn wir nicht in der Lage wären, dessen/deren Status im einzelnen aufzuzeigen.“ (L.B. Puntel, Hegels Wahrheitskonzeption. Kritische Rekonstruktion und eine „analytische“ Alternative, 238). Siehe in diesem Zusammenhang auch Puntels Ausführungen zu seiner, die Substanzontologie überwindenden ‚neuen‘, von der Semantik her entwickelten Ontologie ohne Substanzen, in welcher die Objekte/Individuen/Dinge als Konfigurationen (Bündel) primärer Propositionen aufgefasst werden (L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff. Ansatz zu einer semantisch-ontologischen Theorie, 889; siehe ferner L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff in der Ethik: Versuch einer Klärung, 313f). Im Hintergrund seiner Identitätsthese steht Puntels Auffassung, dass eine Bezugnahme auf die ontologische Ebene mithilfe der Korrespondenztheorie problematisch ist: „Wollte man einen ontologischen Bezug verteidigen, indem man ihn unbedingt an die traditionelle Korrespondenztheorie der Wahrheit bindet, so würde man den größten Problemen begegnen, ist doch die Korrespondenztheorie mit vielen Unklarheiten und Schwierigkeiten behaftet, die kaum überwindbar erscheinen. Hier wird zwar die Korrespondenztheorie nicht vertreten, deren Grundidee aber in gewisser Hinsicht bewahrt.“ (L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff. Ansatz zu einer semantisch-ontologischen Theorie, 886). Alternativ zur Korrespondenztheorie der Wahrheit plädiert Puntel für eine „Identitätsthese“, die s.E. die Relationalität der Korrespondenztheorie zwischen „nicht identischen Relata“ aufgreift, aber ohne die mit der trad. Korrespondenztheorie behafteten Problemen auskommen soll. Unabhängig von dem Lösungsmodell Puntel ist auch für ihn entscheidend, dass „die Identitätsthese den unaufgebbaren Kern der Korrespondenztheorie durchaus bewahrt, ohne die mit der Korrespondenztheorie gegebenen Probleme zu erheben.“ (a. a. O., 887). Puntel sieht diesen Kern im „Bezug zur Welt als absolut wesentliches Ingrediens von Wahrheit.“ (ebd.) 192 Chr. Landmesser, Neutestamentliche Wissenschaft und Weltbezug, 192.

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dass Aussagen „zutreffen“ oder Behauptungen „der Fall sind“. Der Ausdruck Korrespondenztheorie wird hier also nicht ausschließlich für eine Reihe höchst ausdifferenzierter und auf diese Intuition des common sense systematisch rekurrierenden Varianten und im strengen Sinne als Korrespondenztheorien zu bezeichnenden Konzeptionen verwandt, und zwar deshalb, weil ich nicht erkennen kann, dass im sowohl alltäglichen wie auch im wissenschaftlich-theoretischen Diskurs nur eine einzige Fassung der Korrespondenztheorie gebräuchlich ist, sodass es mir allein schon deshalb nicht erstrebenswert erscheint, nur eine bestimmte Fassung zuzulassen bzw. für die allein Maßgebliche zu erklären193. Von entscheidender Wichtigkeit scheint mir die jeweils mit Wahrheitsansprüchen einhergehende und dabei vom aussagenden Subjekt intendierte Gegenstandsbezogenheit – schlicht die Referenz mithilfe von Sprache auf die außersprachliche, ontologische Ebene. Der referentielle Rekurs auf die ontologische Ebene ist schon deshalb von fundamentaler Bedeutung, weil nur unter dieser Bedingung ihrer Inanspruchnahme unseren Ausdrücken eine Bedeutung

193 Es ist umstritten, ob man die bereits im alltäglichen truth talk vorhandene und wirksame Korrespondenzidee selbst schon als eine Korrespondenztheorie der Wahrheit zu bezeichnen ist. Anders als hier und bei A. Kreiner wird gelegentlich auch behauptet, eine Korrespondenztheorie liege erst dann vor, wenn, wie der Name auch suggeriert, eine ganze Theorie entfaltet werde, wie etwa Blackburn behauptet hatte. Vgl. dazu die Bemerkungen von A. Rust, Wo Wahrheit zum Problem wird, 154f: „Blackburn hat in seinem „Oxford Dictionary of Philosophy“ zur Korrespondenztheorie das Folgende zu sagen: ‚Aristotle said that a statement is true if it says of what is that it is, and of what is not that it is not (Metaphysics, Γ iv. 1011). But a correspondence theory is not simply the view that truth consists in correspondence with the facts, but rather the view that it is theoretically interesting to realize this. Aristotle’s claim is in itself a harmless platitude, common to all views of truth. A correspondence theory is distinctive in holding that the notion of correspondence and fact can be sufficiently developed to make the platitude into an interesting theory of truth‘.“ (a. a. O., 155, in Anm. 19 der Hinweis auf S. Blackburn, Correspondence theory of truth, 84f). Rust will es dagegen bei „bei der Platitüde“ belassen (vgl. a. a. O., 155). Vor diesem Hintergrund einer Unterscheidung zwischen der im Alltag wirksamen korrespondenztheoretischen Intuition (bzw. Korrespondenzidee) und der Korrespondenztheorie der Wahrheit im strengen Sinne, erscheint es dann auch durchaus möglich, bei einer Bestreitung der Legitimität und auch Relevanz (der Entfaltung) einer Theorie der Korrespondenz, nicht die ihr zugrundeliegende Intution bestreiten zu müssen. So bspw. I.U. Dalferth u. Ph. Stoellger: „Die Korrespondenzthese ist eine durchaus fragwürdige theoretische Fassung und Fortbestimmung dieser praktisch plausiblen Intuition.“ (I.U. Dalferth u. Ph. Stoellger, Perspektive und Wahrheit, 8). Daran (vorsichtig) anschließend H. Schulz (Vom Daseinsverständnis zum Evidenzerleben, 123) und etwa ähnlich auch P. Dabrock, der eine „hohe alltagssprachliche Plausibilität der Korrespondenztheorie der Wahrheit“ konstatiert (P. Dabrock, „Was heißt: Die Wahrheit sagen“ in fundamentaltheologischer Perspektive?, 100), zugleich dieser Theorie mit großer Skepsis gegenübersteht (siehe dazu ausführlicher a. a. O., 100ff) und überhaupt meint, dass es sich bei dem „Verständnis von Wahrheit als Übereinstimmung […] um eine (zumindest natur-)wissenschaftlich höchst fragwürdige Redeweise handelt.“ (a. a. O., 93).

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eignen kann194. Auch wenn hier so für eine ‚offene‘ Korrespondenztheorie der Wahrheit votiert wird und deren Probleme nicht übersehen werden, so muss doch gesagt werden, dass die Frage nach der Plausibilisierungsmöglichkeit noch nicht die in unserem Referieren auf eine außersprachliche Wirklichkeit beanspruchte Korrespondenz in Frage stellt. Jedenfalls können darum wohl auch Kritiker der Korrespondenztheorie die korrespondentistische Intuition anerkennen195. Sie zeigt doch in der Tat die essentielle Relationalität. Es soll an dieser Stelle nicht weiter der Frage nach möglichen oder u. U. sogar präferableren Formen des Referierens auf außersprachliche Entitäten nachgegangen werden. Es genügt, sich darüber im Klaren zu sein, dass diese Bezugnahme für das intuitive, alltägliche Wahrheitsverständnis und somit auch für den als semantisch-ontologisch bestimm- und explizierbaren Begriff der Wahrheit konstitutiv ist196. Dass wir Menschen „ohne lebensweltlichen Realismus und eine ihm entsprechende Korrespondenztheorie der Wahrheit nicht auskommen“, wird darum wohl auch weit über die engere Diskussion über die Korrespondenztheorie weithin anerkannt197. Auch der gelegentlich geltend gemachte Zweifel an der Existenz einer äußeren Welt kann nicht überzeugen und scheint vielmehr gerade die verbreitete intuitive Annahme einer äußeren Welt im Sinne des Realismus zu bestätigen. V. Gerhardt meint wohl nicht 194 Das hat zu Recht V. Gerhardt treffend benannt: „Dieser Widerhaken ist die Referenz, die man nicht los wird, wenn die Wörter, Namen und Sätze Bedeutung haben sollen. Mit der Referenz aber ist man beim Realitätsgehalt der Aussagen und mit ihm beim Wahrheitswert.“ (V. Gerhardt, Wahrheit und Öffentlichkeit, 16). Die Wichtigkeit der Referenz auf die außersprachliche Ebene ist von V. Gerhardt eigens betont worden. Auch wenn man mit Gerhardt durchaus feststellen kann, dass man „in der elaborierten Suche nach der Referenz […] nicht über die Problemstellung hinausgekommen [ist], die schon Aristoteles der Wahrheitsfrage gegeben und die Kant als in jedem Fall „vorausgesetzt“ bezeichnet hat, nämlich die Korrespondenz zwischen Erkenntnis und ihrem Gegenstand“ (V. Gerhardt, Wahrheit und Öffentlichkeit, 17; zu I. Kant, KrV, A 58 / B 82), so erweist sich das Moment der Referenz doch faktisch als unerlässlich – auch für die der Korrespondenztheorie der Wahrheit gegenüber alternativen Wahrheitstheorien: „Zwar gibt es groß angelegte Alternativen, die unter den Titeln von Kohärenz oder Konsens viel von sich reden machen; die unerläßliche Beziehung auf etwas Wirkliches, das eine Aussage bedeuten können muß, werden sie jedoch nicht los:“ (ebd.). 195 So z. B. Chr. Landmesser, Neutestamentliche Wissenschaft und Weltbezug, 192. 196 Ähnlich zu L.B. Puntel schon A. Kreiner (Ende der Wahrheit?, 8): „Der traditionelle Problemzusammenhang, der mit dem Wahrheitsbegriff bezeichnet wird, befaßt sich mit dem Ziel, in engeren Kontakt mit der Realität zu kommen“. 197 Das konstatiert (mit kritischem Blick) P. Dabrock („Was heißt: Die Wahrheit sagen“ in fundamentaltheologischer Perspektive?, 101). R. Barth meint m. E. völlig zu Recht, dass ein ‚gewisser Realismus‘ zum empirischen und auch religiösen Bewusstsein gehöre, Wahrheitsund Realitätsverständnis eng zusammenhingen. Es „muß also auch dieser Realismus auf der lebensweltlichen Ebene des Bewußtseins von einer Wahrheitskonzeption her ausweisbar sein.“ (R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 59).

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zu Unrecht, dass „[z]u den Zweifeln, bei denen die Dummheit inzwischen zur Methode geworden ist, […] die Frage nach der Existenz der „äußeren“ Welt [gehört], die schon Kant als „Skandal“ der Philosophie bezeichnet hat.“198 Denn: „Da der Sinn der Frage eine „innere Welt“ voraussetzt, die „innere“ aber ohne die „äußere“ Welt gar nicht erfahren, geschweige denn gedacht werden kann, liegt bereits im Zweifel an der Existenz der externen Realität ein fehlerhafter Gebrauch der verwendeten Begriffe.“199

Die aussagetheoretische (Korrespondenz-)wahrheit konstituiert die für den Erkenntnisprozess wesentliche semantisch-ontologische Relationalität – es geht um sprachliche Bezugnahme auf Außersprachliches. Die stets sprachliche Bezugnahme auf die außersprachliche Ebene200 bedeutet ja gerade nicht, dass die ontologische Ebene – die Wirklichkeit im weitesten Sinne – selbst sprachlich verfasst ist201. Das wäre ein arges Missverständnis. 198 V. Gerhardt, Wahrheit und öffentlichkeit, 9. 199 V. Gerhardt, Wahrheit und öffentlichkeit, 9f. Gerhardt bezieht sich auf I. Kant, KrV, Vorrede zur 2. Aufl. (B XL), merkt aber an, Kant liefere gar keinen Beweis zur Außenwelt, sondern eine Widerlegung des Idealismus. Dazu verweist er auf Carl Friedrich Gethmann, Das Realitätsproblem: ein Skandal der Philosophie?, 45–79. 200 Dass unsere Zugriffe auf die ontologische Ebene unhintergehbar sprachlich vermittelt/ strukturiert sind, wird gegenwärtig zumeist anerkannt. Vgl. dazu aus der Theologie speziell die einleitenden Bemerkungen von Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutstamentlicher Wissenschaft, 2–5, sowie Chr. Landmesser, Freiheit als Konkretion von Wahrheit, 41 bes. Anm. 14 sowie die Einschätzung der Lage von A. Rust: „Jede Bezugnahme auf außermentale oder außersprachliche Entitäten geschieht mittels mentaler Begriffe oder sprachlicher Ausdrücke. Und auch dann, wenn man zugesteht, daß es außermentale und außerlinguistische Entitäten gibt, wird man sie nie getrennt von der sprachlichen Bezugnahme erfassen können.“ (A. Rust, Wo Wahrheit zum Problem wird, 152). Siehe dazu auch V. Gerhardt (Wahrheit und Öffentlichkeit, 22): „Die Tatsächlichkeit der Dinge stellt sich nur im Medium der Begriffe dar. Ohne sie könnte noch nicht einmal von der Wirklichkeit der Welt oder von der Gegebenheit unseres Leibes die Rede sein – erst recht nicht von der Subjektivität unserer Empfindungen oder Gefühle.“ Vgl. ferner die Bemerkungen von J. Habermas: „Sprache und Realität durchdringen sich auf eine für uns unauflösliche Weise. Jede Erfahrung ist sprachlich imprägniert, so daß ein sprachlich ungefilterter Zugriff auf die Realität unmöglich ist.“ (J. Habermas, Wahrheit und Rechtfertigung, 41) Für die Wahrheitsthematik lehnt Habermas aber weiterhin ausdrücklich eine Korrespondenztheorie der Wahrheit ab, weshalb Puntels Bemerkung, Habermas verstehe „Wahrheit irgendwie im Sinne der Korrespondenz“ (L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff in der Ethik: Versuch einer Klärung, 316) als unzutreffend zurückzuweisen ist: „Wahrheit beanspruchen wir für Aussagen über Dinge und Ereignisse in der objektiven Welt“. (J. Habermas, Wahrheit und Rechtfertigung, 98f) „Gewiß, innerhalb des linguistischen Paradigmas kann die Wahrheit einer Aussage nicht mehr als Korrespondenz mit etwas in der Welt begriffen werden, denn sonst müßten wir mit der Sprache „aus der Sprache heraustreten“ können. Offensichtlich können wir den sprachlichen Ausdruck nicht mit einem Stück der uninterpretierten oder „nackten“ Wirklichkeit vergleichen – mit einem Referenten also, der sich unserer sprachverhafteten Inspektion entzieht.“ (a. a. O., 246f). Gleichwohl urteilt Habermas, „der Korrespondenzbegriff konnte immerhin einem wesentlichen Bedeutungsaspekt des Wahrheitsprädikates Rechnung tragen“, der für Habermas in dem Aspekt „unbedingter Geltung“ zu bestehen scheint (vgl. a. a. O., 247). 201 So völlig zu Recht z. B. A. Kreiner, Wahrheit und Perspektivität religiöser Rede von Gott, 54

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Die Bedeutung der Sprache liegt dort, wo wir auf die gegenständliche Seite im Akt des Erkennens rekurrieren. So wird sprache zu einer elementaren Dimension im Wahrheitsbegriff. Denn: „Wie immer man Wahrheit konzipieren mag, an der Sprache wird man nicht vorbeigehen können. ‚Wahr(heit)‘ ist ja der zentrale Ausdruck der Semantik, also jener Disziplin, die gerade die Sprache zum Gegenstand hat.“202 Diese sprachliche Ebene heißt deshalb auch semantisch, weil (mit Bezugnahe auf W. Alston, Perceiving God, Ithaca/London 1991, 41): „William Alston hat zutreffend bemerkt, aus der Tatsache, daß Begriffe verwendet werden, um Kohlköpfe als Gemüse zu klassifizieren, folge nicht, daß Kohlköpfe etwas Begriffliches oder Sprachliches sind.“ (ebd.); ganz ähnlich zu Kreiner äußert sich auch A. Rust, Wo Wahrheit zum Problem wird, 152. Es überzeugt mich weder die Position von Habermas noch die Kritik von P. Janich (Was ist Wahrheit?, 37) an der Korrespondenztheorie, derzufolge das prinzipielle Problem dieser Theorien darin bestünde, dass sie „nicht aus der Sprache heraus und in die sprachfreie Wirklichkeit hinein“ führten, weil – wie vermeint wird – Sprachgegenstände (wie z. B. Sätze u. Theorien) „ins Verhältnis gesetzt [würden] zu selbst bereits sprachlich anzugebenden Weltgegenständen“ (ebd.). Der Zugriff auf die ontologische Ebene, den Janich jedenfalls über den Weg der Korrespondenztheorie für unmöglich hält, dürfte m. E. durch das Moment intendierter Referenz, durch den faktischen Akt der Bezugnahme auf eine ontologische Ebene, von der wir intuitiv schon wissen, dass sie eine vorsprachliche Ebene ist, gewährleistet sein. Wer sich an der Korrespondenztheorie der Wahrheit stört, findet womöglich in den ihr ähnlichen Bedeutungstheorien der Wahrheit eine Alternative. Auch hier geht es faktisch um eine Verknüpfung zwischen semantischer und ontologischer Ebene, mit dem Unterschied, dass hier der ‚Abbild‘-Charakter abgeschwächt wird (vgl. dazu auch die Bemerkungen von P. Janich, Was ist Wahrheit?, 36). Im Übrigen überzeugt mich nicht die von H. Putnams internem Realismus herkommende Position E. Herrmanns, wonach „Wirklichkeit für uns immer von uns verstandene und konzeptualisierte Wirklichkeit ist“. (E. Herrmann, Wir Menschen, Wahrheit und Wirklichkeit, 169): „Gemäß dem […] Bild, das meinem Vortrag zugrundeliegen wird, tragen wir Menschen als die biologischen und sozialen Wesen, die wir sind, entscheidend dazu bei, mit Hilfe der von uns entwickelten Begriffe die Wirklichkeit zu konstituieren, von der wir einen Teil ausmachen, der gegenüber wir uns bewußt verhalten und mit der wir interagieren müssen, um nicht nur überleben, sondern auch ein gutes Leben führen zu können. Wird dieses philosophische Bild akzeptiert, wofür ich in Kürze argumentieren werde, bejaht man dadurch auch einen in einem bestimmten Sinne unvermeidbaren Relativismus, der jedoch objektive Wahrheit nicht ausschließt.“ (E. Herrmann, Wir Menschen, Wahrheit und Wirklichkeit, 159). In den Ausführungen scheint mir die wichtige Distinktion zwischen der Wirklicheit selbst und unseren verschiedenen Konzeptionalisierungen zu verschwimmen, auch wenn Herrmann Wirklichkeit nicht als von uns konstruierte denken will (vgl. a. a. O., bes. 157–160). In diesem Zusammenhang optiert Herrmann auch für einen epistemischen Wahrheitsbegriff (a. a. O., 165ff), der dem hier vertretenen nicht-epistemischen mit dem ihm zusammehängenden (metaphysischen) Realismus gegenübersteht. Epistemische Wahrheitsbegriffe scheinen mir dann grundsätzlich problematisch, wenn von ihren Vertretern die Bedeutung von Wahrheit (Definition) mit der davon zu unterscheidenden Frage nach ihren Kriterien gleichgesetzt wird (vgl. dazu R. Schantz, Wahrheitstheorien in der analytischen und pragmatistischen Tradition, 393). 202 L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff. Ansatz zu einer semantisch-ontologischen Theorie, 876. Siehe ausführlicher zur Relevanz der Sprache als hoch- bzw. (voll-)determiniertes Zeichensystem für den Wahrheitsbegriff die sehr instruktiven Ausführungen Puntels a. a. O., 876f.

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sich die Semantik „die Semantik sich mit bestimmten Beziehungen zwischen Ausdrücken einer Sprache und den Gegenständen oder Sachverhalten befaßt, auf die sich diese Ausdrücke beziehen. Danach ist die bereits oben zitierte Aussage von A. Tarski „Schnee ist weiß“ genau dann wahr, wenn Schnee weiß ist.“203 Wahrheitsansprüche wie derjenige, dass Schnee weiß sei, werden in Gestalt von Wahrheitsansprüchen wortwörtlich zur Sprache gebracht. Die Wirklichkeit soll also im Medium der Sprache adäquat erfasst und ausgedrückt werden; das ist ihre vorzügliche Leistung. Das gilt auch für theologische Aussagen. „Sowohl Wahrheitsansprüche als auch die mit ihnen intendierte Wirklichkeit erweisen sich schon aufgrund dieser Vorüberlegungen als fundamental sprachabhängig. Sprache, Wirklichkeit und Wahrheit bilden einen unhintergehbaren Zusammenhang“204.

2.2.4 Zur Kritik der Kritik der Korrespondenztheorie: Korrespondenz und die Kontroll-/Verifizierungsproblematik Es wurde oben ausgeführt, dass hier für eine bestimmte Form semantischontologischer Wahrheit votiert wird, nämlich für eine offene Korrespondenztheorie der Wahrheit. Als eine mögliche Explikation des über Zeiten hindurch alltäglichen Wahrheitsverständnisses ist sie bis in die Gegenwart wirksam. Dass sie zu Recht in der Kommunikation beheimatet ist, rührt nicht nur daher, dass sie eine längere Geschichte vorzuweisen hat, in der sie nicht untergegangen ist. Es ist vielmehr meine Überzeugung, dass sie nicht einmal zum Verschwinden gebracht werden kann, weil sie das ermöglicht und realisiert, was für den semantischontologischen Wahrheitsbegriff als Essenz festgehalten worden ist – die Relation zwischen sprachlicher und ontologischer Ebene. Sie ermöglicht, sich per Referenz zu den Erkenntnisgegenständen zu verhalten, also z. B. Wahrheit zu beanspruchen oder zu entdecken. Eben dadurch ist sie allgemein verbreitet und darum ist der teilweise heftigen Kritik an der Korrespondenztheorie eine Kritik entgegenzusetzen. Eine häufige Form der Kritik der Korrespondenztheorie macht sich fest an der Frage nach der Überprüfung oder Kontrolle der Korrespondenzrelation. Eine in diese Richtung gehende Kritik stammt von keinem Geringeren als I. Kant. Er warf der Korrespondenztheorie Zirkelhaftigkeit vor: 203 Das ist schon bei A. Tarskis semantischer Wahrheitskonzeption so. Siehe dazu auch die Bemerkung von J. Rohls, Korrespondenz, Konsens und Kohärenz, 39. Vgl. ausführlicher zur semantischen Ebene die an Puntel anknüpfenden Überlegungen Chr. Landmessers (Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 32ff). 204 Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 5 (siehe auch a. a. O., 2–5 zur Sprachgebundenheit der Theologie als Wissenschaft).

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„Nun kann ich aber das Objekt nur mit meinem Erkenntnisse vergleichen, dadurch daß ich es erkenne. Meine Erkenntnis soll sich also selbst bestätigen, welches aber zur Wahrheit noch lange nicht hinreichend ist. Denn da das Objekt außer mir und die Erkenntnis in mir ist: so kann ich doch immer nur beurteilen: ob meine Erkenntnis vom Objekt mit meiner Erkenntnis vom Objekt übereinstimme.“205

Aber auch später in der wahrheitstheoretischen Diskussion des 20. Jahrhunderts und bis in die Gegenwart der Philosophie und auch der Theologie ist sowohl zur Kritik der Korrespondenzwahrheit als auch zu ihrer Verteidigung die Frage nach Überprüfung oder Kontrolle – also die Verifikationsthematik – mitreflektiert und diskutiert worden206. Exemplarisch sei hier auf ein klassisches Gegenargument hingewiesen, das etwa von Del-Negro vorgetragen wurde. Er sah die Korrespondenztheorie der Problematik eines regressus ad infinitum ausgesetzt: „Wahrheit sei Übereinstimmung (Adäquation) des betreffenden Urteils mit der Wirklichkeit, kann wenigstens als allgemein zutreffend nicht anerkannt werden, da sie mit einem unendlichen Regress behaftet erscheint; müßte ich doch, um ein Urteil als übereinstimmend mit der Wirklichkeit zu erkennen, von der Beschaffenheit der Wirklichkeit schon vor dem Urteil wissen, welches Wissen wieder nur ein Urteil sein könnte, also seinerseits in analoger Weise zu prüfen wäre usw. ins unendliche. Dazu käme noch das Vergleichsurteil, das die Übereinstimmung zwischen Urteil und Wirklichkeit aussagt; auch dieses Urteil müßte auf seine Übereinstimmung mit der Wirklichkeit […] hin geprüft werden, auch hier wäre jener Regreß unvermeidlich.“207

Auch G. Frege argumentierte ähnlich:

205 I. Kant, Logik, in: Schriften zur Metaphysik und Logik 2 (Werkausgabe VI), hg. von W. Weischedel, Frankfurt 1977, A 70. 206 Der Korrespondenztheoretiker M. Schlick vertrat die Auffassung, man könne die aus dem Baedeker stammende Aussage „Diese Kathedrale hat zwei Türme“ durch Nachsehen verifizieren. Auch J.L. Austin ist mit seiner ‚look-and-see‘-Methode für die Möglichkeit solcher Verifizierung durch Nachschauen eingetreten (Siehe J.L. Austin, Truth, 31 bzw. dt.: J.L. Austin, Wahrheit, 241. Siehe dazu auch L. Gerbracht, Wahrheit und kognitive Perspektive, 43 passim). C.G. Hempel kritisierte dies, weil er vermutete, dass noch mehr hinzukomme als bloßes Nachsehen, und zwar eine theoretische Auseinandersetzung. Dieser Streit um die Verifizierungsfrage kann hier nicht weiter verfolgt werden. Siehe diesbezgülich auch die zwischen Schlick und O. Neurath geführte Kontroverse in den Darstellungen von L.B. Puntel (Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie, 176ff, bes. 179–182) und L. Gerbracht (Wahrheit und kognitive Perspektive, 66–71): Durch Anwendung der ‚look-and-see‘-Methode, also durch Nachsehen, können Sätze wie zum Beispiel ‚Die Kastanie vor dem Haus ist umgestürzt‘ verifiziert und als Tatsache ausgewiesen werden. Das Nachsehen ist deshalb (und zumindest in diesem Fall) so wichtig, weil es im Prozess der Verifizierung zu einer Konfrontation mit einer außersprachlichen Wirklichkeit kommt, die so elementar ist für empirische Erkenntnis (vgl. dazu auch die Überlegungen Gerbrachts a. a. O., 68f). 207 W. Del-Negro, Zum Wahrheitsproblem, 155f. Siehe dazu auch die kritische Auseinandersetzung dazu bei L. Gerbracht, Wahrheit und kognitive Perspektive, 25ff.

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„Was müßten wir aber tun, um zu entscheiden, ob etwas wahr wäre? Wir müßten untersuchen, ob es wahr wäre, daß – etwa eine Vorstellung und ein Wirkliches – in der festgesetzten Hinsicht übereinstimmten.“208.

Derartige Kritik kann m. E. nicht überzeugen, da hier faktisch mit der Voraussetzung argumentiert wird, die Korrespondenztheorie der Wahrheit sei nur dann haltbar, wenn sich die Verifizierungsfrage und die damit verbundenen Schwierigkeiten, die es zugegeben sicher gibt und nicht negiert werden sollten, lösen ließe. Dem kann per Frage entgegengesetzt werden: Inwiefern soll korrespondenztheoretische Wahrheit und die Legitimität sie zu vertreten, davon abhängen können, ob wir in der Lage sind, diese semantisch-ontologische Relationalität festzustellen oder nachzuweisen? 209 Die Wahrheitsfrage wird hier mit der Frage nach der Möglichkeit ihrer Erkenntnis und der Verifikationsproblematik vermengt. Mit Recht hat A. Kreiner zur Verteidigung der Korrespondenzwahrheit darauf hingewiesen, dass Wahrheit – so sie Korrespondenz bedeuten sollte – davon abhängt, ob tatsächlich Aussagen (auf welche Weise auch immer) korrespondieren. Sie kann folglich nicht zugleich auch davon abhängen können von der nur allzu gut verständlichen, epistemologisch motivierte Frage, ob oder unter welchen Bedingungen sich diese semantisch-ontologische Relation feststellen lässt210. Das wäre in gewisser Hinsicht eine Kategorienverwechslung. Anders als eine epistemisch motivierte, kriteriologische Korrespondenztheorie, die in der Tat manchen Einwänden ausgesetzt ist211, tangiert diese Problematik weder unsere (stets) se-

208 G. Frege, Logische Untersuchungen, 32 (zitiert nach L. Gerbracht, Wahrheit und kognitive Perspektive, 29). Siehe dazu auch die kritische Auseinandersetzung mit Frege bei L. Gerbracht a. a. O., 26ff. 209 Ungeachtet weiterer Argumente, die sich gegen die Kritik an der Korrespondenztheorie vorbringen lassen. Siehe ausführlicher zu drei Standardeinwänden gegen die Korrespondenztheorie der Wahrheit L. Gerbracht, Wahrheit und kognitive Perspektive, 24–71. 210 Siehe dazu A. Kreiner, Wahrheit und Perspektivität religiöser Rede von Gott, 54: „Wenn die Wahrheit von der Beschaffenheit der Wirklichkeit abhängt, dann kann sie nicht gleichzeitig auch noch davon abhängen, ob es uns gelingt, die Übereinstimmung mit der Wirklichkeit auch festzustellen [kursiv: T. L.]. „Truth is one thing, warranted belief another“.“ (ebd.). Darum ist auch E. Jüngels kritische Bemerkung zur Korrespondenztheorie der Wahrheit, nämlich dass diese nicht überprüft werden könne (vgl. E. Jüngel, Art. Wahrheit I. Begriff und Problematik, 1246), selbst eine den Kern der Korrespondenztheorie nicht tangierende Schlussfolgerung. 211 Man vergleiche hierzu bereits N. Reschers kritische Bemerkungen zu den Versuchen, in der Korrespondenz ein Wahrheitskriterium zu sehen: Rescher zeigt, dass die Inanspruchnahme der Korrespondenz als Wahrheitskriterium im Ganzen an der Durchführung, d. h. an der Konfrontation von verschiedenen Wahrheitsträgern mit dem Objektkorrelat (z. B. Wirklichkeit, Tatsachen) scheitert. Siehe dazu ausführlicher N. Rescher, The Coherence Theory of Truth, 7f: Siehe dazu, an Rescher anschließend auch Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 48f. Definitorisch bleibt freilich bei Land-

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mantisch-ontologischen Wahrheitsansprüche noch die Möglichkeit des Vorliegens von Wahrheit in solchem bzw. korrespondentistischen Sinne212. Die grundsätzliche Einsicht, auf die es hier ankommt, ist genau die, dass der semantisch-ontologische bzw. korrespondentistische Wahrheitstyp immer schon dort in Erscheinung tritt, wo für Aussagen, Sätze, Propositionen, Hypothesen – also Wahrheitsträger – der Anspruch erhoben wird, dass sie wahr seien, Aussagen affirmiert werden – sei es auf wissenschaftlicher Ebene oder im truth talk des Alltags213. Das semantisch-ontologische Wahrheitsverständnis bekundet sich dort, wo wir mit den Mitteln der Sprache auf Außersprachliches (wie z. B. Tatsachen, Gegenstände) referieren, also unsere Worte und Sätze dem kommuni-

messer sinnvollerweise die Korrespondenz weiterhin für den Ausdruck ‚Wahrheit‘ maßgeblich. 212 Darum gehe ich auch nicht auf die von L. Gerbracht als dritten Einwand bezeichnete Kritik an der Korrespondenztheorie ein, wonach gefragt werden könne, was als nichtsprachliche Korrelata speziell negativer Aussagen in Betracht kommen könnte (vgl. L. Gerbracht, Wahrheit und kognitive Perspektive, 32f). Argumentiert wird folgendermaßen: „[W]enn es richtig sei, daß die Wahrheit einer Aussage (bzw. eines ‚Urteils‘, etc.) in ihrer (seiner) Übereinstimmung mit einem realen Sachverhalt bestehe, so müsse die gegebene Bestimmung (u. a.) auch für wahre negative Aussagen (Urteile, etc.) gelten, d. h. es müßten konsequenterweise ‚negative Sachverhalte‘ (als nichtsprachliche Korrelate wahrer negativer Aussagen) postuliert werden – Sachverhalte, die in nichts anderem bestehen sollen als im Nichtbestehen anderer, ‚positiver‘ Sachverhalte (deren Nichtbestehen wiederum, qua negative Aussage, ausdrücklich behauptet wird) und die gleichwohl ‚real‘ sein sollen“ (L. Gerbracht, Wahrheit und kognitive Perspektive, 32; dort der Verweis auf A. Kastil und F. Brentano). Diese Kritik lässt sich an einem Beispiel illustrieren: Die negative Behauptung, ‚es regne nicht‘, müsste nach der Logik der Kritiker der Korrespondenztheorie konsequenterweise durch ein Nicht-Regnen perzeptibel verifiziert werden. Korrespondenztheoretiker haben m. E. dagegen zu Recht eingewandt, dass es gar nicht nötig ist, „so etwas wie ein ‚Nicht-Regnen‘ beobachten zu können; es genüge, wenn man beispielsweise beobachten könne, daß der Himmel wolkenlos ist oder daß es hagelt oder schneit.“ (a. a. O., 33). Gerbracht selbst ist der Meinung, „daß Korrespondenztheoretiker besser daran täten, wenn sie darauf insistierten, daß man (beispielsweise angesichts eines wolkenlosen Himmels) sehr wohl das ‚Nicht-Regnen‘ (freilich nicht beobachten, wohl aber) wahrnehmen kann (bzw. ‚immer schon‘ wahrnimmt).“ (a. a. O., 33 Anm. 50). M. E. verfehlt Gerbracht dennoch den „springenden Punkt“, indem auch er die Legitimität der Korrespondenztheorie von der Verifizierungsfrage abhängig machen will (vgl. oben dazu). 213 K. Gloy hat zeigen können, dass hinsichtlich des Bedeutungsgehaltes, Sinns und auch hinsichtlich der Funktionsweise der Ausdrücke ‚Wahrheit‘ und ‚wahr‘ kein Unterschied zwischen niederem und höherem Sprachgebrauch besteht, und zwar ganz gleich, ob diese Ausdrücke im truth talk des Alltags, der empirischen Wissenschaftssprache, in der Logik, der Mathematik oder von Seiten der Philosophie verwendet werden; Differenzen lassen sich nur mit Blick auf die Gebrauchsebene feststellen und sind zuweilen mit Niveauunterschieden verbunden (vgl. K. Gloy, Wahrheitstheorien, 33–41). Gloy hat allerdings im Unterschied zu Puntel und Landmesser den Wahrheitsbegriff nicht weiter als einen semantischontologischen expliziert, obwohl sie feststellt, dass die Gemeinsamkeit im Bedeutungsgehalt der Ausdrücke ‚Wahrheit‘ und ‚wahr‘ um das Phänomen der Affirmation von Aussagen kreist (vgl. ebd.).

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kativen Zweck dienen sollen, darzulegen, wie sich etwas (in Wirklichkeit) verhält214. Mit diesem Problembewusstsein kann sich im Folgenden der Blick auf Pannenbergs Wahrheitskonzeption richten.

214 Vgl. dazu die Bemerkungen von Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 100. Auf die weiteren Spezifikationen bei Landmesser und seiner Bezugnahme auf die Vorarbeiten von Puntel wird hier nicht eingegangen. Vgl. dazu v. a. a. a. O. die Zusammenfassung, 100–107. Angesichts der Untersuchungen von Puntel, Landmesser u. Gloy bleibt mir die folgende Kritik von I.U. Dalferth u. Ph. Stoellger an der Explikation des hier skizzierten, intuitiv-alltäglichen Wahrheitsverständnisses durch einen semantisch-ontologischen Wahrheitsbegriff unverständlich: Dalferth u. Stoellger urteilen (über Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 328f): „Die hier gemachten Unterstellungen dieser Methode sind aber so massiv wie unselbstverständlich: Daß es ein (oder irgendein?) ‚immer schon wirksames Wahrheitsverständnis‘ gebe, das vermeintlich konstant sei, auf das theoretisch rekurriert werden kann, und daß die Rekonstruktion die Rekursgröße repräsentiert und sie als theoretischer Maßstab zur Beurteilung über die Geschichte hinweg dienen können – diese Voraussetzungen behaupten die Einheit und Konstanz einer geschichtlichen Lebenswelt als Rekursgrund der Theorie, die Unversehrtheit von deren Wahrheitsverständnis in der Gestalt theoretischer Rekonstruktion und anscheinend eine funktionale und ‚inhaltliche‘ Identität von Vorstellung und Begriff. Aber diese massiven Thesen wären erst einmal zu plausibilisieren.“ (I.U. Dalferth/ Ph. Stoellger, Wahrheit, Glaube und Theologie. Zur theologischen Rezeption zeitgenössischer wahrheitstheoretischer Diskussionen, 58 Anm. 74). Es soll hier nicht bestritten werden, dass es auch andere Wahrheitsverständnisse gibt. Doch die Feststellung, dass gemeinhin ein semantisch-ontologisches Wahrheitsverständnis wirksam ist – innerhalb wissenschaftlicher Kommunikation, aber auch im alltäglichen Umgang –, dürfte wohl eher kaum zu bestreiten sein. Auch Dalferth und Stoellger lassen zweifelsfrei erkennen, dass sie mit ihren Ausführungen über etwas reden und dass sie faktisch für das von Ihnen Gesagte Wahrheit in Anspruch nehmen, und zwar zwangsläufig im semantisch-ontologischen bzw. korrespondenztheoretischen Sinn.

3.

Wolfhart Pannenbergs Wahrheitskonzeption

Nach den Vorabklärungen zur Vokabel ‚Wahrheit‘ und der Ausleuchtung des mit ihr gemeinhin assoziierten, begrifflich einholbaren semantisch-ontologischen Phänomens ist dieses (Groß-)Kapitel der Frage nach Pannenbergs Wahrheitskonzeption, d. h. nach seinem Wahrheitsverständnis, gewidmet. Alle dazugehörigen Aspekte werden umfassend aufgearbeitet und in systematisierter Form rekonstruiert. Während es als unstrittig gelten kann, dass die Wahrheitsthematik eine zentrale Rolle innerhalb seiner Theologie einnimmt, zeigt sich hinsichtlich der Frage nach seinem Wahrheitsverständnis ein recht unüberschaubares, eher verwirrendes Bild. Es sind bislang eine Reihe verschiedener und zum Teil auch erheblich voneinander abweichender Antworten auf die Frage gegeben worden, wie sein Wahrheitsverständnis angemessen bestimmt werden kann. Solche Divergenzen dürften sicher (zumindest auch) darin ihren Grund haben, dass Pannenbergs Verständnis von Wahrheit vergleichsweise komplex ausfällt und die verschiedenen Facetten seiner Wahrheitskonzeption kaum überschaubar sind. Erschwerend hinzu kommt, dass manche Aspekte oder Dimensionen erst in späteren Publikationen hinzugetreten sind und Pannenberg verschiedentliche Auskünfte über sein Wahrheitsverständnis gegeben hat. So stellt sich umso mehr die Frage nach einer angemessenen Bestimmung seines Wahrheitsverständnisses.

3.1

Problemanzeige: Bisherige Bestimmungen seines Wahrheitsverständnisses

Die folgende überblicksartige Bestandsaufnahme (freilich ohne Anspruch auf Vollständigkeit) bisheriger (Teil-)Bestimmungen seines Wahrheitsverständnisses lassen die Schwierigkeiten seiner Erfassung bereits erahnen:

100

Wolfhart Pannenbergs Wahrheitskonzeption

Oswald Loretz hat 1964 die These vertreten, Pannenberg vertrete ein abendländischmetaphysisches Wahrheitsverständnis, das nicht im Horizont der Bibel stehe1.

1 Vgl. O. Loretz, Die Wahrheit der Bibel, 41f. Loretz hat mit seinem Buch das Ziel verfolgt, „auf die große Bedeutung und die Gegenwärtigkeit der biblischen Wahrheitsfrage“ (a. a. O., 7) aufmerksam zu machen. In diesem Zusammenhang hat Loretz die von Pannenberg gemeinsam mit U. Wilckens, R. und T. Rendtorff verfasste Programmschrift ‚Offenbarung als Geschichte‘ (= OaG) einer eingehenden Kritik unterzogen und dabei den Versuch unternommen, Pannenbergs Wahrheitsverständnis anhand des hierin vorausgesetzten (d.h des von Pannenberg hierin nicht explizit dargelegten) Wahrheitsbegriffs zu eruieren. Loretz fragt: „Welcher Begriff der Wahrheit wird hier stillschweigend vorausgesetzt, so daß am Ende die Geschichtsoffenbarung Gottes als eine offen zutage liegende bestimmt wird?“ (a. a. O. , 41) Loretz beantwortet die eigens gestellte Frage mit der These, es liege „[d]iese Sicht der Wahrheitsbestimmung […] im Horizont der abendländischen Metaphysik und nicht in dem der Bibel.“ (a. a. O. , 41) Und er fährt fort: „Näherhin ist sie – hier scheint speziell Pannenbergs Wahrheitsverständnis im Blick zu sein – von Descartes‘ Definition der Wahrheit – illud omne, quod valde clare et distincte percipitur, verum est (Med. III) – und der sich an ihn anschließenden Philosophie [Loretz nennt Hegel und Nietzsche !] abhängig.“ (a. a. O., 41) Das begründet Loretz mit einer Bemerkung zu dem sich angeblich bekundenenden Verständnis von Wahrheitserkenntnis: „Denn Wahrheit wird hier [wie Loretz meint] entschlossen vom Subjekt her ausgelegt.“ (a. a. O. , 41 f) Als Beleg dafür bezieht er sich auf einen Satz, den Pannenberg in Dogmatische Thesen zur Lehre von der Offenbarung (a. a. O., 100) formulierte: „Wer den Mut zur Vernunft aufbringt, begreift die Wahrheit, und das Verblendetsein der Nicht-Wollenden bedeutet nur, ‚daß sie zur Vernunft gebracht werden müssen, damit sie recht hinsehen‘ [kursiv: T. L.].“ (a. a. O. , 42). Pannenberg hat die Kritik von Loretz mit Recht zurückgewiesen: Schließlich hat Pannenberg – wie noch zu zeigen sein wird – für ein Wahrheitsverständnis plädiert, das insofern mit dem Loretz’schen Anliegen verbunden ist, als es ebenfalls dem biblischen Anliegen (konkret der Frage, was biblisch ‚Wahrheit‘ bedeutet) gerecht zu werden versucht. Pannenberg bezeichnet es als ein „Mißgeschick“, dass Loretz „sich in seinem Buch „Die Wahrheit der Bibel“ 1964 über zwei Kapitel hin mit meinen geschichtstheologischen Thesen unter dem Gesichtspunkt des Wahrheitsgedankens beschäftigt“, ohne dabei seinen Aufsatz zur Wahrheitsfrage (= Was ist Wahrheit?) zur Kenntnis zu nehmen, „der ausführlich auf die mir von L. vorgehaltene Spannung zwischen isreaelitischem und griechischen Wahrheitsverständnis eingeht.“ (Vgl. dazu W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 5) Und in der Tat teilen beide, Pannenberg und Loretz, die Unterscheidung zwischen einem hebräischen und einem griechischen Wahrheitsbegriff, wobei Loretz seine Aufmerksamkeit darauf richtet, „was die Bibel dem ganzen Umfang nach ‚Wahrheit‘ nennt“ (O. Loretz, Die Wahrheit der Bibel, 14 Anm. 7). Zu Loretz vgl. a. a. O. , 73–80. Die Behauptung von Loretz, Pannenbergs Wahrheitsverständnis stamme aus dem Horizont der Metaphysik (s. o.), hat Pannenberg zurückgewiesen mit dem Hinweis, dass sein Aufsatz ‚Was ist Wahrheit?‘ „die Eigenart des biblischen Wahrheitsverständnisses auf der Grundlage der Arbeit v. Sodens ähnlich herausarbeitet, wie es auch bei Loretz 73ff geschieht.“ (W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 35 Anm. 7). Mit Blick auf spätere Beiträge Pannenbergs zum Wahrheitsbegriff trifft die von Loretz geäußerte Behauptung mit Sicherheit jedoch zu. So plädiert Pannenberg später (unter Aufnahme des Aspektes der Kohärenz) explizit für einen metaphysischen Wahrheitsbegriff (allerdings nicht cartesianischer Prägung), der – weil durch diesen Wahrheit primär ontologisch als „Wahrheit der Dinge“ gefasst wird und so den Sachverhalten nicht äußerlich bleibe (im Unterschied zu der darum von ihm kritisierten

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Fast gegensätzlich kommt die Einschätzung von Franz-Josef Overbeck daher. Er erkennt bei Pannenberg „ein[en] Wahrheitsbegriff, der geschichtlich konzipiert ist und seiner Rekonstruktion des biblischen Wahrheitsbegriffs entspricht“2. Koloman N. Micskey meint, Pannenberg versuche, angesichts der „Gefahr der Selbstisolierung der Dogmatik […] eine Theorie der Wahrheit dieser Wissenschaft zu entwerfen, die die Allgemeingültigkeit ihres Kriteriums in relativer Unabhängigkeit von dessen existentieller Wirksamkeit aufzeigt.“3 Ja die „dogmatische Theologie“ werde „zu einer allgemeinen Theorie der wissenschaftlichen Wahrheit als Theorie der Geschichte der Wahrheit und ihrer in dieser Geschichte aufzuzeigenden Einheit.“4 Zugleich ist die Rede von einem auf Allgemeingültigkeit abzielenden, „in der Jesusbegegnung sich durchsetzenden Wahrheitsbegriff“5. Es wolle „Pannenberg […] in seiner Wahrheitstheorie mit der Aussage des Johannesprologs, daß in Jesus Christus der eine Logos Gottes Fleisch geworden ist, Ernst machen.“6 John B. Cobb ist der Ansicht, Pannenberg sehe „im deutschen Idealismus eine mächtige Auffassung der Wahrheit, die er heute zur Geltung bringen will.“7 Reginald Nnamdi urteilt, Pannenberg erhebe einen hermeneutischen Wahrheitsanspruch8.

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urteilstheoretischen Wahrheit) – es erlaube, von der Einheit des Wahren und von der Wahrheit der Dinge zu sprechen. Vgl. dazu etwa W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 56. C. Orji meint sogar, Pannenberg sehe in der Metaphysik „the best route for truth“. (C. Orji, Lonergan and Pannenberg’s Methodologies: A critical examination, 562) Man kann fragen, ob der metaphysische Grundsatz schon in den frühen Beiträgen erkennbar war: metaphysische Wahrheit im Sinne ontologischer Wahrheit in jedem Fall. Jedenfalls schließen für Pannenberg metaphysische und biblische Aspekte im Wahrheitsbegriff nicht einander aus: Loretz hätte allemal fragen können, ob der in OaG vorausgesetzte Wahrheitsbegriff vereinbar ist mit seinem an anderer Stelle dargelegten biblischen Wahrheitsverständnis. Hierfür hätte Loretz allerdings sauber zwischen Wahrheitsbegriff einerseits und der Frage nach dem (angeblich cartesischen) Wahrheitskriterium im Kontext der Wahrheitserkenntnis unterscheiden müssen. Durch die Vermengung beider zu unterscheidenden Fragestellungen verunmöglichte Loretz selbst eine sachliche Untersuchung des Pannenberg’schen Wahrheitsverständnisses (inkl. des vorausgesetzten Wahrheitsbegriffs). Wenn Pannenberg sowohl einem biblischen als auch einem im weiten Sinne philosophischen (metaphysischen) Anliegen gerecht werden will, liegt es vielmehr nahe, kritisch seine Wahrheitskonzeption zu untersuchen, wie dies in dieser Arbeit angestrebt wird. F.-J. Overbeck, Der gottbezogene Mensch, 58. Vgl. K.N. Micskey, Die Axiom-Syntax des evangelisch-dogmatischen Denkens, 152. Vgl. K.N. Micskey, Die Axiom-Syntax des evangelisch-dogmatischen Denkens, 155. K.N. Micskey, Die Axiom-Syntax des evangelisch-dogmatischen Denkens, 153. K.N. Micskey, Die Axiom-Syntax des evangelisch-dogmatischen Denkens, 155. J.B. Cobb, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, 282. Worin diese Wahrheitsauffassung bei Pannenberg näherhin bestehen soll, sagt Cobb nicht. Auch finden sich dort keine Nachweise für diese im Ganzen nicht weiter ausgeführte These. Es heißt lediglich, Pannenberg ginge es darum „die Überzeugungskraft der wesentlichen Aspekte dieser philosophischen Tradition wiederzubeleben“, er wolle „nun den Rahmen für unsere Übernahme der christlichen Wahrheit setzen.“ (282f). Vgl. R. Nnamdi, Offenbarung und Geschichte. Zur hermeneutischen Bestimmung der Theologie Wolfhart Pannenbergs, 21 (vgl. die Kapitelüberschrift). Nnamdi hat mit „Offen-

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Krzysztof Góz´dz´ will von einem antizipatorischen Wahrheitsverständnis sprechen9. Von antizipatorischer Wahrheit oder gar von einer antizipatorischen Wahrheitstheorie wollen Michael Schulz und (im Anschluss daran auch) Klaus Vechtel sprechen10.

barung und Geschichte“ die Theologie Pannenbergs hermeneutisch zu bestimmen versucht. Von diesem hermeneutischen Erkenntnisinteresse des Autors her wird auch die Wahrheitsthematik im Werk von Pannenberg beleuchtet. Nnamdi deutet dessen Umgang mit der Wahrheitsfrage als ein hermeneutisches Unternehmen. Dementsprechend sieht Nnamdi in Pannenberg einen Vertreter eines hermeneutischen Wahrheitsanspruches (vgl. die Kapitelüberschrift a. a. O., 21), was anhand von Pannenbergs Geschichtstheologie aufzuzeigen versucht wird. Diese Behauptung ist insofern missverständlich, als ein Anspruch auf Wahrheit nichts über das Verständnis des (formalen) Wahrheitsbegriffs aussagt. Davon abgesehen bleibt mir unverständlich, inwiefern ein Anspruch auf Wahrheit selbst als ‚hermeneutisch‘ bezeichnet werden kann. Zentrale Aspekte des Pannenberg’schen Wahrheitsverständnisses kommen bei Nnamdi zur Sprache, darunter im Besonderen der Gedanke der Einheit der Wahrheit sowie die drei für Pannenberg maßgeblichen philosophischen Wahrheitstheorien: Die Kohärenz-, Korrespondenz- und Konsensustheorie. Als nicht unproblematisch dürfte die Tatsache einzuschätzen sein, dass Nnamdi im Duktus der Darstellung eigene Überlegungen einbringt, die leider nicht immer deutlich von denjenigen Pannenbergs abgehoben werden (Vgl. dazu die Bemerkungen von Johannes Schmid: J. Schmid, Rezension R. Nnamdi, Offenbarung und Geschichte. Zur hermeneutischen Bestimmung der Theologie Wolfhart Pannenbergs, 65). Das zeigt sich auch an dem hier relevanten Thema der Wahrheitsfrage sehr deutlich. Speziell in den vielfältigen Bezugnahmen auf die drei Wahrheitstheorien bekundet sich das Bedürfnis des Autors, eine eigene Vorstellung dialogisch miteinzubringen – d.i. die von ihm so genannte Meneistik als eine kulturhermeneutische Theorie, die um den Gedanken des Bleibens in der Wahrheit kreist. Der spezifisch Pannenberg’sche Umgang mit den Theorieentwürfen gerät so in den Hintergrund; bestimmte philosophische Aspekte, die Pannenberg für sein eigenes Wahrheitsverständnis über die Auseinandersetzung mit G.W.F. Hegel, N. Rescher und L.B. Puntel eingebracht hat, werden nicht aufgearbeitet. (Von den drei genannten Philosophen wird Hegel zwar, Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen Pannenbergs und Hegels Wahrheitsverständnis jedoch nicht thematisiert. Auf N. Rescher und L.B. Puntel wird gar nicht näher eingegangen. Das ist bedauerlich, da bestimmte Überlegungen und gewonnene Einsichten zur Kohärenztheorie der Wahrheit von Pannenberg für sein eigenes Wahrheitsverständnis aufgegriffen worden sind. 9 Vgl. K. Góz´dz´, Jesus Christus als Sinn der Geschichte bei Wolfhart Pannenberg, 23. Góz´dz´ begründet seine These folgendermaßen: „Die Fragen nach der alles bestimmenden Wirklichkeit und nach dem Sinnzusammenhang des Lebens sind dabei nur im Blick auf die Totalität der Wirklichkeit verständlich zu beantworten, da diese Totalität schon jetzt durch ihre Antizipation zugänglich ist. Es handelt sich also gewissermaßen um eine Einordnung von Teilen in das Ganze eines Sinnentwurfes, um ein antizipatorisches Wahrheitsverständnis.“ (a. a. O., 23). 10 Vgl. dazu die Kritik an Pannenbergs Antizipationsmodell bei M. Schulz, Sein und Trinität, 431 ff; Schulz spricht hier lediglich von „[a]ntizipatorische[r] Wahrheit“ (435); an anderer Stelle meint Schulz, eine „antizipatorische Wahrheitstheorie“ bzw. eine „hypothetischantizipatorische Wahrheitstheorie“ bei Pannenberg erkennen zu können. (M. Schulz, Zur Hegelkritik Wolfhart Pannenbergs und zur Kritik am „Antizipationsgedanken“ Pannenbergs im Sinne Hegels, 220. Auch von einer „metaphysische[n] Wahrheitstheorie“ ist ebd. die Rede; s. ferner K. Vechtel, Trinität und Zukunft (dort Verweis auf Schulz), 241. Zur Kritik der Kritik von Schulz s. u.

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Philip Clayton spricht von „Pannenbergs eigener antizipativen Theorie der Wahrheit“11. Peter Eicher hat eine im Antizipationskonzept gründende „apokalyptische Wahrheitstheorie“ behauptet12. Wieder anders mutet die Beschreibung bei Jonathan P. Case an. Er meint: „Philosophically speaking, Pannenberg’s understanding of truth could be compared to a regulative principle located at the „end“ of a continuing process of trial and error.“13 James T. Bridges notiert in Bezug auf Pannenbergs Verständnis von Wahrheit: „Truth is the coherence and coordination of historical appearances.“14 Joachim Ringleben erkennt ein „geschichtlich-dialektische[s] Wahrheitsverständnis“, und zwar als „Theorie einer auf sich zugehenden Wahrheit“15.

11 Ph. Clayton, Rationalität und Religion, 208. 12 Vgl. P. Eicher, Offenbarung. Prinzip neuzeitlicher Theologie, 565. Vgl. auch die fragwürdige(n) Interpretation(en) P. Eichers zum Themenfeld Antizipation – Wahrheit. Von Eicher wird zudem die Frage nach dem Wahrheitsbegriff nicht sauber von den Fragen nach dem Wahrheitskriterium und der dadurch ermöglichten Wahrheitserkenntnis getrennt: Siehe dazu dessen irritierenden Bemerkungen a. a. O., 451ff: Pannenbergs Wahrheitsbegriff sei im Unterschied zu dem R. Bultmanns eine eschatologische Größe: Mit H. v. Soden sei für Pannenberg Wahrheit das, was sich in der Zukunft herausstelle. Merkwürdigerweise spricht P. Eicher im gleichen Atemzug von diesem Wahrheitskriterium. Das Wahrheitskriterium sei bei Pannenberg keine rein formale Größe, „weil sich die Wahrheit des Ganzen und damit die eschatologische Wahrheit selber in Jesus Christus vorwegereignet hat.“ (a. a. O., 451 f): „Das fundamentale Wahrheitskriterium [sic] ist damit nach Pannenberg eigentlich der durch Jesu Auferweckung im Horizont der Apokalyptik denkbare Gottesgedanke selbst, wobei Gott als die Macht über alle Geschichte gedacht werden muß.“ Gegen Eicher ist zu sagen, dass für Pannenbergs Wahrheitsverständnis zuallererst charakteristisch ist, dass Gott selbst die Wahrheit ist. Partiell, aber wirklich sekundär, mag Gott auch als Wahrheitskriterium fungieren. Das wird in dieser Studie deutlich werden. 13 Vgl. J.P. Case, The Death of Jesus and the Truth of the Triune God in Wolfhart Pannenberg and Eberhard Jüngel, 1. Case bezieht sich mit dieser Diagnose auf Pannenbergs ‚Wissenschaftstheorie und Theologie‘ (engl. Ausgabe, 42ff). Diese These von Case erstaunt, wo er doch Pannenbergs Aufsatz ‚Was ist Wahrheit‘ zur Kenntnis genommen hat (vgl. a. a. O. , 1f.) und sich der Relevanz der Aspekte der Kohärenz (in ontologischer und urteilstheoretischer Hinsicht), der Korrespondenz und des Konsensus sowie auch der Göttlichkeit der Wahrheit bewusst ist (vgl. a. a. O. , 3). Zur Kritik an einer solchen These wie derjenigen von Case siehe bereits die Bemerkungen von Th. Freyer (Zeit – Kontinuität und Unterbrechung, 248), der zu Recht anmerkt, dass der Wahrheitsanspruch von theologischen Aussagen nicht in der Vorstellung einer ‚regulativen Idee‘ im Sinne K.R. Poppers liege – der Wahrheitsbegriff, so wird man ergänzen dürfen, schon gar nicht. Viel eher gilt das Gegenteil. Pannenberg hat sich von Popper abzugrenzen gesucht, indem er sich gerade in jenem, von Case zitierten wissenschaftstheoretischen Ansatz durchaus auch kritisch von Poppers Falsifikationsprogramm distanzierte. 14 J.T. Bridges, Human Destiny and Resurrection in Pannenberg and Rahner, 6. 15 J. Ringleben, Gottes Sein, Handeln und Werden, 470 (zu Ersterem siehe Anm. 26). Diese Einschätzung gewinnt Ringleben vor dem Hintergrund, dass Pannenberg in seinem Aufsatz ‚Was ist Wahrheit?‘ das (wahre) Wesen der Dinge als „noch auf dem Wege zu sich selber“ (a. a. O., 470) begriffen und dargestellt hat.

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J. Track spricht von einem explikativen Wahrheitsbegriff 16. Eberhard M. Pausch konstatierte ein kohärenztheoretisches Wahrheitsverständnis, das über den Rekurs auf A. Augustin, von G.W.F. Hegel inspiriert und in Anknüpfung an L.B. Puntel und N. Rescher entwickelt worden sei17. Auf einen universalen und kohärenten Aspekt innerhalb des Pannenberg’schen Wahrheitsverständnisses machte auch schon G. Sauter 1980 aufmerksam mit der Mutmaßung, Pannenberg strebe eine „universale Wahrheitstheorie“ an, die zu bestimmen suche, „wie und wann „Wahrheit“ überhaupt erreicht wird (zB. als eine nichts ausschließende Kohärenz aller rational gewonnenen Sätze)“, wenngleich Sauter andererseits jedoch nicht im Moment der Kohärenz, sondern in dem der Gegenstandskorrespondenz Pannenbergs vorrangiges Interesse erkannt haben will18. Robert M. Doran sieht in Pannenberg einen Idealisten, der ein kohärenztheoretisches Wahrheitsverständnis vertritt19. Cyril Orji erkennt bei Pannenberg ebenfalls eine „view of truth as coherence“20. Heinrich Springhorn meint, Pannenberg optiere für einen nicht zeitlosen „Wahrheitsbegriff, der [im Unterschied zu K. Rahner] nicht in der Wahrheit des einen

16 J. Track (Die Begründung theologischer Aussagen, 110) hat in einer Andeutung von einem „explikativen Wahrheitsbegriff“ gesprochen und Pannenberg vorgeworfen, „das notwendige produktive Element des Wahrheitsverständnisses, das einen Konsensus einschließt“, zu übergehen. Diese Auskunft erweist sich ihrerseits als nicht nur wenig explikativ, sondern auch als falsch, insofern Pannenberg den Aspekt des Konsensus in den Wahrheitsbegriff integriert und auch dessen epistemische Grenzen benennt. Im Übrigen wird man Produktivität wohl kaum auf den Begriff der Wahrheit anwenden können als vielmehr auf die Kategorie der Wahrheitserkenntnis. 17 Vgl. E.M. Pausch, Wahrheit zwischen Erschlossenheit und Verantwortung, 81. Diese Kohärenztheorie behaupte die ‚Zusammenstimmung alles Wahren‘ sowie „dessen inhaltliche Universalität“, wobei „diese aber aufgrund der ‚Strittigkeit der Wirklichkeit Gottes und seiner Offenbarung in der Welt‘ [zitiert von W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 59] „nur unter Inanspruchnahme des Gedankens der Antizipation“ habe vertreten werden können (E.M. Pausch, Wahrheit zwischen Erschlossenheit und Verantwortung, 268 [inkl. Anm.155] und 272). 18 Vgl. G. Sauter, Überlegungen zu einem weiteren Gesprächsgang über „Theologie und Wissenschaftstheorie“, 165. Zur These, Pannenberg sei hinsichtlich der Wahrheitsfrage vornehmlich am Aspekt der Gegenstandskorrespondenz interessiert, s. a. a. O., 163f. Wie falsch diese Einschätzung ist, zeigt sich wiederholt in der Aufarbeitung seiner Wahrheitskonzeption in dieser Studie. 19 Vgl. R.M. Doran, Bernard Lonergan and the Functions of Systematic Theology, 570 Anm. 4. Doran kann sich hierfür auf Pannenbergs Ausführungen im ersten Band seiner „Systematische[n] Theologie“ berufen, wonach, worauf Doran ebenfalls hinweist, Korrespondenz und Konsensus für Pannenberg lediglich abgeleitete Momenete im Begriff der Wahrheit darstellen. In welchem Maß das am Kohärenzideal orientierte Wahrheitsverständnis idealistisch ist, bedarf noch einer Prüfung. 20 C. Orji, Lonergan and Pannenberg’s Methodologies: A Critical Examination, 568.

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Daseins, sondern im kontextuell-geschichtlichen Sinn der Existenz ihren Grundbegriff hat.“21 Thomas Freyer urteilt, Pannenberg favorisiere die Konzeption eines metaphysischen Wahrheitsbegriffs, der die Aspekte der Korrespondenz und des Konsensus in eine umfassende Kohärenztheorie integriert und „der die drohende Gefahr eines vom Urteil her konstituierten Wahrheitsbegriffs, nämlich eines bloß äußerlichen […] Zusammenhanges zwischen der (im Urteil geltend gemachten) Wahrheit und dem ihr entsprechenden ‘Sachverhalt‘, abzuwenden vermöge22. David McKenzie gelangte zu der Einschätzung: „On language and hermeneutics, Pannenberg develops his contextual theory of meaning and truth for theological statements.“23 Heiko Schulz will die „Originalität seiner Wahrheitstheorie“ darin erkennen, dass sie „auf der Verknüpfung einer im Rückgang auf Gott als Einheitsgrund von Wahrheit und Wirklichkeit profilierten Variante der Kohärenztheorie mit dem Gedanken der irreduziblen Geschichtlichkeit jener Einheit“ beruht24.

21 H. Springhorn, Immanenz Gottes und Transzendenz der Welt. Eine Analyse zur systematischen Theologie von Karl Rahner und Wolfhart Pannenberg, 40. Springhorn meint weiter: „Erst die Aufnahme der Kategorie der Hypothese in den Begriff selbst kann die immer offene Geschichte mit dem Anspruch des Denkens auf Wahrheit versöhnen.“ (a. a. O. , 40). Solche Darlegungen führen zu mehr Konfusionen als sie zur Klärung beitragen: Eine Bestimmung des Wahrheitsbegriffs unterbleibt hier faktisch. Dass Springhorn zu eher vagen und zum Teil auch unzutreffenden Einschätzungen gelangt ist, erstaunt angesichts seiner epistemologischen und hermeneutischen Überlegungen (a. a. O. , 32 ff) sowie auch vor dem Hintergrund der Darlegungen Pannenbergs zu den für den Wahrheitsbegriff konstitutiven Momenten der Kohärenz und Korrespondenz (a. a. O. , 54 f). 22 Th. Freyer, Zeit – Kontinuität und Unterbrechung, 248 f (zit. 249). 23 D. McKenzie, Wolfhart Pannenberg & Religious Philosophy, 4; siehe auch a. a. O. , 28 ff. Den angesprochenen kontextuellen Aspekt zeigt McKenzie auch an Pannenbergs These der Geschichtlichkeit der Wahrheit. 24 Vgl. H. Schulz, Vom Daseinsverständnis zum Evidenzerleben, 111; vgl. auch H. Schulz, Einleitung, in: Marburger Jahrbuch Theologie XXI (Wahrheit), 5 Anm. 18: Auch hier erwähnt Schulz zu Recht, dass Pannenberg ein kohärenztheoretisches Wahrheitsverständnis vertritt. Allerdings bedarf dies der Konkretion. Denn anders als üblich bewegt sich Pannenbergs kohärenztheoretisches Wahrheitsverständnis nicht ausschließlich auf subjektimmanenter Ebene – etwa in Gestalt eines ‚content-to-content‘-Verhältnisses – sondern ist bei Pannenberg mit dem Moment der Referenz auf die ontologische Ebene verbunden, sodass ironischerweise seine Kohärenztheorie durchaus auch eine ‚contentto-world‘ (ebd.) Relationalität intendiert, die für die reine subjektimmanente Kohärenztheorie, die Schulz hier knapp skizziert, geradezu untypisch ist.

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Von Roderich Barth ist (hinsichtlich der von Pannenberg kreierten Verbindung von Wahrheits- und Gottesbegriff) ein onto-theologisches Wahrheitsverständnis erkannt worden25. Jacqui A. Stewart behauptet, Pannenberg wolle im Unterschied zu dem (postmodernen) Ansatz eines Jürgen Habermas, der Wahrheit auf der Ebene der Kommunikation zu verorten suche, „a more metaphysically secure place“ für Wahrheit. Unter Berücksichtigung der Aspekte des Konsensus, der Kohärenz und der Kategorie der Antizipation gelangt sie zu dem Ergebnis: „It is clear […] that Pannenberg does not subscribe to a correspondence theory of truth, but to some form of coherence theory.“26 Pannenberg sei sich deutlich darüber im Klaren, „that his theory of truth is going to be primarily a coherence theory“, zu der auch die Korrespondenz- und Konsensustheorie der Wahrheit gerechnet wird27. Pannenberg „opts for a picture of truth as the historically built up coherence of reliable knowledge evaluated by skilled judges.“28 Martin Leiner rückt dagegen Pannenbergs Auffassung von Wahrheit in die Nähe eines forschungsgeschichtlichen Wahrheitsverständnisses29. 25 So etwa R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 21 speziell mit Blick auf die Rezeption der augustinischen Verbindung von Wahrheits- und Gottesbegriff (s. u.). 26 J.A. Stewart, Reconstructing Science and Theology in Postmodernity, 42. 27 J.A. Stewart, Reconstructing Science and Theology in Postmodernity, 33. Wie auch J. Habermas sei Pannenberg „equally sceptical about pure correspondence and pure consensus theories of truth, arguing that correspondence cannot be established without some reference to others, but they must be ‚competent‘ others; judgement of facts is not a matter of convention but requires skill. Seine Wahrheitstheorie „is going to be primarily a coherence theory“ (ebd.). So bemerkenswert wie erstaunlich ist, dass Stewart sich für ihre These der Kohärenztheorie auf die englischsprachige Ausgabe der ‚Wissenschaftstheorie und Theologie‘ bezieht, in der Pannenberg noch nicht ausdrücklich für ein solches Wahrheitsverständnis eingetreten ist. 28 Vgl. J.A. Stewart, Reconstructing Science and Theology in Postmodernity, 33. 29 Vgl. dazu M. Leiner, Methodischer Leitfaden Systematische Theologie und Religionsphilosophie, 52 und 59: Für ein forschungsgeschichtliches Wahrheitsverständnis gilt nach der Definition Leiners, dass „wahr ist, was die bisherigen Resultate der Forschung kritisch aufnimmt und sie theoretisch wie empirisch überzeugend weiterführt“ (a. a. O., 52). Leiner weist Pannenbergs Wahrheitsverständnis allerdings nicht explizit als solches aus, erläutert dieses Wahrheitsverständnis jedoch mit Bezugnahme auf Pannenberg: „Die Forschungsgeschichte ist in gewisser Weise das Protokoll weiterführender Dialoge in der Vergangenheit. Wolfhart Pannenbergs dreibändige Systematische Theologie fällt alle theologischen Urteile erst nach einem Durchgang durch die Forschungsgeschichte. Sie gibt als solche einen Beleg für die These, dass Systematische Theologie wie jede Wissenschaft, die diesen Namen verdient, Fortschritte macht.“ (a. a. O., 59). Zwar ist für Pannenberg die Geschichte der Ort vorläufiger, d. h. korrekturbedürftiger Wahrheitserkenntnis; die Wahrheit in ihrem Wesen und ihrer Beschaffenheit wird darum und deshalb jedoch noch nicht als von der Forschungsgeschichte (d. h. genauer von den in ihr hervortretenden Forschern) abhängig gedacht, wie es der Ausdruck ‚forschungsgeschichtliches Wahrheitsverständnis‘ nahelegt. Die Wahrheit einzelner Wahrheitsansprüche hängt vielmehr von Gott als der Wahrheit ab, die alles umgreift. Eine Darlegung seines Warhrheitsver-

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Klaus Vechtel skizziert Pannenbergs Wahrheitsverständnis unter der Überschrift „Wahrheit als geschichtliche Totalität“, da „wesentlich geprägt durch den Gedanken der Kohärenz und Einheit alles Wahren“; Vechtel meint, Pannenberg rücke dabei von einer Korrespondenztheorie der Wahrheit ab (ebd.) 30. Sehr ähnlich dazu gibt sich schon die Einschätzung von Ronald D. Pasquariello, der – die fundamentale Bedeutung der Geschichtsthematik für Pannenberg erkennend – sogar soweit ging zu behaupten, Wahrheit sei für Pannenberg „reality seen as history.“31: „Truth-as-a-whole and reality as-a-whole are identical.“32 ständnisses findet sich indes bei Leiner nicht. Indem Leiner Pannenbergs Auffassung von Wahrheit mit einem forschungsgeschichtlichen Wahrheitsverständnis in Verbindung bringt, dürfte er den Kern des Pannenberg’schen Wahrheitsverständnisses verfehlen. Lediglich mit Blick auf die Beurteilung materialer Wahrheitsansprüche wird man sagen können, dass Pannenberg forschungsgeschichtliche Einsichten berücksichtigt. Forschungsgeschichtliche Aspekte sind darum aber nicht für die Wahrheit selbst, sondern für die Frage nach den Möglichkeiten ihrer Erkenntnis relevant. 30 Vgl. K. Vechtel, Trinität und Zukunft, 32. Dass mit dem Verständnis von Wahrheit als geschichtliche Totalität Pannenbergs Wahrheitsverständnis unterbestimmt bleibt, zeigt sich insbes. daran, dass Pannenberg Gott als die Wahrheit begreift und zwischen dem Gottesgedanken und der durch Gott bestimmten Totalität der Wirklichkeit eine Korrelation sieht (vgl. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 311 inkl. Anm. 615). Obwohl Vechtel den Aspekt der Göttlichkeit der Wahrheit bei Pannenberg erkennt (vgl. a. a. O., 244), hat dies nicht zur Zurücknahme der These geführt, Pannenberg begreife Wahrheit als geschichtliche Totalität (vgl. a. a. O. , 32ff). Eingehender als Pannenbergs Wahrheitsverständnis wird jedoch dessen Antizipationsmodell – insbesondere im Blick auf die epistemologisch zentrale Frage nach Wahrheitserkenntnis hin – behandelt und kritisch auf eine mögliche kohärente Rechtfertigung hin befragt. Von daher erklärt sich womöglich auch Vechtels (unhaltbare) These eines antizipatorischen Wahrheitsverständnisses (vgl. a. a. O., 238ff). Vechtel bespricht auch Pannenbergs Rekurs auf biblische Quellen und auf Hegel. Vgl. dazu a. a. O., 33. Dass Vechtel behauptet, Pannenberg rücke von einer Korrespondenztheorie der Wahrheit ab, obwohl Vechtel selbst erkennt, dass Pannenberg an einer (besonders urteilstheoretisch) gefassten Korrespondenztheorie (wenn auch in der Form, dass Korrespondenz ein besonderer Aspekt von Kohärenz sein soll) festhält, bleibt unverständlich (vgl. a. a. O. , 32). 31 R.D. Pasquariello, Pannenberg’s Philosophical Foundations, 339. Pasquariello bezieht sich auf den deutschsprachigen Aufsatz „Was ist Wahrheit?“, 204. 32 R.D. Pasquariello, Pannenberg’s Philosophical Foundations, 339. Nach Meinung von Pasquariello fungiert diese These bei Pannenberg als ein Postulat (s. Nr. 3) für dessen Konzept der Antizipation bzw. der Prolepse. Pasquariello versteht Pannenbergs Begriff der Antizipation als einen terminus technicus, dessen Bezüge zu den Themenfeldern Wahrheit und Geschichte im Denken Pannenbergs er herauszuarbeiten versucht hat. Besondere Erwähnung verdient die von ihm entdeckte und herausgestellte Beziehung zwischen Pannenbergs Antizipationskonzept und der Idee einer Korrespondenz zwischen Denken und Sein. Als problematisch wird man dagegen seine These der Identität von ganzer Wahrheit und ganzer Wirklichkeit ansehen müssen. Pasquariello erliegt hier einem Missverständnis, für das ursächlich die zutreffende Feststellung ausgemacht werden kann, dass Pannenberg Wahrheit als geschichtliche Größe denkt. Für Pasquariello scheint zwangsläufig daraus zu folgen, dass der Prozess der Geschichte mit dem der Wahrheit zusammenfällt, sodass darum mit der Identität von Wahrheit und Geschichte zu rechnen sei. Pasquariello erkennt zwar, dass der Bezug zur Geschichte als der Wirklichkeit von

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Timothy Bradshaw urteilt, Pannenberg vertrete „a coherence view of truth and reality rather than the correspondence model.“33 W. Härle und E. Herms haben einige Jahre zuvor schon ganz ähnlich den Korrespondenzgedanken für von untergeordneter Bedeutung angesehen, allerdings meinten sie eine „faktische Prädominanz der Konsensustheorie“ erkannt zu haben34. Richard Viladesau hat die Behauptung aufgestellt, Pannenberg loziere (die) Wahrheit „in the coherence of ideas rather than in judgments of being.“35 F. LeRon Shults scheint Pannenberg auch eher (wenn auch nicht explizit, so doch vorsichtig) als einen Vertreter einer (mit anderen Theorien der Wahrheit gekoppelten) Kohärenztheorie zu sehen36.

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fundamentaler Relevanz für die Bestimmung des Wesens von Wahrheit ist (und auch für das Erheben von Wahrheitsansprüchen relevant ist), er übersieht aber, dass das Pannenberg’sche Wahrheitsverständnis sich nicht in der Ganzheit der Geschichte erschöpft, sondern weit mehr umfasst als die Geschichte in ihrer Totalität (s. u.). T. Bradshaw, Pannenberg: A Guide for the Perplexed, 126. Diese Auskunft ist freilich unzureichend und missverständlich. Auch die Korrespondenztheorie spielt bei Pannenberg eine nicht unwesentliche Rolle. W. Härle und E. Herms, Deutschsprachige protestantische Dogmatik nach 1945 II, 51. Sie wollten diese Prädominanz im Theologie- und Kirchenbegriff zeigen. „Seine vehemente Forderung nach einer (auch organisatorischen) Überwindung konfessioneller Grenzen und Spaltungen in Theologie und Kirche wird bei ihm ja nicht durch den Nachweis begründet, daß die Anlässe für jene Trennungen hinfällig seien, sondern durch die implizite Identifizierung von „größerer Einheit“ mit „größerer Wahrheit“. Dh., der Wahrheitsbegriff kommt bei Pannenberg nicht mehr als mögliche Korrektur gegenüber der Einheit bzw. Universalität zum Zuge, sondern ist in diesem bereits restlos aufgehoben. Dies führt dazu, daß der Wahrheitsbegriff selbst komparativen Charakter bekommt. Als wahr gilt, was mehr an erhellender Kraft (Die Bestimmung des Menschen 8) besitzt, größere Erklärungs- und Integrationsleistungen vollbringt (Wissenschaftstheorie 348) bzw. sich im Vergleich zu anderen religiösen Überlieferungen als überlegen erweist (aaO. 318. 326f). Damit geht aber unvermerkt das kritische Potential, das Pannenberg durch sein – berechtigtes und verdienstvolles – Insistieren auf dem Wahrheitskriterium in die Theologie einbringen wollte, weitgehend verloren. Denn nun ist es – Pannenbergs eigener Aussage zufolge – letztlich nicht mehr möglich, zwischen Wahrheitskonsens und herrschender Konvention zu unterscheiden.“ (W. Härle u. E. Herms, Deutschsprachige protestantische Dogmatik nach 1945 II, 51). Hier verwechseln Härle und Herms die Frage nach dem Wahrheitsbegriff/verständnis mit der Frage der Wahrheitsfindung (Verifikationsbestrebungen), für deren Beantwortung Pannenberg unbestritten u. a. auch dem Konsensuskriterium positiv Rechnung getragen hat. Hinter den hier von Härle und Herms genannten Wahrheitskriterien (größerer) Erhellungs- und Erklärungskraft bzw. (ebensolcher) Integrationsleistungen dürfte allerdings eher das Kohärenzkriterium als das Konsensuskriterium stehen (s. u.). R. Viladesau, Review Systematic Theology 1. By Wolfhart Pannenberg, 172f. Dass diese Einschätzung völlig falsch ist, wird in dieser Arbeit deutlich werden. Viladesaus Urteil ist im Übrigen schon von F. LeRon Shults (The Postfoundationalist of Theology, 126 Anm. 91) kritisiert worden. Shults warnt – gerade auch mit Blick auf die These von Viladesau (oben) – vor Missverständnissen: „In his discussions of truth Pannenberg so emphasizes „coherence“ that

Problemanzeige: Bisherige Bestimmungen seines Wahrheitsverständnisses

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Armin Kreiner nimmt Pannenbergs Selbsteinschätzung, ein kohärenztheoretisches Wahrheitsverständnis zu vertreten, zur Kenntnis, meint aber bei Pannenberg einen Umgang mit der aussagetheoretischen Wahrheit zu erkennen, wie sie für ein korrespondenztheoretisches Wahrheitsverständnis charakteristisch ist37. Vor nicht allzu langer Zeit hat Christoph Glimpel die These vertreten, bei Pannenberg handele es sich um ein ‚positivistisches Wahrheitsverständnis‘, insofern nämlich sein wahrheitstheoretischer Ansatz hinsichtlich des Wahrheitsbegriffs auf positive Wahrheit beschränkt werde38. Bemerkenswerterweise formuliert Glimpel (ironically) he might be mistaken for a nonfoundationalist. Although he treats the coherence theory of truth in earlier writings […], we may take his comments in the first chapter of ST, I, as the locus classicus of his view of truth.“ (F. LeRon Shults, The Postfoundationalist Task of Theology, 126). Shults erkennt, dass Pannenbergs kohärenztheoretisches Wahrheitsverständnis in manchen Punkten Eigentümlichkeiten zu erkennen gibt (s. u.). 37 Vgl. A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 289 Anm. 79. Diese These ist in jedem Falle diskussionswürdig. Sie betrifft im engeren Sinn auch nur einen bestimmten Aspekt. Denn dadurch dass Pannenberg die Wahrheit von Aussagen davon abhängig macht, ob sie zutreffen, „outet“ er sich – zumindest in dieser Hinsicht – gewissermaßen als Vertreter einer Korrespondenztheorie. (Klassische) Vertreter der Kohärenztheorie der Wahrheit wollen dagegen die Wahrheit einer Aussage von ihrer Eingliederbarkeit in ein Aussagensystem abhängig machen. Pannenbergs Selbsteinschätzung, wonach er ein kohärenztheoretisches Wahrheitsverständnis vertritt, erscheint vor dem Hintergrund dieser Feststellung durchaus fragwürdig, zumindest erklärungsbedürftig. 38 Vgl. Chr. Glimpel, Gottesgedanke und autonome Vernunft, 25 und passim: Dieses Wahrheitsverständnis wird von Glimpel kritisiert und als „defizitär“ abqualifiziert: Pannenbergs wahrheitstheoretischen Ansatz hält er für unzureichend. Es ist ausdrücklich die Rede von „seinem defizitären wahrheitstheoretischen Ansatz auf der Ebene positiver Wahrheit“. (Chr. Glimpel, Gottesgedanke und autonome Vernunft, 96). Es ist seine These, „daß die Ebene des positivistischen Wahrheitsbegriffs bzw. der Empirie noch zu tief angesiedelt ist, nämlich diesseits jener Dimension, die ein sinngemäßes Reden von Gott zuläßt. Da Theologie nichts anderes ist als Reden von Gott, ist es für die durch sie begründete Praxis – für die Praxis der Kirche, aber auch für die Praxis des Diskurses der abendländischen Gesellschaft über ihre Wurzeln – von höchster Wichtigkeit, von der Orientierung an Logik und Methodik der für empirische Gehalte zuständigen Wissenschaften loszukommen. Das hat nichts mit einer Immunisierungsstrategie zu tun, sondern folgt aus dem Sinn des Themas, mit dem die Theologie es zu tun hat: Dieser Sinn ist zutiefst verschieden von dem Sinn all dessen, was zum – direkten oder indirekten – Gegenstand empirisch-wissenschaftlicher Theoriebildung werden kann. Und deshalb sind alle unter Voraussetzung eines positivistischen Wahrheitsverständnisses erfolgenden theologischen Eröterungen der Wahrheitsproblematik sinntheoretisch als verfehlt zu beurteilen.“ (a. a. O. , 25) „Daß u. E. auch Pannenbergs Ansatz unter dieses Diktum fällt, ist für die gegenwärtige Lage der Theologie besonders bezeichnend, hat sein Entwurf doch „innerhalb der neueren Theologie als die profilierteste Position zum theologischen Wahrheitsbegriff zu gelten“ (R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 19).“ (a. a. O., 25). Die Kritik Glimpels speist sich aus dem Vorhaben, im Unterschied zu Pannenberg zu transzendental-idealistischen Argumentationsmustern zurückkehren zu wollen (vgl. a. a. O., 25). Glimpel merkt an anderer Stelle an: „Wird der Wahrheitsbegriff (wie bei Pannenberg) auf positive Wahrheit beschränkt, dann rücken statt der transzendentalen Konstitutionsbedingungen geltungdifferenten Wissens die jeweils für positiv wahr gehaltenen Propositionen individu-

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Wolfhart Pannenbergs Wahrheitskonzeption

eine Kritik, die derjenigen im Kern sehr ähnlich ist, die bereits vor mehr als 30 Jahren von Hermann Deuser gegenüber Pannenberg vorgetragen worden ist. Seines Erachtens ist Wahrheit bei Pannenberg „der Inbegriff einer „Sinntotalität“, außerhalb deren [sic] nichts mehr vorstellbar ist – quo nihil maius cogitari possit!“39 Deuser sieht Pannenbergs Wahrheitsverständnis zudem von der positivistischen Tradition geprägt, insofern „wahr nur das sein kann, was als solches erkennbar und nachweisbar zu machen ist“ und Wahrheit „an ihren rationalen Nachvollzug gebunden“ werde40.

Welche der angeführten und zum Teil sich stark unterscheidenden Beschreibungen des Pannenberg’schen Wahrheitsverständnisses können als zutreffend gelten und welche nicht? Widersprechen sich manche, oder sind möglicherweise mehrere Charakterisierungen möglich, wenn mit diesen unter Umständen nur partielle (Teil-)Aspekte zutreffend in Worte gefasst werden? In diesem Fall wäre dann zu fragen, wie die unterschiedlichen Aspekte zusammengehören. Die hier zu Tage tretenden offenen Fragen werden im Verlauf dieser Aufarbeitung seines Wahrheitsverständnisses einer Klärung zugeführt werden. Ein erster Schritt dazu wie für die Rekonstruktion seiner Wahrheitskonzeption im Ganzen ist die Hinwendung zu Pannenbergs Interpretation der Wahrheitsfrage.

eller empirischer Subjekte ins systematische Zentrum erkenntnis- und wahrheitstheoretischer Überlegungen.“ (a. a. O., 183) „Bei Beschränkung des Wahrheitsbegriffs auf inhaltlich-positive Wahrheit vermag „Gott“ jedoch nicht, an die Leistungen des vormaligen Stelleninhabers anzuknüpfen: Bei Beschränkung des Wahrheitsbegriffs auf inhaltlich-positive Wahrheit kann „Gott“ nämlich nur Grund positiver Wahrheit sein. Als Grund ausschließlich positiver Wahrheit ist „Gott“ selbst eine Positivität – das Denken hingegen war als Grund wahrheitsfähiger Gegenständlichkeit selbst keine Positivität! Das Denken erweist sich daher als seinem nur noch als Grund ausschließlich inhaltlich-positiver Wahrheit fungierenden Nachfolger „Gott“ überlegen.“ (a. a. O. , 183f inkl. Anm. 664). Zur kritischen Auseinandersetzung mit Glimpel s. u. 39 H. Deuser, Kritische Notizen zur theologischen Wissenschaftstheorie, 218f. 40 Wahrheit werde „an ihren rationalen Nachvollzug gebunden“ (H. Deuser, Kritische Notizen zur theologischen Wissenschaftstheorie, 219). Dieses kritische Urteil formuliert Deuser pauschal nicht nur gegenüber W. Pannenberg, sondern auch in Frontstellung gegenüber G. Sauter.

Die Wahrheitsfrage bei Pannenberg: Wonach fragt die Frage nach Wahrheit?

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Die Wahrheitsfrage bei Pannenberg: Wonach fragt die Frage nach Wahrheit? „I am displeased when liberals say that we no longer need to ask questions concerning truth. If that were true I would find another occupation.“41

(Nicht nur) Pannenbergs Auseinandersetzung mit der Wahrheitsthematik nimmt ihren Ausgangspunkt damit, dass überhaupt die Wahrheitsfrage gestellt wird, also ernstlich diese Frage gestellt wird, anstatt Wahrheit einfach nur vorauszusetzen. Wie aufschlussreich eine nähere Betrachtung seines Fragens nach Wahrheit für die Bestimmung seines Wahrheitsverständnisses sein kann, soll im Folgenden demonstriert werden. Die hier leitende Überlegung ist die, dass sich hinter der scheinbar einfachen Frage nach Wahrheit eine Vielzahl unterschiedlicher Fragestellungen verbergen kann, womit als potentiellem Problem zumindest zu rechnen ist. In diesem Kapitel wird zunächst seine Interpretation der Wahrheitsfrage aufgearbeitet. Denn jede Antwort auf die Frage, was Wahrheit sei, hängt in ganz erheblichem Maße davon ab, als welche Frage die Wahrheitsfrage begriffen wird. Im Fall von Wolfhart Pannenberg erweist sich eine solche Untersuchung als sehr ertragreich. Es wird deutlich werden, wie sehr seine Interpretation der Wahrheitsfrage auf Antworten hindrängt, die eine Reihe von (stillschweigenden)Voraussetzungen und Besonderheiten erkennen lassen, die zusammen genommen wichtige Rückschlüsse zulassen auf das genuin Pannenberg’sche Wahrheitsverständnis. Entgegen allem ersten Anschein muss festgestellt werden, dass nicht generalisierend dargelegt werden kann, wonach die Frage nach Wahrheit eigentlich fragt. Die Wahrheitsfrage erweist sich als eine wenig präzise, deutungsoffene Frage. Armin Kreiner hat auf die Vieldeutigkeit der Wahrheitsfrage aufmerksam gemacht. So harmlos die Frage ‚Was ist Wahrheit?‘ ihrem ersten Anschein nach wirken mag – es können, wie Kreiner demonstriert, mit ihr sehr unterschiedliche Problemstellungen anvisiert werden: „– Was bedeutet der Ausdruck „Wahrheit“? – Welche Erkenntnisse, Behauptungen oder Aussagen sind wahr? – Mit welchen Kriterien kann man die Wahrheit ausfindig machen? 41 Vgl. das Interview: M. Bauman, W. Pannenberg, Wolfhart Pannenberg, Munich, West Germany, 51. Und er fährt fort mit der Bemerkung, dass er sich einer anderen Beschäftigung widmen würde, sollte Obiges wahr sein. Bemerkenswerterweise und durchaus konsequent wertschätzt Pannenberg, dass Evangelikale die Wahrheitsfrage ( jedenfalls) stellten, auch wenn ihre Angst vor (wissenschaftlicher) Untersuchung und Kritik „unfortunate“ sei (vgl. ebd.).

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Wolfhart Pannenbergs Wahrheitskonzeption

Ist das, was als wahr erachtet wird, auch wirklich wahr? Welche Eigenschaften besitzt die Wahrheit? Ist Wahrheit selbst eine Eigenschaft oder ein Gegenstand? Ist Wahrheit eher eine personale als ein [sic] gegenständliche Größe? Kann man Wahrheit überhaupt erreichen oder erkennen? Gibt es überhaupt Wahrheit?“42

Diese Auflistung ließe sich mühelos um weitere Interpretationen erweitern. Sie macht deutlich, dass zusätzlich zu den eher geläufigen Interpretationen der Wahrheitsfrage als Frage nach formalem Wahrheitsbegriff, materialer Wahrheit, Definition und Kriterium der Wahrheit auch Fragehorizonte eingehen können, die etwa die Beschaffenheit von Wahrheit oder gar die nach ihrer „Existenz“ betreffen können oder selbst auch eine Infragestellung der Sinnhaftigkeit der Wahrheitsfrage indizieren können.

3.2.1 Zur Problematik der Wahrheitsfrage in „ Wa s i s t Wa h r h e i t ? “ Pannenberg hat insbesondere in seinem frühen und vielbeachteten Aufsatz „Wa s i s t Wa h r h e i t ? “43 dargelegt, was er unter der Frage nach Wahrheit versteht. Pannenberg differenziert hier die Wahrheitsfrage in eine Reihe untergeordneter Fragen aus. So ergibt sich folgendes Bild: Pannenbergs Darlegung zur Wahrheitsfrage setzt ein, indem er ohne jede weitere Begründung die Wahrheitsfrage als „Frage nach dem Wesen [kursiv: T. L.] 42 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 83. Siehe zur Problematik der Wahrheitsfrage auch Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 327, der ebenfalls feststellt, „daß keineswegs selbstverständlich zu sein scheint, wonach man fragt, wenn man nach der Wahrheit fragt“ und darum aus gutem Grund zu Präzisierungen mahnt, zuallererst (aber keineswegs wie hier nur) hinsichtlich Wahrheitsdefinition und Wahrheitskriterien. 43 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 202–222. Der Aufsatz basiert auf einem Vortrag vom 24. November 1961, den Pannenberg an der Kirchlichen Hochschule in Berlin gehalten hat. Siehe dazu W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 202 Anm. 1. Der Titel spielt auf die berühmte an Jesus gerichtete Frage des Pilatus an (Joh 18,38). Pannenberg interpretiert diese jedoch nicht weiter. Er unternimmt an keiner Stelle einen Klärungsversuch, wie diese Frage zu interpretieren ist – ob sie etwa als Frage nach formaler Wahrheit oder materialer zu verstehen ist. Landmesser interpretiert sie als Frage nach materialer Wahrheit (Vgl. Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 329), die den Unglauben des Pilatus erkennen lasse (dazu Chr. Landmesser, Art. Wahrheit III. Neues Testament, 1249). Möglicherweise ist sie sogar noch viel weniger, eine Frage lediglich, die das Desinteresse an Wahrheit erkennen lässt im Sinne von ‚Was ist schon Wahrheit?‘. Jedenfalls scheint mir die v. a. in der Theologie gern zitierte Pilatusfrage wenig hilfreich für die Klärung der Wahrheitsproblematik – in welcher Hinsicht auch immer.

Die Wahrheitsfrage bei Pannenberg: Wonach fragt die Frage nach Wahrheit?

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von Wahrheit“44 einführt. Sein Stellen der Frage nach dem Wesen von Wahrheit erfolgt hier vor dem Hintergrund einer zu jener Zeit von Pannenberg als gegenwärtig empfundenen Krise der Wahrheitsfrage, einer Krise für Theologie, Kirche und Glauben, deren Anfang Pannenberg in der Aufklärung sieht. Denn sie sei der Zeitpunkt, seitdem „den Christen die Frage nach der Wahrheit ihres Glaubens mit ständig wachsender Schärfe gestellt“ sei45. Hieraus ergibt sich ein zweiter, für die Wahrheitsfrage konstitutiver Aspekt: Die Wahrheitsfrage als Frage nach dem Wesen von Wahrheit wird (hier ohne größere Erklärung fast selbstverständlich) mit der Frage nach der Wahrheit des christlichen Glaubens in Verbindung gebracht – man wird sagen können, letztlich mit ihr identifiziert. Diese Frage nach der Wahrheit des (christlichen) Glaubens hat Pannenberg in weitere subordinierte Fragestellungen ausdifferenziert: Sie gilt ihm als „die Frage nach seiner Macht [sc. des Glaubens], alle Wirklichkeit – auch die der modernen Wissenschaft, der technischen Naturbeherrschung, der individuellen Lebensform – zu umspannen und als Zeugnis für den Inhalt der christlichen Botschaft in Anspruch zu nehmen.“46 Sie „fragt danach, ob er [sc. der Glaube] uns Heutigen noch die Einheit der Wirklichkeit, in der wir leben, erschließen kann, wie das einst in der antiken Welt der Fall gewesen ist und den Sieg des Christentums in der antiken Oekumene des Mittelmeerraumes begründet hat.“47

Damit ist bereits ausgesprochen, wonach es bei der Wahrheitsfrage Pannenberg zufolge wesentlich geht: um Wahrheit in ihrer Einheit. Damit ist impliziert, dass die Wahrheit des christlichen Glaubens keine gegenüber anderer Wahrheit separierte Wahrheit darstellt, sondern als die eine Wahrheit überhaupt begriffen wird: „Die Frage nach der Wahrheit des christlichen Glaubens fragt also nicht nach irgendeiner Sonderwahrheit, sondern nach der Wahrheit schlechthin, die ihrem Wesen nach nur eine sein kann [kursiv: T. L.]“48. 44 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 202. 45 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 202: „Die Frage nach dem Wesen von Wahrheit rührt an die tiefe Krise nicht nur der Theologie, sondern der christlichen Kirchen und des christlichen Glaubens überhaupt in der Gegenwart. Seit der Aufklärung ist den Christen die Frage nach der Wahrheit ihres Glaubens mit ständig wachsender Schärfe gestellt.“ (ebd.). 46 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 202. 47 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 202. 48 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 202. Die Frage nach Wahrheit schlechthin findet sich innerhalb seiner Theologie auch an anderer Stelle, allerdings theologisch präziser gefasst bzw. zugespitzt auf die Frage nach der Wahrheit des Glaubens. Siehe dazu auch W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 10: Er erklärt in ökumenischer Absicht, es gehe ihm in seiner Theologie „um die Wahrheit der christlichen Lehre und des christlichen Bekenntnisses schlechthin.“ In einer seiner Predigten formuliert er: „Die Einheit der

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Die Wahrheitsfrage wird so zu einer universal-holisierenden Frage nach der die ganze Wirklichkeit betreffenden Wahrheit: Die Frage nach der Wahrheit des christlichen Glaubens „fragt, ob die christliche Botschaft für unsere Erfahrung von Wirklichkeit noch die Wahrheit enthält, die alles als wirklich Erfahrene zur Einheit zusammenschließt.“49

Aus den oben genannten Aspekten der von ihm vorausgesetzten Vorstellung von der Einheit der Wahrheit und der zu ihrer Gewinnung notwendig zu erfolgenden Bezugnahme auf die Totalität der Wirklichkeit schließt Pannenberg, dass eine zureichende Antwort auf die Wahrheitsfrage nicht schon dadurch gegeben werden kann, dass Jesus Christus mit ihr identifiziert wird: „Darum läßt sich die Frage nach der Wahrheit des christlichen Glaubens nicht durch die bloße Behauptung, daß Jesus Christus die Wahrheit sei, beantworten, sondern nur im Hinblick auf das Ganze der Wirklichkeit, die wir erfahren.“50

Die Bezugnahme auf die Wirklichkeit in ihrer Totalität erweist sich ihrerseits als notwendig, weil – wie später ausführlicher zu behandeln sein wird – nur so die Wahrheit (schlechthin) nach Meinung von Pannenberg als wesenhaft eine gedacht werden könne: „Nur so bleibt die Einheit der Wahrheit gewahrt, die ihr wesentlich ist. Gäbe die christliche Verkündigung die Rücksicht auf das Ganze der Wirklichkeit, die ihre Hörer erfahren, auf, dann vernachlässigte sie ‚die christliche Solidarität mit dem Gottlosen‘ und könnte nicht mehr begründeten Anspruch darauf erheben, von der Wahrheit schlechthin zu reden.“51

christlichen Wahrheit erweist sich als größer als die kontroversen theologischen Formulierungen.“ (W. Pannenberg, Gegenwart Gottes. Predigten, 82f). „Indem die Christen in aller Verschiedenheit ihrer jeweiligen Überlieferungen das Bewußtsein ihrer Einheit zum Ausdruck bringen, werden sie der Welt ein Beispiel dafür geben können, wie Einheit in der Verschiedenheit der Interessen und Überzeugungen möglich ist.“ (a. a. O., 83). Zu seiner Rede von der Wahrheit schlechthin vgl. schließlich noch W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 278 (Anm. 37). 49 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 202. 50 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 202. 51 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 202 (Pannenberg zitiert hier H. Vogel, Wann ist ein theologischer Satz wahr?, 176). Ohne Bezugnahme auf Pannenberg, aber doch in geradezu frappierender Ähnlichkeit argumentiert einige Jahre später der kath. Theologe J. Werbick für die These der Einheit der Wahrheit. Der Tendenz zu „mehrfachen Plausibilitäten und „mehrfachen Wahrheiten“ darf gerade die Theologie nicht nachgeben, weil sie sonst ihren Anspruch aufgeben müßte, die Wahrheit der Wirklichkeit im Ganzen – wenn auch in einer besonderen Hinsicht – darzustellen.“ (J. Werbick, Theologie als Theorie?, 213f). Werbicks wissenschaftstheoretische und fundamentaltheologische Erwägungen weisen auch an anderer Stelle deutliche Parallelen – z. B. in der Anwendung des Kohärenzkriteriums (s. u.) – auf.

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Für Pannenberg scheint selbstverständlich, dass die christliche Verkündigung nicht anderes als einen Anspruch auf die eine Wahrheit schlechthin erhebt. Täte sie dies nicht, würde sie ‚museumsreif‘: „Die Folge müßte dann wohl sein, daß die christliche Verkündigung allmählich museumsreif würde. Darum muß die Theologie nach der einen Wahrheit schlechthin fragen, wenn sie sich anschickt, die Wahrheit der christlichen Botschaft zu bedenken.“52

Den erwähnten Rekurs auf die Totalität der Geschichte hält Pannenberg angesichts des Gottesgedankens für erforderlich, denn im Verständnis Pannenbergs ist Gott diejenige Macht, die alles Wirkliche bestimmt53. Pannenberg konstatiert einen geistesgeschichtlichen Horizont, in welchem die Theologie in ihrem Umgehen mit der Wahrheitsfrage sich selbst vorfinde. Dieser Horizont, den Pannenberg in dem von ihm sog. ‚abendländischen Wahrheitsverständnis‘ sieht, gewinnt für ihn größere Bedeutung – und das vor allem in zweifacher Hinsicht. Einmal bestimmt dieser Kontext Pannenberg zufolge unweigerlich das theologische Bemühen um Wahrheit; zugleich wird davon ausgegangen, dass die Geschichte dieses abendländischen Wahrheitsverständnisses zu wertvollen Einsichten hinsichtlich der Frage nach dem Wesen von Wahrheit beiträgt: „Bei solchem Bemühen findet sich die christliche Theologie immer schon vor in einem geistigen Bereich, in welchem von anderer Seite, nämlich insbesondere von der Philosophie her, die Frage nach der Wahrheit bereits gestellt ist. Die Theologie wendet sich dieser Frage zu innerhalb eines vorgegebenen, wenn auch nicht unbesehen hinzunehmenden Zusammenhanges, inmitten des abendländischen Wahrheitsverständnisses. Außerhalb dieses Zusammenhanges beginnt heute auf der ganzen Erde niemand mehr, und gewiß nicht der christliche Theologe, nach der Wahrheit zu fragen – gleichgültig, ob man das nun weiß und zugibt oder nicht. Das abendländische Wahrheitsverständnis, das den Kontext der theologischen Frage nach der Wahrheit bildet, ist nun aber selbst keine einförmige Größe, sondern hat eine Geschichte, ist nur in dieser seiner Geschichte angemessen wahrzunehmen, und es wird noch zu klären sein, wie diese Geschichte des Wahrheitsverständnisses sich zum Wesen von Wahrheit selbst verhält.“54

52 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 202f. 53 Siehe dazu etwa Pannenbergs Hinweis, dass die Totalitätsfrage bereits im Wortgebrauch ‚Gott‘ impliziert sei. So Pannenberg in seinem Diskussionsbeitrag: S.M. Daecke, H.N. Janowski, W. Pannenberg, G. Sauter, Theologie als Wissenschaft. Ein Gespräch, 99. 54 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 203.

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3.2.2 Analyse: Zum Spektrum der Wahrheitsfrage in der Interpretation Pannenbergs Ausgehend von seinem frühen Aufsatz „Wa s i s t Wa h r h e i t ? “ provoziert Pannenbergs Umgang mit der Wahrheitsfrage eine Reihe von sachlichen bis kritischen Rückfragen. Es besteht jedenfalls weiterer Aufklärungsbedarf. Ein erster Punkt betrifft die schlichte Frage nach dem Inhalt der Wahrheitsfrage.

3.2.2.1 Definitorisch – kriteriologisch – verifikatorisch Aus Pannenbergs Erwägungen zur Frage „Wa s i s t Wa h r h e i t ? “ geht hervor, dass er die Wahrheitsfrage für unterschiedliche Fragerichtungen bemüht hat. Es geht ihm auf der einen Seite darum, zu explizieren, was diese Frage bedeutet, also darum zu klären, wonach gefragt wird. Insofern er darzulegen beabsichtigt, was die Frage bedeutet, stellt sich die Wahrheitsfrage als eine definitorische und so zugleich als eine Frage nach dem (formalen) Wahrheitsbegriff 55 dar. Daneben wird von ihm unter der Wahrheitsfrage auch im Besonderen die Frage nach materialer Wahrheit (mit-)thematisiert. Kriteriologische und verifikatorische Aspekte spielen außerdem eine nicht unwesentliche Rolle, insofern Pannenberg auf die Möglichkeitsbedingungen von Wahrheitserkenntnis als Wahrheitserfahrung reflektiert und damit auch die Frage nach ihrer Beantwortung mitberücksichtigt56. Was der Wahrheitsfrage zufolge von Pannenberg inhärent ist, ist dann auch konstitutiver Horizont für ihre Beantwortung. Wenn Pannenberg mit seiner Interpretation der Wahrheitsfrage die Rahmenbedingungen ihrer Klärung mitbespricht, dient sein Fragen nach Wahrheit nicht der begrifflichen Erfassung dessen, was unter ‚Wahrheit‘ zu verstehen sei, sondern wird zum Initial der Überlegugen für den Prozess der Wahrheitsfindung: Kurzum: Pannenberg liefert mit seiner Interpretation der Wahrheitsfrage zugleich auch die Rahmenbedingungen mit, innerhalb derer sie zu klären sei. Im Ganzen ist sein Fragen nach Wahrheit facettenreich und mehrdeutig. 55 Das entspricht durchaus der Selbsteinschätzung Pannenbergs, wonach er seine Ausführungen in Was ist Wahrheit? als Beitrag zum Wahrheitsbegriff verstehen möchte (siehe dazu W. Pannenbergs Vorwort zu: W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 5 Anm. 1). 56 Pannenberg selbst bezeichnet diesen Aufsatz schlicht als einen Beitrag zum Wahrheitsbegriff (vgl. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 5), und das, obwohl darin auch die mit dem Begriff der Wahrheit zusammenhängenden Fragestellungen aus der Epistemologie und Fragen der Verifikation (Bewährung) verhandelt werden. Vgl. den gleichnamigen Aufsatz in Grundfragen systematischer Theologie, 202–222. Dieser 1962 erstmals veröffentlichte Aufsatz stellt die schriftlich fixierte Form eines von Pannenberg bereits am 24. November 1961 an der Kirchlichen Hochschule in Berlin gehaltenen Vortrages dar. Vgl. a. a. O. , 202, Anm. 1.

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In späteren Publikationen bietet sich dem Leser ein vergleichbar unübersichtliches Bild. Pannenberg differenziert scheinbar nach Belieben die Wahrheitsfrage aus – z. B. in unterschiedliche Fragen nach verschiedenen materialen Wahrheiten: – Mal geht es ihm darum, „in erster Linie nach der Wahrheit des Glaubens und seiner Inhalte [kursiv: T. L.] zu fragen.“57 „Die Theologie hat das Christentum als die von der Frage nach der Wahrheit des christlichen Glaubens, oder nach der Wirklichkeit des in Jesus von Nazareth gegenwärtig gewordenen Reiches Gottes bewegte Geschichte zu untersuchen und darzustellen.“58 – Mal geht es Pannenberg bei seiner Wahrheitssuche um „[d]ie ausdrückliche Thematisierung der Frage nach der Wahrheit der christlichen Lehre [kursiv: T. L.]“59 und deren Erörterung. – An wieder anderer Stelle erklärt er, die Theologie habe für „die Wahrheit des christlichen Redens von Gott [kursiv: T. L.]“ einzutreten60. In seiner „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ richtet sich sein Erkenntnisinteresse u. a. auf die Frage „nach der Wahrheit des Dogmas [kursiv: T. L.]“; er fragt, „ob die Dogmen der Kirche Ausdruck der Offenbarung Gottes und also Dogmen Gottes selbst sind, und sie verfolgt diese Frage, indem sie das Dogma auslegt.“61 Das sind allesamt sehr wichtige Fragen nach Wahrheit, die deutlich machen, dass Pannenberg mit seinem Fragen nach Wahrheit nicht nur zum Teil sehr unterschiedliche Fragen stellen kann, sondern auch sehr spezielle Detailfragen aufgegriffen wissen wollte.

57 Vgl. W. Pannenberg, Geist gegen Zeitgeist. Gespräch mit dem Theologen Wolfhart Pannenberg, 265. („Die Vermittlung des Glaubens ist zunächst die Aufgabe der Predigt und nicht die der Theologie.“ [a. a. O., 265]). 58 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 419f. 59 Im Unterschied zur kirchlichen Lehre, die die „Wahrheit des Evangeliums voraussetzen“ müsse. Siehe (auch) dazu W. Pannenberg, Bleiben in der Wahrheit als Thema reformatorischer Theologie, 134. Siehe auch im identischen Aufsatz in W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 3, 354. Zu beiden o.g. Hinsichten der Wahrheitsfrage äußert er sich auch an anderer Stelle: „The task of theology is not only to investigate the origin and the original content of the Christian faith and of the doctrine of the church, or the changes they underwent in the course of history, but also to determine the truth which is contained in that tradition.“ (W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 6 f). 60 W. Pannenberg, „Fundamentaltheologie“ als anthropologische Grundlegung einer Theologie der Religion und der Religionen?, 197. 61 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 26.

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3.2.2.2 Zu ontologischen und essentialistischen Implikationen der Frage nach dem Wesen von Wahrheit Die Wahrheitsfrage wie Pannenberg als Frage nach dem Wesen von Wahrheit aufzufassen ist weder unmittelbar einleuchtend noch unproblematisch. Eine solche Interpretation der Wahrheitsfrage hat die Annahme zur Voraussetzung, dass Wahrheit eine Größe ist, der ein (wie auch immer näher zu bestimmendes) Wesen zukommt. Eine solche Vorstellung muss keineswegs jedem Wahrheitsfragen zugrundeliegen! Sie kann es allenfalls, etwa wenn solches Fragen tatsächlich nach etwas fragt, was auf grammatikalischer Ebene durch ein Substantiv repräsentiert wird. Dieses Substantiv ‚Wahrheit‘ indiziert seinerseits in solch einem Fall, was die Frage nach dem Wesen von Wahrheit ihrerseits impliziert: die Vorstellung, dass die Frage nach der Wahrheit und ihrem Wesen eine Frage nach ihrer Substanz oder Essenz ist, womit präsupponiert wäre, dass mit der Wahrheitsfrage nach Entitäten (also z. B. Sachen und Dingen) gefragt werden kann. Mit der Interpretation als Wesensfrage wäre auch die Möglichkeit zu Personifikationen und ähnlichem gegeben, wie es etwa die hypostasierende Rede von der ‚Frau Wahrheit‘ veranschaulicht62, wodurch zugleich die prinzipielle Option eines metaphorischen Sprachgebrauchs realisiert wäre. Die substantivische Verwendungsweise – gerade im Unterschied zu einem adjektivischen Gebrauch von ‚wahr‘ – deutet bei Pannenbergs Rede von ‚Wahrheit‘ und ihrem Wesen darauf hin, dass er den Gedanken einer ontologischen Wahrheit bereits in der nur scheinbar neutralen Wahrheitsfrage präsupponiert63. So gesehen lässt sich immerhin mit Blick auf Pannenberg sagen, dass die Frage nach dem Wesen von Wahrheit (Substantiv) durchaus sinnvoll sein kann und auch nicht rundweg ein Scheinproblem darstellen muss, wie etwa L. Wittgenstein in seinen „Philosophischen Untersuchungen“ meinte und zu seiner Beseitigung Wahrheit auf den (s.E. ursprünglichen, im Alltag beheimateten) adjektivischen Gebrauch (wahr) zu reduzieren müssen glaubte64, wobei gegen Wittgenstein und zur Verteidigung von Pannenbergs Sprachgebrauch vor allem zu sagen ist, dass auch der substantivische Gebrauch im truth talk des Alltags weit verbreitet ist und eine Reduktion auf den adjektivischen Gebrauch in nicht allen Fällen möglich ist65.

62 So das Beispiel von K. Gloy, Wahrheitstheorien, 31. 63 Zum Substantiv Wahrheit und dessen essentialistischen Implikationen vgl. P. Janich, Was ist Wahrheit?, 20; vgl. ferner auch L. Gerbracht, Wahrheit und kognitive Perspektive, 7–9. 64 Vgl. dazu L. Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen (§ 116), 343. Es ist dies ein sprachanalytisches Reduktionsprogramm, um nicht nur den Ausdruck ‚Wahrheit‘, sondern auch andere, aus seiner Sicht von Seiten der Philosophie unzulässig vorgenommenene Hypostasierungen (wie etwa auch die von sein zu → Sein) von ihrem metaphysischen Gebrauch „auf ihre alltägliche Verwendung zurück[zuführen].“ (ebd.) 65 Siehe dazu die im Folgenden dargestellten Einwände von K. Gloy, Wahrheitstheorien, 30f.

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Ungeachtet dieser berechtigten Kritik an Wittgenstein: Man sollte sich durchaus bewusst sein, welche Assoziationen mit der nur scheinbar neutralen Frage nach Wahrheit heraufbeschworen werden können. Offenbar erkennt Pannenberg in der Wahrheitsfrage selbst keinerlei „Gefahrenquellen“. Das scheint mir ein Manko zu sein. Allerdings darf Pannenberg zugute gehalten werden, dass derlei hypostasierende und auch die sich dazugesellenden essentialistischen Implikationen im Fragen nach Wahrheit intendiert gewesen sind66. Denn es ist sein Anliegen gewesen, das Phänomen ‚Wahrheit‘ primär onto(theo-)logisch zu fundieren67. Die Tatsache, dass essentialistische bzw. ontologische Implikationen im Fragen nach Wahrheit jedoch an keiner Stelle innerhalb seines Werkes als ein auch nur annäherungsweise potentielles Problem notiert worden sind, prägt seinen Umgang mit der Wahrheitsproblematik. (Dass Wittgensteins sprachanalytisches Kritikprogramm keine Beachtung findet, wundert vor diesem Hintergrund freilich nicht.) Während also manche der am Wahrheitsdiskurs Beteiligten hinter der durch das Substantiv repräsentierten Rede von ‚der Wahrheit‘ eine ungerechtfertige Hypostasierung zu erkennen glauben und in der so verstandenen Frage nach ‚der Wahrheit‘ die Jagd nach einer bloßen Chimäre meinen aufdecken zu können68 oder schließlich als überzeugte Postmodernisten ohnehin eher anti-essentialistische Tendenzen verfolgen (wodurch freilich das Fragen nach Wahrheit in ihrer [gerade auch] wesensmäßigen Einheit skeptisch beäugt wird69), liegt der (übri66 Auch K. Gloy sieht die Substantivierung des Adjektivs ‚wahr‘ zu ‚Wahrheit‘ an sich noch nicht als problematisch an (vgl. K. Gloy, Wahrheitstheorien, 41). Sie hatte ja gezeigt (siehe insbes. oben), dass i. d. R. zwischen niederem und höherem Sprachgebrauch hinsichtlich des mit den Ausdrücken ‚Wahrheit‘ und ‚wahr‘ assoziierten Bedeutungsgehaltes keine Unterschiede bestehen, sodass also auf den verschiedenen Gebieten keine voneinander verschiedenen Wahrheitsbegriffe ausgemacht werden können. Lediglich der „metaphorische, rhetorisch bedingte, dichterische Sprachgebrauch“ (K. Gloy, Wahrheitstheorien, 41), bei dessen Anwendung z. B. von „Frau Wahrheit“ oder auch etwa von „Sieg oder Niederlage der Wahrheit“ (a. a. O., 40) gesprochen werden kann, stellt – wie man Gloy beipflichten kann – eine Herausforderung dar, insofern Wahrheit dabei als Macht, Entität (als Wesen) oder gar als Person aufgefasst werden kann (vgl. a. a. O., 40 f). 67 Anders sieht es dagegen aus, wenn man wie etwa A. Kreiner (Ende der Wahrheit?, 3) im Gefolge der neueren wahrheitstheoretischen Diskussion in der Philosophie Wahrheit für eine Eigenschaft von Aussagen hält und es darum für verfehlt hält, überhaupt nach dem Wesen von Wahrheit zu fragen. 68 Zu dieser in der Philosophie anzutreffenden Gruppe mit deflationistischen Tendenzen im Umgang mit der Wahrheitproblematik vgl. die Bemerkungen von R. Schantz, Wahrheit, Referenz und Realismus, 2. 69 „Die Auflösung der Idee der Wahrheit als Einheit spiegelt sich im Postmodernismus in einem grundsätzlichen Anti-Essentialismus wieder. Lehnt man die Idee der Wahrheit als Einheit und Identität ab, dann ist es nur folgerichtig, wenn auch feststehende Wesensmerkmale gemieden werden. […] Das Wesen hat für sie keine ontologische Bedeutung, sondern erschöpft sich in einem bloß konventionellen Etikettieren.“ (B. Goebel u. F.S. Müller, Postmodernismus: Status quo einer philosophischen Strömung. Einleitung –

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gens auch vorwiegend anzutreffende) substantivische Sprachgebrauch vollends auf der Linie der von Pannenberg anvisierten Wahrheits-Programmatik. Pannenbergs Rede von der strukturell ontologischen ‚Wahrheit der Dinge‘ oder ‚Sachen‘ belegt dies nur exemplarisch, aber dafür ausreichend deutlich70. 3.2.2.3 Disparate Wahrheitsfragen (Nicht nur) in dem Aufsatz „Wa s i s t Wa h r h e i t ? “ bezieht Pannenberg die Wahrheitsfrage auf verschiedene Wahrheitsbegriffe, ohne dass diese nicht unproblematische Vorgehensweise jedoch von ihm selbst wahrgenommen zu werden scheint. Die Wahrheitsfrage als ontologische Frage nach dem Wesen der Wahrheit ist etwas anderes als die Frage nach der Wahrheit des Glaubens, die eher aussagetheoretisch als Frage nach den (sprachlich verfassten) Inhalten des Glaubens fragt. Welchem Begriff von Wahrheit die Frage nach ihrer Einheit angehört, müsste zunächst geklärt werden, anstatt dass einfach disparate Wahrheitsfragen unter die eine Frage nach einer Wahrheit subsumiert werden. In Ermangelung einer Differenzierung in den Fragerichtungen wird die Wahrheitsfrage zu einer äquivoken Frage nach strukturell Verschiedenem. Daran kann auch keine noch so starke Absichtserklärung wie diejenige, nach der Einheit der Wahrheit fragen zu wollen, etwas ändern. Erst die Einsicht in die Verschiedenheit der Wahrheitsfragen würde die weiterführende und nicht unwesentliche Prüffrage evozieren, inwiefern Einheit der Wahrheit angestrebt wird – auf der Ebene eines formalen Wahrheitsbegriffs, als materiale Einheit unter Zugrundelegung eines spezifischen Wahrheitsbegriffs oder in Gestalt einer Einheit verschiedener Wahrheitsbegriffe? 3.2.2.4 Zur Bedeutung einer ‚kontextuellen‘ Klärung der Wahrheitsfrage Für die Theologie bezeichnet Pannenberg in „Wa s i s t Wa h r h e i t ? “ das von ihm sog. abendländische Wahrheitsverständnis als jenen entscheidenden und vorgegebenen Kontext, innerhalb dessen die Wahrheitsfrage zu stellen sei. Dementsprechend hat er ausdrücklich gemacht, dass die von ihm angestrebte Klärung der Wahrheitsfrage im Kontext eben dieses abendländischen WahrheitsverÜberblick der Beiträge, 15). Zum Anti-Essentialismus innerhalb der Postmoderne siehe a. a. O., 15 ff. 70 „Weil die Wahrheit der Sache [kursiv: T. L.] auch in der gegenwärtigen Sachperspektive noch nicht endgültig und absolut allgemeingültig gegeben ist, sondern noch fraglich bleibt, weiterer Erfahrung offen“. (W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 119). Zum Gebrauch der Wendung ‚Wahrheit der Dinge‘ vgl. exempl. W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 513 oder W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 1, 117f.

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ständnisses erfolgen möge. Dass diese Klärung innerhalb dieses Zusammenhanges geschehen müsse, wird mit dem Argument zu legitimeren versucht, dass sich jedes Fragen nach der Wahrheit faktisch immer schon in jenem geschichtlichen Kontext ereigne, wobei er das nicht so verstehen will, dass dabei dieser Kontext jedweden theologischen Fragens nach der Wahrheit „unbesehen“ hinzunehmen sei71. Für die Klärung der Wahrheitsfrage erweist sich nach Einschätzung von Pannenberg dieser geistes- und traditionsgeschichtliche Horizont dennoch als unhintergehbarer Kontext. Es ist seine Überzeugung, dass aus der Geschichte dieses abendländischen Wahrheitsverständnisses offensichtlich wichtige Erkenntnisse gewonnen werden können für die Klärung der Frage nach dem Wesen von Wahrheit72. Diese Andeutung verdient weitere Beachtung. Denn man kann durchaus die Frage stellen, ob es überhaupt das von Pannenberg behauptete ‚abendländische Wahrheitsverständnis‘ gibt, und falls ja, in welcher Gestalt. Etwa als ein einheitliches? Neuere Untersuchungen zeigen, dass die Philosophie- und Theologiegeschichte eine Vielzahl unterschiedlicher Wahrheitskonzeptionen hervorgebracht hat – und zwar solche, die nicht einfach auf einen Gegensatz zwischen biblischem und griechischem Wahrheitsverständnis zurückzuführen sind73. Diese sind zunächst alle voneinander verschieden, auch wenn sie – wie hier behauptet wird – häufig ein Phänomen thematisieren, das in Gestalt eines einheitlichen, semantisch-ontologischen Wahrheitsbegriffs expliziert werden kann. Es lässt sich allerdings auch schon grundsätzlicher hinterfragen, ob der Anschluss an eine bestimmte Tradition, wie z. B. die abendländische, gesucht werden muss zum Zwecke der Wahrheitsfindung. Ich frage mich: Wie kann die Tatsache, dass es diese Tradition gibt, das Unternehmen legitimieren, auch heute in dieser Tradition zu fragen? Kann man diesen Horizont wirklich nicht transzendieren? Müsste nicht auch die kritische Frage gestellt werden, ob – sollten bestimmte, noch aufzuspürende Gründe dafür sprechen – dieser Horizont prinzipiell überschritten werden kann oder gar muss? Und was ist mit der modernen philosophischen Wahrheitstheorie? Sie gehört sicher auch zur Tradition, wenn auch zu einer neueren.

71 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 203. 72 Das deutet Pannenberg an in: W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 203. Im Verlauf seiner Erwägungen wird Pannenberg darauf zurückkommen. 73 Das wird sehr deutlich in: M. Enders/J. Szaif (Hg.), Die Geschichte des philosophischen Begriffs der Wahrheit, Berlin 2006.

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3.2.2.5 Wahrheitserkenntnis per Wahrheitserfahrung? Empirie als epistemisches Mittel der Wahl Es fällt auf: Pannenberg zeigt mit seiner Explikation der Wahrheitsfrage, dass er für die Beantwortung dieser Frage der Erfahrung maßgebliche epistemologische Bedeutung beimisst. Die epistemologische Frage nach der Wahrheitserkenntnis wird nämlich vornehmlich über die Ebene der Erfahrung als der offenkundig adäquaten Ebene der Wahrheitserkenntnis zu beantworten gesucht. Es gehört zu den (stillschweigend vollzogenen) Voraussetzungen seines Umgangs mit der Wahrheitsfrage, dass er die Frage nach Wahrheit primär von der Totalität der Wirklichkeit her, und zwar genauer so, wie sie der menschlichen Erfahrung zugänglich ist, zu beantworten sucht. Das zu tun, setzt voraus, dass die Wirklichkeit durch Erfahrung adäquat erfasst werden kann. Erst von dieser Prämisse her macht es überhaupt Sinn, mit der Möglichkeit zu rechnen, dass Menschen mit ihrer Erfahrung der Wirklichkeit Wahrheit erkennen können, wenn auch präeschatologisch nur begrenzte, vorläufige Erkenntnis möglich sei. Hier erhebt sich dennoch freilich die grundsätzliche Frage, ob nicht neben solcher aposteriorischen, in gewissem Sinne auch empirisch zu bezeichnenden (Wahrheits-)Erkenntnis auch andere, alternative Formen der Wahrheitserkenntnis zuzulassen wären. (Die von Pannenberg andernorts benannten Aspekte der Kohärenz und des Konsensus wären immerhin als Kriterien der Wahrheit denkbar, die die hier beschriebene aposteriorische Struktur von Wahrheitserkenntnis um eine apriorische Dimension erweitern könn(t)en).

3.2.2.6 Die theologisch motivierte Spezifizierung der Wahrheitsfrage Pannenbergs erkennbar theologisch motivierte Herangehensweise im Umgang mit der Wahrheitsfrage bestimmt nicht nur in dem gewichtigen Aufsatz „Wa s i s t Wa h r h e i t ? “ die argumentative Dynamik. Auch in späteren Publikationen bestätigt sich dieses Bild. Und es wird deutlich, dass sein spezifisches Fragen nach Wahrheit darum verstärkt um die Mensch-Gott-Relationalität kreist. So ist die Wahrheitsfrage zuallererst und zutiefst von anthropologischer Relevanz. Sie ist als Frage nach Gott dem Menschen als einem religiösen Wesen zu verdanken: „The question of truth in religion is not only a theological question. It is not even theological in the first place. Before it comes to theology, there is a feeling of reliability or an awareness, but vaguely perceived, of the mysterious reality that encompasses and pervades our lives. To most people, beauty speaks of truth in more powerful ways than any intellectual argument does.“74 74 W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 5.

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Die Wahrheitsthematik erfährt auf diese Weise gleichsam eine anthropologische Herleitung: Pannenberg geht davon aus, dass der Mensch ein Wesen ist, das nach Wahrheit und Sinn (im Ganzen) fragt75, dass dem Menschen eine „capacity for truth and transcendence“ eignet76. P. Eicher hat zu Recht auf den Zusammenhang der Frage nach Wahrheit und der Frage nach Gott in Pannenbergs Denken aufmerksam gemacht: Der Mensch frage „unausweichlich […] über jede einzelne Sinnbestimmung und Wahrheit hinaus nach der alles bestimmenden Wirklichkeit, und das heißt für Pannenberg – nach Gott.“77

Ganz ähnlich hat später der Pannenbergschüler S.J. Grenz treffsicher erkannt, Pannenberg verstehe „the human quest for truth as the quest for God.“78 Von daher erklärt sich jedenfalls die theologische Zuspitzung in der Thematisierung von Wahrheit bei gleichzeitigem Zurücktreten der Wahrheitsfrage in alltäglichen und zuweilen trivialen Zusammenhängen: „If we suppose that the God of Israel and of Jesus is the one and only true God, then and only then is there sufficient reason for believing in that God, even if one is not a Jew.“79 Als „superficial or deceptive“ dagegen würden jene Faktoren beurteilt werden müssen, die zum jeweiligen Christsein führten, „if the God whom Jesus proclaimed, the God of Israel, were not the one true God.“80

Das Christsein hängt für Pannenberg also insofern von der Wahrheitsfrage ab, als es in ihr grundlegend um die Frage nach der Wirklichkeit dieses Gottes geht, von der alles abhängen soll81. Hierin dürfte der vorzügliche Schwerpunkt seines Fragens nach Wahrheit überhaupt liegen.

75 Vgl. dazu W. Pannenberg, Was ist der Mensch?, 95–103. Darauf hat bereits P. Eicher, Offenbarung, 444 mit Recht hingewiesen. 76 Vgl. W. Pannenberg, Letter from Germany, 10: Diese Anlage zu Wahrheit und Transzendenz sieht Pannenberg allerdings auch der Gefahr möglichen Abstumpfens ausgesetzt. Langfristig sieht er das Unheil drohen von einer säkularen Kultur „of death“, in welcher das Christentum für irrelevant gehalten wird. Er fordert eine „recovery of a culture rooted in Christianity“, da die EU untrennbar sei von ihren christlichen Wurzeln (ebd.). 77 P. Eicher, Offenbarung. Prinzip neuzeitlicher Theologie, 444. 78 S.J. Grenz, „Scientific“ Theology/ „Theological“ Science: Pannenberg and the Dialogue between Theology and Science, 159. Vgl. auch a. a. O., 162 („quest for truth is ultimately the quest for God“). Dies ergibt sich durch Pannenbergs „linking of truth with God“ (ebd.), verdankt sich also einer veritativ-konzeptionellen Eigenart, die später noch ausführlicher behandelt wird. 79 W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 4f. 80 W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 5. 81 Vgl. W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 5.

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3.2.3 Zwischenfazit Die nähere Betrachtung der Wahrheitsfrage in ihrer Interpretation bei Pannenberg hat sich als sehr aufschlussreich erwiesen. Diese, d. h. seine, Art und Weise der Erörterung und Behandlung der (menschlichen) Wahrheitsfrage zielt in eine Richtung, die für die gegenwärtige philosophische Theoriediskussion zum Thema eher weniger typisch ist, dafür aber umso mehr das spezifisch theologische und zugleich das zutiefst eigene Erkenntnisinteresse Pannenbergs deutlich offenlegen. Im Kern heißt das: Eine Erschließung dessen, was Pannenberg unter der Frage nach Wahrheit versteht, eröffnet dem Leser einen ersten Zugang zu dessen Verständnis von Wahrheit in seinen wesentlichen Eigentümlichkeiten. Darüber hinaus wird deutlich, wie sehr die Interpretation der Wahrheitsfrage mit Vorentscheidungen verbunden ist, die die Klärung der Wahrheitsfrage und des Phänomens Wahrheit keinesfalls unwesentlich beeinflussen. Es ist nicht erst gegenwärtig nicht gerade eine Selbstverständlichkeit, die Wahrheitsfrage entschieden als eine theologische oder pisteologische Frage zu verstehen, die nach Wahrheit in ihrer ontischen Einheit im Horizont der Einheit der Wirklichkeit fragt und dabei Gott als deren Stifter in das Fragen nach Wahrheit bewusst miteinträgt. Es versteht sich auch nicht von selbst, die Wahrheitsfrage entschieden als religiöse Frage des Menschen nach Gott aufzufassen. Und schließlich versteht es sich ebensowenig von selbst, dass die Wahrheitsfrage in einem spezifischen Kontext zu behandeln sei, ja in einem Kontext, den (der frühe) Pannenberg selbstbewusst setzt, nämlich den eines kühn postulierten sog. abendländischen Wahrheitsverständnisses, dessen Wurzeln letztlich zwar nicht ausschließlich, aber doch auch auf biblisches Anschauungsmaterial zurückgehen. Wie sich zeigte, evoziert diese unverkennbar theologisch motivierte Vorgehensweise kritische Anfragen, mitunter sind auch nicht unerhebliche Schwierigkeiten damit verbunden. Die die positionelle Selbstverortung Pannenbergs indizierenden Interpretamente der Wahrheitsfrage prägen seine Wahrheitskonzeption maßgeblich, wie auch an den ihr zugeschriebenen Attributen deutlich werden wird.

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Die Attribute der Wahrheit und die Frage nach dem (formalen) Wahrheitsbegriff

Lassen die oben wiedergegebenen Kurzbeschreibungen der Wahrheitskonzeption Pannenbergs in Kombination mit dessen Interpretation der Wahrheitsfrage die Konturen seiner Wahrheitskonzeptionen im Sinne der Eckpfeiler vage erahnen, so muss derjenige, der sich ein gründliches Bild machen will von seinem Wahrheitsverständnis, den Blick richten auf die Attribute der Wahrheit. Dies ist deshalb erforderlich, weil Pannenberg in den zahlreichen Darlegungen seines Wahrheitsverständnisses häufig diesen Pfad über die Wahrheitsattribuierung wählte. Im Folgenden werden sämtliche von Pannenberg formulierten Meta- und Objektaussagen über Wahrheit, ihren Charakter und ihren Begriff in systematisierter Form dargestellt. Darum werden die einzelnen Attribute (im unproblematischen Sinn von Charakteristika) zunächst isoliert betrachtet – später im Zusammenhang betrachtet und auf ihre Kommensurabilität hin reflektiert. Die hinter dieser Vorgehensweise liegende Erwartung ist die, dass über die Kenntnisse der von Pannenberg ‚der Wahrheit‘ zugeordneten Attribute entscheidende Einsichten zu gewinnen sind über sein Wahrheitsverständnis im Allgemeinen, über die darin enthaltenen (formalen) Wahrheitsbegriffe und so auch über die im Einzelfall von Pannenberg mit dem Ausdruck ‚Wahrheit‘ assoziierten Phänomene. Die elementaren Attribute der Wahrheit sind Pannenberg zufolge Einheit, Allgemeinheit, Objektivität, Intersubjektivität, Ökumenizität, Katholizität, Geschichtlichkeit, Göttlichkeit und Absolutheit.

3.3.1 Die Einheit der Wahrheit „Truth is one, and it is the business of theology to articulate this Truth.“1 „Many churchmen will no doubt welcome his stress on the unity of truth“2. „Truth, for Pannenberg, is essentially unitary.“3 „Truth must be one- – that appears to stand as selfevident for him.“4

1 So R.L. Wilken (Who is Wolfhart Pannenberg?, 141). 2 P.J.A. Cook, Pannenberg: A Post-Enlightenment Theologian, 262. 3 So zu Recht H.W. White, A critique of Pannenberg’s Theology and the Philosophy of Science, 419. White beruft sich auf den Aufsatz „Was ist Wahrheit?“. 4 D.P. Polk, On the Way to God. An Exploration into the Theology of Wolfhart Pannenberg, 51 Anm. 21.

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3.3.1.1 Einheitsideal und die Einheit der Wahrheit Pannenbergs Theologie ist von einem Einheitsdenken in verschiedensten Hinsichten durchzogen5. Hier interessiert, dass Pannenberg den Gedanken der Einheit der Wahrheit verficht. Für ihn ist klar, dass „die Wahrheit nur eine sein kann [kursiv: T. L.]“.6 Davon legen die zahlreichen Belege zur Einheit der Wahrheit ein unmissverständliches Zeugnis ab. Die von ihm vielfach betonte

5 Zur Einheit Gottes vgl. z. B. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 302f; zur Einheit des göttlichen Wesens vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 187 u. 355ff. A. a. O., 187 siehe auch seine Überlegungen zur Einheit des Religionsbegriffs, der Religionsgeschichte, der Religion, der Menschheit, der Welt, der Wahrheit und zum Verhältnis dieser Einheiten zueinander: „Daß das göttliche Geheimnis als Einheit erfaßt wird, die Machtansprüche der Gottesgestalten und die konkreten Konflikte zwischen ihnen letztlich auf die Einheit einer darin in Erscheinung tretenden göttlichen Wirklichkeit bezogen werden, entspricht aber nur der Einheit des Religionsbegriffs, und zwar der darin enthaltenen Annahme einer Einheit der Menschheit in ihrer religiösen Bestimmung und der damit verbundenen Auffassung von einer trotz aller religiösen Pluralität doch bestehenden Einheit der Religionsgeschichte. Man könnte hinzufügen, daß auch eine Beziehung zur Einheit der Welt und zur Einheit der Wahrheit besteht, um die es in der Strittigkeit der Gottheit der Götter und Religionen geht, insofern die Wahrheit des Glaubens an die Gottheit eines Gottes angesichts der Welterfahrung und der konkurrierenden Wahrheitsansprüche anderer Götter auf dem Spiele steht. Daß die Annahme einer Einheit der Religion und der Religionsgeschichte ihrerseits einen kulturgeschichtlichen Ort hat, der durch die Tatsache des Monotheismus bedingt ist, wurde schon erwähnt. Aber damit wird die monotheistische Perspektive nicht dogmatisch ins Spiel gebracht. Daß die Religionsgeschichte nicht nur Geschichte menschlicher Vorstellungen und menschlichen Verhaltens ist, daß es vielmehr in ihr um die Wahrheit der göttlichen Wirklichkeit selber in den Gottesgestalten der Religionen geht, darin ist es begründet, daß die Religionsgeschichte als Erscheinungsgeschichte der göttlichen Wirklichkeit wie auch als Prozeß der Kritik an unzureichenden Auffassungen der Menschen von der göttlichen Wirklichkeit gelesen werden kann. Die unbeschadet aller Pluralität anzunehmende Einheit der Religion in der Geschichte der Religionen entspricht der Einheit der in dieser Geschichte, durch ihre Veränderungen und Abbrüche hindurch zur Erscheinung kommenden göttlichen Wirklichkeit. Diese ist aber nicht als Resultat gegeben.“ Des Weiteren finden sich Belege zur Einheit des Lebens (vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 124), des Raumes (vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 109), der Zeit (= als Ewigkeit: vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 114f), der Glaubenden (vgl. z. B. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 207), der Kirche (vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 34f, 119f, 125ff, 139, 150, 402, 418, 423ff, 433, 436, 441f, 444, 460, 468f, 447f, 452f, 467, 469 u. 471. Vgl. a. a. O., 745), der Menschheit (vgl. W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 84 u. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 166), der in Gott gründenden Geschichte (vgl. W. Pannenberg, Erfordert die Einheit der Geschichte ein Subjekt?, 478–490, bes. 486f) und der Wirklichkeit (vgl. W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 461f). Die Liste ließe sich fortsetzen. Auf Details und größere Zusammenhänge ist hier nicht weiter einzugehen. 6 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 29; siehe auch exempl. W. Pannenberg, Die Religionen in der Perspektive christlicher Theologie und die Selbstdarstellung des Christentums im Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen, 316.

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Einheit der Wahrheit7 ist ihm eine feste Überzeugung8 gewesen, eine selbstverständliche Annahme, eine Prämisse9, die – explizit offen gelegt10 oder nicht – zu einem zentralen Charakteristikum seines Wahrheitsverständnisses geworden ist11, wie sich bereits in seinem Verständnis der Wahrheitsfrage deutlich angedeutet hat. Ganz offensichtlich meinte Pannenberg ein allgemeines Bewusstsein von der Vorstellung der Einheit der Wahrheit voraussetzen zu können12. Zu Recht ist darum bei Pannenberg „die Einheit [als] ein Integral des Wahrheitsbegriffs“

7 So spricht etwa F. LeRon Shults (The Postfoundationalist Task of Theology, 122) von einer „emphasis on the unity of truth“ bei Pannenberg. 8 Auch D.P. Polk (On the Way to God. An Exploration into the Theology of Wolfhart Pannenberg, 3) meint, dass es sich hierbei um eine feste Überzeugung Pannenbergs handelt. 9 So etwa auch schon D.P. Polk (On the Way to God. An Exploration into the Theology of Wolfhart Pannenberg, 51 Anm. 21), der Pannenbergs Behauptung der naturgemäßen Einheit der Wahrheit in ‘Was ist Wahrheit?’ wie folgt kommentiert: „It is important to point out at this juncture that truth’s necessary unity stands basically as a premise for Pannenberg which does not receive undergirding elaboration. Truth must be one- – that appears to stand as selfevident for him.“ Seine Einschätzung, es mangele an untermauernder Ausführung („undergirding elaboration“) trifft jedoch nicht (mehr) zu. Auch Chr. Glimpel (Gottesgedanke und autonome Vernunft, 104) interpretiert die Einheit der Wahrheit bei Pannenberg als Prämisse. Die Selbstverständlichkeit der Vorstellung der Einheit der Wahrheit kommt auch in einer beläufigen Bemerkung Pannenbergs deutlich zum Ausdruck, worin er in Bezug auf ein (abstraktes) Individuum die Möglichkeit formuliert, dass dieses ein „Bewußtsein einer Einheit der Wahrheit“ habe, ohne dabei dieses behauptete Bewusstsein näher zu erläutern. Siehe dazu W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 177. 10 So findet sich etwa ein expliziter Beleg für die „Voraussetzung, daß nur eine Wahrheit ist“ (W. Pannenberg, Die Vernünftigkeit der Vernunft als theologisches Problem, 74 bzw. alternativ: W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 238). 11 So etwa auch Chr. Mostert (God and the Future, 118), der in dem Gedanken der Einheit der Wahrheit (neben ihrer Geschichtlichkeit) einen Aspekt von höchster Bedeutung für Pannenbergs Wahrheitsverständnis erkennt. Als unzutreffend einzustufen ist dagegen das Urteil von R. Nnamdi, der den aus der scholastischen Metaphysik stammenden Grundsatz unum et verum convertuntur programmatisch bei Pannenberg wiederzuerkennen meint (vgl. R. Nnamdi, Offenbarung und Geschichte. Zur hermeneutischen Bestimmung der Theologie Wolfhart Pannenbergs, 25 u. 27). Denn Pannenberg bezieht den Einheitsgedanken nicht ausschließlich auf Wahrheit (auch wenn die einzelnen Relata wenigstens zum Teil letztlich in Beziehung zur Wahrheit in ihrer Einheit stehen mögen), sodass beide nicht zwangsläufig ineinanderfallen bzw. austauschbar wären. Richtig bleibt die sich in diesem scholastischen Grundsatz andeutende Verbindung oder gar Identifikation von Sein und Wahrheit, die in Gestalt der ontologischen Wahrheit (z. B. Sachwahrheit, Wahrheit der Dinge [oft auch in der Bedeutung des Wesens der Dinge]) einen nicht unwesentlichen Aspekt der Pannenberg‘schen Wahrheitskonzeption ausmacht. 12 Darauf deuten die nachfolgend genannte Bemerkung hin: Es ist dort die Rede von einer „opposite alienation of arbitrary individualism, which denies the individual the consciousness of a unity of truth [kursiv: T. L.] beyond his arbitrary choices and still makes him feel dominated by others who take advantage of his basic human needs.“ (W. Pannenberg, Future and Unity, 69f).

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erkannt worden13 und von einer „starken generellen Einheitsthese“14 gesprochen worden – nicht immer ohne Kritik15.

13 So H. Springhorn, Immanenz Gottes und Transzendenz der Welt. Eine Analyse zur systematischen Theologie von Karl Rahner und Wolfhart Pannenberg, 64. Springhorn rekurriert mit seiner Einschätzung auf P. Eicher, Offenbarung, 439–442. P. Eicher (Offenbarung, 440) formuliert: „Grundlegend für die Wahrheitsqualität theologischen Redens ist nach Pannenberg seine innere Einheit – nicht Identität! – mit der historisch-kritischen Aussage; denn historisches Denken schließt hermeneutisches Denken ein, und hermeneutisches Denken muß historisches Denken bleiben“. Die Einheit theologischer Rede dürfte für Pannenberg ein Erfordernis angesichts der Einheit der Wahrheit sein. 14 So zu Recht auch I.U. Dalferth/ Ph. Stoellger, Wahrheit, Glaube und Theologie. Zur theologischen Rezeption zeitgenössischer wahrheitstheoretischer Diskussionen, 38. Ob diese Einheitsthese – wie etwa von Dalferth u. Stoellger – grundsätzlich kritisiert werden sollte, ist eine andere Frage. 15 Man vgl. etwa die Kritik von I.U. Dalferth u. Ph. Stoellger, „mit dieser starken generellen Einheitsthese droht die Wahrheit undenkbar und unsagbar zu werden. Kontingenz, Pluralismus und die Offenheit der Zukunft ermöglichen selbst Pannenberg, diese Einheit nur ‚proleptisch‘ vorauszusetzen, und eben diese totale Einheitsprämisse einer universalgeschichtlichen Eschatologie teilen weder Griechen noch Juden und weder alle Theologen noch Philosophen.“ (I.U. Dalferth/ Ph. Stoellger, Wahrheit, Glaube und Theologie. Zur theologischen Rezeption zeitgenössischer wahrheitstheoretischer Diskussionen, 38). Pannenbergs Verteidigung des Gedankens der Einheit der Wahrheit wird noch zu bewerten sein. Jedoch scheint mir der Hinweis darauf, dass die Wahrheit „unsagbar zu werden“ drohe, noch kein Argument gegen diese Annahme zu sein. Warum könnte die Beschaffenheit der Wahrheit nicht doch auch so gedacht werden, dass sie schwerlich aussagbar ist? Die zweite Bemerkung, dass Juden, Theologen und Philosophen diese These nicht unbedingt teilten, ist noch kein Argument gegen Pannenberg. Für den Fall, dass Einmütigkeit in der Ablehnung dieser These besteht, zeigt sie nur, dass es einen Konsensus in der Ablehnung dieser These gibt – mehr nicht. Die (auch) an die Adresse Pannenbergs gerichtete Kritik, es handele sich um eine „pluralismusreduktive Version eines Holismus“ mit einer „derart massive[n] Einheitsvoraussetzung“ (a. a. O., 38), ist im Übrigen auch nicht korrekt. Solche Kritik entspricht aber auch dem gegenwärtigen (noch postmodernen?) Zeitgeist. Auch der Theologe T. Waap kritisierte Pannenbergs Holismus als eine in der Spätmoderne überholte „Ganzheitsideologie“ (vgl. T. Waap, Gottebenbildlichkeit und Identität, 455; vgl. dazu auch a. a. O., 455ff): „Denn genau davon ist die heutige Welt geprägt, vom Fragmentarischen, vom Individualisierten, von einem religiösen Subjektivismus, der solche Ganzheitsansprüche kaum verstehen und erst recht nicht annehmen kann.“ (a. a. O., 475) Für Waap scheint nun diese unbestritten zutreffende Zustandsbeschreibung des gegenwärtigen Zeitgeistes merkwürdigerweise gleichzeitig ein Argument dafür zu sein, dass holisierende Wahrheitsansprüche nicht mehr erhoben werden könnten. Waap schreibt u. a., Pannenberg sträube sich, „den Wahrheitsanspruch als Ganzheitsanspruch des christlichen Glaubens aufzugeben.“ (a. a. O., 510 Anm. 98). Warum sollte er das auch? Die bloße Feststellung, dass holisierende Positionen derzeit – in einer „völlig durchsäkularisierten[n] Gesellschaft“ (ebd.) – nicht hoch im Kurs stehen, ist klar, besagt seinerseits jedoch nichts über das Recht oder Unrecht einer solchen Option. Dass Pannenberg, wie Waap meint, eine solche Gesellschaft nicht vor Augen gehabt habe, ist sicher auch unrichtig, wie seine deutliche Säkularismuskritik zeigt (s. u.). Die Aspekte der Pluralität und Perspektivität werden von Pannenberg in seiner Epistemologie berücksichtigt (s. u.) Es ist darum auch unzutreffend, wenn Dalferth und Stoellger in dieser Hinsicht einen Gegensatz

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Der Einheitsgedanke, wie er hier speziell in Bezug auf die Wahrheit erscheint, zeigt jedenfalls, dass Pannenberg ein der Moderne verpflichteter Denker gewesen ist und damit in Distanz stand zur sog. Postmoderne, deren Vertreter Einheitspostulate und universalisierend-holistische Ansätze tendenziell als Vereinheitlichung brandmarken oder dem Gedanken der Einheit der Wahrheit eher skeptisch gegenüberstehen16. (Nebenbei bemerkt: Auch das beliebt gewordene Leugnen der Einheit von Wahrheit ist zunächst auch nicht mehr als eine positionelle Ansage, über deren Wahrheitsgehalt noch nichts gesagt ist. So fragte damals R. Lauth noch: Ist es vielleicht, wie auch mir scheint, oftmals nur ein „bewußte[r] Wille“, der „sich gegen die Einheit der Wahrheit [stellt], weil er sie nicht will“17?) Zum radikalen Säkularismus, der aus Pannenbergs Sicht Wahrzwischen Pannenberg und L.B. Puntels und Chr. Landmessers Bestimmungen des Wahrheitsbegriffs konstruieren (I.U. Dalferth/ Ph. Stoellger, Wahrheit, Glaube und Theologie. Zur theologischen Rezeption zeitgenössischer wahrheitstheoretischer Diskussionen, 38). 16 Aufs Ganze gesehen ist die Postmoderne gekennzeichnet durch einen „Pluralismus von Werten, Stilen, Lebensmustern und Wahrheiten“. (Hans Joachim Türk, Postmoderne, 114/ Klappentext) Zu typischen Kennzeichen postmodernen Denkens vgl. ausführlicher B. Goebel u. F.S. Müller, Postmodernismus: Status quo einer philosophischen Strömung. Einleitung – Überblick der Beiträge, bes. 10ff. Siehe auch die diesbezüglichen Bemerkungen von W. Dietz zur postmodernen Auflösung des traditionellen Gedankens der Einheit der Wahrheit zugunsten eines Pluralitätskonzeptes: „Die Vielfalt wird dabei selber zum Programm, und die Eigenheit des Einzelnen bleibt singulär, eigenrichtig, aufhebungsgeschützt. Insofern das Viele im Recht ist und das Konkrete nicht auf Einheit hin zurückgeführt werden kann oder soll, gewinnt es sein Eigenrecht, seinen Eigen-Sinn. Das Viele ist selbst die Wahrheit. Damit aber ist der traditionelle Wahrheitsbegriff liquidiert, da der Einheitssinn von Wahrheit hier aufgegeben ist. Das Viele im absoluten Pluralismus ist nur insofern ”wahr”, als es zugleich ”unwahr” ist. Wenn das Wahre das unbestimmt Viele ist, dann bekommt der Skeptizismus Recht mit seiner These, daß die Wahrheit unbestimmbar ist. Insofern ist freilich nicht zu erwarten, daß von der Postmoderne mit ihrer Devise anything goes in irgendeiner Weise eine Widerlegung des Skeptizismus ausgehen könnte. Die postmoderne Kritik traditioneller Philosophie besteht in der Annahme, daß sie insgesamt in einem ”Gehäuse” rationaler Wahrheitssuche befangen ist, d. h. sich ganz auf die rationale Wahrheitsfrage konzentriert, statt Sinn und Wesen der Philosophie anderswo zu suchen. Postmoderne ist somit Inbegriff der programmatischen Suche nach diesem ”anderswo”.“ (W. Dietz, Wahrheit-GewißheitZweifel, 645 Anm. 1133). Zu allgemeinen Kennzeichen der Moderne siehe ausführlicher J. Dewey, Die Erneuerung der Philosophie u. E. Troeltsch, Die Bedeutung des Protestantismus für die Entstehung der modernen Welt. 17 So kritisch schon R. Lauth, Die absolute Ungeschichtlichkeit der Wahrheit, 48. Lauth deutet hier bereits die später in der Postmoderne deutlich(er) zu Tage tretende Schwierigkeit an, dass es uns zunehmend weniger gelingt, Teilerkenntnisse konsistent zusammenzudenken (ebd.). Freilich müssen die hier zutage tretenden Schwierigkeiten in der Konsistenz- und Kohärenzbildung weder zu Resignation (etwa in Gestalt eines Wahrheitsrelativismus) noch zur Auflösung des Gedankens der Einheit der Wahrheit führen. Sachgemäßer und zugleich weit wissenschaftlich ambitionierter wäre eine von jedem wissenschaftlichen Engagement in Angriff zu nehmende Überwindung von Inkohärenzen durch sorgsame Auseinandersetzung mit der kohärenztheoretischen Problematik und ihrer Folgen für die vorhandenen, als Wissen geltenden wissenschaftlichen Wahrheitsansprüche eines jeden Fachgebietes – auch hinsichtlich des andernorts als wahr Geltenden.

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heitsansprüche für nicht länger bedeutsam hält und die Vorstellung einer Wahrheit ablehnt, ergab sich durch die Wertschätzung, die Pannenberg der Wahrheit entgegengebracht und deren Einheit er konsequent betont hat, eine Frontstellung18. 3.3.1.2 Zum Spektrum der Einheit der Wahrheit: Die singuläre, monistische und holistische Dimension Was exakt meint Pannenberg, wenn er die Einheitsthese auf die Wahrheit anwendet? In der Antwort muss differenziert werden: Einheit der Wahrheit bedeutet in einem einfachen und zugleich basalen Sinn zunächst, dass er mit einer Wahrheit rechnet19. Einheit der Wahrheit in einem singulär-monistischen bedeutet ihre Singularität und Einzigkeit: Wahrheit als eine zu bezeichnen heißt dann sinngemäß, sie als einzige zu verstehen20. 18 Zu pluralistischen Positionen eines radikalen Säkularismus vgl. etwa W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 60: Pluralismus kann – worauf Pannenberg aufmerksam macht – viel heißen: „Pluralism can refer to a cultural situation in which competing truth claims are to be treated with respect. Pluralism can also mean, and all too often it does mean, the assumption that truth claims are no longer meaningful because there is no one truth.“ (ebd.) 19 Zur Einheit der Wahrheit im Werk Pannenbergs vgl. nachfolgende, exemplarische Auswahl an Belegstellen: W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 12, (19: „einende Wahrheit“), 89, 109, 117f, 238 – speziell im darin enthaltenen Aufsatz „Was ist Wahrheit“ (1962) bes. 202f, 208, 210, 214, 216 (inkl. Anm. 29 zu W. Kamlah), 217f, 219, 220, 222; W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 301 (dort: „Einheit der geglaubten Wahrheit“); W. Pannenberg, Die Vernünftigkeit der Vernunft als theologisches Problem, 74; W. Pannenberg, Gegenwart Gottes. Predigten, 80f; W. Pannenberg, Reformation zwischen gestern und morgen, 28; W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, bes. 33, 35ff, 40 u. 43; W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 53, 61f , 63f u 78; W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 23, 350, 420–423; W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 177 u. 185; W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 174; W. Pannenberg, Die Wahrheit Gottes in der Bibel und im christlichen Dogma, 282; W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 19; W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 29, 30f (mit Anm. 35 in Anknüpfung an M. Luther), 62f, 136f; W. Pannenberg, Den Glauben an ihm selbs fassen und verstehen, 355; W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 657; W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 56f; W. Pannenberg, Die Religionen in der Perspektive christlicher Theologie und die Selbstdarstellung des Christentums im Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen, 316; W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 60, 194, 235, 244; W. Pannenberg, Die bleibende Relevanz der Erkenntnislehre des Kusaners, 162. Vgl. auch die knappen Erläuterungen von K.N. Micskey, Die Axiom-Syntax des evangelisch-dogmatischen Denkens, 151ff; W. Pannenberg, Über Lortz hinaus, 94f. Die aus Pannenbergs Vorlesung über eine „Theologie der Vernunft“ stammende Überschrift „III. Vernunft als Anwalt der Einen Wahrheit“ (s. dazu W. Greive, Wolfhart Pannenbergs Vorlesung „Theologie der Vernunft“, 98) indiziert die Bedeutsamkeit dieses Wahrheitsattributs. 20 Zur Einheit der Wahrheit als ausdrückliche Einzigkeit vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 193. Dort ausdrücklich die These, dass „die Wahrheit letztlich nur eine

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Daneben tritt an den verschiedensten Stellen innerhalb der Theologie Pannenbergs die Vorstellung einer holistischen Einheit zu Tage. Deren Genese wird man nicht nur auf das bloße Interesse Pannenbergs an einer solchen Einheitsvorstellung zurückführen dürfen, sondern dürfte vielmehr in seiner tiefen Überzeugung begründet sein, dass die Wirklichkeit nur eine ist21 und in Gänze für den Prozess der Erfassung von Wahrheit (Wahrheitserkenntnis) relevant wird. Einheit in diesem holisierenden Sinne meint „in sich geschlossene Ganzheit“, „als Ganzes wirkende Geschlossenheit“ oder auch „innere Zusammengehörigkeit“22. Die holistische Dimension in Pannenbergs Verständnis von Wahrheit tritt also überall dort in Erscheinung, wo der Gedanke (einer) ganzen Wahrheit‘ artikuliert wird23. “The premise of the essential unity of truth necessarily encompasses truth in its entirety.“24

Folglich ist dann auch ein Holismus kennzeichnend für sein Suchen und Fragen nach der Wahrheit in ihrer Einheit – es führt konsequent „zum Entwerfen umfassender Horizonte.“25

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einzige“ (ebd.) sei. Zur Wahrheit als „wesentlich eine einzige“ s. auch W. Pannenberg, Zu 2. Kor 12,9 (Replik auf Odo Marquard: „Schwacher Trost“), 125. M. Moxter (Kultur als Lebenswelt. Studien zum Problem einer Kulturtheologie, 368–375) und Chr. Danz (Religionsbegriff und Religionskritik in der Theologie der Religionen, 264ff) haben in einer Kritik am Einheitsgedanken bei Pannenberg den von ihm postulierten Einheitshorizont auf sein eigenes Interesse daran zurückgeführt. Allerdings scheint mir die Kritik von Danz nicht überzeugend. Er meint: „Denn die phänomenologisch zutreffende Beobachtung, dass jeder Einzelsinn immer schon einen Kontext bzw. Sinnhorizont impliziert, führt auf eine Vielzahl von Horizonten, jedoch nicht auf einen Einheitshorizont. Dieser stellt eine unausgewiesene Behauptung dar, da der Übergang von den Sinnhorizonten zu einem Ganzheitshorizont gerade nicht aus dem phänomenologischen Befund abgeleitet werden kann.“ (a. a. O., 264) Danz geht sogar noch weiter, indem er im Kontext der Besprechung jenes auf Einheit abzielenden Religionsbegriffs dem „Einheitspostulat […] eine Unterstellung Pannenbergs“ erkennt, „die sich nicht begründen lässt.“ (a. a. O., 267). Gegen Danz wird man einwenden müssen, dass seine gegenteilige Behauptung – nicht jedoch die Pannenbergs – unausgewiesen bleibt. Richtig bleibt, dass der Ganzheitshorizont nicht phänomenologisch abgeleitet wird. Aber muss (oder besser:) sollte er das? Naheliegender ist es m. E., hermeneutische bzw. erkenntnistheoretische Überlegungen anzustellen, was Pannenberg tut, indem er u. a. den holisierenden Ansatz aus der Dilthey’schen Hermeneutik und ihrer Dialektik von Teil und Ganzem entlehnt und diesen Holismus für den Horizont einer kohärenten verfassten Wirklichkeit fruchtbar macht und begründet (s. u.). Siehe zur Bedeutung des im deutschen Sprachraum gebräuchlichen Begriffs der „Einheit“ Brockhaus, Deutsches Wörterbuch, Bd. 26, 954. Ein exempl. Beleg zur ‘ganzen Wahrheit’: W. Pannenberg, Apostolizität und Katholizität der Kirche in der Perspektive der Eschatologie, 109f. D.P. Polk, On the Way to God. An Exploration into the Theology of Wolfhart Pannenberg, 34. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 109. Das Ideal (holisierender) Um-

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Chr. Mostert hat darauf aufmerksam gemacht, dass die Wahrheit in ihrer Einheit von Pannenberg „comprehensively“ verstanden wird26. Darin deutet sich jene holistische Dimension an, die für Pannenbergs Vorstellung von der Einheit der Wahrheit wesentlich ist, aber auch grundsätzlich kennzeichnend für seine Theologie (die ja immer auch eine Geschichtstheologie darstellt) ist. P. Eicher hat zu Recht auf die tragende Rolle des Totalitätsdenkens hingewiesen, wie es sich etwa in Bezug auf die Universalgeschichte zeigt27. Die Wirklichkeit gewinnt für Pannenberg ihre Einheit und Ganzheit durch Gott, weil der biblische Gott als der Schöpfer dieser einen und ganzen Wirklichkeit gedacht wird: „Allerdings kann von Gott nur in bezug auf das Ganze der Wirklichkeit gesprochen werden, weil seit der kritischen Frage der griechischen Philosophie nach der wahren Gestalt des Göttlichen nur der Eine Urheber aller Dinge und alles Geschehens im Ernste noch Gott heißen kann.“28

Der in „Wa s i s t Wa h r h e i t ? “ zum methodischen Programm erhobene Prozess, über die Einheit der Wirklichkeit die Einheit der Wahrheit zu erschließen, führt insofern zum Gottesgedanken hin, als es Gott ist, der beides stiftet: Gott als die Wahrheit stiftet ihre Einheit29 – ohne dass dabei Gott oder die Wahrheit mit der Geschichte identifiziert würden30.

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fassendheit bekundet sich auch mit Blick auf Wahrheitsansprüche „im Ringen um die eine Wahrheit“ in: W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 423. Chr. Mostert, God and the Future, 238. Überhaupt kann mit Mostert festgestellt werden, dass Pannenbergs Werk „comprehensive in unusual degree“ (ebd.) ist. Vgl. exemplarisch P. Eicher, Offenbarung, 439 u. 442. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 89 Anm. 19: „Es ist die Besonderheit des Jesusgeschehens, daß durch es das Ganze allererst als solches konstituiert wird, während alle anderen Begebenheiten nur durch ihren Bezug auf dieses besondere Geschehen einen Bezug zum Ganzen der Wirklichkeit haben. Bei Jesus ist der Bezug auf das Ganze der Wirklichkeit durch den (seinerseits nur aus dem israelitischen Geschichtsverständnis verständlichen) eschatologischen Charakter seiner Botschaft, seines Anspruchs und seines Geschicks gegeben; denn eben dadurch, daß ihr Ende – das im Anspruch und im Geschick Jesu vorweg ereignet wird – in Sicht kommt, gewinnt die Geschichte allererst ihre Ganzheit.“ (ebd.). Vgl. dazu auch die Bemerkung von K.N. Micskey, Die Axiom-Syntax des evangelischdogmatischen Denkens, 152: „Von Gott kann also „nur in bezug auf das Ganze der Wirklichkeit gesprochen werden“ (S. 89), als von der Macht, die das Ganze bestimmt, d. h. als vom Schöpfer. Ein jeder Gottesgedanke, in dem dies nicht gedacht wird, verfälscht die Wahrheit der in der Geschichte Jesu geschehenen Offenbarung.“ (a. a. O., 152) Darum kann für Pannenberg der Glaube an einen bestimmten Gott kritisch darauf befragt werden, ob von diesem bestimmten Gott die Wirklichkeit in ihrer Einheit angemessen verstanden werden kann. Siehe dazu Pannenbergs Bemerkungen in Was ist Wahrheit?, 222: „[N]ur ein solcher Gott, der alles umgreift, kann die Wahrheit selbst sein. Darum ist jede Gottesvorstellung darauf zu prüfen, ob sie die Wirklichkeit als Einheit zu verstehen erlaubt und somit der Einheit der Wahrheit genügt.“ H. Burhenn (Pannenberg’s Doctrine of God, 545) weist [mit Blick auf Pannenbergs „Theology and History“] darauf hin, dass Pannenberg, indem er eine Identifikation von Geschichte und

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H. Burhenn erkannte: „Thus God for Pannenberg becomes the principle of the unity of all history and – what amounts to the same thing for him – of all reality.“31 Die Einheit der Wahrheit ist göttlichen Ursprungs, sozusagen „divinely grounded“32. Insofern das Ganze der Wirklichkeit in seinem Zusammenhang dezidiert christlicher Perspektive in den Blick genommen wird, erhält implizit das christliche Gottesbild Einzug in die Frage nach der Einheit von Wirklichkeit und (auch) Wahrheit. Was sich hier nur andeutet, wird an späterer Stelle deutlich gezeigt werden können, nämlich dass und wie die Wirklichkeit in ihrer Totalität als von Gott bestimmte und geeinte aufgefasst wird. „Wenn Geschichte wesentlich Geschichte göttlichen Handelns ist, dann wird die Wahrheit seiner Taten, ihre Identität mit ihm selber, nur in ihm begründet sein können.“33 Der christliche Gott wird als der eine Gott aller Menschen aufgefasst, als der, der alle Entitäten (ver-)eint und so die Einheit der Wirklichkeit stiftet34. Dabei hängt diese holistische Sichtweise auf die Wirklichkeit als Geschichte für Pannenberg eng mit dem Gottesgedanken zusammen: Es „kann von Gott nur in bezug auf das Ganze der Wirklichkeit gesprochen werden, weil seit der kritischen Frage der griechischen Philosophie nach der wahren Gestalt des Göttlichen nur der Eine Urheber aller Dinge und alles Geschehens im Ernste noch Gott heißen kann.“35 „Der Einheit des Weltbegriffs korrespondiert die Einheit des Wahrheitsverständnisses.“36 In seinem Bemühen, letztlich „das Ganze der Wirklichkeit vom christlichen Gott her verstehend zu durchdringen“37, knüpft Pannenberg mit Faszination an die mittelalterliche Theologie an. Schon sie bemühte sich um eine einheitliche

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Gott vermeidet, nicht einem Pantheismus erliegt (“Yet Pannenberg is careful to deny that God is to be identified with the process of history; it is not his intention to advocate a form of pantheism (TAH, p. 250).“ „For only in the future in the coming of God’s Kingdom will the unity of reality become fully apparent.“ (ebd.). H. Burhenn, Pannenberg’s Doctrine of God, 545. So S.J. Grenz, „Scientific“ Theology/ „Theological“ Science: Pannenberg and the Dialogue between Theology and Science, 162. W. Pannenberg, Grunfragen systematischer Theologie Bd. II, 117. Gott wird für Pannenberg nur dann angemessen gedacht, wenn er als „die einende Einheit alles Seienden gedacht“ wird (W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 63. Siehe zum Thema auch a. a. O., 63ff). W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 89 Anm. 19. So W. Dietz (Wahrheit-Gewißheit-Zweifel, 35) zu Pannenberg, aber auch – gerade gegenüber einer sich als programmatisch pluarlistisch verstehenden Gegenwart – in Adaption dieses Gedankens der von Gott als der (einen) Wahrheit her konstituierten Einheit der Wirklichkeit (vgl. a. a. O., 35f). W. Pannenberg, Die Gottesidee des hohen Mittelalters, 21.

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Wirklichkeitsinterpretation38, wenn er auch die für sie charakteristische Art der Durchführung für insuffizient hält39. 3.3.1.3 Pannenberg und H. Vogel In „Wa s i s t Wa h r h e i t ? “ hat Pannenberg diese, sein ganzes theologisches Denken prägende These von der Einheit der Wahrheit explizit formuliert und ausführlich(er) behandelt. Pannenberg postuliert dort zur Erörterung der Wahrheitsfrage den Gedanken der Einheit der Wahrheit. Und seine Überlegungen nehmen einen ‚Ausgangspunkt‘, den er seiner eigenen Einschätzung nach mit seinem Lehrer Heinrich Vogel teilt. Konkret sei die Annahme verbindend, dass die „Wahrheit schlechthin […] ihrem Wesen nach nur eine sein kann“40: 38 Pannenbergs früherer Assistent, W. Dietz, denkt ganz ähnlich: „Theologie thematisiert den Wahrheitsanspruch des christlichen Glaubens, bezogen auf die Einheit des Verständnisses von Welt, Geschichte und Menschheit (im Blick auf Gottes Wirksamkeit in ihr).“ (W. Dietz, 15 Thesen zum Wahrheitsbegriff aus theologischer Sicht, 68). 39 W. Pannenberg, Die Gottesidee des hohen Mittelalters, 21ff sowie zur Kritik bes. 33. Gott begründet die Einheit der Wirklichkeit für Pannenberg dadurch, dass er den Zusammenhang des Geschehens begründet (wenngleich Pannenberg damit nicht bestreiten will, dass auch die Menschen zum Inhalt des Geschehens beitrügen. Diese begründeten aber nicht den Zusammenhang und auch entschieden sie nicht über den Ausgang des Geschehens [d. h. über die von Gott erwartete Vollendung der Geschichte]). Vgl. dazu exemplarisch Pannenbergs Ausführungen: W. Pannenberg, Fortschritt und Vollendung der Geschichte, Weiterleben nach dem Tode und Auferstehung des Menschen im Christentum, 103–107. 40 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 202. In der Tat scheint hier eine Gemeinsamkeit zwischen Pannenberg und Vogel vorzuliegen. Auch für Vogel scheint der Gedanke der Einheit der Wahrheit geradezu selbstverständlich zu sein. So heißt es bei ihm, dass die „Einheit […] der Wahrheit wesenhaft eignet und eignen muß“ (H. Vogel, Wann ist ein theologischer Satz wahr?, 176), wobei dies nicht weiter begründet wird. Auch wenn Pannenberg in ‚Was ist Wahrheit?‘ in der Vorstellung von der Einheit der Wahrheit eine Gemeinsamkeit mit Vogel erkennt, besteht doch ein gravierender Unterschied darin, dass Pannenberg zur Wahrung der Einheit der Wahrheit traditionsreiche Aspekte des Wahrheitsbegriffs zusammenführt (das sind etwa das Moment der Kohärenz, der Korrespondenz, des Konsenses und in diesem Zusammenhang auch kriteriologische Aspekte der Wahrheitserkenntnis positiv aufgreift), während Vogel in seinem Beitrag darum bemüht ist, ein von unseren Kriterien und Normen entwickeltes „menschliches Wahrheitsverständnis“ (Vogel nennt u. a. den Aspekt der Korrespondenz, des Konsenses und Heideggers ἀλήθεια-Verständnis) und dessen nur ‘relatives Recht’ deutlich abzuheben von der „Wahrheit des Gottes, den keiner je gesehen hat, uns hier als einer von uns, als ein Mensch personal und geschichtlich begegnet“ (a. a. O., 179; vgl. ausführlicher zum Thema bes. 178f), was freilich dann die Frage aufwirft, wie noch von einer Einheit der Wahrheit die Rede sein kann. Diese Problematik wird auch deutlich an Vogels Meinung, wir würden „der Anmaßung, ja der Vermessenheit verfallen, wenn wir von unserem Wahrheitsverständnis her die Frage nach dem Wahrsein der Wahrheit entscheiden wollten.“(a. a. O., 179) Einmal davon abgesehen, dass schon sein Anliegen, nach der Wahrheit der Wahrheit fragen zu wollen, wenig sinnvoll erscheint, da diese selbstverständlich wahr ist (andernfalls wäre es eben keine Wahrheit), entsteht bei Vogel eine Kluft zwischen menschlichem Wahrheitsverständnis und der personal, geschichtlich und göttlich gedachten Wahrheit, sodass

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Heinrich Vogel – Studienkollege K. Barths und Pannenbergs Lehrer und Mentor in Berlin41 – hat seine Position zur theologischen Wahrheitsfrage zuvor in dem 1958 erschienenen Aufsatz „Wa n n i s t e i n t h e o l o g i s c h e r S a t z wa h r ? “ dargelegt42. In Hinblick auf den Gedanken der Einheit der Wahrheit ähneln die Formulierungen Vogels in der Tat denen Pannenbergs. Es ist von Einheit die Rede, „die der Wahrheit wesenhaft eignet und eignen muß“43. Doch in dieser gemeinsamen Auffassung vom Wesen der Wahrheit erschöpfen sich zugleich auch schon fast alle Parallelen. Nicht ohne Grund hat Pannenberg eine bloße Gemeinsamkeit im ‚Ausgangspunkt‘ behauptet, und nicht ohne Grund scheint er darum auch nicht auf Vogels Darlegungen weiter eingegangen zu sein. Als zu verschieden erweisen sich letztlich die Wahrheitsverständnisse, und zu konträr verhält sich der Pannenberg’sche Ansatz zu der bei Vogel erkennbar christozentrisch-barthianischen Theologie, auch wenn es durchaus mehr oder weniger (lose) Parallelen geben mag. Diese betreffen die These der Geschichtlichkeit der Wahrheit im Sinne nicht zeitloser Wahrheit44, die Relation zu Jesus Christus45 und schließlich die Anschauung, dass die Wahrheit letztlich eine göttliche sei46.

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Wahrheit wohl kaum in ihrer Einheit in den Blick kommen kann, sondern vielmehr im Gegenteil der Verdacht erhärtet wird, dass letztlich disparate Fragestellungen unter Verwendung des Ausdrucks ‚Wahrheit‘ verhandelt werden, was freilich höchst problematisch ist und schon von A. Kreiner moniert worden ist. Der Aufsatz Vogels kann somit als ein „anschauliches Beispiel für […] Konfusionen“ im Umgang mit der Wahrheitsthematik gelten (A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 304 Anm. 10). Vgl. dazu die autobiographischen Hinweise Pannenbergs in: W. Pannenberg, An intellectual pilgrimage, 152 u. 154: H. Vogel ist den Schilderungen Pannenbergs zufolge ein für ihn erster und wichtiger Gesprächspartner und Mentor gewesen, bereits bei der Realisierung seines Dissertationsprojektes über „Die Prädestinationslehre des Duns Scotus im Zusammenhang der scholastischen Lehrentwicklung“ (vgl. a. a. O., 154). Das gute Verhältnis zu Vogel ist womöglich auch der Grund dafür gewesen, dass Pannenberg diesen Beitrag zunächst in der Festschrift für H. Vogel (= K. Scharf (Hg.), Vom Herrengeheimnis der Wahrheit) publizierte und ihn dabei seinem Lehrer zueignete (s. dazu die Bemerkung Pannenbergs in W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 202 Anm. 1). Siehe H. Vogel, Wann ist ein theologischer Satz wahr?, 176–190. H. Vogel, Wann ist ein theologischer Satz wahr?, 176. Bei H. Vogel, Wann ist ein theologischer Satz wahr?, 186. Vgl. H. Vogel, Wann ist ein theologischer Satz wahr?, 184. Auf die angedeuteten Gemeinsamkeiten ist hier nicht weiter einzugehen. In der Vorstellung von der Göttlichkeit der Wahrheit dürfte der von Vogel angestrebte Zielpunkt seiner Darstellung liegen, auf den auch Pannenberg, wie er selbst erklärte, „zuzugehen“ versuchte (vgl. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 202 Anm. 2), „allerdings auf einem andern Wege“ (ebd.), wie der obige Vergleich bestätigte. Zur Verbindung von Wahrheit und Gott bei Vogel vgl. H. Vogel, Wann ist ein theologischer Satz wahr?, bes. 179ff.

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3.3.1.4 Das Streben nach der Einheit der Wahrheit in Theologie, Philosophie und den Wissenschaften

„Wie hält es denn beispielsweise der Philosoph mit der Einheit der Wahrheit angesichts der Unumgänglichkeit, sie mit jedem Satz stets schon in Anspruch zu nehmen?“47 „Both disciplines claim universal scope for the truth they seek to impart, wherefore each one invariably is faced with the necessity of critiquing the other in light of its own alleged comprehensiveness.“48 „The concept of truth’s unassailable unity has been recurrently alluded to, and it serves as the point of departure for Pannenberg’s unpacking of how theology and philosophy may be seen to stand in relation to truth.“49

3.3.1.4.1 Einheit der Wahrheit in Theologie, Philosophie und Metaphysik Die Vorstellung von der Wahrheit als notwendig und wesenhaft einer wird von Pannenberg nicht nur als eine allein theologisches Denken kennzeichnende Annahme aufgefasst, sondern gewissermaßen auch als allgemein geläufig und im universitären Wissenschaftsbetrieb vorausgesetzt angenommen50. Sie kann vor dem Hintergrund der einen Wirklichkeit seine Annahme, dass in Theologie und Philosophie um ein und dieselbe, d. h. um die ganze Wahrheit, gerungen werde, verständlich werden51. 47 W. Pannenberg, Zu 2. Kor 12,9 (Replik auf Odo Marquard: „Schwacher Trost“, 125). H. Springhorn meint, diese Entgegenung Pannenbergs werfe „ein erhellendes Licht auf den systematischen Stellenwert seines Wahrheitsbegriffs.“ (siehe H. Springhorn, Immanenz Gottes und Transzendenz der Welt, 149 Anm. 181). Das ist sicher insofern richtig, als es den für ihn wichtigen, sich breit durchhaltenden Einheitsgedanken herausstellt. 48 D.P. Polk, On the Way to God. An Exploration into the Theology of Wolfhart Pannenberg, 24. 49 D.P. Polk, On the Way to God. An Exploration into the Theology of Wolfhart Pannenberg, 25. 50 Dass die Vorstellung der Einheit der Wahrheit in der Theologiegeschichte verbreitet ist (nicht zuletzt wegen der Verbindung von Gottesgedanken und Wahrheitsidee), ist nicht zu bestreiten. Dass aber der Gedanke der Einheit der Wahrheit „theologischen Ursprungs“ sei – wie etwa R. Flasche (Vom „Absolutheitsanspruch“ der Religionen – oder: Religiöse Wahrheit und Religionswissenschaft, 15) meint – scheint mir nicht überzeugend. 51 Vgl. dazu W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 61ff. Entsprechendes gelte auch für Religion und Metaphysik; auch sie seien beide um eine und dieselbe Wahrheit bemüht. Vgl. dazu W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 1, 57. An anderer Stelle will sich Pannenberg auch auf M. Luther berufen (vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 30; u. s. u.), der letztlich an der Einheit der Wahrheit festgehalten habe. Weil der Gedanke der Einheit und Ganzheit der Wirklichkeit bereits seit den Vorsokratikern Denkaufgabe der Philosophie gewesen ist (vgl. W. Pannenberg, Theologie und Philosophie, 16), liegt die Parallele zur Theologie auf der Hand. Auch sie ist um ein Verständnis der Wirklichkeit in ihrer Einheit und Gänze bemüht.

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Die Annahme gemeinsamer Suche nach der einen Wahrheit scheint aber andererseits auch schon so etwas wie eine uns alltäglich vertraute Intuition zu sein52. Diese Einschätzung dürfte auch Pannenberg in Anspruch genommen haben. So erklärt sich wenigstens, warum er an der gegenwärtigen Philosophie moniert, dass sie sich des Gedanken der Einheit der Wahrheit nicht immer ausreichend bewusst sei, weswegen der Theologie in Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen die Aufgabe zukommen könne, „das Bewußtsein von der Einheit der Wahrheit wachzuhalten.“53 Schließlich habe die Theologie auch nur so eine Daseinsberechtigung an der Universität54. Die Frage, ob Theologie und Philosophie tatsächlich beide um eine (ein und dieselbe) Wahrheit bemüht sind, ist seit Langem umstritten und wird auch gegenwärtig noch kontrovers diskutiert: Dass Pannenberg für den Gedanken der Einheit der Wahrheit votiert, ist nicht so selbstverständlich, wie es vielleicht den ersten Anschein haben kann. Das zeigt die Theologiegeschichte. Denn mit seiner These einer Theologie und Philosophie gemeinsamen, einen Wahrheit erteilt Pannenberg der bis in die Scholastik zurückreichenden, vielleicht auch das Denken Martin Luthers prägenden und bis zum Teil in die neuere Evangelische Theologie hineinwirkenden Auffassung von der sog. ‚doppelten Wahrheit‘ eine Absage, jener Auffassung, wonach es in den voneinander zu unterscheidenden beiden Sphären Theologie und Philosophie entsprechend „zwei Bereiche wahrer, sich widersprechender Wahrheiten“ gebe55. Dieser Sichtweise zufolge könnte es also vorkommen, dass eine Aussage, ein Satz,

52 So meint etwa die Luzerner Philosophin K. Gloy ganz ähnlich: „Wo immer die Frage gestellt wird, ob in konkreten Lebenszusammenhängen oder in abstrakten theoretischen Argumentationsgängen, in Bezug auf Einzelseiendes oder in Bezug auf das Seiende im Ganzen und überhaupt, stets zielt die Frage auf die Wahrheit, die stets nur eine sein kann. Die Frage nach einer Pluralität von Wahrheiten würde uns nicht nur irritieren, sondern den Sinn der Frage ad absurdum führen.“ (K. Gloy, Kants Wahrheitstheorie und moderne Positionen, 2). 53 W. Pannenberg, Gegenwart Gottes. Predigten, 81. 54 Vgl. W. Pannenberg, Gegenwart Gottes. Predigten, 81. 55 W. Sparn, Doppelte Wahrheit?, 54. Die im Averroismus und Ockhamismus vertretene Auffassung von der doppelten Wahrheit hat nach Meinung von W. Sparn auch in M. Luthers Denken Eingang gefunden, wie seine christologische Disputation von 1539 zeige (ebd.). Im 20. Jahrhundert zeigt W. Joests Theologie eine gewisse Nähe zu dieser Vorstellung, insofern er einen von Konflikten gekennzeichneten Gegensatz zwischen den zwei unterschiedlichen Disziplinen mit ihren jeweiligen Wahrheitsansprüchen zu erkennen glaubt. Vgl. dazu die Hinweise von W. Sparn, Doppelte Wahrheit?, 53f. Lothar Steiger darf hier als exemplarischer Repräsentant der Meinung Erwähnung finden, die philosophische Wahrheitsfrage unterscheide sich von der theologischen. Und so warf er Pannenberg vor, die philosophische mit der theologischen Wahrheitsfrage zu verwechseln (vgl. L. Steiger, Offenbarungsgeschichte und theologische Vernunft. Zur Theologie W. Pannenbergs, 97), was er meint, pointiert wie folgt sagen zu müssen: „Das Wort vom Kreuz hört auf, eine Torheit vor der Welt zu sein.“ (ebd.). Zu Steigers weiterer Kritik siehe a. a. O., bes. 96ff.

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eine Proposition etc. in einer Disziplin (z. B. der Theologie) als ‚wahr‘, in der anderen (z. B. der Philosophie) als ‚falsch‘ gelten könne. Was Martin Luther betrifft, hat Pannenberg bereits 1956 erklärt, in ihm nicht ein Vertreter dieser Lehre zu sehen. Diesen Nachweis hat laut Pannenberg eine Studie von Bengt Hägglund56 geleistet. Pannenberg leugnet allerdings nicht, dass es bei Luther „Anklänge an diese Lehre“ gäbe, diese beträfen jedoch „nur die Verschiedenheit von Erkenntnisgebieten und sind von seinem occamistischen, rein logischen Wahrheitsbegriff her zu verstehen.“57 In seiner Systematischen Theologie hat Pannenberg seine Einschätzung wiederholt aufgegriffen. Zudem hat er mit einer Studie von B. Lohse Luther deutlicher als eine Art Gewährsmann für die Annahme der Einheit der Wahrheit anführen können. So habe Luther „trotz mancher spitzer Formulierungen letztlich an der Einheit der Wahrheit und der Gültigkeit logischer Konsequenz festgehalten“58. Angesichts Pannenbergs 56 Vgl. dazu das Schlusskapitel in B. Hägglund, Theologie und Philosophie bei Luther und in der occamistischen Tradition. Luthers Stellung zur Theorie von der doppelten Wahrheit, Gleerup 1955 sowie die Hinweise von Pannenberg in seiner Rezension dieses Buches (W. Pannenberg, Rezension Bengt Hägglund, Theologie und Philosophie bei Luther und in der occamistischen Tradition. Luthers Stellung zur Theorie von der doppelten Wahrheit, in: Archiv für Reformationsgeschichte 47 [1956], 275). 57 W. Pannenberg, Rezension Bengt Hägglund, Theologie und Philosophie bei Luther und in der occamistischen Tradition. Luthers Stellung zur Theorie von der doppelten Wahrheit, in: Archiv für Reformationsgeschichte 47 (1956), 275. 58 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 30. Pannenberg bezieht sich nun auch auf B. Lohse (Ratio und Fides: Eine Untersuchung über die ratio in der Theologie Luthers, 1958, 104ff) und verweist auf die von Lohse genannten Belegstellen bei Luther zur Lehre von der Einheit der Wahrheit in WA 26, 286, 32f („Was nicht widder schrifft und glauben ist, das ist auch widder keine folge“). Doch „[d]ie scharfen Formulierungen gegen syllogistische Deduktion in der Disputatio contra scholasticam theologiam von 1517 (WA 1, 226, 21ff.) veranlassen Lohse allerdings, von einer Aufhebung der Regeln der Logik „in bestimmten Fällen“, nämlich bei Glaubensartikeln zu sprechen (117), obwohl er zeigt, daß Luther in anderen Zusammenhängen selber syllogistisch argumentiert.“ Das würde aber, wie Pannenberg zu Recht anmerkt, bedeuten, dass dann mit der „Annahme einer doppelten Wahrheit sogar innerhalb der theologischen Argumentation Luthers“ zu rechnen wäre (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 30f Anm. 35). Doch Pannenberg meint: „Vielleicht könnte aber dieser Eindruck verschwinden, wenn das historische Profil des von Luther abgelehnten Vernunftgebrauchs stärker beachtet wird.“ (ebd.). Für die Annahme der Einheit der Wahrheit bezieht sich Pannenberg neben Luther insbes. auch auf den Philosophen W. Kamlah (s. u.). Nikolaus von Kues wird hier nicht ausdrücklich als Gewährsmann genannt, ist dennoch zu nennen, da Pannenberg dessen Erkenntnislehre u. a. in dem Punkt würdigt, dass jener menschliche Wahrheitsansprüche nicht „im Strudel von Skepsis und Relativismus untergehen lässt“ und „auch nicht auf bloße Subjektivität reduziert, sondern ihre Beziehung auf die Einheit der Wahrheit und darin auf Gott als die absolute Wahrheit festhält“. (W. Pannenberg, Die bleibende Relevanz der Erkenntnislehre des Kusaners, 162). Dass die Frage nicht leicht zu entscheiden ist, ob Luther ein Vertreter der Theorie der doppelten Wahrheit ist, dürfte in der Vielschichtigkeit der lutherischen Argumentation begründet sein (der hier nicht nachgegangen werden kann). Die Schwierigkeiten der Klärung dieser Frage zeigen sich u. a. auch daran, dass H. Schulz – ebenfalls im Rückgang auf Luther – diese Theorie in gemäßigter

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eigenen Interesses an der Einheit der Wahrheit ist seine „philosophiefreundliche“ Lutherinterpretation sicher nicht verwunderlich. Man mag aber fragen, ob Luther aufs Ganze gesehen nicht doch eher die Distanz zwischen der Wahrheit der Theologie und Wahrheit der Philosophie durchhielt, weil er die Abhängigkeit der Ersteren von der Philosophie und der Vernunft fürchtete59. Nicht Luther, sondern eher Melanchthon oder Bultmann hätte in dieser Hinsicht der geeignetere Gesprächspartner für Pannenberg sein können – immerhin hatte Ersterer doch gerade im Unterschied zu Luther die Relevanz der Philosophie für die Theologie doch schon darin erkennen können, dass sie „die Wahrheit methodisch auf einem geordneten Weg sucht und offenbart“60 und der Zweitgenannte wie Pannenberg eine Dopplung von Wahrheit als mit dem Gedanken der ‚Einheit der Wahrheit‘ unvereinbar kritisiert hat: „Der Satz von der doppelten Wahrheit hilft gar nichts, weil jede Betrachtung die ganze Welt, den ganzen Menschen sich unterwirft und zeigen will, wie die Welt, wie der Mensch wirklich ist. Also kann nur eine recht haben! Und das Nebeneinander verschiedener, aus verschiedenen Vermögen erwachsenden Betrachtungsweisen, deren jede ihr Recht hat, hilft gar nichts, wenn ich frage: wie ist der Mensch, wie bin ich denn wirklich? Und die fromme Hoffnung, daß die Wahrheiten der verschiedenen Betrachtungsweisen Teilwahrheiten sind, die schon in Gott zu einer Wahrheit zusammenstimmen werden, hilft nichts, solange ich diese ‚Teilwahrheiten‘ nur als Widersprüche sehe und mir unter ihrer Harmonie nichts denken kann, wenn in dieser Rede von der einen Wahrheit ‚Wahrheit‘ den Sinn verliert, den es sonst für uns hat.“61

Version zu rehabilitieren sucht. Siehe dazu H. Schulz, Doppelte Wahrheit? Überlegungen zum Verhältnis von Theologie und Philosophie. 59 Man vgl. hierzu S. Ebbersmeyer (Varietas veritatis. Perspektiven des Wahrheitsbegriffs in der Philosophie der Renaissance, 225), die zeigt, dass Luther sich in seiner Disputatio contra scholasticam theologiam (von 1517) „gegen die Anwendung philosophischer Methoden auf Glaubenssätze zum Erweis der Wahrheit aus[spricht]“ und in der Disputation über Johannes 1, 14 „den Grundsatz der Pariser Theologen ‚idem esse verum in theologia et philosophia‘ zu widerlegen [versucht]. […] Da es innerhalb der Philosophie möglich sei, daß etwas in einer Disziplin wahr ist, was in einer anderen falsch ist, darf die Wahrheit der Theologie nicht als von dem Wahrheitsbegriff der Philosophie abhängig gedacht werden.“ (ebd.). Die Besorgnis Luthers ist allerdings unbegründet. Die Wahrheit kann von der Vernunft der Philosophie nicht abhängen. Sie kann aber genausowenig vom Glauben abhängen. Wahrheit (wenigstens die aussagetheoretische Wahrheit) hängt lediglich vom Objektkorrelat bzw. dem Wahrmacher der Erkenntnisrelation ab. 60 So S. Ebbersmeyer, Varietas veritatis. Perspektiven des Wahrheitsbegriffs in der Philosophie der Renaissance, 225. Sie bezieht sich auf Ph. Melanchthon, Opera quae super sunt omnia, Bd. XI, 280–282. 61 R. Bultmann, Wahrheit und Gewißheit, 196. Ebenfalls rezipiert bei Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 198. Zu Bultmanns Ablehnung der Annahme einer ‚doppelten‘ Wahrheit siehe Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 197ff.

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Eine Grundgemeinsamkeit zwischen Theologie und Philosophie besteht in der Wahrheitssuche (pursuit of truth).62 Doch daraus resultierten Schwierigkeiten, auch wenn bzw. gerade weil sie beide nach der einen Wahrheit fragen. Das Verhältnis beider Disziplinen zueinander ist belastet, weil die „Philosophie […] es von ihrer Tradition her nicht weniger mit der einen und ganzen Wahrheit zu tun [habe] als christliche Theologie.“63 Ein solcher, beiderseitiger Anspruch ist, wie K. Koch feststellte, freilich „in keiner Weise geeignet, ein schiedlich-friedliches Nebeneinander von Philosophie und Theologie zu garantieren. Vielmehr ist darin ein elementarer Streit um die eine Wahrheit impliziert“64. Was könnte diese spannungsreiche, schwierige Grundkonstellation mindern? Wäre eine Aufteilung in verschiedene Zuständigkeitsbereiche denkbar, etwa in dem Sinne, dass der Philosophie das Gebiet natürlicher Erkenntnis zugestanden würde, während im Unterschied dazu „die Theologie auf das Gebiet übernatürlicher Offenbarungswahrheit begrenzt“ bliebe und Letztere so „ein Teilgebiet der Erfahrung oder der Wirklichkeit“ in den Blick nehmen könnte65. Für Pannenberg ist mit derartigen Erwägungen das Verhältnis zwischen Theologie und Philosophie nicht angemessen bestimmt. Denn „selbst wenn es sich dabei [= bei dem genannten Teilgebiet der Erfahrung] um das als Offenbarung Gottes behauptete Geschehen und um seine Vermittlung durch die Heiligen Schriften handelt“, wäre mit einer solchen Selbstbescheidung/-begrenzung „das theologische Reden von Gott als dem einen Ursprung alles Wirklichen“ wortwörtlich „dementiert“66. Beide, Philosophie und Theologie, beanspruchen für sich, über das Ganze der Wirklichkeit zu sprechen, und mit der Thematisierung der Totalität der Wirklichkeit ist auch der Anspruch der Rede von (universaler) Wahrheit mitgesetzt67. Und aufgrund des beidseitigen Beanspruchens der einen und ganzen Wahrheit habe außerdem schon der in der Geschichte unternommene Versuch scheitern müssen, „philosophisches Denken als bloße Vorbereitung für die der Vernunft unerreichbaren Wahrheiten der Offenbarung in den Dienst zu nehmen“68. Es habe schlicht „ein ohnmächtiger Traum der Theologen bleiben“ müssen, die 62 So mit Blick auf Pannenberg zu Recht auch D.P. Polk, On the Way to God. An Exploration into the Theology of Wolfhart Pannenberg, 45f. 63 W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 61. 64 K. Koch, Der Gott der Geschichte, 385. Siehe dazu ausführlicher auch die Bemerkungen 385f. 65 Vgl. W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 61. 66 Vgl. W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 61. 67 Diese These hat Pannenbergs bereits in frühen Aufsätzen, u. a. auch in ‚Was ist eine dogmatische Aussage?‘ schon vertreten. Vgl. auch W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 305ff zu dem für die Thematisierung Gottes notwendigen Referieren auf die Totalität von Wirklichkeit. Siehe zum Thema auch die Bemerkung von S.J. Grenz, Reason for Hope, 21 Anm. 17. 68 W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 61.

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Philosophie in Gestalt einer theologia naturalis als „eine bloße Propädeutik für die höhere Wahrheit der Theologie“ in den Dienst nehmen zu wollen/können69. Wie steht es mit der Option, beiden Disziplinen jeweils unterschiedliche Perspektiven auf die eine und ganze Wahrheit zuzugestehen70? Auch solch einer irenischen Lösungsoption erteilt Pannenberg eine klare und prinzipielle Absage: „Philosophie und Theologie können einander aber auch nicht als verschiedene Perspektiven der einen Wahrheit gegenseitig gelten lassen, weil die Frage nach der Zuordnung solcher unterschiedlichen Perspektiven in der einen Wahrheit unausweichlich ist. Und erst ihr gilt das eigentlich philosophische Interesse.“71 Ein Streit zwischen Theologie und Philosophie stellt sich für Pannenberg als unvermeidlich dar, solange jedenfalls der Wahrheitsanspruch auf jeder der beiden Seiten ernst genommen werde; nur für den (darum unwahrscheinlichen) Fall, dass die „Philosophie selbst theologisch wird oder Theologie als wahre Philosophie zu überzeugen vermag“, könnte der Streit ein Ende haben72. „Doch daß die Wahrheit, um die ihr Streit geht, eine und dieselbe ist, das sollte mitten im Streiten eine Gemeinsamkeit begründen und die Argumente der andern Seite als förderlich auch für die eigene Sache erkennen lassen.“73 Zusammengefasst: Philosophie und Theologie fragen nach nur ein und derselben Wahrheit, so viel steht für Pannenberg fest74. 69 70 71 72

W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 61. Vgl. W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 61f. W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 61. W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 62. Der die beiden Disziplinen kennzeichnende Anspruch auf ungeteilte Wahrheit erklärt für Pannenberg auch, warum es in der Philosophie „keine „christliche Philosophie“ als neben andern gleichberechtigte Sonderform von Philosophie geben“ (a. a. O., 61f) kann. Entweder werde diese hypothetische Sonderform der Philosophie von der dem Gedanken der Einheit der Wahrheit verpflichteten Philosophie untergeordnet, oder aber sie selbst müsste sich als ‚wahre‘ Philosophie behaupten können. (a. a. O., 62f). Vgl. zum Streit von Philosophie und Theologie im Denken Pannenbergs: D.P. Polk, On the Way to God. An Exploration into the Theology of Wolfhart Pannenberg, 26. 73 W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 62. Vgl. a. a. O. zum Thema auch 63ff. 74 L. Steiger hat – wohl bemerkt in einem etwas anderen Zusammenhang – diese Vorstellung einer von beiden Disziplinen zu erfassenden einen Wahrheit einer Kritik unterzogen. Unter Bezugnahme auf Pannenbergs, mit Kollegen erarbeitetes epochales (Früh-)Werk ‚Offenbarung als Geschichte‘ kritisiert er, dass Pannenberg „die ungläubigen Menschen als unvernünftig verblendete behandelt“, die „zur Vernunft gebracht werden müssen“ (W. Pannenberg, Dogmatische Thesen zur Lehre von der Offenbarung, 100). Lothar Steiger meinte, dass dies nach Pannenberg zu erfolgen habe, da „sich kein Mensch mit gültigen Gründen der Vernunft gegen den Wahrheitsanspruch der christlichen Verkündigung entscheiden [könne]. Die Differenz der philosophischen und der theologischen Wahrheitsfrage [kursiv: T. L.] ist gänzlich aufgehoben. Das Wort vom Kreuz hört auf, eine Torheit vor der Welt zu sein. Die paulinische Dialektik von Weisheit und Torheit verliert ihren eschatologischen Hintergrund und wird verallgemeinernd eingeebnet in die Beziehung von Vernunft und Unvernunft.“ (L.

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Entsprechendes sagt Pannenberg auch über die Wahrheitsbemühungen von Theologie und Metaphysik im Besonderen. Auch hier sind unter Voraussetzung der Einheitsthese freilich Konflikte zu befürchten: „Und auch in ihrem Bemühen, diese Wahrheit der Religion auf den Begriff zu bringen, begegnet Metaphysik einer vom religiösen Leben selbst ausgehenden Bewegung: Das ist Theologie. Im Idealfall müßten Theologie und Metaphysik im Bemühen um das Eine und absolute Wahre koinzidieren. In der geschichtlichen Wirklichkeit ist das selten der Fall, weil wir in der Geschichte immer noch auf dem Wege zur endgültigen Offenbarung der einen Wahrheit sind. Aber gegenseitige Achtung im Bewußtsein einer Bemühung um dieselbe Wahrheit sollte religiöses und metaphysisches Denken noch im Streit um die Bedingungen ihrer Vergewisserung verbinden können.“75

Einen Konflikt um die eine und ganze Wahrheit, wie er das Verhältnis von Philosophie und Theologie in der Sicht Pannenbergs prägt, hat Pannenberg zufolge auch die Kirchengeschichte beschäftigt: In Folge der Glaubenskriege konnte sich in Europa eine rein weltliche Kultur entwickeln, die ihrerseits in Gegensatz trat zur Lebenswelt der Kirchen. „Der hier angelegte Zwiespalt von kirchlichem Christentum und moderner Lebenswelt hat sich immer wieder antagonistisch zugespitzt, weil keine der beiden Seiten auf die eine und unteilbare Wahrheit Verzicht leisten konnte.“76 Aufgrund des Einheitspostulates bedeutet Pannenbergs Frontstellung gegenüber der Lehre von der doppelten Wahrheit mehr als nur die Einheit von philosophischer und theologischer Wahrheit. Der Gedanke der Einheit von Wahrheit erfordert eine Gültigkeit auch jenseits von Philosophie und Theologie, er prägt alles (wissenschaftliche) Bemühen um Wahrheit, wenngleich auch hier gelten dürfte, was für das Verhältnis zwischen Philosophie und Theologie namhaft gemacht worden ist, nämlich dass die transdisziplinären Gemeinsamkeiten (lediglich) im Gedanken der Einheit der Wahrheit liegen könnten77. Die weitere Möglichkeit, dass die verschiedenen Wissenschaften und Disziplinen – selbst wenn sie – was wohl nicht einfach leichtfertig unterstellt werden darf – nach der einen, materialen Wahrheit suchen, nicht unbedingt mit einem einheitlichen (d. h. identischen) Wahrheitsbegriff arbeiten, wird in Pannenbergs Theologie nicht bearbeitet, geschweige denn als potentielles Problem wahrgenommen. Steiger, Offenbarungsgeschichte und theologische Vernunft. Zur Theologie W. Pannenbergs, 97). Da Steiger gar nicht auf die behauptete Differenz zweier angeblich verschiedener Wahrheitsfragen eingeht, erübrigt sich auch eine Kritik seiner wenig plausiblen These. 75 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 57. 76 W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 78. 77 Vgl. D.P. Polk, On the Way to God. An Exploration into the Theology of Wolfhart Pannenberg, 285. Polk folgt Pannenbergs Grundanliegen darin, dass er wie er die Theologie als ein „participant in the quest for truth’s overarching unity“ versteht, die bei ihrer Umsetzung – das ist eine weitere Gemeinsamkeit mit Pannenberg – „rationally defensible“ zu sein beansprucht.

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Die Verpflichtung gegenüber der Einheit der Wahrheit, die Pannenberg mit dem wissenschaftlichen Anspruch systematischer Theologie verbunden sieht78, erfordert jedenfalls schon innerhalb der Grenzen der Theologie „das direkte Gespräch zwischen unterschiedlichen Richtungen theologischer Arbeit“79. Denn es sei „nicht gut, wenn sich stattdessen das Bild eines beziehungslosen Nebeneinanders ergibt. Es kann in der systematischen Theologie schließlich nicht nur um individuelle Selbstdarstellungen von lauter Solisten gehen.“80 Ein solches binnentheologische Bemühen um (die eine) Wahrheit (Gottes) heißt für Pannenberg nicht, dass es nicht „Raum auch für unterschiedliche und sogar entgegengesetzte Meinungen“81 geben solle, – ganz im Gegenteil. Er geht von der Voraussetzung aus, dass die Verständigung im Gespräch […] ihren Antrieb im Suchen nach der einen Wahrheit [hat]“82 Im Kontext des interdisziplinären Dialoges sieht er es freilich nicht anders: „[I]n controversy we are still concerned for the truth, which is only one.“83

Die Kontroverse erfüllt also für Pannenberg eine elementar wichtige Funktion hinsichtlich allen Bemühens um die Wahrheit in ihrer Einheit. Darum dürfe der „systematic theologian […] not shy away from interdisciplinary controversy. It can open our eyes to see new possibilites on both sides. Controversy is far better than unrelated coexistence“84. Es ist klar geworden: Eine fehlende Beziehung der Disziplinen zueinander wäre ein geradezu unglücklicher und unbefriedigender Umstand, wann immer es um die Frage nach der Wahrheit in ihrer Einheit geht85. Von daher wird verständlich, dass derartige verschiedene Meinungen für Pannenberg gerade „durch ihr gemeinsames Bemühen um die eine Wahrheit Gottes einander verbunden sein können.“86 78 Vgl. W. Pannenberg, Den Glauben an ihm selbs fassen und verstehen, 355. Dort ist – in Auseinandersetzung mit E. Jüngel – ausdrücklich die Rede von dem „wissenschaftlichen Anspruch der Theologie, der der Einheit der Wahrheit verpflichtet ist.“ 79 W. Pannenberg, Den Glauben an ihm selbs fassen und verstehen, 355. 80 W. Pannenberg, Den Glauben an ihm selbs fassen und verstehen, 355. 81 W. Pannenberg, Theologie und Reich Gottes, 61. 82 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 109. Dies gelte, „auch wenn sie nicht immer als die alles umfassende thematisiert wird. Dasselbe Suchen nach der Einheit der Wahrheit treibt zum Entwerfen umfassender Horizonte.“ (ebd.) 83 W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 19. 84 W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 19. 85 Vgl. W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 19: „Controversy is far better than unrelated coexistence, because in controversy we are still concerned for the truth, which is only one.“ (ebd.) 86 W. Pannenberg, Theologie und Reich Gottes, 61: Pannenberg ist der Meinung, dass „Theologen mit gegensätzlichen Auffassungen […] versuchen [sollten], durch ihren Umgang miteinander ein Beispiel dafür zu geben, wie die Kirchen nicht nur koexistieren, sondern auch trotz aller fortbestehenden Lehrunterschiede ein Bewußtsein ihrer Zusammengehörigkeit

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Man wird bei Pannenbergs Betonung des Strebens nach der Einheit der Wahrheit zu Recht ein ausgesprochen integratives Anliegen erkennen können, das den vortrefflichen Sinn hat, Verhältnislosigkeit zu überwinden und so auch einem (inzwischen üblich gewordenen) hohen Spezialisierungstrend zu wehren87. Ein solches beziehungsloses Nebeneinander erweist sich für Pannenberg jedoch als prinzipiell unvereinbar mit der Vorstellung von der Einheit der Wahrheit88. 3.3.1.4.2 Das Streben nach der Einheit der Wahrheit in den Wissenschaften

„Pannenberg wants both the claim for truth and the traditional Faith. Hence re rejects the view that there is a truth of faith or revelation and a truth of philosophy, science, or history. Truth is one, and it is the business of theology to articulate this Truth.“89 „Pannenberg’s conviction that ‚the truth is one‘ and that the theologian’s worst mistake is to cut the ties between theology and secular disciplines and modes of inquiry, a conviction that has recently received its most forceful statement in Pannenberg’s Theology and the Philosophy of Science“90.

Die Theologie teilt mit den übrigen, an der Universität betriebenen Wissenschaften das Bemühen um Wahrheit: „Was könnte im Leben einer Universität wichtiger sein als der Geist der Wahrheit? Geht es doch in allem Streben nach Erkenntnis darum, herauszufinden, was wahr ist. Das Bemühen um die Wahrheit und um ihre Erkenntnis kann Lehrende und Lernenden vereinen, dann nämlich, wenn die Lehrenden nicht ihre besonderen Steckenpferde reiten, sondern durch ihr Lehren der Wahrheit dienen. Das ist ja der Sinn der Freiheit von Forschung und Lehre.“91

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entwickeln können.“ (ebd.) Die von Pannenberg postulierte Möglichkeit, für entgegengesetzte Meinungen Raum zu schaffen, sieht er darin begründet, dass der christliche Glaubensinhalt „nie schon in formulierter Endgültigkeit gegeben“ ist, sondern vielmehr Gegenstand eines „Prozesses theologischer Forschung und Diskussion“ bleibt. (W. Pannenberg, Theologie und Reich Gottes, 61). Siehe dazu auch die Bemerkungen von Richard A. Rhem (A Theological Conception of Reality as History – Some Aspects of the Thinking of Wolfhart Pannenberg, 183). Vgl. W. Pannenberg, Den Glauben an ihm selbs fassen und verstehen, 355. Die Unvereinbarkeit eines beziehungslosen Nebeneinanders mit der Annahme der Einheit der Wahrheit wird hier von Pannenberg nur behauptet, nicht jedoch eigens begründet. Siehe dazu meine obigen Ausführungen. Robert L. Wilken, Who is Wolfhart Pannenberg?, 141. So die Beschreibung einer dem Denken Pannenbergs zugrunde liegenden Überzeugung von G.E. Michalson, Pannenberg on the Resurrection and Historical Method, 345. W. Pannenberg, Freude des Glaubens. Predigten, 28: „Die Lernenden wiederum sollen nur solche Lehre annehmen, die sich einem unbefangenen Urteil als wahr bewährt.“ (ebd.)

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Die Wahrheit als der ausgezeichnete Gegenstand der Wissenschaften ist nach Meinung von Pannenberg eine einzige. So ist sie es auch für die Theologie. In Auseinandersetzung mit E. Jüngel spricht Pannenberg ausdrücklich von „dem wissenschaftlichen Anspruch der Theologie, der der Einheit der Wahrheit [kursiv: T. L.] verpflichtet ist.“92 Sie, die eine Wahrheit, bildet den Bezugspunkt für alles Forschen. Der oben erwähnte, gegenwärtig erkennbare Spezialisierungstrend steht dem entgegen und wird darum von Pannenberg kritisiert. „Ohne die Einheit der Wahrheit hätte die Wissenschaft nur noch den Wert ihrer technischen Nutzbarkeit, und davon allein ist die Begeisterung wissenschaftlicher Wahrheitssuche nie ausgegangen.“93 Pannenberg will dabei „die eine Wahrheit nicht von außen den besonderen Einsichten und Methoden übergestülpt“ wissen. Vielmehr sollten die auf Spezialisierung drängenden verschiedenen Forschungsrichtungen selbst einen „Zug zur Einheit der Wahrheit“ anstreben, alleiniger Fokus auf Spezialisierung stellt sich für Pannenberg als unzureichend dar94. Bei aller Betonung, dass sowohl von der Philosophie (d. i. im Besonderen von der Metaphysik) als auch den Wissenschaften nach der einen Wahrheit gefragt werde, kehrt wiederholt Pannenbergs spezifisch theologisches Interesse hervor, wenn er die Wahrheit als den Gegenstand wissenschaftlichen Arbeitens scheinbar mühelos mit der Wahrheit Gottes in Verbindung bringt. Es heißt in einer seiner Predigten: „Für das Leben einer Universität mag daraus die Frage resultieren: Wie dient unsere wissenschaftliche Arbeit dem Reiche Gottes? Auch wissenschaftliche Methoden und Sachgebiete können keine Eigengesetzlichkeit beanspruchen gegenüber der einen Wahrheit Gottes [kursiv: T. L.].“95

Dass die verschiedenen Wissenschaften (gegenwärtig) nach solcher Wahrheit – zumindest ihrem eigenen Selbstverständnis nach – fragen, dürfte allerdings mehr als fraglich sein, ja dürfte Pannenberg selbst kaum geglaubt haben. Überhaupt: Für Pannenberg ist die eine Wahrheit des Glaubens identisch mit der einen Wahrheit, welche die Wissenschaften einschließlich der Theologie suchen. Sie ist – wie Pannenberg sicher im Unterschied zu einem Großteil zeitgenössischer protestantischer Theologen behauptet96 – ein und dieselbe:

92 W. Pannenberg, Den Glauben an ihm selbs fassen und verstehen, 355. 93 W. Pannenberg, Gegenwart Gottes. Predigten, 80. 94 Pannenberg bemängelt, dass der Gedanke der Einheit der Wahrheit verloren geht, wo allein der Fokus auf Spezialisierung liegt. Vgl. W. Pannenberg, Gegenwart Gottes. Predigten, 81. 95 W. Pannenberg, Gegenwart Gottes. Predigten, 92. 96 Vgl. dazu auch die Einschätzung von Chr. Mostert (God and the Future, 58), wonach sich Pannenbergs Verhältnisbestimmung von theologischer und anderer (außer-theologischer Wahrheit) von anderen modernen protestantisch-theologischen Entwürfen unterscheidet.

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„In searching for the universal Logos, the scientist is after the same truth that is the object of the Christian confession of faith, and precisely for that reason Christians should not be afraid of science or erect barriers against scientific inspection of their own affirmations.“97

Es gibt nach Meinung von Pannenberg nicht etwa auf der einen Seite die Wahrheit des Glaubens und auf der anderen Seite diejenige der Vernunft, der Wissenschaft o. ä. Denn damit wäre die Einheit der Wahrheit aufgehoben. hat D.H. Olive schon aus Pannenbergs (Früh-)werk herausgelesen. „Closely aligned with the concept of a universal science is the insertion of faith into the public arena. Since theology is a public affair, faith cannot be allowed a retreat into a private world of personal experience. It cannot be a special way of knowing, immune to the open demands of human rationality. To make faith such is to fragment truth into that which is true according to faith and that which is true according to reason. Faith becomes the way of knowing the truth of private revelation; science becomes the means into the public truth of nature, history, or philosophy.“98

Der Einheitsgedanke in Anwendung auf die Wahrheit scheint sorgsam und stringent verfolgt und durchdekliniert worden zu sein. Trifft das auch für Pannenbergs Applikation des Einheitsideals auf den formalen Wahrheitsbegriff zu?

3.3.1.5 Einheit der Wahrheit als Einheit im (formalen) Wahrheitsbegriff ? Die Einheit der Wahrheit ist Pannenberg zufolge auch jenseits einer material einheitlichen Wahrheit, und zwar mit Blick auf den Wahrheitsbegriff, zu wahren, wie in seiner Kritik an E. Brunner, H. Diem, H. Ott und in Anknüpfung an W. Kamlah deutlich wird: 3.3.1.5.1 Kritik an E. Brunner Angesichts einer solchen, als Einheit verstandenen Wahrheit wird auch verständlich, warum Pannenberg (etwa) Emil Brunners Fundamentalunterscheidung zwischen einem wissenschaftlichen, objektiven Verständnis von Wahrheit (Sachwahrheit) einerseits und einem biblischen Verständnis von Wahrheit als 97 W. Pannenberg, Theological Appropriation of Scientific Understandings: Response to Hefner, Wicken, Eaves, and Tipler, 262. Ähnlich geht auch der Pannenberg-Kenner, Theologe u. Physiker J. Polkinghorne davon aus, dass (Natur-)Wissenschaften und Theologie beide in einer Welt leben und so auch nach nur einer Wahrheit fragen. Dafür steht das Werk: J. Polkinghorne, One World. The Interaction of Science and Theologie. Die konzertierte Suche nach Wahrheit von (Natur-)Wissenschaft und Theologie hat auch der der Theologie Pannenbergs nahestehende Theologe Robert John Russell (gemeinsam mit Kirk Wegter-McNelly) betont. Vgl. Robert John Russell/ Kirk Wegter-McNelly, Die Verzahnung von Naturwissenschaft und Theologie, 125f. 98 D.H. Olive, Wolfhart Pannenberg, 36f. Olive kann sich auf Revelation as History beziehen.

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Begegnung andererseits verurteilt hat. Für Pannenberg konnte dies als eine reduktive Verletzung der wesenhaften Einheit von Wahrheit erscheinen, die unter keinen Umständen verloren gehen darf 99. „Wahrheit geht also nicht auf im Geschehen aktueller Begegnung und Verständigung.“100 „Der Verantwortung ökumenischer Begegnung vor der Frage nach der den Glauben tragenden Wahrheit läßt sich nicht schon dadurch gerecht werden, daß mit Emil Brunner Wahrheit selbst als Begegnung gedeutet wird.“101

Zutreffend skizziert Pannenberg, „Brunner hatte mit dieser Formel [‚Wahrheit als Begegnung‘ – ergänzt: T. L.] das spezifisch christliche bzw. biblische Wahrheitsverständnis im Gegensatz zu der an Sachverhalten orientierten Objektwahrheit beschreiben wollen.“102 „Er setzte es als eine personal oder ethisch bestimmte Wahrheit der in der Subjekt-Objekt-Beziehung beheimateten Sachwahrheit entgegen. Dabei galt ihm als grundlegend, daß in der Sicht der Bibel die Wahrheit – nämlich die Wahrheit des Menschseins – nicht in uns ist, sondern zu uns kommt und in diesem Sinne Begegnung ist, Geschichte, in der eine Person, ein Du, sich selbst uns mitteilt und ‚das in sich verschlossene Ich öffnet‘.“103 Auf weitere Einzelheiten in Brunners Wahrheitskonzeption, wozu im Rahmen seiner radikalen Gegenüberstellung zweier Wahrheitsverständnisse auch die Ablehnung der strukturell die subjektive und objektive Ebene der Erkenntnisrelation verknüpfenden Korrespondenztheorie der Wahrheit zählt104, geht Pannenberg nicht ein. Auf Brunners wirkmächtige Fassung des biblischen (und insofern auch christlichen) Wahrheitsverständnisses105 hat Pannenberg im We99 Vgl. dazu auch W. Pannenberg, Gegenwart Gottes. Predigten, 81. 100 W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 33. 101 W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 33. Pannenberg bezieht sich in seiner Kritik an E. Brunner auf dessen Buch Wahrheit als Begegnung (2. Aufl.). 102 W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 33. Pannenberg verweist auf E. Brunner, Wahrheit als Begegnung, 87ff, 28ff u. 35ff. 103 W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 33. Pannenberg bezieht sich auf E. Brunner, Wahrheit als Begegnung, 23f, 26f u. 27 (zit.). 104 Vgl. dazu E. Brunner, Wahrheit als Begegnung, 67 (2. Aufl.). Zu E. Brunners Verständnis von Wahrheit als Begegnung siehe auch die ausführliche Darstellung und Kritik bei A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 360–375. 105 Auch neuere Positionen wie beispielsweise diejenige von M. Petzoldt sind zum Teil von Brunners Distinktion beeinflusst. Vgl. M. Petzoldt, Wahrheit als Begegnung, 81 (siehe auch a. a. O., 81ff). Petzoldt grenzt sein Verständnis von Wahrheit als Begegnung (interpretiert als biblisch-christlicher Wahrheitsbegriff) von dem Wahrheitsbegriff der griechischen Philosophie als einem anderen Wahrheitsbegriff ab – nämlich als dem „allgemein-rationalen Wahrheitsbegriff“. Er bezieht sich hierfür auf E. Brunner, Wahrheit als Begegnung, 57 (in der 1. Auflage von 1938). Siehe dazu alternativ in M. Petzoldt, Christsein angefragt, 25–40, bes. 27ff (zit. 27). Auch wenn Petzoldt immerhin nicht nur Unterschiede zwischen grie-

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sentlichen mit einer Kritik reagiert, die die Auflösung der Einheit der Wahrheit durch die Gegenüberstellung von Sachwahrheit und personaler Wahrheit beanstandet: „Aber die Entgegensetzung von personaler Wahrheit und Sachwahrheit läßt sich nicht aufrechterhalten. Sie verletzt nicht nur die Einheit alles Wahren, ohne die Wahrheit nicht gedacht werden kann, sondern sie scheitert vor allem daran, daß personale Kommunikation immer an ein Medium gemeinsamer Sachaufgaben und Sachinteressen gebunden ist, so daß sich ihre Verselbständigung als Ausdruck eines abstrakten Personalismus erweist. Aus der Bindung personaler Wahrheit an Sachwahrheit aber folgt unter anderem auch, daß Wahrheit nie in der Aktualität der Begegnung von Personen aufgeht und im Geschehen ihrer Verständigung aufgeht. Vielmehr geht es bei der Verständigung über eine Sache, mit der die Verständigung der beteiligten Personen einhergeht, immer um die Identität dieser Sache auch außerhalb des Vorganges solcher Verständigung, soweit die Verständigung auf Wahrheit zielt und nicht nur auf eine konventionelle Sprachregelung.“106

Pannenbergs Kritik an Brunner wirkt unzufriedenstellend. Anstatt den Fokus auf das Wahrheitsattribut der Einheit zu richten, hätte Pannenberg konstruktivkritisch der Frage nachspüren können, über welchen Wahrheitsbegriff bzw. über welche potentiellen Wahrheitsbegriffe sinnvollerweise diskutiert werden müsste, um über deren mögliche Relevanz zu sprechen. Bei diesem Schritt hätte deutlich werden können, dass verschiedene Wahrheitsbegriffe Gegenstand der Auseinandersetzung sind. Daraufhin hätte Pannenberg verdeutlichen können, dass die faktische Pluralität von Wahrheitsbegriffen noch nicht zu der These nötigen muss, dass vom Einheitsgedanken in Anwendung auf einen formalen Begriff von Wahrheit sinnvollerweise Abstand zu nehmen sei. Die Idee der Einheit der Wahrheit lässt sich m. E. vorzüglich als Idee einer materialen, universal-kohärenten Einheit verteidigen unter Zugrundelegung eines ganz bestimmten Wahrheitsbegriffs, und zwar des semantisch-ontologischen, weil dieser über die wissenschaftlichen Disziplingrenzen hinweg faktisch wirksam ist. Überdies hätte als Rückfrage an Brunners Wahrheitskonzept thematisiert werden können, aufgrund welcher biblischer Indizien Wahrheit dem christlichen Verständnis gemäß angeblich zu Recht als ‚Begegnung‘ aufzufassen sei. Brunners Ablehnung der relationalen Aussagewahrheit lässt sich jedenfalls gerade vor dem Hintergrund neuerer Forschungen nicht halten. Längst ist der Nachweis erbracht worden, dass

chischem und hebräischem Wahrheitsbegriff erkennt, sondern auch „Zusammenhänge“ annimmt (vgl. M. Petzoldt, Wahrheit als Begegnung, 81), bleibt es letztlich bei einem Dualismus zwischen philosophischer und theologischer Wahrheit, denen verschiedene Charakteristika zugeordnet werden (vgl. a. a. O., 91–93). 106 W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 33. A. Kreiner (Ende der Wahrheit?, 370f) teilt diese Kritik Pannenbergs an Brunner.

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der biblische Kanon auch die von ihm für den christlichen Glauben zurückgewiesene Aussagenwahrheit kennt (s. u.).

3.1.1.5.3 Kritik an H. Diem Pannenbergs Kritik an Brunner zeigt, dass er die von ihm vorgenommene Distinktion zwischen zwei Wahrheitsverständnissen für einen Irrweg hält. Die Auseinandersetzung mit H. Diem erfolgt jedoch ähnlich nicht über eine direkte Erörterung der Frage nach Wahrheitsbegriffen, sondern über den mit der Wahrheit assoziierten Einheitsgedanken. Pannenberg scheint auch hier die Vorstellung von der Einheit der Wahrheit ausdrücklich auf den Begriff der Wahrheit selbst beziehen zu können, wie seine Argumentation anschaulich bestätigt: Zunächst ist der Auslöser für Pannenbergs kritische Distanznahme von dem Karl Barth-Schüler H. Diem darin zu sehen, dass dieser sich gegen die (auch von Pannenberg später mehr oder weniger ausdrücklich verteidigte) These wandte, „daß die Theologie mit der übrigen Wissenschaft ein gemeinsamer Begriff der veritas [kursiv: T. L.] verbindet, so daß es möglich erscheint, . . . ein Verhältnis zu der Wissenschaft des natürlichen Menschen herzustellen“ (I, 35).“107 Diem hat seine Überzeugung damit zu begründen versucht, dass die Offenbarung Gottes in Jesus Christus den Gegenstand der Theologie bilde, der sich seinerseits einer Beurteilung sowohl hinsichtlich der „historische[n] Tatsachenfrage“ als auch hinsichtlich der „philosophisch-prinzipielle[n] Wahrheitsfrage“ entzöge108. Anstatt dass nun Pannenberg, wie es sachlich angmessen(er) gewesen wäre, im Rahmen seiner Kritik direkt die Frage nach einem möglicherweise gemeinsamen Wahrheitsbegriff aufzugreifen, betont er gegen Diem die Notwendigkeit der Annahme der Einheit der Wahrheit: Denn nur unter der Bedingung der allgemein vorausgesetzten Einheit der Wahrheit sei ein Streit um Wahrheit überhaupt erst möglich: „Doch selbst derartige Differenzen müssen auf dem Boden der von Diem abgelehnten Annahme der Einheit der Wahrheit ausgetragen werden; denn ohne diese Annahme müßte alle Diskussion aufhören. Die Annahme der Einheit der Wahrheit, die Diem so verdächtig ist, bedeutet ja für die Theologie nicht, daß sie einen fertigen Begriff von Wahrheit von andernwärts, etwa von der Philosophie übernehmen müßte [kursiv: T. L.]. Doch selbst ein Streit um die Wahrheit ist nur möglich, wo deren Einheit vorausgesetzt wird. Die Theologie müßte also ihren Wissenschaftscharakter durch Auseinandersetzung mit sonst vertretenen Auffassungen von Wissenschaft begründen können, und sie 107 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 22. Das Zitat entstammt Diems dreibändigem Werk „Theologie als kirchliche Wissenschaft“, Bd. I, 35. 108 H. Diem, Theologie als kirchliche Wissenschaft Bd. I, 35. Siehe dazu W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 22.

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müßte sich dabei auf das Feld der Auseinandersetzung darüber begeben, was Wissenschaft ist“109.

Der Zentralgehalt in der Argumentation Pannenbergs scheint mir in der Überzeugung zu liegen, dass für jedweden Wahrheitsdiskurs der Gedanke der Einheit der Wahrheit (wenigstens implizit) vorausgesetzt werden müsste, was er sich dadurch erklärt, dass nur unter dieser Voraussetzung um Wahrheit gestritten werden könne. Diese Ausführungen Pannenbergs lassen jedoch Fragen offen, die der Klärung bedürfen: In seiner Bezugnahme auf Diems Kritik an einem gemeinsamen Wahrheitsbegriff scheint Pannenberg den Gedanken der Einheit der Wahrheit auf einen formalen Wahrheitsbegriff zu beziehen. Welcher Wahrheitsbegriff in Philosophie und Theologie als ein gemeinsamer fungieren könne, wird bedauerlicherweise nicht gesagt, obwohl Pannenberg sogar ausdrücklich betont, dass die Theologie von Seiten der Philosophie keinen „fertigen Begriff von Wahrheit“ übernehmen müsse110. In seiner „Wi s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d T h e o l o g i e “ klärt Pannenberg (noch) nicht die Frage nach dem Begriff von Wahrheit. Es ist lediglich so, dass er mit einem aussagetheoretischen bzw. korrespondenztheoretischen Wahrheitsbegriff operiert, weil die Frage nach der Wissenschaftlichkeit theologischer Aussagen als eine zentrale Frage behandelt wird. Die Fundamentalunterscheidung zwischen formaler Wahrheit einerseits und einzelner, materialer Wahrheit andererseits fehlt nicht nur hier, sondern durchweg in seiner Theologie. Es bleibt daher offen, ob Pannenberg die Vorstellung der Einheit der Wahrheit tatsächlich auf den formalen Begriff der Wahrheit angewandt wissen will oder lediglich auf bestimmte materiale Gehalte unter Voraussetzung eines bestimmten und nicht näher definierten Begriffs von Wahrheit. Man wird davon ausgehen können, dass Pannenberg zumindest hier mit dem Einheitsgedanken die (kohärente) Zusammenstimmung materialer Gehalte angenommen hat, deren Wahrheit er als eine dem common sense entsprechende und im weitesten Sinne semantisch-ontologische verstanden hat, nämlich als eine Wahrheit in dem Sinne, dass alles Ausgesagte auch zutrifft111.

109 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 23. 110 An anderer Stelle ist irritierenderweise von einem „Wahrheitsverständnis der Wissenschaft“ die Rede (W. Pannenberg, Einheit der Kirche und Einheit der Menschheit, 14 [= siehe auch im identischen Beitrag in W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 326]), welches nicht näher expliziert wird. 111 Man beachte den semantisch-ontologischen Fokus in folgendem Zitat über die Theologie: „Denn wodurch könnte sie ihren Anspruch rechtfertigen, von vornherein auf einem anderen, und zwar privilegierten Standpunkt zu stehen, wenn die Frage nach der Wahrheit ihrer Behauptungen gestellt wird?“ (W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 23).

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3.3.1.5.3 Anknüpfung an W. Kamlah Sein Votum für die Einheit der Wahrheit verteidigt Pannenberg auch mit Verweis auf Ausführungen des Philosophen W. Kamlah, der die Unhaltbarkeit der Distinktion zwischen etwa der Wahrheit im Glauben und einer davon verschiedenen Wahrheit der Wissenschaft behauptet hatte: „Daß Existenzwahrheit isoliert für sich gar nicht möglich ist, hat neuerdings W. Kamlah (Wissenschaft, Wahrheit, Existenz, 1960) eindringlich dargetan: „Die wahrhaft mögliche als wahrhaft gebotene menschliche Existenz ‚stützt sich‘ nicht etwa auf sich selbst, sondern auf so etwas wie eine Wahrheit außer ihr“ (66f.). Diese Wahrheit außer uns ist auch für Kamlah wesenhaft eine einzige: „Es gibt nichts abzuhandeln an der Forderung, daß ‚die‘ Wahrheit als existenzgründende zugleich universal zu sein hat, das heißt: Existenz kann ihrer selbst gewiß, sich selbst hell werden nicht anders als so, daß ihr auch die Welt hell wird“ (70). Daraus zieht Kamlah einen Schluß, den die Theologie sehr ernst nehmen sollte: „Es verstößt also auch dies gegen den Anspruch auf die Wahrheit, der zum fragenden Menschsein gehört, daß der Mensch ‚die‘ Wahrheit im Glauben hat und daneben noch ‚die‘ ganz anders geartete Wahrheit der Wissenschaft“ (71). Die vorliegende Untersuchung bemüht sich, dem damit gestellten Problem standzuhalten.“112

Diesbezüglich ist kritisch anzumerken, dass hier eine Reflexion darauf, ob möglicherweise verschiedene Wahrheitsbegriffe im Glauben und der Wissenschaft vorausgesetzt werden, unterbleibt. Für den Fall, dass sich die jeweils wirksamen Wahrheitsbegriffe unterschieden, verlöre Pannenbergs These der Einheit der Wahrheit im Sinne der Einheit des Wahrheitsbegriffs an Plausibilität. Selbst bei der Einheit eines von Theologie und übrigen Wissenschaften zugrunde gelegten Wahrheitsbegriffs ist zumindest mit der Möglichkeit zu rechnen, dass unterschiedliche materiale (Einzel-)Wahrheiten als Gegenstände der Forschung fungieren (wobei dann freilich zu fragen wäre, wie diese sich zueinander verhielten). In den Ausführungen Kamlahs wird am Rande deutlich, dass sich die von Pannenberg bedachte Kontroverse zwischen Theologie und anderen Wissenschaften nicht um den Wahrheitsbegriff drehen dürfte. Der Wahrheitsbegriff ist, wie Kamlah sicher mit gutem Recht vorauszusetzen scheint, stets der der Satzwahrheit: „Der christliche Glaube dürfte, wenn er seinen eigenen Anspruch ernst nähme, der Wissenschaft nur existentiell belanglose „Wahrheiten“ beliebig vieler Sätze, nicht aber „die“ Wahrheit zuerkennen, in der sich diese Vielheit zur Einheit zusammenschließt – freilich würde auch so die Verschlungenheit von Satzwahrheiten des Glaubens mit denen der Wissenschaft sich nicht lösen.“113 112 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 216 Anm. 29. 113 W. Kamlah, Wissenschaft, Wahrheit, Existenz, 71. Vor diesem Hintergrund versteht sich auch Kamlahs Kritik an „Jaspers‘ Unterscheidung der wissenschaftlichen Wahrheit als objektiv-allgemeingültiger von der philosophischen Wahrheit, die nicht allgemeingültig sei

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Als Streit zwischen Theologie und anderen Wissenschaften denkbar wäre demzufolge eher ein Streit um materiale Wahrheiten, und zwar um solche, die allesamt von der Satzwahrheit her zu verstehen sind. Pannenbergs Anliegen wäre also passender unter der Frage nach einem möglicherweise gemeinsamen Begriff von Wahrheit (anstatt unter der Frage nach der ‚Einheit der Wahrheit‘) zu diskutieren gewesen. 3.3.1.5.4 Zur Verteidigung der Satzwahrheit als einer Dimension im Wahrheitsbegriff Pannenberg hebt an anderer Stelle für seine Verteidigung des Gedankens der Einheit der Wahrheit darauf ab, die sog. Satzwahrheit als eine elementare Dimension der Einheit der Wahrheit zu begreifen114. Pannenberg erklärt: „Der Gesichtspunkt der Einheit der Wahrheit ist darum so wichtig, weil er sowohl philosophisch evident zu erfassen ist als auch jene über die Satzwahrheit hinausgehende Dimension des Wahrheitsbegriffes einbringt.“115 Diese Überlegung stand im Zusammenhang mit einer Kritik an Heinrich Otts Ausführungen zum Wahrheitsbegriff. Ott hatte „ein Reden von Wahrheit entwickelt, das der Satzwahrheit entgegengesetzt ist“116, sodass dadurch „der Wahrheitsbegriff selber an zentraler Stelle gesprengt“ wird und „[d]ie Einheit der Wahrheit […] verloren [geht].“117 Daraus resultierten nach der Einschätzung Pannenbergs schwerwiegende Folgen für den Wahrheitsdiskurs: Es müsse „gerade die protestantische Tradition besonders interessiert sein“ an der „Satzwahrheit als kritische Instanz gegen Gemeinschaftsprozesse, Konventionalismen usw.“118 Es ist Pannenberg

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und nicht unabhängig von der subjektiven Überzeugung.“ Kamlah bezieht sich hier auf E. May. Siehe dazu W. Kamlah, Wissenschaft, Wahrheit, Existsenz, 70 bzw. 73 Anm. 9. Vgl. zum Folgenden W. Pannenbergs Diskussionsbeitrag, in: Papsttum als ökumenische Frage, 245f. W. Pannenbergs Diskussionsbeitrag in: Papsttum als ökumenische Frage, 245. W. Pannenbergs Diskussionsbeitrag in: Papsttum als ökumenische Frage, 245. Zu Heinrich Otts Ausführungen vgl. H. Ott, Bilanz der Diskussion um die vatikanische Primats- und Unfehlbarkeitsdefinition. Eine protestantische Stellungnahme, in: Papsttum als ökumenische Frage, 212–233. Otts Entgegensetzungen zur Satzwahrheit, die in seinem Plädoyer für ein dialogisches Wahrheitsverständnis gründen, zeigen sich auch in seinem Verständnis menschlicher Wahrheitserkenntnis, näherhin in der Deutung der Konjekturen (nach Nikolaus von Kues als Vermutungen, Mutmaßungen), die der Mensch im Erkenntnisvorgang anstelle. Wie noch zu zeigen sein wird, erlaubt die Konjekturenlehre des Kusaners für Pannenberg geradezu eine Anknüfung an das Thema der Satzwahrheit. Für Ott dagegen sind die kusanischen Konjekturen „niemals ‚richtige Sätze‘“, als Ausdruck der „Partizipation des endlichen Geistes an der Wahrheit“ zielten sie [lediglich] in die Richtung der Wahrheit als einer unendlichen (H. Ott, a. a. O., 230). W. Pannenbergs Diskussionsbeitrag, in: Papsttum als ökumenische Frage, 245f. W. Pannenbergs Diskussionsbeitrag, in: Papsttum als ökumenische Frage, 246.

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„also höchst wichtig, das Element der Satzwahrheit in die Einheit der Wahrheit mit aufzunehmen.“119 Diese Kritik Pannenbergs an Ott ist offenbar so zu verstehen, dass er die Satzwahrheit als Bestandteil der Einheit der Wahrheit begriffen wissen möchte, da sie das Referieren auf die ontologische Ebene ermöglicht, sodass – konkret per Sach- oder Gegenstandsbezug – sämtliche Kommunikationsprozesse und Konventionen mit Blick auf die Wahrheitsfrage geprüft werden können. Vor einer solchen Interpretation der Satzwahrheit wird es denn dann auch verständlich, warum Pannenberg eine Exklusion der Satzwahrheit aus der Einheit der Wahrheit vermeiden möchte: „In den lebendigen Interpretationsprozessen gibt es dann keine Kritik mehr; der Dialog wird zu dem, was wir einen gruppendynamischen Prozeß nennen. Es scheint mir also höchst wichtig, das Element der Satzwahrheit in die Einheit der Wahrheit mit aufzunehmen.“120 Problematisch an diesen seinen Überlegungen ist jedoch, dass die Satzwahrheit nicht als eigenes formales Wahrheitsverständnis begriffen wird, das sie ist. Stattdessen versteht er sie als eine Dimension, als ein Moment, in einem umfassenderen Begriff von Wahrheit. Welche Schwierigkeiten damit verbunden sind, wird an anderer Stelle eingehend thematisiert. 3.3.1.6 Zur Begründung der Einheit der Wahrheit Wer die Vielzahl der Belegstellen zum Gedanken der Einheit der Wahrheit in Pannenbergs opus durchsieht, wird feststellen, dass dieser Gedanke nur wenige Male und zum Teil auch mit unterschiedlichen Akzentuierungen im Rahmen der Kritik anderer Positionen verteidigt wird. In der überwiegenden Zahl wird die Vorstellung der Einheit der Wahrheit schlicht postuliert, was die bereits o.g. Vermutung bestätigt, dass dieser Gedanke ein für Pannenberg geradezu selbstverständlicher gewesen ist. Die verschiedenen, von Pannenberg gegebenen Begründungsmuster werden im Folgenden der besseren Übersichtlichkeit wegen in systematisierter Form zur Darstellung gebracht: 3.3.1.6.1 Ein theologisches Argument Für die ‚Einheit der Wahrheit‘ spricht im Denken Pannenbergs ein zutiefst theologisches Argument: der Gedanke Gottes als des einzigen Gottes: „Der Satz von der Einheit der Wahrheit hat seine theologische Entsprechung und wohl auch Begründung [kursiv: T. L.] in der Überzeugung, daß nur ein Gott ist.“121 119 W. Pannenbergs Diskussionsbeitrag, in: Papsttum als ökumenische Frage, 246. 120 W. Pannenbergs Diskussionsbeitrag, in: Papsttum als ökumenische Frage, 246. 121 W. Pannenberg, Die Vernünftigkeit der Vernunft als theologisches Problem, 74; vgl. auch (ähnlich abgedruckt in) W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 238. In-

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Nach Pannenbergs Dafürhalten ergeben sich hieraus auch Konsequenzen für das Verhältnis von Glaube und Vernunft: „Wegen der Einheit Gottes und der Wahrheit kann man sich nicht bei einer Entgegensetzung von Glaube und Vernunft beruhigen und auch nicht bei einem beziehungslosen Nebeneinanderherleben beider, wie es sich in der Geschichte der Neuzeit herauszubilden droht.“122

Pannenberg fragt rhetorisch: „Sollte in diesem Sinne nicht auch die Spannung zwischen griechischem und israelitischem Erbe unserer Geschichte, die sich immer wieder als Spannung zwischen Glaube und Vernunft geäußert hat, jetzt schon im Lichte ihrer eschatologischen Einheit zu erwägen sein, so daß diese jetzt schon unser Denken zu bestimmen hätte?“123 „Ist nicht sogar die Spannung zwischen Glauben und Vernunft selbst nur möglich unter Voraussetzung einer beide umgreifenden Einheit, nämlich unter der Voraussetzung, daß die Wahrheit nur eine ist?“124 Pannenbergs Begründung der Einheit der Wahrheit erfolgt auch über die Wirklichkeit, und zwar mit dem Argument der von Gott konstituierten Totalität, Einheit und Kohärenz, wie bereits in seinem Ausdeuten der Wahrheitsfrage erkennbar wurde. Für Pannenbergs Wahrheitsverständnis ist charakteristisch, dass er die Frage nach Wahrheit als Frage nach der Wahrheit des christlichen Glaubens zugleich auch als die Frage nach der einen Wahrheit (schlechthin) interpretiert125. Er begründet dies damit, dass für ihre Erkenntnis die Bezugnahme auf die Wirklichkeit in ihrer Totalität, wie sie über die Erfahrung zugänglich sei, konstitutiv sei. Daraus ergibt sich: Die von Pannenberg anvisierte Wahrheit ist die eine Wahrheit über die eine Wirklichkeit, die darum auch allen anderen Men-

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sofern kann K. Koch (Der Gott der Geschichte, 399) zugestimmt werden, der in Bezug auf Pannenberg urteilte, „die Überzeugung von der Einheit der Wahrheit [sei] theologisch zutiefst begründet […] in der Überzeugung von der Einheit Gottes“. Daneben sind weitere Begründungsmuster zu sehen – insbesondere das systematische Argument der Kohärenz, das seinerseits in fundamentaler Beziehung zum Pannenberg‘schen Gottesgedanken steht. Eine solche Begründung der Einheit der Wahrheit aus der Einheit Gottes ist theologisch naheliegend und ähnlich u. a. auch von G. Sauter (Was ist Wahrheit in der Theologie?, 59) vorgenommen worden. Vgl. auch exemplarisch folgendes Statement: „Ohne die Verbindung des von israelitisch-jüdischen Sonderansprüchen befreiten, biblischen Monotheismus mit der philosophischen Frage nach dem Einen wahren Gott hätte der Gott Israels bei Nichtjuden nicht als der Eine Gott aller Menschen Glauben finden können.“ (W. Pannenberg, Glaube und Wirklichkeit, 108). W. Pannenberg, Die Vernünftigkeit der Vernunft als theologisches Problem, 74; vgl. auch W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 238. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 237f. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 238. Siehe auch W. Pannenberg, Die Vernünftigkeit der Vernunft als theologisches Problem, 74. Zur Frage „nach der einen Wahrheit“ im Horizont der Frage nach Einheit und Ganzheit siehe auch schon W. Pannenberg, Was ist der Mensch?, 44.

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schen und Wissenschaften zugänglich ist126. Denn die eine Wahrheit ist keine Sonderwahrheit (s. o.) – weshalb kein Rückzug etwa „auf eine besondere Ebene

126 Dieser das ganze Denken Pannenbergs kennzeichnende Zusammenhang zwischen der Einheit der Wahrheit und der Einheit der Wirklichkeit ist von E. Herms zu Recht herausgestellt worden. Diese Sichtweise ermöglicht die Interdisziplinarität mit anderen Wissenschaften, wie sie von Pannenberg angestrebt wird. „Das Motiv zu diesen Vorschlägen stammt Pannenberg zufolge aus dem christlichen Gottes-, Welt- und Menschenverständnis selber, das seinem kanonischen Selbstverständnis zufolge die eine Wahrheit über die eine Weltwirklichkeit ist“. (E. Herms, Die „Beiträge zur Systematischen Theologie“, 1224f.) Herms meint außerdem mit Recht, Pannenberg gehe es um „Konsonanz“ zwischen dem Wirklichkeitsverständnis des Glaubens und der Welterkenntnis der Naturwissenschaften“ (so Herms, a. a. O., 1225), dabei Pannenbergs Festhalten an der Idee der Einheit der Wirklichkeit würdigend: „Und dieser Charakter schließt ein, dass es keine Wahrheit über Welt und Mensch geben kann, die nicht in ihn zu integrieren wäre, so dass er durch sie und sie durch ihn konkretisiert wird. […] Zwar scheint das von Immanuel Kant erfundene Programm, dem Glauben dadurch Raum zu schaffen, dass die Wirklichkeit in zwei Sphären zerteilt wird – in die phänomenale und die noumenale, und dementsprechend auch das Wissen und die Wahrheit auf zwei Sphären verteilt werden, die theoretische und die praktische -, den Glauben ein für alle Mal vor jeder möglichen Anfechtung durch Wahrheitsansprüche der theoretischen Vernunft in Sicherheit zu bringen, weil es alle derartigen Ansprüche für den Glauben als irrelevant erklärt. Deshalt tritt dieser Dualismus bis auf den heutigen Tag in immer neuen Variationen in der evangelischen Theologie auf. Aber damit gewinnt der Glaube seinen Frieden mit der theoretischen Vernunft nur um den Preis, dass er selbst zu einem subjektiven Meinen und seine theologische Explikation zur – unter Umständen sprachspielerisch aufwändigen und ästhetisch reizvollen – Explikation privater Vorlieben degeneriert, während in der Öffentlichkeit des Zusammenlebens alle praktische Orientierungskraft ausschließlich den jeweils erfolgreich zu Ansehen gebrachten Wahrheitsansprüchen der theoretischen Vernunft überlassen bleibt. […] Gegenüber allen solchen Selbstprivatisierungen und Selbstverleugnungen des christlichen Glaubens begegnet in Pannenbergs Vision der Integrierbarkeit aller wahren Wirklichkeitserkenntnis in das Wahrheitsbewusstsein des Glaubens ein Festhalten an der Einheit der uns Menschen zu verstehen gegebenen Wirklichkeit, an der Einheit des Gesamtzusammenhangs unseres verstehenden Umgangs mit ihr sowie an der Einheit der Wahrheit, an der alles wahre Verstehen in seiner unausschöpfbaren Fülle Anteil hat – eine Haltung, die heute ebenso selten ist wie der Wirklichkeit des Glaubens entsprechend. Im visionären Schwung der Pannenbergschen Interpretationsangebote bezeugt sich insoweit ein Motiv, ohne das es überhaupt keine ihrer Sache gerecht werdende Theologie gibt.“ (E. Herms, Die „Beiträge zur Systematischen Theologie“ von Wolfhart Pannenberg, 1232f.) Diese Vorstellung einer Wirklichkeit basiert ihrerseits auf einer für Pannenbergs Denken charakteristischen Annahme, dass alle Entitäten untereinander in einem harmonischen, kohärenten Verhältnis zueinander stehen. Andernfalls könnten sie nicht integrativ aufeinander bezogen werden und es könnte darum von ihnen her nicht auf die Einheit der Wahrheit geschlossen werden. Einheit als geschichtliche Einheit in der Universalgeschichte impliziert also den Gedanken der Kohärenz. Siehe dazu etwa die Bemerkungen von M. Gilberton (God and History in the Book of Revelation, 164), der erkannte: „The concept of universal history, that is, the concept that history has an overall unity and coherence, is crucial to Pannenberg’s argument.“ Ähnlich hat E. Frank Tupper (The Theology of Wolfhart Pannenberg) schon den Gedanken der Ganzheit der Wirklichkeit (als Geschichte) bei Pannenberg (u. a. mit Bezugnahme auf

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der ‚theologischen Wahrheitsfrage [kursiv: T. L.]‘ gegenüber der philosophischen“127 zulässig ist. Um zu verstehen, wie Pannenberg von der Einheit der Wirklichkeit her auf die Einheit der Wahrheit schließen kann, bedarf es der Betrachtung dessen, was Pannenberg näher unter Wirklichkeit versteht: Pannenberg hat sein Verständnis von Wirklichkeit auffälligerweise nicht in Auseinandersetzung mit verschiedenen, klassischen Realitätsbegriffen entwickelt, wie sie etwa insbesondere in Philosophie und Wissenschaft diskutiert werden128. Bereits in frühen Beiträgen verdeutlicht sich, dass Pannenberg für ein dezidiert (geschichts-)theologisches Wirklichkeitsverständnis eingetreten ist129, das die ganze Wirklichkeit im Blick hat und als begrifflich gefasste Konzeption nicht als ein Gegenüber zu anderen Wirklichkeitsverständnissen gedacht ist130.

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Was ist Wahrheit? [1962]) mit dem Gedanken eines „coherent whole“ (a. a. O., 46) verbunden gesehen. Die Wahrheitsfrage fragt nach dem Ganzen der Wahrheit und tut dies nicht zuletzt im Hinblick auf das Ganze der Wirklichkeit. Theologie und Naturwissenschaften beziehen sich für Pannenberg auf einunddieselbe Realität, sie „können daher potenziell komplementäre Einsichten beisteueren.“ (A.E. McGrath, Naturwissenschaft und Religion – eine Einführung, 253) Siehe auch Ted Peters’ (Clarity of the Part versus Meaning of the Whole, 300) diesbezüglichen Anmerkungen: „Pannenberg’s proposed theological method is a courageous recognition that there is but one reality and that the truths of science and the truths of theology must ultimately cohere. This is courageous because, in principle, he will permit empirical discoveries to count as theological knowledge; and this opens up the possiblity of disconfirmation of long held theological doctrines.“ So Pannenberg im Nachwort zur dritten Auflage von OaG; hier zitiert nach W. Greive, Wolfhart Pannenbergs Vorlesung „Theologie der Vernunft“. Eine Skizze, 96. Das erklärt, warum Pannenberg sich auch nicht ausdrücklich zu den diversen erkenntnistheoretischen Positionen geäußert hat. Diese Feststellung darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Pannenberg dennoch ein Verständnis von Wirklichkeit besitzt, das sich mit guten Gründen als ein realistisches behaupten lässt. Pannenberg erklärt selbst: „Die Geschichtstheologie erscheint nun, wenigstens im Prinzip, als die legitime Erbin des biblischen Wirklichkeitsverständnisses.“ (W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 35). Von Pannenbergs Geschichtstheologischer Programmatik her versteht sich, dass er die Ablösung der Profangeschichte „von der theologischen Geschichtsinterpretation“ für problematisch hält. Siehe dazu W. Pannenberg, Art. Geschichte/Geschichtsschreibung/Geschichtsphilosophie VIII. Systematisch-theologisch, 658ff. Seiner Einschätzung nach kann „[d]ie christliche Theologie […] den Boden der Geschichtswirklichkeit nicht ohne Preisgabe ihrer eigenen Identität räumen und den Monopolansprüchen einer theologisch neutralen Geschichtsauffassung überlassen.“ (vgl. a. a. O., 660). Unverkennbar sind zudem Pannenbergs Sympathien für das dieser Vorstellung nahestehende idealistische Denken: „Wird aber das Ganze der Wirklichkeit in ihrem zeitlichen Wandel als Geschichte und so als Selbstmitteilung Gottes gedacht, dann befinden wir uns auf dem Wege, den das Denken des Deutschen Idealismus seit Lessing und Herder eingeschlagen hat“. (W. Pannenberg, Einführung von W. Pannenberg, in: OaG, 18). Pannenberg geht zudem auf Schleiermacher, Hegel und Schelling ein (vgl. a. a. O., 18). Vgl. dazu ausführlicher die instruktiven Ausführungen von R.A. Rhem, A Theological Conception of Reality as History – Some Aspects of the Thinking of Wolfhart Pannenberg.

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Die (Universal-)Geschichte, die für Pannenberg bereits im Alten und Neuen Testament eine fundamentale Kategorie darstellt, ist für ihn „der umfassendste Horizont christlicher Theologie“131. Der einen Wirklichkeit, die wir alle kennen, korrespondiert ein ganz konkretes Verständnis von ihr. Es ist das von ihm sog. biblische Wirklichkeitsverständnis, d. h. ein geschichtliches Verständnis von Wirklichkeit, für das Pannenberg mit M. Eliade sich ausgesprochen hat und das er bereits bei den Israeliten erschlossen vorgefunden hat132. Wirklichkeit und Geschichte fallen hier in eins zusammen133: „Geschichte Pannenberg hält die theologische Interpretation der Wirklichkeit für rationaler als andere Sichten. Darauf hat bereits R. Rehm zu Recht hingewiesen. Mit Troeltsch, aber im Unterschied zu K. Barth und R. Bultmann wird der christliche Glaube auf die ganze Wirklicheit bezogen. Gegen Troeltsch aber wird das Christentum nicht „in subjection to the prevailing worldview of modern man“ angesehen. Pannenberg „interprets the whole of reality theologically“ (vgl. a. a. O., 181); eine gute Darstellung des Wirklichkeitsverständnisses Pannenbergs bietet auch Chr. Mostert, God and the Future, 69ff. 131 „Geschichte ist der umfassendste Horizont christlicher Theologie.“ (W. Pannenberg, Heilsgeschehen und Geschichte, in: W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 22). Siehe auch die Bemerkungen von B. Hägglund (Glaube und Geschichte – ein Grundthema der Theologie des 20. Jahrhunderts, 18), wonach in ‚Heilsgeschehen und Geschichte‘ die Geschichte zur fundamentalen Kategorie werde. Lothar Steiger (L. Steiger, Offenbarungsgeschichte und theologische Vernunft. Zur Theologie W. Pannenbergs, 97f) kritisierte die These Pannenbergs, die Geschichte sei von Israel entdeckt worden. Steiger meint, sie sei von Israel bezeugt worden. Vgl. folgendes Urteil über Pannenberg: „[…W]o es um die Einheit und Ganzheit der Geschichte Gottes, wie sie im Alten und Neuen Testament bezeugt ist, gehen soll, stellt Pannenberg das alttestamentliche, universale Geschichtsdenken sachgemäß dem Material nach dar, zieht dann aber die bündige Konsequenz, die Steiger hier wiedergiebt: „‚So hat Israel nicht nur die Geschichte als einen besonderen Bereich der Wirklichkeit entdeckt, sondern schließlich die gesamte Schöpfung in die Geschichte hineingezogen. Geschichte ist die Wirklichkeit in ihrer Totalität‘ […: Anm. T. L.: Und das provoziert Steiger:]. Das wird einfach als Wahrheit und Wissen hingestellt. Israel hat diese Wirklichkeit nicht „entdeckt“, sondern eben bezeugt.“ (So L. Steiger, a. a. O., 97f.) Zum Gesamtzusammenhang des Zitates siehe W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 27. 132 Pannenberg beruft sich hier auf M. Eliade, Der Mythos der ewigen Wiederkehr (1953) – s. dazu W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 23 inkl. Anm. 2. Pannenberg spricht vielfach von einem israelitischen Geschichtsverständnis (s. dazu die u.g. Belege), obwohl er sich der Tatsache bewusst ist, dass das alte Israel den Begriff der Geschichte (noch) nicht kannte. „Man sprach stattdessen von den „Taten Gottes“ oder auch von der Gesamtheit der Taten Gottes.“ (W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. II, 194). 133 Daher ist die Formulierung von R.A. Klein, bei Pannenberg sei „[d]ie Geschichte […] vielmehr Grundform von Wirklichkeit überhaupt“ (R.A. Klein, Wolfhart Pannenberg: Systematische Theologie I–III, 270) nicht ganz zutreffend, zumal sie selbst im Anschluss – wie Pannenberg – die Geschichte als Bezeichnung der Wirklichkeit in ihrer Ganzheit angibt und damit doch zu Recht eine Identifikation von Wirklichkeit mit Geschichte bei Pannenberg behauptet: Sie schreibt: „Sie [sc. die Geschichte] ist damit nicht nur Horizont des menschlichen Verstehens (unbestimmte Grenze und Einheitsgrund aller Verstehensbemühungen) oder eine im Verstehen wirksame Ganzheit (bloßer Einheitsgesichtspunkt in der Vielzahl der Ereignisse), sondern sie bezeichnet theologisch gesehen die Totalität der Wirklichkeit,

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ist die Wirklichkeit in ihrer Totalität.“134 Die Wirklichkeit als Geschichte zu verstehen, heißt konkret die Wirklichkeit in ihrer Totalität als das Geschichtshandeln des biblischen Gottes und seiner Offenbarung in seiner Schöpfung zu verstehen135: Wirklichkeit, die die Totalität des Seienden umfasst, ist in ihrer Gesamtheit die Geschichte eines einmalig linear, auf ein letztes Ziel in der Zukunft hin laufenden, derzeit noch unabgeschlossenen Prozesses – darum sei die Wirklichkeit in ihrer Totalität auch nur antizipativ zugänglich136. Es ist das Verständnis von „Wirklichkeit als Geschichte, wie sie in der Verheißungsgeschichte Gottes mit Israel auf die in Jesus Christus vorweggenommene Erfüllung hin erschlossen ist“137. Im Unterschied zu einem mythisch-kultischen, an normativer Urzeit orientierten Wirklichkeitsverständnis und auch entgegen dem statischen graecoromanischen Wirklichkeitsverständnis des Kosmos „als einer immer gleichen

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d. h. die Einheit der Wirklichkeit in Bezug auf eine singuläre Größe, nämlich die Wahrheit Gottes.“ (ebd.). W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 27. An einer Stelle hat Pannenberg sein Wirklichkeitsverständnis unter Bezugnahme auf Hegel näher ausdifferenziert: „Wirklichkeit ist also einerseits ein Wort für das Allumfassende, das alles Seiende als einen großen Zusammenhang, eine Einheit verstehen läßt, andererseits eine Bezeichnung einzelner Dinge und Begebenheiten, sofern sie zu diesem Ganzen gehören und auf das Ganze sich auswirken. So gesehen sind nicht alle Dinge in gleichem Maße wirklich. Das Maß ihrer Wirksamkeit im Ganzen des Alls sowie das Maß, in dem sie uns angehen, bestimmt den Grad ihrer Wirklichkeit. Im höchsten Grade wirklich wäre dasjenige, welches die Einheit aller uns erfahrbaren Wirklichkeit bewirkt.“ (W. Pannenberg, Glaube und Wirklichkeit, 18 (= der Aufsatz „Das Wirklichkeitsverständnis der Bibel“). Zu Pannenbergs Verständnis von ‚Wirklichkeit als Geschichte‘ siehe ausführlicher folgende Auswahl an Belegen: W. Pannenberg, Einführung von W. Pannenberg, in: OaG, 18; W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 19, 21, 23–44, davon bes. 25, 35ff u. 38; W. Pannenberg, Wirkungen biblischer Gotteserkenntnis auf das abendländische Menschenbild, 587; W. Pannenberg, God’s Presence in History, 260ff; W. Pannenberg, Die Offenbarung Gottes in Jesus von Nazareth, 169; W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 187; W. Pannenberg, Was ist der Mensch?, 101–103; W. Pannenberg, Glaube und Wirklichkeit, 18ff., 27ff., 99–101 u. (113f); W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 66; W. Pannenberg, Art. Geschichte/Geschichtsschreibung/Geschichtsphilosophie VIII. Systematisch-theologisch, 658ff; W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 636; W. Pannenberg, Theological Questions to Scientists, 10; W. Pannenberg, Kontingenz und Naturgesetz, 43 u. 71. K. Vechtel (Trinität und Zukunft, 32) meint, bei Pannenberg „ein antizipatorisches Wirklichkeitsverständnis“ erkennen zu können. Diese Behauptung ist als unzutreffend zurückzuweisen. Antizipatorisch beschreibt nur die Form der Zugänglichkeit der ganzen Wirklichkeit („Dieses Ganze [sc. der Wirklichkeit] ist jedoch im biblischen Sinne, als das Ganze einer Geschichte, nur durch den Vorgriff auf das Ende alles Geschehens zugänglich.“ [W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 187]), nicht jedoch die (strukturelle) Verfasstheit der Wirklichkeit bzw. die Wirklichkeit selbst. Diese ist von Pannenberg als Geschichte ausgewiesen worden (s. o.). W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 38.

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Ordnung des Geschehens“138, ist das Moment der Zeitlichkeit für die biblische und so auch für seine Sicht der Wirklichkeit charakteristisch. Dieser zeitliche Charakter des geschichtlichen Wirklichkeitsverständnisses zeigt sich darin, dass Wirklichkeit „auf eschatologische Zukunft statt auf urbildliche Herkunft hin orientiert“ ist139. Dabei ist die Vorstellung grundlegend, dass die Wirklichkeit ohne Gott nicht adäquat verstanden werden könne. Dass dabei die gesamte Wirklichkeit vom Gott der Bibel her und alle Dinge auf Gott hin verstanden werden140, wie es Pannenbergs theologisches Interesse ist, heißt im Wesentlichen, dass die Wirklichkeit erst von Gott her so sicht- und erkennbar geworden sei, wie sie (wirklich) ist141. Es geht Pannenberg hierbei nicht um ein Verständnis einer besonderen (z. B. heiligen) Wirklichkeit (neben einer anderen (z. B. profanen) Wirklichkeit (oder gar neben anderen Wirklichkeiten142), sondern um ein Ver138 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 19. Dieses geschichtliche Wirklichkeitsverständnis des Alten Testamentes setzt Pannenberg mit B.S. Childs und im Anschluss an M. Eliade (B. S. Childs, Myth and Reality in the Old Testament, London 1960, 83 and 93; M. Eliade, Der Mythos der ewigen Wiederkehr, Düsseldorf 1953, 149, 154) dem mythischen, an der Urzeit orientierten Wirklichkeitsverständnis entgegen (vgl. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 8 u. 29). Zu Pannenbergs Abgrenzung von diesen beiden alternativen Wirklichkeitsverständnissen vgl. insbes. W. Pannenberg, Glaube und Wirklichkeit, 27ff. Nicht zuletzt wegen der mit der von Pannenberg favorisierten biblischen Sicht verbundenen Zeitlichkeit (und damit auch der Zukunftsoffenheit) im Wirklichkeitsverständnis hält er das biblische Wirklichkeitsverständnis für überlegen; das kosmische Denken lebe mit dem „Rücken zur Zukunft“, sodass einzelnes Kontingentes und jeweils Neues als unwesentliches Geschehnis gelte; hier komme der „Zukunft keine eigene Wahrheit“ zu (a. a. O., 27ff [zit. 27f]). Das israelitische Geschichtsverständnis schließe dagegen die beiden anderen Wirklichkeitsverständnisse ein – das kosmische der Griechen und das kultisch-mythische. Pannenbergs Resümee: „Das biblische Verständnis der Wirklichkeit als Geschichte ist also umfassender und tiefer als das kosmische der Griechen und als das kultisch-mythische Wirklichkeitsverständnis.“ (a. a. O., 30), denn – so seine Begründung –: „Auch die Wirklichkeit als Geschichte enthält die Grundelemente der gesetzmäßigen Ordnung und der Tradition.“ (ebd.). David P. Polk (On the Way to God. An Exploration into the Theology of Wolfhart Pannenberg, 34) beobachtet in diesem Zusammenhang ein „championing of the Hebraic view of truth over that of the Greeks“, ein Phänomen, das sich gleichsam parallel (auch in der Formulierung!) in Pannenbergs Auseinandersetzung mit dem von ihm sog. griechischen Wahrheitsverständnis im Unterschied zum biblischen (israelitischen) zeigt (s. u.). 139 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 29. 140 Vgl. exemplarisch W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 21. 141 Vgl. W. Pannenberg, Was ist der Mensch?, 101–103. 142 Schon früh übte Pannenberg Kritik an den Versuchen, für die Religion eine besondere Wirklichkeitssphäre zu reklamieren. Derartige Versuche überzeugen Pannenberg deshalb nicht, „da gerade auf diese Weise der christliche Glaube zu einem Wirklichkeitsbereich neben allerlei anderen auch degradiert würde. Die Offenbarung schlösse nicht mehr das Gericht über das Ganze der Wirklichkeit in sich, da sie ja vielmehr von vornherein einer besonderen Wirklichkeitssphäre zugehören würde.“ (W. Pannenberg, Zur theologischen Auseinandersetzung mit Karl Jaspers, 324) Siehe auch Pannenbergs Kritik an der These eines Dualismus von Heils- und Weltgeschichte (W. Pannenberg, Beiträge zur Systemati-

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stehen der Wirklichkeit in ihrer Einheit, um die eine Wirklichkeit. Ein solcher ‚One Reality‘-Ansatz (J. Haugen) ist bereits in der geschichtstheologischen Programmatik begründet, die Wirklichkeit als Geschichte in ihrer Totalität theologisch zu deuten, mithin diese als von Gott gestiftete Einheit zu verstehen, wie es freilich ein zutiefst metaphysischer Gedanke ist143. schen Theologie Bd. II, 288). Siehe zum Thema insbes. auch schon den folgenden Aufsatz: W. Pannenberg, Weltgeschichte und Heilsgeschichte; zur Einheit der Wirklichkeit bei Pannenberg siehe auch folgende, knappe Beschreibung: „For Pannenberg there is one reality, consisting of one history made known to man through the events of that history. This reality is without special conditions, it is without different ways of knowing, and it is without fragmentation. It is in fact God’s self-revelation to man.“ (D.H. Olive, Wolfhart Pannenberg, 39f). Zu Pannenbergs ‚One Reality‘-Ansatz siehe exemplarisch auch die Bemerkungen von J. Haugen, Introduction: Pannenberg’s Vision of Theology, 7. Dort erwähnt Haugen zu Recht, wie die Vorstellung von der Einheit der Wirklichkeit die Möglichkeit der Kommensurabilität von Naturwissenschaft und Theologie eröffnet – denn sie befassen sich mit einundderselben Realität: „the unity of reality […] is explored by the different disciplines in their different ways.“ (W. Pannenberg, Breaking a Taboo: Frank Tipler’s The Physics of Immortality, 312). Sicherlich gibt es in dem holisierenden Einheitsgedanken in Bezug auf die Wirklichkeit auch Parallelen, etwa bei Hegel. M. Gilbertson (God and History in the Book of Revelation, 11f) hat – auch wenn (wie Gilbertson mit Recht anmerkt) Pannenberg sich von Hegel distanziert – in dem Gedanken der Einheit der Wirklichkeit eine Parallele erkannt, sowie danenben in „the sense of an unfolding dynamic meaning in history as a whole“. Da Pannenberg sein Wirklichkeitsverständnis deutlich vom biblischen Vorstellungshorizont her entwickelt hat, sollten derartige Parallelen m. E. allerdings nicht überbewertet werden. 143 Zu Pannenbergs Bemühungen um eine Rehabilitierung der Metaphysik für die Theologie vgl. insbesondere W. Pannenberg, Metaphysik und Gottesgedanke. Dort heißt es u.a: „Es gibt keine Metaphysik ohne die Idee der Einheit der Wirklichkeit, und da die Einheit des Wirklichen als Welt, Kosmos, die Einheit einer Ordnung des Vielen, des vielfältig Einzelnen ist, so ist mit der Einheit der Welt die Frage nach dem Grunde verbunden, der das Viele zur Einheit zusammenordnet und zusammenhält.“ (W. Pannenberg, Metaphysik und Gottesgedanke, 20). Durchaus in Sympathie für D. Henrichs Einschätzung urteilt Pannenberg, ein gelingendes Leben könne es ohne Metaphysik nicht geben (vgl. W. Pannenberg, Metaphysik und Gottesgedanke, 8). „Darum müßten die letzten Fragen neu gestellt werden.“ (So durchaus auch im Anschluss an Henrich: W. Pannenberg, Metaphysik und Gottesgedanke, 8). Pannenberg ist also entschieden für eine Rehabilitierung und Erneuerung der Metaphysik eingetreten (a. a. O., bes. 8f). In betont kritischer Auseinandersetzung mit P. Tillich und K. Barth will Pannenberg zeigen, dass für die ‚Wahrheitsgeltung‘ sowohl von Glaubensaussagen als auch für die theologische Rede ‚metaphysisches Denken‘ unerlässlich sei, sollen „Aussagen über Gott, Mensch und Welt“ (die bei Barth und Tillich „als Auslegung des christlichen Glaubensbewußtseins“ entwickelt worden seien) nicht „nur ein subjektives Engagement des Theologen zum Ausdruck“ bringen, wie es der Fall wäre, sofern nicht „die in ihnen enthaltenen Annahmen metaphysischer Natur sich gedanklich rechtfertigen lassen.“ (W. Pannenberg, Metaphysik und Gottesgedanke, 9). Es bedarf „das theologische Reden von Gott […] für seinen Anspruch auf Wahrheitsgeltung der Beziehung auf metaphysisches Denken, weil das Reden von Gott auf einen Weltbegriff angewiesen ist, der nur durch metaphysische Reflexion zu sichern ist.“ (a. a. O., 9). Zu Pannenbergs Programm der Fortführung der Metaphysik siehe auch die Darstellung bei G. Wenz, Wolfhart Pannenbergs Systematische Theologie, 46ff sowie die Bemerkungen von O. Bayer, der zeigt, dass Pannenberg für den metaphysischen Gottesbegriff eingetreten ist und der Theologie die Auf-

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Die metaphysische Annahme der Einheit (als Ganzheit) der Wirklichkeit gewinnt in dem hier beschriebenen Verständnis von Wirklichkeit für die Klärung der Wahrheitsfrage besondere Bedeutung: Zwischen Wirklichkeit in ihrer Einheit und der Einheit der Wahrheit besteht ein Korrelationsverhältnis: Von der Einheit der Wirklichkeit kann auf die Einheit der Wahrheit geschlossen werden. Umgekehrt gebietet für Pannenberg der Gedanke der Einheit der Wahrheit eine solche Bezugnahme. Von der Einheit der Wirklichkeit die Einheit der Wahrheit gewinnen zu wollen, heißt jedoch nicht, dass die Einheit der Wirklichkeit mit der Einheit der Wahrheit zusammenfiele oder mit ihr identisch sei. Die Totalität der Wirklichkeit im Sinne der Ganzheit aller endlichen Entitäten wird ausdrücklich von Gott als dem Begründer dieser Totalität unterschieden. Das Verhältnis von Gott zum Ganzen und seiner Teile stellt sich für Pannenberg folgendermaßen dar: „Gott ist nicht das Ganze des endlichen Seienden, und der Begriff des Ganzen schließt nicht Gott als einen seiner Teile in sich: Was Teil des Ganzen ist, – Teil neben andern solchen Teilen und im Unterschied zum Ganzen, – ist eben damit endlich (im Sinne der Hegelschen Definition des Endlichen als eines Etwas im Unterschied von anderem) und kann daher nicht Gott sein. Auch das Ganze kann nicht absolut und folglich nicht Gott sein, jedenfalls dann nicht, wenn es als Ganzes seiner Teile nicht nur seinerseits das Teilsein seiner Teile konstituiert, sondern auch umgekehrt auf die Teile angewiesen ist, deren Ganzes es ist. Das bedeutet: Das Ganze kann nicht als selbstkonstitutiv gedacht werden. Als Ganzes seiner Teile ist es geeinte Einheit, die einen Grund ihrer selbst als einende Einheit voraussetzt. Als die einende Einheit der Welt ist Gott von der Totalität des Endlichen verschieden, aber doch auch wieder nicht schlechthin geschieden:“144

Wäre er von der Totalität aller endlichen Wirklichkeit nicht verschieden, wäre Gott dagegen nur als endliche Wirklichkeit gedacht145. Der Gottesgedanke ist das Korrelat zur Totalität der Wirklichkeit146. Gott ist die die Wirklichkeit einende geschichtsmächtige Größe, diejenige Macht, die die Einheit und Kohärenz alles Seienden der (als Geschichte verstandenen) Wirklichkeit stiftet147. Die Einheit der

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gabe zuschrieb, „das Erbe der Metaphysik mitzuverwalten“. (O. Bayer, Die Vielheit des einen Gottes und die Vielheit der Götter, 475 Anm. 15). Dieses Vorhaben formuliert Pannenberg in seinem Aufsatz Die Aufnahme des philosophischen Gottesbegriffs als dogmatisches Problem der frühchristlichen Theologie in: W. Pannenberg, Grundfrage systematischer Theologie, 346. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 93f. Vgl. ausführlicher W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 93f. Vgl. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 311 inkl. Anm. 615. Vgl. hierzu schon Pannenbergs frühe wie unmissverständliche Bemerkung zum Thema: „Nur Gott, nicht der Mensch kann die Einheit der Geschichte begründen.“ (W. Pannenberg, Glaube und Wirklichkeit, 26). Zum Thema siehe auch W. Pannenberg, Art. Geschichte/ Geschichtsschreibung/Geschichtsphilosophie VIII. Systematisch-theologisch, 667ff, vgl. auch zum Thema W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perpsektive, 488ff (=

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Wirklichkeit ist Pannenberg zufolge also transzendent in Gott begründet148. Harvey W. White merkt zu Recht an, „that God is the foundation of universal history and universal truth.“149 Weil die Geschichte ihrerseits als ein noch offener, unabgeschlossener Prozess ist, also nicht in ihrer Totalität gegeben vorliegt, ergibt sich, dass Gottes Wirklichkeit strittig ist150. Von der Wirklichkeit in ihrer von Gott her konstituierten (geschichtlichen) Einheit gewinnt die Wahrheit als naturgemäß eine Gestalt; per menschlicher Wirklichkeitserfahrung wird sie zugänglich151.

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Kap. 9.2). Siehe auch folgende Einschätzung von H. Schulz: „Gott kann nur sein, was oder wer für (a) die innere Einheit der Welt als einer durchgängig sinnhaften und (b) für die Kohärenz der einschlägigen Aussagenkomplexe über jene Einheit qua Sinnhaftigkeit bürgt“ (H. Schulz, Vom Daseinsverständnis zum Evidenzerleben, 112: Schulz bezieht sich auf W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 215f u. ders., Systematische Theologie Bd. I, 62f). In W. Pannenberg, Erwägungen zu einer Theologie der Religionsgeschichte (in: Grundfragen systematischer Theologie, 285f) bezieht Pannenberg sich – wie auch später immer wieder – auf (Anm. 50) M. Luthers Großen Katechismus (1. Artikel): „Außer diesem einigen halte ich nichts für Gott, denn (!) sonst keiner ist, der Himmel und Erde schaffen künnde.“ (zitiert nach Pannenberg, ebd.). Vgl. dazu auch die Ausführungen Pannenbergs zur „Einheit der Religionsgeschichte“ als einer durch die göttliche Einheit konstituierten Geschichte (a. a. O., 276f). Beachtenswert ist Pannenbergs Verständnis von Gott als das „alles umfassende Ganze“ (neben der bekannteren Wendung von Gott als der ‚alles bestimmenden Wirklichkeit‘). Vgl. dazu W. Pannenberg, Glaube, Vernunft und die Zukunft des Christentums. Ein Gespräch mit Wolfhart Pannenberg, 30. Zu Pannenbergs These der in Gott (und nicht etwa im säkularisierten Denken) begründeten Einheit der Wirklichkeit siehe auch sein Postulat „eine[r] neue[n] Besinnung auf die biblischen Ursprünge unserer Tradition, auf den Gott der Bibel, der als Schöpfer die Einheit der Wirklichkeit begründet“. (W. Pannenberg, Was ist der Mensch?, 85). Zur transzendenten, in Gott begründeten Einheit der Wirklichkeit (als Geschichte) siehe auch die Bemerkung von K. Koch, Der Gott der Geschichte, 66. Harvey W. White, A critique of Pannenberg’s Theology and the Philosophy of Science, 419. Insofern scheint mir auch die Bemerkung von R.A. Klein (Wolfhart Pannenberg: Systematische Theologie I–III, 273) nicht ganz zutreffend zu sein, wonach „Pannenberg behauptet, dass sich der christliche Gottesgedanke […] wahrheitstheoretisch nur als Universalität der Wirklichkeit (‚einzig und umfassend‘) auffassen“ lasse. Dieser Einschätzung zufolge geriete Pannenberg in die Nähe eines Pantheismus, der für sein Denken jedoch gerade nicht charakteristisch ist. (s. o.) So zu Recht auch der Hinweis von K. Góz´dz´, Jesus Christus als Sinn der Geschichte bei Wolfhart Pannenberg, 21: „Wie die Frage nach der Wahrheit, so ist auch das Reden von Gott auf das Ganze der Wirklichkeit bezogen. Weil jedoch die Ganzheit uns nicht vollständig gegeben ist, kommt es zu der Strittigkeit des Redens von diesem Ganzen.“ Siehe auch a. a. O., 22. „Ob allerdings das Bewußtsein des geschichtlichen Zusammenhangs der Gegenwart mit dem Urchristentum zugleich die unsere heutige Wirklichkeitserfahrung erhellende und einende Wahrheit vermitteln kann, das hängt an der inhaltsschweren Frage, ob die Wirklichkeit selbst in ihren fundamentalen Aspekten als geschichtlich und die Geschichte der Natur und des Menschen in ihrer Einheit als Geschichte Gottes zu verstehen ist.“ (W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 19). Weil Pannenberg von der Einheit der Wirklichkeit ausgeht und die Einheit der Wirklichkeit als durch Gott konstituierte Einheit denkt, ergibt sich für das menschliche Reden von Gott, dass er auch als Gott dieser

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Warum Pannenberg für die Frage nach der Wahrheit (des Glaubens und damit aber auch Gottes) den Rekurs auf die Wirklichkeit in ihrer Einheit und Ganzheit, wie sie der Erfahrung zugänglich ist, für erforderlich hält, wird von ihm nicht hier, wohl aber an anderer Stelle begründet. 3.3.1.6.2 Ein anthropologisches Argument Eine wesentliche Rolle im Rahmen dieser epistemologischen Fragerichtung spielt der Einheitsgedanke in seinem eigenen Denken. Aber da ist noch mehr: Aus seinen andernorts vorgelegten Überlegungen lässt sich ablesen, dass Pannenberg von der Prämisse ausgeht, dass der Mensch überhaupt als ein ekstatisches Wesen, das mit der Fähigkeit zur Transzendenz ausgestattet ist, immer schon Einheit in seinen Erfahrungen anstrebt bzw. präziser der menschliche Verstand nach etwas suche, „das seinen Erfahrungen Einheit verleiht.“152 Schon in seiner sehr frühen Schaffensperiode stellt Pannenberg die These auf, „daß das Bedürfnis nach umgreifender Einheit, die auch das Mannigfaltige erst als positiven Reichtum erfahren läßt, […] tief in der Existenz der Menschen und in der Struktur seiner Vernunft verwurzelt ist“153. Nichts weniger als einheitliche Wirklichkeitserfahrung ist hier gemeint, die für die Klärung der Wahrheitsfrage sich als von elementarer Bedeutung erwiesen hat. Die für Pannenbergs Denken charakteristische Einheitsthese wird also anthropologisch, und zwar auch speziell über den einen Welt – nicht als Gottheit irgendeiner bloßen Hinter- oder Überwelt – zur Sprache kommt: „Wo das Reden von Gott nichts mehr beiträgt zum Verständnis erfahrener Weltwirklichkeit und nicht zuletzt der Wirklichkeit des Menschen selber, so es statt dessen der wirklichen Welt nur eine andere Welt, eine Hinterwelt oder Überwelt entgegensetzt, da unterliegen das Reden von Gott und das religiöse Bewußtsein selber noch der Entfremdung. Mit dieser Feststellung wird das Wahrheitsmoment der Kritik am religiösen Bewußtsein als Entfremdung bei Feuerbach, Marx und ihren Nachfolgern – aber auch schon bei Hegel (s. o. Anm. 105) – festgehalten. Denn diese Kritik richtete sich auf eine Form der Religion, in der diese keine Erhellungsfunktion für diese Welt mehr hat, sondern sich nur noch als eine andere Welt neben dieser Welt behauptet.“ (W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 272). Für den Fall, dass „die andere Welt der Religion die Alltagswelt des Diesseits nicht mehr herausfordert, sondern nur noch neben ihr geduldet zu werden verlangt“, kommt dies nach Meinung von Pannenberg einer Bankrotterklärung der betreffenden Religion gleich. Es „bezeugt die Religion in Wahrheit die Ohnmacht ihres Gottes im Verhältnis zur wirklichen Welt. Dann spiegelt sie nur noch die tatsächliche Zerrissenheit – und also Entfremdung – des Menschen.“ (a. a. O., 273). Jedwede theologische und sachgerechte Rede von Gott muss nach Meinung von Pannenberg sich „auf ein Gesamtverständnis der Wirklichkeit des Menschen und der Welt bezieh[en].“ (So treffend G. Wenz, W. Pannenbergs Systematische Theologie, 272), weshalb er für eine Erneuerung der Metaphysik eingetreten ist. 152 W. Pannenberg, Das Wirken des Heiligen Geistes in der Schöpfung und im Volk Gottes, 23: „Eine Einzelheit erfahren wir immer nur innerhalb eines weiteren Sinnhorizontes, der als eine bestimmte Form von Einheit antizipiert wird.“ Ebd. mit Verweis auf K. Rahner. 153 W. Pannenberg, Erwägungen zu einer Theologie der Religionsgeschichte, in: W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 265f.

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menschlichen Vernunftgebrauch, begründet. Das Streben nach Einheit bestimmt Denken und Vernunft; Pannenberg zufolge ist das „Denken immer schon [mit] dem Einen und Ganzen verbündet“154: Er schreibt von „tieferen Bedürfnisse[n] des menschlichen Herzens nach Wahrheit, nach einer Wahrheit [kursiv: T. L.], die die Wirklichkeit dieses Lebens im Ganzen umgreift und über dieses Leben hinaus trägt.“155 „Ein Streben nach Einheit und Synthesis durchdringt alle Funktionen der Vernunft und gibt ihrer Dynamik die Zielorientierung. Wir nehmen Dinge wahr, indem wir Einheit in der Vielheit entdecken.“156

Für Pannenberg ist die Vorstellung der Einheit der Wirklichkeit entscheidende Möglichkeitsbedingung gelingenden menschlichen Lebens und so zugleich Erklärung dafür, dass der Mensch nach einer Wahrheit fragt: „Nur in einer Welt, die eine Einheit ist, kann unser Leben als Ganzes gelingen, kann es heil bleiben oder werden. Darum [kursiv: T. L.] fragen wir nach der einen Wahrheit, nach der Übereinstimmung in allem Verschiedenen.“157

Nun darf die ersehnte und gedachte Einheit und Ganzheit aber Pannenberg zufolge „nicht ohne weiteres als vorhandene Einheit und Ganzheit gefaßt werden“158. Im Gegenteil. Der Mensch dürfe seine Endlichkeit nicht vergessen, dürfe sich selbst nicht an die Stelle Gottes setzen. Er brauche ein „Bewußtsein davon, daß wir das Ganze der Wirklichkeit nie schon definitiv überschauen.“159 Das Vorhandene als Gesamtheit zu denken, bedeute die Unwahrheit, da die Wirklichkeit (bei Pannenberg als [Universal-]Geschichte) noch unabgeschlossen sei160, was für ihn bedeutet, dass „Totalität, der denkende Erfahrung nicht entsagen kann, solange sie auf Wahrheit auch nur im einzelnen und Besonderen aus ist, nur als Sinntotalität erreichbar [ist], die vorgreifend in der noch unvollendeten und widerspruchsvollen Wirklichkeit eines in der Totalität ihrer Bedeutungsbezüge noch nicht realisierten Gesamtsinnes innewird, der sich ankündigt, dunkel oder lichtvoll, in der Erfahrung von bedeutsam Besonderem.“161 154 W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 65. 155 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 235. Vgl. zu dieser „capacity for truth and transcendence“ auch W. Pannenberg, Letter from Germany, 10. Die Vorstellung der Einheit der Wahrheit tritt hier allerdings nicht (deutlich) hervor. 156 W. Pannenberg, Theologie und Reich Gottes, 18. Siehe auch W. Pannenberg, Theology and the Kingdom of God, 10 (= engl. Übers.). 157 W. Pannenberg, Was ist der Mensch?, 44. 158 W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 65. 159 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 112. Wo man dies vergesse, komme es zu Vermessenheit, nur zu einer „vermeintlich definitiven Überschau über das Ganze“ (ebd.). 160 Vgl. W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 64. 161 W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 66.

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Entscheidend ist, dass das Streben nach Einheit für Pannenberg konsequent zum Gottesgedanken führt. Denn nur Gott kommt für Pannenberg als Stifter dieser, alles gegenwärtig Vorfindliche transzendierenden, Einheit in Betracht: „Alles was ist und denkbar ist, ist insofern immer schon ein „Eines“, ein Dieses, und die Frage nach einer letzten Einheit, die schlechthin alles integriert und so vereinigt, ist die Frage nach Gott so, wie sie seit den Anfängen der griechischen Philosophie gestellt und verfolgt worden ist.“162

Es zählt zu Pannenbergs festen Überzeugungen, dass Gott überhaupt erst dann angemessen gedacht wird, wenn ihm diese einheitsstiftende Funktion beigemessen wird. Es ist dies seine metaphysische Überzeugung, „daß Gott jedenfalls so lange noch nicht als Gott gedacht ist, wie er nicht als die einende Einheit alles Seienden [kursiv: T. L.] gedacht ist.“163 „Ohne Bezug zur Wirklichkeit der Welt läßt sich der Gottesgedanke nicht mehr festhalten“164. „Die Erfahrung der Wirklichkeit Gottes, wie sie in geschichtlich je eigentümlicher Weise von den Religionen gemacht worden ist, aber auch philosophischen und künstlerischen Entwürfen der Daseinswirklichkeit zugrunde liegt, hängt immer mit der Erfahrung der Wirklichkeit als ganzer zusammen.“165 „In diesem Sinne ist auch die Frage nach der Wahrheit des biblischen Gottesgedankens sinnvoll zu stellen. Es ist zu zeigen, inwiefern die Ganzheit der Wirklichkeit und so auch das Dasein des Menschen vom Gott der Bibel her tiefer erschlossen ist als irgendwo anders. Dadurch allein kann die Behauptung, daß der biblische Gott der wahre Gott ist, ihre Bewährung finden.“166

Weil Gott für Pannenberg erst dann angemessen als Gott gedacht ist, wenn er als einende Einheit alles Wirklichen gedacht wird, fungiert faktisch die Erfahrung eben dieser Einheit der Wirklichkeit – und das heißt also einheitliche Erfahrung – sowohl als Wahrheitskriterium als auch als Indiz der Schöpfung dieser einen Wirklichkeit durch einen bestimmten, geglaubten Gott167: 162 W. Pannenberg, Theologie und Reich Gottes, 18. Siehe auch W. Pannenberg, Theology and the Kingdom of God, 10 (=engl. Übers.). Vgl. W. Pannenberg, Theologie und Reich Gottes, 17f: Einheit – so die ausdrückliche These Pannenbergs – ist für die Ontologie und auch „für jede Erkenntnistheorie“ (a. a. O., 18) von fundamentaler Bedeutung, wie diese Untersuchung auch anhand der Pannenberg‘schen Wahrheitskonzeption als Teil seiner Epistemologie zeigt. 163 W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 63. Dieser o. g. Gedanke bleibt für Pannenberg bei allem Streit um den Gottesgedanken bestehen. 164 W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 58. 165 W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 29; vgl. auch a. a. O., 30. 166 W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 30. 167 „Wahrheit [so heißt es an anderer Stelle] impliziert eine Einheit der Erfahrung“. (W. Pannenberg, Das Wirken des Heiligen Geistes in der Schöpfung und im Volk Gottes, 24).

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„In der Tat ist es die Bewährungsprobe für jeden Gottesgedanken, ob von ihm her die Einheit alles Wirklichen sich erschließt; denn nur so wird ein behaupteter Gott faktisch als Gott gedacht, nämlich als die alles bestimmende Wirklichkeit.“168

Dieser Vorstellung entspricht es, dass die (christliche) Theologie zur Demonstration des von ihr verfochtenen Wahrheitsanspruches ihre Rede von Gott in Bezug zur Wirklichkeit (und damit auch mit Blick auf menschliches Leben in ihr) zu profilieren versucht: Die christliche Theologie dient ihrem Wahrheitsanspruch dadurch, dass sie zu zeigen versucht, „daß die Wirklichkeit der Welt und unser menschliches Leben sehr wohl einheitlich verständlich werden [kann] von dem Gott Jesu Christi her, so wie es die Funktion des Wortes „Gott“ ist und wie es daher mit Recht erwartet werden kann von jedem, der weiß, was er tut, wenn er das Wort „Gott“ in den Mund nimmt.“169 Eine Bewährung scheint also deshalb als möglich zu gelten, weil Pannenberg voraussetzt, dass die auf Gott zurückgeführte Einheit alles Wirklichen (ontologische Ebene) sich auf der Ebene der Erkenntnis dieser Einheit (epistemologische Ebene) in Form der Einheit der Erfahrung niederschlägt und so quasi zur Einheit der Wahrheit beiträgt. Es ist offensichtlich: Die anthropologischen Argumentationslinien führen konsequent zum Gottesgedanken hin und plausibilisieren gleichsam en passant die lebenspraktische Sinnhaftigkeit menschlichen Fragens nach der Wahrheit in ihrer Einheit. Die Einschätzung, dass die Frage nach Wahrheit und Sinn sogar die anthropologische Kernthese Pannenbergs darstelle, wie P. Eicher erkannt haben will, kann ich jedoch nicht teilen170.

Epistemologisch gewendet heißt das: Einheit der Erfahrung fungiert als Kriterium für Wahrheit. Wenn Einheit der Erfahrung Pannenberg zufolge Wahrheit indizieren kann, dann ist auch klar, dass deshalb Wahrheit und Widerspruch für ihn inkommensurabel sind und innerer Widerspruch nicht in der Wahrheit bestehen kann. So argumentiert Pannenberg hier (vgl. ebd.). Dieses Pochen auf Einheit erklärt, warum das Moment der Kohärenz (insbes. als Konsistenz) für sein Wahrheitsverständnis so wichtig geworden ist. Pannenberg führt letztlich nicht nur die Einheit der Wirklichkeit, sondern auch die Erfahrung ihrer Einheit auf Gott zurück: „Die umfassende Einheit der Erfahrung ist historisch ursprünglicher durch das gemeinschaftliche Bewußtsein von der Begründung der kosmischen und gesellschaftlichen Ordnung im Wirken göttlicher Mächte formuliert worden. Sollte nicht vielleicht erst auf diesem Wege ein Bewußtsein von einer umfassenden Einheit der Erfahrungswelt gewonnen worden sein? Die Befunde der Kulturgeschichte der Menschheit sprechen in überwältigender Fülle für diese Annahme.“ (W. Pannenberg, Metaphysik und Gottesgedanke, 43 – mehr dazu a. a. O., 43ff). 168 W. Pannenberg, Theologie und Reich Gottes, 18. 169 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 211. 170 Vgl. P. Eicher, Offenbarung. Prinzip neuzeitlicher Theologie, 444.

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3.3.1.6.3 Das systematische Kohärenz-/Konsistenz-Argument Pannenberg ist überzeugt von der systematischen und kohärenten Natur der Wahrheit selbst. Dieses für Pannenberg wohl wichtigste Argument für die Einheit von Wahrheit dürfte nicht zuletzt mit der universalisierenden, auf Einheit und Kohärenz bzw. Konsistenz171 im Ganzen ausgerichteten Theologie zusammenhängen, die schon die Frühgestalt seiner Theologie (d. h. nicht erst seit der Auseinandersetzung mit der Kohärenztheorie N. Reschers ab den späten 1970er Jahren) prägte172. Es heißt schon 1962 in dem Aufsatz „D i e K r i s e d e s S c h r i f t p r i n z i p s “, dass – weil von Gott geredet wird – „die Aufgabe der Theologie über jenes besondere Thema hinaus alle Wahrheit überhaupt in sich [schließt].“173 Die Vorstellung der Einheit der Wahrheit (als einer kohärenten bzw. konsistenten) steht für Pannenberg in engem Bezug zu dem einen Gott: „Whatever is true must finally be consistent with all other truth, so that truth is only one, but all-embracing, closely related to the concept of the one God.“174 Gerade dadurch, dass (schon der frühe) Pannenberg Gott als „die alles, was ist, bestimmende Macht denkt“175, wird eine Beziehung zwischen Einheit der Wirklichkeit, Einheit der Wahrheit und Einheit Gottes hergestellt. Mit M. Gilbertson kann sogar formuliert werden: „A universal horizon and a fundamental unity of truth must be maintained if God is God.“176 Die Einheit der Wahrheit denkt Pannenberg konkret so, „that truth itself is systematic, because coherence belongs to the nature of truth.“177 Pannenberg versteht somit die „Einheit der Wahrheit als Kohärenz alles Wahren“178 bzw. 171 Mit Kohärenz ist hier – entsprechend dem Sprachgebrauch Pannenbergs – zunächst vorrangig Konsistenz gemeint. Ein solcher (einfacher) Kohärenzbegriff (von lat. cohaerere) ist freilich zu unterscheiden von demjenigen der Kohärenztheorie. 172 So erkannte etwa schon D.H. Olive (Wolfhart Pannenberg) etwa zw. 1969 und 1970 (vgl. a. a. O., 12), Pannenbergs Denkweg sei „first and foremost by unity, consistency, and coherence“ (a. a. O., 39) charakterisiert. Es nimmt darum kein Wunder, dass diese Momente der Einheit, Kohärenz und Konsistenz für seine Behandlung der Wahrheitsthematik von fundamentaler Wichtigkeit geworden sind. 173 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 11. 174 W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 6. 175 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 11. 176 M. Gilbertson, God and History in the Book of Revelation, 13. 177 W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 8. Die systematische (kohärente) Verfasstheit der Wahrheit eröffnet aus der Sicht Pannenbergs die Möglichkeit, zum Test von Wahrheitsansprüchen auf das Moment der Kohärenz in kriteriologischer Funktion zurückzugreifen. Vgl. dazu etwa W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 8: „Systematic presentation is itself a test of the truth claims of each of the specific assertions that enter into a comprehensive account.“ Vgl. auch Pannenbergs Bemerkungen zu dem mit seiner Systematischen Theologie aufs Engste verbundenen Vorhaben einer „zusammenhängenden Interpretation [kursiv: T. L.]“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 11f). 178 W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 174. Pannenberg weist darauf hin,

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pluraler ‚Einzelwahrheiten‘. Damit ist zugleich eine weitere Dimension in der Vorstellung von der Einheit der Wahrheit benannt. Das Verhältnis alles Wahren bzw. aller partikularen Wahrheiten zueinander in der Einheit der Wahrheit versteht Pannenberg als einen Zusammenhang179, als Widerspruchslosigkeit180‚ Übereinstimmung‘181, Zusammenstimmung182 oder Kohärenz183. In diesem angenommenen Verhältnis liegt für Pannenberg der Grund, warum der Pluralität alles Wahren bzw. aller einzelnen Wahrheiten zum Trotz „Wahrheit letztlich nur eine einzige ist“184. Diese umfasst eben alle (anderen partikularen) Wahrheiten185. Prima vista mag sich hierin eine gewisse Inkonsistenz im Konsistenz-/Kohärenz-Argument bekunden. Pannenberg begründet die von ihm so sehr betonte (naturgemäße) Annahme der Einheit der Wahrheit dadurch, dass er für die Begründung dieser Einheit auf seine Überzeugung von der der diese Einheit überhaupt erst begründenden Zusammenstimmung pluraler Wahrheiten bzw. alles Wahren (darin Hegel nicht unähnlich186) rekurriert. So kommt es zu der nicht ganz unproblematischen Vorstellung, dass die Einheit der Wahrheit paradoxerweise die Gesamtheit aller einzelnen Wahrheiten ist. Weil dieser Gedanke aber von Pannenberg bewusst intendiert ist, wird man es auch als konsequent ansehen können, dass er neben der Rede von Wahrheit im Singular auch von diversen Wahrheiten sprechen kann: So kommt er etwa auf „Wahrheiten“ der Hl. Schrift zu sprechen187, spricht im Zusammenhang der Erörterung der Beschlüsse des Konzils von Trient von „[d]ogmatische[n] Wahrheiten“188, von „Grund-

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dass die so verstandene Einheit „in abschließender Weise erst eschatologisch erreichbar sein mag“ (ebd.). Aufgrund der Annahme einer strukturell kohärent verfassten Einheit der Wahrheit (auf ontologischer Ebene) hält Pannenberg es für möglich, das Moment der Kohärenz für die gegenwärtige Urteilsbildung über Wahrheit heranzuziehen, d. h. es als Wahrheitskriterium zu verwenden, um so „wahre und falsche Aussagen vorläufig voneinander zu scheiden.“ (ebd.). Zum Zusammenhang der einzelnen ‚Teil- bzw. ‚Einzel-Wahrheiten‘ vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 193. Zum Aspekt der Kohärenz als Widerspruchslosigkeit im Wahrheitsbegriff vgl. exempl. W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 174. So etwa in W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 193. So etwa in W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 657. Zur Kohärenz alles Wahren vgl. W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 174. Vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 193. So explizit etwa in: W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 174 („Alle Wahrheit will ihrem Wesen nach gemeinsam sein, […] allumfassende Wahrheit“.); vgl. ferner W. Pannenberg, Freude des Glaubens. Predigten, 28. Das Wahre ist bei Hegel Vorzugswort gegenüber Wahrheit. Siehe dazu folgenden Aufsatz: L.B. Puntel, Hegels Wahrheitskonzeption. Kritische Rekonstruktion und eine „analytische“ Alternative. Vgl. dazu W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 65 Anm. 53. W. Pannenberg, Können die gegenseitigen Verwerfungen zwischen den Reformationskirchen und Rom aufgehoben werden?, 19.

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wahrheiten“ in der Rechtfertigungslehre189, in Bezug auf den englischen Deismus von dem von ihm als konfessionell unstrittig verstandenen „Glaubenswahrheiten“ [= d.i. der Glaube an „die Existenz Gottes, die Pflicht zur Gottesverehrung und zur Befolgung der moralischen Hauptnormen als göttlicher Gebote“] 190 oder auch von „Wahrheiten“ analog zu Formulierungen, wie sie sich in der Barmer Theologischen Erklärung von 1934 finden191. Auch die Rede von ‚jeder Wahrheit‘192 stellt für Pannenberg keinen Widerspruch dar zur postulierten Einheit von Wahrheit. Weil die Pluralität des Wahren als Konstituens der Einheit der Wahrheit fungiert, widerspricht sich Pannenberg auch nicht an der Stelle, wo er trotz der Einheit der Wahrheit von einzelnen, singulären Wahrheit (z. B. „eine[r] fundamentale[n] christliche[n] Wahrheit“193) spricht, was ja die angesprochene, prinzipielle Pluralität von Wahrheiten impliziert. Was Pannenberg allerdings nicht explizit offen legt, ist, von welchem formalen Wahrheitsbegriff bzw. von welchen verschiedenen Begriffen der Wahrheit her er die verschiedenen pluralen Wahrheiten verstehen möchte. Zunächst ist nur soviel klar, dass eine Pluralität von Wahrheiten (bzw. von Wahrem) die Einheit der Wahrheit (bzw. alles Wahren) konstituiert: „Wahrheit erscheint […] manchen als ein allzu großes Wort, zumal im einzelnen nur wahr sein kann, was mit aller andern Wahrheit übereinstimmt. Darum [kursiv: T. L.] kann Wahrheit nur eine einzige sein, aber so, daß sie alles umfaßt.“194 „Der Begriff der Wahrheit impliziert Einheit alles Wahren, daher Widerspruchslosigkeit.“195 Es gelte, dass „der Begriff der Wahrheit durch die Einheit und Zusammenstimmung alles Wahren gekennzeichnet ist. Alles Wahre stimmt miteinander in einer widerspruchslosen Einheit zusammen.“196 189 Pannenberg gebraucht damit auch den in der „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre am 31. Oktober 1999“ verwendeten Terminus der sog. „Grundwahrheiten“ der Rechtfertigungslehre. Siehe dazu W. Pannenberg, Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre, 723 u. 725. Siehe auch den folgenden Titel: W. Pannenberg, Übereinstimmung in christlichen Grundwahrheiten. Thesen zur „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre“. Man beachte auch schon Pannenbergs Bemerkungen aus dem Jahre 1975 zu „zentralen christlichen Glaubenswahrheiten“, zu welchen sich der Ökumenische Rat bekannt habe (Vgl. W. Pannenberg/H. Fries, Die Situation der Ökumene. Zwei Gespräche, 28). 190 W. Pannenberg, Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie in Deutschland, 33. 191 Siehe W. Pannenberg, Angepaßt an die Parolen der Welt. 192 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 131. 193 W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 259. 194 Vgl. W. Pannenberg, Freude des Glaubens. Predigten, 28. 195 W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 174. 196 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 657 [Mit Verweis in Anm. 263 auf Bd. I, 63 u. 31ff]. Das Merkmal der Kohärenz im Wahrheitsbegriff wird hier von Pannenberg mit

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„[U]nd jede Einzelwahrheit steht unter der Bedingung der Übereinstimmung mit allem andern Wahren. Darum ist die Wahrheit letztlich nur eine einzige, so sehr sie in Einzelwahrheiten und durch deren Zusammenhänge in Erscheinung tritt.“197 Der antik-griechische Wahrheitsgedanke umfasst Pannenberg zufolge einmal „Übereinstimmung des Wahren mit sich selbst, seine Beständigkeit.“198 Für die Wahrheit in ihrer Einheit gilt: „Nur das kann als Wahres für sich bestehen, das kein anderes widersprechend neben sich hat; nur das, was ohne Anfang und Ende wahrhaft ist, hat im Vollsinne Bestand.“199

Blick auf das individuelle Leben hin reflektiert: „Die Ewigkeit bringt die Wahrheit über das irdische Leben an den Tag (4. Esra 6,28), wenn anders der Begriff der Wahrheit durch die Einheit und Zusammenstimmung alles Wahren gekennzeichnet ist [in Anm. 263 der Querverweis auf Bd. I, 63, u. 31ff]. Alles Wahre stimmt miteinander in einer widerspruchslosen Einheit zusammen.“ (ebd.) Bemerkenswert ist, dass er den Aspekt der Kohärenz gleichsam musikalisch illustriert: „Der Zusammenklang aller Einzelmomente unseres menschlichen Lebens in der Sphäre der Ewigkeit Gottes ergibt aber wohl kaum von sich aus den reinen Ton der Harmonie des Wahren, sondern wird sich wohl eher als mehr oder weniger schrille Dissonanz darstellen. Die Vorstellung der Verewigung unseres zeitlichen Lebens führt also zunächst eher auf ein Bild der Hölle als auf das einer ewigen Seligkeit“ (ebd.). Nicht nachvollziehbar sind mir dagegen die Bemerkungen von R. Nnamdi (Offenbarung und Geschichte. Zur hermeneutischen Bestimmung der Theologie Wolfhart Pannenbergs, 90) zum Gedanken der Zusammenstimmung alles Wahren in W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 31. Er schreibt: „Die Bündigkeit und Kohärenz der Gesamtheit aller Tatsachen als Welt wird allein durch das geistige Prinzip der Vermittlung wirklich. Insofern ist die kohärenzabhängige Wahrheit des Ich und dessen Selbst keineswegs Geistigkeit des Menschen äußerlich, sondern realisiert sich als ‚Zusammenstimmung alles Wahren‘ im Grundvertrauen.“ Wie es scheint, hat Nnamdi seine eigenen Überlegungen mit denen Pannenbergs vermengt. Pannenbergs Anliegen vermag ich darin jedenfalls nicht zu erkennen. Zur angesprochenen Problematik bei Nnamdi vgl. J. Schmid, Rezension Nnamdi, Reginald Nnadozie: Offenbarung und Geschichte. Zur hermeneutischen Bestimmung der Theologie Wolfhart Pannenbergs, 64f. 197 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 193. 198 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 210. Als zweiten Aspekt nennt Pannenberg ein korrespondentistisches Moment – nämlich „die Übereinstimmung des Redens und Denkens mit dem von sich aus Wahren.“ (ebd.). 199 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 210. Der Sache nach geht es in diesem frühen Beitrag von 1962 schon um Kohärenz, wenn auch um eher anspruchslose, sog. schwache Kohärenz. Der Behauptung von H. Schulz (Vom Daseinsverständnis zum Evidenzerleben, 112 Anm. 23), wonach es hier (d. h. mit Blick auf W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 210) um eine „kohärente Einheit alles Wahren i. S. einer notwendigen Wahrheitsbedingung“ gehe, kann jedoch nicht zugestimmt werden. Solche ontologische Kohärenz ist für Pannenberg nicht Wahrheitsbedingung, sondern Charakteristikum ontologischer Wahrheit (d. h. Sachwahrheit) sowie wesenhafter Bestandteil der letztlich in Gott gründenden Wahrheit selbst. Es ist im Unterschied dazu die Kohärenzbildung (wie sie bei Pannenberg unter Zuhilfenahme von Wahrheitsträgern zu Stande kommt), die eine kriteriologische Funktion erfüllt und – mit Schulz gesprochen – eine ‚notwendige Wahrheitsbedingung‘ darstellt. Interessant ist, dass diese Form von Kohärenz mit Bestand/Beständigkeit in Verbindung gebracht wird, etwa mit der Absicht, einen biblischen, alttestamentlichen Gedanken von Wahrheit (‫ֱאֶמת‬/emet) aufzugreifen?

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Die Einheit der Wahrheit bedeutet die „Übereinstimmung alles Wahren untereinander“200 „Die Frage nach der Wahrheit ist ihrer Natur nach systematisch: denn sie fragt notwendig nach der Zusammenstimmung der verschiedenen Inhalte der Überlieferung untereinander und mit der jeweiligen gegenwärtigen Wirklichkeitserfahrung. Das um Wahrheit bemühte Denken muß systematisch sein, um der Einheit der Wahrheit, der Übereinstimmung alles Wahren untereinander, zu entsprechen.“201 „[…Z]um Begriff der Wahrheit gehört die Einheit alles Wahren, das widerspruchslose Zusammenbestehen jeder Einzelwahrheit mit aller anderen Wahrheit.“202 Für Pannenberg gehört zum „Begriff des Wahren […], daß der Widerspruch aus ihm ausgeschlossen ist, oder, anders gesagt, daß aller Widerspruch in ihm aufgehoben ist.“203 „Widerspruchslosigkeit und Vereinbarkeit alles als wahr Anzuerkennenden“ – das ist aufgrund der kohärenten Verfasstheit von Wahrheit zugleich auch „eine elementare Implikation jedes Anspruchs auf Wahrheit“204

Die ausgewählten Belege veranschaulichen, dass für Pannenberg nur unter der Bedingung von Konsistenz/Kohärenz Einheit in Bezug auf Wahrheit realisiert wäre. Jede fehlende Überein- und Zusammenstimmung unter den mannigfaltigen Einzelwahrheiten, jedwede Inkonsistenz würde bereits die Vorstellung einer Einheit der Wahrheit geradezu aufsprengen, ihre Annahme geradezu verunmöglichen. Die Wahrheit büßte so ihre Einheit ein, verlöre ihre Identität mit sich selbst und würde der Partikularität eines Vielerlei verfallen205. Ähnlich dieser Vorstellung einer aus der Pluralität von Wahrheiten sich konsistent/kohärent bildenden einen Wahrheit tritt bei Pannenberg auch die für das Feld der Wahrheitserkenntnis relevant werdende Vorstellung hervor, derzufolge die eine und einzige Wahrheit sich durch eine „Pluralität ihrer Erscheinungsformen“206 manifestiert. Als Unterschied dürfte ausgemacht werden können, dass die Pluralität auf dieser epistemischen Ebene nicht die Beschaffenheit der Wahrheit in ihrer Einheit als solche schon tangiert. Vielmehr hat die eine Wahrheit (hier diejenige Gottes und seiner Offenbarung) „kein anderes Medium“ 200 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 350. 201 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 350. 202 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 112. Zur Einheit alles Wahren in Pannenbergs Wahrheitsbegriff vgl. auch W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 56: dort das Plädoyer für einen „metaphysischen Wahrheitsbegriff“, der die ontologische Wahrheit (der Dinge) mit dem Urteilsaspekt verbindet. 203 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 226. 204 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 29. 205 Siehe auch die hier richtigen Bemerkungen von R. Nnamdi, Offenbarung und Geschichte. Zur hermeneutischen Bestimmung der Theologie Wolfhart Pannenbergs, 28. 206 W. Pannenberg, Zu 2. Kor 12,9 (Replik auf Odo Marquard: „Schwacher Trost“), 125.

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sich zu offenbaren als in der „bunten Vielfalt“ der göttlichen Schöpfung207. Hierbei bleibt Pluralität der Wahrheit selbst äußerlich; die Pluralität des jeweiligen Erscheinens von Wahrheit dürfte zusammengenommen noch nicht einmal ein kohärentes Bild abgeben. Der Gedanke der Einheit der Wahrheit erfordert nach dem Dafürhalten von Pannenberg, dass wir Menschen nicht mit fundamental verschiedenen Wahrheiten leben könnten, die in keiner inneren Beziehung zueinander stünden: „We cannot live with separate truths for scientists and theologians.“208 In der Einheit der Wahrheit liegt es begründet, „that the truths of science and the truths of theology must ultimately cohere.“209 Bei Pannenberg bilden theologische Wahrheit(en) und andere Wahrheiten dieser Weltwirklichkeit die Einheit der Wahrheit. Sein Konsistenz-/KohärenzArgument ist seinerseits schon so etwas wie ein Votum für eine Gestalt von ‚Einheit der Wahrheit‘, die – monistisch und universal interpretiert – disziplinübergreifend gesucht werden müsse. Es ist darum sicher nicht ganz falsch, wenn gesagt wird, Pannenberg wolle angesichts der Einheit der Wahrheit „theological truth and other truth into relation“ (Chr. Mostert) bringen210. Das ist jedoch nicht so zu verstehen, als würden hier in Form einer Vermittlung unterschiedlichste Wahrheiten auf künstliche Weise äußerlich in Beziehung gesetzt. Es ist vielmehr so, dass im Gedanken der Einheit der Wahrheit auch der Grund dafür liegt, dass Pannenberg grundsätzlich keine Unterscheidung zwischen verschiedenen, etwa auf unterschiedlichen Ebenen einander gegenüberstehenden und nicht in einander überführbaren Wahrheiten (wie z. B. bei Lessings [aus meiner Sicht fragwürdigen] Distinktion zwischen Vernunfts- und Geschichtswahrheiten) kennt211. 207 W. Pannenberg, Zu 2. Kor 12,9 (Replik auf Odo Marquard: „Schwacher Trost“), 126. 208 Um eine auf Pannenberg gemünzte Wendung von T. Peters (Clarity of the Part versus Meaning of the Whole, 294) aufzugreifen. 209 So die zutreffende Beschreibung von T. Peters, Clarity of the Part versus Meaning of the Whole, 300. Man wird Peters zudem in der Einschätzung zustimmen können, dass diese These in gewisser Hinsicht gewagt ist: „This is courageous because, in principle, he will permit empirical discoveries to count as theological knowledge; and this opens up the possiblity of disconfirmation of long held theological doctrines.“ (ebd.) Dass die Kohärenzbildung bei Pannenberg faktisch nicht zur potentiellen Gefahr für theologische Glaubensinhalte werden kann, liegt in dem Manko begründet, dass er im Zusammenhang der Anwendung der kriteriologisch verfassten Kohärenztheorie nicht die Problematik verschiedener kohärenter Systeme reflektiert (s. u.). 210 So Chr. Mostert, God and the Future, 60. 211 Insofern ist A. Gläßers These zurückzuweisen, wonach Pannenberg versuche, zwischen Glaubenswahrheit einerseits und Geschichtswahrheit andererseits zu vermitteln (als seien diese Wahrheiten strukturell grundverschieden oder als gehörten diese Wahrheiten unterschiedlichen Horizonten oder Ebenen an): Gläßer formuliert: „Pannenbergs Schritt über Augustinus hinaus unternimmt den Versuch, im christlichen Glauben nicht mehr zwischen Autorität und Vernunft, sondern zwischen Glaubenswahrheit und Geschichtswahrheit zu vermitteln. Gottes geschichtliche Heilstaten und ihr Werk in Israel und in Jesus Christus

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Das Verhältnis aller Wahrheiten untereinander ist gleichsam egalitär, es gibt kein hierarchisches Verhältnis von Wahrheiten, keine Über- oder Unterordnung etwa bestimmter (natur-)wissenschaftlicher Wahrheiten gegenüber einzelnen Wahrheiten. Genausowenig gibt es für Pannenberg eine Hierarchie hinsichtlich der Wahrheitsansprüche, wie sie in den Wissenschaften und der Theologie als einer Wissenschaft unter vielen beansprucht werden. Alle Wahrheiten zusammen bilden eine holistische Einheit, ein Ganzes. J.A. Stewart behauptete zu Recht, dass „historical truths about Jesus and the scientific truths about the world will be parts of the same whole, and, for Pannenberg, they will be congruent.“212 Es besteht hier eine Parallele zu der (bereits in der griechischen Antike beheimateten) Vorstellung einer alle Wahrheiten umfassenden Wahrheit, die charakteristisch für Pannenbergs Wahrheitsvorstellung ist und ihn damit zugleich auch tendenziell in Distanz zu postmodernen Entwürfen gebracht hat, die einheitlich-holistischen Ansätzen eher skeptisch gegenüberstehen213: „He does not regard science as having any prior truth claim over theology. However, science and theology must certainly exist in relation for Pannenberg.“ Und: „He views all knowledge from the perspective of a world created by God in which all knowledge must be ultimately congruent, since it is all about the same act of creation.“214

Darin unterscheiden sich Pannenbergs Ausführungen zugleich von einigen (gerade auch in der evangelischen Theologie) unternommenen Versuchen, das Thema ‚Wahrheit‘ in der Theologie von der Wahrheit andernorts (etwa in den Wissenschaften) zu unterscheiden215.

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werden für ihn zum Inbegriff der christlichen Botschaft, deren Wahrheit, angesichts welcher der einzelne Mensch sich zur Annahme oder zur Ablehnung entscheiden muß, durch die historische Wissenschaft in einem unabgeschlossenen Prozeß der Annäherung erschlossen wird.“ (A. Gläßer, Verweigerte Partnerschaft?, 114). Pannenberg hält durchweg am Gedanken der Einheit der Wahrheit fest. Es wird von Pannenberg so unter dem Aspekt der Einheit der Wahrheit ein insgesamt differenziertes Verständnis von Wahrheit entwickelt, nicht jedoch stehen sich (grund-)verschiedene Wahrheiten gegenüber, die, etwa weil sie unterschiedlichen Ebenen, Horizonten, Sphären o. ä. zugerechnet würden oder von der Vernunft her erkannt werden könnten, nicht miteinander vermittelt werden könnten. Zu dem Verhältnis von Geschichtlichkeit und Wahrheit sowie zum Verhältnis des Glaubens zur Wahrheit s. u. J.A. Stewart, Reconstructing Science and Theology in Postmodernity, 26. Die Vorstellung einer die Pluralität einzelner Wahrheiten umfassenden Wahrheit findet sich schon bei Plato und Hegel (siehe dazu P. V. Zima, Moderne/Postmoderne, 169). Der Tendenz nach verstehen Vertreter der sog. Postmoderne diese einzelnen Wahrheiten als individuell erschaffen (so exemplarisch etwa G. Deleuze, Foucault, op. Cit. [Anm. 72], 126). J.A. Stewart, Reconstructing Science and Theology in Postmodernity, 5. Man vergleiche hierzu das wirkmächtige Buch von E. Brunner (Wahrheit als Begegnung). Vgl. daneben auch exemplarisch die Einschätzung des Religionswissenschaftlers R. Flasche (Vom „Absolutheitsanspruch“ der Religionen – oder: Religiöse Wahrheit und Religionswissenschaft). Flasche hält unter Bezugnahme auf A. Anwander, Art. ‚Wahrheit‘, 583ff. fest: „Die Frage nach „der“ Wahrheit der Religion ist also keine wissenschaftliche, sondern eine

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Bemerkenswerterweise lässt sich bei Pannenberg bereits in einer vergleichsweise frühen Auseinandersetzung mit W. Joest ein striktes Festhalten am Konsistenz-/Kohärenz-Ideal erkennen: Gegen W. Joest führt er an, dass „[e]in schlechthin „nicht-synthetisierbares Paradox“ als in jedem Sinne unauflösbarer logischer Widerspruch […] wohl doch mit Scholz, Schilder, Kiesow, Schröer u. a. (Lit. bei Joest art. cit.) als sinnlos beurteilt werden [muss].“216 Er fährt fort: „Die theologischen Beispiele, die Joest für solche nicht auflösbaren Paradoxien gibt, enthalten sämtlich eine logische Vermittlung des Gegensatzes, indem begründet wird, weshalb die Theologie in bestimmten Fragen zu kontradiktorisch entgegengesetzten Aussagen gelangt, die zugleich wahr sind“217. Die Pointe der Argumentation Pannenbergs zielt also darauf ab, zu zeigen, dass der Begründungsvorgang bei Joest „bereits eine seinerseits logische Vermittlung des in der paradoxen Aussage liegenden logischen Widerspruches dar[stellt].“ Pannenberg zeigt dabei, dass bereits die Frage nach dem Warum bestimmter kontradiktorisch entgegengesetzter Aussagen die Antizipation zur Voraussetzung hat, „daß das kontradiktorisch Entgegengesetzte „als in verborgener Einheit [kursiv: T. L.] zusammengehörig ‚aufgefaßt‘, ‚interpretiert‘, d. h. im Grunde geglaubt wird“ (Joest, S. 127).“218 Unabhängig von der Frage, ob erschöpfend und abschließend eine Begründung „für die Unausweichlichkeit einer logisch paradoxen theologischen Aussage […] gegeben werden kann“ bzw. auch unter der Bedingung, dass „diese verborgene Einheit in und hinter dem Widerspruch nie erschöpfend und abschließend zur Aussage gebracht werden kann“, ist für Pannenberg die Einsicht entscheidend, dass „es doch eben auch logisch nicht bei der bloßen Kontradiktion (Joest, S. 127 Anm. 38 spricht von Antinomie) [bleibt], sofern und soweit eben eine Begründung dafür versucht wird, daß und warum in der betreffenden Sache eine paradoxe Aussage unausweichlich und sinnvoll ist.“219 Mit Pannenberg wird man das Konsistenz-/Kohärenzideal also aus gutem Grund gerade auf die Wahrheitsthematik anwenden müssen. David P. Polk hat die Plausibilität der von Pannenberg behaupteten Einheit der Wahrheit aufzuzeigen versucht, indem er auf die verheerenden Folgen hingewiesen hat, die aus

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religiöse bzw. theologische, wie auch deren Beantwortung immer religiös oder theologisch sein wird.“ (a. a. O., 14f). Wie Flasche dies meint, kommt in folgender lapidaren Bemerkung zum Ausdruck: „Religiöse Wahrheit […] wird an die Bekehrung gebunden.“ (a. a. O., 17). Solche (m. E. völlig missverstandene) Wahrheit würde eine rein partikulare, relativierte und letztlich nur subjektive und daher letztlich epistemisch irrelevante Größe sein. Diese Arbeit zeigt – über weite Strecken in Gefolgschaft mit Pannenberg – dass Gegenteiliges für ein angemessenes Verständnis von Wahrheit erforderlich ist. W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 157f Anm. 96. Pannenberg rekurriert auf W. Joest, Zur Frage des Paradoxon in der Theologie, 116–151, bes 118f. W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 157f Anm. 96. W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 157f Anm. 96. W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 157f Anm. 96.

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der gegenteiligen Annahme – der ‚disunity‘ (Zerrissenheit) von Wahrheit – resultieren würden. Eine solche Annahme „would render everything – - and therefore nothing – - possible.“220 Mit anderen Worten: Die Prämisse der Einheit der Wahrheit ermöglicht überhaupt erst so etwas wie Kohärenz und Bedeutung. Mit den Worten von Polk gesagt, bedeutete die Annahme der ‚disunity‘ ein „intellectual chaos, a conceptual nihilism“221. 3.3.1.7 Zwischenfazit Einheit ist für Pannenberg ein wesentliches und auch selbstverständliches Wahrheitsattribut. Einheit von Wahrheit kann singulär, monistisch oder holistisch strukturiert sein. Nach Wahrheit in ihrer Einheit streb(t)en seines Erachtens darum auch nicht nur Theologen, sondern auch die Philosophie und die Wissenschaften. Anhand der Ausführungen im Einzelnen kann gezeigt werden, dass Pannenberg das Attribut der Einheit sowohl auf einen spezifischen formalen Begriff von Wahrheit anwenden kann als auch auf bestimmte materiale Wahrheiten, sofern sie zusammen eine Einheit bilden. Diese zwei funktional verschiedenen Weisen der Inanspruchnahme dieses Wahrheitsattributs nicht immer konsequent kenntlich gemacht zu machen, gehört zu den Schwächen seiner vor allem eher älteren Beiträge zum Thema. Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass die Einheit der Wahrheit häufiger postuliert als begründet wird. In spätoder postmodernen Lebenszusammenhängen erscheint mir eine ausführliche Plausibilisierung des Einheitsattributes als ein sinnvolles Desiderat. Die systematisierende Zusammenstellung der innerhalb seines umfassenden opus’ verstreut vorliegenden Begründungsmuster zeigt, dass Pannenberg gute Argumente für das Einheitsattribut parat hat. Die Begründung über die Konsistenz- oder Kohärenzanforderung erweist sich m. E. als besonders starkes Argument. Nicht zufällig dürfte er das Merkmal der Kohärenz wiederholt in veritativen Anschlag gebracht haben. In der Kohärenz liegt für ihn ohnehin der Schlüssel für eine göttliche Fundierung von Wahrheit in Einheit. Und eben dieser Zug ist, wie sich bereits andeutete, alles andere als unwesentlich für Pannenbergs Verständnis von Wahrheit. Bevor die Göttlichkeit als Wahrheitsattribut näher betrachtet wird, erfolgt eine Darstellung und Auseinandersetzung mit weiteren Attributen der Wahrheit, zunächst mit der Allgemeinheit als einem für Pannenbergs Denken sehr bedeutsamen Wahrheitsattribut.

220 D.P. Polk, On the Way to God. An Exploration into the Theology of Wolfhart Pannenberg, 52 Anm. 21. 221 D.P. Polk, On the Way to God. An Exploration into the Theology of Wolfhart Pannenberg, 52 Anm. 21.

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Wolfhart Pannenbergs Wahrheitskonzeption

3.3.2 Die Allgemeinheit der Wahrheit Pannenberg ist mit seiner der Neuzeit verpflichteten Theologie entschiedenen für einen Universalismus eingetreten und hat entgegen postmodernem Denken den Gedanken der Allgemeinheit (wie auch den der Allgemeingültigkeit und Universalität) von Wahrheit gegenüber veritativen Reduktionen auf bloß private, subjektive, kontextuelle oder lokale Wahrheit für die Theologie argumentativ zu retten gesucht222. Damit ergibt sich einerseits ein eklatanter Gegensatz zum gegenwärtig (noch) andauernden Zeitgeist, der aber auch in die Theologie hineingewirkt hat und dort zuweilen auch zu einem Misstrauen gegenüber der Idee allgemeingültiger Wahrheit und der mit ihr zu assoziierenden Objektivität, wie sie etwa der Idealismus noch kennt223, geführt hat.

222 Zum Universalismus als einem Kennzeichen der Moderne vgl. John Dewey, Die Erneuerung der Philosophie, passim, bes. 19f (zur Universalität wissenschaftlicher Theorien). Vgl. zu den hier nur angedeuteten Differenzen zwischen Postmoderne und Moderne die Darstellung von Peter V. Zima, Moderne/Postmoderne, bes. 44, 136 und 160f: An die Stelle von Allgemeingültigkeitsansprüchen traten mit der Postmoderne Indifferenz (in Gestalt der Austauschbarkeit), Pluralismus, Partikularisierung und ideologische Reaktion. Vgl. a. a. O., 44. Im Anschluss an F. Nietzsche ist es zur Absage an universalen Wahrheitsansprüchen (etwa am Platonismus und später am deutschen Idealismus) gekommen. Wahrheiten werden von G. Deleuze beispielsweise nur noch als lokale Wahrheiten, die je nach Kontext variierten, begriffen (vgl. a. a. O., 136). Speziell auch bei R. Rorty und J.F. Lyotard weist Zima die Partikularisierungstenden nach (vgl. a. a. O., 160f). 223 Elementare idealistische Kennzeichen von Wahrheit können sein: Allgemeingültigkeit, Objektivität und Identität. Siehe dazu den Hinweis von R. Schäfer, Das holistisch-systemische Wahrheitskonzept im deutschen Idealismus (Fichte – Hegel), 253. Exemplarisch für das oben beschriebene Misstrauen stehen exemplarisch die Theologen I.U. Dalferth u. Ph. Stoellger (s. u.). Auch L. Steigers Kritik an der Idee der Allgemeingültigkeit der Wahrheit (der Verkündigung) mag u. U. auch vor dem Hintergrund des allgemein verbreiteten, postmodernen Denkens zu verstehen sein, wobei Steiger selbst an die Existenztheologie und heilsgeschichtliche Theologie anschließen will: Steiger meint, „Pannenberg hat von Anfang an nicht gesehen, daß die Existenztheologie und die heilsgeschichtliche Theologie das theologische Problem der Geschichte als Problem der hermeneutischen Differenz der Theologie, d. h. als Frage nach der nicht zu verallgemeinernden Wahrheit der Verkündigung [kursiv: T. L.] und nach deren eigener Bezeugung im Horizont des Verstehens überhaupt, gedacht haben.“ Steiger kritisiert, dass Pannenberg die hermeneutische Differenz der Theologie aufhebe und damit etwas, was „zum Wesen des theologischen Erkennens und Verstehens“ gehöre. (L. Steiger, Offenbarungsgeschichte, 97). Pannenberg hebt sicher nicht die hermeneutische Differenz auf. Hier interessiert jedoch nur die Kritik an der Allgemeinheit der Wahrheit. Diese zu negieren müsste konsequenterweise dazu führen, die mit der Existenztheologie und heilsgeschichtlichen Theologie in Verbindung gebrachte Anschauung der Nichtverallgemeinerbarkeit der Wahrheit der Verkündigung anzuwenden, was allem Anschein nach in einen Selbstwiderspruch führt, da Steiger genau diese These allgemein zu beanspruchen scheint. Wahrheit kann eben als rein subjektive Größe nicht überzeugend sein, wie Pannenberg wiederholt betonte.

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Seinem Lehrer Pannenberg nicht unähnlich erkennt Stanley J. Grenz ein nicht unwesentliches Problem darin „that the apparent contemporary shift to postmodernity implicity calls into question all unchastened claims to objective, universal truth“224.

Im Folgenden gilt es zu zeigen, auf welche Weise Pannenberg mithilfe seiner universalisierenden Theologie schwerpunktmäßig auf Wahrheit eingehen konnte und für dieses Phänomen als ein wesenhaft allgemeingültiges argumentativ eintreten konnte. 3.3.2.1 Pannenbergs auf Universalität abzielende (Systematische) Theologie und Ethik „It is always a good maxim when reading Wolfhart Pannenberg: remember that it has been his overriding concern to assert the universality of the Christian claim, and indeed of any claim that speaks of God.“225 „He [sc. Pannenberg] has given a philosophical explication of theology which strives for universality and rational acceptability at every point.“226 „Pannenberg argues that theology must be universal in scope because the nature of its object, God, implies the most comprehensive scope conceivable.“227

Die elementare Bedeutung des Gesichtspunkts der Universalität in Pannenbergs Denken ist bereits vielfach herausgestellt worden: Neben den oben zitierten Feststellungen von Robert W. Jenson, Ph. Clayton, T. Peters hat ähnlich Willem B. Drees in der „universality of theological claims“ ein besonderes Interesse Pannenbergs bemerkt228. Wentzel van Huyssteen sieht „[i]n a very specific sense the Leitmotiv of Wolfhart Pannenberg’s work has always been his conviction that the Christian faith, and especially theology as a reflection on this faith, has a universal credibility [letztes kursiv: T. L.] in our age.“229 Kaum jemand anderes dürfte in 224 S.J. Grenz, II. The Irrelevancy of Theology: Pannenberg and the Quest for Truth, 307. Bei Grenz ist diese Einschätzung mit der Befürchtung verbunden, „that we may too readily surmise that this situation necessitates a wholesale rejection of the project Pannenberg advances.“ Diese Arbeit verfolgt im Anschluss an Pannenberg das Ziel zu demonstrieren, dass Theologie weder auf Wahrheit (als Phänomen) noch auf objektive oder allgemeingültige Wahrheitsansprüche mit guten Gründen verzichtet werden kann. Siehe auch den Abschnitt zum (postmodernen) Nonkognitivismus. 225 R.W. Jenson, Jesus in the Trinity, 188. 226 Ph. Clayton, Anticipation and Theological Method, 150. 227 T. Peters, Clarity of the Part versus Meaning of the Whole, 293f. 228 So das Urteil von W.B. Drees (Contingency, Time, and the Theological Ambiguity of Science, 240). 229 W. van Huyssteen, Truth and Commitment in Theology and Science: An Appraisal of Wolfhart Pannenberg’s Perspective, 360.

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der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts so sehr um eine durch und durch universale, und das heißt dem Wortsinn entsprechend zugleich auch um eine allgemeine und allgemeingültige Theologie bemüht (gewesen) sein230. Das sei im Folgenden kurz veranschaulicht: Theologie – so Pannenberg – müsse um Allgemeingültigkeit bemüht sein, ja dürfe den Anspruch auf Allgemeingültigkeit nicht preisgeben231. Das ergibt sich schon von daher, dass er ihr Thema als allgemeingültig begriffen hat und es sodann – im Verbund von Glaube und Vernunft – gegen Irrationalismen auch vertreten hat232. Den zu verteidigenden Allgemeingültigkeitsanspruch sah Pannenberg schon mit der Einheit Gottes unabtrennbar verbunden233. Allgemeingültigkeit kennzeichnet sämtliche, die Theologie betreffende Gehalte, z. B. die hier lediglich exemplarisch herausgegriffenen Glaubensinhalte234, die (Inhalte der) Botschaft Jesu235 sowie seine Sendung und sein Auftreten236. Seine Individualität sei von allgemeiner Bedeutung237. Als allgemeingültig galt ihm auch die christliche Botschaft238, die christliche Überlieferung239 und auch die Mission in 230 M.W. Worthing urteilt sogar, dass „[i]n the later part of the 20th century no two Christian thinkers have done more to advance the case for theology’s universality and to develop methodologies and an apologetic approach that take this universality into account than have Karl Rahner and Wolfhart Pannenberg.“ (M.W. Worthing, Foundations and Functions of Theology as Universal Science, v). „Both Rahner and Pannenberg have done considerable service to their respective traditions by providing a positive assessment of the value of nonChristian religions without sacrificing Christianity’s claim to universality.“ (a. a. O., 333f). 231 Das geht aus seinen Bemerkungen hervor in: W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 42. Vgl. auch seine Kritik der christlichen Geschichtstheologie dafür, dass sie „den Grad an Allgemeingültigkeit [nicht] zu bewahren vermocht“ habe, „den sie im Denken Augustins erreicht“ hätte (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 69). 232 Vgl. exempl. W. Pannenberg, Ohne Religion sind die Probleme der Menschen nicht zu lösen, 430f. 233 Vgl. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 59f. 234 Pannenberg spricht hinsichtlich des Glaubens explizit vom Bewusstsein „der Allgemeingültigkeit seiner Inhalte für alle Menschen“. Vgl. dazu W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 74. 235 Zur Allgemeingültigkeit der Botschaft Jesu siehe auch W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 232, 240 u. 259. Die christliche Überzeugung, dass die Botschaft Jesu eine alle angehende und insofern allgemeinbetreffende und auch gültige ist, impliziert beispielsweise folgende Formulierung per viam negationis: „The message of Jesus is definitely not limited to the future of a community of believers.“ (W. Pannenberg, The Kingdom of God and the Church, 4). Auch „Jesus’ ethical teaching“ habe „universal significance“ (W. Pannenberg, The Kingdom of God and the Foundation of Ethics, 6). 236 Zur „Allgemeingültigkeit seiner Sendung und seines Auftretens als Mensch“ (W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 242 sowie a. a. O. 250 zum allgemeingültigen Charakter seines Auftretens). 237 Zur „allgemeine[n] Bedeutung der besonderen Individualität Jesu“ (W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 210; siehe auch schon a. a. O., 193f zur allgemeinen Bedeutung seiner Besonderheit). 238 Die christliche Botschaft ist ihrerseits mit einem Anspruch auf Allgemeingültigkeit ver-

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der Theologiegeschichte, insofern diese wie er „für die Allgemeingültigkeit [kursiv: T. L.] des jüdischen Gottes als des einen Gottes aller Menschen“ eingetreten ist240. Schon dem frühen Christentum sei es wie ihm später um ein „allgemein gültiges Gottesverständnis“241 gegangen. Diesen Gedanken adaptierend, bemühte sich Pannenberg um eine argumentative Verteidigung des Konzepts der Allgemeingültigkeit der göttlichen Offenbarung in Jesus Christus242, gedachte die

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bunden. Siehe auch exemplarisch die Kritik an M. Kähler, bei dem er durch „[d]ie Bezugnahme auf den gemeinschaftlichen Charakter der gläubigen Wertung der Geschichte Jesu […] eine Einschränkung des Anspruchs der christlichen Botschaft auf Allgemeingültigkeit [kursiv: T. L.] im Sinne seiner Zurücknahme auf die Grenzen einer kirchlich-konventionellen Deutung“ erkennt. (W. Pannenberg, Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie in Deutschland, 114). Zur weiteren Kritik an Kähler siehe a. a. O. bis 120. Weil Konventionen keine Allgemeingültigkeit verbürgen können (und man wird sagen dürfen, auch Wahrheit nicht verbürgen können – s. u.), gilt es Pannenberg zufolge (bloße) Konventionalismen zu überwinden, um sich eben dem Allgemeinen und Allgemeingültigen widmen zu können (vgl. a. a. O., 114f). Wie Pannenberg weiß, hat bereits das frühe Christentum im hellenistischen Raum die „Zuversicht der humanen Allgemeingültigkeit der christlichen Botschaft“ gezeigt (W. Pannenberg, Notwendigkeit und Grenze der Inkulturation des Evangeliums, 154). Pannenberg wertet bei aller seiner Deismus-Kritik es als eine positive Leistung des Deismus, „daß die Theologie hier versuchte, die Allgemeingültigkeit der christlichen Überlieferung [kursiv: T. L.] auf dem neuzeitlichen Boden der Frage nach dem Menschlich-Vernünftigen neu zu begründen.“ (W. Pannenberg, Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie in Deutschland, 34) So habe man „ein Bewußtsein der Allgemeingültigkeit des Christentums [kursiv: T. L.] wiedergewonnen“, allerdings – und hier setzt Pannenbergs Kritik ein – „um einen allzu hohen Preis, nämlich um den Preis des Verzichts auf die spezifischen Inhalte der christlichen Überlieferung“, die bekanntermaßen reduziert wurden auf „das, was die Vernunft ohnehin schon als Wahrheit erfaßt“. (ebd.). W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 74. Pannenberg bezieht sich hier im Besonderen auf das Erhärten der „Plausibilität des Schöpfungsglaubens und der eschatologischen Erwartung der Christen“ sowie auf den Anspruch der „universale[n] Relevanz der Menschwerdung Gottes in seinem Logos“ (ebd.). Zur „universal validity of the figure of Jesus“ siehe etwa exempl. auch W. Pannenberg, A Liberal Logos Christology: The Christology of John Cobb, 133. Vgl. bspw. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 87f. Siehe W. Pannenberg, Beiträge zur Ethik, 139. Zur „neue[n] Chance […], den Allgemeinheitsanspruch des christlichen Gottesverständnisses in der Sphäre der Allgemeinheit des philosophischen Gedankens [kursiv: T. L.] zur Geltung zu bringen, wie es historisch grundlegend in der Verbindung christlicher Theologie mit dem Platonismus geschehen ist“ siehe auch exemplarisch W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 8. Konsequenterweise würdigt Pannenberg theologische Ansätze, die die Nähe zur Philosophie suchen. Hier ist exemplarisch etwa Paul Tillich zu nennen. Pannenberg hebt hinsichtlich P. Tillichs Theologie etwa positiv hervor, dass er „durch seine Gabe zur Verbindung philosophischer und theologischer Gesichtspunkte [kursiv: T. L.] in einprägsamen Formulierungen das Anliegen einer Interpretation des Christentums im weiten Horizont der Problematik neuzeitlicher Kultur auf höchst eindrucksvolle Weise realisiert“ habe und „damit – unbeschadet aller notwendigen Kritik an der Durchführung seiner Konzeption – ein Beispiel gegeben [habe] für die Aufgabe der Theologie, auch unter den Bedingungen der fortgeschrittenen Säkularisierung der neuzeitlichen Kultur argumentativ für die Allgemeingül-

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christliche Lehre und die Kirchenlehre mit dem Anspruch auf Allgemeingültigkeit zu verteidigen243 und ging davon aus, dass es einen „dem christlichen Glauben wesentliche[n] Drang zur Vergewisserung der Allgemeingültigkeit seines Inhalts [kursiv: T. L.]“ gibt (wie Pannenberg ihn klassisch in der augustinischen Formel fides quaerens intellectum vorgefunden hat, die später von Anselm von Canterbury zur Programmatik erhoben worden ist) 244. In seinen anthropologischen Überlegungen kehrt das Motiv der Allgemeingültigkeit (besonders) häufig wieder. Schließlich kommt aus Pannenbergs Sicht der Anthropologie eine Schlüsselstellung zu in der argumentativen Verteidigung der mit dem christlichen Glauben verbundenen Allgemeingültigkeits- und Allgemeinverbindlichkeitsansprüche245. Die Frage nach dem Gottesgedanken ist wie die gegenteilige Frage nach der „Allgemeingültigkeit der gottlosen Auffassung der Wirklichkeit [kursiv: T. L.]“246 zwar eine zentrale, aber doch nur eine von vielen Fragen, auf die Pannenberg durchweg allgemeingültige Antworten sucht. Im Ganzen und im weitesten Sinne geht es ihm in seinen anthropologischen Erwägungen auffallend häufig um den Aspekt des human Allgemeinen; er strebt nichts weniger als Allgemeingültigkeit bzw. -verbindlichkeit an in der Behandlung des Themenfeldes Mensch und Natur247.

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tigkeit der Offenbarung Gottes in Jesus Christus [kursiv: T. L.] einzustehen.“ (W. Pannenberg, Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie in Deutschland, 346). Zur Kirchenlehre und ihrer Verteidigung vgl. den Hinweis in W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 168. Zu seinem argumentativ-rationalen Bemühen um die zu demonstrierende „universal validity of the Christian teaching“ vor dem Hintergrund des als irrational empfundenen Säkularismus siehe exemplarisch den Aufsatz W. Pannenberg, Christianity and Secularism, bes. 35. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 75. Vgl. dazu exemplarisch folgende Bemerkungen: „Dabei bildet die Anthropologie auch den Boden, auf dem für die Allgemeingültigkeit der christlichen eschatologischen Hoffnung argumentiert werden kann, obwohl es sich dabei nicht um schlüssige Beweise für die Inhalte dieser Hoffnung handeln kann, deren Erfüllung alle Macht von Menschen bei weitem überschreitet und allein von Gott abhängt.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 584). „Besonderes Gewicht fällt der anthropologischen Argumentation für die Inhalte eschatologischer Hoffnung in der geistigen Situation der Moderne zu, weil diese dadurch gekennzeichnet ist, daß die Natur des Menschen als Basis alles kulturell Allgemeingültigen betrachtet wird, so daß die traditionellen Themen der Religion, aber auch der Metaphysik ihre Ansprüche auf Allgemeinverbindlichkeit auf diesem Boden ausweisen müssen. Das gilt nicht zuletzt auch für den Gottesgedanken, so daß in dieser Hinsicht für die Erörterung des Gottesgedankens und der Themen eschatologischer Hoffnung eine gemeinsame Argumentationsbasis gegeben ist.“ (a. a. O., 584). W. Pannenberg, Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie in Deutschland, 202. Pannenberg stellt sich eine Theologie vor, die „mit dem Anspruch auf Allgemeinverbindlichkeit über den Menschen [kursiv: T. L.] reden will im Lichte der biblischen Texte und der christlichen Lehrüberlieferung“ und darum auch den Dialog mit anderen Wissenschaften sucht. (W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive. Philosophisch-theologische Grundlinien, 91) Daher rührt zum Exempel auch die Kritik an E. Brunner, dessen

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Von entscheidender Wichtigkeit für seine gesamte Theologie ist seine Annahme, dass es notwendig ist, für das (theologische) Denken und Reden (von Gott) Allgemeingültigkeit beanspruchen zu können, um überhaupt sinnvoll von

Anthropologie keine außertheologischen Einsichten berücksichtige und im Wesentlichen auf Aussagen der Bibel über den Menschen beruhe, sodass nach Meinung von Pannenberg „damit nicht der argumentativ vertretene Anspruch auf Allgemeingültigkeit [kursiv: T. L.] verbunden werden“ konnte (a. a. O., 90). Schließlich ist auch seine These der Universalität der Sünde erwähnenswert (siehe dazu z. B. W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 116ff u. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. 2, 290ff) Diese Ausrichtung auf Universalität spiegelt sich in wiederholtem Maße dann auch in Pannenbergs Auseinandersetzung mit weiteren Positionen wider. So würdigt Pannenberg etwa, dass G. Chr. Storr (ungeachtet seines aus der Sicht Pannenbergs kritikwürdigen Biblizismus) „die Notwendigkeit christlicher Theologie in damals neuer Weise, nämlich zugleich im Anschluß an und im Streit mit der Philosophie, auf dem Boden des menschlich Allgemeingültigen [kursiv: T. L.] begründet [habe].“ (W. Pannenberg, Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie in Deutschland, 40. Zu Storrs Supranaturalismus, seiner Schule und der Kritik daran siehe a. a. O., 40ff). Nach Einschätzung von Pannenberg konnte „sich pietistische Frömmigkeit in der geistigen Auseinandersetzung der Neuzeit allerdings nur behaupten, wenn es gelang, die humane Allgemeingültigkeit der religiösen Innerlichkeit darzutun.“ (W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 14, zum Allgemeingültigkeitsanspruch der Anthropologie s. auch a. a. O., 14ff). Solches Eintreten für humane Allgemeingültigkeit – was grundsätzlich dem theologischen Anliegen Pannenbergs entgegenkommt – sieht er bereits im „theologischen Moralismus der Aufklärung“ (speziell in der Gewissenstheologie) realisiert. Für besonders wichtig hält er den Beitrag von F.D.E. Schleiermacher, der in seinen Reden Über die Religion „die Selbständigkeit der Religion auf der Basis der privaten Frömmigkeit“ dargetan habe, „indem er die humane Allgemeingültigkeit der Religion [kursiv: T. L.] dadurch begründete, daß er eine ‚eigene Provinz im Gemüt‘ für sie reklamierte, die weder auf Moral, noch auf Metaphysik reduzierbar ist und in der doch die Einheit der Individualität ihre Grundlage hat.“ (W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 14). Schleiermachers „Wendung zu einer Neubegründung der Theologie auf dem Boden des allgemein Menschlichen [kursiv: T. L.], die sich in Storrs Auseinandersetzung mit Kant vollzog, aber dort noch nicht in ihrer vollen Tragweite erfaßt wurde, ist bei Schleiermacher das zentrale Thema seiner Lebensarbeit und von ihm nach allen Seiten hin durchgeführt worden“, worauf Pannenberg zufolge „die klassische Bedeutung von Schleiermachers Denken für die neuere Theologiegeschichte“ beruhe (W. Pannenberg, Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie in Deutschland, 46). Pannenberg goutiert, „daß es sich bei Schleiermachers Ausführungen in der Glaubenslehre zum Wesen der Frömmigkeit um einen großangelegten Entwurf subjektivitätstheoretischer Begründung und Rechtfertigung des religiösen Bewußtseins als Gottesbewußtsein handelt“, wodurch es ihm gelungen sei, „ein weithin wirksam gewordenes Vorbild rationaler Glaubensbegründung geschaffen [zu haben] als Grundlage für den Anspruch des christlichen Glaubens auf humane Allgemeingültigkeit [kursiv: T. L.].“ (W. Pannenberg, Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie in Deutschland, 69. Vgl. zu Schleiermacher weiter a. a. O., 69ff); zu Schleiermachers These einer religiösen Provinz und der Forderung Pannenbergs, es sei für diese These der Erweis ihrer Allgemeingültigkeit erforderlich, siehe W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 242. K. Barth dagegen gerät bei Pannenberg dadurch in Misskredit, dass er die Bedeutung der Anthropologie für die Verteidigung des Aspektes der Allgemeinverbindlichkeit der Rede von Gott verkannt habe. Es habe vielmehr zu einer „von Barth nur polemisch wahrgenommenen Tatsache“ gehört, „daß

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Gott reden zu können: „Von Gott zu reden in der Form einer nur kraft subjektiver Entscheidung zu entwickelnden Argumentation ist ein Widerspruch in sich.“248 Allgemeingültigkeit verhält sich konträr zu jedweder Form eines Subjektivismus, der von ihm deshalb viel gescholten worden ist, weil er ihn mit (bloßer) Subjektivität, darum auch mit Beliebigkeit und intersubjektiver Unverbindlichkeit verbunden gesehen hat249. Der universalisierende Zug innerhalb seiner Systematischen Theologie im Sinne der Dogmatik ist auch auf dem Feld seiner als kognitiv zu bezeichnenden philosophisch-theologischen (Güter-)Ethik deutlich wiederzuerkennen. Für sie ist ein metaethischer Universalismus kennzeichnend: Ethik auf allgemeine Geltung und Allgemeinverbindlichkeit250. Ethisch durchweg um Allgemeinheit bemüht, fasst er eine christliche Rechtsbegründung mit dem Anspruch auf Allgemeingültigkeit ins Auge, thematisiert die (transkulturelle) Allgemeingültigkeit des Naturrechts251, betont die Allgemeinheit des Gesetzes252 sowie die Allgemeingültigkeit des Dekalogs im Speziellen253, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

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seit der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert die Anthropologie der Boden geworden ist, auf dem die Entscheidungen, zumindest aber die Vorentscheidungen über Allgemeinverbindlichkeit oder pure Subjektivität alles Redens von Gott [kursiv: T. L.] fallen.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 142). W. Pannenberg, Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie in Deutschland, 202. Siehe ausführlicher ebd. Besonders aufschlussreich sind schon Pannenbergs Ausführungen in: W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 242f. „Eine Ethik aber muss [anthropologisch] allgemeine Geltung beanspruchen.“ (W. Pannenberg, Beiträge zur Ethik, 144); „Christian ethics […] is not limited to Christians but is related to the moral situation and calling of all.“ (W. Pannenberg, When Everything Is Permitted, 29. Zum Universalitätsanspruch des christlichen Ethos vgl. a. a. O., 29f). Siehe exempl. auch W. Pannenberg, Beiträge zur Ethik, 145: „Daher ist bei der christlichen Ethik ihre Allgemeingültigkeit oder jedensfalls der mit guten Gründen zu erhebende Anspruch auf Allgemeingültigkeit Bedingung auch ihrer Verbindlichkeit [kursiv: T. L.] für den Christen selbst.“ (ebd.) In diesem auf Allgemeingültigkeit abzielenden Ansatz sieht Pannenberg eine Parallele zu seinem geschätzten Kollegen und Ethiker aus München Trutz Rendtorff: Nach Meinung von Pannenberg ist der „Anspruch auf humane Allgemeingültigkeit wesentlich“ für das ethische Normbewusstsein (vgl. dazu W. Pannenberg, Eine Antwort, 485).Vgl. auch exempl. zum Allgemeingültigkeitsanspruch für die christliche Ethik in der hellenistischen Welt a. a. O., 140 sowie Pannenbergs Bemerkungen in: W. Pannenberg, Eine Antwort, 485. Vgl. W. Pannenberg, Beiträge zur Ethik, 42, 56 u. 140 (dort zur Allgemeingültigkeit des Naturrechts); zur „Allgemeinheit des Naturrechts“ siehe auch W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 90. Vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. 3, 110f, hier in Gegenüberstellung zum je Individuellen. Vgl. W. Pannenberg, Beiträge zur Ethik, 140.

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3.3.2.2 Zur Konnexität von Allgemeingültigkeit und Wahrheit „In doing theology, each theologian of our time should have in mind the global Christian community. But each of us must do it within his or her own context, while seeking not to be caught in the particularity of that context but to express what can claim universal truth“254. „Today the fundamental hermeneutical task is to reassure thinking churchmen of the universal validity and reliability of Christian truth.“255

Das gehäuft auftretende Universalitätsideal in der Theologie Pannenbergs ist sicher alles andere als ein Zufall. Ich stelle folgende These auf: Pannenbergs Bemühungen um Allgemeingültigkeit hängen aufs Engste zusammen mit seiner durchweg wahrheitszentrierten (Systematischen) Theologie. Denn Pannenberg strebt nach Allgemeingültigkeit in der Dogmatik, aber auch auf dem Gebiet der Ethik vor allem deshalb, weil Allgemeinheit bzw. Allgemeingültigkeit nicht nur als ein Implikat des Attributes der Einheit von Wahrheit verstanden werden darf, sondern für ihn auch immer schon ein eigenständiges und elementares Attribut von Wahrheit gewesen ist, welches seinerseits darum auch funktional als ein Indikator für Wahrheit (und insofern auch als Wahrheitskriterium) fungiert hat256. Diese meine These lässt sich an Beispielen umfassend belegen. Vor dem Hintergrund des oben Dargelegten erklärt sich, warum das Motiv der Allgemeingültigkeit für Pannenbergs Theologie von entscheidender Bedeutung ist und er in aller Ausdrücklichkeit Wahrheit mit diesem Attribut in Verbindung gebracht hat. Dazu folgende Beispiele: So wird die „Wahrheit [kursiv: T. L.] und Gültigkeit der christlichen Botschaft“ von ihm als ‚allgemeinmenschliche‘ deklariert und mit der Allgemeingültigkeit christlicher Überlieferung in Verbindung gebracht257. So nimmt es dann auch nicht wunder, dass Pannenberg der Meinung ist, „daß die Wahrheit des christlichen Glaubens sich mit dem 254 W. Pannenberg, An Autobiographical Sketch, 18. 255 So in einleitenden Bemerkungen P.J.A. Cook, Pannenberg: A Post-Enlightenment Theologian, 246. 256 Darum stellt sich für Pannenberg ein Anspruch auf Allgemeingültigkeit, wenn er nicht zugleich mit dem Anspruch auf Wahrheit verbunden ist, als äußerst problematisch dar. Ein solcher Anspruch wäre nämlich mit der Zumutung verbunden, sich „einer bloßen Konvention“ zu beugen. Siehe dazu Pannenbergs Bemerkung in einer Kontroverse mit W. Gerhard (W. Pannenberg, Wahrheit statt Gleichgültigkeit. Antwort an Wilfried Gerhard, 135). 257 Siehe dazu W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 191. Auch die Frage nach der Wahrheit von Überlieferungen, Erfahrungen und Traditionen ist verbundenen mit der Frage nach deren Allgemeinverbindlichkeit. Vgl. W. Pannenberg, Schuld und Sühne im Jahre 1971, 162.

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Anspruch auf Allgemeingültigkeit vertreten läßt“.258 „Ausgangspunkt und Kraftquelle“ für die christliche Weltmission ist schließlich „[d]er Anspruch auf eine alle Menschen angehende Wahrheit [kursiv: T. L.] im Ereignis der Offenbarung des einen Gottes aller Menschen, des Schöpfers der Welt, in Person und Geschichte Jesu von Nazareth […] gewesen.“259 Denn nicht nur der christliche Glaube lebt mit dem „Bewußtsein seiner allgemeinen Wahrheit für alle Menschen [kursiv: T. L.].“260 Wahrheit in Bezug auf Religion hat es seiner Meinung nach ohnehin mit allgemeiner Wahrheit zu tun261. So kann die „Frage nach der Wahrheit […] einer bestimmten Gottesauffassung [kursiv: T. L.]“262, wie mir scheint, mit der „Frage nach der […] Allgemeingültigkeit [kursiv: T. L.] einer bestimmten Gottesauffassung“263 koinzidieren.

Und gerade weil (wie oben dargelegt) für Pannenberg der Makel der (reinen) Subjektivität mit Unverbindlichkeit und Beliebigkeit verbunden ist, ist ein SichZurückziehen auf die Ebene der (puren) Subjektivität für den Umgang mit der Frage nach Wahrheit als einer naturgemäß allgemeinen (allgemeingültigen) alles andere als unproblematisch, wie Pannenberg in seiner Vorlesung „T h e o l o g i e d e r Ve r n u n f t “ (erstmals im WS 1963/64) dargelegt hat264. Nachfolgend gilt es, das Universalitätsideal in seiner Anwendung als Wahrheitsattribut (repräsentiert auch durch semantisch benachbarte Ausdrücke wie u. a. Allgemeinheit und Allgemeingültigkeit) unter die Lupe zu nehmen.

258 W. Pannenberg, Die Allgemeingültigkeit der Religion. Diskussion über Luhmanns Religionssoziologie, 356. 259 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 9. 260 W. Pannenberg, Freude des Glaubens. Predigten, 17. 261 Das geht deutlich aus folgender Bemerkung hervor: „In der europäischen Kultur der Neuzeit hat in der Zeit vom 17. bis zum 20. Jahrhundert die Wahrheit der Religion in zunehmendem Maße an allgemeiner Verbindlichkeit für das öffentliche Bewußtsein verloren.“ (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Thelogie Bd. I, 11) Die Religion wurde zur Sache des Individuums, zur Privatsache. Siehe dazu a. a. O., 11ff. 262 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 210. 263 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 210. Aufgrund der Vorstellung von Wahrheit als allgemeingültiger ist die Frage nach der Wahrheit zugleich eine Frage nach Allgemeingültigkeit, wie dieses Beispiel suggeriert. 264 Das ist erst jüngst von W. Greive in seiner Skizzierung dieser Vorlesung aufgezeigt worden: „Der Rückzug auf die Subjektivität in der modernen Theologie bedeutet für Pannenberg die Preisgabe der Frage nach der Wahrheit als Wahrheit Gottes. Glaube droht zur subjektiven Beliebigkeit zu werden.“ (W. Greive, Wolfhart Pannenbergs Vorlesung „Theologie der Vernunft“. Eine Skizze, 102; zu den Vorlesungsterminen s. a. a. O., 96 [= SoS 1967 u. 1969]). Greive zitiert Pannenberg: „Die ‚Berufung auf die religiöse Erfahrung oder Entscheidung des Einzelnen für sich allein ((!))‘ wirft den Glauben auf reine Subjektivität zurück, ‚ohne Anspruch auf allgemein verbindliche Wahrheit.“ (a. a. O., 100). Zu Pannenbergs Subjektivismuskritik in solchem Sinne und im Hinblick auf „[d]ie Aufgabe vernünftiger Rechenschaft über die Wahrheit des Glaubens“ siehe W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 243 sowie Pannenbergs Vorlesung „Theologie der Vernunft“ a. a. O., 99.

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3.3.2.3 Zur Wahrheit als einer allgemeingültigen Größe „‚What has Athens to do with Jerusalem?’ asked Tertullian rhetorically. What indeed!, echoed Barth. Answers Pannenberg: nothing less than everything.“265 „The issue, for Pannenberg, turns around the problem of the presumed universality of the truth with which theology deals. That is to say, theology’s truth must be valid universally, all- encompassingly, or it cannot claim validity at all.“266 „Wenn von Wahrheit die Rede ist, dann geht es in seinem Sinne immer um die Allgemeingültigkeit der Wahrheit, oder es ist eben nicht von Wahrheit die Rede.“267 „La vérité qu’elle recherche est une vérité universelle.“268

Zunächst bedarf es einer Klärung, was Pannenberg unter Allgemeingültigkeit (bzw. Allgemeinheit, Universalität etc.) der Wahrheit versteht. Daran anschließend muss geklärt werden, wie er diese Annahme begründet. Allgemeinheit bzw. Allgemeingültigkeit der Wahrheit bedeutet, dass ihre Gültigkeit auch unabhängig von ihrer Anerkennung besteht269. Wahrheit als allgemeine/allgemeingültige Größe beschreibt Pannenberg prägnant via negationis, und zwar so, dass Wahrheit weder eine bloß subjektive sei270 noch dass sie „nie nur meine Privatsache sein kann“271 oder lediglich die Wahrheit einer bestimmten Gruppe wäre, sodass von einer ‚Konventikelwahrheit‘272 die Rede sein 265 266 267 268 269 270 271 272

D.P. Polk, On the Way to God. An Exploration into the Theology of Wolfhart Pannenberg, 21. D.P. Polk, On the Way to God. An Exploration into the Theology of Wolfhart Pannenberg, 21. W. Krötke, „Strittigkeit“ als Vorzug des Gottesgedankens, 17. So P. Warin (Le chemin de la Théologie chez Wolfhart Pannenberg, 13) zu Pannenbergs Theologie. So etwa am Beispiel sittlicher Wahrheiten und der Wahrheit Gottes. Siehe dazu W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 22f. Vgl. hier vorerst exemplarisch Pannenbergs Kritik an der „Hinnahme einer bloß subjektiven Wahrheit“ im Zusammenhang seiner Erwägungen zu einer theonomen Kultur. (W. Pannenberg, Christliche Spiritualität, 28). Weitere Belege siehe unten. W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 31; hier am Beispiel der „Wahrheit über Gott, die Welt und den Menschen“ (ebd.). Siehe dazu ganz ähnlich schon die berühmten (und später abgemilderten) Bemerkungen W. Pannenbergs (Dogmatische Thesen zur Lehre von der Offenbarung, 100), wonach die Menschen für die Erkenntnis, dass Gott seine Gottheit in Form der „Sprache der Tatsachen“ im großen überlieferungsgeschichtlichen Zusammenhang erwiesen habe, „zur Vernunft gebracht werden müss[t]en.“ Wollte man anders darüber denken, so Pannenberg, „würde man die christliche Wahrheit zu einer Konventikelangelegenheit machen.“ (ebd.) Und das bedeutete aber den Verlust eines Verständnisses allgemeiner, vernunftzugänglicher Wahrheit, für die Pannenberg bereits hier energisch eintritt. (Materiale Wahrheit ist hier konkret die „Wahrheit der Offenbarung Gottes im Geschick Jesu Christi“ [a. a. O., 100].). Sicher nicht

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Wolfhart Pannenbergs Wahrheitskonzeption

könnte. Sie gilt s.E. ausnahmslos für alle273, eben „nicht nur für einen Verein von Gläubigen.“274 Der Aspekt der Allgemeinheit ist nicht ein Attribut, das der Wahrheit zukommen kann oder eben auch nicht. Es gehört aus der Sicht Pannenbergs immer schon notwendig zur Wahrheit – ist von ihr prinzipiell ‚unabtrennbar‘275. Wird dagegen der Anspruch auf Allgemeingültigkeit aufgegeben, dann büßt Pannenberg zufolge die beanspruchte Wahrheit ihre Überzeugungskraft ein – dem Einzelnen wird sie zweifelhaft276. Auch wenn im Kontext der sog. Postmoderne die Vorstellung von der Allgemeinheit/Allgemeingültigkeit der Wahrheit als ein elementarer Charakterzug bisweilen in Frage gestellt zu werden pflegt, dürfte diese Annahme der prinzipiellen Allgemeinheit von Wahrheit im alltäglichen truth talk bereits geläufig sein. Wahrheit als eine allgemeine zu denken, stellt wie auch die Vorstellung von ihrer Einheit (s. o.) so etwas wie eine Selbstverständlichkeit für Pannenberg dar. So ‚wusste‘ etwa schon R. Bultmann (auf den Pannenberg jedoch nicht rekurriert): „Denn Wahrheit hat nach allgemeinem Sprachgebrauch den Charakter des Allgemeingültigen, des allgemein Einsichtigen und allgemein Anerkennung Fordernden.“277 Entsprechend verhält es sich im Denken Pannenbergs. Auch wenn die von Pannenberg behauptete Konnexität von Wahrheit und Allgemeingültigkeit vergleichsweise selten explizit formuliert wird, so darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass Pannenbergs Wahrheitsverständnis maßgeblich von dieser Vorstellung her geprägt ist. Den allgemeingültigen Charakter von Wahrheit hat Pannenberg auffallend oft hervorgehoben und scheint keine geringere Selbstverständlichkeit zu sein als der Gedanke der Einheit der Wahrheit. Konsequenterweise wird dann auch für das Erheben von Wahrheitsan-

273 274 275

276 277

zufällig ist dieser „pietistische“ Sprachgebrauch – ist die Konventikelbildung doch geradezu kennzeichnend für den sich am Prinzip des ecclesiola in ecclesia orientierenden (Spener‘schen) Pietismus. Die universalistische Wahrheit bei Pannenberg ist „Wahrheit für alle Menschen.“ (W. Pannenberg, Den Glauben an ihm selbs fassen und verstehen, 360). W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 23 (hier wie oben in Bezug auf sittliche Wahrheiten und die Wahrheit Gottes). Das zeigt sich etwa auch in einer Bemerkung zu Wilhelm Herrmanns Begriff der Allgemeingültigkeit: „Die letztere Bemerkung macht deutlich, daß Herrmann jetzt unter Allgemeingültigkeit nur noch den logischen (oder gar politischen) Zwang verstand, nicht aber die freie Allgemeinheit, die von der Wahrheit als solcher unabtrennbar ist.“ (W. Pannenberg, Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie in Deutschland, 145f.). Vgl. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 14. So exemplarisch R. Bultmann, Wahrheit und Gewißheit, 186. Zum Aspekt der von Bultmann ( jedoch anders) ausgedeuteten Allgemeingültigkeit in Bezug auf Wahrheit siehe Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 194ff.

Die Attribute der Wahrheit und die Frage nach dem (formalen) Wahrheitsbegriff

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sprüchen angenommen, dass mit ihnen ebenfalls faktisch Allgemeingültigkeit mitbeansprucht werden muss278. Das Universalitätsattribut kennzeichnet so Wahrheit und Wahrheitsansprüche: „Ohne einen stichhaltigen Anspruch auf Allgemeingültigkeit können der christliche Glaube und die christliche Verkündigung das Bewußtsein ihrer Wahrheit nicht bewahren; denn Wahrheit, die nur meine Wahrheit wäre und nicht zumindest dem Anspruch nach allgemein wäre, für alle Menschen gelten sollte, – eine solche „Wahrheit“ könnte auch für mich nicht wahr bleiben.“279 „Meine Wahrheit kann nicht nur die meine sein. Wenn sie nicht zumindest grundsätzlich als Wahrheit für alle behauptet werden kann – obwohl das vielleicht kaum jemand sonst zu sehen vermag – dann hört sie unweigerlich auch für mich auf, Wahrheit zu sein.“280 „Wahrheit kann gar nicht als solche erfasst werden ohne den Anspruch auf allgemeine Geltung.“281

278 Das wird hier deutlich: Vgl. W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 22f–31. Vgl. dazu speziell auch W. Pannenberg, Die Erfahrung der Abwesenheit Gottes in der modernen Kultur, 14. (dort auch die Kritik an bloßen privaten Überzeugungen). Siehe ferner zur Problematik und Kritik des „Wahrheitsanspruch[s] der christlichen Lehre ohne allgemeine Verbindlichkeit“ W. Pannenberg, Ohne Religion sind die Probleme der Menschen nicht zu lösen, 430. 279 W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 15. Siehe zur Allgemeingültigkeit der Wahrheit auch Pannenbergs Kritik am Subjektivismus, bei dem er u. a. den Gedanken der Allgemeingültigkeit durch die Vorstellung bloß subjektiver Wahrheit verletzt sieht. Exemplarisch sei hier auf seine Kritik an A. v. Harleß aufmerksam gemacht. Pannenberg schreibt: „Bei ihm wird der Gegenstand des Glauben, der biblische Christus, zwar als in sich selber gegründet, als durch sich selbst wahr behauptet, aber diese Behauptung ist nur noch eine solche des subjektiven Glaubens, sie hat nur für ihn Wahrheit [kursiv: T. L.]. Harleß ist sich freilich noch nicht im klaren gewesen über die Konsequenzen dieser Sachlage, so daß er im Unterschied zu späteren Erlanger Theologen noch einfältig erklären konnte, das Bewußtsein der Christen ruhe ‚auf der Gewißheit des Wortes Christi‘.“ (W. Pannenberg, Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie in Deutschland, 90: Pannenberg bezieht sich hier auf A. v. Harleß, Christliche Ethik (1842) 7. Aufl. 1875, 1 [§ 1]). Vgl. in diesem Zusammenhang auch Pannenbergs nahezu analogen Ausführungen zu F.A.G. Tholuck, Schleiermacher und Storr (a. a. O., 81ff), deren Eintreten für Allgemeingültigkeit und allgemeingültige Wahrheit über die Subjektivität (kritisch) kommentiert wird. Interessanterweise bestreitet Pannenberg an anderer Stelle, dass Schleiermacher für allgemeine Wahrheit eingetreten sei; stattdessen kritisiert er mit Hegel, dies unterlassen zu haben: „Zur Verteidigung Schleiermachers läßt sich nur sagen, daß es auch gar nicht in seiner Absicht lag, den religiösen Anschauungen einen Anspruch auf allgemeingültige Wahrheit zuzuschreiben. Es kam Schleiermacher ganz im Gegenteil auf ihre Individualität und Pluralität an.“ (W. Pannenberg, Theologie und Philosophie, 247). 280 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 60. 281 W. Pannenberg, Beiträge zur Ethik, 120.

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Wolfhart Pannenbergs Wahrheitskonzeption

Pannenberg ist überzeugt, dass „für mich nur dann etwas wahr sein kann, wenn es dies für andere auch ist.“282 Jedes (einzelne) Wahre „kann nicht nur für mich allein wahr sein, sondern wenn es überhaupt wahr ist, dann ist es (zumindest dem Anspruch nach) für alle wahr.“283 „Eine Wahrheit mag verkannt werden, sie mag bestritten werden, aber wenn sie nicht zumindest im Prinzip als allgemeingültig behauptet werden kann, dann kann sie auch für den einzelnen keine Wahrheit mehr sein.“284 „Nur darum streitet man über die Wahrheit, weil die Wahrheit über Gott, die Welt und den Menschen nie nur meine Privatsache sein kann.“285 „Die Wahrheit ist in ihrer für alle verbindlichen Allgemeinheit den subjektiven Urteilen der Menschen vorgegeben.“286 Pannenberg zufolge kann „behauptete Wahrheit ohne zumindest den Anspruch auf Allgemeingültigkeit nicht bestehen kann.“287 Jeder Mensch frage – so Pannenberg – „nach der Wahrheit, die für alle gilt.“288

Im Denken Pannenbergs sind Kirche und Christentum ohnehin nicht denkbar ohne allgemeine Wahrheit, die beansprucht wird289. Auch in der Theologie sei dies so: „In der Theologie geht es um die Allgemeinheit der Offenbarungswahrheit und darin um die Wahrheit der Offenbarung und Gottes selbst.“290 Es geht Pannenberg um nichts weniger als um den „Anspruch der alle Menschen betreffenden Wahrheit des Evangeliums von Jesus Christus“291. Der Blick auf den Gedanken der Allgemeingültigkeit und die diesen Aspekt artikulierenden Termini zeigt, dass deren Zahl im „Corpus Pannenbergium“ Legion ist, ganz gleich, ob präziser die Idee der Allgemeinheit der Wahrheit292, die 282 283 284 285 286 287 288

289 290 291 292

W. Pannenberg, Das Wirken des Heiligen Geistes in der Schöpfung und im Volk Gottes, 24. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 226. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 14. W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 31. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 62. W. Pannenberg, Beiträge zur Ethik, 18. Siehe auch W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 123. W. Pannenberg, Was ist der Mensch?, 59. Pannenberg artikuliert und begründet diesen Gedanken der Frage nach Wahrheit für alle Menschen im Zusammenhang seines Verständnisses des Menschen als Gemeinschaftswesen. Aufgrund der „Gemeinsamkeit unserer Welt“ und der „Gemeinschaft der Menschen miteinander“ frage der Mensch nach einer allgemein geltenden Wahrheit (ebd.): „Der Vorgang der Verständigung der Individuen untereinander setzt in jedem Bereich voraus, daß nur eine Wahrheit für alle Menschen gelten kann.“ (a. a. O., 60). Vgl. W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 191ff. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 60. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 41. Belegsammlung zu speziell der Allgemeinheit der Wahrheit und allgemeiner Wahrheit: W. Pannenberg, Reformation zwischen gestern und morgen, 23 („Wahrheit in ihrer Allge-

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ihrer Allgemeingültigkeit293, Universalität (universality) 294 oder Allgemeinverbindlichkeit295 Teil (s)einer Betrachtung ist. meinheit“); W. Pannenberg, Freude des Glaubens. Predigten, 17; W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 21f, 60 u. 62; W. Pannenberg, Dogmatische Thesen zur Lehre von der Offenbarung, 100 (dort zur „allgemeinen vernünftigen Wahrheit“); W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, (191) u. 192f (darin betont Pannenberg, dass die Theologie um allgemeine Wahrheit bemüht sei – auch bei Bezogenheit auf das Konfessionelle); W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 192 (hier geht es um die „allgemein menschliche Wahrheit des Christlichen“ und des christlichen Glaubens); W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 121 (darin eine „allgemein überzeugende ‚Wahrheit‘“); W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 237 („Gerade daran weist sich die allgemeine Wahrheit der eschatologischen Botschaft Jesu aus, daß sie das „natürliche“ Wesen der Menschen und Dinge in einer außerhalb dieses eschatologischen Lichtes nirgends erreichten Eindringlichkeit enthüllt.“); W. Pannenberg, Die Allgemeingültigkeit der Religion. Diskussion über Luhmanns Religionssoziologie, 356 (zum „Anspruch auf allgemeine Wahrheit“); W. Pannenberg, Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie in Deutschland, 32; W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 14 (zur Allgemeinheit der Wahrheit von Religion und religiöser Überlieferung); W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 62 (zur „Wahrheit […] in ihrer für alle verbindlichen Allgemeinheit“). 293 Belegsammlung zu speziell der Allgemeingültigkeit der Wahrheit und allgemeingültiger Wahrheit: W. Pannenberg, Thesen zur Theologie der Kirche, 22 (der Wahrheitsanspruch Jesu [d. h. seiner Botschaft] wird als ein bereits durch die Geschichte Jesu selbst beglaubigter Anspruch auf humane Allgemeingültigkeit interpretiert); W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 60 ([nicht nur] dort scheinen Allgemeinheit und Allgemeingültigkeit synonym zu sein); W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 36f (darin der „Anspruch auf allgemeingültige Wahrheit der christlichen Botschaft“); W. Pannenberg, Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie in Deutschland, 350; W. Pannenberg, Die Erfahrung der Abwesenheit Gottes in der modernen Theologie, 13f. 294 Belegsammlung zu speziell der Universalität der Wahrheit (universality of truth) und universaler Wahrheit (universal truth): W. Pannenberg, Glaube und Wirklichkeit, 92ff (dort z. B. „die universale Wahrheit des Geschehens, von dem unser Glaube lebt“ [a. a. O., 94]); W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 178 („die universale Wahrheit des Christusgeschehens“); W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 166 (universale Wahrheit [hier: die Tat Gottes in Jesus Christus] – im Kontext der Rezeption des philosophischen Gottesgedankens); W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 60 („christliche Theologie, als sie der Universalität ihrer Wahrheit noch gewiß war“); W. Pannenberg, Das Glaubensbekenntnis ausgelegt und verantwortet, 77 („universale, allumfassende Wahrheit“);W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 443 (universale und endgültige Wahrheit), 548 („universale, alle Menschen angehende Wahrheit Gottes in seiner Offenbarung“; W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 14 (zum „Anspruch der christlichen Verkündigung auf universale Wahrheit“), 184 („die universale Wahrheit des einen, in Jesus Christus offenbaren Gottes“) u. 198f (christliche Verkündigung zielt auf universale Wahrheit: „universale Wahrheit des geschichtlichen Selbsterweiseses Gottes“); W. Pannenberg, Beiträge zur Ethik, 232 (darin: die „griechische Rationalität“ sei ins christliche Denken aufgenommen worden, „um die universale Wahrheit des christlichen Glaubens zum Ausdruck zu bringen“); W. Pannenberg, The Churches and the Emergence of European Unity, 420 („universal truth of the Christian faith“). Pannenberg würdigt, dass die Ostkirche die griechische Rationalität adoptiert habe, um die universale Wahrheit des christlichen Glaubens zum Ausdruck zu bringen. 295 Belegsammlung zu speziell der Allgemeinverbindlichkeit der Wahrheit (und Wahrheit, die

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Die eben genannten Wahrheitsattribute (einschließlich auch der mit ihnen in Zusammenhang stehenden übrigen Verwendungsweisen) werden von Pannenberg – wie auch seine Interpretation des Einheitsgedankens – durchaus dem deutschen Sprachgebrauch entsprechend als mehr oder weniger austauschbare Vokabeln abwechselnd, d. h. ohne weitere systematisierende oder präzisierende Absichten –, gebraucht. Die beiden Ausdrücke Allgemeinheit und Allgemeingültigkeit kann Pannenberg nebeneinander verwenden296, sodass es naheliegt, zwischen beiden keinen (merklichen) Unterschied zu sehen. Die von Pannenberg durchaus zu Recht unterstellte und ausgiebig in Anspruch genommene Synonymität der genannten Begriffe kann insbesondere an dem Adjektiv „allgemein“ verdeutlicht werden, das neben der Grundbedeutung „allen gemeinsam, überall verbreitet, allseitig, generell“ im allgemeinen Sprachgebrauch auch „alle angehend, betreffend; für alle geltend, verbindlich“ bedeuten kann. Zu dem von Pannenberg gebrauchten Nomen Allgemeinheit im Sinne von Allgemeingültigkeit ist jedoch zu sagen, dass ein solche Verwendungsweise eher weniger üblich, also eher die Ausnahme zu bilden scheint297. Strukturell hängt schon die Idee der Einheit der Wahrheit eng mit der Vorstellung von ihrer Allgemeinheit/Allgemeingültigkeit/Universalität zusammen. Letztere ist gewissermaßen ein Implikat des Einheitsattributs: Denn wenn nur eine Wahrheit ist, dann ist sie in jedem Fall universal, und sie ist allgemein(-gültig), weil sie alle Menschen betrifft, für die die Wahrheit zugleich allgemeinverbindlich ist bzw. wird.

alle betrifft und angeht): W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 177 (zur Wahrheit Gottes als alle Menschen angehende); W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. II, 33 (zur „für alle Menschen verbindlichen Wahrheit des biblischen Gottes und seiner Offenbarung“) sowie alternativ W. Pannenberg, Theologie der Schöpfung und Naturwissenschaft, 151 (dort zur Wahrheit Gottes und auch seiner Offenbarung als für alle Menschen verbindliche); W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 204 (zum Anspruch auf allgemeinverbindliche Wahrheit); W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 175 (zur Wahrheit als einer für alle Menschen verbindlichen); zum Anspurch auf allgemeine und allgemeinverbindliche Wahrheit siehe W. Pannenberg, Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie in Deutschland, 32; W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 62 (zur „Wahrheit […] in ihrer für alle verbindlichen Allgemeinheit“). 296 Vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 60. 297 Im Brockhaus-Wörterbuch (Bd. 26, 170) findet sich unter dem Wort „Allgemeinheit“ (im Unterschied zur Erläuterung des Wortes „allgemein“) kein Hinweis auf Konnotationen, die das Moment des Allgemeingültigen enthalten.

Die Attribute der Wahrheit und die Frage nach dem (formalen) Wahrheitsbegriff

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3.3.2.4 Die Kontroverse mit W. Gerhard: ein Exempel zur Apologie des Allgemeingültigkeitsattributs 3.3.2.4.1 Wahrheit im Spannungsfeld zwischen normativer Allgemeinheit und arbiträrer Pluralität Für die argumentative Verteidigung des Gedankens der Allgemeingültigkeit der Wahrheit erweist sich eine Kontroverse Pannenbergs mit dem Soziologen und damaligen wissenschaftlichen Direktor des Fachbereichs Sozialwissenschaften an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg Wilfried Gerhard (1993/ 94) 298 als sehr aufschlussreich. Auslöser der Kontroverse ist der Aufsatz „A n g s t u m d i e K i r c h e . Z w i s c h e n Wa h r h e i t u n d P l u r a l i s m u s “ (1993) 299. Darin votiert Pannenberg für eine Distanzierung des Christentums vom Pluralismus der Postmoderne und verteidigt mit Entschlossenheit die Bedeutung eines allgemeinen Wahrheitsgedankens300: Pannenberg hält entschieden an der Idee der Wahrheit (und damit zugleich auch an der des Gegenteils [= Unwahrheit, Falschheit]) fest. Er argumentiert über den Wahrheitsbegriff, für welchen wesentlich sei, „daß das Bewußtsein des Wahren – als wie vorläufig es seinen Wahrheitsbesitz auch verstehen mag – dessen Gegenteil als falsch ausschließt.“301 Mit dieser Distinktion zwischen Wahrheit und Unwahrheit übt Pannenberg Kritik an dem – wie er sagt – sog. ‚prinzipiellen Pluralismus‘, der mit einer Vergleichgültigung der Wahrheitsfrage verbunden sei und darum für die Religion mit der „Zumutung“ des Wahrheitsverzichts verbunden sei, wodurch Glaube zu einer Sache bloß des individuellen Geschmacks degradiert werde302:

298 Auslöser ist Pannenbergs Aufsatz ‚Angst um die Kirche?‘. Gerhard reagierte darauf mit seinem Beitrag ‚Faktisch fundamentalistisch. Erwiderung auf Wolfhart Pannenberg‘. Pannenberg replizierte mit ‚Wahrheit statt Gleichgültigkeit. Antwort an Wilfried Gerhard‘. 299 Vgl. W. Pannenberg, Angst um die Kirche. Zwischen Wahrheit und Pluralismus, in: W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 3, 34–42. Dieser Beitrag ist ein Gastvortrag, den Pannenberg am 1. November 1993 in Jena hielt und zunächst in einer längeren Version erschienen ist: W. Pannenberg, Angst um die Kirche?, 47–67 (= ebenfalls abgedruckt in EvKomm 26 [1993], 709–713). 300 Zur Kontroverse und dem zeitgeschichtlichen Hintergrund siehe auch J. Fischer, Pluralismus, Wahrheit und die Krise der Dogmatik, 488f sowie ausführlicher zum thematischen Umfeld von Glaube, christlichem Wahrheitsanspruch und Pluralismus 487–539. 301 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 3, 36. Vgl. auch W. Pannenberg, Angst um die Kirche?, 51f. 302 Der semantische Gehalt des Ausdrucks ‚prinzipieller Pluralismus‘ scheint mir allerdings nicht fest umrissenen zu sein. Jedenfalls verwenden allein in der Theologie E. Herms (vgl. exemplarisch E. Herms, Pluralismus aus Prinzip, 467–485) und Chr. Landmesser (Freiheit als Konkretion von Wahrheit, 41 Anm. 14) im Anschluss an ihn diesen Ausdruck, um die Pluralität der kommunikablen Zugangsmöglichkeiten zur Welt zum Ausdruck zu bringen.

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Wolfhart Pannenbergs Wahrheitskonzeption

„Der Gedanke der Wahrheit ist daher mit einem prinzipiellen Pluralismus nicht vereinbar, weil dieser nur ein gleichgültiges Nebeneinander unterschiedlicher Auffassungen zuläßt, die sich gegenseitig zu tolerieren haben und deren jede individuell beliebig ist. Der Gegensatz von wahr und unwahr darf im Verhältnis dieser Auffassungen keine Anwendung finden, weil sie sonst nicht mehr im Verhältnis der Gleichgültigkeit zueinander stehen können.“303 Im Kontext einer pluralistischen Kultur wäre dagegen die Religion der Zumutung der Preisgabe ihres Wahrheitsanspruches ausgesetzt.304 „Mit der Einordnung in ein pluralistisches Kulturbewußtsein ist für die Religionen die Zumutung verbunden, daß sie auf den Anspruch auf Wahrheit, die ihr Gegenteil ausschließt, verzichten. Die Wahl des einen oder anderen Glaubens wird damit zur Sache des individuellen Geschmacks.“305

Die Aufrechterhaltung des Duals Wahrheit – Unwahrheit/Falschheit bleibt für Pannenbergs Denken bestimmend und wird kritisch gegen Versuche der Relativierung oder Vergleichgültigung von Wahrheit zur Geltung gebracht306. 303 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 3, 36. Vgl. auch W. Pannenberg, Angst um die Kirche?, 51f. Zu Pannenbergs Kritik an der Vergleichgültigung der Wahrheitsfrage durch die Preisgabe der Distinktion der Polarität zwischen Wahr und Falsch siehe auch W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 30. Diese Fundamentalunterscheidung überträgt Pannenberg auch auf das Gebiet der Ethik, indem parallel auch zwischen der Norm und dem von ihr abweichenden Verhalten unterschieden wird, sodass seine Ethik ingesamt einen kognitiven Charakter gewinnt. Seine „Unterscheidung zwischen einem der Norm entsprechenden und dem von der Norm abweichenden Verhalten“ setzt Pannenberg gegenwärtigen Trends entgegen, unterschiedliche Lebensstile als gleichberechtigt anzusehen. (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 30). Ein anschauliches Beispiel dafür gibt Pannenberg in ‚Angst um die Kirche?‘ mit seiner Kritik an der Homosexualität: Nach dem Wort Jesu ist der Mensch auf die Gemeinschaft der Geschlechter in der Ehe angelegt: Diese Form sexuellen Verhaltens fungiert dann als Norm, an der anderes Verhalten, etwa homosexuelles, zu messen sei, sodass für Pannenberg eine pluralisierende Vergleichgültigung des Normativen und Wahren ausgeschlossen, die Toleranz (gegenüber dem von der Norm Abweichenden) aber beibehalten werden kann (Vgl. dazu W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 41f). Die parallele Unterscheidung „zwischen wahr und falsch, zwischen gut und schlecht [kursiv: T. L.] im Verhältnis zu anderen Überzeugugnen und Lebensformen“ an anderer Stelle (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 30) exemplifiziert, wie die Wahrheitsfrage Gegenstand einer kognitiven Ethik wie derjenigen Pannenbergs werden kann. Die enge Verknüpfung der Wahrheitsfrage mit der ethischen Frage nach Werten und Normen zeigt sich auch in einer Predigt, und zwar in der von Pannenberg aufgegriffenen Kritik am Nihilismus durch M. Horkheimer (I. Karamasow), es gebe „[i]n der Wüste des Nihilismus […] keine Wahrheiten, keine verbindlichen Werte und Normen mehr.“ (W. Pannenberg, Freude des Glaubens. Predigten, 145; siehe auch ähnlich W. Pannenberg, Beiträge zur Ethik, 87). 304 Vgl. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 3, 36. Vgl. auch W. Pannenberg, Angst um die Kirche?, 51f. 305 W. Pannenberg, Angst um die Kirche?, 51f. Siehe auch W. Pannenberg, Geist gegen Zeitgeist. Gespräch mit dem Theologen Wolfhart Pannenberg, worin Pannenberg sich ebenfalls „gegen pluralistische Beliebigkeit“ wendet (a. a. O., 266). 306 Jede Relativierung und Vergleichgültigung ist, wie er an anderer Stelle sagt, „mit dem Geist

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W. Gerhard hat Pannenberg mit seiner Replik „F a k t i s c h f u n d a m e n t a l i s t i s c h . E r w i d e r u n g a u f Wo l f h a r t P a n n e n b e r g “ scharf attackiert und ihn des Fundamentalismus‘ bezichtigt: Gegenüber Pannenberg, der den Gedanken der Wahrheit als mit dem prinzipiellen Pluralismus unvereinbar behauptet hat und mit einem pluralistischen Kulturbewusstsein die Zumutung des Verzichts auf Wahrheitsansprüche verbunden sieht307, bedeutet für Gerhard die Wahl des Pluralismus nicht die Suspendierung der Wahrheitsfrage. Pluralismus bedeute nur „die Verabschiedung einer bestimmten Gestalt [kursiv T. L.] von Wahrheit, wie sie in geschlossenen traditionellen Gesellschaft gelebt wird – als Einheit von Mensch, Gesellschaft und (möglicherweise) Kosmos308. Die Wahrheitsfrage wird nach Meinung von Gerhard (also) weder verabschiedet noch, wie Pannenberg glaube, ersetzt „durch ein ‚gleichgültiges Nebeneinander unterschiedlicher Auffassungen‘“309. Das Gegenteil sei laut Gerhard der Fall: Der Pluralismus bedeute „eine spezifische Verschärfung der Wahrheitsfrage“, die darin begründet sei, dass der Pluralismus „in den Lebenswelten des Alltages zur Wahl auf dem „Markt der Möglichkeiten“ zwinge, zu einer Wahl, die mithilfe von „Präferenzkriterien“ erfolge, die ihrerseits jedoch „nicht solche objektiver Richtlinien“ seien, sondern als Kriterien „subjektiven Lebenssinns“ der jeweiligen Wahl vorausgingen310. Für Gerhard bedeutet dieser (sicher auch von Pannenberg nicht bestrittene) Umstand, dass Wahrheit „zu einem lebenspraktischen Problem wird, weil sie sich mit der Zumutung individueller Identität verknüpft.“311 Aus der Fokussierung der Wahrheitsfrage auf das einzelne Individuum wird verständlich, dass für Gerhard somit auch „[k]ollektive Gewißheiten, Plausibilitäten und Wahrheiten […] auf dem pluralistischen „Markt der Möglichkeiten“ nichts weiter als „geballte“ Nachfrage [seien].“312 Gerhard stimmt zwar hier mit Pannenberg darin überein, „daß der pluralistische Zeitgeist die Inhalte kultureller Überlieferung wie das Warenangebot eines Supermarktes, aus dem der einzelne Kunde nach Belieben auswählt“, behandelt.“313 Doch zieht Gerhard gänzlich andere Konsequenzen aus dieser Beobachtung. Für Gerhard gilt, dass eine Wahl ‚nach Belieben‘ nicht als willkürliche oder gar zufällige Wahl misszuverstehen sei, sondern durch benennbare

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des Christentums nicht vereinbar“ (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 30). Das Wahrheitsideal konturiert auch die Ethik mit: Schließlich habe der Apostel Paulus in Röm 15,7 nicht dazu aufgerufen, „alle Menschen ohne Rücksicht auf Unterschiede ihres Glaubens und ihrer Lebensführung als gleichwertig gelten zu lassen.“ (a. a. O., 30f). Vgl. W. Pannenberg, Angst um die Kirche?, 51f. W. Gerhard, Faktisch fundamentalistisch. Erwiderung auf Wolfhart Pannenberg, 90. W. Gerhard, Faktisch fundamentalistisch. Erwiderung auf Wolfhart Pannenberg, 90. W. Gerhard, Faktisch fundamentalistisch. Erwiderung auf Wolfhart Pannenberg, 90. W. Gerhard, Faktisch fundamentalistisch. Erwiderung auf Wolfhart Pannenberg, 90. W. Gerhard, Faktisch fundamentalistisch. Erwiderung auf Wolfhart Pannenberg, 90. W. Gerhard, Faktisch fundamentalistisch. Erwiderung auf Wolfhart Pannenberg, 90.

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Wolfhart Pannenbergs Wahrheitskonzeption

Momente zustande komme314. Es zeigt sich hieran, dass für Gerhard die Nachfrage nach einer bestimmten Wahrheit dadurch legitimiert scheint, dass das einzelne Individuum in eigener, lebenspraktischer Absicht bewusst eine Wahl trifft, die bestimmten, sich in der Nachfragestruktur wiederspiegelnden Umständen wie z. B. „moralischen Unsicherheiten, psychischen Labilisierungen und sozialen Erfahrungsverarmungen (trotz unüberbietbarer Warenfülle) in pluralistischen Gesellschaften“ und damit auch Bedürfnissen etc. förderlich entgegenkommt315. Pannenbergs Plädoyer für die Verteidigung des Anspruchs allgemeiner Wahrheit mithilfe des Bündnisses von Glaube und Vernunft beäugt Gerhard kritisch, erscheint ihm als Ausdruck eines Fundamentalismus – auch wenn Pannenberg einen antifundamentalistischen Weg zu bestreiten versuche316. Angesichts einer Vielzahl an Vernunftbegriffen bleibe offen, „[w]elche Vernunft […] den Anspruch auf allgemeine Wahrheit definieren“ soll317. Nach Meinung von Gerhard gibt es als mögliche, einzunehmende Standpunkte nur den Fundamentalismus einerseits oder den Pluralismus andererseits. Ein Tertium, wie Pannenberg es propagiert, gebe es nicht, es sei nichts weiter als „eine intellektuelle Chimäre.“318 Den Fundamentalismus-Vorwurf weist Pannenberg m. E. zu Recht als unsachlich zurück319 und zeigt sich wiederholt skeptisch gegenüber den von Ger314 315 316 317

W. Gerhard, Faktisch fundamentalistisch. Erwiderung auf Wolfhart Pannenberg, 90. W. Gerhard, Faktisch fundamentalistisch. Erwiderung auf Wolfhart Pannenberg, 90. Vgl. W. Gerhard, Faktisch fundamentalistisch. Erwiderung auf Wolfhart Pannenberg, 89ff. W. Gerhard, Faktisch fundamentalistisch. Erwiderung auf Wolfhart Pannenberg, 91. Gerhardt fragt, ob es sich um die praktische Vernunft eines I. Kant oder um die Vernunft Hegels handele, ob es sich um einen marxistischen Vernunftbegriff, um die „freudianisch entlarvte Vernunft“ oder womöglich um eine „sich kritisch-rationalistisch bescheidende Vernunft“ oder vielleicht um „die im Diskurs der Gleichen waltende kommunikative Vernunft“ oder um „gar die postmodernistisch destruierte Vernunft?“ handele (ebd.). Jedenfalls müsste Pannenberg auch m. E. konzedieren, dass sein Vernunftbegriff nicht allzu klar umrissen, keineswegs systematisch entwickelt worden ist. 318 W. Gerhard, Faktisch fundamentalistisch. Erwiderung auf Wolfhart Pannenberg, 91. 319 Pannenberg erklärt, dieser Vorwurf habe „etwas Erheiterndes“ – schließlich sei er „jahrzehntelang als Rationalist verschrien“ worden, „weil er sich gegen die Forderung nach einer irrationalen Entscheidung als Basis des Glaubens wandte“ und mehr Beachtung der historisch-kritischen Exegese in der Dogmatik eingefordert hatte. „Wenn das fundamentalistisch ist, dann jedenfalls in einem ganz neuen Sinn des Wortes. Wenn die Erinnerung an gewisse zentrale Positionen christlicher Ethik schon genügt, zum Etikett „fundamentalistisch“ zu greifen, dann darf man sich nicht wundern, wenn künftig alles außer der vorbehaltlosen Anpassung an die Losungsworte des Säkularismus „fundamentalistisch“ heißen wird. Einer sachlichen Erörterung ist damit nicht gedient.“ (W. Pannenberg, Wahrheit statt Gleichgültigkeit. Antwort an Wilfried Gerhard, 134). Dass der Fundamentalismus weder eine Option für Pannenberg darstellt noch sich faktisch in seinem Denken bekundet, belegen bereits Pannenbergs Ausführungen in Angst um die Kirche?. Zwar erhebt auch der Fundamentalismus Ansprüche auf Wahrheit und Allgemeingültigkeit, allerdings – und das ist der entscheidende Unterschied – ohne Rücksicht auf die Vernunft, sodass sie dadurch un-

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hard propagierten pluralisierenden und vergleichgültigenden Tendenzen. Vor allem verteidigt Pannenberg darin u. a. vergleichsweise ausführlich seine feste Überzeugung von der Allgemeingültigkeit der Wahrheit. Gerhard unterschätze, „daß für den einzelnen nicht wahr sein kann, was nur für ihn wahr ist und was er selber als für alle andern irrelevant erkennt. Was der einzelne als Wahrheit bejaht, schließt zumindest den Anspruch ein, als Wahrheit schlechthin zu bestehen und für alle als wahr zu gelten.“320 „[…] Wahrheit ist ihrer Natur nach allgemein. Der einzelne kann als wahr für sich nur bejahen, was nicht nur für ihn wahr ist. Solche Allgemeinheit des als wahr Behaupteten mag ein bloßer Wahrheitsanspruch sein, den ein einzelner oder eine Gruppe erhebt. Aber als Anspruch zielt er auf allgemeine Geltung.“321

Darin dürfte Pannenberg Recht behalten haben. Unter Bezugnahme auf einen zentralen christlichen Glaubensinhalt veranschaulicht Pannenberg die Idee des unabwendbar allgemeingültigen Charakters von Wahrheitsansprüchen: „Wenn der christliche Glaube behauptet, Gott habe seinen Sohn in die Welt gesandt, damit die Welt durch ihn gerettet werde (Johannes 3,17), so liegt darin ein Wahrheitsanspruch, der nicht nur eine subjektive Präferenz des Glaubenden ausdrückt, sondern auf die ganze Menschheit zielt und darum ja auch die Geschichte der christlichen Mission begründet hat.“322

Mit anderen Worten: Es „bedeutet das Eintreten für den Wahrheitsanspruch der christlichen Botschaft unvermeidlich die Infragestellung der pluralistischen Vergleichgültigung aller Wahrheitsansprüche“. Nach dem Vorbild christlicher Mission in der Antike, aber nicht fundamentalistisch, tritt Pannenberg für „Christus als die Wahrheit Gottes für alle Menschen“323 ein.

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glaubwürdig wirken können (Vgl. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 3, 38). Ganz entschieden will Pannenberg „ohne die Gewaltsamkeiten des Fundamentalismus“ verfahren (W. Pannenberg, Angst um die Kirche?, 61). Interessant ist, dass Pannenberg – ganz im Gegensatz zu Gerhard – zwischen dem Fundamentalismus und dem Pluralismus der säkularisierten Gesellschaft gerade darin eine Gemeinsamkeit sieht, dass beide Überzeugungen sich dem Forum von Vernunft und Wahrheit (und so auch der mit ihr verbundenen Allgemeingültigkeit bzw. Allgemeinverbindlichkeit) entzögen. Vgl. auch W. Pannenberg, Angst um die Kirche?, 54. Ein anderes anschauliches Beispiel für eine in seinen Augen glaubwürdige Verteidigung des christlichen Wahrheitsanspruchs unter Rückgriff auf die menschliche Rationalität ist der Hartford-Appeal, den Pannenberg kommentierend würdigt. Siehe W. Pannenberg, Der Appell von Hartford, bes. 543f sowie W. Pannenberg, Breaking Ground for Renewed Faith, bes. 38. W. Pannenberg, Wahrheit statt Gleichgültigkeit. Antwort an Wilfried Gerhard, 135. W. Pannenberg, Wahrheit statt Gleichgültigkeit. Antwort an Wilfried Gerhard, 135. W. Pannenberg, Wahrheit statt Gleichgültigkeit. Antwort an Wilfried Gerhard, 135. W. Pannenberg, Wahrheit statt Gleichgültigkeit. Antwort an Wilfried Gerhard, 135. Es geht Pannenberg um diesen Gedanken universaler göttlicher Wahrheit im Sinne „der einen Wahrheit Gottes für alle Menschen in der Gestalt eines geschichtlichen Menschen, in Jesus Christus.“ (W. Pannenberg, Den Glauben an ihm selbs fassen und verstehen, 360).

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Pannenberg gesteht Gerhard zu, dass ein solches Eintreten für die(se) Wahrheit „nicht bedeuten [kann], daß die christliche Verkündigung an der „Nachfrage“ auf dem heutigen „Markt“ religiöser Angebote vorbeigehen dürfte. Auch an der Sehnsucht nach „kosmischer Verankerung“ des menschlichen Lebens und nach Wegen zu seiner leibseelischen Ganzheit muß sich der Wahrheitsanspruch der christlichen Botschaft bewähren, und zwar stärker als das in manchen moralistisch verengten Formen traditionell protestantischer Spiritualität der Fall war.“324 Pannenberg hat nicht nur gegenüber Gerhard, sondern innerhalb seiner Theologie wiederholt betont, dass „[e]in überzeugendes Plädoyer für die Wahrheit des christlichen Glaubens […] auch Toleranz als Ausdruck des Bewußtseins der Vorläufigkeit christlicher Wahrheitserkenntnis voraus[setzt].“325 3.3.2.4.2 Vorläufige (Wahrheits-)Erkenntnis, Indifferenz und Toleranz Die gegenüber Gerhard zugestandene Vorläufigkeit jedweden (Wahrheits-)Erkennens in Verbindung mit der Toleranzforderung wird recht verständlich erst vor dem Hintergrund seiner Epistemologie, deren Essentials aufgrund ihrer hohen Bedeutung für das Gebiet der Wahrheitserkenntnis nachfolgend knapp zusammengetragen werden: Erkenntnis ist – so lautet Pannenbergs epistemologische Kernthese – immer von Vorläufigkeit gekennzeichnet326. Vorläufigkeit ist ein Vorzugswort Pannenbergs und fungiert als terminus technicus, der – je nach Kontext – mit Unabge324 W. Pannenberg, Wahrheit statt Gleichgültigkeit. Antwort an Wilfried Gerhard, 135. 325 W. Pannenberg, Wahrheit statt Gleichgültigkeit. Antwort an Wilfried Gerhard, 135. In Auseinandersetzung mit dem kath. Kirchenhistoriker J. Lortz findet diese Haltung pro Toleranz (statt Intoleranz) ihren Ausdruck in seiner Einschätzung, dass es dem Wahrheitsbewusstsein „keinen Abbruch [tue], wenn man sich auch dessen bewußt ist, daß das eigene Verständnis der Wahrheit vielleicht noch nicht seine endgültige Gestalt erreicht hat.“ (W. Pannenberg, Über Lortz hinaus?, 94). Zu seiner Kritik dogmatischer Intoleranz siehe auch a. a. O., 94f. 326 Ausgenommen sind seine frühesten Publikationen, wie sich am Beispiel seines Verständnisses zur Möglichkeit von Offenbarungserkenntnis zeigen lässt: Hatte Pannenberg etwa noch in den dogmatischen Thesen zur Offenbarung behauptet, dass die Offenbarung offen für alle Augen sei, so hat er später im ersten Band seiner „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ eingestanden, dass er der „Gebrochenheit der Offenbarungserkenntnis im Kontext noch fortdauernder Strittigkeit und der auch die Glaubenden selber immer wieder anfechtenden Macht des Zweifels“ nicht genügend Rechnung getragen habe (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 273f; zu den Modifikationen im größeren Kontext auch 272– 274; vgl. dazu auch die Bemerkungen von J. Lauster [Prinzip und Methode, 333 Anm. 253]). Diese für Pannenbergs gesamte Epistemologie fundamentale These einer grundsätzlichen Vorläufigkeit menschlicher Erkenntnis (gemäß 1 Kor 13,12) tritt deutlich(er) bereits in seiner „Wi s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d T h e o l o g i e “ hervor. Sie muss m. E. noch sehr viel stärker im Zusammenhang seiner Epistemologie und seines Wahrheitsverständnisses thematisiert werden.

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schlossenheit, Revisionsbedürftigkeit, Korrekturbedürftigkeit327, Beschränktheit oder Imperfektibilität328 oder einfach nur (geschichtlicher) Relativität o.ä329. konnotiert sein kann, also damit den Aspekt unüberwindlicher Relativität im Akt jedweden Erkennens kenntlich macht330 und auch mit der menschliches Leben kennzeichnenden Endlichkeit des Erkennes in Zusammenhang steht. Der Gedanke der Vorläufigkeit schließt zwar absolute, d. h. völlige, Erkenntnis aus, erlaubt jedoch Abstufungen im Hinblick auf beanspruchte Erkenntnis, d. h. Erkenntnis kann in „unterschiedlichem Maße“ als vorläufig gelten331. Diese Einschränkung möglicher Erkenntnis als stets unhintergehbar vorläufige gilt nach Pannenbergs Überzeugung jedoch ganz grundsätzlich332. Es gibt keine Erkenntnis, die nicht vorläufig wäre, sei es zum Beispiel die theologische Erkenntnis333 und ihre (theologischen) Einsichten334, die (kirchliche) Glaubenser327 Vorläufigkeit und Korrekturbedürftigkeit rückt Pannenberg nahe aneinander, möglicherweise identifiziert er sogar beide miteinander. Vgl. dazu W. Pannenberg, Beiträge zur Ethik, 118f. Zur Korrekturbedürftigkeit des Verständnisses des Glaubensgrundes im Kontext der Vorläufigkeit, Relativität und geschichtlichen Begrenztheit des (historischen) Wissens siehe W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 175ff, bes. 178. 328 Zum Gedanken eines „imperfect“ Wissens vgl. W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 54. Hier beruft Pannenberg sich auf 1 Kor 13,9: Es gelte „das Vorläufige und Beschränkte aller theologischen Erkenntnis der den Glauben begründenden Wahrheit Gottes“ anzuerkennen (W. Pannenberg, Reformation zwischen gestern und morgen, 24 u. 25). 329 So etwa bei W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 84, wo er mit Blick auf die Erkenntnis u. a. „auf die Schranken ihres zeitbedingten Blickpunkts“ aufmerksam macht. R. Barth meint: „Der Sachverhalt der geschichtlichen Relativität menschlicher Wahrheitserkenntnis ist auch für die Wahrheitskonzeption von Wolfhart Pannenberg von grundlegender Bedeutung.“ (R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 19). Die Frage nach der Erkenntnis von Wahrheit sollte m. E. allerdings präziser dem Gebiet der Epistemologie zugeordnet werden. 330 Zur These der „Unabgeschlossenheit menschlicher Gotteserkenntnis“ siehe etwa W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 242. Zur Revisionsbedürtigkeit allen menschlichen Bemühens vgl. etwa W. Pannenberg, Theologie und Reich Gottes, 61. In W. Pannenberg, Zehn Fragen an die Kirche, 262 rückt Pannenberg den Aspekt der historischen Relativität in große Nähe der Vorläufigkeit, indem er beide als (zwei) Kennzeichen theologischer Formulierungen nennt, nach meiner Einschätzung damit aber zugleich auch sein Vorzugswort der Vorläufigkeit inhaltlich füllt. Relativität als unausweichliches Strukturmoment menschlichen Denkens findet sich schon vergleichsweise früh: Vgl. dazu folgende Bemerkung: „Naive oder gar bornierte dogmatische Sicherheit ist auf dem heutigen Stand des Bewußtseins von der Relativität alles menschlichen Denkens nicht mehr verantwortbar.“ (So W. Pannenberg in Nachwort von Wolfhart Pannenberg, in: I. Berten, Geschichte-Offenbarung-Glaube, 141). 331 Vgl. W. Pannenberg, Freude des Glaubens. Predigten, 28. 332 Vgl. W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 112f; vgl. ferner W. Pannenberg, Religious Pluralism and Conflicting Truth Claims, 103. 333 Vgl. exemplarisch zur „Vorläufigkeit kirchlicher Organisation und der eigenen theologischen Erkenntnis“ (W. Pannenberg, Theologie und Reich Gottes, 36); W. Pannenberg, Dogmatische Theologie in ökumenischer Perspektive, 160 (dort auch die Erwähnung der

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kenntnis335 oder Gotteserkenntnis336. Vorläufigkeit kennzeichnet unser Denken337, unser Wissen338, das historische Wissen339 und auch das Glaubenswissen340. Die Endlichkeit des Wissens341 indiziert den vorläufigen Charakter ohnehin, der auch unseren Einsichten342, Urteilen343, (Lehr-)Formulierungen344 u.v.m. zu-

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„Vorläufigkeit der eigenen theologischen Erkenntnis“); es gelte anzuerkennen das „Vorläufige und Beschränkte aller theologischen Erkenntnis der den Glauben begründenden Wahrheit Gottes“ (W. Pannenberg, Reformation zwischen gestern und morgen, 24); siehe auch a. a. O., 25f (zur „Vorläufigkeit und Beschränktheit aller menschlichen theologischen Erkenntnis und kirchlichen Lehre“). Man beachte Pannenbergs (frühe) Rede von „der Vorläufigkeit und Revidierbarkeit ihrer Einsichten [Anm. T. L.: gemeint sind die der Theologie], trotz der von daher möglichen und nötigen Strittigkeit theologischer Sätze“. (W. Pannenberg, Stellungnahme zur Diskussion, 345). Vgl. W. Pannenberg, Beiträge zur Ethik, 118. Zum Bewusstsein der „Vorläufigkeit der eigenen Einsicht und Lebensform“ siehe W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 321; zur „Vorläufigkeit der gegenwärtigen christlichen Glaubenserkenntnis“ siehe W. Pannenberg, Wahrheit statt Gleichgültigkeit. Antwort an Wilfried Gerhard, 135. Vorläufigkeit und Revisionsbedürftigkeit kennzeichnen etwa auch den eigenen „intellectus fidei“ (vgl. W. Pannenberg, The Rationality of Christian Theism, 19). Ähnlich zur „Problematik der Geschichtlichkeit der Glaubenserkenntnis“ und „der Zeitbedingtheit ihrer Formulierungen“ siehe W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 450. Vgl. exemplarisch W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 65: Erwähnt wird dort „die Vorläufigkeit des gegenwärtigen Lebens der Christen und damit auch ihrer Gotteserkenntnis“. Charakteristisch für Pannenberg ist, dass er seinem Lehrer K. Barth darin folgt, dass auch er die Gotteserkenntnis strikt als von Gott – also durch seine Offenbarung – ermöglichte Erkenntnis versteht. Vgl. exempl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 12, 107 u. 207. Zur „Vorläufigkeit und geschichtlichen Relativität alles Denkens“ siehe W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 158. Siehe W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 299 (zum „provisional character of all human knowledge“). Zur Vorläufigkeit etwa des immer nur „bestenfalls wahrscheinlich[en]“, (historischen) Wissens siehe etwa W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 175(f); vgl. exempl. W. Pannenberg, Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie in Deutschland, 351f. Vgl. W. Pannenberg, God’s Presence in History, 263: Seiner Selbstauskunft zufolge hat Pannenberg im Vergleich mit seiner frühen Theologie zunehmend stärker den Aspekt der Vorläufigkeit des Wissens betont, was der Rationalität geschuldet sei. Schließlich bestünde die Gefahr, dass „faith lurks in its estrangement from rationality.“ (ebd.) Er gesteht ein, dass „some of my early assertions sounded a bit triumphalistic, it may have been because of a too naïve way of referring to Scripture as fulfilled in Jesus Christ.“ (ebd.) Speziell zur „Endlichkeit menschlichen Wissens“ (aufgrund der Geschichtlichkeit der Wirklichkeit, weswegen der Mensch die Totalität der Wirklichkeit nicht zu überschauen vermöge) siehe exempl. W. Pannenberg, Stellungnahme zur Diskussion, 309. Zur Vorläufigkeit der Einsicht siehe Pannenbergs Hinweis auf den Umstand, dass „our point of view is preliminary.“ Siehe dazu W. Pannenberg, The Kingdom of God and the Foundation of Ethics, 26. Zur These der Überholbarkeit unserer Einsichten siehe exemplarisch folgende Bemerkung: „So bleibt auch jede christologische Einsicht an einen bestimmten Forschungsstand gebunden und somit prinzipiell überholbar.“ (W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 10). „Streng genommen bleiben vielleicht alle unsere Urteile [kursiv: T. L.], wenn auch in un-

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kommt. In der Grundsätzlichkeit stets nur vorläufiger Erkenntnis345 liegt es denn dann auch begründet, dass Pannenberg keine Ausnahmen sieht. Auch die explizit so benannte Wahrheitserkenntnis ist vorläufige Erkenntnis346. terschiedlichem Maße, vorläufig.“ (W. Pannenberg, Freude des Glaubens. Predigten, 28). Vgl. auch Pannenbergs Hinweis auf „das Element der Vorläufigkeit menschlicher Urteilsbildung“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 567). 344 „Das demütige Bewußtsein der Vorläufigkeit der eigenen theologischen Erkenntnis, aber auch der bisherigen kirchenamtlichen Formulierungen der eschatologischen Wahrheit und Fülle der christlichen Lehre macht den Blick frei für die anderen, auch aus anderen konfessionellen Traditionen geleisteten Beiträge zur Aufgabe der dogmatischen Theologie.“ (W. Pannenberg, Dogmatische Theologie in ökumenischer Perspektive, 160). Zur Vorläufigkeit theologischer Formulierungen (hier speziell in Bezug auf Lehraussagen) vgl. auch schon W. Pannenberg, Einheit der Kirche und Einheit der Menschheit, 19 (= siehe auch schon im identischen Beitrag in W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 331). Zur Vorläufigkeit im Sinne historischer Relativität (theologischer) Formulierungen siehe W. Pannenberg, Zehn Fragen an die Kirche, 262: „Die wachsende Einsicht in die historische Relativität und Vorläufigkeit jeder theologischen Formulierung, sowie die zunehmende Pluralisierung der theologischen Diskussionen innerhalb der einzelnen christlichen Konfessionen hat die traditionelle Bedeutung der konfessionellen Lehrdifferenzen stark vermindert.“ Zur Vorläufigkeit in Bezug auf Glaubensformulierungen vgl. etwa W. Pannenberg, Die Religionen in der Perspektive christlicher Theologie und die Selbstdarstellung des Christentums im Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen, 315. Siehe auch zur „geschichtlichen Bedingtheit und Beschränktheit kirchlicher Lehrformulierungen“, ihrer „Zeitbedingtheit“ W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 252. Vgl. zur Zeitbedingtheit von dogmatische Aussagegehalte exprimierenden Lehrformulierungen auch W. Pannenbergs Diskussionbeitrag zum Thema: „Ein ökumenisches Papsttum?“ Vgl. Papsttum als ökumenische Frage, 312. Pannenberg unterscheidet zwischen zeitbedingten bzw. -gemäßen Formen von Formulierungen in theologischen Aussagen und dem dogmatischen Gehalt einer Aussage, den es eigentlich auszusagen gelte. 345 Vgl. exempl. Pannenbergs Bemerkung, wir könnten „sowohl vom einzelnen als auch vom Ganzen immer nur vorläufige und steter Revision bedürftige Erkenntnis erlangen.“ (W. Pannenberg, Stellungnahme zur Diskussion, 310). Siehe auch die an den Physiker S. Weinberg anknüpfende Einschätzung, „the Christian has to join Weinberg in affirming that all of our knowledge is approximation, even our theology. Not until the eschatological consummation of history will we know even as we are known by God (1 Corinthians 13:12).“ (W. Pannenberg, Facing Up: Science and Its Cultural Adversaries, 66). 346 Was freilich an sich kein Wunder ist, da – so wird man Pannenberg verstehen dürfen – Erkenntnis auch für ihn wie üblich immer schon wahre Erkenntnis ist. Vgl. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 170f (zur „Vorläufigkeit christlicher Wahrheitserkenntnis“) sowie a. a. O., 176f (zur Vorläufigkeit der Erkenntnis der endgültigen Wahrheit Gottes); zur Vorläufigkeit der Erkenntnis der Wahrheit des Glaubens bzw. der endgültigen Wahrheit Gottes vgl. auch W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 210f; zur Vorläufigkeit der eigenen Wahrheitserkenntnis vgl. W. Pannenberg, Über Lortz hinaus?, 95; zur Vorläufigkeit und Beschränktheit aller Erkenntnis der im Glaubensakt ergriffenen endgültigen Wahrheit vgl. W. Pannenberg, Reformation zwischen gestern und morgen, 24f. Vgl. W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 54 zur „provisional form of all our knowledge of truth“; ferner W. Pannenberg, Beiträge zur Ethik 118 (die absolute Wahrheit als Gegenstand und Inhalt sowohl des kirchlichen Dogmas als auch des Glaubens des Einzelnen werde erfasst „nur in vorläufiger, korrekturbedürftiger Gestalt“). Vgl. W. Pannenberg, Die Religionen in der Perspektive christlicher Theologie und

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Die für den Erkenntnisvorgang charakteristische Vorläufigkeit begründet Pannenberg i. d. R. mit einem geschichtlich-temporalen Argument, das einmal auf die Offenheit bzw. Unabgeschlossenheit der Geschichte hinlenkt347, aber auch auf den damit verbundenen zeitlichen Abstand zwischen Gegenwart und zukünftigem Eschaton aufmerksam macht348. Zum dritten rekurriert Pannenberg oftmals auf den Apostel Paulus, der in 1 Kor 13 (V. 9–12) den Stückwerkcharakter des Erkennens und Wissens hervorgehoben hat349. die Selbstdarstellung des Christentums im Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen, 315. Man beachte auch die folgende Bemerkung aus einer seiner Predigten: „Eine endgültige Entscheidung darüber [gemeint ist: über Wahrheit] ist in vielen Fällen gar nicht möglich.“ (W. Pannenberg, Freude des Glaubens, 28). 347 Vgl. etwa W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 242: „Das hängt zusammen mit dem Bewußtsein der Unabgeschlossenheit menschlicher Gotteserkenntnis einschließlich der Gotteserkenntnis christlicher Theologie selber im noch offenen Prozeß der Geschichte, diesseits der endgültigen Zukunft Gottes in der Wiederkunft Christi. Nur Gott selbst könnte den Gang der Geschichte und so auch das Ereignis seiner eigenen geschichtlichen Offenbarung so als aus seinem Wesen folgend erkennen, daß damit alle Schranken, die mit jedem endlichen Standort und Blickpunkt der Gotteserkenntnis verbunden sind, dahinfielen.“ Vgl. zu dem Argument der Unabgeschlossenheit der Geschichte als Grund für die Vorläufigkeit von Erkenntnis W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 112f. 348 „Der Abstand zur Zukunft Gottes relativiert alle gegenwärtige theologische Erkenntnis auf die Schranken ihres zeitbedingten Blickpunkts und der damit gegebenen Grenzen der Information, des Problembewußtseins und der gedanklichen Möglichkeiten.“ (W. Pannenberg, Beiträge Systematischen Theologie Bd. I, 84). Siehe beispielsweise auch W. Pannenberg, Beiträge zur Ethik, 118f; vgl. zum Abstand zur Zukunft Gottes und der Endgültigkeit exempl. W. Pannenberg, Theologie und Reich Gottes, 61. M. Gilbertson (God and History in the Book of Revelation, 164) hat zurecht darauf hingewiesen, dass Pannenberg sich von der „Offenbarung des Johannes“ genau in dem Punkt unterscheidet, dass Letztererer nicht eine temporale Differenz sieht, sondern eine räumliche: Gilbertson schreibt: „Pannenberg’s model is parallel to that in Revelation: truth is yet hidden and will be revealed. The difference is that, for John, the present hiddenness of truth is represented by the spatial distinction between heaven and earth. Pannenberg concentrates on the temporal dimension: God is the power of the future.“ 349 Eine kleine Auswahl zur paulinischen These der Imperfektibilität von Erkenntnis und Wissen: W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 84: „Im Hinblick auf die Differenz zwischen der Gegenwart des Glaubens und der Zukunft Gottes und seiner Herrlichkeit hat Paulus vom Stückwerkcharakter alles gegenwärtigen Wissens – und damit doch wohl zuallererst des theologischen Wissens – gesprochen (1 Kor 13,12).“; „Und wenn der Apostel unsere gegenwärtige Erkenntnis als „Stückwerk“ bezeichnet (1 Kor 13,12), so dürfte es sich auch hier um die Erkenntnis Gottes in Christus handeln, wie sie in Theologie und kirchlicher ihren Ausdruck findet.“ (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 169); zum Stückwerkcharakter siehe auch W. Pannenberg, Beiträge zur Ethik, 118f; Pannenberg appeliert an „die alte christliche Tugend der Demut“; er betont „das Wissen um den Abstand der eigenen Erkenntnis und Lebensform von der Fülle des Geheimnisses der Zukunft Gottes“ (W. Pannenberg, Einheit der Kirche und Einheit der Menschheit, 11). Siehe auch: W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 331; W. Pannenberg, A Symposium on Dabru Emet, 8; W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology,

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Dass Wahrheitserkenntnis vorläufig ist, ist freilich ebenfalls von dem geschichtlich-temporalen Argument her zu verstehen. Zugleich hängt der die Erkenntnis prägende Zustand des Vorläufigen aufs Engste mit Pannenbergs sog. biblischen, d. h. geschichtlichen Wahrheitsverständnis und der damit verbundenen Ontologie zusammen, derzufolge die Wahrheit der Dinge sich im Prozess der Geschichte erst herausstellt und so dem erkennenden Subjekt überhaupt erst Erkenntnis ermöglicht (s. u.). Ansprüche auf Wahrheit sind ihm gerade aufgrund der Geschichtlichkeit von Wahrheit vorläufig und anfechtbar350. Christlicher Glaube „beruht zwar auf der absoluten und endgültigen Wahrheit Gottes“351, doch „der Glaubende und auch die Gemeinschaft der Glaubenden haben in der noch nicht vollendeten Geschichte diese endgültige Wahrheit immer nur in vorläufiger Form erfaßt.“352 Es bleibt bei einer Diastase zwischen dem Modus endgültiger /absoluter Wahrheit (Gottes/ seiner Offenbarung/ über Gott) mit entsprechender Wahrheitserkenntnis einerseits und der gegenwärtig schon möglichen, aber stets begrenzten, (in der Theologie und auch im gläubigen Vertrauen erreichbaren) bloß vorläufigen Erkenntnis der Wahrheit andererseits353. Es bleibt „endgültige Wahrheit ein Thema der Eschatologie“354.

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17 u. 54; W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 25; W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 210f; W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 243; W. Pannenberg, Beiträge zur Ethik, 118; W. Pannenberg, Angst um die Kirche?, 63 (=„Vorläufigkeit unserer Glaubenserkenntnis“ gemäß 1 Kor 13,12); W. Pannenbergs Beitrag zur „Diskussion über Fortschritt und Vollendung der Geschichte, Weiterleben nach dem Tode und Auferstehung des Menschen im Christentum und Islam“ in: P. Koslowski (Hg.), Fortschritt, Apokalyptik und Vollendung der Geschichte und Weiterleben des Menschen nach dem Tode in den Weltreligionen, 129; vgl. zum Rekurs auf 1 Kor (13,12) auch: W. Pannenberg, A Symposium on Dabru Emet, 8; W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 299 sowie W. Pannenberg, Notwendigkeit und Grenze der Inkulturation des Evangeliums, 146. So zu Recht S.J. Grenz: „Consequently, according to Pannenberg, prior to the eschaton all human knowledge will remain provisional and all human truth-claims contestable.“ (S.J. Grenz, „Scientific“ Theology/ „Theological“ Science: Pannenberg and the Dialogue between Theology and Science, 162). Siehe auch S.J. Grenz, II. The Irrelevancy of Theology: Pannenberg and the Quest for Truth, 309. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 243. Siehe zu diesem Gedanken auch W. Pannenberg, Beiträge zur Ethik, 118; W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 25. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 56. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 243. Vgl. dazu W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 124, 152f, 385; W. Pannenberg, Reformation zwischen gestern und morgen, 24f, siehe auch a. a. O., bes. 26; W. Pannenberg, Die Religionen als Thema der Theologie, 107/ siehe auch im identischen Aufsatz in W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 1, 169; W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 41 u. 57; W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 25, 84, 177, 211; W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 12; W. Pannenberg, Stellungnahme zur Diskussion, 350 (f); W. Pannenberg, Future and Unity, 76; W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 185; W. Pannenberg, Beiträge zur

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Pannenbergs Plädoyer für die Idee endgültiger und absoluter Wahrheit ändert für ihn nichts an der Einschätzung, dass sie (gegenwärtig) menschlicher Verfügung entzogen bleibt: Weder bestehe die Möglichkeit auf Wahrheitsbesitz355, noch stehe die Wahrheit uns (zum vollen Verstehen) einfach zur Verfügung356. Das Bewusstsein der Vorläufigkeit der Erkenntnis bleibt nicht ohne Folgen für den interreligiösen Dialog. Denn wenn für die Zeit vor der erwarteten Parusie Christi zum Einen gelten soll, dass die endgültige Wahrheit nur vorläufig erkennbar ist und zum Anderen sich die Wahrheit allen Verfügungsbestrebungen entzieht, dann liegt es nahe, „alternative accounts of the truth, both within the Church as well as outside“357 – also nicht nur die ‚binnenchristlich‘ erhobenen Wahrheitsansprüche – respektvoll gelten zu lassen, ja es scheint Pannenberg möglich, „auch denjenigen, der diese Wahrheit jetzt noch in anderer Form erfaßt und aussagt, doch als unterwegs zu derselben endgültigen Wahrheit Gottes anzuerkennen und in seinem Wahrheitsgewissen zu respektieren.“358 Kurzum: Er fordert Toleranz gegenüber anderen Weisen des Erkennens ein359.

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Ethik, 118; W. Pannenberg, Thesen zur Theologie der Kirche, 18 sowie (in Andeutungen) im Interview: A Theological Conversation with Wolfhart Pannenberg, 295. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 147. „We do not possess the truth in the sense of owning it or having it at our service.“ (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 57). „Der christliche Offenbarungsglaube bringt die Gefahr mit sich, daß die Christen und besonders christliche Amtsträger sich im Besitze der Wahrheit oder doch jedenfalls des endgültigen Kriteriums aller Wahrheit wähnen und sich entsprechend verhalten. Sie […] sehen […] nicht mehr die Vorläufigkeit kirchlicher Organisation und der eigenen theologischen Erkenntnis.“ (W. Pannenberg, Theologie und Reich Gottes, 36). Siehe dazu auch W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 243. Zur Ablehnung der Vorstellung der Möglichkeit von Wahrheitsbesitz mit dem Argument der Vorläufigkeit der Offenbarungserkenntnis siehe bspw. auch W. Pannenberg, Die Bestimmung des Menschen, 39. Irritierenderweise ist Pannenberg andernorts darauf zu sprechen gekommen, dass Wahrheitsbesitz antizipierend, in Gestalt von Behauptungen beansprucht werden könne; aber auch diese Überlegung steht (durchaus konsequent) im „Bewußtsein der Vorläufigkeit [kursiv: T. L.] des Wahrheitsbesitzes“ (siehe W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 248), was jedoch die Frage provoziert, ob hier der Ausdruck Wahrheitsbesitz sinnvollerweise gebraucht werden kann. „[…E]ven in theology the excitement of systematically exploring the truth of God must not be mistaken for having that truth itself at our disposal.“ (W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 19) Zur These der Unverfügbarkeit der göttlichen Wahrheit vgl. exemplarisch auch W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 56f). Es gelte, dass „the truth […] is always beyond our secure apprehension“ (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 57). W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie, Bd. III, 57. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 25 vgl. zum Thema auch 26. „Toleration is serious and commited but nevertheless aware of the provisional form of the human predicament, where people do no yet see the final truth in ultimate clarity. Therefore, the Christian consciousness of truth demands toleration of others, because ‘our knowledge is imperfect’ (1 Kor 13:9).“ (W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 54). Wo jedoch dagegen die „distinction between the ultimate truth of God and our provisional

Die Attribute der Wahrheit und die Frage nach dem (formalen) Wahrheitsbegriff

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Den Begriff der Toleranz hebt Pannenberg deutlich von dem der Indifferenz ab. Toleranz bedeutet nach Meinung von Pannenberg gerade nicht Indifferenz gegenüber Wahrheitsansprüchen oder ein Desinteresse an der Wahrheit; viel-

understanding of that truth breaks down“, locke die Versuchung der Intoleranz als der scheinbar „natural course for those who take truth claims seriously.“ (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 57). Die die Toleranz gebietende Vorläufigkeit der Wahrheitserkenntnis bedeutet nach Meinung von Pannenberg jedoch nicht notwendig „die Preisgabe des Anspruchs auf normative Geltung für die eigene Wahrheitserkenntnis.“ (W. Pannenberg, Beiträge zur Ethik, 120). Wer Toleranz übe, der tue dies „im Bewusstsein der Vorläufigkeit und Strittigkeit der eigenen Einsichten und Formulierungen dieser Wahrheit und im Respekt vor der Freiheit des anderen, der seinen eigenen Weg sucht.“ (W. Pannenberg, Beiträge zur Ethik, 120). Das Bewusstsein der Vorläufigkeit der Erkenntnis und das ihr verfügbare Wissen in Gestalt der Imperfektibilität ermöglicht nicht nur den Respekt, sondern gebietet geradezu die Toleranz gegenüber anderen Formulierungen der Wahrheit (Gottes). Vgl. zu diesem Gedanken etwa W. Pannenberg, Die Religionen in der Perspektive christlicher Theologie und die Selbstdarstellung des Christentums im Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen, 315 sowie zur These der gebotenen Toleranz W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 57; siehe ferner W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 54, hier auch der Bezug auf 1 Kor 13,9 („our knowledge is imperfect“). Zum Respekt gegenüber „abweichenden Interpretationen des christlichen Glaubens, aber auch im Verhältnis zu Anhängern anderer Religionen“ siehe W. Pannenberg, Beiträge zur Ethik, 58. Zum Thema vgl. auch a. a. O., 59. Die Toleranzidee ist also für Pannenberg eine konsequente Folge seines Bewusstseins von der Vorläufigkeit menschlicher Wahrheitserkenntnis (vgl. exemplarisch W. Pannenberg, Beiträge zur Ethik, 58). „Das Bewußtsein der Vorläufigkeit aller gegenwärtigen Erkenntnis und Formulierung der Wahrheit der Offenbarung Gottes nötigt auch zur Toleranz gegenüber anderen Formen ihrer Formulierung.“ (W. Pannenberg, Die Religionen in der Perspektive christlicher Theologie und die Selbstdarstellung des Christentums im Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen, 315) Vgl. ferner W. Pannenbergs Diskussionsbeitrag in W. Oelmüller (Hg.), Wahrheitsansprüche der Religionen heute, 296, sowie auch schon 280ff: „Die Erkenntnis der eschatologischen Vorläufigkeit der Gestalt des christlichen Wahrheitsbewußtseins ermöglicht in der gegenwärtigen Phase der Christentumsgeschichte die in den Kirchen überall mehr oder weniger zu beobachtende Aufnahme der Toleranz in das christliche Wahrheitsbewußtsein.“ (a. a. O., 282). „Aufgrund des Gesagten läßt sich nun behaupten, daß es sich dabei nicht einfach um eine unter dem Druck äußerer Umstände erfolgte Rezeption eines Gedanken handelt, der im Inhalt der christlichen Überlieferung selber nicht verwurzelt wäre. Sondern man kann sagen, daß der Gedanke der Toleranz im Christentum selbst verwurzelt ist, wie das ja auch in den Anfängen der Geschichte der Toleranzidee – allerdings aus anderen Gründen – im Kreise um Wilhelm von Oranien beansprucht wurde. Damals meinte man, der Toleranzgedanke sei verwurzelt im Gedanken der christlichen Freiheit. Solange man so argumentiert, ist es noch nicht gelungen, den Toleranzgedanken im christlichen Wahrheitsbewußtsein selber zu verankern. Es bleibt dann eine Spannung bestehen zwischen dem Gedanken der Wahrheit und dem Gedanken der Toleranz. Wenn es aber so ist, daß das christliche Wahrheitsbewußtsein durch das Bewußtsein der Spannung zwischen Schon und Noch-nicht [kursiv: T. L.] gekennzeichnet ist und daß dieses Bewußtsein eigentlich auch das Verständnis christlicher Lehrüberlieferung durchdrungen haben sollte, dann kann man sagen, daß der Toleranzgedanke im christlichen Wahrheitsbewußtsein selbst verankert ist.“ (a. a. O., 282). Unglücklich ist dagegen die Bemerkung in einem anderen Beitrag, in dem er u. a. die benannte Spannung zwischen Schon und Noch-nicht auch auf das ‚christliche

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mehr versteht er Toleranz von dem Wahren und insofern Normativen (in Unterschiedenheit von aller Normabweichung) her. Aus dem Ernstnehmen von Wahrheit und Wahrheitsansprüchen im Toleranzverständnis versteht sich auch seine Kritik an Tendenzen zur Aufhebung des Unterschieds zwischen Norm und Normabweichung bzw. an der Praxis der Vergleichgültigung von Normen und den mit ihr einhergehenden Geltungs- und Wahrheitsansprüchen360.

Wahrheitsverständnis‘ bezogen hat (so W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 169). Zu seiner Forderung der Rezeption „der Toleranzidee in den Wahrheitsanspruch der christlichen Lehre“ vgl. W. Pannenberg, Grundlagen der Ethik, 14. Missverständlich ist dagegen seine Formulierung, es müsse „the idea and practice of tolerance […] be incorporated into the Christian understanding not only of freedom but of truth [kursiv: T. L.] itself.“ (W. Pannenberg, How to Think About Secularism, 30). Kann Toleranz wirklich in ein Wahrheitsverständnis im Sinne eines (formalen) Wahrheitsbegriffs integriert werden? Sollte sie nicht richtiger aufgrund begrenzter Wahrheitserkenntnis, wie wir es an anderer Stelle lesen, postuliert werden? 360 Vgl. zu Pannenbergs Verständnis von Toleranz und dem Verhältnis zu Wahrheit exemplarisch folgende prägnanten Bemerkungen Pannenbergs: „But toleration is not indifference toward conflicting truth claims. To the contrary, toleration is only possible on the basis of a decision concerning what is true and normative. It is only on the basis of such an assumption that one can tolerate deviant behavior rather than being unconcerned. Toleration does not put conflicting opinions and attitudes on the same level; that is what indifference does. Indifference does not take seriously the conflicting claims. It is uncommited and may not even be interested in the truth.“ (W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 54) Der ‘fehlende’ Wahrheitsbezug der Indifferenz bzw. Gleichgültigkeit kommt auch darin zum Ausdruck, dass Pannenberg die Gleichgültigkeit der Wahrheit entgegensetzt. Vgl. dazu etwa nur den Titel „Wahrheit statt Gleichgültigkeit. Antwort an Wilfried Gerhard“. Zu Pannenbergs Distinktion zwischen Toleranz einerseits und Indifferenz (Gleichgültigkeit) andererseits sowie der Kritik an Vergleichgültigungstendenzen in Bezug auf Normen vgl. exemplarisch W. Pannenberg, Art. Geschichte/Geschichtsschreibung/Geschichtsphilosophie VIII. Systematisch-theologisch, 670; W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 54; W. Pannenberg, Beiträge zur Ethik, 65, 58f, 75, 113f , 120 u. 173; W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 26; W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 33; W. Pannenberg, Wahrheit statt Gleichgültigkeit. Antwort an Wilfried Gerhard, 135; W. Pannenberg, Germany and the USA: Their mutual relationship in light of their Religious and Moral Heritage, 217 und bes. 219 sowie exempl. W. Pannenberg, New Dimensions in Church & Culture. God in European Society & the End of the Twentieth Century, 372. Das von ihm kritisierte Schwinden der „Differenz zwischen Norm und abweichendem Verhalten“ findet sich in pluralistischen Gesellschaften, die gerne Gegenstand seiner Kritik werden. Siehe dazu W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 402 Anm. 21. Der von Pannenberg hervorgehobene Unterschied zwischen Norm und Normabweichung hat seinerseits eine Entsprechung (und wahrscheinlich auch seine Grundlage) in der Distinktion zwischen Wahrheit und Unwahrheit bzw. im „Gegensatz zwischen Wahrheit und Irrtum“, der nach Meinung von Pannenberg darum auch nicht einfach „vergleichgültigt werden darf“. (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 567).

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3.3.2.4.3 Zum Unterschied zwischen legitimer Pluralität und prinzipiellem Pluralismus Vor dem Hintergrund seiner Epistemologie und der daraus abgeleiteten Folgerungen nimmt es nicht wunder, dass Pannenberg in dem Punkt mit Gerhard übereinkommt, dass sich der Wahrheitsanspruch der christlichen Botschaft sicherlich „heute auch auf dem ‚Markt der Möglichkeiten‘ einer pluralistisch gewordenen Gesellschaft präsentieren“ müsse361. Für Pannenberg heißt dies, wie sich zeigte, allerdings im Unterschied zu Gerhard jedoch nicht, „daß der Glaube seinerseits den Pluralismus als Prinzip akzeptieren müßte. Dann müßte er nämlich darauf verzichten, Christus als die Wahrheit Gottes für alle Menschen zu verkündigen.“362 Statt für einen prinzipiellen Pluralismus Partei zu ergreifen, anerkennt Pannenberg jedoch, dass es „durchaus Raum für Pluralismus“ geben müsse; dies ist aber der Vorläufigkeit der Erkenntnis der (hier: göttlichen) Wahrheit geschuldet, ein Umstand, der eine „faktische Pluralität“ und im Sinne Pannenbergs auch legitime Positionen hinsichtlich der jeweils erstrebten Einheit der Wahrheit gewissermaßen ermöglicht. M.a.W.: Jedweder Pluralismus im Hinblick auf konfligierende Wahrheitsansprüche verdient seine Berechtigung vor dem Hintergrund der Einsicht in die erkenntnistheoretischen Grenzen menschlichen Erkennens. Aus dem Wissen um die Vorläufigkeit des Erkennens lässt sich aber nicht – wie Pannenberg m. E. vollkommen zu Recht vermeint – eine Relativierung oder Subjektivierung der Wahrheit ableiten! 363 Pluralismus ist dann legitim, wenn er auf die Wahrheit als eine aus ist: „Im Zeichen der Vorläufigkeit der gegenwärtigen Situation der Menschen im Verhältnis zur einen göttlichen Wahrheit gibt es also durchaus Raum für Pluralismus. Die Einheit der Wahrheit für alle, die nach ihr suchen und fragen oder auch sie schon ergriffen zu haben glauben, geriete allerdings aus dem Blick, wenn man aus der faktischen Pluralität einen Pluralismus aus Prinzip machen wollte. Weil die Wahrheit nur eine sein kann, darum schließt die Pluralität der menschlichen Auffassungen von ihr unvermeidlich das Element des Konfliktes ein.“364 361 W. Pannenberg, Wahrheit statt Gleichgültigkeit. Antwort an Wilfried Gerhard, 135. 362 W. Pannenberg, Wahrheit statt Gleichgültigkeit. Antwort an Wilfried Gerhard, 135. 363 Siehe dazu die Bemerkung von S.J. Grenz, die – wenn auch aus anderem Kontext – Pannenbergs Position treffend beschreibt und erläutert: „His acknowledgment of provisionality leads Pannenberg to call into question any claim to the possession of full truth in the present. Yet, in so doing, he has not budged from the concept of truth as an objective reality. On the contrary, an objective standard still remains against which all truth claims are to be measured, namely, the eschatological revelation of the glory of God. In this way Pannenberg gives place to the provisionality of knowledge without falling prey to the relativization and subjectivization of truth, so often seen as its unavoidable corollaries.“ (S.J. Grenz, II. The Irrelevancy of Theology: Pannenberg and the Quest for Truth, 309). 364 W. Pannenberg, Die Religionen in der Perspektive christlicher Theologie und die Selbstdarstellung des Christentums im Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen, 316. Vgl.

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Doch für die Zurückweisung des ‚prinzipiellen Pluralismus‘, der „die gleiche Gültigkeit – darum auch die Gleichgültigkeit – aller unterschiedlichen Traditionen, Glaubensformen und Überzeugungen“ behauptet und die Gültigkeit auf das einzelne Subjekt beschränkt versteht365, führt Pannenberg zwei Argumente an: Zum einen macht er die Selbstwidersprüchlichkeit (contradictio in adjecto) dieser Position geltend, insofern sie selbst unausweichlich mit dem Anspruch auf allgemeine Geltung verbunden ist: „Die Position des prinzipiellen Pluralismus wird allerdings in sich selber widersprüchlich, wenn sie für sich allgemeine Geltung beansprucht im Sinne einer für alle geltenden Wahrheit. Erhebt sie aber den Anspruch auf allgemeine Geltung ohne Berufung auf Wahrheit, dann bedeutet das die Zumutung, daß die Menschen sich einer bloßen Konvention beugen sollen.“366

Der von Pannenberg erkannte (performative) Selbstwiderspruch besteht also darin, dass einerseits jeder Wahrheitsanspruch als ein Geltungsanspruch relativiert werden soll, für diese Position des prinzipiellen Pluralismus, wenn sie ernstlich vertreten werden soll, selbst aber (absolute) Geltung in Anspruch genommen werden muss367. Pannenberg kann also den prinzipiellen Pluralismus zurückweisen mit der Begründung, dass diese Position „einerseits jeden Wahrheits- und Geltungsanspruch relativiert als bloß einen unter andern, andererseits aber die eigene Position, die Behauptung eines unüberwindlichen Pluralismus von Wertvorstellungen, für allein maßgeblich behauptet.“368 Zum Anderen erkennt Pannenberg, dass die Alternative – und zwar Beanspruchung allgemeiner Geltung „ohne Berufung auf Wahrheit“ –, dann […] die Zumutung [bedeutete], daß die Menschen sich einer bloßen Konvention beugen sollen.“369 Am allgemeingültigen Charakter der Wahrheit entgegen aller Pluralisierungstendenzen will Pannenberg also aus guten Gründen – nicht zuletzt auch gegenüber R. Rorty – festhalten370.

365 366 367 368 369 370

hierzu thematisch auch Pannenbergs Geltenlassen von Pluralität (im Horizont ökumenischer Bemühungen), jedoch „without surrendering, however, the unity of truth“ (W. Pannenberg, Future and Unity, 77). W. Pannenberg, Wahrheit statt Gleichgültigkeit. Antwort an Wilfried Gerhard, 135. W. Pannenberg, Wahrheit statt Gleichgültigkeit. Antwort an Wilfried Gerhard, 135. Vgl. zur Kritik am prinzipiellen Pluralismus als einer selbstwidersprüchlichen Position auch W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 24 sowie W. Pannenberg, Beiträge zur Ethik, 57. W. Pannenberg, Beiträge zur Ethik, 57. W. Pannenberg, Wahrheit statt Gleichgültigkeit. Antwort an Wilfried Gerhard, 135. Auch der US-amerikanische Philosoph R. Rorty, der den Gedanken allgemein geltender Wahrheit abgelehnt, belächelt und als altmodisch abgetan hat und von Pannenberg als Proponent des prinzipiellen Pluralismus eingestuft wird, ist ein Adressat der hier ausge-

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3.3.2.5 Zur Begründung der Allgemeinheit der Wahrheit Pannenberg ist vor allem mit zwei starken Argumenten für die These der Allgemeinheit der Wahrheit eingetreten. 3.3.2.5.1 Das systematische Kohärenz-/Konsistenz-Argument Die m. E. wichtigste und auch schon von der Verteidigung des Gedankens der wesensmäßigen Einheit der Wahrheit her bekannte Begründung ist diejenige, die auf das Konsistenz-/Kohärenzargument abhebt: Die (schwache) Kohärenz bzw. Konsistenz alles einzelnen Wahren bzw. aller partikularen Wahrheiten ist konstitutiv für Wahrheit gerade auch in bzw. wegen ihrer Allgemeinheit. „Denn Wahrheit ist notwendig allgemein: Das ergibt sich schon aus der fundamentalen Tatsache, daß es zum Begriff des Wahren gehört, daß der Widerspruch aus ihm ausgeschlossen ist, oder, anders gesagt, daß aller Widerspruch in ihm aufgehoben ist. Das einzelne Wahre muß mit allem andern Wahren übereinstimmen; und es kann nicht nur für mich allein wahr sein, sondern wenn es überhaupt wahr ist, dann ist es (zumindest dem Anspruch nach) für alle wahr.“371

Der allgemeingültige Charakter von Wahrheit besteht Pannenberg zufolge darin, dass Kohärenz bzw. Konsistenz im Sinne einer Selbstübereinstimmung als fundamentale dem Wahren oder der Wahrheit selbst zukommende Wesenseigenschaften zu denken sind. So verstandene Kohärenz im Wahrheitsbegriff zielt auf Umfassendheit, ist also im Kern holisitisch. Die m. E. etwas unglückliche Formulierung Pannenbergs, wonach „es zum Begriff des Wahren gehört, daß der Widerspruch aus ihm ausgeschlossen ist, oder, anders gesagt, daß aller Widerspruch in ihm aufgehoben ist“372, soll die (innere), kohärente Verfasstheit von Wahrheit aussagen373, wie er sie übrigens schon im antiken griechischen Wahrheitsverständnis vorfindet374. Nicht sagen will er, dass einzelne widersprechende

371 372 373 374

führten Kritik an der die Wahrheit vergleichgültigenden, aber in sich selbst widersprüchlichen Position des prinzipiellen Pluralismus postmodernen Denkens (vgl. dazu W. Pannenberg, Angst um die Kirche?, 54; ferner: W. Pannenberg, Wahrheit statt Gleichgültigkeit. Antwort an Wilfried Gerhard, 135). Allerdings bleibt Pannenbergs Auseinandersetzung mit Rorty an der Oberfläche. An keiner Stelle findet sich – wenn ich recht sehe – eine eingehende, auf ein bestimmtes Werk Bezug nehmende Untersuchung. Das ist insofern bedauerlich, als Rorty einer der wenigen ist, der sich in „Objectivity, relativism, and truth“, Vol 1 (1991) mit den Wahrheitstheoremen des 20. Jahrhunderts auseinandergesetzt hat und so, wie V. Gerhardt es formulierte, als „Beispiel [gelten kann], das immerhin eine ernstzunehmende Auseinandersetzung mit Wahrheitstheoremen des 20. Jahrhunderts enthält“ (V. Gerhardt, Wahrheit und Öffentlichkeit, 10 Anm. 3). W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 226. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 226. Vgl. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 226. Schon hier zeigt sich, was später deutlicher werden wird. Seine Fundierung von Wahrheit auf der primär ontologischen Ebene als ontologische Wahrheit, nämlich als „die Übereinstim-

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Entitäten von der Wahrheit in ihrer kohärenten Verfasstheit ausgeschlossen sein könnten, sodass neben der (kohärenten) Wahrheit eine ausgeschlossene Menge zu denken wäre, was Glimpel ihm m. E. zu Unrecht zum Vorwurf macht375. Denn die Kohärenzthese hinsichtlich des Wahrheitsbegriffs bedeutet totale Kohärenz und damit (auch) das Nichtvorhandensein eines jeglichen Gegenübers (auch nicht eines [widersprechenden] Ausgeschlossenen). Allerdings bleibt bei Pannenberg unklar, mit welchem Wahrheitsbegriff bzw. welchen Wahrheitsbegriffen er (hier und oft auch an anderer Stelle) operieren will. Worauf bezieht sich die inner-kohärente Verfasstheit von Wahrheit? Bezieht sie sich auf Gott, auf endliche Entitäten oder bezieht sie sich auf ein kohärentes Aussagesystem oder auf alle genannten Relata? Der Rekurs auf „den“ Wahrheitsbegriff, den Pannenberg hier unternimmt, bleibt solange vage, bis gesagt wird, welcher Wahrheitsbegriff gemeint ist. Es wird sich wiederholt zeigen, dass er mit mehren Wahrheitsbegriffen parallel operiert hat, woraus sich unweigerlich Schwierigkeiten ergeben. 3.3.2.5.2 Zur These der Unmöglichkeit rein subjektiver Wahrheit

„According to Pannenberg, truth by its very nature cannot be merely subjective. Rather, truth can only be personal when it can be claimed – at least in principle – to be true for all.“376

„By nature, truth cannot be merely subjective, in Pannenberg’s view.“377

mung des Wahren mit sich selbst, seine Beständigkeit.“ (W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 210). 375 Insofern scheint mir auch die Kritik Chr. Glimpels nicht berechtigt. Glimpel behauptete, Pannenberg schlösse in seinem Wahrheits- und Wirklichkeitsverständnis das Widersprechende aus (Vgl. Chr. Glimpel, Gottesgedanke und autonome Vernunft, 217ff). Das Argument kehrt wiederholt wieder (z. B. 235, 238). Bei der in Gott gründenden universalen, widerspruchslosen Kohärenz sei, so Glimpel, die Negativität ausgeschlossen. Doch diese Negativität stufe – so meint er weiter – „sowohl die seiende Kohärenz als auch ihren seienden Grund zu kontingenten, nicht notwendigen Entitäten herab.“ (a. a. O., 228). 376 S.J. Grenz, Reason for Hope, 18; siehe auch S.J. Grenz, II. The Irrelevancy of Theology. Pannenberg and the Quest for Truth, 309f. In der allgemeingültigen Struktur von Wahrheit liegt es denn auch – wie Grenz zu Recht bemerkt – begründet, dass Pannenbergs um Wahrheit bemühte Theologie zugleich auch eine auf Universalität bzw. Allgemeingültigkeit ausgerichtete ist: „On this basis he concludes that dogmatics is universal in scope, encompassing all reality in its quest for coherence with all knowledge, seeking to represent our knowledge of humankind, world, and history in the light of the revelation in Christ.“ (S.J. Grenz, II. The Irrelevancy of Theology: Pannenberg and the Quest for Truth, 310). Das hier angedeutete, unten ausführlich behandelte Kohärenzprojekt steht in der Tat im Dienste dieses Allgemeingültigkeitsanspruches. 377 S.J. Grenz, II. The Irrelevancy of Theology: Pannenberg and the Quest for Truth, 309.

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Auch unter Berufung auf G.W.F. Hegel behauptet Pannenberg, dass „keine Position um die Behauptung einer Wahrheit herumkommt, die als nicht nur subjektiv gültig angenommen wird; dies sei „der Grundgedanke, der den Reflexionsprozeß der Phänomenologie des Geistes in Bewegung setzt.“378. „Keine Wahrheit kann nur subjektiv sein.“379 Das meint Pannenberg und zeigt damit unmissverständlich seine Ablehnung der Vorstellung, bei Wahrheit könne es sich um etwas rein Subjektives handeln. Er verweist dabei auf die – so wörtlich – „lehrreichen Ausführungen“ des Wilhelm Kamlah in „ Wi s s e n s c h a f t , Wa h r h e i t , E x i s t e n z “ 380, ohne dabei jedoch genau darzulegen, warum die Wahrheit nie nur subjektiv sein könne. Es lohnt darum, einen Seitenblick auf die Ausführungen Kamlahs zu werfen. Kamlah setzt sich in seinen Darlegungen a. a. O. mit der Satzwahrheit und der Existenzwahrheit auseinander. Er verteidigt darin die für den wissenschaftlichen Gebrauch elementar wichtige, auf Korrespondenz abzielende Satz- oder Aussagewahrheit, die strukturell insbesondere Allgemeinheit und die von der Wissenschaft postulierte Objektivität ermöglichen soll. Aus seinen kritischen Bemerkungen zur sog. Existenzwahrheit (die Kamlah mit der Frage nach der „vera humanitas“, d. h. mit existenziellen Fragen nach wahrem menschlichen Leben verbunden sieht) geht vor allem hervor, dass auch sie intentional auf Allgemeinheit abzielen, wie Kamlah gerade auch gegenüber S. Kierkegaard, der bekanntlich für eine subjektive, „konkret meine Wahrheit“ anstatt für eine „abstrakt-allgemein[e]“381 eingetreten ist, sozusagen posthum zu verdeutlichen bemüht war. Gerade diese Erkenntnis dürfte Pannenbergs besonders Interesse hervorgerufen haben. Kamlah schreibt: „Niemand, auch Kierkegaard nicht, würde damit zufrieden sein, nur gerade als er selbst, schlechthin privat, ein gelingendes Leben zu führen, sondern jedermann denkt hier vorgreifend und wiederum auf eine erstaunliche Weise „allgemein“ [kursiv: T. L.]. „Das“ wahre Leben, das sich freilich an ihm selbst als schlechthin einzelnem und besonderen Menschen verwirklichen soll, wird doch als eines gedacht, das auch jeden anderen Menschen [kursiv: T. L.] zur Erfüllung bringen würde“382.

378 W. Pannenberg, Theologie und Philosophie, 286. 379 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 60. 380 Vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 60. In Anm. 117 rekurriert er auf W. Kamlah (Wissenschaft, Wahrheit, Existenz, 56ff, 65 und 66f sowie 69ff). Dessen ungeachtet teilt Pannenberg die von W. Kamlah (und P. Lorenzen) vertretene interpersonale Verifizierungstheorie dagegen nur bedingt (s. u.). 381 W. Kamlah, Wissenschaft, Wahrheit, Existenz, 62. 382 W. Kamlah, Wissenschaft, Wahrheit, Existenz, 65. Siehe ebd. auch seine These, dass wir Menschen stets der Wahrheit (das Prädikat der) Allgemeinheit vorgreifend zuschreiben, wie auch im Fall „der Wahrheit menschlicher Existenz […], indem wir danach suchen und fragen.“ (ebd.).

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Für Kamlah ist klar: „Auf jedem Felde kann die Wahrheit nur eine sein, als eine und allgemeine“383. Kamlah zufolge scheitere man mit den gerade auch in der evangelischen Theologie unternommenen Versuchen, „Wahrheit der Existenz rein an der Existenz selbst zu beschreiben, erfahrene Existenzwahrheit zu bekunden unabhängig von Sätzen, die etwas über die Wirklichkeit jenseits von Existenz ausagen [sic].“384 Mit anderen Worten: Man ist auf die Satzwahrheit angewiesen. Und Kamlah meint weiter, die Tatsache, dass die Bekundung von Existenzwahrheit „stets als Befreiung von Illusionen erfahren“ werde, zeige, dass „somit auch Existenzwahrheit nur eine sein kann, als eine und allgemeine [kursiv: T. L.]“, wenn sie doch auch, wie er meint, „‚innerlich‘ und insofern ‚subjektiv‘ [kursiv: T. L.] je vom Einzelnen erfahren werde, so daß es nicht gegen sie spricht, wenn sich nicht schlechthin jedermann von ihr überzeugen läßt, ‚wie er geht und steht‘.“385 Diese von Kamlah vorgelegte Begründung ist von Pannenberg nicht in extenso aufgegriffen worden. Ihm schien das Ergebnis zu genügen, dass Wahrheit niemals etwas nur Subjektives sein könne. Und so sehr er in dieser Einschätzung Kamlah folgte, so sehr wurde mit solch einer Positionierung eine Differenz zu Karl Jaspers offenkundig, der darum bei Pannenberg auch ‚in Ungnade‘ fiel. Eine problematissche Reduzierung der Wahrheit auf die Subjektivität glaubte Pannenberg bei Jaspers in dessen sog. Chiffrenlehre zu erkennen. Jaspers hatte im biblischen Gott nur eine sog. ‚Chiffre‘ gesehen, von denen gelte, dass sie „keine Erkenntnis vermitteln“ und deren Wahrheit ausschließlich im Kontext der Existenz liege386. Der christliche Offenbarungsglaube hat zufolge von Jaspers die ausschließlich existenziell verbindliche Chiffre in „leibhaftige Realität“ verkehrt und damit zu einem „Anspruch auf absolute Wahrheit für alle“ geführt, was Jaspers als intoleranten Ausschließlichkeitsanspruch abgelehnt hat387. Solche den Glauben letztlich auf Anthropologie reduzierenden Subjektivierungstendenzen hat Pannenberg folgerichtig als für die christliche Theologie inakzeptabel abgelehnt. Die christliche Theologie werde „den Wahrheitsanspruch der Offenbarung Gottes in Jesus Christus für alle Menschen und die darin begründete christliche Mission an die Völkerwelt nicht aufgeben können“388. Für 383 384 385 386 387

W. Kamlah, Wissenschaft, Wahrheit, Existenz, 69. W. Kamlah, Wissenschaft, Wahrheit, Existenz, 69. W. Kamlah, Wissenschaft, Wahrheit, Existenz, 69. W. Pannenberg, Theologie und Philosophie, 334f. Vgl. W. Pannenberg, Theologie und Philosophie, 335. Der Gedanke der Einheit der Wahrheit dagegen, wie er etwa für Pannenberg kennzeichnend ist, wird auch von Jaspers als „unaufgebbare Idee“ eingestuft. Vgl. dazu W. Pannenberg, Mythus und Wort. Theologische Überlegungen zu Karl Jaspers‘ Mythusbegriff, 171. 388 W. Pannenberg, Theologie und Philosophie, 335. Pannenberg betont (auch hier mit Blick auf die Vermeidung von Intoleranz) die „Unterscheidung zwischen der Wahrheit der Offenbarung und der Vorläufigkeit des theologischen Wissens von ihr.“ (ebd.) Die Mission ist –

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Pannenberg ist unstrittig gewesen, dass die Wahrheit, mit der die Theologie operiert, weit mehr als etwas lediglich Subjektives ist, ja schon dem Christentum eine allgemein-universale Größe (immer gewesen) ist. 3.3.2.6 Zwischenfazit Es zeigt sich, dass Pannenberg entschieden am Attribut der Allgemeinheit festhält, um einer Aufweichung, Relativierung und Subjektivierung von Wahrheit zu wehren. Die seine Theologie prägende Universalität zeigt sich in besonderer Deutlichkeit am Gedanken universaler Wahrheit, sodass der Schluss naheliegt, in seinem Verstehen von Wahrheit als universaler Größe den denkerischen Ausgangspunkt für eine von Universalität gekennzeichnete Theologie zu sehen. Auch wenn es für Pannenberg eine Selbstverständlichkeit ist, Wahrheit als allgemeingültige Größe aufzufassen, wird dieses Wahrheitscharakteristikum eigens begründet und plausibel zu machen versucht. Interessanterweise rekurriert Pannenberg insbesondere auf das Argument der Kohärenz bzw. Konsistenz, was daneben auch noch im Zusammenhang der Darstellung seiner Adaption der Kohärenztheorie der Wahrheit eine Rolle spielen wird. Was seine Ausführungen jedoch grundsätzlich vermissen lassen, ist eine Einbeziehung der Frage, in Bezug auf welchen Wahrheitsbegriff bzw. welche Wahrheitsbegriffe dieses der Wahrheit beigemessene Attribut Geltung habe. Hinzu kommt eine weitere Schwierigkeit, die durch eine ähnliche Rückfrage angezeigt werden kann: Welcher materialen Wahrheit kommt Allgemeingültigkeit bzw. Universalität oder Ähnliches zu? Bei näherem Zusehen zeigt sich, dass das der Wahrheit beigemessene Attribute der Allgemeinheit (einschließlich verwandter Charakteristika) auf strukturell vielerlei Wahrheit bezogen werden kann und auch die Ebene der Wahrheitsansprüche nicht exkludiert wird, wie es sich an folgenden Beispielen zeigt: Wahrheitsansprüche gelten ihm als strukturell allgemeinverbindlich389 wie die Wahrheit selbst. Es kann bei dem Gedanken der Allgemeingültigkeit der Wahrwie sich oben bereits zeigte – in den Augen Pannenbergs eine wesentliche Konsequenz des christlichen Wahrheitsbewusstsein, die – weil der Widerspruch aus dem Wahrheitsbegriff ausgeschlossen wird – gleichzeitig zum Ausdruck bringt, dass andere, außerchristliche Glaubensüberzeugungen als unwahr eingestuft werden: „Die christliche Mission – und also die Bestreitung der Wahrheit anderer Glaubensweisen – ist die direkte Folge dieses Wahrheitsbewußtseins, das vom christlichen Glauben unabtrennbar ist.“ (W. Pannenberg, Angst um die Kirche?, 52). Ein Verzicht auf den christlichen Wahrheitsanspruch käme für Pannenberg „der Forderung nach Selbstaufgabe des christlichen Glaubens gleich.“ (ebd.). 389 Vgl. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 204. Zum „Anspruch der christlichen Verkündigung auf universale Wahrheit“ siehe W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 198f; ferner zum Wahrheits- als Universalitätsanspruch siehe a. a. O., 14; W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 3, 36f zum

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heit um „die alle Menschen verpflichtende Wahrheit“390 (hier: die christliche Botschaft) gehen, also durchaus im Sinne einer „allgemeinmenschliche[n] Wahrheit der christlichen Lehre“391 gehen. Konfusionen entstehen freilich dort, wo das markante Wahrheitsattribut auf unterschiedliche formale und materiale Wahrheiten appliziert wird: Im Einzelfall kann etwa das „Evangelium […in] seiner Wahrheit für alle Menschen“392 gemeint sein. Oder aber Pannenberg bezieht sich auf die „Allgemeinheit der Offenbarungswahrheit“, um die es in der Theologie gehe393. Andernorts thematisiert Pannenberg „die allgemeine Wirklichkeit und Wahrheit des Christentums“394 oder rekurriert speziell auf „die universale Wahrheit des Geschehens, von dem unser Glaube lebt“395, oder beispielsweise auf „die allgemeinmenschliche Wahrheit der Sendung Jesu“396. Ferner meint Pannenberg, dass die Wahrheit Gottes als alle Menschen angehende und für sie verbindliche verstanden werden könne397 und vertritt die Auffassung, dass die Wahrheit Gottes

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„Anspruch auf allgemeingültige Wahrheit der christlichen Botschaft“. Vgl. auch W. Pannenberg, Angst um die Kirche?, 52. Zum Anspruch der Theologie auf allgemeingültige Wahrheit (wohl im Sinne aussagetheoretischer Wahrheit) siehe W. Pannenberg, Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie in Deutschland, 350; W. Pannenberg, Die Erfahrung der Abwesenheit Gottes in der modernen Theologie, 13f). Zum theologischen wie kirchlichen Anspruch „auf allgemeine und für alle Menschen verbindliche Wahrheit“ siehe W. Pannenberg, Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie in Deutschland, 32). W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 237. W. Pannenberg, Notwendigkeit und Grenze der Inkulturation des Evangeliums, 147. W. Pannenberg, Unbekümmert um die Moden der Zeit, 65. So W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 60. So behandeln an einer Stelle dann verständlicherweise etwa auch K. Koch u. H. Springhorn die von Pannenberg thematisierte allgemeingültige Wahrheit als Wahrheit speziell der Offenbarung: K. Koch formuliert: „Denn er geht immer schon vom Anspruch der Offenbarung Gottes in Jesus Christus auf universale Wahrheit aus.“ (K. Koch, Der Gott der Geschichte, 398). Pannenberg wolle „die Allgemeingültigkeit ihrer Wahrheit zur Geltung bringen.“ (a. a. O., 399). H. Springhorn meint, Pannenberg wolle „die allgemeine Wahrheit der Selbstoffenbarung Gottes in Person und Geschick Jesu nicht einfach präsentieren, sondern erweisen“ (H. Springhorn, Immanenz Gottes und Transzendenz der Welt. Eine Analyse zur systematischen Theologie von Karl Rahner und Wolfhart Pannenberg, 207 Anm. 4). W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 191. W. Pannenberg, Glaube und Wirklichkeit, 94. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 32. Vgl. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 177. Siehe auch W. Pannenberg, Theologie der Schöpfung und Naturwissenschaft (= identischer Aufsatz in: J. Dorschner, M. Heller, W. Pannenberg, Mensch und Universum, 151). Nebenbei bemerkt: Auf philosophischem Terrain hält Pannenberg die interdisziplinäre Begegnung für möglich: „An diesem Punkt wird deutlich, wie die Beziehung zur Philosophie – nämlich zur philosophischen Weltauslegung – für die christliche Theologie den Boden des Dialogs mit den Naturwissenschaften bildet: Die Einbeziehung der naturwissenschaftlichen Betrachtungsweisen und Ergebnisse in die Reflexion auf das Gesamtverständnis der Weltwirklichkeit und der Situation des Menschen in der Welt ist nicht nur ein Thema theologischer Schöp-

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sich in Allgemeinheit kundtut398. Darüber hinaus kann Pannenberg sowohl von der Wahrheit Gottes als auch von sittlichen Wahrheiten sagen, dass sie „nicht nur für einen Verein von Gläubigen“ gälten399, was ihre Allgemeingültigkeit impliziert. So verhält es sich Pannenberg zufolge grundsätzlich bei ‚religiöser‘ Wahrheit400 – sie wird nicht als eine besondere (etwa nur individuell oder privat relevante) Wahrheit verstanden, sondern verpflichtet dem Anspruch nach alle Menschen. Es kann festgestellt werden, dass die Allgemeingültigkeit der Wahrheit für ganz unterschiedliche Anwendungsfälle in Anspruch genommen wird. Das zieht die problematische Konsequenz nach sich, dass Wahrheit von Fall zu Fall etwas anderes bedeuten kann – und das in grundsätzlich zweierlei Hinsicht: [1] Nicht immer ist klar, mit welchem formalen Wahrheitsbegriff er operiert, wenn „der Wahrheit“ bestimmte Attribute (wie z. B. das der Allgemeingültigkeit) beigemessen werden. In den o.g. Beispielen bekunden sich (mindestens) der aussagetheoretische und der onto-theologische Begriff der Wahrheit. fungslehre, sondern daneben immer schon Aufgabe philosophischer Weltorientierung und der Ausarbeitung eines philosophischen Weltbegriffs.“ (a. a. O., 151; vgl. auch 151f). Dass der Wettstreit zwischen Religionen wesentlich einer um das „Gesamtverständnis der Wirklichkeit“ ist, siehe schon Pannenbergs „Erwägungen zu einer Theologie der Religionsgeschichte“ in: W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 270f (zit. 270). 398 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 79: Siehe a. a. O., 90 die Vorstellung, dass sich in der Allgemeinheit „die Wahrheit des einen, alleinigen Gottes“ bekunde; siehe a. a. O., 138 u. 119 zur christlichen Rede von Gott und dem „Anspruch auf Allgemeingültigkeit“; was ein „berechtigter Anspruch auf Allgemeingültigkeit“ für die religiöse Rede sei, wird a. a. O., 426f erkennbar. Zur Sicherung des Redens von Gott hat Pannenberg für die Theologie gefordert, dass sie sich auf philosophische Kriterien (konkret auf einen philosophischen Rahmenbegriff) einlässt. Siehe dazu a. a. O., 119f (bes. 120 Anm. 152): Im Kern geht es Pannenberg um eine (durchaus kritische) Auseinandersetzung mit der natürlichen bzw. philosophischen Theologie und den von ihr formulierten Kriterien für die Rede von Gott, insofern dabei zur Verteidigung der Allgemeingültigkeit christlicher Rede von Gott in konstruktiver Absicht ein ‚Rahmenbegriff‘ für die Rede von Gott gewonnen werden soll, der gewissermaßen die „Minimalbedingungen für ein Reden von Gott“ absteckt (Vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 120, dort auch die Auseinandersetzung mit E. Jüngel, der die Übernahme eines solchen Rahmenbegriffs für die Theologie abgelehnt hat [s. u.]); siehe schließlich auch a. a. O., 426f (dort explizit zum „Vorbegriff“ Gottes für die religiöse Rede von Gott zur Sicherung des mit ihr beabsichtigten Allgemeingültigkeitsanspruches). Ein solcher (philosophischer) Rahmenbegriff ist von E. Jüngel (siehe dazu E. Jüngel, Entsprechungen, 177 u. E. Jüngel, nihil divinitatis, ubi non fides, 215f) als illegitim zurückgewiesen worden. Siehe zum Thema insbesondere schon W. Pannenberg, Die Aufnahme des philosophischen Gottesbegriffs als dogmatisches Problem der frühchristlichen Theologie, in: W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 296–346 (alternativ in: ZKG 70, 1959, 1–45); vgl. ferner W. Pannenberg, Art. Gott V. Theologiegeschichtlich, bes. 1718, W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 166 u. W. Pannenberg, God of the Philosophers, 31– 34. Siehe auch zur Kritik Chr. Stead, Die Aufnahme des philosophischen Gottesbegriffes in der frühchristlichen Theologie: W. Pannenbergs These neu bedacht, 349–371. 399 Vgl. W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 22f. 400 Vgl. exemplarisch W. Pannenberg, Geschichtstatsachen und christliche Ethik, 88.

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[2] Selbst wenn für bestimmte Anwendungsfälle ein bestimmter, zugrunde gelegter, aber nicht explizit gemachter Wahrheitsbegriff eruiert werden kann (wie z. B. der sehr häufig auszumachende aussagetheoretische Wahrheitsbegriff), kann Pannenberg von verschiedenen (materialen) Wahrheiten sagen, dass sie allgemeingültig oder dergleichen seien. Eine Unterscheidung zwischen formaler und materialer Wahrheit wäre hilfreich gewesen. Jede Rede von der strukturellen Allgemeingültigkeit der Wahrheit bleibt unnötig unpräzise, solange nicht wenigstens klar ist oder klar benannt wird, mit welchem formalen Wahrheitsbegriff hantiert wird. Eine Reflexion beispielsweise darauf, dass Wahrheitsansprüche strukturell auf den Typus aussagetheoretischer Wahrheit angewiesen sind, hätte den Vorzug gehabt, die Universalität (zumindest so verstandener) Wahrheit eben an diesem Wahrheitsbegriff zu begründen – und das gegenüber einem bis in die Gegenwart stark hineinwirkenden Postmodernismus, demzufolge es so etwas wie universale Wahrheit nicht gibt. Wie die Allgemeingültigkeit aussagetheoretischer Wahrheit begründet werden kann, zeigen B. Goebel und F.S. Müller: „Der Postmodernismus ist eine relativistische und skeptische Bewegung, der zufolge die Wahrheit weder universal noch eine einzige ist. Es gibt nicht die Wahrheit, was so viel heißt wie dass es keine allgemeingültige Wahrheit geben kann. Der übermächtige Wille zum Pluralismus führt hier zum Relativismus. Das Bedürfnis, die Unterdrückung der Stimmen der Anderen zu vermeiden, führt zu der Auffassung, dass kein Wahrheitsanspruch privilegiert werden darf. Der Relativismus wird so paradoxerweise von einem normativen, ja von einem moralischen Standpunkt aus legitimiert – dessen eigene universale Ansprüche jedoch unreflektiert bleiben, wenn sie nicht ausdrücklich bestritten werden.“401

Die Autoren zeigen überzeugend, dass die Kritik an universalisierenden Ansprüchen problematisch weil selbstwidersprüchlich ist. Und auch die Tatsache, „dass überhaupt die positive Bewertung des Pluralismus selbst immer schon auf einem universalen Wahrheitsanspruch gegründet ist, wird vom philosophischen Postmodernismus entweder nicht eingestanden oder, wenn eingestanden, so doch nicht als der selbstverletzende Widerspruch empfunden, der er ist.“402 Eine Reflexion auf das Gegebensein verschiedener Wahrheitsbegriffe im Rahmen der Erörterung des Allgemeingültigkeitsattributs hätte Pannenberg zudem zu der selbstkritischen Rückfrage veranlassen können, ob das Attribut der Universalität tatsächlich für alle (denkbaren) formalen Wahrheitsbegriffe gilt. Dieses Attribut wirkt in Bezug auf den verbreiteten, fast schon ubiquitär anzu401 B. Goebel u. F.S. Müller, Postmodernismus: Status quo einer philosophischen Strömung. Einleitung – Überblick der Beiträge, 10. Die Autoren verweisen hierfür auch auf: H.W. Simons, M. Billig (Hg.), After Postmodernism: Reconstructing Ideology Critique, 1f. 402 B. Goebel u. F.S. Müller, Postmodernismus: Status quo einer philosophischen Strömung. Einleitung – Überblick der Beiträge, 11.

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treffenden aussagetheoretischen Wahrheitsbegriff sehr sinnfällig, in der Anwendung auf Gott (und damit auf einen anderen, ontotheologichen Wahrheitsbegriff) wirkt es eher deplatziert.

3.3.3 Die Objektivität und Intersubjektivität der Wahrheit „Because truth is objective, good reasons can be given in the present for the Christian eschatological hope.“403 „Swimming against the tide of subjectivism, Pannenberg issues a call to theology to forsake the ghetto for the public sphere and there to engage again in the struggle for the objectivity of truth and for truth itself.“404

In Anbetracht der Dominanz des universalisierenden Momentes der Theologie Pannenbergs ist es alles andere als erstaunlich, dass diese Theologie sich am Objektivitätsideal orientiert, wenngleich Pannenberg sich der epistemischen Grenzen hinsichtlich des Erlangens von Objektivität voll bewusst gewesen ist405. 403 S.J. Grenz, Reason for Hope, 39. 404 S.J. Grenz, II. The Irrelevancy of Theology: Pannenberg and the Quest for Truth, 308. Siehe auch S.J. Grenz, Reason for Hope, 38. 405 Siehe dazu ausführlicher W. Pannenberg, A Response to My American Friends, 330f. Manche seiner Kritiker wollen bei Pannenberg den Ansatz einer „world theology“ erkannt haben, haben aber kritisch gefragt, ob dies möglich sei, wo doch auch Pannenberg selbst oftmals von Vorläufigkeit spreche. „[S]ome suggest that Pannenberg does not move far enough in taking seriously the partial and unavoidably contextual nature of truth [kursiv: T. L.] in the present era.“ (S.J. Grenz, Reason for Hope, 39). Ist er möglicherweise „too optimistic and too bold in constructing a systematic theology“? (ebd.). Sein Kollege und Freund John Cobb hatte die Einschätzung geäußert, dass „Pannenberg has seemed to hold that theologians can and should formulate their case in a way that is fully objective – not affected by their particular concerns, commitments, and interests [kursiv: T. L.]. I have not believed that any purely dispassionate inquiry is possible.“ (J.B. Cobb, Pannenberg and Process Theology, 65) Allerdings erklärt Cobb, dass dies für ihn nicht bedeute, „that one should avoid the public area or appeal to criteria or norms that are protected from public scrutiny.“ (ebd.) Anders als Pannenberg geht Cobb von einem massiven Einfluss der o.g. Faktoren auf wissenschaftliche Arbeit aus: Er meint, „that one should acknowledge that what one investigates, what appears to be the appropriate method of investigation, and what counts as adequate evidence are all affected by one’s perspective. For Christians who do not bracket their faith when they think, this means that it is appropriate to acknowledge the Christian perspective that shapes their thinking.“ „How Pannenberg now sees these matters is not entirely clear in this book. Certainly the claim for pure objectivity is muted, while the insistence on thinking in the public domain remains“ (ebd.) Pannenberg hat auf diese Kritik reagiert und m. E. überzeugend das Objektivitätsideal mit Blick auf die Behandlung von Sachthemen verteidigt und dabei die epistemischen Bedingtheiten mit jedwedem theologischen Entwurf anerkannt. Pannenberg konzediert, „as a German Lutheran“ seiner Identität nicht „entkommen“ zu können (vgl. W. Pannenberg, A Response to My American Friends,

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Es wundert auch nicht, dass ‘Objektivität’ (objectivity) ausdrücklich mit Wahrheit in Verbindung gebracht und als Wahrheitsattribut gebraucht worden ist. S.J. Grenz erkennt in Pannenbergs Theologie einen diese im Ganzen kennzeichnenden „struggle for the objectivity of truth and for truth itself“406, wie es sich theologiegeschichtlich schon im „classical concern for the objectivity of truth“407 gezeigt habe. Pannenberg verwendet offensichtlich dieses Attribut der Wahrheit in gleicher Absicht wie das Charakteristikum der Allgemeinheit (Allgemeingültigkeit) oder auch der Intersubjektivität408, womit wiederholt Pannenbergs Distanz zum kontemporären (nicht nur: theologischen) Subjektivismus mehr als deutlich wird409: In der Religion und nicht minder im Glauben geht es um objektive Wahrheit410. Dass es „possible or even appropriate [sein kann] to argue for […] objective truth“ finden in der heutigen Zeit Manche problematisch411, und mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit gerade diejenigen, die sich in der Epoche der sog. Postmoderne wähnen und sich tendenziell einer wie auch

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330). Es bleibt als Maxime jedoch entscheidend, dass „whatever the personal point of view might be, he or she write on the general subject rather than simply voicing a partisan view [kursiv: T. L.].“ (ebd.) Pannenberg sagt über sich selbst: „I tried to do that as well as I was able to, and if John Cobb or others think that my approach is too limited, let us discuss the matter in terms of the issues rather than assailing each others’ contextual roots [kursiv: T. L.]. This is the difference which I always had in mind when I advocated objective rather than confessional argument […; kursiv: T. L.]. Everybody’s thought is historically and culturally conditioned, but it is something else to argue explicitly on the basis of partisan commitments [kursiv: T. L.]. If that happens, the appropriate reaction might be that one partiality is as good as another [kursiv: T. L.], and then there can be neither genuine dialogue nor agreement anymore.“ (W. Pannenberg, A Response to My American Friends, 330; zum Thema siehe auch a. a. O., 330f). S.J. Grenz, II. The Irrelevancy of Theology: Pannenberg and the Quest for Truth, 308; ferner S.J. Grenz, Reason for Hope, 38. S.J. Grenz, Reason for Hope, 38. Zum Gedanken ‚objektiver Wahrheit‘ vgl. exemplarisch W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 91; W. Pannenberg, A Response to My American Friends, 313 („objective truth“); W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 191 (dort der Gedanke ‚objektiver Wahrheit‘ im Anschluss an Hegel); W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 259. Mit der Subjektivismuskritik hat Pannenberg sich, gelinde gesagt, nicht nur Freunde gemacht. S.J. Grenz hat treffend Pannenbergs Fokussieren der Wahrheitsfrage in einer Zeit „ in which the presence of competing truth claims has resulted in a mass movement into private enclaves of individualized, subjective attempts to gain meaning for personal life“ als den (entscheidenden) „context for the conflict between Pannenberg and the major object of his attack, contemporary subjectivism“ (S.J. Grenz, Reason for Hope, 38), gesehen. Das geht in folgenden kritischen Andeutungen an die genannte Adresse hervor: „To replace the term religion by faith confirms the general image of religious people as clinging to subjective preferences rather than to objective truth.“ (W. Pannenberg, A Response to My American Friends, 313). So die sicher zutreffende Einschätzung von F. LeRon Shults (The Postfoundationalist Task of Theology, 16). Auf der anderen Seite stehen allerdings auch diejenigen, die beklagen, dass er Wahrheit nicht einfach als gegeben annimmt bzw. voraussetzt. Vgl. ebd.

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immer gearteten „spielerische[n] Handhabung der Pluralität des Denkens und Verhaltens“ erfreuen412 und entschlossen für einen Wahrheitsrelativismus votieren. Das Streben nach Objektivität und das Festhalten an der Idee objektiver Wahrheit mag gegenwärtigen Zeitgenossen gelegentlich übel aufstoßen, in nicht geringerem Maße als vielleicht das Allgemeingültigkeits- und Intersubjektivitätsattribut im Besonderen: Denn Objektivität ist eben auch ein klassisches Kennzeichen der Moderne413 (was seinerseits jedoch als weithin anerkanntes objektives Faktum gelten dürfte414). Den gravierenden Makel, den Pannenberg mit einer „bloß subjektiven Überzeugung“ sieht, ist der, dass es sich dabei um „wenig mehr als eine objektive Unwahrheit“ handelt415. In seinem Festhalten an der Idee objektiver Wahrheit weiß Pannenberg sich mit Hegel verbündet, der in Pannenbergs Augen zurecht den fatalen Rückzug in die „Subjektivität des Gefühls“, wie es im Protestantismus insbesondere innerhalb des Pietismus geschah, tadelte und den damit verbundenden „Verzicht auf das Feld der objektiven Wahrheit“416 kritisierte, was erklärt, warum dieser entschieden für den Gedanken allgemeiner Wahrheit eingetreten ist mit dem Ziel, die Wahrheit der Religion „auf dem Felde der Allgemeinheit des Gottesgedankens“ zu retten417. Mit Hegel ist Pannenberg davon überzeugt, „daß nur auf dem Boden der allgemeinen Wahrheit des freien Gedankens die Wahrheit der Religion ihrer selbst noch gewiß werden kann, nachdem die Kritik der Aufklärung das Prinzip der Autorität zerstört hat und am Tage ist, daß die Subjektivität der frommen Erfahrung oder des Glaubensdezisionismus, wenn sie als letzter Gewißheitsgrund des Glaubens genommen wird, den Ruin seiner Wahrheit bedeutet.“418

412 H.J. Türk, Postmoderne, 78f. 413 Zu den Merkmalen der Moderne siehe J. Dewey, Die Erneuerung der Philosophie u. E. Troeltsch, Die Bedeutung des Protestantismus für die Entstehung der modernen Welt. Die postmoderne Kritik am Anspruch auf Objektivität spiegelt sich etwa auch in der Überzeugung von R. Rorty wieder, der meinte, objektive Erkenntnis sei immer nur Ausdruck einer Idee, die sich gerade durchgesetzt habe. Siehe dazu ausführlicher R. Rorty, Der Spiegel der Natur. Eine Kritik der Philosophie sowie R. Rorty, Kontingenz, Ironie und Solidarität. 414 Aus der ‚postmodernen‘ Sicht von J.A. Stewart (Reconstructing Science and Theology in Postmodernity, 22) scheint diese Einsicht beispielsweise auch nicht bestritten zu werden. Ihr stellen sich Pannenbergs Bemühungen um Objektivität jedoch als Versuch dar, „to rescue objectivity from the wreckage of modernity, at least in the content of language in statements“ (ebd.). 415 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 10. 416 W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 91. Siehe dort ausführlicher. 417 W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 92. Über Hegel meint Pannenberg: „Wohl keiner der großen Denker der Neuzeit hat soviel wie Hegel getan, um die christliche Religion wieder auf ihren gegen die Aufklärung verlorenen Thron zu setzen“ (a. a. O., 93). 418 W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 113.

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Der von Pannenberg vielfach gescholtene Rückzug in die Subjektivität, wie er für den Glaubenssubjektivismus charakteristisch ist, bedeutet in der Auslegung Pannenbergs eine Reduktion auf die „bloße Subjektivität des frommen Gefühls“419 [kursiv: T. L.], sodass Pannenberg auch die Inhalte des religiösen Gefühls nur als jene ausschließlich das einzelne Subjekt tangierende verstanden hat. Pannenberg denkt hier ganz wie Hegel über die Subjektivität. Von ihr wird angenommen, dass sie jedes redliche Streben nach Wahrheit als einer strukturell objektiven oder allgemeinen Größe schon im Ansatz unterminiert: „Was nur in meinem Gefühl wurzelt, ist nur für mich, das Meinige, aber nicht sein selbst, nicht selbständig an und für sich.“ „Man müsse daher zeigen, ‚daß Gott nicht bloß das Gefühl zur Wurzel hat, nicht bloß mein Gott ist‘“420. Nicht anders als Hegel sieht auch Pannenberg in der „Zuflucht der frommen Innerlichkeit“ keine Möglichkeit der Verteidigung gegenüber „den Angriffen der Aufklärung“ – das kann nur gelingen, indem stattdessen „das Feld der allgemeinen Wahrheit [kursiv: T. L.] wieder in Besitz“ genommen werde, „auf dem allein der Gottesgedanke dauerhaft bestehen kann.“421 Dass dies auch in einer nach-aufklärerischen Zeit gilt, darf hier vom Leser m. E. getrost mitgedacht werden. 3.3.3.1 Subjektivität, Privatisierung der Religion und das Problem des Wahrheitssubjektivismus „Pannenberg avers that theological statements cannot be grasped merely by some blind act, that is, by „a decision of faith.“ Faith is not a way of knowing in addition to reason, he argues, but is grounded in public, historical knowledge. For this reason he declares that theology cannot be relegated to a private, sheltered sphere of life. Instead, theological affirmations must be subjected to the rigor of critical inquiry into reality on which they claim to be based.“422 „He turned existentialism into history, the subjective isolation of faith into public discussion of truth“423. „The pursuit of truth through theology has been the way that faith has expressed itself.“424 419 W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 92. 420 G.W.F. Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Religion 15, 68, zit. nach W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 92 Anm. 36. 421 Siehe Pannenbergs Bemerkungen zu Hegel in: W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 94. 422 S.J. Grenz, „Scientific“ Theology/„Theological“ Science: Pannenberg and the Dialogue between Theology and Science, 161. 423 T. Peters, The Systematic Theology of Wolfhart Pannenberg, 123. 424 T. Peters, The Systematic Theology of Wolfhart Pannenberg, 123.

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„His method places theological discourse in the arena of public discourse on the grounds that we all share in the common pursuit of truth. And truth must be one.“425

Wer Pannenbergs Werk studiert, dem begegnen nicht selten kritische Bemerkungen zu dem etwa seit Mitte des 17. Jahrhunderts einsetzenden Prozess der ‚Privatisierung der Religion‘ oder der ‚Privatisierung des Bekenntnisses‘426. 425 T. Peters, The Systematic Theology of Wolfhart Pannenberg, 124f. 426 Man vergleiche zum Prozess der Privatisierung (und damit auch der Subjektivierung) von Religion und Bekenntnis nur folgende Auswahl an diese (hier nicht näher zu beleuchtende) Thematik aufgreifenden Belegstellen: W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 185, 254, 325ff; W. Pannenberg, Glaube und Wirklichkeit, 103, 172–175; W. Pannenberg, Geschichtstatsachen und christliche Ethik, 86ff; W. Pannenberg, Lebensraum der christlichen Freiheit, 587 (dort eine kurze Erwähnung der „in die Privatsphäre verwiesenen Fragen der Religion“); W. Pannenberg, Gottebenbildlichkeit und Bildung des Menschen, 67f (= siehe auch den identischen Aufsatz in: W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 208f); W. Pannenberg, Einheit der Kirche und Einheit der Menschheit, 14f (= siehe auch im identischen Beitrag in W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 326); W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 144; W. Pannenberg, The churches and the Emergence of European Unity, 416; W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 171 u. 173 (zur Privatisierung des Bekenntnisses), 241; zur Privatisierung des religiösen Bekenntnisses vgl. auch W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 188f); vgl. W. Pannenberg, Reformation zwischen gestern und morgen, 13f, 28f (zur Privatisierung der Religion in der Neuzeit); vgl. W. Pannenberg, Art. Geschichte/Geschichtsschreibung/Geschichtsphilosophie VIII. Systematisch-theologisch, 670 und auch zur „Privatisierung des religiösen Bekenntnisses“ siehe W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 117; W. Pannenberg, Beiträge zur Ethik, 15, 74, 77 (zur Privatisierung der Religion „im Gesellschaftsmodell des Säkularismus“, a. a. O., 77) und a. a. O., 108 (dort speziell zu religiösen Bedürfnissen als Privatsache), 108, 118; W. Pannenberg, Die Bestimmung des Menschen, 30; W. Pannenberg, When Everything is permitted, 26; W. Pannenberg, Einheit der Kirche und Einheit der Menschheit, 16ff (= siehe auch im identischen Beitrag in W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 326ff); W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 78 u. 208f; W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 13f, 457f u. 464; W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 14f, 24; W. Pannenberg, Die Situation der Ökumene. Zwei Gespräche von Heinrich Fries und Wolfhart Pannenberg, 26 („Religion [galt] nur noch als Privatsache“); W. Pannenberg, Reich Gottes und Nationalismus. Vom politischen Sinn der christlichen Hoffnung, 41 (dort der Hinweis auf die „These, daß Religion Privatsache sei.“); W. Pannenberg, Die theokratische Alternative, 236ff (dort im Rahmen der Erörterung des Säkularisierungsprozesses); W. Pannenberg, Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie in Deutschland, 27ff; W. Pannenberg, Religion in der säkularen Gesellschaft. Niklas Luhmanns Religionssoziologie, 103; W. Pannenberg, Signale der Transzendenz: Religionssoziologie zwischen Atheismus und religiöser Wirklichkeit, 154; W. Pannenberg, Die Erfahrung der Abwesenheit Gottes in der modernen Theologie, 19; W. Pannenberg, Future and Unity, 76; W. Pannenberg, Ist Versöhnung unrealistisch? Stellungnahme zur Vertriebenen-Denkschrift der EKD, 116 (dort lediglich gegen das Verständnis des Glaubens als reine Privatsache); W. Pannenberg, Die Wahrheit Gottes in der Bibel und im christlichen Dogma, 283; W. Pannenberg, Die Erfahrung der Abwesenheit Gottes in der modernen Theologie, 19; W. Pannenberg, The Christian West, 25; W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 9; W. Pannenberg, Die Theologie und die neue

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Privatisierung der Religion oder des Bekenntnisses meint im Kern, dass Religion und das mit ihr verbundene Bekenntnis zu einer Privatangelegenheit von einzelnen Individuen oder Vereinen wurde427. Es wurde, wie Pannenberg notiert, „die private, individuelle Erfahrung selbst zum Ort der religiösen Thematik erklärt“428. Aber auch die gegenwärtige säkulare Kultur zeigt Pannenberg zufolge den Zustand einer Gesellschaft, in welcher „Unterschiede des religiösen Bekenntnisses als Privatsache“429 gälten. Pannenberg sieht vielfältige Probleme mit dieser Entwicklung verbunden, die als solche von Pannenberg ernstgenommen in letzter Konsequenz auch sein antisubjektivistisches Wahrheitsverständnis mitkonturieren. Nachstehend skizziere ich seine dahin führenden Überlegungen: Ausgangspunkt seiner Überlegungen scheint mir das Faktum zu sein, dass Religion reduziert wurde auf ein „matter of only private concern.“430 Es sei die „Religion […] tatsächlich zur Privatsache geworden, der man – wie anderen Liebhabereien – in seiner Freizeit fröhnt.“431 Doch dieses Verständnis von Religion hält Pannenberg für inakzeptabel. Religion dürfe nie nur private Sache sein432. Denn Religion ist ihm ein „issue that concerns all of society, not just the churches.“433Als eine rein private Angelegenheit gelte das religiöse Bekenntnis als belanglos und bedeutungslos für das öffentliche Leben, wie es für den (neuzeitlichen) Säkularismus etwa kennzeich-

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Frage nach der Subjektivität, 808; W. Pannenberg, Reich Gottes in Amerika. Religiöse Selbstdeutung als Thema politischer Theologie, 333; W. Pannenberg, New Dimensions in Church & Culture. God in European Society & the End of the Twentieth Century, 372 (dort auch mit Ausblick auf das 21. Jahrhundert); zur Privatisierung der Religion in Zeiten des Säkularismus vgl. auch die folgenden Interviews: W. Pannenberg, Wie von Gott reden? Ein Gespräch mit Professor Wolfhart Pannenberg, 183f u. Interview W. Pannenberg, Glaube, Vernunft und die Zukunft des Christentums. Ein Gespräch mit Wolfhart Pannenberg, 31 (Thema ist dort die Reduktion von Religion auf die subjektive Ebene); W. Pannenberg, Grundlagen der Ethik, 135ff, 139f; W. Pannenberg, Theologie und Philosophie, 30–33; zur Privatisierung der konfessionellen und religiösen Differenzen siehe die kurzen Hinweise bei W. Pannenberg, Über Menschenwürde, persönliche Freiheit und Freiheit der Kunst – theologische Erwägungen aus Anlass des Falles ‚Mephisto‘, 140 u. 144. W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 13: „Der Staat wurde religiös neutral, das religiöse Bekenntnis wurde zur Privatsache des einzelnen oder freier Vereine von Individuen.“ Vgl. auch exemplarisch die Bemerkung, dass „das religiöse Bekenntnis gänzlich zur Sache des Individuums, zur Privatsache, erklärt werden konnte.“ (a. a. O., 464). W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 78. Der Pietismus ist ihm ein besonders wirkmächtiges Beispiel dafür. W. Pannenberg, Beiträge zur Ethik, 74. W. Pannenberg, The churches and the Emergence of European Unity, 416. W. Pannenberg, Glaube und Wirklichkeit, 103. Vgl. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 13. W. Pannenberg, New Dimensions in Church & Culture. God in European Society & the End of the Twentieth Century, 372.

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nend sei434. Schon die Tatsache, dass „[d]ie Subjektivität […] zum Refugium der Religion und des Glaubens“ geworden ist, entspricht „der in der Entwicklung der säkularen Gesellschaft der Neuzeit wirksamen Tendenz, die der öffentlichen Geltung beraubte Religion zur Privatsache des Individuums zu erklären.“435 Die Schwere dieser Sachlage zeigt sich für Pannenberg besonders am Verlust der öffentlichen Relevanz der Gottesthematik. „God becomes exclusively a private matter of one’s individual faith orientation.“436 Während „the subject of God is thought to be an esoteric matter of interest to theologians and ,people who go in for that sort of thing’“437, macht Pannenberg die interessante Feststellung, dass dies für das Gebiet der Ethik (wenigstens) erfreulicherweise nicht zutrifft: ihr wird auch öffentliche Bedeutung beigemessen438. Weder solle sich die Theologie „auf die private Subjektivität“ selbst begrenzen – das bedeutete „eine allzu unkritische Einordnung in die säkulare Lebenswelt der Moderne“439 – noch dürfe der christliche Glaube als subjektive Privatsache missverstanden werden, sodass er sich von der öffentlichen Ebene zurückziehen könne. „Der Glaube an Jesus Christus fordert den ganzen Menschen in allen Bereichen seines Lebens.“ Darum könne er nicht als Privatsache aufgefasst werden. „Er muß sich auch im öffentlichen Leben auswirken.“440 Der Glaube ist nach seinem Dafürhalten grundsätzlich von öffentlicher Relevanz sowie für unsere Kultur von Belang. Wenn dagegen der Glaube als etwas „bloß Subjektives im öffentlichen Bewußtsein dasteht“441, hat das für ihn etwas zutiefst Problematisches: Der Glaube erscheint dann „[a]ls etwas, was man haben kann oder auch nicht, je nach individuellen Bedürfnissen, was aber den Geist unserer Kultur nichts angeht.“442 Der Glaube ist 434 Vgl. hierzu etwa W. Pannenberg, Reich Gottes in Amerika. Religiöse Selbstdeutung als Thema politischer Theologie, 333. Einen Sonderfall stellt Pannenberg zufolge die USA dar. Es gilt ihm als ein Paradox, dass dort trotz des Privatisierungsprozesses die Religion in Gestalt der civil religion eine auf das öffentliche Leben einflussreiche Stellung behalten hat. Vgl. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 241. Zur säkularistischen (Gegen-)These der Irrelevanz der Religion für das öffentliche Kulturleben vgl. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 17. 435 W. Pannenberg, Theologie und Philosophie, 30f. 436 W. Pannenberg, New Dimensions in Church & Culture. God in European Society & the End of the Twentieth Century, 372. Siehe zum Thema auch W. Pannenberg, Beiträge zur Ethik, 205. 437 W. Pannenberg, When Everything is Permitted, 26. 438 Vgl. W. Pannenberg, When Everything is Permitted, 26. 439 W. Pannenberg, Signale der Transzendenz. Religionssoziologie zwischen Atheismus und religiöser Wirklichkeit, 154. 440 W. Pannenberg, Ist Versöhnung unrealistisch? Stellungnahme zur Vertriebenen-Denkschrift der EKD, 116. 441 So Pannenberg im Interview W. Pannenberg, Glaube, Vernunft und die Zukunft des Christentums. Ein Gespräch mit Wolfhart Pannenberg, 31. 442 So Pannenberg im Interview W. Pannenberg, Glaube, Vernunft und die Zukunft des Christentums. Ein Gespräch mit Wolfhart Pannenberg, 31.

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dann „[e]twas, was von der Sache her keine öffentliche Verbindlichkeit hat oder haben sollte. Die Kirchen erscheinen dann als Machtstrukturen, die mit dem Wesen des Glaubens nicht vereinbar sind. Das ist die Reduktion der Religion auf das Subjektive“443, die von Pannenberg nicht nur aufgrund solcher Befürchtungen fast unzählige Male kritisiert worden ist. Nach Meinung von Pannenberg schmälert eine privatisierte Religion auf öffentlichem Wahrnehmungs-Terrain die Einsicht in ihre fundamentale Bedeutung, Relevanz und Überzeugungskraft. Die Verlagerung des Religiösen auf die Privatebene bewirkt so folgerichtig, wie er meint, auch eine „Relativierung des religiösen Bekenntnisses auf die private Überzeugung“444. Das Verständnis der Religion als private Sache mag im gegenwärtigen Säkularismus die Haltung der Gleichgültigkeit gegenüber religiösen Fragen befördert haben445. „Die Religion wird privatisiert, ohnmächtig und unglaubwürdig.“446 Mit dieser PannenbergInterpretation trifft P. Cornehl einen weiteren wesentlichen Aspekt, den Pannenberg mit dem Phänomen der Privatisierung assoziiert. So erklärt sich u. a. auch, dass Pannenberg die Privatisierung der Religion als eine Situation in „Not“ interpretiert; es könne schlicht keine „Tugend“ darin bestehen, die „Innerlichkeit des Menschen zum Reservat seiner religiösen Lebensthematik“ auszubauen447. Es ist nun wichtig wahrzunehmen, woran Pannenberg sich genauer stört: Er nimmt an den „subjektiven und daher allgemein unverbindlichen [kursiv: T. L.]

443 So Pannenberg im Interview W. Pannenberg, Glaube, Vernunft und die Zukunft des Christentums. Ein Gespräch mit Wolfhart Pannenberg, 31. 444 Siehe dazu ausführlicher W. Pannenberg, Die Erfahrung der Abwesenheit Gottes in der modernen Theologie, 19. 445 Man vgl. folgende Bemerkung: „Aber der Säkularismus des modernen Staates und der modernen öffentlichen Kultur ist längst Ausdruck einer Gleichgültigkeit gegenüber aller Religion und insbesondere gegenüber der eigenen christlichen Herkunft. Religion und Christentum gelten nur noch als Privatsache der einzelnen Bürger, wenn auch faktisch das christliche Bekenntnis einen Großteil der Bevölkerung verbindet.“ (W. Pannenberg, Grundlagen der Ethik, 135) Der Prozess der Privatisierung ist von Pannenberg auch im Zusammenhang einer auf ökonomischen Interessen basierenden Gesellschaft reflektiert worden. Die Einheit unserer heutigen, westlichen, demokratischen Gesellschaften sieht er „primarily based on economic interest“; fast alles Andere – also nicht nur die Religion – würden zu einer privaten Angelegenheit reduziert, „and thus again left to the market that mediates between production and consumption of the goods of culture as of other objects for private desires. The religion of privacy is just the reverse side of the economic-centered character of our society.“ (W. Pannenberg, Future and Unity, 76). 446 So treffend die Darstellung der Position Pannenbergs durch P. Cornehl, Der ökumenische Horizont, 451. 447 W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 14. So Pannenberg in seiner Pietismuskritik. Siehe (zur Pietismuskritik) auch schon a. a. O., 13f. Dieser Gedanke findet sich auch in: W Pannenberg, Laying Theological Claim to Scientific Understanding, 54: Der Pietismus machte aus der Not eine Tugend „by making of human interiority a preserve, so to speak, for the themes of the religious life.“ (ebd.).

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Überzeugungen“448 Anstoß, womit impliziert scheint, dass Subjektivität mit allgemeiner, intersubjektiver Unverbindlichkeit einhergeht449, die, wie es scheint, von ihm auch als ein Antonym zu Universalität begriffen wird. Zunächst ist Pannenberg zufolge die (weit verbreitete?) Annahme, „daß Religion als solche allgemeiner Verbindlichkeit entbehre und daher nur eine Sache privater Präferenzen sei, […] in solcher Allgemeinheit ein Vorurteil.“450 Die Annahme, dass es bei religiösen Fragen nur um etwas rein Privates und Subjektives geht, ist sogar höchst problematisch und sonderbar zugleich. Denn dass Religion ihrem Wesen nach keine Privatsache sei, erklärt sich für ihn schon von daher, dass „Gott nicht Gott, die alles bestimmende Wirklichkeit wäre, wenn er nur der Gott des ihn Bekennenden wäre.“451 „Erst der Kontrast mit dem Anspruch der Religion auf intersubjektive Verbindlichkeit [kursiv: T. L.] bringt die Eigentümlichkeit des Phänomens ihrer Privatisierung […] in den Blick.“452 Es ist letztlich ein Ergebnis des Prozesses der Privatisierung von Religion, dass die private Subjektivität und ihre Erfahrung zum (vorzüglichen) Ort für die Religionsthematik, wie exempli causa im Pietismus, wurde453, woraus sich für Pannenberg aber die schwerwiegende Konsequenz ergibt, nun nicht mehr für die Allgemeingültigkeit der Religionsthematik eintreten zu können: In seinen Worten werde „zunehmend deutlich, daß auf diesem Wege die Allgemeingültigkeit der religiösen Thematik nicht auf die Dauer überzeugend dargetan, sondern allenfalls ihre Narrenfreiheit [kursiv: T. L.] gerettet werden kann.“454 Anstatt dass der christliche Glaube auf Kosten allgemeiner Verbindlichkeit „ganz und gar zu einem Phänomen der Subjektivität“ degradiert wird455, fordert er, dass „das neuzeitliche Ghetto der Privatisierung der Religion“ durchbrochen werden müsse – (also nicht nur) um der Allgemeinheit von Religion willen456. Von einer „Zerstörung des Bewußtseins von der Wahrheit des Glaubens“ spricht Pannen448 W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 128; siehe auch im identischen Beitrag in W. Pannenberg, Beiträge zur Ethik, 22. 449 In W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie 243, richtet sich seine Kritik u. a. auf die Ebene einer „intersubjektiv unverbindlichen Subjektivität“. 450 W. Pannenberg, Die theokratische Alternative, 248. 451 Vgl. W. Pannenberg, Einheit der Kirche und Einheit der Menschheit, 15. Vgl. auch denselben Aufsatz in: W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 326. 452 W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 326. 453 Vgl. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 78. 454 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 78. 455 So seine insbesondere an die Adresse Schleiermachers gerichtete Kritik in: W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 242. Siehe ferner die dieser Erwägung sachlich nahestehenden Ausführungen Pannenbergs, in denen er mit Hegel für Allgemeingültigkeit und gegen „die Subjektivität des Gefühls“ optiert: W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 91f (zit. 91). 456 So hier: W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 209: Pannenberg behandelt hier die Sinnthematik.

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berg in Bezug auf ein weitverbreitetes Missverständnis des Glaubens, das darin bestehe, diesen „als die Festung der Subjektivität“ fehlzuinterpretieren, „in die sich das Christentum vor den Angriffen der wissenschaftlichen Erkenntnis zurückziehen könnte“457. Vom Gegenteil geht Pannenberg aus: „Die christliche Theologie der Neuzeit steht ebenso wie die Kirchen in der Spannung zwischen dem Anspruch der christlichen Überlieferung auf allgemeine Wahrheit für alle Menschen und der Bestreitung [kursiv: T. L.] dieses Anspruches durch die neuzeitliche Einschränkung des christlichen Glaubens auf die Basis der privaten Glaubensüberzeugung.“458 Pannenberg will dem durch die Privatisierung entstandenen Anschein wehren „als sei Religion nur eine Angelegenheit des einzelnen und seiner subjektiven Stellungnahme, ohne allgemein verpflichtende Wahrheit“459, eben weil es der Religion sehr wohl um universale Wahrheit gehe. Es sei „der Glaube […] durch seine Privatisierung […] im eigenen Wahrheitsbewusstsein bedroht, weil behauptete Wahrheit ohne zumindest den Anspruch auf Allgemeingültigkeit nicht bestehen kann.“460 Diesen Anspruch sieht Pannenberg mit der aus seiner Sicht ‚unerträglichen‘ Verlagerung und Beschränkung der Frage nach religiöser Wahrheit auf die Ebene der Privatsphäre scheinbar immer verloren gehen; Beschränkung auf Privatsphäre ist seiner Interpretation zufolge scheinbar identisch mit Beschränkung „auf die subjektive Beliebigkeit“461. Nun ist es jedoch so, dass „die Subjektivität des privaten Individuums […] genau der Ort [ist], den die säkulare Kultur [kursiv: T. L.] der Religion noch zugesteht, während alle Ansprüche auf objektive Wahrheit ihrer Aussagen bestritten werden.“462 Indem die säkulare Welt die Ansprüche auf Objektivität und 457 W. Pannenberg, Die Offenbarung Gottes in Jesus von Nazareth, 166f. Es gilt darum, der „Privatisierung und der damit drohenden Zerstörung seines Wahrheitsbewußtseins [kursiv: T. L.] entgegenzuwirken.“ (W. Pannenberg, Die Erfahrung der Abwesenheit Gottes in der modernen Theologie, 19). 458 W. Pannenberg, Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie in Deutschland, 32. 459 W. Pannenberg, Glaube und Wirklichkeit, 172; alternativ auch W. Pannenberg, Geschichtstatsachen und christliche Ethik, 86. Zur weiteren Kritik an der Privatisierung der Religion nach den Konfessionskriegen im 16. und 17. Jh. vgl. W. Pannenberg, Glaube und Wirklichkeit, 172–175. 460 W. Pannenberg, Beiträge zur Ethik, 18 siehe alternativ auch W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 123. 461 W. Pannenberg, Geschichtstatsachen und christliche Ethik, 88: Die hier erkennbare Allgemeinheit ist die, dass das Christentum „die Offenbarung des einen Gottes aller Menschen verkündet, also einen alle Menschen verpflichtenden und der Tendenz nach einenden Anspruch stellt.“ (ebd.). 462 W. Pannenberg, Die Säkularisierung des europäischen Geistes, 143; siehe ferner W. Pannenberg, Christentum in einer säkularisierten Welt, 67. Es trage jener Subjektivismus mitunter dazu bei, eine öffentliche Ordnung zu stabilisieren, die der Religion gegenüber ihren

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Wahrheit dem Glauben abspreche, erscheint er in den Augen Pannenbergs „als irrationales Engagement für einen nur in privater Perspektive als „wahr“ geltenden Inhalt.“463 Seine Skepsis gegenüber der Möglichkeit solch rein subjektiver Wahrheit zeigend, ist Pannenberg den Voten für eine solche Position, wie sich bereits zeigte, mit der Profilierung seiner These von der Allgemeinheit der Wahrheit entgegengetreten464. In Auseinandersetzung mit dem von ihm sog. ‚Wahrheitssubjektivismus‘ ist er bemüht zu verdeutlichen, wie wenig überzeugend, aber mit umso größerem Schaden einhergehend es für das Wahrheitsbewusstsein sei, mit Blick auf die mit dem Glaubensinhalt verbundenen Allgemeingültigkeitsansprüche sich allein auf der Ebene privater Subjektivität und ihrer Überzeugungen zu bewegen: „Besonders einflußreich ist in der Auseinandersetzung mit dem neuzeitlichen Wahrheitsbewußtsein der Wahrheitssubjektivismus geworden. Diese durch den Pietismus vor allem im protestantischen Christentum außerordentlich wirkungsmächtige Gestalt des religiösen Bewußtseins übernimmt die von der neuzeitlichen Kultur der Religion zugewiesene Rolle der bloß privaten Überzeugung des einzelnen, glaubt aber andererseits im individuellen Engagement eine keiner Kritik mehr zugängliche Basis für die subjektiven Glaubensüberzeugungen gewonnen zu haben.“465

Doch die damit verbundenen Probleme sind gewaltig: „Das Problem des religiösen Subjektivismus besteht darin, daß er weder vor anderen, noch vor sich selbst eine andere Rechtfertigung für die Allgemeingültigkeit der Inhalte seines Glaubensbewußtseins vorzubringen vermag als das subjektive Engagement. Die Berufung darauf muß das Wahrheitsbewußtsein ruinieren, weil die göttliche Wahrheit doch nicht ihren Grund in der subjektiven Entscheidung des Menschen haben kann, sondern nur umgekehrt der Mensch in der für sich feststehenden Wahrheit Gottes [kursiv: T. L.].“466

Seine Argumentation zielt erkennbar darauf ab, die strukturelle Allgemeinheit und Vorgegebenheit der Wahrheit gegenüber jedwedem Erkenntnisakt mithilfe

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„Anspruch auf allgemeingültige Wahrheit verweigert“ (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 15). Siehe auch die kritische Auseinandersetzung mit R. Bultmann und W. Herrmann. Des Weiteren bemängelt Pannenberg jene theologischen Ansätze aus dem Pietismus und der Erweckungstheologie, die sich in die „Enklave der Subjektivität als Ort der Religion“ zurückzögen und wie R. Bultmann und W. Herrmann den subjektiven Akt der Glaubensentscheidung zur Basis der Wahrheitsgewissheit gemacht hätten. Vgl. W. Pannenberg, Die Säkularisierung des europäischen Geistes, 143. W. Pannenberg, Die Säkularisierung des europäischen Geistes, 137. Vgl. auch seine despektierliche Bemerkung zur protestantischen Fassung des Glaubensinhaltes als „a subjective truth [kursiv: T. L.] that is not open to public assessment and critique“, was zur „marginalization of Christian theology in the course of modernity“ beigetragen habe (W. Pannenberg, A Response to My American Friends, 316). W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 14. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 14f.

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des Gottesgedankens abzusichern. Gleichzeitig kann mit dem Hinweis auf die der Wahrheit abgerungene spezifische Struktur begreiflich gemacht werden, weswegen Wahrheit nicht von der Subjektivität her entwickelt werden könne. Schließlich geht es in der Religion Pannenberg zufolge ohnehin nicht um die Wahrheit eines einzelnen Individuums467, sondern um weit mehr: „Die Reformation bestand noch auf der Allgemeingültigkeit des Evangeliums und der Schriftautorität vor aller subjektiven Aneignung. […] Erst der Pietismus begründete die Autorität der Glaubenswahrheit selbst auf die Subjektivität der religiösen Erfahrung.“468 Pannenberg sieht mit der Privatisierung der Religion den Anspruch auf universale Wahrheit verloren gehen, was nicht ohne gravierende Folgen für das je subjektive Wahrheitsbewusstsein der Glaubenden bleibe. „Denn ohne den Anspruch auf allgemeine Wahrheit wäre auch das subjektive Wahrheitsbewußtsein [kursiv: T. L.] des Glaubenden in seinen Grundlagen erschüttert“, weshalb er meint, es könne sich christlicher Glaube mit dem Verständnis von Religion als Privatsache keineswegs zufrieden geben469. Der Privatisierungsprozess soll sogar Zweifel an der allgemeinen Wahrheit evoziert haben: „Indem der Religion der Anspruch auf universale Wahrheit bestritten wurde“, so meint Pannenberg, „mußte sie auch für die einzelnen zweifelhaft werden.“470 „Die religiöse Subjektivität und die Erfahrung des einzelnen sind ihm in jeder Hinsicht suspekt.“ Das hat Th. Waap richtig gesehen471. Doch warum ist dies bei Pannenberg so? Seine Kritik des Privatisierungsprozesses ist angemessen nur zu verstehen im 467 S.J. Grenz hat Pannenbergs Kritik eines Rekurses auf „religious experience and faith, that is, to the subjectivity of the religious consciousness“ m. E. sehr treffend kommentiert. „Pannenberg’s rejection of this alternative is not surprising. Such subjectivity, he maintains, can only result in a claim of subjective truth – the truth of the religious individual, not the truth of the religion itself.“ (S.J. Grenz, Reason for Hope, 28). 468 W. Pannenberg, Die Theologie und die neue Frage nach der Subjektivität, 808f. Vgl. zum Thema ausführlicher a. a. O., 808f. 469 W. Pannenberg, Die Allgemeingültigkeit der Religion. Diskussion über Luhmanns Religionssoziologie. (Abschnitt: „Pannenberg zu Luhmann“), 356. Dort ausführlicher eine Verteidigung des religiösen und speziell christlichen Allgemeingültigkeitsanspruchs. 470 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 14. 471 Th. Waap, Gottebenbildlichkeit und Identität, 455. Waap stört sich daran, dass von Pannenberg die „Pluralität der Moderne […] letztlich nicht anerkannt“ werde (ebd.). Mit diesem Kritikpunkt macht Waap es sich allerdings zu einfach. Die (auch in Pannenbergs Theologie vorzufindende) Einschätzung, dass wir gegenwärtig (noch?) in der Postmoderne leben, ist ihrerseits noch kein Argument für sie. Es wird innerhalb dieser Studie wiederholt deutlich werden, dass die Frage nach Pluralität im weiteren Zusammenhang der Epistemologie und des Wahrheitsbegriffs von Pannenberg eingehend reflektiert worden ist. Erst wenn hiervon Notiz genommen wird, dürfte ein Urteil als Teil der Pannenberg-Kritik darüber möglich sein, wann und wo ein Anspruch auf Pluralität wirklich angemessen ist oder nicht.

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Zusammenhang der Subjektivismuskritik. Wenn religiöse Angelegenheiten auf privater Ebene verortet werden, dann ist automatisch die Subjektivität des einzelnen Individuums – und nicht etwa die Kirche – der vorzügliche Ort für diese Thematik472. Problematisch im engeren Sinne ist nicht die Subjektivität des Einzelnen an sich, sondern allein die Ebene purer Subjektivität. Pannenberg rügt eine pure Subjektivität, die sich von der Vernunft absondert und gegen kritische Argumentation zu sichern sucht. Im Verständnis Pannenbergs treibt eine reine Subjektivität geradezu dann ihr Unwesen, wenn etwa persönliche Überzeugungen und Entscheidungen als ‚unangreifbar‘ verstanden würden, was letztlich „zum Verfall der Glaubwürdigkeit der christlichen Überlieferung beigetragen“ habe. Christlicher Glaube konnte „so als Sache eines beliebigen, daher irrationalen Engagements erscheinen“473. „Die vermeintliche Sicherung des Glaubens in der Zitadelle privater Überzeugung, die ‚Flucht ins Engagement‘ (W.W. Bartley), hat die Religion genau auf den Bereich reduziert, den ihr die moderne, säkulare Kulturwelt überläßt: auf den Bereich der privaten Überzeugung ohne objektive und gesamtgesellschaftliche Verbindlichkeit.“474

Als prominentes Beispiel für die „Spielart des religiösen Subjektivismus“475 mag hier F.D.E. Schleiermacher erwähnt werden, der in Misskredit bei Pannenberg geraten ist durch seine wirkmächtige These von der Religion als einer ‚eigenen Provinz‘ im Gemüte des Menschen und mit seiner Deutung von Religion als ‚Anschauung und Gefühl des Universums‘ in seinen Reden Über die Religion den problematischen Eindruck erweckt habe, dass der „Inhalt der Religion nur als Ausdruck subjektiver Genialität, ohne philosophischen Anspruch auf Allgemeingültigkeit [kursiv: T. L.]“ aufzufassen sei476. Die Ebene der puren (d. h. reinen) Subjektivität sieht Pannenberg nicht nur mit Irrationalität verbunden, sondern zugleich mit dem Verlust von Glaubwürdigkeit. Es ist sicher (zumindest

472 Dieser Zusammenhang deutet sich an in einer Bemerkung in: W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 144: Es konnte durch das Verständnis des religiösen Bekenntnisses als private Sache „die religiöse Gemeinschaft der Kirche als etwas demgegenüber Sekundäres erscheinen“ (ebd.). 473 W. Pannenberg, Die Erfahrung der Abwesenheit Gottes in der modernen Theologie, 14. Gerhard L. Müller trifft in seiner Rezension den Kern des Pannenberg’schen Anliegens, wenn er bezüglich seines Denkens urteilt, „daß Religion zur Privatsache wurde und die objektive Gültigkeit der Glaubensaussage ins Irrationale und Beliebige der Subjektivität abgedrängt wurde.“ (G.L. Müller, Rezension Pannenberg, Wolfhart, Christentum in einer säkularisierten Welt, 7). 474 W. Pannenberg, Die Erfahrung der Abwesenheit Gottes in der modernen Theologie, 14. Siehe ebd. ausführlicher. 475 So in: W. Pannenberg, Schleiermachers Schwierigkeiten mit dem Schöpfungsgedanken, 3. Den philosophischen Ursprung des religiösen Subjektivismus sieht Pannenberg bei Friedrich Heinrich Jacobi. Vgl. ebd. 476 W. Pannenberg, Schleiermachers Schwierigkeiten mit dem Schöpfungsgedanken, 3.

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für Pannenberg) nicht eine Marginalie (gewesen), wenn die Aussagen des Glaubens „schließlich als Äußerungen gelten […], denen man bestenfalls noch etwas über den Glaubenden selber entnehmen kann.“477 Universale Wahrheit lässt sich auf diese Weise nämlich nicht mehr beanspruchen478. Solange Religion aber im heutigen öffentlichen Bewusstsein „ohne Anspruch auf allgemeine Verbindlichkeit“ erscheint, dürfte ein öffentliches Bezugnehmen auf Themen, die die Religion betreffen, als verpönt gelten479. Pannenberg zeigt sich beunruhigt und überzeugt davon, dass „der demokratische Verfassungsstaat durch die Privatisierung der Religion ein geistiges Klima erzeugt, das es erschwert, in der Öffentlichkeit für die Wahrheitsansprüche der christlichen Lehren einzutreten“480. Dem Prozess der Privatisierung der Religion ist es nach Meinung von Pannenberg eben anzulasten, dass die Religion „in ihrer öffentlichen Geltung einschneidend beschränkt, nämlich auf einen Sektor des gesellschaftlichen Lebens eingeschränkt worden ist“, woraus „langfristig ein Verlust des Bewußtseins von der Allgemeingültigkeit des christlichen Glaubens oder jedenfalls seiner Aussagen“ resultiert sei, der seinerseits wiederum „als Krise seines Wahrheitsbewußtseins [kursiv: T. L.] erfahren worden [sei].“481 Gerade weil (nicht nur die christliche) Religion Universalität und alle Menschen betreffende universale Wahrheit beansprucht, wäre ein Rückzug von der öffentlichen (Diskurs-)Ebene für Pannenberg inakzeptabel gewesen482. 477 W. Pannenberg, Der Appell von Hartford, 544. 478 Zur Veranschaulichung sei hier Pannenbergs Anschauung, wie von Gott mit dem Anspruch auf universale Wahrheit theologisch gerdet werden müsse, wiedergegeben: „Ohne die Philosophie als Partner steht die Theologie in Gefahr, bei ihrem Reden von Gott auf die pure Subjektivität von Glaubensbehauptungen zurückgeworfen zu werden. Dann aber läßt sich kaum noch der Anspruch auf allgemeinverbindliche Wahrheit für alle Menschen [kursiv: T. L.] rechtfertigen.“ (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 204). Auch schon nach Meinung des frühen Pannenberg darf „[d]ie Aufnahme des philosophischen Gottesbegriffs […] an und für sich nicht beanstandet werden“ (W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 166), versteht er sie doch als „gerechtfertigt durch die Aufgabe, die Tat Gottes in Jesus Christus als universale Wahrheit für alle Menschen, als Offenbarung des einen Gottes aller Menschen zu verkünden.“ (ebd.). 479 W. Pannenberg, Beiträge zur Ethik, 242. 480 W. Pannenberg, Grundlagen der Ethik, 139f. Gleichwohl besteht Pannenberg zufolge für die Religionsgemeinschaft insgesamt ein weiter Raum zur Verfügung für Betätigung (siehe dazu a. a. O., 140). 481 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 226. 482 Siehe dazu etwa ausführlicher auch seine kritischen Anmerkungen zur „tendency towards retreat from public discourse in questions regarding the truth of Christian affirmations, a truth that obliges not only the believer but also the world“ in: W. Pannenberg, A Response to My American Friends, 333f, dort unter Bezugnahme auf R.J. Neuhaus. Beachtenswert sind Pannenbergs Überlegungen zu dem Verlust des religiösen Allgemeingültigkeitsanspruchs im öffentlichen Bewusstsein als Folge der Privatisierung (Vgl. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 13f). In Bezug auf die gespaltene Christenheit spricht Pannenberg sogar deutlich von einer „schlechte[n] Subjektivität [kursiv: T. L.] eines ge-

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3.3.3.2 Intersubjektive Wahrheit Eng zusammen mit der Vorstellung von der Allgemeingültigkeit der Wahrheit und den mit ihr verbundenen Nachbarbegriffen gewinnt auch der Gedanke der Intersubjektivität für Pannenbergs Denken an Bedeutung, was nicht so sehr verwunderlich ist. Schließlich ist das Wort ein Antonym zu der von Pannenberg geschmähten bloßen Subjektivität und ein Gegenbegriff zu der mit ihr verbundenen allgemeinen Unverbindlichkeit. Pannenbergs Rede von der „intersubjektiv unverbindlichen Subjektivität“483 bestätigt die Polarität zwischen Subjektivität und Intersubjektivität: Denn intersubjektive Unverbindlichkeit ist ein Äquivalent zu Subjektivität484. So ist es auch Pannenbergs Interesse an dem transsubjektiv Allgemeinen, das ihn das Moment der Intersubjektivität auch expressis verbis auf die Wahrheitsthematik im Speziellen anwenden lässt, wenn er beispielsweise den „Charakter intersubjektiv gültiger Wahrheit“485 hervorhebt. Intersubjektivität fungiert also als ein weiteres Attribut der Wahrheit, sodass es konsequent erscheint, wenn Pannenberg für die wissenschaftliche Theologie das Moment der Intersubjektivität in Anschlag bringt und faktisch als Wahrheitskriterium fungieren lässt, wie dies in der Wissenschaft ohnehin auch (mehr oder weniger explizit) allgemein üblich sein dürfte486. Pannenberg versteht die Theologie als eine auf Intersubjektivität abzielende Erkenntnisbemühung487, die beispielsweise bei Sachurteilen „das in solchen Dingen erreichbare Maß an Objektivität und intersubjektiver Verbindlichkeit“ anstrebt488. Aber auch schon der Glaube ist seinerseits Pannenberg zufolge gegen subjektive Beliebigkeiten ge-

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sellschaftlich zunehmend belanglosen Glaubens“ (W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 38). W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 243. Eine weitere präzisierende Distinktion zwischen Intersubjektivität als Wissen einer Gruppe und strenger Objektivität, wie es etwa von Robert J. Russell u. Kirk Wegter-McNelly propagiert wird (Vgl. Robert John Russell/Kirk Wegter-McNelly, Die Verzahnung von Naturwissenschaft und Theologie, 57), ist bei Pannenberg dagegen nicht erkennbar. Intersubjektivität, Allgemeinheit/Allgemeingültigkeit, Universalität und Objektivität stehen dem bloß Subjektiven gegenüber. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 315: Dort in Bezug auf Einstellungen und Erfahrungen von Individuen mit Blick auf die Bekundung der göttlichen Wirklichkeit im Lebenskontext der Religion(en). Intersubjektivität fungiert in der Wissenschaft als Wahrheitskriterium (vgl. W. Kamlah, Der moderne Wahrheitsbegriff, 125). Vgl. dazu insbes. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 303f: Hier behandelt Pannenberg die intersubjektive Gültigkeit hinsichtlich religiöser Erfahrung. Vgl. ferner zum Anspruch auf intersubjektive Gültigkeit im Duktus des Argumentationszusammenhangs die Bemerkung a. a. O., 324. W. Pannenberg, Den Glauben an ihm selbs fassen und verstehen, 359. Die dem Ideal der Intersubjektivität beigemessene Bedeutung beschäftigt Pannenberg u. a. nicht zuletzt auch in nachfolgend genanntem Aufsatz: W. Pannenberg, Die Theologie und die neuen Fragen nach Intersubjektivität, Gesellschaft und religiöser Gemeinschaft.

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wendet und zielt intentional auf Intersubjektivität ab489. Auch im Zusammenhang der Erkenntnis von „Inhalt und Wahrheit des Dogmas“ geht es um „Vergewisserung der intersubjektiven Identität der Sache.“490

3.3.3.3 Zwischenfazit Objektivität und Intersubjektivität werden von Pannenberg der Wahrheit (scheinbar weitgehend synonym) attribuiert. Erkennbar ist, dass (nicht zuletzt) diese Attribute im logischen Zusammenhang zum Allgemeinheits- oder Allgemeingültigkeitsattribut stehen, also durchaus als dessen Implikate interpretiert werden dürfen. Genaueres kann nicht festgestellt werden, da Pannenberg selber keine präzisierenden Bemerkungen zu der von ihm gewählten Terminologie in der Wahrheitsattribuierung vorgenommen hat. Pannenbergs Festhalten an allgemeiner, objektiver und intersubjektiver Wahrheit ist verständlich – diese Attribute gehören zum Wahrheitsbegriff bzw. korrekter: zu solchen Begriffen der Wahrheit, die sich semantisch-ontologisch nennen oder von daher zu verstehen sind (wie z. B. die aussagetheoretische Korrespondenzwahrheit, die für das religiöse Verhältnis exemplarisch relevant werden kann). Die sein ganzes Werk durchziehende Kritik des Subjektivismus wird verständlich vor dem Hintergrund dieses seines Wahrheitsverständnisses. Es ist nicht nur überzeugend, sondern auch im Ansatz konsequent, sämtliche Manifestationen des Wahrheitssubjektivismus sehr kritisch zu besprechen. Pannenbergs These, dass die Privatisierung der Religion und der Rückzug auf die Ebene der Subjektivität für die Behandlung der Wahrheitsfrage als einer alle angehenden und darum auch öffentlich zu verhandelnden nicht dienlich sein können, ist auch plausibel. Problematisch ist allerdings seine Argumentation, die die (Außen-)Wirkung von Subjektivität problematisiert und mit der Frage nach der Beschaffenheit von Wahrheit vermischt. Dieses Argument überzeugt nur bedingt. Wenn Wahrheit an sich allgemeingültig, objektiv oder intersubjektiv ist, dann ist es durchaus möglich, im Horizont privater Subjektivität allgemeine Wahrheit zu beanspruchen – sei dies wissentlich und mit voller Absicht oder unbewusst: stets geschieht dies nolens volens durch bestimmte damit verbundene Annahmen oder Erfahrungen Gottes. Pannenberg ist sich über die Tatsache im Klaren, dass „die Privatisierung der Religion, die Trennung von Staat und Religion auf der Erfahrung der Intoleranz religiöser Wahrheitsansprüche“ beruht491. Damit konzediert Pannenberg (wenn auch nur) indirekt, dass der Prozess der Privatisierung keineswegs die 489 Vgl. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 242f. 490 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 26. 491 W. Pannenberg, Die Wahrheit Gottes in der Bibel und im christlichen Dogma, 283.

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Wahrheitsfrage verabschiedet (hat). Nur auf öffentlicher Ebene werden sie nicht mehr verhandelt. Anders als es aus den Formulierungen Pannenbergs entnommen werden kann, ist immerhin mit der Möglichkeit zu rechnen, dass hic et nunc auf der Ebene privater Frömmigkeit (in welcher organisierten oder nicht organisierten Form auch immer) Wahrheitsansprüche im Sinne Pannenbergs artikuliert werden können, also Wahrheit als allgemeingültige, objektive, intersubjektive o. ä. durchaus beansprucht werden kann. Dass dieser Wandel hinsichtlich der Außenwirkung auf Kosten der Glaubwürdigkeit des Wahrheitsanspruches gehen mag, zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung eines sich säkularistischen Gegenwartsbewusstseins, ist nachvollziehbar und mag auf den Einzelfall zutreffen. Den jeweiligen Geltungs- und Wahrheitsansprüchen kann diese Entwicklung aber nichts anhaben. Dass es Formen der Relativierung von Wahrheit auf der privat-subjektiven Ebene zigfach gibt und geben mag, soll hier freilich gerade nicht bestritten werden. Pannenberg kritisiert den Wahrheitssubjektivismus vor allem mit dem Argument, dass die inhaltlich beanspruchte Wahrheit als eine allgemeine an der Forderung nach ihrer Rechtfertigung scheitert. Darin bekundet sich aber erneut eine Vermengung von Fragestellungen, die sich mir in Gänze folgendermaßen darstellt. Die Frage, ob Wahrheit eine subjektive ist, unterscheidet sich von der Frage, ob Wahrheit auf der Ebene der Subjektivität für eine allgemeingültige (o. ä.) gehalten wird. Und wiederum ist davon zu unterscheiden die Frage, ob Wahrheit als eine allgemeine oder subjektive gerechtfertigt werden kann, d. h. gegenüber einem bestimmten Adressatenkreis plausibilisiert werden kann.

3.3.4 Die Ökumenizität und Katholizität der Wahrheit 3.3.4.1 Die Allgemeinheit und Ökumenizität der Wahrheit Es ist die Pannenbergs Theologie kennzeichnende Annahme der Allgemeinheit der Wahrheit des Glaubens, die ihn dazu veranlasst, in dieser Wahrheit zugleich auch einen ökumenischen Charakter zu erkennen: „Die Wahrheit ist allgemein und insofern ökumenisch“492.

Aus der Verpflichtung dieser Wahrheit gegenüber ergibt sich für Pannenberg die Notwendigkeit, die „provinzielle Basis“ des je Konfessionellen mit seinen Tra492 So Pannenberg in dem Interview W. Pannenberg, Geist gegen Zeitgeist. Gespräch mit dem Theologen Wolfhart Pannenberg, 268: „Meine Systematische Theologie ist insofern ökumenisch, als sie es mit der Frage nach der Wahrheit des christlichen Glaubens zu tun hat.“ (ebd.).

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ditionen und der mit ihnen verbundenen Enge zu durchbrechen493. Pannenbergs Selbstauskunft zufolge ist seine Systematische Theologie „in erster Linie der Wahrheit verpflichtet, und das kann man nicht sein, ohne ökumenisch zu denken.“494 3.3.4.2 Die Katholizität der Wahrheit Diese Vorstellung einer ökumenischen und allgemeinen Glaubenswahrheit lässt sich schon in frühen Veröffentlichungen Pannenbergs nachweisen. Darin wird der Terminus der Katholizität auf die Wahrheit angewandt und zu profilieren gesucht. Richtig verständlich wird diese Zuschreibung erst im größeren Zusammenhang seiner im Ganzen um Ökumene bemühten Theologie495, die seine Rede von der Wahrheit als einer katholischen im älteren und ursprünglichen Sinne (von griech.: καθολικός: allgemein, alles/ das Ganze betreffend) in dem rechten Gesamthorizont erscheinen lässt. Darum fällt der Blick zunächst auch erst auf dieses Anwendungsgebiet. Möglicherweise hat Pannenberg sich stark von K. Rahner beeinflussen lassen, der – wie Pannenberg selbst in einem Nekrolog sagt – „die dominierende Gestalt der deutschen katholischen Theologie“ war, doch „zugleich aber […] sein Denken in jenem umfassenden Sinne „katholisch“ [war], daß darin über alle konfessionellen Grenzen hinweg die menschliche Allgemeinheit des Christlichen zum Ausdruck kam.“496 Pannenbergs ökumenisches Anliegen ist – verkürzt gesagt – das einer „wahrhaft katholischen Kirche aller Christen“497, wie sie bereits im Neuen Testament ihre Grundlage hat498. Für einen „slavish confessionalism“ 493 W. Pannenberg, Geist gegen Zeitgeist. Gespräch mit dem Theologen Wolfhart Pannenberg, 268. Das Konfessionelle gilt Pannenberg als „provinzielle Basis“; man müsse sich befreien von der Enge konfessioneller Traditionen. Dazu passt auch Pannenbergs Bemerkung zur Möglichkeit einer Verwechslung des „bloß konfessionellen Standpunkts mit der Wahrheit des Christlichen“ (W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 191). 494 W. Pannenberg in dem Interview W. Pannenberg, Geist gegen Zeitgeist. Gespräch mit dem Theologen Wolfhart Pannenberg, 268. 495 Zur ökumenischen Ausrichtung seiner Theologie siehe bes. W. Pannenberg, Dogmatische Theologie in ökumenischer Perspektive, 152–164 u. E. Lohse, Pannenbergs Systematische Theologie in ökumenischer Perspektive, 439–449. 496 W. Pannenberg, in memoriam. Zum Gedenken an Karl Rahner, 171. A. a. O., 172 anerkennt Pannenberg, dass Rahner um eine Verständigung bezüglich konfessioneller Differenzen bemüht war. 497 W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 264. 498 Pannenbergs zentrales ekklesiologisches Anliegen ist eine Katholizität, „die ihre Grundlage im Neuen Testament hat.“ (So Pannenberg im Interview W. Pannenberg, Geist gegen Zeitgeist. Gespräch mit dem Theologen Wolfhart Pannenberg, 269). Zutreffend ist die Einschätzung von R.J. Neuhaus, wonach Pannenbergs „understanding of Christianity is thoroughly ecumenical“ (Vgl. W. Pannenberg, Richard John Neuhaus, The Christian West?, 30).

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hat er dagegen – ganz gleich welcher Provenienz – keine Sympathien499. Der von ihm zugunsten der Ökumene propagierte Umgang mit der jeweiligen konfessionellen Tradition lässt sich insgesamt als konstruktiv-kritisch beschreiben: „We Christians should feel free both to advocate the best things in our respective traditions and to criticize in them what is bad. In other words, as a Lutheran myself, I am aware that it is more desirable to be Christian than to be Lutheran.“500 Pannenberg ist sich der Tatsache bewusst, dass die jeweiligen konfessionellen Traditionen nicht ohne Einfluss auf die spezifischen Denkweisen sind501; und doch bleibt zielbestimmend, im Umgang mit der christlichen Überlieferung möglichst unvoreingenommen zu sein. Man möge sich „nicht von der dogmatischen Perspektive dieser oder jener konfessionellen Tradition leiten lassen, sondern so unvoreingenommen wie möglich – und in diesem Sinne wahrhaft katholisch – die Inhalte der christlichen Überlieferung für sich selbst sprechen lassen.“502 Im Unterschied zu dem von Vincenz von Lerinum formulierten Traditionsprinzip, wonach katholische Lehre das ist, was überall, immer und von allen geglaubt worden ist und auf diese das extensive und quantitative Moment des Begriffs der Katholizität zum Ausdruck kommt, modifiziert Pannenberg dieses Verständnis503. Katholizität „erschöpft sich nicht in der „Allgemeinheit“ ihrer Verbreitung über die ganze Erde, noch ist sie gar identisch mit der Institution einer Weltkirche. Der Gedanke der Katholizität sei dagegen qualitativ von der Fülle der eschatologischen Vollendung der Kirche her zu verstehen (Eph 1, 23), die sich in jeder geschichtlichen Gegenwart manifestiert durch die Offenheit 499 M. Bauman, W. Pannenberg, Wolfhart Pannenberg, Munich, West Germany (Interview), 50. Pannenberg erklärt unmissverständlich: „I have no sympathy for any kind of slavish confessionalism, whether Lutheran, Reformed, or Roman Catholic.“ (ebd.). Man vgl. auch Pannenbergs Schelte einer „konfessionell verengte[n] Perspektive“ bei „der Verbindung der Religionstheologie mit der Apologetik“. (W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 372). 500 M. Bauman, W. Pannenberg, Wolfhart Pannenberg, Munich, West Germany (Interview), 50. 501 Siehe dazu W. Pannenberg, Heiligung und politische Ethik – Ein kritischer Blick auf einige Grundlagen der Befreiungstheologien im Protestantismus, 86: „Dennoch beeinflußt ohne Zweifel auch heute noch die jeweilige konfessionelle Mentalität die Art und Weise, wie verschiedene Theologen die gegenwärtigen Probleme des christlichen Glaubens und der gesellschaftlichen Welt betrachten, und es ist einfach ein Erfordernis selbstkritischer Bewußtheit, den unterschwelligen Einfluß unseres konfessionellen Erbes auf unsere Denkweisen und die dadurch bedingten Einseitigkeiten der jeweiligen Perspektive zu berücksichtigen. Das kann nur geschehen, indem jeder Theologe seine eigene konfessionelle Tradition ebenso wie die anderen immer wieder einer kritischen Prüfung unterzieht, um so die Gegensätze zwischen den überlieferten Auffassungen und Mentalitäten zu überwinden.“ 502 So W. Pannenberg (Theologie und Reich Gottes, 56) zum Umgang mit christlicher Verkündigung und christlichem Unterricht. 503 Vgl. W. Pannenberg, Apostolizität und Katholizität der Kirche in der Perspektive der Eschatologie, 109f.

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konkreter kirchlicher Gemeinschaft über die eigene Besonderheit hinaus auf die erst im Eschaton voll einzuholende Fülle Christi hin (Eph 4, 13; vgl. Kol 1, 19, Joh 1, 16).“504 Aus dem eschatologischen Charakter der Katholizität folgert Pannenberg, „daß keine, auch nicht die höchste gegenwärtige Erscheinungsform der Katholizität, sie exklusiv für sich allein beanspruchen kann.“505 Von daher wird verständlich, dass „keine einzelne Kirche, keine einzelne Erscheinungsform christlicher Katholizität […] exklusiv identisch sein [kann] mit der einen katholischen Kirche, deren volle Offenbarung die Christen von der künftigen Vollendung erwarten und in deren vorläufiger Erscheinung sie leben, so wie sie sich in den mancherlei christlichen Gemeinschaften manifestiert.“506 Wirkliche Katholizität in dem hier beschriebenen Sinne ist sich „der Vorläufigkeit der eigenen Erkenntnis- und Lebensform“ bewusst und so „darin offen für Gemeinschaft mit anderen“507 Sein Bild von echter Katholizität im Sinne der ökumenischen Einheit der Kirche ist es, alle partikularen christlichen Kirchen „als Teilkirchen der einen Kirche Christi“ zu verstehen508. Wenn die Kirchen die Hoffnung nach der Einheit aller Christen, d. h. nach voller Gemeinschaft, zum Ziel hätten, dann würden sich – so Pannenberg – alle kirchlichen Gemeinschaften „als wahrhaft christliche Kirchen erweisen.“509 Eine regelrechte „Perversion wahrer Katholizität“ läge im Gegensatz dazu dann vor, „wenn eine Kirche die eigene – immer auch partikulare – kirchliche Verfassung und Tradition exklusiv, in Abgrenzung gegen andere Kirchen, als allein katholisch behauptet.“510 Die anvisierte, echte Katholizität als Zielbestimmung von Kirche in Einheit soll nicht auf Kosten einer binnenchristlichen, vielgestaltigen Pluralität gehen. Pannenberg optiert für ein neues Bewusstsein von christlicher Einheit, das in der programmatisch wirkenden Wendung „unity without uniformity“511 prägnant 504 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 444. 505 W. Pannenberg, Apostolizität und Katholizität der Kirche in der Perspektive der Eschatologie, 109. 506 W. Pannenberg, Apostolizität und Katholizität der Kirche in der Perspektive der Eschatologie, 109. Siehe auch Ethik und Ekklesiologie, 238, auch schon zu diesem Gedanken a. a. O., 235ff. 507 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 444. 508 W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 199; vgl. auch W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 236. 509 W. Pannenberg, Der ökumenische Weg seit dem II. Vatikanischen Konzil – aus evangelischer Sicht, 24. Zum Thema siehe a. a. O., 23f. Von der Zielbestimmung kirchlicher Einheit herkommend versteht sich etwa auch Pannenbergs Würdigung der päpstlichen Enzyklika Ut unum sint. Siehe dazu ebd. 510 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 444. 511 W. Pannenberg, The Kingdom of God and the Church, 27. „Unity, it cannot be said too often, does not mean uniformity. Unity is secured within the established community which comprehends existing differences and even antitheses.“ (W. Pannenberg, Mary, Redemption and Unity, 68).

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zum Ausdruck kommt. Wahre Katholizität sei nicht durch ein Bemühen um Uniformität gekennzeichnet; Letztere sei deshalb schon nicht erstrebenswert, weil eben „die katholische Fülle […] in der noch nicht vollendeten Geschichte nur in konkreten und als solchen verschiedenen und partikularen Gestalten [erscheint].“512 Pannenberg wendet sich aber auch gegen jene besondere Erscheinungsform von Uniformität, wie sie etwa auf protestantischer Seite in der Formel des consensus de doctrina zum Ausdruck kommt513. Denn mit solcher Uniformität sieht er die katholische Fülle verloren gehen514. „Wahre Katholizität schließt […] alle Forderungen nach Uniformität aus, nicht nur in Fragen der Liturgie und Kirchenzucht, sondern auch hinsichtlich der Lehre.“515 Pannenberg geht von einer Vereinbarkeit von Katholizität und Vielgestaltigkeit aus516. Den Konfessionskirchen in ihrer Pluralität komme eine „positive Funktion für die Einheit der Christen“ zu, sofern sie sich als „Treuhänder eines Erbes“ verstünden517. Das Bemühen um Katholizität heißt für Pannenberg, sich um eine vielfältige Pluralität zu bemühen, sie zu kultivieren und dabei eben das Gesamtchristliche, seine Geschichte und sein Erbe nicht zu vergessen518. ‚Katholizität‘ heißt aber noch mehr, wie Pannenbergs veritative Applikation zu erkennen gibt: Er versteht den Aspekt „des Katholischen als Fülle der Wahrheit“519, also eschatologisch-holistisch. D. h. es geht ihm dabei um die erst eschatologisch in all ihrer Fülle in Erscheinung tretende eine und ganze Wahrheit520. In Bezug auf die Lehre bedeutet dies, dass „keine geschichtlich konkrete

512 W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 236. 513 Vgl. W. Pannenberg, Apostolizität und Katholizität der Kirche in der Perspektive der Eschatologie, 109. 514 Vgl. W. Pannenberg, Apostolizität und Katholizität der Kirche in der Perspektive der Eschatologie, 109. 515 W. Pannenberg, Die Kirche und das eschatologische Gottesreich, 128. Zur Pluralität von Lehrformulierungen siehe etwa schon W. Pannenberg, Apostolizität und Katholizität der Kirche in der Perspektive der Eschatologie, 110. 516 Vgl. W. Pannenberg, Die Kirche und das eschatologische Gottesreich, 128. 517 W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 242. Der Gedanke der Einheit des Glaubens schließt Pluralität in Formulierungen und Perspektiven nicht aus (Vgl. W. Pannenberg, Das Abendmahl – Sakrament der Einheit, 35). Gegen Uniformität, aber hin zu dem Gedanken der Einheit in Vielheit tendierte schon das ökumenische Gespräch zwischen Pannenberg und Heinrich Fries im Jahre 1975: Vgl. dazu W. Pannenberg, Die Situation der Ökumene. Zwei Gespräche von Heinrich Fries und Wolfhart Pannenberg, 35f. 518 Siehe dazu W. Pannenberg, Apostolizität und Katholizität der Kirche in der Perspektive der Eschatologie, 108f. 519 W. Pannenberg, Apostolizität und Katholizität der Kirche in der Perspektive der Eschatologie, 109f. 520 Vgl. W. Pannenberg, Apostolizität und Katholizität der Kirche in der Perspektive der Eschatologie, 109f. Man möge, so heißt es an anderer Stelle, „stets bescheiden und demütig dessen eingedenk“ bleiben, „wie entfernt doch die eigene Tradition, Lehre und Lebensform noch von der eschatologischen Fülle der Wahrheit ist, die erst in der Zukunft des Reiches

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und als solche immer auch beschränkte Erscheinungsform der Lehre mit der ganzen Wahrheit [kursiv: T. L.] identisch“521 sei. „Von [s]einem eschatologischen Begriff der Katholizität her wird man [in der Tat] urteilen [können], daß die Fülle der christlichen Wahrheit jeweils in geschichtlichen Formen christlicher Lehre in Erscheinung tritt, aber nie schon ganz und vollständig zum Ausdruck gebracht ist“, weshalb es darum „stets möglich [sei], dasselbe – nämlich die eine Wahrheit Christi – nicht nur neu, sondern auch anders zu sagen, sogar im Gegensatz gegen frühere Lehrformulierungen, ohne daß damit notwendigerweise geleugnet wäre, daß diese früheren Formulierungen zu ihrer Zeit ein wenn auch beschränkter Ausdruck derselben Christuswahrheit [kursiv: T. L.] gewesen sind.“522 So sei dann auch über die Legitimität von verschiedenen, z.Tl. entgegengesetzten Lehrformulierungen im Prozess der weiterhin sich aufs Eschaton zubewegenden Geschichte zu urteilen und auch zu fragen, ob und inwiefern sie jeweils als „in ihrer Erkenntnis und in ihrem Recht beschränkte (und zwar nicht nur wechselseitig durch einander beschränkte) Ausdrucksformen der einen Wahrheit Christi [kursiv: T. L.] anerkannt werden.“523 Pannenberg zufolge kann weder gesagt werden, „[d]aß eine der Konfessionen exklusiv die Wahrheit des christlichen Glaubens verkörpert“524, noch dass „alle Wahrheit nur auf einer Seite zu finden ist“525 oder davon ausgegangen werden könne, dass die Konfessionskirchen „die allgemeine Wirklichkeit und Wahrheit des Christentums“526 repräsentieren (könnten). Es sei ein konfessioneller und partikularer Standpunkt als eine zu enge Option zu durchschauen und eine Offenheit gegenüber der umfassenderen universalen Wahrheit (des Christlichen) anzuerkennen527.

521 522 523 524 525 526 527

Gottes offenbar werden wird.“ (W. Pannenberg, Die Kirche und das eschatologische Gottesreich, 128). W. Pannenberg, Apostolizität und Katholizität der Kirche in der Perspektive der Eschatologie, 109f. W. Pannenberg, Apostolizität und Katholizität der Kirche in der Perspektive der Eschatologie, 110. W. Pannenberg, Apostolizität und Katholizität der Kirche in der Perspektive der Eschatologie, 110. W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 241. W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 252. W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 191. Vgl. W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 192. Vgl. W. Pannenberg, Die Kirche und das eschatologische Gottesreich, 128. Wenn theologische Positionen (lediglich) – da liegt eine Parallele zur oben erkennbaren Logik – „auf bestimmte konfessionelle Ursprünge zurückgeführt werden“, würde man weder „diesen Positionen als Ausdruck zeitgenössischer Erfahrung und Reflexion gerecht werden noch ihren Wahrheitsansprüchen [kursiv: T. L.].“ (W. Pannenberg, Heiligung und politische Ethik – Ein kritischer Blick auf einige Grundlagen der Befreiungstheologien im Protestantismus, 85).

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Das Ideal von Katholizität als kirchlicher Einheit einerseits und Pluralität andererseits stellt für Pannenberg keinen Widerspruch dar. Alle innerchristliche Pluralität ist in diese Einheit inkludiert gedacht und auch irgendwie auf die Einheit der Wahrheit bezogen. So solle etwa in Bezug auf Frömmigkeit und religiöses Denken eine binnenchristliche Pluralität gestärkt werden, „ohne daß dabei die Einheit der Wahrheit [kursiv: T. L.] verletzt wird“528. An anderer Stelle schreibt Pannenberg, es müsse in der Kirche „mit Toleranz und gegenseitiger Liebe die Gemeinschaft in der einen Wahrheit [kursiv: T. L.] gesucht werden.“529 In einer Predigt spricht er die These aus, dass „[d]ie Einheit der christlichen Wahrheit [kursiv: T. L.;…] sich als größer als die kontroversen theologischen Formulierungen“ erweise; die Christen könnten „in aller Verschiedenheit ihrer jeweiligen Überlieferungen das Bewußtsein ihrer Einheit zum Ausdruck bringen“ und „der Welt ein Beispiel dafür geben können, wie Einheit in der Verschiedenheit der Interessen und Überzeugungen [kursiv: T. L.] möglich ist.“530 Das Bewusstsein der Wahrheit in ihrer aus Pluralität konstituierten Einheit (und deshalb auch ihrer Allgemeingültigkeit531) soll offenbar davor schützen, nur auf einer Seite – also in einer bestimmten partikularen (Konfessions-)Kirche – Wahrheit zu vermuten oder gar anzunehmen. „Die Geschichte der christlichen Spaltungen ist gekennzeichnet durch das Insistieren jeder Seite auf der ausschließlichen Geltung nur einer Form der christlichen Wahrheit [kursiv: T. L.], nämlich der jeweils eigenen Gestalt ihrer Erkenntnis532. Das gespaltene Christentum ist aus der Sicht Pannenbergs ein nicht gerade geringes Problem an sich: Ist schon zum einen die „wahre Katholizität“ nicht schon allein durch die christlichen Spaltungen in Frage gestellt, sondern auch durch die „gegenseitigen Verdammungen […] sowie durch unsere Unfähigkeit

528 529 530 531

W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 185. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 244. W. Pannenberg, Gegenwart Gottes. Predigten, 82f. Das geht aus folgender Behauptung hervor: „Das Christentum kann seinen Anspruch auf allgemein gültige Wahrheit heute nur dann sinnvoll vertreten, wenn es das Moment des Pluralismus in sein eigenes Wahrheitsbewusstsein [kursiv: T. L.] und in die Einheit seiner institutionellen Gestalt mit aufnimmt“. (W. Pannenberg, Beiträge zur Ethik, 18): „Durch die Aufnahme der Elemente von Pluralismus und Toleranz in sein eigenes Selbstverständnis wird es [= das Christentum] befähigt, seinen Wahrheitsanspruch mit neuer Glaubwürdigkeit zu vertreten, ohne sich damit dem Vorwurf eines die Freiheit einengenden Autoritarismus auszusetzen.“ (a. a. O., 19f). 532 Diese Überlegungen scheinen auch in der Auseinandersetzung mit M.M. Thomas von entscheidender Bedeutung gewesen zu sein. Siehe dazu W. Pannenberg, Die „westliche“ Christenheit in der Ökumene. Eine Antwort an M.M. Thomas, 306, dort auch ein Hinweis auf den sein Verständnis von Katholizität explizierenden Gedanken, „daß die Pluralität der Ausdrucksformen des christlichen Glaubens jedenfalls diesseits der eschatologischen Vollendung ganz normal ist“ (ebd).

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zur versöhnenden Überwindung dieser ererbten Gegensätze“ entstellt533. Zum anderen bleibt der Umstand der gespaltenen Christenheit nicht ohne Folgen im Blick auf die Wahrheitsfrage: Die „Zerrissenheit der Kirche“ bewirke eine ‚Verdunkelung‘ der „Wahrheit des Evangeliums von Jesus“534; die Spaltungen der christlichen Kirche förderten ihre Unglaubwürdigkeit535 und schmälerten ihre Überzeugungsmächtigkeit, ja sogar eine Relativierung der Wahrheitsansprüche hätten die Spaltungen bewirkt, wie Pannenberg im Anschluss an J. Lortz urteilt536. Die Kirchen seien „seit der Reformationszeit zu […] „Religionsparteien“ geworden, zu bloß partikularen und gegenseitig ihre Glaubwürdigkeit erschütternden Darstellungsformen des Christlichen“537 verkommen, weshalb es konsequent wirkt, dass Pannenberg die Möglichkeit, die „Wahrheit der Religion“ glaubwürdig geltend machen zu können, an die Bedingung der „Überwindung der christlichen Spaltungen“ knüpft538. Im Endeffekt führt diese Argumentation zurück auf die Zielbestimmung einer (ökumenischen) Einheit, also auf den Gedanken der Katholizität, der als Wahrheitsattribut Pannenbergs Wahrheitsverständnis mitkonturiert. Ökumenisches Ziel ist für Pannenberg stets die „neu zu gewinnende Gestalt der einen, eschatologischen Wahrheit Gottes für die Gegenwart“539. Solche Wiedergewinnung der Einheit der Wahrheit wird deshalb von ihm an den ökumenischen Dialog gebunden (und damit auch nicht als Aufgabe eines konfessionellen Kirchentums verstanden). Er setzt dabei jedoch voraus, dass es zu einer (präliminären) Bekundung der göttlichen Wahrheit in der Gegenwart nur „in dem Maß kommen“ kommen könne, „wie ihre Einheit im Glauben und in der Lebensform der Christen Gestalt gewinnt“540. Die Einheit der Kirche und des Glaubens soll (nach außen) die Wahrheit in ihrer Einheit repräsentieren und 533 W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 199. 534 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 10. Ausführlicher a. a. O., 10f. 535 Pannenberg beklagt, dass „die christlichen Kirchen mit ihrer Botschaft für die Welt unglaubwürdig geworden sind wegen ihrer fortdauernden Spaltungen.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 10). 536 Siehe dazu W. Pannenberg, Über Lortz hinaus?, 94. 537 W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 191. 538 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 243, dort in Auseinandersetzung mit dem Säkularismus. Zur „Gefahr künftiger neuer Spaltungen“ sowie zur „Möglichkeit von Häresie und Exkommunikation“ siehe schon W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 42f. Vgl. auch Pannenbergs Kritik an einer verzweifelten Klammerung „an die sektiererische Identität“ von Kirchtümern a. a. O., 38. Zu Pannenbergs Häresiebegriff s. auch W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 449–452. 539 W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 42. 540 W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 43. Pannenberg trägt Überlegungen zur Annäherung an die Einheit der Wahrheit über die Ökumene zusammen. Siehe dazu bes. a.a.O, 39ff.

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signifizieren. Von daher wird nachvollziehbar, dass Pannenberg urteilen kann, dass Spaltungen „die Einheit und darum auch die Wahrheit des christlichen Glaubens verdunkeln [kursiv: T .L.]“541 und „[d]ie Kirche Christi […] mit dem Verlust ihrer Einheit“ [kursiv: T. L.] auch „das Zeichen der Wahrheit ihrer Botschaft [kursiv: T. L.] verloren“ habe542. 3.3.4.3 Zwischenfazit Es hat sich gezeigt: Der Gedanke der Allgemeinheit von Wahrheit findet bei Pannenberg auch in der Vorstellung des ökumenischen Charakters einen spezifischen Ausdruck. Vor allem in älteren Publikationen verhandelt Pannenberg sein ökumenisches Anliegen unter dem Aspekt der ‚Katholizität‘ und kommt dabei auf die Figur der Katholizität der Wahrheit zu sprechen. Das Einheitsattribut wird rezipiert und mit dem Moment der Pluralität widerspruchsfrei zusammengedacht. Soviel ist klar, manch anderes bleibt aber ungeklärt, wie eine nähere Betrachtung zeigt: Die Frage, was katholische Wahrheit genau heißen soll, wird von Pannenberg nicht näher erläutert, muss also anderweitig erschlossen werden. Es liegt nahe, den Bedeutungsgehalt dieses Wahrheitsattributs vom Ideal der oben skizzierten (ökumenischen) Katholizität her zu verstehen. Katholische Wahrheit bedeutet also einmal soviel wie eine die Pluralität umfassende Einheit der Wahrheit in ökumenischem Kontext. Aber dieses Attribut der Wahrheit ist noch anderweitig konnotiert, auch von Fülle und Universalität543 her zu verstehen: Wahrheit wäre demnach katholisch in der Hinsicht, dass sie die einheitsstiftende, geschichtlich sich herausbildende ‚Fülle des Christlichen‘ umfasst544 und universalen Charakter hat545, dabei zugleich aber das holisierende Moment im καθολικός (mit-) aufnimmt546. 541 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 194. 542 W. Pannenberg, Theologie und Reich Gottes, 52, dort der Gedanke der Verdunkelung des „Bild[es] des einen Gottes, der der Gott der Liebe ist“. In einem englischsprachigen Beitrag lesen wir analog zu oben: „The Church has lost its unity, it has failed to be the sign of truth, it has obscured the image of the one God.“ (W. Pannenberg, The Kingdom of God and the Church, 21). 543 Wenn Pannenberg an einer Stelle von „Katholizität oder Universalität [kursiv: T. L.] des christlichen Glaubens“ (W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 258) spricht, wird man letzteres Wahrheitsattribut als Explikans des Ersteren verstehen dürfen, wenn daneben Katholizität auch mit Einheit in Verbindung gebracht wurde. 544 Diese Interpretation legt sich aus Pannenbergs Bemerkungen zur Häresie nahe: „Häretisch wird eine Lehre erst dann, wenn sie sich in einer Teilwahrheit abschließt und sich weigert, die Fülle des christlichen Erbes und darüber hinaus die eschatologische Fülle der katholischen Wahrheit in ihren Gesichtskreis aufzunehmen.“ (W. Pannenberg, Apostolizität und Katholizität der Kirche in der Perspektive der Eschatologie, 110). 545 Vgl. seinen Blick „auf die Universalität der katholischen Wahrheit [kursiv: T. L.], die an der

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Diese Prädikationen der Wahrheit lassen zweifellos die theologische Aufladung seines Wahrheitsverständnisses erkennen. Pannenberg verbindet diese Zuschreibungen mit den auch in profanen Kontexten geläufigen Wahrheitsattributen der Allgemeinheit, Ganzheit und der einer (Pluralität in- und Uniformität exkludierenden) Einheit, wobei auch diese Verknüpfung sich einem ebenso theologischen Interesse verdankt, das darin bestehen dürfte, Wahrheit letztlich (aber nicht zuletzt hier) theologisch zu deuten und zu verstehen. Doch seine primär nicht um Wahrheit, sondern um das rechte Verständnis von Ökumene kreisenden Erwägungen enthalten Probleme, die bei näherem Hinsehen deutlich(er) zu Tage treten. Das ist m. E. in erster Linie die nicht eigens hervorgehobene, gleichsam parallele Verwendung verschiedener formaler Wahrheitsbegriffe: Die ‚Wahrheit Christi‘/‘Christuswahrheit‘ ist personale und (onto-)theologische Wahrheit, wohingegen die auf die Lehre und ihre Formulierungen bezogene ‚christliche Wahrheit‘ dem aussagetheoretischen Wahrheitstyp zuzuordnen wäre. Ist diese, so mag man weiter fragen, mit der (materialen) Wahrheit des Christentums identisch? Und selbst wenn: es bliebe zu prüfen, ob a) Katholizität und Ökumenizität überhaupt als adäquate Wahrheitsattribute gelten können und wenn ja b) für welche der verschiedenen Wahrheitsbegriffe (für ausgewählte oder ausnahmslos alle?) sie in Betracht zu ziehen wären. Es ist wenig differenziert und auch wenig hilfreich, Wahrheitsattribute so pauschalisierend zu behaupten. Überhaupt wird m. E. die ökumenische Thematik partiell auf unzulässige Weise mit der Wahrheitsfrage verquickt: Die von Pannenberg ersehnte, ökumenische Pluralität von Lehre und Lehrformulierungen innerhalb einer (wie auch immer näher gearteten) ‚Fülle des Katholischen‘ sagt für sich noch nichts aus über den Wahrheitsgehalt eines Wahrheitsanspruches, auch nichts über die Wahrheit Christi oder die des Christentums. Von kirchlicher Einheit oder Ökumene kann nicht einfach auf Wahrheit geschlossen werden, auch nicht auf die Qualität der jeweils nur für vorläufig erachteten Erkenntnis. Darum muss auch nicht die von Pannenberg beklagte Spaltung der Christenheit die Wahrheitsproblematik als solche tangieren. Das gilt für alle bei Pannenberg anzutreffenden Verwendungsweisen des Wortes ‚Wahrheit‘, wobei sich diese Problematik in besonderer Deutlichkeit am aussagetheoretischen Wahrheitsbegriff demontriumphierenden Kirche der eschatologischen Vollendung in Erscheinung treten wird“ (W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 236). 546 Die folgenden kritischen Bemerkungen über die katholische Wahrheit zeigen, dass Pannenberg über Vincenz von Lerinum hinaus will: „[…] denn nirgends ist nur das als katholische Wahrheit gelehrt worden, was überall, immer und von allen in derselben Form geglaubt worden wäre. Vielmehr hat der Fortschritt der Lehrbildung zwar nicht notwendigerweise den Glauben, wohl aber das Glaubensverständnis früherer Generationen, aber auch zeitgenössischer Autoritäten, immer wieder korrigiert (W. Pannenberg, Apostolizität und Katholizität der Kirche in der Perspektive der Eschatologie, 110).“

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strieren lässt: Die aussagetheoretische Wahrheit einzelner Überzeugungen oder Lehrformulierungen kann nicht davon abhängen, ob sie von vielen Personen, in einer geeinten Kirche oder von Vertretern einer konfessionellen bzw. partikularen Position geteilt werden (wie Pannenberg übrigens später in seiner Kritik am Konsensus-Kriterium der Wahrheit eigens deutlich und vor allem zu Recht hervorhebt547). Pannenberg scheint sehr an der Rezeption, an Außenwahrnehmung und einer zeichenhaften Wirkung ad extra interessiert zu sein: die Einheit der Kirche soll die Einheit der Wahrheit repräsentieren und dadurch irgendwie Glaubwürdigkeit vermitteln. Es mag in der Tat durchaus vorstellbar sein, dass eine ökumenisch geeinte Kirche im Sinne Pannenbergs einen überzeugenden Eindruck machen kann und sich im Bewusstsein katholischer Wahrheit wähnt. So wünschenswert diese Sachlage auch sein mag. Sie würde wohl kaum den Charakter der Wahrheit selbst beeinflussen können.

3.3.5 Die Geschichtlichkeit der Wahrheit „Mit der These von der Geschichtlichkeit der Wahrheit nähern wir uns dem zentralen Gedanken des Pannenbergschen Wahrheitsbegriffs.“548

Neben v. a. der Einheit und Allgemeinheit der Wahrheit hat Pannenberg mit besonderem Nachdruck auch ihre Geschichtlichkeit behauptet. Der These der Geschichtlichkeit der Wahrheit kommt bei Pannenberg zentrale Bedeutung zu, wie R. Barth zu Recht herausgestellt hat549. Sie bedeutet nichts weniger als die Verabschiedung eines zeitunabhängigen oder zeitlosen Wahrheitsverständnisses. Pannenbergs Kernthese lautet: „Der Begriff der Wahrheit selbst ist wesentlich als Geschichte zu fassen.“550

Interessanterweise stand Pannenberg mit dieser Einschätzung keineswegs alleine da. Bekannt ist, dass im 20. Jahrhundert vielfach von der Wahrheit gesagt wurde, sie sei geschichtlich. Man denke beispielsweise an B. Welte:

547 S. u. 548 So treffend R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 22. 549 So schon oben R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 22; auch Chr. Glimpel (Gottesgedanke und autonome Vernunft, 100) hat auf die „fundamentale Rolle“ der Geschichte in Pannenbergs Wahrheitsverständnis hingewiesen. 550 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 117. Er bezieht sich hier auf seinen (frühen) Aufsatz ‚Was ist Wahrheit?‘, dem besondere Bedeutung hinsichtlich seines Verständnisses von Wahrheit und Wahrheitserkenntnis zukommt.

242

Wolfhart Pannenbergs Wahrheitskonzeption

„Das Problem Wahrheit und Geschichtlichkeit gehört gewiß zu den aktuellsten und realsten, die es gibt. Es steht an und wartet auf seine Lösung, ob wir wollen oder nicht, und ob uns die Lösung gelingt oder nicht.“551

An Welte anschließend ist I. Feige auch (noch) heute der Meinung, für das endliche, menschliche Dasein gebe „es Wahrheit nur als geschichtliche Wahrheit“552. Nun ist aber diese These der Geschichtlichkeit der Wahrheit eine alles anderes als eindeutige und klare Programm-Ansage. Schon J. Möller stellte 1967 fest: „Die Diskussion über die genannte Frage ist heute so verbreitet und fortgeschritten, daß man nur schwer einen Überblick gewinnen kann. Zudem ist die Problemstellung nicht einheitlich und wird von sehr verschiedenen Gesichtspunkten aus in Angriff genommen“553. Diese Sicht sollte später A. Kreiner bestätigen. Bei der mit „Geschichtlichkeit der Wahrheit“ signifizierten Problemstellung „handelt es sich um ein unentwirrbares Konglomerat unterschiedlicher Fragestellungen“554. Über die sog. Geschichtlichkeit der Wahrheit lässt sich pau551 B. Welte, Wahrheit und Geschichtlichkeit, 69. Mit diesen Worten begann B. Welte seinen Vortrag ‚Wahrheit und Geschichtlichkeit‘, den er in Paris am 2. Februar 1952 vor Professoren der Theologie und Philosophie hielt. Vgl. dazu B. Welte, Mensch und Geschichte, 69ff. Von B. Welte sind auch die folgenden Sätze überliefert: „Die Frage „Wahrheit und Geschichtlichkeit“ ist selbst geschickhaft für uns zu weltweiter Bedeutsamkeit herangewachsen für alle Wissenschaften des Geistes und am meisten für die Wissenschaft, aus der dieses Fragefeld erwachsen ist: für die christliche Theologie. Für [sie] ist diese Frage zu der großen kritischen Frage überhaupt in einander folgenden geschichtlichen Schüben von wachsender Dringlichkeit herangewachsen.“ (So B. Welte in seiner Vorlesung ‚Wahrheit und Geschichtlichkeit‘ (von 1962), in: B. Welte, Mensch und Geschichte, 89f). I. Feige schreibt: „Die Erfahrung der Geschichtlichkeit war einer der wirkungsvollsten Aufbrüche für das Denken des 20. Jahrhunderts. Die Anfänge dieser Erfahrung reichen weit ins 19. Jahrhundert zurück, erwuchsen aber im vorigen Jahrhundert in neuem Ursprung und neuer Wendung. Zu nennen sind vor allem Martin Heidegger und – auf andere Weise eindrücklich und wegweisend – Franz Rosenzweig.“ (I. Feige in ihrer Einführung zu B. Welte, Mensch und Geschichte, 13). 552 So I. Feige in ihrer Einführung zu B. Welte, Mensch und Geschichte, 13. 553 J. Möller, Geschichtlichkeit und Ungeschichtlichkeit der Wahrheit, 16. Möller bietet ebd. einen Literaturüberblick zur Thematik (wie sie in den 1950er und 1960er Jahren behandelt wurde), also ziemlich genau in der Zeitspanne, als auch Pannenberg die These der Geschichtlichkeit der Wahrheit entwickelte und ihr seine eigene Prägung gab. Eine (Grund-) Gemeinsamkeit mit Möller besteht darin, den Aspekt des Geschichtlichkeit vom alttestamentlichen Denkhorizont her zu verstehen (vgl. a. a. O., bes. 38: „Im alttestamentlichen Denken ist ‘ämät als Wahrhaftigkeit Gottes geschichtlich auf das Volk Gottes bezogen. Gottes Wort ist wahr, weil Gott getreu ist.“). 554 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 11. Kreiner beruft sich hier auf die Arbeiten von R. Schaeffler, J. Möller, H. Ott, I. de la Potterie u. G. Haeffner. Die angesprochene Problematik sei an nur zwei willkürlichen Beispielen kurz gezeigt. Für Walter Kasper ist die Wahrheit geschichtlich, „insofern sie die geschichtliche Erinnerung (memoria) der Kirche reflektiert“, „insofern sie um die ewige Wahrheit auszusagen auf geschichtliche Aussageformen, Begriffe, Bilder und Symbole und deren geschichtlich bedingte und begrenzte Aussagekraft zurückgreifen muß“ (W. Kasper, Das Wahrheitsverständnis der Theologie, 191) oder insofern „sie auf unterschiedliche, geschichtlich sich wandelnde Situationen bezogen und von diesen immer wieder neu herausgefordert ist“ (a. a. O., 192). Für W. Dietz stellt sich dagegen das

Die Attribute der Wahrheit und die Frage nach dem (formalen) Wahrheitsbegriff

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schal nichts einigermaßen Greifbares, geschweige denn etwas Substantielles sagen, ohne zugleich ausdrücklich Bezug zu nehmen auf ein bestimmtes Konzept einer so bezeichneten Wahrheit. Diese Wahrheitsattribuierung scheint zunächst nicht mehr als ein Label zu sein; definitorisch und explikatorisch muss eingeholt werden, was damit bezeichnet werden soll. Was Geschichtlichkeit als Wahrheitsattribut in Pannenbergs Theologie bedeutet, bedarf darum einer separaten und gründlichen Klärung. Dessen ungeachtet ist zunächst wahrzunehmen, dass es sicher kein Zufall ist, dass Pannenberg seine These der Geschichtlichkeit der Wahrheit (erstmals) zu einer Zeit erhob, in der – das war in den 1960er Jahren – der Marxismus und seine Ideale diskutiert wurden, und so auch darüber, dass dieser die Geschichte als einem zentralen Topos verteidigte gegenüber Geschichtsabstraktionen. Solches im Marxismus beheimatete Geschichtsdenken scheint Pannenberg rezipiert zu haben im Zusammenhang seiner (vielleicht auch ohnehin schon vom Marxismus geprägten?) Anschauung, dass der Möglichkeit der Existenz zeitindifferenter Wahrheiten skeptisch gegenüber zu stehen sei555. Während Pannenbergs Sympathien für das marxistische Geschichtsdenken und seine Auswirkung auf das Wahrheitsverständnis schon im Ansatz unverkennbar sind, scheinen andere, der Geschichtlichkeit besondere Beachtung schenkende Strömungen von kaum einer oder gar keiner Bedeutung für Pannenberg gewesen zu sein. Weder in Bezug auf den (dialogischen) Personalismus noch hinsichtlich der hermeneutischen Theologie wird man sagen können, dass

Verhältnis von Wahrheit und Geschichtlichkeit folgendermaßen dar: „Während sich die Wahrheit einer naturwissenschaftlichen Theorie gerade in der Wiederholbarkeit ihrer experimentellen Anwendung zeigt, erweist sich die Wahrheit des Christentums gerade in der geschichtlichen Faktizität und Einmaligkeit.“ (W. Dietz, Wahrheitsgewissheit und Einheit der Wirklichkeit aus theologischer Sicht, 66). Siehe auch a. a. O., 67: „Die Frage nach dem Wesen der Wahrheit erschließt sich einerseits durch Rekurs auf das Medium ihrer Präsentation (Geschichte), andererseits durch Verweis auf das Medium ihrer Wirksamkeit (Befreiung).“ Man vgl. exempl. ferner auch weitere Typen der Verhältnisbestimmung von Wahrheit und Geschichte etwa bei M. Heidegger u. H.G. Gadamer. Siehe dazu A. Halder, Geschichtliche und logische Wahrheit, 42–59. 555 Vgl. W. Pannenberg, Weltgeschichte und Heilsgeschichte, 350. Pannenberg urteilt: „In dem geistigen Ringen unserer Zeit zwischen geschichtlichen und ungeschichtlichen Denkweisen findet sich die christliche Theologie an die Seite des Marxismus gewiesen, dessen Verteidigung der Geschichtlichkeit des Denkens in der heutigen Öffentlichkeit die größte Resonanz findet.“ (ebd.). Diesen zeitgeschichtlichen Hintergrund im Denken Pannenbergs sieht etwa A.E. McGrath. Über die Geschichtsphilosophie sagt er: „Diese stand während der 1960er Jahre auf der Agenda, als marxistische Ideale in der intellektuellen Kultur Deutschlands die Untersuchung der Rolle der Geschichte zu einem zentralen Thema machten. Der Marxismus betonte die Wichtigkeit der richtigen Geschichtsinterpretation.“ (A.E. McGrath, Naturwissenschaft und Religion – eine Einführung, 251). Auch Pannenbergs Offenbarungsverständnis – Offenbarung programmatisch als Geschichte zu fassen – fällt sicher ebenso keineswegs zufällig in diese Zeit, wenngleich Pannenberg darum bemüht ist, die Geschichtlichkeit vornehmlich aus biblischen Befunden zu gewinnen.

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Wolfhart Pannenbergs Wahrheitskonzeption

hier ein Einfluss erkennbar ist556. Heideggers in gewissem Sinne geschichtliches Wahrheitsverständnis spielt allenfalls eine marginale Rolle bei Pannenberg, Bultmanns gar keine557. Durch welche spezifischen Grundeigentümlichkeiten Pannenbergs Konzept geschichtlicher Wahrheit sich auszeichnet, wird Gegenstand der nachfolgenden, detaillierteren Betrachtungen sein. 3.3.5.1 „ Wa s i s t Wa h r h e i t ? “ – Der Argumentationsgang zur Begründung der Einheit und Geschichtlichkeit der Wahrheit558 Eine der entscheidenden Quellen zu Pannenbergs geschichtlichem Wahrheitsverständnis ist der (frühe) Aufsatz „Wa s i s t Wa h r h e i t ? “. Zur Rekonstruktion desselben verdient dieser Beitrag darum vorrangige, wenn auch nicht ausschließliche, Beachtung.

556 Auf Pannenberg dürfte eher kaum die „protestantische Denktradition mit ihrem prozessualen, personalen und hermeneutischen Wahrheitsverständnis“ (zit. s. u.) einen merklichen Einfluss ausgeübt haben. Dass es ein solches Wahrheitsverständnis gibt, ist die Meinung H. Otts, der diese Wahrheitsauffassung auf das reformatorische Evangeliumsverständnis als „primär viva vox“ zurückführt. Vgl. H. Ott, Bilanz der Diskussion um die vatikanische Primats- und Unfehlbarkeitsdefinition, in: Papsttum als ökumenische Frage, 215f u. 227 (=zit.). Eher das Gegenteil ist der Fall: Pannenberg hat sich deutlich von E. Brunner, der mit seiner Fassung von Wahrheit als Begegnung (vgl. Buch) als ein bekannterer Repräsentant eines just solchen Wahrheitstyps gelten kann und von Ott gewürdigt wird, abgegrenzt. (Auch) in den Ausführungen bei Ott zeigt sich, was symptomatisch für den älteren Wahrheitsdiskurs in der Theologie gegen Ende des 20. Jahrhunderst m. E. vielfach gewesen ist und in dieser Arbeit wiederholt als problematisch ausgewiesen werden wird: Die Abwertung des aussagetheoretischen/-logischen Wahrheitsverständnisses gegenüber einem alternativen, nicht selten auch angeblich spezifisch ‚theologischen‘ Verständnis von Wahrheit. So urteilt Ott fast schon mustergültig: „Wahrheit ist nicht ein statisches System „wahrer Sätze“ über Gott und seine Absichten, sondern ein komplex-dynamisches Geschehen. Indem der Mensch von diesem Geschehen ergriffen wird, wird er von der Wahrheit erreicht.“ (a. a. O., 215). Und im Anschluss an Brunner meint er: „Der Glaube bezieht sich nicht auf ‚etwas Wahres‘ – und wäre dieses Wahre ein von Gott Gesagtes –, sondern er bezieht sich auf Gott selbst, wie er sich in seinem Wort uns offenbart, uns gegenwärtig ist, uns anredet und von uns die Antwort des Vertrauensgehorsams fordert.“ (a. a. O., 216). Siehe auch Otts Bezugnahme auf E. Jüngels hermeneutisches Wahrheitsverständnis (in: E. Jüngel, Unterwegs zur Sache, 189ff), wonach Wahrheit, wie mit E. Fuchs u. G. Ebeling behauptet wird, ursprunghaft nicht im Satz beihematet sei (vgl. a. a. O., 204). 557 Das ist insofern bedauerlich, als „[d]ie Diskussion über die Geschichtlichkeit und über den Zusammenhang von Geschichtlichkeit und Wahrheit […] in der Philosophie durch Heidegger, in der Theologie durch Bultmann besonders aktuell geworden [ist].“ (J. Möller, Geschichtlichkeit und Ungeschichtlichkeit der Wahrheit, 17). 558 Ich folge dem Argumentationsgang des Aufsatzes Was ist Wahrheit?, wobei für geeignete Ergänzungen auch andere Beiträge Pannenbergs berücksichtigt werden.

Die Attribute der Wahrheit und die Frage nach dem (formalen) Wahrheitsbegriff

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3.3.5.1.1 Die Distinktion zwischen israelitischer und griechischer Wahrheit559

„Although Pannenberg’s approach to the problem of truth is considered original and creative, it tends to depend on a basic contradistinction between Greek and Hebrew forms of truth.“560

Es ist eingangs erwähnt worden, dass Pannenberg die (theologische) Frage nach der Wahrheit im Kontext des von ihm sog. „abendländischen Wahrheitsverständnisses“ behandelt sehen will561. Dessen Anfänge hat Pannenberg in Anknüpfung an eine von Hans v. Soden 1927 in Marburg vorgetragene Rektoratsrede ( „ Wa s i s t Wa h r h e i t ? Vo m g e s c h i c h t l i c h e n B e g r i f f d e r Wa h r h e i t “ ) auf zwei Wurzeln – namentlich auf das israelitische und griechische Wahrheitsverständnis – zurückgeführt562. Ergänzend stell Pannenberg fest, dass mit der Verschiedenheit der Wahrheitsverständnisse zugleich auch eine Verschiedenheit im Wirklichkeitsverständnis verbunden sei.563 Zunächst folgt er aber den Überlegungen des Marburger Theologieprofessors, stellt die Eigentümlichkeiten beider Wahrheitskonzeptionen dar und kommt dabei auch auf die durch von Soden herausgestellten Unterschiede und Gemeinsamkeiten beider Konzeptionen zu sprechen. Pannenberg selbst geht davon aus (und möchte dies in seinem Argumentationsverlauf auch demonstrieren), „daß die Spannung zwischen griechischem umd israelitischem Wahrheitsgedanken die ganze Geschichte des Wahrheitsverständnisses im Abendland bis heute bestimmt.“564 Im Kern dient seine Behandlung beider Wahrheitsverständnisse der Profilierung der veritativen Geschichtlichkeitsthese wie überhaupt der Explikation dessen, was s.E. unter Wahrheit zu verstehen sei. In der Durchsicht des Aufsatzes wird ein dahinterliegendes, dezidiert theologisches Interesse mehr als nur deutlich565. 559 Eine kleine Skizze zu Pannenbergs Unterscheidung zwischen griechischem und hebräischem (als dem biblischen) Wahrheitsbegriff hat auch S. Greiner (Die Theologie Wolfhart Pannenbergs, 191–194) angefertigt. 560 P.J.A. Cook, Pannenberg: A Post-Enlightenment Theologian, 252. Für eine kritisch-konstruktive Auseinandersetzung möge man diese luzide Bemerkung im Hinterkopf behalten. 561 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 203. 562 Vgl. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 203. 563 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 203. 564 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 203. Pannenberg bezieht sich auf Hans von Sodens viel beachtete Rektoratsrede „Was ist Wahrheit? Vom geschichtlichen Begriff der Wahrheit“ (1927). H. v. Soden hat darüber hinaus bestimmte für den christlichen Glauben konstitutive Wahrheitskriterien genannt (Bibel und Vernunft sowie Offenbarung und Natur), die von Pannenberg allerdings in keiner Weise Berücksichtigung erfuhren. Siehe H. v. Soden, Was ist Wahrheit? Vom geschichtlichen Begriff der Wahrheit, 18 (siehe dazu auch E.M. Pausch, Wahrheit zwischen Erschlossenheit und Verantwortung, 232f). 565 Man vgl. auch Pannenbergs Hinweis auf seinen Aufsatz ‚Was ist Wahrheit?‘ und die Bemerkung, darin „für ein biblisch begründetes Seinsverständnis und Wahrheitsverständnis [kursiv: T. L.]“ eingetreten zu sein (W. Pannenberg, Die Offenbarung Gottes in Jesus von Nazareth, 168 Anm. 32). Auch S.J. Grenz (Reason for Hope, 296) stellt fest, dass Pannenbergs

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Wolfhart Pannenbergs Wahrheitskonzeption

Eine (Grund-)Verschiedenheit beider Wahrheitsbegriffe annehmend, hat Pannenberg ihre Charakteristika insbesondere in den Aufsätzen „Wa s i s t Wa h r h e i t ? “ und „Wa h r h e i t , G e w i ß h e i t u n d G l a u b e “ (1978) 566 grundlegend dargestellt und später in seiner „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ (1988– 1993) erneut aufgegriffen567. Auf beide beanspruchten Wahrheitsbegriffe ist nun in Form einer Skizze näher einzugehen, bevor dem Denkweg Pannenbergs in Orientierung an dem Aufsatz „Wa s i s t Wa h r h e i t ? “ weiter gefolgt wird. 3.3.5.1.1.1 Der hebräische/ israelitische Wahrheitsbegriff nach Pannenberg Der hebräische Ausdruck für Wahrheit heißt ‫( ֱאֶמת‬emet). Allerdings ist dieses Wort mit einer Reihe von Konnotationen verbunden, weswegen Pannenberg sie bei seiner Darstellung berücksichtigt und großenteils anhand biblischer Belegstellen illustriert. Der hebräische Ausdruck für Wahrheit kann laut Pannenberg neben der Übersetzung mit „Wahrheit“ auch durch folgende Begriffe wiedergegeben werden: Festigkeit, (unverbrüchliche) Tragfähigkeit (von Sachen oder Worten) 568, Beständigkeit sowie Verlässlichkeit, Zuverlässigkeit/Wahrhaftigkeit (z. B. bei Aussagen) 569 und Treue570 (bei Personen) 571. „Das hebräische Wort für

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Theologie eine „conservative theology“ sei und in gewissem Sinne auch „Bible-centered“ ist, wie es sich hier in besonderer Deutlichkeit zeigt. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, in: W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie. Gesammelte Aufsätze Band 2, 226–264. Zum israelitischen Wahrheitsverständnis bzw. zur Differenzierung zwischen hebräischem/ alttestamentlichem/biblischem und griechischem Wahrheitsbegriff siehe auch bes.: W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. I, 117ff, 329ff; W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 18; W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 34f; W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. II, 117f; W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 511 inkl. Anm. 130; W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 156–158; W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 64, 279, 419. Vgl. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 203. Die Übersetzung mit „Wahrhaftigkeit“ (bzw. „wahrhaft“, teils auch mit „Wahrheit“) begründet Pannenberg mit dem Verhältnis von Zuverlässigkeit zur Wahrheit, welches er vor allem im Kontext zwischenmenschlicher Belange verortet sieht. Er verweist dazu weiterführend auch auf die „enge Beziehung des hebräischen Wahrheitsbegriffs zur Rechtssprache“ (Hinweis auf G. Quell, Art. ἀλήθεια A. Der at.liche Begriff ‫ֱאֶמת‬, 234f). Folgende veranschaulichenden Belege nennt Pannenberg: Sach 8,16 u. 7,9; Prov 14,15; Dtn 13,14; 17,4; 22,20. Vgl. dazu Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 229f. Siehe zu alledem ausführlicher ebd. Von Pannenberg ausgewählte Belege zu ‫ ֱאֶמת‬als Treue: Ps 85,12; Jos 24,14; Ri 9,16.19; 1 Sam 12,24; 1 Kön 2,4; 3,6; 2 Kön 20,3; Jes 10,20; 38,3. Dazu rechnet Pannenberg auch Neh 9,33, wo es heißt, Gott habe „Wahrheit getan“, weil sich darin seine Treue erwiesen habe. Vgl. dazu Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 230. Zur Bedeutungsspektrum des hebräischen Wahrheitsbegriffs nach Pannenberg vgl. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, bes. 203f und W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, bes. 229. R. Nnamdi (Offenbarung und Geschichte. Zur hermeneutischen Bestimmung Wolfhart Pannenbergs, 30) merkt kritisch an, dass Pannenberg den hebräischen Ausdruck ‫ ֱאֶמת‬nicht mit dem Kohärenzgedanken in Verbindung gebracht habe, was nach

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Wahrheit (emet) hat die Grundbedeutung von Festigkeit, Beständigkeit, bei Personen daher auch „Treue“. Auf diesen objektiven Bedeutungsmomenten gründet sodann das Moment der Zuverlässigkeit (Ex 18,21 u. ö.), also der Tragfähigkeit des in sich Festen und Beständigen für andere, die damit umgehen.“572 Die Referenzgrößen der genannten Begriffe können dabei variieren. Sie reichen von Sachen oder Dingen über den interpersonal-zwischenmenschlichen Bereich bis hin zu Gott als dem Garanten von oder gar Inbegriff der Wahrheit schlechthin. Als generell charakteristisch für das hebräische Wahrheitsverständnis behauptet Pannenberg ihre Geschichtlichkeit. ‫ ֱאֶמת‬bezeichne keinen Sachverhalt zeitloser Gültigkeit, sondern werde als ein geschichtliches Geschehen verstanden, welches sich immer wieder neu ereignen müsse.573 Das hänge mit dem Moment der Treue zusammen. Sie sei, wie Pannenberg mit H. v. Soden meint, „‚ein Verhalten, welches eine jeweils bestimmte Erwartung, einen bestimmten Anspruch erfüllt, ein gesetztes Vertrauen rechtfertigt‘ (v. Soden 13).“574 Wahrheit werde im israelitischen Denken „‚als Geschichte gesehene Wirklichkeit [aufgefasst], ‚Wahrheit ist nicht etwas, was irgendwie unter oder hinter den Dingen liegt und durch Eindringen in ihre Tiefe, ihr Inneres gefunden würde; sondern Wahrheit ist das, was sich in der Zukunft herausstellen wird [kursiv: T. L.]‘“575. Die Vorstellung der Geschichtlichkeit von Wahrheit – die entdeckt zu haben Pannenberg ebenfalls im Anschluss an H. v. Soden den Altisraeliten zuschreibt576

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Meinung von Nnamdi nahegelegen hätte, weil ‚cohaerere‘ „auch Halt, Bestand und Treue im existentiellen Sinn“ meine (vgl. zu Nnamdis Anliegen im Detail ebd.). Doch dies, so Nnamdi, bleibe für Pannenberg „scheinbar ohne theologische Relevanz“, was Nnamdi damit erklärt, dass Pannenberg „auf die Eigenart der Kohärenzwahrheit nicht weiter eingeht, als die philosophische Erkenntnislehre erlaubt“. Hierzu ist zu sagen, dass Pannenbergs Rezeption des ‚griechischen‘ und ‚hebräischen‘ Wahrheitsbegriffs zurückreicht in seine frühe Schaffensperiode (s. Was ist Wahrheit? von 1962). Auch wenn in seinen frühen Veröffentlichungen das Moment der Kohärenz gelegentlich implizit zu Tage tritt, so hat Pannenberg doch erst später, ab Ende der 1970er Jahre, die Kohärenztheorie der Wahrheit ausdrücklich aufgegriffen. Von daher dürfte sich erklären, dass er das mögliche Beziehungsgeflecht zwischen dem hebräischen Ausdruck ‫ ֱאֶמת‬und dem Ausdruck „Kohärenz“ nicht eigens reflektierte. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 229. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 203. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 203f. Pannenberg zitiert hier Hans v. Soden, Was ist Wahrheit? Vom geschichtlichen Begriff der Wahrheit, 1929, 15. Vgl. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 204. Zitiert auch in W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 230. Pannenberg kommentiert v. Sodens Worte mit folgender Bemerkung: „Allerdings hat v. Soden den personalen Aspekt im hebräischen Wahrheitsverständnis einseitig betont. Auch der richtige Weg (Gen. 24,28) oder die echte Pflanze (Jer. 2,21) kann emet heißen.“ (So Pannenberg a. a. O., Anm. 10). Zum Anschluss an H. v. Soden siehe exempl. auch W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 117. „Die Geschichtlichkeit der Wahrheit ist aber nicht erst eine moderne Errungenschaft, sondern bildete eine der Grundüberzeugungen israelitischen Denkens. Das hat Hans von Soden in seiner Marburger Rektoratsrede „Was ist Wahrheit? Vom geschichtlichen Begriff der

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Wolfhart Pannenbergs Wahrheitskonzeption

– gewinnt v. a. von derlei Überlegungen her ihr spezifisches Gepräge im Denken Pannenbergs. Doch wie sieht für ihn das alttestamentliche Verständnis der Geschichtlichkeit der Wahrheit im Detail aus? Als wesentlich für Wahrheit gelte: „Ihre Selbstidentität bleibt nicht unberührt vom Gang des Geschehens, sondern steht in diesem Prozeß auf dem Spiel. Darum wartet der alttestamentliche Fromme auf die Wahrheit Gottes, darauf nämlich, daß Gottes Treue sich an seinen Geschöpfen erweise.“577 Die dem israelitischen Wahrheitsverständnis beigemessene Zukunftsgerichtetheit hält Pannenberg auch für einen Vorzug gegenüber dem mythischen Denken. Dem mythischen Wahrheitsverständnis zufolge liegt Wahrheit (ausschließlich) in der Vergangenheit, womit zusammenhänge, dass „an der Zukunft nur das wichtig ist, was der alten Wahrheit gemäß sein wird.“578 Alle Überlieferung bleibt auch in ihrer Gegenwartsmächtigkeit immer „nur eine Abschattung der alten Wahrheit“ dar579. In der Zukunftsoffenheit, die Pannenberg zufolge der israelitischen Wahrheit eignet, sieht er einen deutlichen Unterschied zum mythischen Bewusstsein, das für andere Völker im Alten Orient kennzeichnend gewesen sei580. Denn als charakteristisch für das israelitische Verständnisses von Wahrheit gelte, dass der Mensch Wahrheit nicht mehr in einer urzeitlichen Vergangenheit wähne, sondern die Wahrheit „in der Zukunft gesucht“ werde581: „Kein urzeitliches Geschehen gilt ihm [sc. dem „Menschen, der von Verheißungen her lebt“ (ebd.)] als die unüberbietbare Wahrheit schlechthin, sondern er [sc. der Mensch] ist der offenen Zukunft aufgeschlossen.“582 Diese dem israelitischen Wahrheitsverständnis eigene Blickrichtung auf die Zukunft sieht Pannenberg erst durch die Verheißungstradition ermöglicht. Ist doch das Vertrauen auf das zukünftige Wirken Gottes auf früheren Erfüllungen einstiger Verheißungen begründet, sodass nach Meinung von Pannenberg nur aus solcher Tradition heraus ein hoffnungsvoller Blick in die Zukunft gerichtet werden kann583. Das israelitische Wahrheitsverständnis mit seiner Zukunftsoffenheit sieht er dem mythischen gegenüber eindeutig im Vorteil. Pannenberg kritisiert am mythischen Wahrheitsverständnis die Unfähigkeit, das sich im Leben zukünftig ereignende Neue zu integrieren584, sodass dieses Wahrheitsverständnis im Endeffekt zum Scheitern verurteilt sei: „Jede solche Tradition muß irgendwann schei-

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Wahrheit“ 1927 gezeigt (W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 247, siehe in dieser Sache auch a. a. O., 246 u. W. Pannenberg, Die Vernünftigkeit der Vernunft als theologisches Problem, 77). An anderer Stelle formuliert er ähnlich, ebenfalls mit Blick auf H. v. Sodens Rede: „Heute besteht weitgehend Übereinstimmung darüber, daß die geschichtliche Auffassung der Wahrheit auf das altisraelitische Denken zurückgeht.“ (W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 34). W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 230, dort mit Erläuterungen zu Jes 38,18; Ps 30,10 u. 2 Sam 7, 28. W. Pannenberg, Was ist der Mensch?, 89. W. Pannenberg, Was ist der Mensch?, 89f, zit. 90. Vgl. dazu W. Pannenberg, Was ist der Mensch?, 89ff. W. Pannenberg, Was ist der Mensch?, 92. W. Pannenberg, Was ist der Mensch?, 92. Vgl. W. Pannenberg, Was ist der Mensch?, 92. Vgl. W. Pannenberg, Was ist der Mensch?, 89f.

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tern an dem Neuen, das die Zukunft bringt und das sich nicht mehr durch die überlieferte Wahrheit bewältigen läßt. Solches Neue, das die überlieferten Formen sprengt, ist revolutionär, gleich wie die Revolution sich vollzieht. Dann entsteht die Gefahr, die Vergangenheit zum alten Eisen zu werfen, und dadurch wird das Leben arm und bodenlos.“585 Pannenberg resümiert, dass das mythische Denken nur durch eine aus seiner Sicht überlegene Tradition – und das ist s.E. die biblische Verheißungstradition – überwunden werden kann, da diese sich zur Zukunft „unbegrenzt offen“ halte586.

3.3.5.1.1.2 Der griechische Wahrheitsbegriff nach Pannenberg Im Unterschied zum hebräischen Wahrheitsbegriff fehle dem griechischen Wahrheitsbegriff das Moment des Geschichtlichen. Außerdem erkennt Pannenberg im griechischen Wahrheitsverständnis eine schwerpunktmäßige Orientierung an der Aussage(-nebene) 587. Das griechische Verbum ἀληθεύειν, so erklärt Pannenberg, sei „orientiert am Verhältnis eines Redenden zum Beredeten.“588 Pannenberg weist darauf hin, dass Platon, Xenophon und Aristoteles die Bedeutung des Verbums ἀληθεύειν einstimmig darin sahen, „das Seiende als Seiendes und das Nichtseiende als Nichtseiendes auszugeben“.589 Diese berühmte, häufig als Korrespondenzwahrheit gedeutete Bestimmung von Wahrheit enthält zwar auch für Pannenberg den Gedanken eines Entsprechungsverhältnisses zwischen Aussage und Seiendem; allerdings zeigt sich bei Pannenberg – sicher durch den Einfluss von Parmenides und Platon – zugleich eine auffallend ontische Fundierung der Aussagenwahrheit: „Dabei entspricht die Aussage aber nur dem Seienden selber. Dieses ist in sich und als solches „wahr“ [kursiv: T. L.].“590

Parmenides, den Pannenberg hierfür zitiert, formulierte bereits, „daß Ist ist und daß Nichtsein nicht ist, das ist die Bahn der Überzeugung; denn diese folgt der Wahrheit“ (2, 3f.).“591 Darin artikulierte auch er den oben genannten Gedanken des ἀληθεύειν. Bei rechter Rede und rechtem Erfassen geht es um so etwas wie ein Bemühen um Ent-bergung. Wenn Wahrheit Unverborgenheit ist, wie Pannenberg 585 586 587 588 589

W. Pannenberg, Was ist der Mensch?, 94. W. Pannenberg, Was ist der Mensch?, 94. Vgl. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 230. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 204. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 204, in Anm. 4 der Hinweis auf Xenophon, Anabasis, IV, 4, 15, u. Plato, Kratylos, 385b, Aristoteles, Metaphysik, 1011b 26ff. Siehe ferner W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 230. 590 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 230, in Anm. 12 entsprechende Hinweise auf Parmenides, (Fragmente) 8,50, sowie ähnlich auf Platon, Gorgias, 526d in W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 205. Warum – so mag man fragen – setzt Pannenberg den Ausdruck wahr hier in Anführungszeichen? Sollte ihm die (weiter zu verfolgende) antik-griechische Herleitung aussagetheoretischer Wahrheit aus einer ontologischen doch ein Stück Unbehagen bereitet haben? 591 Zitiert nach W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 204.

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mit M. Heidegger sagt, dann besteht die Aufgabe rechten Redens darin, das je Verbergende fernzuhalten, im Einzelfall „sowohl die vom Menschen ausgehende Entstellung der Lüge (ψεύδος), als auch den das eigentlich Seiende verhüllenden Schein (δόξα).“592 Nach Pannenbergs Urteil seien die Griechen seit Anaxagoras mit der Schwierigkeit konfrontiert gewesen, für wahre Rede das Verbergende bzw. den Schein oder die Verhüllung von dem eigentlichen Seienden, dem Wahren, zu scheiden593. Die Sinne hinderten dabei594; allein dem vernünftigen Denken, dem Logos (bzw. Nus), wurde zugetraut, Zugang zum Seienden als dem Unverborgenen erlangen zu können595. Nur Logos oder Nus könnten die Einheit des Wahren in seiner konsistenten Identität täuschungsfrei erfassen596. „Aber das offenbarende Tun des Logos gilt nicht als wesentlich für die Wahrheit des Wahren selber [kursiv: T. L.].“597 Aus diesem Grund sei nach altgriechischem Verständnis im Wahrheitsverhältnis des Menschen die „Erkenntnis des wahrhaft Seienden“ entscheidend, im Unterschied zum israelitischen Verständnis, demzufolge „der […] Fromme darauf wartet, daß die Wahrheit geschieht, sich als solche erweist, und er selber soll in seinem Tun Wahrheit im Sinne von Treue bewähren [kursiv: T. L.].“598 Pannenberg konstatiert weiter: Die Wahrheit als ἀλήθεια kenne die für den hebräischen Wahrheitsterminus typische Geschichtlichkeit nicht. Sie geschehe auch nicht; „Sie ist vielmehr“599. Sie sei „mit sich selbst gleich als das hinter dem wechselnden Sinnenschein Verborgene, nur dem logoshaften Vernehmen sich Entbergende.“600 Sie kenne keinen geschichtlichen Wandel, sondern bilde eine unveränderliche, zeitlose Einheit601. Aus dem Wahrheitssignum, dass Ist ist, hat – 592 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 204, in Anm. 5 der Hinweis auf Xenophanes, Fragmente 34 u. 35. 593 Vgl. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 204. 594 Vgl. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 204, mit Hinweis auf Anaxagoras, Fragmente 21 u. 21a. 595 Vgl. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 204, dort mit Belegen zu Sextus Empiricus, Empedokles und auch Heraklit (Fragmente 112, 116 und 72). Anders als Heidegger, der die hier erwähnte „Verbindung von Wahrheit und Logos [als] erst eine Folge der platonischen Unterjochung der ἀλήθεια unter die Idee (Platons Lehre von der Wahrheit, 1947, 41ff.)“ interpretierte, ist Pannenberg der Überzeugung, dass „Wahrheit und Logos […] auch im vorsokratischen Denken schon zusammen[gehörten]. Nicht nur für Parmenides ist es das Denken, das allein das wahrhafte Sein erfaßt und so mit ihm eins ist (Parm. 3).“ (ebd.) 596 Vgl. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 230f. 597 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 231. 598 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 231. 599 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 204. Vgl. auch W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 231. 600 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 204f. 601 Vgl. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 204f. Pannenberg will die Geschichtlichkeit der Wahrheit im Horizont einer Kritik der Wissenschaft bis zum 18. Jh. profilieren. Er schreibt: „Die Zuständigkeit wissenschaftlicher Erkenntnis glaubte man damals auf den Bereich

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wie Pannenberg referiert – Parmenides abgeleitet, dass das wahre Sein als unvergängliches und ungewordenes „daher auch nur ein einziges sei (8, 3ff.). Es war nie und wird nie sein, weil es im Jetzt zusammen da ist als Ganzes. Eines, Zusammenhängendes“ (8, 5f.).“602 Parmenides habe der einen, unveränderlichen Wahrheit und dem wahren Sein die „Vielfalt der wechselnden Erscheinungen entgegengesetzt (8, 53ff.).“603 Die veritativen Gedanken des Parmenides sieht Pannenberg bei Plato aufgegriffen und modifiziert604, wobei die parmenidianische Wahrheit „auch in der platonischen Abwandlung auf höchster Stufe eine einzige“ bleibe „und über alle Zeit erhaben“ sei605. Als charakteristisch für die griechische Wahrheitskonzeption macht Pannenberg schließlich den Aspekt der Zeitlosigkeit aus, der (freilich) „mit der Absonderung der Wahrheit vom wechselnden Schein der Sinneseindrücke zusammenhängt“ – das gelte „jedenfalls im Wirkungsbereich des Parmenides und Platons.“606 Gemäß griechischem Wahrheitsverständnis besteht „Wahrheit in Gegensatz zu aller Veränderung“ – dass das Wesen der Wahrheit etwa durch ein „Geschehen des Sichentbergens der Unverborgenheit“ im Sinne M. Heideggers erfasst werden könnte, könne aufgrund der beschriebenen Charakteristik dieser Wahrheitskonzeption von diesem gerade nicht gesagt werden.607 Nach Meinung von Pannenberg liegt gar der „tiefste Unterschied“ zwischen altgriechischer und altisraelitischer Wahrheit eben darin, dass Erstere „allem zeitlichen Wechsel entrückt“ sei, Wahrheit also mit der Dimension Zeit nicht verknüpft sei608. Damit verbunden scheint für Pannenberg sein Befund, dass gemäß griechischem Wahrheitsverständnis „[d]as Geschehen der Erfahrung der Wahrheit […] nicht als zu ihrem eigenen Wesen gehörig verstanden“ werde609.

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allgemeiner und zeitloser Wahrheiten [kursiv: T. L.] beschränkt. Die Einmaligkeit geschichtlicher Ereignisse und ihre Besonderheiten hielt man dagegen für einer wissenschaftlichen Untersuchung und Kritik unzugänglich.“ (W. Pannenberg, Theologie und Reich Gottes, 53). W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 205. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 205. Siehe dazu ausführlicher W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 205 Anm. 9, dort Hinweise zu „Heideggers Auslegung des berühmten Höhlengleichnisses Staat VII, 514 a ff. in: Platons Lehre von der Wahrheit, 27ff.“ sowie auch zum Gedanken der Einheit der Wahrheit bei Platon, Phaidros, 247d–248b. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 205. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 205. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 205. In Anm. 10 zitiert er Heideggers (frühes) Wahrheitsverständnis: „ ‚Wahrheit bedeutet anfänglich das einer Verborgenheit Abgerungene. Wahrheit ist also solche Entringung jeweils in der Weise der Entbergung‘ (32).“ (ebd.). W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 230. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 230.

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3.3.5.1.2 Von Gemeinsamkeiten und Unterschieden beider Wahrheitsbegriffe aus hin zur Idee einer geschichtlichen Wahrheit in ihrer Einheit Geschichtlichkeit der israelitischen Wahrheit heißt auch ihre Zeitlichkeit. Damit ergibt sich aus Pannenbergs Sicht ein Gegensatz zur atemporalen griechischen Wahrheit: Für die Griechen sei als Wahrheit das „hinter dem Sinnenschein“610 zeitlose und auch unerschütterliche und unveränderliche Vorhandene oder Wesen der Dinge charakterisiert gewesen, wohingegen nach dem israelitischen Verständnis im Alten Testament Wahrheit „implizit eschatologisch“ sei, insofern es auf die Zukunft ankomme: mit ihr werde sich die Wahrheit herausstellen (mit H. v. Soden) 611. Durch die schon im Alten Testament zuweilen anzutreffende Verbindung von Wahrheitsidee und Gottesgedanken manifestiert sich Wahrheit für Pannenberg als eine zeitliche in besonderer Weise auch als personale Wahrheit, nämlich „als […] Treue Gottes, dessen Zuverlässigkeit die Zukunft erweisen wird.“612 Die Wiedergabe des alttestamentlichen Wortes für Wahrheit (‫ֱאֶמת‬/emet) durch den griechischen Ausdruck für Wahrheit (ἀλήθεια) ist für Pannenberg eine Art Indiz für Gemeinsamkeiten zwischen beiden Wahrheitsbegriffen613. Es sind sogar mehrere Gemeinsamkeiten, die Pannenberg ausgemacht hat: In altgriechischen Textzeugnissen erkennt Pannenberg mit Hans von Soden Belege dafür, dass Wahrheit wie im alttestamentlich-israelitischen Vorstellungshorizont als das Zuverlässige, Dauerhafte, Beständige und Bestand verleihende verstanden worden sei614. Darin sieht Pannenberg sogar eine „fundamentale Gemeinsamkeit“! 615 Das Moment der Zuverlässigkeit erkennt Pannenberg speziell auch auf der Ebene ‚wahrer Rede‘:

610 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 247; vgl. auch W. Pannenberg, Die Vernünftigkeit der Vernunft als theologisches Problem, 77. Siehe auch W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 34f. 611 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 247; vgl. auch W. Pannenberg, Die Vernünftigkeit der Vernunft als theologisches Problem, 77. 612 W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 34f. Die „Zeitlichkeit“ bzw. „Geschichtlichkeit der Wahrheit“ ist schon ein Thema in seiner Vorlesung „Theologie der Vernunft“ gewesen. Siehe dazu W. Greive, Wolfhart Pannenbergs Vorlesung „Theologie der Vernunft“. Eine Skizze, bes. 104. 613 Vgl. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 205. 614 Vgl. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 205f: Pannenberg nimmt (a. a. O., 205) explizit Bezug auf H. v. Soden, Was ist Wahrheit? (s. Ausgabe von 1927), 17 f; siehe auch W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 231; s. ferner W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 35. Zum griechischen wie israelitischen Verständnis der Wahrheit als etwas Beständigem siehe auch W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 157. Siehe auch W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 247; vgl. auch W. Pannenberg, Die Vernünftigkeit der Vernunft als theologisches Problem, 77. 615 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 231.

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„Die wahre Rede kann daher auch im Griechischen „zuverlässig“ heißen (pistos). Umgekehrt ist auch im alttestamentlichen Wahrheitsverständnis die Wahrheit der Rede im Sinne der Tatsachenwahrheit mit eingeschlossen (1.Kön. 10,6; vgl. Gen 42,16).“616

Die Zuverlässigkeit (solcher wahren Rede) bedeutet im Hinblick auf einen Redenden, „daß seine Behauptungen den Tatsachen entsprechen [kursiv: T. L.].“617 Dafür findet er Beispiele aus der Bibel, etwa in der Rechtssprache am Beispiel des „wahrhaften Zeugen“ (Proverbien 14,25) oder neutestamentlich (bei Mk 5,33; Röm 9,1; 2 Kor 12,6; Joh 8,40 u. 45f) in Gestalt „von Wahrheit im Sinne von Tatsachenwahrheit, der der Redende zu entsprechen [kursiv: T. L.] hat“618. In der von Pannenberg beschriebenen Gemeinsamkeit beider Wahrheitsbegriffe sieht er auch den Grund für den Konnex zwischen Wahrheits- und Gottesbegriff, ja er meint, dass „das frühe Christentum mit Recht das wahrhaft Seiende im griechischen Sinne mit dem Gott Israels in Verbindung bringen“ konnte, „dessen Wesen emet ist.“619 Als eine weitere Gemeinsamkeit beider Wahrheitsverständnisse erachtet es Pannenberg, dass sie als erfahrbar gelte – bei den Griechen durch den Logos, bei den Israeliten durch den Glauben, d. h. durch Vertrauen620. Wie den „Grundzug 616 617 618 619 620

W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 231. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 231. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 231. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 231. Siehe W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 205f: „Auch das im Logos erfaßte wahre Sein der Griechen ist dauerhaft, beständig, die Rede davon zuverlässig (Parm. 8, 50) im Gegensatz zum wechselnden, nur scheinbaren Sein der Sinnendinge und den entsprechend wechselnden Meinungen der Menschen.“ (a. a. O., 205). Vgl. auch W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 35. Ebd. in Anm. 8 präsentiert Pannenberg eine ausgewogene Position: „Zur Kritik an v. Sodens Auffassung, der Bezug der griechischen Wahrheit zum Wissen habe in Israel keine Parallele, vgl. S. 206 meines Anm. 7 genannten Aufsatzes. Noch entschiedener betont K. Koch, daß Wahrheit auch im altisraelitischen Verständnis ‚Sache des Nachdenkens‘ gewesen sei (52f, 56f). Siehe auch Kochs Ausführungen (58ff) zur Verbindung von hebräischem und griechischem Wahrheitsverständnis in der LXX.“ Chr. Glimpel hat den hier von Pannenberg markierten Unterschied zwischen griechischer und biblischer Erfahrung der Wahrheit folgendermaßen kommentiert: „Das „griechische“ Wahrheitsverständnis nimmt also gnoseologisch gesehen die intentio obliqua, das „biblische“ Wahrheitsverständnis nimmt die intentio recta ein. Das „griechische“ Denken vermag Wahrheit zu begreifen (weil es auf den durch das Denken selbst gesetzten Sinn wahrheitsfähiger Gegenständlichkeit referiert), dem „biblischen“ Denken hingegen ist Wahrheit nur durch „vertrauenden Vorgriff . . .zugänglich“. Diesen Vorgriff bestimmt Pannenberg als „Glauben“, dem der „Logos denkenden Vernehmens“, also das Wissen auf „griechischer“ Seite gegenüber steht. Der Übergang vom „griechischen“ zum „biblischen“ Wahrheitsverständnis, vom Sein zu den Seinsbestimmungen also, stellt den systematischen Hintergrund für Pannenbergs Verständnis von Wahrheit, Wissen, Glauben, Begriff und Vorgriff (Antizipation) dar.“ (Chr. Glimpel, Gottesgedanke und autonome Vernunft, 106). M. E. ist es fraglich, ob diese aus der Epistemologie stammende Distinktion in beide intentiones dem Pannenberg’schen Anliegen entspricht.

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der Beständigkeit und Verläßlichkeit“ rechnet Pannenberg somit auch die Erfahrbarkeit der Wahrheit als „zum Wesen von Wahrheit überhaupt [kursiv: T. L.]“ gehörig621. Beide Wahrheitsverständnisse stünden, so Pannenberg, in einem Bezug zum Wissen. Er widerspricht damit H. v. Soden, der diesen Aspekt dem israelitischen Verständnis der Wahrheit (im Unterschied zum Griechischen) nicht zugeschrieben hat622. Wie sich aus dem Duktus der Darstellung ergibt, versteht Pannenberg unter Erfahrbarkeit der Wahrheit ihren Erweis. Dass Wahrheit sich erweist, leitet er aus Überlegungen zu den einzelnen, der israelitischen Wahrheit zugeordneten Bedeutungsgehalten – namentlich der Treue, Zuverlässigkeit und Beständigkeit – ab: „Die Treue als Identischbleiben einer Sache oder Person mit sich selbst steht zugleich immer schon in einer Gemeinschaftsbeziehung und bedeutet, daß eine durch Treue ausgezeichnete Person oder Sache auch für andere zuverlässig ist. Wie dem Griechen, so kommt es auch dem Israeliten darauf an, daß das in sich Beständige sich auch ihm als beständig erweist und so ihm Bestand verleiht. Wahr ist das, was Bestand verleiht und dadurch sich selbst als beständig erweist. Darum erweist sich die Wahrheit Gottes daran, daß er allein letztlich Bestand zu gewähren vermag [kursiv: T. L.].“623

In der aus der griechischen Philosophie bekannten Vorstellung der Einheit der Wahrheit liegt Pannenberg zufolge überdies eine auch das hebräische Denken kennzeichnende Gemeinsamkeit: Die Israeliten hätten die Wahrheit Gottes als eine in sich beständige, alles umgreifende Wahrheit (also letztlich holistische) gedacht: „Die Wahrheit Gottes nämlich umgreift für den Israeliten alle andere Wahrheit, stellt sie nicht nur in den Schatten, sondern begründet sie auch. Von Gott allein gilt in vollem Sinne, daß seine Werke Emet sind […]. Aller Bestand, sei es in den Ordnungen der 621 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 206. 622 Vgl. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 206. 623 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 206. „Die Treue Gottes ist Schild und Schutz (Ps. 91, 7). Nicht zufällig nennen die Psalmen, in denen das Wort Emet besonders häufig den Ruhm des Gottes Israels zum Ausdruck bringt, gern seine Gnade und Treue nebeneinander.“ (ebd.) In Anm. 12 diesbezügliche Hinweise auf „Psalm 85, 11; 88, 12; 89, 34; 98, 3; 100, 5; 103, 17; 115, 1; 117, 2; 138, 2; 143, 1 u.11f.“ Die Treue Gottes gilt Pannenberg zufolge übrigens allen Geschöpfen. Siehe dazu Pannenbergs Antwort auf Waldenfels in einer Diskussion aus dem Jahre 1984: „Zur Frage, ob die Toleranz auch die Atheisten einschließt. Warum nicht? Waldenfels sagt, daß dies doch nicht gelte, wenn man von dem Gedanken von emet als Treue Gottes ausgeht. Aber warum soll Gott nicht auch dem Atheisten die Treue halten? Er hält sie ja allen seinen Geschöpfen, sonst würde die Schöpfung jeden Moment ins Nichts versinken, also hält er auch dem Atheisten die Treue. Das bedeutet natürlich nicht, den Atheisten als Glaubenden anzusprechen. Er wehrt sich mit Recht dagegen. Deshalb bin ich auch gegen die Redeweise vom anonymen Christen, denn man sollte dem Atheisten ja nicht unterstellen, daß er eigentlich ein Christ ist, sondern ihn ernst nehmen in dem, was er sein will.“ (so W. Pannenberg in seinem Diskussionsbeitrag, in: W. Oelmüller (Hg.), Wahrheitsansprüche der Religionen heute, 303).

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Natur, im Leben der Völker oder des Einzelnen, ist umgriffen durch die Wahrheit Gottes und in ihr begründet [kursiv: T. L.].“624

Dass hellenistisches Judentum und frühes Christentum das wahrhaft Seiende und Göttliche der Griechen mit dem biblischen Gott als der in seiner Beständigkeit „alles umgreifende[n] Wahrheit“ assoziierten, ist für Pannenberg aus diesem Grund verständlich625. Was das Verhältnis des israelitischen zum griechischen Wahrheitsverständnis betrifft, stellt Pannenberg zudem eine These auf, mit der er die Superiorität des israelitischen Wirklichkeitsverständnisses behauptet: „Die Unterschiede des griechischen vom israelitischen Wahrheitsverständnis lassen sich durchweg so verstehen, daß das griechische Denken eine verkürzte Sicht der Wirklichkeit bietet gegenüber der tieferen Wirklichkeitserfahrung, die durch den Gott der Bibel begründet ist. Diese Behauptung muß sich daran bewähren, daß die Wirklichkeit, die die Erfahrung der Griechen im Blick hat, im biblisch begründeten Wirklichkeitsverständnis nicht ausgeschlossen, sondern mit aufgehoben ist.“626

Zur Begründung dieser starken These rekurriert Pannenberg auf die Geschichtlichkeit der Wahrheit, von der er – sich im Verbund mit altisraelitischem Denken sehend – ausgeht. Das entscheidende Argument, das er ins Feld führt, ist „der Umstand, daß der griechische Dualismus zwischen wahrem Sein und wechselndem Sinnenschein im biblischen Wahrheitsverständnis überholt ist:“627 Weil gemäß israelitischer Anschauung Geschichtlichkeit des wahren Seins auch bedeutet, dass sich die Beständigkeit der Wahrheit (d. h. derjenigen Gottes) erst noch künftig durch die Geschichte erweisen müsse, sei sie „nicht im voraus verfügbar“, sondern „nur jeweils nachträglich enthüllt, auf jeder geschichtlichen Stufe in neuer Weise“628, und deshalb „für die Zukunft nur der vertrauenden Selbsthingabe des Glaubens gewiß“, der auf geschichtlichen Erfahrungen der Beständigkeit und Treue Gottes basiere629. Die „Unverfügbarkeit der Wahrheit Gottes“ hängt nach Meinung von Pannenberg mit ihrer geschichtlichen Art zusammen, worin auch deren Personalität gründe; es ergebe sich so eine Differenz zu der „Unpersönlichkeit des griechischen ‚wahrhaft Seienden‘630. Mit der unverfügbaren Wahrheit Gottes hänge des 624 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 208. Dort auch Illustrationen dieses Gedankens mit den o.g. Attributen Gottes wie Treue, Verlässlichkeit, Beständigkeit unter Bezugnahme auf diverse biblische Belege (= Ps 111, 7f; Ps 119, 90f; Ps 146, 6; Ps 100, 5; Ps 117, 2; Ps 91 (bes. V. 7); Ps 20, 8f; Ps 85, 12). 625 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 208. 626 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 208. 627 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 208. 628 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 208f. 629 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 209. 630 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 209.

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Weiteren zusammen, dass Gott „von aller vorhandenen Wirklichkeit“ verschieden sei631. Gemäß griechischem Denken sei Gott „mit dem Grunde des Kosmos eins“, und zwar so, „daß er zum Kosmos als dessen Grund hinzugehört“, wohingegen der Gott der Bibel „als der frei, kontingent Handelnde von seiner Schöpfung verschieden“ sei – er unterscheide sich nämlich von ihr wiederholt geschichtlich632. Diese Überlegung mündet in eine steile These, die das Verhältnis zwischen griechischer und biblischer Wahrheit festlegt. Pannenberg formuliert: „Die griechische Wahrheit ist also in der biblischen Wahrheit im Prinzip aufgehoben, sofern die letztere diejenigen Züge der Wirklichkeit miteinschließt, die der griechische Wahrheitsgedanke von sich ausschließt, ohne doch das Interesse am Bleibenden und Dauernden etwa weniger entschieden festzuhalten.“633

Pannenberg gelangt im Zusammenhang dieser Wertung zu der Auffassung, dass die Reflexion auf das Wesen der Wahrheit im Abendland ein geschichtlicher, „in der Spannung zwischen griechischem und biblischem Wahrheitsverständnis“ beschrittener Weg gewesen ist, dessen denkerischen Anfangspunkt er auf Seiten des griechischen Begriffs der Wahrheit sieht634. Es sei „in der Geschichte des abendländischen Denkens“ kaum explizit zu Bewusstsein gekommen, dass daneben „das Alte Testament einen eigenen, ausgeprägten Wahrheitsgedanken hat“635. Im „geistigen Horizont“ biblischer Geschichten, in dem die Menschen gelebt hätten, sei „der griechische Wahrheitsbegriff aufgenommen und weiter durchdacht“ worden; schließlich sei „sein Sinn selbst verwandelt“ worden, und zwar auf solche Weise, dass „die in ihm selbst verborgenen Aporien nun sichtbar“ geworden seien636. Pannenberg resümiert: „So läßt sich die Geschichte des abendländischen Wahrheitsbewußtseins verstehen als Weg vom griechischen auf den alttestamentlichen Gedanken der Wahrheit hin.“637

Nun hätten sich auf dem „von griechischen Ausgangspunkten her gedacht[en]“ abendländischen Denkweg Fragen ergäben, hinsichtlich derer „es […] sich immer wieder [habe] entscheiden [müssen], ob diese Fragen aus dem Horizont biblisch bestimmten Bewußtseins eine Antwort erfahren konnten.“638 Pannenberg bejaht dies und glaubt, dass das aus seiner Sicht mit Aporien belastete griechische Wahrheitsverständnis in das biblische Verständnis der Wahrheit

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W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 209. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 209. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 209. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 209. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 209. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 209. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 209. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 209f.

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nicht erst gegenwärtig inkludiert werden könnte. Schon damals war wohl aus seiner Sicht die Frage, ob dieser Schritt möglich ist, virulent: Es „mußte sich zeigen, auf immer wieder neuer Stufe, ob das biblische Wahrheitsverständnis die Kraft hat, das griechische mit seinen Aporien in sich aufzunehmen. Das heißt aber: In dieser Auseinandersetzung mußte und muß heute noch die Wahrheit des biblischen Wahrheitsverständnisses selbst sich erweisen.“639

Pannenberg richtet im Folgenden seine Aufmerksamkeit auf zwei problembehaftete Aspekte, die er mit dem griechischen Gedanken der Wahrheit verbunden sieht und die, wie er meint, „in der Geschichte des abendländischen Denkens, im Horizont eines biblisch bestimmten Daseinsverständnisses hervorgetreten“ seien640. Es handelt sich (aus seiner Sicht) um „zwei Aspekte“ des griechischen Wahrheitsverständnisses: zum einen um den Gedanken einer die Einheit der Wahrheit konstituierenden innerontologischen, konsistenten Übereinstimmung (d.i. in Pannenbergs Worten „die Übereinstimmung des Wahren mit sich selbst, seine Beständigkeit“), zum anderen um „die Übereinstimmung des Redens und Denkens mit dem von sich aus Wahren“, um einen Aspekt, den Pannenberg der Frage nach der Wahrheitserfahrung und auch derjenigen nach dem Kriterium der Wahrheit zuordnet641 (strukturell aber so etwas wie eine Variante aussagetheoretische [Korrespondenz-]Wahrheit darstellt) 642. Zunächst wendet sich Pannenberg dem zweitgenannten Aspekt, also der Frage nach der Erfahrung von Wahrheit, zu. Soll Wahrheit erfahren werden, dann muss es dabei zu einem Übereinstimmungsverhältnis zwischen Denken und Sein (dem Beständigen oder wahrhaft Seienden) kommen.643 Auf diese Weise thematisiert er die Frage nach der Wahrheitserkenntnis (nicht zuletzt hier) als eine Frage nach ihrer (empirischen) Erfahrung und Erfahrbarkeit644. In einem referatsartigen Zusammenschnitt will Pannenberg deutlich machen, dass die Erfahrung von Wahrheit solange unproblematisch gewesen sei, als man – etwa wie die antiken Philosophen (namentlich etwa Plato, Aristoteles und die Stoiker) – unter Wahrheitserfahrung bzw. unter dem Erkenntnisakt überhaupt einen passiven 639 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 210. Dort auch ein Vorausverweis auf die Bedeutung des Geschicks Jesu zur „Lösung des Wahrheitsproblems“. 640 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 210. 641 Siehe W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 210. 642 Zu den zwei von Pannenberg dem griechischen Wahrheitsverständnis zugeordneten Aspekten siehe auch W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 232. 643 Vgl. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 210. 644 Es ist bereits in Pannenbergs Umgang mit der Wahrheitsfrage deutlich geworden, dass an ihre Beantwortung vorranging im Kontext der Empirie, konkret im Horizont menschlicher Erfahrung, gedacht wird. W.L. Craig (Pannenbergs Beweis für die Auferstehung Jesu, 78) hat an anderer Stelle von einer „konsequent empirische[n] Behandlung theologischer Fragen“ gesprochen. Es darf in der Tat als ein Charakteristikum seiner Epistemologie gelten, dass diese so sehr von der Empirie/ Erfahrung her entworfen ist.

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Vorgang verstanden habe645. Erkenntnis in diesem Sinne bedeutet, das Wahre als das wahrhaft Seiende oder Beständige über die Sinne schlicht wahr- bzw. hinzunehmen und es so zu erkennen, wie es sich selbst dem um Wahrnehmung Bemühten offenbart646. Ein „grundlegender Wandel“ im Denken des Abendlandes habe eingesetzt, als Wahrheitserfahrung (und damit Erkenntnis überhaupt) nicht mehr länger als passive Abbildung des Wahren in der Seele galt, sondern in den Bereich menschlichen, aktiven Tuns eingeordnet wurde.647 So wurde die „Annahme einer unabhängig vom Menschen bestehenden und erst daraufhin wahrzunehmenden Wahrheit überhaupt problematisch.“648 Die Problematik besteht Pannenberg zufolge demnach denn dann auch genau darin, dass das im Erkenntnisvorgang aktiv involvierte Subjekt zu einer wahrheitskonstituierenden Instanz wird: „Das Subjekt, die sich als schöpferisch verstehende Vernunft, mußte – so scheint es – sich selbst als Quelle der Wahrheit gelten [kursiv: T. L.].“649 Diese Auswirkung sieht Pannenberg bei F. Nietzsche artikuliert, und zwar in dessen Diktum, demzufolge „die Wahrheit ‚die Art von Irrtum, ohne welche eine bestimmte Art von lebendigen Wesen nicht leben könnte“, sei650. Einer Wahrheit nach diesem Verständnis mangelt es an dem Moment der Referenz auf die ontologische Ebene, an der „Beziehung zur außermenschlichen Wirklichkeit“; Wahrheit so verstanden „ist nur noch Ausdruck des Menschen selbst, seiner Lage und seiner schöpferischen Freiheit.“651 Eine „besonders klare Gestaltung“ habe diese Auffassung der Wahrheit „[i]n der modernen Kunst“ gefunden – mit dem Verständnis der „Wahrheit als Ausdruck“ (= ‚Ausdruckswahrheit‘) sei „die Konsequenz aus einer langen Geschichte des Wahrheitsverständnisses gezogen“652 worden. Im 16. Jahrhundert habe der Weg mit der Distinktion „zwischen Tatsachenwahrheit und literarischer Fiktion“ seinen Anfang genommen und schließlich „schon bei Hofmannsthal einen Punkt“ erreicht, den

645 Vgl. ausführlicher W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 210f. Siehe auch a. a. O., 210 Anm. 14 zu Platon, Politeia, VII, 517c. u. der Hinweis auf M. Heidegger, Platons Lehre von der Wahrheit, 41; a. a. O., 211 Anm. 15 zu Aristoteles, De generatione et corruptione (= Über Werden und Vergehen), B 3, 736b 27; a. a. O., 211 Anm. 16 zu H. v. Arnim (Hg.), Stoicorum Veterum Fragmenta II (= SVF II), 59, vgl. a. a. O., 54 und diesbezüglich U. Wilckens, Weisheit und Torheit, 229f; a. a. O., 211, Anm. 17 zu U. Wilckens, Weisheit und Torheit, 230 zu SVF II, 65. 646 Vgl. ausführlicher W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 210f. 647 Vgl. ausführlicher W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 211 (ff). 648 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 211. 649 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 211. 650 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 211. Das Zitat entstammt, wie Anm. 18 zeigt, F. Nietzsches berühmtem Aphorismus 493 in: Der Wille zur Macht. 651 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 211. 652 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 211. Das habe W. Kayser (Die Wahrheit der Dichter [1959]) demonstriert (vgl. ebd. inkl. Anm. 19).

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Pannenberg mit Kayser „als ‚die Wahrheit der Gebärde‘ charakterisiert (45ff.).“653 Dem Typus reiner Wahrheit des Ausdrucks ordnet Pannenberg „auch die Wahrheit des Existierens“ zu, wie er sie namentlich insbesondere mit J.-P. Sartre, aber auch mit M. Heidegger in Verbindung bringt, was zu folgendem Ergebnis führt: „Die je eigene Wahrheit wird gesucht, nicht die Wahrheit überhaupt.“654

In dieser Feststellung ist ein gerüttelt Maß an Kritik bereits enthalten. Und sie ist (wenigstens hier) speziell an die Adresse S. Kierkegaards und seiner Schüler gerichtet, insofern Ersterer ‚die [sc. eine und allgemeine; T. L.] Wahrheit‘ „gern als das Allgemeine abgewertet“ habe und darin seither offenbar auch Gefolgschaft genossen hat655. Wer auf der Linie Kierkegaards und der ihm hierin Nachfolgenden denkt, der wird, so meint Pannenberg, „dann auch die Wahrheit des Glaubens nur noch in ihrer Bewährung durch das Verhalten der Christen, nur noch als Existenzausdruck suchen, nicht mehr in dem, woran der Glaube glaubt.“656 Es bedarf an dieser Stelle bereits keiner weiteren Erläuterung dazu, wie sehr dies Pannenbergs Konzeption von Wahrheit mit den für sie typischen Wahrheitsattributen zuwiderläuft. Summa summarum stuft Pannenberg die von ihm sog. „Subjektivierung der Wahrheit“ als insgesamt ambivalent ein: Die Antwort auf die Frage, „ob und inwieweit“ sie „eine Not ist oder eine Befreiung“ lasse sich „nicht so leicht im einen oder anderen Sinne […] geben.“657 Den Prozess der Subjektivierung der Wahrheit führt Pannenberg mit M. Heidegger ursprunghaft auf die antike griechische Philosophie, genauer auf das griechische Wahrheitsverständnis zurück. Dort (und nicht erst mit Plato) sei „das Denken zum Maßstab des Wahren“ geworden658. Jedoch hätten die „alten Philosophen“ mitnichten intendiert, „dem Denken einen Vorrang vor dem Seienden zuzubilligen [kursiv: T. L.];“ sie seien der Auffassung gewesen, „das Denken sei gerade durch seine Fähigkeit zur reinen

653 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 211. 654 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 211. 655 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 211f. Mit dem Hinweis in Anm. 20, dass „die entsprechenden Wendungen Kierkegaards allerdings häufig prinzipieller genommen [würden], als sie bei Kierkegaard gemeint sein dürften“, wird der Kritisierte ein Stück weit von der Last der an ihn gerichteten Worte verschont. Ob Pannenbergs Einschätzung zutrifft, sei einmal dahingestellt. 656 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 212. 657 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 212. 658 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 212: „Die Wendung ist allerdings wohl kaum erst bei Platon eingetreten, sondern ist eins mit dem Anfang der griechischen Philosophie selbst, mit der Wendung vom Mythos (dem berichtenden Wort) zum Logos (dem ordnenden Wort).“ (ebd).

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Wolfhart Pannenbergs Wahrheitskonzeption

Hinnahme des von sich aus Seienden und Wahren [kursiv: T. L.] ausgezeichnet.“659 Bei dem Wandel von dem Verständnis des Erkenntnisvorgangs als passives Hinnehmen hin zu einem aktiven Verständnis der Erkenntnis ist Pannenberg zufolge die „biblisch-christliche Botschaft“ von fundamentaler Bedeutung660, insbesondere die mit dem Bild vom Menschen als Gottes Ebenbild verbundene neue „Stellung des Menschen in der Welt“.661 So steht für Pannenberg Nikolaus von Kues für dieses neue Verständnis von Erkenntnis662. Der Mensch wurde im Erkenntnisakt (und dabei in seinem Aufstellen von Konjekturen/Mutmaßungen) als schöpferisch-produktiv verstanden663. Doch können die Erkenntnisgegenstände (z. B. Dinge) überhaupt über das Denken erkannt werden, wenn Erkenntnis diesem Verständnis zufolge nicht mehr vom Maßnehmen an den Entitäten herkommt? Pannenberg meint, dass sich hier ein Problem aufgetan habe, das die antike Philosophie aufgrund ihres passiven Verständnisses des Erkenntnisprozesses so noch nicht hatte: „Für diese schöpferische Subjektivität des Menschen mußte nun aber die Übereinstimmung mit der außermenschlichen Wirklichkeit zum Problem werden. Ein solches Problem stellte sich der antiken Philosophie noch nicht. Ein Denken, das sich als Abbildung des unabhängig vom Menschen Seienden versteht, wird in der Übereinstimmung mit den abgebildeten Dingen das normale Ergebnis des Erkenntnisvorgangs erblicken, ein Ergebnis, das immer zustandekommt, wenn der Vorgang ohne Hindernis verläuft. Ein Denken jedoch, das sich als unabhängig von der Außenwelt versteht, ist der Frage ausgesetzt, wie es diese Kluft je wieder überbrücken kann.“664

Pannenberg referiert, dass Cusanus die Lösung in der imago dei gefunden habe, damit also letztlich in Gott den Ermöglichungsgrund erkannt habe dafür, dass das menschliche Denken in all seinen schöpferischen Akten in ein, sagen wir gewissermaßen die Wahrheit ermöglichendes, Übereinstimmungsverhältnis zur Wirklichkeit – der ontologischen Ebene – kommen kann. Pannenberg knüpft explizit an diese cusanische Fundierung der Wahrheitsfähigkeit menschlichen Denkens an: „So ist Gott die Voraussetzung, von der her allein die Übereinstimmung des menschlichen Denkens mit der außermenschlichen Wirklichkeit zu erklären ist und gesichert ist. Nur unter Voraussetzung Gottes ist seitdem die Wahrheit des menschlichen Den-

659 660 661 662

W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 212. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 212. Siehe dazu ausführlicher W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 212f. Dies wird unten ausführlicher anhand der von ihm begründeten Konjekturenlehre dargestellt. 663 Vgl. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 213f. 664 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 214.

Die Attribute der Wahrheit und die Frage nach dem (formalen) Wahrheitsbegriff

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kens noch gewährleistet, im Sinne der Übereinstimmung mit der außermenschlichen Wirklichkeit.“665

Diese Sicht, die Möglichkeit korrespondenztheoretischer Wahrheit an die Voraussetzung Gottes zu binden, verteidigt Pannenberg hier auch gegenüber I. Kant, für den zwar „die Übereinstimmung der Vernunft mit dem Naturlauf wenigstens in ethischer Hinsicht nur durch die Voraussetzung Gottes […] verbürgt“ war, der aber – und darauf zielt Pannenbergs Kritik – „im Unterschied zu Descartes, Leibnitz [sic!] und auch zum Deutschen Idealismus – die theoretische Wahrheit als unabhängig von der Voraussetzung Gottes [habe] dartun wollen:“666 Gegen Kant wendet Pannenberg jedoch ein, dass die Übereinstimmung von Denken und ‚außermenschlicher‘ Wirklichkeit nicht über die konsensuelle Übereinstimmung unter Menschen gesichert werden könne667. Damit das menschliche Denken (die kantische) „objektive Gültigkeit“ erlangen kann, bedarf es nach Meinung von Pannenberg Gott als des „gemeinsamen Grundes“ beider Ebenen der Erkenntnisrelation – nämlich als Grund des „menschlichen Geiste[s]“ einerseits und der „außermenschlichen Wirklichkeit“ andererseits668. Deshalb ist für Pannenbergs Denken (– und übrigens nicht nur in dieser Hinsicht –) „der Schritt über Kant hinaus zum deutschen Idealismus, der diese These erneuert hat, unumgänglich gewesen.“669 „Nur unter Voraussetzung Gottes ist die Übereinstimmung des menschlichen Denkens mit der außermenschlichen Wirklichkeit, seine Wahrheit also, möglich. […] Ohne die Voraussetzung Gottes ist Wahrheit als Übereinstimmung nicht mehr denkbar.“670

Insoweit neuzeitlich „Wahrheit von der Subjektivität des Menschen her“ verstanden worden ist und dafür also die schon von Cusanus behauptete „Voraussetzung Gottes [kursiv: T. L.]“ erforderlich bleibt, meint Pannenberg urteilen zu können, dass „die Subjektivierung der Wahrheit als eine legitime Auswirkung biblischen Verständnisses der Wirklichkeit zu beurteilen“ sei671. Der weitere Argumentationsverlauf nimmt eine Biegung. Seine Überzeugung der Notwendigkeit Gottes für die Übereinstimmungsrelation der (angedeuteten, 665 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 214: Es sei hier erwähnt, dass Pannenberg der Auffassung ist, dass nach Cusanus auch Descartes den oben skizzierten Weg gegangen sei (vgl. ebd). 666 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 215. 667 Vgl. zu weiteren Aspekten dieser seiner Kantkritik siehe W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 215. 668 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 215. 669 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 215. 670 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 215. Im Hinblick auf die Tatsache, „daß Naturwissenschaft und Technik solche Übereinstimmung immer wieder bewährt“ fänden, merkt Pannenberg an, dass dies „angesichts der schöpferischen Selbständigkeit ihres Denkens gewiß alles andere als selbstverständlich“ sei (ebd.). 671 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 215.

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Wolfhart Pannenbergs Wahrheitskonzeption

aber gemeinten) Korrespondenz-/ bzw. Aussagenwahrheit des menschlichen Denkens führt ihn zur Rückführung der Wahrheit auf Gott hin, was Pannenberg jedoch nicht allzu explizit macht, aber anhand der von ihm neu aufgeworfenen, strukturell ethischen Frage nach der „Wahrheit des menschlichen Verhaltens“ (= d.i. s.E. die Frage nach sog. „Ausdruckswahrheit“) veranschaulicht wird672: Als wahr will Pannenberg menschliches Verhalten dann signifizieren, wenn „es mit Gottes Wahrheit übereinstimmt“673. Gott, den Pannenberg hier als Begründer der „Einheit der Welt“ bezeichnet, fungiert also als Maßstab für menschliches Verhalten, das seinerseits auf die Einheit der Wirklichkeit bezogen gedacht wird: Es gelte, „daß das Verhalten des Menschen nur wahr ist, wenn es im Blick auf die Einheit der Welt geschieht; denn nur so geschieht es im Blick auf den Schöpfer, der in seiner Treue die Einheit der Welt begründet. Und nur in dem, der die Einheit der Welt begründet, kann der Mensch den Gott finden, an dem die Wahrheit seines eigenen Verhaltens und Denkens ihren Maßstab hat.“674

Diese hier endende Thematisierung der Frage nach (der Möglichkeit von) Wahrheitserfahrung führt, wie Pannenberg meint, hinüber zur Frage „nach der Einheit der Wahrheit.“675 Was folgt, ist eine Erörterung der Frage, wie die Einheit von Wahrheit angemessen gedacht werden kann. Nach griechischem Verständnis exkludierte der Gedanke der Einheit ihre Möglichkeit zur Veränderung, wie Pannenberg meint: „Veränderung würde Vielfältigkeit in sich schließen, ein Nacheinander verschiedener Gestaltungen, und dann wäre nirgends mehr die volle, ganze Wahrheit, das wahrhaft Beständige zu finden [kursiv: T. L.].“676 Unveränderlichkeit gelte als Wesenszug der Wahrheit, das wahrhaft Beständige sei hier gedacht als „ohne Anfang und Ende“, als „eines und dasselbe“.677 Im Unterschied dazu meint Pannenberg mit M. Heidegger im griechischen Wort für Wahrheit, der ἀλήθεια, einen „Geschehenscharakter der Wahrheit“ zu erkennen; „ein geschichtlicher Zug, ein Geschehen der Entbergung“ drücke sich in diesem Ausdruck aus, was von den griechischen Denkern „nicht aus bloßem Zufall“ außer Acht gelassen worden sei, weil aus ihrer Sicht dieses Charakteristikum zum Gedanken der „Beständigkeit des Wahren“ im Widerspruch habe stehen müssen.678 Wenn die Griechen den beschriebenen ‚Geschehenscharakter‘ der ἀλήθεια erfasst hätten, wäre auch deren Distinktion zwischen „‚beständig‘ 672 673 674 675 676 677 678

W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 215f. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 216. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 216. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 216. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 216. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 216. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 216.

Die Attribute der Wahrheit und die Frage nach dem (formalen) Wahrheitsbegriff

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Wahrem und ‚wechselndem‘ Schein eingestürzt.“679 Dieses Versäumnis demonstriert für Pannenberg augenscheinlich „die verborgene Aporie des griechischen Wahrheitsgedankens.“680 Dass das griechische Wahrheitsverständnis sozusagen contra-intentional, aber zugleich intrinsisch „auf ein geschichtliches Verständnis der Wahrheit [kursiv: T. L.]“681 aus ist, wird als eine persönlich gewonnene Überzeugung Pannenbergs den weiteren Argumentationsverlauf nicht unwesentlich beeinflussen. Für ihn ist wichtig herauszustellen, dass sich berechtigerweise ein Bewusstsein der Geschichtlichkeit der einen Wahrheit herausgeschält hat. Und er möchte erklären, wie es zur allmählichen Herausbildung dieser Auffassung von Wahrheit gekommen ist. Die Ursachen für diese Entwicklung sind aus der Sicht Pannenberg keineswegs monokausal; sie hängen für ihn mit aufgekommenen Schwierigkeiten zusammen, die Einheit der Wahrheit zu denken bzw. aufrechtzuerhalten. „Im hellenistischen Dualismus“ sei die Einheit der Wahrheit dadurch „aufgegeben“ gewesen, dass „sich ihm die Wahrheit auf die Transzendenz des guten Gottes gegen die böse Welt zusammenzog“682. Für die christliche Theologie bestand nach Pannenberg eine Problematik darin, dass sie aufgrund des Schöpfungsglaubens auf den Gedanken der Einheit der Wahrheit nicht habe verzichten können, aber angesichts zunehmenden Auseinanderstrebens der Charakteristika von griechischem und biblischem Erbe in „kaum zu bewältigende Schwierigkeiten“ verwickelt worden sei683. Zu einer entscheidenden Verschärfung der Situation sei es „jedoch durch die neuzeitliche Subjektivierung der Wahrheit [kursiv: T. L.]“ gekommen, welche Pannenberg ihrerseits auf die Entstehung des „historischen Denkens“ zurückführt684. Ab „dem Zeitalter der großen Reisen im 17. Jahrhundert“ sei zunehmend deutlich geworden, „daß die Wahrheit für andere Völker und Zeiten andere Gestalt hatte“, zudem habe man „seit der Romantik […] auch nicht mehr rationalistisch die Wahrheit selbst von ihren historisch vielfältigen Formen lösen“ können, weil „man ja gerade diese Sicht der Aufklärung selbst als die einer beschränkten Epoche einzuschätzen“ gelernt habe685. Für Pannenberg manifestiert sich hierin die Erkenntnis der „radikale[n] Geschichtlichkeit des menschlichen Denkens“; es sei schon damals die Frage aufgekommen, „woher wir denn eigentlich wissen wollen, ob unsere Sicht der Welt wahrer ist als die anderer Völker und Kulturen.“686 Wo Wahrheit 679 680 681 682 683 684 685 686

W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 216f. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 217. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 217. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 217. Siehe zu alledem W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 217. Siehe dazu W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 217. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 217. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 217.

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Wolfhart Pannenbergs Wahrheitskonzeption

überhaupt gefunden werden könne, werde fraglich687. Für Pannenberg ist zur Eruierung von Wahrheit – wie oben dargelegt – der Rekurs auf die Wirklichkeit als Geschichte von konstitutiver Bedeutung, wodurch zugleich der Aspekt der Zeitlichkeit in sein Verständnis der Wahrheit Einzug erhält und sich mit dem Einheitsgedanken von Wahrheit geschickt verbindet: „Wenn der Hinblick auf die Einheit alles Wirklichen der Wahrheit wesentlich ist, dann kann es sich, wo es um die Wahrheit geht, nicht nur um unsere gegenwärtige Welt handeln, sondern die Einheit der Wahrheit müßte auch andere Völker und Kulturen ferner Zeiten umgreifen [kursiv: T. L.], für die das Ganze der Wirklichkeit sich anders darstellte als für uns Heutige. Es ist nicht möglich, von der eigenen Wahrheitserkenntnis einer Zeit her, frühere Auffassungen der Wirklichkeit ohne weiteres als unwahr zu verwerfen [kursiv: T. L.], zumal die Erfahrung lehrt, daß auch die heute gültige Wahrheit sich morgen schon verwandelt haben wird [kursiv: T. L.]. Jede Verabsolutierung einer Gegenwartswahrheit würde die geschichtliche Vielfalt der Wahrheitsbilder von vornherein verkennen.“688

Aus diesen Überlegungen resultiert eine für sein geschichtliches Wahrheitsverständnis eminent wichtige These, die er resümierend so fasst: „In dieser Situation kann die Einheit der Wahrheit nur noch gedacht werden als eine Geschichte der Wahrheit, und zwar so, daß die Wahrheit selbst eine Geschichte hat und daß ihr Wesen der Prozeß dieser Geschichte ist. Die geschichtliche Wandlung selbst muß als das Wesen der Wahrheit gedacht werden, wenn an ihrer Einheit noch festgehalten werden soll, ohne daß borniert ein Einzelstandpunkt sich mit dem Ganzen der Wahrheit verwechselt [kursiv: T. L.].“689

Den „bis heute wohl bedeutendste[n] Versuch einer Lösung“ für den von Pannenberg umrissenen Problemhorizont meint er in Hegels System finden zu können, insofern der konkrete Vorzug gegenüber alternativen Geschichtsphilosophien darin bestehe, „daß die Wahrheit nicht irgendwo als fertiges Resultat bereitsteht, sondern selbst als Geschichte, als Prozeß gedacht ist.“690 Pannenberg greift zur Erläuterung zunächst auf Hegels berühmtes Diktum aus der „ P h ä n o m e n o l o g i e d e s G e i s t e s “ zurück: „Das Wahre ist das Ganze“691. Es könne das, so seine Interpretation, „was dieses Ganze zum Ganzen macht, […] erst am Ende sichtbar werden. Es würden „[a]lle vorläufigen Stufen […] durch ihre inneren Widersprüche über sich selbst hinausgetrieben“; diese fänden „ihre Wahrheit erst jenseits ihrer selbst.“692 Pannenberg illustriert diesen Gedanken 687 688 689 690 691

Vgl. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 217. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 217. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 217f. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 218. Zitiert in W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 218 (Anm. 30) aus der Edition J. Hoffmeister (PhB 114), 21. 692 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 218.

Die Attribute der Wahrheit und die Frage nach dem (formalen) Wahrheitsbegriff

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folgendermaßen: Es seien „[d]ie endlichen Dinge […] zwar, aber: ‚die Wahrheit dieses Seins ist ihr Ende‘“, wie Hegel in der „ Wi s s e n s c h a f t d e r L o g i k “ notiert habe693. Weil „die Wahrheit als ein Stufengang verstanden ist“, werde „auch die Logik Hegels, deren eigentlicher Gegenstand der Begriff der Wahrheit ist, zu einem Stufengang, in welchem jeweils die höhere Stufe die Wahrheit der vorhergegangenen bildet, sofern sie deren Widersprüche zur Einheit zusammenfaßt und so das vorläufige Ganze des bis dahin zurückgelegten dialektischen Weges enthält.“694 Den „Fortgang der Logik“ versteht Pannenberg als „eine Reduktion“695, sodass „das Vorwärtsgehen ein Rückgang in den Grund, zu dem Ursprünglichen und Wahrhaften ist, von dem das, womit der Anfang gemacht wurde, abhängt und in der Tat hervorgebracht wird“.696 „Das Resultat aber, das, was alle Widersprüche und alle vorläufigen, sich wieder als einseitig erweisenden Synthesen umgreift, ist für Hegel das Absolute, das heißt für ihn: der absolute Gott. Der Sinn dieses ganzen Weges ist die Wahrheit, und zwar die Wahrheit, ‚daß darum, weil das Endliche der an sich selbst widersprechende Gegensatz, weil es nicht ist, das Absolute ist‘.“697 Hegels Darstellung des Verlaufs „der Geschichte und Religionsgeschichte“ hält Pannenberg insofern für legitim, „als es in der Geschichte und namentlich in der Geschichte des Geistes immer wieder um die schöpferische Überwindung der auftretenden Widersprüche und Gegensätze geht.“698 In der von Hegel formulierten These, derzufolge „erst am Ende sichtbar wird, was die Wahrheit des Ganzen ist“, stellt Pannenberg zudem zwei Berührungspunkte zum biblischen Wahrheitsverständnis fest. Diese lägen zum einen darin, Wahrheit nicht als zeitlose und unveränderliche Größe aufzufassen, sondern darin, dass sie „als ein durch Veränderungen verlaufender, aber darin sich durchhaltender Prozeß verstanden wird.“699 Zum anderen läge ein weiterer Berührungspunkt darin, „daß erst vom Ende her die Einheit des Prozesses, der unterwegs voller Widersprüche ist, sichtbar wird, damit aber auch die wahre Bedeutung jedes einzelnen Momentes.“700

693 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 218, in Anm. 31 der Hinweis auf Hegels Wissenschaft der Logik Bd. I, Edition G. Lasson, (PhB 56), 117. 694 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 218. Zum Begriff der Wahrheit als dem ‚eigentlichen Gegenstand‘ seiner Logik siehe den Hinweis in Anm. 32 auf Bd. I, 31 u. II, 211f. 695 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 218. 696 Hegel, Wissenschaft der Logik Bd. I, 55, zitiert nach W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 218 (inkl. Anm. 33). 697 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 218, hier (vgl. Anm. 34) zitierend aus Hegels Wissenschaft der Logik Bd. II (Edition G. Lasson), 62. 698 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 218. 699 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 218. 700 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 218f.

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Pannenberg meint dennoch, „eine[n] grundstürzende[n] Einwand“ gegenüber Hegel und seinem Denken geltend machen zu müssen701. Mit diesem moniert Pannenberg den „Verlust des Zukunftshorizontes“, den Pannenberg ursächlich darauf zurückführt, dass jener „seinen eigenen Standpunkt als das Ende der Geschichte [habe] verstehen müssen, um die Einheit der Geschichte denken zu können.“702 Nun komme aber „[d]ie Einheit der Geschichte – und also die Wahrheit“ jedoch „erst vom Ende her in den Blick“, was theologisch bedeute, „daß Hegel keine offene Zukunft, keine Eschatologie mehr vor sich hatte.“703 Pannenberg diagnostiziert auf diese Weise bei Hegel nichts weniger als eine selbst verschuldete Verunmöglichung des Projekts, die Wahrheit in ihrer Einheit zu denken: Weil künftige Wahrheit innerhalb seines Systems „notwendig ausgeschlossen“ worden sei, habe auch „nicht alle Wahrheit […] seines dialektischen Systems Aufnahme gefunden […]. Dann aber ist die Einheit der Wahrheit nicht gedacht und darum auch der Begriff Gottes nicht in seiner Wahrheit gedacht.“704 Das entscheidende, in Hegels Denkweg erkannte Defizit sieht Pannenberg darin, dass dieser in seinem System der Zukunft „kein eigenes Wahrheitsrecht mehr zubilligen zu können meinte“, um an der Einheit der Wahrheit festzuhalten.705 Weil aber die Einheit der Wahrheit nicht ohne Berücksichtigung der Zukunft denkbar sei, erklärt Pannenberg Hegels System für geistesgeschichtlich gescheitert, merkt aber anerkennend an, dass seither – weder bei K. Jaspers noch bei M. Heidegger – „die Frage nach der Einheit der Wahrheit […] wieder in vergleichbarer Tiefe gestellt worden [sei].“706 Pannenberg seinerseits glaubt, eine Alternative bereitstellen zu können, die es erlaubt, die Einheit der Wahrheit geschichtlich zu denken. Und zwar strebt er „auf dieser Stufe der Wahrheitsproblematik“ eine Lösung mithilfe des von ihm sog. „biblisch-christlichen Wahrheitsverständnisses“ an707. Auch wenn er Gemeinsamkeiten zu Hegels System sieht, spricht der Verlust der Zukunftsoffenheit gegen sein System: „Obwohl es auch für die biblischen Überlieferungen zum Wesen der Wahrheit gehört, eine Geschichte zu haben, obwohl sie sich – wie für Hegel – erst am Ende der Geschichte endgültig erweist und obwohl auch für das Urchristentum in Jesus die endgültige Of701 702 703 704 705 706

W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 219. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 219. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 219. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 219. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 219. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 219. In K. Jaspers‘‚Von der Wahrheit‘ bleibe „die Einheit der Wahrheit bloß erstrebtes Ziel.“ (ebd.) Bei Heidegger sieht er das Manko darin, dass „nicht deutlich [werde], wieso es zur Wahrheit selbst […] gehört, eine Geschichte zu haben, und zwar diese Geschichte – die der Metaphysik. Erst so aber wäre die Einheit der Wahrheit zu wahren.“ (a. a. O., 219f). 707 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 220.

Die Attribute der Wahrheit und die Frage nach dem (formalen) Wahrheitsbegriff

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fenbarung Gottes schon geschehen ist, bleibt doch – im Gegensatz zu Hegel – die Offenheit der Zukunft [kursiv: T. L.] bestehen.“708

Hierin erkennt Pannenberg die ersehnte Lösung „für die Hegelsche Wahrheitsaporie“709. Das Urchristentum habe es vermocht, „trotz der Endgültigkeit der in Jesus geschehen Offenbarung Gottes“ die Zukunft offenzuhalten, wodurch die Wahrheit Gottes nicht „durch den Begriff, sondern über alles Begreifen hinaus“ nur dem als „Vertrauen auf den kommenden Gott“ verstandenen Glauben zuteil werde710. In der Aufrechterhaltung der Polarität von Endgültigkeit und offener Zukunft liegt für Pannenberg also die Lösung; und diese sieht er durch den „proleptischen Charakter des Christusgeschehens“ begründet711. Er erklärt: Es sei durch Jesu Auferweckung das Ende zwar angebrochen, dieses sei „vorläufig nur ihm vorwegnehmend zuteil geworden“, während für uns die Totenauferstehung noch ausstehe, also gewissermaßen noch offene Zukunft sei712. Konnte diese Vorstellung vom proleptischen Charakter des Geschicks Jesu noch zu Zeiten des Urchristentums eine „überwältigende Wahrheitsgewißheit“ begründen, so erkennt Pannenberg, dass man, wenn man gegenwärtig diesen von ihm propagierten Weg teilen will, nicht an der Akzeptanz bestimmter Voraussetzungen vorbeikommt. (1) Zunächst müsse man wie er mit der Möglichkeit der Auferstehung rechnen, was Pannenberg angesichts der Option, über den eigenen Tod hinaus fragen zu können, für plausibel hält713. Darüber hinaus müsse man (2) die Auferstehung Jesu als historisches Ereignis, also „nicht als bloße Halluzination“, verstehen714. Wenn man bereit sei, in diesen beiden Punkten Pannenberg zu folgen, dann könnten wir nicht nur „das urchristliche Offenbarungsverständnis noch als unser eigenes nachvollziehen“, sondern dann auch in der „proleptische[n] Offenbarung Gottes in Jesus zugleich die Lösung“ für die diagnostizierte Aporie im Hegel’schen Wahrheitsgedanken sehen715. Den „mit Recht gegen Hegel erhobenen Einwänden“ möchte Pannenberg Genüge tun, indem seine Lösung (zumindest ihrem Selbstanspruch nach) „die Offenheit der Zukunft und die Kontingenz des Geschehens wahrt und doch die Endgültigkeit des in Jesus Erschienenen festhält, so daß die Einheit der Wahrheit ermöglicht ist. Das aber bedeutet den Erweis der Wahrheit der christlichen Botschaft selbst, daß sie

708 709 710 711 712 713 714 715

W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 220. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 220. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 220. Zur Hegelkritik s. bes. auch a. a. O., 220f Siehe W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 220ff (zit. 220). W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 220f, dort ausführlicher. Vgl. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 221. Siehe zur Auferstehungsfrage W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 221f. So die Selbsteinschätzung Pannenbergs. Vgl. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 222.

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allein die Einheit der Wahrheit stiftet. Es ist der allein mögliche Erweis ihrer Wahrheit.“716 Pannenberg schließt mit einer Zusammenfassung, die aufgrund ihres prägnanten, thesenhaften Charakters hier vollständig wiedergegeben wird: „1. Die Subjektivierung der Wahrheit in der Neuzeit ist geistesgeschichtlich im christlichen Glauben begründet. 2. Die Subjektivität kann sich selbst und ihr Denken nicht als Wahrheit verstehen, ohne Gott vorauszusetzen als den einen Ursprung alles Wirklichen. Dabei hat der Akt dieser Voraussetzung nur den Sinn einer offenen Frage, nicht den einer eigentlichen Gotteserkenntnis. 3. Die Subjektivität muß Gott voraussetzen als Ursprung der Einheit alles Wirklichen; nur ein solcher Gott, der alles umgreift, kann die Wahrheit selbst sein. Darum ist jede Gottesvorstellung darauf zu prüfen, ob sie die Wirklichkeit als Einheit zu verstehen erlaubt und somit der Einheit der Wahrheit genügt. 4. Die Einheit alles Wirklichen ist seit dem Aufkommen des geschichtlichen Bewußtseins selbst nur noch als Geschichte denkbar. Die Einheit der Wahrheit ist nur noch als Geschichtsprozeß möglich und kann erst von seinem Ende her erkannt werden. 5. Die Einheit der Wahrheit ist nur möglich, wenn sie die Kontingenz des Geschehens und die Offenheit der Zukunft einschließt. 6. Darum ist die Einheit der Wahrheit nur durch die proleptische Offenbarung Gottes in Jesus Christus konstituiert. Damit ist der Weg vom griechischen zum alttestamentlichen Gedanken der Wahrheit abgeschritten. Beide werden erst in Jesus Christus eins. Hier ist die griechische Frage nach der Wahrheit über den inneren Widerspruch im Wesen der ἀλήθεια hinausgehoben und in die Wahrheit Gottes selbst aufgehoben.“717

716 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 222. H. Schulz (Vom Daseinsverständnis zum Evidenzerleben, 114 [Anm. 29]) merkte nicht zu Unrecht an, dass Pannenberg „diese starke Behauptung (Aufweisbarkeit der christlichen Botschaft als einer notwendigen Möglichkeitsbedingung der Einheit von Wahrheit, soweit gewisse Voraussetzungen erfüllt sind) […] Pannenberg später abgeschwächt“ habe, und zwar in seiner „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ (Bd. 1, 66), aus der Schulz zitiert: „Steht ‚in der systematischen Darstellung der christlichen Lehre deren Wahrheit auf dem Spiele […], so kann das […] nicht bedeuten, daß der Dogmatiker selber die Entscheidungsinstanz über diese Wahrheit wäre. Seine Versuche, die Kohärenz der christlichen Lehre und damit auch die Einheit der Welt, ihrer Geschichte und ihrer künftigen Vollendung als Ausdruck der Einheit Gottes zu denken, sind nur Nachvollzug und Vorentwurf der Kohärenz der göttlichen Wahrheit selber […] Die Entscheidung über ihre Wahrheit liegt bei Gott selbst‘“ (ebd). 717 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 222.

Die Attribute der Wahrheit und die Frage nach dem (formalen) Wahrheitsbegriff

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3.3.5.1.3 Analyse und Kritik In dem frühen Aufsatz „Wa s i s t Wa h r h e i t ? “ präsentiert Pannenberg, wie ‚Wahrheit‘ schlechthin theologisch verstanden werden kann bzw. sollte. Sein theologisches Anliegen dürfte im Wesentlich darin bestehen, die Einheit der Wahrheit als Geschichte zu interpretieren. Im Duktus des Denkweges berührt Pannenberg aber auch verschiedentliche ontologische, onto-theologische, epistemologische und wahrheitstheoretische Fragestellungen. Weil diese nicht sauber auseinandergehalten werden, ergeben sich ernste Probleme. Im Folgenden werden sie in systematisierter Darstellungsform benannt und kritisch-konstruktiv besprochen. 3.3.5.1.3.1 Spannungen im abendländischen Verständnis von Wahrheit? Berechtigte Kritik etwa dürfte sich an der von Pannenberg behaupteten Relevanz der Spannung zwischen griechischem und israelitischem Wahrheitsverständnis für das Wahrheitsverständnis im Abendland entzünden. Entsprechende Zweifel an der Existenz eines abendländischen Wahrheitsverständnisses sind bereits oben vorgetragen worden. Indes scheint zweifelhaft, ob seine Erwägungen rund um die Entstehung des abendländischen Wahrheitsbegriffes etwas austragen im Sinne seines Plädoyers für ein geschichtliches Wahrheitsverständnis. Diese Kritik ist von U. Barth an Pannenberg hinsichtlich seiner Ausführungen in „Wa s i s t Wa h r h e i t ? “ gerichtet worden. Barth formuliert: „Es ist irreführend, wenn Wolfhart Pannenberg […], um seine These von der Geschichtlichkeit der Wahrheit zu belegen, die Genese des abendländischen Wahrheitsbegriffs auf „die Spannung zwischen griechischem und israelitischem Wahrheitsgedanken“ (203) zurückführt. Tatsächlich ist der „geschichtliche Zug“ (204) der „Wahrheit im israelitischen Sinne“ (ebd.) ein recht modernes Konstrukt und hat in der Geschichte des abendländischen Wahrheitsbegriffs so gut wie keine Rolle gespielt – wie Pannenbergs Ausführungen selbst belegen.“718

In der Tat. Obwohl Pannenberg den Aspekt der Geschichtlichkeit biblisch fundiert sieht, unterscheidet er aber doch auch die biblisch vorzufindende Form von Geschichtlichkeit von einer ‚modernen‘ Geschichtlichkeit719. Andererseits dient sein Plädoyer für die Geschichtlichkeit von Wahrheit zugleich dem theologischen Interesse, die bleibende Aktualität des biblischen Verständnisses von Wahrheit gegenüber dem (vermeintlich defizitär) griechischen ‚Wahrheits‘-Erbe herauszustellen und zu profilieren. 718 U. Barth, Gott – Die Wahrheit?, 101 Anm. 10. 719 R. Barth hat die Frage erhoben, ob Pannenberg nicht auf unzulässige Weise eine „Identifizierung von Problemstellungen des modernen historischen Bewußtseins mit dem alttestamentlichen Wahrheitsverständnis“ vornimmt (R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 23). Aufgrund der oben erwähnten Unterscheidung Pannenbergs will ich nicht von einer Identifizierung sprechen, sondern eher von einem Inbeziehungsetzen.

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3.3.5.1.3.2 Kategorienverwechslungen: Definitorische Wahrheit(-sfrage), Ontologie und Epistemologie Ein nicht zu unterschätzendes Manko seines Aufsatzes ist die Vermengung verschiedener Fragestellungen unter dem Gesichtspunkt der Wahrheitsfrage. Schon zu Beginn des Aufsatzes bekundet sich das Problem, dass Pannenberg die Frage nach dem Wesen von Wahrheit als eine strukturell definitorische Frage mit der Frage nach ihrem Kriterium vermengt (s. o.). So verhandelt Pannenberg die epistemologische Frage nach dem Wahrheitskriterium allzu eng unter dem Gesichtspunkt der ‚Subjektivierung der Wahrheit‘, was dem Ausdruck nach eine Entwicklung oder Wandlung hin zu einem anderen Begriff von Wahrheit indiziert. Am allerdeutlichsten tritt diese Konfundierungsproblematik zu Tage durch eine Argumentation, in der anklingt, die unterschiedliche Erfahrung der Wahrheit zu unterschiedlichen Zeiten von unterschiedlichen Völkern habe zum Bewusstsein der Geschichtlichkeit der Wahrheit geführt. Doch aus dem Wissen, dass Wahrheit im Zuge des Geschichtsverlaufs verschiedentlich erfahren (oder erkannt) worden ist, kann nicht einfach ihre Geschichtlichkeit abgeleitet werden. Das eine hat nicht notwendig mit dem anderen etwas zu tun. Dass Pannenberg hier an einen Konnex denkt, wird in seinen späteren Beiträgen deutlich(er). 3.3.5.1.3.3 Die These der ‚Subjektivierung der Wahrheit‘ Pannenbergs Kritik der „Subjektivierung der Wahrheit“ ist m. E. berechtigt, wenn mit diesem Etikett gemeint ist, dass die subjektive Seite der Erkenntnisrelation – also das erkennende Subjekt – zum Schöpfer der Wahrheit wird und dabei zugleich die für Wahrheit (zumindest im semantisch-ontologischen Sinn) wesentliche Referenz auf die außersprachliche (und freilich auch außermenschliche) Wirklichkeit unterbleibt. Dem jeweils als Wahrheit bezeichneten Phänomen haftete dann freilich der Makel des bloß Subjektiven an. Die Frage nach Wahrheit an sich und als solche käme dann nicht mehr in den Blick720. Ein „Ansatz zur Subjektivierung der Wahrheit“ mit der beschriebenen Problematik kann laut Pannenberg genau dann vorliegen, wenn wie im griechischen Verständnis von Wahrheit das Denken maßstabsgebend für die auf der Ebene der Entitäten angesiedelten Wahrheit bzw. des Wahren werde. Durch diese Überlegung kommt Pannenberg unweigerlich auf das semantisch-ontologische Phänomen von Wahrheit zu sprechen, wie es etwa durch den aussagetheoretischen Wahrheitsbegriff repräsentiert wird bzw. werden kann. Doch anstatt – wie es folgerichtig wäre – die Wahrheitsfrage anhand dieses Begriffs von Wahrheit zu klären, diskutiert er die angesprochene Wahrheitsproblematik unter dem Gesichtspunkt der „Subjektivierung der Wahrheit“ als „Wandlung des Wahrheits720 Das entnehme ich den Ausführungen aus W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 211f.

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verständnisses“721. Wie sich zeigte, führte seine Argumentation dann dorthin, die Option auf Wahrheit theologisch, nämlich über die Voraussetzung Gottes, verbürgen zu wollen, weil, wie er meint, nur so die von ihm angesprochene, strukturell korrespondentistische (Übereinstimmungs-)Wahrheit (z. B. von hypothetischen und konjekturalen Konstruktionen) die Kluft der Erkenntnisrelation als die zwischen erkennendem Subjekt in seinem Denken einerseits und ontologischer Ebene andererseits überbrücken könne. Weil Pannenberg offenkundig die von Cusanus erkannte schöpferische Aktivität des (zur korrespondentistischen Wahrheit führenden) Denkens wertschätzt und die Möglichkeit solcher Wahrheit durch den Gottesgedanken meint absichern zu können, erklärt sich, dass er doch in dieser Hinsicht wenigstens das Phänomen der „Subjektivierung der Wahrheit als eine legitime Auswirkung“ des biblischen Wirklichkeitsverständnisses meint taxieren zu können722. Doch kritisch ist die Frage an Pannenberg zu richten, inwiefern hier angemessen von einer ‚Subjektivierung von Wahrheit‘ gesprochen werden kann, wenn damit lediglich gesagt sein soll, dass Wahrheit von menschlicher Subjektivität her verstanden wird (und dabei als auf Gott bezogen gedacht wird723). Das ist eine epistemologische Frage und damit eine andere als die, ob Wahrheit zu etwas Subjektivem wird. Solange Pannenberg jedenfalls die semantisch-ontologische Wahrheit in Gestalt der aussagetheoretischen (Korrespondenz-)Wahrheit behandelt, ist diese Zuschreibung allein deshalb schon enorm unpassend, ja falsch. Sie ist es aber auch, weil – wie vor allem in späteren Beiträgen (wenn nicht) deutlich, so doch deutlicher wird – die aussagetheoretische (Korrespondenz-)Wahrheit strukturell schon nicht vom Subjekt her konzipiert wird, daher vielmehr den gegenteiligen, von Pannenberg favorisierten Gedanken der Objektivität aufrechterhält. Korrespondenzwahrheit wird vom Objektkorrelat, dem sog. Wahrmacher, her wahr. Sie bedarf darum aber auch nicht einer theologischen Absicherung durch eine wie auch immer näher zu verstehende Voraussetzung Gottes, wie Pannenberg in „Wa s i s t Wa h r h e i t ? “ meint724. Im Übrigen suggeriert diese These, etwas zu wissen, wozu wir nicht im imstande sein dürften, nämlich zu wissen, unter welchen Bedingungen wir es mit adäquater Erkenntnis zu tun haben. Derjenige (in diesem Fall Pannenberg) hätte dann einen privilegierten Zugang zu den Erkenntnisgegenständen. Doch woher will er das wissen oder wenigstens zu behaupten wagen? Es ist just dieses theologische Voraussetzen Gottes, wodurch sich Pannenbergs korrespondenztheoretisches Wahrheitsverständnis von mo721 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 212. 722 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 215. 723 So offensichtlich auch gemeint in der wiederholten Nennung der Formel in W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 216. 724 Vgl. auch die ersten drei Thesen seiner Zusammenfassung am Schluss des Aufsatzes Was ist Wahrheit?, 222.

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dernen, alternativen und rein philosophischen Optionen abhebt. Denn jene verzichten in aller Regel auf solche metaphysischen Begründungsmuster725. Faktisch, so zeigt sich bei Pannenberg, fungiert Gott und nicht das jeweilige Objektkorrelat als Wahrmacher der in Aussageform gekleideten Wahrheitsansprüche. Zur Rückbindung der Wahrheit an Gott kommt hinzu, dass letztlich Gott als Stifter der Wirklichkeit in ihrer Einheit als „die Wahrheit selbst“ behauptet wird726. Dass die menschliche Subjektivität Gott „als Ursprung der Einheit alles Wirklichen“ präsupponieren müsse727, ist eine ähnlich steile Behauptung. Für beide Behauptungen ist charakteristisch, dass sie unverkennbar das unzweideutige Produkt eines entschiedenen theologischen Interesses sind. Das ist an und für sich noch kein Problem. Problematisch ist aus meiner Sicht auch noch nicht, dass Pannenberg mit seiner Verbindung von Wahrheitsidee und dem Gedanken Gottes sich eines bestimmten Begriffs von Wahrheit, des (onto-) theologischen, bedient. Das ist eine legitime Option, aber natürlich nicht die einzig wählbare. Das bedeutet im Hinblick auf Pannenbergs Erwägungen zur Verbindung von Gott und Wahrheit, dass ihnen – wenn überhaupt – nur dann Plausibilität zukommen kann, wenn mit diesem Begriff von Wahrheit operiert wird. Pannenberg übergeht (bzw. scheint auch nicht so recht in den Blick zu bekommen oder gar bekommen zu wollen), dass es alternative Wahrheitsbegriffe gibt, die ohne den Gottesgedanken auskommen. Die Verbindung von Wahrheit und Gott im Wahrheitsbegriff ergibt sich also im Wesentlichen durch die Voraussetzung eines bestimmten Wahrheitsbegriffs, für den seinerseits die Voraussetzung charakteristisch ist, das Phänomen Wahrheit habe wesentlich mit Gott zu tun. 3.3.5.1.3.4 Die Verbindung von Gott und Wahrheit Wiederholt wird deutlich: Wahrheit soll letzten Endes mit Gott in Verbindung gebracht werden. Dies geschieht vornehmlich mit etymologisierenden Erwägungen zu potentiellen semantischen Gehalten des hebräischen Terminus für Wahrheit. Wenn dann auf solche Weise beispielsweise Bestandverleihen als Kerncharakteristikum von Wahrheit verstanden wird, folgt nahezu unweigerlich die Verbindung von Wahrheitsidee und Gottesgedanken – nur Gott allein vermöge es „letztlich Bestand zu gewähren“728. Der kritische Leser spürt freilich 725 Auf diese „metaphysische Grundlegung“ in Pannenbergs Umgang mit der Korrespondenztheorie hat bereits R. Barth zu Recht hingewiesen (R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 20). Man wird auch mit Barth behaupten dürfen, dass aus der Sicht Pannenbergs Korrespondenztheorien ohne solche metaphysische Grundlegung sich als defizitär darstellen. 726 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 222. 727 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 222. 728 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 206.

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Unbehagen; denn schließlich wird hier lediglich ein bestimmter Begriff von Wahrheit – die (onto-)theologische Wahrheit – argumentativ proponiert – mehr aber auch nicht. Die theologische Motivation tritt unverstellt zu Tage. Aufgrund des dezidiert theologischen Interesses an Wahrheit ist Wahrheitserkenntnis vornehmlich Gotteserkenntnis. Das bedeutet aber eine Beschneidung epistemologischer Optionen. Wenn Wahrheit letztlich Gott ist, dann mag ein fiduzialer Vertrauensglaube zwar ein Verhältnis zu Gott (als Wahrheit) haben. Das ändert aber nichts daran, dass die offene Frage nach Wahrheitserkenntnis überhaupt in einem weiter gefassten epistemischen Sinn übergangen wird, und zwar auch dann übergangen wird, wenn (vielleicht mit Pannenberg) davon ausgegangen werden kann, alle einzelne Wahrheitserkenntnis sei von Gott nicht zu trennen. Jedenfalls lässt sich nur von diesem theologischen Ausgangspunkt her einigermaßen nachvollziehen, dass er die Wahrheitsproblematik über Jesus und sein Geschick einer Lösung zuführen möchte. Eine gewisse Engführung im Umgang mit der an sich großen Wahrheitsfrage ist die nahezu unausweichliche Folge. 3.3.5.1.3.5 Jesus, das Wahrheitsproblem und die Hegel-Rezeption Wahrheitsfrage und Gottesgedanke werden von Pannenberg hier in besonderer Zuspitzung verbunden durch die These, dass die Person Jesu dezidierte Bedeutung zur Lösung des Wahrheitsproblems habe. Argumentativ holt Pannenberg aus und setzt bei Hegel ein, der Wahrheit geschichtlich verstanden habe. Hegels berühmtes Diktum ‚Das Wahre ist das Ganze‘ enthält einen Holismus, der Pannenbergs universalisierendem Denken sehr entgegenkommt und zugleich einen angenehmen Abstand zur ihm verhassten Postmoderne erkennen lässt729. Pannenberg interpretiert diese berühmten Worte Hegels dahingehend, dass er das Wahre oder Ganze auf die (Universal-)Geschichte bezieht730 und auf diese Weise Wahrheit (unweigerlich und auch mit voller Absicht) auf ontologischer Ebene ansiedelt731. Ein Rekurs auf Hegels Diktum bietet sich aus der Sicht Pannenbergs an, weil er zwei Gemeinsamkeiten zum biblischen Wahrheitsverständnis erkennt. Das ist zum einen das Verständnis von Wahrheit als geschichtliche Größe. Zum zweiten 729 Man mag hier etwa an Theodor W. Adorno denken, der lapidar das Gegenteil behauptete: „Das Ganze ist das Unwahre“ (So Th.W. Adorno, Minima Moralia, 57). 730 Der bei Pannenberg erkennbare starke Einfluss Hegels macht ihn freilich noch nicht zu einem Hegelianer, wie J.T. Bridges meint: „For Pannenberg, the Hegelian, truth and reality lie in historical appearance and the coordination between historical moments and forms.“ (J.T. Bridges, Human Destiny and Resurrection in Pannenberg and Rahner, 41). Dass Pannenberg sicht selbst nicht als Hegelianer versteht, legt er in einem Interview (M. Bauman, W. Pannenberg, Wolfhart Pannenberg, Munich, West Germany [Interview], 48) offen. 731 L.B. Puntel hat den Ausdruck ‚Wahrheitsontologie‘ im Zusammenhang der Hinwendung zur „ontologische[n] Dimension der Wahrheitsproblematik“ gebraucht (vgl. L.B. Puntel, Grundlagen einer Theorie der Wahrheit, 357). Darauf wird zurückzukommen sein.

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der Gedanke, dass die Wahrheit als eine und ganze „erst am Ende sichtbar“732 werde. Doch während Ersteres tatsächlich eine Gemeinsamkeit im Verständnis der (ontologischen) Wahrheit betrifft, betrifft die zweite Gemeinsamkeit die epistemologische Ebene der Wahrheitserkenntnis, betrifft also strenggenommen gar keine Gemeinsamkeit in der Wahrheitskonzeption. Pannenberg konfundiert (nicht zuletzt) hier die Frage nach Wahrheit mit derjenigen nach ihrer Erkenntnis. Diese Form der Kategorienverwechslung zeigt sich in seinem opus wiederholt; und sie besteht auch dann, wenn zugestanden wird, dass aus der Geschichtlichkeit von Wahrheit selbst die Geschichtlichkeit ihrer Erkenntnis deduziert werden kann (was Pannenberg offenbar tut). Sollte – so mag man sich fragen – die (auch andernorts wiederkehrende) Kategorienverwechslung durch seine Hegel-Rezeption ausgelöst sein733? Ungeachtet dieser Problematik erweist sich die Rezeption der berühmten Formel Hegels auch in anderer Hinsicht problematisch: Pannenberg hat in diesem frühen Aufsatz dafür plädiert, Wahrheit von der Geschichte her zu begreifen, womit eine Unterscheidbarkeit zwischen Wahrheit einerseits und Geschichte andererseits mitausgesagt ist. Wie passt das zum Verständnis der Wahrheit als ein Geschichtsprozess in Einheit und Ganzheit? Im Horizont der Hegel-Rezeption Pannenbergs stellt sich außerdem die Frage, ob Pannenberg mit seiner ontologischen Interpretation des Wahren als des Ganzen richtig liegt. Hat Hegel wirklich Wahrheit auf der geschichtlichen, ontologischen Ebene angesiedelt? Trifft Pannenberg Hegels Anliegen? F.-J. Overbeck konstatiert wohl nicht zu Unrecht eine „Umdeutung des Satzes Hegels, daß das Ganze das Wahre sei.“734 In seiner Vorlesung „Theologie der Vernunft“ deutet Pannenberg Wahrheit in auffallender Weise und dem Anspruch nach ebenso analog zu Hegel (!) als subjektimmanente Größe. Er denkt „Wahrheit als System“ [kursiv: T. L.] – das Ganze sei nur antizipativ zugänglich, „das Ganze bleibt ‚im Schleier der Zukunft verborgen‘ (167).“735 Doch wie passt diese Interpretation zur Verortung von Wahrheit auf ontologischer Ebene? In seinem Aufsatz „Wa s i s t Wa h r h e i t ? “ tadelt er deutlich Hegels Tendenz, Wahrheit von der Geschichte (Historie) abzukoppeln oder gar dieser entgegenzusetzen736. 732 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 218. 733 Die Konfundierung zweier Fragestellungen zeigt sich bereits bei Hegel, wenn er schreibt: „Das Wahre ist das Ganze. Das Ganze aber ist nur das durch seine Entwicklung sich vollendende Wesen. Es ist vom Absoluten zu sagen, daß es wesentlich Resultat, daß es erst am Ende das ist, was es in Wahrheit ist [kursiv: T. L.]; und hierin eben besteht seine Natur, Wirkliches, Subjekt, oder sich selbst Werden, zu sein.“ (G.W.F. Hegel, Phänomenologie des Geistes (hg. v. E. Moldenhauer u. K.M. Michel; Werke Bd. 3), 24). 734 F.-J. Overbeck, Der gottbezogene Mensch, 62. 735 W. Greive, Wolfhart Pannenbergs Vorlesung „Theologie der Vernunft“. Eine Skizze, 121. 736 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 219: „So konnte Hegel die Wahrheit der bloß äußerlichen Historie entgegensetzen, und derartiges dürfte in einem wahrhaft geschichtlichen, an der

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Werden hier bereits Ungereimtheiten in Pannenbergs Hegelrezeption erkennbar, so potenzieren sich die Schwierigkeiten, wenn der Versuch unternommen wird zu klären, was Hegel selbst mit seinem Diktum intendierte. Denn inzwischen konnte L.B. Puntel zeigen, dass Hegels eigene Aussagen zu Wahrheit und dem Wahren „in hohem Maße dunkel und problematisch“737 sind und in der Tat eine Reihe von kritischen Rückfragen provozieren: Passt diese berühmte These, das Wahre sei das Ganze, zur Auffassung Hegels, das Absolute bzw. Gott sei die Wahrheit738? Und wie kann Hegel eigentlich Wahrheit einerseits als innerontologisches Übereinstimmungsverhältnis eines Gegenstandes mit seinem Begriff definieren und auch (also alternativ? oder zugleich?) Wahrheit als „systemimmanente“ Größe verstehen in dem Sinne, „daß das Gesamtsystem die Wahrheit ist“739? Puntel hat nachweisen können, dass Hegel das Wort ‚Wahrheit‘ in der „P h ä n o m e n o l o g i e d e s G e i s t e s“ auf eine globale, vage, dunkle und vieldeutige Weisen verwendet, sodass sich für Puntel sogar die Frage erhebt, ob überhaupt eine gründliche Analyse lohnt740! Pannenberg wirft Hegel vor, die Wahrheit in ihrer Einheit (und auch den Gottesbegriff) nicht adäquat gedacht zu haben, was damit begründet wird, er habe illegitimerweise so etwas wie einen eschatologischen Standpunkt eingenommen und künftige Wahrheit exkludiert741. Dagegen können allerdings Einwände geltend gemacht werden. Erstens hat P. Dabrock mit Hinweis auf J. Simon742 zu Recht bezweifelt, dass Hegel den „eigenen Standpunkt als Ende der Geschichte“ (s. o.) habe verstehen müssen743. Zweitens mag der kritische Leser fragen, ob Pannenberg nicht selbst an jenem (problematischen) Punkt steht, an dem er Hegel vorwirft zu sein. Verdächtig in dieser Hinsicht ist an sich schon

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Kontingenz widerfahrender Wirklichkeit orientierten Verständnis von Wahrheit doch wohl nicht geschehen.“ (In Anm. 35 der Hinweis auf Hegels Wissenschaft der Logik Bd. II, 226). L.B. Puntel, Hegels Wahrheitskonzeption. Kritische Rekonstruktion und eine „analytische“ Alternative, 218. Siehe dazu L.B. Puntel, Hegels Wahrheitskonzeption. Kritische Rekonstruktion und eine „analytische“ Alternative, 218. So etwa in der Interpretation von R. Schäfer (Das holistisch-systemische Wahrheitskonzept im deutschen Idealismus (Fichte – Hegel), 251–273 (zit. 254). Vgl. L.B. Puntel, Hegels Wahrheitskonzeption. Kritische Rekonstruktion und eine „analytische“ Alternative, 222. Siehe auch die Anmerkung von D. McKenzie: „Like Hegel, he sees the truth emerging through the process of historical development. As we have noted, however, he does not hold, as opposed to Hegel, that we presently have the final truth. For this reason, the present situation cannot be absolutized.“ (D. McKenzie, Wolfhart Pannenberg & Religious Philosophy, 33). J. Simon, Art. Hegel/Hegelianismus, 538. P. Dabrock, Antwortender Glaube und Vernunft. Zum Ansatz evangelischer Fundamentaltheologie, 129 Anm. 471.

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seine These zur Geschichtlichkeit der Wahrheit, und zwar die These, dass Wahrheit zur Zukunft hin offen sei und sich erst zu einem späteren Zeitpunkt herausstelle. Denn das lässt sich letztgültig erst sagen oder vielmehr wissen, wenn der Standpunkt des Betrachters ein zukünftiger ist, ja wenn dieser „Ort“ mit dem Ende der Geschichte koinzidiert. Zunächst ist auch diese kühne These – und hier lässt sich mit Pannenbergs eigenen Worten sprechen – vorerst eine noch zu bewährende Hypothese. Nun legt Pannenberg einen Lösungsversuch vor, der den Verlust des Zukunftshorizontes bei Hegel ausräumen soll. Kann Pannenberg mit seinem Lösungsansatz „aus dem Horizont biblisch-christlichen Wahrheitsverständnisses“744 reüssieren? Die Antwort ist ein klares Nein. Die von ihm behauptete Hegelsche Wahrheitsaporie lässt sich nicht dadurch beseitigen, dass zur Rettung der Denkbarkeit der einen geschichtlichen Wahrheit erklärtermaßen eine Offenheit zur Zukunft hin gewahrt wird und zugleich (mit Entschiedenheit) „die Endgültigkeit des in Jesus Erschienenen“745 festgehalten wird. Seine Argumentation über das Proleptische funktioniert freilich strukturell nur über die Voraussetzung von Endgültigkeit und ihrer Wahrheit. Denn von Prolepse kann im strengen Sinn nur gesprochen werden, wenn klar ist, was das Endgültige und Künftige ist. Pannenbergs Deklaration dessen, was endgültig sei, ist zunächst nicht mehr als eine kaum plausibilisierte Hypothese. Hinzu kommt, dass mit ihr jene Zukunftsoffenheit unterminiert wird, die Pannenberg in betonter Abgrenzung von Hegel anstrebt (gegen seine Thesen 5 und 6). Aus gutem Grund argumentiert Pannenberg später (nicht zuletzt vor dem Hintergrund seiner wissenschaftstheoretischen Untersuchungen) sehr viel vorsichtiger und erkennt an, dass Antizipationen sich künftig auch als falsch erweisen können. 3.3.5.1.3.6 Die Geschichtlichkeit der Wahrheit in „ Wa s i s t Wa h r h e i t ? “ und darüber hinaus – Geschichtlichkeit der Wahrheit in Bezug auf welchen Wahrheitsbegriff ? Es ist oben bereits erwähnt worden, dass das Prädikat der Geschichtlichkeit der Wahrheit nur unter Voraussetzung eines bestimmten Wahrheitsbegriffs Sinn macht. Dieser Einsicht scheint Pannenberg nicht ansichtig zu werden – wie sonst meint er abschließend in seiner These 4 behaupten zu können, dass „[d]ie Einheit der Wahrheit […] nur noch als Geschichtsprozeß möglich“746 sei? A. Kreiner hat darauf aufmerksam gemacht, dass etwa hinsichtlich des aussagetheoretischen Wahrheitstyps (wie er beispielsweise auch bei mathematischen Wahrheiten in Anspruch genommen wird) kaum gesagt werden kann, dass Wahrheit geschichtlich ist. Denn entweder treffen die entsprechen Aussagen zu oder sie tun 744 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 220. 745 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 222. 746 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 222.

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es nicht. Mit der Geschichtlichkeit – ganz gleich ob im Sinne einer Relativierung oder der Relativität des Standpunktes, unter dem sie artikuliert werden – hat dies i. d. R. nichts zu tun747. Interessanterweise fordert Pannenberg aber schon in seinen „G r u n d z ü g e [ n ] d e r C h r i s t o l o g i e “ vom Verständnis dogmatischer Aussagen im Sinne „ zeitlos [kursiv: T. L.] verbindlicher und unabänderlicher Wahrheiten“ Abschied zu nehmen748. M.a.W.: Erst unter der von Pannenberg getroffenen Voraussetzung, dass Wahrheit als ontologische Wahrheit gedacht wird, lässt sich Wahrheit als eine geschichtliche – und zwar in material spezifizierter Form als ontologische Wahrheit der Dinge, aber auch in Identifikation der Wahrheit mit Gott – verteidigen. Eine solche wichtige Unterscheidung zwischen Wahrheitsbegriff und materialer Wahrheit nimmt Pannenberg jedoch leider nicht konsequent vor. Die Geschichtlichkeit der Wahrheit scheint dagegen nur auf Wahrheit im Sinne ontologischer Wahrheit endlicher Entitäten oder auf Gott angemessen appliziert werden zu können. Bei dem aussagetheoretischen bzw. korrespondenztheoretischen Wahrheitsbegriff macht diese These von der Geschichtlichkeit der Wahrheit in aller Regel dagegen keinen Sinn, weil die aussagetheoretische Wahrheit entweder wahr ist oder nicht – unabhängig von der Geschichtlichkeit ihrer Erkenntnis, aber auch unabhängig von einem geschichtlichen Wandel in den Erkenntnisgegenständen bei geschichtlicher Ontologie749. 747 Es sei denn, man will mit H.-D. Heckmann weiter differenzieren, etwa, wenn man fragt, zu welchem Zeitpunkt bestimmte Sätze (wie z. B. ‚Die Erde explodiert jetzt.‘) ihren Wahrheitswert erhalten (s. u.). 748 W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 10. W. Andersen (Auferstehung und Wirklichkeit. Überlegungen zu Wolfhart Pannenbergs „Grundzüge der Christologie“, 148) hat Pannenbergs Verabschiedung des Verständnisses dogmatischer Aussagen als zeitlos-verbindlicher Wahrheiten folgendermaßen kommentiert: „Wenn man „zeitlos“ im Sinne der Allgemeingültigkeit einer Idee oder einer mathematisch-logischen „Wahrheit“ versteht, trifft das natürlich zu. Aber ein solches Wahrheitsverständnis hat mit dem Dogma oder mit dogmatischen Aussagen im theologischen Sinne nichts zu tun. Deren Verbindlichkeit für die Wahrheit besteht nicht in einer für das Dogma und die dogmatischen Aussagen angenommenen Zeitlosigkeit, sondern in dem Bezogensein auf die Wahrheit Gottes in der Zeit, d. h. auf die – und hier können wir Pannenbergs Formulierung aufnehmen – ‚in keiner theologischen Formulierung aufgehende Wahrheit Jesu Christi selbst‘ (S. 12).“ (ebd.). Problematisch ist an diesen Ausführungen, dass sich in ihnen die gleiche Problematik bekundet wie häufig auch in Pannenbergs Ausführungen: Es werden faktisch zwei Wahrheitsbegriffe parallel verwendt. Einmal die Aussagenwahrheit, die ihrerseits dann aber auf die göttliche Wahrheit, die ihrerseits gängiger Repräsentant der onto-theologischen Wahrheit ist, bezogen wird, woraus Äquivokationen resultieren. Es ist im Übrigen auch nicht einzusehen, wieso für theologische Aussagen etwas anderes gelten soll als für andere (profane, wissenschaftliche o. ä.) Aussagen. 749 A. Kreiner hat an die (reguläre) Unverträglichkeit der aussagetheoretischen Korrespondenzwahrheit mit dem Attribut der Geschichtlichkeit mit dem Hinweis auf eine Bemerkung E. Tugendhats (in seinen „Vorlesungen zur Einführung in die sprachanalytische Philosophie“, 263) über Behauptungen erinnert: „Da eine „Behauptung … ein für allemal wahr oder

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R. Lauth hat schon 1966 die damals populäre These der Geschichtlichkeit der Wahrheit einer eingehenden Kritik unterzogen und das Gegenteil – ihre „absolute Ungeschichtlichkeit“ behauptet750. Ein wichtiges Argument ist, dass für diese These bzw. die Behauptung der Geschichtlichkeit der Wahrheit ihrerseits ungeschichtliche, zeitlose Wahrheit beansprucht wird (was sich im Übrigen auch bei Pannenberg so darstellt). Gegen die These spricht also v. a.: „Die These ist eine Behauptung, die eben als Behauptung den Anspruch erhebt, selbst wahr zu sein. Wenn alle Wahrheit geschichtlich ist, so ist es auch die Wahrheit dieser These.“751 Doch so dürfte Pannenberg seine Geschichtlichkeitsthese nicht verstanden haben. Hilfreich wäre hier eine Reflexion auf den zugrunde gelegten formalen Wahrheitsbegriff gewesen. Denn dann hätte Pannenberg differenzierter argumentieren können und herausstellen können, dass für die aussagetheoretische (Korrespondenz-)Wahrheit nicht gut ihre Geschichtlichkeit behauptet werden kann. Die also als zeitlos gültig zu verstehende These von der Geschichtlichkeit der Wahrheit macht nur vor dem Hintergrund einen gewissen Sinn, dass Pannenberg Wahrheit maßgeblich an die Ontologie bindet, d. h. ganz konkret an Sachen, die Dinge (mit ihrem sich im Prozess ihres Werdens herausbildenden Wesen) und letztlich an Gott. Im Ergebnis lässt sich also die Geschichtlichkeit der Wahrheit nicht gut behaupten. Wichtig wäre zudem vor allem eine kategoriale Unterscheidung zwischen der Geschichtlichkeit der Wahrheit selbst und dem geschichtlichen Prozess falsch“ ist, ergibt die Rede von der Geschichtlichkeit der Wahrheit im Kontext des von mir vertretenen Wahrheitsbegriffs keinen Sinn.“ (A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 11). Auf ähnliche Weise hat F. Mildenberger (Biblische Dogmatik I, 192 Anm. 35) mit Bezug auf die Wahrheit von Behauptungen im Werk Pannenbergs nicht zu Unrecht festgestellt, man könne diesbezüglich von der Vorstellung einer „zeitlose[n] Wahrheit“ sprechen. Für Mildenberger scheint dies v. a. dadurch der Fall zu sein, dass bei Pannenberg dogmatische Sätze als Sätze aufgefasst werden, die von der „Situation bekennenden Sprechens zurückgenommen“ werden. H. Springhorn (Immanenz Gottes und Transzendenz der Welt. Eine Analyse zur systematischen Theologie von Karl Rahner und Wolfhart Pannenberg, 29 Anm. 25) hat diese These Mildenbergers offenbar im Sinne Pannenbergs zurückzuweisen versucht. Die Betrachtungen in diesem Kapitel zeigen allerdings, dass hier offenkundig Spannungen bleiben (s. o.). Sachlich weiterführend erscheinen mir H.-D. Heckmanns Überlegungen darüber, wie sich die aussagetheoretische Wahrheit zu der Dimension Zeit verhält. Siehe dazu ausführlicher H.-D. Heckmann, Was ist Wahrheit?, 198ff: Ein Beispiel mag hier angeführt werden: Die Proposition ‚Die Erde explodiert jetzt‘ ist streng genommen nur dann wahr, wenn die Erde jetzt explodiert. Der Satz muss also seinen Wahrheitswert noch erlangen (vgl. a. a. O., 199f). 750 Siehe dazu R. Lauth, Die absolute Ungeschichtlichkeit der Wahrheit (1966). Das ganze Buch versteht sich als eine Widerlegung der o.g. These, auf deren Verbreitung er übrigens auch eingeht. Siehe seine Bemerkung a. a. O., 10. 751 R. Lauth, Die absolute Ungeschichtlichkeit der Wahrheit, 12.

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ihrer (geschichtlichen) Erkenntnis, was bei Pannenberg nicht (immer) sorgfältig erfolgt ist, dagegen schon damals bei R. Lauth geschehen ist752. Wie wenig Pannenberg von der Zeitlosigkeit korrespondenztheoretischer Wahrheit her denkt, zeigt sich etwa auch darin, dass er meint, es sei „endgültig Abschied zu nehmen von der Vorstellung, daß dogmatische Aussagen den Charakter zeitlos verbindlicher und unabänderlicher Wahrheiten haben müßten.“753 Und er begründet dies mit dem Hinweis darauf, dass „jede christologische Einsicht an einen bestimmten Forschungsstand gebunden und somit prinzipiell überholbar“ sei, worin sie sich unterscheide „von der den christlichen Glauben tragenden, aber in keiner theologischen Formulierung endgültig aufgehenden Wahrheit Jesu Christi selbst.“754 Durch die Vermengung zweier Wahrheitsbegriffe übersieht Pannenberg ihre unterschiedlichen Strukturelemente. Während von ontologischer Wahrheit durchaus ihre Geschichtlichkeit behauptet werden kann, gilt dies für die aussagetheoretische Wahrheit – jedenfalls normalerweise – nicht (s. o.). Ein Auseinanderhalten verschiedener Wahrheitsbegriffe ermöglicht eine differenziertere Betrachtung, weshalb gefragt werden kann, ob ganz bestimmte von Pannenberg der Wahrheit attribuierte Charakteristika wirklich auf jeden Wahrheitsbegriff anwendbar sind. 3.3.5.1.3.7 Die Kritik der Distinktion zwischen zwei (grund-)verschiedenen Wahrheitsbegriffen Dass es so etwas wie ein abendländisches Wahrheitsverständnis gibt, ist an sich schon fragwürdig, weil sehr unterschiedliche Wahrheitskonzeptionen entwickelt worden sind755. Grob vereinfachend dürfte nicht, wie Pannenberg meint, eine Spannung zwischen griechischer und israelitischem Wahrheitsverständnis prägend gewesen sein innerhalb der abendländischen Geistesgeschichte, sondern vielmehr die unterschiedliche Lozierung der Wahrheitsthematik auf entweder (1) eher der ontischen (ontologischen) Seite, (2) auf der subjektimmanenten Seite oder auf (3) der Relation zwischen semantischer und ontologischer Ebene, die i. d. R. den (unbestimmten) Begriff der Aussagenwahrheit konstituiert756. 752 Man vgl. hierzu die klare, im Inhaltsverzeichnis vorgenommene Unterscheidung zwischen der Geschichtlichkeit der Wahrheit selbst („Erste These“) und der davon zu unterscheidenden geschichtlichen Wahrheitserkenntnis („Zweite These“) in R. Lauth, Die absolute Ungeschichtlichkeit der Wahrheit. 753 W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 10. 754 W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 10. 755 Siehe dazu M. Enders/J. Szaif (Hg.), Die Geschichte des philosophischen Begriffs der Wahrheit (2006). 756 Ähnlich hat R. Barth die Gegensätzlichkeit eines „maßgeblich von Augustin geprägten christlich-idealistischen Wahrheitsverständnis[ses]“ zu einer (aussage-)logischen, v. a. aristotelischen Tradition behauptet (R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 358).

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Pannenberg hat seine These der Geschichtlichkeit der Wahrheit insbesondere im Anschluss an das sog. biblische Wahrheitsverständnis und im (behaupteten) Gegenüber zum sog. griechischen Wahrheitsverständnis zu profilieren versucht und dabei en passant – das wirkt nicht unverdächtig – eine Überlegenheit des israelitisch-biblischen Verständnisses von Wahrheit und Wirklichkeit demonstrieren wollen. Die Distinktion zwischen griechischem und hebräischem Denken und die daraus abgeleitete Unterscheidung zwischen zwei entsprechenden Wahrheitsbegriffen ist, wie E. Jüngel zu berichten weiß, geradezu typisch für eine Vielzahl (vor allem evangelisch-)theologischer Wahrheitspositionen im 20. Jahrhunderts757. Und es darf ergänzt werden, dass auch im beginnenden 21. Jahrhundert sich diese Auffassung (grund-)verschiedener W.-Begriffe hartnäckig zu halten scheint758, was mit Chr. Landmesser sicher darauf zurückzuführen ist, dass H. v. Sodens „ Wa s i s t Wa h r h e i t ? Vo m g e s c h i c h t l i c h e n B e g r i f f d e r Wa h r h e i t “ und dessen darin vorgenommene Distinktion „bis heute eine recht große Wirkung“ hat.759 Zu (bekannteren) Vertreten dieser geläufigen Distinktion zwischen hebräischem und griechischem Wahrheitsbegriff 760 können gezählt werden mit A. 757 Vgl. hierzu E. Jüngel, Art. Wahrheit I. Begriff und Problematik, 1245f. 758 Das gilt auch, wenn man mit E. Jüngel die Einschätzung teilen sollte, dass die behauptete Gegensätzlichkeit in neueren Untersuchungen, insbes. in derjenigen Landmessers, eher zunehmend relativiert zu werden scheint, worauf E. Jüngel (Art. Wahrheit I. Begriff und Problematik, 1245f) mit Recht hingewiesen hat. Wieso Jüngel nach offensichtlicher Kenntnisnahme der Studie Landmessers die Frage stellen kann, inwiefern mit Blick auf den Wahrheitsbegriff sich für die Theologie Anschlussmöglichkeiten an die philosophischen Wahrheitstheorien ergeben könnten (vgl. a. a. O., 1246), bleibt mir unverständlich. 759 So Landmessers Einschätzung aus dem Jahre 1998. Vgl. Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 209 Anm. 184. Landmesser zeigt dies exemplarisch an Pannenbergs Adaption der von v. Soden vorgenommenen Distinktion zwischen biblischem und griechischem Wahrheitsbegriff. Man beachte daneben auch Kreiners sicher bedenkswerte Erklärung für das Aufkommen der These zweier Wahrheitsbegriffe: „Die Entstehung des Eindrucks von einem tiefgreifenden Unterschied zwischen zwei Wahrheitsbegriffen läßt sich folgendermaßen rekonstruieren: Man geht mit einem bestimmten Wahrheitsverständnis an die biblischen Texte heran, stellt dann fest, daß sich dieses Verständnis in den meisten Fällen nicht mit dem biblischen Sprachgebrauch deckt und zieht im Anschluß daran die Konsequenz, daß es sich hier wohl um einen andersgearteten Wahrheitsbegriff handelt. Unter der Voraussetzung, daß es ein zugrundeliegendes Wesen der einen Wahrheit gebe, muß nun danach gefragt werden, welches Wahrheitsverständnis dem eigentlichen Wesen der Wahrheit gerecht wird. Am Ende weitet sich der sprachliche Unterschied in einen solchen der Denkweisen aus, der unter Heranziehung weiterer theologischer Argumente dazu zwingt, sich auf das ursprünglich biblische Denken zu besinnen, um die griechischen Einflüsse zu eliminieren.“ (A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 329). 760 Wobei Kreiner Feststellung Berücksichtigung verdient, dass es sich dabei durchaus um verschiedentlich vorgenommenene Distinktionen handeln kann, d. h. die (Grund-)Unterscheidung zwischem zwei Wahrheitsbegriffen zum Teil unterschiedlich gefasst werden kann:

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Kreiner761 J.B. Bauer762, R. Bultmann763, H. v. Soden764, H. Wildberger765, L. Goppelt766, E. Brunner767, K. Koch768, O. Loretz769, H. Küng770, I. de la Potterie771, E.E. Schneider772, E. Jüngel773 und C.-F. Geyer774. Diese Übersicht lässt sich mühelos um neuere, in dieselbe Richtung gehende Voten für diese alte Position ergänzen775.

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So werden „[d]ie Gegensatzpole […] nicht einheitlich charakterisiert: Auf der einen Seite werden Termini wie „semitisch“, „hebräisch“, „biblisch“ oder „neutestamentlich“ genannt, auf der anderen Seite „hellenistisch“, „griechisch“, „platonisch“, „aristotelisch“, teilweise aber auch „rationalistisch“.“ (A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 315 Anm. 53). Vgl. zu den genannten Vertretern der These zweier, verschiedener Wahrheitsbegriffe die Übersicht in: A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 315–325. J.B. Bauer, Art. Wahrheit, 775–785, bes. 775. R. Bultmann, Untersuchungen zum Johannesevangelium, 113–163, bes. 121. H. v. Soden, Was ist Wahrheit? Vom geschichtlichen Begriff der Wahrheit, 1–24, bes. 15. H. Wildberger, Art. ‘mn, sicher, 177–209, bes. 181. L. Goppelt, Wahrheit als Befreiung. Das Neutestamentliche Zeugnis von der Wahrheit nach dem Johannes=Evangelium, 80–93, bes. 83f. E. Brunner, Wahrheit als Begegnung, 70. K. Koch, Der hebräische Wahrheitsbegriff im griechischen Sprachraum, 47–65, bes. 58. An dieser noch immer populären These scheint er auch nach der umfassenden Untersuchung von Landmesser (s. u.) festzuhalten – zumindest nimmt er von den darin zusammengetragenen neuen Erkenntnissen keine Notiz. Vgl. K. Koch, Art. Wahrheit II. Altes Testament, 1246–1248. O. Loretz, Die Wahrheit der Bibel, bspw. 72–77. Ist zwar eine Unterscheidung zwischen griechischem und hebräischem Wahrheitsbegriff indes auch für die Studie von Loretz charakteristisch, so lag allerdings seine Intention speziell darin, dem vollen Umfang des Ausdrucks ‚Wahrheit‘ innerhalb der Bibel (in seinen Worten: dem ‚biblischen Wahrheitsbegriff‘) im Ganzen Rechnung zu tragen. Darum kann es seiner Meinung nach nicht darum gehen, bestimmte Aspekte von ‚Wahrheit‘ „dialektisch hochzuspielen oder z. B. den griechischen Wahrheitsbegriff gegenüber dem hebräischen ins Unrecht zu setzen.“ (Vgl. O. Loretz, Die Wahrheit der Bibel, 14 Anm. 7). H. Küng, Unfehlbar? Eine Anfrage, 181. I. de la Potterie, La vérité dans Saint Jean, bes. 1023–1059. E.E. Schneider, Die Wahrheit als Zentralbegriff der Theologie, 257–266, bes. 258ff. E. Jüngel, Wertlose Wahrheit. Christliche Wahrheitserfahrung im Streit gegen die „Tyrannei der Werte“, in: S. Schelz (Hg.), Die Tyrannei der Werte, Hamburg 1979, 47–75, bes. 48ff. Neuerdings und in bes. Kenntnisnahme der Studie von Chr. Landmesser hat Jüngel offensichtlich seine Meinung geändert und als Beobachtung festgehalten, die These der Gegensätzlichkeit zwischen hebräischem und griechischem Denken sei in der neueren Forschung „relativiert worden“ (E. Jüngel, Art. Wahrheit I. Begriff und Problematik, 1245). C.-F. Geyer, Überlegungen zum Wahrheitsanspruch der Religion im Anschluß an die These von der „Hellenisierung des Christentums“, 42–61, bes. 47ff. Wie wirkmächtig die These zweier Wahrheitsbegriffe von H. v. Soden war und ist, zeigen die ausgewählten Belege zur Distinktion dieser zwei Wahrheitsbegriffe: Vgl. G. Ebeling, Dogmatik des christlichen Glaubens. Bd. II (Zweiter Teil), 117; vgl. Chr. Gestrich, Glaube und Denken, 365; M. Petzoldt geht ausdrücklich auf die von H. v. Soden getroffene Unterscheidung zweier Wahrheitsbegriffe zurück, wenngleich Petzoldt dabei darauf hinweist, dass v. Soden sowohl die Unterschiede als auch die Zusammenhänge beider Wahrheitsbegriffe herausgearbeitete habe. (siehe dazu M. Petzoldt, Wahrheit als Begegnung. Dialogisches

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Inzwischen ist – insbesondere durch die Studien von A. Kreiner, Chr. Landmesser und L.B. Puntel – der Nachweis erbracht worden, dass die These zweier grundsätzlich oder radikal verschiedener Wahrheitsbegriffe nicht aufrecht zu

Wahrheitsverständnis im Licht der Analyse performativer Sprache, 81); auch I.U. Dalferth u. Ph. Stoellger (Wahrheit, Glaube und Theologie. Zur theologischen Rezeption zeitgenössischer wahrheitstheoreticher Diskussionen, 37f) scheinen an einer grundsätzlichen Differenz zwischen griechischem und hebräischem Wahrheitsverständnis festzuhalten; sie gehen sogar verschärfend über Pannenberg hinaus, indem sie hinsichtlich des von ihm herausgearbeiteten gemeinsamen Grundbestands beider Begriffe (d.i. die Beständigkeit, Verlässlichkeit und Erfahrbarkeit der Wahrheit) kritisch fragen, ob denn überhaupt solche Grundstrukturbestimmungen „in ‚griechischer‘ wie ‚hebräischer‘ Perspektive dasselbe meinen“ (a. a. O., 37). Sie stellen fest, dass diese Frage bei Pannenberg „unthematisch und fraglos“ bleibe (a. a. O., 37); Die Tatsache, dass Pannenberg die Differenz beider Wahrheitsverständnisse letztlich nur darin erkennt, „daß das griechische Wirklichkeitsverständnis verkürzt sei im Vergleich mit dem hebräischen, aber in letzterem (resp. im ‚biblischen‘!)“, wie sie Pannenberg zitieren, „nicht ausgeschlossen, sondern mit aufgehoben“ (W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 208) sei (a. a. O., 37), stößt bei Dalferth u. Stoellger allerdings auf Unverständnis, erkennen sie in Pannenbergs Programmatik eine „massive Einheitsvoraussetzung“, mithin eine „pluralismusreduktive Version eines Holismus“, der mit seiner Einheitsthese drohe, „die Wahrheit undenkbar und unsagbar“ werden zu lassen (a. a. O., 38); vgl. ferner W. Kasper, Das Wahrheitsverständnis der Theologie, 176ff (wobei Kasper einerseits in der geläufigen Gegenüberstellung der beiden Wahrheitsbegriffe viele zutreffende Aspekte zu erkennen glaubt, aber anmerkt, dass der Unterschied aufgrund von Gemeinsamkeiten „nicht übersteigert werden“ sollte (a. a. O., 177.), ja im Ergebnis nicht mal von einem Gegensatz, sondern von einer bereits in der Schrift grundgelegten „schöpferische[n] Synthese“ sprechen möchte (a. a. O., 182). Auch Chr. Link (In welchem Sinne sind theologische Aussagen wahr?, 530 inkl. Anm. 28) schließt ausdrücklich an v. Sodens berühmte Distinktion an; E. Frank Tupper (The Theology of Wolfhart Pannenberg, 47) und auch der Pannenberg Schüler Stanley J. Grenz haben undiskutiert diese These von v. Soden und Pannenberg übernommen. Vgl. zu Letzterem S.J. Grenz, Reason for Hope, 19 sowie S.J. Grenz, „Scientific“ Theology / „Theological“ Science: Pannenberg and the Dialogue between Theology and Science, 162; die Distinktion beider Wahrheitsverständnisse vertritt im Anschluss an H. v. Soden und Pannenberg auch P. Scharr, Consensus fidelium, 111ff u. R. Nnamdi (Offenbarung und Geschichte, 30ff), der die klassische Distinktion v. a. unkritisch zu übernehmen scheint. A. Lange (Religion als Weltbemächtigung, 50) teilt die von Pannenberg festgestellte ‚Spannung‘ zwischen griechisch-metaphysischem und biblisch-hebräischem Wahrheitsverständnis. A.D. Galloway (Wolfhart Pannenberg, 83 u. 103) übernimmt unkritisch Pannenbergs Distinktion zwischen griechischer und hebräischer Wahrheit. Auch T. Bradshaw (Pannenberg: A Guide for the Perplexed, 11) übernimmt sie ohne Kritik. Vorsichtiger äußerte sich dagegen damals schon David P. Polk (On the Way to God. An Exploration into the Theology of Wolfhart Pannenberg, 28), indem er den zweifachen Ursprung des abendländischen Wahrheitsverständnisses ausdrücklich als eine These Pannenbergs bezeichnete, die für sein Denken von grundlegender Bedeutung sei. Th. Böhm zeigt, dass sogar bis in die jüngste Diskussion die Behauptung zweier verschiedener Wahrheitsbegriffe wiederholt werde (vgl. dazu Th. Böhm, Das Wahrheitsverständnis in Bibel und Früher Kirche, 49f. Dort auch weitere neuere Lit.). P. Dabrock („Was heißt: Die Wahrheit sagen“ in fundamentaltheologischer Perspektive?, 92 Anm. 4) hält an der Unterscheidung zweier Wahrheitsbegriffe fest, hebt aber hervor, dass „strittig [sei], ob ein grundsätzlicher oder nur gradueller Gegensatz zwischen hebräischem und griechischem Verständnis von

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erhalten ist776. Das heißt, dass die vielfach auch heute noch vertretene Meinung, es stünden sich etwa auf der einen Seite ein abstrakter, d. h. i. d. R. adäquationsoder korrespondenztheoretischer Wahrheitsbegriff griechischer Provenienz und auf der anderen Seite ein biblischer Wahrheitsbegriff, der dagegen „auf das verlässliche Handeln des Menschen ausgerichtet“ sei, gegenüber, als überholt zu bezeichnen ist777. Folgende Argumente können geltend gemacht werden: Erstens: Es ist schlichtweg so, dass in keiner – mit Ausnahme vielleicht in der johanneischen Tradition (s. u.) – der verschiedenen biblischen Schriften ein spezieller Wahrheitsbegriff entwickelt, d. h. in systematisierender Form o. ä. propagiert, skizziert, expliziert, entwickelt oder offen gelegt worden ist778. Anhand philosophischer und exegetischer Untersuchungen kann gezeigt werden, „daß in der Bibel […] kein prägnanter Begriff von Wahrheit ausgebildet worden ist“, der die Rede von einem spezifisch biblischen Wahrheitsbegriff legitimieren könnte779. Zweitens: Wer nach einem semantisch einigermaßen klaren Wahrheitsbegriff sucht, wird sicher auch dann nicht fündig, wenn er seine Suche auf das Neue Testament begrenzt, wie schon aus A. Anwanders Art. „Wahrheit“ hervorgeht: „Im Neuen Testament ist Wahrheit, Licht, Leben, Liebe fast synonym und meint

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Wahrheit herrscht“. Im Übrigen wird – ausgehend von dieser Begriffsdistinktion – zuweilen angenommen, beide Wahrheitsbegriffe seien über das Abendland prägend geworden. So neben Pannenberg etwa auch O.F. Bollnow, Das Doppelgesicht der Wahrheit, 9ff sowie daran anschließend etwa H.-J. Klimkeit, Wahrheit in der indischen Spruchweisheit, 86. Im Anschluss an E. Schockenhoff geht R. Polak von einem biblischem Wahrheitsverständnis aus, expliziert dieses aber mit einer Unterscheidung zwischen Wahrheit im Alten Testament und Wahrheit im Neuen Testament. Siehe ausführlicher dazu R. Polak, Macht und Wahrheit: Ein praktischer Widerspruch?, 89ff. Zur These zweier prinzipiell oder radikal verschiedener Wahrheitsbegriffe und ihrer Kritikwürdigkeit vgl. folgende Beiträge: A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 306ff; L.B. Puntel, Art. Wahrheit, 927f; L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff in Philosophie und Theologie, 25–28; L.B. Puntel, Das Verhältnis von Philosophie und Theologie. Versuch einer grundsätzlichen Klärung, 18; Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 207ff, bes. 214f; Chr. Landmesser, Art. Wahrheit/Wahrhaftigkeit II. Neues Testament, bes. 340 u. 342; Chr. Landmesser, Art. Wahrheit, in: TRT5 Bd. 3, 1247f; Chr. Landmesser, „Die Wahrheit wird euch frei machen“. Biblische Perspektiven, 124ff. Den in aktuelleren Beiträgen formulierten neuen Erkenntnisstand rezipiert Th. Böhm (Das Wahrheitsverständnis in Bibel und Früher Kirche, 49ff, bes. 53 u. 55): Böhm spricht von einer „Diskrepanzhypothese von biblischem und hellenistischem Wahrheitsverständnis“, die unter Berücksichtigung der neueren Untersuchungen auch seiner Meinung nach „entscheidend an Plausibilität“ eingebüßt hat (Th. Böhm, Das Wahrheitsverständnis in Bibel und Früher Kirche, 61). Chr. Landmesser, „Die Wahrheit wird euch frei machen“. Biblische Perspektiven, 125f. Wiederholt, aber zu Recht kritisiert er die von von Soden maßgeblich geprägte Distinktion zweier (grund-)verschiedener Wahrheitsbegriffe, die seit ca. 80 Jahren in der Diskussion um „den“ Wahrheitsbegriff in der Bibel wiederholt rezipiert wird (vgl. a. a. O., 124ff). Vgl. dazu A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 306ff. So Th. Böhm (Das Wahrheitsverständnis in Bibel und Früher Kirche, 61), der das Ergebnis der Untersuchung von Kreiner konstruktiv aufgreift.

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stets in erster Linie die Offenbarung, die Gott in Christus schenkt, mit der in Übereinstimmung zu denken und zu handeln des Menschen Anteil an der W. ist.“780 Das ist nicht mehr als eine (sicher ergänzungsbedürftige) Aufzählung unterschiedlicher Bedeutungsgehalte, die unter Wahrheit innerhalb des neutestamentlichen Kanons subsumiert werden können. Soll von einem signifikantsemantischen Wahrheitsbegriff innerhalb der Bibel die Rede sein, dann kann – wenn überhaupt – nur erwogen werden, diesen innerhalb der johanneischen Literatur zu erkennen781. Es findet sich zwar freilich in den johanneischen Schriften keine systematische Darlegung eines solchen Wahrheitsbegriffs, doch erweist sich der Ausdruck ἀλήθεια als terminus technicus782 im Gesamtzusammenhang eines Wahrheitsverständnisses, das sich durch eine Verbindung von Gottesgedanke, Wahrheitsidee und Offenbarungsthematik auszeichnet. Worin der je konkrete materiale Bedeutungshalt der Vokabel ἀλήθεια besteht, ist umstritten und hängt im Einzelnen vom Kontext ab, was hier jedoch nicht weiter zu verfolgen ist783. Sehr klar ist aber der Grundtenor: Wahrheit kommt sehr konkret 780 A. Anwander, Art. Wahrheit, 584. 781 So die m. E. zutreffende Einschätzung von Th. Böhm (Das Wahrheitsverständnis in Bibel und Früher Kirche, 61) im Anschluss an die Untersuchung Kreiners (s. u.). Auch Chr. Landmesser erkennt (im Anschluss an I. de la Potterie) einen genuin johanneischen Wahrheitsbegriff, innerhalb dessen er verschiedene Dimensionen ausmacht. Siehe dazu Chr. Landmesser, „Die Wahrheit wird euch frei machen“. Biblische Perspektiven, 133–139, bes. 137 Anm. 36. 782 Vgl. dazu A. Kreiners Bemerkung: „Ein Problem sui generis stellt der johanneische Sprachgebrauch dar. Alétheia wird hier als theologisches Schlüsselwort verwendet“. (A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 313. Vgl. ausführlicher zu verschiedenen Interpretationen des Ausdrucks alétheia im Neuen Testament a. a. O., 311ff). Vgl. zur Wahrheit in der joh. Literatur ausführlicher A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 313–315. 783 Vgl. A. Kreiners Zusammenstellung der Deutungen von ἀλήθεια innerhalb der joh. Literatur und unter Berücksichtigung auch der Ich-Bin-Formeln: A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 313–315: Für R. Bultmann ist die ἀλήθεια bei Johannes „die sich offenbarende göttliche Wirklichkeit“ (a. a. O., 313). R. Schnackenburg fasst sie als die „durch den „Sohn“ gebrachte Offenbarung“ zusammen“ (a. a. O., 313). I. de la Potterie legt, wie Kreiner es darstellt, eine christologische Interpretation des johanneischen Wahrheitsbegriffs vor, „der nicht das göttliche Wesen, das transzendente Sein Gottes, aber auch nicht den präexistenten Logos meine, sondern den Menschen Jesus, insofern sich in ihm Gott offenbart: ‚Cet événement central de l’histoire du salut, ce don de la révélation, c’est la vérité.‘“ (a. a. O., 313). Was das Verständnis der Ich-Bin-Formeln betrifft, schließt Kreiner an L. Goppelt an: „Die Ich-binFormeln, in denen sich Jesus unter anderem mit der alétheia identifiziert (Joh 14,6), müssen in diesem Kontext als Offenbarungsformeln interpretiert werden: ‚hier redet Jesus von sich, wie sonst nur Gott von sich redet. Dieses Selbstzeugnis Jesu ist zugleich Erschließung Gottes. Er ist „die Wahrheit“, weil er das Mensch-gewordene Wort Gottes ist‘ (a. a. O., 314)“. Dementsprechend sind für Kreiner Erkenntnis und Wissen der Wahrheit (Joh 8,32; 1 Joh 2,21; 2 Joh 1) hierbei nicht intellektualistisch zu verstehen; es gehe um „die Umgestaltung der gesamten Existenz im Sinne von Glauben und Heil.“ (a. a. O., 314) In Jesus bekundet sich nach johanneischem Verständnis letztlich Gott, der dieWahrheit ist: „Aber in ihrem Vollsinn ist diese alétheia, die Jesus nicht nur sagt, sondern ist, eben nicht die Lehre von oder über Gott, sondern der sich in Jesus Christus offenbarende Gott selbst.“ (a. a. O., 314).

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als in Jesus Christus personalisierte oder personifizierte Wahrheit (gemäß Joh 14,6) in den Blick, was daher auch in neueren Beiträgen unstrittig ist784. Von Interesse ist hier lediglich die Erkenntnis, dass die hier eruierbaren semantischen Gehalte sich deutlich von den Bedeutungen der übrigen biblischen Belegstellen zu ‫ ֱאֶמת‬und ἀλήθεια abheben, sodass nur aus diesem Grund u. U. von einem bestimmten Wahrheitsbegriff gesprochen werden kann. Hier hätte Pannenberg berechtigterweise unterscheiden können. Denn es ist ja so, dass der johanneische Sprachgebrauch hinsichtlich des Ausdrucks ‚Wahrheit‘ in seiner Besonderheit von Pannenberg wahrgenommen worden ist. Diese Erkenntnis, die auch seine gewesen ist, führt an keiner Stelle seines Werkes zur Überprüfung oder gar Infragestellung des überkommenen Konstruktes einer sog. biblischen Wahrheit. Gegen die These zweier (grund-)verschiedener Wahrheitsbegriffe spricht drittens, dass der Weg, auf dem die These zweier Wahrheitsbegriffe üblicherweise abgeleitet wird, mit Problemen behaftet ist. Es handelt sich also um ein methodisches Problem. Es ist in mehrerlei Hinsicht problematisch, wenn „von der Homonymität des Wortes auf die Identität des Begriffs geschlossen wird, daß also

784 „Wenn Jesus sich selbst mit der Wahrheit identifiziert, wenn sich die Wahrheit in Jesus personifiziert, dann ist Wahrheit die Wirklichkeit Gottes in seiner Offenbarung durch den Sohn im Heiligen Geist. ‚Ich bin die Wahrheit‘ heißt dann, ‚in mir ist die Wirklichkeit Gottes unter euch real anwesend‘.“ (M. Bünker, Die Wahrheit ist immer konkret. Ökumenisches Predigtwort, 199). „Diese Selbstcharakterisierung der Person Jesu [sc. in Joh 14,6] ist für uns zugleich das Programm und der Inhalt seiner Frohbotschaft. Er ist der Weg, Er ist die Wahrheit und Er ist das Leben. Er ist selbst der Weg und Wegweiser auf dem Fundament der Wahrheit, die zum Leben führt. Der Weg und die Wahrheit dienen also dem Leben, dem Menschen. Es handelt sich daher hier um einen existentiellen Weg, der nicht in der Theorie stehen bleibt.“ (M. Staikos, „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“. Griechischorthodoxe Überlegungen, 182) „ER, JESUS, zeigt und ist die sichtbar gewordene Wahrheit, die zum Leben führt, zur Gemeinschaft mit dem Vater.“ (So L. Schwarz, Jesus Christus und die Wahrheit Gottes. Ein katholisches Deutewort, 187). R. Polak urteilt, dass „sich die Wahrheit Gottes in Jesus Christus geschichtlich offenbart. Wahrheit ist ein personaler und ein Beziehungsprozess, der sich geschichtlich in Christus ereignet. […] Wahrheit ereignet sich personal in einem Menschen (also subjektbezogen), sie enthüllt sich einem beim Gehen (also ein Weg, d. h. historisch und prozesshaft) und führt so zum Leben.“ (R. Polak, Macht und Wahrheit: Ein praktischer Widerspruch?, 89f) „Vor dem Hintergrund des LogosHymnos in Joh 1 ist die Selbstbezeichnung Jesu als die Wahrheit in Joh 14,6 ganz nahe liegend.“ (Chr. Landmesser, „Die Wahrheit wird euch frei machen“. Biblische Perspektiven, 136. Landmesser rekurriert auf H. Schlier in Anm. 33: „‚Jesus ist das Selbstzeugnis und die Selbsteröffnung der Wahrheit, die als der Glanz des ursprünglichen Wortes das Leben aufgehen läßt‘ (H. Schlier, Meditationen über den johanneischen Begriff der Wahrheit [Anm. 29], 274).“) „Wenn sich Jesus selbst als die Wahrheit bezeichnet, wird dieser Begriff personalisiert.“ (Chr. Landmesser, „Die Wahrheit wird euch frei machen“. Biblische Perspektiven, 132). Zur personifizierten Wahrheit (nach Joh 14,6) siehe auch den Beitrag von H. Miklas, Plädoyer für einen angstfreien Umgang mit den Herausforderungen des Pluralismus. Evangelisch-lutherisches Statement zu Joh 14,6, bes. 191ff.

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Wort und Begriff nicht auseinandergehalten werden.“785 Valide Aussagen über den (formalen) Wahrheitsbegriff lassen sich auf diesem Weg nicht gewinnen. Ein nicht unerhebliches Problem besteht „in der Ausblendung der Möglichkeit, daß mit einem Wort verschiedene Begriffe bezeichnet werden können“786, sodass für jeden Gebrauch der Vokabel ‚Wahrheit‘ anzunehmen ist, dass sie mindestens so viele (kontextuelle) Bedeutungen annehmen kann, wie es dahinterliegende Wahrheitsbegriffe im Einzelfall sein können. Dies dürfte grundsätzlich, also nicht nur für den biblischen Sprachgebrauch (bei ‫ ֱאֶמת‬und ἀλήθεια) oder im Hinblick auf den gegenwärtigen truth talk des Alltags, gelten787. Exegetische und semantische Befunde zeigen, dass beide Ausdrücke ‫ ֱאֶמת‬und ἀλήθεια mit einer Vielzahl verschiedener Bedeutungen assoziiert worden sind, wie es im Übrigen auch ähnlich im alltäglichen und umgangssprachlichen truth talk mit dem deutschen Wort ‚Wahrheit‘ der Fall ist788. Das bedeutet konkret, dass die Ausdrücke ‫ ֱאֶמת‬und ἀλήθεια nicht nur für eine Vielzahl an materialen Bedeutungen stehen, sondern auch in ihrer jeweiligen Verwendung unterschiedliche Wahrheitsbegriffe repräsentieren789.

785 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 325. 786 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 325. 787 Vgl. A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 325f. Kreiner veranschaulicht das letztlich aporetische Vorhaben, vom Wortgebrauch eines Ausdrucks auf den Begriff schließen zu wollen: „Wer von der Wortverwendung auf die begriffliche Identität schließt, verpflichtet sich, die gemeinsame Bedeutung, die sich in den verschiedenen Verwendungszusammenhängen durchhält, anzugeben.“ (A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 326). Doch wie und warum überhaupt sollte das auch nur möglich sein? „Was hält nun aber so unterschiedliche Eigenschaften und Phänomene wie das Zutreffen einer Behauptung, die Wahrhaftigkeit eines Zeugen, die Rechtschaffenheit einer Person, die Bundestreue Gottes, die Verläßlichkeit des Gesetzes und die Echtheit von Gegenständen zusammen? Das hermeneutische Problem dieser Vielfalt besteht nicht darin, daß für die biblischen Äquivalente verschiedene deutsche Übersetzungen herangezogen werden müssen, sondern daß es darüber hinaus keine Möglichkeit zu geben scheint, die faktische Vieldeutigkeit auf eine ihr zugrundeliegende Bedeutung zurückzuführen. Die vorgeschlagenen Versuche können nicht überzeugen. Sie blenden in der Regel einen oder mehrer Bedeutungsaspekte aus (meistens natürlich den der Aussagewahrheit) und werden dadurch dem gesamten Bedeutungsreichtum nicht gerecht. Außerdem basieren sie methodologisch auf der von J. Barr als „root fallacy“ apostrophierten und kritisierten Prämisse, daß sich die Grundbedeutung einer Wortwurzel in allen Ableitungen durchhält“ (A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 326). Zur Einsicht in die wichtigen Differenzierungen zwischen (vereinzeltem) Gebrauch der Vokabel ‚Wahrheit‘, kontextuell spezifischer Bedeutung dieses Wortes und einem bestimmten formalen Wahrheitsbegriff siehe auch L.B. Puntel, Art. Wahrheit, 928. Siehe ferner ausführlicher ders., Der Wahrheitsbegriff in Philosophie und Theologie, 16–45 sowie die Studie von Chr. Landmesser (Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft) und den nachfolgend genannten Aufsatz von Th. Böhm: Das Wahrheitsverständnis in Bibel und Früher Kirche, 50. Böhm rekurriert auf L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff in Philosophie und Theologie, 26f. 788 Vgl. dazu A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 306f . 789 Es „scheinen eher die in der Schrift vorfindlichen Ausdrücke emet und alétheia für unter-

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Untersuchungen zeigen, dass – analog zu den deutschen Ausdrücken ‚Wahrheit‘ und ‚wahr‘ – „recht unterschiedliche Verwendungsweisen“ des Ausdrucks ‫ ֱאֶמת‬und der mit ihm verwandten Ausdrücke festgestellt werden können790, woraus in jedem Falle eine Entschärfung der Gegenüberstellung zweier Wahrheitsbegriff resultiert791. Aus dieser Einsicht ergibt sich zudem auch, dass jedes zumeist (und darum wohl auch nicht zuletzt von Pannenberg) für seine These zweier verschiedener Wahrheitsbegriffe herangezogene Verfahren der Bestimmung sowohl der (materialen) Bedeutungsgehalte als auch des Begriffs von ‚Wahrheit‘ über die Etymologie nicht nur einfach viel zu kurz greift, sondern schon im Ansatz verfehlt ist und zu Ergebnissen führt, die in keiner Weise valide sein müssen792. Pannenberg befand sich zwar in „guter Gesellschaft“ mit solchen Experten, die wie er etymologisch verfuhren793. Doch warum sollte die Bedeutung

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schiedliche Begriffe zu stehen, die nicht im Sinne einer einzigen auch nur einigermaßen prägnanten Bedeutung expliziert werden können.“ (A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 327). Vgl. Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 215. Vgl. auch Th. Böhm, Das Wahrheitsverständnis in Bibel und Früher Kirche, 61. Vgl. dazu A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 327: „Unter der Vorassetzung der Gültigkeit dieser These verliert auch die Behauptung eines prinzipiellen Gegensatzes zwischen biblischem und hellenistischem Wahrheitsverständnis an Plausibilität. Jedenfalls läßt sich diese Behauptung nicht durch den semantischen Befund belegen. Geht man davon aus, daß das Wort nicht durchgängig einen identischen Begriff, sondern unterschiedliche und im einzelnen gar nicht systematisierbare Bedeutungsaspekte repräsentiert, so wird die Annahme einer Konkurrenz zwischen verschiedenen Wahrheitsbegriffen entschärft. Als problematisch erscheint dann sogar die im Vergleich dazu ausgewogene Behauptung W. Pannenbergs, daß der biblische Wahrheits- und Wirklichkeitsbegriff den griechischen zwar nicht ausschließe, daß letzterer aber demgegenüber doch eine ‘verkürzte‘ Sicht biete, die im biblischen Verständnis aufgehoben werde.“ A. Kreiner weist darauf hin, dass die Überlegungen, die zur These des Unterschieds zwischen hebräischer und griechischer Wahrheit (zwischen ‫ ֱאֶמת‬und ἀλήθεια) führen, häufig den Ausgangspunkt in der Etymologie nehmen: So meine bei ἀλήθεια die Privativbildung das, „was nicht verborgen, unbekannt, unerkannt, sondern offensichtlich, erschlossen, bekannt und erkannt ist.“ (H. v. Soden, Was ist Wahrheit? (1951), 11: zitiert nach A. Kreiner, Ende der Wahrheit, 323). Zurecht hat Kreiner schon mit J. Barr die Meinung geäußert, dass etymologische Ableitungen jedenfalls nicht überschätzt werden dürfen (vgl. A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 307). D. Michel (’ÄMÄT. Untersuchung über „Wahrheit“ im Hebräischen, 30) hat gezeigt, dass sämtliche Arbeiten zum sog. „hebräischen Wahrheitsbegriff (aufgelistet werden Arbeiten, die aus einem Veröffentlichungszeitraum von 1926–1966 reichen) „mit einer etymologischen Betrachung ein[…]setzen und aus ihr bereits entscheidende Hinweise auf die Bedeutung des Wortes ’ämät gewinnen […] wollen.“ Michel verweist ebd. auf eine Reihe weiterer Arbeiten, die gleichermaßen für die Klärung des hebräischen Wahrheitsbegriffs bei der Etymologie starten. In diesem zeitgeschichtlichen Kontext ist denn dann auch Pannenbergs Beitrag zum Thema zu verorten. Zu M. Heideggers Wahrheitsverständnis siehe auch A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 199ff (dort auch die kritische Anfrage mit L.B. Puntel, ob Heidegger, indem er die Aussagenwahrheit als abkünftig von einer vermeintlich ursprünglicheren Dimension der Wahrheitsfrage behauptete, nicht eher vom traditionellen Wahrheitsverständnis wegführt als es – wie intendiert – zu vertiefen [so a. a. O., 224]). Selbst

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von Ausdrücken wie etwa ‫ֱאֶמת‬, ἀλήθεια, Wahrheit usw. in einem bestimmten Kontext zwingend über die Betrachtung der Wortwurzel erschließbar sein? Gegen eine Überbewertung der Leistungsfähigkeit der Etymologie zur Klärung der Bedeutung des Ausdrucks ‫ ֱאֶמת‬hat sich schon D. Michel ausgesprochen und sich dabei u. a. auf J. Barr berufen können, der seinerseits schon vor einer „übertriebene[n] Etymologisiererei“ und der von ihr nicht selten begleiteten ‚root-fallacy‘ (dem „Wurzelwahn“) gewarnt hatte794. Ja sogar schon 1949 meldete W.F. Albright Bedenken gegenüber der etymologischen Methode zur Eruierung von Wortbedeutungen an und propagierte zu Recht, weil mit überzeugenden Gründen, als Alternative eine „kombinatorische Methode“, die dem Umstand Rechnung trägt, dass Wortbedeutungen im Gebrauch wandelbar sind, und darum die Bedeutungen und Bedeutungsnuancen von Wörtern an den jeweiligen Stellen ihres Vorkommens zu klären versucht795. Viertens bedarf es, wie sich zeigte, stets einer kontextuellen Klärung des materialen Bedeutungsgehaltes der veritativen Vokabeln sowie auch des dabei (unter Umständen stillschweigend) vorausgesetzten, nicht explizierten Wahrheitsbegriffs. Von etymologischen Untersuchungen der Ausdrücke ἀλήθεια, ‫ֱאֶמת‬, Wahrheit, truth, verité und dergleichen kann weder der materiale Bedeutungsgehalt zuverlässig eruiert werden, noch kann auf diesem Wege prinzipiell auf einen bestimmten, dahinterliegenden (formalen) Wahrheitsbegriff geschlossen werden. Denn ein solcher, den einzelnen biblischen Schriften zugrundeliegender Begriff in neueren Beiträgen wird die Etymologie zur Bedeutungseruierung bemüht. So setzen etwa R. Polaks Überlegungen zur Bedeutung des Ausdrucks ‚Wahrheit‘ im Neuen Testament (und näherhin bei Paulus und Johannes) ein mit der Reflexion auf den griechischen Terminus für Wahrheit (ἀλήθεια). Sodann werden „Unverborgenheit und Erschlossenheit des Seins“ als eine „Dimension von Wahrheit“ (R. Polak, Macht und Wahrheit: Ein praktischer Widerspruch?, 89) bestimmt. 794 Vgl. dazu J. Barr, Bibelexegese und moderne Semantik, 164–206. 795 Vgl. W.F. Albright, Von der Steinzeit zum Christentum, 31. Etymologische Ansätze können aus den genannten Gründen nicht mehr als eine inzwischen überholte ‚Notlösung‘ darstellen: „Früher wurde die linguistische Methode hauptsächlich angewendet, um die Etymologie und daraus die ursprüngliche Bedeutung eines gegebenen Wortes zu bestimmen. … Heute jedoch bestimmt kein sachverständiger Lexikograph in irgendeiner Sprache die genaue Bedeutung eines Wortes durch dessen Etymologie, sondern er sammelt so viele Stellen, an denen das Wort vorkommt, als es ihm möglich ist oder zweckmäßig erscheint, und verzeichnet dann alle Bedeutungsnuancen, die das Wort an diesen Stellen hat. Wörter ändern ihre Bedeutung durch den Gebrauch in einem solchen Ausmaß, daß die etymologische Methode zur Feststellung der Bedeutung als letzter Ausweg nur da gebraucht werden kann, wo anderes Beweismaterial nicht zur Verfügung steht. Wo immer möglich, hat die kombinatorische Methode (d. h. die Zusammenstellung und der Vergleich aller Stellen, an denen das Wort vorkommt) die etymologische bei der Entzifferung und Interpretation ersetzt . . .“ (W.F. Albright, Von der Steinzeit zum Christentum, 31. Zitiert nach D. Michel, ’ÄMÄT. Untersuchung über „Wahrheit“ im Hebräischen, 31f. Siehe ebd. auch Michels Verweis auf W. Porzig, Das Wunder der Sprache, 132f).

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der Wahrheit ist weder erkennbar noch nachweisbar. Eine Bestimmung des materialen Bedeutungsgehaltes und des (formalen) Wahrheitsbegriffs ist (v. a. deshalb) nur kontextuell möglich. Der bloße Wortgebrauch garantiert nicht, dass ein betreffender Ausdruck auf nur eine Weise verwendet wird, sondern lässt vielmehr der Möglichkeit von Äquivokationen im konkreten materialen Bedeutungsgehalt freien Lauf 796. Von dem (auch) in Pannenbergs Ausführungen wiederholt erkennbaren Versuch, einen inneren Zusammenhang der verschiedenen Bedeutungen etwa von ‫ ֱאֶמת‬eruieren zu wollen, um sogleich auf diesem Wege auf den Wahrheitsbegriff rückzuschließen muss scheitern. „Die Frage, ob diese verschiedenen Bedeutungen [sc. in Bezug auf ‫ ֱאֶמת‬und ἀλήθεια] einen gemeinsamen Kern haben, ist eine sinnvolle Frage; aber es ist nicht eine Frage nach einem identischen oder verschiedenen „Wahrheitsverständnis“.“797 Ein kontextuelles Verfahren zur Bedeutungserschließung anstelle der problembehafteten, älteren (v. a. durch Heidegger betriebenen) etymologischen Methode hat Pannenberg sich nicht zu Eigen gemacht. Das wundert insoweit, als Pannenberg in vergleichsweise späten Publikationen sehr wohl sich dieser hier herausgestellten Einsicht bewusst zeigt, dass Wortbedeutungen kontextuell eruiert werden sollten – mit Pannenberg gesprochen – „im Einzelfall erst durch ihren „Gebrauch in der Sprache“, nämlich im Zusammenhang [kursiv: T. L.] des Satzes festgelegt [werden]“798 und auch überdies davon auszugehen sei, dass „[d]ie Wortbedeutung […] nicht schlechthin auf das Spektrum von Verwendungsmöglichkeiten eingegrenzt [ist], die das Lexikon verzeichnet“, sondern „dehnbar und sprachgeschichtlich wandelbar“, wenn auch „freilich nicht beliebig“ sei799. Dass Pannenberg also wider besseres Wissen diese Einsicht nicht auf 796 Vgl. zu diesem Gedanken schon die instruktiven Ausführungen von Chr. Landmesser, dort speziell in Bezug auf das Neue Testament: „Der Ausdruck ἀλήθεια und seine Derivate haben im Neuen Testament sehr unterschiedliche Bedeutungen, die jeweils kontextuell zu bestimmen sind. Dabei ist zu unterscheiden zwischen dem allgemeinen und formalen Wahrheitsbegriff und seiner jeweiligen materialen Bestimmung. Weiter ist mit abgeleiteten und auch mit äquivoken Gebrauchsweisen zu rechnen.“ (Chr. Landmesser, Art. Wahrheit III. Neues Testament, 1248; nebenbei: an Landmesser und Puntel scheint später auch E. Jüngel [Art. Wahrheit I. Begriff und Problematik, 1245] angeknüpft zu haben). Entsprechendes gilt auch für den hebr. Ausdruck ‫ֱאֶמת‬, u. a. „daß für ‫ ֱאֶמת‬und für mit ‫ ֱאֶמת‬verwandte Ausdrücke […] recht unterschiedliche Verwendungsweisen – wie auch in der deutschen Sprache für die Ausdrücke ‚wahr‘ und ‚Wahrheit‘ – nachzuweisen sein mögen. Ein etwaiges spezifisch hebräisches Wahrheitsverständnis, das als besonderes Charakteristikum von der Aussagenwahrheit im angedeuteten Sinne abstrahiert, kann mit den von Bultmann genannten Texten jedoch nicht nachgewiesen werden.“ (Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 214f). 797 L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff in Philosophie und Theologie, 27. 798 W. Pannenberg, Grundfragen Systematische Theologie Bd. II, 72. 799 W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 362. Wie sehr Pannenberg die Bedeutung von Wörtern und den Sinn von Sätzen kontextuell determiniert denken kann, zeigt sich in folgenden Ausführungen ganz besonders: „Das Wort ist also immer durch ein

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seine Behandlung der Wahrheitsthematik übertragen hat, ist freilich bedauerlich, m. E. offenbar aber durch den nachhaltigen Einfluss H. v. Sodens auf den frühen Pannenberg und seiner Thematisierung der Wahrheitsfrage zu erklären. Fünftens – und das stellt eine besonders wichtige Erkenntnis dar – konnte gezeigt werden, dass der Typus der sog. Aussage(n)wahrheit (bzw. intuitiver Korrespondenzwahrheit), der von den Vertretern zweier sog. (grund-)verschiedener Wahrheitsbegriffe nicht selten mit dem sog. griech. Wahrheitsbegriff in Verbindung gebracht und darum auch als Unterscheidungsmerkmal gegenüber einer vermeintlich biblischen (bzw. hebräischen/israelitischen) Wahrheit und damit als Rechtfertigungsgrund für die Unterscheidung zwischen zwei sog. (grund-)verschiedenen Wahrheitsbegriffen ins Feld geführt wird, sehr wohl auch in biblischen Texten, konkret an mehreren Stellen in alttestamentlichen wie auch in neutestamentlichen Textzusammenhängen, nachweisbar ist800. Es bestätigt sich hieran exemplarisch die unter drittens genannte These, dass vom WortgeIneinander von Bestimmtheit und Unbestimmtheit gekennzeichnet. Seine Bestimmtheit erhält es im Zusammenhang des jeweiligen Satzes.“ (ebd.) „Dessen Bestimmtheit verdankt sich geradezu der Unterbestimmtheit der Wörter.“ (a. a. O., 362f) „Letztere erlaubt es, die gleichen Wörter zu unabsehbar vielfältigen Sätzen zu verbinden. Auch im Satz aber verliert sich die Unbestimmtheit nicht gänzlich. Darum ist der Sinn des einzelnen Satzes erst durch den Zusammenhang der Rede oder der Situation, in der er gesprochen wurde, festgelegt. Dementsprechend muß die Interpretation sich am Kontext der Rede orientieren, und zwar sowohl an ihrem engeren als auch an ihrem weiteren und weitesten Kontext.“ (a. a. O., 363). 800 Siehe dazu auch die Bemerkungen Landmessers: „Die Unterscheidung verschiedener Wahrheitsbegriffe läßt sich freilich weder exegetisch noch philosophisch hinreichend begründen (Barr; Landmesser, Wahrheit; Michel; Puntel, Wahrheitsbegriff [hier scheint mir A. Kreiner vergessen worden zu sein!]). In allen neutestamentlichen Schriften werden der Ausdruck ἀλήθεια und seine Derivate zumindest auch und ganz selbstverständlich auf die Wahrheit von Sätzen und Aussagen bezogen, womit die Intuition einer wie auch immer näher zu bestimmenden Korrespondenz zwischen → Sprache und → Wirklichkeit erkennbar wird.“ (Chr. Landmesser, Art. Wahrheit/Wahrhaftigkeit II. Neues Testament, 340). Im Anschluss insbes. an D. Michels Untersuchungsergebnis, dass sämtliche ‫ֱאֶמת‬-Belege aussagetheoretisch interpretiert werden können (vgl. D. Michel, ’ÄMÄT. Untersuchung über „Wahrheit“ im Hebräischen, 30–57) bestätigt Landmesser dieses Ergebnis: „Wie D. Michel gezeigt hat, steht ‫ ֱאֶמת‬sehr oft eindeutig für das Übereinstimmen einer Aussage mit einem behaupteten Sachverhalt. Für die hier zu diskutierende Frage ist nicht entscheidend, ob gar ‚alle Belege [sc. des hebräischen Ausdrucks ‫ ֱאֶמת‬C.L.] von dem Begriff des Stimmens bzw. Übereinstimmens her verstanden werden können‘ [so Landmesser zu Michels Beitrag a. a. O., 55.; …]. Entscheidend ist vielmehr, daß auch im hebräischen Sprachgebrauch ‫ ֱאֶמת‬im Sinn von Wahrheit als Übereinstimmung des Gesagten mit einem Tatbestand und damit als Satzwahrheit oder Aussagenwahrheit belegt ist. Die oben zitierte Aussage Bultmanns, daß ‫ ֱאֶמת‬als Wahrheit mit der Wahrheit eines Satzes als Aussagenwahrheit primär nichts zu tun habe, ist nicht haltbar“ (Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 214f). Zu Landmessers Rekurs auf D. Michels Nachweis der Aussagenwahrheit im Alten Testament siehe auch Chr. Landmesser, „Die Wahrheit wird euch frei machen“. Biblische Perspektiven, 128, dort auch unter Berücksichtigung des Gebrauchs von ‫ ֱאֶמת‬im Alten Testament in der Darstellung von J. Beutler, Art. Wahrheit III. Biblisch-theologisch, 933–935.

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brauch nicht auf den dahinter liegenden (formalen) Begriff der Wahrheit geschlossen werden kann. Viel wichtiger ist zu bemerken, dass die Präsenz der aussagetheoretischen Wahrheit im biblischen Kanon das stärkste Argument gegen die These zweier (grund-)verschiedener Wahrheitsbegriffe ist. Innerhalb des alttestamentlichen Kanons können etwa folgende Belege im Sinne aussagetheoretischer Wahrheit interpretiert werden: Armin Kreiner nennt (u. a.) in Anlehnung an die Studie von D. Michel Gen 42,16; Jes 43,9; Dtn 13,15 und 17,4801. Chr. Landmesser kann den Nachweis aussagetheoretischer Wahrheit innerhalb der Bibel ebenfalls im Anschluss an die Untersuchungen von D. Michel (zu Spr 8,7; Ps 15,2; Sach 8,16; Koh 12,10; Dan 8,26; 10,1; 11,2) 802, sowie auch unter Berücksichtigung von Gen 42,16, 2; Jer 23, 28, 3; 1 Kön 22,16 und 2Chr 18,15803 erbringen. Auch der griechische Ausdruck ἀλήθεια kann im aussagetheoretischen Sinn verwendet werden, indem artikuliert wird, wie sich etwas in Wirklichkeit verhält. A. Kreiner nennt Mk 5,33; 12,14.32; Lk 4,25; Apg 26,25; Röm 9,1; 2 Kor 12,6; Eph 4,25; Jak 3,14804; Thomas Böhm verweist für die Aussagenwahrheit auf 2 Sam 7, 28; 1 Kön 10,6; 1 Kön 22,16; Ps 15,2805. 801 Vgl. dazu ausführlicher A. Kreiner, Ende der Wahrheit, 327–331. 802 Im Hintergrund steht seine Kritik an R. Bultmann, der, wie Landmesser demonstriert hat, seinerseits von H. v. Soden, A. Schlatter u. M. Heidegger beeinflusst worden ist und der grundsätlichen Überzeugung gewesen ist, bei ‫ ֱאֶמת‬gehe es – wenigstens nicht vorrangig – um Aussagenwahrheit. ‫ ֱאֶמת‬bezeichnet Bultmann zufolge „primär das Beständigsein, Festsein von Sachen und Person“. Auch Zuverlässigkeit u. Treue sei mit ‫ ֱאֶמת‬bezeichnet (vgl. R. Bultmann, Untersuchungen zum Johannesevangelium, 128f). Zu Bultmanns Deutung des Ausdrucks ‫ ֱאֶמת‬siehe ausführlicher Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 209–215. Chr. Landmesser hat jedoch im Anschluss an D. Michels Untersuchungen zeigen können, dass sämtliche von R. Bultmann selbst genannten ‫ֱאֶמת‬Belege „ohne Probleme als Wahrheit im Sinne der Übereinstimmung von Aussage und Tatbestand gedeutet werden“, wie in den o.g. Belegen (A. a. O., 214) deutlich wird. „Es kann demnach dem Urteil Bultmanns nicht zugestimmt werden, daß in den Texten, in welchen auch nach seinem Urteil ‫ ֱאֶמת‬auf eine Aussage zu beziehen ist, ‫ ֱאֶמת‬nicht primär die Übereinstimmung der Aussage mit einem Tatbestand bezeichnen soll, sondern ‚das Feste, Geltende, das nicht irgendwo ‚da‘ ist, sondern sich im zeitlich-geschichtlichen Miteinander vollzieht im Verhalten von Sachen zu Personen, aber vor allem im Verhalten von Menschen zu Menschen, von Gott zu Menschen und Menschen zu Gott‘.“ (A. a. O., 214) Zu Landmessers Kritik an einem besonderen Wahrheitsbegriff, wie er u. a. auch von M. Heidegger und R. Bultmann behauptet worden ist, siehe auch Chr. Landmesser, Art. Wahrheit/Wahrhaftigkeit II. Neues Testament, 340 sowie ferner Chr. Landmesser, Art. Wahrheit III. Neues Testament, 1248 u. Chr. Landmesser, „Die Wahrheit wird euch frei machen“. Biblische Perspektiven, 126–128. 803 Zu diesen letztgenannten Belegen vergleiche die Durchsicht bei Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 212–214. 804 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 312. Kreiner meint weiter: „Die Aussagewahrheit kann auch für die Verkündigung des Evangeliums in Anspruch genommen werden (Kol 1,5) und steht dann im Gegensatz zur Irrlehre.“ Zum Bedeutungsspektrum des Ausrucks ἀλήθεια im Neuen Testament s. A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 311ff. 805 Vgl. Th. Böhm, Das Wahrheitsverständnis in Bibel und Früher Kirche, 51f.

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Vor allem aus diesem Grund büßt die These eines (prinzipiellen) Gegensatzes zweier Wahrheitsbegriffe erheblich an Plausibilität ein806: Pannenbergs hat seine Haltung zur inzwischen kontrovers diskutierten These zweier verschiedener Wahrheitsbegriffe indes nicht geändert – und dass trotz der ausführlichen Studie Chr. Landmessers. Diese hatte er zwar gelesen und würdigend zur Kenntnis genommen – vor allem, dass solch eine Arbeit in Tübingen habe entstehen können807. Für ihn blieb es (wie bei manch Anderem808) jedoch bei der Unterscheidung zwischen griechischem und hebräischem Wahrheitsverständnis, auch wenn er – wie sich oben zeigte – beide Wahrheitsbegriffe nicht 806 Vgl. dazu auch Kreiners Bemerkungen: „Aufs Ganze gesehen spricht einiges dafür, daß die Schrift „keinen prägnanten Begriff von Wahrheit ausgebildet“ hat, daß die entsprechenden Äquivalente vielmehr in einer unsystematischen und weitgehend unreflektierten Weise Verwendung finden, die es nicht zulassen, von einem charakteristisch biblischen Wahrheitsbegriff zu sprechen“ (A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 326f). „Die These eines prinzipiellen Unterschieds zwischen griechischem und biblischem Wahrheitsverständnis läßt sich weder aufgrund des semantischen Befunds noch durch eine Konfrontation zwischen hebräischem und griechischem Denken erhärten.“ (A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 332f) „Der Bereich der Ausagewahrheit wird in der Schrift durchaus, wenn auch allem Anschein nach nicht durchgängig in Verbindung mit den Worten emet und alétheia, thematisiert, klingt darüber hinaus aber auch ohne dierekte Verwendung dieser Äquivalente an. Zwar kann sich die These mit einigem Recht auf solche Verwendungen berufen, in denen die biblischen Äquivalente in einem spezifisch theologischen Sinn, die griechischen demgemäß in einem metaphysischen Sinn gebraucht werden. Dies rechtfertigt aber nicht die pauschalisierende Rede von einem typisch biblischen oder griechischen Wahrheitsbegriff oder gar von einem grundsätzlichen Unterschied zwischen beiden. Derartige Konstruktionen resultieren aus der Vernachlässigung der Bedeutungsvielfalt, die die Verwendung der entsprechenden Äquivalente in ihrem jeweiligen kulturellen Kontext auszeichnet. Aufgrund dieser Vielfalt schillern sowohl die Bedeutungen von emet und alétheia, als auch diejenigen von veritas, truth und Wahrheit. In dieser Situation, die jede pauschalisierende Redeweise verbietet, ist nicht einmal mit Sicherheit auszumachen, welche Konnotationen im Einzelnen die abendländische Entwicklung nachhaltig prägten.“ (a. a. O., 333). 807 So berichtete Chr. Landmesser in einem persönlichen Gespräch mir am 22. April 2010. 808 E. Arens nimmt sogar D. Michels Bedenken an gegenüber einer strikten Trennung zweier Wahrheitsbegriffe zur Kenntnis: „Michel hat gegenüber der überschwenglichen Rede vom personalen, geschichtlichen, gerade nicht Aussagenwahrheit meinenden hebräischen Wahrheitsbegriff eine notwendige Korrektur geleistet.“ (E. Arens, Zur Struktur theologischer Wahrheit, 9). Ähnlich zu Arens, aber auch zu Pannenberg ist die Position J. v. Oorschots. Er übernimmert zwar einerseits die vorgenommene Distinktion zwischen dem israeitischen und griechischen Wahrheitsbegriff, merkt jedoch an, dass die Diskussion „vielfach an kontradiktorisch verstandenen Gegensatzbildungen wie personal- versus sachbezogen, Satzwahrheit versus existentieller bzw. performativer Wahrheit oder „theoretische Richtigkeit“ versus „Möglichkeit zu leben“ (Berger 332)“ leide. Doch die Distinktion zwischen zwei Wahrheitsbegriffen scheint er selbst nicht in Frage zu stellen. Andernfalls ist jedenfalls nicht zu erklären, wie er dann selbst von einem hebräischen Wahrheitsverständnis sprechen kann, das jedoch die Aussagenwahrheit in sich schlösse (vgl. J. van Oorschot, Art. Wahrheit/Wahrhaftigkeit I. Altes Testament, 338; er bezieht sich auf „Prov 8,7; Ps 15,2; Sach 8,16; Dan 8,26; 10,1; 11,2 vgl. Michel). Aufgrund der oben angeführten Gründe bleibt auch diese Position der entsprechenden Kritik ausgesetzt.

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schroff einander entgegensetzte, sondern das Vorkommen des aussagetheoretischen Wahrheitsbegriffs als eine Gemeinsamkeit zwischen biblischem und altgriechischem Wahrheitsverständnis sieht. Doch anstatt dass diese Gemeinsamkeit zum Anlass für eine Infragestellung der behaupteten (Grund-)Verschiedenheit führt, sieht Pannenberg die Aussagenwahrheit weiterhin im biblischen Wahrheitsverständnis inkludiert, allerdings – und das ist charakteristisch für seine Herangehensweise – versteht er sie als (Teil-)Aspekt dessen, was Wahrheit (‫ )ֱאֶמת‬bedeutet: So ist der in 2 Sam 7, 28 formulierte Gedanke, dass die Verheißungen Gottes als Wahrheit gelten können, für Th. Böhm beispielsweise ein (m. E. zutreffender) Beleg für den Typus der Aussagenwahrheit. Pannenberg dagegen versteht diesen Gedanken von der Wahrheit Gottes als der Treue Gottes her809. Pannenberg wird man im Hinblick auf die festgestellten Gemeinsamkeiten beider Wahrheitsbegriffe nicht als einen Vertreter einer harten Diskrepanzthese810 erinnern dürfen, wohl aber als einen Theologen, der an der alten Distinktion zwischen griechischer und hebräischer Wahrheit nicht rüttelte, auch wenn er empfahl, die „tiefgreifenden“ Differenzen zwischen den beiden Wahrheitsbegriffen nicht zu übertreiben811. Für Pannenberg scheint bei der Verteidigung seiner These zweier verschiedener Wahrheitsbegriffe der Gedanke leitend gewesen zu sein, dass die entsprechenden Ausdrücke verschiedene, etymologisch eruierbare Bedeutungen annehmen können, aber alle Einzelbedeutung um bestimmte angebliche (Grund-)Bedeutungen kreisen und bestimmte Charakteristika (wie z. B. Zeitlichkeit oder Zeitlosigkeit) beide angenommenen Wahrheitsbegriffe voneinander trennen. Pannenberg gedachte, die von ihm behauptete Diastase beider Wahrheitsbegriffe durch das dieses angeblich inkludierende, umfassendere (also gewissermaßen „überlegene“) biblische (bzw.: israelitische) Wahrheitsverständnis zu profilieren. Dieses Anliegen kann ich nur als ein dezidiert positionell-theologisches deuten und in den Hintergrund seines eigenen geschichts-theologischen Interesses einordnen: Unverkennbar und zugleich verdächtig ist sein Unternehmen in der Hinsicht, das biblische Wahrheitsverständnis als ein genuin geschichtliches gegenüber alternativen, auch gegenwärtig diskutierten Konzeptionen von Wahrheit als überlegen zu behaupten. Dass die Geschichtlichkeit der 809 Siehe W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 230. 810 Th. Böhm spricht in diesem Zusammenhang von einer Diskrepanztheorie, deren Vertreter eine Verfremdung in der Wahrheitskonzeption beklagten: „Besonders durch die alexandrinischen Theologen (Clemens und Origenes), die Kappadokier und Augustinus sei die alttestamentliche und johanneische Wahrheitskonzeption verfremdet worden – so die Vertreter einer Diskrepanztheorie.“ (Th. Böhm, Das Wahrheitsverständnis in Bibel und Früher Kirche, 50f). 811 Vgl. W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 35.

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Wahrheit, wie Pannenberg meint, entdeckt werden kann (s. o.), ist sicher – und darüber muss man sich im Klaren sein – nur möglich unter Voraussetzung eines bestimmten Wahrheitsbegriffs und erst so recht nachvollziehbar durch seine Bevorzugung des onto-theologischen Wahrheitsbegriffs. In relativer Unabhängigkeit von der Frage nach dem, was biblisch unter Wahrheit zu verstehen ist oder verstanden werden kann, ist die Frage danach, was Theologie darunter verstehen kann oder eventuell sollte. Dieser Frage geht Pannenberg nicht nach. Das ist umso bedauerlicher, weil keineswegs von der stillschweigenden Annahme ausgegangen werden kann, Theologie habe es aufgrund ihrer besonderen Thematik mit einem besonderen (z. B. biblischen, alttestamentlichen, neutestamentlichen oder johanneischen) Begriff von Wahrheit zu tun. Gerade weil Theologie an der Universität eine Wissenschaft ist, bedient sie sich wie andere Wissenschaften nolens volens zumeist der semantisch-ontologischen Wahrheit – m. E. vollkommen zu Recht. Sucht sie – wie dies mancherorts zu hören ist – die Abkehr von diesem geläufig anzutreffenden Begriff der Wahrheit, muss sie darzulegen versuchen, ob und inwiefern sie auf diesen verzichten kann (was m. E. aber unmöglich sein dürfte). Es ist verständlich, dass die Theologie in der Auseinandersetzung mit ihren Themenstellungen auch die Frage nach ‚Wahrheit‘ in den biblischen Texten behandelt. Aber selbst wenn sie in den johanneischen Schriften einen profilierten Wahrheitsbegriff erkennen sollte, wäre dieser Begriff von Wahrheit doch nicht der Begriff von Wahrheit, mit dem sie wissenschaftlich arbeitet (z. B. wenn sie Wahrheitsansprüche formuliert oder bestimmte Aussagen für wahr hält usw.). 3.3.5.2 Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und der Wahrheitserkenntnis – vom zweifachen Sinn der Geschichtlichkeitsthese 3.3.5.2.1 Was heißt Geschichtlichkeit der Wahrheit? Aufklärungen Es zeigte sich im Durchgang durch die Argumentationsabfolge in „Wa s i s t Wa h r h e i t ? “ , dass Pannenberg nicht (immer) sauber und klar zwischen einerseits der Wesensbestimmung von Wahrheit selbst als einer geschichtlichen Größe und der Geschichtlichkeit der Wahrheitserkenntnis andererseits unterscheidet, sondern (wenigstens in diesem Aufsatz) ontologische und erkenntnistheoretische Fragestellungen vermengt812, sodass der Eindruck entstehen konnte, Pannenberg erliege einer Kategorienverwechslung (R. Barth, s. u.).

812 Darauf hat schon A. Kendel (Geschichte, Antizipation und Auferstehung. Theologische und texttheoretische Untersuchung zu W. Pannenbergs Verständnis von Wirklichkeit, 101 Anm. 320) aufmerksam gemacht. A. Kreiner (Ende der Wahrheit?, 11) hat zurecht gefordert, dass – sofern mit ‚Geschichtlichkeit der Wahrheit‘ der „Prozeß der Wahrheitsfindung“ ge-

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Allerdings, so gilt es nun zu zeigen, unterliegt Pannenberg offenbar keiner Kategorienverwechslung. Denn es darf geradezu als ein besonderes Kennzeichen der Pannenberg‘schen Epistemologie gelten, dass er die These der Geschichtlichkeit in einem doppelten Sinne verwendet wissen will. Die These der Geschichtlichkeit wird von Pannenberg nicht nur auf die Wahrheit selbst bezogen, sondern zugleich auch auf die Möglichkeiten ihrer Erkenntnis. Ganz ähnlich dem antiken Denken rückt Pannenberg Ontologie und Epistemologie bzw. Gnoseologie eng aneinander813. Dass diese hier angedeutete doppelte Funktion der Geschichtlichkeits-These nicht immer erkannt worden ist in der bisherigen Pannenberg-Rezeption, dürfte vor allem darin seinen Grund haben, dass Pannenberg ungefähr 10 Jahre nach „Wa s i s t Wa h r h e i t ? “ diese Doppelthese ausdrücklich nur in dem vergleichsweise wenig beachteten Aufsatz „D i e G e s c h i c h t l i c h k e i t d e r Wa h r h e i t u n d d i e ö k u m e n i s c h e D i s k u s s i o n “ (1972/73) 814 dargelegt hat. In diesem Aufsatz überwindet Pannenberg gewissermaßen das problematische Pendeln zwischen zwei Ebenen. Hier legt er in aller Ausdrücklichkeit dar, dass er die These der Geschichtlichkeit der Wahrheit sowohl auf die Ontologie als auch auf die Epistemologie bezogen wissen will. Sein Argumentationsgang wird im Folgenden nachgezeichnet: Pannenberg geht von einer „Relevanz der Vorgänge der Wahrheitserkenntnis und der Verständigung über die Wahrheit für die Wahrheit selbst [kursiv: T. L.]“ aus815. Damit ist die kühne Einschätzung verbunden, dass „Wahrheit […] nicht ohne Verhältnis zum Prozeß ihrer Erschließung“ sei816. Pannenberg scheint diesen Gedanken etymologisch aus dem griechischen Ausdruck ‚αλήθεια‘ ab-

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meint sei – eben dieser auch konsequenterweise nicht im Rahmen der Wahrheitstheorie behandelt, sondern in der Epistemologie thematisch werden solle. Diese Doppelthese der Geschichtlichkeit bekundet sich auch in späteren Veröffentlichungen, wenn auch dort – wie beispielsweise im ersten Band seiner „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ – stärker die Geschichtlichkeit der Wahrheitserkenntnis in den Vordergrund rückt. Diese zutreffende Feststellung darf aber nicht, wie etwa von H. Schulz, dahingehend interpretiert werden, als hätte Pannenberg die These der Geschichtlichkeit der Wahrheit selbst aufgegeben. H. Schulz merkt m. E. zu Unrecht an, dass Pannenberg diese starke These der Geschichtlichkeit der Wahrheit später – in seinem magnum opus – nicht wiederholt habe (Vgl. dazu H. Schulz, Vom Daseinsverständnis zum Evidenzerleben, 113 Anm. 26). Plausibel dagegen erscheint mir seine andere Einschätzung, Pannenberg habe die These der Geschichtlichkeit der Wahrheit „angesichts der unaufhebbaren geschichtlichen Spannung von Vielfalt und Einheit, Relativität und Absolutheit, Vorläufigkeit und Endgültigkeit der Wahrheit“ entwickelt (vgl. a. a. O., 113 Anm. 26). M. E. sind vor allem neben dem alttestamentlichen Hintergrund die oben erwähnten zeitgenössischen Hintergründe mitzuberücksichtigen. W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion. W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 33. W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 33.

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zuleiten oder von Heideggers Wahrheitsverständnis herkommend zu urteilen, wenn er folgendermaßen formuliert: „Wenn Wahrheit als Unverborgenheit umschrieben werden kann, dann läßt sich der Prozeß ihres Offenbarwerdens von ihrem Wesen nicht trennen.“817

Pannenberg operiert (nicht nur) hier mit einem zutiefst ontologischen Wahrheitsverständnis. Die behauptete doppelte Geschichtlichkeit von Wahrheit und Wahrheitserkenntnis stellt sich für Pannenberg dann – durchaus konsequent – folgendermaßen dar: „Und daß die Wahrheit der Dinge und Sachverhalte [kursiv: T. L.] noch nicht endgültig feststeht, das liegt nicht nur an den Schranken unserer Erkenntnisfähigkeit, sondern auch daran, daß die Dinge und Sachverhalte, nach deren Wahrheit wir fragen, in der Zeit ihr Wesen treiben und zumindest die Zusammenhänge, in denen sie ihren Ort finden, im Gesamtprozeß der Wirklichkeit noch offen sind. Die Vorgänge der Wahrheitserkenntnis und der Verständigung über die Wahrheit gehören selbst in den zeitlichen Prozeß mit hinein, in welchem die Wahrheit der Dinge noch in Bewegung ist. So entbehrt die Auffassung von Wahrheit als Begegnung [kursiv: T. L.] nicht aller Berechtigung, und zwar gerade auch im Hinblick auf die Sacherkenntnis und Sachwahrheit, in deren Medium personale Kommunikation sich vollzieht.“818

In Pannenbergs Worten auf eine These gebracht: „Nicht nur die Erfahrung der Wahrheit, sondern auch die Wahrheit selbst ist geschichtlich, weil sich in der Zeit noch erweisen und auch entscheiden muß, was das beständige Wesen der Dinge ist.“819 Diese Annahme, dass das Wesen der Dinge als ein beständiges erst durch die Zukunft entschieden werde, leitet Pannenberg von dem altisraelitisch-geschichtlichen Wahrheitsverständnis ab820. Und zugleich folgert er aus der Geschichtlichkeit der Wahrheit, dass solche Eigentümlichkeit auch für die die Wahrheit zu erkennende Vernunft gelten müsse, in Pannenbergs Worten, „daß jedes ungeschichtliche Selbstverständnis der Vernunft und der Wahrheit, auf die sie sich richtet, zum Scheitern verurteilt wäre.“821 817 W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 33f. Offenkundig will Pannenberg hier noch M. Heideggers Anliegen durch etymologisierende Erwägungen gerecht werden. 818 W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 34. Brunners Buch „Wahrheit als Begegnung“, worauf er hier anzuspielen scheint, sieht Pannenberg als Ausdruck des theologischen Personalismus (vgl. W. Pannenberg, Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie in Deutschland, 233): „Die schon 1924 vollzogene Hinwendung zum theologischen Personalismus fand ihre abschließende Formulierung in Brunners Buch: Wahrheit als Begegnung, 1935.“ 819 W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 34. Siehe dazu exempl. auch schon W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, bes. 218f. 820 Vgl. dazu etwa W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 510f. 821 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 247; vgl. auch W. Pannenberg, Die Vernünftigkeit der Vernunft als theologisches Problem, 77.

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Es irritiert allerdings, dass Pannenberg aus der Geschichtlichkeit der Wahrheit als ihrer inneren Beschaffenheit oder Charakteristik ableitet, diese könne erst in Zukunft als Beständige erkannt werden822, sodass praktisch jedwede Form des Erkennens als geschichtliche zu relativieren sei. Die Kategorie der (ontologischen) Wahrheitsfrage scheint mit der epistemologischen Frage nach ihrer Erkenntnis auf unzulässige Weise verquickt, insofern hier eine unbegründet verallgemeinernde Aussage über die Möglichkeit von Wahrheitserkenntnis getroffen wird. Diese Irritation führt jedoch schnurstracks zu der Doppelthese der Geschichtlichkeit von Wahrheit hin: Es „erscheinen die Dinge nicht nur anders in wechselnden geschichtlichen Perspektiven, sondern sie sind [kursiv: T. L.] auch anders zu verschiedenen Zeiten und für verschiedene Zeiten.“823

Es zeigt sich hierbei, dass Pannenberg das Thema der geschichtlichen Wahrheit wenn nicht epistemologisch, dann ontologisch profiliert. Anders ausgedrückt: Das Phänomen ‚geschichtliche Wahrheit‘ wird von Pannenberg auf die Ebene der Ontologie zurückgeführt. Diesen Schritt gilt es näher zu beleuchten. 3.3.5.2.2 Pannenbergs geschichtliche (Wahrheits-)Ontologie und Epistemologie Wendungen wie die von der ‚Wahrheit der Dinge‘824 indizieren ihrerseits eine ontologische Fundierung von Wahrheit, auf die es in Pannenbergs Denken vorrangig ankommt. Wichtig wahrzunehmen ist, dass die Frage nach der Dinge Wahrheit letztlich auf die Frage nach dem geschichtlich sich herausbildenden Wesen, nach der Identität, also nach dem Was-Sein, der Dinge abzielt. Analoges lässt sich im Hinblick auf seine Rede von der „‚Wahrheit‘ der Sache“ [kursiv: T. L.]

822 In W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 510f findet sich der Hinweis auf seine Erwähnung H.v. Sodens (in: W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 203f), der seinerseits schon die These aufstellte, die Geschichtlichkeit der israelitischen Wahrheit zeige sich (u. a.) daran, dass sie sich künftig herausstelle, und damit wie Pannenberg ontologische und erkenntnistheoretische Fragen vermengt. 823 W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 34. Das Wesen der Dinge selbst schon gilt ihm betontermaßen als geschichtlich – wohingegen das „mythische Bewußtsein das wahre Wesen der Dinge als das seit Urzeiten Bestehende auffaßte und die klassische griechische Philosophie es als zeitlos identische Wesensform dachte.“ (W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 511). 824 Siehe zur ‚Wahrheit der Dinge‘ als zum ‚Wesen der Dinge‘ auch exempl. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 1, 117f sowie W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 513 (dort auch Bemerkungen speziell zu „antizipatorischer Gegenwart der endgültigen Wahrheit der Dinge“).

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sagen – es geht erklärtermaßen um ihre „Beständigkeit und Selbstidentität“825, eben um das Wesen einer Sache826. Solche Erwägungen könnte man durchaus als ‚wahrheitsontologisch‘ bezeichnen. Es geht hier darum, was die Dinge in Wahrheit sind827. So gesehen sind die Erwägungen zur Geschichtlichkeit der Wahrheit im Kern Reflexionen über eine geschichtliche Ontologie, derzufolge sich die Identität, d. h. das Wesen der Dinge und die ihnen inhärente Bedeutung828, im Prozess der Geschichte herausbildet. Pannenbergs Ontologie ist seiner Selbstauskunft nach eine eschatologische Ontologie829. Nicht von der Gegenwart, sondern von der Zukunft (Gottes) her entstehen alle Entitäten und ihr Wesen830. Zu Recht ist darum von einer future 825 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 234f. 826 Hat Pannenberg deshalb – nämlich zur Signalisierung der uneigentlichen Rede von Wahrheit – hier den Ausdruck „Wahrheit“ in Anführungszeichen gesetzt? 827 Sehr deutlich wird dies an anderer Stelle: Pannenberg spricht davon, dass „die Wahrheit der Dinge [kursiv: T. L.] selber als noch offen und unabgeschlossen zu verstehen ist.“ (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 1, 117). Er behauptet, „daß ihr eigentliches Wesen [kursiv: T. L.] noch offen, unabgeschlossen und daher noch verborgen bleibt, auch wenn das Wort der Sprache es schon benennt.“ (a. a. O., 118): „Bei den Dingen der Welt und vor allem bei den Menschen mag verborgen bleiben, wer oder was sie in Wahrheit [!; kursiv: T. L.] sind; – im Falle der göttlichen Wirklichkeit erstreckt sich die Verborgenheit nicht nur auf das Was, sondern auch auf das Daß ihres Seins.“ 828 Vor dem Hintergrund der „Geschichtlichkeit der Erfahrung“ geht Pannenberg mit W. Dilthey davon aus, „daß wir die wahre Bedeutung der Dinge und Ereignisse [kursiv: T. L.] unserer Welt nicht endgültig zu bestimmen vermögen, solange der Gang der Geschichte weitergeht.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 64, dort mit Hinweis auf seinen Aufsatz Über historische und theologische Hermeneutik 123–125, bes. 143f, in: W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie) „Dennoch ist es unumgänglich, die Totalität alles Wirklichen zu denken und jeder tut das, wenn auch zumeist in unreflektierter Weise.“ (W. Pannenberg, Stellungnahme zur Diskussion, 309) Es Bedarf eines Vorgriffs aus folgendem Grund: „Jedes einzelne hat seine Bedeutung nur in bezug auf das Ganze, zu dem es gehört. Daher können wir sowohl vom einzelnen als auch vom Ganzen immer nur vorläufige und steter Revision bedürftige Erkenntnis erlangen.“ (a. a. O., 309f) „Weil alles einzelne nur im Zusammenhang eines größeren Ganzen Bedeutung hat, darum ist die Universalgeschichte im Sinne des Bedeutungsganzen aller Geschichte ein unerläßliches Thema historischer Arbeit.“ (a. a. O., 310). Auch hier entscheidet sich geschichtlich, was etwas in Wahrheit bedeutet. 829 Pannenberg selbst hat den Ausdruck „eschatologische Ontologie“ in seiner Vorlesung „Theologie der Vernunft“ gebraucht (s. dazu W. Greive, Wolfhart Pannenbergs Vorlesung „Theologie der Vernunft“. Eine Skizze, 104). Siehe auch die Verwendung dieses ins Englische übersetzten Terminus (= ‚eschatological ontology‘) im Interview: M. Bauman, W. Pannenberg, Wolfhart Pannenberg, Munich, West Germany; S.J. Grenz folgte ihm darin (vgl. S.J. Grenz, Wolfhart Pannenberg: Reason, Hope, and Transcendence, 86). 830 „Mit der eschatologischen Zukunft tritt Gottes Ewigkeit in die Zeit ein, und von dort her ist sie allem Zeitlichen, das dieser Zukunft vorhergeht, schöpferisch gegenwärtig. Ist doch die Zukunft Gottes der schöpferische Ursprung aller Dinge in der Kontingenz ihres Daseins und zugleich der letzte Horizont für die definitive Bedeutung und also für das Wesen aller Dinge und Ereignisse.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 573). „Das Ende der Zeit ist nach Plotin die Ewigkeit. Von diesem Ende her wird sich das Wesen jedes einzelnen

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oriented ontology831 oder einer retroactive ontology832 gesprochen worden. Aufgrund der behaupteten Geschichtlichkeit der Wahrheit wird die Zukunft zum „focal point of ultimate truth.“833 Die These der Geschichtlichkeit der Wahrheit bei Pannenberg zu verstehen, heißt – wenn auch nicht ausschließlich, so doch im Wesentlichen – seine Ontologie zu verstehen. Als Spezifikum seiner Ontologie darf gelten, dass die Zeitlichkeit als zum Wesen der Dinge gehörig aufgefasst wird. „Wir müssen [so meint Pannenberg] die traditionellen Auffassungen von Wesen und Ewigkeit in bezug auf ihr Verhältnis zur Zeit revidieren. Das Wesen der Dinge darf nicht als zeitlos aufgefaßt werden, sondern es ist abhängig vom Prozeß in der Zeit und wird erst durch dessen Ergebnis entschieden werden, obwohl es sich dabei um die Identität, um das Wassein längst vergangener Dinge handeln mag.“834

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Dinges, seine Weise der Antizipation der Ewigkeit, entscheiden.“ (W. Pannenberg, Metaphysik und Gottesgedanke, 79) Die Wirklichkeit erhält vom Ende der Geschichte aus ihre Ganzheit – so auch u. a. das einzelne Dasein. Vgl. folgende Ausführungen in Auseinandersetzungen mit Parmenides, Heidegger und Dilthey: „Bei der Ganzheit des Daseins im Sinne Heideggers geht es immer schon um seine Identität, sein Wassein, sein Wesen als einheitliches in der zeitlichen Erstreckung seines Seins. Ganzheit und Wesen gehören seit Parmenides zusammen. Wenn die Zukunft der Ursprung möglicher Ganzheit des Daseins ist, dann heißt das, daß sein Wesen und also sein Wassein durch seine Zukunft bestimmt wird. Ebenso ist schon bei Dilthey die Bedeutung und der Sinnzusammenhang des Lebens im ganzen von seinem zeitlichen Ende abhängig, und das heißt wiederum, daß das Wesen des Lebensganzen zeitlich ist und von derjenigen Zukunft abhängt, mit deren Kommen die Ganzheit dieses Ganzen eintritt. Wenn Heidegger, über Diltheys Analysen der Geschichtlichkeit hinausgehend, ein mögliches Ganzseinkönnen des Daseins im Vorlaufen auf seinen Tod behauptet, dann liegt darin der Gedanke, daß das Dasein in der Weise der Antizipation existiert.“ (W. Pannenberg, Metaphysik und Gottesgedanke, 63). Pannenbergs Ontologie ist eine „future oriented ontology“ (So Chr. Mostert, God and the Future, 104). Mostert nennt diese Ontologie auch eine „ontology of the whole“; diese Ontologie hat, wie Mostert zurecht sagt, ihre Basis in „his far reaching thinking about the priority of the future.“ (vgl. dazu a. a. O., 237). So zutreffend T. Peters, The Systematic Theology of Wolfhart Pannenberg, 126f; siehe auch T. Peters, Wolfhart Pannenberg, 368. Eine wichtige Quelle, die diese Ontologie präsentiert, ist (wie T. Peters) anmerkt „Theology and the Kingdom of God“ von 1967: „Instead of viewing the present as determining the future, we ought to view the present as an effect of the future. The future, not the present or even the past, is the source and power of being.“ (a. a. O., 369) S.J. Grenz greift in seiner Darstellung die Idee der ontologischen Priorität der Zukunft auf, um das Verhältnis der Ontologie zur Wahrheitsthematik bei Pannenberg zu verdeutlichen: Er notiert näherhin eine „ontological priority of the future, which contends that ultimate truth is only found in the eschaton.“ (So S.J. Grenz, Reason for Hope, 197). S.J. Grenz, „Scientific“ Theology/ „Theological“ Science: Pannenberg and the Dialogue between Theology and Science, 162; vgl. ferner S.J. Grenz, II. The Irrelevancy of Theology: Pannenberg and the Quest for Truth, 308. W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 180. Siehe exemplarisch auch W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 44.

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Pannenberg wähnt diese geschichtliche, an der Zukunft orientierte Ontologie, derzufolge das Wesen/das Wassein der Dinge sich künftig herausstellt, als biblisch835 und führt sie auf das von ihm sog. israelitische Wahrheitsverständnis zurück, demzufolge – wie bereits oben gezeigt – in seiner eschatologischen Orientierung „das Wesen einer Sache nicht immer schon – wenn auch im Verborgenen – feststeht, sondern erst entschieden wird durch das, was aus ihr wird“836. Entscheidend ist, dass von Pannenberg „das Wesen der Dinge selber als durch den Prozeß ihrer Geschichte und also letztlich von der Zukunft ihrer Vollendung her konstituiert gedacht wird. Dann bedeutet Verwesentlichung nichts anderes als die Vollendung aller Dinge. Auch so läßt sich von einer Gegenwärtigkeit des Wesens aller Dinge schon im Prozeß ihrer Geschichte sprechen. Sie sind das, was sie am Ende sein werden, schon auf dem Wege dahin. Aber sie sind es nur in der Weise der Antizipation ihrer Zukunft. So sind auch die Menschen sie selber schon auf dem Wege ihrer Geschichte, aber nur in der Form der Antizipation der Zukunft ihrer Vollendung. Die Dauer der Dinge in der Zeit ist also nur dank der vorlaufenden Gegenwart ihrer Identität, ihres Wesens, das erst am Ende ihres Weges und am Ende aller Geschichte in seiner abschließenden, vollendeten Gestalt hervortreten wird, schon in der Zeit ihres eigenen Daseins Partizipation an der Ewigkeit.“837

835 „Erst aus der Zukunft entscheidet sich ja nach biblischer Auffassung [kursiv: T. L.] das Wesen der Dinge. Was an ihnen ist, entscheidet sich dadurch, was aus ihnen wird. So geschieht also die Schöpfung vom Ende, von der letzten Zukunft her.“ (W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 169). 836 W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 407. Dort zum „eschatologisch orientierten israelitischen“ Verständnis der Wahrheit – und zwar speziell in der Zuspitzung, dass von Jesus her das Wesen aller Dinge „letztgültig zu bestimmen“ sei (ebd.). Vgl. auch Pannenbergs Bemerkungen a. a. O., 134f: „Das Wesen eines Menschen oder eines Zustandes, oder auch der Welt überhaupt, ist dann noch nicht daraus zu erkennen, was jetzt davon sichtbar ist. Erst die Zukunft wird darüber entscheiden. Es muß sich erst noch zeigen, was aus dem Menschen und aus dem Zustand der Welt in Zukunft werden wird“. Der hier präsente, von H. v. Soden formulierte und von Pannenberg adaptierte Gedanke, dass Wahrheit biblisch (israelitisch) als dasjenige zu verstehen sei, was sich in Zukunft herausstelle, ist leitend für seine retroaktive Ontologie: Vgl. etwa auch W. Pannenbergs Diskussionsbeitrag über ‚Die Wahrheit Gottes‘ (in: W. Oelmüller [Hg.], Wahrheitsansprüche der Religionen heute, 308), dabei speziell zur „Frage nach dem ‚Schon‘ und ‚Noch nicht‘ der Wahrheit. Die Wahrheit ist nicht nur auf die Zukunft zu gründen, sondern auf die Zukunft, insofern sie das Gegenwärtige in ein endgültiges Licht, in das Licht des Endgültigen stellt. Nicht Zukunft einfach im Gegensatz zur Gegenwart oder zur Vergangenheit. Das gegeneinander auszuspielen, hielte ich für ein Mißverständnis.“ 837 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 649. Pannenberg selbst verweist a. a. O. auf seine ausführlichere Behandlung dieser Thematik in seinem Aufsatz „Begriff und Antizipation“, in: W. Pannenberg, Metaphysik und Gottesgedanke, 66–79, bes. 76ff. Darüber hinaus zum Thema vgl. a. a. O., auch schon 63f und 88f. Von Interesse ist dabei für Pannenberg primär die Bedeutung, die den Dingen in ihren jeweiligen Kontexten selbst inhärent

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In größerer Ausführlichkeit hat Pannenberg diese seine Ontologie in „M e t a p h y s i k u n d G o t t e s g e d a n k e “ dargelegt und darin den zentralen Gedanken „rückwirkende[r] Konstitution des Wesens der Sache, die im Werden ist, von dessen Ende her“ entfaltet838. Die Wesensfrage ist diejenige nach dem Wassein, aristotelisch gesprochen konkreter die Frage nach dem ‚ti en einai‘, aber auch die nach der Identität und Bedeutung von Dingen839. Dabei denkt Pannenberg – ebenfalls im Anschluss an Dilthey – das im Verlauf der Geschichte sich herausbildende und retroaktiv von der Zukunft her konstituierte Wesen bzw. Identität aller Entitäten840 zugleich auch von den Bezugssystemen und Kontexten abhängig, in denen sie sich befinden. „Wenn die Identität einer Sache (ihr Wassein) und also ihr Wesen von den Beziehungen, in denen sie steht, abhängt, dann ändert sich diese Identität mit der Änderung des Bezugssystems oder Kontextes, von dem her sich die Bedeutung der Sache bestimmt (im Sinne von Diltheys Bedeutungsanalyse). Damit ist jedes Ereignis und jeder Gegenstand, wenn er in neue Beziehungen eintritt, offen für eine Neubestimmung seiner Identität. Man kann diesen Sachverhalt so auffassen, daß das „Wesen“ eines Gegenstandes oder auch eines Ereignisses solange noch nicht definitiv bestimmt ist, wie sich im Prozeß der Geschichte sein Kontext noch ändert.“841

Das Wesen der Dinge – ihre Wahrheit – ergibt sich im Geschichtsverlauf aus geschichtlichen Kontexten, in denen die Dinge stehen. So fungieren die Kontexte – neben der eschatologischen Zukunft als dem ultimativen Horizont – auch faktisch als Determinanten für Wahrheit842. Die Relativität von Wahrheitserkenntnis und die Betonung der Kontextabhängigkeit von Bedeutungen und Wahrheit bedeutet keine Relativierung von Wahrheit. Pannenberg ist kein „epistemological relativist“, wie D. McKenzie zu Recht hervorgehoben hat843.

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ist (also nicht die Bedeutung, die wir den Dingen durch Interpretation beimessen und dadurch eine nur beliebige Bedeutung wäre). W. Pannenberg, Metaphysik und Gottesgedanke, 77, a. a. O., bes. 75ff. W. Pannenberg, Metaphysik und Gottesgedanke, 76f (zit. 76), siehe dort auch die Auseinandersetzung mit der Entelechielehre des Aristoteles. Siehe als weiteren Beleg zur künftigen Entscheidung über das Wesen der Dinge auch W. Pannenberg, Kontingenz und Naturgesetz, 44. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 333. vgl. auch schon ausführlicher dazu W. Pannenberg, Metaphysik und Gottesgedanke, 76ff. „In Pannenberg’s view, not only meaning but also truth is dependent on context.“ (D. McKenzie, Wolfhart Pannenberg & Religious Philosophy, 28). „It should not be concluded from these comments that Pannenberg thinks of context as the sole determinant for truth.“ (a. a. O., 29). D. McKenzie, Wolfhart Pannenberg & Religious Philosophy, 29: „Both meaning and truth, he says, depend at least to some extent on historical context.“ (ebd.). D. McKenzie erklärt, dass Pannenberg nicht relativistisch missverstanden werden darf: „In a move which is designed to correlate the theological theological tradition and the modern preoccupation with the contextually-bound character of meaning and truth, he puts forward the novel notion of an ultimate context of meaning and along with it an ultimate truth.“ (D. McKenzie, Wolfhart

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Weil sich einer solchen retroaktiven Ontologie erst am Ende der Geschichte das Wesen einer Sache bestimmen ließe, meint Pannenberg jedoch andererseits sagen zu können, dass das Wesen von Dingen bereits gegenwärtig wenigstens antizipativ zugänglich sei: „Da aber andererseits der einzelne Gegenstand (oder das Ereignis) schon zu seiner Zeit irgendwie sein besonderes Wesen „hat“ und auch im Zusammenhang menschlicher Erfahrung als dieser oder jener benannt wird, läßt sich von einer Antizipation des noch nicht endgültig erschienenen Wesens der Dinge in der Zeit ihres Daseins [kursiv: T. L.] sprechen“, wobei „aber […] auch zugegeben werden [müsse], daß das Wesen bzw. die antizipierte Wesensbestimmung einer Sache sich in der Zeit noch ändert [kursiv: T. L.].“844

Das Konzept der rückwirkenden Wesenskonstitution von Dingen und die Möglichkeit eines antizipativen Zugriffs seien zur Verdeutlichung anhand eines von Pannenberg gewählten Beispiels veranschaulicht: „Auch als Steckling schon und auf dem Wege ihres Wachstums bis zur Blüte ist eine Zinnie eine Zinnie, obwohl die Blume ihren Namen trägt wegen ihrer Blüte. Gäbe es nur eine einzige solche Blume, so ließe sich ihr Wesen nicht im voraus bestimmen, und doch wäre sie schon im Laufe ihres Wachstums das, als was sie am Ende sich darstellt. Sie besäße ihr Wesen durch Antizipation, aber erst am Ende des Weges könnte man wissen, daß dies ihr Wesen ist.“845 Kurzum: „Die Dinge wären dann das, was sie sind, Substanzen, einerseits rückwirkend vom Ergebnis ihres Werdens her, andererseits in der Weise der Antizipation der Vollendung ihres Werdeprozesses, ihrer Geschichte.“846

Pannenberg & Religious Philosophy, 30). Unter Bezugnahme auf die englischsprachige Ausgabe von Theologie und Reich Gottes (= Theology and the Kingdom of God, 63) formulierte McKenzie zutreffend, dass „according to Pannenberg, the truth which becomes evident in that broadset of all contexts will be the retroactive measure of all historical truthclaims.“ (D. McKenzie, Wolfhart Pannenberg & Religious Philosophy, 35) „In other words, when the eschaton comes, universal history will be complete; and the truth unveiled at the eschaton is the absolute truth for all historical contexts.“ (a. a. O., 35f). 844 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 333. 845 W. Pannenberg, Metaphysik und Gottesgedanke, 76. Vgl. auch die folgende, sehr ähnliche Illustration im Kontext einer kritischen Auseinandersetzung mit Whitehead: „Die Pflanze, das Tier sind im Prozeß ihrer Genese immer schon diese Pflanze, dieses Tier, obwohl doch erst im Resultat ihrer Genese ihr besonderes Wesen voll ans Licht tritt. In der Weise der Antizipation sind sie immer schon das, was sie im Prozeß ihrer Genese erst noch werden. Die Identität ihres Seins ist freilich nicht die eines momentanen Ereignisses, sondern besteht in der Identität ihres Wesens, ihrer Wesensgestalt, die sich im Laufe der Zeit durchhält. Durch die Antizipation der Wesensgestalt im Prozeß der eigenen Genese sind die Gesichtspunkte der substantiellen Identität des Wasseins und der Prozeßhaftigkeit miteinander verbunden.“ (W. Pannenberg, Metaphysik und Gottesgedanke, 88f). 846 W. Pannenberg, Metaphysik und Gottesgedanke, 78.

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Die Kategorie der Antizipation erfüllt bei Pannenberg nicht nur die epistemologische Funktion des Zugriffs auf die Dinge zum Zwecke ihrer Wesenserkenntnis. Vielmehr enthält sie im Denken Pannenbergs neben der epistemologischen (noetischen) Komponente auch eine ontologische847. So meint er etwa aus der aristotelischen Entelechie-Lehre herauslesen zu können, „daß die Gegenwart der entelecheia im Prozeß des Werdens antizipative Struktur hat, eine antizipative Realität des eidos bezeichnet vor seiner vollen Realisierung.“848 Auch in Auseinandersetzung mit M. Heidegger hat Pannenberg die Antizipation ontisch zu fungieren versucht. Er hat die Meinung geäußert, dass „das Seiende generell als Antizipation seines Wesens aufzufassen ist.“849 „Dann wäre alles, was ist, das, was es ist, nur als Antizipation seiner Zukunft, in der mit der Endlichkeit zugleich auch die Ganzheit eines jeden Seienden begründet wäre. Obwohl im Laufe der Zeit, solange etwas ist, sein Ende noch aussteht, ist es doch das, was es ist, immer schon im Vorgriff auf dieses Ende und von ihm her.“850 Pannenberg vertritt ausdrücklich „ein Verständnis des Seienden als Antizipation der Wahrheit über sein Wesen, die erst am Ende seines Weges offenbar wird.“851 Identitätskonstitution wird so gedacht, dass sie sich im Prozess der Geschichte ereignet. Pannenberg geht davon aus, „daß den Dingen und Sachverhalten ihre Geschichte nicht bloß äußerlich bleibt, daß vielmehr ihre Identität durch diese Geschichte vermittelt wird, im Vorgriff auf ihren Ausgang namhaft gemacht wird und erst im Rückblick auf eine Phase dieser Geschichte jeweils als vorläufig entschieden in den Blick kommt. Darum sind die wechselnden geschichtlichen Perspektiven, in denen wir Dinge und Sachverhalte erfahren, auch nicht etwas bloß Subjektives oder gar etwas beliebig Vertauschbares, das sich in Abzug bringen ließe von ihrer Sachwahrheit. Vielmehr stellt sich innerhalb jeder geschichtlichen Perspektive die Frage nach sachgerechter Erkenntnis, die dann

847 Siehe dazu auch Chr. Mostert, God and the Future, 116f: „Anticipation has an epistemological and an ontological aspect.“ (a. a. O., 116) Auch Th. Freyer erkennt in Pannenbergs Antizipationsbegriff sowohl eine noetische als auch eine ontische Komponente (siehe Th. Freyer, Zeit – Kontinuität und Unterbrechung, 266). Zu Letzterer vgl. auch folgende Formulierung: „Das Ende der Zeit ist nach Plotin die Ewigkeit. Von diesem Ende her wird sich das Wesen jedes einzelnen Dinges, seine Weise der Antizipation der Ewigkeit, entscheiden.“ (W. Pannenberg, Metaphysik und Gottesgedanke, 79). 848 W. Pannenberg, Metaphysik und Gottesgedanke, 77. In Kritik an Aristoteles meint er weiter: „Hätte Aristoteles seine Beschreibung der Bewegung allein an der Einzelbewegung orientiert, so hätte er wohl auch von einer rückwirkenden Kausalität des telos auf den Gang des Werdens als Werden eines Seienden von bestimmter Art, wie sich am Ende herausstellt, sprechen müssen.“ (ebd). 849 W. Pannenberg, Metaphysik und Gottesgedanke, 63. 850 W. Pannenberg, Metaphysik und Gottesgedanke, 64. 851 W. Pannenberg, Metaphysik und Gottesgedanke, 79.

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auch rückwirkend zur Verwandlung der Perspektive selbst beitragen kann, nie jedoch der perspektivischen Gebundenheit des Blickes überhaupt entgeht.“852 Für Pannenberg bleibt entscheidend, dass am Gedanken der Einheit und Identität der Wahrheit festgehalten wird und zugleich ihre Geschichtlichkeit (statt Zeitlosigkeit) gedacht wird, die aber, wie sich zeigte, ihrerseits nicht als Relativierungsprogramm missverstanden werden darf: Auch wenn Wahrheit „nur als das Ganze eines Geschichtsverlaufes zu erfassen“ sei, solle die Wahrheit nicht relativistisch aufgelöst werden853. Pannenberg bemerkt, dass die im alttestamentlichen Wahrheitsverständnis sich bekundende Geschichtlichkeit „doch noch weit entfernt [ist] von der modernen Problematik der Geschichtlichkeit der Wahrheit im Sinn ihrer Relativität auf die jeweilige geschichtliche Perspektive ihrer Erfahrung.“854 Er meint: „Dazwischen liegt die ganze Geschichte christlicher Rezeption der griechischen Metaphysik und vor allem deren Auflösung durch die moderne Subjektivitätsproblematik:“855

852 W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 34. 853 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 118: Zur Wahrheit notiert Pannenberg: „Das bedeutet keineswegs ihre relativistische Auflösung, wohl aber die Unmöglichkeit, die Einheit der Wahrheit als zeitlose Identität der jeweiligen Sache zu denken;“ (W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 117) „[S]ie ist nur als das Ganze eines Geschichtsverlaufes zu erfassen. Als zeitlos identisch werden immer nur abstrakte Allgemeinbegriffe von dem Menschen, der Natur, der Architektur, dem Recht usw. gedacht. Eben in ihrer zeitlosen Allgemeinheit besteht ihre Abstraktheit und damit ihre nur vorläufige Wahrheit. Sie alle kommen in ihre eigentliche Wahrheit erst durch ihre Aufhebung in die Geschichte der in ihnen gemeinten Sache. Damit ist nicht in Abrede gestellt, daß alle Erkenntnis mit abstrakt-allgemeinen Vorstellungen von ihrer Sache beginnt, aber solches anfängliche, unumgänglich abstrakte Vorstellen muß sich aufheben lassen in ein differenziertes Verständnis der Sachen in ihrer geschichtlichen Bewegung.“ (a. a. O., 118). Zu Pannenbergs Programmatik, Wahrheit als geschichtliche zu denken, ohne damit zugleich ihre Relativierung auszurufen, siehe die treffende Bemerkung von E.F. Tupper: „While that does not signify the relativistic dissolution of truth, it does mean that the unity of truth can be conceived only as the whole of a historical process.“ (E.F. Tupper, The Theology of Wolfhart Pannenberg, 119f). 854 W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 35: „Wenn […] die moderne Erfahrung der Geschichtlichkeit der Wahrheit verschieden ist von deren Entdeckung im altisraelitischen Denken, so kann sie sich doch in einer Kontinuität mit ihm verstehen, während eine Verbindung mit der griechischen Erfahrung der Wahrheit nur durch Reflexion auf das vom Gedanken der Zeitlosigkeit der Wahrheit verdeckte Geschehen ihres Sichentbergens erreichbar ist.“ (W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 35f) Pannenberg verweist in Anm. 10 auf M. Heidegger, Platons Lehre von der Wahrheit, 32: „Der Geschehenssinn der Wahrheit bietet jedoch bei Heidegger, weil er im Rahmen des antiken Erkenntnismodells gedacht wird, der Subjektivität der Wahrheitserfahrung keinen Raum, sondern tritt zu ihr in Gegensatz.“ Ob das stimmt, sei mal dahingestellt. 855 W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 35.

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„Die Geschichtlichkeit der Wahrheit im modernen Sinn“, so Pannenberg, „hat es entscheidend mit den einander ablösenden und miteinander ringenden schöpferischen Entwürfen der Wahrheit erfahrenden Subjekte zu tun.“856

Das neuere Verständnis der Geschichtlichkeit von Wahrheit hat es also weniger mit der Geschichtlichkeit der Wahrheit selbst zu tun als mit den pluralen, also unterschiedlichen, geschichtlich(en) und geschichtlich wandelbaren schöpferischen Entwürfen unter den nach Wahrheit strebenden Subjekten. Die Aufgabe zur Wahrheitsfindung besteht nun Pannenberg zufolge darin, im „Pluralismus der Sachperspektiven und die Aufgabe, durch Verständigung im Dialog die Einheit der Wahrheit in Erscheinung treten zu lassen und so zugleich ihrer teilhaftig zu werden.“857 Gerade dadurch, dass die ontologisch gedachte Wahrheit als eine geschichtlich wandelbare nach dem Verständnis Pannenbergs ihre Identität erst noch herausbildet, bleibt sie, wie sich zeigt, nichtsdestotrotz ein dem erkennenden Subjekt mitsamt seiner Subjektivität gegenüber objektiver, d. h. nicht zu relativierender, Erkenntnisgegenstand. Die ontologische Wahrheit bildet den Maßstab für die (subjektiven) Urteile über sie, über deren (aussagetheoretische) Wahrheit wiederum die Zukunft der (ontologischen) Wahrheit entscheide, woraus sich für die Gegenwart nur ihre Antizipierbarkeit ergibt: „Die Pluralität subjektiver Perspektiven findet ihr Maß in der Frage, was sich in Zukunft als tragfähig und beständig erweisen wird. Die einzelnen Entwürfe verhalten sich dazu als Hypothesen, und gerade die Zukünftigkeit der einen Wahrheit ermöglicht die Pluralität gegenwärtiger Hypothesen.“858 „Die Zukünftigkeit der Wahrheit eröffnet den Raum auch für die Spontaneität subjektiver Entwürfe; denn subjektive Kreativität antizipiert zukünftig Mögliches, sei es direkt als solches, sei es in symbolischer Darstellung, sooft sie auch im bloß Subjektiven und Belanglosen steckenbleiben mag.“859

Nun behauptet Pannenberg weiterhin, dass „[a]uch die Endgültigkeit der einen Wahrheit […] unter den Bedingungen der Geschichtlichkeit nur der freien

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W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 35. W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 35. W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 36. W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 36. Der Gedanke einer der Erkenntnis vorgegebenen Wahrheit kehrt auch dort wieder, wo Pannenberg eine ökumenische Verständigung fordert: „Andererseits gilt es, die geglaubte Wahrheit als dem Prozeß der Verständigung über sie vorgegeben zu erfassen.“ (W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 39f) „Eben die vorgegebene Wahrheit soll im Prozeß der Verständigung ihre gegenwärtige Gestalt finden. Auch als vorgegebene aber ist die Wahrheit des Glaubens nicht unabhängig von ihrer Geschichte zu identifizieren, die für den christlichen Dialog der Gegenwart eine gespaltene Geschichte ist.“ (a. a. O., 40).

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Subjektivität zugänglich [sei; kursiv: T. L.], nämlich im Akt des [fiduzialen] Vertrauens“860. Dies bedeute aber „nicht, daß die gegenwärtige Erscheinung der endgültigen Wahrheit Gottes in eine regellose Vielfalt subjektiver Entwürfe auseinanderfallen müßte:“861 Eine solche Pluralität verschiedener Entwürfe scheint nach Meinung von Pannenberg ein Inerscheinungtreten der göttlichen Wahrheit geradezu zu verunmöglichen: „So würde sie gegenwärtig gerade nicht mehr zur Erscheinung [kursiv: T. L.] kommen können. Die Gegenwart würde gar keine Wahrheit haben, wenn sich nicht in noch so vorläufiger Weise auch die Einheit der Wahrheit [kursiv: T. L.] in ihr bekundete.“862

Es ist nämlich seine Überzeugung, dass die „[d]ie endgültige Wahrheit Gottes […] als die unbegrenzt beständige und allem anderen Bestand verleihende Wirklichkeit nur insoweit gegenwärtig in Erscheinung [tritt], als sie Einheit begründet [kursiv: T. L.].“863 Aus dieser Logik heraus erweist sich für Pannenberg die Einheit der Kirche als eine Bedingung für das Inerscheinungtreten der göttlichen Wahrheit in der Gegenwart: „Die Einheit der Kirche durch die Zeiten hin und in der Vielfalt der gegenwärtigen Formen des Christentums gehört daher zu den Bedingungen, ohne die die endgültige Wahrheit Gottes nicht zu ihrer gegenwärtigen Erscheinung kommen kann [kursiv: T. L.]. Sie bleibt sonst in der Zweideutigkeit des bloß Subjektiven im schlechten Sinn des Wortes. In dieser Richtung lassen sich die negativen Wirkungen der Spaltung unter den Christen, die Verdunkelung der Wahrheit Gottes im christlichen Überlieferungsbereich durch sie kaum überschätzen.“864 860 861 862 863

W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 36. W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 36. W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 36. W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 36. Was dies genau heißen soll, bleibt eher vage: Pannenberg sagt nur so viel zur einheitswirkenden Wahrheit Gottes: „Dies geschieht sowohl in den „weltlichen“ und nur indirekt religiös fundierten Weisen der Einheit des Lebens als auch im Bereich religiöser Ausdrücklichkeit – als persönliche Identität des Glaubenden in allen Wechselfällen des Lebens, als Einheit seiner Erfahrung der Welt in der Vielfalt der Erfahrungsbereiche, aber auch in der Einheit der Glaubenden untereinander, und das nicht nur unter den gegenwärtig Lebenden, sondern ebenso mit den Glaubenden früherer Generationen.“ (W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 36f). 864 W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 37. Dem entspricht sein Beklagen der gespaltenen Christenheit in einem anderen Beitrag. Pannenberg äußert darin die Meinung, „[d]ie Spaltungen der Christenheit haben der Glaubwürdigkeit der christlichen Botschaft unter den Völkern unermeßlichen Schaden zugefügt“ (W. Pannenberg, Die Ökumene als Wirken des Heiligen Geistes, 74). Die Welt brauche schließlich „das Zeugnis der Einheit der Christen“ (ebd.).

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Auf diese Weise mündet sein Aufsatz über den geschichtlichen Charakter der Wahrheit in die Diskussion über ihre Ökumenizität und die der Kirche865. 3.3.5.2.3 Analyse und Kritik Insbesondere Pannenbergs Aufsatz „D i e G e s c h i c h t l i c h k e i t d e r Wa h r h e i t u n d d i e ö k u m e n i s c h e D i s k u s s i o n “ scheint mir stellenweise an systematischer Unschärfe zu laborieren: Wie kann Pannenberg z. B. die Frage nach dem Inerscheinungtreten der Wahrheit Gottes in ihrer Endgültigkeit in Verbindung bringen mit der Vorstellung einer Pluralität von je subjektiven Entwürfen, die sie thematisieren? 866 Wenn die Wahrheit Gottes in Erscheinung tritt, ist das als ein Akt veritativer Selbstentbergung zunächst einmal etwas anderes als sie mithilfe subjektiver Entwürfe zu thematisieren. 865 Darauf ist hier nicht näher einzugehen. Vgl. dazu ausführlicher W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 36ff: Siehe dazu auch folgende Bemerkungen Pannenbergs: „Wer erkennt, daß es hierbei um die wichtigste Entscheidung über das Inerscheinungtreten der einen Wahrheit Gottes in unserer gegenwärtigen Welt geht, kann über die träge Selbstzufriedenheit, mit der viele Christen in ihren durch Tradition versteinerten Schismen weiterleben, in Verzweiflung geraten.“ (W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 38). Sein ekklesiologisches Grundpostulat, das aus der geschichtlichen Natur, die er der Wahrheit zuschreibt, abgeleitet wird, lässt sich programmatisch-griffig in der Formel ‚unity without uniformity‘ erfassen: „Für viele Protestanten ist auch heute noch der Gedanke einer Einheit der Christen belastet durch das Stigma einer Uniformität, die der Freiheit des Glaubens dem Atem rauben würde. Christliche Einheit ist in der Tat heute nur vorstellbar unter Bedingungen der Pluralität, weil Geschichtlichkeit der Wahrheit.“ (ebd.) Er meint: „Die Einheit der göttlichen Wahrheit kann unter den Bedingungen der Geschichtlichkeit nur durch einen Prozeß wechselseitiger Anerkennung ihrer geschichtlichen Ausprägungen in Erscheinung treten.“ (a. a. O., 38f). Was Pannenberg bereits hier im Blick hat, ist eine gegenseitige Anerkennung der verschiedenen Traditionen bei gleichzeitiger auch kritischer Auseinandersetzung mit der je eigenen Tradition. Er fordert im Ganzen nicht weniger als eine „positive Aufnahme der konfessionellen Geschichte des anderen Seite in das eigene Verständnis der Geschichte der Christenheit.“ (a. a. O., 40). „Die Möglichkeiten gegenwärtiger Glaubensformulierungen bleiben durch die Traditionen bedingt, aus denen die Dialogpartner kommen, auch wenn diese Traditionen der Interpretation und Kritik offenstehen. In der Verpflichtung gegenüber der Vergangenheit christlichen Wahrheitsbewußtseins bekundet sich noch einmal die Einheit der Wahrheit, die ja nur dann gegenwärtig zum Ausdruck kommen kann, wenn ihre Gestalt nicht nur der Gegenwart genugtut, und die der Gegenwart erst dann genugtut, wenn die sie übersteigende Wahrheit in ihr zur Erscheinung kommt. Darum kann über die gegenwärtige Form des Glaubensverständnisses und über seine Geschichte, die Geschichte des konfessionell gespaltenen Glaubensbewußtseins, nur zusammen entschieden werden. Ohne eine gemeinsame Einschätzung der Geschichte der Kirchen und ihres Glaubensverständnisses gibt es keine gegenwärtige Verständigung über die Glaubenswahrheit, die die Geschichte der Spaltungen wirklich überwindet.“ (W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Situation, 40). 866 Vgl. W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 36.

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Nicht ohne weiteres ist auch die folgende Behauptung nachzuvollziehen: „Die Gegenwart würde gar keine Wahrheit haben, wenn sich nicht in noch so vorläufiger Weise auch die Einheit der Wahrheit [kursiv: T. L.] in ihr bekundete.“867 Inwiefern kann die Präsenz gegenwärtiger Wahrheit als von ihrer (festzustellenden, feststellbaren) Bekundung in Einheit abhängig gedacht werden? Unmittelbar plausibel scheint mir schließlich auch seine Annahme nicht zu sein, „[d]ie endgültige Wahrheit Gottes […] als die unbegrenzt beständige und allem anderen Bestand verleihende Wirklichkeit [trete] nur insoweit gegenwärtig in Erscheinung, als sie Einheit begründet [kursiv: T. L.].“868 Wieso wird hier prinzipiell ausgeschlossen, dass die göttliche Wahrheit auch anderweitig in Erscheinung treten kann? Man wird grundsätzlich Pannenberg mit der Anfrage konfrontieren können, warum er überhaupt die Frage nach der Identität der Dinge mit der Wahrheitsfrage in Verbindung bringt. Wäre die erstgenannte Frage nicht adäquater als rein ontologische zu thematisieren, wie dies im Übrigen in neueren Beiträgen zumeist auch – d. h. unter Umgehung der Verwendung einer Rede von der ‚Wahrheit der Dinge‘ u. ä. – geschieht? Der Ausdruck ‚Wahrheit‘ ist zum Teil redundant, bestenfalls synonym mit ‚Wesen‘, ‚Identität‘ oder ‚Was-Sein‘. Hätte Pannenberg auf dem Wege seines Reflexionsprozesses nicht zur Einsicht gelangen können, dass ein derart auf die ontologische Ebene fixierter Wahrheitsbegriff ein letztlich beschränkter ist, weil er die sprachliche Bezugnahme auf die Dinge (im Unterschied zu dem hier favorisierten semantisch-ontologischen Wahrheitsbegriff) großenteils ausblendet? So wird gerade auch am Beispiel Pannenbergs deutlich, dass mit der These der Geschichtlichkeit der Wahrheit Unterschiedliches gemeint sein kann. Die Geschichtlichkeit kann Pannenberg sogar unmittelbar auf Gott beziehen und in diesem Sinne von der „geschichtliche[n] Wahrheit des verheißenden Gottes“ sprechen869. Pannenbergs paralleles Operieren mit verschiedenen formalen Wahrheitsbegriffen ist grundproblematisch. Die sich in seiner Darlegung bekundende Vor867 W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 36. 868 W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 36. Was dies genau heißen soll, bleibt eher vage: Pannenberg sagt nur so viel zur einheitswirkenden Wahrheit Gottes: „Das geschieht sowohl in den „weltlichen“ und nur indirekt religiös fundierten Weisen der Einheit des Lebens als auch im Bereich religiöser Ausdrücklichkeit – als persönliche Identität des Glaubenden in allen Wechselfällen des Lebens, als Einheit seiner Erfahrung der Welt in der Vielfalt der Erfahrungsbereiche, aber auch in der Einheit der Glaubenden untereinander, und das nicht nur unter den gegenwärtig Lebenden, sondern ebenso mit den Glaubenden früherer Generationen.“ (W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 36f). 869 So in: W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 247; siehe alternativ W. Pannenberg, Die Vernünftigkeit der Vernunft als theologisches Problem, 77.

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stellung, sich auf die (zukünftige) Wahrheit mit Hilfe von subjektiven Entwürfen in Hypothesenform oder Antizipationen anzunähern, irritiert, weil diese immer faktisch als auf der Aussage basierende Wahrheitsträger fungieren, ihrerseits also einen zur ontologischen Wahrheit alternativen, nämlich aussagetheoretischen, Wahrheitsbegriff erfordern. Dass Pannenberg auch hier in gewisser Hinsicht Ontologie und Epistemologie auf m.E unzulässige Weise vermengt, zeigen seine Ausführungen über die Sommerblume Zinnie: Wenn eine Zinnie, wie Pannenberg selbst sagt, immer schon eine Zinnie ist, wieso soll dann ihr Wesen nur antizipativ zugänglich sein? Die Tatsache, dass sich erst künftig herausstellen soll, dass es sich um eine Zinnie (oder beispielsweise um eine Rose oder einen Hund870) handelt, ich also erst in Zukunft wissen kann, dass es sich um eine Zinnie oder etwas anderes handelt, hat doch nichts mit der schon jetzt möglichen (korrespondenztheoretischen) Wahrheit der Aussage zu tun, dass es sich um eine Zinnie handelt. Selbst wenn Pannenbergs eigentümliche Ontologie Beachtung findet, wird dadurch die Möglichkeit der von ihm auch in Anspruch genommenen (korrespondenztheoretischen) Wahrheit nicht torpediert. Dass diese der Antizipation untergeordnet wird, macht vor dem Hintergrund der Ausführungen Pannenbergs jedoch keinen Sinn. Denn wenn eine Zinnie tatsächlich schon auch als Steckling eine Zinnie ist, dann lässt sich diese Wahrheit in Aussageform artikulieren. Ob ich das weiß bzw. schon vor dem Ende der Zeit wissen kann oder ob ich mir diesbezüglich gewiss bin, sind interessante Fragen. Sie tangieren aber (wenigstens die aussagetheoretische) Wahrheitsfrage nicht. Denn die Wahrheit der Behauptung, es handele sich bei einer bestimmten Blume um eine Zinnie, hängt nicht davon ab, ob diese Blume sich mir am Ende der Zeit als eine solche zu erkennen gibt oder nicht, geschweige denn, ob ich irgendwelche Gewissheiten diesbezüglich anzubringen hätte. Die eher (rein) ontologischen Fragestellungen werden von Pannenberg des Weiteren theologisch zugespitzt auf die göttliche Wahrheit in ihrer Einheit und darüber hinaus mit ökumenischen Überlegungen verbunden: So ehrenwert der ökumenische Ansatz ist: Was hat die Einheit der Wahrheit – sei es im Sinne ontologischer oder aussagetheoretischer Wahrheit – mit der Einheit oder der Gespaltenheit der Christenheit zu tun? Selbst wenn die eine und 870 Um zwei weitere von Pannenberg für den oben geschilderten Themenzusammenhang gebrauchte Beispielbegriffe zu nennen: „Wenn […] jemand Dinge benennt und sagt ‚dies ist eine Rose‘, ‚jenes ist ein Hund‘, dann kommt er immer schon her von einem unausdrücklichen Vorgriff auf die letzte Zukunft und von der erst durch die letzte Zukunft konstituierten Ganzheit der Wirklichkeit; denn erst innerhalb dieses Ganzen hat jedes einzelne seine definitive Bedeutung, sein Wesen.“ (W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 250/ alternativ: W. Pannenberg, Die Vernünftigkeit der Vernunft als theologisches Problem, 79).

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endgültige Wahrheit erst in der geeinten Kirche zur Erscheinung kommen mag, besteht das Wesen der Dinge und auch letztlich die göttliche Wahrheit an sich doch unabhängig davon. Die Voraussetzung, dass die eine göttliche Wahrheit nur in der Einheit der Kirche zu erkennen sei, bleibt unbegründet. 3.3.5.3 Wahrheit, Geschichte und trinitarischer Gott In dem 1977 erstmals publizierten Aufsatz „D e r G o t t d e r G e s c h i c h t e . D e r t r i n i t a r i s c h e G o t t u n d d i e Wa h r h e i t d e r G e s c h i c h t e “871 stellt Pannenberg geschichtstheologische Überlegungen an zum Konnex der Gottesfrage mit der Wahrheits- und Sinnthematik als einer Grundfrage systematischer Theologie872. Seine Gedankenfolge soll hier zur Darstellung kommen: Pannenberg knüpft an einen biblischen, bereits im Alten Testament auffindbaren israelitischen Vorstellungshorizont an, demzufolge Geschichte dezidiert theologisch verstanden wird. Nach diesem Geschichtsbewusstsein sei der bezeichnendste Ausdruck für Begebenheiten der Geschichte „die zusammenfassende Rede vom Tun Gottes, von der Gesamtheit seiner Taten, dem ma’aseh Jahwe.“873 Theologisch Geschichte zu betrachten, heißt für Pannenberg auf Geschichte stets hinsichtlich des „Handeln Gottes in den Begebenheiten“ zu sprechen, wie dies seinerseits biblisch überliefert ist (vgl. exempl. Jos 24, 31) 874. „Sein ganzes Tun, die ganze von ihm gewirkte Geschichte, geschieht in Beständigkeit, emunah (Ps 33,4) In diesem Psalmwort klingt bereits eine Beziehung zwischen Geschichte und Wahrheit an, vermittelt durch die Treue Gottes, die seinen Taten Beständigkeit und somit Zusammenhang verleiht.“875

Daran anknüpfend wendet Pannenberg sich gegen das alternative Modell eines Dualismus zwischen göttlichem Handeln und einem davon mehr oder minder verschiedenen autonom- geschöpflichen „Handlungs- und Ereigniszusammenhang“ – denn diese Sichtweise „tritt der Gottheit Gottes selber zu nahe“ und „verletzt die Macht Gottes über seine Schöpfung, die darin in Erscheinung tritt, daß jede Begebenheit, jedes Ereignis, zugleich eine Tat Gottes ist.“876 Es gibt 871 In: W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 112–128 (s. a. a. O., 265, den Hinweis zur Erstpublikation in KuD 33 [1977], 76–92). 872 Vgl. diesbezüglich schon die einleitenden Bemerkungen im Vorwort in: W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 7: Es „handelt […] sich bei den mit dem Thema „Gott und Geschichte“ sich stellenden Fragen um „Grundfragen“ systematischer Theologie, Fragen, die die Grundlegung systematischer Rechenschaft über den christlichen Glauben im Hinblick auf seinen Wahrheitsanspruch [kursiv: T. L.] betreffen.“ (ebd.). 873 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 114f (zit. 115). Als Belege dazu siehe a. a. O., 115: Jes 5,12 u. Ps 28,5. 874 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 115. Dort weitere Belege. 875 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 115. 876 Vgl. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 116.

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gemäß Pannenbergs Dafürhalten „kein Ereignis – sei es zum Heil oder Unheil, wie Deuterojesaja sagt, – in dem nicht Gott handelte“877. Die These vom göttlichen Handeln in den Ereignissen eröffnet die Frage, wie das Verhältnis zwischen der göttlichen Macht und menschlichen Handeln zu bestimmen ist. Für Pannenberg besteht keineswegs ein Konkurrenzverhältnis zwischen göttlichem und menschlichem Handeln. „Nur ein schlechter Gottesbegriff“ führe zu derartigen Konsequenzen. Seiner Meinung nach handelt Gott durch die Geschöpfe, er „bedient sich ihrer frei, so sehr sein Handeln zugleich die Zwecke der Geschöpfe übersteigt.“878 Die Parallelität von Immanenz und Transzendenz, die für Pannenbergs Gottesbegriff von grundlegender Bedeutung ist, kommt hier voll zum Ausdruck: Gott ist „mitten in unserem Leben jenseitig“879. Was in diesen geschichtstheologischen Erwägungen andeutungsweise erkennbar ist, ruht auf der festen Überzeugung, dass die Geschichte ihre Einheit nicht von Seiten menschlicher Subjekte oder eines Volkes gewinnt, sondern Gott in der Treue seines Handelns als Stifter der Einheit der Geschichte fungiert880, dabei dieser Kontinuität und Beständigkeit verleihend.881 Dieser Gedanke führt ihn zur Wahrheitsfrage zurück, die er wie folgt zuspitzt: „Hier erhebt sich die Frage nach der Wahrheit der Geschichte, gerade wenn sie als Geschichte göttlichen Handelns [kursiv: T. L.] gesehen wird.“882

Indem Pannenberg auf diese Weise die Frage nach der Wahrheit der Geschichte als Frage nach der Geschichte des Handelns Gottes interpretiert (besser: diese Interpretation präsupponiert), ergibt sich als Antwort auf diese Frage gleichsam zwangsläufig, dass nur Gott als eben diese Wahrheit in Betracht kommen kann: „Die Frage nach der Wahrheit der Geschichte kann ihre Antwort nur durch Gott selber finden [kursiv: T. L.]. Wenn Geschichte wesentlich Geschichte göttlichen Handelns ist, dann wird die Wahrheit seiner Taten, ihre Identität mit ihm selber, nur in ihm [kursiv: T. L.] begründet sein können.“883

In den Psalmen sieht Pannenberg einen Beleg dafür, dass Gott „die Einheit seiner Taten ist durch seine Treue, in der sich seine Wahrheit, seine Selbstidentität [kursiv: T. L.], realisiert und bekundet. Die Werke seiner Hände (ma‘ aseh jadaw) sind emet und mischpat (Ps 111,7).“884 Nur wer sich auf Gott verlasse, werde 877 878 879 880 881 882 883 884

Vgl. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 116. Vgl. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 116. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 116. Vgl. hierzu ausführlicher den Aufsatz: W. Pannenberg, Erfordert die Einheit der Geschichte ein Subjekt?, 478–490. Vgl. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 116. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 117. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 117. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 117.

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Bestand haben (s. o.; zu Jes 7,9 und Ps 20,8) 885. Pannenberg erkennt hieran, dass im biblischen Verständnis von Wahrheit „als des im Fortgang des Geschehens Beständigen und darum Verläßlichen zugleich auch die Geschichtlichkeit der Wahrheit selber mitgedacht“ worden sei886. Er begründet das mit der Grundcharakteristik des israelitischen, also geschichtlichen Wahrheitsverständnisses, demzufolge Wahrheit das, wie er an H. von Soden anschließend meint, sich künftig Herausstellende, das sich in Zukunft als verlässlich, beständig und tragfähig Erweisende sei887. Pannenberg gibt sich überzeugt davon, dass „die unbedingte und unbegrenzte Wahrheit Gottes, seine Selbstidentität, Beständigkeit und Treue, sich erst in Zukunft unzweideutig herausstellen wird, und zwar definitiv erst in jener endgültigen Zukunft seines Königtums, auf die sich die eschatologische Hoffnung Israels richtet.“888 Was Pannenberg hier als Geschichtlichkeit der Wahrheit bezeichnet, meint konkret die Geschichtlichkeit der Wahrheitserkenntnis: Gemeint ist die (faktische) „Bedingtheit der unbedingten Wirklichkeit Gottes selber“, wie sie sich für Pannenberg aus der Erwartung einer erst künftigen Vollendung des göttlichen Handelns in der Geschichte in Gestalt des kommenden Gottesreiches ergibt889. Aus dieser Zukunftsoffenheit ergibt sich für Pannenberg darum sowohl die Offenheit oder Strittigkeit des christlichen Gottes als auch die seiner Wahrheit, die erst mit dem Anbruch des Reiches Gottes und der eschatologischen Offenbarung Gottes aufgehoben sein wird890.

885 886 887 888 889 890

Vgl. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 117. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 117. Vgl. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 117. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 117f. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 118. Vgl. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 118. Siehe zur Strittigkeit Gottes exemplarisch die prägnanten Formulierungen a. a. O., 138: „Nun bleibt aber die göttliche Wirklichkeit im Prozeß dieser Geschichte strittig. Erst die Vollendung der Menschheitsgeschichte im Reiche Gottes kann das Handeln Gottes in den Wegen und Irrwegen der Menschengeschichte definitiv erweisen, so wie auch das Handeln Gottes in der Geschichte Jesu erst von seiner Auferstehung her erwiesen ist, die ihrerseits noch der Besiegelung durch die Endoffenbarung Gottes bedarf. Der christliche Glaube trägt dieser Strittigkeit der Wirklichkeit Gottes im Prozeß der Geschichte in der Form der theologica crucis Rechnung, lebt jedoch andererseits von der Erfahrung einer antizipierten Vollendung der Geschichte und der Versöhnung ihrer Leiden durch Gott in der Auferstehung Jesu.“ Siehe ferner a. a. O., 127, wonach bis zum Anbruch des Reiches Gottes „die Gottheit Gottes auf dem Spiel“ stehe. In der Strittigkeit Gottes liegt das Grundtheorem der Geschichtstheologie W. Pannenbergs. Siehe dazu W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 402 Anm. 741; siehe auch W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 62 (dort zur Strittigkeit im Kontext dogmatischer Bemühungen um die Wahrheit der christlichen Lehre) Vgl. dazu T. Koch, Das Böse als theologisches Problem, 292. Zu Pannenbergs These der Strittigkeit Gottes siehe dessen Auseinandersetzung mit E. Mühlenberg u. R. Leuze in: W. Pannenberg, Vom Nutzen der Eschatologie für die christliche Theologie. Eine Antwort, 96ff.

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„Ohne den Vollzug seiner immerwährenden Treue zu sich selber wäre Jahwe nicht Gott, nämlich nicht Wahrheit schlechthin, noch Grund alles außer ihm Bestehenden, der schöpferische Ursprung, der allem von ihm Geschaffenem sein begrenztes Bestehen gewährt. Daß Jahwes Treue und Wahrheit unverbrüchlich sind, so wie es die Psalmen verkünden, das muß sich endgültig noch erweisen in der Zukunft seines Selbsterweises.“891

Und solche Zukunft kann – wie Pannenberg wiederholt betont – nur antizipiert werden892. An dieser Stelle seines Denkweges tun sich für Pannenberg weitere Fragen auf, und zwar solche, die die Grundeigentümlichkeit von Wahrheit als geschichtliche Größe im Hinblick auf die Frage nach ihrer Vereinbarkeit mit dem Gottesgedanken betreffen. Er fragt sich: „Wie kann Gott als die Wahrheit der Geschichte gedacht werden, wenn die Wahrheit selber geschichtlich ist? Was bedeutet das für das Sein Gottes? Ist er selber als in der Geschichte seiner Taten werdend zu denken? Inwiefern sind es dann noch seine Taten? Und was für ein Verhältnis Gottes zur geschöpflichen Welt, auf die sein Handeln sich bezieht, ist vorausgesetzt, wenn die Selbstidentität Gottes, seine Wahrheit, die den Gegensatz zwischen seinem allmächtigen Handeln und dem Bösen in der Welt überwindet, sich erst herausstellt im Prozeß einer Geschichte, die erst von ihrem Ende her mit Sicherheit als Geschichte seines Handelns identifiziert werden kann?“893 Zur Verteidigung der Vorstellung von der geschichtlichen Veränderung im Sein Gottes rekurriert er auf die Inkarnation des christlichen Gottes. Seine These: „Würde sich durch die Inkarnation für Gott nichts ändern, so daß er im gleichen Sinn Gott wäre ohne die Inkarnation wie er es ist in seiner Inkarnation, dann wäre der Begriff einer Inkarnation Gottes selber aufgehoben und zugleich der einer geschichtlichen Selbstoffenbarung Gottes“894. Ein Ernstnehmen der Inkarnation führt Pannenberg zufolge (unweigerlich) zu dem Ergebnis, dass „das Sein Gottes nicht schlechthin von Geschichte ablösbar“895 ist. Das Moment des Werdens ist dabei mit der Wirklichkeit Gottes zusammengedacht. Für Pannenberg stellt sich aber die Frage, wie der Aspekt geschichtlichen Werdens in das Sein Gottes eingetragen werden könne. Darum widmet er sich dem Unternehmen, „das Sein Gottes und die Geschichte seines Handelns als Einheit [kursiv: T. L.] zu

891 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 118. 892 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 118. Er formuliert: „Der Glaube Israels antizipiert diese Zukunft und lobt Gott schon jetzt als den, der er in seiner eschatologischen Offenbarung sein wird. Doch gerade dadurch bleibt dem Glauben Israels die Implikation der Geschichtlichkeit der Wahrheit für die Wirklichkeit Gottes selber verdeckt.“ Das Antizipative als Implikation des geschichtlichen Wahrheitsverständnisses – so seine Kritik – sei von den Israeliten nicht gesehen worden. 893 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 118. 894 Vgl. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 119. 895 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 120.

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denken“896. Die von der Theologie seiner Ansicht nach zu leistende Aufgabe besteht darin, „die Implikationen des biblischen Redens von Gott als der Wahrheit seines geschichtlichen Handelns, die doch selber erst in der Geschichte sich herausstellt, auszuarbeiten.“897 Außerdem erkennt Pannenberg in dieser Aufgabe, nicht nur das Sein Gottes selbst sondern auch die Geschichte des göttlichen Handelns als Einheit zu denken, „die Bedingung dafür, daß Gott als in seinem Verhältnis zur Welt absolut, nicht durch sie beschränkt, sondern sie durch sich selber vollendend gedacht werden kann.“898 Die Lösung zur Bewältigung dieser Denkaufgabe sieht Pannenberg wie beispielsweise auch schon Hegel in der Trinitätslehre angebahnt. Denn in ihr wird das „Verhältnis Gottes zur Geschichte“ thematisch899. Mit seinem trinitätstheologischen Modell will Pannenberg den Gedanken einer sich selbst setzenden Subjektivität der Personen vermeiden. Pannenberg betont, dass es kein eigentliches göttliches Subjekt gebe, das die anderen Personen etwa hervorgebracht hätte. Jedweden Subordinatianismus lehnt Pannenberg ab mit der Begründung, dass er zu einer Verletzung der Gleichewigkeit der drei trinitarischen Personen führe. Dagegen ist für Pannenbergs trinitätstheologische Auffassung charakteristisch, dass er die Selbstunterscheidung von Gott als konstitutiv für die drei Personen und ihre Gottheit erachtet. Für den weiteren Zusammenhang ist wichtig, dass aus seiner trinitätstheologischen Auffassung – wie er selbst sagt – „weitreichende Konsequenzen“ resultieren, die einmal die Trinitätslehre, aber auch das Verhältnis von Gott und Geschichte (und – ich ergänze – so auch die Wahrheitsfrage innerhalb des Geschichtsprozesses betreffen). Denn er vollzieht eine „Erweiterung der Attributionenlehre“900. Das göttliche Handeln ad extra (nach außen) wird dem Wirken der ganzen Trinität zugeordnet. Und doch wird je nach Wirkungsbereich zwischen den einzelnen Personen unterschieden. So wird dem Vater die Schöpfungstätigkeit zugeordnet, der Sohn mit dem Versöhnungsgeschehen assoziiert und der Geist mit der Erlösung in Verbindung gebracht. Eine Neuerung, die mit seinem trinitätstheologischen Konzept einhergeht, soll nun sein, dass das Geschichtshandeln Gottes auch in Hinblick auf die innertrinitarischen Relationen, wie sie beim Vollzug solchen Handelns je nach Wirkbereich in unterschiedlicher Akzentuierung bestehen, bedacht wird. Die innertrinitarische Attribution selbst bedeutet zunächst 896 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 122. Siehe dort die Auseinandersetzung mit S. Kierkegaard, der aus der Sicht Pannenbergs sich dieser Denkaufgabe gestellt habe, dessen Unternehmen sich aber als aporetisch erwiesen habe. 897 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 122. 898 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 122. 899 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 122. Zum Thema siehe ausführlicher a. a. O., 122ff. 900 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 124.

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eine Attribution „der einen Gottheit an eine oder mehrere der Personen durch die jeweilige dritte Person: So wie der Vater Jesus gegenüber der eine Gott ist, ihm gegenwärtig durch seinen Geist, so ist für den Geist der eine Gott offenbar in der Gemeinschaft des Vaters und des Sohnes, und so hängt für den Vater die Wirklichkeit seiner eigenen Gottheit, nämlich die Wirklichkeit seines Reiches, am Wirken des Sohnes und des Geistes.“901 Das Verhältnis zwischen dieser innertrinitarischen Attribution und der Attribution göttlichen Handelns ad extra bestimmt Pannenberg als eine Verschränkung, bei der für die jeweilige in der Geschichte handelnde Person der eine Gott seine Repräsentation in den jeweiligen anderen Personen findet: „So ist für den Sohn im Versöhnungsgeschehen der durch den Geist gegenwärtige Vater der eine Gott, der Vater bleibt im Werk der Schöpfung selber auf ihre Vollendung durch den Sohn und den Geist angewiesen, die ihn, den Vater, als den Schöpfer der Welt verherrlichen werden in der Ankunft seines Reiches. Der Geist schließlich vollbringt das Werk der Erlösung nicht dadurch, daß er sich selber verherrlicht, sondern durch die Verherrlichung des Vaters und des Sohnes in ihrer gegenseitigen Gemeinschaft.“902 Mit solchen auf eine relationale Trinitätstheologie abhebenden Erwägungen will Pannenberg verdeutlichen, „wie sich behaupten läßt, daß der trinitarische Gott der Gott der Geschichte sei und wie das Problem der Geschichtlichkeit der Wahrheit Gottes selber durch die Trinitätslehre eine Lösung erfährt.“903 Nun stünde jedoch „die Gottheit Gottes auf dem Spiel“ – erst im Eschaton, zum Zeitpunkt der Vollendung des Reiches Gottes, werde diese Strittigkeit Gottes dadurch überwunden, sodass dabei seine Gottheit definitiv erwiesen werde904. „Denn ohne das Kommen seines Reiches wäre Gott nicht. Darum ist die Zukunft seines Reiches der Ort der Wirklichkeit Gottes wie auch der Wahrheit der Geschichte als einer Geschichte seines Handelns.“905 Wenn aber die Zukunft der Ort des Reiches Gottes ist, dann, so nimmt Pannenberg an, bestimmt die Zukunft Gottes bereits die Gegenwart, und auf dieselbe Weise hat sie auch alles Vergangene bestimmt906. Durch die Trinitätslehre könnten nun diese beiden Aspekte, d. h. sowohl der, „daß die Gottheit Gottes in der Geschichte noch auf dem Spiel steht“ als auch derjenige, „daß Gottes zukünftige Wirklichkeit doch schon im Prozeß der Geschichte am Werke ist“, ausgesagt werden907. Dies vermag die Trinitätslehre aus der Sicht Pannenbergs zu leisten „durch die Spannung zwi901 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 125. 902 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 125. 903 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 125. Siehe dazu ausführlicher 125ff. 904 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 127. 905 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 127. 906 Vgl. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 127. 907 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 127.

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schen dem schöpferischen Handeln des Vaters und seiner Angewiesenheit auf das Wirken des Sohnes und des Geistes zur Realisierung des Reiches Gottes als seiner Gegenwart in der Schöpfung und der Schöpfung in ihm ohne Auflösung ihrer Verschiedenheit.“908 Die innertrinitarische Einheit und Verschiedenheit, wie sie in den Beziehungen der Personen zum Ausdruck kommt, bilden ein Ineinander, welches in Jesu Christi Geschichte offenbar ist und von An- und Abwesenheit Gottes gekennzeichnet ist, aber auch Zukunft und Gegenwart des Gottesreiches in seinen Geschöpfen zu umgreifen vermag909. Dadurch erst ist nach Meinung von Pannenberg das Dasein der Geschöpfe und ihrer Geschichte als ein Weg zur vollen Gottesgemeinschaft ermöglicht, wobei das von ihm beschriebene Ineinander der irdischen An- und Abwesenheit Gottes auch den Grund für das geschöpfliche Leid bilde, das er (somit auch) einer theologischen Deutung zuführt: „In der Spannung zwischen Macht und Ohnmacht des Schöpfers, im Tod seines Sohnes und mit der Verherrlichung beider durch den Geist nimmt der trinitarische Gott das Leid seiner Schöpfung auf sich selber. So ist er der Gott der Geschichte und ihre Wahrheit.“910

3.3.5.4 Analyse und Kritik 3.3.5.4.1 Gott als Wahrheit und zugleich als geschichtliche Wahrheit? Der Inhalt des skizzierten Aufsatzes bietet eine trinitätstheologische Explikation des Verständnisses Gottes als der Wahrheit der Wirklichkeit im Sinne der Geschichte. Diese Explikation ist differenziert und theologisch kreativ, womit weder bestritten noch befürwortet werden soll, dass Gott als Wahrheit nur auf diese Weise gedacht werden könnte, geschweige denn sollte. Angesichts der (schier endlosen) Pluralität an Explikationsoptionen richtet sich die Kritik auf ein greifbares Feld. Auch in diesem Aufsatz wird die Vokabel ‚Wahrheit‘ mit verschiedenen Fragehorizonten vermengt. Pannenberg operiert mit verschiedenen Definitionen von Wahrheit. Ihm gelingt es zwar einerseits, sein Anliegen verständlich zu transportieren, andererseits bringt sein Gebrauch der Vokabel ‚Wahrheit‘ nachteilige Äquivokationen mit sich: 908 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 127. 909 Vgl. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 127. 910 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 128. Vgl. hierzu Pannenbergs, an seinen philosophischen Lehrer K. Löwith gerichteten Bemerkungen: „Die Auslegung der Geschichte“, schrieb Karl Löwith, „ist zuerst und zuletzt ein Versuch, den Sinn geschichtlichen Handelns und Erleidens zu begreifen. In unserer Zeit haben Millionen von Menschen das Kreuz der Geschichte schweigend erlitten, und wenn etwas dafür spricht, daß der ‚Sinn‘ der Geschichte theologisch verstanden werden könnte, so ist es das christliche Verständnis des Leidens.“ (K. Löwith, Weltgeschichte und Heilsgeschehen, 13), zitiert nach W. Pannenberg, a. a. O., 127f. Zur Auseinandersetzung mit Löwith siehe auch schon a. a. O., 112 (ff).

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Zum einen wird Gott als die Wahrheit der Geschichte präsentiert, wobei der Nexus ‚Wahrheit-Geschichte‘ dadurch an Komplexität hinzugewinnt, dass von Gott als der Wahrheit behauptet wird, sie sei auch in sich selber geschichtlich. Im Duktus der Entfaltung der themengebenden Frage nach der Wahrheit der Geschichte fragt Pannenberg an einer Stelle jedoch nicht unmittelbar nach Gott. Diese Frage wird an einer Stelle als Frage nach dem göttlichen Geschichtshandeln interpretiert, woraus für den Terminus ‚Wahrheit‘ unweigerlich eine (etwas) andere Bedeutung resultiert, was sich schon daran ablesen lässt, dass ‚Wahrheit‘ nun nicht mit Gott identifiziert wird. Vom Verständnis Gottes als Wahrheit der Geschichte unterscheidet sich wiederum strukturell Pannenbergs semantische Aufladung der Vokabel ‚Wahrheit‘ in der Wendung ‚Wahrheit der Taten Gottes‘ (vgl. oben). ‚Wahrheit‘ bedeutet hier soviel wie Einheit oder identitätsstiftende Kohärenz. Neben diese Engführung von Wahrheit (die m. E. eine Verwechslung von Wahrheit mit einem ihrer [Kern-]Attribute darstellt) tritt die in Pannenbergs Werk geläufige Inanspruchnahme des ontologischen Wahrheitsbegriffs, der seinerseits an den hebräisch-israelitischen Vorstellungshorizont das spezifisch Geschichtliche als Wesensmerkmal von Wahrheit herausstellen soll. Die Einbeziehung der These, dass sich Wahrheit erst eschatologisch ‚herausstellen‘ werde, führt auch hier wieder zu einer nicht klar begründeten Vermengung der Frage nach ontologischer Wahrheit und dem epistemischen Frageinteresse, unter welchen Bedingungen Wahrheitserkenntnis möglich ist. Von Geschichtlichkeit der Wahrheit im Sinne der Geschichtlichkeit der Wahrheitserkenntnis zu sprechen, ist semantisch unsauber. 3.3.5.4.2 Kritik an Pannenbergs These der Geschichtlichkeit als Spezifikum biblischer Wahrheit Gerhard Sauter911 hat schon 1966 in Zweifel gezogen, dass tatsächlich, wie Pannenberg behauptet, das Moment der „Enthüllung des Ganzen vom Resultat her“ für den biblischen Wahrheitsbegriff kennzeichnend ist, und sich gefragt, ob ein solches Verständnis von Wahrheit nicht vielmehr vom Denken Hegels und Schellings (anstatt vom Alten Testament) herrührt912. Sehr ähnlich fragte David Polk kritisch, ob Pannenberg möglicherweise das Alte Testament „too thoroughly through Hegelian spectacles“ sehe913; und P.J.A. Cook urteilte, Pannenbergs 911 Vgl. G. Sauter, Fragestellungen der Christologie, 60. 912 Vgl. G. Sauter, Fragestellungen der Christologie, 60: „Geht es beim biblischen Wahrheitsbegriff tatsächlich um die Enthüllung des Ganzen vom Resultat her (vgl. u. a. 237. 378)? Sprechen für diese Definition nicht eher Hegel und auch Schelling als das Alte Testament, das mit „Wahrheit“ Dauer und Bestand meint – und insofern freilich das, was „Zukunft hat“ (v. Soden).“ 913 D.P. Polk, On the Way to God. An Exploration into the Theology of Wolfhart Pannenberg, 49.

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„Hebraic conception of the dynamic nature of truth leans heavily on Hegelian insights“914. Was die Frage nach einem möglichen Einfluss von Hegel betrifft, geht die Kritik von B. Waldenfels an Pannenbergs Vortrag über „D i e Wa h r h e i t G o t t e s i n d e r B i b e l u n d i m c h r i s t l i c h e n D o g m a “ in eine ähnliche Richtung, wobei Waldenfels treffsicher erkannte, dass Pannenberg den Ausdruck ‚Wahrheit‘ in (sehr) verschiedenen Hinsichten gebraucht und eng mit der (epistemologischen) Frage nach Wahrheitserkenntnis erörtert915. 3.3.5.4.3 Kritik der Geschichtlichkeits- und Einheitsthese Armin Lange konfrontierte in seiner Promotionsschrift Pannenberg mit dem Vorwurf, der Gedanke der Geschichtlichkeit der Wahrheit führe dazu, „die Konkretheit […] biblischer Texte einzuebnen“ (s. u.), was Lange offenkundig als eine unzulässige Beseitigung von Inkonsistenzen anzusehen scheint. Er schreibt: „Ist nicht die Erfahrung Gottes in Israel die einer ‚kontrafaktischen‘ Einheit, die sich für diese Erfahrung in Gericht und Verheißung, Offenbarung und Verborgenheit Gottes dissoziiert, aus der gerade keine widerspruchslose Beschreibung der Welt ableitbar ist? K. Heinrich hat das an der Jonasgeschichte deutlich gemacht: Gott, der Gericht ankündigt um der Rettung der zu Richtenden willen – und der darum seinem Wort widersprechen kann, ohne daß dadurch sein richtendes Sprechen ‚uneigentlich‘ würde“ .Das unter ‚Geschichtlichkeit‘ der Wahrheit zu subsumieren steht in Gefahr die Konkretheit derartiger biblischer Texte einzuebnen, die beides wollen: von Gottes Treue und seiner Freiheit erzählen.“916

Als Anfrage an den Kohärenzbegriff Pannenbergs wäre diese Kritik nachvollziehbar, mit Blick auf die Geschichtlichkeitsthese jedoch nicht. Durch den Gedanken geschichtlicher Wahrheit wird Wandel und Veränderung Raum gegeben, damit auch Widersprüchlichem. Langes Plädoyer, in den je und je konkreten Gotteserfahrungen biblischer Texte zu verharren, überzeugt nicht, wenn ein allgemeines (behauptetes) Strukturmerkmal oder Attribut von Wahrheit plausibilisiert werden soll. Dafür muss von der Konkretionsebene abstrahiert werden.

914 P.J.A. Cook, Pannenberg: A Post-Enlightenment Theologian, 253. 915 B. Waldenfels urteilt in der Diskussion über die Wahrheit Gottes: „Meine Frage betrifft eigentlich den ganzen tour de raison, den Pannenberg vorgeführt hat. Ich möchte ihn knapp charakterisieren: von der Wahrheit im Sinne der Treue zur Wahrheit im Sinne des Ganzen, von Jahwe zu Hegel. Das ist mir ein zu gewaltiger Sprung. Es bedeutet doch etwas Verschiedenes, ob eine Verheißung noch nicht erfüllt ist oder ob eine Wahrheit noch nicht heraus ist, eine Erkenntnis noch nicht entwickelt ist. Ich frage mich, wie dieser große Bogen, der den Vortrag in Spannung hält, sich durchhalten läßt.“ (So B. Waldenfels in einer Diskussion über die Wahrheit Gottes. Siehe dazu W. Oelmüller (Hg.), Wahrheitsansprüche der Religionen heute, 299). 916 A. Lange, Religion als Weltbemächtigung, 50f.

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3.3.5.4.4 Relativiert der zeitgeschichtliche Einschlag die Erwägungen Pannenbergs? Es ist schon bemerkenswert und m. E. weitgehend unstrittig, dass Pannenberg an so etwas wie eine geistesgeschichtliche „Mode“ anknüpfen konnte, die dem Aspekt der Geschichtlichkeit (gerade auch mit Blick auf die Wahrheitsfrage) besondere Aufmerksamkeit schenkte (s. o.). Im Werk des katholischen Theologen und Religionsphilosophen B. Welte finden sich frappierend ähnliche Überlegungen zum Thema. Wie Pannenberg lehrte auch er die Geschichtlichkeit der Wahrheit und stellte die Relativität und perspektivische Gebrochenheit ihrer Erkennbarkeit heraus917. Sogar die von Pannenberg getroffene Feststellung, dass sich das Wahre unterschiedlich zu unterschiedlichen Zeiten zeigen könne, findet sich fast deckungsgleich bei Welte, der aus eigener Beobachtung schreibt, dass „dasselbe Wahre doch immer wieder durchaus anders sich zeigt“918. Damit ist zwar noch nichts über die Wahrheit einer solchen Behauptung ausgesagt. Aber es lässt sich etwas Anderes erkennen. Wie es scheint, beansprucht Pannenberg für die eigens artikulierten Gedanken in Bezug auf das Verständnis von Wahrheit als eine geschichtliche Größe a-historische, also ungeschichtliche, Wahrheit. Das wiederum hat Folgen: Die reklamierte Wahrheit für seine These kann – so verstehe ich Pannenberg – auch durch den Fortgang der Geschichte nicht revidiert oder überholt werden, woraus hervorgeht, dass das Geschichtlichkeitsattribut nicht (unbedingt) auf die aussagetheoretische Wahrheit angewandt werden kann. Diese oben schon unter Einbeziehung einer Einsicht von R. Lauth herausgestellte Erkenntnis scheint außerhalb des Blickfeldes seiner Theologie zu liegen. 3.3.5.4.5 Geschichtlichkeit der Wahrheit und Geschichtlichkeit der Wahrheitserfahrung/-erkenntnis – eine problematische These? Pannenbergs These der Geschichtlichkeit der (absoluten) Wahrheit ist – wenn es nach R. Barth geht – „in ihrem sachlichen Gehalt höchst problematisch.“919 Im Kern kritisiert Barth die Vermengung der Frage nach (dem Wesen von) Wahrheit 917 Siehe dazu das Werk B. Welte, Mensch und Geschichte. Vgl. auch die Bemerkungen von I. Feige: „In den herausfordernden und für das traditionelle Verständnis beunruhigenden Erkenntnis der Geschichtlichkeit der Wahrheit nimmt Welte in unnachahmlichen phänomenologischen Hinblicken die Erfahrung auf, daß alle geschichtlichen Entwürfe und Visionen fraglich und in der Schwebe bleiben, weiß sie aber in ihrer Relativität und Perspektivität gegründet in der Absolultheit, in der ist, was ist, und wahr ist, was wahr ist.“ (So I. Feige in ihrer Einführung zu B. Welte, Mensch und Geschichte, 14) Die Relativität der Erkenntnis der Wahrheit führt also auch bei Welte nicht zur Preisgabe der Absolutheit der Wahrheit. Zur Geschichtlichkeitsthese unter Beibehaltung des Einheitsgedankens vgl. B. Welte, Wahrheit und Geschichtlichkeit (1952), 82ff. 918 B. Welte, Mensch und Geschichte, 79 (= aus seinem Vortrag ‚Wahrheit und Geschichtlichkeit‘ von 1952). Diesen Umstand führt er auf andere Weisen des Erfassens zurück, wie sie etwa der Historiker oder Ästhetiker habe. 919 R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 24.

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mit der Frage ihrer Erkennbarkeit920 – eine Vermengung, die oben schon in Auseinandersetzung mit dem frühen Aufsatz „Wa s i s t Wa h r h e i t ? “ kritisch reflektiert worden ist. Umso schwerer scheint es zu wiegen, dass Pannenberg den Gedanken der Geschichtlichkeit der Wahrheit – konkret seine bereits in diesem Aufsatz vertretene (steile) These, „daß die Wahrheit selbst eine Geschichte hat und daß ihr Wesen der Prozeß dieser Geschichte“ sei – im ersten Band seiner „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ erneut aufgegriffen wird. Dort schreibt er der „in Gott begründete[n] Einheit alles Wahren selber die Form einer Geschichte“ zu und will damit zum Ausdruck bringen, „daß sie erst im Prozeß der Zeit zu ihrer Vollendung [kursiv: T. L.] kommt.“921 Den spezifisch „geschichtliche[n] Zug“, den Pannenberg in der israelitischen Wahrheit erkannt haben will922, sieht er darin, dass Wahrheit dasjenige sei, was sich in Zukunft herausstellte. Ohne von der Geschichtlichkeit der Wahrheit zu sprechen, aber hinsichtlich der Sache ganz ähnlich formuliert er im ersten Band seiner „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ ganz ähnlich: „Für jeden Standort innerhalb der Zeit nämlich gilt, daß sich erst in Zukunft herausstellen wird, was wahrhaft beständig und darum auch verläßlich und in diesem Sinne „wahr“ ist. Das biblische Wahrheitsverständnis hat ebenso wie das griechische Denken das Wahre als das Beständige und Verläßliche, weil mit sich selber Identische gedacht. Aber es suchte die Selbstidentität des Wahren nicht als ewige Gegenwart hinter dem Fluß der Zeit zu erfassen, sondern als das, was sich im Fortgang der Zeit selbst als beständig bewährt und erweist.“923

Aufschlussreich, weil zum Kern des Problems hinführend, sind zugleich auch Pannenbergs Bemerkungen aus dem Kontext. Es fällt nämlich auf, dass Pannenberg auch inhaltlich nicht weiter die hier angesprochene und von ihm wenigstens früher explizit unter der These der Geschichtlichkeit der Wahrheit (selbst) eingeordnete Thematik eingeht. Seine späteren Ausführungen krei920 Wie eng Pannenberg die Geschichtlichkeitsthese in Bezug auf die (ontologische) Verfasstheit der Wahrheit mit der Frage nach Wahrheitserkenntnis verbindet, zeigt die Umschreibung von T. Bradshaw (Pannenberg: A Guide for the Perplexed, 14f): „This is exactly the shape of Pannenberg’s view of reason and truth in history, probing forward and finding light from the future which we anticipate and hypothesize about, or as a sonar ray is pushed out towards the sea bed and finds orientation through its reflection back. As we move forward, so we find light which lights up what is true, and what falls away is false; similarly new ideas form and in turn are tested, probed and themselves become lit up and verified, or otherwise disappear in the flow of history. The ‘absolute’ becomes clearer in and through our probing dialectical questioning, a hermeneutical process moving ahead tentatively to grasp what will make sense of the past as new light occurs to us.“ 921 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 63. 922 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 204. 923 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 64. Pannenberg selbst bezieht sich dafür auf seinen Aufsatz Was ist Wahrheit? (bes. 205ff), worin er die These der Geschichtlichkeit der Wahrheit formuliert hat.

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sen verstärkt um die Geschichtlichkeit der (Wahrheits-)Erkenntnis, d. h. damit auch um die Geschichtlichkeit als etwas Relatives, um die Zeit- und Ortsgebundenheit von Erfahrung, Erkenntnis, Wissen und Reflexion924. Nur was sich dem menschlichen Beurteilungsvermögen als beständig und verlässlich ‚bewährt‘, ‚erweist‘ und ‚herausstellt‘, wird von Pannenberg mit Wahrheit identifiziert: „Dabei stellt sich im Fortgang der Zeit heraus, was an der Welt unserer Anfänge sich als beständig und „wahr“ erweist, was hingegen als unzuverlässig, so fest und dauerhaft es aussehen mochte.“925

Gerade auch in Anwendung auf die Gotteserkenntnis heißt es entsprechend: „Die Geschichtlichkeit menschlicher Erfahrung und Reflexion bildet die wichtigste Schranke gerade auch unserer menschlichen Gotteserkenntnis. Allein schon wegen seiner Geschichtlichkeit bleibt alles menschliche Reden von Gott unvermeidlich zurück hinter einer vollen und endgültigen Erkenntnis der Wahrheit Gottes. Das gilt auch für die Erkenntnis Gottes aufgrund seiner geschichtlichen Offenbarung, wie später noch genauer zu bedenken sein wird. Gerade auch das Wissen christlicher Theologie bleibt „Stückwerk“ im Vergleich zur endgültigen Offenbarung Gottes in der Zukunft seines Reiches (1.Kor 13,12).“926

Damit liegt die Problematik offen zutage. Problematisch erweist sich nicht seine epistemologische (Grund-)These der hier an der Gotteserkenntnis exemplifizierten unüberwindlichen Geschichtlichkeit und Relativität der Wahrheitserkenntnis. Im Gegenteil – hier wird man vollauf zustimmen dürfen927. Das Problem ist ein Anderes: Was Pannenberg unter dem Etikett ‚Geschichtlichkeit der Wahrheit‘ verstehen kann, erweist sich keineswegs in allen entsprechenden Ausführungen seines Werkes als Beitrag zur Klärung, inwiefern der Wahrheit (selbst) und ihrem Wesen ein geschichtlicher als ein ihr charakteristischer Zug eigen ist. Es wird mitunter etwas gänzlich anderes thematisiert – d.i. nämlich die epistemologische Einsicht in die Geschichtlichkeit der Wahrheitserkenntnis. Diese wichtige Fundamentalunterschei924 Vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 64f. 925 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 65. 926 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 65. Zu diesem von Pannenberg häufig vorgebrachten Argument mitsamt der Bezugnahme auf die gen. Paulusstelle siehe etwa auch W. Pannenberg, Die Wahrheit Gottes in der Bibel und im christlichen Dogma, 282. 927 So auch R. Barth: „Nicht zuletzt Pannenbergs Ausführungen selbst machen deutlich, daß geschichtliche Relativität von dem in menschlicher Wahrheitserkenntnis als wahr Beurteilten ausgesagt werden muß – was nicht zuletzt für naturwissenschaftliche Fundamentaltheorien gilt und deren Modellcharakter bedingt. Insofern kann mit Recht behauptet werden: ‚Die Geschichtlichkeit menschlicher Erfahrung und Reflexion bildet die wichtigste Schranke gerade auch unserer menschlichen Gotteserkenntnis‘.“ (R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 24; Barth bezieht sich hier auf das obige Zitat Pannenbergs in W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 64f).

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dung zwischen Wahrheit einerseits und ihrer Erkenntnis andererseits unterbleibt bei Pannenberg. Fatal ist, dass er sogar die Beantwortung der Frage nach Wahrheit und ihren Eigenschaften an die Ebene der Wahrheitserkenntnis (bzw. -erfahrung) mit all den von Pannenberg erkannten Grenzen binden will. Das ist aber auch deshalb vor allem fatal, weil sich aus dieser Einsicht bestimmte bedenkenswerte Konsequenzen ableiten lassen, die bei Pannenberg leider nicht in den Blick genommen werden: Wenn nämlich zwischen Wahrheit und ihren Eigenschaften einerseits und den Möglichkeiten ihrer Erkenntnis unterschieden wird, dann kann nicht mehr leichtfertig von den als geschichtlich bezeichneten Rahmenbedingungen der Wahrheitserkenntnis auf die Beschaffenheit von Wahrheit als einer selbst strukturell geschichtlichen geschlossen werden. Wo dies geschieht, wird wie bei Pannenberg auf sehr problematische Weise die Wahrheit und die Bestimmung ihres Wesens von den jeweils geschichtlichen und damit kontingenten Möglichkeitsbedingungen ihrer Erkenntnis letztlich abhängig gemacht. Diese Annahme mag sich zwar nahelegen, weil Pannenberg aus seiner Glaubensperspektive heraus damit rechnet, dass Gott sich offenbart und gemäß N. v. Kues dem Menschen das Vermögen geschenkt sei, mittels Konjekturen die Dinge halbwegs adäquat zu erfassen. Doch die Möglichkeit des Irrtums scheint bei Pannenberg in diesem thematischen Zusammenhang unterschätzt zu werden. M. E. ist einzukalkulieren, dass es sich ganz anders verhalten kann: – Es kann wahr sein, was sich nicht als beständig, treu, verlässlich u. ä. erweist. – Es kann falsch sein, was sich als beständig, treu, verlässlich und u. ä. erwiesen hat.

Nur wenn solche Fallibilität zugestanden wird, bleibt auch die Unabhängigkeit der Wahrheit und ihrer Beschaffenheit von unseren Bestrebungen, sie zu erkennen, gewahrt – ganz gleich, welchen Begriff man zugrunde legt. Eine solche Unabhängigkeit der Wahrheit von den Möglichkeiten und Inhalten ihrer Erkenntnis bleibt bei Pannenberg also dort nicht gewahrt, wo Wahrheit an Bewährung im weitesten Sinne festgemacht wird. Im Gegensatz dazu bleibt – und hier wird man Pannenberg zustimmen dürfen – die behauptete Absolutheit der einen göttlichen Wahrheit von der Geschichtlichkeit im Sinne der Relativität ihrer Erkenntnis unberührt. Er formuliert: „Die Zeit wird nicht abgetrennt von der Erfahrung des Seienden und seiner Wahrheit. Eine solche Betrachtungsweise dürfte auch der Erfahrungsorientierung des nachidealistischen Denkens der Moderne entsprechen, besonders der mit dem Bewußtsein der Geschichtlichkeit verbundenen Relativität aller Erfahrung auf den geschichtlichen Ort, an dem sie gewonnen wird. Solche Relativität braucht nicht zu bedeuten, daß es nichts Absolutes gibt und darum auch keine Wahrheit, die als solche stets absolut ist. Die Relativität als solche ist relativ auf den Gedanken des Absoluten, so daß mit ihm auch sie verschwinden würde. Aber zumindest für uns ist

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die Absolutheit der Wahrheit nur in der Relativität unserer Erfahrung und Reflexion zugänglich.“928

In diesem Punkt kann mit R. Barth Pannenberg darin zugestimmt werden, dass die Relativität der Wahrheitserkenntnis nicht der These der Absolutheit der Wahrheit entgegensteht929: Überhaupt muss festgehalten werden, dass die Wahrheitserkenntnis und die diese ermöglichenden, begrenzt zu denkenden Rahmenbedingungen Auswirkungen auf Wahrheit, ihr Wesen, ihre Beschaffenheit und Charakteristika haben könnten. Die hier von Pannenberg zu Recht vorgenommene Trennung und Unterscheidung von Wahrheit und Wahrheitserkenntnis müsste auch auf den Aspekt der Geschichtlichkeit präzise angewandt werden. In seiner „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ hat Pannenberg dies jedoch nicht getan. Zumindest spricht Pannenberg nicht nur von der Geschichtlichkeit der Wahrheitserkenntnis, sondern auch von der Geschichtlichkeit der Wahrheit selbst. Sofern Letzteres über die Geschichtlichkeit der Wahrheitserkenntnis zu begründen versucht wird, erweist sich eine solche Argumentation als aussichtslos. R. Barth hat hier klar gesehen: „Gegen Pannenberg ist dann aber festzuhalten, daß, wenn die Geschichtlichkeit streng genommen nur von menschlicher Wahrheitserkenntnis und ihren jeweils für wahr gehaltenen Inhalten ausgesagt werden muß, damit noch in keiner Weise begründet ist, daß das Wesen der Wahrheit als solches ebenfalls ‚die Form einer Geschichte haben sollte‘.“930 „Als wahr beurteilte Sachverhalte mögen geschichtlich-kulturell relativ sein, daraus folgt aber in keiner Weise die Geschichtlichkeit der Bedeutung des Ausdrucks ‚wahr‘.“931

Wie Barth zu Recht herausstellte, kommt es hier zu einer Vermengung der „Frage nach dem Begriff der Wahrheit mit der Frage nach dem, was jeweils als wahr beurteilt wird.“932 „Dort operiert Pannenberg daher faktisch auch mit einer Er-

928 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 64. 929 Siehe R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 24: Es „argumentiert Pannenberg mit Recht: ‚Solche Relativität braucht nicht zu bedeuten, daß es nichts Absolutes gibt und darum auch keine Wahrheit, die als solche stets absolut ist.‘“ (vgl. obiges Zitat von W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 64f). 930 R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 24. Barth entnimmt dieses Zitat aus W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 63. 931 R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 24. Diese Formulierung Barths ist allerdings missverständlich. Denn Pannenberg hat keineswegs die Bedeutung des Ausdrucks ‚wahr‘ als geschichtlich herausstellen wollen, sondern hat unter Zugrundelegung eines bestimmten, nicht geschichtlichen (formalen) Wahrheitsverständnisses zum Ausdruck bringen wollen, dass das jeweils Wahre sein Wesen im Prozess erst ausbildet und insofern wesentlich geschichtlich ist. 932 R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 24.

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scheinungs- bzw. Darstellungsrelation zwischen absoluter Wahrheit und menschlicher Wahrheitserfahrung.“933 Im Ergebnis meinte Barth festhalten zu können, dass Pannenberg „im Innersten seines fundamentaltheologischen Ansatzes einer elementaren Kategorieverwechslung zu unterliegen“ scheint934. Diese Einschätzung lässt sich – trotz der kritikwürdigen, da irritierenden Ausführungen Pannenbergs – jedoch nicht pauschalisierend aufrechterhalten, insofern nämlich – wie oben dargelegt – die Geschichtlichkeit neben der Ebene der Wahrheitserkenntnis für Pannenberg in der Tat auch kennzeichnend sein kann für das Wesen der Wahrheit selbst, insoweit Wahrheit als eine strukturell ontologische so gedacht wird, dass sie jeweils ihr Wesen im Prozess der fortschreitenden Geschichte ausbildet, so verstandene Wahrheit darum auch berechtigterweise mit Pannenberg als geschichtliche bezeichnet werden kann. Die Geschichtlichkeitsthese ist deswegen im Ganzen nicht so problematisch wie R. Barth annimmt935. Das (zumindest aus der Sicht neuerer Wahrheitstheorie) irritierende enge Nebeneinander in der Behandlung der Frage nach (ontologischer) Wahrheit und der ihrer Erkenntnis im Denken Pannenberg scheint maßgeblich von Überlegungen herzurühren, die er in seinem frühen Aufsatz „E r s c h e i n u n g a l s A n k u n f t d e s Z u k ü n f t i g e n “ (1965/66) offengelegt hat und die erwähnte Grundcharakteristik erhellen. Entgegen den schon in der antiken Philosophie beobachtbaren Tendenzen der Trennung von Erscheinung und Sein (etwa bei Parmenides und Plato) 936 sympathisiert Pannenberg mit Hegels und Heinrich Barths Überzeugung, wonach eine wechselseitige Zusammengehörigkeit im Verhältnis von Wesen und Erscheinung anzunehmen ist: „Nach Hegel verhält es sich nicht so, daß nur die Erscheinung auf das in ihr erscheinende Wesen zurückwiese als auf ihre Wahrheit. Vielmehr gilt auch umgekehrt: ‚Das Wesen muß erscheinen. Das Scheinen ist die Bestimmung, wodurch das Wesen nicht blosses Sein, sondern Wesen ist, und das entwickelte Scheinen ist die Erscheinung. Das

933 R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 24 Anm. 101. Barth bezieht sich auf W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 64f. 934 R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 24: „Somit wird deutlich, daß Pannenbergs Grundthese von der Geschichtlichkeit der absoluten Wahrheit letztlich nicht nur methodisch, sondern auch sachlich unausgewiesen bleibt.“ Das ist nicht richtig. S. u. zur ungerechtfertigten Kritik R. Barths gegenüber Pannenberg. 935 Es ist im Übrigen auch unrichtig, dass – wie R. Barth meint – Pannenberg sich durch seine Identifikation der Wahrheit mit Gott und der Vorstellung Gottes „als Möglichkeitsgrund unseres zwar immer nur hypothetischen und geschichtlich relativen, aber eben materialen Wahrheitsbewußtseins“ dazu veranlasst gesehen habe, „nicht allein die Gehalte des endlichen Wahrheitsbewußtseins, sondern die absolute Wahrheit selbst einem geschichtlichen Wandel unterworfen zu denken.“ (R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 378). 936 Siehe ausführlicher W. Pannenberg, Erscheinung als Ankunft des Zukünftigen, 193ff.

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Wesen ist daher nicht hinter oder jenseits der Erscheinung, sondern dadurch, daß das Wesen es ist, welches existiert, ist die Existenz Erscheinung.‘“937

Nun meint Pannenberg aber weiter, dass „[d]ie Trennung von Sein (oder Wesen) und Erscheinung […] sich anscheinend nur dann vermeiden [lässt] , wenn man entschiedener als Hegel Sein und Wesen von der Erscheinung selbst her denkt.“938 Und: „Am entschiedensten ist das m.W. bei Heinrich Barth geschehen, indem er nur der Erscheinung Sein im Sinne von Subsistenz zuerkennt, jede „Reduktion der Erscheinung auf nicht erscheinendes Ansichsein“ zurückweist und das „etwas“, das erscheint und ohne das nach Kant Erscheinung nicht gedacht werden kann, als den eidetischen Gehalt im Akt des Erscheinens selbst begreift, der das Thema der Auslegung der Erscheinung bilde.“939 Für Heinrich Barth wie für Pannenberg gilt, „daß der Gedanke des Erscheinens mit dem Akt des In-Erscheinung-Tretens zugleich auch das „etwas“, das erscheint, mit umfaßt, also das eidetische oder essentielle Moment.“940 Im Kern kulminieren Pannenbergs Überlegungen schließlich in der These der „Einheit von Identität und Nichtidentität der Erscheinung und des Seienden“941 Überzeugen seine Überlegungen? Rückfragen scheinen mir angebracht: Unter Berücksichtigung dieses Aufsatzes wird nachvollziehbar, warum Pannenberg häufig die Frage nach (ontologischer) Wahrheit und ihrer Erkenntnis (nämlich die für ihn wichtige Frage, als was sich etwas herausstellt), eng miteinander verbindet. Hinter seinen ontologischen Erwägungen scheint sich die (optimistische) Sicht zu verbergen, dass sich dem Menschen als dem erkennenden Subjekt tatsächlich auch das Wesen der Dinge zeigt – und sei es in Gänze erst am Ende der Geschichte. Müsste nicht zusätzlich mit der Möglichkeit von Wahrheitserkenntnis auch dort gerechnet werden, wo keine 937 W. Pannenberg, Erscheinung als Ankunft des Zukünftigen, 194. Pannenberg zitiert hier aus G.W.F. Hegel, Enz. § 131 (s. a. a. O.). 938 W. Pannenberg, Erscheinung als Ankunft des Zukünftigen, 195. 939 W. Pannenberg, Erscheinung als Ankunft des Zukünftigen, 195. Pannenberg beruft sich auf Heinrich Barth, Philosophie der Erscheinung Bd. II. 940 W. Pannenberg, Erscheinung als Ankunft des Zukünftigen, 196. 941 W. Pannenberg, Erscheinung als Ankunft des Zukünftigen, 197. Pannenberg illustriert diese Zentralthese am (zeitlichen) „Verhältnis von Zukunft und Gegenwart der Gottesherrschaft im Auftreten Jesu“ (vgl. a. a. O., 197ff), worauf hier nicht näher einzugehen ist: Im Unterschied zur Philosophie, wo die zwei Momente „immer wieder auseinandergebrochen sind“ (a. a. O., 200), seien die zwei Momente vereint, „nämlich die wirkliche Gegenwart des Erscheinenden in der Erscheinung und seine Transzendenz gegenüber der einzelnen Erscheinung.“ (a. a. O., 200) „Gott ist ganz und endgültig da in diesem einzelnen Menschen, und doch bleibt er von ihm verschieden, ja gerade als der von ihm Verschiedene ist er in ihm da.“ (a. a. O., 200).

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Selbstentbergung der Gegenstände dem nach Erkenntnis strebenden Menschen behilflich ist? Müsste bzw. könnte nicht vielmehr befürchtet werden, dass sich das Wesen der Dinge nicht (von selbst) zeigt, also eher über hochspezialisierte Forschung zu bestimmen wäre, dann aber möglicherweise auch schon im offenen Prozess der Geschichte namhaft gemacht werden könnte? 3.3.5.5 Zwischenfazit Pannenberg sucht das s.E. der Wahrheit zukommende Attribut der Geschichtlichkeit als ursprunghaft biblisch auszuweisen. Pannenberg konstatiert dafür einen Gegensatz zwischen einer angeblich biblischen Wahrheit einerseits und einer ungeschichtlich-zeitlosen Wahrheit, die für griechisches Denken charakteristisch sei. Diese in der älteren Forschung häufiger vorzufindende Überzeugung darf inzwischen als widerlegt gelten, und zwar u. a. schon deshalb, weil auch der alttestamentliche Terminus für Wahrheit im Sinne der Aussagenwahrheit verwendet werden kann und sich überdies in den biblischen Texten nicht nachweisen lässt, dass ein spezifischer Begriff von Wahrheit entwickelt worden sei. Eine Ausnahme ist lediglich im johanneischen Begriff der Wahrheit zu sehen. Als schwerwiegender Mangel wurde diagnostiziert eine nicht konsequent durchgehaltene Separation der Frage nach der Wahrheit als einer wesenhaft geschichtlichen (und auch göttlichen) von der epistemischen Frage nach der Geschichtlichkeit ihrer Erkenntnis. In Bezug auf die erwähnten zwei Verwendungsweisen der Formel ‚Geschichtlichkeit der Wahrheit‘ steht überdies noch der Verdacht im Raum, dass die These der Geschichtlichkeit im geschichtstheologischen Kontext weniger von biblischem Geist beseelt als vielmehr vom Denken Hegels bestimmt ist. Pannenbergs Geschichtlichkeitsthese steht ohnehin in einem auffälligen zeitgeschichtlichen Zusammenhang einer Betonung der Geschichtlichkeit von Wahrheit, womit natürlich noch kein Urteil über die Haltbarkeit dieser These getroffen ist. Als genereller Schwachpunkt hat sich gezeigt, dass Pannenberg das Geschichtlichkeitsattribut nicht auf seine Tauglichkeit für verschiedene Wahrheitsbegriffe diskutiert hat. Damit dürfte zusammenhängen, dass er in diversen Publikationen nachdrücklich für die These der Geschichtlichkeit der Wahrheit eintritt, aber dabei (offenbar unbemerkt) für diesen auf Aussagewahrheit abzielenden Wahrheitsanspruch un-, ja übergeschichtliche Wahrheit reklamiert. Von elementarer Bedeutung für seine Wahrheitskonzeption ist insbesondere aber die Bindung des Geschichtlichkeitsattributs an die ontotheologische Wahrheit – d. h. zum einen an die von ihm sog. Wahrheit der Dinge (die im Geschichtsprozess ihr Wesen herausbilden, welches gegen-

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wärtig nur antizipiert werden könne) und zum anderen an die alle einzelne Wahrheit umgreifende Wahrheit Gottes (im Sinne der einen geschichtlichen Wahrheit und gleichermaßen einen Wahrheit der Geschichte). (Inwiefern Gott als geschichtliche Wahrheit im formalen Kohärenzbegriff von Wahrheit gedacht sein soll, wird noch zu klären sein). Vorerst rückt die Göttlichkeit der Wahrheit in den Fokus der Betrachtungen.

3.3.6 Die Göttlichkeit und Absolutheit der Wahrheit „Truth is finally one, and the unity of that truth is to be found in God.“942 „In proposing that God is the truth of the world, Pannenberg sees himself as standing in the tradition dating to the early Christian apologists (but for which he finds credence already in the Old Testament linking of Yahweh to Elohim) that equates the God of the Bible with the philosophical idea of God as the source of the unity of the world (Pannenberg 1991, 70).“943 Bei „einem Zeitgenossen des 21. Jahrhunderts löst dieses Wort [sc. Absolute Wahrheit] wohl eher Befremden und Argwohn als erlebnishaft fundiertes Interesse aus.“944

Sozusagen en passant ist im Zuge der Besprechung der von Pannenberg der Wahrheit zugeschriebenen Attribute auch seine These von der Göttlichkeit der Wahrheit aufgeschienen. Wie sich zeigte, sind seine Ausführungen über den behaupteten Zusammenhang zwischen Wahrheits- und Gottesbegriff (heraus-)fordernd, nicht zuletzt im Umfeld der Geschichtlichkeitsthese zum Teil sogar problembehaftet. Im Folgenden wird anhand ausgewählter Beispiele aus seinem Werk untersucht, inwieweit Pannenbergs Inbeziehungsetzen der Gottes- und Wahrheitsthematik dazu beiträgt, semantische Unschärfen hinsichtlich des Ausdrucks ‚Wahrheit‘ zu bereinigen oder diese gar besonders zu befördern. Bezweckt wird, die Konnexität von Wahrheits- und Gottesthematik im Denken Pannenbergs auf diesem Weg weiter zu erschließen.

942 So T. Peters (Truth in History: Gadamer’s Hermeneutics and Pannenberg‘s Apologetic Method, 37). 943 S.J. Grenz, „Scientific“ Theology/ „Theological“ Science: Pannenberg and the Dialogue between Theology and Science, 163. 944 R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 1.

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Wolfhart Pannenbergs Wahrheitskonzeption

Zunächst richtet sich hierfür der Blick auf eine alte Tradition, auf die Pannenberg in dem erwähnten Fragehorizont zurückgreift für seine These der Absolutheit und Göttlichkeit der Wahrheit. Pannenberg ist sich bewusst, dass er für eine Anschauung wirbt, die gegenwärtig einem enormem Plausibilisierungsdruck ausgesetzt ist. Wir lebten, so schreibt er, „in einer Zeit, der „Gott“ nicht mehr selbstverständlich als die höchste Wahrheit gilt“945. Bereits für die Neuzeit konstatiert Pannenberg, „[d]aß der neuzeitliche Mensch“ bei der Wahrheitsfrage „meist nicht zuerst an den in Christus offenbaren Gott dachte“946. Das dürfte genauso richtig sein wie die Beobachtung, dass schon in den Schriften des Alten und Neuen Testaments und auch später in der Theologie- und Philosophiegeschichte der (christliche) Gott vielfach mit der Wahrheit identifiziert worden ist947. Und so ist beispielsweise auch M. Luther dieser Vorstellungskomplex der engen Konnexität von Wahrheitsidee und Gottesgedanken sowie die unmittelbare Identifikation Gottes mit der Wahrheit geläufig gewesen; entsprechende traditionelle Vorstellungen haben Eingang in seinen Sprachgebrauch gefunden948. Ob allerdings die Identifi945 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 162. 946 W. Pannenberg, Reformation zwischen gestern und morgen, 22. Für Pannenberg erklärt sich dies u. a. aus den autoritären Strukturen der Kirchen: „Denn was ist Wahrheit? Daß der neuzeitliche Mensch bei dieser Frage meist nicht zuerst an den in Christus offenbaren Gott dachte, ist doch auch – und vielleicht sogar in erster Linie – darin begründet, daß die Kirchen viel zu lange, ja bis auf diesen Tag, in ihren Lebens- und Denkstrukturen autoritär gebunden blieben. Wo die Verkündigung göttlicher Offenbarung sich lediglich unter Berufung auf die Autorität der Bibel rechtfertigt, wo gar der Prediger selbst mit autoritativer Gebärde Wort Gottes zu verkündigen meint, da kann solches Reden dem zur Autonomie erwachten Menschen der Neuzeit nicht offenbar werden, und da muß der gläubige Christ selbst immer wieder den Zwiespalt und die Not erfahren, wie er zugleich Christ und neuzeitlicher Mensch sein kann.“ (ebd.). Sein Lösungsvorschlag zielt auf Überwindung der Unmündigkeit des einzelnen Gemeindemitglieds und auf den Wunsch befähigter Urteilsbildung in Fragen des Glaubens und der modernen Bibelkritik: „Christlicher Glaube darf sich nicht mehr begnügen mit der unreflektierten und unkritischen Annahme traditioneller Lehren der angestammten Konfessionskirchen. Erst wenn die Freiheit des Glaubens deutlicher und überzeugender im öffentlichen Bewußtsein in Erscheinung tritt, wird die Wahrheit, an der der christliche Glaube hängt, als der Grund neuzeitlicher Freiheit ernst genommen werden können.“ (ebd.). Hintergrund dieser Überlegungen ist: „Ohne Wahrheit keine Freiheit. Das rührt an ein fundamentales Problem, ungelöstes Problem der Neuzeit.“ (a. a. O., 22). 947 Siehe dazu die einzelnen Beiträge in: M. Enders, J. Szaif (Hg.), Die Geschichte des philosophischen Begriffs der Wahrheit. Vgl. ferner die Bemerkung von M. Leiner: „Schon seit dem Neuen Testament und der Alten Kirche wurden sowohl Christus (Joh 14,6: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“) als auch Gott der Vater („Deus ipse est veritas“) sowie der Heilige Geist als Geist der Wahrheit mit der Wahrheit identifiziert.“ (So M. Leiner, Gewinnen ohne zu unterwerfen – Zum Wahrheitsverständnis in den abrahamitischen Religionen, 49). Zu ergänzen wäre in jedem Fall, dass sich bereits im Alten Testament Belege für eine Identifikation Gottes mit der Wahrheit finden lassen. 948 Auch M. Luther kannte die Identifikation Gottes mit der Wahrheit. Siehe dazu etwa die Wendungen « Deus est veritas » (WA 1,306,15; 2,460,36f; 3,189,13; 3,374 etc.), « veritas est

Die Attribute der Wahrheit und die Frage nach dem (formalen) Wahrheitsbegriff

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kation Gottes mit der Wahrheit die Behauptung eines speziell theologischen Wahrheitsverständnisses rechtfertigt, wie R. Barth dies u. a. auch für die Wahrheitskonzeption Pannenbergs behauptet hatte949, sei (vorerst) einmal dahingestellt. 3.3.6.1 Problemanzeige : Der Ausdruck ‚Wahrheit‘ in Anwendung auf ‚Gott‘ Es erscheint an diesem Punkt sinnvoll, der Frage nach der Bedeutung bzw. den Bedeutungen der Vokabel ‚Wahrheit‘ in ihrer von Pannenberg verantworteten Anwendung auf ‚Gott‘ nachzugehen. Um herauszufinden, was ‚Wahrheit‘ in concreto bedeuten soll oder kann, empfiehlt sich m. E. eine Sichtung der diesbezüglichen, in seinem opus vorzufindenden Wortarrangements950: – Wahrheit Gottes / truth of God951 nomen dei » (WA 1, 433,16f etc.); « opera Dei sunt veritas » (WA 3,368,3 etc.) sowie weitere Aussagen, die den Zusammenhang Gott-Wahrheit zum Ausdruck bringen (Zit. nach E. Herms, Phänomene des Glaubens, 59 Anm. 6). 949 Die Identitifikation Gottes mit der Wahrheit rechtfertigt für R. Barth (Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 18ff) offensichtlich die Rede von einem theologischen Wahrheitsverständnis, auch wenn – wie Barth in einer Skizze der Pannenberg’schen Wahrheitskonzeption zeigen kann – sowohl in definitorischer als auch in kriteriologischer Hinsicht außertheologische Überlegungen eingehen. 950 Einen Anspruch auf Vollständigkeit erhebe ich für die unten stehende Sammlung nicht. 951 Belegsammlung zur Wahrheit Gottes bzw. truth of God: Siehe dazu exemplarisch W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 201 (dort: „ewige Wahrheit Gottes“); W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 117 (dort: „Wahrheit Gottes“), 205f; W. Pannenberg, Christliche Spiritualität, 72; W. Pannenberg, Die Wahrheit Gottes in der Bibel und im christlichen Dogma, 280f (dort: „Das Dogma ist der Inbegriff der Verbindung zur Wahrheit des in sich selbst beständigen ewigen Gottes.“ (a. a. O., 281); W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 87f (zur Wahrheit Gottes); zur „Wahrheit des Gottes Israels“, der „allein wahrhaft Gott“ sei, siehe exemplarisch W. Pannenberg, Systematisch Theologie Bd. I, 209; siehe ferner folgende Belegstellen: W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 177; W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. II, 272; vgl. auch die Rede von Freiheit „als Teilnahme an der Wahrheit und am Leben Gottes, als Gottebenbildlichkeit“ (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. II, 148); W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 56f (zur „ultimate future and truth of God“); W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 25 u. 211 (zur endgültigen Wahrheit Gottes im Unterschied zu ihrer ( je) gegenwärtigen Erkenntnis); W. Pannenberg, Reformation zwischen gestern und morgen, 25 (zur „Wahrheit Gottes in der Person Jesu Christi“), 26 (zur „Wahrheit Gottes in Jesus von Nazareth“), 28 (zur „Wahrheit Gottes in Jesus Christus“); W. Pannenberg, Den Glauben an ihm selbs fassen und verstehen, 360 (zur Wahrheit Gottes in Gestalt des Menschen Jesus Christus); W. Pannenberg, Gegenwart Gottes. Predigten, 84 (zur „Wahrheit Jesu Christi“). Vgl. auch die Wendung „Gott, seine Wahrheit und sein Gesetz“ (W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 84). In der Geschichte geht es Pannenberg zufolge „um die Wahrheit und Wirklichkeit Gottes selber“ (W. Pannenberg, Vom Nutzen der Eschatologie für die christliche Theologie. Eine Antwort, 93). Noch in diesem Textzusammenhang gebraucht Pannenberg scheinbar parallel einen anderen Wahrheitsbegriff, indem er die Behauptung auf-

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Wolfhart Pannenbergs Wahrheitskonzeption

– Göttliche Wahrheit952 – Gott als die (absolute) Wahrheit953

stellt, dass „[d]ie Schöpfung […] ihre Vollendung erst in der Eschatologie“, ja „erst im Eschaton in ihre Wahrheit kommt.“ (ebd.). Zur endgültigen Wahrheit bzw. ultimate truth und der Möglichkeit ihres gegenwärtig-vorläufigen Erkennens siehe W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 10, 25, 211. Die Wendung ‚endgültige und unüberschreitbare Wahrheit‘ greift Pannenberg in Anknüpfung an W. Herrmann auf in: W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 178. Zur „ultimate future and truth of God“ siehe W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 56f. 952 Belegsammlung zum Gedanken der Göttlichkeit der Wahrheit: Siehe dazu etwa W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 138 (dort wird „die mit Jesus erschienene göttliche Wahrheit“ behandelt); W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 240; W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 178 (das Verhältnis speziell zum Judentum, Islam und Buddhismus hat Pannenberg mit kurzen Bemerkungen erörtert – und zwar „unter dem Gesichtspunkt der einen göttlichen Wahrheit“); W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 32 (zum Gedanken, dass Religionen die „göttliche Wahrheit“ bekennen). Vgl. auch folgenden Satz: „Der religiöse Mensch will ja gerade auch im profanen Alltag von der göttlichen Wahrheit her leben, die im Kult begangen und gefeiert wird.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 202). Vgl. auch exemplarisch W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. II, 183. Vgl. zur „göttliche[n] Wahrheit und Wirklichkeit“ W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 174. 953 Belegsammlung zur erkennbaren Identifikation Gottes mit der Wahrheit: Zu Gott als (absolute) Wahrheit und zu Wahrheit als Name für Gott: Siehe dazu W. Pannenberg, Freude des Glaubens. Predigten, 32 (dort zu Jesus Christus als die Wahrheit im Anschluss an Joh 14,6 sowie zum „Geist der Wahrheit“ und der „Wahrheit Gottes“); W. Pannenberg, Reformation zwischen gestern und morgen, 22 (dort zur Wahrheit als der in Christus offenbare Gott); W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 118 (Gott [speziell Jahwe] als Wahrheit schlechthin), 162 (dort Gott als höchste Wahrheit), 205f (zur „absoluten Wahrheit Gottes“: Kontext: der säkulare Staat unterschied sich von dieser Wahrheit Gottes; die politische Ordnung sei von dieser Wahrheit verschieden); W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 216 (dort die Rede von „Gott als höchstem Gut und oberster Wahrheit“); W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 243 (zur „absoluten und endgültigen Wahrheit Gottes“, auf welcher christlicher Glaube basiere); W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 256 (zur objektiven und absoluten Wahrheit Gottes); W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 242 (zur „absoluten Wahrheit, in der alle Dinge gründen“); W. Pannenberg, Die bleibende Relevanz der Erkenntnislehre des Kusaners, 162 (dort zum Verständnisses Gottes als die absolute Wahrheit im Anschluss an Cusanus); W. Pannenberg, Freude des Glaubens. Predigten, 31 (zur Wahrheit als Name Gottes) und W. Pannenberg, The Pope in Germany, 8 (zur „truth that has a name: Jesus Christ“). Pannenberg geht wie Hegel davon aus, dass Gott als die absolute Wahrheit angemessen zu verstehen ist (siehe zur „absolute[n] Wahrheit Gottes“ exempl. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 256), ja dass „Religion die absolute Wahrheit zu ihrem Inhalt habe“ (W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 80f); weitere exempl. Belege W. Pannenberg, Christliche Spiritualität, 73 (zu Revolutionären und Befreiungstheologie, wie gemeint hier?). Vgl. auch W. Pannenberg, Die Bestimmung des Menschen, 39. Zur absoluten Wahrheit als einer nur in vorläufiger Form zugänglichen (in Auseinandersetzung mit Richard John Neuhaus – The Naked public square) siehe W. Pannenberg, Beiträge zur Ethik, 118.

Die Attribute der Wahrheit und die Frage nach dem (formalen) Wahrheitsbegriff

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– Wahrheit Jesu/ Christi und Christuswahrheit954 – Christus und die Wahrheit (Gottes) 955

954 Belegsammlung zur Wahrheit Jesu / Christi und zu Jesus als Wahrheit: W. Pannenberg, Gegenwart Gottes. Predigten, 82 („einigende Wahrheit Jesu“); siehe dazu auch W. Pannenberg, Gegenwart Gottes. Predigten, 84 (zur „Überlegenheit der Wahrheit Jesu Christi über alle unseren christlichen Besonderheiten und Gegensätze“); W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 227 (zu „Jesu[s] als der diese unvollendete Welt in ihre Vollendung bringenden Wahrheit“), 230 (zur „Wahrheit Jesu“). Vgl. auch W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 230 (zur „endgültigen, alles umgreifenden und befreiend verwandelnden Wahrheit Jesu“; anders dagegen jedoch auch ebd: „die endgültige Wahrheit und komprehensive Universalität der Geschichte und Person Christi [kursiv: T. L.]“); vgl. auch exemplarisch W. Pannenberg, Apostolizität und Katholizität der Kirche in der Perspektive der Eschatologie, 110 (zur „Christuswahrheit“). Zur Wahrheit Christi, die an alle Völker verkündet werden solle, siehe W. Pannenberg, Thesen zur Theologie der Kirche, 45. Pannenberg thematisiert auch die „erlösende Wahrheit Christi“, die alle Menschen überzeugen soll (vgl. W. Pannenberg, Apostolizität und Katholizität der Kirche in der Perspektive der Eschatologie, 107). Zur Wahrheit Christi als „die Majestät des Gekreuzigten“ vgl. exemplarisch W. Pannenberg, Die Bestimmung des Menschen, 39. Siehe auch folgende ekklesiologische Erwägung zur Wahrheit Christi: „Es kann eingeräumt werden, daß die Ämter der Kirche – und so auch ein etwaiges höchstes Amt – an der Unfehlbarkeit oder besser an der Bewahrung in der Wahrheit Christi [kursiv: T. L.] (indefectibilitas) Anteil haben, die der Kirche im ganzen verheißen ist: Die Christenheit und auch ihre Ämter, sofern ihre Träger im Sinne ihres Amtes handeln, wird nicht als ganze von der Wahrheit Gottes [kursiv: T. L.] abirren, die sie im Glauben ergreift, obwohl einzelne Glieder abfallen und auch Amtsträger, wo sie ihr Amt nicht seiner Sendung gemäß wahrnehmen, irren können.“ (W. Pannenberg, Thesen zur Theologie der Kirche, 47 [These 124]). Siehe auch W. Pannenberg, Glaube und Wirklichkeit, 111f (dort zur ‚Christuswahrheit‘ und ‚Wahrheit Christi‘ – wohl identisch darum); W. Pannenberg, Reformation zwischen gestern und morgen, 24 („Christuswahrheit“); W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 233 (dort die „erlösende Wahrheit Christi“, die „alle Menschen überzeugen soll“). Vgl. auch Pannenbergs Zeitdiagnose: „Die Zuversicht zu der Gegenwart des Geheimnisses Christi und seiner Wahrheit [kursiv: T. L.] sollten wir Christen mit in das dritte Jahrtausend bringen.“ (W. Pannenberg, Glaube, Vernunft und die Zukunft des Christentums. Ein Gespräch mit Wolfhart Pannenberg, 34). Im gleichen Zusammenhang beklagt Pannenberg in diesem Interview auch den Mangel an „Zuversicht zur Wahrheit des Christentums [kursiv: T. L.], des göttlichen Geheimnisses [kursiv: T. L.], so wie es uns in der Botschaft Jesu als der himmlische Vater, der mit dem Sohn verbunden ist durch seinen Geist, entgegentritt, und wie es in der Auferstehung Jesu als das endgültige Leben in diese unsere vergängliche Welt einbricht.“ (ebd.) Dies sei „die Wahrheit, von der das Christentum durch zwei Jahrtausende gelebt hat und von der die Menschen im dritten Jahrtausend leben sollten, damit die Menschheit des kommenden Milleniums nicht zu einer Ansammlung von solchen wird, die, um mit Paulus zu sprechen, keine Hoffnung haben.“ (ebd.). Interessanterweise scheint Pannenberg hier die Wahrheit des Christentums mit der Wahrheit des göttlichen Geheimnisses zu identifizieren. Das scheint aber nur möglich unter Voraussetzung (sehr) verschiedener Bedeutungen des Ausdrucks ‚Wahrheit‘, die erkennbar nicht von einem Wahrheitsbegriff her verstehbar sind. Pannenbergs Ausführungen zum Gedanken des Bleibens in der Wahrheit, wie er ihn aus der johanneischen Tradition übernimmt, deuten (mehr oder weniger deutlich) auf eine Identifikation Christi mit der Wahrheit hin: „Es gehört im Neuen Testament zu den charakteristischen Zügen der jo-

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Wolfhart Pannenbergs Wahrheitskonzeption

3.3.6.2 Gott als die Wahrheit. Einige Bemerkungen zum identifikatorischen Nexus von Wahrheitsidee und Gottesgedanken Die dargebotene Übersicht versteht sich als eine umfangreiche Sammlung von Belegen zum Nexus von Wahrheitsidee und Gottesgedanken. In der überwiegenden Zahl der Belege dürfte sich hinter den Wendungen die Anschauung verbergen, dass Gott als die Wahrheit zu verstehen sei. Dass der biblische hanneischen Schriften, daß der Gedanke des Bleibens hier terminologische Bedeutung gewonnen hat im Sinne der Zugehörigkeit zu dem ewigen Gott, die Jesus auszeichnet und die durch ihn den Seinen vermittelt wird.“ (W. Pannenberg, Bleiben in der Wahrheit als Thema reformatorischer Theologie, 122/ siehe auch im identischen Aufsatz in W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 3, 342; zum Thema vgl. ausführlicher a. a. O., 122ff bzw. 342ff) Worin das Bleiben in der Wahrheit besteht, wird ebenfalls expliziert, und zwar ekklesiologisch: „Das Bleiben in der Wahrheit Christi ist ihr keineswegs gleichgültig gegenüber dem immer wieder neuen Zuspruch der Verheißung des Evangeliums, und die Verheißung des Bleibens in der Wahrheit gilt auch nicht nur dem individuellen Weg des getauften Christen, sondern auch nach reformatorischer Auffassung insbesondere der Gemeinschaft der Kirche auf ihrem Weg durch die Zeiten.“ (a. a. O., 122/ 342) […]. „Das bisher Gesagte läßt nun allerdings noch nicht erkennen, wodurch die Erwählten in der Wahrheit Christi erhalten und vor Irrtum bewahrt bleiben. Das geschieht nach Luther durch das Evangelium und seine Verkündigung sowie durch Verwaltung und Empfang der Sakramente. Das Wort des Evangeliums teilt den Geist mit, der die Empfänger seiner Verheißungen gewiß macht und mit Christus und seinem Heil verbindet.“ (a. a. O., 124/ 344) An anderer Stelle setzt Pannenberg einen starken ökumenischen Akzent. Er hebt hervor, dass es beim Bleiben in der Wahrheit „um die bleibende Einheit der Gesamtchristenheit in ihren unterschiedlichen Tendenzen und Entwicklungsstadien“ gehe (vgl. W. Pannenbergs Diskussionsbeitrag, in: Papsttum als ökumenische Frage, 308f). Er äußert dabei auch die (m. E. ekklesiologisch wie kirchentheoretisch fragwürdige) These, das Papstamt sei „als Amt der Einheit für die Kirche als Gesamtkirche wesentlich.“ (a. a. O., 308). Im Hintergrund steht seine Überzeugung, „daß ein Amt der Einheit nötig ist: als Zeichen und als Werkzeug für das Bleiben in der Wahrheit, das der Kirche verheißen ist.“ (a. a. O., 325) Ihm ist wichtig, dass der Papst in seiner Funktion „tatsächlich auch als Anwalt der Einheit aller Christen handelt, nicht nur als Anwalt der Einheit einer partikularen konfessionellen Tradition (vgl. a. a. O., 326f). Er meint weiter: „Es wäre viel gewonnen, wenn der Papst in seinen öffentlichen Äußerungen und in seinen Handlungen sich für den ökumenischen Prozeß über die Grenzen der römisch-katholischen Kirche hinaus verantwortlich darstellte.“ (a. a. O., 327) Sein Plädoyer für die Einheit der Kirche und ihr ‚Bleiben in der Wahrheit‘ wird von ihm im größeren Gesamtzusammenhang mit dem von ihm schon früh hervorgehobenen Gedanken der Einheit der Wahrheit verbunden: „Die Aufgabe, die Kirche und ihre Glieder in der Einheit der Wahrheit zu bewahren, d. h. in der Einheit des apostolischen Ursprungs – und zwar in der Ebene der Gleichzeitigkeit und in der Ebene der Zeitlinie – diese Aufgabe kann nicht durch unfehlbare Behauptungssätze wahrgenommen werden.“ (a. a. O., 246). 955 Zu „Christus als die Wahrheit Gottes für alle Menschen“ siehe W. Pannenberg, Wahrheit statt Gleichgültigkeit. Antwort an Wilfried Gerhard, 135; vgl. auch den ähnlichen Gedanken, „in Jesus Christus der endgültigen Wahrheit Gottes verbunden zu sein, die unser eigenes Verstehen wie alles Wissen der gegenwärtigen Welt übersteigt.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 178). P. Cornehl (Der ökumenische Horizont, 450f) etwa scheint Pannenbergs Überzeugung von der „universale[n] Bedeutung der Wahrheit Christi“ (a. a. O., 451) positiv gegenüber zu stehen.

Die Attribute der Wahrheit und die Frage nach dem (formalen) Wahrheitsbegriff

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Kanon in dieser Hinsicht vorbildhaft auf Pannenberg gewirkt hat, wurde bereits erwähnt. Doch welche Überlegungen stehen dahinter, für die Theologie dieses onto-theologische Wahrheitsverständnis zu (re-)habilitieren? Zuallererst dürfte hier an Pannenbergs Überzeugung gedacht werden, dass „[d]ie Wahrheit der Religion […] es nicht in erster Linie mit menschlichen Vorstellungen und Urteilen [kursiv: T. L.] zu tun [hat]“956, sondern für die Religion(en) vielmehr die Wahrheit als göttlich verstandene von fundamentaler Bedeutung sei957. Der Mensch stehe als Gottes Geschöpf in einem „Grundverhältnis“ zu ihm „als höchstem Gut und oberster Wahrheit“958. Schließlich sei „die Wahrheit, mit der Religion selbst es zu tun hat […] in erster Linie die göttliche Seinswahrheit.“959 „Die enge Verbundenheit von Wahrheitsbegriff und Gottesbegriff“ versteht Pannenberg nicht erst als eine frühchristliche Traditionsbildung, durch die das wahrhaft Seiende (der Griechen) mit Israels Gott verbunden worden sei960. Im Horizont griechischer Denktradition sieht Pannenberg den bereits in der Bibel anzutreffenden Gesichtspunkt fortgeführt, „daß alle Wahrheit, aller Bestand, auf der Selbstidentität Gottes beruht.“961 Er verweist zum Beleg auf den alttestamentlichen Vorstellungshorizont, innerhalb dessen er einen engen Zusammenhang des hebräischen Ausdrucks ‫ֱאֶמת‬, seinem Bedeutungsspektrum und Gott erkennt. Dieser stellt sich ihm folgendermaßen dar: Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die Tatsache, dass im Alten Testament der Ausdruck „Emet sowohl Wahrheit als auch Treue bedeutet.“ 962 Daraus resultiert für ihn die Frage nach einem Tertium, welches beide genannten Bedeutungsgehalte zusammenfassen lasse. Seiner Auffassung nach liegt es im Moment des Bestandes, der Beständigkeit und (darum auch) der Ver956 Pannenberg präzisiert: „Das gilt jedenfalls für die biblische Glaubensüberlieferung, vielleicht aber doch auch in einem weiteren Umkreis von Religionen der Menschheit.“ (W. Pannenberg, Die Wahrheit Gottes in der Bibel und im christlichen Dogma, 271). 957 W. Pannenberg, Die Wahrheit Gottes in der Bibel und im christlichen Dogma, 271. Völlig abwegig und in jeder Hinsicht unzutreffend ist die Behauptung von P. Eicher, „[d]as fundamentale Wahrheitskriterium ist […] nach Pannenberg eigentlich der durch Jesu Auferweckung im Horizont der Apokalyptik denkbare Gottesgedanke selbst, wobei Gott als Macht über alle Geschichte gedacht werden muß.“ (so P. Eicher, Offenbarung, 452). 958 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 216. So Pannenberg in Auseinandersetzung mit M. Luther (vgl. a. a. O., 215f), für den die Liebe zu Gott nicht aus diesem Grundverhältnis, „sondern im konkreten Gegenüber zu Gottes Verheißung“ (a. a. O., 216) entstehe. Pannenberg meint, dass dieser Gedanke Luthers dieses Grundverhältnis nicht ausschliessen müsse, sondern es voraussetze und zwar so, „daß es beim Menschen als Sünder gebrochen und pervertiert ist und erst im Gegenüber zur Verheißung erneuert wird.“ (ebd.) 959 W. Pannenberg, Die Wahrheit Gottes in der Bibel und im christlichen Dogma, 271. 960 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 231. 961 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 232. 962 W. Pannenberg, Die Wahrheit Gottes in der Bibel und im christlichen Dogma, 271.

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lässlichkeit 963 – hierbei handelt es sich um genau solche Aspekte, die innerhalb des alttestamentlichen Kanons vielfach auf Gott bezogen werden 964. Für Pannenberg ergibt sich scheinbar daraus die Legitimität der Identifikation Gottes mit der Wahrheit: „Von Gottes Willen und dann auch von Gottes Wesen wird im Alten Testament immer wieder gesagt, sie seien Emet, d. h. sie sind verläßlich, weil sie beständig sind. Gott selbst kann El Emet heißen (Psalm 31,6). Das ist schwer zu übersetzen. Man hat übersetzt: Gott der Wahrheit, oder aber: treuer Gott. Die Übersetzung ‚treuer Gott‘ ist keine akzeptable Übersetzung, weil dann eben hier nicht das Substantiv Emet stehen dürfte, sondern nur ein Adjektiv wie emun oder das Partizip omen. Aber es heißt auch nicht Gott der Wahrheit, also El ha Emet, sondern es heißt El Emet. Nach analogen Formulierungen, die sonst vorkommen, kann das nur bedeuten: Der Gott, der Wahrheit ist. Emet wird gesetzt als Gottesname oder analog einem Gottesnahmen verwendet: Der Gott, dessen Wesen Wahrheit bzw. Treue ist, dessen Wesen beinhaltet, daß er Bestand hat und darum auch Bestand verleiht [kursiv: T. L.] .“965

Im Alten Testament könne etwa auch „Wahrheit als der Inbegriff der Worte Gottes (Ps. 119, 160) und seiner Rechtssatzungen (Ps. 19,10) gelten“; Jahwe könne – so in Ps 31,6 – auch „als der Gott der Wahrheit bezeichnet“ werden, als treuer (Dtn 7,9) und auch wahrer Gott (Chr 15,3) ausgezeichnet werden966. Einen „Zusammenhang zwischen der Gottheit Gottes und der Wahrheit“ sieht Pannenberg darin, dass Gottes Worte auch explizit als Wahrheit ausgegeben werden können (so in 2 Sam 7,28) 967. Wie sehr Pannenberg selbst von seinen an biblische Überzeugungen anknüpfenden Überlegungen überzeugt ist, zeigt sich daran, dass er davon ausgeht, dass die vom Gottesgedanken her entwickelten Charakteristika von 963 Vgl. W. Pannenberg, Die Wahrheit Gottes in der Bibel und im christlichen Dogma, 271. Vgl. ganz ähnlich auch folgende Herausstellung eines Zusammenhangs der behaupteten Bedeutungsaspekte: „Nur Treue begründet Dauer und Verläßlichkeit. Darum hat das Hebräische für Treue und Wahrheit nur ein Wort.“ (W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 18). 964 Zur Anwendung des Ausdrucks ‫ ֱאֶמת‬auf Gott im Sinne der göttlichen Seinswahrheit mit den hier genannten Bedeutungen siehe auch W. Pannenberg, Freude des Glaubens. Predigten, 31: „Verläßlich kann nur sein, was in sich selber beständig ist.“ „Die Beständigkeit Gottes erweist sich in seinem Handeln und in der Verläßlichkeit seiner Worte, insofern diese durch Gottes Handeln eingelöst werden. Darin erweist sich die Treue Gottes zu sich selbst und zu seiner Schöpfung. Als Schöpfer der Welt kann Gott nicht sich selber treu sein, ohne auch seiner Schöpfung treu zu sein. Diese Treue Gottes ist seine Wahrheit“ (ebd.). 965 W. Pannenberg, Die Wahrheit Gottes in der Bibel und im christlichen Dogma, 271f. 966 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 231. 967 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 231f. Wiederholt rekurriert Pannenberg auf die biblische (alttestamentliche) Verbindung von Wahrheitsidee und Gottesgedanken, so etwa in W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 504f (mit Bezugnahme auf Ps 103,15ff; Jes 40,6ff; Ps 119, 160 u. Ps 111,7f), außerdem auch in W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 434, dort Bezug nehmend auf Ps 117,2 und 146,6.

Die Attribute der Wahrheit und die Frage nach dem (formalen) Wahrheitsbegriff

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Wahrheit – konkret: Beständigkeit und Verlässlichkeit – auch gegenwärtig (noch) mit Wahrheit in Verbindung gebracht würden: „Auch wir bezeichnen noch dasjenige als „wahr“, was sich als beständig und verläßlich erweist.“968 Zu diesem Moment der Seinswahrheit sieht Pannenberg durchaus Parallelen zu Parmenides969, von besonderem Interesse scheint für ihn aber stets das von ihm sog. alttestamentliche Verständnis von ‫ ֱאֶמת‬zu sein, das die Zeitlichkeit und Veränderlichkeit inkludiert, wobei er nicht zuletzt hier mit H.v. Soden betont, dass die Wahrheit sich in Zukunft erst der menschlichen Erfahrung gegenüber als Wahrheit, nämlich in ihrer Identität und Beständigkeit, herausstellen werde (z. B. durch das Erfüllen der prophetischen Verheißung durch die Inkarnation des Logos gemäß Joh 1,14) 970.

3.3.6.3 Jahwe, Jesus Christus und die Wahrheit Von der Vorstellung der Göttlichkeit der Wahrheit in dem Sinne, dass Gott die Wahrheit ist, ergeben sich für seinen Sprachgebrauch dann folgerichtig auch einzelne Konkretionen, wie die, dass Jahwe als Wahrheit schlechthin ausgegeben wird971, Jesus „als der diese unvollendete Welt in ihre Vollendung bringenden Wahrheit“ bezeichnet wird972 oder in christologischer Zuspitzung, „Christus [kursiv: T. L.] als die Wahrheit Gottes für alle Menschen“ apostrophiert wird973. Es „sagt Christus im Johannesevangelium von sich selber, er sei die Wahrheit (Joh 14,6).“974 Denn die Verheißungen sind nämlich in ihm erfüllt, weil Gott uns „durch ihn gegenwärtig ist und wir durch ihn Gemeinschaft mit Gott haben, und damit zugleich Leben und Heil.“975 Später wiederholt Pannenberg diese Identifikation, begründet sie aber mit anderem Akzent: Es „bezeichnet der johanneische Christus sich selbst als ‚die Wahr968 W. Pannenberg, Freude des Glaubens. Predigten, 31. 969 Siehe dazu auch W. Pannenberg, Die Wahrheit Gottes in der Bibel und im christlichen Dogma, 272: „Dieser Gedanke von Wahrheit als Seinswahrheit im Sinne von Bestand ist nicht völlig unvergleichbar. Man könnte im religionsgeschichtlichen Umfeld des Alten Testamentes analoge Befunde nennen, und auch im parmenideischen Lehrgedicht kann man diesen Gedanken der Beständigkeit der Wahrheit finden.“ (ebd.). 970 Vgl. W. Pannenberg, Die Wahrheit Gottes in der Bibel und im christlichen Dogma, 272. 971 Vgl. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 118. 972 W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 227. Siehe auch Pannenbergs Ausführungen zum „eigentlichen Geheimnis unseres menschlichen Lebens, das über sich selbst hinaus existiert, getragen von einer Wahrheit jenseits seiner selbst [kursiv: T. L.], die unserer Innerlichkeit erst ihre Tiefe erschließt. Gott ist also jenseitig und gerade so diesseits in unserem Leben gegenwärtig.“ (W. Pannenberg, Gegenwart Gottes. Predigten, 131). 973 W. Pannenberg, Wahrheit statt Gleichgültigkeit. Antwort an Wilfried Gerhard, 135. Siehe dazu auch die oben aufgeführten Belege. 974 W. Pannenberg, Freude des Glaubens. Predigten, 32. 975 W. Pannenberg, Freude des Glaubens. Predigten, 32.

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heit‘ (Joh 14, 6), nämlich als eins mit der alles begründenden, tragenden und zusammenfassenden Wahrheit (emet) Gottes.“976 Diese Identifikation Jesu Christi mit der Wahrheit wird von Pannenberg an einer Stelle derart expliziert, dass die Wahrheit Gottes bzw. göttliche Wahrheit in der Person Jesu Christi zur Erscheinung komme977, d. h. dass sich in ihm und so in personaler Gestalt die Wahrheit bekunde. Es handele sich um die bei Johannes vorzufindende Vorstellung des „in Jesus Christus erschienenen Leben[s] und Licht[s] der göttlichen Wahrheit“978, um die Annahme des „Erschienensein der einen Wahrheit Gottes für alle Menschen in der Gestalt eines geschichtlichen Menschen, in Jesus Christus.“979 Pannenberg gebraucht zudem ausdrücklich den Ausdruck ‚Wahrheit‘ als Namen für Gott (Jesus Christus) 980, bezieht sich hierfür jedoch auf Ps 31,6981. Für Pannenberg ist diese Namensgebung von der Etymologie her zu verstehen. Weil Wahrheit und Treue innerhalb des Alten Testaments charakteristisch für Gott seien, darum könne Wahrheit als ein Name für Gott fungieren982. An anderer Stelle erfolgt jedoch keine vollständige Identifikation Jesu Christi mit der Wahrheit, wohl aber wird eine Verbindung hergestellt, wenn etwa gesagt wird, dass „[d]er christliche Glaube […] von dem Bewußtsein [lebt] , daß in Jesus Christus die endgültige Wahrheit Gottes schon offenbar geworden ist“983. Ein vitales religiöses Verhältnis lebt für Pannenberg geradezu von diesem Wahrheitsbezug in Gestalt des Gottesverhältnisses: „Religiöse Praxis bedarf, um als religiöse vollzogen werden zu können, eines Bewußtseins von der alle Lebensbereiche durchdringenden und integrierenden Wahrheit und Relevanz ihres Gegenstandes, also des in Jesus Christus offenbaren Gottes [kursiv: T. L.] .“984 Die Bezugsgröße dürfte dann wohl kongruent sein mit der „Wahrheit Gottes in Jesus von Nazareth“985. 976 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 177. 977 Vgl. dazu die Belege in W. Pannenberg, Reformation zwischen gestern und morgen, 22–28. Pannenberg thematisiert im obigen semantischen Sinne „die mit Jesus erschienene göttliche Wahrheit, die aber ihrer Bewährung als göttlich durch den Vollzug jener Integration noch bedarf.“ (W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 138). 978 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 240. 979 W. Pannenberg, Den Glauben an ihm selbs fassen und verstehen, 360. 980 Siehe dazu etwa die Bemerkung „truth that has a name: Jesus Christ.“ (W. Pannenberg, The Pope in Germany, 8). 981 Vgl. W. Pannenberg, Freude des Glaubens. Predigten, 31. 982 Vgl. W. Pannenberg, Freude des Glaubens. Predigten, 31. 983 W. Pannenberg, Die Religionen als Thema der Theologie, 107 (siehe auch die entspr. Stelle im identischen Aufsatz: W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 1, 169). 984 W. Pannenberg, Thesen zur Theologie der Kirche, 55f (These 146). Das Verständnis von Wahrheit als Gottesprädikat scheint auch darin zum Ausdruck zu kommen, dass Pannenberg in Bezug auf Jesus von „der mit ihm an den Tag gekommenen Wahrheit“ spricht (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 172).

Die Attribute der Wahrheit und die Frage nach dem (formalen) Wahrheitsbegriff

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3.3.6.4 Wahrheit – Jesus Christus – Gott : auffällige Unschärfen In Verbindung mit Jesus scheint Wahrheit jedoch nicht ausschließlich als Gottesprädikat fungieren zu können, was sich daran erkennen lässt, dass laut Pannenberg nach evangelischem Glaubensverständnis „der Akt des Bekenntnisses“ […] sich auf die Person Jesu selbst und auf den in ihm offenbaren Gott [bezöge] , und zwar im Streit um die Wahrheit alles dessen, wofür der Name Jesu [kursiv: T. L.] steht.“986 Die Wahrheit scheint in diesem Satz nämlich eine aussagetheoretische zu sein. Es bekundet sich dieses formal andere Wahrheitsverständnis, wenn Pannenberg hinsichtlich der Person Jesu auf „die Wahrheit seiner Lehre“ eingeht987 oder auch in seinen „Grundzüge[n] der Christologie“ „die Wahrheit seiner Botschaft“988 thematisiert. Es ist eine nicht unerheblicher und beklagenswerter Umstand, dass sämtliche seiner Aussagen zur ‚Wahrheit (Jesu)/ Christi’ vielfach hinsichtlich ihres Bedeutungsgehaltes nicht eindeutig eruierbar sind: In „G l a u b e u n d Wi r k l i c h k e i t “ vertritt Pannenberg die These, Gott werde die Welt seinem Ziel der Welt, nämlich „der Erkenntnis der Christuswahrheit, näherbringen.“989 Als Erben abendländischer Tradition blieben „wir aufgerufen zur Verkündigung der universalen Wahrheit der Christusoffenbarung an alle Menschen. Dies bleibt als Gottes erstes Gebot über uns ausgerichtet, als das Grundgesetz unserer eigenen Geschichte, begründet in der Geschichte Jesu Christi selbst“990.

Was bedeutet der Ausdruck ‚Wahrheit‘ hier? Meint ‚Wahrheit der Christusoffenbarung‘ ihre Tatsächlichkeit oder die Wahrheit ihres Inhaltes in dem Sinne, dass dieser korrespondentistisch zutrifft? In letzterem Fall handelte es sich um so etwas wie einen genitivus materiae, um eine Wahrheit über Christusoffenbarung. Vergleichbare semantische Unklarheiten mit Blick auf das Wort ‚Wahrheit‘ bleiben auch an anderer Stelle, wo die Verwendungsweisen des Genitivs auf einen genitivus auctoris oder vielleicht auch possessivus hindeuten – so in folgenden Beispielen, in denen Pannenberg auf die „einigende Wahrheit Jesu“ angesichts der zu überwindenden kirchlichen Spaltungen aufmerksam macht (wohl im Sinne der „einigende[n] Macht“ Jesu [ebd.]) 991, seiner Überzeugung Ausdruck verleiht, dass „die erlösende 985 W. Pannenberg, Reformation zwischen gestern und morgen, 26. Vgl. ebenso die Wendung „Heilswahrheit“ (W. Pannenberg, Thesen zur Theologie der Kirche, 33 (These 71). Zur „Heilswahrheit Gottes in Jesus Christus“ siehe W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 288. 986 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 134. 987 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 136. 988 W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 59. 989 W. Pannenberg, Glaube und Wirklichkeit, 111f. 990 W. Pannenberg, Glaube und Wirklichkeit, 112. 991 W. Pannenberg, Gegenwart Gottes. Predigten, 82f.

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Wahrheit Christi alle Menschen überzeugen soll[e]“992, die These formuliert, dass „[a]us der Verbundenheit mit Jesus, aus der Überlegenheit der Wahrheit Jesu Christi über alle unseren christlichen Besonderheiten und Gegensätze […] die Einheit der Christen wachsen und durch die Christen in die Welt hinausstrahlen [müsse]“993 oder schließlich im Rahmen ethischer Erwägungen zur Lebensführung zu der Einschätzung gelangt, die wahre vita apostolica sei dann gegeben, so sie „sich durchdringen läßt von der endgültigen, alles umgreifenden und befreiend verwandelnden Wahrheit Jesu.“994 3.3.6.5 Was heißt Wahrheit Gottes ? Semantische Klärungsversuche Es gesellen sich weitere Schwierigkeiten dazu, weswegen zusätzlicher Klärungsbedarf besteht: Die bei Pannenberg (und übrigens nicht nur bei ihm) sehr häufig anzutreffende Wendung ‚Wahrheit Gottes’ begegnet bereits häufiger in der Theologiegeschichte (z. B. bei Augustin [in Form der veritas dei]). Hier wie dort will diese Wendung allerdings verstanden sein. Es ist in der Forschung unlängst nachgewiesen, dass der Ausdruck ‚veritas‘ bzw. die im Besonderen für Augustins Werk charakteristische Formel ‚veritas dei‘ mit ganz unterschiedlichen Bedeutungsgehalten aufgeladen worden ist995, ja dass diese schon von Augustin eindeutig äquivok verwendet worden ist996. Helfen 992 993 994 995

W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 233. W. Pannenberg, Gegenwart Gottes. Predigten, 84. W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 230. Dass die Ausdrücke veritas und veritas dei bei Augustin mit einer Vielzahl von Bedeutungen verbunden sind, stellt der Augustinus-Experte B. Studer (Veritas dei in der Theologie des Heiligen Augustinus) mit Blick auf die Confessiones fest: „Es ist jedoch nicht eindeutig auszumachen, was Augustinus unter dem Wort Veritas genau versteht. Er verwendet es offensichtlich in verschiedenen Bedeutungen. Das kann weiter nicht überraschen, wenn man bedenkt, wie vielfältig der kulturelle Hintergrund der Confessiones ist. Augustin liess sich von Cicero, den Manichäern, den Neuplatonikern und vor allem von der christlichen Tradition inspirieren.“ (B. Studer, Veritas Dei in der Theologie des Heiligen Augustinus, 427). Studer hat gezeigt, dass neben der häufigen Identifikation Gottes/Christi mit der Wahrheit (z. B. in De Trinitate im Anschluss an Joh 1,14 und Joh 14,6 und De beata vita) mit veritas auch das gemeint sein, „was jeder Mensch liebt, der es hasst, getäuscht oder belogen zu werden“ (a. a. O., 428), oder aber die kirchliche Lehre wird als veritas bezeichnet. (vgl. a. a. O., 432) Oder aber „[e]twas konkreter hat die Wahrheit mit dem zu tun, was die Kinder in der Schule lernen (a. a. O., 428). Zu den unterschiedlichen Verwendungsweisen des Ausdrucks veritas bei Augustin siehe auch Paul G. Kuntz, St. Augustine’s Quest for Truth: The Adequacy of a Christian Philosophy, 1–21, bes. 20. 996 Dazu auch B. Studer: „Es ist nicht immer leicht zu unterscheiden, ob Augustinus in diesem Werk veritas eher philosophisch oder eher biblisch versteht. Doch gerade dieser Umstand macht uns darauf aufmerksam, dass wir auch im opus laboriosum mit einer Vielfalt von Bedeutungen des Wortes veritas rechnen müssen.“ (B. Studer, Veritas Dei in der Theologie des Heiligen Augustinus, 432). Sehr ähnlich im Ergebnis fällt die Untersuchung von Paul G. Kuntz aus. Er meint zwar, bei Augustin eine „theory of truth“ entdecken zu können (Vgl. P.

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möglicherweise semantische Klärungsanstrengungen im Hinblick auf die Verwendungsweise bei Pannenberg oder ergibt sich ein zu Augustin vergleichbares Problem? 1. Klärungsversuch: Wahrheit Gottes als ‫?ֱאֶמת‬ Dass Pannenberg die Wahrheit Gottes als seine Treue, Beständigkeit, Selbstidentität und Verlässlichkeit (u. ä.) verstehen kann, ergibt sich aus seinen Überlegungen zu dem von ihm sog. alttestamentlichen Wahrheitsverständnis. Es heißt an einer Stelle, „daß auch die unbedingte und unbegrenzte Wahrheit Gottes, seine Selbstidentität, Beständigkeit und Treue [kursiv: T. L.] , sich erst in Zukunft unzweideutig herausstellen wird“.997

Pannenberg zufolge ist es niemand anders als die Wahrheit Gottes, die Bestand verleiht. So galt es – wie Pannenberg referiert – etwa für den Frommen im Alten Testament, „[…] sich angesichts der Endlichkeit dieses Lebens nicht in seinen Zerstreuungen zu verlieren, sondern sich an die unvergängliche Wahrheit Gottes zu halten, die dem eigenen Leben Bestand und Identität gewährt.“998 In diesen Deutungszusammenhang passt auch die Pannenberg’sche Interpretation der Wahrheit Gottes vom johanneischen Liebesverständnis her (Joh 3,16). In einer seiner Predigten findet sich folgende Formulierung: Es habe die „Wahrheit Gottes“ „mit seiner Liebe zu tun, nämlich mit der Treue Gottes [kursiv: T. L.] in seiner liebevollen Zuwendung zu den Menschen durch die

G. Kuntz, St. Augustine’s Quest for Truth: The Adequacy of a Christian Philosophy, 1–21, bes. 4ff). Doch seine Entdeckung der „richness and range“ dieser angeblichen Wahrheitstheorie führt dazu, dass er für die Darstellung derselbigen „eight phases of the quest for truth“ bei Augustin feststellt und für seine Darstellung auswählt (a. a. O., 4ff.), was letztlich jedoch mehr als nur eindrucksvoll zeigt, dass bei Augustin keine Wahrheitstheorie – jedenfalls nicht im geläufigen Sinne eines systematisch-entfalteten Ansatzes – vorliegt, sondern vielmehr die oben skizzierte Einsicht bestätigt wird, dass der Ausdruck veritas auf vielfältige und zum Teil recht unterschiedliche Weise verwendet wird: „St. Augustine’s writing is rich and suggestive“, und Kuntz ergänzt „sometimes not making clear the variety of definitions of ‚truth‘ that are used in various stages“ (a. a. O., 20). Dass es zur Systematisierung scholastischer Kommentare bedarf, wie Kuntz meint, dürfte eher fraglich sein. Erforderlich scheint mir grundsätzlich doch eher eine Auseinandersetzung mit der analytischen Theoriediskussion und dem für sie charakteristischen hohen Differenziertheitsgrad im Umgang mit der Wahrheitsthematik. 997 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 117f. Noch im selben Beitrag an anderer Stelle kommt er auf „die Selbstidentität Gottes, seine Wahrheit [kursiv: T. L.]“ (a. a. O., 118) zu sprechen. Zur Wahrheit Gottes im Sinne der Treue Gottes vgl. auch W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit, Glaube, 230. 998 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 158.

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Geschichte seines erwählten Volkes bis hin zur Erfüllung aller Verheißungen im Kommen Jesu Christi.“999

2. Klärungsversuch: Wahrheit Gottes als Natur Gottes? Das Wort ‚Wahrheit‘ scheint Pannenberg in der Anwendung auf Gott aber auch als Synonym für das Wesen, also für Gottes Natur, gebraucht zu haben: „‚Natürlich‘ ist die philosophische Gotteserkenntnis also nicht deshalb, weil sie der Natur des Menschen, den Prinzipien und der Fassungskraft menschlicher Vernunft gemäß wäre, sondern vielmehr darum, weil sie der „Natur“ des Göttlichen, der Wahrheit Gottes [kursiv: T. L.] selbst entspricht im Gegensatz zu ihren Verfälschungen in der „positiven“, auf menschlicher Setzung beruhenden Gestalt der Religion.“1000 Demnach scheint Natur ein Äquivalent zu Wahrheit zu sein. 3. Klärungsversuch: Wahrheit Gottes als Wahrheit der Offenbarung von Heil? Eine andere Deutung legt sich nahe in Pannenbergs Ausführungen zum christlichen Missionsauftrag. Er schreibt: „Der Anspruch auf Wahrheit für alle Menschen ist eng verbunden mit dem Auftrag, allen Menschen diese sie angehende Wahrheit Gottes [kursiv: T. L.] bekannt zu machen und sie aufzurufen, sich ihr zuzuwenden.“1001

Aus dem Kontext lässt sich einigermaßen klar ableiten, dass die Formel Wahrheit Gottes einmal so etwas wie „die wahre Wirklichkeit des einen Gottes“ anzugeben scheint, wobei er offenbar – und das scheint mir an dieser Stelle überzeugender – im Kern von der „universalen Wahrheit der Heilsoffenbarung des einen Gottes für alle Menschen in Jesus Christus“ sprechen möchte1002. Wenn das richtig ist, steht ‚Wahrheit‘ für so etwas wie ‚Tatsächlichkeit‘. 4. Klärungsversuch: Wahrheit Gottes als wahre Wirklichkeit Gottes? Oder geht es bei der Thematisierung der Wahrheit Gottes um eine Auseinandersetzung mit der (wahren) Wirklichkeit Gottes? Diese Deutung lässt sich aus folgendem Textpassus gewinnen, demzufolge… „es gerade in den Differenzen der religiösen Wege um die wahre Wirklichkeit des einen Gottes geht, so daß die Religionen sich unvermeidlich im Streit um die Wahrheit Gottes befinden. Und diese steht nicht einfach jenseits der Vielheit der

999 1000 1001 1002

W. Pannenberg, Gegenwart Gottes. Predigten, 161. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 87f. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 177. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 177.

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Religionen und des Streites zwischen ihnen, sondern ist sein Gegenstand [kursiv: T. L.] .“1003

Dazu passt, dass universalisierende Ansprüche wie solche auf die Allgemeingültigkeit von Wahrheit „Konflikte zur Folge [hätten] , nämlich ein Ringen um den Inhalt der für alle Menschen verbindlichen Wahrheit hinsichtlich der Wirklichkeit Gottes und der darin begründeten Bestimmung des Menschen.“1004 5. Klärungsversuch: Wahrheit Gottes als Gott als die Wahrheit? Besteht in den ersten zwei Erklärungsansätzen eine erkennbare Parallele im Sprachgebraucht, kann Pannenberg jedoch an anderer Stelle mit Wahrheit Gottes schlicht zum Ausdruck bringen, dass Gott als die Wahrheit im oben dargelegten Sinne die Wahrheit selbst ist. Diese Interpretation legt sich m. E. immerhin von daher nahe, dass die Formel Wahrheit Gottes selbst problemlos als genitivus auctoris verstanden werden kann, womit Gott wenigstens zum Urheber der Wahrheit erklärt werden kann, was freilich aber noch nicht zur These führen muss, Gott mit der Wahrheit gänzlich zu identifizieren. Und doch kann, wie sich zeigte, der Ausdruck Wahrheit Gottes einfach synonym für den Gedanken Gottes als der Wahrheit stehen – und das entspräche zumindest einem in der Theologie geläufigen Sprachgebrauch1005. Die Wahrheit Gottes im Sinne Gottes als der Wahrheit scheint nun ihrerseits weitgehend äquivalent zu Pannenbergs Rede von der göttlichen Wahrheit. So hat Pannenberg zum Beispiel das Verhältnis des Christentums zum Judentum, Islam und Buddhismus „unter dem Gesichtspunkt der einen göttlichen Wahrheit“1006 erörtert. Doch scheint auch dieser Sprachgebrauch nicht konsequent zu sein. Im gleichen Aufsatz lesen wir, „daß die christliche Lehre nicht mehr als die göttliche Wahrheit, sondern nur noch als menschliche Überlieferung und Gegenstand subjektiver Loyalität [kursiv: T. L.] beurteilt

1003 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 177. 1004 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 175. Das „Ringen um Wahrheit des christlichen Bekenntnisses zu Gott und zu seiner Offenbarung in Jesus Christus“ thematisiert er auch in: W. Pannenberg, Theologie im 20. Jahrhundert, 72. Siehe unten auch die Ausführungen zum Religionenpluralismus und zu dem auf dem Feld der Religionsgeschichte auszutragenden Konflikt und Wettstreit um konfligierende religiöse Wahrheitsansprüche. 1005 Neben dem erwähnten augustinischen Sprachgebrauch (veritas dei, s. o.) sei hier nur exemplarisch auf G. Ebeling, Dogmatik des christlichen Glaubens. Bd. II (Zweiter Teil), 115ff und I.U. Dalferths These, „daß auch die Wahrheit der Religion in der transzendenten Wahrheit Gottes, dem Grund alles Wahren, gründe“ (I.U. Dalferth, Religion und Wahrheit, 197) aufmerksam gemacht. 1006 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, bes. 178ff.

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wird.“1007 Dieser Aussage zufolge wäre dagegen die göttliche Wahrheit als eine aussagetheoretische, nämlich auf Korrespondenz abzielende, semantischontologische Wahrheit zu interpretieren. Im Ergebnis bleibt mit Ernüchterung festzustellen, dass selbst die traditionsreiche Wendung ‚Wahrheit Gottes‘ in der Theologie Pannenbergs eine semantisch schillernde Größe ist. 3.3.6.6 Trinitätstheologische Ausdifferenzierungen „Nach einer Jahrtausende alten Tradition erhellen sich Gotteslehre und Wahrheitstheorie gegenseitig. Das christliche Wahrheitsverständnis ist darum von seiner Gotteslehre nicht zu trennen. Wie sie ist es trinitarisch aufgebaut.“1008

Dieses zitierte Diktum wird man in gewissem Sinne auch auf Pannenberg münzen können. Ungeachtet der oben thematisierten semantischen Unschärfen hat Pannenberg geradezu „Präzisionsarbeit“ geleistet, was die Erörterung der Frage betrifft, inwiefern Gott als die Wahrheit in seiner Trinität gedacht werden kann. Ein Zitat aus „Wa h r h e i t , G e w i ß h e i t u n d G l a u b e “ gibt Aufschluss darüber, dass Pannenberg es sich nicht leicht gemacht hat: „Wenn der johanneische Christus vor Pilatus seinen Auftrag dahin zusammenfaßt, daß er gekommen sei, für die Wahrheit zu zeugen, und hinzufügt: „Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört meine Stimme“ (Joh. 18,37, vgl. 17,17 ff.), dann gehört der Begriff Wahrheit hier mit dem Vater [kursiv: T. L.] zusammen und sollte nicht sofort mit Jesus selbst [kursiv: T. L.] identifiziert werden, obwohl Joh 14,6 solche Identifikation in der Tat ausspricht:“1009

Pannenbergs Absicht ist es offensichtlich, Wahrheit nicht an ausschließlich eine der Personen der Trinität zu binden1010. En detail wird dieser Gedanke im Horizont einer Beschreibung des Verhältnisses der drei göttlichen Personen zueinander stark gemacht. 3.3.6.6.1 Vater, Sohn und die Wahrheit Von prägender Bedeutung im hiesigen Reflexionszusammenhang ist der Kirchenvater Athanasius und dessen Auseinandersetzung mit den Arianern. Pannenberg sympathisiert mit Athanasius, der sich gegen „die Behauptung 1007 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 178. 1008 So M. Leiner, Gewinnen ohne zu unterwerfen – Zum Wahrheitsverständnis in den abrahamitischen Religionen, 49. 1009 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 232, dort begründet mit weiterführenden Hinweisen auf R.E. Brown u. R. Bultmann. 1010 Vgl. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 232.

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der Arianer, Gottvater stehe auf einer höheren Seinsstufe als der Sohn1011. Er adaptiert (wiederholt) den von Athanasisus im Anschluss an Joh 14,6 gegenüber den Arianern betont Gedanken der Gegenseitigkeit im Verhältnis der trinitarischen Personen zueinander – nicht ohne Auswirkung auf die Wahrheitsprädikation: „Athanasius hat es gewagt, das johanneische Christuswort „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben (Joh 14,6) so wörtlich zu nehmen, daß ihm der Sohn als die Wahrheit und das Leben auch des Vaters selber galt.“1012 „Athanasius wagte sogar zu schreiben, Jesu Anspruch, dass er die Wahrheit und das Leben sei (Joh 14,6), impliziere, dass er die Wahrheit und das Leben sogar des Vaters selbst sei, sodass der Vater keine Wahrheit und kein Leben hätte ohne den Sohn.“1013 „Athanasius hatte die Gegenseitigkeit der personalen Beziehungen in der Trinität noch durchaus betont, wenn er im Anschluß an Joh 14,6 sagte, daß der Sohn die Wahrheit des Vaters ist, so daß die Wahrheit nicht immer in Gott wäre, wenn der Sohn nicht wäre (C. Arian. I, 20).“1014 „Denn wenn der Sohn nicht war, bevor er gezeugt wurde, so war die Wahrheit nicht immer in Gott. Aber so zu sprechen wäre Unrecht. Denn wenn der Vater war, war in ihm immer die Wahrheit, die der Sohn ist, der sagt: ich bin die Wahrheit.“1015

Die darin von Pannenberg vorgefundene Einsicht ist die, „daß die Wahrheit des Vaters bedingt ist durch das Sein des Sohnes“1016, auch wenn „nicht von einer Hervorbringung des Vaters durch den Sohn“ gesprochen werden könne, „weil es die Eigentümlichkeit des Vaters gegenüber dem Sohn ist, daß er ihn hervorbringt, erzeugt.“1017 Es ist – anders formuliert – die trinitätstheologische Position des Athanasius, wonach der Vater „seine Wahrheit nur im Sohn hat“, um die es Pannenberg hier geht1018.

1011 W. Pannenberg, Geschichtliche Offenbarung Gottes und ewige Trinität, 240. 1012 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 350. Neben der Selbstprädikation des johanneischen Jesus übernimmt Pannenberg an anderer Stelle auch die johanneische Vorstellung eines ‚Reiches der Wahrheit‘. Pannenberg nimmt Bezug auf die Aussage des johanneischen Jesus („Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ – Joh 18,36). Vgl. dazu auch W. Pannenberg, Geschichtstatsachen und christliche Ethik, 73f; vgl. ebenfalls W. Pannenberg, Glaube und Wirklichkeit, 158. 1013 W. Pannenberg, Geschichtliche Offenbarung Gottes und ewige Trinität, 240. 1014 W. Pannenberg, Die Theologie und die neue Frage nach der Subjektivität, 811. 1015 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 350, dort in Anm. 190 mit Hinweis auf Athanasius. 1016 W. Pannenberg, Die Theologie und die neue Frage nach der Subjektivität, 811f. 1017 W. Pannenberg, Die Theologie und die neue Frage nach der Subjektivität, 812. 1018 W. Pannenberg, Die Theologie und die neue Frage nach der Subjektivität, 812.

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3.3.6.6.2 Geist und Wahrheit Wohl nicht nur der Vollständigkeit wegen hat Pannenberg auch das Verhältnis der 3. Person der Trinität zur Wahrheit bedacht. Und so kommt es, dass er den lebendig machenden, alles Leben durchströmenden Geist (Atem) Gottes mit Rekurs auf 1 Kor 15,45, Röm 8,11 und Joh 6,63 zur Wahrheit in Beziehung setzt1019: „Dieser Atem, der alles Leben durchströmt, ist so zugleich Quell der Wahrheit [kursiv: T. L.] und der Freiheit für uns.“1020

Streng den Ausführungen des Evangelisten Johannes folgend, bestimmt Pannenberg den Geist vor allem als Geist der Wahrheit. Sein Verhältnis zu den übrigen zwei Personen der Trinität wird mit den für Pannenbergs Trinitätslehre charakteristischen Momenten der Gegenseitigkeit und Gemeinschaft bestimmt1021. „Es fand sich sodann eine ähnliche Selbstunterscheidung und Selbstunterordnung auf Seiten des Geistes, da von ihm gesagt wird, „er wird nicht von ihm selber reden, sondern was er hören wird, das wird er reden“ (Joh 16, 13). Der Geist glorifiziert nicht sich selbst, sondern verherrlicht Jesus, den Sohn, in seiner Gemeinschaft mit dem Vater und eben dadurch erweist er sich als der „Geist der Wahrheit“, der vom Vater ausgeht (Joh 15, 25). An dieser Stelle ist die personale Unterscheidung des Geistes vom Sohn und vom Vater evident und gerade in solcher Selbstunterscheidung ist der „Geist der Wahrheit“ eins mit dem Sohn und mit dem Vater.“1022

Von der Übernahme der johanneischen Rede vom ‚Geist der Wahrheit‘ her ist nachvollziehbar, dass Pannenberg auch die Vorstellungen über das spezifische Wirken dieses Geistes (der Wahrheit) dem Johannesevangelium entnimmt: „Der Geist der Wahrheit, den Jesus nach seinem Fortgang zum Vater den Glaubenden senden wird, der wird über ihn Zeugnis ablegen (Joh 15,26). Er wird bezeugen, daß Jesus der Sohn des Vaters im Himmel ist, und er wird die Glaubenden „erinnern“ an alles, was Jesus gesagt hat (Joh 14,26).“1023

Sehr ähnlich heißt es in seiner „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “: 1019 Vgl. W. Pannenberg, Gegenwart Gottes. Predigten, 107f. 1020 W. Pannenberg, Gegenwart Gottes. Predigten, 107f. 1021 Siehe dazu die folgende Bemerkung Pannenbergs: „Die Gegenseitigkeit in den personalen Beziehungen […] kennzeichnet sowohl die personalen Besonderheiten als auch die Gemeinschaft zwischen den Personen.“ (W. Pannenberg, Geschichtliche Offenbarung Gottes und ewige Trinität, 244). 1022 W. Pannenberg, Geschichtliche Offenbarung Gottes und ewige Trinität, 241. 1023 W. Pannenberg, Die Ökumene als Wirken des Heiligen Geistes, 69. Pannenberg hat dem Geist auch ein speziell ökumenisches Wirken zugesprochen. Hinsichtlich dessen reiche es jedenfalls nicht, „sich auf begeisternde Erlebnisse ökumenischer Zusammengehörigkeit über die Konfessionsgrenzen hinweg zu berufen.“ (a. a. O., 68f).

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„Zur Ausbreitung der Herrschaft Gottes unter den Menschen durch den Sohn bedarf es des Geistes, der den Sohn verherrlicht (Joh 16,14). Der „Geist der Wahrheit“, der vom Vater ausgeht, wird von Jesus Zeugnis ablegen (Joh 15,26). Er wird die Jünger alles lehren und sie an alles erinnern, was Jesus gesagt hat (14,26). So wird er sie in alle Wahrheit führen (16,13), nämlich in die Wahrheit Gottes, die am Sohne offenbar ist. Dadurch wird er in Jesus den Sohn verherrlichen, so wie Jesus den Vater „auf Erden verherrlicht“ hat (17,4).“1024

3.3.6.7 Zwischenfazit Dieses Kapitel hat sich vorrangig mit der Frage nach dem Verhältnis Gottes zur Wahrheit befasst, weil sich aus einer bestimmten Verhältnisbestimmung auch die These der Göttlichkeit und Absolutheit der Wahrheit gewinnen lässt. Die Untersuchung zeigte jedoch, dass Pannenbergs Sprachgebrauch insofern Schwierigkeiten bereitet, als die reklamierte Gott-Wahrheit-Konnexität in semantischer Hinsicht zuweilen arg diffus bleibt, ja die jeweiligen Bedeutungsgehalte der Vokabel ‚Wahrheit‘ in unterschiedlichen Kontexten stark divergieren können. Die in Pannenbergs Werk vorfindliche Konnexität zwischen Wahrheitsidee und Gottesgedanken ist vor dem Hintergrund der philosophisch-theologischen Traditionsbildung verständlich, nachvollziehbar und weitgehend klar, zumindest dort, wo Wahrheit mit Gott (auch Jahwe und Jesus Christus) identifiziert wird oder – wo dies nicht geschieht – doch wenigstens ein Nexus erkennbar ist. Semantische Schwierigkeiten ergeben sich jedoch dort, wo nicht erkennbar ist, was das Wort ‚Wahrheit‘ genau bedeuten soll. Das demonstrieren manche Anwendungsfälle für die Formel ‚Wahrheit Gottes‘. Seine Rede davon erweist sich als vergleichbar schillernd und äquivok wie Augustins Bezugnahmen auf die veritas dei1025. Zur Bedeutungseruierung können lediglich die vielfältigen Verknüpfungen des Wahrheitsgedankens mit Gott von Fall zu Fall gesichtet werden1026. Auch wenn Pannenberg mit den zuletzt behandelten trinitätstheologischen Überlegungen konsequent seine Vorstellung einer göttlichen Wahrheit expliziert, bleibt letztlich auch hier einigermaßen unklar, was der Ausdruck 1024 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 439. 1025 Zur semantischen Mannigfaltigkeit von veritas (dei) bei Augustin siehe B. Studer, Veritas Dei in der Theologie des Heiligen Augustinus. 1026 Tröstlich scheint allenfalls, dass beispielsweise bei anderen Theologen (wie z. B. I.U. Dalferth) ‚Wahrheit‘ als ein Gottesprädikat verstanden wird, der semantische Gehalt aber selbst bei einer von ihm vorgenommenen definitorischen Ansage schillert. Dalferth schreibt: „Wahrheit ist ein Gottesprädikat, das Gottes schöpferischen Bezug zum Leben von Personen charakterisiert: Gott ist wahr, indem er das Leben von Personen wahr macht, und er macht es wahr, indem er sie von den Verfehlungen ihres Lebens frei spricht.“ (I.U. Dalferth, Religion und Wahrheit, 230f).

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Wolfhart Pannenbergs Wahrheitskonzeption

‚Wahrheit‘ in diesem Zusammenhang bedeutet bzw. bedeuten kann. Geht es (im Einzelfall) womöglich lediglich um den Gedanken, dass der trinitarische Gott die Wahrheit ist? Diese Interpretation scheint Pannenbergs Anliegen treffen zu können – denn er schreibt an einer Stelle: „Die Wahrheit des Vaters aber, das ist nicht nur sein Vatersein, sondern seine Gottheit.“1027 Wenn es Pannenberg aber um Wahrheit im Sinne von Vatersein und Gottsein geht, fragt sich allerdings, ob die Vokabel Wahrheit – wenigstens zur Explikation seines hiesigen Anliegens – nicht zu tilgen wäre. Die Verbindung von Wahrheitsidee und Gottesgedanken hat für Pannenberg des Weiteren auch im wahrheitstheoretischen Kontext (der Kohärenztheorie; s. u.) an Bedeutung gewonnen. Erst unter Berücksichtigung dieser seiner (stark ontologischen) Erwägungen wird deutlich(er), weshalb Pannenberg auch durch eine andere Hinsicht ein Zusammenhang zwischen Gottesgedanken und Wahrheitsthematik hat behaupten können.

1027 W. Pannenberg, Die Theologie und die neue Frage nach der Subjektivität, 812.

Pannenberg und die modernen philosophischen Wahrheitstheorien

3.4

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Wahrheitstheoretische Bestimmungen des (formalen) Wahrheitsbegriffs und Wahrheitskriteriologie: Pannenberg und die modernen philosophischen Wahrheitstheorien

In den vorangegangenen Kapiteln ist mithilfe eines systematischen Blickes auf die Pannenberg’sche Wahrheitsattribution vor allem zweierlei deutlich geworden: Zum einen, dass die einzelnen (sich durch sein opus mit relativer Stabilität durchziehenden) veritativen Attribute hinsichtlich ihrer Grundeigentümlichkeit charakteristisch sind für moderne (d. h. nicht postmoderne) Wahrheitsprädikationen, die im (umgangssprachlichen und auch wissenschaftlichen) Alltag weithin (d. h. mit Ausnahme vielleicht des Göttlichkeitsattributs) hohe Plausibilität genießen. Zum anderen konnte gezeigt werden, dass Pannenberg sämtliche Wahrheitsattribute zumindest teilweise faktisch auf unterschiedliche Phänomene bezieht, wenn auch die in diesen Zusammenhängen gebrauchte Vokabel ‚Wahrheit‘ anderes vermuten lässt. Auch die in seiner frühen Theologie erfolgte Profilierung eines israelitischen bzw. biblischen Wahrheitsverständnisses hat in vorliegenden Gesamtgestalt seiner Theologie nicht dazu geführt, unter Wahrheit ein spezifisches, von anderen Phänomenen abgrenzbares Phänomen zu verstehen. Pointiert gesagt: Trotz der These der Einheit der Wahrheit kann hinsichtlich des Wortgebrauchs von ‚Wahrheit‘ nicht gesagt werden, dass Pannenberg konsequent ein einheitliches Phänomen damit assoziiert. In Bezug auf das offenkundig uneinheitliche, schillernde semantische Feld, das mit ‚Wahrheit‘ in Verbindung gebracht wird, kann lediglich soviel zugestanden werden, dass die formale ‚Einheit‘ der Wahrheit durch Subsumption mehrerer eigenständiger Wahrheitsbegriffe gewonnen, m. E. aber durch systematische Nachlässigkeit(en) illegitimerweise erschlichen worden ist. Nun bleibt zu klären, ob Pannenberg im Horizont seiner Auseinandersetzung mit philosophischen Theorien der Wahrheit den angezeigten Problembestand bereinigt.

3.4.1 Überblicksartige Bemerkungen zur Einführung „Ohne eine gründliche Kenntnis der Philosophie kann man weder die christliche Lehre verstehen, wie sie geschichtlich Gestalt gewonnen hat, noch auch zu einem eigenen, begründeten Urteil über den Wahrheitsanspruch der christlichen Lehre in der Gegenwart gelangen.“1

1 W. Pannenberg, Theologie und Philosophie, 11.

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Im ersten Band seiner „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ bringt Pannenberg schließlich sein (über einen längeren Denkweg hin entwickeltes) Verständnis des Wahrheitsbegriffs mit der für seine Theologie typischen Luzidität zur Darstellung2. Sein theologisches Anliegen einer Verbindung der Wahrheitsidee mit dem Gottesgedanken wird nun auch unter Berücksichtigung moderner philosophischer Wahrheitstheorien auf kreativ-eigentümliche Weise bewerkstelligt. Nicht nur dadurch, sondern auch durch Einsichten, die dem wahrheitstheoretischen Diskurs „entrungen“ worden sind, gewinnt sein Begriff von Wahrheit an Schärfe3. Eine ausdrückliche Berücksichtigung philosophischer Wahrheitstheorien wie im Falle der Wahrheitskonzeption Pannenbergs ist an sich schon bemerkenswert und dürfte wohl zu erklären sein vor dem Hintergrund einer Hochkonjunktur des philosophischen Wahrheitsdiskurses zu jener Zeit, in der Pannenberg forschte. Die inzwischen fast schon gängig gewordene theologische Rezeption philosophischer Wahrheitstheorien war lange Zeit (und ist vielleicht bis heute) alles andere als selbstverständlich. Sie dürfte sich innerhalb der deutschsprachigen Theologie erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts angebahnt haben. Im Gesamtzusammenhang dieses Trendes dürfte Pannenberg mit seiner Wahrheitskonzeption stehen4. 2 Schon allein weil Pannenberg ausdrücklich sein Verständnis des Wahrheitsbegriffs vorgelegt hat (vgl. insbes. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 62f), ist die Bemerkung Chr. Glimpels zurückzuweisen, wonach „Pannenberg von vornherein die Ebene des Wahrheitsbegriffs (des Sinns von Wahrheit) aus[schalte]“. (Chr. Glimpel, Gottesgedanke und autonome Vernunft, 53 Anm. 143) Ob Pannenberg sich – auch mit Berücksichtigung der Ebene des Wahrheitsbegriffs – in eine „systematische Sackgasse“ verwickele, wie Glimpel behauptet, wird unten weiter reflektiert. Unverständlich bleibt mir aber in jedem Fall Glimpels Begründung für seine These. Er sieht die Ausschaltung der Ebene des Wahrheitsbegriffs bei Pannenberg darin, dass ‚Wahrheit‘ „mit dem, was Kant als „positive Wahrheit“ (KrV, B 85) und Hegel – weit treffender – als bloße „Richtigkeit“ (WL 2, 65) bezeichnet“ habe, identifiziert werde.“ (ebd.). Es ist sicher richtig, dass beides – der Gedanke positiver, materialer Wahrheit ebenso wie die als korrespondentistsich zu interpretierende, von Hegel leider nur abschätzig kritisierte Richtigkeit – für Pannenbergs (Re-)Konstruktion des Wahrheitsbegriffs von Bedeutung ist. Glimpel scheint sich seinerseits daran zu stören, weil er der Auffassung ist, dass ein positivistisches Wahrheitsverständnis, wie er es bezeichnet, für die nach Richtigkeit strebenden empirischen Wissenschaften, nicht aber für die Theologie adäquat sei. In dieser Arbeit wird dagegen deutlich zu machen versucht, dass Wahrheit mit guten Gründen als ein semantisch-ontologisches Phänomen zu fassen ist, sodass sich Einseitigkeiten, wie sie sich gerade auch bei Hegels Begrenzung der Wahrheit auf die ontologische Ebene zeigen, vermeiden lassen und der Dimension der Sprache, über welche wir allein auf außersprachliche Dinge rekurrieren können, die ihr gebührende Aufmerksamkeit zukommen kann. 3 Pannenbergs Rezeption der philosophischen Wahrheitstheorien wird im Wesentlichen für die Konstituierung eines Wahrheitsbegriffs herangezogen, daneben durchaus auch, um bestimmte materiale Wahrheiten beanspruchen zu können, allerdings sicher nicht, um – wie Pannenberg in einem anderen Zusammenhang sagt – eine „aufgeklärte[…] Reduktion des Christentums auf allgemeine philosophische Wahrheiten, die als solche des christlichen Glaubens nicht bedürfen“ (W. Pannenberg, Theologie und Philosophie, 34f) herbeizuführen. 4 I.U. Dalferth und Ph. Stoellger sind der Auffassung, dass die oben erwähnten, von Seiten der

Pannenberg und die modernen philosophischen Wahrheitstheorien

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Pannenberg hat sich (nahezu) ausschließlich mit den drei klassischen Theorien der Wahrheit näher auseinandergesetzt, die auch die bekanntesten sein

Theologie vorgenommenen zeitgenössischen Skizzierungen oder Ausarbeitungen eines theologischen Wahrheitsverständnisses häufig in Anlehnung und Orientierung an philosophischen Vorbildern vorgenommen worden seien (Vgl. I.U. Dalferth/ Ph. Stoellger, Wahrheit, Glaube und Theologie. Zur theologischen Rezeption zeitgenössischer wahrheitstheoretischer Diskussionen, 37). Zutreffend stellen sie fest, dass dies bereits für W. Pannenberg und auch schon den 1962 veröffentlichten Aufsatz „Was ist Wahrheit?“ gilt (ebd.). Auch M. Leiner will (in losem Anschluss an Pannenberg) die philosophischen Wahrheitstheorien in der Theologie berücksichtigt wissen. Er schreibt: „Die weiter oben angeführten Pannenbergzitate verwiesen darauf, dass die Aussagen der Systematischen Theologie nach grundlegenden, auch in der Philosophie geltenden Wahrheitstheorien beurteilt werden müssen.“ (M. Leiner, Methodischer Leitfaden Systematische Theologie und Religionsphilosophie, 52). Allerdings wird noch zu zeigen sein, dass die Relevanz der philosophischen Theorien weder bei Pannenberg noch im Allgemeinen darauf begrenzt ist, nur für die Beurteilung herangezogen zu werden, da die Theorien sich neben den zur Beurteilung heranzuziehenden kriteriologischen Fragen auch definitorischen Fragen sowie denen nach der Möglichkeit von Explikationen des (formalen) Wahrheitsbegriffs widmen. Zu einer anderen, gleichsam gegenläufigen Einschätzung gelangte R. Barth, der 2002 festhielt: Es sei in der Theologie zwar ein Wahrheitsbewusstsein da, und auch die „Dringlichkeit der Wahrheitsfrage“ werde emfpunden, doch glaubt er feststellen zu können, „daß […] die Auseinandersetzung vorwiegend unter Umgehung einer fundamentaltheologischen, einschlägige philosophische Wahrheitstheorien einbeziehenden Erörterung des Wahrheitsbegriffs geführt wird.“ (R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 11) Barth führt diesen von ihm bemerkten Umstand nicht auf die Pluralität philosophischer Wahrheitstheorien zurück, sondern vielmehr auf diese die vielfältigen Theorien verbindende strukturelle Gemeinsamkeit, die Übereinstimmung nämlich, „daß sich in ihnen kein Hinweis auf einen allesbestimmenden, absoluten Wirklichkeitsgrund oder eine göttliche Wahrheit findet“ (ebd.). In dieser sämtliche Wahrheitstheorien teilenden Parallele liegt es sicher auch begründet, dass Pannenbergs veritativer Ansatz trotz der Rezeption der Wahrheitstheorien in relativ großer Distanz zu den Theorien im Einzelnen zu stehen scheint (s. u. dazu mehr). Eine Rezeption philosophischer Wahrheitstheorien findet sich innerhalb der Theologie des 20. Jahrhunderts freilich nicht nur bei Pannenberg, wie H. Schulz gezeigt hat, sondern in einigen entsprechenden Wahrheitsauffassungen, darunter die Wahrheitskonzeptionen von R. Bultmann u. E. Brunner (siehe zum Exempel E.M. Pausch, Wahrheit zwischen Erschlossenheit und Verantwortung, 2f). Von G. Sauter wird eine Konsensustheorie der Wahrheit vertreten, die ihrerseits um den korrespondentistischen Gedanken eines Übereinstimmens mit der Realität erweitert wird (vgl. dazu ausführlicher G. Sauter, Was ist Wahrheit in der Theologie?, 57–82). Zu einer von E. Herms entwickelten Korrespondenztheorie vgl. exemplarisch E. Herms, Wahrheit und Freiheit, in: E. Herms, Phänomene des Glaubens, 149–170) u. H. Schulz, Vom Daseinsverständnis zum Evidenzerleben, 120–122. W. Kasper (Das Wahrheitsverständnis der Theologie, bes. 189ff) integrierte die Korresondenz, die Kohärenz und den Konsensus in sein theologisches Wahrheitsverständnis. W. Härle sprach sich für eine (bestimmte Form der) Korrespondenztheorie aus (siehe dazu W. Härle, Das christliche Verständnis der Wahrheit, 61–89; zu Härle siehe auch schon die Bemerkungen von E.M. Pausch, Wahrheit zwischen Erschlossenheit und Verantwortung, 3). G. Keil machte sich für eine Kohärenztheorie (vgl. G. Keil, Glaubenslehre. Grundzüge christlicher Dogmatik, 41–48) stark; siehe dazu auch E.M. Pausch, Wahrheit zwischen Erschlossenheit und Verantwortung, 3. Zu Chr. Schwöbels theologischer Rezeption der klassischen Wahrheitstheorien siehe Chr. Schwöbel, Die Wahrheit des Glaubens im religiös-weltanschaulichen Pluralismus, 25–60. Chr.

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dürften – namentlich mit der Kohärenz-, der Korrespondenz- und der Konsensustheorie5. Er folgt damit einem bis in die Gegenwart hinein beobachtbaren Landmesser hat sich schließlich für einen semantisch-ontologischen Wahrheitsbegriff ausgesprochen (siehe dazu besonders die Studie: Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft). Auf kreative Weise hat M. Leiner philosophische Wahrheitstheorien theologisch intepretiert, d. h. praktisch reinnoviert. Leiner (Gewinnen ohne zu unterwerfen – Zum Wahrheitsverständnis in den abrahamitischen Religionen, 49f) hat hier zwar nicht ausdrücklich von einem theologischen Wahrheitsverständnis gesprochen, wohl aber das des christlichen Glaubens in Beziehung zu den philosophischen Wahrheitstheorien gesetzt. Dieses sei zwar von den philosophischen Theorien verschieden, könne dennoch aber Anschluss an sie finden: „Dabei hat die Kohärenztheorie mehr mit Gott dem Vater, die Korrespondenztheorie mehr mit Gott dem Sohn und die pragmatische und Konsenstheorie der Wahrheit mehr mit dem Geist zu tun.“ (a. a. O., 50) Konkret soll dies heißen: „Gott der Vater ist der wahre Gott, der als Schöpfer von Himmel und Erde die erstaunliche Kohärenz des Geschaffenen hervorgebracht hat. Jesus Christus ist die Wahrheit in Person, weil mit ihm das Gott entsprechende menschliche Leben auf Erden Ereignis geworden und erschienen ist und der Heilige Geist führt von jeher, innerhalb und außerhalb der christlichen Kirche Menschen zusammen in immer neuer, größerer Wahrheit“ (ebd.). Diese (im Anschluss an B. Marshall, Trinity and Truth) erfolgte Inbeziehungsetzung von trinitarisch verstandenem christlichen Wahrheitsverständnis und philosophischen Theorien erscheint willkürlich, zumal das Anliegen der rezipierten Theorien in dieser Form der Inanspruchnahme nicht wiedererkennbar ist, sondern unübersehbar verzeichnet wird. An anderer Stelle hat Leiner dagegen ausdrücklich für eine (wenn auch kritische) theologische Rezeption philosophischer Wahrheitstheorien votiert. Vgl. dazu M. Leiner, Methodischer Leitfaden Systematische Theologie und Religionsphilosophie, 62. Sein Urteil lautet dort, dass „alle gängigen Wahrheitstheorien in der Theologie eine Rolle spielen“, doch keine könne unkritisch Anwendung finden. „Jede muss in einem dialogischen Verfahren aufgebrochen werden. Letztlich denkt Theologie einem Wahrheitsgeschehen nach, in das der Glaubende von Gott her einbezogen ist.“ (a. a. O., 62). Allerdings ist für die jüngere und jüngste Zeit charakteristisch, dass (von manchen Ausnahmen abgesehen) die philosophische Theoriediskussion innerhalb der Theologie kaum Beachtung findet. Zudem findet kaum ein binnentheologischer Wahrheistdiskurs statt. Zu dieser Feststellung vgl. H. Schulz, Vom Daseinsverständnis zum Evidenzerleben, 115f. Die in sämtlichen neueren veritativen Ansätzen theologischer Provenienz verstärkt erkennbare positive Beachtung philosophischer Theoriebildung wird bestätigt durch die Beobachtungen von W. Härle und R. Preul, die ohnehin „die Theologie zum wahrheitstheoretischen Diskurs“ genötigt sehen. Siehe dazu W. Härle/ R. Preul, Vorwort, in: Marburger Jahrbuch Theologie XXI (Wahrheit), VIII: Bemerkenswert ist, dass das Eintreten in diesen philosophischen Diskurs mit Verweis auf die eschatologische Verifikationsthematik sowie mit Hinweis auf das johanneische Jesuswort in Joh 14,6 begründet wird – zum Einen mit Verweis auf den in diesem Wort implizit vorhandenen Absolutheitsanspruch, zum Anderen mit der in dem Jesuswort zum Ausdruck kommenden Verbindung von ‚Wahrheit‘ mit der Person Jesu. 5 Wenn man von der interpersonalen Verifikationstheorie von W. Kamlah u. P. Lorenzen (s. u.) als einem eigentümlichen Theorieentwurf absieht. Innerhalb seines magnum opus findet sich weder eine Berücksichtigung speziell evidenztheoretischer Entwürfe (z. B. Franz Brentanos „Wahrheit und Evidenz“ [1930]) noch eine eingehende Behandlung der (nach wie vor diskutierten) Wahrheitstheorien des 20. Jahrhunderts (siehe dazu G. Skirbekk (Hg.), Wahrheitstheorien). Die prominente semantische Theorie von A. Tarski und die verschiedenen Konzeptionen der Redundanztheorien werden so gut wie übergangen. Insofern erstaunt es nicht, dass Pannenberg an keiner Stelle auch auf die neuere, zunehmend sich ausdifferenzierende wahrheitstheoretische Diskussion eingegangen ist. Zur zunehmenden Komplexität in der

Pannenberg und die modernen philosophischen Wahrheitstheorien

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Trend im Wahrheitsdiskurs, diese drei Theorien als vorrangig zu behandeln. Dazu notiert er bereits 1978: „Im Vordergrund der Diskussion stehen die Konsensustheorien der Wahrheit, die aber mit ihrer These des Konsensus als Wahrheitskriterium der Rückfrage ausgesetzt bleiben, wie der Konsensus über die Wahrheit von bloßer Konvention unterschieden werden kann, und die Kohärenztheorie der Wahrheit, die auf idealistische, aber auch auf logisch-empiristische Ursprünge zurückgeht und in der gegenwärtigen Diskussion vor allem durch das gewichtige Buch von N. Rescher (The Coherence Theory of Truth, Oxford 1973) erneuert worden ist.“6

Neben den drei klassischen philosophischen Theorien der Wahrheit kommt auch der sog. interpersonale Verifikationstheorie (der Erlanger Schule), die von Pannenberg als eine die Korrespondenz- und die Konsensustheorie verbindende Theorie interpretiert wird, eine nicht unerhebliche Bedeutung zu. Auch das gilt es wahrzunehmenn, will man Pannenbergs Wahrheitsbegriff in seiner Theorieanreicherung angemessen erfassen. Bemerkenswert in seinem Umgang mit philosophischen Wahrheitstheorien ist die Tatsache, dass er eine kritisch-konstruktive Auseinandersetzung gesucht und für eine theologische Rezeption einzelner zentraler philosophischer Theoriegehalte geworben hat. Pannenberg entwickelte einen originellen synthetisch-integrativen, strukturell multidimensionalen Begriff von Wahrheit und damit eine bestimmte Wahrheitskonzeption, die auf die keinesfalls selbstverständliche, in der Theologie allerdings gelegentlich dennoch anzutreffende Voraussetzung aufbaut, dass (v. a.) die drei klassischen Wahrheitstheorien miteinander verknüpft werden könnten7. Dies ist – unabhängig von der noch ausstehenden Theoriediskussion seit dem 20. Jahrhundert siehe auch die Bemerkungen von Chr. Landmesser: „Die philosophische Diskussion um den Wahrheitsbegriff differenziert sich derzeit immer weiter aus. Dabei wird erkennbar, dass mit der Frage nach W. ontologische, erkenntnistheoretische, logische, semantische und kommunikationstheoretische Aspekte verknüpft sind.“ (Chr. Landmesser, Art. Wahrheit, in: TRT5 Bd. 3, 1248). Diese Erkenntnis ist erfreulicherweise auch in der Theologie angekommen, wie die zwei Tagungsbände I.U. Dalferth, Wahrheit in Perspektiven (1) und W. Härle/ R. Preul (Hg.), Marburger Jahrbuch Theologie XXI (Wahrheit) (2) demonstrieren. Es ist in der Theologie ein Trend hin zu einer differenzierteren Auseinandersetzung mit philosophischen Wahrheitstheorien zu erkennen. 6 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 235f. Scheinbar weil neben der Korrespondenztheorie die Kohärenz- und die Konsensustheorie im Vordergrund der gegenwärtigen Diskussion standen und (immer noch) stehen, hat Pannenberg sich seinerzeit schwerpunktmäßig mit dem Kohärenz- und Konsensuskriterium auseinandergesetzt. Vgl. dazu auch folgende Bemerkung Pannenbergs zu den philosophischen Wahrheitstheorien: „Der Konsensus der Urteilsbildung und die Kohärenz der Interpretation sind als solche Kriterien geltend gemacht worden“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 34). 7 Es sei hier einmal exemplarisch auf Chr. Schwöbel, H. Schulz u. M. Leiner hingewiesen, die in diesem Punkt – Pannenberg nicht unähnlich – davon ausgegehen, dass die verschiedenen Wahrheitstheorien nicht miteinander konkurrieren müssten, da sie lediglich verschiedene Aspekte bzw. Dimensionen des Wahrheitsproblems beträfen: Schwöbel etwa meint: „Die

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Wertung eines solchen Unternehmens – in jedem Fall eine Besonderheit, vor allem, wenn man bedenkt, dass diese (und im Übrigen nicht nur diese) Theorien der Wahrheit nach Meinung ihrer Vertreter in der Regel als miteinander konkurrierende, rivalisierende und einander ausschließende Alternativen zu verstehen sind. Das hat vielerlei Gründe. Einer ist, dass in der Thematisierung von ‚Wahrheit‘ – wie oben erwähnt – nicht immer dasselbe Phänomen thematisiert wird. Des Weiteren werden – sicher nicht zuletzt auch gerade aufgrund unterschiedlicher Interessen, Denkvoraussetzungen und dergleichem – schlicht immer wieder unterschiedliche Wahrheitsbegriffe entwickelt, verschiedene Definitionen propagiert und unterschiedliche Kriterien postuliert, was nahezu

Korrespondenztheorie der Wahrheit ist unverzichtbar für die Frage nach der Bedeutung des Begriffs der Wahrheit, der in genauer zu bestimmender Weise die Übereinstimmung von Zeichen und Bezeichnetem zum Inhalt hat. Die Kohärenztheorie trägt nichts zur Bedeutungsfrage bei, formuliert aber ein fundamentales Wahrheitskriterium.“ (Chr. Schwöbel, Die Wahrheit des Glaubens im religiös-weltanschaulichen Pluralismus, 52). Auch H. Schulz hat für eine Kompatibilität der drei klassischen Theorien der Wahrheit optiert, wenn auch die Begründung eine andere ist: „Korrespondenz-, Kohärenz- und Konsenstheorie der Wahrheit widersprechen einander nicht; sie beziehen sich vielmehr auf verschiedene Aspekte oder Hinsichten des Wahrheitsproblems, und zwar in drei unterschiedlichen, irreduziblen Dimensionen dieses Problems: die erste auf dessen ontologische oder semantische Dimension (Wahrsein/Bedeutung des Wahrheitsbegriffs/Wahrheitsdefinition); die zweite auf dessen logische Dimension (Entitätenklasse wahrer als logisch miteinander verträglicher Aussagen i. S. eines notwendigen, aber nicht hinreichenden Wahrheitskriteriums); die dritte auf dessen erkenntnistheoretische Dimension (Bedingungen und Verfahren der Verifikation einzelner Aussagen).“ (H. Schulz, Vom Daseinsverständnis zum Evidenzerleben, 123). M. Leiner (Methodischer Leitfaden Systematische Theologie und Religionsphilosophie, 53) mahnt, es bleibe wichtig, „dass eine rein schematische Anwendung dieser Wahrheitstheorien [sc. gemeint sein dürften die drei klassischen Theorien plus pragmatische Wahrheitstheorie sowie jene von ihm sog. eschatologische Verifizierungstheorie und ein ‚forschungsgeschichtliches‘ Verständnis der Wahrheit], vor allem dann, wenn einzelne Wahrheitstheorien isoliert werden, zu problematischen Ergebnissen führt.“ Keine Wahrheitstheorie könne „unkritisch verwendet werden. Jede muss in einem dialogischen Verfahren aufgebrochen werden.“ (a. a. O., 62). Von Leiner scheint nicht bemerkt zu werden, dass die erwähnten Theorien sich zumeist als verschiedene, z.Tl. auch rivalisierende Alternativen verstehen, weshalb sie (zumindest zunächst) nicht einfach kombiniert werden können. Dessen ungeachtet erweist sich eine Aufteilung der Wahrheitsthematik in verschiedene Dimensionen m. E. als grundsätzlich problematisch, weil dadurch die Äquivozität im Wahrheitsbegriff nicht lediglich zugelassen, sondern geradezu erzeugt wird. Auch Pannenbergs Wahrheitsverständnis wird man mit solcher Kritik konfrontieren müssen. Unabhängig davon kann der Behauptung Schwöbels, die Kohärenztheorie trage nichts zur Bedeutungsfrage bei, so nicht zugestimmt werden. Sie trifft zwar für den speziellen Fall der frühen Kohärenztheorie von N. Rescher zu, keinesfalls aber grundsätzlich. Zu Recht hatte innerhalb der Theologie E.M. Pausch darauf hingewiesen, dass in kohärenztheoretischen Entwürfen in der Kohärenz auch das Definiens von Wahrheit gesehen werden kann (Vgl. E.M. Pausch, Wahrheit zwischen Erschlossenheit und Verantwortung, 81–84), so problematisch dies manch einer finden mag.

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unweigerlich Ausschließungsmechanismen hervorruft8 und die Option auf eine Synthetisierung verschiedener Theorien der Wahrheit sehr häufig unterminiert. Im krassen Gegensatz dazu zeigt sich Pannenberg geradezu skeptisch gegenüber dem Festhalten an nur einer Theorie der Wahrheit, sei es eine reine Kohärenz-, eine reine Korrespondenz- oder eine reine Konsensustheorie. Seinem „integrierenden Denken“9 entspricht es, dass er an einer synthetisierenden Zusammenführung dieser drei Theorien Gefallen gefunden hat. Durch die Umsetzung werden ausgewählte Theoriegehalte zu Aspekten, Momenten oder Dimensionen eines größeren, da diese umfassenden, Begriffs von Wahrheit. Pannenberg schreibt etwa: „Der Begriff der Wahrheit impliziert Einheit alles Wahren, daher Widerspruchslosigkeit. Die Gegenstandskorrespondenz, die unter dem Gesichtspunkt der Aussage im Vordergrund steht, bildet im Zusammenhang des Wahrheitsbegriffs nur einen Aspekt solcher Einheit oder Kohärenz des Wahren. Ein anderer Aspekt ist der Konsens der kompetent Urteilenden. Ein weiterer Aspekt ist die widerspruchsfreie Übereinstimmung aller wahren Sachverhalte untereinander.“10

Die Tatsache, dass Pannenberg überhaupt mit der Möglichkeit einer Synthetisierung dieser essentiellen Aspekte verschiedener Wahrheitstheorien rechnet, dürfte auf der sicher unzutreffenden Annahme beruhen, dass gleichsam alle Theorien der Wahrheit ihren Ausgangspunkt bei dem Aspekt der Korrespondenz nähmen: „Der Anspruch der Aussage bzw. des Behauptungssatzes, einem von ihr oder ihm unterschiedenen Sachverhalt zu entsprechen, bildet den gemeinsamen Ausgangspunkt dieser Theorien.“11

8 Zur Konkurrenz der philosophischen Wahrheitstheorien siehe etwa die folgenden Bemerkungen von K. Gloy. Sie sieht vor allem eine Diskrepanz zwischen der einen Wahrheit und der Pluralität von Wahrheitstheorien. Nach K. Gloy (Kants Wahrheitstheorie und moderne Positionen, 6) dürfte diese Diskrepanz „in der Divergenz zwischen Phänomen und Theorie der Wahrheit, zwischen Vollzug der Wahrheit und Reflexion auf die Wahrheit bestehen.“ „Da jede Theorie und die ihr genuinen Begriffe wie Termini, Definitionen, wie schon die Bedeutung dieser Begriffe besagt, in ihrem Präzisionsverhalten exkludierend sind und vieles ausschließen, ist es verständlich, dass eine Theorie die andere evoziert und diese wiederum eine dritte und vierte und so fort. Das Auftreten diverser, meist sogar antithetischer Theorien hängt zusammen mit dem an die Theorie selbst gebundenen Ausschlussverfahren. Die Kluft zwischen Faktum und Theorie bleibt unüberwindbar.“ (ebd.) Siehe auch ihre luziden Bemerkungen in K. Gloy, Wahrheitstheorien, 67ff. 9 Von einem „integrierenden Denken“, das verschiedenste Motive synthetisiert, hat etwa schon Th. Freyer (Zeit – Kontinuität und Unterbrechung, 182) gesprochen. 10 W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 174. 11 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 235. In der Korrespondenz sieht er auch die grundlegende Gemeinsamkeit vieler wahrheitstheoretischer Ansätze in der Philosophie. Vgl. W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 173 inkl. Anm. 7. Pannenberg verweist auf L.B. Puntel, Wahrheitstheorien.

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Diese Annahme ist allein schon deshalb falsch, weil nicht jede Theorie der Wahrheit um Korrespondenz bemüht ist. Zwar kann mit Pannenberg davon ausgegangen werden, dass die verschiedenen, zur Korrespondenztheorie der Wahrheit vorgeschlagenen Alternativen mehr oder weniger auf diese Theorie angewiesen sind, insofern sie die für die Erkenntnisrelation wesentliche, ja sogar unentbehrliche Relation zwischen sprachlicher und ontologische Ebene thematisieren12. Pannenberg scheint aber nicht zu bemerken, dass eine Korrespondenztheorie oftmals gar nicht intendiert wird13. Es ist sogar vielmehr so, dass viele Theorien der Wahrheit als rivalisierende Alternativen zu ihr überhaupt erst entstanden sind, weil der Korrespondenzgedanke bis in die Gegenwart hinein in Verdacht steht, mit erheblichen Problemen behaftet zu sein14. 12 Für den Korrespondenztheoretiker A. Kreiner besteht in der (faktischen) Angewiesenheit auf eben diese Theorie der Wahrheit ihre „Überlegenheit“ gegenüber alternativen Wahrheitstheorien. Vgl. dazu ausführlicher A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 292, auch schon 290ff. C. Krijnen denkt hier ähnlich: „Alle Versuche einer Bestimmung des Wahrheitsbegriffs haben in positiver oder negativer Hinsicht die klassische Formel veritas est adaequatio rei et intellectus zum Ausgangs- und Bezugspunkt“ (Chr. Krijnen, Der Wahrheitsbegriff im Neukantianismus, 289). 13 Das scheint Pannenberg nicht bemerkt zu haben. Anders kann ich mir nicht erklären, dass er meint, dass es „irreführend [sei], die in der Aussage behauptete Korrespondenz mit dem Sachverhalt selber schon als Inhalt einer „Korrespondenztheorie“ der Wahrheit vorzutragen.“ (W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 235) Pannenberg übersieht hier, dass sowohl die Konsensustheorie des J. Habermas als auch sämtliche Kohärenztheorien der Wahrheit gerade nicht mit dem Moment der Korrespondenz verbunden sein wollen. Inwieweit Pannenberg selbst von der eigens formulierten These ausgegangen ist, ist unklar. Immerhin hat er schon in der 1973 erschienen „Wissenschaftstheorie und Theologie“ in Auseinandersetzung mit J. Habermas festgestellt, dass jener den Aspekt der Korrespondenz ausschließen wolle (Vgl. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 205 Anm. 402). Andererseits bezeugt eine seiner Bemerkungen zur Konsensustheorie J. Habermas’ im ersten Band seiner „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “, dass Pannenberg davon ausgeht, Habermas’ Konsensustheorie ziele auf Korrespondenz ab. Pannenberg hält unter Berufung auf A. Beckermann fest, Habermas habe mit dem Konsensuskriterium „die in Behauptungen beanspruchte Korrespondenz zu Sachverhalten“ zu gewinnen gesucht (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 22 [Anm. 19]). Pannenbergs These von dem allen Wahrheitstheorien gemeinsamen Korrespondenzaspekt dürfte eher daher rühren, dass er selbst grundsätzlich annimmt, dass alle Wahrheitstheorien nicht ohne das Moment der Korrespondenz auskommen. So versteht sich auch seine Bemerkung „[z]ur Korrespondenztheorie (bzw. zur semantischen Deutung des Wahrheitsbegriffs) als Bezugspunkt der übrigen Wahrheitstheorien“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 34 Anm. 42) mit dem Hinweis auf L.B. Puntel (Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie, 9) sowie auf seine eigenen Darlegungen a. a. O., 58ff, und bes. 62f, woraus deutlich hervorgeht, dass er den Wahrheitsbegriff nicht ohne das Moment der Korrespondenz denkt. 14 Ähnlich dieser unzutreffenden Einschätzung Pannenbergs ist diejenige von E. Herms, der auch der Auffassung ist, dass alle Wahrheitstheorien die der Korrespondenztheorie in ihrer klassischen Form zugrunde liegende Intuition voraussetzten, nämlich dass ‚wahr‘ eine Eigenschaft von Aussagen sei, wobei die Eigenschaft in der Übereinstimmung von Aussage mit der Realität, die mit der Aussage intendiert wird, gesehen werde. Vgl. E. Herms, Offenbarung und Wahrheit, 288.

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Werkschronologisch betrachtet stellt die Korrespondenztheorie der Wahrheit eine schon in sehr frühen Veröffentlichungen Pannenbergs nachweisbare Theorie der Wahrheit dar. In Verbindung mit der Konsensustheorie wird sie in der „Wi s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d T h e o l o g i e “ (1973) gewürdigt. Erst ab Ende der 1970er Jahre und später dann an prominenter Stelle in seiner „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ (1988–1993) bringt Pannenberg die Kohärenz als ein weiteres Kriterien für die (schon früh thematisierte) korrespondentistische Wahrheit explizit ins Spiel – und zwar vor dem Hintergrund eines neuzeitlichen Problembewusstseins hinsichtlich der Erkenntnisfrage: Solange Erkenntnis als Abbildung – sei es in einer Aussage oder im Bewusstsein – verstanden wurde, E. Herms scheint deshalb wohl auch zu meinen, dass das Verständnis von Wahrheit als Adäquanz für die Aspekte der Kohärenz und des Konsensus „fundierende Bedeutung“ behalte (vgl. E. Herms, Phänomene des Glaubens, 152). Chr. Landmesser hat mit Recht in Anknüpfung an Herms herausgestellt, dass alle Wahrheitstheorien faktisch mit der der Korrespondenztheorie zugrundeligenden Intuition operierten. Diese Einschätzung von Herms für diejenigen Theorien der Wahrheit bedarf insofern der Präzision durch Landmesser, als dies für solche Theorien der Wahrheit gilt, die diese Intuition (als intuitives Verständnis der Wahrheit) „zu reflektieren beanspruchen.“ (So Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff, 49 Anm. 51). Eine Reflexion dieser Intuition wird aber eben nicht von allen Theorien der Wahrheit geleistet, auch wenn man dies im Sinne von Herms und Pannenbergs vielleicht fordern sollte. Mit seiner Einschätzung, alle Wahrheitstheorien involvierten absichtlich die Korrespondenz, denkt Pannenberg offenbar wie I. Kant, der in der Korrespondenztheorie die Erklärung für den Ausdruck ‚Wahrheit‘ sah und deswegen auch meinte, dass die Übereinstimmung zwischen Erkenntnis und Gegenstand „geschenkt“ und „vorausgesetzt“ (KrV, A 58, B 82) sei, und damit diese Einsicht letztlich für trivial hielt, dagegen die Frage nach dem Wahrheitskriterium als wichtig einstufte (vgl. ebd.) Siehe dazu auch die Bemerkung von V. Gerhardt, Wahrheit und Öffentlichkeit, 19. K.-O. Apel hatte ähnlich argumentiert: Die Korrespondenztheorie sei nur Namenserklärung, es kommt aus seiner Sicht vielmehr darauf an zu klären, was als allgemeines und sicheres Wahrheitskriterium gelten könne (Siehe K.-O. Apel, Fallibilismus, Konsenstheorie der Wahrheit und Letztbegründung, 123). Kant und Apel nicht unähnlich hält also auch Pannenberg die kriteriologische Frage für das Entscheidende: „Wie jener Korrespondenzanspruch sich begründen läßt, die Frage nach Kriterien des Wahrheitsanspruchs also, ist Gegenstand der in engerem Sinne so zu nennenden Wahrheitstheorien.“ (W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 235). Gegen Pannenberg bleibt festzuhalten, dass der Ausdruck Korrespondenztheorie keineswegs irreführend ist. Der Inhalt der Korrespondenzwahrheit liegt immer in einer Relationalität zwischen der subjektiven (sprachlichen) und der außersprachlichen (ontologischen) Ebene, sodass sich die Vielzahl der einzelnen korrespondenztheoretischen Entwürfe immer schon von denjenigen Wahrheitsbegriffen abhebt, die Wahrheit entweder auf der subjektimmanenten Ebene zu fassen suchen und damit gerade auch im Unterschied zur Korrespondenztheorie auch beispielsweise in der Kohärenz oder im Konsensus das Definiens von Wahrheit erblicken können oder – im Gegenteil – auf der rein ontologischen Ebene vermuten bzw. lozieren. Mit Pannenberg mag man allerdings die kritische Anfrage formulieren, ob die zur Korrespondenztheorie formulierten alternativen Theorien der Wahrheit überhaupt ohne das Moment der Korrespondenz auskommen können, d. h. ob nicht doch – wie auch K. Gloy meint – der Verdacht angebracht ist, dass der Adäquations- oder Korrespondenzaspekt „auch in den anderen Theorien von Wahrheit nie ganz aufgegeben wird.“ (K. Gloy, Wahrheitstheorien, 93).

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„konnte es scheinen, daß die Erkenntnisfunktion das Maß ihrer Gegenstandskorrespondenz in sich selbst trage.“15 Doch die von Pannenberg geteilte neuzeitliche Annahme schöpferischer Produktivität im Erkenntnisprozess „hat diese Vorstellung obsolet werden lassen.“16 Dies hat nach Pannenbergs Einschätzung geschichtlich zur berechtigten Suche nach Wahrheitskriterien geführt. Der Konsensus und die Kohärenz als die (klassischen) Kriterien der Wahrheit ermöglichen Pannenberg zufolge eine gegenwärtige Urteilsbildung über wahr und falsch, also noch bevor die Wahrheit eschatologisch und in abschließend definitiver Gestalt ans Licht komme17. Dass Kohärenz, Korrespondenz und Konsensus nicht nur kriteriologisch, sondern auch definitorisch für den formalen Wahrheitsbegriff zu reklamieren sind, stellt Pannenberg erst in seiner „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ deutlich heraus. Die philosophischen Wahrheitstheorien und ihre Rezeption werden im Folgenden zunächst (nach Möglichkeit) in ihrer Vereinzelung behandelt, bevor ihre Zusammenführung durch Pannenberg thematisiert werden wird. Zu Beginn soll nach der Korrespondenztheorie und ihren Erscheinungsformen in Pannenbergs Theologie gefragt werden.

3.4.2 Korrespondenz und die Korrespondenztheorie der Wahrheit 3.4.2.1 Zur Grundstruktur der Korrespondenztheorie der Wahrheit Die Korrespondenztheorie der Wahrheit ist die älteste Theorie der Wahrheit und sicher auch die bekannteste18, gewissermaßen so etwas wie die Wahrheitstheorie des common sense. Auch wenn vielfach von der Korrespondenztheorie der Wahrheit im Singular gesprochen wird, muss man sich darüber im Klaren sein, dass der Terminus nur ein Begriff zur Klassifizierung ist. Es handelt sich bei der 15 W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 173. 16 W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 173. 17 Die Anwendung beider Wahrheitskriterien in der Theologie Pannenbergs zeigt, dass sie stets für die gegenwärtige Urteilsbildung relevant werden. Wären sie für den Gebrauch in der Gegenwart untauglich, würde man sie wohl kaum als Wahrheitskriterien ernsthaft diskutieren wollen. Jedenfalls hat Pannenberg zu Recht die Kritik von G. Sauter zurückgewiesen, wonach seine Darlegungen darauf abzielten, die Entscheidung über Wahrheitsansprüche auf das Eschaton zu verlagern. Dass dies zwar ein richtiger, aber nur ein Aspekt ist, wird im Folgenden deutlich werden. Vgl. zur Kritik an G. Sauter: W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 174. 18 Vgl. L.B. Puntel, Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie, 26. Ob sie gegenwärtig noch, wie Puntel 1978 behauptete, die verbreitetste Theorie der Wahrheit darstellt, sei einmal dahingestellt (vgl. ebd.). Dass sie die „die älteste, bekannteste und noch in der Gegenwart am meisten verbreitete Wahrheitstheorie“ sei, behauptet auch C. Krijnen, Der Wahrheitsbegriff im Neukantianismus, 289.

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Korrespondenztheorie um einen bestimmten Typus von Wahrheitstheorien, unter den sich eine Vielzahl verschiedener korrespondentistischer Theorieentwürfe subsummieren lassen. Die Korrespondenztheorie entstammt „der aristotelisch-scholastischen Denktradition“19, kennt besonders prominente Vertreter aus dem Idealismus20 und wirkt bis in den eher intuitiven truth talk des Alltag hinein. Allen korrespondenztheoretischen Entwürfen ist gemein, dass sie sowohl den subjektiven Bereich des erkennenden Subjektes als auch den objektiven Bereich des zu Erkennenden umfassen21. Darum kann diese als eine spezifisch relationale Theorie der Wahrheit gelten (wobei mit K. Gloy die rhetorische Frage zu stellen ist, ob bei alternativen Wahrheitstheorien [bzw. –begriffen] von Relationen im Wahrheitsbegriff überhaupt abstrahiert werden kann22). Die Korrespondenztheorie ist so zugleich auch eine bestimmte Explikation des semantisch-ontologischen Wahrheitsbegriffs. Zur exemplarischen Verdeutlichung der Inbeziehungsetzung der subjektiven Ebene (des erkennenden Subjekts) zu der objektiv-ontologischen Ebene (der Erkenntnisgegenstände), wie dies bei korrespondenztheoretischen Wahrheitstheorien als entscheidendes Strukturmerkmal erkennbar wird, lohnt der Seitenblick auf die berühmt gewordene Fassung des Thomas von Aquin. Wahrheit hat er als correspondentia bzw. adaequatio rei et intellectus bestimmt23. Wahrheit 19 L.B. Puntel, Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie, 26 Anm. 1. Das bleibt auch dann richtig, wenn man darüber streiten mag, ob Aristoteles das Verhältnis zwischen der Ebene des Erkenntnissubjekts und der außersprachlichen Wirklichkeit explizit als Korrespondenz verstanden wissen wollte. Puntel sieht in den Formulierungen des Aristoteles „(noch) nicht den Gedanken einer Korrespondenz zwischen Aussage und Wirklichkeit“, allerdings verstehe Aristoteles „seine Wahrheitsbestimmung im Sinne einer Entsprechung“ (ebd.). 20 Etwa bei I. Kant in der KrV wird als „Namenerklärung der Wahrheit“ gesagt, dass diese „die Übereinstimmung der Erkenntnis mit ihrem Gegenstande sei“ (I. Kant, KrV, A 58 B 82) sei, in Schelligs System des transzendentalen Idealismus wird Wahrheit sehr ähnlich als Übereinstimmungsverhältnis von „Vorstellungen mit ihren Gegenständen“ gefasst (Siehe dazu F.W.J. Schelling, Schellings Werke [Ed. M. Schröter], Bd. 2, 339). Sogar bei Hegel findet sich (auch) die Korrespondenztheorie der Wahrheit in Gestalt der „Übereinstimmung der Erkenntnis mit ihrem Gegenstande“ (G.W.F. Hegel, Wissenschaft der Logik II, 266; allerdings als triviale Namenserklärung ausgegeben). 21 So treffend die Besonderheit dieser Theorie nach K. Gloy, Wahrheitstheorien. Eine Einführung, 92. Davon unterscheidet Gloy sowohl die objektiven Theorie-Typen als auch die subjektimmanenten Theorieentwürfe (vgl. a. a. O., exemplarisch 67ff). 22 „Auch die anderen Wahrheitsverständnisse, die Wahrheit nicht als Korrespondenz und somit im eigentlichen Sinne als Relation interpretieren, sondern sich auf die objektive oder subjektive Seite konzentrieren, wie der ontische Wahrheitsbegriff und die Kohärenztheorie, können nicht gänzlich von Relationen abstrahieren.“ (K. Gloy, Wahrheitstheorien, 9 u. 20). 23 Pannenberg geht allerdings nicht näher auf das (im Detail doch hoch differenzierte) Wahrheitsverständnis des Aquinaten ein. Eine gründliche Untersuchung bietet R. Barth in seiner Studie „Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein“. Thomas selbst schreibt die oben zitierte Formel Isaac ben Salomon Israeli zu (Siehe dazu Th. v. Aquin, Von der Wahrheit.

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besteht damit in einem Übereinstimmungs- oder Angleichungsverhältnis. Dass dieses Korrespondenz- oder Adäquationsverhältnis als ein Verhältnis zwischen Sache und Intellekt aufgefasst wird, ist keineswegs zwingend, sondern lediglich die spezielle Erscheinungsform seines Verständnisses der Korrespondenztheorie der Wahrheit. Die Differenz zwischen zwei heterogenen Ebenen erweist sich jedoch schon für die Erkenntnisrelation als solche durchweg (und auch für den hier propagierten semantisch-ontologischen Begriff der Wahrheit) als konstitutiv, weshalb sie sich m. E. auch nicht gut bestreiten lässt24. Diskutiert wird bis dato De veritate (Quaestio I), q.1. a.1, 8 [lat.]/ 9 [dtsch]). Zur römischen und griechischen Vorgeschichte dieser Formel siehe W. Luther, Wahrheit, Licht und Erkenntnis in der griechischen Philosophie bis Demokrit. Ein Beitrag zur Erforschung des Zusammenhanges von Sprache und philosophischem Denken, 1–240. Vgl. auch W. Luther, Wahrheit und Lüge im ältesten Griechentum. 24 Diese im Werk Pannenbergs anzutreffende Unterscheidung zwischen zwei Ebenen – zwischen einer sprachlichen und ontologischen bzw. zwischen einer subjektiven und einer objektiven Ebene – ist dennoch kritisch beäugt worden. So kritisierte etwa K. Vechtel Pannenbergs Trennung zwischen Denken und Sein und sieht – sicher nicht zu Unrecht – eine Parallele zu Kant, der ebenfalls diese Trennung vorgenommen hat (vgl. K. Vechtel, Trinität und Zukunft, 245). Vechtel hat sich bei seiner Kritik auf J.A. Martínez-Camino berufen, der gegen Pannenberg die Meinung äußerte, „eine prinzipielle Trennung“ zwischen Gedanke(-nwelt) und Wirklichkeit/Realität sei nicht möglich, zumindest nicht, wenn es um Gott gehe (vgl. J.A. Martínez-Camino, Wechselseitige Selbstunterscheidung? Zur Trinitätslehre Wolfhart Pannenbergs, 99f). „Wenn man mit fundamentalen Phänomenen des menschlichen Seins zu tun hat, darf eine prinzipielle Trennung von Gedankenwelt und Wirklichkeit nicht angenommen werden. Wenn es nicht um irgendeine Phantasterei geht, sondern um etwas so tief im Menschen Verankertes und konstitutiv zu ihm Gehörendes wie den Gottesgedanken, dann kann es sich schwer um einen bloßen Gedanken handeln, dem überhaupt keine Wirklichkeit außer uns entsprechen würde. Sind wir durstig, dann muß es so etwas wie Wasser geben. Der Durst ist ja keine Phantasie, sondern ein der Wirklichkeit zugehörendes Phänomen.“ (a. a. O., 100) Martínez-Camino müsste sich jedoch vor Augen halten, dass der Gottesgedanke selbst noch nichts über die Wirklichkeit Gottes besagt. Es ist hier an Kants Kritik des ontologischen Gottesbeweises zu erinnern. Die Intension eines Begriffs besagt noch nichts über dessen Extension. Und – um im Bild zu bleiben: Die Tatsache, dass jemand Durst hat, muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass es tatsächlich Wasser gibt. Davon einmal abgesehen, scheint auch Martínez-Camino die Distinktion zweier Ebenen vorauszusetzen. Andernfalls ist es jedenfalls nicht erklärbar, wie er damit rechnen kann, dass der Gottesgedanke, von dem er spricht, einer außersprachlichen Wirklichkeit entsprechen könnte. Eine ähnliche Kritik an der Distinktion der zwei Ebenen findet sich auch bei A. Hollweg (Aus der Kirchengeschichte lernen. Eine Erwiderung auf Wolfhart Pannenberg, 481). Hollweg meint, eine „Subjekt-Objekt-Spaltung naturwissenschaftlicher Logik“ bei Pannenberg zu erkennen, „welche sich im Akt des Erkennens von dem trennt, was sie erkennt.“ (ebd.). Genau diese Distinktion ist in der Tat auch immer für den Prozess des Erkennens konstitutiv: Das erkennende Subjekt ist vom erkennenden Gegenstand zu unterscheiden – darum auch das Gepräge eines semantisch-ontologischen Wahrheitsbegriffs: Dieser Unterschied und diese Kluft zwischen den Erkenntnisrelaten ermöglicht überhaupt erst Erkenntnis. Diese SubjektObjekt-Spaltung sah A. Hollweg insbesondere dort, wo Pannenberg über ‚Grundlagen und Inhalte des Glaubens‘ spricht, die (Hollweg zufolge) „sich von den Vollzügen desselben in der Geschichte und in der Welt trennen lassen und an und für sich betrachtet werden können.“ (ebd.). Es bleibt gegen Hollweg festzuhalten, daß dieser Unterschied zwischen Subjekt- und

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allerdings darüber, wie das Moment der Adäquation bzw. der Korrespondenz präziser zu fassen ist. In der Philosophie- und Theologiegeschichte sind diesbezüglich unterschiedliche Wege beschritten worden: „Je nach Interesse und Motivation wird die adaequatio-Formel als Verhältnis von anima zu ens, von Denken zu Sein, von Subjekt zu Objekt, von Bewußtsein zu Welt, von Erkenntnis zu Wirklichkeit, von Sprache zu Welt, von Urteil zu Sachverhalt, Aussage zu Wirklichkeit, Gedanke zu Tatsache, Meinung zu Tatsache usw. behandelt.“25 Gemeinsam ist allen korrespondenztheoretischen Entwürfen nur, dass die „Kluft“ zwischen beiden Relaten der Erkenntnis zu überbrücken angestrebt wird. Auf welche Weise jeweils das behauptete Adäquations- oder Korrespondenzverhältnis erklärt werden kann, ist dagegen bis in die Gegenwart hinein strittig und bleibender Gegenstand der Diskussion, da beide Relate aus heterogenen Bereichen (i. d. R. aus dem psychischen und physischen) stammen26. Die für Korrespondenztheorien der Wahrheit charakteristische Relationalität kommt also zustande, indem sprachliche Mittel in Anspruch genommen werden, damit auf die außersprachliche, ontologische Ebene – d. h. auf die sog. Wirklichkeit im Sinne der (äußeren) Welt nach dem Verständnis des Realismus – referiert werden kann. In der neueren Wahrheitstheorie heißen diese Mittel Wahrheitsträger (truth bearers). Symptomatisch und von entscheidender Bedeutung für die Korrespondenztheorie ist zudem, dass die je und je konkrete materiale Wahrheit nicht von dem einen Wahrheitsträger in Anspruch nehmenden erkennenden Subjekt bzw. vom Wahrheitsträger als dem SubjektkorObjektebene schon mit dem Sprachmodus der Aussage, somit auch mit der kognitiven Intention theologischer Sätze (z. B. Behauptungen) und religiöser Sprache gegeben ist. Die Behauptung, dass diese Vorstellung einer Subjekt-Objekt-Spaltung nur die Naturwissenschaften kennzeichne und für die Theologie abzulehnen sei, ist für unwahr zu erklären. Im Übrigen lässt sich eine Behauptung wie die von Hollweg nur dann ernsthaft aufstellen, wenn in Anspruch genommen wird, was er abzulehnen bereit ist – die Distinktion zwischen Subjekt- und Objektebene, welche zurecht zwischen erkennenden Subjekten und den zu erkennenden Erkenntnisgegenständen anzunehmen ist. Vgl. dazu die ähnliche Bemerkung Puntels zu der These von der Nichtobjektivierbarkeit Gottes: L.B. Puntel, Wissenschaftstheorie und Theologie. Zu Wolfhart Pannenbergs gleichnamigem Buch, 288f. 25 K. Gloy, Wahrheitstheorien, 94. Zu den verschiedenen, philosophiegeschichtlich herausgebildeten Subjekt- und Objektkorrelaten im semantisch-ontologischen Wahrheitsbegriff siehe auch die Genannten bei L.B. Puntel, Hegels Wahrheitskonzeption. Kritische Rekonstruktion und eine „analytische“ Alternative, 213. Zu verschiedenen, hier nicht weiter darzustellenden, korrespondenztheoretischen Entwürfen siehe ausführlicher L.B. Puntel, Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie, 29ff u. K. Gloy, Wahrheitstheorien. Eine Einführung, 92ff. Zur Vielgestaltigkeit des Korrespondenzgedankens vgl. auch L. Gerbracht, Wahrheit und kognitive Perspektive, 21. 26 So K. Gloy, Wahrheitstheorien. Eine Einführung, 94. „Zeichen und Bezeichnetes sind ungleichartige Größen“, wie Chr. Schwöbel einmal bemerkte, „und darum ist auch eine Korrespondenzrelation zwischen beiden schwer zu spezifizieren.“ (Chr. Schwöbel, Die Wahrheit des Glaubens im religiös-weltanschaulichen Pluralismus, 48f).

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relat in der sprachlich abgebildeten Erkenntnisrelation abhängt, sondern von der (objektiven) Wirklichkeit bzw. einzelnen Entitäten, auf die im jeweiligen Fall rekurriert wird. Die Wahrheit hängt von dem sog. Wahrmacher (truth maker) 27 ab. Die strukturell relationale Korrespondenztheorie bezieht sich also nicht nur auf die Realität, sondern orientiert sich auch an ihr. Sie kann darum alternativ auch zur Gruppe der „rein ontologisch orientierten Theorie[n]“ gezählt werden28. 3.4.2.2 Zur Frage nach dem Stellenwert des Korrespondenzgedankens und seiner Applikation bei Pannenberg – ein erster Überblick Welchen Stellenwert genießt diese Wahrheitstheorie in der Theologie Pannenbergs? Diese Frage wird zum Teil unterschiedlich beantwortet. K. Vechtel etwa urteilte, Pannenberg rücke von einer Korrespondenztheorie der Wahrheit ab, obwohl auch Vechtel den Aspekt der Korrespondenz zum Wahrheitsbegriff Pannenbergs rechnet29. J.A. Stewart verlieh ihrer Überzeugung Ausdruck, derzufolge bei Pannenberg eher „a coherence, rather than a correspondence, view of truth“ festzustellen sei30. Solche relativierenden Einschätzungen sind, wie sich noch zeigen wird, nicht ganz falsch. Und doch wirken derlei Urteile zu hart. Es bleibt nämlich festzustellen, dass Pannenberg keineswegs die Korrespondenztheorie der Wahrheit verabschiedet hat31. J.P. Case hat m. E. klarer gesehen und 27 Inzwischen hat sich dieser schon bei J.L. Mackie vorzufindende Terminus (s. o.) auch im deutschsprachigen Wahrheitsdiskurs eingebürgert. Zu dem etwa bereits 1984 gebrauchten Ausdruck ‚truth-maker‘ siehe K. Mulligan/ P. Simons/ B. Smith, Wahrmacher. Daran (lose) anknüpfend in der Theologie A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 80. 28 So etwa L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff in Philosophie und Theologie, 19. 29 Vgl. K. Vechtel, Trinität und Zukunft, 32. 30 J.A. Stewarts, Reconstructing Science and Theology in Postmodernity, 3. 31 Wenig präzise und auch nicht ganz zutreffend scheint mir die zitierte Bemerkung J.A. Stewarts zu sein. Pannenberg hat das Anliegen der Korrspondenztheorie ausdrücklich aufgegriffen und auch (unthematisiert) regen Gebrauch von ihr gemacht. In Bezug auf die Korrespondenztheorie merkt Stewart jedoch zu Recht an, dass sie dem Zukunftshorizont keinen Raum gewährt. In der Tat dürfte darin ein wesentlicher Grund dafür liegen, warum die Korrespondenztheorie eine untergeordnete Rolle in Pannenbergs Wahrheitsverständnis spielt. K. Vechtel (Trinität und Zukunft, 32) urteilt, Pannenberg rücke – zugunsten des Gedankens der Kohärenz und Einheit alles Wahren – „ab von einer Korrespondenztheorie, in der die Wahrheit von der Urteilsrelation her, also der Korrespondenz von intellectus und res, bestimmt wird.“ Dieses Urteil bleibt nicht nachvollziehbar, da Vechtel selbst erkennt, dass Pannenberg den Aspekt der Korrespondenz positiv aufgreift für die Relation zwischen Urteil und Sachverhalt etwa, wobei Pannenberg damit diesen Aspekt als Teil der Kohärenz interpretieren will. Das Urteil Vechtels kann somit nur dahingehend gedeutet werden, dass von der Korrespondenztheorie insofern abgerückt wird, als sie als Teil der (umfassenderen) Kohärenztheorie aufgefasst wird. Dies mag im Übrigen auch der Überzeugung Pannenbergs entsprechen, wonach er – seiner Selbstauskunft gemäß – sich als Vertreter einer Kohärenztheorie bezeichnet. Allerdings wäre hier auch an Pannenberg die Frage zu richten, inwiefern die Korrespondenztheorie der Wahrheit zu einer partiellen Dimension degradiert werden kann,

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deshalb auf ein mögliches Missverständnis aufmerksam gemacht, das darin bestehen könnte zu meinen, „that Pannenberg has qualified the correspondence theory to death“, sodass für Pannenbergs Wahrheitsverständnis entweder eine Kohärenz- oder eine Konsensustheorie anzunehmen sei oder allenfalls mit einer Verknüpfung beider zu rechnen sei32. Case formuliert zutreffend: „Yet Pannenberg retains a strong commitment to the notion of correspondence as basic to the epistemological aspect of the concept of truth“33. Und das geschieht nicht erst in Pannenbergs später Schaffensphase. Es lässt sich vielmehr die besondere Bedeutung des Korrespondenzgedankens bis in seine frühesten Beiträge zurückverfolgen. G. Sauter hat schon vor langer Zeit ein gesteigertes Interesse an der Korrespondenztheorie der Wahrheit (bei gleichzeitiger Distanz zur Konsensustheorie) bei Pannenberg festgestellt34 und später, 1980, wiederholt mit Blick auf diese „Interessenlage“ behauptet, Pannenberg wende „sich […] vordringlich der Gegenstandskorrespondenz, dh. der Entsprechung von Sachverhalten und Aussagen, zu.“35 Mit der Erkenntnis eines Interesses an Korrespondenz und Korrespondenztheorie ist noch nicht hinreichend gesagt, welche Funktion der Korrespondenz genau zukommen soll und vor allem, was sie bedeuten soll. Votiert Pannenberg für eine Korrespondenztheorie im Sinne einer sorgsam und systematisch entwickelten Konzeption korrespondentistischer Wahrheit? 36. Oder bleibt dies aus und Korrespondenz stellt lediglich einen (nicht näher bestimmten) Aspekt im Wahrheitsbegriff dar? Wird Korrespondenz als Kriterium der Wahrheit verstanden oder fungiert Korrespondenz – wie in (modernen) Korrespondenz-

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wenn das sie konstituierende Moment der Korrespondenz explizit (und auch implizit) auffallend häufig zum Einsatz kommt. Siehe J.P. Case, The Death of Jesus and the Truth of the Triune God in Wolfhart Pannenberg and Eberhard Jüngel, 3. J.P. Case, The Death of Jesus and the Truth of the Triune God in Wolfhart Pannenberg and Eberhard Jüngel, 3; Case erkennt jedoch, dass Korrespondenz (und auch Konsensus) für Pannenberg abgeleitete Momente im Wahrheitsbegriff sind. Vgl. G. Sauter, Was ist Wahrheit in der Theologie?, 80 Anm. 6. Sicher falsch ist allerdings Sauters Einschätzung, Pannenberg beschränke sich bei seiner Inanspruchnahme der Korrespondenztheorie auf die Satzwahrheit. Die Satzwahrheit (bei Pannenberg zumeist als Aussagenwahrheit bezeichnet) ist eine wesentliche Dimension im Wahrheitsbegriff, aber bei Weitem nicht das Eigentliche und Primäre im Wahrheitsbegriff Pannenbergs (s. u.). G. Sauter, Überlegungen zu einem weiteren Gesprächsgang über „Theologie und Wissenschaftstheorie“, 163f. In puncto Konsensus sagt Sauter über Pannenberg: „Nach seiner Auffassung würde Wahrheit, wenn sie als Einverständnis (Konsensus) verstanden wird, zur konventionellen Meinung werden und jeder rationalen Kontrolle entgleiten.“ (a. a. O., 163f). Ob es sich um eine Theorie handelt, hängt freilich auch mit davon ab, was unter Theorie verstanden wird. Hier wird – ähnlich wie bei Puntel – zwischen (den sich aus Aussagen über Wahrheit ableitbaren) Wahrheitsauffassungen einerseits und (systematisch entfaltener) „voll entwickelte[r]“ Theorie der Wahrheit (L.B. Puntel, Wahrheitstheorien in der neueren Philosopohie, 15ff [zit. 15]) unterschieden werden dürfen.

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theorien der Wahrheit zumeist üblich – als die Definition von Wahrheit37? Diese wichtigen Unterscheidungen gilt es im Blick zu behalten. In der Forschung wird gemeinhin unterschieden zwischen dem Aspekt lebensweltlicher, intuitiver Korrespondenz einerseits und ausformulierten Korrespondenztheorien der Wahrheit, welche die im truth talk des Alltags zumeist unproblematische korrespondentistische Intuition näher zu explizieren versuchen. Die Korrespondenztheorie der Wahrheit ist eine weithin bekannte Wahrheitstheorie, obwohl oftmals nicht annähernd klar zu sein scheint, was sie darstellt und beinhaltet. Dieses Paradoxon scheint aufs Engste mit der Korrespondenztheorie verknüpft: Denn „ihr Bekanntheitsgrad verhält sich umgekehrt proportional zu ihrer genauen Identifizierbarkeit.“38 In den Worten von K. Gloy lesen wir ganz ähnlich: „Der Popularitätsgrad dieser Formel verhält sich umgekehrt proportional zu ihrem Exaktheits- und Präzisionsgrad. Gerade die Vagheit dürfte der Grund für die Verbreitung dieser Formel nicht nur im Alltagsleben, sondern auch in den Wissenschaften bis heute hin sein. Wegen ihrer Inexaktheit kann die Formel nur mehr als eine Programmanzeige betrachtet werden.“39 Dass sie mehr als das sein kann, beweist nicht erst Pannenbergs Variante der Korrespondenztheorie. Mit der Korrespondenztheorie der Wahrheit hat sich Pannenberg wiederholt befasst. Die wichtigsten diesbezüglichen Referenzwerke sind sein Aufsatz „Wa s i s t Wa h r h e i t ? “ (1962), seine „Wi s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d T h e o l o g i e “ (1973), sein Aufsatz „Wa h r h e i t , G e w i ß h e i t u n d G l a u b e “ (1978) und der erste Band seiner „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ (1988). Und auch wenn in den Sachindizes der genannten zwei Monographien die Verweise auf die Korrespondenztheorie eher spärlich erscheinen40, darf daraus nicht abgeleitet werden, sie spiele nur eine untergeordnete Rolle in seinem

37 Auch Rory A. A. Hinton hat bemerkt, dass Pannenberg dem Moment der Korrespondenz innerhalb seines Wahrheitsbegriffs elementare Bedeutung beimisst, um auf die ontologische Ebene referieren zu können: „Pannenberg says that another criteria for truth should be correspondence: Our coherent theological models are then to be verified by that to which they make reference.“ (R. A. A. Hinton, III. Pannenberg on the Truth of Christian Discourse: A Logical Response, 313). Gegen Hinton bleibt allerdings festzustellen, dass die Korrespondenz i. d. R. kein Kriterium für Wahrheit ist. Wer Korrespondenzwahrheit beansprucht, akzeptiert Korrespondenz als die Bedeutung von Wahrheit. Erst von daher ergibt sich, dass Wahrheit vom Objektkorrelat abhängt, wie auch Hinton der Sache nach meint, wenn er hinsichtlich des Pannenbeg’schen Korrespondenzverständnisses sagt, „truth preceeds subjective insight“ (a. a. O., 313). 38 L.B. Puntel, Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie, 26. 39 K. Gloy, Kants Wahrheitstheorie und moderne Positionen, 3. Siehe ähnlich auch K. Gloy, Wahrheitstheorien, 93f. 40 In seiner „Wi s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d T h e o l o g i e “ verweist er auf die Seiten 42f, 205 sowie 219 und im 1. Band seiner „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ auf die Seiten 22, 34 und 62.

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Denken. Sie dürfte innerhalb seiner wahrheitszentrierten Theologie sogar noch wichtiger sein, als Pannenberg selbst es zuzugestehen bereit gewesen wäre. In seiner „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ verweist Pannenberg auf Th. v. Aquin, der mit seiner Adäquationsformel freilich ein, wenn nicht sogar, der prominenteste Vertreter dieser Theorie ist. In seiner „Wi s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d T h e o l o g i e “ stellt er die Wittgenstein‘sche Variante dar, die in ihrer Struktur (aus heutiger Sicht) sehr allgemein gehalten ist, aber den Korrespondenzgedanken doch schon so begreift wie er sich dann auch in Pannenbergs Theologie wiederfindet, nämlich als Relation zwischen Sätzen und der Wirklichkeit. „Im Gegensatz zum älteren Empirismus und Positivismus gilt noch nicht das einzelne Wort, der einzelne Begriff, als Abbild der Wirklichkeit, sondern erst der Satz. Erst der Satz kann daher wahr oder falsch sein, und die Wahrheit oder Falschheit des Satzes besteht dann in der Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung mit dem Sachverhalt, den er behauptet (2.222).“41

Aus einem wissenschaftstheoretischen Beiträgen geht ausdrücklich hervor, dass Pannenberg eine definitorische Korrespondenztheorie der Wahrheit vertritt, von der er annimmt, dass sie als solche in der (modernen philosophischen) Wahrheitstheorie bestimmend bleibe: „Beim Streit der verschiedenen Wahrheitstheorien geht es heute – nach einer Bemerkung von N. Rescher (1973) – nicht in erster Linie um Differenzen im Wahrheitsbegriff selber, sondern um solche bezüglich des Wahrheitskriteriums. Daß Wahrheit Gegenstandskorrespondenz bedeutet [kursiv: T. L.], ist dabei schon vorausgesetzt oder wird jedenfalls weithin zugestanden. Nur kann der Gegenstand nicht für sich genommen und als Kriterium der Wahrheit vorgezeigt werden.“42

In Pannenbergs Werk lassen sich eine Reihe von Formulierungen sammeln, die vor dem Hintergrund der verbreiteten korrespondentistischen Intuition zu verstehen sind und sehr deutlich ein Korrespondenz- bzw. Übereinstimmungsverhältnis zum Ausdruck bringen, mit welchem die semantisch-ontologische Relationalität zu realisieren intendiert wird43:

41 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 32. 42 W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 173. Pannenberg bezieht sich für diese seine These auch auf L.B. Puntel, Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie. Pannenberg verkennt allerdings, dass das Moment der Gegenstandskorrespondenz keineswegs „weithin zugestanden“ (s. o.) werde, wie im Übrigen exemplarisch schon in seiner Kritik der Habermas’schen Konsensustheorie deutlich wird. 43 Vgl. exemplarisch W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 171. Hier schon der mit Behauptungen verbundene, korrespondentistische Übereinstimmungsgedanke.

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Es heißt etwa an einer Stelle, dass „die Wahrheit jeweils eine Entsprechung und Übereinstimmung von Subjekt und Objekt fordert.“44 Es ist die „hier vorausgesetzte Theorie der Wahrheit als Entsprechung zur vorgegebener Wirklichkeit (Korrespondenztheorie)“45. Wahrheit wird von Pannenberg im Einzelfall verschiedentlich gefasst, z. B. als Übereinstimmung von Denken und Wirklichkeit46. Die Übereinstimmung selbst kann er speziell als Sachkorrespondenz47 oder Gegenstandskorrespondenz48 präzisieren. Für ihn ist „das Moment der ‚Korrespondenz‘ zum Gegenstand oder Sachverhalt […] für den erkenntnistheoretischen Aspekt [kursiv: T. L.] des Wahrheitsbegriffs grundlegend“49.

Auch wenn ein Korrespondenzverhältnis nicht durchweg namentlich erwähnt wird, scheint Pannenberg dies sehr häufig intuitiv zu beanspruchen. Im Sinne dieser Wahrheitstheorie kann er in solchen Fällen das Verb „(zu)treffen“50 gebrauchen. Um eine beanspruchte, aber gescheiterte Korrespondenz anzuzeigen, kann Pannenberg sinngemäß auf ein Verb wie „verfehlen“ zurückgreifen51. Das 44 W. Pannenberg, Das Wirken des Heiligen Geistes in der Schöpfung und im Volk Gottes, 24. 45 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 205 (Anm. 402). 46 Vgl. dazu exemplarisch die Auseinandersetzung mit seinem Schüler F. Wagner in W. Pannenberg, Vom Nutzen der Eschatologie für die christliche Theologie. Eine Antwort, 88f. 47 So etwa in W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 205 (Anm. 402). 48 Vgl. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 42f. 49 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 34. 50 Als Exempel kann hier eine Formulierung angeführt werden, zu welcher Pannenberg im Rahmen seiner Rezeption der Erkenntnistheorie des Kusaners gefunden hat: „Der Entwurfcharakter aller geistigen Akte schließt dabei keineswegs aus, daß sich Erkenntnis auf außermenschliche Wirklichkeit beziehen und diese auch treffen kann.“ (W. Pannenberg, Wie kann heute glaubwürdig von Gott geredet werden?, 53). Das menschliche Wort etwa ist im korrespondenztheoretischen Sinn wahr, wenn es treffend ist. Diese korrespondentistische Vorstellung schwingt immer wieder mit (vgl. exemplarisch W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 276–278). Man beachte auch folgende Formulierung: „Solange eine bestimmte Form der Auslegung als wahr, d. h. als zutreffend [kursiv: T. L.] gilt, wird das von ihr Behauptete als inhaltlich mit ihrem Gegenstand identisch und in diesem Sinne als zutreffende Beschreibung seiner geschichtlichen Wirklichkeit [kursiv: T. L.] betrachtet.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 180). 51 Vgl. exemplarisch W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 269. Mit unseren Urteilen oder Deutungen können Sinnstrukturen und Sinngehalte entweder getroffen oder auch verfehlt werden. Es besteht die Möglichkeit, „daß eine Deutung durchaus die wahre Bedeutung der gedeuteten Tatsache verfehlen kann [kursiv: T. L.] und gerade dadurch Anlaß für neue Interpretationsversuche gibt. Umgekehrt bringt sich in der Vielzahl der Deutungen die Bedeutung der gedeuteten Sache selbst zur Geltung in dem Maße, in welchem im Widerstreit der Deutungen, indem diese an der Sache selbst gemessen werden, deren Bedeutungsmomente hervortreten.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 180f; siehe auch die hinsichlich der Sache sehr ähnlichen Bemerkungen schon in: W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 124, dort jedoch ohne korrespondentistisch anmu-

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Gegenteil von korrespondenztheoretischer Wahrheit kann Pannenberg auch „Unwahrheit“52 nennen, zumeist ist es jedoch – ganz im Sinne des korrespondenztheoretischen Sprachgebrauches – die Falschheit von Aussagen und sämtlichen anderen Wahrheitsträgern des Sprachmodus‘ der Aussage. Bei „der Wahrheit von Urteilen oder Behauptungen“ und auch solcher anderer Wahrheitsträger im korrespondenztheoretischen Sinn geht es (nicht nur) nach Pannenbergs Ermessen also um etwas, was umgangssprachlich der Wendung „die Wahrheit sagen“ entspricht53. Ganz ähnlich hat auch W. Kamlah in dieser umgangssprachlichen Wendung die in den Wissenschaften gebräuchliche Satz-/ Aussagewahrheit erkannt54. Analog zum geläufigen (nicht nur deutschen und englischen) Sprachgebrauch verwendet Pannenberg neben dem Nomen Wahrheit auch das Adjektiv wahr in (wie zumeist üblich) prädikativer Stellung, um eine Korrespondenzbeziehung anzuzeigen: „Es ist wahr, dass […].“55 oder „[I]t remains true that […].“56

Ebenso kennt der deutsche (und auch englische) Sprachgebrauch eine attributive Verwendung des Ausdrucks ‚wahr‘, der mit korrespondentistischen Intentionen verknüpft sein kann. Demgemäß haben „[w]ahre Behauptungen“ ihre Wahrheit darin, dass deren Inhalt dem Sachverhalt entspricht, der mit ihnen behauptet wird.57

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tende Terminologie). Wie bedeutsam der Korrespondenzgedanke und der mit ihr verbundene Realismus ist, zeigt sich interessanterweise auch innerhalb seiner kognitiven, m. E. auf einem metaethischen Universalismus fußenden Güterethik. Pannenberg formuliert an einer stelle ganz korrespondentistisch: „Die Frage nach dem Guten hingegen bezieht sich auf etwas, das an sich gut ist, vor unserer Urteilsbildung darüber, so daß das Gute von unserer Urteilsbildung nicht nur richtig getroffen, sondern auch verfehlt werden kann [kursiv: T. L.].“ (W. Pannenberg, Grundlagen der Ethik, 27f.) Das Gute wird von Pannenberg dort u. a. im Rückgang auf Augustin mit Gott in Verbindung gebracht. In Andeutungen korrespondentistisch: „Der Dualismus des unglücklichen Bewußtseins, das sich durch seine Endlichkeit vom wahrhaft Wirklichen getrennt glaubt, verfällt der Unwahrheit [kursiv: T. L.], weil die Übereinstimmung von Bewußtsein und Wirklichkeit [kursiv: T. L.] und also die Gegenwart der Wahrheit [kursiv: T. L.] noch im Bewußtsein ihres Mangels vorausgesetzt ist.“ (W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 150f). Zum Gebrauch des Ausdrucks Unwahrheit s. auch exempl. W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 54. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 34. Vgl. W. Kamlah, Wissenschaft, Wahrheit, Existenz, 41. Vgl. W. Pannenberg, Beiträge zur Ethik, 241. Vgl. auch exempl. W. Pannenberg, Beiträge zur Ethik, 241 („Und es ist auch wahr, dass […].“) und W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 225 („Das bleibt wahr, […].“). W. Pannenberg, The Nature of a Theological Statement, 8. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 103.

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Bis hierher hat sich gezeigt, dass die Korrespondenzrelation in der Theologie Pannenbergs unterschiedliche Gestalt annehmen kann. Pannenberg hat sich nicht festgelegt auf bestimmte Wahrheitsträger oder ausgewählte Wahrmacher. Pannenberg scheint keinerlei Systematik verfolgt zu haben, was die Wahl der Subjekt- und der Objektkorrelate betrifft58. So wird immerhin der etwas unglückliche Sprachgebrauch Pannenbergs erklärbar, zwischen Sachverhalten und Tatsachen offenbar regellos „pendeln“ zu können. Er schien keinen Unterschied zu sehen. Doch während unter einem Sachverhalt im Allgemeinen verstanden wird, was in einer Aussage ausgedrückt wird, so ist eine Tatsache dagegen so etwas wie ein ‚wirklicher‘, d. h. in der objektiven Wirklichkeit bestehender Sachverhalt59. Pannenberg, der diese Unterscheidung nicht getroffen hat, konnte dadurch von ‚Sachverhaltswahrheit‘ sprechen60 und eine ‚Tatsachenwahrheit‘ (s. u.) meinen61. Derlei Kritik im Detail darf den Blick nicht dafür verstellen, dass alles in allem der hohe Stellenwert der Korrespondenztheorie in der Theologie Pannenbergs schon an diesem Punkt kaum zu übersehen ist. Damit sind die Vorbedingungen 58 Für die genannten Subjekt- und Objektkorrelate erhebe ich insofern auch keinen Vollständigkeitsanspruch. Dies scheint mir augrund der fehlenden Systematik auch nicht erforderlich. In diesem Zusammenhang ist R. Barths Feststellung zu korrigieren, wonach „es bezeichnend [sei], daß Pannenberg den urteilstheoretischen Wahrheitsbegriff prinzipiell mit einem korrespondenztheoretischen Verständnis identifiziert.“ (R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 20; dort der Bezug auf W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 62f sowie W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 210; zu Barths Kritik an Pannenbergs Identifikation eines urteilstheoretischen Wahrheitsbegriffs mit demjenigen der Korrespondenztheorie siehe bei Barth, a. a. O., 25). Die Behauptung Barths ist zwar zutreffend, insofern damit ein wesentlicher Aspekt benannt ist. Doch diese These bedarf insofern einer Präzisierung, als sich für Pannenberg überhaupt keine Systematik erkennen lässt, was die Interpretation des Korrespondenzverhältnisses selbst (und damit auch die Wahl der Korrelate) betrifft. Die vielen möglichen Korrelate lassen den Schluss jedenfalls nicht zu, bei Pannenberg ein korrespondenztheoretisches Wahrheitsverständnis nur im Sinne der Urteilswahrheit zu behaupten. Gegen Barth und mit Pannenberg bleibt aber festzuhalten, dass die Korrespondenztheorie nicht auf eine bestimmte Form von Wahrheitsträgern wie z. B. Urteile festgelegt ist, dieser Theorietyp daher im konkreten Einzelfall mit sehr verschiedenen Wahrheitsträgern und Objektkorrelaten (Wahrmachern) expliziert werden kann. 59 Siehe dazu W. Kamlah, Der moderne Wahrheitsbegriff, 116–118: Sachverhalte scheinen für Pannenberg analog dem geläufigen Sprachgebrauch identisch zu Tatsachen zu sein. Doch es sollte, wie von Kamlah gefordert, unterschieden werden. In Aussagen werden Sachverhalte ausgedrückt. Doch diese Sachverhalte müssen nicht wirklich sein. Erst ein wirklicher Sachverhalt ist eine Tatsache, während etwa Sachverhalte bei falschen Aussagen keine Tatsachen wiedergeben. 60 Vgl. exempl. W. Pannenberg, Die Wahrheit Gottes in der Bibel und im christlichen Dogma, 276. 61 Wahrheit als Tatsachenwahrheit deutet sich etwa in folgendem Urteil an: „Die Christusverkündigung hat die Tatsache, daß im Geschick Jesu von Nazareth Gott zum Heil aller Menschen offenbar ist, als unbezweifelbare Wahrheit [kursiv: T. L.] ihren Hörern vorzutragen.“ (W. Pannenberg, Dogmatische Thesen zur Lehre von der Offenbarung, 101).

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dafür erfüllt, die Korrespondenztheorie der Wahrheit in ihrem Inerscheinungtreten in Pannenbergs Theologie gründlich aufzuarbeiten. Hilfreich für dieses Unternehmen ist es, sich an drei zur Präzisierung verhelfenden Leit-Fragen zu orientieren, die zu beachten darum jeder Korrespondenztheoretiker gut beraten ist: 1) Was sind die sprachlichen Mittel (Wahrheitsträger), mit denen auf die außersprachliche Ebene rekurriert wird? 2) Wie wird die außersprachliche, ontologische Ebene genau(er) verstanden? 3) Wie ist die Korrespondenzrelation selbst zu denken bzw. von welcher Beschaffenheit ist sie? 62 Um diese elementaren Fragen für Pannenbergs Theologie beantworten zu können, erfolgt zunächst eine Untersuchung seines Wirklichkeitsverständnisses. Denn nur unter der Voraussetzung, dass Pannenberg ein realistisches Wirklichkeitsverständnis vertritt, kann die Idee einer (wie auch immer) gearteten Korrespondenz verteidigt werden. Diesen Zusammenhang gilt es im Folgenden zu demonstrieren, bevor den Fragen nachgegangen wird, wie Pannenbergs Wirklichkeitsverständnis und seine Variante der Korrespondenztheorie noch präziser gefasst werden kann. 3.4.2.3 Das Wirklichkeitsverständnis des Realismus Es gehört mit zur Eigenart der Korrespondenztheorie der Wahrheit, dass mit ihr ein bestimmtes Verständnis von Wirklichkeit einhergeht. Dieses ist der Realismus63. 62 Man beachte auch die Hinweise zu den Schwierigkeiten der Präzisierung der Korrespondenzrelation hinsichtlich der drei angedeuteten Fragestellungen. Sehr ähnlich zu 3) (oben) fragt auch K. Gloy, Wahrheitstheorien, 94f. 63 Vgl. A. F. Koch, Wahrheit, Zeit und Freiheit, 18f (dort zur Verbindung von Korrespondenztheorie und metaphysischem Realismus). Der Theologe A. Kreiner sieht die Korrespondenztheorie der Wahrheit speziell mit einem metaphysischen Realismus „aufs Engste“ verbunden. Vgl. A. Kreiner, Wahrheit und Perspektivität religiöser Rede von Gott, 54. Chr. Schwöbel hat ebenfalls zu Recht auf den Zusammenhang von Korrespondenz mit dem realistischem Wirklichkeitsverständnis bzw. realistischer Metaphysik aufmerksam gemacht (Siehe Chr. Schwöbel, die Wahrheit des Glaubens im religiös-weltanschaulichen Pluralismus, 49 u. 53). Für Koch u. Kreiner scheint allerdings nur der metaphysische Realismus als das der Korrespondenztheorie angemessene Wirklichkeitsverständnis in Betracht zu kommen. Meines Erachtens erfordern auch andere Formen des Realismus (z. B. der naive oder erkenntnistheoretische oder hypothetische) Realismus eine Korrespondenztheorie der Wahrheit. Anders dagegen etwa W. v. Huysteen (Critical realism and God: can there be faith after foundationalism?, 260), der am kritischen Realismus ohne das Moment der Korrespondenz der von uns verwendeten Wörter mit der äußeren (subjektunabhängigen) Welt festhalten will. Ihm geht es nicht darum, die ‚extralinguistic world‘ zu leugen, sondern um eine „affirmation

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Der Realismus ist eine erkenntnistheoretische Position, die mit der Wirklichkeit als einem von Bewusstsein und Sinneswahrnehmung unterscheidbaren, externen und unabhängigen Gegenüber rechnet64. „Der Realismus erhebt den Anspruch, daß es eine Wirklichkeit gibt, die von unseren Vorstellungen von ihr und Einstellungen über sie unabhängig ist.“65 Es geht bei einem realistischen Wirklichkeitsverständnis um die Annahme, „daß es eine objektive Welt gibt, eine Welt interagierender physischer Gegenstände in Raum und Zeit, die kontinuierlich und völlig unabhängig davon existieren, daß wir sie wahrnehmen, und die unabhängig von uns gewisse Eigenschaften haben und in gewissen Beziehungen zueinander stehen.“66 Die Korrespondenztheorie der Wahrheit benötigt das Wirklichkeitsverständnis des Realismus, weil mithilfe dieser Wahrheitstheorie auf die äußere Wirklichkeit im Sinne des Realismus rekurriert wird und diese von unserem Denken unabhängige ontologische Ebene ausschlaggebend ist für die Wahrheit oder Falschheit des sprachlich Artikulierten. Aufgrund dieser Anschauung kann die Korrespondenztheorie nicht nur den objektiven Theorien der Wahrheit, sondern auch der Guppe der realistischen Wahrheitstheorien zugerechnet werden67. 3.4.2.3.1 Zum realistischen Wirklichkeitsverständnis Pannenbergs Weil die Korrespondenztheorie das Wirklichkeitsverständnis des Realismus erfordert68, liegt es nahe, diese Konnexität auch in Pannenbergs Theologie zu vermuten. Es wird hier der Nachweis erbracht werden, dass Pannenberg – obwohl er sich selbst kaum direkt zu seinem Wirklichkeitsverständnis geäußert hat und dieses auch nicht über die philosophische Diskussion verschiedener erkenntnistheoretischer Optionen bestimmt hat – einen Realismus vertreten hat und

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of the reality of the world as encountered in language, and of the language of our interpreted experience as our only epistemic access to this world.“ Das Verhältnis des Realismus zum Bemühen um Korrespondenz mit der Wirklichkeit hat etwa Alister McGrath (A Scientific Theology. Vol. 2, 14ff) für eine dezidiert „scientific theology“ näher untersucht. Ralph C.S. Walker, Art. Realismus I. Philosophisch, 182. R. Schantz, Wahrheit, Referenz und Realismus, 1. So etwa A. Beckermann, Die realistischen Voraussetzungen der Konsenstheorie von J. Habermas, 63. Umgekehrt muss ein solcher Zusammenhang nicht bestehen: Mit der erkenntnistheoretischen Position des Realismus muss nicht notwendig die Korrespondenztheorie der Wahrheit verbunden sein (Siehe dazu A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 122 inkl. Anm. 33). Umgekehrt gilt für Kreiner mit Popper, dass ohne Wirklichhkeit (im realistischen Sinne) auch keine Übereinstimmung von Aussagen im korrespondenztheoretischen Sinne mit der Wirklichkeit denkbar ist (ebd.). Popper selbst votierte für einen metaphysischen Realismus und eine Korrespondenztheorie der Wahrheit, die Pannenberg für sein Wahrheitsverständnis rezipierte (s. u.).

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innerhalb seiner Wahrheitskonzeption auch den Aspekt der Korrespondenz miteinbezogen hat. (Nebenbei bemerkt: Es ist klar, dass Pannenberg auch in dieser Hinsicht dem Denken der Moderne treu bleibt und der Abstand zur Postmoderne augenfällig ist69). Bereits die Frage, was der Begriff Wirklichkeitsverständnis für Pannenberg bedeutet, lässt sich nicht ganz klar feststellen, beispielsweise wenn von „unserem heutigen Wirklichkeitsverständnis“ als „gegenwärtigem Wirklichkeitsverständnis“ gleichsam pauschal die Rede ist, ohne näher anzugeben, was mit dem Ausdruck gemeint ist70. Als wenig aufschlussreich für die Frage nach Pannenbergs Wirklichkeitsverständnis bleiben seine Bemerkungen in seinen „G r u n d z ü g e [ n ] d e r C h r i s t o l o g i e “, wo er auf das vom Historiker „schon mitgebrachte […] Wirklichkeitsverständnis“ rekurriert, von welchem Pannenberg zufolge die historische Urteilsbildung abhängt71. Hinsichtlich des Wirklichkeitsverständnisses eines Urteilenden spiele es eine wesentliche Rolle, „was er [sc. der Urteilende] dementsprechend für grundsätzlich möglich oder aber schon vor aller Erwägung der Einzelbefunde für ausgeschlossen hält.“72 Von einem „verengten Wirklichkeitsbegriff“ will er sprechen, wenn nicht mit der Möglichkeit der Auferstehung der Toten gerechnet wird73. An anderer Stelle äußert er sich ähnlich zur Wirklichkeit. Dort behauptet er in Bezug auf die Exegeten: „As theologians they participate in a contest for a more appropriate understanding of reality, no less than the systematic theologian does.“74 Mit dem Terminus ‚Wirklichkeit‘ bezeichnet Pannenberg nicht eine bestimmte erkenntnistheoretische Position. Er scheint den Realismus (wie selbstverständlich) vorauszusetzen, sodass die von ihm verhandelten Fragen nach dem Wirklichkeitsverständnis sich lediglich darauf beziehen, wie genau eine ohnehin realistisch verstandene Welt /Wirklichkeit zu verstehen ist. Besonders deutlich bestätigt sich diese Sichtweise darin, dass Pannenberg der säkularen Kultur u. a. ein „reduzierte[s] Wirklichkeitsverständnis“ zum Vorwurf macht, insofern

69 Indem Pannenberg am Wirklichkeitsverständnis des Realismus, an der zu ihr gehörenden Korrespondenztheorie und auch am Gedanken der Objektivität (durch die Idee einer Subjekt-Objekt-Differenz) festhält, zeigt er sich dem modernen Denken verpflichtet. Zum Realismus und zur Korrespondenztheorie als einem Kennzeichen der Neuzeit siehe exemplarisch die Studie von H. Krämer, Kritik der Hermeneutik. Interpretationsphilosophie und Realismus. 70 Siehe W. Pannenberg, Vom Nutzen der Eschatologie für die christliche Theologie, 99f. 71 W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 95. 72 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 405. Vgl. Auch folgende Bemerkung Pannenbergs: „The judgment on whether Jesus‘ resurrection was or was not a fact of history depends largely on one’s understanding of reality in general.“ (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 294). 73 W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 107. 74 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 326.

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nämlich von der Wirklichkeit Gottes abgesehen werde75; die „wahre Wirklichkeit“ könne auf diese Weise nicht erkannt werden76. Auch wenn Pannenberg seine Bemerkungen zu verschiedenen, möglichen Wirklichkeitsverständnissen bezieht, kommt die grundsätzliche Frage nach dem Wirklichkeitsverständnis faktisch nicht in den Blick. Die angeführten Belege zeigen zweifelsfrei, dass Pannenberg streng genommen überhaupt nicht nach dem Wirklichkeitsverständnis im grundlegenden Sinne – also im Sinne einer erkenntnistheoretischen Position – fragt. Es geht in den genannten Beispielen eher um Wirklichkeitsinterpretation, die die Frage nach dem Wirklichkeitsverständnis selbst noch nicht berührt77. Im Unterschied zum heutigen Diskussionsstand findet sich im Werk Pannenbergs keine eingehende Auseinandersetzung mit den klassischen (philosophischen, d. h. erkenntnistheoretischen) Positionen zum Begriff der Wirklichkeit78. Die realistische Option scheint bei Pannenberg vorausgesetzt zu sein, sodass er die Frage nach dem Wirklichkeitsverständnis irritierenderweise nur als eine Frage interpretiert, die danach fragt, was innerhalb eines solchen, scheinbar stillschweigend vorausgesetzten Realismus für möglich bzw. unmöglich gehalten wird. Es legt sich die Annahme nahe, dass der Realismus eine derartige Selbstverständlichkeit für ihn dargestellt hat, dass sich die Frage nach alternativen, mit der Frage nach der Wirklichkeit und ihrer Erkennbarkeit zusammenhängenden Positionen – wie z. B. die eines Solipsismus oder eines (wie auch immer näher zu bestimmenden) Konstruktivismus – für ihn niemals ernstlich gestellt hat.

75 W. Pannenberg, Die Säkularisierung des europäischen Geistes, 148. Bei solcher Rede von der Wirklichkeit Gottes geht es freilich nicht um ein realistisches Wirklichkeitsverständnis. 76 W. Pannenberg, Die Säkularisierung des europäischen Geistes, 144. Allerdings scheint Pannenberg auch den Ausdruck ‚wahre Wirklichkeit‘ nicht deutlich oder wenigstens einheitlich im realistischen Sinne der Einheit der Wirklichkeit zu gebrauchen. An anderer Stelle formuliert er: „Wo immer ein Kultus auftritt, ist jedenfalls schon eine Differenz zwischen der Alltagswelt und der wahren Wirklichkeit [kursiv: T. L.], die durch die kultische Begehung in Erscheinung tritt, gesetzt, ebenso wie die Aufhebung dieser Differenz im kultischen Geschehen selber.“ (W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. II, 190). 77 In einem Beitrag hat Pannenberg diesen, m. E. sehr viel passenderen Ausdruck für sein Anliegen selbst verwendet: Er beklagt darin den Umstand, dass „the underlying religious interpretation of reality [kursiv: T. L.] is no longer taken as universally valid, but as a matter of private preference, if not as superstition.“ (W. Pannenberg, Theological Questions to Scientists, 3). 78 Einmal abgesehen von der Adaption der klassischen Definition von Wirklichkeit als Totalität alles Seienden im Umfeld von Hegel. Ähnlich wie auch im Wahrheitsdiskurs findet inzwischen eine äußerst differenzierte Diskussion um Phänomen und Begriff der ‚Wirklichkeit‘ statt. Vgl. dazu insbes. den Band J. Schröter, A. Eddelbüttel (Hg.), Konstruktion von Wirklichkeit. Beiträge aus geschichtstheoretischer, philosophischer und theologischer Perspektive; vgl. ferner W. v. Huysteen, Critical realism and God: can there be faith after foundationalism?

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Trotz der Tatsache, dass Pannenbergs spärliche Ausführungen zum Wirklichkeitsverständnis eher andeutenden Charakter haben, sprechen neben der Inanspruchnahme der Korrespondenztheorie eine Reihe von Indizien zweifelsfrei dafür, dass er ein realistisches Wirklichkeitsverständnis vertreten hat: Zuallererst ist hier an Pannenbergs eigene Darlegungen zu seinem Wirklichkeitsverständnis zu denken. Auch wenn er dieses bedauerlicherweise zwar an keiner Stelle anhand der verschiedenen, gegenwärtig geläufigen erkenntnistheoretischen Optionen darlegt, so lässt sich doch von seinem (Selbst-)Verständnis von Wirklichkeit als Geschichte bereits erahnen, dass hinter dieser Vorstellung in formaler Hinsicht ein realistisches Bild von Wirklichkeit zu vermuten ist, insofern dieses eine unabdingbare Voraussetzung für sein geschichtliches Wirklichkeitsverständnis zu sein scheint79. Ein solches Realitätsverständnis bekundet sich in besonderer Deutlichkeit in seiner Annahme einer vom erkennenden Subjekt grundsätzlich unabhängigen Wirklichkeit: So ist es diese Vorstellung einer „vorgegebenen Wirklichkeit“, zu der sich der Mensch dann exzentrisch verhalten kann80, auf die jener mit sprachlichen Mitteln Bezug nehmen kann und auch zur Darstellung bringen kann81. Speziell in der den Erkenntnisvorgang kennzeichnenden Ebenendifferenz tritt die realistische Vorstellung einer externen, subjektunabhängigen Realität deutlich hervor. Pannenberg zufolge könne man zwar „sicherlich alle Inhalte des Bewußtseins in irgendeinem Sinne als Produkte des Bewußtseins betrachten. […] Doch im Falle der Sinneswahrnehmung oder der Strukturerkenntnisse 79 Wie es bereits hier scheint, ist der Realismus im Denken Pannenbergs derart selbstverständlich, dass er offenbar keiner eigenen Erwähnung bedarf. Sein Verständnis von Wirklichkeit als Geschichte muss eine solche Wirklichkeit als eine unabhängig vom menschlichen Denken und Sprache bestehende voraussetzen, wenn er – was er faktisch tut – in Form von Sprache auf sie rekurriert. 80 Vgl. W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 66. 81 Zur sprachlichen Bezugnahme auf die außersprachliche, externe und insofern dem Erkenntnisprozess vorgegebene Wirklichkeit siehe exemplarisch W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 103. Zum Realismus, wie er von Seiten der (Natur-)Wissenschaft angenommen und von Pannenberg verteidigt wird, siehe exemplarisch auch seine Auseinandersetzung mit den postmodernen social constructionists im Anschluss an S. Weinberg (W. Pannenberg, Facing Up: Science and Its Cultural Adversaries: „One of the most important contributions of Weinberg’s book is his ongoing argument against the „social constructionists“ who question the truth claims of science. With every assertive sentence, we raise truth claims that cannot be reduced to social conventions. Science is only a particularly obvious case. Weinberg acknowledges the influence of social and cultural conditions in the history of science. But these influences do not weaken the truth claims of scientific theories. The same is true of any other truth claims we raise in everyday life or in other fields of culture. The „realism“ of science, which Weinberg advocates, might serve as an example and antidote against the excesses of postmodernism.“ (W. Pannenberg, Facing Up: Science and Its Cultural Adversaries, 64).

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folgert man [zumindest Pannenberg] aus der produktiven Natur unseres Bewußtseins nicht ohne weiteres, daß die von ihm intendierten Objekte einer eigenen, von uns unabhängigen Wirklichkeit entbehren.“82 Die zu erkennenden Entitäten gelten als vom Prozess ihrer Erfassung unabhängig83. Entsprechend gilt auch Gott und seine Wirklichkeit nicht von menschlichen Meinungen über ihn abhängig84. Wenn Pannenberg die Realität mit „außersubjektive[r] Wirklichkeit“ in Verbindung bringt85, manifestiert sich der Realismus auf ebenso unübersehbare Weise wie wenn seine Ausführungen zu erkennen geben, dass er sich darum bemüht, „die Wirklichkeit so wahrzunehmen, wie sie von sich aus ist, unabhängig von uns.“86 Diese realistische Vorstellung von einer externen, objektiven Außenwelt rechnet mit der epistemischen Herausforderung, dass die Erkenntnisgegenstände anders scheinen können als sie – gleichsam unabhängig von ihrer Erkenntnis – sind, will heißen, „[d]aß die Dinge „im Grunde“ anders „sind“, als sie zu sein „scheinen“.“87 Eine Distinktion zwischen Fiktion und Realität wird erforderlich88.

82 W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 269. Auch den Mythen spricht er es nicht ab, auf eine vom Menschen verschiedene Wirklichkeit Bezug zu nehmen: „Man kann ja auch nach dem Wahrheitsgehalt des mythischen Wortverständnisses wie der Mythen überhaupt im Hinblick auf die von ihnen intendierte, vom Menschen verschiedene Wirklichkeit fragen“ (W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 374). 83 Auch Pannenbergs folgende Bemerkung zur Produktivität im Erkenntnisprozess basiert auf der Annahme einer externen Realität: Es muss, so meint Pannenberg, – wenn die Voraussetzung wegfällt, dass die Welt ihren Ursprung in Gott hat – „rätselhaft werden, wie eine produktive menschliche Geistestätigkeit dennoch realitätsgerecht [kursv: T. L.] sein kann als Erfassung der vom Menschen unabhängig existierenden Dinge in der Eigenart ihres Seins.“ (W. Pannenberg, Theologie und Philosophie, 119). 84 Zur These, dass die Natur und Gott als „independent of all human opinion“ zu gelten habe, vgl. exemplarisch W. Pannenberg, Breaking a Taboo: Frank Tipler’s The Physics of Immortality, 310. 85 W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 93. Pannenberg ist nicht der Meinung, dass diese Erscheinungen auf „die enthusiastisch erregte Imagination der Jünger“ zurückzuführen ist, „sondern nur umgekehrt der Osterglaube der Jünger aus den Erscheinungen zu erklären“ sei (ebd.). Vgl. auch folgende These zur außersubjektiven Wirklichkeit: „Einheit und Differenz von Subjektivität und außersubjektiver Wirklichkeit sind […] immer schon verbunden.“(W. Pannenberg, Metaphysik und Gottesgedanke, 20) Der Einheitsgedanke scheint die Differenzthese allerdings zu unterminieren. Zur Problematik s. u. 86 W. Pannenberg, Was ist der Mensch?, 52. Siehe dazu auch die Bemerkung, „daß erst vom Gott der Bibel her die Wirklichkeit in der wir leben, so erkennbar geworden ist, wie sie wirklich ist. Darin aber liegt der Selbsterweis der Wahrheit des biblischen Gottes, daß von ihm her, und erst von ihm her, die Wirklichkeit so sichtbar wird, wie sie ist.“ (A. a. O., 101). 87 W. Pannenberg, Erscheinung als Ankunft des Zukünftigen, 201. Pannenberg kritisiert hier einen naiven, „platten Empirismus, der sich beim nächsten Augenschein beruhigt“. Siehe dazu W. Pannenberg, Erscheinung als Ankunft des Zukünftigen, 201.

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Pannenberg nimmt schließlich auch einen Realismus in der biblischen Überlieferung an. Es würden im Zuge heutiger historisch-kritischer Untersuchungen „viele Bestandteile alttestamentlicher Erzählungen als unhistorisch“ angesehen und „Erzählungen, die die alttestamentlichen Überlieferungen selber mit auch uns als historisch geltenden Begebenheiten auf gleicher Ebene sehen und als gleichermaßen umgriffen durch das Geschichtshandeln Gottes“ verstanden, sodass gefragt werden könne, ob – wie es derzeit sehr modern ist – „die Einheit des alttestamentlichen Geschichtsstoffes nicht richtiger durch den Begriff „Erzählung“ (story) gekennzeichnet als durch den der Geschichte [kursiv: T. L.]“ werde89. Gegen die Verdrängung der Kategorie der Geschichte durch die der story90 spricht Pannenberg zufolge etwas ganz Entscheidendes: Ersetzte man die Kategorie der Geschichte durch die der story „würde das Interesse an der Realität des Erzählten jedoch zumindest sekundär“, was aber – so seine Überzeugung – „keineswegs dem Realismus der alttestamentlichen – und auch der neutestamentlichen – Überlieferungen“ [kursiv: T. L.] entspräche91. Damit die Theologie also an der von ihm in den Texten der Überlieferung erkannten „realistischen Intention der biblischen Erzählungen“ Rechnung tragen kann, sei es erforderlich, dass „sie ihr Zeugnis von einem Handeln Gottes in den realen Begebenheiten, die Menschen widerfahren und zum Teil durch sie mitgestaltet worden sind, darin ernst nimmt, daß auch heute nach dem Handeln Gottes in der Realität jener Geschichte [kursiv: T. L.] gefragt wird, so wie sie sich heutigem Urteil darstellt, mag das auch nicht ohne kritisches Urteil über die Historizität mancher Ein88 Siehe exempl. Pannenbergs Aufsatz „Das Irreale des Glaubens“, in: W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 1, bes. 130. 89 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 253. 90 Pannenberg notiert die m. E. zutreffende Beobachtung, dass inzwischen die Kategorie ‚story‘ „in einigen theologischen Veröffentlichungen der letzten Jahrzehnte“ die der Geschichte verdrängt hat. Er bezieht sich dafür auf D. Ritschl, H.O. Jones, „Story“ als Rohmaterial der Theologie sowie D. Ritschl: Zur Logik der Theologie, 14–51, 56–60 sowie passim. (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 253). Siehe auch die Bemerkungen von P. Heltzel: „For example, since Pannenberg believes in the truth of the biblical narratives he prefers to refer to them as history, instead of mere „stories“ as has become fashionable among contemporary narrative theologians. By centering his project on the primacy and possibility of the norm of truth, Pannenberg stands against much of the anti-realist, subjectivist postmodernists like Richard Rorty.“ (P. Heltzel, Wolfhart Pannenberg (1928- ), in: Boston Collaborative Encyclopedia of Western Theology: Wolfhart Pannenberg, hg. von Wesley Wildman, http:// people.bu.edu/wwildman/WeirdWildWeb/courses/mwt/dictionary/mwt_themes_856_pan nenberg.htm [Zugriff am 21. 03. 2008]). Es ist darum sicher auch richtig, mit S.J. Grenz Pannenberg eine Distanz zur narrativen Theologie zuzuschreiben: „Christianity, he maintains, is historically based. Therefore, the historical gate into the faith is tossed aside only at the peril of faith itself. The narrative approach to the Bible, he finds, evades the truth claims of the biblical narratives, which according to Pannenberg are largely historical and are basic to both faith and doctrine.“ (S.J. Grenz, Reason for Hope, 49). Siehe auch oben Pannenbergs Verteidigung des Geschichtsbegriffs (history) gegenüber der Kategorie ‚story‘ (s. oben). 91 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 253.

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zelzüge biblischer Texte und ganzer Erzählungen abgehen:“92 Wenn also ernstlich nach dem Handeln Gottes in den Phänomenen bzw. Episoden der Geschichte gefragt werden soll, ist ein Verständnis der überlieferten „Texte nur als Literatur“ zu wenig93. Angesichts starker Indizien für ein realistisches Wirklichkeitsverständnis bei Pannenberg ist es nicht verwunderlich, dass ein solcher Realismus zu Recht bei Pannenberg behauptet wurde. Joel Haugen etwa hat im Realismus Pannenbergs, speziell in seiner Rede von einer ‚objective reality‘, eine Voraussetzung erkannt, die sie in dem von Pannenberg angestrebten Dialog zwischen Theologie und Naturwissenschaft vorfindet94. Diese These hat insofern hohe Plausibilität, als 92 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 253f. 93 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 254. Es zeigt sich hier wiederholt der v. a. für Pannenbergs Theologie charakteristische Ansatz, die Wahrheitsfrage vornehmlich von der Geschichte her klären zu wollen (s. o.). In seiner Einschätzung, dass die Wahrheitsfrage durch ein Ersetzen der Geschichte durch die Kategorie der story verloren ginge, liegt er m. E. richtig: „Es mag verführerisch sein, durch eine Behandlung der biblischen Überlieferungen als „story“ die Probleme der historischen Kritik und die Frage nach der Faktizität des Berichteten zu umgehen; doch das könnte nur auf Kosten der Wahrheitsansprüche der Überlieferung geschehen. Wenn die Theologie an der Berufung auf Gottes geschichtliches Handeln, auch auf der Ebene der Faktizität festhalten muß, dann darf sie den Begriff der Geschichte nicht aufgeben. Daran hängt der Wirklichkeitsgehalt der Rede von einer Offenbarung Gottes in Jesus Christus und damit auch die Nüchternheit und der Ernst des Glaubens an den Gott der Bibel selber.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 254). Vgl. auch folgende Bemerkung: „We cannot honestly go on to identify ourselves as Christians if the story of Jesus Christ and of his God is merely a story (in the sense of fairy tale) – fiction, but not history. The Christian faith cannot live by relating to the history of Jesus as to a myth of Christian ancestors, if it were just that. The problem with the term „story“ is that it obfuscates the truth question, and I suspect that the term „story“ is so popular precisely because it allows one to slide over the truth question.“ (W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 5). Natürlich kann man fragen, ob die Wahrheitsthematik durch die Einführung des storyBegriffs gänzlich suspendiert wäre. M. E. müsste das nicht so sein, könnte doch dann wenigstens immerhin noch nach bestimmten Wahrheiten gefragt werden, die möglicherweise hinter der figurativen ‚Fassade‘ des bloß Erzählten und Fiktiven lägen. An Pannenberg wäre allerdings die Frage zu richten, ob er mit Recht (und gleichsam pauschalisierend) davon ausgeht, dass die biblischen Autoren mit ihren Überlieferungen realistische Intentionen hegen. Das scheint mir zweifelhaft. In der Sache weiterführend scheinen mir in dieser Hinsicht narrative Lesarten zu sein, insofern diese die (Hebräische) Bibel literaturwissenschaftlich untersuchen (vgl. exemplarisch nur S. Bar-Efrat, Wie die Bibel erzählt. Alttestamentliche Texte als literarische Kunstwerke verstehen) und ihre Texte als literarische Kunstwerke würdigen können und dabei die Wahrheitsfrage im Hinblick auf den Erzählstoff hintanstellen können. 94 J. Haugen (Introduction: Pannenberg’s Vision of Theology and Science, 23) erkennt den Realismus in Pannenbergs Rede von einer ‚objektive reality‘ und der sich daran anschließenden Diskussion um diese These. Angesichts kontemporär-postmoderner Strömungen sind ihr Ansprüche auf Objektivität (z. B. des Wissens) suspekt: „Within the current intellectual climate of postmodernism, some readers may wonder how any serious thinkers could believe that either theology or science can make legitimate claims to having knowledge of objective reality. Are not all objective knowledge claims merely constructions of human

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Pannenberg behauptet, dass „sich die Aussagen der Naturwissenschaft und der Theologie auf ein und dieselbe Wirklichkeit“ beziehen95, was die Annahme der an anderen Stellen bereits aufgestellten These der Einheit der Wirklichkeit impliziert. Und seine These von der Einheit der Wirklichkeit als einer geschichtlichen, externen und subjektunabhängigen ist in der Tat der Möglichkeitsgrund dafür, dass diese eine Wirklichkeit als der gemeinsame Bezugspunkt der verschiedenen Wissenschaften verstanden werden kann: Alle Wissenschaften bedienen sich des Sprachmodus‘ der Aussage: Sie stellen Sätze, Behauptungen, Konjekturen und dergleichen über die (eine) Wirklichkeit auf 96, also über die Realität im Sinne des Realismus als eine vorgegebene, äußere Wirklichkeit97. 3.4.2.3.2 Welcher Realismus bei Pannenberg? Es wurde deutlich zu machen versucht, dass Pannenberg das Wirklichkeitsverständnis des Realismus in Anspruch genommen hat. Im Folgenden wird die Frage behandelt, ob dieses Wirklichkeitsverständnis noch präziser bestimmt werden kann. Da es sich bei dem Realismus um eine erkenntnistheoretische Position handelt, lässt eine genauere Bestimmung seines Wirklichkeitsverständnisses Rückschlüsse zu auf seine Epistemologie und damit auf die hier im consciousness imposed on a meaningless reality? Are not all claims to objective knowledge only an expression of a will to power?And has not the correspondence theory of truth on which claims to objective knowledge depend long since been pronounced dead? These are serious questions which pertain both to Pannenberg’s claim that theology offers us insight into the nature of objective reality, and to the claim of modern science to do the same.“ (ebd.). 95 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. II, 54. 96 Die Bedeutung des (kritischen) Realismus für den Dialog zwischen (Natur-)Wissenschaft und Theologie scheint vor allem in der angloamerikanischen (und britischen) Theologie erkannt worden zu sein: Siehe dazu ausführlicher: I.G. Barbour, Issues in Science and Religion; siehe ferner: Robert John Russell/Kirk Wegter-McNelly, Die Verzahnung von Naturwissenschaft und Theologie, 57ff. Siehe dort insbes. die Bemerkungen zu Arthur Peacocke. Russell und Wegter-McNelly halten fest: „Wie die Wissenschaft ist die Theologie im Kern realistisch, da sie Behauptungen über die Wirklichkeit aufstellt.“ (a. a. O., 58f). Vgl. auch a. a. O., 65. Das Wirklichkeitsverständnis des Realismus und die Vorstellung der Einheit der Wirklichkeit, die als Implikat dieses Wirklichkeitsverständnisses gelten kann, hat ohne Zweifel in der Theologie Pannenbergs den Dialog zwischen den Wissenschaften nicht nur ermöglichen, sondern auch befördern können. Auch anhand der von Pannenberg rezipierten Konjekturenlehre des Cusanus lässt sich sein Realismus nachweisen. Die sich in seinen Bemerkungen bekundende Referenz auf die außersprachliche Wirklichkeit bedürfen des Realismus als ihrer Voraussetzung: Die produktiven Bewußtseinsleistungen (Konjekturen) sollen sich als „gegenstandsgerecht“ und in solchem Sinne als „wahr“ erweisen (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 1, 117; siehe auch die Ausdrücke „Realitätsbezug“ und auch „Gegenstandswahrnehmung“ [a. a. O., 116]). 97 Pannenberg ist sich bewusst, dass die Naturwissenschaften ein realistisches Wirklichkeitsverständnis (= Realität im Sinne vorgegebener Wirklichkeit) voraussetzen und untersuchen und dabei auch die Korrespondenztheorie der Wahrheit voraussetzen und in Anspruch nehmen (vgl. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 205 Anm. 402).

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Zentrum stehende Frage nach Wahrheit und der Möglichkeit wahrer Erkenntnis/ der Wahrheitserkenntnis. Von daher legt sich eine solche nähere Betrachtung nahe. Sie scheint mir aber auch dadurch sinnvoll, dass aus der Feststellung eines korrespondenztheoretischen Wahrheitsverständnisses noch kein grundsätzliches Urteil über die spezifischen Besonderheiten eines realistischen Wirklichkeitsverständnisses in seiner speziellen Ausprägung gewonnen werden kann98. Zur Klärung dieser Frage werden geläufige Typen des Realismus im Folgenden näher betrachtet: 3.4.2.3.2.1 Kein naiver Realismus Als eine mögliche Option kommt der naive Realismus in Betracht. Im Hinblick auf Gott und seine Erkenntnis nimmt ein naiver Realist an, „daß Gott wirklich ist und die Existenz und Beschaffenheit der Wirklichkeit Gottes nicht von der Existenz und Eigenart menschlicher Erfahrungen, Erkenntnisse und seelischer Zustände abhängt, sondern daß es sich bei Gott – wie auch bei den unsichtbaren Strukturen der Welt – tatsächlich so verhält, wie die Beschreibungen sagen, die von ihm gegeben werden: daß Gott „zornig“ wird, „sein Herz verhärtet“ etc. In einem naiven Realismus wird unterstellt, daß in buchstäblichem Sinn ‚wirklich‘ der Fall ist, was mit unserer Sprache ausgesagt wird.“99 Doch diese Option scheidet aus, da Pannenberg bereits in einem frühen Beitrag – „Ü b e r h i s t o r i s c h e u n d t h e o l o g i s c h e H e r m e n e u t i k “ (1964) – sich ausdrücklich kritisch äußerte zu diesem „‚naiven Realismus‘, der die historische Erkenntnis für ein bloßes Spiegelbild vorgegebener Realität hält.“100 Daran lässt sich unschwer ablesen, dass Pannenberg offensichtlich der Meinung ist, dass der Wirklichkeitserkenntnis Grenzen gesetzt sind. 3.4.2.3.2.2 Metaphysischer Realismus? Pannenbergs realistisches Wirklichkeitsverständnis lässt sich möglicherweise treffend als metaphysischer Realismus bezeichnen, wie er etwa von A. Kreiner innerhalb der Theologie im Rahmen der Verteidigung der Korrespondenztheorie vertreten wird. Der metaphysische Realismus ist die allgemeine Form des Realismus101. Für ihn sind folgende Merkmale kennzeichnend: 98 Gelegentlich wird nicht minder behauptet, Vertreter der Korrespondenztheorie seien speziell metaphysische Realisten. Mir scheint dagegen diese These insoweit problematisch, als die Korrespondenztheorie (zumindest die Beanspruchung der korrespondenztheoretischen Intuition) gut auch mit anderen Typen des Realismus (etwa dem kritischen Realismus) vereinbar zu sein scheint. 99 H.-P. Großhans, Theologischer Realismus, 10. 100 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 124 Anm. 4. 101 Vgl. Ralph C.S. Walker, Art. Realismus I. Philosophisch, 183.

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„Der metaphysische Realismus vertritt die Auffassung, daß es eine Wirklichkeit unabhängig von unseren Vorstellungen von ihr und unseren Einstellungen ihr gegenüber gibt; entsprechend ist hier allerdings, was wir unter „unabhängig“ und „unseren“ verstehen. Es ist unstrittig, daß die Annahmen einer Einzelperson über die Welt bisweilen fehlerhaft sein mögen, ebenso, daß selbst ein diesbezüglich universales Einverständnis, z. B. darüber, daß die Erde flach ist, keine Garantie für die Wahrheit dieser Annahme darstellt. Metaphysische Realisten wie deren Gegner sind sich darin einig, daß die Wirklichkeit in diesem Sinne von dem unabhängig ist, was wir über sie denken. Aber metaphysische Realisten erheben einen weiterreichenden Anspruch auf Unabhängigkeit. Sie leugnen, daß die Beschaffenheit der Realität in irgendeinem Sinne davon abhängt, was empfindungsfähige Wesen über sie denken oder welche Einstellungen sie ihr gegenüber einnehmen. An dieser Stelle kollidieren sie mit Anti-Realisten und mit bestimmten Typen des → Idealismus.“102

Ähnlich die Definition von Panayot Butchvarov: „In The Cambridge Dictionary of Philosophy definiert Panayot Butchvarov metaphysischen Realismus als, „im weitesten Sinne die Auffassung, (a) daß es wirkliche Objekte gibt . . ., (b) daß sie unabhängig von unserer Erfahrung und unserem Wissen von ihnen existieren, und (c) daß sie unabhängig von den Begriffen, mit denen wir sie verstehen, und unabhängig von unserer Sprache, mit der wir sie beschreiben, Eigenschaften besitzen und in bestimmten Relationen zueinander treten.“103

Verbunden mit der Korrespondenztheorie der Wahrheit ergibt sich folgender Vorstellungshorizont: „Der tragende Gedanke des metaphysischen Realismus ist, daß es eine von uns unabhängig existierende und an sich unkonzeptualisierte Wirklichkeit gibt, mit der unsere Wirklichkeitsauffassungen korrespondieren müssen, um als wahr gelten zu können [kursiv: T. L.]. Gemäß diesem Bild ist unser Bewußtsein und auch unsere Sprache gewissermaßen dazu da, die Wirklichkeit wiederzugeben.“104

Unter Umständen ist mit dem metaphysischen Realismus auch die Vorstellung verbunden, es gebe nur eine (der Wirklichkeit korrespondierende) wahre Beschreibung dieser Wirklichkeit. Davon geht insbesondere Hilary Putnam aus: „‚In dieser Perspektive besteht die Welt aus einer bestimmten Gesamtheit bewußtseinsunabhängiger Entitäten. Es gibt genau eine vollständige Beschreibung davon, wie die Welt nun einmal ist. Wahrheit besteht aus einer Art von Korrespondenzrelation zwischen Worten oder Gedankenzeichen einerseits und externen Entitäten oder Mengen von Entitäten andererseits‘. Da die von uns unabhängig existierende Welt entscheidet, welche Sätze über sie wahr sind, kann als eine weitere Implikation des metaphysischen Realismus die These des semantischen Realismus hinzugefügt werden, 102 Ralph C.S. Walker, Art. Realismus I. Philosophisch, 183. 103 E. Herrmann, Wir Menschen, Wahrheit und Wirklichkeit, 160. 104 So die Beschreibung des metaphysischen Realismus durch E. Herrmann, Wir Menschen, Wahrheit und Wirklichkeit, 159.

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nämlich, daß jeder sinnvolle Satz immer entweder wahr oder falsch ist. Dies ist das sogenannte Bivalenzprinzip“105.

Für den metaphyischen Realismus spricht einiges, wie Pannenbergs ausgiebige Inanspruchnahme der Korrespondenztheorie noch deutlicher zeigen wird. 3.4.2.3.2.3 Kritischer Realismus? Plausibel erscheint jedoch auch die Annahme, Pannenberg vertrete einen kritischen Realismus. Nach Meinung von H.-P. Großhans vertritt der kritische Realismus die Annahme, „daß auch theoretische Begriffe Zugang geben zu Strukturen, die unabhängig von uns und unserem Erkennen existieren.“106 Die Wirklichkeit wird zwar auch hier – wie bei jedem Realismus – als unabhängig vom Denken bestehend gedacht (Vorstellung der sog. mind independent reality). Das entscheidende Charakteristikum dürfte jedoch darin bestehen, dass die Erkenntnis dieser Wirklichkeit als vorläufig und (z. B. kulturell) bedingt eingestuft wird. Pannenberg selbst hat wiederholt die prinzipielle Vorläufigkeit menschlicher Erkenntnis betont, sodass die These von J. Wentzel van Huyssteen und Mark Mattes, in Pannenberg (eher) einen kritischen Realisten als einen Idealisten zu sehen, nicht wenig plausibel scheint107. Überlegungen in diese Richtung sind vergleichsweise ausführlich von James S. Page vorgetragen worden108. In seiner Untersuchung, die auf den möglichen Nachweis eines kritischen Realismus als das in Pannenbergs Theologie zugrundeliegende Wirklichkeitsverständnis abzielt, hat er eine Reihe von Indizien gefunden, die mehr oder weniger deutlich dafür sprechen. In fünf von Pannenberg 105 H. Putnam, Reason, Truth and History, 49 (zitiert nach E. Herrmann, Wir Menschen, Wahrheit und Wirklichkeit, 160). Siehe auch J. Rohls‘ Definition des metaphysischen Realismus: „Der metaphysische Realismus arbeitet mit der Annahme, daß die Welt aus einer feststehenden Gesamtheit geistesunabhängiger Gegenstände besteht, so daß es genau eine wahre Beschreibung dessen gibt, wie die Welt wirklich aussieht. Die Wahrheit wird in diesem Fall als Korrespondenzbeziehung zwischen Wörtern und äußeren Dingen verstanden.“ (J. Rohls, Korrespondenz, Konsens und Kohärenz, 43). 106 H.-P. Großhans, Theologischer Realismus, 12f. 107 Siehe dazu W. v. Huysteen, Truth and Commitment in Theology and Science: An Appraisal of Wolfhart Pannenberg’s Perspective, in: Essays in Postfoundationalist Theology, 69–72; M. Mattes, Pannenberg’s Achievement, 52. Die These von R.M. Doran (What is Systematic Theology?, 8), Pannenberg sei ein Idealist, kann dagegen zurückgewiesen werden (s. u.). Es ist die These schlicht falsch, derzufolge Pannenberg eine idealistische Konzeption vertrete. Doran führte aus: „[T]here is no ground for distinguishing doctrines from systematics, for there is no acknowledgment of judgment as a distinct constitutive element in human knowing.“ Die Begründung, im Idealismus würden, so Doran, judgment and understanding nicht ‚properly distinguished‘, trägt im Übrigen zur Klärung der Frage nach dem Wirklichkeitsverständnis nichts bei. (R.M. Doran, What is Systematic Theology?, 8). 108 Vgl. James S. Page, Critical Realism and the Theological Science of Wolfhart Pannenberg: Exploring the Commonalities, 71–84.

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entfalteten Themenfeldern sieht er die für den (kritischen) Realismus charakteristische Vorstellung einer ‚mind-independent‘ oder ‚extra-subjective reality‘109. Für Pannenbergs Verständnis von Offenbarung (1) etwa gilt dies, weil dieselbe sich nach Pannenbergs Auffassung nicht innerhalb einer „private world of the believer“ vollzieht, sondern in der Geschichte, weswegen diese Anschauung die den Realismus kennzeichnende Annahme einer ‚mind-independent reality‘ zur Voraussetzung hat110. Für die Auferstehung (2) gilt Analoges, insofern ihr eine ‚out-there-quality‘ eigne, sie ebenfalls als ein äußeres Ereignis (‚external event‘) aufgefasst wird und dabei nicht die Bedeutung des persönlichen Glaubens betont werde (wie dies etwa bei R. Bultmann geschah) 111. Für das Gebiet der Christologie (3) stellt Page fest, dass Pannenberg insofern eine extrasubjektive Wirklichkeit voraussetzt, als der Ausgangspunkt der Thematisierung Jesu die historische Wirklichkeit ist und nicht eine davon zu unterscheidende Sphäre des persönlichen Glaubens112. Für Pannenbergs wissenschaftstheoretisches Verständnis stellt Page fest, dass die Annahme einer externen Realität auch geteilt wird vom Kritischen Rationalismus K.R. Poppers, dem Pannenberg (tatsächlich) in mancher Hinsicht sehr nahe steht113. Und schließlich bemerkt Page auch im Pannenberg’schen Gottesbegriff realistische Intentionen; denn Gott als die alles bestimmende Wirklichkeit zu denken impliziert die Annahme, dass diese Wirklichkeit als eine „mindindependent or extra-subjective reality“ verstanden wird114.

Die These eines kritischen Realismus scheint im Fall von Pannenberg bestätigt werden zu können.

109 J.S. Page, Critical Realism and the Theological Science of Wolfhart Pannenberg: Exploring the Commonalities, 71–84. Unglücklich gewählt scheint mir allerdings der Titel des Beitrages zu sein. Es kann doch nicht ernsthaft darum gehen, Gemeinsamkeiten (commonalities) zwischen dem kritischen Realismus und dem Verständnis der Theologie als Wissenschaft bei Pannenberg gehen. Vielmehr kann die entscheidende Frage – der Page auch tatsächlich nachgeht – doch nur die sein, ob innerhalb des (wissenschaftstheoretischen) Ansatzes von Wolfhart Pannenberg dieses Wirklichkeitsverständnis enthalten ist oder ob dies nicht der Fall ist. 110 J.S. Page, Critical Realism and the Theological Science of Wolfhart Pannenberg: Exploring the Commonalities, 74f. 111 J.S. Page, Critical Realism and the Theological Science of Wolfhart Pannenberg: Exploring the Commonalities, 75f. 112 Vgl. J.S. Page, Critical Realism and the Theological Science of Wolfhart Pannenberg: Exploring the Commonalities, 76f. 113 J.S. Page, Critical Realism and the Theological Science of Wolfhart Pannenberg: Exploring the Commonalities, 77f. Insofern der Kritische Rationalismus mit dem Realismus operiert, wundert es nicht, dass auch die Korrespondenztheorie der Wahrheit vertreten wird. Zur Rezeption der Korrespondenztheorie K.R. Poppers bei W. Pannenberg s. u.; eine umfassende Darstellung der Korrespondenztheorie Poppers findet sich bei A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 118–165. 114 J.S. Page, Critical Realism and the Theological Science of Wolfhart Pannenberg: Exploring the Commonalities, 78f.

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3.4.2.3.2.4 Eschatologischer Realismus? Eine ernstzunehmende Alternative dazu stellt die These von P. Heltzel dar, der die originelle Meinung geäußert hat, bei Pannenbergs Wirklichkeitsverständnis handele es sich um einen ‚eschatologischen Realismus‘: „Although Pannenberg is a realist, he is a realist of a particular stripe, namely an eschatological realist. He believes that there really is a capital T truth out there, but that we will not know it completely until consummation of the ages, the end of the eschaton. Since all any human knower including a theologian ever has is a provisional perception of truth, all theological statements are tentative, not fully revealing and in that sense hypothetical.“115

Diese These gewinnt ihre Plausibilität auf gleiche Weise wie die des kritischen Realismus von der das Denken Pannenbergs kennzeichnenden Überzeugung der Vorläufigkeit jedweder Erkenntnis. Ein (sicher nicht gravierender) Unterschied besteht darin, dass der Ausdruck ‚eschatologischer Realismus‘ den Zeitpunkt wahrer, im Sinne vollendeter Erkenntnis im Verständnis Pannenbergs treffsicher berücksichtigt, wodurch zugleich Pannenbergs Anliegen, jede prä-eschatologische Erkenntnis als eine nur vorläufige einzustufen, mitgedacht wird. 3.4.2.3.5.2 Kritischer theologischer Realismus? Schließlich kann noch gefragt werden, ob Pannenberg mit einem speziell theologischen Wirklichkeitsverständnis gerechnet hat. Diese Frage scheint mir schon dadurch berechtigt, dass Pannenbergs Verständnis von Wirklichkeit als Geschichte eine dezidiert geschichtstheologische Option darstellt. Noch eine Stufe differenzierter wird gelegentlich ein speziell „critical theological realism“ reklamiert oder propagiert116. Mir scheint diese Etikettierung für Pannenbergs Wirklichkeitsverständnis wenig passend. Denn die Überzeugung Pannenbergs von der Einheit (und Kohärenz) der Wirklichkeit, von der her die Frage nach der Wahrheit in ihrer Einheit einer Klärung zugeführt werden kann, rechtfertigt solche dezidiert theologischen Positionen nicht. Zwar wird die Einheit der Wirklichkeit theologisch bzw. metaphysisch gedeutet117, insofern Gott als Stifter dieser Einheit gedacht wird. Diese 115 P. Heltzel, Wolfhart Pannenberg (1928- ), in: Boston Collaborative Encyclopedia of Western Theology: Wolfhart Pannenberg, hg. von Wesley Wildman, http://people.bu.edu/wwildman/ WeirdWildWeb/courses/mwt/dictionary/mwt_themes_856_pannenberg.htm (Zugriff am 21. 03. 2008). 116 Siehe dazu B. Shipway, Critical Realism and Critical Theological Realism: Opportunities for Dialogue?, in: Alethia (Journal for Critical Realism) 3(2) (2000), 29–33. Siehe auch zu einem „theological realism“ J.M. Soskice, Metaphor and Religious Language, 142ff. 117 Vgl. auch die Bemerkungen von Th. Freyer (Zeit – Kontinuität und Unterbrechung, 221): „Pannenbergs Rückgriff auf Metaphysik dient dem Anspruch eines auf Universalität, Einheit und Kohärenz ausgehenden, und diese zugleich voraussetzenden, Wirklichkeitsverständnisses.“

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eine Wirklichkeit bleibt aber nach Meinung von Pannenberg für Theologie und andere Wissenschaften, wie wir bereits oben gesehen haben, ein und dieselbe Wirklichkeit. Theologische Ansätze, die der Theologie bzw. dem christlichen Glauben einen besonderen Wirklichkeitsbereich oder gar eine separate Wirklichkeit (wie etwa J. Fischer [s. u.]) zuordnen wollen, stehen dieser mit Pannenbergs gesamter Theologie verbundenen Intention entgegen, die eine Wirklichkeit theologisch zu deuten und damit adäquat zu erfassen. 3.4.2.3.2.6 Interner Realismus? Als eine weitere denkbare Option bleibt noch zu klären, ob Pannenberg einen internen Realismus beansprucht hat, wie er insbesondere mit dem Namen Hilary Putnam verbunden ist und innerhalb der Theologie von H.– P. Großhans weitgehend positiv rezipiert worden ist118: „Für den internen Realismus ist es hingegen kennzeichnend, daß er die Frage, aus welchen Gegenständen die Welt besteht, nur im Rahmen einer Theorie oder Beschreibung für sinnvoll hält. Wahrheit kann daher nicht die Übereinstimmung mit geistesunabhängigen Dingen meinen, da uns die Dinge immer nur im Rahmen einer bestimmten Theorie und also niemals geistesunabhängig begegnen.“119

Weil Pannenberg in seiner Theologie auf sprach- und geist-unabhängige außersprachliche Entitäten auf der ontologischen Ebene rekurriert, lässt sich leicht sagen, dass der interne Realismus als adäquate Bestimmung seines Wirklichkeitsverständnisses ausscheidet. 3.4.2.3.2.7 Theologischer Realismus? Durchaus erwägenswert scheint noch die Option, in Pannenberg einen Vertreter des theologischen Realismus zu sehen. Denn dieser kann folgendermaßen definiert sein: „Theologischen Realismus nennt man die Ansicht, es gebe einen Gott unabhängig davon, was wir über ihn denken, sagen oder wissen mögen. Dieser Auffassung liegen ontologische, erkenntnistheoretische und linguistische Postulate zugrunde.“120

118 In Bezug auf die Sprache des christlichen Glaubens und hinsichtlich christlicher Rede von Gott votierte H.-P. Großhans für einen „um Einsichten Wittgensteins ergänzten internen Realismus“ (H.-P. Großhans, Theologischer Realismus, 4). 119 J. Rohls, Korrespondenz, Konsens und Kohärenz, 43. Wahrheit wird hier „als Idealisierung der rationalen Akzeptierbarkeit“ gefasst; die Behauptung, eine Aussage sei wahr, heißt – so Rohls – im internen Realismus zu behaupteten, dass sie sich rechtfertigen lasse. (ebd.). Putnam hat sich allerdings später von seiner epistemischen Wahrheitstheorie distanziert. Siehe dazu H. Putnam, Werte und Normen, in: L. Wingert/ K. Günther (Hg.), Die Öffentlichkeit der Vernunft und die Vernunft der Öffentlichkeit. Festschrift für Jürgen Habermas, Frankfurt 2001, 298. 120 J.M. Soskice, Art. Realismus II. Theologisch, 190. M. E. müsste erst noch geklärt werden, ob

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Ein überzeugender Beleg für diese Position würde sich immerhin finden lassen: „Nur unter Voraussetzung Gottes ist die Übereinstimmung des menschlichen Denkens mit der außermenschlichen Wirklichkeit, seine Wahrheit also, möglich.“121 3.4.2.3.3 Zwischenfazit Weil schon der Korrespondenzgedanke ein realistisches Wirklichkeitsverständnis erfordert, lag es nahe, das von Pannenberg präsupponierte Wirklichkeitsverständnis im Durchgang durch geläufige erkenntnistheoretische (Grund-) Optionen näher zu bestimmen zu suchen. Da Korrespondenzwahrheit mit einem Ausgriff auf die ontologische Seite arbeitet, ist ein interner Realismus als ein potentiell denkbares Wirklichkeitsverständnis Pannenbergs eher unwahrscheinlich. Sein Wirklichkeitsverständnis wird man m. E. im Horizont eines weit gefassten metaphysischen Realismus suchen dürfen und am ehesten als eschatologischen, besser als kritischen Realismus titulieren können; die Referenz auf die außersprachliche Ebene und die epistemischen Grenzen, die Pannenberg nicht nur für das Erkennen der Wahrheit vermutet, geben hier den Ausschlag. Weil die Unabhängigkeit der Wirklichkeit Gottes von unserem Denken darin eingeschlossen ist, wird der eher selten gebrauchte Ausdruck ‚theologischer Realismus‘ hier nicht propagiert. Das Wirklichkeitsverständnis aus dem philosophischen, erkenntnistheoretischen Diskurs zu gewinnen, ist eine von Pannenberg nicht wahrgenommene Option. Es hätte dann im Rahmen der Profilierung des Realismus auch zugleich das darauf angewiesene Moment der Korrespondenz verteidigt werden können. Und es hätte deutlich werden können, dass der für seine Theologie essentielle Dialog mit anderen Wissenschaften – insbesondere den Naturwissenschaften – aufgrund des auch von ihnen vorausgesetzten Realismus gerade deshalb gut möglich ist. Hinsichtlich seiner Inanspruchnahme des (kritischen) Realismus und der Korrespondenztheorie der Wahrheit kann Pannenberg auch gut als ein Vertreter des alethischen Realismus (dessen Kennzeichen oben dargelegt worden sind) gelten. Ob mit W. Lütterfelds von einem Wahrheits-Realismus gesprochen werden sollte122, will ich dahingestellt sein lassen, zumal ich insgesamt die Gefahr sehe, dass die Präzisierungsbemühungen hinsichtlich der Beschreibungen des

die verschiedenen Vertreter eines theologischen Realismus auch wirklich die oben beschriebene erkenntnistheoretische Position zur Geltung bringen möchten. 121 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 215. 122 Siehe dazu den Beitrag von W. Lütterfelds, Der Wahrheitsanspruch und der Verbindlichkeitsstatus religiöser Rede und theologischer Reflexion. Einige philosophische Bemerkungen, 11–40.

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Realismus längst ausufern und die Verständigung erschweren. Dass Pannenberg ein Realist gewesen ist, das dürfte jedoch unstrittig sein123.

3.4.2.4 Zur subjektiven Ebene in der (korrespondenztheoretischen) Erkenntnisrelation Nachdem gezeigt worden ist, dass Pannenberg erwartungsgemäß ein realistisches Wirklichkeitsverständnis vertreten hat, um dem Korrespondenzgedanken zu genügen, geht es im Folgenden um die weitere Frage, auf welche Weise Pannenberg auf die außersprachliche Wirklichkeit referiert. Nicht anders als üblich geschieht dies auch in Pannenbergs Theologie durch das Medium der Sprache. Welche Wahrheitsträger dabei ganz konkret zum Einsatz kommen, ist in diesem Fragehorizont von grundlegender Wichtigkeit. Bevor ich mich diesen sprachlichen Mitteln im Einzelnen zuwende, werde ich demonstrieren, dass schon Pannenbergs Überlegungen zum Phänomen ‚Sprache‘ die Wahrheitsthematik derart konstruktiv einholen, dass die formal semantisch-ontologische bzw. aussagetheoretische Wahrheit nicht nur für theologische und religiöse Rede ermöglicht wird, sondern herausragende Bedeutung überhaupt erhält. 3.4.2.4.1 Der Sprachmodus der Aussage und ihre Darstellungsfunktion

„In der Sprache kommt Sinn zur Darstellung, und durch sprachlichen Ausdruck wird er mitgeteilt.“124

Sprache ist ein Zeichensystem, das eine Vielzahl von Funktionen erfüllen kann. Sprache ist etwa von elementarer Bedeutung, wenn Menschen sich untereinander verständigen wollen – sie ermöglicht Kommunikation. Sprache ist aber immer auch schon für den Vollzug des Denkens konstitutiv. Sogar Handlungen können mithilfe der Sprache vollzogen werden, wie spätestens seit J.L. Austins „H o w t o D o T h i n g s Wi t h Wo r d s “125 klar sein dürfte. Der generelle Funktionenpluralismus menschlicher Sprache ist Pannenberg nicht verborgen geblieben. Ganz im 123 Dass Pannenberg ein Realist ist, steht außer Zweifel. Anders mag es bei so manchem seiner Kritiker aussehen: So deutet etwa Chr. Glimpel an, dass er Pannenberg offensichtlich für einen (metaphysischen) Realisten hält und das für kritikwürdig hält. Er fragt, ob eine „„Täuschung“ nicht vielleicht in der Annahme [liegt], es gäbe eine von der menschlichen Subjektivität völlig unabhängige Wirklichkeit [kursiv: T. L.], deren angemessene Abbildung durch die menschliche Subjektivität dann „Wahrheit“ zu nennen sei?“ (Chr. Glimpel, Gottesgedanke und autonome Vernunft, 141 Anm. 464). Wenn Glimpel allerdings von einer Täuschung spricht und wie hier ganz offenkundig darzulegen bemüht ist, wie es sich in Wirklichkeit verhält (= nämlich dass es eine unabhängige Wirklichkeit angeblich nicht gebe), nimmt er zwangsläufig die (z.Tl. polemisch geschmähte, naive) Objektivität (z. B. a. a. O., 130) für das Gesagte in Anspruch und präsupponiert den Realismus, den er ablehnt. 124 W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 328. 125 J.L. Austin, How to do Things with Words (1962).

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Gegenteil, er ist von ihm eingehend thematisiert worden126. Die vielfältigen Funktionen von Sprache sollen an dieser Stelle jedoch nicht weiter verfolgt werden. Mir scheint von entscheidender Wichtigkeit die Beobachtung zu sein, dass Pannenberg in seinen Ausführungen zum Phänomen der Sprache der Darstellungsfunktion von Sprache Vorrang gegenüber anderen (etwa performativen Funktionen) 127 eingeräumt hat. Die Darstellungsfunktion von Sprache scheint von ihm durchweg favorisiert zu werden. Sprache dient s.E. in allererster Linie dazu, die vorgegebene Wirklichkeit zur Darstellung zu bringen128. Das geschieht aber für gewöhnlich durch Inanspruchnahme des Sprachmodus‘ der Aussage. Eine vorzugsweise Konzentration auf die Aussage wiederum begünstigt eine Konzentration auf den aussagetheoretischen Wahrheitstypus enorm, dessen prominenteste Explikation die Korrespondenztheorie der Wahrheit ist. Denn die Aussage ist nur ein ganz bestimmter, wenn auch elementarer unter vielen anderen (strenggenommen: potentiellen) Wahrheitsträgern, von denen Pannenberg ausgiebigen Gebrauch macht. Gemäß dem Bivalenzprinzip können Wahrheitsträger wie z. B. Aussagen entweder wahr oder falsch. Tertium non datur: „Wenn Theologie und profane Wissenschaften über die Welt, den Menschen, die Geschichte verschiedene und gar gegensätzliche Aussagen machen, so ist die Frage unabweisbar, welche dieser Behauptungen als die wahren zu gelten haben.“129

Pannenberg kritisiert vehement die existenzialphilosophische und existenztheologische – insbesondere bei M. Heidegger, H.G. Gadamer und auch G. Ebeling festzustellende – Abwertung des Sprachmodus‘ der Aussage und stellt ihre fundamentale Bedeutung heraus130. 126 Vgl. dazu insbesondere W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 328ff. 127 Zur Darstellungsfunktion der Sprache vgl. neben den im Folgenden genannten Belegen auch W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 385 (auch a. a. O., 323: dort zur Darstellungsfunktion speziell des Spiels). 128 Siehe dazu etwa exemplarisch W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 103ff. 129 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 13. 130 Vgl. dazu im Einzelnen W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 112ff. (Zur Kritik an G. Ebeling, Wort Gottes und Hermeneutik, in: ZThK 56, 1959, 224–251, bes. 245f). Kritisiert wird von Pannenberg die bei Ebeling erkannte Trennung der Aussagen- von der Mitteilungsfunktion der Sprache. Siehe dazu a. a. O., 113. In Auseinandersetung mit Gadamers Wahrheit und Methode zeigt Pannenberg, dass „[a]uch Gadamer selbst […] sich dem Aussagesinn der Sprache nicht wirklich entziehen [kann].“ (W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 115) Pannenberg nimmt später enttäuscht zur Kenntnis, „daß auch Heidegger und Gadamer der Form der Aussage [kursiv: T. L.] keine konstitutive Bedeutung für die menschliche Sprache zuzubilligen bereit waren. In dieser Abwertung der Aussage [kursiv: T. L.] muß man offensichtlich ein Charakteristikum der existenzphilosophischen wie der existenztheologischen Hermeneutik erkennen.“ (W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 176). Pannenberg spricht auch von einer „Verengung des

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In seiner „Wi s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d T h e o l o g i e “ verteidigt er die elementare Bedeutung der darstellenden Funktion von Sprache und der Aussage nun auch analytisch-philosophisch. Auf L. Wittgensteins „T r a c t a t u s l o g i c o p h i l o s o p h i c u s “ kann er sich dafür berufen: „Im Gegensatz zur existenzialhermeneutischen Deutung der Sprache bildet in den analytischen Sprachphilosophien die Aussage und also die Darstellungsfunktion der Sprache den Ausgangspunkt.“131 „Das gilt in erster Linie vom logischen Positivismus.“132 „Aber auch L. Wittgenstein hat in seinem Tractatus die Aussage, nämlich den Behauptungssatz, als Grundform der Sprache überhaupt angenommen. Nach Wittgenstein bildet der Satz den gegenständlichen Sachverhalt ab. Das ist sein Sinn.“133

Nach weiterer eingehender Auseinandersetzung mit sprachphilosophischen und sprachpsychologischen Beiträgen zur Fragestellung in seiner „A n t h r o p o l o g i e i n t h e o l o g i s c h e r P e r s p e k t i ve “ ist Pannenbergs besondere Wertschätzung der Darstellungsfunktion von Sprache und der Aussage als des mit ihr verbundenen Sprachmodus‘ nahezu überdeutlich134: Er teilt etwa mit den US-amerikanischen Linguisten N. Chomsky die Einschätzung, dass es bei sprachlichen Äußerungen „in erster Linie um Ausdruck von Sinngehalten, also um ihre Dar-

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Sprachverständnisses, die sich in der Abwertung der Sprachfunktion der Aussage in der hermeneutischen Theologie wie bei Heidegger und seinen Nachfolgern vollzogen hat“ (a. a. O., 177). Zu dieser Kritik an einem verengten Sprachverständnis siehe ausführlicher a. a. O., 168ff, bes. 173ff. Lob erhält Pannenberg m. E. zu Recht von seinem Münchener Kollegen L.B. Puntel, der meint, Pannenberg kritisiere im 3. Kap. seiner Wissenschaftstheorie und Theologie „überzeugend die existenzialphilosophische Abwertung und die einseitige sprachanalytische Sicht der Aussage.“ (L.B. Puntel, Wissenschaftstheorie und Theologie. Zu Wolfhart Pannenbergs gleichnamigem Buch, 274). W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 179. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 179f. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 180. In Anm. 361 bezieht Pannenberg sich im gen. Werk auf 2.221. Die „analytische Sprachphilosophie [hat] bestimmte Aspekte der Sprache sichtbar gemacht, die jedenfalls in der Existenzialhermeneutik von Heidegger bis Gadamer vernachlässigt worden sind. Das gilt sowohl für den Gegenstandsbezug der Sprache in der weltabbildenden Sprache des Tractatus […] als auch für die Verbindung von Sprache und sozialer Lebensform in der Spätphilosophie Wittgensteins.“ (W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 182). Die Inanspruchnahme der darstellenden Funktion von Sprache kommt deutlich gerade auch in Pannenbergs Inanspruchnahme des Behauptungsbegriffs zum Vorschein. Pannenberg formuliert: „Behauptungen beanspruchen Wahrheit in dem Sinne, daß der Sinn des Satzes einen objektiv gegebenen Sinn, einen Sachverhalt, zur Darstellung [kursiv: T. L.] bringt. In solchem Anspruch besteht der Sinn des Satzes als Behauptungssatz.“ (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 103). Es gelte „doch für Behauptungen nach wie vor, daß sie den Sinn der Darstellung von Gegebenem [kursiv: T. L.] haben und also Wahrheitsansprüche involvieren.“ (ebd.). Zu Pannenbergs Behauptungsbegriff s. u. Siehe dazu ausführlicher W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 358ff, alternativ den Aufsatz: W. Pannenberg, Sprechakt und Gespräch.

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stellung“ geht135, und mit dem Sprachpsychologen K. Bühler ist er der Meinung, dass von den drei Grundfunktionen sprachlicher Äußerungen – Ausdruck-Darstellung-Mitteilung – „der Darstellung die Führung zu[kommt]“136. Sogar der Einschätzung des österreichischen Sprachphilosophen und Sprachpsychologen F. Kainz, der betont hatte, dass die Funktion der Darstellung „keine bestimmte Sprachleistung neben anderen ist, sondern das fundamentale Wesensmoment [kursiv: T. L.] der Sprache, das hinter ihren sämtlichen Leistungen steht und diese erst ermöglicht“137, scheint er seine (vorsichtige) Zustimmung zu geben138. Die im Dienste der Darstellungsfunktion stehenden Aussagen ermöglichen die Referenz auf die ontologische Ebene – eine Gegenstandsbezogenheit, der Pannenberg besondere Beachtung schenkt139 und die die semantisch-ontologi135 W. Pannenberg, Sprechakt und Gespräch, 70f. Pannenberg bezieht sich auf N. Chomsky, Reflections on Language, 69. Siehe auch alternativ: W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 358. 136 W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 359. Pannenberg begründet dies damit, dass die Darstellungsfunktion zwischen Ausdruck und Mitteilung vermittele: „Der subjektive Ausdruck kann den andern nur erreichen, ihm zur Mitteilung werden nur durch das Medium der Darstellung. Das gilt sogar für die performativen Äußerungen. Die Taufformel bringt zur Darstellung, was durch die Handlung am Täufling geschieht; das Versprechen stellt seinen Inhalt dar als dem Empfänger zugedachte Wohltat. Den Darstellungsaspekt des Spiels hat die Sprechakttheorie bei ihrer Deutung der Sprache mit den Mitteln der Spieltheorie zu ihrem Schaden nicht berücksichtigt. Mag es auch im Gespräch Momente des Wettstreits geben – im gelingenden Gespräch bleiben sie der Sache [kursiv: T. L.], der das Gespräch gilt und die in ihm zur Darstellung kommt, untergeordnet.“ (W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 359. Siehe alternativ: W. Pannenberg, Sprechakt und Gespräch, 71f). Zu dieser ‚Dreistrahligkeit‘ in der semantischen Struktur von sprachlichen Äußerungen siehe auch a. a. O., 381. Pannenberg zeigt, dass G. Ebeling in frühen Veröffentlichungen das Wesen der Sprache in dem Moment der Mitteilung (zwischen Personen) gesehen und auf diese Dimension reduziert hat. Pannenberg stört sich an einer solchen „schon bei Heidegger angebahnte[n] Reduktion“, die bei Ebeling in Gestalt einer personalistischen Sprachdeutung auftaucht, „von der Aussagestruktur und Darstellungsfunktion der Sprache absieht und damit der an der Aussagestruktur von Behauptungssätzen orientierten analytischen Sprachphilosophie in der Phase des logischen Positivismus diamentral entgegengesetzt war.“ (W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 381). In jüngeren Veröffentlichungen Ebelings sieht Pannenberg dagegen dessen „existenzialistisch-personalistische Engführung“ aufgelockert; der Bandbreite des Sprachphänomens werde darin „in höherem Maße Rechnung zu tragen versucht.“ (a. a. O., 382). 137 Zu dieser Einschätzung von F. Kainz (Psychologie der Sprache I, 1941, 174f) vgl. W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 359 (Anm. 149). 138 Auf die mit der darstellenden Funktion in Verbindung stehende Objektivierung sowie auf die Sachlichkeit im menschlichen Weltverhältnis ist hier nicht einzugehen. Siehe ausführlicher W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, bes. 161ff; zur Objektivierung siehe auch schon W. Pannenberg, Zur theologischen Auseinandersetzung mit Karl Jaspers, 327f. 139 Vgl. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 182. Dies habe die analytische Philosophie der Existenzialhermeneutik gezeigt. Zur elementaren Bedeutung des Momentes der Gegenstandsbezogenheit vgl. auch Pannenbergs Diskussionsbeitrag in: S.M. Daecke,

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sche Relationalität im (aussagetheoretischen) Wahrheitsbegriff nur mehr unterstreicht. Die Fokussierung der Aussage zeigt sich auch in Pannenbergs Umgang mit Metaphern. Im Unterschied zu Jüngel, der sich – wie Pannenberg selbst gesteht – ausführlich(er) mit der metaphorischen Rede auseinandergesetzt hat140, steht bei Pannenberg das Interesse an der durch die Aussage geleisteten Verknüpfung der sprachlichen mit der ontologischen Ebene im Zentrum seines Interesses: eben als bestimmte, (bildhafte) Formen des Aussagens werden sie von Pannenberg gewertschätzt141; Metaphern dienen so (nicht nur ihm) demselben Zweck, der Aussagen ohnehin zugeschrieben wird, nämlich der Darstellung der realistisch zu verstehenden Wirklichkeit142. Pannenbergs Favorisierung der Darstellungsfunktion der Sprache geht einher mit einer Kritik an den von Sprechakttheoretikern ausgehenden generalisierenden Tendenzen, den Handlungsbegriff auf alle sprachlichen Äußerungen zu beziehen143. (Allerdings ergibt sich hier ein gewisser Widerspruch zur andernorts

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H.N. Janowski, W. Pannenberg, G. Sauter, Theologie als Wissenschaft. Ein Gespräch, 113. Man wird H.N. Janowski also in der Einschätzung zustimmen können, dass Pannenberg „ein neues Gegenstandsverhältnis der Theologie“ gefordert hat, und zwar ein solches, „das auf Aussagen [kursiv: T. L.] über Sachverhalte aus ist“. (So H.N. Janowski in seinem Gesprächsbeitrag in: S.M. Daecke, H.N. Janowski, W. Pannenberg, G. Sauter, Theologie als Wissenschaft. Ein Gespräch, 63) Janowski, der diese Einschätzung auch auf den Ansatz G. Sauters bezog, hat in dieser Ausrichtung der Theologie eine Gemeinsamkeit beider Theologen gesehen. Nicht zutreffend für Sauter und Pannenberg ist allerdings die von Janowski im Gespräch geäußerte Vermutung, sie wollten sich gegen den Gestus des assertorischen Redens wenden. Beide halten am assertorischen Reden fest, wenngleich das Verständnis von Assertionen bei Sauter und Pannenberg sehr unterschiedlich ausfällt. Vgl. dazu den Abschnitt zu Assertionen in dieser Arbeit; zu Sauter aber auch schon seine Erwiderung ebd. Siehe dazu die Hinweise auf E. Jüngel in W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 410f Anm. 105. Siehe B. Kruhöffer (Reflexionen über ‚das Böse‘. Sprachliche Differenzierungen in Auseinandersetzung mit der Theologie Wolfhart Pannenbergs, 193). Sie zeigt, dass Pannenberg die metaphorische Sprache mit ihren performativen Funktionen nicht (näher) in den Blick nimmt (vgl. ebd.; a. a. O., 192ff eine Kritik des Pannenberg’schen Metaphernverständnisses). Bemerkenswerterweise werden Metaphern von Pannenberg aber insofern gewürdigt, als sie als eine bestimmte (bildhafte) Form des Aussagens verstanden werden, was bedeutet, dass sie als im Dienste der von Pannenberg vielbeachteten Darstellungsfunktion der Sprache stehend interpretiert werden: „Nicht die Sache selbst ist Metapher, sondern nur die Form [kursiv: T. L.] der Aussage. Es ist unstatthaft, von der metaphorischen Form der Rede auf die Irrealität der darin zur Sprache gebrachten Sache zu schließen.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 668. Vgl. a. a. O., 667f).Vgl. auch seine Erwägungen darüber, ob metaphorische Aussagen durch andere Formulierungen ersetzt werden könnten (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 668). So I.U. Dalferth, In Bildern denken. Die Sprache der Glaubenserfahrung, 166 und daran anschließend auch B. Kruhöffer (Reflexionen über ‚das Böse‘. Sprachliche Differenzierungen in Auseinandersetzung mit der Theologie Wolfhart Pannenbergs,192). Im Anschluss eine Kritik des Pannenberg’schen Metaphernverständnisses (a. a. O., 192ff). Diese Kritik teilt auch sein Schüler G. Wenz in seinem Beitrag „Sprechen und Handeln“, 77– 84.

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notierten Würdigung des „Tataspekt[s] des Aussagens“144.) Pannenberg betont, dass Behauptungen und Konstativa nicht Sprechakte seien wie etwa ein Versprechen145. Sondern sie hätten darstellende Funktion: „Es wird gesagt „wie es ist“.“146 Die aussagetheoretische (Korrespondenz-)Wahrheit ist so an ihrem Platze147, weil es (nicht nur für Pannenberg) von entscheidender Wichtigkeit ist, sich mithilfe der Sprache auf Außersprachliches beziehen zu können148. 144 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 232. 145 W. Pannenberg, Sprechakt und Gespräch, 70. Siehe alternativ auch W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 357. 146 W. Pannenberg, Sprechakt und Gespräch, 70. Siehe alternativ auch W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 357. Pannenberg bestreitet darin keineswegs die Entdeckung, dass performative Äußerungen im Sinne J.L. Austins und J. Searles Handlungen sind. Er erkennt allerdings „in der Verallgemeinerung dieser Entdeckung mit Hilfe des Begriffs des illokutionären Aktes“ zugleich auch ein Problem. Behauptungen und Konstativa will Pannenberg ausdrücklich von performativen Aussagen abgegrenzt wissen; sie stellten keinen Sprechakt dar (ebd.). 147 „Beim Konstatieren […] wird der Handlungsakt erst unterstellt, und zwar von demjenigen, der die Wahrheit des Gesagten bezweifelt oder dahingestellt sein läßt, wie der Sprechakttheoretiker, weil er sich für anderers interessiert als wovon die Rede ist. Die Reflexion, die den Akt des Konstatierens in den Blick bringt, geht also an der Intention des Konstatierenden vorbei.“ (W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 357; alternativ: W. Pannenberg, Sprechakt und Gespräch, 70). Ob das Konstatieren selbst schon als eine Handlung zu interpretieren ist, ist umstritten. Chr. Landmesser etwa vertritt die These, dass jede sprachliche Äußerung bereits als Handlung zu qualifizieren sei. Im Anschluss an J.L. Austin (!) weist er dessen „einfache Disjunktion“ sprachlicher Äußerungen in Konstativa und Performativa als unhaltbar zurück, jedoch unter Bezugnahme auf dessen Diktum, wonach ein Aussagen immer auch schon zugleich als ein Tun aufgefasst wird: „to say something is to do something“. (Siehe dazu Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 14f, zum Thema 14ff sowie zum Beleg siehe J.L. Austin, How To Do Things With Words [reprint 1980], 94). Mit G. Seebaß teilt Pannenberg die Einschätzung, wonach die Sprechakttheorie in vielerlei Hinsicht der Gefahr erliege, „daß die zugrunde gelegten ‚Paradigmen‘ unzulässig verallgemeinert“ würden (G. Seebaß, Das Problem von Sprache und Denken, 450 zit. n. W. Pannenberg, Sprechakt und Gespräch, 70, Anm. 13; siehe auch W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 357) und elementare Aspekte im Sprachgebrauch verstellt würden (ebd.), was „zur Verkennung der Sonderstellung des Wahrheitsanspruchs und (als Folge davon) zur inadäquaten Behandlung auch des ‚propositionalen Gehalts‘ geführt“ habe (ebd.). Hier verdeutlicht sich, wie sehr die durch den Sprachmodus der Aussage ermöglichte semantisch-ontologische Relationalität für die Wahrheitsthematik durch eine Interessensverlagerung auf Seiten bestimmter Sprechakttheoretiker Gefahr läuft, aus dem Blick zu geraten. Eine solche Schwerpunktverlagerung kann natürlich nicht im Interesse Pannenbergs und seines wahrheitszentrierten Denkens liegen. J.A. Stewart schätzt Pannenberg in dieser Hinsicht wohl richtig ein, wenn sie sagt, er kritisiere die Sprechakttheorie „in that it reduces language to action and cannot account for the objective content of statements“ (J.A. Stewart, Reconstructing Science and Theology in Postmodernity, 114). 148 Diese semantisch-ontologische Relationalität zeigt sich bei Pannenberg deutlich in seiner Bemerkung, „daß wir im Sprechen nicht mit der Sprache als Instrument, sondern mit der durch sie gegenwärtigen Sache beschäftigt sind.“ (W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 358 Anm. 146).

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3.4.2.4.2 Kognitivität und Performativa Dieses Kapitel illustriert, wie Pannenbergs theologische Fokussierung der Konstativa konvergiert mit seinem Interesse an der darstellenden Funktion von Sprache zur Ermöglichung von aussagetheoretischer Wahrheit. 3.4.2.4.2.1 Der kognitive Charakter theologischer Sätze Im Herbst des Jahres 1971 präsentierte Pannenberg an mehreren Universitäten – darunter Yale, Harvard, London, Cambridge und Chicago – ein Paper mit dem Titel „T h e N a t u r e o f a T h e o l o g i c a l S t a t e m e n t “149, worin Pannenberg sein Verständnis theologischer Sätze erstmals knapp dargelegt hat. In seiner „Wi s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d T h e o l o g i e “150, die ungefähr zwei Jahre später veröffentlicht wurde, wird das Thema theologischer Sätze ausführlicher und im größeren Horizont wissenschaftstheoretischer Erwägungen thematisiert. Zur Klärung der Frage nach Struktur und Eigenart der Wissenschaftlichkeit der Theologie und der damit zusammenhängenden Frage nach dem angemessenen Umgang mit Sprache ist Pannenbergs Rückgang auf eine Kontroverse zwischen K. Barth und H. Scholz bedeutsam151. Pannenberg ergreift seinerzeit 149 Der gleichnamige Aufsatz „The Nature of a Theological Statement“ wurde veröffentlicht in: Zygon. Journal of Religion and Science 7 (1972), 6–19. Vgl. auch W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 29–41. 150 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie. Siehe auch W. Pannenberg u. G. Sauter, Im Fegefeuer der Methode. Zu Pannenbergs hier nicht weiter zu besprechenden wissenschaftstheoretischem Ansatz, der ein Verständnis der Theologie als Wissenschaft von Gott präsentiert, siehe auch S. Greiner, Die Theologie Wolfhart Pannenbergs, 204–224; M.W. Worthing, Foundations and Functions of Theology as Universal Science, sowie H.-M. Rieger, Theologie als Funktion der Kirche. Eine systematisch-theologische Untersuchung zum Verhältnis von Theologie und Kirche in der Moderne. Charakteristisch für dieses, vor dem Hintergrund der in den 1970er Jahren geführten Diskussionen um den Platz der Theologie an den Universitäten entwickelte Theologieverständnis ist im Ganzen, dass Wahrheit nicht als vorauszusetzende Größe eingeführt wird, sondern (ergebnis-)offen nach Wahrheit gefragt wird und dabei Gott als strittiger Gegenstand behandelt wird. Die (kognitiven) Sätze der Theologie – (insbesondere) als Behauptungen mit hypothetischer Struktur interpretiert – sollen kontrolliert werden in einem Verfahren einer vorläufigen Bewährung an der (Welt-) erfahrung. Zu den zeitgeschichtlichen Hintergründen in der Diskussion um die Wissenschaftlichkeit der Theologie siehe auch S.M. Daecke, Soll die Theologie an der Universität bleiben? sowie auch schon von 1953 den Beitrag von G. Harbsmeier, Theologie als kirchliche Wissenschaft, bes. 9 und schließlich H.-M. Rieger, Theologie als Funktion der Kirche, 15 u. 163ff. 151 Auf die Kontroverse kann hier nicht weiter eingegangen werden. Vgl. dazu W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 270–277. Eine weitere Skizze der Kontroverse findet sich in W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 29ff. Barth hielt die Mindestforderungen für „unannehmbar“ (vgl. KD I/ 1, 6ff, vgl. ferner W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 272ff sowie vgl. W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 29f). Und Scholz kehrte der Theologie letztlich den Rücken zu (s. dazu H. Kuhn, Die Theologie vor dem Tribunal der Wissenschaftstheorie, 268). Er war u. a. der Meinung, dass die Theologie als Wissenschaft an dem Kontrollierbarkeitspostulat zu scheitern drohte und

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weitgehend für Scholz Partei und übernimmt die von ihm formulierten drei unumstrittenen wissenschaftstheoretischen Mindestforderungen – ganz im Gegensatz zu K. Barth, der diese Postulate für rundum unannehmbar hielt. Pannenberg war es im Unterschied zu Barth ein Anliegen, dass die in der Theologie in Anspruch genommenen Sprachmodi allgemeinen wissenschaftstheoretischen Anforderungen genügen. Was theologische (und auch religiöse) Sätze darum für Pannenberg ganz grundsätzlich auszeichnen muss, verdeutlicht sich an seinem Umgang mit den Scholz’schen Postulaten, von denen für den hiesigen Zusammenhang das erste – das Satzpostulat – von besonderem Interesse ist152. Es fordert, dass in einer Wissenschaft neben Fragen und Definitionen nur Sätze auftreten können, also „Aussagen, für welche das Wahrsein behauptet wird“153, was nach dem Sprachgebrauch in der analytischen Philosophie dem Begriff des Behauptungssatzes entspricht. Pannenberg adaptiert den Behauptungsbegriff und akzeptiert dabei auch alle drei von H. Scholz aufgestellten wissenschaftstheoretischen Mindestforderungen, weil sie ohnehin nur explizit machten, „was in der Logik von Behauptungen schon liegt.“154 Und dazu zählt das auf Wahrheit abzielende Aussagen und Behaupten:

nur ein der Nachprüfung entzogenes Glaubensbekenntnis bleibe). Vgl. H. Scholz, Wie ist eine evangelische Theologie als Wissenschaft möglich?, 48 bzw. die Darstellung bei Pannenberg in seiner Wissenschaftstheorie und Theologie a. a. O., 272. Eine „tiefe Verwandtschaft“ zwischen Scholz und Pannenberg hat mit Recht H. Kuhn (Die Theologie vor dem Tribunal der Wissenschaftstheorie, 268) behauptet: „Beide sind bewegt von dem Doppelinteresse an Theologie und an Wissenschaftstheorie (die bei Scholz die Form einer mathematischen Logik annahm). Aber während die Doppelheit sich bei Scholz zu einer persönlichen und beruflichen Krise zuspitzte und zu seiner loyalen Abwendung von der Theologie (aber keineswegs zur Annäherung an den Positivismus) führte, ist P. auf Versöhnung eingestellt.“ 152 Zur theologischen Adaption der Postulate im Einzelnen (Satzpostulat [1], dem Kohärenzpostulat als einer Forderung nach der Einheit im Gegenstandsbereich [2] und dem das die Überprüfung einfordernden Kontrollierbarkeitspostulat,[3]) und ihrer wissenschaftstheoretischen Einbeziehung bei Pannenberg vgl. insbes. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 329ff. Zu diesen unumstrittenen Scholz’schen Postulaten in ihrer Übernahme und Anwendung bei Pannenberg siehe ferner W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, bes. 29ff sowie W. Pannenberg, The Nature of a Theological Statement, 6ff. 153 H. Scholz, Wie ist eine evangelische Theologie als Wissenschaft möglich?, 14ff. 154 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 277. Gerade weil mit dem Begriff der Behauptung (und auch schon mit dem Aussagesatz) logische Implikationen verknüpft sind, die in den Scholz’schen Forderungen nur expliziert werden, können diese auch nicht einfach ignoriert oder zurückgewiesen werden, wie Pannenberg gerade auch anhand der Kritik von Scholz an Barth zeigt. (vgl. dazu W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 275– 277) Zu den drei wissenschaftstheoretischen Mindestforderungen siehe auch W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 32ff.

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Es geht Pannenberg darum, „daß jede Aussage, weil sie ihrem Wesen nach immer etwas als wahr behauptet, den Widerspruch und damit die Unwahrheit von sich ausschließt. Sie wäre sonst als Behauptung gar nicht mehr verständlich. Ebenso liegt es schon in der Logik von Behauptungen, daß sie auf Gegenstände und Sachverhalte gerichtet sind, die sich als solche von der Behauptung unterscheiden lassen, so daß auch eine Mehrzahl von Behauptungen auf ein und denselben Gegenstand gerichtet und durch ihre widerspruchsfreie Vereinbarkeit als Beschreibung desselben Gegenstandes kenntlich sein kann (Kohärenzpostulat). Schließlich ist auch das Kontrollierbarkeitspostulat schon in der logischen Struktur von Behauptungen begründet, weil jede Behauptung sich als Hypothese über einen Gegenstand darstellt, die dem Gegenstand entsprechen oder nicht entsprechen, wahr oder falsch sein kann.“155

Solche Inanspruchnahme des Sprachmodus‘ der Aussage und auch die damit einhergehende Rezeption des Behauptungsbegriffs beruht auf dem Pannenbergs Theologie kennzeichnenden vorrangigen Interesse an der kognitiven Struktur von Aussagen, wie sie von Seiten der Wissenschaft üblicherweise auch in Anspruch genommen werden156. Von entscheidender Wichtigkeit in seiner Argumentation ist sein Pochen auf die von Scholz geforderte Unterscheidbarkeit zwischen Behauptung und behauptetem Sachverhalt. Denn erst diese sichert tatsächlich die mit theologischen und religiösen Aussagen assoziierte Kognitivität157. Die „Frage, ob die Glaubensaussagen als Behauptungen im eigentlichen 155 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 277. Hinsichtlich dieser Forderung nach Überprüfbarkeit besteht sogar eine Nähe zum logischen Positivismus. Allerdings ist damit aus der Sicht Pannenbergs noch nichts über die Art und Weise der Kontrolle von Behauptungen gesagt: „Für Behauptungssätze bleibt daher die These des logischen Positivismus bestehen, daß ein Satz nur dann sinnvoll ist, wenn sich angeben läßt, unter welchen Bedingungen er wahr ist. Das impliziert dann auch im Prinzip seine Überprüfbarkeit, allerdings nicht schon eine Einschränkung auf eine bestimmte Art der Überprüfung (etwa durch Sinnesbeobachtungen) oder die Forderung, daß eine Überprüfung jederzeit erfolgen könnte.“ (W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 277). Dem Kontrollierbarkeitspostulat will Pannenberg durch ein von ihm entwickeltes, strukturell aposteriosches Verfahren vorläufiger Bewährung/ Verifikation gerecht werden (s. u.). Man wird allerdings schon hier kritisch anmerken dürfen, dass aus dem Anspruch, dass Behauptungen zutreffen können oder nicht, nicht unbedingt gefolgert werden kann, dass es die Möglichkeit der Überprüfung gibt. Es ist durchaus denkbar, dass Aussagen zutreffen oder nicht, ohne dass es (für uns Menschen) möglich wäre oder (besser:) ist, diese – auf welchem methodisch gesicherten Weg auch immer – zu kontrollieren. 156 Auch Ph. Hefner hat zurecht darauf hingewiesen, dass nach Pannenberg „theology deserves a place in the university because of its contribution to knowledge, that is, because of its cognitive claims.“ (Ph. Hefner, The Role of Science in Pannenberg’s Theological Thinking, 111 bzw. 284). 157 Siehe dazu auch die Würdigung von L.B. Puntel, Wissenschaftstheorie und Theologie. Zu Wolfhart Pannenbergs gleichnamigem Buch, 288. Puntel teilt darum m. E. völlig zu Recht Pannenbergs Kritik der These der Nicht-Objektivierbarkeit Gottes: „Daß jeder Behauptungssatz eine Differenz hinsichtlich des Sachverhaltes impliziert, wird man kaum bestreiten können. Diejenigen Theologen, die dies unter Berufung auf die Nicht-Objektivierbarkeit („Unverfügbarkeit“) Gottes ablehnen, müßten konsequenterweise eine anders strukturierte

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Sinne zu verstehen sind, […] als Sätze, die einen kognitiven Anspruch erheben“, wird von Pannenberg dementsprechend ausdrücklich bejaht158. Indem Pannenberg an dem kognitiven Anspruch von Aussagen gerade auch für die Theologie festhalten will, sieht er zugleich die Möglichkeit gegeben, das erste Scholz‘sche Postulat – das Satzpostulat – erfüllen zu können mit der Annahme des kognitiven Charakters theologischer Sätze. Theologische Sätze fungierten so im oben skizzierten Sinne als Behauptungen, die ihrer Struktur gemäß entweder wahr oder falsch sein könnten. Ihre Eigenart bestünde dann darin, „daß sie etwas über einen Sachverhalt aussagen und dafür Wahrheit in Anspruch nehmen, nämlich Übereinstimmung mit dem Sachverhalt, der den Gegenstand der Aussage bildet.“159 Vorausgesetzt ist dabei jeweils, dass die so verstandenen Sätze als Behauptungen auf eine von den Behauptungen unabhängige Wirklichkeit gerichtet sind. Denn für eine Behauptung gelte, dass sie „sich selbst als Satz unterscheidet von dem Sachverhalt, den sie behauptet, gerade indem sie Wahrheit über ihn zu sagen beansprucht.“160 Es zeigt sich hieran deutlich, dass Behauptungen (bzw. allgemeiner schon: Konstativa) im Dienste der Darstellungsfunktion der Sprache stehen. Diese, so formuliert Pannenberg an anderer Stelle, sagten, „wie es ist“ – Handlungen/Sprechakte/Performativa seien sie dagegen nicht161. Im Ganzen wird deutlich, dass durch die These der Kognitivität (theologischer) Sätze eine Inanspruchnahme von Wahrheitsträgern wie Aussagen und

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Sprache erfinden. Aber schon der Versuch, dies mit Argumenten zeigen zu wollen, macht die Inkonsequenz offenkundig, in die sie sich verstricken: sie „vermitteln“ (und das heißt: objektivieren) nämlich die Nicht-Objektivierbarkeit Gottes.“ (ebd.). W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 227. Daraus resultiert freilich die Kritik der Alternative, sie „als nicht kognitive Sprachhandlungen aufzufassen“ (ebd.). W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 330. Das in der Struktur von Behauptungen enthaltene Moment der Übereinstimmung kehrt in Pannenbergs Inanspruchnahme der Korrespondenztheorie der Wahrheit wieder (vgl. unten). W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 331f. Diese Bedingung ist von elementarer Wichtigkeit, wenn mit der Wirklichkeit Gottes jenseits einer Behauptung gerechnet werden soll. Vgl. ebd. W. Pannenberg, Sprechakt und Gespräch, 70. Vgl. zur Auseinandersetzung mit der Sprechakttheorie bei Austin u. Searle auch schon W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 356ff. Dort übt Pannenberg (unter Bezugnahme auf G. Seebaß, Das Problem von Denken und Sprache, 1981, 450) Kritik an den Versuchen, die zutreffende Einsicht, dass Performativa Handlungen darstellen, auf unzulässige Weise zu verallgemeinern, etwa wenn Behauptungen irrtümlich als Handlungen interpretiert werden: „Beim Konstatieren hingegen wird der Handlungsaspekt erst unterstellt, und zwar von demjenigen, der die Wahrheit des Gesagten bezweifelt oder dahingestellt sein läßt, wie der Sprechakttheoretiker, weil er sich für anderers interessiert als wovon die Rede ist.“ (a. a. O., 357). Pannenberg für seinen Teil zeigt an der Wahrheitsthematik Interesse, insofern nimmt es nicht wunder, dass er sich besonders der kognitiven Dimension von Aussagen und die zu ihr gehörenden Aspekte des Konstatierens und Darstellens in den Blick nimmt. Der Zusammenhang zur Wahrheitsthematik ist offenkundig.

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Behauptungen im geläufigen Sinne möglich wird. Durch die Kognitivität letztlich bleibt die aussagetheoretische Wahrheit auf dem Tableau162 und damit das Referieren auf eine realistisch interpretierte Außenwelt ermöglicht163. Die These von der kognitiven Struktur theologischer und religiöser Aussagen verteidigt Pannenberg (also) mit dem Argument, dass derartige Aussagen das kognitive Element beanspruchten, da die Intention religiöser Sprache darin bestehe, Behauptungen über Sachverhalte aufzustellen. Andere Auffassungen, wonach die religiöse Sprache als eine ausschließlich expressive eingestuft wird, lehnt er ab164. Er zeigt sich überzeugt davon, dass die Äußerungen religiöser Überzeugungen untrennbar mit Wahrheitsansprüchen verbunden sind: „Es läßt sich nicht hinwegdisputieren, daß Menschen, die ihre religiösen Überzeugungen äußern, dabei eine spezifische Wirklichkeit – gewöhnlich göttliche und gottgesetzte Wirklichkeit – meinen und etwas über sie als wahr behaupten wollen.“165 „The question of the cognitive character of religious assertions, however, inescapably involves the question of their truth concerning the asserted reality of God, of his actions and of his revelation, notwithstanding the symbolic form of religious language.“166 Auch wenn viel über „symbolic structure, cultural and historical relativity“ gesagt werde, bleibe doch wichtig, dass „[…] the truth claims of religious assertions are still to be dealt with.“167

162 Siehe zu diesem Zusammenhang auch folgende Bemerkung A. Kreiners: „Sofern nämlich ein kognitiver Geltungsanspruch auch weiterhin für den Glaubensvollzug relevant bleiben soll, bleibt eo ipso auch das Problem der Aussagewahrheit virulent.“ (A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 470). 163 Zum Zusammenhang der Kognitivität von Sätzen mit dem Wirklichkeitsverständnis des Realismus siehe auch die Bemerkungen von W. v. Huysteen bei Pannenberg: „Pannenberg’s typcial realist claims […]: Theological statements, too – and even statements of faith – are not merely expressions of a certain religious commitment; they contain an element of assertion, reality depiction, or reference, which is needed to make such a commitment possible. Even the simple assertion I believe makes sense only if there is Someone to believe in. In my view Pannenberg is therefore justified in concluding that, in this sense, all statements of faith have a cognitive core.“ (W. v. Huyssteen, Truth and Commitment in Theology and Science: An Appraisal of Wolfhart Pannenberg’s Perspective, 367). Der Aspekt der „reality depiction, or reference“ bei Pannenberg ist deutlich auch von Carol Rausch Albright (Introduction to Part Six, in: C.R. Albright/J. Haugen (Hg.), Beginning with the End, 352) wahrgenommen worden. Zu Recht hat auch H.-M. Rieger, Theologie als Funktion der Kirche, 163 darauf hingewiesen, dass die Wahrheitsfähigkeit von Aussagen bei Pannenberg durch ihr Verständnis als strukturell kognitive ermöglicht wird. 164 Pannenberg bezieht sich auf W.T. Blackstone (The Problem of Religious Knowledge: The Impact of Philosophical Analysis on the Question of Religious Knowledge, 73–107), der sich seinerseits auf J.A. Passmore (Christianity and Positivism) beruft. Auch nennt er W.A. Christian, Meaning and Truth in Religion. Vgl. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 330 Anm. 631. 165 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 330. 166 W. Pannenberg, Comment by Wolfhart Pannenberg, 298. 167 W. Pannenberg, Comment by Wolfhart Pannenberg, 298.

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Es besteht so eine Parallele zu neueren Positionen, in denen ganz ähnlich die Kognitivität theologischer Aussagen im Zusammenhang eines vergleichbaren Interesses an Wahrheit hervorgehoben wird168. 3.4.2.4.2.2 Performativa im Horizont religiöser und theologischer Sprache Den kognitiven Charakter theologischer und religiöser Sprache verteidigt Pannenberg nicht zuletzt über eine kritische Auseinandersetzung mit dem „wahrheitsabstinenten“ Nonkognitivismus. Die geläufige Fundamentalunterscheidung zwischen konstativen (bzw. bei Pannenberg kognitiven) und performativen Sprachäußerungen169 begleitet dabei seine Überlegungen. Performative Äußerungen stellen Handlungsvollzüge dar und können darum im Unterschied zu den Konstativa (kognitiven Aussagen) nicht auf Wahrheit oder Falschheit befragt werden. Solche Äußerungen sprächen nicht einen vorgegebenen Sachverhalt aus, sondern sie konstituierten allererst durch das Aussprechen einen Sachverhalt, auf welchen sie bezogen seien. Pannenberg nennt als Beispiele Äußerungen wie „‚Ich taufe dieses Schiff auf den Namen ‚Queen Elizabeth‘ …‘ oder: ‚Ich verspreche dir, dich morgen zu besuchen‘.“170 Pannenberg übernimmt die These von Austin, wonach „,the uttering of the sentence is, or is part of, the doing of an action‘“171. „Das Taufen eines Schiffes oder eines Kindes ist ebenso eine Handlung wie das Eröffnen einer Versammlung und der Ur168 So hat etwa auch Hendrik J. Adriaanse die Relevanz der Wahrheitsfrage für die Theologie zu begründen versucht. Für die Theologie gilt s.E., „daß die Wahrheitsfrage in ihr am Platze ist.“ (H.J. Adriaanse, Wahrheit und Vielfalt. Zur Reichweite theologischer Begründung, 441). Dazu ist aber im Mindesten erforderlich, dass die Theologie Aussagen und Behauptungen aufstellt, für die (aussagetheoretische) Wahrheit beansprucht wird. Er schließt an A. Tarski an: „Eine Behauptung ‚p‘ ist wahr dann und nur dann, wenn das, was sie aussagt, also p, der Fall ist.“ (ebd.). Auch M. Leiner hat sich – im Rückgang auf F. von Kutschera – (letztlich) gegen den Nonkognitivismus und also für die Kognitivität theologischer Aussagen ausgesprochen (vgl. M. Leiner, Methodischer Leitfaden Systematische Theologie und Religionsphilosophie, 48f). Neuere Vertreter des kognitiven Status theologischer Aussagen sind Wentzel van Huyssteen und auch F. LeRon Shults. Siehe dazu exemplarisch F. LeRon Shults, The Postfoundationalist Task of Theology, 80. 169 Es ist zu vermuten, dass Pannenberg diese Unterscheidung von John L. Austin, How To Do Things With Words, übernommen hat. Zwar fällt bei Pannenberg der Name Austin (vgl. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 331; ferner ders., Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 227) im Kontext performativer Äußerungen, auf dessen getroffene Unterscheidung geht Pannenberg jedoch nicht weiter ein. Die spätere Abhandlung „Sprechakt und Gespräch“ (1984) präsentiert sich hierzu etwas ausführlicher, berücksichtigt auch J. Searles Fortführung der Sprechakttheorie (a. a. O., 66) (auch in W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, bes. 356ff). 170 W. Pannenberg, Sprechakt und Gespräch, 66 (auch schon in: W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 352). 171 W. Pannenberg, Sprechakt und Gespräch, 66 (auch schon in: W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 352). Pannenberg zitiert aus J.L. Austin, How to do Things with Words, 5 (Ausgabe von 1962).

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teilsspruch des Richters“, ja auch das „Versprechen ist in der Tat eine Handlung und Teil einer Handlung, die auf das Ziel seiner Einlösung bezogen ist, wenn das Versprechen aufrichtig und regelrecht gegeben wird.“172 Nun nimmt Pannenberg wahr, dass auf verschiedentliche Weise versucht worden ist, theologische und (auch schon) religiöse Sätze als strukturell nonkognitive zu deuten; als Repräsentanten für diese Anschauungen rechnet Pannenberg u. a. A.J. Ayer, R.B. Braithwaite, R. Hepburn, R.M. Hare und Paul M. van Buren dazu173. Dass die These der Kognitivität theologischer und religiöser Aussagen abgelehnt wird zugunsten ihrer Interpretation als Performativa, versteht Pannenberg so, dass die Proponenten dieser These der Frage nach einer Kontrolle bzw. Überprüfung solcher Aussagen durch Bewährung und Verifikation aus dem Weg gehen möchten174. 172 W. Pannenberg, Sprechakt und Gespräch, 69 (auch schon W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 356f). 173 Siehe dazu W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 36f: So gelte für A.J. Ayer (Language, Truth and Logic, 115ff [gemäß dem mir nicht zugänglichen „Abdruck in DoverBooks T 10“]), , „daß religiöse und theologische Sätze überhaupt keine Behauptung über eine durch das Wort „Gott“ bezeichnete Wirklichkeit beabsichtig[t]en.“ (a. a. O., 36). Viele Autoren hätten versucht, „religiöse Sätze so zu deuten, daß sie nicht etwas behaupten, sondern nur etwas ausdrücken.“ (a. a. O., 36). Eine solches expressives Verständnis sieht Pannenberg bei R.B. Braithwaite (An Empiricist‘s View of the Nature of Religious Belief), demzufolge „religiöse Behauptungen über Gott eigentlich nur das ethische Engagement des betreffenden Menschen zum Ausdruck“ brächten (a. a. O., 36). Nicht unähnlich habe R. Hepburn die Behauptung aufgestellt, „daß religiöse Sätze nur eine Stärkung der Moralität durch Parabeln bedeute[te]n (in Anm. 43 der Hinweis auf Christianity and Paradox; a. a. O., 36). R.M. Hare habe „religiöse Aussagen als Ausdruck einer bestimmten Betrachtungsweise (Blik) der gewöhnlichen empirischen Wirklichkeit, statt als Verweis auf eine durch sie intendierte, besondere Wirklichkeit gedeutet.“ (a. a. O., 36; Anm. 44 bezieht sich auf R.M. Hare, Religion and Morals und „seine Erwiderung auf Flew’s Argumentation). An Hare anschließend habe auch P.M. van Buren „den kognitiven Sinn der Sprache des Glaubens bestritten, wobei er sich interessanterweise auf K. Barths Kritik an der natürlichen Gotteserkenntnis beruft, und sie als bloße Ausdrucksform für eine bestimmte Lebensauffassung gedeutet.“ (a. a. O., 36f, in Anm. 45 [= a. a. O., 37] verweist er auf Paul M. van Buren, The Secular Meaning of the Gospel (1963) bzw. auf die deutsche Ausgabe, Reden von Gott in der Sprache der Welt. Zur säkularen Bedeutung des Evangeliums (1965), 78 ff, bes. 92ff). 174 Pannenberg schreibt, „man hat aber auch zum Teil versucht, theologische Aussagen überhaupt als performative Äußerungen zu deuten, die keine kognitiven Ansprüche erheben, um damit der ganzen Verifikations- und Falsifikationsproblematik aus dem Weg zu gehen.“ (So Pannenberg in: S.M. Daecke, H.N. Janowski, W. Pannenberg, G. Sauter, Theologie als Wissenschaft. Ein Gespräch, 85. Ein diese Richtung repräsentierendes Beispiel ist O. Bayer, Was ist das: Theologie. Eine Skizze, bes. 24ff, 31f, 52f, 80 u. 83: Pannenberg moniert, dass in einer solchen „kurzschlüssigen Inanspruchnahme der Sprechakttheorie […] das Evangelium als performative Sprachhandlung dargestellt [werde], die selber die Wahrheit ihres Zuspruchs in dem durch ihn erst erschlossenen Bereich konstituiert. Die Wahrheit der Verkündigungssätze ist daher angeblich der menschlichen Frage nach ihrer Verifikation oder Falsifikation entzogen (Siehe dazu W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 375, auch bes. Anm. 188). Pannenberg fährt fort mit seiner Kritik: „Das apo-

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Es ist nicht so, dass Pannenberg nicht der Tatsache bewusst gewesen wäre, dass es neben kognitiven Aussagen bzw. Behauptungen auch ‚religiöse Sprachformen‘ gibt, die das Element des Behauptens nicht enthalten, so etwa in der Gebetssprache und in den „performativen Formeln“ im Bereich liturgischer Handlungen175. Doch – das ist die Pointe seiner Argumentation – erweisen sich auch die Aussagen aus diesem Kontext abhängig von vorausgehenden „Behauptungen [also kognitiven Aussagen] über göttliche und gottgesetzte Wirklichkeit“, zumindest aber – meint Pannenberg – „implizieren sie durch ihre Sprache kognitive Elemente, die, wenn sie für sich thematisiert werden, in Gestalt von Behauptungssätzen formuliert werden müssen, wenn die Interpretation nicht an der deskriptiv zu erhebenden Eigenart der religiösen Sprache vorbeigehen will.“176 Pannenberg zeigt sich überzeugt, dass sich „die kognitive Intention religiöser und theologischer Sprache im allgemeinen nur schwer bestreiten“ lässt177. Er gelangt so zu der These, dass auch für performative Aussagen ein Moment der Kognitivität (und dadurch eben auch die Wahrheitsthematik) unverzichtbar bleibt: „Daher ist es nicht verwunderlich, daß man angesichts theologischer Ableugnung rationaler Überprüfbarkeit theologischer Behauptungen und ihres Wahrheitsanspruches

logetische Interesse an einer Immunisierung der Verkündigung gegen die kritische Reflexion ist verständlich, aber der Preis dafür ist hoch:“ (a. a. O., 375f). „Angeblich handelt es sich zwar um eine Sprachhandlung Gottes, aber diese begegnet offenbar nur als menschliche Verkündigung: Wenn diese nun als Sprachhandlung gedeutet wird, so besteht gar keine Möglichkeit mehr, diese von der Sache, auf die sie sich bezieht, zu unterscheiden und dann möglicherweise auch als von ihr her legitimiert zu verstehen. Die Behauptung, es handle sich bei jenem Zuspruch um eine göttliche Sprachhandlung, fällt dann als anthropomorphe Projektion auf den sprachhandelnden Menschen zurück.“ (a. a. O., 376). Siehe auch folgende Bemerkung: „But it remains true that there can be no statement without acknowledgment of some possible means of control. If this is not admitted, at least in principle, then its character as a statement – as distinguished from other linguistic expressions – is surrendered, and, if such a sentence possesses any meaning at all, it must be of a quite different kind. „It can no longer have a cognitive meaning, which is specifically required for it to be a statement. Therefore, it is not surprising that, in the face of theological stubbornness against most sorts of rational control of theological statements, it has been proposed that theological sentences are no statements at all but something quite different, for example, performative sentences.“ (W. Pannenberg, The Nature of a Theological Statement, 8f). 175 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 330f. 176 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 331. Auch in W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 54, findet sich die Annahme, dass theologische Sätze „Behauptungscharakter“ hätten („jedenfalls teilweise“, bzw. „keine lediglich performative Funktion“). 177 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 331. Ich erwähne hier nur kurz die sich daran anschließend geführte Erörterung, unter welchen Bedingungen theologischen Aussagen der kognitive Charakter zugeschrieben werden kann: Damit Behauptungen ernst genommen werden könnten und nicht „als Fiktionen der Gläubigen und der Theologen“ erscheinen könnten, müsse eine Unterscheidbarkeit zwischen der göttlichen Wirklichkeit einerseits und den Behauptungen über sie andererseits bestehen (a. a. O., 332).

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auf den Gedanken verfallen konnte, daß es sich bei theologischen Aussagen gar nicht um Behauptungen und also um kognitive Aussangen handelt, sondern – wie man gesagt hat – um performative Aussagen: Das sind Aussagen, die nicht etwas über einen unabhängig von ihnen bestehenden Sachverhalt behaupten, sondern ausdrücken, was mit dem Aussprechen des Satzes selbst sich vollzieht. Wenn ich auf ein Angebot hin sage: ‚Ich akzeptiere das‘, so nehme ich durch eben diesen Satz das Angebot an. Wenn der Pfarrer sagt: ‚Ich taufe dich . . .‘, so vollzieht er durch eben diesen Satz (und durch die ihn begleitende Handlung) die Taufe. Man hat versucht, Sätze wie: ‚Ich glaube an Gott den Vater, den allmächtigen Schöpfer‘ ähnlich zu verstehen. Dieser Satz enthielte dann keine Behauptung über die Existenz Gottes und seine Eigenschaften, sondern nur den Vollzug eines Engagements, eben des Glaubens. Doch sieht man näher zu, so zeigt sich, daß der Sinn eines solchen Satzes doch ein Behauptungselement enthält, mit dem sich das Engagement erst verbindet. Wenn kein Gott ist, dann wird der Satz ‚Ich glaube an Gott den Vater, den allmächtigen Schöpfer‘ sinnlos. Dagegen hilft kein noch so entschiedenes Engagement. Daher steckt in allen Glaubensaussagen ein Kern, der den Charakter einer nicht nur performativen, sondern kognitiven Aussage hat, den Charakter einer Behauptung [kursiv: T. L.].“178

In seinem Vortrag von 1971 lesen wir es auf Englisch ganz ähnlich: „If one takes a sentence like the opening phrase of the Apostolic Creed as a performative sentence, then the phrase „I believe in God the Father, the almighty Creator of heaven and earth“ would only intend the commitment of the believer and no assertion concerning the existence of God or concerning his attributes. All talk about God the Father and Creator would then have to be interpreted as expressing something about the commitment of the believer. If one looks more closely, of course, it is obvious that such a sentence contains a cognitive element within its complex intention, and this cognitive element constitutes the reality which the believer commits himself to. If there is no God in any sense at all, then precisely the commitment expressed in the sentence „I believe in God the Father“ would be rendered meaningless. Against that, no intensity of commitment helps.“179 „Therefore, in every belief sentence, or at least in every creedal statement, there is one constitutive element that, if considered by itself, has the character of a cognitive statement and not merely that of a performative phrase.“180

In seiner Nonkognitivismus-Kritik181 kann Pannenberg sich speziell auch auf die Studien von W.T. Blackstone und N. F. Ferré berufen. Beide hätten gezeigt, dass 178 W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 31f. Diese Einsicht in die (unausweichliche) „Verwobenheit“ von performativem und kognitivem Element führte auch zur Kritik am o.g. Buch von O. Bayer (Was ist das: Theologie. Eine Skizze, 1973), da dieser – wie Pannenberg gezeigt hat – jene nicht erkannt hat. Vgl. dazu W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 375 Anm. 188. 179 W. Pannenberg, The Nature of a Theological Statement, 9. 180 W. Pannenberg, The Nature of a Theological Statement, 9. 181 Zu Pannenbergs Nonkognitivismus-Kritik siehe auch W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 227f, dort werden u. a. als weitere Repräsentanten für eine nonkognitive

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„das kognitive Element [kursiv: T. L.]“ in Aussagen religiöser Sprache „nicht eliminierbar“ sei182. Und ähnlich habe P. Helm gegenüber D. High argumentiert183, was Pannenberg aufgreift: P. Helms Kritik an D. High liest sich folgendermaßen: „ . . . . when I say ‚I believe in Jones‘ and am thereby stating my belief or attitude I am not reporting my psychological state, but am stating what it is I am believing or believing in. High is right in thinking that when first-person utterances are made they are not necessarily descriptive of the person’s mental condition, but this does not mean that they are not statements, and are without a truth-value because they are performances of linguistic acts. In places High does acknowledge that the recitations of creeds which he regards as „linguistic performances of self-involvement“ are also concerned with questions of fact and of description. If this is so, it is of the first importance, and while it is fair that a philosopher should neglect one feature of a case to concentrate on others, in this case the fact-stating or putative fact-stating function of religious language cannot be ignored and the ‚linguistic acts‘ be treated as though they do not have truth-values [kursiv: T. L.].“184

Wie allein aus dieser Kritik an D. High deutlich hervorgeht, besteht die Möglichkeit, nach Wahrheit zu fragen nur unter der Bedingung der Anerkenntnis (oder vorsichtiger: der Auffassung) religiöser und theologischer Sprache als strukturell kognitive. Pannenbergs Verteidigung der Kognitivität ist so zugleich auch eine Verteidigung der Wahrheitsthematik, die innerhalb seiner Theologie besondere Würdigung erfährt. Pannenbergs Kritik des Verständnisses religiöser und theologischer Aussagen als Performativa lässt im Ganzen die große Distanz seiner Theologie zum (postmodernen) Nonkognitivismus erkennen, demzufolge es bei solchen Sätzen nicht um Wahrheitsansprüche geht, sondern – ähnlich der Kunst – um „Ausdrucksgestalten individueller Erfahrung“ (M. Leiner, s. u.): „So wenig wie ein Kunstwerk wahr oder falsch ist, so wenig sei eine religiöse Symbolisierung, etwa ein Gebet oder ein Hymnus, wahr oder falsch.“185 Eine solche Gegenposition zum

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Deutung religiöser Sprache I.T. Ramsey (Religious Language) und D. High (Language, Persons and Belief) in Anknüpfung an J.L. Austins How To Do Things with Words erwähnt. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 227f. Er bezieht sich auf W.T. Blackstone, The Problem of Religious Knowledge und auf N.F. Ferré, Language, Logic and God. Vgl. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 227f. Pannenberg zitiert die Kritik P. Helms (P. Helm, The Varieties of Belief, 60f) an D. High in: W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 228. Als Adressaten seiner Kritik nennt Pannenberg D. High (Language, Persons and Belief), O. Bayer (Was ist das: Theologie?), H. Peukert (Wissenschaftstheorie, Handlungstheorie, Fundamentale Theologie, bes. 237ff) sowie W.D. Just (Religiöse Sprache und analytische Philosophie, 144ff). Vgl. a. a. O., 227. Zur Kritik an Justs Deutung der belief-Sätze als Performativa siehe auch W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 376. M. Leiner, Methodischer Leitfaden Systematische Theologie und Religionsphilosophie, 48. Leiner sieht im Nonkognitivismus die speziell postmoderne Form der Kritik am Stellen der Wahrheitsfrage in der Theologie: „Die Wahrheitsfrage wird in der Theologie aber auch von

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Kognitivismus findet sich nicht nur im unmittelbar postmodernen Umfeld, sondern schon bei M. Heidegger und auch in der L. Wittgenstein-Tradition186. Pannenberg scheint m. E. jedoch richtig gelegen zu haben in der Einschätzung, dass performative Aussagen eng verbunden sind mit den wahrheitsfähigen und Wahrheit beanspruchenden Konstativa: Generell lässt sich der kognitive Charakter theologischer Aussagen an den sog. Tatsachenbehauptungen veranschaulichen, welche das Christentum faktisch seit seinen Anfängen erhoben hat, wie schon I.T. Crombie u. J. Hick gezeigt haben: „We cannot doubt that the great prophets of the Old Testament, or Jesus of Nazareth himself, or St Paul, or Augustine, Aquinas or Luther, when they spoke about God believed that they were referring to a real being who exists independently of ourselves and with whom in the activities of worship we may enter into personal relationship.“187

Auch W. Kamlah, dessen Bedeutung für Pannenbergs Umgang mit der Wahrheitsthematik bereits oben hervorgehoben worden ist, hat betont, dass „der christliche Glaube stets Sätze als wahr bekundet, die keineswegs nur ‚Existenzerhellung‘ entfalten, sondern Sachverhalte betreffen“188 und damit nach Kognitivität verlangen. Die neuere Theologie ist teilweise Pannenberg gefolgt: A. Kreiner etwa stellte sich auch die Frage, „ob die nichtkognitiven Funktionen nicht prinzipiell und einer anderen, eher postmodernen Seite in Frage gestellt. Man sucht religiöse und manchmal auch theologische Sätze nicht als wahrheitsbehauptende Propositionen, sondern als mit der Kunst zu vergleichende Ausdrucksgestalten individueller Erfahrung zu verstehen.“ (ebd.) Auch wenn Leiner dem Nonkognitivismus eine gewisse Berechtigung beimisst, insofern richtig sei, „dass religiöse und theologische Aussagen oft nicht so einfach verifiziert oder falsifiziert werden könn[t]en wie naturwissenschaftliche oder historische“ (ebd.), hält Leiner mit F. v. Kutschera den Nonkognitivismus allerdings im Ganzen für nicht zu Unrecht widerlegt, da innerhalb religiöser Rede neben strukturell performativen Aussagen auch Sätze vorkämen, bei denen es um den Aspekt des Fürwahrhaltens gehe, demnach faktisch das Vorkommen auch strukturell kognitiver Aussagen innerhalb der Theologie nicht gut zu bestreiten ist. Siehe auch Leiners Bemerkungen zur möglichen Nähe Rudolf Ottos zum Nonkognitivismus durch sein Reden vom Heiligen (Verweis auf R. Otto, Das Heilige, Breslau 1917). 186 Siehe dazu A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 481ff u. 495ff. 187 So J. Hick, God and the Universe of Faiths, 8, zitiert nach A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 491 Anm. 62. Siehe zu den Tatsachenbehauptungen ausführlicher auch A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 488, dort der Hinweis auf I.M. Crombie, The Possibility of Theological Statements, 31f sowie auf J. Hick, Faith and Knowledge (1957), XII und ders., The Justification of Religious Belief, 102. 188 W. Kamlah, Wissenschaft, Wahrheit, Existenz, 69f. Der Hauptunterschied zwischen Kamlah und Pannenberg hinsichtlich des Wahrheitsverständnisses scheint mir darin zu bestehen, dass Kamlah an der für den wissenschaftlichen Umgang mit Wahrheit gebräuchlichen, auf Korrespondenz abzielenden Satz-/Aussagewahrheit interessiert ist, während Pannenberg diese strukturell semantisch-ontologische Wahrheit – obwohl er von ihr (wie noch zu zeigen sein wird) ausgiebigen Gebrauch macht – als lediglich sekundäre Dimension von Wahrheit in ein onto-theologisches Wahrheitsverständnis implementiert.

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unverzichtbar eine kognitive Bedeutung voraussetzen, um als sinnvoll gelten zu können. Fraglich ist also, ob der Sinn von Aussagen gerettet werden kann, indem dieser Sinn auf die Aussagefunktion reduziert und der Behauptungscharakter eliminiert wird. Kritiker mit gänzlich unterschiedlicher Intention haben dies entschieden verneint.“189 Auch Chr. Landmesser hat unter Bezugnahme auf G.J. Warnock klar erkannt190: Eine performative Äusserung „may not itself be to say anything true or false, it will certainly imply in one way or another – just as making a statement does – that this or that is the case, is true and not false.“191 3.4.2.4.3 Konkretionen: Die verschiedenen Wahrheitsträger im Einzelnen Pannenberg hat sich sämtlicher Wahrheitsträger bedient, um die Kluft zwischen der objektiven Seite der Wirklichkeit einerseits und der sprachlichen Seite andererseits, mit der auf sie referiert werden kann, zu überbrücken. Das ist der Gegenstand dieses Kapitels. Die für die aussagetheoretische Wahrheit spezifische semantisch-ontologische Relationalität ist damit gewährleistet, wobei Pannenberg selbst den Ausdruck ‚Wahrheitsträger‘ nicht gebraucht hat. 3.4.2.4.3.1 Aussage und Aussage(n)wahrheit Der elementarste Wahrheitsträger manifestiert sich bei Pannenberg im Sprachmodus der Aussage; sie führt zur ‚Aussage(n)wahrheit‘ bzw. ‚Satzwahrheit‘ hin192. Hinsichtlich der Aussage und den Behauptungssätzen hat Pannenberg selbst diesen engen Bezug zur Wahrheitsthematik herausgestellt. Dieser besteht nämlich – nicht nur für Pannenberg – schlicht darin, dass ein „Wahrheitsanspruch […] mit der Form der Aussage oder Behauptung verbunden ist“193. In der Tat kann Pannenberg hier an eine sehr alte Tradition anknüpfen, die mindestens bis zu Aristoteles zurückreicht und von der Vorstellung gekenn189 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 487. Vgl. zum Thema auch a. a. O., 487ff. 190 Vgl. Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 14 Anm. 24. 191 G.J. Warnock, John Langshaw Austin, 113, zitiert nach Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 14 Anm. 24. 192 Zur Aussagenwahrheit vgl. exempl. auch die Wendung „Wahrheit einer solchen Aussage“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 342); zur ‚Satzwahrheit‘ vgl. exemplarisch W. Pannenbergs Diskussionsbeitrag, in: Papsttum als ökumenische Frage, 245f. 193 So W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 182. Dort Pannenbergs Ausesinandersetzung mit Schleiermachers Begriff der Anschauung, welcher im Unterschied zu dem der Aussage oder Behauptung zunächst nicht als Wahrheitsträger zur Formulierung von Wahrheitsansprüchen dient. Pannenberg hat dennoch – anders als der frühe Schleiermacher – eine Verbindung der religiösen Anschauung zur Thematik der Erhebung von Wahrheitsansprüchen erkannt, insofern religiöse Anschauungen ihre Funktion seiner Meinung nach dann erfüllen, wenn es gelingt, im Endlichen das Unendliche „zur Anschauung zu bringen“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. 1, 183). Zum Thema siehe a. a. O., 182ff.

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zeichnet ist, dass es Aussagen sind, denen das Prädikat der Wahrheit oder Falschheit beigemessen werden kann. In diesem Sinne sagte etwa W. Kamlah ganz zu Recht: „Von „Satzwahrheit“ sprechen wir nur im Hinblick auf Sätze, die wir auch „Aussagen“ nennen, und seit Aristoteles ist es üblich, die „Aussage“ zu definieren als einen Satz, von dem sich sagen läßt, daß er wahr oder falsch ist, was sich nicht sagen läßt zum Beispiel von einer Frage oder einem Ausruf oder einer Bitte.“194

Innerhalb der neueren theologischen Diskussion hat auch Chr. Landmesser mit Recht herausgestellt: „Aussagesätze erheben prinzipiell einen Wahrheitsanspruch. Insofern alle sprachlichen Äußerungen einen lokutionären Aspekt bzw. einen semantischen Wert haben, ist in irgendeiner Weise mit jeder sprachlichen Äußerung ein solcher Wahrheitsanspruch verbunden.“195 Eben in diesem Sinne sagt Landmesser an anderer Stelle: „With every sentence we speak and with each opinion that we express, we make a linguistically articulated interpretation of the world that claims truth and validity.“196

Das sieht auch Pannenberg so: „With every assertive sentence, we raise truth claims“197.

Der Sprachmodus der Aussage bezieht sich ebenfalls auf eine vom aussagenden Subjekt unterschiedene, äußere (objektive) Wirklichkeit (im Sinne des Realismus198). Der für Wahrheitsansprüche charakteristische Geltungsanspruch ist

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W. Kamlah, Der moderne Wahrheitsbegriff, 111. Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 103. Chr. Landmesser, Truth in New Testament Science, 47. So Pannenbergs Bemerkungen im Rahmen einer Kritik an den „social constructionists“ im Anschluss an Weinberg: „One of the most important contributions of Weinberg’s book is his ongoing argument against the „social constructionists“ who question the truth claims of science. Solche Wahrheitsansprüche „cannot be reduced to social conventions.“ „Science is only a particularly obvious case. Weinberg acknowledges the influence of social and cultural conditions in the history of science. But these influences do not weaken the truth claims of scientific theories. The same is true of any other truth claims we raise in everyday life or in other fields of culture. The „realism“ of science, which Weinberg advocates, might serve as an example and antidote against the excesses of postmodernism.“ (W. Pannenberg, Facing Up: Science and Its Cultural Adversaries, 64). 198 Über die spezifische Ausprägung des Realismus (z. B. ob es sich um einen naiven, erkenntnistheoretischen, metaphysischen, kritischen o. ä. Realismus handelt) ist damit noch nichts ausgesagt. Die Tatsache jedoch, dass Pannenberg das Wirklichkeitsverständnis des Realismus vertritt, wird sowohl durch die Inanspruchnahme der Darstellungsfunktion von Sprache geradezu ‚erzwungen‘ als auch durch die Wahrheitsthematik (insbesondere durch die Rezeption der dieses Wirklichkeitsverständnis voraussetzenden Korrespondenztheorie der Wahrheit) erforderlich. Es ist im Übrigen – unter Einbeziehung weiterer Beobachtungen – bereits der Nachweis geführt worden, dass Pannenberg einen Realismus vertritt. Siehe dazu J. Page, Critical Realism and the Theological Science of Wolfhart Pannenberg: Ex-

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Wolfhart Pannenbergs Wahrheitskonzeption

bereits in der darstellenden Funktion von Sprache vorausgesetzt. Das für den Begriff der Wahrheit entscheidende Moment der Korrespondenz ist im Begriff der Darstellung bereits impliziert. Vereinfacht gesagt: Wo sich der Sprache bedienender Menschen Wirklichkeit darstellen wollen, da ist die Wahrheitsthematik automatisch schon an ihrem Platz und die Aussage der vermutlich entscheidende Wahrheitsträger. 3.4.2.4.3.2 Dogmatische Aussagen und ihre Strukturelemente Der Terminus ‚dogmatische Aussagen‘ begegnet insbesondere in seinen frühen Veröffentlichungen199. Darin rückt Pannenberg die dogmatischen Aussagen ganz in die Nähe der historischen Aussagen200, und zwar so, dass beide – auf das Christusgeschehen bezogen – „eigentlich Momente eines einzigen Erkenntnisvorganges“ gelten können. Die Unterscheidung beider Aussagetypen ist für ihn sozusagen nur eine technische201: „Dogmatische Aussagen [kursiv: T. L.] zielen i. U. zu historischen nicht primär auf die Herausstellung der besonderen historischen Individualität des Geschehens, mit dem sie sich befassen. Sie setzen vielmehr das historisch Besondere voraus und suchen dessen universale Bedeutung für das Ganze der Wirklichkeit und des menschlichen Wahrheitsbewußtseins zu formulieren.“202 „Historische Aussagen [kursiv: T. L.] setzen umgekehrt einen universalen Bedeutungshorizont immer schon voraus, wenigstens unausdrücklich und vorläufig. Wenn er nach der besonderen Individualität eines Vorgangs, eines Ereignisses oder einer Gestalt fragt, bringt der Historiker immer schon ein vorläufiges Bewußtsein von Wirklichkeit überhaupt, sowie eine ungefähre Vorstellung von dem Geschehenszusammenhang, dem die zu klärenden Begebenheiten zugehören, mit.“203

Das Kennzeichen der Universalität dogmatischer Aussagen soll vor allem bedeuten, dass die Dogmatik „den irdischen Weg Jesu samt seiner Auferweckung von den Toten als Handeln Gottes in den Blick nimmt. Aussagen über Gott beziehen sich ja wesentlich auf das Ganze der Wirklichkeit und implizieren ein Verständnis dieses Ganzen, insofern wir von Gott nur so sinnvoll sprechen können, daß wir vom Schöpfer des Alls reden.“204 Der Gebrauch philosophischer Terminologie erweise sich dabei als unvermeidlich, da auch die Philosophie die

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ploring the Commonalities, 71–84. Pannenberg selbst hat sich – wenn ich recht sehe – jedoch an keiner Stelle ausdrücklich zum Realismus bekannt. Vgl. exemplarisch W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 159–201. Der Aspekt der Historizität begegnet später wieder in Form der sog. ‚Tatsachenbehauptungen‘ (s. u). W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 171. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 171. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 171f. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 172.

Pannenberg und die modernen philosophischen Wahrheitstheorien

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Frage nach dem Ganzen der Wirklichkeit stelle und thematisiere205. In der Universalität dogmatischer Aussagen gründet Pannenberg zufolge auch ihre Systematizität206, Kommunikativität207 und Zeitbedingtheit208. Daneben sind ihr proleptischer209 und ihr doxologischer Charakter zwei weitere Elemente der dogmatischen Aussagen, und zwar solche Elemente, die auch später noch Pannenbergs Denken prägen und insgesamt ein erhellendes Licht auf seine Epistemologie werfen. Das proleptische Strukturelement ist Strukturmerkmal seiner Epistemologie (s. o.) und lässt die Wahrheitsbezogenheit der dogmatischen Aussagen klar erkennen: Dogmatische Aussagen blieben gegenüber der eschatologischen Wahrheit inadäquat. „Wenn dogmatische Formulierungen grundsätzlich immer proleptische Struktur haben, damit einer Inadäquatheit gegenüber der eschatologischen Wahrheit verhaftet bleiben“210. So bleibt letztlich auch das Dogma der Kirche „immer unter dem eschatologischen Vorbehalt, im Zeichen des „Noch nicht“ allen christlichen Lebens und Denkens, und das wirkt sich auch innergeschichtlich aus durch die Überholung einmal geprägter Bekenntnisformulierungen.“211

In seiner „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ begründet Pannenberg die doxologische Rede entsprechend mit der Endlichkeit, also dem Stückwerkcharakter, der prinzipiell jeder Wahrheitserkenntnis eigne: Im „Wissen um die Endlichkeit und Unangemessenheit alles menschlichen Redens von Gott“ werde „das Reden von Gott zur Doxologie, in der sich der Redende über die Schranken der eigenen Endlichkeit zum Gedanken des unendlichen Gottes erhebt.“212 205 Vgl. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 173. 206 Den spezifisch systematischen Charakter erkennt Pannenberg darin, dass die Dogmatik – vom „Besonderen der Geschichte Jesu her, als eschatologischem Geschehen“ – die Wirklichkeit in ihrer Totalität derart betrachtet, „daß in diesem Ganzen alles einzelne miteinander zusammenhängt.“ (W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 173). 207 Als kommunikativ gelten ihm dogmatische Aussagen deshalb, weil „[a]lle Wahrheit […] ihrem Wesen nach gemeinsam sein [wolle], am stärksten jedoch […] diese Forderung für Aussagen [gelte], die auf allumfassende Wahrheit zielen.“ (W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 174). 208 Die Zeitbedingtheit dogmatischer Aussagen erkennt Pannenberg darin, dass das Verstehen der Wirklichkeit in ihrer Totalität „nur approximativ“ möglich sei und einem steten Wandel unterworfen sei; bereits aus jeder neuen Einzelerkenntnis ergäben sich Konsequenzen für das Verständnis der Wirklichkeit im Ganzen (W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 174). 209 Das proleptische Strukturelement dogmatischer Aussagen beruhe darauf, dass die Dogmatik mit ihren Aussagen „sich von der tatsächlichen Vorwegereignung des Endgeschehens in Jesus leiten“ lasse und dabei „ständig von etwas [rede], was erst in einer uns unvorstellbaren Zukunft vollendet in Erscheinung treten wird, aber an Jesus schon damals, zu bestimmter Zeit, geschehen ist.“ (W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 176). 210 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 180. 211 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 180. 212 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 65.

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Und Doxologie bedeutet für Pannenberg in aller erster Linie Anbetung: „Mit der eigentümlichen Universalität dogmatischer Aussagen als Aussagen über den ewigen Gott und sein Handeln hängt ihr doxologischer Charakter zusammen. Dieser bildet, wie E. Schlink gezeigt hat […] 213 ein wesentliches Strukturmoment des Christusbekenntnisses, also des Dogmas selbst. Von daher eignet der doxologische dann aber auch der Lehre vom rechten Bekenntnis, und also der dogmatischen Aussage im weiteren Sinne. Die Aussagen des Christusbekenntnisses haben doxologischen Charakter, insofern sie auf Grund des Christusgeschehens von Gott selbst in seinem ewigen Wesen und von der ewigen Gottheit Jesu Christi reden. Gott wird durch das Christusbekenntnis gerühmt, in seinem ewigen Wesen der zu sein, als der er sich in den besonderen Ereignissen der Geschichte Jesu erwiesen hat.“214 „Doxologie ist wesentlich Anbetung“, bei der – wie Pannenberg mit seinem Lehrer E. Schlink übereinstimmt – „das Ich zum Opfer gebracht [wird] im Akt der Rühmung Gottes“215. Nur in dieser Form der Anbetung könne von Gott theologisch geredet werden216.

Die Inanspruchnahme des Strukturelements der Doxologie im Rahmen der Rede von Gott hat nach Meinung von Pannenberg Auswirkungen auf die Inhalte der auf Gott bezogenen Begriffe. Pannenberg erklärt: „Der kreatürliche Inhalt unserer Begriffe wird geopfert, indem Güte, Gerechtigkeit, Liebe, Weisheit usw. vom ewigen Wesen Gottes ausgesagt werden.“217

Das soll bedeuten: Bei „Übertragung endlicher Begriffsinhalte auf das ewige Wesen Gottes werden die Begriffe äquivok [kursiv T. L.].“218 Dies sei der Grund dafür, dass doxologische Aussagen – wie Pannenberg mit E. Schlink meint – „letzte Aussagen“ seien, „über die hinaus von Menschen nichts weiter gesagt werden kann, – Aussagen, in denen der Glaubende im Lobpreis der göttlichen Herrlichkeit sich selbst, sein Wort, die Folgerichtigkeit seines Denkens Gott als Lobopfer darbringt“219. In dem Akt der Übertragung bestimmter Begriffe auf Gott besteht für Pannenberg die spezifische Analogizität menschlichen Redens von Gott, die er für die allein mögliche hält und darum s.E. konstitutive Bedeutung gewinnt für 213 Pannenberg bezieht sich hier auf die Ausführungen seines Lehrers E. Schlink (Die Struktur der dogmatischen Aussagen als ökumenisches Problem, in: KuD 3 [1957], 251–306). Vgl. dazu W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 174. 214 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 174. 215 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 175. 216 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 175. Zur Doxologie als anbetender Rede vgl. auch a. a. O., bes. 184ff. 217 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 175. 218 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 175. 219 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 174. Die Zitate dieses Satzes stammen von E. Schlink, Die Struktur der dogmatischen Aussage als ökumenisches Problem, KuD 3 [1957], 271.

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jedwede Rede von Gott220. Der Ausdruck ‚analog‘ meint hier also eine „Indirektheit des Redens von Gott“ und insofern ein Reden von Gott „durch Übertragung von anderweitig gebildeten Wörtern“221. Pannenberg referiert, dass bereits in biblischen Aussagen die Eigenschaften Gottes in Analogie zu menschlichem Handeln beschrieben worden seien, etwa „wenn Gottes Barmherzigkeit, Gnade und Liebe, seine Gerechtigkeit, Langmut und Treue gepriesen“ worden sei222. Pannenberg betont, dass eine solche Analogie nur eine „Analogie des theologischen zum außertheologischen Sprachgebrauch“ darstellt223. D. h. hier wird nicht eine „Analogie des Sprachgebrauchs zu Gott selbst behauptet“, bei der im Sinne der alten Analogielehre (analogia entis) „die Entsprechung des Gott benennenden Wortes in Gott selbst behauptet“ würde224. In der doxologischen Struktur dogmatischer Aussagen liege es begründet, dass diese Form des Redens von Gott einen Akt der Anbetung darstellt. Und das bleibe – wie bereits angedeutet – nicht ohne Folgen im Hinblick auf die Wortbedeutung der in Bezug auf Gott verwendeten Begrifflichkeiten. Sie würden semantisch äquivok: „Gerade im Akt der Anbetung werden unsere Worte, indem sie Gott übereignet werden äquivok [kursiv: T. L.] im Verhältnis zu ihrem sonstigen Wortsinn, so sehr die Verwendung des Wortes begründet sein mag und keineswegs willkürlich erfolgt.“225

Pannenberg hat damit die prinzipielle Äquivozität unserer menschlichen Begriffe in ihrer Anwendung auf die göttliche Wirklichkeit behauptet226. Doch Pannenberg will „nicht Tür und Tor für einen beliebigen Sprachgebrauch“ öffnen, er will vielmehr die Äquivokationen, die sich aus der (analogen) Übertragung menschlicher Ausdrücke in ihrer Anwendung auf Gott ergeben, begründet wissen227. Er rekurriert dabei auf Boethius, der in diesem Zusammenhang für eine sog. aequivocatio a consilio und dabei für einen begründeten Gebrauch entsprechender Begriffe im Akt der Übertragung plädiert hatte228. Pannenberg folgt mit diesem Schritt Boethius und hält ebenfalls einen übertragenen Wortgebrauch

220 221 222 223 224

225 226 227 228

W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 182. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 182. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 184. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 187; vgl. auch a. a. O., 201. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 201. Bereits 1960 hat Pannenberg die Analogie als „Strukturprinzip von Aussagen über das Wesen Gottes […] theologisch illegitim“ bezeichnet. (W. Pannenberg, Möglichkeiten und Grenzen der Anwendung des Analogieprinzips in der evangelischen Theologie, 227). W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 187. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 187. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 193. Vgl. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 193.

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für möglich und legitim, sofern über den Anlass einer Übertragung Auskunft erteilt wird: „Der Sachverhalt muß irgendeine Beziehung zu dem vergleichsweise ursprünglichen, eigentlichen Sinn des betreffenden Wortes haben, um Anlaß für seine übertragene Verwendung werden zu können.“229

Mit der behaupteten Äquivozität in der Übertragung menschlicher Begriffe auf Gott, wie Pannenberg sie für das doxologische Reden von Gott annimmt, will Pannenberg offensichtlich die dem Menschen gesetzten (und auch prinzipiell nicht zu überschreitenden) Grenzen in seinem Reden von Gott untermauern: Doxologische Rede – wenn sie Gott etwa als gütig, allmächtig und gerecht prädiziert – nehme eine Endgültigkeit in Anspruch, die nur durch die Offenbarung der Gottheit Gottes gerechtfertigt werden könne, „die aber nur durch die Demut der Anbetung bewahrt bleibt vor der Hybris, die ewige Wahrheit Gottes durch menschliche Worte ergriffen zu haben, als ob man fortan wüßte, welches Verhalten Gott geziemt und welches nicht.“230 Die Begrenzungen solchen anbetenden Redens von Gott zeigen sich für Pannenberg insgesamt darin, dass die „Entsprechung unserer Worte zu Gott selbst […] nicht schon entschieden“231 ist und unsere auf Gottes Wesen angewendeten Begriffe nicht eine Analogie darstellen, bei der eine Analogie des Begriffs zu Gott selbst bestünde. Nicht nur darin liegt, wie Pannenberg bereits 1960 meinte, die „Gebrochenheit rechte[n] Reden[s] von Gott“ begründet, sondern auch in dem Gebundensein unseres Denkens „an die Struktur analoger Übertragungen“232. Und dennoch sieht Pannenberg die Wahrheitsfähigkeit doxologischer Rede von Gott dennoch gewahrt. Er zeigt sich zuversichtlich, dass das „in der Anbetung verwurzelte Reden von Gott wahr [kursiv: T. L.] sein kann.“233 Pannenbergs Ausführungen motivieren zu kritischen Rückfragen: In welcher Hinsicht Pannenberg von der Wahrheit menschlichen Redens von Gott ausgeht, wird nicht ausführlicher geklärt, wenn er auch klar darzulegen bemüht ist, dass der Mensch die endgültige und eschatologische, göttliche Wahrheit nicht erreicht. Eine aussagentheoretische (Korrespondenz-)Wahrheit, die für die Wahrheit eines Redens von Gott sachlich erforderlich wäre, wird gewissermaßen verunmöglicht durch a) die Identifikation Gottes mit der Wahrheit, durch b) die These der Inadäquatheit unserer Aussagen und durch c) 229 230 231 232

W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 193. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 200f. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 201. W. Pannenberg, Möglickeiten und Grenzen der Anwendung des Analogieprinzips in der evangelischen Theologie, 227. 233 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 201.

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die These des äquivoken Bedeutungsgehaltes unserer Wörter in ihrer Anwendung auf Gott. Wenn man mit Pannenberg aus Gründen einer von Schlink übernommenen falschen (?) Demut den semantischen Gehalt der von uns in Bezug auf Gott gebrauchten Wörter für äquivok erklärt, muss man sich die Frage gefallen lassen, ob dogmatische Aussagen unter diesem Verstehenshorizont überhaupt noch wirklich etwas Sinnvolles aussagen oder konstatieren können, geschweige denn Wahrheit für unser Aussagen beanspruchen können234. Dass die Übernahme der Doxologie nicht zur Preisgabe der Wahrheitsfähigkeit von Aussagen über Gott führen darf, ist für Pannenberg durchweg wichtig geblieben235. Gar nicht nachvollziehbar ist mir seine zur doxologischen Rede geäußerte Überzeugung, dass das „Wissen um die Endlichkeit und Unangemessenheit alles menschlichen Redens von Gott […] eine Wahrheitsbedingung solcher Aussagen [sc. über Gott]“236 sei. Wie kann, so mag man hier fragen, ein Bewusstsein beschränkter Erkenntnismöglichkeiten eine Bedingung für aussagetheoretische Wahrheit sein? Dessen ungeachtet wird die hier mit der Anwendung der Analogie und insbesondere seiner Äquivokations-These aufgetretene Problematik immerhin von Pannenberg ein Stück weit anerkannt und berücksichtigt, wie sein eigener Analogiebegriff belegt237: Pannenberg bestreitet nämlich die scholastische Annahme, dass die Analogie (gemäß der traditionellen Analogielehre) ein eigenständiges ‚Drittes‘ bzw. ‚Mittleres‘ neben bzw. zwischen Univokation (Gleichsinnigkeit) und Äquivokation (Mehrsinnigkeit/Mehrdeutigkeit) darstellt, und beruft sich auf Duns Scotus und Wilhelm Ockham, die gezeigt haben, „daß die Analogie selbst schon ein univokes Element [kursiv: T. L.] voraussetzt.“238 Demnach inkludiert die analoge Prädikation die Univokation, was dadurch so 234 So hat etwa John M. Russell (Pannenberg on Verification in Theology: An Epistemic Response, 49f) u. a. die Einschätzung geäußert, dass der doxologische Charakter theologischer Aussagen und die mit ihnen verbundene Äquivozität ihres Inhaltes im Widerspruch steht zu dem an anderer Stelle von Pannenberg behaupteten kognitiven (konstativen) Charakter dieser Aussagen. Ein gewisser Widerspruch ist kaum zu leugnen, allerdings scheint die Kognitivität faktisch durch die Inklusion der Univozität (ein gutes Stück weit) gerettet zu werden (s. u.). 235 In seiner Systematischen Theologie schlägt sich dies in der Bemerkung nieder, dass „die gedanklichen Konturen“ der Doxologie „keineswegs […] ins Unbestimmte zu verschwimmen“ bräuchten, ja die doxologische Rede „durchaus auch die Form systematischer Reflexion“ haben könne (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 66). 236 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 65. 237 Zu Pannenbergs, im Folgenden knapp skizierten Analogiekonzeption siehe bes. W. Pannenberg, Möglichkeiten und Grenzen der Anwendung des Analogieprinzips in der evangelischen Theologie, 225–228, bes. 226; W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 191 passim; W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 373f; W. Pannenberg, Analogie und Offenbarung, bes. 212ff (dort im Nachwort die Erläuterung des Ergebnisses seiner Untersuchung); Bruce C. Marshall, Art. Analogie II. Fundamentaltheologisch, 449. 238 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 191.

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etwas wie aussagetheoretische (Korrespondenz-)Wahrheit zu ermöglichen scheint. Sehr scharf erkannte Pannenberg doch immerhin schon 1954 die elementare Bedeutung der Univokation: „Es ist doch deutlich, daß bei Ablehnung der Univokation in j e d e r Hinsicht gar keine Übereinstimmung [kursiv: T. L.] und also auch keine Analogie mehr möglich ist.“239 Die Univokation ermöglicht also so etwas wie korrespondentistische Wahrheit in den von Pannenberg abgesteckten epistemischen Grenzen: Bei allem analogen Reden von Gott bleibe ein Abstand zwischen menschlicher Gotteserkenntnis einerseits und Wesenheit des unendlichen Gottes andererseits bestehen240; es sei eine prinzipielle Korrekturbedürftigkeit (nicht nur) für die Gotteserkenntnis als Wahrheitserkenntnis241 anzunehmen. 3.4.2.4.3.3 Die Aussagewahrheit, das Fürwahrhalten und der Glaube im Kontext der Bemühungen um Erkenntnis, Wissen und Wahrheit Der von Pannenberg gebrauchte Terminus der ‚Aussagenwahrheit‘242 indiziert seinerseits schon, dass für den Gehalt von Aussagen Wahrheit beansprucht werden kann243. Pannenberg wendet sich bereits 1978 ausdrücklich gegen eine Separation der Aussagenwahrheit von der Behandlung der Wahrheitsfrage im Kontext von Reflexionen auf das christliche Glaubensbewusstsein. In den in der damaligen Theologie anzutreffenden Bagatellisierungen der auf den Glauben bezogenen Aussagenwahrheit macht er m. E. zu Recht eine problematische theologische „Immunisierungsstrategie“ aus, die von dem Vorhaben geleitet ist, den Glauben vor Vernunftkritik abzuschirmen244. 239 W. Pannenberg, Rezension Wagner, Hans: Existenz, Analogie und Dialektik, 319. 240 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 373f. 241 Man beachte auch folgende, in diese Richtung gehenden Bemerkungen in: W. Pannenberg, Analogie und Offenbarung, 215: „Hier erinnert die Tradition der Analogielehre mit Recht daran, dass alle unsere Vorstellungen von Gott und seinem Handeln bestenfalls „analog“ bleiben: Sie bedürfen immer wieder der Korrektur im Lichte der biblischen Aussagen über die Weise, wie Gott durch sein Handeln seine Eigenschaften erweist und erwiesen hat.“ 242 Vgl. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, in: W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie. Gesammelte Aufsätze Bd. II, 226ff. 243 Vgl. exemplarisch folgendes Anwendungsbeispiel: W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 489: Pannenberg ist überzeugt, „die Wahrheit des Gehalts solcher Aussagen hängt ab vom Wirken des Geistes“. Die „Aussagewahrheit“ kann Pannenberg zudem in Verbindung bringen mit der „Verläßlichkeit von Behauptungen und behaupteten Sachverhalten.“ (W. Pannenberg, Freude des Glaubens. Predigten, 31). Zum Behauptungsbegriff s. u. 244 Siehe W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 227. Heute hat sich die Sachlage geändert. Die inzwischen breite Rezeption philosophischer Wahrheitstheorien (vgl. dazu nur W. Härle/R. Preul (Hg.), Marburger Jahrbuch Theologie XXI (Wahrheit), Leipzig 2009) kann nur begrüßt werden: Im Allgemeinen lässt sich ein enorm gestiegenes Diskussionsniveau erkennen, das einfache und schroffen Entgegensetzungen meidet. Zudem erfährt der von Pannenberg bereits damals positiv aufgegriffene Aspekt der ‚Aussagenwahrheit‘ breitere (und auch positivere) Beachtung, was durch die eingehende Auseinandersetzung mit phi-

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Diesen Trends stellt Pannenberg sich entgegen, was u.a auch daran erkennbar wird, dass er das Moment des ‚Fürwahrhaltens‘ positiv aufgegriffen hat und als eine eigene und unverzichtbare Dimension innerhalb des Glaubensbegriffs verstanden wissen will245. Verhält es sich s.E. doch so, dass „in jenem anfänglichen Erkennen, das immer wieder zum Ausgangspunkt gläubigen Vertrauens wird, auch die Aussagewahrheit ihren Ort [hat].“246 Ein Seitenblick auf Pannenbergs Glaubensbegriff, der folgen wird, ist geeignet, um im Rahmen einer von ihm vorgenommenen Verhältnisbestimmung von Glaube, Erkenntnis und Wissen die (kontextuelle) Relevanz der aussagetheoretischen Wahrheit zu erschließen, empfiehlt sich aber vor allem von daher, dass Pannenberg die Meinung vertreten hat, der Glaube stehe selbst in einem Verhältnis zur Wahrheit: Für Pannenbergs Glaubensbegriff ist im Kern die logische Abfolge der drei klassisch-reformatorischen Aspekte notitia, assensus und fiducia kennzeichnend, und zwar so, dass „die Kenntnis (notitia) von den Tatsachen der Geschichte, in der Gott sich geoffenbart hat, sowie die Zustimmung (assensus) dazu, daß Gott uns in diesen Gegebenheiten offenbar ist, unentbehrliche Voraussetzungen des christlichen Glaubensvertrauens (fiducia)“ ist247. Dabei bezieht sich der Fiduzialglaube i. d. R. unmittelbar auf Gott. Glaube als Vertrauen macht sich so gleichsam ekstatisch außerhalb des Glaubenden selbst fest – extra nos in Gott als dem Grund, auf den das Vertrauen gerichtet ist248. Solches Vertrauen ist zukunftsgerichtetes Vertrauen, was sich dem altisraelitischen Denken, welches

245

246 247 248

losophischen Theorien befördert wird, weil eben dort das Wahrheitsproblem wesentlich um die ‚Aussagendimension‘, wie er es ausdrückt, kreist. (s. auch die nachfolgende Anmerkung). Pannenberg will mit Verweis auf W. Kamlah zeigen, dass auch eine sog. ‚Existenzwahrheit‘, wie sie in existenzphilosophischen Kreisen propagiert wurde, keine Alternative zur Aussagenwahrheit darstellen kann. Existenzwahrheit gründe zwar in einer Wahrheit jenseits der eigenen Existenz, die Dimension der Aussagenwahrheit kommt jedoch an der Stelle zum Vorschein, wo gefragt wird, ob die von der menschlichen Existenz jeweils „geglaubten Wahrheiten ‚wirklich‘ wahr sind oder nicht“. Pannenberg zitiert hier W. Kamlah, Wissenschaft, Wahrheit, Existenz, 66f. Vgl. dazu W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 228. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 234. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 171. Siehe zu den drei Momenten seines Glaubensbegriffs ausführlicher auch a. a. O., 171ff sowie W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 249. Vgl. exempl. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 263; vgl. ferner W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. II, 180. Zu dieser seiner Anknüpfung an M. Luther siehe exempl. auch W. Pannenberg, Differenzen und ihre Folgen, 125; ferner W. Pannenberg, „Extra nos“ – Ein Beitrag Luthers zur christlichen Frömmigkeit, bes. 197f sowie W. Pannenberg, Sakramente und kirchliches Amt, 87f. Das fiduziale Moment seines Glaubensbegriffs zeigt sich schon in seinem Aufsatz „Heilsgeschehen und Geschichte“ (1959). Darin wird der Vertrauensglaube speziell auf die Verheißung Gottes bezogen.

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Pannenberg aufgreift, verdankt. Er teilt die für altisraelitische Vorstellung von einer zeitbezogen-geschichtlichen Wahrheit und der damit verbundenen Erwartung, dass erst die Zukunft herausstellen wird, was letztlich beständig und wahr ist (vgl. oben). Weil Erkennen und Wissen aber am Gegenwärtigen oder bereits Erfahrenen orientiert seien, stoße ein solches Verhältnis zur Wahrheit unweigerlich an Grenzen, da die Zukunft, in der sich Neues ereignen kann, unberücksichtigt bleibe249. Der Glaube wird so als ein auf Zukunft gerichtetes Vertrauen und deshalb als ein sich über die Grenze gegenwärtigen Wissens hinauswagendes Vermögen von ihm wertgeachtet250. Es interessiert nun weiter, dass der Glaube (und darin sei er dem Wissen und der Erkenntnis komparabel) als „eine Form des Sichverhaltens zur Wahrheit“ begriffen wird251. Diese These der Wahrheitsbezogenheit des Glaubens verdankt sich der schon früh aufgegriffenen etymologischen Erkenntnis, derzufolge das hebräische Wort für Wahrheit (‫ֱאֶמת‬/emet) dem Verb aman (= von ihm wiedergegeben mit: „feststehen oder feststellen, stützen, tragen“) zugrunde liegt252, was seinerseits das Verb für ‚glauben‘ (he’emin: wörtlich mit ‚sich festmachen‘253 [s. u.]) ist: „Vertrauen oder Glauben hat ja im Hebräischen denselben Wortstamm wie Emet und zwar He’emin. He’emin (Hiphilform von aman) hat kausativen Sinn und bedeutet: beständig machen, bzw. sich beständig machen, sich festmachen, wie das die Alttestamentler gerne übersetzen.“254

Die etymologische Verwandtschaft der Wortwurzeln ‫ ֱאֶמת‬und he’emin wird von Pannenberg sodann theologisch ausgedeutet für die Angewiesenheit des gläubigen Geschöpfes auf Gott als die Wahrheit. Der leitende Gedanke ist, dass der Mensch nur Bestand gewinnen können, wenn er sich selbst im vertrauenden Glauben in Gott als dem Beständigen, Festen und Verlässlichen festmache255. Denn schließlich seien „allein Gott und seine Worte und Werke unbegrenzt beständig und verläßlich […] (vgl. Ps 111,7f.; 119,90f.; 146,6 u. ö.)“256. Exakt in dieser Überlegung sieht Pannenberg „die Logik, die dem Wort Jesajas an den

249 250 251 252 253 254 255 256

Vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 157. Vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 156. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 156. Siehe W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 203, dort nur der Hinweis auf ein dem Ausdruck ‫ֱאֶמת‬/Emet „zugrunde liegende[s] Verbum“. Siehe auch das Anwendungsbeispiel für dieses Verständnis des Glaubens als Akt des SichFestmachens exemplarisch in: W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. I, 179. W. Pannenberg, Die Wahrheit Gottes in der Bibel und im christlichen Dogma, 273. Vgl. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 229. Vgl. auch W. Pannenberg, Die Wahrheit Gottes in der Bibel und im christlichen Dogma, 272f. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 156.

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König Ahas zugrunde liegt: ‚Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht‘ (Jes 7,9).“257 Nur derjenige, der sich in Form des vertrauenden Glaubens in der beständigen Wahrheit – Gott – fest mache, der „bleibe“, gewönne Bestand258. Wer sich im Glaubensakt in Gott als dem Beständigen festmache und ihm vertraue, sich also auf ihn verlasse, der habe – bildhaft gesprochen – sein Haus nicht auf Sand, sondern auf felsigem Grund gebaut (in Adaption von Hiob 15,31 in Verbindung mit Mt 7,24ff) 259. Den maßgeblich von Jes 7,9 herrührenden Gedanken der Notwendigkeit, zur Erhaltung des eigenen Beständigkeit sich in Gott festmachen zu müssen, sieht Pannenberg im Zusammenhang „mit der Geschichtlichkeit der hebräischen Wahrheit“ stehen, da diese sich erst künftig erweise und darum gegenwärtig nur antizipativ zugänglich sei, nämlich durch den auf Gott gerichteten Vertrauensglauben, zu dem sich die Israeliten – da sie die Treue und Beständigkeit ihres Gottes erfahren hätten – auch in Zukunft aufgerufen seien260. Die Höherwertung des Glaubens gegenüber Erkenntnis und Wissen bedeutet jedoch nicht für Pannenberg, dass dem Wissen in diesem Zusammenhang keine besondere Bedeutung zukäme. Ganz im Gegenteil. Die Prämisse, dass der Glaube in einem Verhältnis zur Wahrheit steht, impliziert den Gedanken, dass es Glaube nur geben kann, wenn ex ante in irgendeiner Form von der Wahrheit Kenntnis genommen werden kann. Darum ist er der Meinung, dass der Glaube auf dieses Moment anfänglicher Erkenntnis in Form eines „Zur-Kenntnis-Nehmen[s] der Taten Gottes“ angewiesen bleibt. Mit der Erkenntnis der Taten Gottes vollzieht sich Erkenntnis Gottes: „Auch der Begriff der Gotteserkenntnis (da’at Jahwe) ist auf Gottes Taten bezogen (Dtn. 11,2).“261 Gotteserkenntnis vollzieht sich so über die Erkenntnis der Geschichtstaten Gottes262, womit für Pannenberg zusam-

257 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 156. Zu Jes 7,9 siehe schon W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 206. 258 Vgl. dazu auch W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 229 (u. 248f), W. Pannenberg, Die Wahrheit Gottes in der Bibel und im christlichen Dogma, 273 u. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 206f. 259 Vgl. W. Pannenberg, Die Wahrheit Gottes in der Bibel und im christlichen Dogma, 273. Siehe zu dieser Veranschaulichung in Mt 7, 24f auch W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 156 sowie die darauf anspielenden Bemerkungen in: W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 1, 116; zu Hiob 15,31 siehe auch W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 229. 260 Vgl. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 206f. 261 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 232f, weitere biblische Belege a. a. O., 233 Anm. 18 262 Vgl. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 232f. Zur schon früh von Pannenberg vertreteten These der Gotteserkenntnis aus den von Gott erwirkten Geschichtstaten vgl. etwa auch W. Pannenberg, Die Offenbarung Gottes in Jesus von Nazareth, 152–160.

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menhängt, „daß der Glaube, das Vertrauen in die Zukunft Gottes für das Verhältnis zu seiner Wahrheit ausschlaggebend ist.“263 Derartige (Geschichts-)Taten Gottes, die qua Machterweis zu einer anfänglichen Kenntnis der Wahrheit führten, erkennt Pannenberg innerhalb der Heilsgeschichte (Pannenberg nennt exemplarisch die Rettung der Israeliten beim Schilfmeerdurchzug [Ex 14, 31] sowie den Rückblick in Dtn 4,35ff; 7,9) 264. Durch machtvolles Eingreifen während des Schilfmeerdurchzugs habe Jahwe den Israeliten seine Beständigkeit demonstriert265. Die Israeliten, die von (solchen) Machterweisen Gottes herkämen, richteten ihr gläubiges Vertrauen also auf die Zukunft, nämlich darauf, dass sich die Beständigkeit oder Wahrheit Gottes auch künftig zeigen werde266: „Die Wahrheit Gottes muß sich in Zukunft aufs Neue erweisen, und das ist durch keinen Logos festgelegt, sondern darauf greift nur das Vertrauen vor.“267 Gerade weil er die Wahrheit als eine geschichtliche Wahrheit versteht, die sich in ihrer Treue, Verlässlichkeit und Beständigkeit als solche erst noch im Prozess der Zeit herausstellen werde, hält Pannenberg den (weil stets auf die Zukunft gerichteten) vertrauensvollen Glaubensakt – und nicht den kognitiven Gebrauch des λόγος (Logos) bzw. νοῦς (Nus) – als die angemessene Form des Sich-Beziehens auf Wahrheit – sei es zur Wahrheit Gottes oder zur Wahrheit der Dinge (als Frage nach deren Wesen). Mit Pannenbergs Worten: „Weil nun aber die Beständigkeit und Verläßlichkeit Gottes, seine Selbstidentität, nicht unabhängig von der Zeit bestimmt ist, sondern als durch die Zeit hin sich durchhaltende Treue, darum kann der Mensch an der Wahrheit Gottes nicht durch einen rein kognitiven Akt Anteil gewinnen, sondern nur durch den Akt des Vertrauens, des Glaubens, der sich ebenfalls auf die Zukunft bezieht.“268 263 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 233. 264 Vgl. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 233f. 265 Vgl. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 207(f); ferner W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 232f: Dort weitere Belege zur Gotteserkenntnis aufgrund von Gottes geschichtsmächtigen Wirken: Dtn 11,2 sowie in Anm. 18: Dtn 4,39; 7,9; 8,5ff; 9,3ff; ferner Hos 4,1; Mi 6,5 und Jes 41,20. Zur These, Gott habe sich für Israel in vergangenem Geschehen (Exodus, Schilfmeerdurchzug, Gewinn des verheißenen Landes) als der „Herr der Wirklichkeit erwiesen“ siehe W. Pannenberg, Glaube und Wirklichkeit, 104. Zu Pannenbergs Interpretation von Ex 14 (= Rettung Israels aus Ägypten und am Schilfmeer durch Gottes Macht) siehe auch W. Pannenberg, Die Wahrheit Gottes in der Bibel und im christlichen Dogma, 274. 266 Vgl. ausführlicher dazu W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 207. Den oben aus Ex 14,31 zitierten Machterweis Jahwes deutet Pannenberg als (geschichtliche) Erfahrung, die dann zu neuem Vertrauen Israels auf Jahwe geführt habe. (Vgl. W. Pannenberg, Die Wahrheit Gottes in der Bibel und im christlichen Dogma, 274). Siehe auch W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit, Glaube, 233f sowie W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 157, dort jeweils auch mit Hinweis auf Dtn 4,35ff u. 7,9. 267 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 207f. 268 W. Pannenberg, Die Wahrheit Gottes in der Bibel und im christlichen Dogma, 272f.

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Während gemäß altgriechischem Denken die Wahrheit als eine zeitlose, mit sich selbst identische und durch den Nus zugängliche verstanden wird, stelle sich nach altisraelitischer Vorstellung der Vertrauensakt als adäquater Zugang zur Wahrheit dar, da Vertrauen in die Zukunft gerichtet sei und zu Wahrheit als einer zeitbezogen-geschichtlichen (im Sinne einer sich im Prozess der Zeit herausstellenden) Größe gehöre, dass sie sich erst noch als Beständige und Wahre werde erweisen müssen269. Nüchtern betrachtet wird also in beiden Traditionskreisen aufgrund eines verschiedenen Wahrheitsverständnisses die Frage nach dem Verhältnis zur Wahrheit und die nach ihrer Zugänglichkeit unterschiedlich beantwortet: „Wie in Israel der Glaube, so galt im griechischen Denken das Wissen [kursiv: T. L.] als das angemessene Verhältnis zur Wahrheit.“270 Allerdings verbindet sich diese Feststellung mit einer Wertung, die eindeutig zugunsten des altisraelitischen Denkens ausfällt. Weil Pannenberg davon ausgeht, dass erst die Zukunft die Wahrheit (z. B. auch die der Dinge) als einer Beständigen erweisen werde, erweist sich seinerseits eine bloße Orientierung „am Gegenwärtigen oder bisher schon Erfahrenen“, wie er es im altgriechischen Verständnis von Wissen und Erkenntnis vorzufinden meint, als unzureichend; er teilt letzten Endes die „Höherwertung des Glaubens in Israel im Vergleich zum Erkennen und Wissen [kursiv: T. L.]“271. Denn: „Wenn erst die Zukunft lehren wird, was endgültig Bestand hat, dann kommt es für das Verhältnis zur Wahrheit entscheidend auf den Glauben an. Dabei ist vorausgesetzt, daß mit dem Zukünftigen etwas Neues verbunden sein wird, das noch nicht mit Sicherheit im voraus gewußt werden kann. Die Möglichkeit des Wissens als Zugang zum wahrhaft Beständigen ist daher begrenzt, während der Glaube sich über diese Grenze hinauswagt.“272

„Und weil die Wahrheit zukünftig ist, darum kann sie nicht durch den auf das gegenwärtig Anwesende gerichteten Nus (wie bei Parmenides) erfaßt werden“273, der sich im Erkenntnisprozess auf die Gegenstände richte, aber von der Zeit abstrahiere274, „sondern nur durch den Glauben, der auf den vertraut, der sich in Zukunft als wahrhaft verläßlich erweisen wird.“275 269 Vgl. W. Pannenberg, Die Wahrheit Gottes in der Bibel und im christlichen Dogma, 272f und W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 156. 270 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 156. 271 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 157. 272 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 157. 273 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 247; vgl. auch W. Pannenberg, Die Vernünftigkeit der Vernunft als theologisches Problem, 77). 274 Vgl. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 273. 275 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 247; vgl. auch W. Pannenberg, Die Vernünftigkeit der Vernunft als theologisches Problem, 77.

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Auch wenn in der Überzeugung Pannenbergs Glaube wesentlich ein auf die Zukunft gerichteter Glaube ist, bleibe er zunächst angewiesen auf so etwas wie eine anfängliche Wahrheitserkenntnis. Aus dem Neuen Testament führt er dafür Beispiele an: Bei Paulus findet er eine solche Erkenntnis etwa in Gestalt des Wissen von der Auferweckung Jesu vor (vgl. die Argumentation in Röm 6,8f u. 2 Kor 4,13f), bei Johannes sei dagegen die Liebe Gottes als Glaubensgrund die entsprechende Erkenntnis (vgl. 1 Joh 4,16; Joh 17,8) 276. Während auf diese Weise der Glaube einerseits anfängliche Erkenntnis voraussetzt, so gilt nach Pannenbergs Dafürhalten auch der umgekehrte Weg, wonach der Glaube zu neuer Erkenntnis führen kann (vgl. auch seinen Hinweis auf Joh 6,69; 10,38) 277. Die durch den Glauben eröffnete Möglichkeit zu neuer Erkenntnis gilt seiner Meinung nach insbesondere für die eschatologische Gotteserkenntnis, bei welcher im Zuge der Parusie Christi und der Vollendung des Gottesreiches (vgl. 1 Kor 13,12) Glaube und Erkenntnis letztlich zusammenfielen278. Ausgehend von der Feststellung der Abhängigkeit des Glaubens von anfänglicher Kenntnisnahme einerseits und gleichzeitigem Potenzial des Glaubens zu neuer Erkenntnis andererseits gelangt Pannenberg zu der Überzeugung, dass der Glaube in seiner Funktion angemessen als eine „Zwischenbestimmung“ zu fassen sei, und zwar als „Zwischenbestimmung zwischen einer anfänglichen und einer tieferen, und darüber hinaus der endgültigen, vollendeten Erkenntnis. Gerade in dieser seiner Funktion als Zwischenbestimmung ist die zentrale Bedeutung des Glaubens für das Verhältnis zur Wahrheit Gottes in ihrer Geschichtlichkeit begründet, und weil sogar die eschatologische Gottesschau die Zukünftigkeit Gottes im Verhältnis zu seinem Geschöpf nicht aufheben wird, wird der Glaube auch das vollendete Gottesverhältnis noch kennzeichnen.“279 Glaube und Erkenntnis fielen hier „in einer Weise zusammen, die nicht mehr durch den Begriff der Aussagewahrheit erfaßt werden [kursiv: T. L.]“280 könne. Dieser harten und m. E. unberechtigten Kritik der Aussagenwahrheit stellt Pannenberg immerhin entgegen, dass „zumindest in jenem anfänglichen Erkennen, das immer wieder zum Ausgangspunkt gläubigen Vertrauens wird, auch die Aussagewahrheit ihren Ort [kursiv: T. L.]“281 habe.

276 277 278 279

Vgl. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 234. Vgl. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 234. Vgl. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 234. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 234. Pannenberg greift später auf die hier dargelegten Überlegungen zurück. Vgl. dazu W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 156ff, speziell zur These des Glaubens als „Zwischenbestimmung“, aber auch ausführlicher zur Verhältnisbestimmung von Glaube, Wissen und Erkenntnis. 280 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 234. 281 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 234.

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Pannenbergs Verhältnis zur Aussagenwahrheit scheint also ein eher ambivalentes gewesen zu sein. Zur ihrer positiven Funktionsbestimmung kann vielleicht gesagt werden, dass Pannenberg wohl nicht zuletzt mit der Absicht ökumenischer Öffnung die Inklusion der Dimension des ‚Fürwahrhaltens‘ von Sätzen und überhaupt die objektive Aussagenwahrheit mit in den Glaubensbegriff hineinzunehmen gewillt war282. Hinzu kommt aber in jedem Fall seine Überzeugung, dass man der Frage nach der Wahrheit des Glaubens nicht dadurch entgehen kann, dass etwas versucht wird, diese Frage existentialistisch zu interpretieren, also einfach eine „Reduktion der Wahrheit des Glaubens auf Existenzwahrheit“ vorzunehmen283, wie dies in vergangenen Tagen versucht worden sei. 1978 urteilt er: „Es wiederholt sich hier eine Auseinandersetzung, die vor zwanzig Jahren mit der existentialistischen Reduktion der Wahrheit des Glaubens auf Existenzwahrheit geführt werden 282 Schon bei Paulus gehe es bei der „Annahme der apostolischen Heilsbotschaft […] durchaus um ein Für-wahr-Halten.“ (W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 239). Aus diesem Anliegen heraus ergibt sich ein Unterschied zu K. Barth, der mit R. Bultmann u. W. Herrmann darin übereinstimmte, „daß der Glaubensakt nicht in einem „Fürwahrhalten biblischer Texte oder kirchlicher Satzungen“ begründet sei (KD IV/1, 850)“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 173 inkl. Anm. 164). Pannenberg erörtert den Aspekt des Fürwahrhaltens im weiteren Kontext von notitia und assensus. Man vgl. zu Pannenbergs Bemühungen um eine Überwindung von Einseitigkeiten seine Überlegungen zu P. Neuners Ablehnung zweier einseitiger Glaubensverständnisse: „P. Neuner hat in seinen Ausführungen über „Glaube als subjektives Prinzip der theologischen Erkenntnis“ mit Recht betont, es seien zwei einseitige Auffassungen abzulehnen: einerseits ‚das doktrinalistische oder konzeptualistische Glaubensverständnis, nach dem der Glaube zu verstehen wäre als bloßes Fürwahrhalten von Sätzen, die der natürlichen Erkenntnisfähigkeit des Menschen entzogen sind‘ und auf Autorität hin angenommen werden, andererseits aber auch die Auffassung, in der Glaube ‚allein verstanden wird als persönliche Vertrauenshaltung, die keine gemeinschaftsstiftende Erkenntnisbewegung auf der Ebene objektiver Wahrheit aus sich entläßt‘, keine ‚formulierbare‘ und ‚in Sätzen aussagbare Wahrheit‘ (in W. Kern, H.J. Pottmeyer, M. Seckler (Hg): Handbuch der Fundamentaltheologie 4, 1988, 51–67, 65).“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 160. Anm. 120). Pannenberg meint oben weiter: „Die Besinnung auf das Glaubensverständnis der Reformation kann daher immer noch als Weg zur differenzierteren Erfassung der Wesensstruktur des Glaubens selbst betrachtet werden, weit über eine bloß historische Untersuchung hinaus und auch nicht nur als maßgeblich für eine von vornherein auf eine konfessionelle Perspektive begrenzte und verengte Darstellung des Sachverhalts.“ (a. a. O., 160). Vgl. zum Thema auch Pannenbergs Anknüpfung an M. Secklers These, Glaube sei u. a. mehr als ‚bloßes Fürwahrhalten‘ (Siehe dazu W. Pannenberg, Rezension Seckler, Max: Instinkt und Glaubenswille nach Thomas von Aquin, 363). Völlig unzutreffend ist von daher A. Langes Urteil, „Glaube als Vertrauen und Zutrauen in die Treue eines anderen“ trete bei Pannenberg „weitgehend in den Hintergrund.“ (A. Lange, Religion als Weltbemächtigung, 187: Lange bezieht sich auf den Aufsatz „Wahrheit, Gewißheit und Glaube“). Seine These ist falsch, und das nicht nur hinsichtlich des Gehaltes dieses von Lange gen. Aufsatzes. Pannenberg hat, wie gezeigt wurde, wiederholt für den reformatorischen Fiduzialglauben Partei ergriffen. 283 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 228.

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mußte. Die Bemerkungen von Wilhelm Kamlah zu dieser Frage haben auch heute noch nichts von ihrem Gewicht verloren; denn es ist im Grunde dasselbe Problem, das heute nur in einer anderen, mehr sprachphilosophisch orientierten Gestalt diskutiert wird:“284 Mit den Worten des Philosophen W. Kamlah erklärt Pannenberg: „. . . der Christ bekundet seine Erlösungsgewißheit, indem er zugleich ein Credo bekennt, dessen Sätze er „für wahr hält“. Freilich steht das „Glauben“ als „bloßes“ Fürwahrhalten von Sätzen zumal im Protestantismus nicht hoch im Kurs [- auch für Pannenberg ist Glaube nicht in erster Linie das Fürwahrhalten von Sätzen, sondern in erster Linie Vertrauen auf Gott285]. Aber auch die sublimste Interpretation des christlichen Glaubens löst ihn nicht von bestimmten „Glaubenswahrheiten“, von denen der Skeptiker meint, daß sie zweifelhaft, unwahrscheinlich oder fromme Einbildung seien. Zur „Existenzwahrheit“, wie wir sie erfragen und wie wir sie aus der Bekundung historischer oder gegenwärtiger Menschen kennen, gehört also noch dies: Die wahrhaft mögliche als wahrhaft gebotene menschliche Existenz „stützt sich“ nicht etwa auf sich selbst, sondern auf so etwas wie eine Wahrheit außer ihr. Und wenn sie nun mit dieser Stütze stehen und fallen sollte, dann käme offenbar alles darauf an herauszufinden, ob die jeweils gewußten oder geglaubten Wahrheiten ‚wirklich‘ wahr sind oder nicht.“286

Pannenberg anerkennt die Bedeutung der Aussagenwahrheit nicht nur für den christlichen Glauben. Er beobachtet, dass im Unterschied zu den mythologischen Religionen auch die missionierenden Weltreligionen – er nennt Christentum, Islam, Buddhismus und Neuhinduismus – Allgemeingültigkeits- und Wahr284 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 228. 285 Bereits in seinem 1960 erschienenen Lexikonartikel zum Glauben im evangelischen Verständnis wird der Glaube zwar wesentlich als Fiduzialglaube bestimmt, zugleich aber auch mit dem Aspekt der notitia bzw. der Kenntnisnahme des Sachverhaltes und seinem Fürwahrhalten konstruktiv verbunden (Siehe W. Pannenberg, Art. Glaube IV. Im prot. Glaubensverständnis, 927). Zum Pannenberg’schen Glaubensbegriff lutherischer Prägung vgl. exemplarisch W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 156–196. Es sei hier ergänzt, dass Pannenberg schon in seinem Aufsatz „Die Frage nach Gott“ andeutet, das Moment des Fürwahrhaltens positiv aufzugreifen. Man vergleiche dazu seine kritischen Bemerkungen zu der in der DDR erschienen Schrift O. Klohr (Hg.), Moderne Naturwissenschaft und Atheismus, Berlin 1964, 31. An anderer Stelle tritt dagegen das Moment des Fürwahrhaltens eher in den Hintergrund: Zur Beschreibung des Verhältnisses der Aspekte des Vertrauens und des Fürwahrhaltens von Sätzen übernimmt Pannenberg eine Beschreibung von J. Cobb, wonach das Vertrauen „weniger ein gestärktes Vertrauen darauf [sei], daß diese Sätze [sc. hier: v. der Auferstehung Jesu und ihrer Bedeutung] wahr sind, als vielmehr Vertrauen auf den Gott, der Jesus Christus auferweckte und der alle Menschen auferwecken wird“ (S. 274).“ (W. Pannenberg, Stellungnahme zur Diskussion, 342 Anm. 49). 286 W. Kamlah, Wissenschaft, Wahrheit, Existenz, 66f. Zitiert nach W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 228. Hier verdeutlicht sich nochmals die in der Sicht Pannenbergs unhintergehbare Dimension der korrespondentistischen Aussagenwahrheit. Ganz gleich, ob die sog. ‚Glaubenswahrheiten‘ angezweifelt werden oder nicht: Die Pointe dieser Argumentation dürfte darin liegen, dass diese Aussagen im korrespondenztheoretischen Sinn entweder zutreffen oder nicht.

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heitsansprüche artikulieren287. So sehr diese Einsicht zu einer Aufwertung der aussagetheoretischen Wahrheit im theologischen Kontext gereichen kann, so deutlich ist Pannenberg andererseits gewillt hervorzuheben, dass sich zumindest nach biblischem Verständnis Wahrheit nicht in Aussagenwahrheit erschöpfe: „Diesen Sätzen ist nichts hinzuzufügen außer etwa der Frage, warum denn wohl gerade Theologen sich so schwer tun, die Evidenz des in ihnen ausgesprochenen Sachverhalts gelten zu lassen, wo es um den christlichen Glauben geht.“288 „Allerdings ist den Positionen, die die Wahrheit des Glaubens als existentielle oder performative Wahrheit auslegen, immerhin ein berechtigtes Anliegen zuzugestehen: Was biblisch „Wahrheit“ heißt, geht nicht auf in Aussagenwahrheit. Das muß allerdings nicht bedeuten, wie immer wieder kurzschlüssig behauptet wird, daß es sich nur alternativ zu ihr verhalte.“289

Bereits in seinem frühen Aufsatz „Wa s i s t Wa h r h e i t ? “ von 1962 will er gezeigt haben, „daß das biblische Wahrheitsverständnis zwar weiter ist als das der Aussagenwahrheit, dabei aber durchaus diese mit in sich schließt“290. Auch wenn diese These etwas vorsichtig formuliert anmutet, so macht er auf den folgenden Seiten deutlich, dass er das biblische Wahrheitsverständnis mit dem, was gemeinhin Aussagenwahrheit (bzw. propositionale oder logische Wahrheit) genannt wird, zusammendenken will. Es ist dies ein bis in die gegenwärtige Theologie hinein nicht selten begegnendes Argument, wonach die Aussagenwahrheit als Wahrheitsverständnis zu ‚eng‘ o. ä. sei291. Entgegen solchen Diskreditierungen des aussagetheoretischen Wahrheitstyps macht Pannenberg deutlich, dass christlicher Glaube nicht zu

287 Vgl. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 175. Es sei hier zusätzlich eine Bemerkung Pannenbergs zum Buddhismus platziert. Aus ihr geht hervor, dass Pannenberg „nämlich nicht überzeugt davon [ist], daß der Buddhismus ohne Aussagenwahrheiten [kursiv: T. L.] auskommt“. Er meint, „daß die buddhistischen Denker ebenfalls die Wahrheit ihrer Argumente für die Scheinhaftigkeit der Welterfahrung benötigen für den Weg, der dann in der Meditation geführt wird. […] Auch in der Herkunftsgeschichte der japanischen buddhistischen Schulen ist deutlich, daß diese Aussagenwahrheiten Basis für die Meditationspraxis sind.“ (So W. Pannenbergs Diskussionsbeitrag, in: W. Oelmüller (Hg.), Wahrheitsansprüche der Religionen heute, 256). 288 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 228. 289 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 229. 290 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 229 Anm. 7. In einer seiner Predigten findet sich ebenfalls der Gedanke, dass es gegenüber dem Typus der Aussagenwahrheit „in der Bibel bei dem Wort ‚Wahrheit‘ fast immer ganz umfassend [kursiv: T. L.] um ‚Seinswahrheit‘, um Beständigkeit und Verläßlichkeit im Leben überhaupt“ gehe (W. Pannenberg, Freude des Glaubens. Predigten, 31). 291 Man vgl. die Einschätzung von I.U. Dalferth u. Ph. Stoellger, dass das Verständnis der Wahrheit als Satzwahrheit zu eng sei (Vgl. I.U. Dalferth/ Ph. Stoellger, Wahrheit, Glaube und Theologie. Zur theologischen Rezeption zeitgenössischer wahrheitstheoretischer Diskussionen, 61).

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denken ist ohne auf Universalität abzielende Aussagen, für die Wahrheit in Anspruch genommen wird: „Sie [sc. Die Krise des Wahrheitsbewusstseins mit einem „Verlust an Allgemeingültigkeit“] erreichte ihre akute Phase im 18. Jahrhundert, als die Aufklärung die Aussagen des Glaubens an den nunmehr als allgemeingültig wahr geltenden Maßstäben prüfte und ihren Inhalt in vielen Fällen kritisch auf das von daher als annehmbar Erscheinende reduzierte. Seitdem ist jene Krise in einen chronischen Prozeß übergegangen. Zu seinen gegenwärtigen Erscheinungsformen gehört, daß gerade die berufenen Interpreten des christlichen Glaubensbewußtseins vielfach dazu neigen, dieses Glaubensbewußtsein abzulösen von der Frage nach der als allgemeingültig zu vertretenden Wahrheit seiner Aussagen. Man beruft sich dafür auf die Eigenart des Glaubens, dessen Wahrheit nicht nur in der Wahrheit von Aussagen bestehe. Doch auch wenn das zugestanden wird, muß das Bestreben als problematisch erscheinen, die eigentümliche Wahrheit des Glaubens von der Verbindung mit der Frage nach der Wahrheit von Aussagen abzulösen.“292 „Man muß dann die Glaubenssätze, wie es denn auch häufig in verzweifelt gekünstelten Versuchen geschehen ist, entgegen ihrer prima facie sich darbietenden Sprachstruktur dahin deuten, daß sie es eigentlich gar nicht Aussagen oder Behauptungen abgesehen haben. Angesichts der Tatsache, daß solche Bemühungen zumindest den Augenschein gegen sich haben, läßt sich die Frage nicht unterdrücken, was wohl gerade Theologen dazu bewegen kann, sich auf solche Interpretationsmuster einzulassen. Es liegt dann nahe zu vermuten, daß die Bagatellisierung der Frage nach der Wahrheit der Aussagen des Glaubens als eine apologetisch motivierte Immunisierungsstrategie zu beurteilen ist, die der Abschirmung des Glaubens gegen rationale Kritik dienen soll, der man offenbar auf ihrem eigenen Felde nicht zu begehen weiß.“293

Die Aussagenwahrheit darf zwar für Pannenberg nicht gelöst werden vom Glauben, andererseits ist, wie sich zeigte, für Pannenbergs Wahrheitsverständnis wesentlich, dass es nicht auf die Aussagenwahrheit reduziert verstanden werden darf. Das wird deutlich an manchen Erläuterungen seines Verständnisses von Aussagenwahrheit: Die Wahrheit der Aussage wird „als Entsprechung „zur Wahrheit“ der Sache selbst, zu ihrer Beständigkeit und Selbstidentität“ gedacht294. Das Wahre nennt die Aussage wahr, das Unwahre heißt sie unwahr295.

Dieses in den Belegen zu Tage tretende Verständnis der Aussagenwahrheit scheint prima vista dem Wahrheitsverständnis der Korrespondenztheorie zu entsprechen. Doch während für Pannenberg die Wahrheit einer Aussage von der (ontologisch gefassten, als biblisch verstandenen) Wahrheit oder dem (glei292 293 294 295

W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 226f. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 227. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 234f. Vgl. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 235.

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chermaßen gedachten) Wahren abhängt, besteht Wahrheit nach dem korrespondenztheoretischen Wahrheitsverständnis in der Korrespondenz oder Adäquation zwischen Subjektrelat (z. B. Aussage) und Objektrelat (z. B. Tatsache), das seinerseits nicht als Wahrheit prädiziert wird296. Diese Eigentümlichkeiten, die in manchen seiner Formulierungen erkennbar sind, ändern im Ganzen jedoch nichts daran, dass Pannenberg die Aussagen als Wahrheitsträger für die theologische Arbeit verwendet hat. 3.4.2.4.3.4 Behauptungen (Einstieg) Die Behauptung ist ein weiterer, für Pannenbergs Theologie äußerst wichtiger Wahrheitsträger. Mit einer Behauptung wird etwas als wahr hingestellt (G. Frege) 297. Einem solchen geläufigen Verständnis der Behauptungsbegriff scheint auch Pannenberg grundsätzlich zu folgen. In einer seiner Predigten erklärt er, dass mit Behauptungen Wahrheit beansprucht würde, ja und dies bereits im Alltag mit „jeder noch so banalen Behauptung“298. „Erst recht gibt es in der Wissenschaft keine Erkenntnis und nicht einmal Behauptungen ohne den Anspruch auf Wahrheit.“299 Es gehöre zur „logischen Struktur von Behauptungen“, dass „[m]it der Aufstellung einer Behauptung […] der Anspruch auf Wahrheit des Gesagten erhoben [wird].“300

Jedweden Versuch, bei Behauptungen in einem bescheideneren Sinn nur von „Richtigkeit oder Unrichtigkeit von Behauptungen zu sprechen“ – etwa weil Wahrheit als „ein allzu großes Wort erscheint“, weist Pannenberg als unangebracht zurück, weil eben mit der Behauptung nichts weniger als Wahrheit beansprucht wird301.

296 Zur Korrespondenztheorie der Wahrheit bei Pannenberg s. u. 297 „Um etwas als wahr hinzustellen, brauchen wir kein besonderes Prädikat, sondern nur die behauptende Kraft, mit der wir den Satz aussprechen.“ (G. Frege, Schriften zur Logik und Sprachphilosophie. Aus dem Nachlass, 139). 298 W. Pannenberg, Freude des Glaubens. Predigten, 28. 299 W. Pannenberg, Freude des Glaubens. Predigten, 28: „Das bleibt auch dann so, wenn es nicht möglich sein sollte, diesen Anspruch in irgendeinem Fall wirklich voll und ganz zu rechtfertigen.“ (ebd.). 300 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 68. Siehe zu den mit Behauptungen verbundenen Wahrheitsansprüchen auch W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 220; W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 248. 301 W. Pannenberg, Freude des Glaubens. Predigten, 28. Hier hätte es sich angeboten zu zeigen, dass das Phänomen ‚Wahrheit‘ auch dann nicht verschwindet, wenn anstelle von Wahrheit beispielsweise von Richtigkeit gesprochen wird. Das Phänomen ‚Wahrheit‘ bleibt ein semantisch-ontologisches.

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3.4.2.4.3.5 Pannenbergs Rekurs auf die Korrespondenztheorie der Wahrheit von K.R. Popper: Korrespondenz durch Behauptungen

„Wie das einzelne Wort einen (unvollständigen) Gegenstandsbezug hat, so ist auch der Satz als Urteil (Behauptung) gegenständlich bezogen, wobei der Gegenstandsbezug des Einzelwortes im Satz Bestimmtheit gewonnen hat durch die wechselseitige Explikation von Subjekt und Prädikat […]. Der Wahrheitsanspruch der Behauptung ist mit dieser Bestimmtheit der Wörter im Satz verknüpft.“302

Die mit Behauptungen beanspruchte Wahrheit im Sinne der Gegenstandskorrespondenz interpretiert Pannenberg nicht unüblich als formal die des korrespondenztheoretischen Wahrheitsbegriffs. Pannenberg teilt nicht nur den Gedanken der Korrespondenz, sondern faktisch auch die Implikationen, die sich als mit dem korrespondenztheoretischen Wahrheitsverständnis verbunden gezeigt haben. Das ist, wie bereits oben gezeigt, der (metaphysische) Realismus, aber auch die Vorstellung, dass Wahrheit eine objektive/absolute Größe ist sowie das Festhalten an der zweiwertigen Logik und ihrem Bivalenzprinzip, demzufolge Aussagen entweder wahr oder falsch sein können. K.R. Popper hat – im Unterschied zu Pannenberg – diese Implikationen der Korrespondenztheorie eigens benannt und expliziert303. Das ändert aber freilich nichts an der Gemeinsamkeit im Verständnis des korrespondentistischen Behauptungsbegriffs: Es stellt „jede Behauptung“ dar eine „Hypothese über einen Gegenstand […], die dem Gegenstand entsprechen oder nicht entsprechen [kursiv: T. L.], wahr oder falsch sein kann.“304 Eine Behauptung gilt Pannenberg als eine Sprachform, die ihrer Bedeutungsstruktur gemäß „einen Sachverhalt intendiert und Übereinstimmung mit dem Sachverhalt beansprucht, also Wahrheit.“305 „Es gehört ja zum Wesen von Behauptungen, daß sie mit dem Anspruch auf „Wahrheit“ im Sinne der Übereinstimmung mit dem behaupteten Sachverhalt [kursiv: T. L.] auftreten. Nur darum ist auch eine Prüfung von Behauptungen möglich, die sich auf diesen ihren Wahrheitsanspruch bezieht. Die logische Struktur von Behauptungen impliziert also bereits den Gedanken der Gegenstandskorrespondenz und den Begriff von Wahrheit

302 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 87. 303 Siehe dazu A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 121f. Diese o.g. Implikationen sind durchweg auch für Pannenbergs Wahrheitsverständnis kennzeichnend. 304 W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 32; vgl. ebenso W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 277. 305 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 87. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Pannenbergs Bemerkungen zu den im Satz verwendeten Wörtern und ihrer Bestimmtheit (vgl. ebd.).

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als Gegenstandskorrespondenz [kursiv: T. L.], die natürlich nicht als Abbildung des Gegenstandes in der Aussage oder im Bewußtsein gedacht werden muß.“306 Er geht davon aus, „daß Behauptungen ihrer logischen Struktur nach eine Entsprechung zu Sachverhalten beanspruchen“307. Behauptungen sind kognitiv im Charakter. Mit ihnen wird Wahrheit beansprucht, „nämlich Übereinstimmung mit dem Sachverhalt, der den Gegenstand der Aussage bildet.“308 „Wahre Behauptungen sind gerade dadurch wahr, daß ihr Inhalt dem behaupteten Sachverhalt selber entspricht.“309 Wer „eine Behauptung aufstellt“, beansprucht „damit ja Übereinstimmung mit dem Sachverhalt“310. Aussagen oder Behauptungen zielen auf „die Übereinstimmung […] mit ihrem Gegenstand“311.

Pannenberg hat sich bei seiner Beschäftigung mit der Korrespondenztheorie der Wahrheit in seinem Buch „Wi s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d T h e o l o g i e “ intensiv mit der von K.R. Popper vorgelegten Variante auseinandergesetzt312. Pannenberg vertritt die These des wissenschaftlichen Angewiesenseins auf die Korrespondenzwahrheit mit dem Verweis auf metaphysische Implikationen, wie sie mit wissenschaftlichen Aussagen in ihrer Struktur und mit ihrem Geltungsanspruch verbunden sind und expliziert dies im Rekurs auf Popper speziell am Behauptungsbegriff: Für Popper wie auch für Pannenberg gilt: „Es ist für die semantische Struktur von Behauptungen konstitutiv, daß sie Wahrheit im Sinne der Übereinstimmung mit dem intendierten Sachverhalt beanspruchen.“313 Denn ohne den Aspekt der Korrespondenz könne weder der Begriff der Behauptung noch derjenige der Wissenschaft gedacht werden314. Pannenberg folgt hier Poppers Begründung für eine Rezeption der Korrespondenztheorie; denn es ist seine Überzeugung, dass es in der (empirischen) 306 W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 173. Auffallend ist, dass Pannenberg hier nur via negativa darlegt, wie das Korrespondenzverhältnis nicht zu denken sei. 307 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 32. 308 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 330. 309 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 103. 310 W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 171. 311 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 177. Die Aussagen oder Behauptungen werden hier für Interpretationen bemüht, die für die Interpreten, die sie vortragen, im korrespondenztheoretischen Sinn möglichst zutreffend sein sollen. 312 Zu K.R. Poppers Korrespondenztheorie der Wahrheit s. ausführlicher auch die Darstellung bei A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 118–165. 313 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 42. 314 Vgl. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 42f.

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Wissenschaft nämlich darum gehe, „die eine ‚wirkliche Welt‘, die ‚Welt unserer Erfahrungswirklichkeit‘ dar[zu]stellen“315 (was – nebenbei bemerkt – die Funktion von Korrespondenzwahrheit im Zuge solcher Inanspruchnahme der darstellenden Funktion von Sprache anschaulich macht316). Teilt Pannenberg hier einerseits mit Popper den Gedanken der semantischen Unerlässlichkeit der Korrespondenztheorie im Grundsatz, so grenzt sich Pannenberg von Popper ab, wo dieser nach der Analyse strukturwissenschaftlicher Theorien zu dem Ergebnis gekommen ist, „dass solche Theorien dem Begriff der Korrespondenzwahrheit nie uneingeschränkt und definitiv genügen, sondern bestenfalls bis auf weiteres bewährt“ seien und daher die These aufgestellt hat, wir verfügten zwar über kein Wahrheitskriterium, „aber lassen uns dennoch leiten von der Wahrheitsidee als einem regulativen Prinzip“317. Einmal davon abgesehen, dass Pannenberg in Poppers Rede von einem regulativen Prinzip „nicht mehr als eine vage Analogie zum kantischen Sprachgebrauch“ sieht318, weist er Poppers These, die korrespondenztheoretische Wahrheit sei als regulatives Prinzip zu verstehen, zurück: Es könne, so Pannenberg, „die Wahrheit als Gegenstandskorrespondenz auf dem Boden der semantischen Analyse von Behauptungen nicht als bloß regu315 Pannenberg bezieht sich auf Poppers Logik der Forschung, 13 in: W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 43. Pannenberg weist dabei darauf hin, dass Popper von der semantischen Unerlässlichkeit der Korrespondenztheorie der Wahrheit ausgeht und sie „in der gegen logische Paradoxien geschützten Form, die ihr der polnische Logiker Tarski gegeben hat“, vertritt (Pannenberg verweist auf Poppers Conjectures and Refutations, 215– 250 [vgl. ebd.]). Mit Tarskis berühmter semantischer Wahrheitskonzeption hat sich Pannenberg an keiner Stelle (näher) auseinandergesetzt. 316 Den Zusammenhang zwischen korresepondenztheoretischer Wahrheit und der Darstellungsfunktion der Sprache, wie sie in besonderer Deutlichkeit im Behauptungssatz zum Ausdruck kommt, hat Pannenberg auch später erneut hervorgehoben: Vgl. dazu W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 103ff. Auch wenn für Popper wie für Pannenberg in der Darstellungsfunktion die Relevanz der Korrespondenztheorie der Wahrheit gründet, so gibt es noch eine weitere, die Wahrheitsthematik betreffende Gemeinsamkeit Pannenbergs mit dem Kritischen Rationalismus (K.R. Poppers und auch dessen Schülers H. Albert) darin, dass dieser das Ideal der Widerspruchsfreiheit (Kohärenz) methodisch zur Gewinnung neuerer Erkenntnisse ausdrücklich involviert, worauf hier nicht weiter einzugehen ist. Siehe dazu H. Albert, Traktat über kritische Vernunft, bes. 50ff u. 53 inkl. Anm. 23 zur Kohärenztheorie der Wahrheit u. 24 zu Popper). Zum Verfahren des Kritischen Rationalismus insgesamt siehe auch die knappe Darstellung bei K. Gloy, Wahrheitstheorien, 187–191. 317 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 43. Pannenberg bezieht sich auf Poppers Logik der Forschung, 266. 318 „Der Begriff des regulativen Prinzips bildet hier jedoch nicht mehr als eine vage Analogie zum kantischen Sprachgebrauch. Anders als bei Kant ist er bei Popper nicht durch den Rahmen einer transzendentalen Analytik konstitutiver Verstandesprinzipien fundiert, um deren vollständige Anwendung es in den regulativen Ideen Kants geht.“ (W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 43).

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latives Prinzip gefaßt werden, da sie vielmehr den Begriff der Aussage oder Behauptung bereits konstituiert.“319 Er macht Popper zudem zum Vorwurf, dass dieser mit seiner „Bezeichnung der Wahrheitsidee als regulatives Prinzip […] die Wahrheit von Aussagen an das imaginäre Ende eines unendlichen Progresses [verschiebt], während doch vielmehr jede Behauptung bereits gegenwärtig auf Wahrheit Anspruch erhebt.“320 Doch kann Popper so verstanden werden? Der Popper-Schüler Hans Albert hat darauf aufmerksam gemacht, dass Popper offenkundig hier von Pannenberg missverstanden worden sei. Albert merkt an, Popper verschiebe keineswegs die Wahrheit von Aussagen an ein solches imaginäres Ende: „Er [sc. Popper] schließt nämlich keineswegs aus, daß unsere Behauptungen teilweise wahr sein können. Nur bestreitet er, daß wir dafür Garantien haben.“321 Aus Alberts Popper-Interpretation lässt sich das Erfordernis ableiten, dass zwischen Wahrheit, Wahrheitserkenntnis und insbesondere ihrer Begründung unterschieden werden muss, was demgegenüber Poppers eigene Formulierungen gerade nicht nahelegen. Dass für Popper dennoch diese Unterscheidung wichtig gewesen ist, zeigt eine seiner späteren Bemerkungen, die als Selbstkorrektur darauf aufmerksam macht, solche Distinktionen bedauerlicherweise nicht vorgenommen zu haben, sodass Pannenbergs Fehlinterpretation auch in einem anderen Licht erscheinen muss. Popper gesteht, ihm sei in den der „L o g i k d e r F o r s c h u n g “ vorausgehenden Publikationen ein „arger Fehler“ unterlaufen, der darin bestehe, nicht sauber zwischen Wahrheit und der Begründbarkeit der Wahrheit (von Hypothesen) unterschieden zu haben322. Mit dieser differenzierteren Betrachtung klärt sich die missverständliche Interpretation Pannenbergs auf. Nicht die Wahrheit selbst ist an ein imaginäres Ende verschoben, sondern nur der endgültige Beweis323. Das hat L. Kugelmann klar gesehen: „Diese Korrektur Poppers zielt freilich nicht so sehr auf die Anerkennung des Gegenwartsbezugs der Wahrheit, als vielmehr auf die Abgrenzung gegenüber einem dogmatischen Standpunkt, der Hypothesen von vornherein für falsch erklären 319 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 43. 320 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 43. 321 H. Albert, Die Wissenschaft und die Fehlbarkeit der Vernunft, 159. Albert fügt hinzu, auch andere hätten „meist große Schwierigkeiten, Poppers konjekturale Erkenntnisauffassung zu verstehen.“ Zur Adaption des Konjekturalen siehe auch den Abschnitt zur Epistemologie, insbesondere den zur Rezeption der Erkenntnislehre des Kusaners, von der Pannenberg ebenfalls beeinflusst zu sein scheint. 322 Siehe dazu: K.R. Popper, Die beiden Grundprobleme der Erkenntnistheorie, XXVI. 323 Vgl. ebd. Von daher ist auch die folgende Interpretation von R. Nnamdi (Offenbarung und Geschichte. Zur hermeneutischen Bestimmung der Theologie Wolfhart Pannenbergs, 77) abwegig: „Daß die kritische Prüfung von Hypothesen höchstens die Wahrheit annähert und die Idee der Wahrheit „an das imaginäre Ende eines unendlichen Progresses“ […] verschiebt, gibt Pannenberg aber immerhin eine Möglichkeit, für das geschichtliche Denken einen vorläufigen Wahrheitsbegriff festzuhalten.“

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will. Immerhin wird damit die Möglichkeit, daß Hypothesen wahr sein können, ausdrücklich zugelassen.“324 Damit ist aber dann zugleich auch dem Korrespondenzgedanken Rechnung getragen, an dem Pannenberg (keineswegs nur im Anschluss an Popper) festgehalten hat. 3.4.2.4.3.6 Behauptungen und Hypothesen Die Übernahme des Hypothesenbegriffs erfolgte bei Pannenberg sicher nicht zufällig im Kontext seiner Auseinandersetzung mit dem Kritischen Rationalismus Poppers. Sie dürfte überhaupt erst vor dem Hintergrund der damaligen wissenschaftstheoretischen Diskussionen verständlich werden325. Mit dem Hypothesenbegriff sollte die Theologie wissenschaftstheoretisch legitimiert werden. Wichtigstes Referenzwerk ist in dieser Sache sein Werk „Wi s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d T h e o l o g i e “326, worin Pannenberg u. a. durch den Gebrauch von Hypothesen sein Verständnis der Theologie als Wissenschaft skizziert und die Theologe in ihrem Verhältnis zu anderen Wissenschaften bestimmt327. Den Hypothesenbegriff zu gebrauchen, war für die Theologie zu jener Zeit (der 1970er Jahre) sicherlich keine Selbstverständlichkeit. Auch heute ist das nicht anders328. Zwar wurde der Hypothesenbegriff zeitlich in etwa parallel auch von G. Sauter in die Theologie eingeführt und auch von J. Hick, W.T. Blackstone, N. F. Ferré sowie St. Pepper verwendet329. Doch (zumindest) Pannenbergs Gebrauch des Hypothesenbegriffs, erschien – wie S.M. Daecke es vorsichtig formulierte – „vielen Theologen zumindest ungewohnt“330. 324 So L. Kugelmann (Antizipation. Eine begriffsgeschichtliche Untersuchung, 354 Anm. 34) in Bezug auf diese Selbstkorrektur Poppers. 325 So auch H.G. Türk. Ihm zufolge zeigt Pannenbergs Inanspruchnahme des Hypothesenbegriffs „am deutlichsten Pannenbergs Anknüpfung an die Diskussionen in der Wissenschaftstheorie“ (H.G. Türk, Positionen und Perspektiven in der Wissenschaftstheorie der Theologie, 46. 326 Pannenberg hat den Hypothesenbegriff jedoch schon vorher verwendet. So ist etwa in dem Aufsatz „Was ist eine dogmatische Aussage? (s. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie) von „Hypothesen in bezug auf die Geschichte Jesu“ (a. a. O., 177) die Rede. Pannenberg hat dort aber noch nicht den Schritt vollzogen, den Aspekt der Hypothetizität auf die dogmatischen Aussagen zu beziehen, sondern folgt hier für die Wesensbestimmung dogmatischer Aussagen (noch) deutlich seinem Lehrer E. Schlink. 327 S.M. Daecke hat richtig erkannt, dass die Hypothese bei Pannenberg „die entscheidende Brücke zum wissenschaftlichen Selbstverständnis der Human- und Naturwissenschaften“ darstelle. So S.M. Daecke in: S.M. Daecke, H.N. Janowski, W. Pannenberg, G. Sauter, Theologie als Wissenschaft. Ein Gespräch, 71. 328 Gegenwärtig wird der Hypothesenbegriff auch von W. Härle (s. W. Härle, Dogmatik, 23), allerdings ausschließlich in streng wissenschaftstheoretischer (nicht in „existentieller“) Hinsicht gebraucht. 329 Vgl. dazu die entspr. Hinweise von Pannenberg selbst in S.M. Daecke, H.N. Janowski, W. Pannenberg, G. Sauter, Theologie als Wissenschaft. Ein Gespräch, 77. 330 So S.M. Daecke zu Pannenberg in: S.M. Daecke, H.N. Janowski, W. Pannenberg, G. Sauter,

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Aussagen und Behauptungen sind strukturell hypothetisch – das ist eine Grundüberzeugung Pannenbergs. Mit der angenommenen strukturellen Hypothetizität aller Aussagen hängt zusammen, dass Pannenberg den Hypothesenbegriff nicht nur für theologische Aussagen, sondern auch auf die Aussagen des Glaubens anwendet331, was der Rationalität seiner Theologie entspricht und auch dem Glaubensleben gut tun dürfte332. Theologie als Wissenschaft. Ein Gespräch, 70. Auch manche polemische Reaktion folgt auf ein – wie ich finde – zu Unrecht als problematisch abgetanes Unternehmen. Vgl. dazu etwa die in meinen Augen wenig sachdienlichen und völlig unausgewiesenen Anmerkungen von H. Deuser zu „Pannenbergs Schule“; Deuser meint, es werde „polemisch gegen das nicht rational Andere im Moment des Glaubens die bürgerliche Vernunft des praktisch Möglichen vorgezogen“ (H. Deuser, Kritische Notizen zur theologischen Wissenschaftstheorie, 222). „Pannenbergs metaphysische Gott-Hypothese setzt sich dagegen dem Vorwurf aus, wieder nur der Gott der Philosophen zu sein. Dieser Gott steht nur auf dem Papier, ihm fehlt die Leidenschaft der gelebten Situation, weil die Wissenschaftstheorie alles tut, um ihn daraus zu abstrahieren. Er wird damit nicht wahrer, sondern papieren.“ (a. a. O., 224). Deuser geht von der „Nicht-Einholbarkeit von Sprache und Leben“ aus, „ohne daß wissenschaftliche Wahrheit vor dem einen resignieren müßte, um sich auf das andere zu beschränken, so könnte auch Wittgensteins letzter Satz aus dem „Tractatus“ wieder zur Geltung kommen: ‚Worüber man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen‘ […] – nur umgekehrt.“ (a. a. O., 225). 331 Darauf weist Pannenberg deutlich hin etwa in: S.M. Daecke, H.N. Janowski, W. Pannenberg, G. Sauter, Theologie als Wissenschaft. Ein Gespräch, 71. 332 Man wird durchaus Chr. Glimpel in der Einschätzung zustimmen dürfen, dass Pannenberg mit dem Hypothesenbegriff ein doppeltes Interesse verfolgt: „Durch den Hypothesenbegriff wird nicht nur ad intra das Bewußtsein der Strittigkeit Gottes in Glaubensbewußtsein und Theologie verankert, sondern auch ad extra die prinzipielle Glaubwürdigkeit theologischer Aussagen etabliert.“ (Chr. Glimpel, Gottesgedanke und autonome Vernunft, 49. Siehe auch, worauf Glimpel verweist, G. Wenz: Wolfhart Pannenbergs Systematische Theologie, 11.) Chr. Glimpel kritisiert Pannenbergs wissenschaftstheoretischen Ansatz hauptsächlich dafür, „daß seine Vermittlung von Rationalität und Glaube durch die Figur der Hypothese bzw. der Antizipation insgesamt jener Rationalität verhaftet bleibt, die für logischen Positivismus und kritischen Rationalismus maßgeblich war – einer Rationalität, die Logik und Methodik der Thematisierung empirischer Gehalte bestimmt“, sich aus Sicht von Glimpel für die Theologie als unbrauchbar erweist, da „dieselbe es mit einer vom Gegenstand der empirischen Wissenschaften gänzlich verschiedenen Thematik zu tun hat.“ (Chr. Glimpel, Gottesgedanke und autonome Vernunft, 17). Seine These ist die folgende: „Eine Vermittlung des christlichen Gottesgedankens mit der neuzeitlichen Autonomie des Denkens ist nicht auf der Basis empirisch-wissenschaftlicher Theoriebildung, wohl aber mittels der a priorischen Form des Begriffs möglich, weil diese Form sowohl dem Denken als auch dem Sinn des Gottesgedankens entspricht.“ (a. a. O., 20). Dies hat die m. E. problematische, und von der modernen Wissenschaftstheorie aus gutem Grund nicht geteilte Voraussetzung zum Hintergrund, dass er davon ausgeht, „daß die logische Weise, wie wir etwas denken, Einfluß auf den Sinn des Gedachten hat, weil die reinen Formen des Denkens an ihnen selbst sinnbestimmt sind.“ Zu Chr. Glimpels Kritik an Pannenberg (siehe a. a. O. insbes. 13ff.) Zudem will Glimpel mit der Begründung, dass die Theologie es nicht mit einem kontingenten Gegenstand zu tun habe, den Nachweis der „Untrennbarkeit von Thematisierung und Thematisiertem“ erbringen (a. a. O., 17f). Daraus ergibt sich, was Glimpel Pannenberg zum Vorwurf macht: „Wir werfen Pannenberg vor, die religiösen Gehalte auf eine Art und Weise zu

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Pannenberg erklärt: „Ich verstehe schon die Aussagen des Glaubens selbst, nicht erst die theologischen Aussagen als Hypothesen.“333 Hier manifestiert sich ein Unterschied zu Sauter, der nur die theologischen Aussagen für hypothetisch hält334. Glaubensaussagen und theologische Aussagen unterscheidet Pannenberg folgendermaßen: Während es die Aussagen des Glaubens unmittelbar mit Gott als ihrem Thema zu tun hätten, würde in theologischen Aussagen von Gott indirekt geredet, insofern auf der Ebene theologischer Reflexion das in den Glaubensaussagen als Behauptungen sich bekundende „Behauptungselement“

thematisieren, die diesen Gehalten nicht entspricht, nämlich so, als handele sich dabei um faktisch kontingente Gehalte. Dabei korrespondiert die Kritik an der Trennung von Thematisierendem und Thematisiertem Hegels Einsicht in die Nichteignung der Form der Vorstellung für die Thematisierung religiöser Gehalte: Was vorgestellt wird, ist Hegel zufolge dadurch als ein seiendes, endliches qualifiziert. Als adäquate Form der Thematisierung religiöser Gehalte hat Hegel demgegenüber den Begriff vorgeschlagen, zu dessen ihn von der Vorstellung unterscheidenden Charakteristika gehört, daß kraft seiner der Sinn des Thematisierten nicht mehr vom Thematisierenden getrennt ist, sondern beide Seiten zu einer konkreten Einheit verbunden sind. Was begriffen wird, kann nicht mehr Gegenstand einer Hypothese werden, weil die Präsenz von Sinn keiner weiteren Ergänzung bedarf, um Gültigkeit zu besitzen.“ (a. a. O., 18). Mir scheint schon seine (Grund-)These, die Theologie habe es mit einer von den empirischen Wissenschaften gänzlich verschiedenen Thematik zu tun, insofern problematisch, als für die Gotteserkenntnis doch gerade empirische (Erfahrungs-) Gehalte (Gott bringt sich zur Erfahrung) von nicht unwesentlicher Bedeutung sein dürften. Der Kern des Problems dürfte m. E. jedoch darin bestehen, dass er meint, den Hypothesenbegriff mithilfe des (Hegelschen) Begriffs überwinden zu können. Das scheint mir nicht möglich. Es scheint mir nicht einmal möglich mit irgendeinem anderen Begriff des Begriffs immer. Denn die Gültigkeit (und damit Wahrheit) sprachlicher, z. B. in Aussageform vorgetragener, Gehalte kann nicht von einem stets unhintergehbar subjektiven Begreifen abhängig gemacht werden, sondern nur von der Tatsächlichkeit des Ausgesagten. Es kann sogar sein, dass Wahrheit gerade dort ist, wo gar nichts begriffen wird. Es bleibt bei der Fallibilität unserer Wahrheitsträger – nicht nur der der Hypothese. Die faktische und unhintergehbare Hypothetizität (im Sinne Pannenbergs?) erweist sich jedenfalls immun gegenüber sämtlichen Versuchen, sie hinwegzudisputieren. 333 So W. Pannenberg im Gespräch mit G. Sauter. Siehe dazu W. Pannenberg u. G. Sauter, Im Fegefeuer der Methode, 6. 334 Im Unterschied zu Pannenberg will G. Sauter den Hypothesenbegriff nur auf theologische Aussagen beschränkt wissen. Vgl. dazu S.M. Daecke/ H.N. Janowski/W. Pannenberg/ G. Sauter, Theologie als Wissenschaft. Ein Gespräch, 70ff. Zu W. Pannenbergs und G. Sauters Hypothesenbegriff im Vergleich siehe H.-M. Rieger, Theologie als Funktion der Kirche. Eine systematisch-theologische Untersuchung zum Verhältnis von Theologie und Kirche in der Moderne, 163–180. Außerdem verwendet Sauter den Begriff in einem eher geläufigen Sinne, wonach „Hypothesen diejenigen Sätze innerhalb einer Theorie [sind], die Sachverhalte kennzeichnen, die noch nicht verifiziert worden sind oder vielleicht auf absehbare Zeit auch gar nicht verifiziert oder falsifiziert werden können.“ (So G. Sauter in einem Diskussionsbeitrag, in: S.M. Daecke, H.N. Janowski, W. Pannenberg, G. Sauter, Theologie als Wissenschaft. Ein Gespräch, 76. Somit rückt Sauters Hypothesenbegriff in die Nähe des allgemein üblichen Hypothesenbegriffs. Siehe dazu unten die Bemerkungen von J. Fischers.

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thematisiert werde335. Denn der Inhalt sowohl theologischer Aussagen wie auch der von Glaubensaussagen müsse sich erst noch an der Erfahrung bewähren336. Pannenberg ist der Auffassung, „die Theologie stelle Hypothesen über Hypothesen, nämlich über den hypothetischen Status von Glaubensaussagen auf.“337 Hypothesen können ihm „Hypothesen dritter Ordnung“ (= „Hypothesen über Hypothesen über Hypothesen“) sein, und zwar in dem Sinn, dass er die Aussagen der Theologie als „Hypothesen über Wahrheit und/oder Unwahrheit von Ausprägungen des religiösen Bewußtseins“ versteht338. Mit dem hypothetischen Charakter will Pannenberg die Vorläufigkeit der (Wahrheits-)Erkenntnis zum Ausdruck bringen. Am Beispiel der Glaubensaussagen exemplifiziert er diesen Gedanken: „Der hypothetische Charakter der Glaubensaussagen selbst bringt die Vorläufigkeit der Glaubenserkenntnis gegenüber der Wahrheit, auf die sie sich bezieht und die in ihrer Endgültigkeit noch aussteht, zum Ausdruck.“339

Hypothesen indizieren, dass Wahrheit nicht einfach feststeht, sondern offen ist. Eine Prüfung ist darum ein entscheidendes Erfordernis (vgl. unten) 340. Behauptungen sind strukturell hypothetisch: Pannenberg konstatiert, dass „sowohl den Aussagen der Dogmatik als auch den Behauptungen der durch sie dargestellten christlichen Lehre wissenschaftstheoretisch der Status der Hypothese zugeschrieben wird“341.

335 W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 35. 336 Vgl. dazu Pannenbergs Ausführungen in: S.M. Daecke, H.N. Janowski, W. Pannenberg, G. Sauter, Theologie als Wissenschaft. Ein Gespräch, 71f. 337 So W. Pannenbergs Diskussionsbeitrag in: S.M. Daecke, H.N. Janowski, W. Pannenberg, G. Sauter, Theologie als Wissenschaft. Ein Gespräch, 113. 338 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 336. 339 W. Pannenberg in: S.M. Daecke, H.N. Janowski, W. Pannenberg, G. Sauter, Theologie als Wissenschaft. Ein Gespräch, 71. Siehe auch W. Pannenberg u. G. Sauter, Im Fegefeuer der Methode, 6. Dies entspricht einem Kerngedanken seiner Epistemologie, derzufolge „[w]ir […] die Wahrheit des Glaubens immer nur in vorläufiger Gestalt [haben], obwohl es dabei um die endgültige Wahrheit Gottes geht.“ (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 211. 340 So will Pannenberg „ihre Sätze als Hypothesen“ verstehen, „die auf geeignete Weise zu überprüfen sind und deren Wahrheit nicht im vorhinein schon feststehen kann.“ (W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 39). 341 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 66. Der hypothetischer Charakter theologischer Aussagen (und auch der Aussagen des Glaubens) tritt erstmals deutlich mit Erscheinen seiner ‚Wissenschaftstheorie und Theologie‘ hervor; der Hypothesenbegriff lässt sich jedoch schon in älteren Aufsatzbeiträgen nachweisen, wobei er dort nicht explizit auf theologische oder religiöse Aussagen bezogen wird. In dem Aufsatz Was ist eine dogmatische Aussage? etwa zeigt sich Pannenberg noch stark vom Denken seines Lehrers E. Schlink geprägt. Vgl. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, bes. 177ff.

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„In beiden Fällen handelt es sich um Sätze, die weder selbstevident sind, noch logisch notwendige Folgerungen aus selbstevidenten Sätzen darstellen.“342 „Jede Behauptung hat daher als solche schon die logische Struktur der Hypothese, wenngleich der sie als These Verfechtende sich nicht immer dieser Tatsache bewußt zu sein braucht.“343 „Der Charakter des Hypothetischen liegt schon in der logischen Struktur jeder Behauptung. Insofern eine Behauptung wahr oder falsch sein kann und noch nicht entschieden ist, ob das eine oder das andere der Fall ist, hat jede Behauptung den Charakter einer Hypothese über die Wirklichkeit.“344 „There is an element of hypothesis in the logical structure of every statement. Since a statement can be either true or false and, as long as it is not yet decided whether one or the other is the case, every statement functions as a hypothesis.“345 „Es [sc. Hypothesen] sind Behauptungen, die formal gesehen entweder falsch oder wahr sein können, bei denen daher sinnvoll gefragt werden kann, ob sie zutreffen, also wahr sind, und deren Wahrheit von Bedingungen abhängt, die nicht mit der Behauptung selber schon gegeben sind.“346

In der semantisch-ontologischen Relationalität, wie sie mit der aussagetheoretischen Wahrheit der Behauptung verbunden ist, ist eine Ebenendifferenz impliziert und intendiert – und zwar die zwischen der Behauptung und der ontologischen Ebene. Diese Ebenendifferenz ist ihrerseits „aber Bedingung dafür, daß solche Übereinstimmung nicht nur behauptet, sondern auch bezweifelt werden kann.“347 Wer eine Behauptung aufstellt (und so Wahrheit im korrespondentistischen Sinne beansprucht), zeige im Behauptungsakt – eben gerade weil er etwas behauptet, wie Pannenberg meint – „in der Regel“ an der genannten Differenz kein Interesse und sei sich der „hypothetische[n] Struktur“ nicht bewusst. Doch eben diese Struktur, „die oft erst auf der Ebene einer Reflexion“ erkannt werde (wie Pannenberg wiederholt geltend macht), bestehe und werde „thematisch, in erster Linie bei dem, der die Behauptung eines anderen hört oder liest und sich fragt, ob sie auch zutrifft.“348 Exakt diese, sich an der Möglichkeit der Kontrolle festmachende Interpretation der Hypothetizität von Behauptungen zeigt ihrerseits, dass Pannenbergs Verständnis der Behauptung als Hypothese maßgeblich geprägt ist von dem des Logischen Positivismus und auch des Kritischen Ra342 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 66. 343 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 334. 344 W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 31. Vgl. ferner die Ausführungen zur „Allgemeinheit der hypothetischen Struktur von Behauptungen“ in: W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 171. 345 W. Pannenberg, The Nature of a Theological Statement, 8. 346 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 66. 347 W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 171. 348 W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 171.

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tionalismus. Das hypothetische Strukturelement eröffnet die Möglichkeit einer (Über-)Prüfung/ Kontrolle und bewirkt damit, dass Behauptungen ernst genommen werden können: „[E]s gehört eben deshalb auch zur logischen Struktur von Behauptungen, daß der Hörer oder Leser die Frage aufwerfen kann, ob sie tatsächlich zutreffen, ob also ihr Anspruch auf Wahrheit zu Recht besteht. Gerade weil die Behauptung mit dem Anspruch auf Wahrheit verbunden und keine bloße Gemütsäußerung ist, kann gefragt werden, ob sie zutrifft oder nicht. Die Möglichkeit, daß die „These“ der Behauptung vom Hörer oder Leser (bzw. auf der Ebene der Reflexion) als allererst noch zu prüfende und allenfalls bis auf weiteres zu unterstellende, eben als „Hypothese“ behandelt werden kann, ist geradezu Bedingung dafür, daß eine Äußerung als Behauptung über einen von der Äußerung und dem sich äußernden Subjekt verschiedenen Sachverhalt ernst genommen werden kann.“349

In diesen Ausführungen verdeutlichen sich die fallibilistischen/falsifikatorischen Hintergründe seines Hypothesenbegriffs: Entgegen so manchem Missverständnis heißt das Beanspruchen von Wahrheit in Hypothesenform nicht die eigene Infragestellung des Behaupteten. Es heißt nur im Sinne des Fallibilismus die Möglichkeit des Irrtums nicht auszuschließen (als gäbe es unanzweifelbare Wahrheiten) und im Sinne des Falsifikationsimus die Wahrheitsfrage als offen anzuerkennen und ihre prinzipielle Überprüfbarkeit zuzulassen350. „Die Forderung nach Kontrollierbarkeit“ ist nicht nur möglich, sondern „unausweichlich“, weil – wie Pannenberg unter Bezugnahme auf das Scholz’sche Kontrollierbarkeitspostulat zu Recht zeigt –, sie die „in der logischen Struktur von Behauptungen impliziert[e]“ Kontrollierbarkeit nur explizit macht351. Der Forderung nach Kontrolle kann s.E. also nicht dadurch entgangen werden, dass auf „irgendwelche Versicherungen der Überlegenheit oder Nichtausweisbarkeit der göttlichen Wahrheit“ verwiesen wird352. Für Pannenberg sind solche Argumente nur Versuche, theologisches Reden vor Kritik zu immunisieren zu suchen, und mit der fatalen Konsequenz behaftet, dass solches Reden als „unsinnig“ er349 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 68. Zur Anknüpfung an den Behauptungsbegriff des Logischen Positivismus und auch des Kritischen Rationalismus siehe W. Pannenbergs Diskussionsbeitrag in: W. Oelmüller (Hg.), Wahrheitsansprüche der Religionen heute, 293. 350 A. Kreiner hat unter Bezugnahme auf Pannenbergs Ausführungen zum Thema die Nähe zum Falsifikationismus hingewiesen, insofern dieser für seine Fassung theologischer Aussagen als Hypothesen ebenso nicht von einer a priori feststehenden Wahrheit ausgehe und darum auch eine Überprüfung einfordere. Vgl. A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 553. Die sich darin bekundende Nähe zu Popper erklärt, weshalb Pannenberg gelegentlich als „critical rationalist“ (so beispielsweise von M.W. Worthing, Foundations and Functions of Theology as Universal Science, 312 Anm. 191) bezeichnet wird. 351 Vgl. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 334. Siehe auch W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 32. 352 W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 34.

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scheinen muss, „weil Behauptungen, die im Prinzip einer kritischen Rückfrage an ihren Wahrheitsanspruch verschlossen sind, eben gar keine Behauptungen sind und daher nicht mehr als Behauptungen ernst genommen werden können.“353 Mit der Interpretation der Behauptung als Hypothese ergibt sich, dass eine Behauptung „in jedem Falle zunächst einmal als eine von irgend jemandem mit Überzeugung aufgestellte Behauptung (eine Hypothese)“ ist, selbst wenn sie „zutreffen sollte“354. Pannenberg erkennt hierin eine „Relativierung des Wissens“, die er gleichsam konstruktiv „mit der Entdeckung der Geschichtlichkeit der Wahrheit verbunden und von daher positiv und nicht nur als Auflösungserscheinung gewürdigt“ wissen möchte355. „A statement that in principle cannot be checked would be no statement at all“, es wäre bedeutungslos, wie Pannenberg in dieser Hinsicht mit dem log. Positivismus übereinstimmt356. „Das Hypothetische des Wahrheitsanspruchs von Behauptungen tritt erst auf der Ebene der Reflexion (bzw. für den Hörer oder Leser) ins Bewußtsein, nicht für den Behauptenden selber, – jedenfalls dann nicht, wenn dieser nicht schon die möglicherweise skeptische Aufnahme seiner Behauptungen durch andere mitreflektiert. Im Akt des Behauptens wird zumeist ganz unreflektiert die Wahrheit des Behaupteten in Anspruch genommen. Erst der Hörer oder Leser unterscheidet zwischen der Behauptung und der Frage, ob sie auch wahr ist. Erst für ihn wird sie zur „bloßen Behauptung“, die noch zu prüfen wäre, wenn ihre Wahrheit nicht einfach „unterstellt“ wird.“357 „Doch damit wird der Behauptung nicht widersprochen, sondern ihre Wahrheitsintention ernst genommen.“358 „Erst auf der Ebene der Reflexion also fungiert die Behauptung als Hypothese. Das aber gehört zu ihrer logischen Form ebenso wie der assertorische Wahrheitsanspruch, der die Rückfrage allererst ermöglicht.“359 „[D]ie hypothetische Struktur von Behauptungen [kommt] häufig oder sogar in der Regel erst der Reflexion in den Blick“360.

353 W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 34. 354 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 250. 355 Siehe dazu ausführlicher W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 250. Die Begründung über die „Geschichtlichkeit der Wahrheit“ ist nicht zuletzt hier missverständlich, da er damit doch eher die Geschichtlichkeit der Wahrheitserkenntnis meinen dürfte. 356 W. Pannenberg, The Nature of a Theological Statement, 8. Für Scholz und Pannenberg gilt demnach die Kontrollierbarkeit als Implikation eines Behauptungssatzes. 357 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 68. 358 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 68f. Zur Wahrheitsintention der in Behauptungsform beanspruchten Wahrheit siehe auch exempl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 177. 359 W. Pannenberg, Die bleibende Relevanz der Erkenntnislehre des Kusaners, 161. Zum Assertorischen s. u. 360 W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 171.

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Der Hypothesenbegriff hat bei Pannenberg demnach eine kritische Funktion, bei der auch der Aspekt der Vorläufigkeit und auch Endlichkeit menschlichen Erkennens sich verdeutlicht, ohne dass dabei die Intention auf eine Inanspruchnahme von Wahrheit unterminiert werden soll. Analog versteht Pannenberg auch das Moment des Konjekturalen in jeder Behauptung, wobei der hypothetische Charakter mit dem Merkmal des Konjekturalen synonym zu sein scheint: „Ohne dieses Moment des Hypothetischen oder Konjekturalen könnte man gar keine Behauptungen aufstellen. Die sprachlichen Äußerungen wären dann nur Zustandsäußerungen des Redenden.“361

Wie der Hypothesenbegriff so soll auch der konjekturale Charakter von Behauptungen die Grenzen menschlicher Erkenntnis erahnen lassen: „Der konjekturale Charakter jeder Behauptung (affirmatio) impliziert also auch das Moment der Geschichtlichkeit der Wahrheitsansprüche und einen Zukunftsbezug auf mögliche und erhoffte Bestätigung hin.“362

3.4.2.4.3.7 Unfehlbare Behauptungen? Aus den obigen Schilderungen geht die Offenheit der Wahrheitsfrage hervor. Insofern ist klar, dass nach dem Dafürhalten von Pannenberg Behauptungen niemals mit dem Prädikat ‚unfehlbar‘ versehen werden können. Unfehlbare Behauptungen kann es Pannenberg zufolge auch gar nicht geben. Dies wird verschiedentlich begründet. Eine Begründung führt über die Struktur aussagetheoretischer Wahrheit: So kritisiert Pannenberg die römisch-katholische Ansicht, derzufolge „die der Gesamtkirche verheißene „Unfehlbarkeit“ […] auch solchen Lehraussagen in Fragen des Glaubens und der Lebensführung zukomme, die der römische Papst ausdrücklich in seiner Eigenschaft als Träger des die Gesamtkirche repräsentierenden Lehramts (ex cathedra) macht, und zwar so, daß solche Aussagen durch sich selbst (ex sese) und nicht erst aufgrund eines Zustimmungsaktes der durch irgendwelche anderen Instanzen repräsentierten Kirche unfehlbar und unabänderlich (irreformabiles) sind“363. Zunächst stellt Pannenberg heraus, dass sich seine Kritik nicht gegen die Vorstellung einer ‚ex sese-Wahrheit‘ richtet:

361 W. Pannenberg, Die bleibende Relevanz der Erkenntnislehre des Kusaners, 161. 362 W. Pannenberg, Die bleibende Relevanz der Erkenntnislehre des Kusaners, 161. Das Moment der Geschichtlichkeit von Wahrheitsansprüchen ist, wie Pannenberg feststellt, vom Kusaner nicht erörtert worden. Dieses Moment sieht Pannenberg jedoch auch nicht in Widerspruch zu dessen Konjekturenlehre (ebd.). 363 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 461f.

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„Problematisch an dieser Position ist nicht so sehr, daß Lehraussagen, wenn sie denn wahr sind, aus sich heraus (ex sese) wahr sind und ihre Wahrheit nicht erst einer Konsensbildung verdanken: Das gilt für jeden wahren Satz.“364

Im Gegenteil: Es ist der korrespondentistisch zu interpretierende ex sese-Charakter, der (auch) für Pannenberg entscheidend bleibt, gerade auch im Hinblick auf die Formulierung des I. Vatikanums (DS 3074): „Jede Wahrheit gilt, wenn sie denn wahr ist, aus sich heraus und nicht erst wegen des Konsenses irgendeiner Gemeinschaft“365. Denn „wenn eine Aussage wahr ist, dann ist sie es ‚ex sese‘, nicht nur ‚ex consensu‘“366. Damit ist zunächst deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die aussagetheoretische Korrespondenzwahrheit nicht durch die subjektive Seite erkennender Subjekte (und sei es durch einen universalen Konsensus der christlichen Kirchengemeinschaft) konstituiert wird, sondern ex sese, also durch ihr Zutreffen, das seinerseits vom Objektkorrelat, dem Wahrmacher, abhängt, konstituiert wird367. Und nur dadurch – so wird man sagen können – kann die Behauptung auch als ein Wahrheitsträger im geläufigen Sinn in Anspruch genommen werden.

364 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 462. 365 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 131. Vgl. auch W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 22. 366 W. Pannenbergs Diskussionsbeitrag, in: Papsttum als ökumenische Frage, 309. 367 Diese korrespondentistische ‚ex sese-Wahrheit‘ betrifft alle wahren Aussagen und darum auch Glaubensaussagen (vgl. dazu speziell etwa auch W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 377). Auch A. Kreiner deutet die Wendung, dass die päpstlichen Definitionen „ex sese, non autem ex consensu Ecclesiae“ m. E. zurecht wie Pannenberg so, dass die päpstlichen Definitionen in diesem Satz ihrerseits (also: ex sese) im korrespondenztheoretischen Sinne wahr sind. Der Konsensus konstituiert die Wahrheit also nicht, sondern rezipiert sie nur: Konkret: Die päpstlichen Definitionen sind „nicht aufgrund ihrer Konsensfähigkeit, aber auch nicht aufgrund ihrer päpstlichen Definiertheit wahr“, sondern werden vielmehr aufgrund der Annahme ihrer (korrespondentistischen) Wahrheit von Seiten des Papstes definiert. In Anm. 144 bezieht sich Kreiner auf P. Knauer, der gezeigt hat, dass das „aus sich“ (ex sese) sich nicht auf den Papst bezieht, sondern auf das Satzsubjekt (= die päpstlichen Definitionen). (A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 194). Das in der o.g. Formulierung sich bekundende korrespondentistische Moment scheint mir allerdings dann verloren zu gehen, wenn etwa mit Schwöbels Interpretation von DH 3074 gesagt wird, es gehe hierbei um einen „Ausschluß der Überprüfbarkeit durch eine höhere Instanz […], nicht jedoch um eine „Loslösung vom K[onsensus]“ des kollegialen Lehramtes der Bischöfe. (Chr. Schwöbel, Art. Konsens I. Fundamentaltheologisch, 1610). Wie bereits oben gezeigt, verortet Pannenberg sogar Wahrheit selbst zunächst und primär auf der ontologischen Ebene: Objektive Wahrheit ist stets der Konsensusbildung als Manifestation eines Prozesses der Wahrheitserkenntnis bzw. -vergewisserung oder -bewährung vorgegeben (Das gilt auch dort, wo Pannenberg die jedweder Konsensusbildung vorgegebene Wahrheit – anders als hier – nicht aussagetheoretisch fasst, sondern insbesondere als formal ontologische und speziell auch göttliche Wahrheit versteht, sodass dann eine eben ontologische bzw. göttliche Wahrheit dem urteilsbildenden Konsensus [wie im Übrigen auch jedwedem Antizipieren] logisch vorausgeht und auf diese Weise den Konsensus bzw. die Antizipation überhaupt erst

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Daneben verläuft Pannenbergs Kritik sog. unfehlbarer Behauptungen über den Behauptungsbegriff und die in ihm enthaltenen Strukturelemente: Es „gehört zur Logik jedes Behauptungssatzes, daß er entweder wahr oder falsch sein kann und darum zur Prüfung seines Wahrheitsanspruches herausfordert […]. Ein Satz kann daher nur dann als Behauptung ernst genommen werden, wenn er seiner Form nach die Frage zuläßt, ob er wahr ist oder nicht.“368

Pannenberg argumentiert also über den „entscheidenden sprachanalytischen Sachverhalt [kursiv: T. L.], daß es Behauptungssätze, bei denen man nicht mehr sinnvoll fragen kann, ob sie wahr oder falsch sind – also „a priori wahre Sätze“ – nicht gibt.“369 Damit theologische Aussagen als Behauptungen überhaupt erst ernst genommen werden könnten, dürfen sie – so Pannenberg – nicht „von vornherein der Diskussion entzogen werden“370. Bestimmte Aussagen könnten nicht von vornherein einfach als wahr deklariert werden – auch nicht innerhalb der Kirche. H. Küng habe zu Recht gesagt, „auch die Kirche könne nicht ‚solche Sätze. . . machen, die von vornherein gar nicht falsch sein können‘.“371 Für Pannenberg birgt die Vorstellung unfehlbarer Satzwahrheiten in sich also eine contradictio in adjecto. Auch an anderer Stelle argumentiert er sprachanalytisch, und zwar unter Berücksichtigung der linguistischen Arbeiten Ferdinand de Saussures; aber auch sprachanalytische Arbeiten zum Thema der Wahrheitstheorie zeigten dies ebenfalls372. Das Problem mit vermeintlich unfehlbaren Sätzen besteht laut Pannenberg darin, dass Sätze, die mit dem Anspruch auf Unfehlbarkeit formuliert sind, faktisch „den Sinn von Behauptungen“ erhielten. Doch: „Solche unfehlbaren Sätze sind aber ihrem Wesen nach keine Behauptungen.“373 Auch sie müssten – wie jede Behauptung – als prinzipiell kontrollierbar und in Hinblick auf ihren Wahrheitsanspruch befragbar sein. Denn eine Behauptung, die nicht auf Wahrheit befragt werden könne, gebe es nicht374.

368

369 370 371 372 373 374

ermöglicht oder begründet. Solche Überlegungen bekunden sich etwa in W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 458f). W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 462. In der sprachanalytischen Kritik unterscheidet sich Pannenbergs Erörterung der Frage der Möglichkeit unfehlbarer Sätze von derjenigen bei K. Rahner u. O. Semmelroth. Vgl. ebd. Pannenberg ist zudem der Meinung, bei H. Küng hätte (Pannenberg bezieht sich auf: H. Küng, Unfehlbar? Eine Anfrage, 142) „[d]ie Begründung für diese These […] allerdings stärker auf die Logik von Behauptungssätzen gestützt werden [sollen], als das in Küngs Ausführungen (128–132, auch 140) faktisch geschieht.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 462f Anm. 997). W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 462 Anm. 998. W. Pannenbergs Diskussionsbeitrag, in: Papsttum als ökumenische Frage, 309. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 462. Vgl. W. Pannenbergs Diskussionsbeitrag, in: Papsttum als ökumenische Frage, 246. W. Pannenbergs Diskussionsbeitrag, in: Papsttum als ökumenische Frage, 247. Vgl. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 462f.

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„Wenn sie [ = eine Behauptung] von vornherein mit dem Anspruch auf Unfehlbarkeit auftritt, ist sie nicht mehr überprüfbar; dann aber ist sie auch keine Behauptung mehr, das Wesen der Behauptung ist aufgehoben. Insofern gibt es so etwas wie unfehlbare Behauptungssätze nicht.“375

Diese von Pannenberg an dem Gedanken unfehlbarer Behauptungssätze vorgetragene Kritik, die letztlich auf der Erkenntnis der logischen Inkommensurabilität des Unfehlbarkeitsgedankens mit dem Begriff der Behauptungen beruht, trifft jedoch – wie Pannenberg selbst hervorhebt – „nicht notwendig die These des I. Vatikanum, die feierliche Lehraussagen „ex sese“ für unfehlbar hält.“376 In dieser kontrovers diskutierten These kann Pannenberg nämlich durchaus ein Wahrheitsmoment entdecken, sofern ein nicht-juridisches Verständnis dieser Formel zugrunde gelegt wird, wonach, wie sich oben bereits zeigte, die Wahrheit einer Aussage bereits als ex sese bestehend gedacht und also nicht erst als durch Konsensus konstituierte gedacht werde377. Diese (faktisch korrespondentistische) Interpretation der ex sese-Formel würde Pannenberg anerkennen. Solange jedoch die katholische Seite die These der Unfehlbarkeit solcher ex sese-Lehrformulierungen (=aussagen) weiterhin juristisch auffasst, kann Pannenberg nicht mitgehen378. Seiner Auffassung nach muss die Möglichkeit gegeben sein, Aussagen auf ihre Wahrheit zu befragen. Dieser Aspekt wird von Pannenberg in seiner „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ auf konstruktive Weise mit dem Gedanken (gesamt-)kirchlicher Rezeption der Lehre verbunden. Die Rezeption wird gedacht als Form der Urteilsbildung über die Wahrheit: „Auch päpstliche Lehraussagen können als Behauptungssätze nur ernst genommen werden, wenn sie einer Urteilsbildung über ihren Wahrheitsanspruch zugänglich sind, und ihr Anspruch auf Repräsentativität für die Gesamtkirche wird im Prozeß rezipierender Urteilsbildung [kursiv: T. L.] und Übernahme eingelöst, auch wenn die Verkündung solcher Lehraussagen für ihre kirchenrechtliche Geltung nicht der vorherigen Zustimmung anderer Instanzen bedarf.“379

375 W. Pannenbergs Diskussionsbeitrag, in: Papsttum als ökumenische Frage, 246. In diesem Punkt stimmt auch E. Jüngel mit Pannenberg überein: „Ich möchte nachdrücklich unterstreichen, was Herr Pannenberg sagte. Unfehlbare Sätze kann es nicht geben.“ (So E. Jüngels Diskussionsbeitrag, in: Papsttum als ökumenische Frage, 247). 376 Vgl. W. Pannenbergs Diskussionsbeitrag, in: Papsttum als ökumenische Frage, 309. 377 Vgl. W. Pannenbergs Diskussionsbeitrag, in: Papsttum als ökumenische Frage, 309. 378 Pannenberg kommentiert weiter: „Nur unter der Voraussetzung, daß diese absolutistischkirchenrechtlichen Tendenzen korrigiert werden können, ist es möglich, das im Text Gesagte zu rezipieren. Das gilt mehr und mehr ja selbst für die katholische Theologie.“ (W. Pannenbergs Diskussionsbeitrag, Papsttum als ökumenische Frage, 309). 379 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 463.

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Solche harmonisierende Verquickung von aussagetheoretischer Wahrheit mit der Frage nach Rezeption ist allerdings nicht unproblematisch, weil Rezeption an sich noch nichts über die ex sese-Wahrheit (oder Unwahrheit) des jeweils Rezipierten besagt380.

380 Siehe auch schon W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 22. Hier wäre eine klare Unterscheidung in der Fragestellung wünschenswert gewesen. Deutlich wird jedenfalls Pannenbergs Interesse, die Urteilsbildung über die Frage nach der Wahrheit von Behauptungen in den weiteren Zusammenhang einer (gesamtkirchlichen) Rezeption hineinzustellen, worauf alle Lehre angewiesen sei und wie es bereits im Urchristentum praktiziert worden sei (vgl. a. a. O., 462f; Pannenberg bezieht sich hier u. a. auf 1 Kor 15,1; vgl. a. a. O., 463). Pannenberg hebt einerseits die (grundsätzliche) Möglichkeit des Irrtums (beispielsweise von Konzilen) hervor (vgl. a. a. O., 461). Andererseits teilt Pannenberg die lutherische Position, dass „[d]ie Gesamtheit der Kirche jedoch […] auch nach Überzeugung der lutherischen Reformation nicht irren [könne] wegen der Verheißung Christi, daß niemand sie aus seiner Hand reißen wird (Joh 10, 28)“. (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 461: Pannenberg bezieht sich dort insbes. auf WA 18, 650, 3f. sowie – wie auch Luther darin schon – auf Mt 28,20; Röm 8,14; 1. Tim 3,15.) Dadurch scheint bei Pannenberg das Moment der Rezeption elementare Bedeutung für die Beurteilung der Frage nach der in Behauptungsgestalt gepackten Lehre und ihrer Wahrheit zu werden. Eben diese hier von Pannenberg vorgenommene, nicht weiter zu behandelnde enge Verquickung der Frage nach der Wahrheit von Behauptungen mit der Frage nach ihrer Rezeption sowie dem oben genannten Aspekt der Repräsentativität (vgl. 463ff) scheint mir jedoch grundsätzlich nicht ganz unproblematisch, weil Rezeption und Repräsentativität zwar u. U. probat und hilfreich sein können im Wahrheitsfindungsprozess, sie in ihrer veritativen Inanspruchnahme jedoch weder Wahrheit konstituieren noch verbürgen können. Die Wahrheit von Behauptungen, die auch für Pannenberg stets Korrespondenzwahrheit ist, hängt vom Objektkorrelat ab und damit davon, ob sie zutreffen oder nicht. Das ist das (in der Formel enthaltene) korrespondentistische Moment des ‚ex sese‘, das auch Pannenberg eigens akzeptiert hat. Die in der Formel (vgl. DH 3074) gegebene Autoritäts-Problematik bleibt weiterhin bestehen. Es ist einmal die Problematik, dass ein glaubwürdiger Rekurs auf Autoritäten heute nicht mehr so möglich scheint (vgl. dazu ähnlich auch M. Leiner, Methodischer Leitfaden Systematische Theologie und Religionsphilosophie, 58). Der Kern des Problems scheint mir jedoch darin zu liegen, dass sowohl die Hinweise auf den Konsensus als auch der auf Autorität suggeriert, (aussagetheoretische) Wahrheit könne von der Ebene des (behauptenden, insofern erkennenden) Subjektes – anstatt vom Objektkorrelat einer Erkenntnisrelation – her konstituiert werden. Während Pannenberg Unfehlbarkeitsansprüche generell für unberechtigt zu halten scheint, erkennt er doch andererseits die Unfehlbarkeit als Zeichen göttlicher Wahrheit an. Vgl. dazu folgenden Abschnitt: „Gerade die endgültige Wahrheit Gottes und seines künftigen Reiches kann unter den Bedingungen der Geschichtlichkeit nur in der Form der Vorläufigkeit in Erscheinung treten, in der Hinfälligkeit des irdischen Lebens Jesu Christi. Gerade so aber kann sie Gegenwart der einen, endgültigen Wahrheit Gottes sein, die durch Glauben Freiheit eröffnet. Gerade in der Übernahme ihrer Vorläufigkeit kann die Wahrheitsgewißheit des Glaubens Anteil an jener Unfehlbarkeit haben, die das Zeichen der göttlichen Wahrheit selbst ist, während jeder Anspruch auf eine aller Vorläufigkeit enthobene Unfehlbarkeit vom Fortgang der Geschichte des Irrtums überführt werden wird.“ (W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 42).

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3.4.2.4.3.8 Pannenbergs Hypothesen- und Behauptungsbegriff in der Kritik Pannenbergs Begriff der Hypothese ist wie auch der der Behauptung Gegenstand von Kritik gewesen. J. Fischer monierte, dass Pannenberg den Begriff der Hypothese eng an den der Behauptung gerückt habe und dadurch beide Begriffe zuweilen kongruent erschienen (s. o.), sodass er sich zu der Frage genötigt sah, ob bei Pannenberg „die Differenz zwischen Behauptung und Hypothese zu verwischen“ drohe381: „Pannenberg ist offenbar der Meinung, dass die ‚Form der Hypothese‘, also das, was eine Hypothese zur Hypothese macht, in der Differenz zwischen Äußerung und intendiertem Sachverhalt angelegt ist.“ (ebd.) Damit dürfte Fischer den Kern des Pannenberg’schen Hypothesenbegriffs angedeutet haben. Hypothetisch heißt, wie Pannenberg eigens formulierte, so viel wie „auf künftige Bewährung oder Korrektur hin angelegt“382 Denn als Wahrheitsträger fungiert die Hypothese wie alle übrigen Wahrheitsträger als das auf die ontologische Ebene (Objektkorrelat) gerichtete Subjektkorrelat und begründet damit die für den Wahrheitsbegriff charakteristische semantisch-ontologische Relationalität383. Der Wahrheitsgehalt von Hypothesen bleibt zunächst freilich offen – Hypothesen sind wahrheitsfähig, wie Chr. Glimpel zu Recht herausstellt384.

381 J. Fischer, Gott im Spannungsfeld zwischen Glaube und Wissen, 103. Die in Pannenbergs Denken (durchaus eigentümliche) Nähe von Behauptungs- und Hypothesenbegriff ist zuvor schon L.B. Puntel 1976 aufgefallen: „Gemeint ist dabei, daß jede Aussage als Behauptung einen Geltungsanspruch erhebt, den argumentativ einzulösen sie in der Lage zu sein voraussetzt. Dieser hypothetische Charakter ist daher keine Besonderheit theologischer Aussagen.“ (L.B. Puntel, Wissenschaftstheorie und Theologie. Zu Wolfhart Pannenbergs gleichnamigem Buch, 291). 382 W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 170. 383 Vgl. auch die ähnliche, m. E. ebenfalls zutreffende Einschätzung von Th. Freyer zu Pannenbergs Hypothesenbegriff: „Der Hypothesenbegriff dient nicht vornehmlich dazu, den Zusammenhang theologischer Aussagen in eine Theorie zu fassen, sondern hat vor allem die primäre Aufgabe, die Beziehung zwischen Glaubensaussage und Erfahrungswirklichkeit […] zu erhellen (in ihrer umfassenden Totalität und Gottbezogenheit).“ So Th. Freyer, Zeit – Kontinuität und Unterbrechung, 245. Siehe auch a. a. O., 244f Anm. 35. Zu Pannenbergs Hypothesenbegriff siehe auch die Bemerkungen von Hans-Martin Rieger, Theologie als Funktion der Kirche, 163f: „Nach Pannenberg betrifft er [sc. der Begriff der Hypothese] das Verhältnis von Glaubensaussagen zur Erfahrungswirklichkeit bzw. zur Geschichte“. Anders verhält es sich bei G. Sauter, der ebenfalls den Hypothesenbegriff verwendet: Dieser betrifft, wie Rieger zeigt, „auf der Ebene theologischer Theoriebildung die Reichweite theologischer Sätze, die das finite Reden von Gott bereits voraussetzen.“ (a. a. O., 164) Sauter kann so eine kritische Anknüpfung an K. Barths Theologie vornehmen, während Pannenbergs Ansatz „bekanntlich als Alternative“ dazu konzipiert ist (vgl. ebd.). Zu den wissenschaftstheoretischen Ansätzen von G. Sauter und W. Pannenberg siehe die Darstellung von H.-M. Rieger, Theologie als Funktion der Kirche. Eine systematisch-theologische Untersuchung zum Verhältnis von Theologie und Kirche in der Moderne, 163–180. Zum Unterschied beider Hypothesenbegriffe siehe auch H.N. Janowski, Wissenschaft von Gott und Religionskritik, 122. Zu den Differenzen im Hypothesenbegriff zwischen Pannenberg und G. Sauter siehe auch Sauters „Überlegungen zu einem weiteren Gesprächsgang über „Theologie und Wis-

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Nun hat Fischer aber zu Recht darauf hingewiesen, dass ein Verständnis der Hypothese, wie Pannenbergs Theologie es zu erkennen gibt, nicht (ganz) dem

senschaftstheorie“, 161–168) sowie W. Pannenbergs „Antwort auf G. Sauters Überlegungen“ (a. a. O., 168–181). 384 So auch Chr. Glimpel, Gottesgedanke und autonome Vernunft, 49: „Ein in die Form der Hypothese gekleideter Gehalt ist dadurch ausgezeichnet, daß ihm zwar noch nicht Wahrheit, wohl aber Wahrheitsfähigkeit“ zukomme. Unzutreffend ist jedoch die Behauptung Glimpels, der Ausdruck ‚Wahrheitsfähigkeit‘ finde sich bei Pannenberg nicht (ebd.). Vgl. dazu exemplarisch etwa W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd.I, 234: Dort scheint Pannenberg diesen Ausdruck semantisch-ontologisch bzw. aussagetheoretisch zu deuten. Chr. Glimpel hat Pannenbergs Handhabung des Hypothesenbegriffs einer Kritik unterzogen: Weil Hypothesen (z. B. Behauptungen etc.) der Wirklichkeit entsprechen können (→ dann seien sie wahr) oder eben auch nicht (→ dann seien sie falsch), sei für in Hypothesenform gefassten Gehalte charakteristisch, „daß sie vorkommen oder nicht vorkommen können, also nicht notwendig sind.“ (Chr. Glimpel, Gottesgedanke und autonome Vernunft, 50). Daraus folgert Glimpel weiter, dass Hypothesen somit „den Sinn von Kontingenz“ (a. a. O., 50) erfüllten, was sich bei Anwendung auf den Gottesgedanken nach der Meinung von Glimpel jedoch als problematisch erweist, sieht er doch den Gottesgedanken „durch seine Subsumtion unter den Sinn kontingenter Gehalte“ als „bereits verfehlt“ an (a. a. O., 50). Gott als die (Pannenberg zufolge) alles bestimmende Wirklichkeit werde durch den Hypothesenbegriff letztlich als ein Gehalt bestimmt, der sein oder nicht sein könnte, m.a.W. der Gehalt „bleibt eine entweder mit positivem oder negativem Vorzeichen versehene Positivität […] (a. a. O. 51). Pannenbergs Forderung nach einer eschatologischen Verfikation erscheint Glimpel demzufolge als eine Implikation des Hypothesenbegriffs (vgl. a. a. O., 52f). Für Glimpel steht fest: „Auch im Falle seiner Verifikation wird Pannenbergs „Gott“ dem Sinn von Kontingenz unterstellt bleiben, denn diese Unterstellung war die Voraussetzung seiner Verifizierbarkeit!“ (a. a. O., 53). Glimpel erklärt, Gott müsse „mindestens als den Sinn von Kontingenz bestimmende Instanz gedacht werden […], dann darf nicht denkbar sein, daß Gott auch nicht sein könnte“, weil dasjenige, was sein oder eben auch nicht sein könne, kontingent sei (a. a. O., 53). Glimpel merkt nun an, dass Pannenberg selbst den Begriff Gottes als ens necessarium gefasst hat, wonach Gott schlechthin ist und nicht nicht sein kann, da sein Dasein mit seinem Wesensbegriff untrennbar zusammenhängt (vgl. a. a. O., 53 Anm. 144; er bezieht sich auf W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 94 Anm. 56). Anders als Glimpel halte ich mit Pannenberg wenig davon, mit dieser alten, ontologischen Argumentation vom Begriff Gottes auf sein Dasein zu schließen, wie dies von Anselm v. Canterbury getan wurde und mit dessen Schritt das Denken Glimpels sympathisiert (vgl. a. a. O., 241). Der Rekurs auf Anselms unum argumentum zeigt dies, wobei es Glimpel mit der These, Gott könne nicht nicht sein, nicht darum geht, die Existenz Gottes zu beweisen, sondern (lediglich) darum, „die Verortung Gottes auf der Ebene der Seienden prinzipiell“ (a. a. O., 242) zurückzuweisen (vgl. ausführlicher auch 241ff). Spätestens seit Kant dürfte mehr als deutlich die Notwendigkeit eingesehen werden, dass zwischen einer Begriffsintension und seiner Extension andererseits zu unterscheiden ist, von Intension nicht auf Extension geschlossen werden darf. Auch wenn zum Begriff Gottes sein Dasein zählen darf, ist damit über die Existenz Gottes noch nichts gesagt. Wenig überzeugend ist auch das ‚Kontingenz-‘Argument. Selbst wenn Gott kontingent gedacht wird (was m. E. Pannenberg nicht getan hat und wie sich an seinem Verständnis Gottes als ens necessarium ja auch zeigt), wird Gott – sofern er existiert – in seinen Eigenschaften und seinem Dasein nicht durch menschliches Denken tangiert. Entweder ist Gott oder er ist eben nicht. Die Faktizität seiner Strittigkeit lässt sich nicht hinwegdisputieren oder -argumentieren. Außerdem heißt ein Zweifel an Gott nicht,

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gegenwärtigen, geläufigen Sprachgebrauch entspricht385, sodass mit Fischer durchaus gefragt werden kann, ob Pannenbergs weit gefasster Hypothesenbegriff „mit dem in der Wissenschaftstheorie geltenden Hypothesen-Begriff noch Wesentliches gemein hat.“386 Denn nach dem gegenwärtigen, geläufigen wissenschaftstheoretischen Sprachgebrauch sind Hypothesen nicht nur „gezielte Vermutungen“, sondern gleichsam so etwas wie „Wissen auf Widerruf“387. Hypothesen sind in der Tat zumeist dadurch charakterisiert, dass sie „Wahrheit unterstellen, ohne sich darauf festzulegen“388: „Als H. [Hypothese] wird nach dem gegenwärtig üblichen Sprachgebrauch ein Satz verwendet, wenn er als Prämisse einer Schlussfolgerung vorgebracht wird, ohne dass die Frage, ob er wahr oder falsch ist, diskutiert wird. Hypothesen haben daher den Status einer Annahme…, und die verschiedenen Annahmearten lassen sich auch bei Hypothesen unterscheiden.“389

Fischers Darstellung des geläufigen Sprachgebrauchs ist sicher zutreffend. Doch Fischer scheint zu übersehen, dass Pannenberg sich dieses von Fischer beschriebenen üblichen Sprachgebrauchs durchaus bewusst gewesen ist und in

385 386

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dass Gott in irgendeiner Form kontingent gedacht werde. Es ist sehr wohl möglich, Gott als ens necessarium zu verstehen, an seiner Existenz jedoch zu zweifeln. Mit Glimpel zu behaupten, dass Gott nicht nicht sein könne, dürfte unterm Strich darauf hinauslaufen, die Grenze zwischen Intension und Extension eines Begriffs zu ignorieren und das Sein Gottes schlicht vorauszusetzen. Das zeigt sich etwa darin, dass Glimpel an anderer Stelle sich ausdrücklich auf das von Pannenberg aufgegriffene Verständnis Gottes als ens necessarium bezieht (= in W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 94 Anm. 56), d.i. darauf, dass „Gott seinem Begriff nach „nicht der Möglichkeit unterliegt, auch nicht-sein zu können“ (ebd.), also „per definitionem nicht kontingent ist“, dann aber den (vor heutigem Problembewusstsein äußerst problematischen) Schluss daraus zieht, Gott dürfe „weder an sich noch für uns als ein solcher gedacht werden, der auch nicht sein könnte.“ (Chr. Glimpel, Gottesgedanke und autonome Vernunft, 61) Das Sein Gottes wird hier faktisch, wie Glimpel selbst anmerkt, „per definitionem“ eingeführt. Angesichts dieser Problematik dürfte Pannenbergs Programmatik in grundsätzlicher Hinsicht weiterhin wegweisend sein. Im wachen Bewusstsein der faktischen Strittigkeit Gottes kann es m. E. nur darum gehen, wissenschaftstheoretisch verantwortet den Gottesgedanken auf methodisch kontrollierbare Weise zu bewähren zu suchen (s. u.). So zu Recht J. Fischer, Gott im Spannungsfeld zwischen Glaube und Wissen, 102f. J. Fischer, Gott im Spannungsfeld zwischen Glaube und Wissen, 102. Unberührt von der Frage nach der Richtigkeit dieser Einschätzung bleibt freilich die Frage nach der Anschlussfähigkeit eines solchen ‚älteren‘ Hypothesenbegriffs an die neuere wissenschaftstheoretische Debatte, wie J. Fischer mit Recht fragt (vgl. a. a. O., 102f). So G. Sauter zum Hypothesenbegriff in den sog. ‚exakten Wissenschaften‘: G. Sauter, Hypothesen in der theologischen Ethik – erläutert an der Frage nach der Einheit der Kirche, 285. So J. Fischer (Gott im Spannungsfeld zwischen Glaube und Wissen, 103) im Anschluss an den u.g. Lexikonartikel von N. Rescher. So N. Rescher, Art. Hypothese, 1266.

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voller Absicht seinen Begriff von Hypothese aus dem Kontext der Analytischen Philosophie (R. Carnap, M. Schlick, A.J. Ayer, L. Wittgenstein) und des Kritischen Rationalismus (K.R. Popper, s. o.) entlehnte390. Pannenberg legte den besonderen Charakter seines Verständnisses der Hypothesen offen: „Die Behauptungen sind wahr, wenn ihre Bedingungen zutreffen. Solange Zweifel daran möglich sind, ist ihre Wahrheitsgeltung „hypothetisch“ im weiteren Sinne dieses Wortes [kursiv: T. L.].“391

3.4.2.4.3.9 Behauptungen mit Anspruch auf Historizität und Tatsächlichkeit Pannenberg wendet sich in seiner Theologie gegen den „moderne[n] theologische[n] Subjektivismus“ u. a. deshalb, weil dieser „nämlich die mit Behauptungen von Sachverhalten verbundenen Wahrheitsansprüche loszuwerden [sucht], auf die der theologisch unbelastete Leser der Bibel auf Schritt und Tritt“ stoße, so etwa in der Geschichtstheologie des Alten Testament und auch „erst recht im Christuskerygma des Neuen Testaments.“392 Die mit Behauptungen von historischen Fakten oder Tatsachen verbundenen Wahrheitsansprüche bilden einen unabdingbaren Bestandteil der biblischen Überlieferung, die Pannenberg ernst zu nehmen gewillt ist. Ein Vergleich der biblischen Erzählungen mit anderen Erzählungen soll dies deutlich machen: Während beispielsweise bei dem Märchen ‚Rotkäppchen und der Wolf‘ der Anspruch des Textes nicht darin bestehe, etwa behaupten zu wollen, „daß dieses junge Mädchen tatsächlich [kursiv: T. L.] 390 Harvey W. White (A critique of Pannenberg’s Theology and the Philosphy of Science, 420) stellte fest, dass „Pannenberg agrees with Popper’s general view of hypotheses“. Das ist partiell richtig. Bereits im Gespräch mit H. Krings 1984 legt er dar, er gebrauche den Hypothesenbegriff „im Anschluß an die analytische Philosophie einer bestimmten Richtung, etwa Ayer oder den Kritischen Rationalismus“ (So W. Pannenberg, in: W. Oelmüller (Hg.), Wahrheitsansprüche der Religionen heute, 292). Vgl. zu den o.g. Repräsentanten bes. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 67 Anm. 127: Hier legt Pannenberg offen, dass er mit einem ausgeweiteten Hypothesenbegriff arbeitet. Von diesem Hypothesenverständnis und nicht vom geläufigen Hypothesenbegriff, wonach, wie etwa im antiken Verständnis, mit Hypothesen Wahrheit unterstellt werde (mit Verweis auf N. Rescher; vgl. a. a. O., Anm. 127), ist Pannenbergs Begriff der Hypothese zu verstehen. Es handelt sich bei Pannenberg nicht, wie G. Sauter es offenkundig Pannenberg zuschreibt, um ein hermeneutisches Hypothesenverständnis, das Sauter von seinem sprachanalytischen Verständnis der Hypothese unterschieden sehen möchte (Gegen G. Sauter, Überlegungen zu einem weiteren Gesprächsgang über „Theologie und Wissenschaftstheorie“, 163). Pannenberg selbst hat diese Zuordnung zurückgewiesen, mit dem Argument, dass er mit seiner These der Hypothetizität von Behauptungen eine sprachanalytische These aufgreift, wenn auch eine solche These erst auf der Reflexionsebene und durch Interpretation bewusst wird und dadurch auch – das gesteht er ein – ein hermeneutisches Element impliziert. Vgl. W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 171. 391 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 67. 392 W. Pannenberg, Rationale Weltdeutung genügt nicht. Die Funktion des Mythos und der christliche Glaube, 510. Zum Thema siehe ausführlicher a. a. O., 509–514. Siehe alternativ auch W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 187ff.

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zu seiner Großmutter ging und vom Wolf gefressen wurde“393, seien (bestimmte) Aussagen der neutestamentlichen Überlieferung als auf die Geschichte bezogene (Tatsachen-)Behauptungen zu verstehen394. Es komme darauf an, „daß Jesus tatsächlich die Menschen dazu aufgerufen hat, alles andere der Herrschaft Gottes über ihr Leben unterzuordnen, so daß Gott schon gegenwärtige in ihrem Leben zur Herrschaft kommt und darin das Heil besteht und die Güte Gottes erkennbar wird. Es kommt alles darauf an, daß Jesus tatsächlich am Kreuz gestorben ist und daß er tatsächlich von den Toten auferweckt wurde.“395 Doch lässt sich – das ist bereits oben kritisch angefragt worden – diese Kognitivitätsthese in Bezug auf biblische Texte überhaupt und dann (auch?) noch pauschalisierend vertreten? Es ist sicher nicht nur für Pannenbergs Behauptungsbegriff kennzeichnend, dass mit ihnen der Anspruch auf Tatsächlichkeit und Historizität geltend gemacht werden kann; denn Historizität impliziert Tatsächlichkeit396, wie auch einige Beispiele im Denken Pannenbergs bezeugen: „Jede Behauptung, daß etwas geschehen sei, muß implizit Historizität beanspruchen.“397 „Jede Behauptung, die ein Ereignis als in der Vergangenheit tatsächlich geschehen behauptet, impliziert einen historischen Anspruch“398. „Die Behauptung, daß Jesus „auferstanden“ ist, daß also der tote Jesus von Nazareth zu einem neuen Leben gekommen ist, impliziert bereits den Anspruch auf Historizität.“399 „Es gibt keinen Rechtsgrund, die Auferweckung Jesu als ein wirklich geschehenes Ereignis zu behaupten, wenn sie nicht historisch als solches zu behaupten ist.“400 393 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 202. 394 Vgl. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 202f. 395 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 202. Vgl. zum Thema a. a. O., 203. Zu seiner Verwendung des Begriffs ‚Tatsachenbehauptung(en)‘ sowie auch zum Tatsachenbegriff siehe auch W. Pannenbergs Diskussionsbeitrag in: W. Oelmüller (Hg.), Wahrheitsansprüche der Religionen heute, 256. 396 G. Wenz ist darum auch zuzustimmen in der Einschätzung, dass Pannenbergs „Historizitätsbegriff […] im Großen und Ganzen mit der Wendung „tatsächlich stattgefunden“ (STh II, 404)“ koinzidiert. Siehe dazu G. Wenz, Wolfhart Pannenbergs Systematische Theologie, 184. 397 W. Pannenberg, Glaube, Vernunft und die Zukunft des Christentums. Ein Gespräch mit Wolfhart Pannenberg, 25. Hier ist speziell die Auferstehung Jesu als historisches Ereignis gemeint. Sein Interviewer, J. Sánchez de Murillo, hält dagegen die Auferstehung für eine „Tat-Sache des Glaubens, nicht der Historie.“ (vgl. a. a. O., 26). 398 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 403. 399 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 402. 400 W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 96. Die Historizität tritt also schon in seinen frühen Veröffentlichungen hervor. Vgl. dazu auch seine These der Historizität als grundlegendes Strukturelement dogmatischer Aussagen bereits in: W. Pannenberg, Was ist eine dogmatische Aussage?.

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„So ist der Satz, daß Jesus unter Pontius Pilatus gekreuzigt wurde, eine historische Behauptung, deren Wahrheitsanspruch nach den üblichen historischen Kriterien zu beurteilen ist. Die Behauptung, daß Jesus von den Toten auferstanden ist, ist insofern komplexer, als sie die Möglichkeit eines Geschehens von der Art einer Totenauferstehung voraussetzt. Daß aber Jesus als der Sohn Gottes bezeichnet wird, setzt sowohl seine Auferstehung von den Toten als auch die damit verbundene Bestätigung seines irdischen Auftretens voraus. Für alle diese Behauptungen also gilt, daß ihre Wahrheit von Bedingungen abhängt, die Gegenstand von Meinungsverschiedenheiten sein können und auch tatsächlich sind, Bedingungen, die bei allem, was die Gottessohnschaft Jesu betrifft, das Gesamtverständnis von Wirklichkeit überhaupt berühren.“401

Beanspruchte Tatsächlichkeit bedeutet für Pannenberg beanspruchte Historizität. Ob das als tatsächlich behauptete Geschehen „analog oder gleichartig mit sonst bekanntem Geschehen“ gilt, ist damit (in keiner Weise) ausgesagt oder entschieden402. Zwar spiele die Frage nach der Gleichartigkeit eines Geschehens mit anderen Ereignissen eine Rolle im Prozess der kritischen Urteilsbildung. Doch diese Frage sei „nicht Bedingung des mit der Behauptung verbundenen Wahrheitsanspruchs selber“ – sie tangiert also den mit der Behauptung verbundenen Wahrheitsanspruch nicht403. Allerdings kann die Faktizität des Behaupteten freilich nicht durch den Akt des Behauptens selbst begründet werden. Die Strittigkeit begründet die Möglichkeit über die behauptete Tatsächlichkeit zu streiten und sie einer Prüfung zu unterziehen: Da es sich um Behauptungen handelt, betont Pannenberg auch hier die Strittigkeit des jeweils Behaupteten. Die Bezeichnung ‚historisch‘ darf demnach nicht dahingehend missverstanden werden, als wolle Pannenberg – wie J. Moltmann fehlinterpretierte – mit diesem Prädikat historische Beweisbarkeit zum Ausdruck bringen oder der Theologie eine Beweislast aufbürden wollen (so die Interpretation W. Kaspers) 404. Kasper hat – wie Pannenberg zu Recht anmerkt – übersehen, dass es ihm vorrangig „um einen logischen Zusammenhang hinsichtlich der Behauptung der Tatsächlichkeit eines vergangenen Geschehens geht“, die Frage nach der Ent401 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 66f. 402 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 403. Vgl. dazu auch Pannenbergs Kritik an E. Troeltsch in: W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 46ff. 403 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 403. Präziser hätte Pannenberg hier formulieren können, dass nicht die Frage nach der Gleichartigkeit, sondern die Gleichartigkeit eines Geschehens nicht Bedingung für die Wahrheitsfähigkeit eines Ereignisses darstellt und darum auch keinerlei Einfluss auf den in einer Behauptung enthaltenen Wahrheitsanspruch hat. 404 So eine Fehlinterpretation J. Moltmanns (Der Weg Jesu Christi, 1987), 237. Vgl. zur Auseinandersetzung mit Moltmann und auch W. Kasper siehe W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 404.

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scheidbarkeit eines solchen Anspruches eine demgegenüber andere Frage darstelle405, wobei Pannenberg für das Aufstellen von Behauptungen stets vorauszusetzen scheint, dass sie mit Zuversicht auf ihre Wahrheitsfähigkeit hin formuliert werden: „Was ist schon historisch derart beweisbar, daß es über allen Zweifel erhaben wäre? Der Anspruch einer Tatsachenbehauptung auf Historizität impliziert lediglich [kursiv: T. L.] die Erwartung, daß der Inhalt dieser Behauptung historischer Prüfung standzuhalten vermag, unbeschadet unterschiedlicher und kontroverser Urteilsbildung.“406

Behauptungen, die einen historischen Anspruch exprimieren und so Tatsächlichkeit beanspruchen, hat Pannenberg in seiner Theologie Tatsachenbehauptungen407 genannt. Tatsachenbehauptungen – so das Urteil Pannenbergs – finden sich nicht nur schon in der biblischen Überlieferung, sondern seien bereits für das Volk Israel, aber eben auch für das Christentum von fundamentaler Bedeutung408 Die christlichen Kirchen und die Theologie könnten nicht einmal auf Tatsachenbehauptungen verzichten, erklärt er409. Ein Beispiel: „Das Bekenntnis zur Person Jesu als Herr, als Kyrios, wird schon bei Paulus (Röm 10,9) verbunden mit der Tatsachenbehauptung, daß Gott ihn von den Toten auferweckt hat. „Wenn du mit deinem Munde bekennst, Jesus ist der Herr, und in deinem Herzen glaubst, Gott hat ihn von den Toten auferweckt, so wirst du gerettet werden.“410

Pannenberg will verständlicherweise die Tatsachenbehauptungen strukturell nicht anders verstehen als Behauptungen im Allgemeinen, für deren theologische 405 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 404 Anm. 115. 406 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 404, Anm. 115. Es kann diesbezüglich gefragt werden, ob somit nicht alle Behauptungen letztlich historisch sind, insofern Behauptungen immer auf Tatsächlichkeit abzielen. 407 Zur Verwendung dieses Begriffs vgl. exemplarisch W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 405. 408 Vgl. dazu ausführlicher W. Pannenberg, Die Wahrheit Gottes in der Bibel und im christlichen Dogma, 274–276. Mit Blick auf das Volk Israel will Pannenberg dies mit einem exempl. Verweis auf Ex 20,2, also damit begründen, dass es von geschichtlicher Erfahrung hergekommen sei. 409 „Die Tatsache, daß es viele einzelne Christen und auch Theologen in den Kirchen gibt, die die Tatsachenbehauptungen des Paulus, die er mit dem Bekenntnis zu Jesus als Kyrios verbindet, nicht anerkennen, ändert nichts daran, daß die christlichen Kirchen nicht bestehen können, daß christliche Theologie nicht bestehen könnte, wenn auf diese Tatsachenbehauptungen verzichtet wird, einfach deshalb, weil dadurch die christlichen Kirchen, die christliche Theologie sich in einem fundamentalen und sozusagen offiziellen Widerspruch versetzen würde zu der doch zugleich als grundlegend angenommenen und beanspruchten Urkunde christlichen Glaubens.“ (W. Pannenberg, Die Wahrheit Gottes in der Bibel und im christlichen Dogma, 275f). Zu den Tatsachenbehauptungen siehe auch Pannenbergs Darlegungen a. a. O., 284. 410 W. Pannenberg, Die Wahrheit Gottes in der Bibel und im christlichen Dogma, 275.

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Relevanz er eingetreten ist (vgl. oben). Die Theologie formuliert keine strukturell anderen Aussagen als andere Wissenschaften – auch dann nicht, wenn die Auferstehung Christi behauptet wird411. Analog lehnt er Versuche ab, den Typus der Tatsachenbehauptung uminterpretieren oder etwa in Gestalt von Aussagen über Gott gar negieren zu wollen412. Strukturell stuft er solche Tatsachenbehauptungen als kognitiv (d. h nicht als performativ) ein; sie bedürften des Schutzes vor der Tendenz der modernen Wissenschaft, deren Bedeutung sie zu bagatellisieren versuche413. 411 Wie „revolutionär“ neu diese Position Pannenbergs im 20. Jahrhundert gewesen sein dürfte, veranschaulicht die folgende, freilich problematische Bemerkung des Philosophen W. Kamlah: „Der Satz, daß Christus lebt, von den Toten auferstanden ist, kann wiederum wahr oder falsch sein. Man kann ihn sogar „auffassen“ als als einen Satz, der etwas aussagt über . . ., nämlich über einen Sachverhalt. Die Theologie insistiert mit Recht darauf, daß eine solche versachlichende Auffassung dem Satz nicht gemäß wäre. Denn der Satz drück „Glaubensgewißheit“ aus, nicht aber neutrales Wissen.“ (W. Kamlah, Wissenschaft, Wahrheit, Existenz, 57). 412 Pannenberg wollte „den Begriff der Tatsachenbehauptung […] nicht in einem willkürlich verengten Sinne“ verwendet sehen. (W. Pannenberg, Die Wahrheit Gottes in der Bibel und im christlichen Dogma, 275) Er argumentierte folgendermaßen: „Rein logisch und sprachlich wird man dem Umstand, daß Gott hier als der Urheber der Tatsache der Auferstehung Jesu genannt wird, nicht ohne weiteres entnehmen können, hier handle es sich eigentlich nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern es scheine nur so, es liege nur die Form einer Tatsachenbehauptung vor. Man meint dann, eigentlich könne ein Satz, in dem Gott als Subjekt vorkommt, gar keine Tatsachenbehauptung sein. Reflexionen dieser Art sind natürlich nachträgliche Reflexionen, die die ‚Aufklärung‘ in einem ganz bestimmten Sinne des Wortes, nämlich im Sinne einer Reduktion des Wirklichkeitsverständnisses voraussetzen, als Einschränkung des Bereichs von Gegenständen, über die sinnvolle Tatsachenbehauptungen aufgestellt werden können. Aber dieses Wirklichkeitsverständnis darf man nicht in die Texte der biblischen Überlieferung zurücktragen.“ (ebd.). Hier zeigt sich einmal mehr, dass Pannenberg unter ‚Wirklichkeitsverständnis‘ nicht – wie gemeinhin üblich – eine bestimmte erkenntnistheoretische Position meint. 413 „Diese Situation enthält natürlich Schwierigkeiten im Kontext einer durch die moderne Wissenschaft geprägten Welt. Daher liegt es ja eben auch nahe, daß viele Christen und Theologen, die sich um die Vereinbarkeit der Überlieferung mit dem gegenwärtigen Bewußtsein bemühen, die Bedeutung gewisser Tatsachenbehauptungen für den christlichen zu bagatellisieren versuchen, weil man, wenn man das nicht tut, nicht daran vorbeikommt, in erhebliche Schwierigkeiten mit ‚dem‘ modernen Weltbild zu geraten.“ (W. Pannenberg, Die Wahrheit Gottes in der Bibel und im christlichen Dogma, 276) Es sei noch erwähnt, dass Pannenberg auch hier seine an J.L. Austin anschließende These wiederholt, dass performative Aussagen, deren Existenz und Relevanz er innerhalb der Theologie nicht bestreiten will (siehe dazu im Übrigen auch W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 376 Anm. 190), auf kognitive Aussagen angewiesen seien. Er schreibt: „Ich brauche hier nicht nicht einzugehen auf die Versuche, die Sprache des Glaubens auf den performativen Sinn von Sätzen zu beschränken. Performative Elemente spielen sicherlich eine Rolle, etwa in der Taufformel oder bei der Konsekration des Abendmahls im Gebrauch der Stiftungsformel Christi, aber auch im Glaubensvollzug, im Bekenntnis. Indem der einzelne Christ das Bekenntnis spricht, bekennt er sich, zweifellos ein performativer Vollzug. Aber im Unterschied zu manchem seiner Nachfolger hat schon Austin selbst gesagt, daß die Be-

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Mit Behauptungen Historizität und Tatsächlichkeit zu beanspruchen, ist an sich nichts Ungewöhnliches. Die Tatsache aber, dass Pannenberg explizit solche Behauptungen aufgestellt hat, demonstriert eindrücklich den an speziell diesen Behauptungen besonders gut nachvollziehbaren Rekurs auf die ontologische Ebene, wie er immer schon charakteristisch ist für realistische Wahrheitstheorien wie die der Korrespondenzwahrheit. 3.4.2.4.3.10 Belief-Sätze und Glaube als faith Über begriffsgeschichtliche Untersuchungen zum Glaubensbegriff kann Pannenberg in seinem Aufsatz „Wa h r h e i t , G e w i ß h e i t u n d G l a u b e “ (1978) Aspekte des Glaubensbegriffs thematisieren, die sehr erhellend sind für sein Verständnis der mit dem Glauben verbundenen und veritativ relevanten Artikulationsmöglichkeiten. Religiöser Glaube umfasst Pannenberg zufolge zwei Dimensionen, was anhand des englischen Sprachgebrauchs veranschaulicht werden soll: Beim Glauben als faith werde – so Pannenberg – „die Subjektivität auf den Inhalt geworfen“414, der Glaubende verlasse sich (wortwörtlich), indem er sich auf den geglaubten Inhalt verlasse415. Glaube in Form von belief artikuliere sich in Gestalt von Behauptungen, wobei es sich hierbei nicht um „reine Behauptungssätze“ handele, weil „der ausgedrückte Sachverhalt mit dem subjektiven Vollzug des „Ich glaube“ verknüpft“ sei, im Unterschied zu reinen Behauptungssätzen, bei welchen „der [behauptete] Inhalt doch eigentümlich relativ auf den subjektiven Vollzug des Glaubens“ bleibe416. Glaube in Form von Belief sei auf die Subjektivität des glaubenden Subjekts zurückbezogen und „die dadurch eingeführte Behauptung somit eingeschränkt“417; das Behauptete wird durch die Rückbindung an die Subjektivität als relativierter Gehalt thematisch418. Dadurch scheinen einerseits die sog. Belief-Sätze „dem bloßen Meinen näher[zu]stehen als dem Glauben im Sinne der Überzeugung“, und doch hat man es Pannenberg zufolge bei Belief-Sätzen zu tun „mit der in ihrer Subjektivität reflektierten Überzeugung, die sich selber als ein bloßes Glauben weiß“419.

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dingungen der Gültigkeit solcher performativen Vollzüge kognitive Voraussetzungen implizieren können. Das ist von Theologen, die sich die Theorie Austins aneigneten, weil sie meinten, damit apologetisch der Strittigkeit von Grundaussagen des christlichen Glaubens entgehen zu können, gerne übersehen worden.“ (W. Pannenberg, Die Wahrheit Gottes in der Bibel und im christlichen Dogma, 276). W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 236f. Diese Dimension des religiösen Glaubens ist von fundamentaler Bedeutung für Pannenbergs Glaubensverständnis, speziell für den darin elementaren Aspekt des Sichverlassens im Horizont der fiducia. Vgl. dazu exemplarisch W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 156–196. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 236. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 236. Vgl. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 237. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 237.

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Faith bezeichnet das fiduziale Moment in Pannenbergs Glaubensbegriff, „das Moment des vertrauenden Sichverlassens, weil ich ja mit dem, was ich für wahr halte, lebe.“420 Faith als Glaubensform zielt darauf, im Verhalten dem Glaubensinhalt zu entsprechen421. Belief meint dagegen die Artikulationsmöglichkeit des Glaubens in Behauptungsgestalt. Behauptungen antizipierten Wahrheit, und weil Behauptungen sich als falsch herausstellen können, enthalte „Glaube als Belief […] immer schon das Moment des Wagnisses, der Wette“422.

Dass Glaube sich „formal in Behauptungen […] ausspricht“, ist nach dem Dafürhalten Pannenbergs Bedingung dafür, „eines Gegenstandes ansichtig werden [sc. zu können], auf den er sich im Sinne von faith verlassen mag.“423 Alles in allem partizipieren somit nach dem Verständnis Pannenbergs auch die Akteure auf der Ebene des Glaubens an der in der Wissenschaft gängigen Praxis, sich bestimmter Wahrheitsträger (wie z. B. der Belief-Sätze als Behauptungen) zu bedienen, um mit solchen sprachlichen Mitteln das Außersprachliche thematisieren zu können. 3.4.2.4.3.11 Glaube, Behauptungen und Wissen Wie sehr Pannenberg in seiner Applikation von Wahrheitsträgern von der aussagetheoretischen Wahrheit her denkt, zeigt sich vielleicht auf eindrucksvollste Weise darin, dass Pannenberg nicht nur den Glauben als Belief, sondern sogar das Wissen von der Aussagestruktur auf dominante Weise konstiuiert sieht. Zur Verhältnisbestimmung der Behauptungen zu Glaube und Wissen geht Pannenberg zunächst von dem „einfachen Sachverhalt [aus], daß alles Wissen sich in Behauptungen darstellt.“424 Behauptungen seien selbst zunächst nichts weiter als Wahrheitsansprüche. Doch weil eine Prüfung der Behauptungen auf Wahrheit, nämlich darauf, ob die Behauptungen tatsächlich zutreffen und so das jeweils Beanspruchte als Wissen ausweisen könnten, „oft nur pragmatisch und vorläufig“ möglich seien, sieht Pannenberg die noch nicht abschließend geprüften 420 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 247. 421 So W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 247. 422 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 247. Von daher scheint es Pannenberg wohl auch sinnfällig, dass „[d]ie moderne, sprachanalytische Deutung von Glauben als Belief […] den Begriff des Wissens in den des Glaubens zurück[nimmt] im Hinblick auf die in jeder Behauptung enthaltene Antizipation von Wahrheit.“ (a. a. O., 246f). 423 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 246f. Siehe zum Thema auch a. a. O., 246– 248. Das Vertrauen als ein Sichverlassen hat bei Pannenberg selbst Wahrheitsbezug: Die Wahrheit dessen, worauf jemand sich verlässt, setze der Glaube voraus (W. Pannenberg, Das Glaubensbekenntnis, 14f). Der Glaubende hält das für wahr, worauf er sich verlässt (vgl. ebd.). Zum Glauben als einem Sichverlassen vgl. etwa exemplarisch (auch) W. Pannenberg, Thesen zur Theologie der Kirche, 26 (These 52). 424 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 246.

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Behauptungen in größerer Nähe zum Glauben als zum Wissen425: „Die Behauptung jedoch, deren Wahrheitsanspruch noch nicht endgültig entschieden ist, steht dem Glauben näher als dem Wissen.“426 Mit diesem Argument will Pannenberg im Anschluss an Augustin und Klemens von Alexandrien „den Begriff des Glaubens als umfassender im Vergleich zum Wissen beurteilt“ sehen und damit auch den Verselbständigungstendenzen des Wissens vom Glauben wehren; der Sprachanalytiker D.M. Armstrong habe auch an diesem Punkt angesetzt427. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen formuliert Pannenberg: „Auch Wissen setzt Glauben im Sinne von Belief schon voraus, nämlich in dem Wahrheitsanspruch, den jede Behauptung enthält. Wissen ist selbst nur ein Sonderfall solcher auf Wahrheit vorgreifenden Behauptung, nämlich der Fall, daß die Behauptung auch tatsächlich wahr ist, also zutrifft.“428

Durch diese Rückbindung sowohl des Glaubens- als auch des Wissensbegriffs auf die aussagetheoretische Ebene wird sogar das sog. Wissen zu thematisieren und zu prüfen sein auf dem Feld von Behauptungen, die als Wahrheitsträger die jeweils mit ihnen beanspruchte und jeweils epistemisch vorerst „fragile“ Wahrheit (aus-)tragen sollen.

3.4.2.4.3.12 Assertionen Den Begriff der Assertion hat Pannenberg im Unterschied zu dem der Hypothese weniger klar und deutlich bestimmt; entsprechende Bemerkungen zur assertorischen Rede sind spärlich429. All dies dürfte u. U. daran liegen, dass Pannenberg Glaubensaussagen, wie es die Assertionen sind, nicht als eine spezifisch pisteologische Sprachform behandelt, im Unterschied etwa zu seinem damaligen Kollegen und Gesprächspartner zur Wissenschaftstheorie G. Sauter, aber auch 425 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 246. Siehe auch folgende Bemerkung: „Andererseits sind Behauptungen als solche noch kein Wissen, obwohl ihr Wahrheitsanspruch in Argumentationszusammenhängen entfalten werden kann. Behauptung und Argumentation gehören zusammen.“ (a. a. O., 248). 426 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 246. 427 Pannenberg bezieht sich in W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 246 Anm. 52 auf David M. Armstrong, Belief, Truth and Knowledge, 139f. 428 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 246. 429 Wie wenig offensichtlich Pannenberg am assertorischen Reden interessiert ist, zeigt ein Vergleich mit der Einschätzung seines Fachkollegen G. Sauter, der – anders als Pannenberg – ausführlich darauf eingeht, während Pannenberg die Hypothetizität der Aussagen in den Fokus nimmt und im Ganzen den Schluss nahelegt, dass er wohl zur Frage nach dem assertorischen Charakter von Aussagen offensichtlich nichts Substanzielles beitragen möchte, ihm dies nicht als elementar erscheint. Vgl. die Diskussion in: S.M. Daecke, H.N. Janowski, W. Pannenberg, G. Sauter, Theologie als Wissenschaft. Ein Gespräch, bes. 70ff. Jedenfalls hat sich dies im Laufe der Jahre auch nicht geändert – auch in Auseinanderstezung mit E. Jüngel (s. u.) geht Pannenberg auf die klassische assertio kaum ein.

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im Gegensatz zu eher lutherisch geprägten Theologen430. Es verhält sich so, dass Assertionen für Pannenberg formal Behauptungen darstellen: „Unsere Assertionen sind feste Behauptungen“431.

Assertionen und Behauptungen kann Pannenberg scheinbar (auch) synonym verwenden432, weswegen sich Assertionen bei Pannenberg definitorisch wohl kaum von dem unterscheiden dürften, was gemeinhin unter Behauptungen verstanden wird: „Indem wir etwas behaupten, nehmen wir Wahrheit in Anspruch und schließen das Gegenteil geradezu aus.“433

Insofern wird man auch das Adjektiv assertorisch in seiner Verwendung bei Pannenberg mit ‚behauptend‘434 (so G. Schneider-Flume) wiedergeben können. Solche weitgehende Synonymität von Assertion und Behauptung, so sie von Pannenberg tatsächlich intendiert gewesen sein sollte, entspräche auch dem englischen Sprachgebrauch435. Wenig überzeugend scheint mir dagegen die 430 So versteht etwa G. Sauter das assertorische Reden als „eine spezifische Sprachform des Glaubens“; er sieht in der assertio mit M. Luther eine letztlich vom Hl. Geist stammende, auf Gott gerichtete Rede, die „den Zweifel an der Gegenwart Gottes überwunden“ habe und der überhaupt eine „zuversichtliche Gewißheit“ eigen sei. Vgl. dazu G. Sauter, Theologie als Beschreibung des Redens von Gott, 51. Siehe auch G. Sauter, Zugänge zur Dogmatik, 112ff. (dort ebenfalls zu den assertorischen Aussagen innerhalb theologischen Redens und seine These, dass theologische Aussagen Aussagen sui generis seien [insbes. a. a. O., 115]); zur Assertio s. auch die Studie von G. Bader, Assertio. Schon Luther sieht in der assertio die spezifische Gestalt und überhaupt angemessene Aussageform christlicher und theologischer Rede – kennzeichnend für sie ist das Moment des „Festmachens, positiven Aussagens, Bekennens, Bewahrens und unbeirrten Festhaltens“ (W. Dietz, Wahrheit-Gewißheit-Zweifel, 387). Zu Luthers Verständnis der assertio (im Unterschied zu demjenigen des Erasmus) s. auch die ausführliche Darstellung a. a. O., 372ff u. 386ff. Eine Rezeption der lutherischen Assertio dürfte sich für Pannenberg jedoch nicht angeboten haben, weil die von ihm in die Theologie eingeführte Hypothese funktional deutlich machen sollte, dass die Theologie als Wissenschaft gerade nicht anders als andere Wissenschaften Wahrheit beansprucht. 431 So Pannenberg. Siehe dazu J. Sánchez de Murillo, Glaube, Vernunft und die Zukunft des Christentums. Ein Gespräch mit Wolfhart Pannenberg, 20. Siehe zu dieser Definition schon W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 171. 432 Vgl. dazu die Formulierung, „[d]aß die Behauptung (assertio) [kursiv: T. L.] die behauptete Wahrheit schon in Anspruch nimmt“ (W. Pannenberg, Den Glauben an ihm selbs fassen und verstehen, 363f). 433 W. Pannenberg, Die bleibende Relevanz der Erkenntnislehre des Kusaners, 161. 434 Vgl. G. Schneider-Flume, Grundkurs Dogmatik, 52. Schneider-Flume bezieht sich auf den Beleg aus W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 70. 435 So findet sich etwa der Ausdruck „assertion“ in der englischsprachigen Ausgabe seiner Wissenschaftstheorie und Theologie (siehe W. Pannenberg, Theology and the Philosophy of Sciecne, 331), und darin eben im Sinne der Behauptung, die ihrer logischen Struktur Pannenberg zufolge eine Hypothese darstellt. Gleiches lässt sich in der englischen Sekundärliteratur nachweisen. Vgl. dazu exempl. E.F. Tupper, The Theology of Wofhart Pannenberg, 52 (auch dort zu Pannenbergs Verständnis der „assertions“ im Sinne kognitiver Aussagen).

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Übersetzung M. Leiners zu sein, wonach dieser Ausdruck bei Pannenberg mit „verlässliche Aussagen machend“ wiedergegeben werden könne436. M. E. kommt in der Rezeption des Assertorischen das Anliegen zum Ausdruck, Aussagen mit einem durchaus affirmativen Anliegen zu formulieren437. Man kann durchaus fragen, ob Pannenberg mit seinem Begriff der Assertionen – ebenfalls dem geläufigen Sprachgebrauch entsprechend – durchaus auch so etwas wie Feststellungen und Versicherungen meint438. Wichtiger dürfte sein, dass die Assertionen als Behauptungen konsequenterweise eben auch strukturell mit Hypothetizität (I) und Antizipativität (s. u.) (II) – nämlich den Strukturelementen, wie sie Pannenberg zufolge Behauptungen eignen – in Verbindung gebracht werden. Die Assertionen torpedieren Pannenberg zufolge auch nicht ihren hypothetischen Charakter. Vor dem Hintergrund der eigenen wissenschaftstheoretischen Untersuchungen erklärt er 1980, „daß gerade das Festhalten am assertorischen Reden des Glaubens, wenn es sich selber durchsichtig sein will, die Annahme der Einsicht verlangt, daß für die Reflexion die Thesen des Glaubens sich der Form nach als Hypothesen [kursiv: T. L.] darstellen müssen. Diese Behauptung meiner Arbeit zur Wissenschaftstheorie der Theologie ist törichterweise von manchen, die der Versuchung zu billiger Polemik nicht widerstehen konnten, als Verabschiedung des assertorischen Charakters theologischen Redens hingestellt worden. Dabei geht es doch gerade um die Bedingungen dafür, daß das assertorische Sprechen christlicher Theologie und Verkündigung in Freimut und Lauterkeit [kursiv: T. L.] stattfinden kann. Dieser seiner Bedingungen ansichtig zu werden, braucht das christliche Bewußtsein nicht zu scheuen. Sie zu verleugnen aber würde bedeuten, auch weiterhin den Preis des Dogmatismus oder einer zwar liebenswürdigeren, aber auch entsprechend unverbindlicheren Form des Subjektivismus entrichten zu müssen.“439

Im Gespräch mit seinem Kollegen G. Sauter und in seiner „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ stellt er sein Dogmatikverständnis vor, demzufolge die „Dogmatik als systematische Theologie […] sowohl assertorisch als auch hypothetisch“ verfahre440. Die Hypothetizität der Assertionen ist wesentlich – so seine (auch hier

436 M. Leiner, Methodischer Leitfaden Systematische Theologie und Religionsphilosophie, 50. 437 Pannenberg legt an anderer Stelle seine Absicht offen, den mit der christlichen Lehre verbundenen Wahrheitsanspruch als vorrangig affirmativ wahrzunehmen (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 59). Auch R.A. Klein sieht mit Pannenbergs Verständnis der Assertionen den Gedanken verbunden, dass „in ihnen [etwas] affirmativ über die Wirklichkeit behauptet wird“ (R.A. Klein, Wolfhart Pannenberg: Systematische Theologie I–III, 272). 438 Zum (philosophischen) Begriff des Assertorischen vgl. den entsprechenden Lexikonartikel in: A. Regenbogen (Hg.), Wörterbuch der philosophischen Begriffe. 439 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 12. 440 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 70.

Pannenberg und die modernen philosophischen Wahrheitstheorien

449

wiederkehrende) Begründung – für die Aufrechterhaltung ihrer Kognitivität, die zugleich auch die oben angesprochene Subjektivität überwindet: In seinem Verständnis der Assertionen vom Behauptungsbegriff her erklärt sich, warum Pannenberg auch für seine These ihrer Hypothetizität auf den Behauptungsbegriff rekurriert. Das gewichtigste Argument dafür – und damit auch für die Bestimmung des Charakters von Assertionen – ist eine sprachanalytische Einsicht: „Zwar meint ein verbreitetes Vorurteil, daß die festen Behauptungen (Assertionen) des Glaubens etwas ganz anderes seien, als bloße Hypothesen. Die Sprachanalyse zeigt jedoch, daß dem nicht so ist, Behauptungen vielmehr stets hypothetische Struktur besitzen und anders gar nicht bestehen können.“441

Für Pannenberg ist es eine fundamentale Feststellung, „daß Behauptungen nur dann als Behauptungen – nämlich als Aussagen über Sachverhalte, die von der Aussage selbst zu unterscheiden sind, – ernstgenommen werden können, wenn zumindest gefragt werden kann, ob sie zutreffen oder nicht. Das aber bedeutet, daß jeder Behauptungssatz seiner sprachlogischen Struktur nach als Hypothese zu verstehen ist.“442 „Daraus folgt, daß auch theologische Aussagen und sogar schon die vortheoretischen Aussagen des Glaubens als Hypothesen verstanden werden müssen, wenn sie als Behauptungen, als Assertionen [kursiv: T. L.], ernstgenommen und nicht nur als Ausdruck der Emotionalität des Redenden aufgefaßt werden sollen.“443 „Wenn die Aussagen des Glaubens auf der Ebene der Reflexion als hypothetisch behandelt werden, dann steht das also in keinem Widerspruch zu ihrem assertorischen Charakter. Er wäre beseitigt, wenn nicht mehr sinnvoll gefragt werden könnte, ob die Behauptung der Glaubensaussage zutrifft oder nicht. Dann nämlich würden Glaubensaussagen nur noch als subjektive Zustandsäußerungen ohne „kognitiven“ Wahrheitsanspruch behandelt.“444

441 442 443 444

W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 171. W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 170f. W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 171. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 68. Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen scheinen mir die Bemerkungen R.A. Kleins, wonach Glaubensüberzeugungen Pannenberg zufolge „‚an sich‘ noch kein Wahrheitsurteil, aber doch eine Wahrheitsintention erkennen lassen“ (R.A. Klein, Wolfhart Pannenberg: Systematische Theologie I–III, 272) nicht ganz glücklich. Gerade weil – wie oben gezeigt wurde – mit dem Sprachmodus der Aussage der Anspruch auf Wahrheit verbunden ist, erweisen sich mit Pannenberg konsequenterweise auch Glaubensaussagen als mit einem Wahrheitsanspruch verbunden. Insofern bliebe mir jedenfalls nicht nachvollziehbar, warum Glaubensaussagen von Pannenberg nicht mit einem Wahrheitsurteil verbunden gedacht würden, sondern lediglich mit einer ‚Wahrheitsintention‘. Entsprechendes sollte von Glaubensüberzeugungen gesagt werden können.

450

Wolfhart Pannenbergs Wahrheitskonzeption

Während E. Jüngel Zweifel anmeldete hinsichtlich der behaupteten Kommensurabilität beider Momente, verteidigt Pannenberg sich in seiner Replik mit dem Hinweis darauf, dass tatsächlich ein wechselseitiges Angewiesensein des Assertorischen und Hypothetischen annehmen zu sei: „Die für manche so irritierende, von Jüngel aber zutreffend wiedergegebene These (210), daß die Momente des Assertorischen und des Hypothetischen einander nicht ausschließen, sondern gegenseitig fordern (wobei die Interpretation der Behauptung als Hypothese allerdings im Normalfall einer anderen Reflexionsstufe angehört), bildet übrigens die formale Entsprechung zur Struktur des Offenbarungsgeschehens und auch des neutestamentlichen Offenbarungsverständnisses. Allerdings sind dort Gegenwart und Zukunft der Wahrheit auch ausdrücklich zu einer spannungsvollen Einheit verknüpft.“445

Wie Pannenberg genau die Vereinbarkeit des hypothetischen und assertorischen Charakters von Glaubensaussagen denkt, erschließt sich aus einer knappen Bemerkung in einer englischsprachigen Veröffentlichung. Dort heißt es deutlicher, dass die Hypothetizität die logische Struktur betrifft, das assertorische Moment dagegen auf die Art und Weise ihrer Äußerung bezogen ist: „In my opinion, the admission that religious and theological announcements are hypothetical in their logical form, though strongly assertive in their pronouncement, is a condition of being taken seriously with their truth claims [kursiv: T. L.].“446

Die erst auf der Ebene der Reflexion sich verdeutlichende Hypothetizität der Aussagen des Glaubens ermöglicht eine Auseinandersetzung mit der faktischen Strittigkeit sowohl dieser Aussagen als auch der Wirklichkeit Gottes, die sie behaupten. Die Reflexionsebene stellt also diejenige Ebene dar, auf welcher „die Strittigkeit der Glaubensaussagen wie auch der theologischen Sätze und der in ihnen behaupteten Wirklichkeit, an erster Stelle der Wirklichkeit Gottes selbst, mitbedacht werden kann und auch mitbedacht werden sollte, weil sie zur Wirklichkeit der Welt und der Geschichte gehört, die in der Dogmatik als die Welt Gottes – als die von Gott geschaffene, versöhnte und erlöste Welt – zur Darstellung kommen soll.“447 Die Assertionen des Glaubens haben wie auch die auf dem Wege der Reflexion gewonnenen theologischen Aussagen (als Behauptungen) ihren „letzten Maßstab“ in der Wahrheit Gottes448. Das allerdings änderts nichts daran, dass auch die Assertionen in der Theologie Pannenbergs die Gestalt von Hypothesen annehmen. 445 446 447 448

W. Pannenberg, Den Glauben an ihm selbs fassen und verstehen, 364. W. Pannenberg, Theology Examines Its Status and Methodology, 8. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 69. So mit Recht R.A. Klein: „Beide sind Behauptungen, die so rezipiert werden sollten, dass das, was in ihnen behauptet wird, in Differenz zur Wahrheit Gottes als ihrem letzten Maßstab tritt (vgl. STh I, 68–69).“ (R.A. Klein, Wolfhart Pannenberg: Systematische Theologie I–III, 272).

Pannenberg und die modernen philosophischen Wahrheitstheorien

3.4.2.4.3.13 Antizipationen

451

„It is no secret that the concept of anticipation lies at the heart of Pannenberg’s theological project.“449

Die Kategorie der Antizipation (Prolepse, Vorgriff) nimmt in Pannenbergs Theologie eine zentrale Rolle ein. Er misst ihr eine derart große Bedeutung bei, dass man hierin ein prägnantes Charakteristikum seiner Theologie erkennen kann450. In Bezug auf die Antizipation kann von einem ‚Schlüsselbegriff‘ gesprochen werden451, der in vielerlei Hinsicht für Pannenbergs Denken von elementarer Bedeutung ist452; besondere Bekanntheit genießt seine These von der proleptischen Offenbarung Gottes in Jesus Christus453. Relevant für Pannenbergs Auseinandersetzung mit der Wahrheitsthematik ist seine epistemologische (Grund-)Überzeugung, dass die Antizipation ein „fundamentales Strukturmoment […] des Erkennens“ – ja jedweden Erkennens – 449 Ph. Clayton, Anticipation and Theological Method, 122f. 450 Chr. Mostert notiert, „Pannenberg has given it an importance in systematic theology unparalleled by any other theologian.“ (Chr. Mostert, God and the Future, 113). D.P. Polk listet einige Theologen und „biblical scholars“ auf, in deren Werken die Kategorie der Antizipation ebenfalls aufgenommen worden ist. Siehe D.P. Polk, On the Way to God, 230, note 72. 451 E. Jüngel etwa hat zu Recht von einem „Schlüsselbegriff“ gesprochen, dem seit Erscheinen von Offenbarung als Geschichte „in christologischer, wissenschaftstheoretischer, anthropologischer und geschichtstheologischer Hinsicht […] fundamentale Bedeutung“ zukommt. (Vgl. E. Jüngel, Nihil divinitatis, ubi non fides, 207). Vgl. dazu auch Pannenbergs Hinweis, dass diese Einschätzung zutreffend ist (W. Pannenberg, Den Glauben an ihm selbs fassen und verstehen, 362). Zum Schlüsselbegriff s. auch M. Schulz, Zur Hegelkritik Wolfhart Pannenbergs und zur Kritik am „Antizipationsgedanken“ Pannenbergs im Sinne Hegels, 198f; s. ferner K. Vechtel (Trinität und Zukunft, 32). Über den Antizipationsbegriff in Pannenbergs Theologie und über seine Begriffsgeschichte (bis ca. 1984/85) informiert ausführlich L. Kugelmann, Antizipation. Eine begriffsgeschichtliche Untersuchung, bes. 52ff sowie passim – Pannenbergs Ausführungen zum Thema in Metaphysik und Gottesgedanke (1988) und in der Systematischen Theologie Bde. I–III (1988–1993) konnten bei Kugelmann noch keine Berücksichtigung finden. 452 Ph. Clayton nennt eine Reihe an Themenfeldern, die in Pannenbergs Theologie in besonderer Weise vom Gedanken der Antizipation abhängen: Neben seiner Wahrheitstheorie nennt Clayton „his theory […] of being, rationality, religion; his doctrine of God, the Trinity, Christ, the church, the eschaton; his views on revelation, resurrection, the kingdom of God, hope, the politics of Christianity; his solution to the problems of faith and reason, change in God, God’s relation to the world; his understanding of dogmatic assertions, theological method, apologetics, ecumenical dialogue; his philosophy of time, history, personhood, meaning, hermeneutics – the reader can extend the list at will.“ (Ph. Clayton, Anticipation and Theological Method, 128). 453 Die Kategorie der Antizipation wurde bereits in Offenbarung als Geschichte bedeutsam: „Der Ursprung der Pannenbergschen Antizipation liegt in der Antizipation des Endes der Geschichte in Jesus von Nazareth (cf. OaG 143).“ (P. Henke, Gewissheit vor dem Nichts, 122). Der Zusammenhang zum Offenbarungsverständnis ist für Pannenberg wesentlich: „Erst der Gedanke der Vorwegnahme des Endes erlaubt es nämlich, überhaupt von schon geschehener Offenbarung Gottes zu sprechen.“ (W. Pannenberg, Nachwort zur zweiten Auflage, in OaG, 143).

452

Wolfhart Pannenbergs Wahrheitskonzeption

darstellt454. Konkret bedeutet dies, dass alle hier behandelten, mehr oder weniger deutlich im Dienste der aussagetheoretischen (Korrespondenz-)Wahrheit stehenden Wahrheitsträger von Pannenberg als strukturell antizipatorisch aufgefasst werden. Auch wenn Antizipationen demnach keine eigenständigen Wahrheitsträger sind, erweist sich die Kategorie der Antizipation gerade auch im epistemischen Kontext der Wahrheitserkenntnis für Pannenberg als zentral455. Bereits eine Inanspruchnahme von Wahrheit vollzieht sich in der Form des Antizipierens: „Die gegenwärtige Inanspruchnahme einer Wahrheit [dort in Gestalt von Behauptungen; s. auch unten], die dennoch strittig bleibt, so daß man sich ihr bestenfalls „nähern“ kann, ließe sich als Antizipation beschreiben.“456

Weil sich „[i]nnerhalb einer geschichtlich offenen Wirklichkeit […] alle Erkenntnis als Vorgriff auf Wahrheit [vollzöge]“457, könne keinesfalls nur die Wahrheit Gottes im Besonderen als endgültige und eschatologische lediglich antizipativ erfasst werden458. Das Merkmal antizipativer Zugänglichkeit von Wahrheit gilt Pannenberg zufolge grundsätzlich für jedwede Wahrheitserkenntnis459, weshalb sich für ihn auch die Wahrheit des Glaubens(-inhaltes) als nur per „Wahrheitsantizipation“ erreichbar darstellt460. Mit seiner These der Antizipativität all unseres Erkennens und Denkens will Pannenberg die unspezifische Endlichkeit epistemischer Bemühungen hervorheben, wie sie auch schon in der Vorläufigkeitsthese in Bezug auf die (Wahrheits-)Erkenntnis zu Tage getreten ist461. 454 W. Pannenberg, Stellungnahme zur Diskussion, 331f. 455 A. Gläßer bezeichnet den Gedanken der Antizipation durchaus treffend als „Schlüsselbegriff zur Wahrheit der Dinge“ (A. Gläßer, Verweigerte Partnerschaft?, 81 [siehe die Überschrift]), wobei differenzierter betrachtet von Pannenberg nicht nur solche ontologische Wahrheit als antizipierbar aufgefasst wird. Man beachte diesbezüglich auch seine Kritik an E. Troeltsch, nichts von der Wahrheitsantizipation gewusst zu haben: Vgl. W. Pannenberg, A Theological Conversation with Wolfhart Pannenberg, 295. 456 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 43. Pannenberg bemerkt, dass „Popper selbst […] den antizipativen Charakter von Hypothesen hervorgehoben“ hat [Pannenberg verweist auf K.R. Popper, Conjectures and Refutations, 13f] und „für ihn alle Erkenntnis hypothetisch“ sei. Pannenberg meint nun mit Bezug auf Popper, es hätte „nahegelegen, diesen Strukturbezug auch im Bereich des Wahrheitsproblems zu verfolgen.“ (a. a. O., 44). Dazu ist präzisierend anzumerken, dass dies allenfalls für die Problematik der Wahrheitserkenntnis gesagt werden kann. Für die definitorische Wahrheitsfrage trägt die These nichts aus; sie darf nicht mit (streng) epistemischen Fragen (worum es Popper in dem von Pannenberg geschilderten Zusammenhang gegangen ist) unzulässigerweise vermengt werden. 457 K. Vechtel, Trinität und Zukunft, 31. Siehe dazu ausführlicher a. a. O., 31ff. 458 Siehe exempl. W. Pannenberg, Mythos und Dogma im Weihnachtsfest, 62. 459 Vgl. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 43f. 460 So etwa in: W. Pannenberg, Beiträge zur systematischen Theologie Bd. I, 83. 461 So auch schon die Einschätzung von L. Kugelmann zur Funktion der Antizipation bei

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453

Pannenberg ist der festen Überzeugung, dass wir erst vom Standpunkt des Endes der Geschichte, also von ihrer Ganzheit her, die (wahre, d. h. inhärente) Bedeutung jedes einzelnen Teils erfassen könnten, diese darum gegenwärtig nur antizipieren – d. h. im Vorgreifen auf die ‚letzte Zukunft‘ – könnten462. Behauptungssätze sind Antizipationen der Wahrheit – in ihnen artikulieren sich Wahrheitsansprüche463. „Antizipatorischen Charakter haben die in diesem Horizont gebildeten Begriffe sowie auch der Behauptungssatz, der – wie J.B. Lotz mit Recht gesagt hat – auf Wahrheit schlechthin und damit auch auf Sein vorgreift.“464 Behauptungen sind antizipatorisch und hypothetisch465. Pannenberg ist überzeugt: „Behauptungen beruhen auf Antizipation.“466 Denn für alle solche Vorgriffe auf die Totalität der Wirklichkeit ist zu beachten, dass der Erfahrungsund (damit auch der) Erkenntnisprozess in der noch unvollendeten Geschichte wei-

462

463 464 465 466

Pannenberg. Siehe L. Kugelmann, Antizipation. Eine begriffsgeschichtliche Untersuchung, 276. Kugelmann sieht u. a. die von Pannenberg bei Paulus vorgefundene Spannung zwischen schon jetzt und noch nicht im (übrigens: unbiblischen) Antizipationsbegriff zum Ausdruck gebracht. (vgl. a. a. O., 275ff). Damit ist ein Aspekt der theologischen Relevanz der Antizipation, der Kugelmann a. a. O. breitere Aufmerksamkeit schenkt, treffend benannt – zumindest – so wird man ergänzen dürfen – für Pannenbergs Theologie. Siehe dazu ausführlich bes. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, bes. 249f: Prägend für Pannenberg waren hermeneutische Überlegungen W. Diltheys aus dessen Gesammelten Schriften VII, auf die er zur Illustration und zur Apologie der Kategorie der Antizipation gerne zurückgreift. Pannenberg formuliert: „Jedes einzelne Erlebnis hat nämlich seine Bedeutung nur im Zusammenhang des Lebensganzen: das gilt für das Individuum ebenso wie für ein Volk oder die Menschheit. Ein Bedeutungsganzes läßt sich aber anscheinend nur nach rückwärts überblicken (VII, 74) und also immer nur vorläufig, weil die Geschichte nie schon abgeschlossen ist.“ Dilthey sagt einmal: ‚Man müßte das Ende des Lebenslaufes abwarten und könnte in der Todesstunde erst das Ganze überschauen, von dem aus die Beziehung seiner Teile feststellbar wäre. Man müßte das Ende der Geschichte erst abwarten, um für die Bestimmung ihrer Bedeutung das vollständige Material zu besitzen“ (VII 233). Dilthey hat aus dieser Einsicht – da ja niemand am Ende der Geschichte steht – die resignierte Konsequenz der Relativität aller behaupteten Bedeutung gezogen.“ (a. a. O., 249). Für Pannenberg ist im Unterschied zu Dilthey eine weitere daraus zu ziehende Konsequenz entscheidend, und zwar die, dass jede Bedeutung, die behauptet wird, „auf einem Vorgriff, auf einer Antizipation jener letzten Zukunft“ (ebd.) beruht. Siehe zu allem auch W. Pannenberg, Theologie und Philosophie, 311; W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 162; W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 72ff sowie W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 498; W. Pannenberg, Stellungnahme zur Diskussion, 309f; siehe schließlich auch folgendes Interview: W. Pannenberg, Glaube, Vernunft und die Zukunft des Christentums, 21. Vgl. insbes. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 220f u. auch schon a. a. O., 43f. W. Pannenberg, Metaphysik und Gottesgedanke, 75. Siehe dazu ausführlicher schon in: W. Pannenberg, Metaphysik und Gottesgedanke, 68f. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 64.

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Wolfhart Pannenbergs Wahrheitskonzeption

tergeht, bisheriges Wissen bis zur eschatologischen Offenbarung Gottes – mit Paulus gesprochen – ‚Stückwerk‘ bleibt (1 Kor 13,12) 467.

3.4.2.4.3.14 Exkurs: Gewissheit, Evidenz und Wahrheit Weil Pannenberg selbst die Gewissheitsfrage im Umfeld seiner Erörterungen über die Funktion und die Verwendungsweise des aussagetheoretischen bzw. korrespondentistischen Wahrheitstyps behandelt hat, bietet sich die Gelegenheit eines Seitenblickes. Die Gewissheitsfrage war für Pannenberg lange Zeit keine ihn besonders umtreibende Frage. Das lässt sich zeigen anhand der Kontroverse um Pannenbergs Hypothesenbegriff im Umfeld der damaligen Diskussionen um die Wissenschaftlichkeit der Theologie468. S.M. Daecke hat im Gespräch mit Pannenberg auf den Umstand hingewiesen, dass der Gebrauch des Hypothesenbegriffs bei Pannenberg „nun vielen Theologen zumindest ungewohnt [erscheine], denn die Hypothese steht ja in Gegensatz zur Gewißheit, mit der Glaubensaussagen gemacht werden, und entsprechend zu dem assertorischen Charakter theologischer Aussagen.“469 Pannenberg bestätigt die Richtigkeit der von Daecke gemachten Beobachtung und legt dar, dass es seiner Meinung nach die Theologie „mit Problemen im Hinblick auf eine angebbare Thematik zu tun“ habe, „nicht aber mit Gewißheiten, die sie zu produzieren hätte.“470 Die Gewissheitsthematik wird im Umfeld seiner zentral um die Wahrheitsfrage kreisenden wissenschaftstheoretischen Beiträge, insbesondere in der „Wi s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d T h e o l o g i e “, nicht erörtert471. Das dürfte zum einen dem Einfluss Popper‘schen Denkens geschuldet sein; dessen forcierte Separation von Wahrheits- und Gewissheitsthematik wird gegenwärtig, aber mit noch größerer Entschiedenheit innerhalb der Theologie von A. Kreiner verteidigt.472 467 Vgl. dazu ausführlicher W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 65. Zur Antizipation und denen in der Endlichkeit menschlichen Erkennens gründenden Grenzen siehe exemplarisch auch W. Pannenberg, Vom Nutzen der Eschatologie für die christliche Theologie. Eine Antwort, 90. 468 Das belegt nicht zuletzt auch das Gespräch zwischen W. Pannenberg, G. Sauter, S.M. Daecke und H.N. Janowski. Vgl. diesbezüglich etwa die Nachbemerkung von H.N. Janowski, Wissenschaft von Gott und Religionskritik, 121. 469 So S.M. Daecke in: S.M. Daecke, H.N. Janowski, W. Pannenberg, G. Sauter, Theologie als Wissenschaft. Ein Gespräch, 70f. 470 So W. Pannenberg in: S.M. Daecke, H.N. Janowski, W. Pannenberg, G. Sauter, Theologie als Wissenschaft. Ein Gespräch, 71. 471 Im Sachregister seiner „Wi s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d T h e o l o g i e “ ist der Begriff ‚Gewissheit‘ nicht aufgeführt. Den Hinweis verdanke ich W. Dietz. 472 Zu A. Kreiners starken Sympathien für Poppers und so zugleich auch für Pannenbergs Hypothesenbegriff siehe A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 553 sowie insbesondere a. a. O., 160: „Das aus der Trennung von Wahrheit und Gewißheit resultierende Verständnis von Glaubensaussagen als Hypothesen hat W. Pannenberg im Anschluß an seine Auseinandersetzung mit Poppers Methodologie überzeugend dargelegt“. Kreiner bezieht sich auf W.

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Pannenbergs Reserven gegenüber einem selbstbewussten Geltendmachen von (Glaubens-)Gewissheit rühren – ungeachtet des Einflusses des kritischen Rationalismus Poppers – auch daher, dass diese gegenwärtig noch anzutreffende Form der Gewissheit von einem bestimmten Verständnis der Gegebenheit des Glaubensinhaltes durch Autorität herrührt, das Pannenberg zutiefst ablehnt473. Pannenberg meint, „daß nicht nur die Theologie, sondern auch das SelbstverPannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 336–348. In seiner Interpretation theologischer Aussagen als Hypothesen sieht er im „Falsifikationismus einen Ausweg aus dem Dilemma […] zwischen verifikationistischem Rationalismus und subjektivistischem Irrationalismus“ (a. a. O., 553). Aber auch die Separation der Wahrheits- von der Gewissheitsthematik, wie sie durch den Gebrauch des Hypothesenbegriffs vorangetrieben wird, ist ein gemeinsames Interesse von Pannenberg und Kreiner, wobei Letzterer noch sehr viel energischer für eine Separation beider Thematiken eintritt. Gemeinsam ist beiden eine Nähe zu K.R. Popper, die insbesondere darin besteht, das Offenhalten der Wahrheitsfrage zu betonen, jede Erkenntnis und jede Aussage als lediglich hypothetisch und damit auch als fallibel anzusehen. Zum Einfluss Poppers schon auf Pannenbergs frühe Theologie sichte man das 9. Kapitel („Wissenschaft, Metaphysik und Theologie“) in seiner Vorlesung „Theologie der Vernunft“, worin deutlich wird, dass Pannenbergs Auseinandersetzung mit Popper wesentlich zur Einführung des Hypothesenbegriffs beitrug (Siehe W. Greive, Wolfhart Pannenbergs „Theologie der Vernunft“. Eine Skizze, 124). Zur mit dem Hypothesenbegriff einhergehenden Abschwächung von ‚Gewissheit‘ siehe folgende Bemerkungen Pannenbergs zur Eschatologie: „Die Behauptung eines künftigen Endes der Welt auf Grund der Sinnstruktur der geschichtlichen Erfahrung – sofern sie die Totalität eines zeitlichen, jetzt noch unabgeschlossenen Prozesses zu fordern scheint, hat also nicht die Gewißheit einer ‚notwendigen‘ (z. B. logischen oder mathematischen Wahrheit) Wahrheit, sondern ist eine im Sinne Popper [sic] prinzipiell entkräftbare Hypothese, die mir unter Abwägung der gegenwärtig zugänglichen Daten bis auf weiteres plausibel erscheint. Eine Gewißheit anderer Art läßt sich aber bei Fragen dieser Art auch schwerlich erreichen“ (W. P., 16. 12. 1968).“ (W. Pannenberg, Nachwort von Wolfhart Pannenberg, in: I. Berten, Geschichte-OffenbarungGlaube, 133). Später rückt Pannenberg mit seinem Aufsatz Wahrheit, Gewissheit und Glaube (1978) die Themenstellungen mitsamt dem Glaubensbegriff näher zusammen. Es ist sicher darum in gewisser Hinsicht die These R. Barths richtig, „daß auch Wolfhart Pannenberg den Gewißheitsaspekt in seine wahrheitstheoretische Grundlegung der Dogmatik integriert hat.“ (R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 382 Anm. 42). Barth weist auch zurecht darauf hin, dass Pannenberg „einerseits – analog zu seinem Wahrheitsverständnis – Gewißheit im Anschluß an H. Newman als ein Reflexionsphänomen [kursiv: T. L.] zu rekonstruieren sucht und so gerade den hypothetischen Charakter betont“ und „sich andererseits genötigt [sieht], religiöse Gewißheit auf das Gewissen zurückzuführen, welches er im Anschluß an Ebeling als das ‚ursprüngliche Gewahrsein des Ganzen im Selbstbewußtsein‘ (W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 263) und somit als ein vorreflexives Bewußtsein [kursiv: T. L.] versteht.“ (Vgl. R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 382f Anm. 42). Die richtige Beobachtung Barths, dass die Betonung des hypothetischen Charakters im Verständnis der Gewissheit als eines Reflexionsphänomens „doch zumindest dem Bewußtseinsphänomen ‚Gewißheit‘ gänzlich widerspricht“ (a. a. O., 383 Anm. 42), unterstreicht einmal mehr eine gewisse sachliche Nähe zu Popper und H. Albert, insofern die behauptete Hypothetizität von Gewissheit ihre Fallibilität im kritisch-rationalistischen Sinn herausstellt. 473 Vgl. Pannenbergs Erwägungen in: S.M. Daecke, H.N. Janowski, W. Pannenberg, G. Sauter, Theologie als Wissenschaft. Ein Gespräch, 71.

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ständnis des christlichen Glaubens an dieser Stelle in tiefgreifender Weise umzulernen hat.“474 Das Problem habe folgende Gestalt: Nach dem erwähnten Verständnis von der Gegebenheitsweise des Glaubensinhaltes „ist der Glaubensinhalt durch eine Autorität, die die Autorität Gottes selbst vertritt, gegeben, und das ermöglicht bei demjenigen, der von dieser Autorität den Inhalt, den sie vermittelt, empfängt, eine unbedingte Gewißheit. Diese Begründung von Gewißheit im Glaubensverständnis und im theologischen Reden ist uns in der heutigen Problemlage, wie mir scheint, abhanden gekommen oder jedenfalls aporetisch geworden.“475 Anders lesen wir es in späteren Publikationen. Erstaunlicherweise verbindet Pannenberg die Frage nach der Wahrheit von Wahrheitsträgern wie bspw. der der Behauptungen fast schon auf „versöhnliche“ Weise mit derjenigen nach Gewissheit. Wahrheitsgewissheit denkt Pannenberg als in den Behauptungen enthalten476! Das wirkt sich auf die Gewissheit unmittelbar aus, und zwar relativierend. Wie die Behauptungen gilt sie ihm als strukturell antizipatorisch; ihren Gehalt wie den der Behauptungen bestimmt er ebenso als vorläufig: „Durch einen Vorgriff auf das Ganze des Lebens- und Weltzusammenhangs ist auch die Wahrheitsgewißheit jedes einzelnen Behauptungssatzes oder Urteilsaktes bedingt, den wir vollziehen. Denn dabei wird die Bestätigung unserer Behauptung unterstellt, und jede Einzelwahrheit steht unter der Bedingung der Übereinstimmung mit allem andern Wahren. Darum ist die Wahrheit letztlich nur eine einzige, so sehr sie in Einzelwahrheiten und durch deren Zusammenhänge in Erscheinung tritt. Die Gewißheit des Urteils ist darum immer nur vorläufig und antizipativ, angewiesen auf Bewährung im weiteren Gang der Erfahrung und dabei immer noch der Gefahr ausgesetzt, ausgehöhlt und als nichtig erwiesen zu werden.“477

Die Glaubensgewissheit als Gottesgewissheit zeige entsprechend diesen „antizipatorischen Charakter“478. Daraus resultiert die Möglichkeit der Anfechtung der Gewissheit der Wahrheit. Pannenberg sieht sie dadurch als gegeben an, dass der menschliche Erfahrungs- und Erkenntnisprozess stetig fortschreitet, sodass Korrekturen (nicht nur) im Hinblick auf Glaubensaussagen und theologischen Aussagen u. U. erforderlich werden479. Schlussendlich gelangt Pannenberg zu der 474 W. Pannenberg in: S.M. Daecke, H.N. Janowski, W. Pannenberg, G. Sauter, Theologie als Wissenschaft. Ein Gespräch, 71. 475 So Pannenberg in: S.M. Daecke, H.N. Janowski, W. Pannenberg, G. Sauter, Theologie als Wissenschaft. Ein Gespräch, 71. 476 Vgl. dazu schon bes. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 190. 477 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 193. Mit Hegel und Newman ist er der Meinung, dass es für die Wahrheitserkenntnis „eines Weges, eines Prozesses der Erfahrung und Reflexion bedarf.“ (a. a. O., 190). 478 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 193. 479 Siehe dazu ausführlicher auch die Auseinandersetzung mit M. Luthers Verständnis der Anfechtung in: W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 194.

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Überzeugung, dass solche Anfechtungserfahrung nicht die mit dem Glauben verbundene Wahrheitsgewissheit tangieren müsse: „Spricht aber das Evangelium in dieser Weise zu unserem Gefühl, dann können wir es als Verheißung Gottes selbst vernehmen, und wenn das geschieht, dann ist auch deutlich, daß der Glaube daran, das Vertrauen auf Jesus Christus, uns von Gott selbst geboten ist, und darum können wir im Glauben der Wahrheit Gottes in Christus gewiß sein unbeschadet aller Anfechtungen, denen solcher Glaube weiterhin ausgesetzt bleibt.“480

Diese Begründung erstaunt, wirkt ein solcher Rekurs aufs Gefühl doch im Vergleich zu anderweitigen Ausführungen Pannenbergs wenig rational durchreflektiert. Überzeugender wäre m. E. eine entschiedene Trennung von Gewissheitund Wahrheitsthematik gewesen. Dass beide Fragehorizonte voneinander hätten abgegrenzt werden können, hätte sich aber auch aus Pannenbergs Reserven gegenüber einer Evidenztheorie der Wahrheit ergeben können. Ohne auf einen bestimmten Theorieentwurf zurückzugreifen, legt er in seinem Aufsatz „Wa h r h e i t , G e w i ß h e i t u n d G l a u b e “ (1978) dar, dass er den Grundgehalt dieser Theorie offenbar darin sieht, dass ihre Vertreter sich darum bemühten „problematische Behauptungen durch Zurückführung auf vermeintlich unproblematische, evidente Behauptungen, also auf vermeintliche Gewißheiten empirischer oder apriorischer Art, aufzuklären“481 Pannenbergs Haltung zum Umgang mit Evidenz(-theorien) scheint in sich nicht konsistent. Während aus den zitierten Andeutungen Bedenken gegenüber einem (argumentativen) Rekurs auf Evidenz (und auch auf die eng damit zusammenhängende Gewissheit) anklingen, weil das Inanspruchnehmen von Evidenz epistemisch nicht unproblematisch sei, wird dagegen an anderer Stelle die Evidenz für die Wahrheitserkenntnis ausdrücklich bemüht. Dass es so etwas wie „eine für sich ganz evidente Wahrheit“ gibt und diese auch eingesehen werden kann, steht jedenfalls beim jungen Pannenberg – wie einer Kontroverse mit P. Althaus zu Beginn der 1960er Jahre entnommen werden kann – eindeutig außer Frage482. Und doch scheint Pannenberg (erst später?) durchaus mit so etwas wie einer „Selbstevidenz der Wahrheit“ zu rechnen483. Die (Glaubens-)Gewissheitsthematik hat ausführliche Berücksichtigung und dabei auch eine entsprechende Würdigung erfahren in seinem Aufsatz

480 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 196. 481 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 235. 482 Vgl. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 233. Siehe ausführlicher auch a. a. O., 232. Dort die Erörterung, wie Wahres und insbesondere die „Wahrheit des Inhalts der Christusbotschaft“ [ebd.] mithilfe einer Erleuchtung eingesehen werden könne. 483 Siehe dazu die Formulierung(en) zu DS 3074 in: W. Pannenberg, Beiträge zur systematischen Theologie Bd. III, 131.

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„Wa h r h e i t , G e w i ß h e i t u n d G l a u b e “ (1978) 484. Seine Hinwendung zur Gewissheitsfrage scheint vor allem dadurch veranlasst, dass er mit geläufigen Sichtweisen zu Gewissheit und ihrer Fundierung theologisch nicht d’accord gehen kann. So übt er Kritik an einer Begründung von (Glaubens-)Gewissheit „als Korrelat einer autoritären Worttheologie“; hinzu tritt eine Kritik an Versuchen, die Gewissheit alternativ „im engen Umkreis der Erfahrung von Schuld und Vergebung allein“ gewinnen zu wollen485. Pannenberg sieht „die Notwendigkeit einer tiefgreifenden Revision des traditionellen Verständnisses der Glaubensgewißheit“486. Mit seinen Überlegungen setzt er ein bei den Belief-Sätzen und der Frage nach der Glaubensgewissheit. Behauptungen als Belief zu verstehen, heißt (u. a.) davon auszugehen, dass Wahrheit nur vorläufig, antizipativ beansprucht werden kann und noch kein Wissen darstellt, was „dem modernen Sinn für die Geschichtlichkeit der Wahrheit“ entspreche und nicht notwendig „auf Kosten des Interesses an Gewißheit“ gehen müsse487. Wie kann also die Gewissheit des Glaubens gewonnen werden? Ausgeschlossen ist für Pannenberg die theologische, aber letztlich rein subjektive Option, den Glauben „in die Subjektivität des Engagements und der subjektiven Entscheidung“ zurückzunehmen, also der Versuch, Glaube „als subjektive Überzeugung“ zu begreifen und dabei „seine Gewißheit retten [zu] wollen, indem […] diese auf einen von rationaler Kritik unerreichbaren Boden“ gegründet wird488. Mit „der subjektiven Entschiedenheit“ lasse sich die Glaubensgewissheit nicht bewahren – sie lässt sich, so meint Pannenberg, sehr wohl aber auf andere Weise bewahren – und das in Vereinbarkeit mit der Hypothetizität der Belief-Sätze, in denen sich Glaube artikuliert489. Pannenberg entwickelt eine (nur zu skizzierende, über komplexe Überlegungen führende) Fundierung (verschiedener Formen) von Gewissheit in Gott selbst als der Wahrheit. Seine Argumentation ist hierbei – wie schon bei seinen Überlegungen zur Wahrheitsbezogenheit des Glaubens – zum Teil im Ansatz etymologisch (und insofern ähnlich problematisch): Pannenberg geht davon aus, dass die Gewissheit des christlichen Glaubens (und damit auch die Gewissheit der Wahrheit überhaupt und im allgemeinen) „auf der Gegenwart der Wahrheit 484 Bemerkenswerterweise erklärt Pannenberg im Vorwort zu seinem in Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2 erschienenen Aufsatz, dass ihn „[d]ie Frage nach der Gewißheit des Glaubens […] über viele Jahre hin beschäftigt“ habe, und zwar „im stillen Gespräch vor allem mit der Glaubenstheologie Gerhard Ebelings“ (W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 11), was den Eindruck bestätigt, dass eine gründliche eigene Meinungsbildung zur Gewissheitsfrage noch im Vollzug begriffen gewesen ist. 485 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 11. 486 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 11. 487 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 248. 488 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 248. 489 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 248.

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selber“ beruhen müsse490; er scheint auf diese Weise eine Konstituierung von Gewissheit durch die pure Subjektivität (per [z. B. autoritär begründeter] Setzung/Dezision) abwenden zu können, deren Problem er darin sieht, dass sie, wenn sie etwa verbohrt sei, „nichts zur Kenntnis nehmen will als was den eigenen Vorurteilen entspricht“491. Seiner Überzeugung nach – und das verbindet die Frage nach der Glaubensgewissheit mit der Frage nach Wahrheitsgewissheit – ist „[d]er Anspruch der christlichen Überlieferung […], daß erst der Gott der Bibel eine zuverlässige Basis (emet) für das Leben der Menschen gewährt.“492 Sein spezifisch etymologisches Argument besteht nun darin, dass er Gewissheit gemäß hebräischem Ausdruck dafür (bakon: hebr. = gewiss, fest, gerade) als eine dauerhafte, feste Größe bestimmt und eine Nähe zum Ausdruck ‫ ֱאֶמת‬erkennt, wodurch die Gewissheitsfrage letztlich als von Gott abhängig verstanden wird: „Analog dem Wort Jesajas über den Glauben (Jes. 7,9) läßt sich die Beständigkeit Gottes als Grund derjenigen Gewißheit verstehen, durch die der Mensch Beständigkeit in sich selber („Selbständigkeit“) gewinnt. In diesem Sinne erweisen sich Glaube und Gewißheit als eng miteinander verbunden.“493

Für Pannenbergs Verständnis von Gewissheit ist indes eine weitere Weichenstellung entscheidend, nämlich der Gedanke, dass Gewissheit etwas mit Denken zu tun habe. Pannenberg versteht mit H. Newman Gewissheit als ein Reflexionsphänomen, und zwar so, dass sie als „Ruhe des Geistes“ (repose of mind) „nicht am Anfang steht“, sondern als das Ergebnis eines Reflexionsprozesses zu verstehen sei494, wodurch Wandelbarkeit als ein Charakteristikum von Gewissheit zum Vorschein kommt und sich mit der epistemischen These Pannenbergs von der „Unabgeschlossenheit der Erfahrung“ verbindet495, was seinem Gewissheitsverständnis einen eigentümlichen Charakter beschert. Nun verknüpft Pannenberg dieses epistemisch-reflexive Gewissheitsverständnis mit der von G. Ebeling vorgenommenen Bestimmung von Gewissheit als Bewusstseinsphänomen496, demzufolge Gewissheit als einem Bewusstseinsphänomen (wie auch das Gewissen) es mit dem Ganzen zu tun habe497, die Gewissheit mit dem „Ganze[n] der Wirklichkeit“, insofern einzelne Inhalte unserer Erfahrung von ihr „in das 490 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 251. 491 So Pannenberg kritisch mit Hegel gegenüber S. Kierkegaard in: W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 250. 492 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 251. 493 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 256. Zu Pannenbergs Gewissheitsbegriff siehe im Ganzen ausführlicher a. a. O. schon 248–264. 494 Siehe ausführlicher W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 261. 495 Siehe ausführlicher W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 261. 496 Siehe zu dieser Verknüpfung zweier Gewissheitskonzeptionen schon die Bemerkung von R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 382f Anm. 42. 497 Vgl. ausführlicher W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 261ff.

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Ganze unserer Erfahrung“ eingeordnet würden498. Doch weil sowohl der Reflexions- wie auch der Erfahrungsprozess fortschreitet, also unabgeschlossen sei, sei Gewissheit nur antizipativ, ausschließlich „in der Weise vorwegnehmender Gegenwart des Ganzen […] zugänglich“499. Eine ähnliche, und theologisch noch sehr viel entscheidendere positive Würdigung von Evidenz kommt zum Ausdruck in der Vorstellung einer die (spezifische) Glaubensgewissheit begründenden, „durch das Gewissen vermittelten Selbstevidenz der göttlichen Wahrheit [kursiv: T. L.]“, einer daseinserhellenden „Evidenz der Selbst-Beglaubigung (self-authentication)“, wie Pannenberg mit P. Helm sagt500. Bemerkenswerterweise stehen diese Ausführungen ebenfalls im o.g. Beitrag, der andeutungshafte Kritik zumindest gegenüber Evidenztheorien der Wahrheit erkennen lässt. Viel interessanter scheint mir konkret aber Folgendes zu sein: Wie passt eigentlich die Vorstellung einer sich selbst beglaubigenden, die Wahrheit Gottes verbürgenden Evidenz zu der für seine Theologie charakteristischen These der Offenheit der Wahrheitsfrage und zur Vorläufigkeit menschlicher Erkenntnis, wie sie besonders prominent im Hypothesen- und Antizipationsbegriff zum Ausdruck kommt, zusammen? Auf den Punkt gebracht: Torpediert diese konstruktive Einbeziehung von Evidenz in die Erörterung der Wahrheitsfrage seine eigenen wissenschaftstheoretischen Überzeugungen? Schon E. Herms hat an Pannenberg die Frage gerichtet, ob der in diesem Beitrag formulierte Gedanke einer ‚Selbstevidenz der göttlichen Wahrheit‘ nicht die Möglichkeit der Falsifikation, wie sie durch den Hypothesenbegriff zuzugestehen wäre, praktisch von vornherein ausschließt: „Wenn die „Selbstevidenz der göttlichen Wahrheit“ wirkt, dann ist damit eine Falsifikation ausgeschlossen (es sei denn, es handelt sich um die Selbstevidenz der Wahrheit eines allmächtigen Lügendämons und nicht um die Selbstevidenz der Allmacht, die in sich selbst „Gnade und Wahrheit“, also Wahrhaftigkeit, ist). Auffassungen der Glaubensgewissheit als fallible „Hypothesen“ können dann nur fehlgehende Fremdinterpretationen sein. Liest man es aber nicht in der Systematischen Theologie wiederum anders (I, 66)?“501

In der Tat scheint eine gewisse Spannung nicht zu leugnen zu sein. Herms sieht klar, dass eine sich qua Evidenz beglaubigende göttliche Wahrheit eine poten498 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 262. 499 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 262f, zit. 263. In W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 60, hebt Pannenberg für „[d]ie persönliche Wahrheitsgewißheit des Glaubens“ den erwähnten Erfahrungs- und Reflexionsprozess hervor in seiner Bedeutung für die Bewährung von Gewissheit. 500 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 263f. In Anm. 82 bezieht er sich auf P. Helm, The Varieties of Belief, 101ff., bes. 111ff., 115. 501 E. Herms, Die „Beiträge zur Systematischen Theologie“ von Wolfhart Pannenberg, 1236.

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tielle Falsifizierung schon im Ansatz ausschlösse. Doch Pannenberg möchte anders verstanden werden. Schon im unmittelbaren Kontext relativiert er seine Bemerkungen, indem er von der Glaubensgewissheit sagt, dass sie die göttliche Wahrheit antizipiere, wodurch er die Fallibilität wieder inkludiert und so letztlich seinen wissenschaftstheoretischen Überzeugungen treu bleibt und den von Herms beklagten Widerspruch auflöst. Er schreibt: „Aber auch die Gewißheit des Glaubens bleit wie alle Gewißheit vorwegnehmende Gegenwart dieser Wahrheit, prolepsis, daher subjektiv und seine Vorwegnahme ist nur dann wahr, wenn ihr die Vorweggabe der göttlichen Wahrheit selber entgegenkommt.“502

Die (nicht nur) hier zu Tage tretende Vorstellung, derzufolge die besagte Antizipation bzw. Prolepse „nur dann wahr [ist], wenn ihr die Vorweggabe der göttlichen Wahrheit“ (s. o.) entgegenkäme, ist freilich unglücklich, weil – sollte es sich wirklich um eine Wahrheitsantizipation handeln – diese auch wahr ist (denn sonst wäre es keine Wahrheitsantizipation); doch dieser Sprachgebrauch indiziert eine wichtige epistemische Relativierung des Evidenzgedankens: Pannenberg transformiert hier die auf der Ebene des Glaubens und seiner Gewissheit formulierte Vorstellung evidenter Wahrheit in einen Wahrheitsanspruch, dass es sich wie im Glauben angenommen verhält. So bleiben mit dem Wahrheitsanspruch auch der im Denken Pannenbergs mit diesem einhergehende antizipative und hypothetische Charakter erhalten. Diese Einsicht selbst, nämlich dass „auch der Wahrheitsanspruch religiöser Erfahrung und Überlieferung als hypothetisch und die Gewißheit des Glaubens als subjektive Antizipation zu beurteilen ist“503, erschließt sich Pannenberg zufolge nicht schon auf der Ebene des Glaubens, sondern auf der Ebene „der theoretischen Reflexion“504, woraus jedoch nicht abgeleitet werden kann, dass der antizipative und hypothetische Charakter nur für die Reflexionsebene gälte und damit die Ebene des Glaubens nicht tangiere505. 502 503 504 505

W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 263. Siehe a. a. O. ausführlicher. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 264. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 264. Die von Herms an Pannenberg gerichtete Frage, „[a]us welcher Perspektive […] die Kennzeichnung der in der Theologie ausgelegten Glaubensinhalte als Hypothese“ gelte, – ob also „nur aus der Außenperspektive“ oder eben „auch aus der Perspektive des Glaubens selbst“ oder „[o]der aus einer dritten Perspektive über beiden“ (E. Herms, Die „Beiträge zur Systematischen Theologie“ von Wolfhart Pannenberg, 1236) – zielt in die falsche Richtung, ja geht an der Sache vorbei. Bei der Frage nach der Hypothetizität verschiedener Wahrheitsträger kann es nicht um eine Frage nach der Perspektivität gehen, weil es dabei nicht um die Frage geht, wie wir uns zu dieser Frage aus welcher Perspektive auch immer verhalten mögen. Entweder es besteht an sich und objektiv etwa der hypothetische Charakter oder er besteht eben nicht. Dies hat nichts zu tun mit der Frage, aus welcher Perspektive eine Tatsache erkannt werden kann. Mit dem Verweis auf die Reflexionsebene will Pannenberg nicht sagen, dass diese Ebene nur eine bestimmte Perspektive darstellt und die aus ihr

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Aber auch hier bleiben typischerweise seine wissenschaftstheoretischen Einsichten dominant; die (epistemischen) Grenzen eines Rekurses auf (Glaubens-) Gewissheit werden sehr deutlich: Gewissheit bleibt antizipativ. Ihr erklärtermaßen auch hypothetischer und konjekturaler Charakter ergibt sich für Pannenberg daraus, dass er Gewissheit offenbar als ein Phänomen versteht, welches mit unseren Akten des Behauptens (und dessen Charakteristik) verbunden ist506. Die Rolle der Evidenz und der Gewissheit für den Prozess der (Wahrheits-) Erkenntnis scheint bei Pannenberg insgesamt nicht ganz konsistent, weil nicht restlos durchreflektiert und systematisiert. Diese Thematik bleibt für sein Denken und speziell auch für die Wahrheitsthematik eher von marginaler Bedeutung507. Vielleicht hat dies sein Grund darin, dass Gewissheit schon im gegenwärtigen, alltäglichen Sprachgebrauch zumeist als ein von der Epistemologie unabhängiges, mentales Phänomen aufgefasst wird, während Pannenbergs Ausführungen – sofern sie im Einflussbereich (insbesondere) des kritischen Rationalismus die Gewissheitsthematik nicht völlig außer acht lassen508 – von dem Bemühen geleitet zu wirken scheinen, der Gewissheits- (und auch der Evidenz-)Thematik) einen gebührenden Platz im Umfeld seiner Erwägungen zur Wahrheitsfrage allozieren zu wollen509. Läuft Pannenberg nicht Gefahr, mit dem Argument einer selbstevidenten Glaubensgewissheit entgegen dem üblichen Gepräge seines Denkens nun doch eine subjektivistische Begründung von Gewissheit zu offerieren?

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hervorgehenden Sichtweisen von einer anderen Perspektive ggf. nicht zu akzeptieren seien. Vielmehr geht aus Pannenbergs Ausführungen hervor, dass er die Reflexionsebene als eine (wenigstens epistemisch) übergeordnete Ebene verstanden wissen will, insofern sich nämlich von ihr aus die auch m. E. sehr wichtige Einsicht in die Hypothetizität (und ggf. auch Antizipativität) von Wahrheitsansprüchen ergibt. Das zeigt folgende Formulierung: Nach Einschätzung von Pannenberg gilt, „dass die Gewissheit alles Behauptens antizipatorisch ist, auf künftige Bestätigung und Bekräftigung angewiesen bleibt. Ohne dieses Moment des Hypothetischen oder Konjekturalen könnte man gar keine Behauptungen aufstellen. Die sprachlichen Äußerungen wären dann nur Zustandsäußerungen des Redenden.“ (W. Pannenberg, Die bleibende Relevanz der Erkenntnislehre des Kusaners, 161). Gegen G. Sauter, der 1966 (noch) die Meinung äußerte, ‚Wahrheit‘ sei bei Pannenberg „eine Frage der Evidenz“, „ganz offensichtlich und ausschließlich“ (G. Sauter, Fragestellungen der Christologie, 60). So spielt die Gewissheitsthematik in seinem Buch „Wi s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d T h e o l o g i e “ so gut wie keine Rolle, allenfalls eine angedeutete epistemische (s. u.). Dafür, dass er für sein Vergewisserungsprogramm einen epistemischen Gewissheitsbegriff bemüht, spricht auch, dass er an anderer Stelle auf die Problematik „theoretischer Gewißheit“ zu sprechen kommt, zu welcher religiöse Aussagen im Horizont der unabgeschlossenen Wirklichkeit nicht vordringen könnten; allenfalls ein Urteil über Bewährung bzw. Nichtbewährung solcher Aussagen sei möglich (vgl. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 347).

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3.4.2.4.3.15 Konjekturen (und Projektionen) Es ist deutlich geworden, dass im Denken Pannenbergs das Vorhandensein von Gewissheit letztlich keinerlei Einfluss hat auf die Struktur und den Wahrheitsgehalt des jeweils Artikulierten. Von daher ist es durchaus konsequent, dass Pannenberg nicht zuletzt auch die Konjekturen vom Sprachmodus der Aussage her zu verstehen scheint. Die Konjekturen dienen der darstellenden Funktion von Sprache und werden im Sinne eines Wahrheitsträgers verwendet. Ein weiterer, dem Konjekturenbegriff ähnlicher, jedoch von Pannenberg nur selten gebrauchter, Ausdruck ist der der Projektion510. Zunächst zu Ersterem: Den Konjekturenbegriff bringt Pannenberg mit dem Behauptungsbegriff in Verbindung – etwa indem er den Behauptungen einen konjekturalen Charakter zuschreibt511. Aufgrund einer den Konjekturen beigemessenen Hypothetizität dürfte sich wohl auch eine Nähe speziell des Hypothesenbegriffs zum Begriff der Konjektur ergeben, was sich daran zeigt, dass Pannenberg (vermutlich unter dem nachhaltigen Einfluss Popper’schen Denkens) von „Konjekturen und Hypothesen“ in 510 Zu dem Begriff der Projektion, den Pannenberg ‚vorurteilsfrei‘ (s. u.) gebraucht hat, um den schöpferischen Entwurfcharakter der geistigen Akte zu charakterisieren, vgl. W. Pannenberg, Wie kann heute glaubwürdig von Gott geredet werden?, 53. Die Vokabel Projektion tritt jedoch gegenüber der der Konjektur deutlich zurück, sicher auch deshalb, weil er sich darüber im Klaren ist, dass das Wort ‚Projektion‘ wenigstens insoweit inkriminiert ist, als er seit der Neuzeit unter dem Verdacht steht, nichts weiter als ‚projektive Fiktionalität‘ zu bezeichnen, worum es im Glauben freilich nicht gehen kann. Vgl. dazu W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 1, 116. Der Ausdruck wird freilich von Pannenberg gerne im Zusammenhang seiner Atheismuskritik gebraucht. S. exemplarisch folgendes Zitat: „Wenn der moderne Atheismus Recht damit hätte, dass alles Reden von Gott und daher auch alle Religion nur Ausdruck einer „Projektion“ menschlicher Wünsche und Ängste in einen imaginären Himmel sei, dann wäre davon auch das christliche Reden von Gott betroffen. Christliche Theologie kann nicht einfach so tun, als ob sie das gar nicht berühre.“ (W. Pannenberg, „Fundamentaltheologie“ als anthropologische Grundlegung einer Theologie der Religion und der Religionen?, 197). 511 So etwa in W. Pannenberg, Die bleibende Relevanz der Erkenntnislehre des Kusaners, 160f. Pannenberg beruft sich hierfür auf N. v. Kues, De conj. I, 5. Der Kusaner begründete dies damit, dass eine Verneinung jeder Behauptung entgegengesetzt werden könne. Für Pannenberg liegt das konjekturale Moment (deutlicher) in der logischen Struktur von Behauptungen begründet, die die Rückfrage zulassen, ob sie zutreffen. Mit dieser Forderung nach einer Kontrolle oder Prüfung geht er über den Kusaner hinaus (Vgl. W. Pannenberg, Wirkungen biblischer Gotteserkenntnis auf das abendländische Menschenbild, 590). Dass bei Nikolaus von Kues ein Prüfungsverfahren nicht Teil seiner Erkenntnislehre ist, erklärt Pannenberg damit, dass erst die moderne Wissenschaft verschiedene Techniken der Überprüfung ausgebildet hat, wenn auch „gewisse Ansätze“ in dieser Hinsicht (= geometrische Gedankenspiele) beim Kusaner nachweisbar sind (vgl. W. Pannenberg, Nikolaus von Kues, 578). Auch der für Pannenbergs Denken charakteristische Zug der Geschichtlichkeit von Wahrheitsansprüchen und der Zukunftsbezug dieser Ansprüche auf „mögliche und erhoffte Bestätigung hin“ (W. Pannenberg, Die bleibende Relevanz der Erkenntnislehre des Kusaners, 161f) ist beim Kusaner nicht erörtert worden, steht aber nach Pannenbergs Einschätzung auch nicht in Widerspruch zu dessen Konjekturenlehre, die unten skizziert wird.

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einem Atemzug sprechen kann512. Beide Termini werden für eine von Rationalität gekennzeichnete Wissenschaftlichkeit der Theologie in Anspruch genommen: „Just such a procedure by hypotheses and conjectures, however, is typical for the spirit of modern science and characterizes the specific rationality of scientific discourse.“513

Aus welchem Kontext Pannenberg den Begriff der Konjekturen entnimmt bzw. von wem er ihn übernimmt, scheint nicht ganz klar zu sein. Möglicherweise steht der Einfluss K.R. Poppers im Hintergrund514, der neben dem Hypothesenbegriff auch den der Konjekturen für die wissenschaftliche Theoriebildung reklamierte. Während Harvey W. White vor allem Poppers Einfluss zu erkennen meint515, scheint mir Pannenbergs Konjekturenbegriff zumindest in besonderem Maße geprägt von der sehr viel älteren Konjekturenlehre des Nikolaus von Kues, auf welche Pannenberg wiederholt, bereits in frühen Publikationen, aufmerksam gemacht hat516. Darum wird die Konjekturenlehre hier kurz dargestellt:

512 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 12. Es „hat das theologische Denken den Charakter von Konjekturen oder, anders gesagt, von hypothetischen Entwürfen [kursiv: T. L.]“ (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 83). Was den Einfluss Poppers betrifft, denke man etwa besonders an dessen Aufsatzsammlung „Conjectures and Refutations. The Growth of Scientific Knowledge“. 513 W. Pannenberg, The Nature of a Theological Statement, 8. Pannenberg ist der Meinung, dass das aufgrund der Methode des Mutmaßens „mit dem Entwerfen und der Kontrolle von Hypothesen befaßte Wissenschaftsverständnis der Neuzeit sich auf ihn berufen dürfte.“ (W. Pannenberg, Nikolaus von Kues, 578). 514 Man kann hier an K.R. Popper, Conjectures and Refutations denken, eine Studie, auf die Pannenberg an anderen Stellen eingeht. 515 „The status of theories with regard to their truth, according to Pannenberg, is consistent with the views of Karl Popper. Popper’s view is that scientific theories are ‚genuine conjectures [kursiv: T. L.] – highly informative guesses about the world which although not verifiable . . . can be submitted to severe critical tests. They are serious attempts to discover the truth.‘“ (H.W. White, A critique of Pannenberg’s Theology and the Philosophy of Science, 420. White zitiert aus K. Popper, Conjectures and Refutations, 115). 516 Zur Erkenntnistheorie des Nikolaus von Kues (Konjekturenlehre) und (z.Tl. auch) ihrer Rezeption bei Pannenberg vgl. W. Pannenberg, Analogie und Offenbarung, 207ff, bes. 210f ; W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 213f; W. Pannenberg, Wirkungen biblischer Gotteserkenntnis auf das abendländische Menschenbild (1962), 586–593; W. Pannenberg, Nikolaus von Kues (1964), 577–579; W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 82; (auch zum Kontext antiken Denkens) W. Pannenberg, Rezeptive Vernunft: Die antike Deutung der Erkenntnis als Hinnahme vorgegebener Wahrheit (1982), 265–301, bes. 300f; W. Pannenberg, Systematische Theologie, Bd. I, 136f; W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 220f; W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 1, 116f; W. Pannenberg, Die Theologie und die neue Frage nach der Subjektivität (1984); W. Pannenberg, Die bleibende Relevanz der Erkenntnislehre des Kusaners, 147–162. Man beachte auch Pannenbergs Vorlesung „Theologie der Vernunft“ (Manuskript, 38ff) sowie dazu im Besonderen W. Greive, Wolfhart Pannenbergs Vorlesung „Theologie der Vernunft“. Eine Skizze, 106f.

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Nikolaus von Kues ist einer der ersten517, der das Denken als ein von Sinneseindrücken unabhängiges menschliches Vermögen aufgefasst hat. Denken galt ihm als ein aktiver Vorgang, als „schöpferische Produktivität des menschlichen Geistes“518. Das bedeutet, dass das Denken – nach dem Vorbild mathematischen Denkens – als „Schöpfung des Geistes“ aufgefasst wird519. Erkenntnis wird von ihm nicht mehr als passives Hinnehmen verstanden520: Das Denken und die Sinneswahrnehmung galten ihm nicht mehr als genaue Abbildung von realen Erkenntnisgegenständen oder Gegebenheiten, d.h nicht mehr als passive Hinnahme, wie es noch für griechisches Denken der Antike charakteristisch gewesen ist521, aber auch für das Abendland und bis hin zu W. v. Ockham522 zum Beispiel noch 517 Vgl. W. Pannenberg, Rezeptive Vernunft: Die antike Deutung der Erkenntnis als Hinnahme vorgegebener Wahrheit, 301. 518 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 213. Ebd. wird Cusanus „wohl als erster“ angegeben, der sich solcher schöpferischen Produktivität bedient habe (s. auch den Literaturhinweis in Anm. 25). 519 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 213f . 520 Eine Ursache für diese Entwicklung hin zu einem aktiv-produktiven Verständnis der Erkenntnis sieht Pannenberg mit M. Heidegger im griechischen Wahrheitsverständnis selbst, insofern hier das „Denken zum Maßstab des Wahren“ erhoben worden sei (Vgl. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 212). „Der auf lange Sicht entscheidende Wendepunkt“ liegt Pannenberg zufolge aber beim Christentum mit seiner Botschaft. (ebd.). Einmal und (vor allem) die Lehre von der Gottebenbildlichkeit habe die Stellung des Menschen in der Welt grundlegend verändert. Statt sich wie bisher in Ehrfurcht einzufügen, wurde der sich als Gottes Ebenbild verstehende Mensch zum Herrscher über die Welt, indem er „die Welt als Schöpfung Gottes für sich in Anspruch“ nahm (W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 212). Seiner Meinung nach dürfte eine solche „christliche Umformung der antiken Erkenntnislehren […] den Gedanken einer in der Erkenntnis produktiv tätigen menschlichen Subjektivität überhaupt erst hervorgebracht haben, und zwar aus dem „christliche[n] Interesse an der ewigen Bestimmung des individuellen Menschen, an der Unsterblichkeit der individuellen Seele.“ (W. Pannenberg, Rezeptive Vernunft: Die antike Deutung der Erkenntnis als Hinnahme vorgegebener Wahrheit, 300f). Im Zuge dieser Transformation sei dann in der christlichen Scholastik auch der aktive Intellekt aristotelischer Tradition als „ein der menschlichen Seele angehörendes Vermögen“ aufgefasst worden, was schließlich zur Vorstellung von menschlicher Produktivität im Erkenntnisakt geführt habe (a. a. O., 301). Diesen ‚Paradigmenwechsel‘ in der Vorstellung vom Erkenntnisvorgang führt Pannenberg auf den mittelalterlichen Aristotelismus zurück, der „den aktiven Nus zu einer der menschlichen Seele eigenen Vernunftkraft“ umdeutete, wodurch die aktive Vernunft als Bestandteil der menschlichen Seele aufgefasst wurde (W. Pannenberg, Theologie und Philosophie, 118). Jedenfalls sieht Pannenberg dieses neue Selbstverständnis des Menschen darin repräsentiert, dass „die Wahrheit des Erkennens gegen den Skeptizismus auf die Selbstgewißheit des Denkenden gegründet wird.“ (W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 213). „Der vollen Tragweite […] ist Augustin“ sich nach Pannenbergs Einschätzung „noch nicht bewußt geworden“ (ebd.). In der Scholastik erkennt Pannenberg also eine Fortsetzung dieser christlichen Ortsbestimmung des Menschen in der Welt, insofern ihm herausragende Bedeutung im Erkenntnisakt zugesprochen worden sei. 521 Zum antiken Verständnis der Erkenntnis als ungetrübte (passive) Hinnahme von Vorgegebenem vgl. insbes. W. Pannenberg, Rezeptive Vernunft: Die antike Deutung der Erkenntnis als Hinnahme vorgegebener Wahrheit, 265–301. 522 Zu Ockham siehe auch W. Pannenberg, W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 213; W. Pan-

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bestimmend gewesen ist; Denken und Sinneswahrnehmung wurden nun als menschliche Konstruktion verstanden523. Nach Nikolaus von Kues äußert sich die produktive Subjektivität des Menschen darin, dass er in seinem Denken freie Entwürfe, so genannte Konjekturen (= Mutmaßungen), über die Wirklichkeit entwirft524. Der Intellekt ist die höchste Seelenkraft, „Vermögen intuitiver Erkenntnis“ und Abbild der göttlichen Einheit (s. u.) 525. Als solches ist er auch Prinzip der Einheit des menschlichen Geistes (mens) 526. „Das menschliche Erkennen empfängt nicht passiv von außen ein festes Abbild der Dinge, sondern es produziert aus sich heraus Zeichen, Mutmaßungen, Modelle der Wirklichkeit. Das Erkennen ist spontaner Entwurf und nur so Angleichung an die Wirklichkeit: nostra mens est vis assimilativa.“527 Erkenntnis nimmt nach Ansicht des Kusaners ihren Ausgangspunkt mit Sinneseindrücken, auf die allein Erkenntnis aber nicht rückführbar ist. Denn der Kusaner ging davon aus, dass weder Denken noch Sinneswahrnehmung „die Dinge unmittelbar und adäquat“ erfassen könne528. „Für den Kusaner vermochte die Sinnesempfindung diese Last nicht zu tragen. Die Sinnesempfindung wird mit in die Subjektivität und Aktivität des Erkennens hineingezogen.“529 Hinzu tritt der Intellekt, der dem Verständnis des Kusaners nach maßgeblich am Zustandekommen von Erkenntnis beteiligt ist. Er ist die höchste Seelenkraft, „Vermögen intuitiver Erkenntnis“ und Abbild der göttlichen Einheit (s. u.) 530. Als solches ist er auch Prinzip der Einheit des menschlichen Geistes (mens) 531. „Das menschliche Erkennen empfängt nicht passiv von außen ein festes Abbild der Dinge, sondern es produziert aus sich heraus Zeichen, Mutmaßungen, Modelle der Wirklichkeit. Das Erkennen ist spontaner Entwurf und nur so Angleichung an die Wirklichkeit: nostra mens est vis assimilativa“532. Wird der Intellekt von Sinneseindrücken angeregt, vergleicht er die Sinneseindrücke und produziert – ähnlich wie der Erkenntnisprozess bei dem Nominalisten Robert Holcot beschrieben ist – „allgemeine Vorstellungen und Zeichen“, die daraufhin geordnet werden533. Er erschafft eine Vielzahl an Gedanken, die ihrerseits zum Ordnen der erfahrenen Sinneseindrücke sowie zum Erfassen und Bezeichnen der gemeinsamen Natur der Dinge verhelfen534.

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nenberg, Analogie und Offenbarung, 210f, W. Pannenberg, Wirkungen biblischer Gotteserkenntnis auf das abendländische Menschenbild, 590; W. Pannenberg, Nikolaus von Kues, 577 (dort die Verbindungen zum Empirismus und Positivismus). W. Pannenberg, Wirkungen biblischer Gottserkenntnis auf das abendländische Menschenbild, 590; vgl. ferner W. Pannenberg, Nikolaus von Kues, 577. Vgl. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 213; vgl. ferner exemplarisch W. Pannenberg, Nikolaus von Kues, 577. W. Pannenberg, Die bleibende Relevanz der Erkenntnislehre des Kusaners, 154f. Vgl. W. Pannenberg, Die bleibende Relevanz der Erkenntnislehre des Kusaners, 151f u. 155f. W. Pannenberg, Analogie und Offenbarung, 210. W. Pannenberg, Analogie und Offenbarung, 209. Pannenberg bezieht sich dort auf Comp. Theol. I, 239. W. Pannenberg, Analogie und Offenbarung, 210. W. Pannenberg, Die bleibende Relevanz der Erkenntnislehre des Kusaners, 154f. Vgl. W. Pannenberg, Die bleibende Relevanz der Erkenntnislehre des Kusaners, 151f u. 155f. W. Pannenberg, Analogie und Offenbarung, 210. W. Pannenberg, Die bleibende Relevanz der Erkenntnislehre des Kusaners, 150. Vgl. W. Pannenberg, Die bleibende Relevanz der Erkenntnislehre des Kusaners, 150.

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„Weil das Erkennen also aktive Konstruktion, nicht passive Hinnahme ist, darum wird es nur aus sich selbst verständlich, aus den letzten geistigen Elementen, aus denen es sich aufbaut.“535 Aus dieser kusanischen Neubestimmung des Erkenntnisvorgangs als eines aktiven Prozesses ergibt sich freilich die Frage, „wie eine produktive Subjektivität die Wahrheit der Dinge außer ihr zu erfassen vermag.“536 Solange gemäß antik-griechischer Vorstellung Erkenntnis als „Abbildung des unabhängig vom Menschen Seienden“, also als „Übereinstimmung mit den abgebildeten Dingen“, verstanden worden ist, konnte der Erkenntnisvorgang als unproblematisch gelten. Denn Erkenntnis bestand in „einer möglichst ungetrübten Hinnahme des dem Menschen vorgegebenen Seienden“ […], im „Empfang einer Selbstoffenbarung des Seienden“537. „Ein Denken […], das sich als unabhängig von der Außenwelt versteht, ist [ jedoch] der Frage ausgesetzt, wie es diese Kluft je wieder überbrücken kann“538. „Fällt allerdings die theologische Voraussetzung [sc. nämlich die einer Verwandtschaft mit dem göttlichen Geist und dabei auch die des göttlichen Ursprunges der Welt] weg, so muß wiederum rätselhaft werden, wie eine produktive menschliche Geistestätigkeit dennoch realitätsgerecht sein kann als Erfassung der vom Menschen unabhängig existierenden Dinge in der Eigenart ihres Seins.“539 Seit der zunehmenden Betonung der menschlichen Subjektivität in ihrer Selbständigkeit der Welt gegenüber bedarf es also einer Erklärung „der nun um so merkwürdigeren Fähigkeit dieser Subjektivität zur Übereinstimmung mit der ihr vorgegebenen Welt“540. Die Lösung zur Überwindung dieser Kluft hat Nikolaus von Kues in der Gottebenbildlichkeit der Menschen gesehen541. Mit ihr war für ihn gewährleistet, dass der Mensch mit den Konstruktionen seines Denkens „an der außermenschlichen Wirklichkeit nicht hoffnungslos vorbeigeht“542. „Weil er [= der Mensch] gerade in der schöpferischen Freiheit seines Geistes Gottes Ebenbild ist, darum können seine geistigen Schöpfungen mit der Wirklichkeit der Dinge als dem Produkt des göttlichen Schaffens zusammen-

535 W. Pannenberg, Analogie und Offenbarung, 210. Pannenberg bezieht sich auf De mente VII, 158, 74. 536 W. Pannenberg, Rezeptive Vernunft: Die antike Deutung der Erkenntnis als Hinnahme vorgegebener Wahrheit, 301. 537 W. Pannenberg, Rezeptive Vernunft: Die antike Deutung der Erkenntnis als Hinnahme vorgegebener Wahrheit, 265. 538 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 214. Die hier auftretende Schwierigkeit hat Pannenberg – wie gezeigt wurde – mit der neuzeitlichen Subjektivierung des Denkens und Erkennens im Allgemeinen und mit Nikolaus von Kues im Speziellen in Verbindung gebracht (vgl. Was ist Wahrheit?, 212f). Dass dieses Problem seit der Neuzeit weiterhin fortbesteht und daher viele Denker nachfolgender Generationen beschäftig hat (bspw. Leibniz, Kant, Fichte, Hegel), ergibt sich für Pannenberg daraus, dass man im Zuge der Subjektivierungstendenzen der Neuzeit zunehmend die „Selbständigkeit der menschlichen Subjektivität gegenüber der Welt betont“ hat (W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 309). 539 W. Pannenberg, Theologie und Philosophie, 119. 540 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 309. 541 Vgl. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 214. 542 W. Pannenberg, Wirkungen biblischer Gotteserkenntnis auf das abendländische Menschenbild, 590.

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treffen.“543 Vermöge der imago dei soll gewährleistet sein, „daß die von ihm produzierten Gedanken den realen Dingen entsprechen können.“544 Die Möglichkeit, dass die im Geist konstruierten Konjekturen die Wirklichkeit tatsächlich treffen könnten545, sollte konkret dadurch gegeben sein, dass der menschliche Geist im Denken die Unendlichkeit Gottes als Leitmaß voraussetzt und sein eigenes Denken als Nachahmung göttlichen Denkens (als ein Nachdenken göttlicher Schöpfungsgedanken) versteht, das in der Mathematik in der reinsten Form möglich sei. Kusanus sagt selbst: „In der Mathematik, in der der Geist sich selbst denkt, ahmt er am reinsten das Denken Gottes nach, dessen Abbild er ist. Und da Gott die Dinge geschaffen hat, so kann die sein Denken nachahmende mathematische Konstruktion sie nicht verfehlen.“546 Mit seiner Erkenntnislehre wollte der Kusaner die objektive Gültigkeit menschlicherseits produzierter Vorstellungen und Gedanken begründen. Es handelt sich gewissermaßen um eine theologische Erkenntnisbegründung, insofern Gott zum Ermöglichungsgrund der Erkenntnis (und damit auch zur Bedingung der Möglichkeit von [m. E. korrespondenztheoretisch zu interpretierenden] zutreffenden Konjekturen) wurde547. 543 W. Pannenberg, Nikolaus von Kues, 577. 544 W. Pannenberg, Die Theologie und die neue Frage nach der Subjektivität, 807. 545 In dieser Vorstellung bekundet sich ein korrespondenztheoretisches Wahrheitsverständnis. Zu den Zusammenhängen zwischen Nikolaus von Kues‘ Konjekturenlehre und der Korrespondenztheorie der Wahrheit bei Pannenberg s. u. 546 W. Pannenberg, Analogie und Offenbarung, 210. Pannenberg bezieht sich auf De mente VII. 547 Zur Würdigung einer solchen theologischen Erkenntnisbegründung siehe W. Pannenberg, Rezeptive Vernunft: Die antike Deutung der Erkenntnis als Hinnahme vorgegebener Wahrheit, 301. Pannenbergs Plädoyer für eine theologische Erkenntnisbegründung ist in seiner Auffassung begründet, dass es des Gottesgedankens bedürfe für die Erkenntnisrelation – d. h. für das m. E. (korrespondenztheoretisch) zu interpretierende Übereinstimmungsverhältnis mit der Wirklichkeit. Siehe dazu seine nachfolgend zitierten Bemerkungen: „Obwohl man der Annahme einer ersten Ursache der Welt nicht mehr bedurfte, blieb der Gottesgedanke erforderlich zur Begründung des Selbstverständnisses des Menschen in seinem Verhältnis zu seiner Welt. Die neuzeitliche Philosophie ist durchgängig durch den augustinischen Gedanken bestimmt, daß der Mensch sich selbst in seinem Verhältnis zur Welt nicht verstehen könne, ohne als Ursprung seiner selbst wie seiner Welt Gott vorauszusetzen. Diese Denkfigur begegnet in verschiedensten Varianten. […] Den Ausgangspunkt bildet Augustins Gedanke der veritas, die in allem menschlichen Bewußtsein vorausgesetzt werde.“ (W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 308). „Bei Nikolaus von Kues ist zu Beginn der Neuzeit in exemplarischer Weise Gott als Bedingung der Übereinstimmung der menschlichen Subjektivität mit der vorgegebenen Welt gedacht worden.“ (a. a. O., 308f). „Je mehr in der Folge die Selbständigkeit der menschlichen Subjektivität gegenüber der Welt betont wurde, desto mehr bedurfte es zur Erklärung der nun um so merkwürdigeren Fähigkeit dieser Subjektivität zur Übereinstimmung mit der ihr vorgegebenen Welt der Annahme Gottes als des gemeinsamen Ursprungs von Ich und Welt. In klassischer Weise ist dieser Sachverhalt von Leibniz formuliert worden. Nach Descartes war Gottes Dasein außerdem Bedingung dafür, daß der Mensch den Gedanken eines vollkommenen Wesens überhaupt zu fassen vermag. Bei Kant ist das Dasein Gottes Bedingung der Übereinstimmung der sittlichen Bestimmung des Menschen mit dem Naturlauf und mit den Bedürfnissen des Menschen als Naturwesen. Der späte Fichte gelangte zum Gedanken Gottes als Bedingung der Möglichkeit eines Selbstbewußtseins überhaupt. Bei Hegel ist das Unend-

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Andererseits machte der Kusaner deutlich, dass alle Erkenntnis des Menschen (also die Erkenntnis Gottes in seiner Einheit und die endlicher Entitäten) prinzipiell begrenzt ist, also immer inadäquat bleibt548. Der Mensch ist zwar vermöge der imago dei zur Erkenntnis Gottes und der übrigen, endlichen Dinge fähig. Die imago dei, die der Kusaner argumentativ als Bedingung von (Wahrheits-)Erkenntnis angeführt hat, darf hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit jedoch nicht derart missverstanden werden, dass der Mensch dadurch im Stande sei, zu völliger Erkenntnis über Gott und die außermenschliche Wirklichkeit gelangen zu können. Vielmehr macht der Kusaner deutlich, dass die Erkenntnisfähigkeit des Menschen prinzipiell begrenzt ist, also immer inadäquat bleibt549. Das betrifft alle Erkenntnis – die Gotteserkenntnis und auch die Erkenntnis der endlichen Dinge. Die vom Menschen entworfenen Konjekturen (Mutmaßungen) erreichten die Wirklichkeit nie ganz, sondern kommen ihr mehr oder weniger nahe550, was beim Kusaner mit dem Unterschied zwischen menschlicher Endlichkeit und göttlicher Unendlichkeit begründet wird551. Der Mensch hat Teil am göttlichen Geist552, ist mit diesem aber freilich nicht identisch. Menschliche Gedanken stehen kraft der imago dei in einem Ähnlichkeitsverhältnis zu dem göttlichen Denken553.

Diese verkürzte Reichweite der Konjekturen hat Pannenberg in seiner Theologie wiederholt unter Verweis auf „unsere“ Konjekturenbildung betont: Konjekturen zielen zwar „auf die endgültige Wahrheit hin.“554 Als kennzeichnend für ein mutmaßendes Denken mit Konjekuren gilt Pannenberg zufolge aber, dass ein Abstand zur Wahrheit Gottes bestehen bleibt, die Konjekturen also nicht gänzlich an sie heranzureichen vermögen, „sich [wie auch Hypothesen] immer wieder [!] als korrekturbedürftig“555 erwiesen, also letzten Endes fallibel blieben, weil sie an die (göttliche) Wahrheit nicht heranreichten. Mithilfe von Konjekturen (und auch Hypothesen) „wird ähnlich wie im Leben der Kirche die endgültige Wahrheit Gottes selbst schon ergriffen und also Gegenwart –

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liche und Absolute Bedingung der Erfahrung von irgend etwas als endlich: Im Bewußtsein des Endlichen sind wir schon über das Endliche hinaus und sind daher schon beim Gedanken des Unendlichen. Bei Schelling und Schleiermacher wieder ist ähnlich wie schon beim Kusaner Gott die Bedingung der Übereinstimmung des Subjekts mit einer objektiven Wirklichkeit.“ (a. a. O., 309). Zur Inadäquatheit jedweder menschlichen Erkenntnis Vgl. W. Pannenberg, Die bleibende Relevanz der Erkenntnislehre des Kusaners, 149 u. 159. Vgl. W. Pannenberg, Die bleibende Relevanz der Erkenntnislehre des Kusaners, 149. Vgl. zur These der Defizienz und Inadäquatheit der Erkenntnis bei Cusanus auch W. Dietz, Wahrheit-Gewißheit-Zweifel, 209f. Vgl. W. Pannenberg, Nikolaus von Kues, 577. Vgl. W. Pannenberg, Nikolaus von Kues, 578. Vgl. W. Pannenberg, Nikolaus von Kues, 578. Vgl. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 214 (229). W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 211. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 11f.

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ewige Wahrheit –, aber doch nur in vorläufiger Gestalt, die nicht selber für die endgültige Wahrheit genommen werden darf.“556 „Es handelt sich um ein mutmaßendes Denken in rationalen Rekonstruktionen, die jedoch die Wahrheit Gottes nie erschöpfen und daher auch korrigierbar und überholbar bleiben.“557 Es ist für Pannenberg eine Tatsache, dass „in all rational reconstructions there is a conjectural element which can never exhaust the truth of God and thus always remains subject to correction and revision.“558 Ganz ähnlich heißt es hinsichtlich der von ihm ins Visier genommenen, erneuerten Metaphysik, für die konjekturale Rekonstruktionen charakteristisch seien, d. h. dass ihr Denken „eher die Form konjekturaler Rekonstruktion [kursiv: T. L.] annehmen [möge], die sich von der intendierten Wahrheit unterscheidet, sich zugleich aber als eine vorläufige Gestalt dieser Wahrheit weiß.“559 Es „[…] hat das theologische Denken den Charakter von Konjekturen oder, anders gesagt, von hypothetischen Entwürfen, die als Rekonstruktionen des Glaubensinhalts auf die Kongruenz mit ihm und mit der durch ihn beanspruchten Wahrheit zielen, aber immer mit dem Bewußtsein ihrer grundsätzlichen Verbesserungsfähigkeit und Korrekturbedürftigkeit angesichts der Überlegenheit der göttlichen Wahrheit [kursiv: T. L.] über die menschliche Vernunft.“560

Pannenberg sieht sich bezüglich der benannten epistemischen Grenzen auch im Verbund mit Anselm und Thomas; beide hätten schon betont, „die Fülle der göttlichen Wahrheit und ihrer rationes übersteige bei weitem die rationalen Rekonstruktionen der Theologie.“561 Schließlich ist der Abstand zur göttlichen Wahrheit für Pannenberg auch schon mit der Religion selbst gegeben: „In der Religion selber nämlich ist prinzipiell die Reflexion auf die Differenz zwischen 556 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 12. 557 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 78. Zur behaupteten Nähe zwischen Anselms Ansatz und dem des Kusaners siehe W. Pannenberg, Glaube, Vernunft und die Zukunft des Christentums. Ein Gespräch mit Wolfhart Pannenberg, 19: „Die Theologie Anselms ist ein hypothetischer Entwurf, eine Rekonstruktion der vorausgesetzten Wahrheit des Glaubens.“ 558 W. Pannenberg, The Rationality of Christian Theism, 13. 559 W. Pannenberg, Metaphysik und Gottesgedanke, 68: „Seine charakteristische Denkform wird dann eher die Antizipation als der Begriff im Sinne der klassischen Metaphysik sein. Genauer gesagt: Der philosophische Begriff selbst wird sich als Antizipation darstellen.“ (a. a. O., 68). Zu Pannenbergs Methode der rationalen Rekonstruktion, die er auch mit Anselms sola ratione- Ansatz in Verbindung bringt, siehe auch W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 83f. 560 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 83. Zu rationalen Rekonstruktionen mithilfe der Formulierung von Hypothesen vgl. etwa auch das Interview W. Pannenberg, Glaube, Vernunft und die Zukunft des Christentums. Ein Gespräch mit Wolfhart Pannenberg, 19. 561 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 80f.

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der göttlichen Wahrheit und ihrer stets nur beschränkten menschlichen Auffassung und Darstellung möglich.“562 Die Inadäquatheit im Erkenntnisprozess liegt infolgedessen in dem unendlichen Abstand zwischen Gott und Mensch begründet. Gott ist in seiner Unendlichkeit von der menschlichen Endlichkeit grundverschieden. Die zwei kusanischen Fassungen des Gottesbegriffs verdeutlichen dies: Gott als coincidentia oppositorum (= Ineinsfallen aller Gegensätze) und als non aliud (= das NichtAndere). Gott ist – im Unterschied zu den endlichen, einander entgegengesetzten Dingen – nicht ein Anderes unter Anderem, also kein Endliches, das von anderem Endlichen unterschieden und begrenzt wäre. Gott ist absolute Einheit, „die nicht jegliche Differenz von sich ausschließt, so dass sie ihr äußerlich bliebe.“563 In der absoluten Einheit Gottes ist das Differente und Gegensätzliche als Teil ihrer selbst eingeschlossen564. Gott umfasst in seiner Unendlichkeit auch den Bereich des Endlichen, in welchem er darum als gegenwärtig gedacht wird565. Transzendenz und Immanenz sind also die Charakteristika dieses Gottesverständnisses566. Die vom Menschen entworfenen Konjekturen erreichen die Wirklichkeit nie ganz, sondern kommen ihr mehr oder weniger nahe567, was beim Kusaner mit dem Unterschied zwischen menschlicher Endlichkeit und göttlicher Unend-

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W. Pannenberg, Die theokratische Alternative, 245f . W. Pannenberg, Die bleibende Relevanz der Erkenntnislehre des Kusaners, 157. Vgl. W. Pannenberg, Die bleibende Relevanz der Erkenntnislehre des Kusaners, 157. Vgl. W. Pannenberg, Nikolaus von Kues, 578. Vgl. ferner W. Pannenberg, Die bleibende Relevanz der Erkenntnislehre des Kusaners, 149, 155–157. 566 Mit dieser kusanischen Fassung des Gottesbegriffs sieht Pannenberg bereits das ausgedrückt, was er auch an Hegels Begriff von Gott als dem wahrhaft Unendlichen so wertschätzt, nämlich eine Unendlichkeit, die ihr Gegenteil – die Endlichkeit – als Teil ihrer selbst mitumfasst. Siehe dazu folgende Belegstellenauswahl: W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. II, 104–111; W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 224ff.; W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 445 (dort in Auseinandersetzung mit K. Barth, der in KD II/1 den Begriff des infinitum „einseitig als Gegensatz zum Endlichen aufgefaßt“ hat (ebd.), gleichwohl, wie Pannenberg zeigt, in KD II/1, 525 faktisch „ein Plädoyer für den Gedanken des wahrhaft Unendlichen, das dem Endlichen eben nicht nur entgegengesetzt ist, sondern diesen Gegensatz zugleich übergreift“ ausspricht); W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 481ff; W. Pannenberg, Metaphysik und Gottesgedanke, 28f; W. Pannenberg, Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie in Deutschland, 279f.; W. Pannenberg, Das christliche Inkarnationsdogma als Thema der Philosophie, 504f.; W. Pannenberg, Art. Unendlichkeit, 141f, bes. 142 (dort neben Hegel u. a. auch zu Descartes und Schleiermacher); W. Pannenberg, Der eine Gott als der wahrhaft Unendliche und die Trinitätslehre, 417ff, bes. 418f.; W. Pannenberg, Der Geist und sein Anderes, 153; W. Pannenberg, Theologische Motive im Denken Immanuel Kants, 898; W. Pannenberg, Der cimetière marin als religiöse Deutung, 272. 567 Vgl. W. Pannenberg, Nikolaus von Kues, 577.

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lichkeit begründet wird568. Der Mensch lebt im Unterschied zu Gott in der Sphäre der Andersheit; dem entspricht es, dass die Mutmaßungen als Wahrheitserfassung nur in der Andersheit (positiva assertio in alteritate569) möglich ist. Der Mensch hat Teil am göttlichen Geist570, ist mit diesem aber freilich nicht identisch. Menschliche Gedanken stehen kraft der imago dei (wenigstens) in einem Ähnlichkeitsverhältnis zu dem göttlichen Denken571. 3.4.2.4.3.16 Propositionen? Ein letzter zu thematisierender Wahrheitsträger ist die Proposition. Im Denken Pannenbergs kommt es auf ihre Hypothetizität an, die er an einer Stelle mit dem Hinweis auf den Sprachanalytiker Alfred J. Ayer in den Vordergrund rückt: „Empirical propositions are one and all hypotheses, which may be confirmed or discredited in actual sense-experience (93f., cf. 9).“572

Doch der Proposition scheint in Pannenbergs Theologie keine weitere Bedeutung zuzukommen; zumindest finden sich keine entsprechenden Ausführungen darüber, sodass mehr oder weniger unklar bleibt, was genau er darunter verstand. Dies ist umso bedauerlicher, je mehr Propositionen in der neueren Wahrheitstheorie Bedeutung genießen als Wahrheitsträger (z. B. bei L.B. Puntel). 3.4.2.4.3.17 Zwischenfazit Die eingangs formulierte These, dass die für Pannenbergs Theologie charakteristische Konzentration auf die Wahrheitsfrage speziell auf dem Gebiet der Sprache dadurch begünstigt, ja in vielerlei Hinsicht überhaupt erst ermöglicht wird, dass er der Darstellungsfunktion der Sprache einen Vorrang gegenüber anderen sprachlichen Funktionen einräumt, bestätigte sich konkret daran, dass bestimmte für Pannenbergs Theologie zentrale Ausdrücke sich von dem der Darstellungsfunktion der Sprache gemäßen Sprachmodus – der Aussage – her verstehen lassen und der Sache nach vielfach (wenn auch nicht ausschließlich!) als Wahrheitsträger fungieren.

568 Vgl. W. Pannenberg, Nikolaus von Kues, 578. 569 N. v. Kues, De Conjectures I, 11, n. 57. Dazu W. Pannenberg, Die bleibende Relevanz der Erkenntnislehre des Kusaners, bes. 149 u. 159. 570 Vgl. W. Pannenberg, Nikolaus von Kues, 578. 571 Vgl. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 214. 572 A.J. Ayer, Language, Truth and Logic, 93f u. cf.9. Zitiert nach W. Pannenberg, Die bleibende Relevanz der Erkenntnislehre des Kusaners, 161. Unklar bleibt, warum Pannenberg hier den Begriff der ‚Proposition‘ zitiert, ihn aber nicht von dem der Behauptung abgrenzt oder an anderer Stelle für seine eigenen Ausführungen aufgreift. Es liegt nicht zuletzt auch hier der Verdacht nahe, dass Pannenberg die eigens verwendeten Begriffe nicht präzise gebraucht und scharf voneinander abgrenzt.

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3.4.2.4.4 Zur Frage nach der Kompatibilität der verschiedenen Wahrheitsträger – Analyse und Kritik David McKenzie, der der Theologie Pannenbergs insgesamt vergleichsweise positiv gegenübersteht, hebt als eine Schwäche im Denken Pannenbergs hervor, zu versuchen „to incorporate too much, to attempt to accomodate too many diversified viewpoints“573. Dass er mit dieser Diagnose wohl nicht ganz falsch zu liegen scheint, zeigt die überaus beeindruckende Vielfalt an unterschiedlichen Wahrheitsträgern, die er gleichsam parallel in Anspruch genommen hat. Wie es um deren Kompatibilität bestellt ist, soll im Folgenden untersucht werden. Es gilt herauszufinden, ob die sämtlichen (zumeist) als Wahrheitsträger in Anspruch genommenen Termini leichtfertig aus ihren zum Teil sehr unterschiedlichen philosophischen und theologischen Theoriehorizonten für eine konstruktiv-synthetische Rezeption herausgegriffen werden können, ohne untereinander zu konfligieren. Es wird hier davon ausgegangen, dass manche Begriffe gut nebeneinander harmonieren und nicht (logisch) konfligieren. Daneben scheint mir die parallele Verwendung bestimmter Begriffe innerhalb eines systematischen Konzeptes, wie es seine Theologie im Ganzen repräsentiert, nicht (immer) ganz unproblematisch. Zunächst wende ich mich denjenigen Termini zu, deren Nebeneinander m. E. keine weiteren Schwierigkeiten aufwirft. Dies betrifft alle ‚Aussagen‘ (exklusive der ‚doxologischen‘), theologische ‚Sätze‘ mit ihrem kognitiven Charakter, ‚Behauptungen‘, ‚Belief-Sätze‘‚Hypothesen‘ ‚Assertionen‘ und ‚Urteile‘. Die konfliktlose, parallele Verwendung dieser Begriffe scheint mir in der Gemeinsamkeit begründet, dass sie als Mittel zur Artikulation von Wahrheitsansprüchen (d. h. als Wahrheitsträger) fungieren, im Sinne der darstellenden Funktion von Sprache auf die vom erkennenden Subjekt unabhängige Wirklichkeit bezogen sind (= referentieller Aspekt) und in einem (von Pannenberg letztlich kaum präzisierten) korrespondenztheoretischen Sinn ‚zutreffen‘ sollen. Doch nicht alle Begriffe scheinen untereinander zu harmonieren. 3.4.2.4.4.1 Antizipation versus Korrespondenz? Es stellt sich m. E. die grundsätzliche Frage, ob die Korrespondenzwahrheit mit der prinzipiellen Vorläufigkeit von Erkenntnis – d.i. die zentrale These der Epistemologie Pannenbergs – überhaupt vereinbar ist. Eine solche Vereinbarkeit scheint mir prinzipiell denkbar, wenn damit der Fall partieller korrespondentistischer (Wahrheits-)Erkenntnis gemeint sein soll. Diese Vorstellung findet sich einerseits in Pannenbergs Theologie repräsentiert durch die Überlegung, dass ein gegenwärtiger Anspruch auf Wahrheit un573 D. McKenzie, Wolfhart Pannenberg & Religious Philosophy, 145.

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Wolfhart Pannenbergs Wahrheitskonzeption

trennbar mit der Struktur von Behauptungen verbunden ist. Nun ist aber mit dem bloßen Vorhandensein eines Wahrheitsanspruches freilich noch nichts über den Wahrheitsstatus eines solchen Wahrheitsanspruches ausgesagt. Möglicherweise liegt darin der Grund dafür, dass Pannenberg in Bezug auf eine Wahrheit, die gegenwärtig in Anspruch genommen wird, ihre Strittigkeit herausstellt und im Ergebnis von einer Antizipation sprechen möchte574 (was die Rückfrage provoziert, ob damit nicht das potentielle Vorliegen korrespondenztheoretischer Wahrheit unterminiert wird). Aus der eigens gewonnenen Einsicht, die Pannenberg zur Einführung des Antizipationsbegriffs nötigte, resultiert jedenfalls wiederum für ihn die Frage, welche Auswirkungen damit für den Erkenntnisprozess verbunden sind. Pannenberg fragt in seiner Erörterung rhetorisch, „ob der antizipative Charakter menschlicher Erkenntnis bloß subjektiv und den erkannten Gegenständen äußerlich sein kann, wenn doch diese Erkenntnis jedenfalls möglicherweise und insoweit sie sich als Erkenntnis bewährt ihrem Gegenstand entsprechen soll [kursiv: T. L.] .“575 Es geht also um die Frage nach der Reichweite menschlicher Erkenntnisfähigkeit unter der Bedingung von Antizipation. Demnach kann antizipative Erkenntnis dem Gegenstand im Sinne aussagetheoretischer (Korrespondenz-) Wahrheit entsprechen. Doch Pannenberg relativiert die gegenwärtig mögliche Erkenntnis, was er anhand der alten metaphysischen Distinktion zwischen Wesen und Erscheinung zu verdeutlichen versucht: Die in gegenwärtigen Hypothesen formulierte Erkenntnis bringt Pannenberg mit dem Begriff der Erscheinung in Verbindung; in Form gegenwärtiger Hypothesen ist der Gegenstand auf diejenige Weise erfasst, wie er sich eben gegenwärtig darstellt576. Der Begriff des Wesens dagegen bezeichnet das (völlige) Wassein der Dinge, welches sich erst noch endgültig herausstellen wird577. In den auf aussagetheoretische Korrespondenzwahrheit abzielenden Hypothesen kommt dadurch (bestenfalls) das Wesen der Dinge (vorläufig) zur Erscheinung, während es endgültig erst noch zu Tage treten wird578. Pannenberg ist der Auffassung, dass diese Unterscheidung von Erscheinung einerseits und Wesen andererseits im Begriff der Antizipation bereits enthalten ist579. Wie sich zeigt, wird die hiesige Wahrheitsfrage als eine strukturell aussagetheoretische zurück auf die ontologische Ebene transponiert und in eine (eigentlich rein?)

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Vgl. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 43. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 44. Vgl. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 44. Vgl. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 44. Vgl. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 44. Vgl. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 44.

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ontologische Frage nach der Wahrheit der Dinge im Sinne ihres Wesens/Wasseins verwandelt (ebd.). Der Gedanke der Wahrheitsantizipation als ein Vorgreifen auf Wahrheit findet sich schon in seinem (frühen) Aufsatz „Ü b e r h i s t o r i s c h e u n d t h e o l o g i s c h e H e r m e n e u t i k “. Schon hier vertritt er die These einer stets nur antizipativen Zugänglichkeit von Wahrheit und betont, dass alle Antizipationen der Standpunktbedingtheit und Relativität ihres (historischen) Ortes, an welchem sie artikuliert werden, unterlägen580. Hier allerdings ist – und das ist sehr aufschlussreich – Wahrheit scheinbar noch deutlicher von einem ontologischen Wahrheitsverständnis her konzipiert, als es die stärker um die (formale) Aussagenwahrheit kreisenden Ausführungen in seiner „Wi s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d T h e o l o g i e “ erahnen lassen. Die für die Gegenwart antizipierte Wahrheit differiert (wie oben bereits erwähnt) von der Wahrheit in ihrer Endgültigkeit; sie ist die zum Vorschein gekommene endgültige Wahrheit, zumindest sofern diese in Form von künftiger Erfahrung nicht „überholt“ wird, d. h. sich als korrekturbedürftig erweist: „Die Gegenwart der Wahrheit kann aber ihrerseits nur als Antizipation, als Vorschein des Endgültigen und des durch das Ende konstituierten Ganzen aller Geschichte gedacht werden, wenn es richtig sein sollte, daß Wahrheit uns nur antizipierend zugänglich ist. Doch das muß die Gegenwart der Wahrheit nicht in Frage stellen, wenn die Erfahrung eines bisher nicht überholten und auch wenigstens nicht aus innerer Notwendigkeit der Überholung verfallenen Vorscheins des Endgültigen gegeben ist. Solcher Vorschein erwiese sich, wenn er tatsächlich nicht überholt wird, vielmehr als das Eingehen des Endgültigen in die Geschichte, so daß von daher ihre Ganzheit konstituiert wäre. Aber das ist selbst wieder eine Antizipation, deren Recht sich erst in Zukunft erweisen kann. Bis dahin wird der Differenz zum Endgültigen, die im Vorschein desselben als seiner Erscheinung liegt, entsprochen durch die Antizipation des im Vorschein Erscheinenden, und zwar in der Weiße, daß solche Antizipation die endgültige Wahrheit des Geschehenen als das definitive Zum-Vorschein-gekommensein des Endgültigen antizipiert.“581

Wie prekär Versuche sein können, über den Akt des Antizipierens zu Wahrheit vorzudringen, geht aus Pannenbergs eigenen Erwägungen deutlich hervor. Mit dem Akt des Antizipierens ist nach Pannenbergs fester Überzeugung keineswegs garantiert, dass tatsächlich auch Wahrheit antizipiert wird bzw. dass die Antizipationen selbst wahr sind:

580 Vgl. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 149f. 581 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 151; siehe ausführlicher zum Thema a. a. O. 152. A. a. O., 151 Anm. 30 weist er hin auf „[d]ie genauere Ausführung des hier nur gestreiften Begriffs der Erscheinung […] in meinem Vortrag: Erscheinung als Ankunft des Zukünftigen, in: Studia Philosophica 26, 1966, 192–207.“

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„Das Moment der Vorläufigkeit liegt im Begriff der Prolepse, sofern jede Antizipation vom Antizipierten verschieden bleibt: Sonst wäre sie nicht mehr Antizipation, sondern die Sache selbst. Daher ist eine Antizipation des Eschaton nur solange Antizipation, als sie nicht vollständig und in jeder Hinsicht mit der Wirklichkeit des Eschaton selbst identisch ist. Dennoch kann eine Antizipation des Endgültigen die Gegenwart der ihrem Inhalt nach unüberholbaren Wirklichkeit des Eschaton bedeuten. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die proleptische Gegenwart der eschatologischen Lebenswirklichkeit in Jesu Auferstehung von allen sonstigen proleptischen Phänomenen.“582

Später in „M e t a p h y s i k u n d G o t t e s g e d a n k e “ lesen wir es ähnlich. Die Besonderheit der Antizipation erkennt Pannenberg darin, dass sie zwei Aspekte in ihrem Begriff vereint, nämlich zum einen die Identität mit der antizipierten Sache und zum anderen aber auch die temporale Differenz zu ihr festhält: „Die Antizipation ist ‚noch‘ nicht in jeder Hinsicht identisch mit der antizipierten Sache; sie ist noch dem Risiko der Unwahrheit, des Scheiterns ausgesetzt. Aber unter Voraussetzung des künftigen Inerscheinungtretens der Sache in ihrer Vollgestalt ist in der Antizipation die Sache schon anwesend.“583

Das bedeutet, dass die Zukunft die Entscheidung über Wahrheit und Unwahrheit von Antizipationen fällen wird584. Der temporale Abstand zur alle ontologischen Fragen klärenden Zukunft rechtfertigt darum nach Meinung von Pannenberg einerseits die Annahme, dass Antizipationen grundsätzlich der Gefahr des Scheiterns (Unwahrheit) nicht entgehen können und menschliche Erkenntnis stets vorläufig und relativ bleibt. Andererseits will Pannenberg an der Möglichkeit gelingenden Antizipierens festhalten, d. h. mit der Möglichkeit von (Wahrheits-)Erkenntnis qua Antizipation rechnen. Man kann fragen, ob sich beide Aspekte konsistent miteinander verbinden lassen. T. Waap hat dies bezweifelt:

582 W. Pannenberg, Stellungnahme zur Diskussion, 335 Anm. 44. 583 W. Pannenberg, Metaphysik und Gottesgedanke, 75, dort ausführlicher. Vgl. außerdem noch die in dieselbe Richtung gehenden, vergleichsweise frühen Erwägungen Pannenbergs: „Im Gang der Geschichte ist alles in Veränderung begriffen, und alle Erfahrung von Bedeutung, Sinn und Wahrheit, insoweit sie geschichtlich bedingt ist, bleibt vorläufig. Das bedeutet nicht, dass in Situationen geschichtlicher Erfahrung bleibende Bedeutung und endgültige Wahrheit gar nicht erreichbar wären. Aber sie werden erlangt nur in der Weise der Antizipation. Antizipation ist eine Form der Gegenwart endgültiger Wahrheit und bleibender Bedeutung, aber verbunden mit einem Einschlag des Vorläufigen. Das charakterisiert auch die Situation des Glaubens im Gegensatz zum eschatologischen Schauen. Im Akt des Glaubens halten wir wir uns an die endgültige Wahrheit Gottes, aber die definitive Bestätigung unseres Glaubens wird erst mit der eschatologischen Vollendung kommen, wenn wir „schauen“ werden, was wir geglaubt haben.“ (W. Pannenberg, Geschichtliche Offenbarung Gottes und ewige Trinität, 245). 584 Vgl. exemplarisch W. Pannenberg, Metaphysik und Gottesgedanke, 69f.

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„Pannenberg muss dem kritischen Vorbehalt der Zukunft bzw. der Relativierung gegenwärtiger Aussagen und Begriffe nun auch ein konstruktives Element zur Seite stellen, sonst würde eine völlige Egalisierung und Pluralisierung der Erkenntnis und der Theorien eintreten. Wahre Erkenntnis ist natürlich immer noch möglich, insofern das antizipierte Ganze im Fragment der Antizipation gegenwärtig ist. Im Ausgriff auf die Totalität bestimmt diese das Ausgreifen, wird sie an ihm wirksam. Die Antizipation impliziert also einerseits die Relativierung einer Erkenntnis oder einer Aussage, anderseits bezeichnet sie aber auch deren Partizipation an der Wahrheit der Sache. Auf die Problematik dieser – zumindest spannungsreichen – Vorstellung ist hier nicht weiter einzugehen; es ist nur zu fragen, ob sich auf diese Weise eine Pluralisierung der Wahrheit – eine Vorstellung, die Pannenberg ja zutiefst ablehnt – vermeiden lässt. Denn wenn die Antizipation eine Teilhabe an der bzw. ihrer Wahrheit bedeutet, dann ist sie, solange sie sich ihrer Vorläufigkeit bewusst bleibt, nie falsch. Es gibt dann viele Wahrheiten und Ganzheiten, die antizpiert werden und der jeweiligen Antizipation ihre Wahrheit verleihen.“585

Dass Pannenberg in der Tat für solch eine ‚Pluralisierung der Wahrheit‘ nicht optierte, ist klar (s. o.). Dass es zu solch einem Missverständnis kommen könnte, liegt an einem ungewöhnlichen und in jedem Falle irritierenden Gebrauch des Ausdrucks ‚Antizipation‘: Entgegen einem strengen Sprachgebrauch, demzufolge nur das als Antizipation gelten könnte, was auch tatsächlich auf Wahrheit vorgreift, versteht Pannenberg Antizipationen als von den jeweiligen Sprechern subjektiv intendierte Antizipationen, also lediglich antizipative Ansprüche auf Wahrheit, ohne dass gesichert wäre, dass es sich tatsächlich um Vorgriffe auf Wahrheit handelt oder nicht. Man vgl. hierzu die problematischen Bemerkungen: „[D]enn wegen der Unabgeschlossenheit der Wirklichkeit und ihrer Sinnzusammenhänge bleiben immer auch noch andere Antizipationen endgültiger Wahrheit [kursiv: T. L.] möglich, wenn sie auch auf einem gegebenen Standpunkt noch so unwahrscheinlich erscheinen mögen.“586

Es mag in dem Einzelfall dem Anspruch nach Wahrheit antizipiert werden. Ob aber tatsächlich die Wahrheit antizipiert wird, bleibt im Einzelfall ggf. weiter zu klären. Die an Pannenberg zu richtende Frage ist daher die, ob eine Antizipation im strengen Sinne überhaupt jemals falsch sein könnte. Denn entweder es handelt sich um eine Antizipation – dann wird sie sich in der Zukunft, auf die sie vorgreift, auch als wahr erweisen. Oder aber es wird lediglich etwas behauptet und als Vorgriff ausgegeben, was sich in Zukunft nicht als wahr erweist. In diesem Fall wird man aber nicht gut von einer Antizipation, einem Vorgriff, sprechen können. Es hat schon Chr. Glimpel mit Recht Anstoß an Pannenbergs Ausführungen zum Thema genommen. Seine Formulierung, es sei „unter Vorausset585 T. Waap, Gottebenbildlichkeit und Identität, 355. Siehe zu seiner Kritik an Ontologie, Antizipation und Wahrheit auch a. a. O., bes. 354f. 586 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 347.

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zung des künftigen Inerscheinungtretens der Sache in ihrer Vollgestalt […] in der Antizipation die Sache schon anwesend.“587 läuft doch auf die Tautologie hinaus, „daß die Antizipation wahr ist, wenn sie sich als wahr herausstellt, m.a.W.: daß sie wahr ist, wenn sie wahr ist.“588 Aus alledem ergibt sich für Pannenbergs Sprachgebrauch, dass Antizipationen als Wahrheitsansprüche und Wahrheitsträger fungieren können, die (in ihrem Gebrauch) als Vorgriffe verstanden werden. Ob sie tatsächlich jedoch Wahrheit o. ä. antizipieren, also wirklich Antizipationen sind, will Pannenberg seiner retroaktiven Ontologie gemäß von der Zukunft allein abhängig machen. Eine weitere ernste Schwierigkeit scheint mir darin zu liegen, dass nach Meinung von Pannenberg alles Erkennen auf Antizipationen beruht. Wenn in Antizipationen auf die Wahrheit einer sich erst am Ende (der Geschichte) endgültig herausstellenden Wahrheit (Gottes, einer Sache etc.) vorgegriffen wird, dürfte sich hier die Frage erheben, wie diese Annahme als vereinbar gedacht werden kann mit der obigen Gruppe sprachlicher Ausdrucksmodi (= Aussagen, kognitive Sätze, Behauptungen, Hypothesen, Konjekturen, Urteile, Belief-Sätze und Assertionen), die alle ein unmittelbares bzw. bereits gegenwärtiges Zutreffen im korrespondenztheoretischen Sinn implizieren oder wenigstens zu erfordern scheinen. Die Vorstellung der Vorwegnahme des Zukünftigen in der Antizipation steht so der Vorstellung der Korrespondenz als eine Form der Präsenz von Wahrheit spannungsvoll entgegen. In eine sehr ähnliche Richtung tendiert schon die Kritik von M. Schulz. Er diagnostiziert in Pannenbergs antizipatorischer Theorie der Wahrheit einen Selbstwiderspruch, und zwar insofern konzeptionsgemäß Wahrheitswerte als lediglich hypothetisch-antizipatorisch eingestuft werden, im Horizont der Theorie selber aber aussagetheoretische (Satz-/Korrespondenz-)Wahrheit in Anspruch genommen wird (wie sie sich z. B. in der These artikuliert, dass es nichthypothetische Sätze nicht gebe) 589. 587 W. Pannenberg, Metaphysik und Gottesgedanke, 75. 588 So Chr. Glimpel, Gottesgedanke und autonome Vernunft, 204f. 589 M. Schulz hat folgendermaßen argumentiert: „Es leuchtet sofort ein, daß eine antizipatorische Wahrheitstheorie hinsichtlich ihres eigenen Wahrheitsanspruchs nicht mehr behaupten darf als sie selber als Theorie zu behaupten erlaubt – andernfalls wäre sie selbstwidersprüchlich […]. Der Wahrheitswert dieser Theorie ist demnach ebenfalls nur ein antizipatorisch-hypothetischer. Wie ist es aber um diese Einsicht bestellt? Keineswegs darf sie mehr als hypothetischer Natur sein. Aber was ist wiederum mit dieser Einsicht . . .? Es scheint sich eine unendliche Kette sich jeweils voraussetzender Hypothesen, die einander antizipieren, abzuzeichnen. Und nochmals: Auch diese Hypothesenkette darf den Status einer Hypothese nicht überschreiten; mehr als antizipatorisch wahr vermag sie ohne pragmatischen Widerspruch nicht zu sein […]. Kurz: Eine hypothetisch-antizipatorische Wahrheitstheorie beansprucht die Wahrheit des Satzes: Es gibt keine nicht-hypothetisch wahren Aussagen, und man beansprucht dies ebenso – unbedingt, nicht hypothetisch – für den eigenen Theorieanspruch. Der Selbstwiderspruch ist evident, obgleich man versucht,

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Pannenberg selbst bestreitet nun gegenüber Schulz zu Recht, eine antizipatorische Theorie der Wahrheit zu vertreten: „Es ist […] unrichtig, mir eine „antizipatorische Wahrheitstheorie“ zuzuschreiben […]: Es gehört zwar zur Logik von Behauptungssätzen, dass sie die Wahrheit des Behaupteten antizipieren, aber die Wahrheit selber ist nicht antizipatorisch. Was die Wahrheitstheorie betrifft, so bin ich für eine Kohärenztheorie der Wahrheit eingetreten, aber nicht für eine antizipatorische Struktur des Wahrheitsbegriffs selber.“590 Das ist korrekt. Abseits des nötigen korrespondentistischen Momentes auch in der Artikulation von Antizipationen bestünde die Problematik eines antizipatorischen Wahrheitsverständnisses (oder gar einer antizipatorischen Theorie der Wahrheit) (unabhängig von Pannenbergs Zurückweisung) präzise darin, dass die Einschätzung, dass Wahrheit nur per Antizipation zugänglich sei, lediglich die epistemologische Frage nach der Möglichkeit von Wahrheitserkenntnis beantwortete, nicht aber die definitorische nach seinem Wahrheitsverständnis. Insofern erstaunt es und bleibt unverständlich, dass Pannenberg irritierenderweise in seiner „Wi s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d T h e o l o g i e “ im Anschluss an Popper die These aufgestellt hat, der Begriff der Hypothese enthalte „das Moment der Antizipation oder Mutmaßung, damit aber auch ein antizipatorisches

ihn zu vermeiden.“ (M. Schulz, Zur Hegelkritik Wolfhart Pannenbergs und zur Kritik am „Antizipationsgedanken“ Pannenbergs im Sinne Hegels, 220). Die Hauptthese von M. Schulz lautet: „Die ‚prinzipielle Hypothetizität‘ und ‚Antizipativität‘ des Erkennens läßt sich ohne Selbstwiderspruch und Aporien nicht begründen. Das Antizipationsmodell bedarf einer nicht-hypothetischen Letztbegründung, um nicht sinnlos zu werden, um sich nicht im sog. Münchhausentrilemma zu verfangen. D. h., es darf nicht in einem infiniten Regreß einander voraussetzender und sich miteinander potenzierender Hypothesen enden oder auf den Abbruch des Regresses durch den behaupteten Einbruch der endgültigen Zukunft Gottes hinauslaufen, da diese Behauptung wieder nur Hypothese bleibt. Das Antizipationsmodell darf sich also nicht in einen logischen Zirkel einschließen, indem auf die Metahypothesen ‚Gott‘ oder ‚absolute Zukunft‘ Bezug genommen wird, um den Sinn der Hypothesenbildung zu begründen. Keine Flucht in die Zukunft oder in zukünftige Bewährung und/oder Nichtbewährung rettet vor dem Begründungsproblem der Theologie als Wissenschaft.“ (M. Schulz, Sein und Trinität, 436f: Schulz verweist auf E. Schmalenberg, Zum Verhältnis von Theologie und Wissenschaft, 201). Zu Schulz‘ weiterer Kritik an Pannenbergs Modell der Antizipation im größeren Horizont seiner Trinitätstheologie, Ontologie, Metaphysik und Hegelrezeption siehe auch a. a. O., 423ff sowie bes. 431ff. Worauf Schulz‘ Überlegungen hinauslaufen, hat der an ihn anknüpfende Vechtel (vgl. K. Vechtel, Trinität und Zukunft, 241ff) prägnant dargestellt: „Für Schulz folgt daraus, daß das Antizipationsmodell einer nicht-antizipatorischen bzw. nicht-hypothetischen Letztbegründung bedarf und diese de facto voraussetzt, insofern eine hypothetisch-antizipatorische Wahrheitstheorie die Behauptung des prinzipiell antizipatorischen Charakters der Erkenntnis mit einem unbedingten, nicht-antizipatorischen Geltungsanspruch vertritt.“ (K. Vechtel, Trinität und Zukunft, 242). Zu der m. E. erforderlichen Kritik der Kritik s. o. 590 W. Pannenberg, Geschichtliche Offenbarung Gottes und ewige Trinität, 245, Anm. 19. Seine Kritik erfolgt unter Bezugnahme auf die Ausführungen von M. Schulz in „Sein und Trinität“.

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Wahrheitsverständnis [kursiv: T. L.]“591. Pannenberg scheint hier offenkundig die Frage nach dem Begriff der Wahrheit mit derjenigen nach ihrer Erkennbarkeit zu verwechseln. Auch an anderer Stelle spricht Pannenberg irritierenderweise von „der antizipatorischen Struktur der Wahrheit dieses Inhalts [= Glaubensinhaltes]“592, was eine ebensolche, irritierende Bemerkung sein dürfte, aus der hervorgeht, dass Pannenberg Wahrheit und Wahrheitserkenntnis nicht immer sauber unterscheidet. Gleichwohl wird man annehmen dürfen, dass Pannenberg damit rechnet, dass seine Ausführungen zum Wahrheitsbegriff selbst strukturell hypothetisch und antizipatorisch sind und im korrespondenztheoretischen Sinne zutreffen, Pannenberg zur Begründung seines Hypothesen- und Antizipationsmodells also nicht auf Letztbegründungen angewiesen wäre, die über den Charakter des Hypothetischen und Antizipativen hinausgehen müssten. Den Anspruch auf Wahrheit für seine Darlegungen zum Wahrheitsbegriff dürfte Pannenberg sehr wohl konsequent und ohne weitere Schwierigkeiten als in seinem Sinne hypothetisch und antizipatorisch denken können – also nicht notwendig, wie Schulz meint, „unbedingt“ und „nicht-hypothetisch“. Von daher ergibt sich auch kein Selbstwiderspruch. Möglicherweise hat sich Schulz auch vom Pannenberg‘schen Hypothesenbegriff und den damit verbundenen Besonderheiten irritieren lassen. Hypothetisch impliziert (nicht nur für Pannenberg), dass gefragt werden kann, ob ein in Form von Wahrheitsträgern artikulierter Wahrheitsanspruch im korrespondenztheoretischen Sinne zutrifft oder nicht. ‚Antizipatorisch‘ zeigt stets nur an, dass eine Bestätigung einer durch Vorgriff beanspruchten Wahrheit noch ausbleibt, eine volle Erkenntnis erst in eschatologischer Zukunft möglich ist. Kann überhaupt das Verhältnis von Antizipation und Korrespondenz als ein spannungsfreies gefasst werden? Die Vorstellung, dass Antizipationen gegenwärtig bereits voll zutreffen könnten, steht der Vorstellung eines Vorgriffs – wie bereits angedeutet – schroff entgegen. Wenn Antizipationen als bereits gegenwärtig zuträfen, bedürfte es aber keiner Antizipation (und auch keines Zukunftshorizontes) mehr; auch der Aspekt der Korrespondenz scheint sich gegen eine Uminterpretation zu sperren: So wäre etwa die Vorstellung einer erst künftigen Korrespondenz zwischen einer Aussage und dem Objektrelat (etwa Gott, Welt, Sache etc.) geradezu absurd, da das Moment der Korrespondenz mit Unmittelbarkeit und Gleichzeitigkeit verbunden zu sein scheint. Im Akt des Behauptens oder Aussagens wird gewöhnlicherweise mit Korrespondenz gerechnet, nicht erst in einer (mehr oder minder fernen) Zukunft. Für klassisch korrespondenztheoretisch gefasste Wahrheitstheorien ist es jedenfalls charakteristisch, dass Wahrheit bereits (gegenwärtig) besteht – und zwar in dem be591 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 72. 592 W. Pannenberg, Den Glauben an ihm selbs fassen und verstehen, 369.

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anspruchten Korrespondenz-, Adäquations- oder Übereinstimmungsverhältnis. Gleichwohl hat Pannenberg schon in seinen Ausführungen in „M e t a p h y s i k u n d G o t t e s g e d a n k e “ den Versuch unternommen, Korrespondenz und Antizipation als vereinbar zusammenzudenken: „Die Form der Antizipation muß in einer Korrespondenz zur Eigenart dessen stehen, wovon behauptet wird, daß es antizipativ erfaßt wird und – jedenfalls unter den Bedingungen der Endlichkeit – nur so erfaßt werden kann. Könnte es sein, daß die antizipative Form des Erkennens einem Moment des „Noch nicht“ in der Wirklichkeit entspricht [kursiv: T. L.], auf die sich das Erkennen richtet?“593

Pannenberg bejaht die eigens gestellte rhetorische Frage vorsichtig594. Doch das wirft Fragen auf, die zielgenau auf die Problematik der Verknüpfung der Kategorie der Antizipation mit dem geläufigen, korrespondentistischen Wahrheitsgedanken hinführen. Diese Problematik im Denken Pannenbergs wahrnehmend, schreibt K. Vechtel: „Nach Jüngel sucht der Antizipationsgedanke die Behauptung größtmöglicher Offenheit der Wahrheitsfrage mit dem gegenwärtigen Anspruch auf Wahrheit widerspruchslos zu vereinen. […] Es wird zu fragen sein, inwieweit dieses Zugleich von Offenheit der Wahrheitsfrage und gegenwärtigem Anspruch auf Wahrheit im Antizipationsgedanken kohärent miteinander vereinbar ist. Bleibt die Übereinstimmung von Denken und Sein [kursiv: T. L.] in ihrem gemeinsamen Zukunftsbezug nicht eine bloß formale? Kann mit dem Hinweis auf die spezifische Form in sich reflektierter Antizipationen ein unendlicher Progreß einander sich ablösender (in sich reflektierter) Antizipationen überzeugend abgewiesen werden? Wie läßt sich die Gegenwart von Wahrheit im menschlichen Erkennen über einen antizipatorischen und provisorischen Charakter hinaus begründen?“595

Sicher nicht nur in dieser offenkundigen Inkommensurabilität liegt mutmaßlich auch der Grund dafür, dass sowohl in philosophischen wie auch theologischen korrespondenztheoretischen Entwürfen eine Einbeziehung der Kategorie der Antizipation nicht erfolgt596. Die Verschiedenheit der Korrespondenzwahrheit von einer Applikation der Antizipation lässt sich auch an einem Beispiel näher verdeutlichen: Eine Behauptung der Form ‚1+4 = 5‘ beansprucht Wahrheit im korrespondenztheoretischen Sinne, nämlich in demjenigen, dass sie zutrifft – und zwar bereits gegenwärtig 593 W. Pannenberg, Metaphysik und Gottesgedanke, 75. 594 Vgl. W. Pannenberg, Metaphysik und Gottesgedanke, 75f. 595 K. Vechtel, Trinität und Zukunft, 38. Siehe zu Darstellung und Kritik des Antizipationsmodells noch ausführlicher a. a. O., 238ff. Siehe auch dort Vechtels kritische Anfrage: „Läßt sich jedoch das Zugleich von Vorwegereignis und Offenheit von Wahrheit in der Antizipation kohärent rechtfertigen?“ (a. a. O., 238). 596 Mir ist jedenfalls keine philosophische oder theologische Korrespondenztheorie der Wahrheit bekannt, die implizit oder explizit die Kategorie der Antizipation bemühen würde.

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(auch wenn diese Wahrheit in der Vergangenheit zutraf und mutmaßlich auch in Zukunft zutreffend wird, weil es sich um so etwas wie eine a-historische, zeitindifferente oder ewige Wahrheit handelt).

Vom Gedanken der Antizipation her wäre die Wahrheit dieser Behauptung als vom Ende der Geschichte und der sich von dort her ergebenden Ganzheit abhängig gedacht, sodass ihre Wahrheit noch ‚offen‘ (d. h. unentschieden) wäre, was der Intention des Urhebers der obigen Behauptung wohl kaum entsprechen dürfte597. Es sei hier nochmals daran erinnert, dass Pannenberg die Verbindung der Korrespondenz mit der Antizipation epistemologisch begründet, etwa mit dem Hinweis, dass „die Sachkorrespondenz jeweils nur antizipiert werden könne“598, ja die Inanspruchnahme (aussagetheoretischer) Wahrheit (in Behauptungsform etwa) als Antizipation und Annäherung begriffen wird, weil die beanspruchte Wahrheit strittig bleibe. Da eine definitive Feststellbarkeit korrespondenztheoretischer Wahrheit gegenwärtig nicht möglich sei, wird die Korrespondenzwahrheit selbst antizipativ gedacht. Das ist aber wenig überzeugend, zumal er die Frage nach der Wahrheit mit derjenigen nach ihrer Feststellbarkeit (auch hier wieder) vermengt – sicherlich aufgrund des in seiner Sicht auch der Aussagewahrheit zugrundeliegenden ontologischen Wahrheit, die am Ende der Geschichte sich dem erkennenden Subjekt zeigen werde. Selbst wenn Pannenbergs Meinung geteilt wird, definitive Wahrheit sei erst eschatologisch möglich (im Sinne von: erkennbar), so tangiert dies nicht das gegenwärtige Zutreffen verschiedenster Wahrheitsträger, was immer dann der Fall ist, wenn Wahrheit vorliegt. Dessen ungeachtet dürfte auch die (arithmetische) Wahrheit von 2+2 nicht vom finalen Horizont abhängen, sondern eher zeitunabhängig sein, wie sowohl Pannenbergs Lehrer H. Vogel als auch sein Schüler Ph. Clayton hervorgehoben haben (s. o.).

597 Es erhebt sich hier auch die Frage, ob überhaupt für die Klärung von Wahrheitsfragen grundsätzlich immer ein finaler Horizont als Referenzpunkt vonnöten ist. In diese Richtung etwa geht die Kritik von Ph. Clayton: „In what way is the whole of history really required to account for the truth of ‚this is a dog‘ or, say, „2 + 2 = 4?“ (Ph. Clayton, Anticipation and Theological Method, 139). Die Einsicht Claytons, dass bestimmte Wahrheiten nicht von der Geschichte in ihrer Totalität abhängen, sondern auch ohne Bezug zur Zeit auskommen, hat auch Pannenbergs Lehrer Heinrich Vogel gesehen und in einem von Pannenberg zur Kenntnis genommenen Beitrag (vgl. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 202 Anm. 1 u. 2) dargelegt. Vogel schreibt: „Auch in einer Wahrheitsaussage wie der, daß 2x2 = 4 ist, geht es um ein Sein, nur eben so, daß der Satz – unbeschadet einer gewissen Relativität unserer Arithmetik – ohne Bezug zur Zeit wahr ist.“ (H. Vogel, Wann ist ein theologischer Satz wahr?“, 187). Pannenberg hat diesen Aufsatz bereits im Zusammenhang der Abfassung von ‚Was ist Wahrheit?‘ beachtet, ist jedoch der Frage nach zeitunabhängigen, ewigen Wahrheiten nicht weiter nachgegangen. 598 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 42f Anm. 62.

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Was hat die einzelne korrespondentistische, also strukturell aussagetheoretische Wahrheit selbst mit der erst final zu erreichenden Ganzheit zu tun? 599 Das Problem hierin ist nicht nur die Verknüpfung von Antizipation und Korrespondenz, sondern auch die parallele Verwendung verschiedener Wahrheitsbegriffe: Aussagetheoretische Korrespondenzwahrheit muss nicht in einem Zusammenhang stehen mit holisierender Wahrheit im Sinne von Ganzheit. Interessanterweise hat Pannenberg an anderer Stelle – und zwar bereits im Gespräch mit I. Berten – ausdrücklich von einer „‚notwendigen‘ (z. B. logischen oder mathematischen) Wahrheit“ gesprochen600. Eine (erneute) Reflexion auf diese Form von Wahrheiten hätte geholfen, die Zeitunabhängigkeit dieser ewigen Wahrheiten zu erkennen! Pannenberg selbst scheint sich dieser Spannung zwischen Antizipation einerseits und dem Moment der Korrespondenz bewusst gewesen zu sein. Sehr aufschlussreich ist hier sein Beitrag „D a s I r r e a l e d e s G l a u b e n s “ von 1983. Die Konjekturenbildung, auf welche Pannenberg (sicher nicht nur hier) für den Anspruch auf Wahrheit im korrespondenztheoretischen Sinn zurückgreifen will und kann, zielt auf adäquate Erfassung dessen, was auf der (objektiven) Ebene der Gegenstände dem Erkenntnisakt vorgegeben ist. Doch ist das möglich? Pannenberg erkennt für diese produktiven Bewusstseinsleistungen, wie sie in der Konjekturenbildung zum Ausdruck kommen, „zusätzliche Schwierigkeiten im Hinblick auf die Vorstellung von der vorgegebenen Gegenstandswelt selber“601. Es stellt sich für Pannenberg die Frage, wie diese Wirklichkeit – genauer die dem Erkenntnisprozess vorgegebenen Dinge – auf der ontologischen Ebene zu denken ist bzw. sind. Dass Pannenberg für eine ‚retroaktive Ontologie‘ optiert, ist bereits an anderer Stelle hervorgehoben worden. In diesem Zusammenhang argumentiert Pannenberg mit einer solchen Ontologie, die für die Erkenntnis der Dinge der Kategorie der Antizipation bedarf. Es wird sich zeigen, dass Pannenberg letztlich diese Ontologie und das Moment der Antizipation als die dieser Ontologie gemäße Form des Erkennens der Korrespondenzwahrheit und dem 599 Schon Harvey W. White (A critique of Pannenberg’s Theology and the Philosophy of Science, 426) erkannte: „The ‚totality‘ thesis is an a-priori in the sense that it is required if the anticipations are correct or, on another level, if present and past indeterminate meanings are to be determinate. In other words, if truth is to be possible and knowable, then a totality must be realized.“ 600 „Die Behauptung eines künftigen Endes der Welt auf Grund der Sinnstruktur der geschichtlichen Erfahrung – sofern sie die Totalität eines zeitlichen, jetzt noch unabgeschlossenen Prozesses zu fordern scheint, hat also nicht die Gewißheit einer ‚notwendigen‘ (z. B. logischen oder mathematischen Wahrheit) Wahrheit, sondern ist eine im Sinne Popper [sic] prinzipiell entkräftbare Hypothese, die mir unter Abwägung der gegenwärtig zugänglichen Daten bis auf weiteres plausibel erscheint. Eine Gewißheit anderer Art läßt sich aber bei Fragen dieser Art auch schwerlich erreichen“ (W. P., 16. 12. 1968).“ (a. a. O., 133). 601 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 1, 117.

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ihr zugehörenden Vorstellungshorizont feststehender Wesensidentität der Dinge überordnet: „Wird diese [sc. vorgegebene Gegenstandswelt] als in ihrem wesentlichen Bestande menschlicher Erfahrung vorgegeben und in sich abgeschlossen gedacht, so kann die Spontaneität menschlicher Gedankenbildung entweder im Sinne von die göttlichen Schöpfungsgedanken nachahmenden Konjekturen aufgefaßt werden, die nur im Grenzfall die in den Dingen selbst schon vorhandene Wahrheit […] adäquat erfassen, oder aber das produktive Moment in den menschlichen Erkenntnisfunktionen schießt als subjektive Zutat über den Wesensbestand der Dinge hinaus und verstellt damit deren Wahrheit.“602 „Anders ist die Sachlage dann, wenn die Wahrheit der Dinge selber als noch offen und unabgeschlossen zu verstehen ist. Dann können menschliche Sprache und Erkenntnis gerade dadurch, daß sie das Vorgegebene transzendieren, auf die noch offene Wahrheit der Dinge vorgreifen und so die Dinge in ihr real noch unvollendetes Wesen bringen.“603

Für Pannenberg selbst scheint letztlich zwischen Antizipation und Korrespondenz gar keinen Widerspruch zu erkennen – er verknüpft beide, wie an zwei Beispielen illustriert werden soll: „Wenn schon die sprachliche Benennung und Erkenntnis der Dinge und Sachverhalte der Welt vorgreift [kursiv: T. L.] auf eine künftige und definitive Erkenntnis ihrer Wahrheit, die doch schon die Wahrheit ihres gegenwärtigen Daseins ist, so verhält sich das religiöse Bewußtsein zu der Zukunft der Wahrheit selber, die die mögliche Übereinstimmung [kursiv: T. L.] einer produktiven menschlichen Subjektivität mit der ihr vorgegebenen gegenständlichen Welt begründet.“604 „Kennzeichnet Verwiesenheit auf Zukunft nicht nur das menschliche Dasein, sondern alles Seiende überhaupt, dann läßt sich nur im Vorgriff auf seine Zukunft sagen, was etwas ist, und dann ist das Gegenwärtige in seiner Erscheinung wesentlich Antizipation seiner Zukunft. Hat es damit seine Richtigkeit, dann impliziert der antizipatorische Charakter der Wesensbenennung eine eigentümliche Form der Übereinstimmung von Denken und Sein, die freilich konkret inhaltlich wieder nur in Gestalt von Antizipa-

602 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 1, 117. 603 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 1, 117. Ähnliche Erwägungen hat – worauf Pannenberg hingewiesen hat – G. Ebeling zur Erfassung der Wahrheit des Wirklichen angestellt, indem er (in G. Ebeling, Gott und Wort) erklärte, es sei „Sache des Wortes, das Nichtvorhandene, Abwesende gegenwärtig sein zu lassen“ (50) und urteilte, „Wahrheit ist die ins Wort gefaßte Wirklichkeit, also das Kundwerden dessen, was – als Geheiß und Verheißung – das Geheimnis der Wirklichkeit ist“ (47). Die hier von Pannenberg zitierten Überlegungen G. Ebelings werden – wenn ich recht sehe – von Pannenberg an keiner anderen Stelle weiter aufgegriffen und dürften darum weder für seine Ontologie noch für die Frage nach der Erkenntnis der Wahrheit der Dinge von größerer Bedeutung sein. 604 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 1, 130.

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tionen auftritt und deren endgültige Wahrheit ein Thema der Eschatologie [kursiv: T. L.] bleibt.“605

Die nicht nur hier zu Tage tretende Verbindung der Kategorie der Antizipation mit dem Moment der Korrespondenz hat schon Ronald D. Pasquariello im Denken Pannenbergs vorgefunden: „Thought corresponds to being in that thought pregrasps (Vorgriff) what preappears.“606 Sofern Pannenberg jedwede Korrespondenz als bloßen Vorgriff auf eine erst sich in der Zukunft vollends herausstellende ganze Wahrheit (‚Endgültigkeit der Wahrheit‘) interpretiert, vollzieht sich hier nichts weniger als eine Unterordnung der Korrespondenz (-theorie) unter die Kategorie der Antizipation607. Dieser Schritt ist von einem aussagetheoretischen Wahrheitsverständnis wie dem der Korrespondenztheorie nicht unmittelbar nachzuvollziehen, ist aber zu verstehen vor dem Hintergrund seiner geschichtlichen (Wahrheits-)Ontologie, derzufolge sich das Wesen der Dinge im Geschichtsprozess herausbildet, gegenwärtig darum als nur antizipativ zugänglich begriffen wird. Unzulässig scheint mir jedoch die absichtsvolle Beschneidung des Leistungspotentials der aussagetheoretischen Korrespondenz: Die Korrespondenzwahrheit kann nicht vom finalen Horizont abhängig gedacht werden. Korrespondenzwahrheit ist schon überall dort, wo ein Ist-Zustand adäquat ausgesagt wird. 3.4.2.4.4.2 Wahrheit, Konjekturen und Korrespondenz? Pannenberg anerkennt und übernimmt die von Cusanus behauptete prinzipielle Begrenztheit menschlichen Erkennens; auch dessen dafür gelieferte Begründung durch das Argument der Andersheit leuchtet Pannenberg ein608. Ist für ihn die 605 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 147. Dort mit Verweis auf seinen Aufsatz Erscheinung als Anknuft des Zukünftigen. 606 R.D. Pasquariello, Pannenberg’s Philosophical Foundations, 343. 607 Siehe dazu schon die Einsicht von Ronald D. Pasquariello (Pannenberg’s Philosophical Foundations, 338–347, bes. 343f), der wie folgt urteilte: „It is only on the basis of an understanding that truth is the whole that thought and being can become equatable – when, that is, they are grasped as reciprocally implicated in a dialectical process of development that aims at total comprehensiveness. […] Thought, because it can know, anticipates the call. It takes up the knowable, but is driven beyond it because finite being itself is only provisionally true.“ Chr. Mostert erkannte, dass bei Pannenberg die Korrespondenzwahrheit als „a matter of anticipation“ gilt (Vgl. Chr. Mostert, God and the Future, 118f): Der Wahrheitsgehalt einer jeden Aussage und jeder Kreatur wird von Pannenberg „from the standpoint of its final, eschatological truth or being“ gesehen (a. a. O., 120f). 608 Diese Begründung über die Gebundenheit unseres Erkennens an das Medium der Andersheit überzeugt Pannenberg im Übrigen mehr als diejenige I. Kants, der die dem Kusanus ähnliche Einschätzung von der Begrenztheit menschlicher Erkenntnis auf die (subjektiven) Formen menschlicher Erfahrungen zurückführte. Vgl. dazu ausführlicher W. Pannenberg, Die bleibende Relevanz der Erkenntnislehre des Kusaners, 160. An anderer Stelle – wie bereits gezeigt – will Pannenberg das Problem einer nur im Grenzfall möglichen adäquaten

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Begrenztheit menschlicher Erkenntnis überhaupt schon ein überzeugender Gedanke, so hält er die Vorstellung von ihrer Inadäquatheit in Bezug auf den speziellen Fall der Gotteserkenntnis für „besonders einleuchtend“609. So wie es Nikolaus von Kues schon formuliert hat, ist auch Pannenberg der Meinung, dass nur Gott selbst die (ganze) Wahrheit der Dinge in ihrem Wesen erreichen kann, während der Mensch dagegen nur Mutmaßungen anzustellen vermag610. Pannenbergs Anliegen ist es, eine Balance zu halten zwischen der Anerkennung der Möglichkeit von Wahrheitserkenntnis einerseits und der Benennung ihrer Grenzen andererseits: Pannenberg würdigt Cusanus‘ Erkenntnislehre als einen „frühe[n] Beitrag zum Thema der Endlichkeit menschlicher Erkenntnis“, innerhalb dessen menschliche Wahrheitsansprüche weder einem Skeptizismus noch einem Relativismus oder bloßen Subjektivismus zum Opfer fallen und bei aller anzuerkennenden Begrenztheit ihrer Reichweite „auf die Einheit der Wahrheit und darin auf Gott als die absolute Wahrheit“ bezogen gedacht werden, sodass menschliche Wahrheitsansprüche als „unterschiedliche Grade der Annäherung an die Wahrheit“ gelten können611. Mit seiner These, dass die von uns Menschen gebildeten Konjekturen grundsätzlich inadäquat blieben, hat Pannenberg die Grenzen menschlichen Erkennens aufzeigen wollen, was an sich noch kein Problem darstellt. Ein Problem dürfte auch weniger darin bestehen, dass er diesen Gedanken der Grenzen menschlichen Erkennens und die daraus sich ergebende Inadäquatheit der Konjekturen von Cusanus übernimmt. Das Problem scheint mir ein Anderes zu sein: Indem Pannenberg den Konjekturenbegriff in die Nähe der strukturell auf Korrespondenz abzielenden Hypothesen und Behauptungen (und Projektionen) rückt, liegt es nahe, auch für die Konjekturen anzunehmen, dass sie mit der Absicht auf Korrespondenz hin (und damit auf korrespondenztheoretische Wahrheit hin) formuliert werden. In der Tat scheint Pannenberg dies auch – bewusst oder unbewusst – zu intendieren. Das bestätigen manche korrespondentistisch anmutenden Formulierungen wie die, „daß die von ihm [sc. dem Menschen] produzierten Gedanken den realen Dingen entsprechen [kursiv: T. L.] können“612 oder die, dass „[d]er Entwurfcharakter aller geistigen Akte […] keineswegs aus[schließt], daß sich Erkenntnis auf außermenschliche Wirklichkeit beziehen und diese auch treffen [kursiv: T. L.] kann.“613

609 610 611 612 613

Erfassung der Wahrheit der Dinge durch Vorgriff / Antizipation auf deren sich erst noch herausbildende Wahrheit (= Wesen) lösen. W. Pannenberg, Die bleibende Relevanz der Erkenntnislehre des Kusaners, 159. Pannenberg bezieht sich auf De coni. I, Prologus, n.2 sowie I, 11, n.55. Vgl. W. Pannenberg, Die bleibende Relevanz der Erkenntnislehre des Kusaners, 159–162. W. Pannenberg, Die bleibende Relevanz der Erkenntnislehre des Kusaners, 162. W. Pannenberg, Die Theologie und die neue Frage nach der Subjektivität, 807. W. Pannenberg, Wie kann heute glaubwürdig von Gott geredet werden?, 53. Pannenberg will

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Doch ganz offenkundig lehnt Pannenberg mit seiner von Cusanus übernommenen These der Inadäquatheit der Erkenntnis ein solches Verständnis ab, was freilich dann aber auch die Nähe zum Hypothesen- und Behauptungsbegriff in Frage stellen dürfte. Nicht restlos geklärt scheint also die Frage, ob die mit den Konjekturen intendierte Erkenntnisrelation im Einzelfall doch als adäquate (also korrespondentistische) interpretiert werden kann oder ob ausnahmslos alle Konjekturen als inadäquate zu denken sind. Geht man wie Kusanus von der Inadäquatheit und Korrekturbedürftigkeit der Konjekturen aus614, erhebt sich allerdings die Frage, ob dann überhaupt noch sinnvoll von Erkenntnis gesprochen werden kann. Nun wird man Pannenberg wohl kaum vorwerfen dürfen, dass hier ein falscher Gebrauch des Konjekturenbegriffs vorläge. Konjekturen sind Mutmaßungen, daher allein schon hinsichtlich ihres Wahrheitsgehaltes begrenzt. Sie sind, wie Heinrich Ott es ausdrückte, „niemals richtige Sätze“, sondern eher so etwas wie „angefangene Wege hin zur Wahrheit.“615 „Sie können weiterbeschritten, verbessert, vertieft werden.“616 Das Kernproblem bei Pannenberg bleibt also die Tatsache, dass sich die so verstandenen Konjekturen wohl kaum mit dem Aspekt der Adäquatheit des Korrespondenzgedankens vertragen, den Pannenberg nicht nur grundsätzlich für seinen aussagetheoretischen Wahrheitstypus rezipiert hat, sondern auch insbesondere mit den diesen bedienenden Behauptungen und Hypothesen in Verbindung gebracht hat, die er – wie gezeigt – gerade in engen Zusammenhang mit den Konjekturen gestellt hat. Auf Korrespondenzwahrheit abzielende Aussagen können wohl kaum gleichzeitig als Konjekturen in diesem angegebenen Sinn interpretiert werden. Eine allerdings den Ausdruck Projektionen frei von den gängigen Vorurteilen diesem Begriff gegenüber verwenden und mahnt: „Nur zu oft ist allerdings ein derartiges Vorurteil mit der Beschreibung religiöser Erfahrungen als Projektionen [kursiv: T. L.] verknüpft worden. Man erklärte dann den Inhalt religiöser Erfahrungen als Spiegelung, als Übertragung anderer Erfahrungen auf die geheimnisvolle Macht, deren das religiöse Erleben gewahr wird. […] Der Gedanke einer personhaften göttlichen Wirklichkeit wäre nach dieser Auffassung überhaupt erst dadurch enstanden, daß der Mensch eine Seite seiner selbst von sich ablöste und für ein anderes, fremdes Wesen ausgab“, womit jedenfalls nicht das gemeint ist, was Pannenberg oben mit dem Begriff der Projektion meint. 614 Zur Inadäquatheit menschlicher Erkenntnis nach der Erkenntnislehre des Kusaners siehe die Bemerkungen von E. Rudolph, Der häretische Perspektivismus der Renaissancephilosophie, 234ff, bes. 235. Von E.F. Tupper (The Theology of Wolfhart Pannenberg, 292) wurde der oben beschriebene Aspekt der Inadäquatheit im Korrespondenzverhältnis (sicher nicht ganz zu Unrecht) auch auf den Hypothesenbegriff Pannenbergs bezogen: „Indeed, Pannenberg considers such constructive sketching of hypotheses fundamental to systematic theology; however, while some sketches are more convincing than others, he contends that none correspond [kursiv: T. L.] to the finality of the truth of God.“ 615 H. Ott, Bilanz der Diskussion um die vatikanische Primats- und Unfehlbarkeitsdefinition, in: Papsttum als ökumenische Frage, 230. 616 H. Ott, Bilanz der Diskussion um die vatikanische Primats- und Unfehlbarkeitsdefinition, in: Papsttum als ökumenische Frage, 230.

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epistemische Inadäquatheit stünde der mit dem Korrespondenzverhältnis beanspruchten Adäquatheit (mehr oder weniger) diametral gegenüber. Es wäre m. E. zudem zu fragen, ob überhaupt von Wahrheit der Konjekturen gesprochen werden kann, wenn diese als inadäquat, ja als bloße Annäherung gelten könnten. Überhaupt scheint Pannenberg das Verhältnis von Konjekturen zum Korrespondenzaspekt nicht weiter geklärt zu haben. Das Gros der hier benannten Schwierigkeit könnte dahingehend minimiert werden, dass trotz bestehender, genereller Inadäquatheit des Erkennens im Ganzen mit der Möglichkeit partiellen Zutreffens entsprechender Konjekturen gerechnet wird. Das wäre eine Lösung, die womöglich auch in Pannenbergs Sinne wäre. Ein zweites, damit eng verbundenes Problem ist die Verwendung zweier Wahrheitsbegriffe. Für die aussagetheoretische Korrespondenzwahrheit ist es mit Blick auf Wahrheit völlig zureichend, wenn die Aussage mit der Wirklichkeit korrespondiert, also zutrifft. Dadurch aber, dass Pannenberg sämtliche Wahrheitsträger – nicht nur die Konjekturen und Hypothesen – auf Wahrheit im Sinne der göttlichen Wahrheit bezieht, kann überhaupt erst die These aufgestellt werden, es bestünde eine Kluft zwischen den auf Wahrheit abzielenden Konjekturen (und Hypothesen) und erwähnter Wahrheit Gottes. Doch genau eine solche parallele Verwendung unterschiedlicher Wahrheitsbegriffe ist an sich heikel, da mit ihr unweigerlich ein äquivoker Sprachgebrauch heraufbeschworen wird. 3.4.2.4.4.3 Doxologie, Hypothesenbildung und das Moment der Korrespondenz Weitere Schwierigkeiten sehe ich im Zusammenhang mit Pannenbergs Behauptung des doxologischen Charakters theologischer Aussagen. Dies Problematik dürfte weniger bei der Frage liegen, ob doxologische Aussagen zugleich hypothetisch sein können, was etwa E. Jüngel in Zweifel zog, indem er behauptete, auch Pannenberg werde wohl „nicht behaupten wollen, daß es so etwas wie Doxologie als Hypothese oder Doxologie in Hypothesenform gibt.“617 M. E. muss der doxologische Charakter dogmatischer Aussagen nicht notwendig im Gegensatz zur hypothetischen Struktur stehen. Denn die Hypothetizität aller Behauptungen tritt (Pannenberg zufolge) zwar erst auf der Ebene der Reflexion zu tage, ist aber kennzeichnend für alle Aussagen der Theologie und des Glaubens. Ich wüsste im Übrigen nicht, mit welchem Argument das gut zu bestreiten wäre. Die Distinktion zwischen den erwähnten zwei Ebenen ist für Pannenbergs Argumentation wesentlich. Seine These, dass das Moment des Hypothetischen erst auf der Reflexionsebene ins Bewusstsein trete, gibt zu erkennen, dass bei Pannenberg die Reflexionsebene als eine übergeordnete Ebene 617 E. Jüngel, nihil divinitatis, ubi non fides, 212. Jüngel zeigt sich zwar skeptisch in Bezug auf die Vereinbarkeit beider Ausdrücke, führt aber nicht weiter aus, worin diese Unvereinbarkeit bestehen soll.

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verstanden wird. Denn es ist für ihn erst diese Ebene, auf welcher sich die Erkenntnis der Hypothetizität erschließt. Außerdem ist der im doxologischen Akt der Anbetung enthaltene Bezug zur Wahrheit auch in der Hypothese enthalten, sofern diese, in einem vom geläufigen Sprachgebrauch abweichenden weiteren Sinn, gewissermaßen Trägerin eines bestimmtes Wahrheitsanspruches ist. Doxologische Aussagen sind u. a. von Zeitbedingtheit gekennzeichnet, worin Pannenberg die seine gesamte Erkenntnistheorie prägende Vorstellung von der Vorläufigkeit (d. h. Endlichkeit, Revisionsbedürftigkeit oder Korrekturbedürftigkeit) menschlichen Erkennens zum Ausdruck kommt. Hier kann kritisch rückgefragt werden, wie angesichts einer solchen Grenze im menschlichen Erkennen Wahrheit im korrespondenztheoretischen Sinn möglich sein soll. Wenn – wie es Pannenbergs Intention entspricht – weder die Begrenztheit menschlicher Erkenntnis noch die Möglichkeit korrespondenztheoretischer Wahrheit ausgeschlossen werden soll, dann wird man dahingehend argumentieren können, dass der Mensch lediglich partiell zu zutreffender Erkenntnis gelangen kann, also nicht zu voller Erkenntnis Gottes oder eines anderen Erkenntnisgegenstandes gelangen kann. Die Inadäquatsthese verträgt sicht allerdings, wie bereits oben notiert, nicht gänzlich mit dem die Adäquatheit verlangenden Korrespondenzgedanken. 3.4.2.4.4.4 Äquivozität und Univozität als Kennzeichen menschlicher Rede von Gott? Eine noch größere Schwierigkeit dürfte jedoch darin zu sehen sein, dass Pannenberg – wenigstens in seinen frühen Aufsatzbeiträgen – für die doxologische Rede eine äquivoke Bedeutung unserer in Bezug auf Gott verwendeten Begriffe behauptet hat. Auch das wurde bereits oben angedeutet. Auf eine nicht zu unterschätzende Problematik (die auch nicht durch Pannenbergs Annahme einer begründeten Äquivokation vermieden werden kann) hatte bereits David McKenzie hingewiesen: „It seems to me, however, that the frank acceptance of equivocity tends to undermine Pannenberg’s otherwise thoughtful and well-developed theory of meaning and truth. To say that theological terms are equivocal in reference to God is, as Pannenberg sees, to say that we do not know what they mean in such reference. And if we take seriously the admission of ignorance in this regard, it becomes questionable why we are willing to use certain terms, such as ‚good‘, ‚loving‘, and ‚just‘, of God rather than others, such as ‚bad‘, ‚hateful‘, and ‚unjust‘.“618

618 D. McKenzie, Wolfhart Pannenberg & Religious Philosophy, 40.

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„Pannenberg’s ‚doxology‘ is beset by the same problem. If terms such as ‚good‘, ‚loving‘, and ‚just‘, are equivocal in reference to God and humanity, then our use of them in regard to God has essentially no meaning.“619

Zumindest wäre unter der Voraussetzung der Äquivozität die Bedeutung unserer in Bezug auf Gott verwendeten Begriffe unklar, was der Intention (zumindst vieler) theologischer Aussagen gänzlich entgegenstehen dürfte. Es ergäben sich auch Schwierigkeiten hinsichtlich der von Pannenberg hervorgehobenen Möglichkeit eschatologischer Verifikation. Eine solche scheint unmöglich, wenn nicht (ganz) klar bleibt, was bestimmte Aussagen über Gott meinen: „Unfortunately, according to Pannenberg’s program, eschatological verification seems really to be an impossibility. It would seem that a necessary condition for the possibility of verification of a statement is that those who seek to verify it know what it means. If they do not, then obviously they will have no idea as to what state of affairs might serve to verify or falsify the claim. If Pannenberg’s equivocity is taken for what it says, then there is no way for us, or anyone else, to know what a statement about God means, and hence there is no way in which such a statement might be evaluated.“620

Den kritischen Bemerkungen von McKenzie scheint kaum noch etwas hinzuzufügen sein, außer vielleicht noch sein Hinweis auf die Folgen, die aus einem äquivoken Gebrauch resultieren können: „In fact, it becomes impossible to erect any kind of criterion which could serve to distinguish terms that might properly be used of God and those that could not be so employed. In this case, it might be best not to say anything about God at all, in other words, to become a mystic on the one side or an agnostic on the other.“621

Der Schritt hin zu einer apophatischen Theologie, die nichts oder (wenigstens nicht viel) über Gott zu sagen weiß, könnte dann durchaus konsequent sein, kann natürlich aber nicht im Interesse Pannenbergs gelegen haben, da er der Wahrheitsfähigkeit theologischer Aussagen besondere Aufmerksamkeit geschenkt hat622. Doch unter der Bedingung einer solchen Äquivozität dürfte eben genau

619 D. McKenzie, Wolfhart Pannenberg & Religious Philosophy, 41. 620 D. McKenzie, Wolfhart Pannenberg & Religious Philosophy, 42. Zu dieser Problematik siehe ausführlicher a. a. O., 41ff. 621 D. McKenzie, Wolfhart Pannenberg & Religious Philosophy, 41. 622 Abgesehen davon erheben sich gegen die apophatische Theologie eine Reihe grundsätzlicher Bedenken. Vgl. dazu die instruktiven Ausführungen A. Kreiners (Wahrheit und Perspektivität religiöser Rede von Gott, 55ff): Vor allem die von Vertretern der apophatischen Theologie nicht selten behauptete Unerkennbarkeit und Unbeschreibbarkeit Gottes erweist sich als höchst problematisch: Denn wenn Gott tatsächlich unerkennbar sein soll (und deshalb unsere Begriffe nicht auf Gott angewendet werden könnten), dann müsste hierfür bereits erkannt worden sein, dass Gott unerkennbar ist. Ein Selbstwiderspruch scheint hier unausweichlich.

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diese Wahrheitsfähigkeit in Frage gestellt sein. Sollte Pannenbergs Anliegen so zu verstehen sein? Es erfährt, wie oben gezeigt, die Äquivozitätsthese bei Pannenberg eine nicht unerhebliche Relativierung durch die These, dass jede Analogie ihrerseits ein Element der Univozität voraussetzt, sodass dadurch letztlich so etwas wie eine korrespondentistische Wahrheit möglich zu werden scheint, freilich im Horizont der von Pannenberg abgesteckten epistemischen Grenzen. D. h. aber heißt auch folgenrichtig, dass die Kritik von McKenzie einer Relativierung bedarf: Univozität scheint den semantischen Gehalt unserer in doxologische Aussageform gekleideten Rede von Gott wenigstens ein Stück weit zugunsten der Wahrheit zu sichern. 3.4.2.4.4.5 Assertionen und Hypothesen zugleich? H. Krings übte Kritik an Pannenbergs Inanspruchnahme des Hypothesenbegriffs. Nicht nur, dass er (ihm) unklar sei, bemängelte er. Für ihn scheint gegen die Anwendung des Hypothesenbegriffs in der Rede über Gott zu sprechen, dass es keine Möglichkeit zu geben scheint, bestimmte religiöse Sätze über Erfahrungen empirisch zu verifizieren oder zu falsifizieren: „Welche Erfahrung z. B. soll der Satz, der die Auferstehung aussagt, verifizieren oder falsifizieren? Diese Problematik gilt m. E. ebenso wie für religiöse Tatsachenbehauptungen auch für das Reden über Gott und die Beziehung zu Gott. Die Theologie redet hypothetisch z. B. über Traditionsformen, historische Kontexte, literarische Zeugnisse usw. Aber darum wird der Gehalt nicht zur Hypothese, – schon deswegen nicht, weil er keinen empirischen Sachverhalt betrifft. – Hier wäre eine Klärung des methodologischen Gebrauchs von Hypothese in der Theologie erwünscht.“623

Krings spielt damit auf ein sich in der Theologie hartnäckig haltendes Vorurteil an, dass Gott sich jeder Bewahrheitung über Erfahrung entzöge, wogegen Pannenberg sich indirekt mit einem aposteriorischen Verifikationsverfahren wand (s. u.). Allerdings kann die Legitimität der Bezeichnung bestimmter Aussagen als Hypothesen wohl kaum als von der Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer bestimmten Form ihrer Überprüfung, welcher Form auch immer, abhängig gedacht werden. Krings‘ Kritik geht jedoch noch einen Schritt weiter. Er urteilt, „[e]in hypothetischer Glaubenssatz ist eine contradictio in adjecto.“624 Krings meint, eine Unterscheidung zwischen Glaubenssatz und Interpretationssatz einfordern zu müssen. Er könne nicht sehen, wie etwa der Glaubenssatz „Gott hat Jesus auf623 So H. Krings in der Diskussion über die Wahrheit Gottes in: W. Oelmüller (Hg.), Wahrheitsansprüche der Religionen heute, 291. 624 So H. Krings in der Diskussion, in: W. Oelmüller (Hg.), Wahrheitsansprüche der Religionen heute, 292f.

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weckt“ „zur Disposition gestellt werden könnte.“ (ebd.) Anders dagegen verhalte es sich bei einem Interpretationssatz: „Wenn ich sage, ich verstehe diesen Satz in diesem Sinne und in dieser Form, dann stelle ich ihn reflexiv zur Disposition, aber eben als Interpretationssatz.“625 E. Jüngel versteht Pannenberg darin richtig, dass Pannenberg mit Assertionen und Hypothesen nicht „zwei verschiedene Mengen von Sätzen meint“626. Jüngel ist aber im Gegensatz zu Pannenberg der Überzeugung, dass „in ein und derselben Hinsicht eine Aussage nicht gut sowohl assertorisch als auch hypothetisch sein“ könne627. Jüngel sieht erhebliche Bedenken im Verständnis der Glaubensaussagen als Hypothesen. Doch außer dem Gefühl „eines starken Unbehagens“ scheint er sachlich nichts gegen die Verwendung des Hypothesenbegriffs auf die Glaubensaussagen (Assertionen) einzuwenden zu haben. Das hängt sicher auch damit zusammen, dass Jüngel anders als Pannenberg unter Assertionen nicht (profane) Behauptungen versteht, sondern sie offenbar als einen theologischen Sprachmodus begreift, sodass sich von daher offenbar die Übernahme des Hypothesenbegriffs zu verbieten scheint628. Pannenberg hat in seiner Antwort an Jüngel betont, dass beide Momente – die des Assertorischen und Hypothetischen – gut miteinander vereinbar seien, ja sogar einander erforderten629. Man mag m. E. mit Jüngel bezweifeln (können), dass Aussagen in ein und derselben Hinsicht sowohl assertorisch als auch zu625 So H. Krings in der Diskussion, in: W. Oelmüller (Hg.), Wahrheitsansprüche der Religionen heute, 293. 626 E. Jüngel, nihil divinitatis, ubi non fides, 209. 627 E. Jüngel, nihil divinitatis, ubi non fides, 209f. Jüngel meinte kritisch, „Pannenberg [halte] es für unerläßlich, die Assertionen des Glaubens in den wissenschaftstheoretischen Status der Hypothese zu überführen [kursiv: T. L.]“ (a. a. O., 211), woran sich später S. Vasel (Philosophisch verantwortete Christologie und christlich-jüdischer Dialog, 555) anschloss. Zur Problematik dieses Gedankens einer (etwa künstlichen) Überführung s. u. 628 Man vgl. Jüngels ironische Bemerkung: „Trotz erheblicher wissenschaftstheoretischer Bedenken gegen Pannenbergs Verwendung des Hypothesenbegriffs und trotz eines starken Unbehagens über das sich in dieser Konstruktion ausdrückende Verständnis vom Wesen der theologischen assertio mag die derart konstruierte Vereinbarkeit des hypothetischen Charakters theologischer Aussagen mit ihrem assertorischen Charakter „hypothetisch“ unterstellt werden.“ (E. Jüngel, nihil divinitatis, ubi non fides, 212). Ganz ähnlich hat sein Kollege und Schüler J. Fischer Anstoß genommen an Pannenbergs Inanspruchnahme des Hypothesenbegriffs im Bezug auf das existenzielle Reden von Gott aus der Perspektive des Glaubens: „Die mit dem Wort ‚Gott‘ bezeichnete Wirklichkeit hat vielmehr eine existenzielle Dimension, zu der wir uns nicht bloß hypothetisch verhalten können. Der Gedanke Gottes als alles bestimmende Wirklichkeit schließt ein, dass er auch die mich bestimmende Wirklichkeit ist. Lässt sich das im Sinne einer Hypothese ohne Festlegung im Blick auf Wahrheit oder Falschheit annehmen oder erweist sich Gott als die mich bestimmende Wirklichkeit nicht erst im Glauben, der solchen Bestimmtwerdens gewahr wird?“ (J. Fischer, Gott im Spannungsfeld zwischen Glaube und Wissen, 104). 629 Vgl. W. Pannenberg, Den Glauben an ihm selbs fassen und verstehen, 364.

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gleich hypothetisch sein können. Und doch wird man kaum bestreiten können, dass auch die Aussagen des Glaubens faktisch hypothetisch (nach dem Sprachgebrauch Pannenbergs) und generell strittig sind, sie müssen nicht erst zu Hypothesen per Überführung gemacht werden – sie sind es entweder oder sie sind es eben nicht. Wenn sie es, wie Pannenberg meint, (objektiv) sind, dann nützt es auch nichts, mit Jüngel und Fischer auf subjektive Befindlichkeiten aufmerksam zu machen oder, wie W. Joest meinte, sich des Hypothesenbegriffs dadurch entledigen zu können, dass darauf hingewiesen wird, „mit hypothetischem Vorbehalt“ könne man sich auf den christlichen Glauben nicht einlassen630. Die Erkenntnis ihrer Hypothetizität tritt Pannenberg zufolge erst auf der Reflexionsebene zu Tage – das scheint mir sehr plausibel zu sein. Aus der Feststellung jedoch, dass die Hypothetizität erst auf der Ebene der Reflexion bemerkt wird, kann nun nicht gefolgert werden, dass die Hypothetizität nur für eben diese Ebene der Reflexion gilt. Denn es wäre geradezu absurd, von einer über den Weg der Reflexion gewonnenen Erkenntnis anzunehmen, dass ihr Geltungsradius auf diejenige Ebene beschränkt wäre, von der sie gewonnen wurde. Darum muss letztlich zwischen Assertionen und den Hypothesen auch kein Widerspruch bestehen. (Entsprechendes gilt aus meiner Sicht für die Verknüpfung von Doxologie und hypothetischem Reden – das Jüngel ebenso für unmöglich hält [s. o.]). Allerdings zeigt dieses ‚erst‘ doch unmissverständlich an, dass Pannenberg die Reflexionsebene als eine gegenüber der Ebene des Assertorischen übergeordnete Ebene aufgefasst hat, ja als eine überlegene Ebene auffassen musste, wenn sich auf dieser Ebene erst die Einsicht in die Hypothetizität allen Aussagens ergeben soll. Dessen ungeachtet bleibt die faktische Hypothetizität das entscheidende – und abhängig davon, ob dies irgendjemandem gefällt oder ob dies irgendjemand – auf welcher Ebene auch immer – bemerkt. Dieser (von Pannenberg bedauerlicherweise übergangene) Gesichtspunkt ist von A. Kreiner herausgestellt worden: Bei der Frage, ob Glaubensaussagen als Hypothesen zu bezeichnen sind, geht es nicht um die Frage, ob irgendjemand sie zu solchen erklärt oder nicht. Sie sind, ich wiederhole, es entweder (objektiv), was hier behauptet wird, oder sie sind es nicht. Die Hypothetizität von etwas hängt in jedem Falle nicht davon ab, ob wir in Bezug auf etwas diesen Charakterzug behaupten wollen oder im gegenteiligen Fall dies nicht weniger absichtsvoll unterlassen möchten. Denn das würde ja nur bedeuten können, dass die objektive Struktur von etwas davon abhinge, wie etwas subjektiv bewertet wird. Solange nur die subjektive Einstellung zu dieser Frage thematisch wird, bewegen wir uns – mit Kreiner gesprochen 630 Siehe W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 67f; Pannenberg zitiert aus W. Joest, Fundamentaltheologie, 253 (a. a. O., 67). Pannenberg gesteht zwar zu, dass diese Einschätzung „als Beschreibung des Glaubensaktes sicherlich zutreffend“ (ebd.) sei, auf Reflexionsebene (s. u.) die hypothetische Struktur aber zu erkennen sei.

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– nur im Umfeld der Psychologie, in der Epistemologie angekommen zu sein heißt sich damit auseinanderzusetzen, wie sich die Dinge, Sachverhalte o. ä. selbst verhalten – unabhängig von unseren (wie auch immer motivierten) Einstellungen zu ihnen631. Das gilt es festzuhalten sowohl gegen Krings, der die Ablehnung des Hypothesenbegriffs mit dem wiedergegebenen Argument zu begründen suchte, dass es bei Glaubenssätzen (subjektiv) nichts zur Disposition zu stellen gebe, als auch gegenüber Jüngel, der aus einer entschiedenen Glaubensperspektive heraus und offensichtlich von einem Verständnis einer theologischen assertio her ganz ähnlich wie Krings auf die subjektive Einstellung zum Glaubenssatz rekurrierte, anstatt wie Pannenberg auf die faktisch vorhandene Struktur von (Glaubens-)aussagen zu blicken und diese aufgrund ihrer inhärenten Merkmale zugleich als Hypothesen im beschriebenen Sinne anzuerkennen632.

631 Vgl. hierzu die instruktiven Ausführungen von A. Kreiner: „Die Frage, ob und inwiefern Gläubige ihren Glauben als Hypothese bezeichnen würden, spielt hier keine Rolle. Im Grunde handelt es sich dabei um eine Frage der Psychologie, nicht der Epistemologie. Unter epistemologischem Aspekt geht es nicht um die Einstellung von Subjekten zu ihren Überzeugungen, sondern um den logischen Status dieser Überzeugungen. Weder eine phänomenologisch noch eine theologisch adäquate Analyse des Glaubensvollzugs können natürlich ohne Berücksichtigung der subjektiven Einstellung auskommen. […] In epistemologischer Perspektive trifft diese Beschreibung exakt zu und zwar unabhängig davon, ob einzelne Gläubige dem nun zustimmen oder nicht. Keine Überzeugung verliert ihren hypothetischen Charakter dadurch, daß sie mit absoluter Entschiedenheit geglaubt wird. Für viele Menschen mögen einige Überzeugungen subjektiv in der Tat gar nicht falsch sein können. Objektiv hingegen kann dies natürlich durchaus der Fall sein.“ (A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 513 Anm. 18). 632 Kreiner hat eine plausible Erklärung dafür gefunden, warum an der These der Hypothetizität von Glaubensaussagen in der Theologie oftmals Anstoß genommen wird: „Das Problem läßt sich folgendermaßen formulieren: Der Gläubige ist den Glaubensaussagen in einer Weise verpflichtet, die es unmöglich macht, sie nur als vorläufig gültige und akzeptable Hypothesen zu betrachten. Diese Einstellung ist mit der Glaubenshaltung unvereinbar. Die fallibilistische Prämisse droht die Glaubensgewißheit in eine chronische Ungewißheit zu verkehren. Der Glaubende scheint demnach permanent damit rechnen zu müssen, daß sich seine Glaubensüberzeugungen als Irrtum erweisen. Dies widerspricht diametral dem Anspruch des Glaubens, eine Gewißheit zu gewähren, die jede andere Form der Gewißheit übertrifft, insofern sie eben nicht auf menschlicher Vergewisserung, sondern auf dem Wort Gottes gründet.“ (A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 572) Wie eingangs gezeigt wurde, ist die Gewissheitsfrage von der Wahrheitsfrage zu trennen. Es ist im Übrigen auch nicht zu erkennen, wie auf eine angeblich spezielle Form von Aussagen – z. B. theologische Assertionen – rekurriert werden könnte, denen ein wie auch immer gearteter Sonderstatus beigemessen werden könnte, was bspw. die mit ihnen beanspruchte Wahrheit betrifft. Die Gewissheit mag bei solchen Assertionen durchaus hoch und im Vergleich zu nüchtern vorgetragenen Hypothesen sogar exorbitant hoch sein. Mehr als Wahrheit nur zu beanspruchen, vermögen beide Wahrheitsträger nicht zu leisten.

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3.4.2.4.4.6 Zwischenfazit Die in diesem Kapitel erörterte Frage nach der Kompatibilität der verschiedenen, zumeist als Wahrheitsträger fungierenden Termini kann mit dem Ergebnis beantwortet werden, dass keineswegs alle miteinander kommensurabel sind – zumindest nicht ohne weiteres. Ursächlich verantwortlich für die (m. E. beachtliche) terminologische Pluralität sind die unterschiedlichen Theorie- und Denkhorizonte, aus denen sie stammen und denen Pannenberg sich schwerpunktmäßig in teilweise unterschiedlichen Stationen seines wissenschaftlichen Schaffens zugewandt hat. Die respektable Umsicht auf sämtliche philosophische und theologische Felder zieht, wie sich zeigte, unweigerlich die Herausforderung nach sich, zu klären, ob unterschiedliche Termini berechtigterweise in einem dogmatischen Nebeneinander stehen können, da sie sich dafür konfliktfrei, d.i. hier kompatibel und kommensurabel, zueinander verhalten müssten. Den oben angerissenen kritischen Anfragen müsste im Einzelnen weiter nachgegangen werden. Manche Spannungen können m. E. dadurch beseitigt werden, dass die verwendeten Begriffe präziser gefasst werden; möglicherweise müsste auch der ein oder andere Wahrheitsträger zugunsten eines anderen aufgegeben werden, was mitbedeuten könnte, dass von einem bestimmten Denkhorizont Abstand genommen werden müsste. Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass der ausgiebige Gebrauch verschiedener Wahrheitsträger bei Pannenberg nicht dazu geführt hat, sein auf die Ontologie fixiertes Wahrheitsverständnis zu revidieren. Faktisch ist jedenfalls auch für Pannenbergs Denken die sprachliche Bezugnahme auf Außersprachliches wesentlich, weshalb auch er prinzipiell für ein semantisch-ontologisches Wahrheitsverständnis hätte optieren können. 3.4.2.5 Adaption oder Deviation? Zu Pannenbergs Rezeption der (modernen) Korrespondenztheorie der Wahrheit Einerseits bezeugt Pannenbergs denkerischer Umgang mit dem Phänomen Wahrheit eine Prägung durch den Vorstellungshorizont der aussagetheoretischen (Korrespondenz-)Wahrheit, worauf dieses Kapitel näher eingeht. Andererseits ist unübersehbar, dass Pannenbergs Ausführungen wiederholt von einer Dominanz der ontologischen Wahrheit geprägt sind, die das korrespondentistische Begehren konterkarieren. Auch das ist ein Gegenstand dieses Kapitels. Zunächst wende ich mich der Korrespondenzrelation selbst zu und frage danach, wie sie von Pannenberg bedacht oder bestimmt worden ist.

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3.4.2.5.1 Some link? Zur Frage nach der Beschaffenheit der Korrespondenzrelation Es ist hinreichend deutlich geworden, dass Pannenberg auf die Korrespondenztheorie der Wahrheit rückgreift und dabei nicht anders als üblich auch den Gedanken eines irgendwie gearteten Korrespondenz- oder Übereinstimmungsverhältnisses zwischen den zwei Ebenen der Erkenntnisrelation postuliert. Die schwierigste Frage, der sich die Korrespondenztheorie jedoch seit jeher konfrontiert sieht, besteht in der Frage nach der Beschaffenheit der Relation zwischen Subjekt- und Objektrelat. Es geht um nichts weniger als um die Frage nach Struktur und Eigenart des Korrespondenzverhältnisses selbst. Wie lässt sich diese Erkenntnisrelation genau bestimmen und worin besteht sie? Es ist die grundsätzliche (An-)Frage, wie überhaupt eine Relation zwischen einer semantischen bzw. sprachlichen Ebene einerseits und einer ontologischen Ebene andererseits angenommen und erklärt werden kann633. Ein immer wieder angeführtes Argument gegen die Korrespondenztheorie der Wahrheit besteht darin, dass die Möglichkeit einer wie auch immer gearteten Erkenntnisrelation grundsätzlich in Frage gestellt wird, und zwar nicht selten mit dem Hinweis auf die Heterogenität der beiden Bereiche der Erkenntnisrelation. So wird gelegentlich eine Inkommensurabilität zwischen beiden Korrelaten angeführt. Denn – so wird gelegentlich behauptet – „es gebe gar kein gemeinsames Maß, mit Hilfe dessen sich innerhalb beider Gegenstandsbereiche einheitliche ‚Vergleichswerte‘ ermitteln ließen“634. Ist vielleicht die angenommene Korrespondenz nur „vage, dunkel, unklar, unpräzise, metaphorisch o. ä.“635? Ist sie vielleicht sogar „unheilbar metaphorisch“, etwa wenn von der Korrespondenz abstrakter Entitäten die Rede ist? 636 Gibt es möglicherweise „too many correspondences“, wie H. Putnam meint, sodass Aussagen die Tatsachen nur mehr oder weniger ungenau träfen637. 633 Vgl. dazu auch A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 108. 634 L. Gerbracht, Wahrheit und kognitive Perspektive, 65. Gerbracht nennt als Verfechter dieses Argumentes F. Brentano, W. Del-Negro, A. Kastil, G. Frege und J. Habermas. 635 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 98. Kreiner, der selbst für eine Korrespondenztheorie votiert, setzt sich mit diesem und mit anderen klassischen Kritikpunkten an der Korrespondenztheorie auseinander. Zu solchen geläufigen Einwänden und der aus ihnen hervorgehenden Kritik an der Korrespondenztheorie s. A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 98–117. Kreiner gibt in seiner Kritik der Korrespondenztheorie-Kritik zu bedenken, dass jede Explikation auf Begriffe rekurrieren muss, „die ihrerseits nicht nochmals expliziert werden.“ (A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 98). 636 So die Kritik an der Korrespondenztheorie durch H.-D. Heckmann, Was ist Wahrheit?, 201ff (zit. 201): Bei der Anwendung auf abstrakte Entitäten, begehe man laut Heckmann (a. a. O., 202) eine „metabasis eis allo genos“. Die Rede von einer Übereinstimmung werde „inhaltsleer“, was er an dem Beispiel der Proposition „Cäsar wurde ermordet“ zeigen will. Die Korrespondenz besage hier nur, dass a) die Präposition Cäsar wurde ermordet existiert und b) dass dieser Sachverhalt existiert und c) dass diese Proposition genau dann wahr ist, wenn der Sachverhalt (Cäsar wurde ermordet) besteht (vgl. a. a. O., 202). Nicht zuletzt stellt sich für

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Gerade diese elementare Frage nach der Beschaffenheit der Relation selbst oder gar die, ob überhaupt eine Relation denkbar ist, scheint Pannenberg nicht (sonderlich) beschäftigt zu haben. Eine „wie auch immer näher zu bestimmende“ „Korrespondenz“638 wird zwar vorausgesetzt, aber an keiner Stelle innerhalb seines auf Wahrheit fokussierten magnum opus ausführlich(er) reflektiert. Der Pannenberg-Schüler Ph. Clayton hat in einem Aufsatz Pannenberg mit der hier behandelten Frage konfrontiert, wie das Wirkliche denk- und wissbar sein könne und inwiefern (in diesem Zusammenhang) mit der Möglichkeit eines („echten“/„tatsächlichen“) Korrespondenzverhältnisses gerechnet werden könne: „[W]hy should we expect the real to be thinkable [kursiv: T. L.], even in its entirety, rather than opaque to reason? Why posit, that is, a dialectical interplay of reason and reality leading to their final fusion rather than, say, an inherent limitedness of reason which closes it off forever from what really is?“639 „Thinkers from Kant to W. Sellars have stressed the possibility that our conceptual schemes do not correspond to the way things acutally are – or that any correspondence there might be is inherently unknowable [kursiv: T. L.]. At least, there is cause to hesitate before espousing a robust rationalism of future thought-being identity – especially if one is critical of previous efforts toward an idealistic metaphysics (e. g., Hegel, Bradley). At worst, unanswered skeptical worries provide sufficient reason to eschew an idealist theory of meaning, being, and truth.“640

In seiner Antwort an Clayton erklärt Pannenberg, er wolle zwar sicher nicht „equate thought and being in general.“641 Doch wenn manche unserer Aussagen tatsächlich wahr seien, dann müsse man davon ausgehen, dass es eine (wie auch immer geartete) Verbindung gibt: „However, if some of our statements are in fact „true,“ then there must be some „link“ between thought and being [kursiv: T. L.].“642

Darüber, worin genau dieser „link“ im Korrespondenzverhältnis bestehen soll, hat Pannenberg jedoch keine weiteren Angaben gemacht. Klar zu sein scheint für Pannenberg bloß, dass das Wirkliche gedacht werden könne und für Aussagen

637 638 639 640

641 642

Heckmann die Frage nach der (ontologischen) Beschaffenheit der Korrespondenzrelation selbst (a. a. O., 203). So H. Putnam, Reason, Truth and History, 72f (zitiert nach A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 106). W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 1, 56. P. Clayton, Anticipation and Theological Method, 139. P. Clayton, Anticipation and Theological Method, 139. Pannenberg meldet m. E. zu Recht Zweifel an hinsichtlich der (nicht so ohne weiteres nachvollziehbaren) Behauptung Claytons, jeder Wahrheitsanspruch im korrespondenztheoretischen Sinne könne als idealistisch gelten (Siehe dazu W. Pannenberg, A Response to My American Friends, 321). W. Pannenberg, A Response to My American Friends, 321. W. Pannenberg, A Response to My American Friends, 321.

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demzufolge auch Aussicht auf ihr Wahrsein (im korrespondenztheoretischen Sinne) besteht: Auf Claytons Frage (d.i.: „[W]hy should we expect the real to be thinkable, even in its entirety, rather than opaque to reason?“643) antwortet Pannenberg: „If we assume that at least some of our statements are true, and if truth involves coherence, it seems unavoidable to do so, if we want to be consistent.“644

Die Erwartung, mithilfe der Korrespondenzbeziehung die ontologische Ebene (Wirklichkeit) mit der sprachlichen Ebene (dem Denken) überbrücken zu können, wird hier von der Bedingung der Kohärenz mit anderen Aussagen abhängig gemacht. Freilich ist damit noch nichts über die Beschaffenheit des Korrespondenzverhältnisses selbst gesagt. An zwei Stellen innerhalb seines Werkes scheint er deutlicher zu werden: [1] In einer Kontroverse mit seinem Schüler Falk Wagner äußert Pannenberg sich zu der Relation, wie sie dem korrespondenztheoretischen Wahrheitsbegriff zufolge besteht, ohne allerdings expressis verbis auf diese Theorie zu verweisen, geschweige denn näher auf sie als Theorie einzugehen645. Pannenberg legt aber dar, dass das Moment der Korrespondenz die Differenz zweier Ebenen zur Voraussetzung hat und diese Differenz durch eine Korrespondenzbeziehung überwunden wird, sodass von einem Übereinstimmungsverhältnis gesprochen werden kann: Pannenberg expliziert diese geläufige korrespondenztheoretische Annahme an der Relation zwischen Denken und Wirklichkeit: „In der Tat genügt es nicht, das Denken nur in Differenz zur Wirklichkeit zu bestimmen, die im Denken erfaßt wird. Das vernünftige Denken zielt ja auf Übereinstimmung mit der Wirklichkeit, auf die es sich richtet.“646 „Dabei unterscheidet es immer schon zwischen sich als bloßem, formellem Gedanken und der Wirklichkeit in ihrem zu begreifenden Reichtum, und diese Unterscheidung steht selber im Dienste jener Übereinstimmung von Denken und Wirklichkeit, die wir Wahrheit nennen.“647

Gerade gegen F. Wagner betont Pannenberg, dass die Ebenendifferenz keine menschlicherseits erzeugte Differenz ist, keine Denkbestimmung oder Konstitution der Vernunft. Die Differenz zwischen der sprachlichen Ebene des Denkens und der ontologischen (Wirklichkeit) ist als eine vorgegebene anzuerkennen: 643 Ph. Clayton, Anticipation and Theological Method, 139. 644 W. Pannenberg, A Response to My American Friends, 321. 645 Im Mittelpunkt der Kontroverse zwischen F. Wagner und W. Pannenberg steht die Frage nach einem adäquaten Verständnis der Vernunft. Wagner erörterte dies in seinem Aufsatz „Vernünftige Theologie und Theologie der Vernunft“, Pannenberg antwortete mit W. Pannenberg, Vom Nutzen der Eschatologie für die christliche Theologie. Eine Antwort. 646 W. Pannenberg, Vom Nutzen der Eschatologie für die christliche Theologie. Eine Antwort, 88. 647 W. Pannenberg, Vom Nutzen der Eschatologie für die christliche Theologie. Eine Antwort, 88f.

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„[B]edeutet die Tatsache, daß der Unterschied des Gedankens von der Wirklichkeit, die er erfaßt, selber noch einmal eine Denkbestimmung ist, auch schon, daß das Denken der Vernunft seinerseits erst jene Differenz konstituiert?“648 „Sicherlich, indem das vernünftige Denken sich selber in seiner Differenz zu der Wirklichkeit, die es erfaßt, weiß, ist es auch schon über diese Differenz hinaus [kursiv: T. L.]. Aber das ändert nichts daran, daß es sich in dieser Differenz vorfindet und sie weder überhaupt erst konstituiert, noch überspringen kann. Auch die Tatsache, daß unser Urteilen immer schon Wahrheit und also die jene Differenz in sich aufhebende Einheit beansprucht hat, wenn die Reflexion ihre Tätigkeit beginnt, ändert nichts daran, daß wir uns reflektierend schon und immer wieder in jener Differenz vorfinden. Darüber führt auch die Besinnung auf die Unbedingtheit, die dem Gedanken der Wahrheit eignet – und damit auch auf die Totalität der Verstandestätigkeit – nicht hinaus. Sie vermag allerdings, uns darüber aufzuklären, was es bedeutet und welche Tragweite es hat, daß mitten in jener Differenz, inmitten der Endlichkeit unseres Daseins doch Wahrheit gegenwärtig ist mit all ihrer Unbedingtheit. Man mag das Bewußtsein davon spekulativ nennen. Aber man kann damit nicht den Ort überspringen, an dem allein die unbedingte Wahrheit unserem Bewußtsein aufgehen kann, den Ort unserer eigenen Endlichkeit, über den wir uns im Denken des Unbedingten erheben und an dem dieses Denken dennoch verwurzelt bleibt. Anders gesagt, das Tun der Vernunft bleibt immer bezogen auf Erfahrung und bringt nicht durch ihre Selbstbestimmung Erfahrung allererst wie eine Schöpfung aus dem Nichts hervor. Darum halte ich es auch für unrichtig, daß „der Sachverhalt der Offenbarung durch die Vernunft selbst begrifflich konstituiert und entfaltet“ wird (270). Der Sachverhalt der Offenbarung wird vielmehr so wie auch sonst der Gegenstand der Erfahrung vorausgesetzt – und Voraussetzen besagt nicht notwendigerweise, wie der Hegelianer gern behauptet, selber schon ein Setzen der unumschränkt selbstbestimmenden Vernunft, sondern ein Sein-lassen von vorgängig Gegebenem, das freilich in dem, was es ist, für uns erst durch das Tun des Verstandes und der Vernunft seine Bestimmtheit gewinnt, wiewohl dieses Tun nur Wahrheit hat, wenn es sich als der Sache in ihrer Gegebenheit entsprechend erweist.“649

[2] Geht aus den eben zitierten Erwägungen Pannenbergs immerhin hervor, dass a) die benannte Ebenendifferenz besteht und b) für jedweden Erkenntnisvollzug konstitutiv bleibt, nimmt er in einem Beitrag aus „G o t t e s g e d a n k e u n d m e n s c h l i c h e F r e i h e i t “ zum Erstaunen einen konträren Standpunkt ein: Es wendet sich Pannenberg hier gegen die Vorstellung einer Trennung von Subjekt und Objekt, wie sie etwa Kant vorgenommen hatte, und votiert für die Sichtweise Hegels, wonach – wie Hegel mit seiner Kritik an der besagten Trennung gegenüber Kant zurecht eingewandt habe – „in jeder Erkenntnis, sofern sie Erkenntnis ist, Subjekt und Objekt eins sind.“650 Pannenberg meint weiter: „Das 648 W. Pannenberg, Vom Nutzen der Eschatologie für die christliche Theologie. Eine Antwort, 89. 649 W. Pannenberg, Vom Nutzen der Eschatologie für die christliche Theologie. Eine Antwort, 89. 650 W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 24.

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macht geradezu den Begriff der Wahrheit aus.“651 Der hiesigen, an Hegel anschließenden Darstellung sei, so Pannenberg, eine solche Vereinigung des erkennenden Subjektes mit dem zu erkennenden Gegenstand (als eine im Bewusstsein des erkennenden Subjektes zu denkende Vereinigung) für den Begriff der Wahrheit konstitutiv652. Für diesen Wahrheitsbegriff ist also kennzeichnend, dass „Wahrheit als Identität von Subjekt und Objekt“ verstanden wird653, wobei Pannenberg ebenfalls mit Hegel die Meinung vertritt, dass die logischen Bestimmungen zwar die „Idee des absoluten Wissens oder der Wahrheit als Identität von Subjekt und Objekt inhaltlich formulieren, sie jedoch dabei nicht einholen und gerade so über sich hinaustreiben.“654 Trotz einer so verstandenen Wahrheit als einem Ineinanderfallen von Subjekt und Objekt zeigt sich Pannenberg nicht zuletzt hier darum bemüht, die prinzipielle Begrenztheit der Wahrheitserkenntnis herauszustellen. Die Frage, „ob der Erkennende jemals definitiv in den Besitz der Wahrheit gelangt“655, wird verneint durch den Hinweis auf seine Einschätzung, dass (Wahrheits-)Erkenntnis offenbar immer nur eine partikulare sei und es sich stets um die Erkenntnis von „Teilwahrheit“ handele, derer man sich – vermittelt durch den fortschreitenden Erfahrungs- und Reflexionsprozess – bewusst werde: „Der Prozeß des Erkennens scheint vielmehr so zu verlaufen, daß das unmittelbar als wahr Erfaßte sich der mit dem Fortgang der Erfahrung verbundenen Reflexion immer wieder als bloße Teilwahrheit erweist.“656

Die Tatsache, dass Pannenberg nicht erst in Auseinandersetzung mit Clayton von realistischen Voraussetzungen ausgeht und mit der Rezeption des relationalen Korrespondenzgedankens Wahrheit faktisch als ein die Subjekt- und Objektebene verknüpfendes semantisch-ontologisches Phänomen denkt, ist m. E. weder mit Hegels idealistischem Systemdenken und seiner Vorstellung einer Identität von Subjekt und Objekt kompatibel noch mit seiner gegenüber F. Wagner verteidigten Sichtweise. Die von Kant vorgenommene, aber an dieser Stelle von Pannenberg kritisierte Distinktion zwischen Subjekt- und Objektebene (im Sinne vorgegebener Wirklichkeit) ist jedoch nichts weniger als essentielle Voraussetzung für die Möglichkeit korrespondenztheoretischer Wahrheit, wie sie auch von Kant als Namenserklärung akzeptiert und von Pannenberg in sehr weitem Maße 651 W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 24. 652 Vgl. W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 24f. 653 Siehe zu diesem bei Hegel diagnostizierten Wahrheitsverständnis auch W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 111 Anm. 96. 654 W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 111 Anm. 96. 655 W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 24. 656 W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 24. Dies gilt ihm auch speziell für das Gebiet religiöser Erfahrung (Vgl. a. a. O., 24f), wo es zur Vereinigung zwischen Mensch und göttlicher Wirklichkeit komme (vgl. a. a. O., 25).

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in Anspruch genommen worden ist657. Doch zu einer Herausstellung einer strikten Trennung der auch von ihm ausgiebigst in Anspruch genommenen zwei Ebenen der Erkenntnisrelation schien Pannenberg sich (kontrafaktisch!) nicht durchringen zu wollen. In „M e t a p h y s i k u n d G o t t e s g e d a n k e “ stellt Pannenberg wiederholt einen Gegensatz zwischen Kant und Hegel heraus und votiert für Letzteren, der die Meinung vertreten habe, „[d]ie Entgegensetzung von Vernunft und ansichseiender Wirklichkeit“ sei „ein Produkt der Vernunft oder vielmehr des Verstandes“, und zur „Täuschung [würde], wenn sie zur Wahrheit schlechthin erklärt wird.“658. Diese These kommt einem eklatanten Widerspruch zur aussagetheoretischen Korrespondenzwahrheit gleich und stellt einen nicht unerheblichen Selbstwiderspruch dar. Die Konzeptionen Hegels und Kants zum Wahrheitsbegriff lassen sich eben nicht ohne weiteres verbinden. Ein solcher Versuch ist von Pannenberg auch gar nicht unternommen worden. Die hier gegenübergestellten, alternativen Positionen entstammen unterschiedlichen Publikationen, deren Inkommensurabilität jedoch zum Anlass hätte werden können, die sich an ihr entzündenden Fragen auf der Wahrheitstheorie-Ebene einer Klärung zuzuführen. Vor dem Hintergrund, dass Pannenberg am Moment der Korrespondenz innerhalb seines Wahrheitsverständnisses festgehalten hat und – wie diese Untersuchung zeigt – durch das Hantieren mit verschiedensten Wahrheitsträgern regen Gebrauch von der Korrespondenzrelation gemacht hat (und zwar weil durch die Wahrheitsträger nolens volens die Kluft der in der Ebenendifferenz gründenden Erkenntnisrelation überbrückt wird – und sei es (auch) nur mit der Absicht eines Referierens auf die außersprachliche, ontologische Ebene659), hätte Pannenberg sich der schwierigen Frage nach der Beschaffenheit des Korrespondenzverhältnisses selbst zuwenden können. Freilich hätte er für diesen Schritt die Differenz der zwei Ebenen klarer in den Blick nehmen müssen. Immerhin ist zur Kenntnis zu nehmen, dass eine Überbrückung der Erkenntnisrelation von der subjektiven Seite des erkennenden Subjekts hin zur ontologischen Ebene eine nicht unerhebliche Herausforderung darstellt, weswegen bisherige Lösungsversuche nicht selten als unzureichend empfunden werden und in der Folge die Kritik der Korrespondenztheorie zugenommen hat. Gerade weil die 657 In jedem Fall bestehen hier unüberbrückbare Inkonsistenzen. Dächte Pannenberg tatsächlich ausschließlich wie Hegel, wäre allerdings auch die Kritik von K. Vechtel, J.A. Martínez-Camino u. (vielleicht auch diejenige von) A. Hollweg (s. o.) – wenigstens größtenteils – hinfällig, und zwar weil er dann die Distinktion zwischen zwei Ebenen nicht machte. Aber eben so einfach verhält es sich im Falle Pannenbergs nicht. 658 W. Pannenberg, Metaphysik und Gottesgedanke, 20. Man beachte hier Pannenbergs Bezugnahme auf D. Henrich. 659 Der von Pannenberg verwendete Ausdruck ‚Realitätsbehauptungen‘ (W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 269) ist ein (sehr deutliches) Exempel für das hier gemeinte referentielle Moment.

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Transponierung der schlichten Korrespondenzidee mit ihren zwei Relaten in eine umfassende Korrespondenz-Theorie zu Problemen führen kann660, mag das Fehlen eines diesbezüglichen Theorieentwurfs in Gestalt einer systematischen Explikation seines formalen Wahrheitsbegriffs nicht gleich ein allzu großes Manko seiner Theologie bedeuten.

660 Dies ist die Meinung von A. Rust (Wo Wahrheit zum Problem wird). Rusts These ist die, dass der korrespondenztheoretische Wahrheitsbegriff der Wahrheitsbegriff des common sense ist, weil er vortheoretisch und intuitiv im alltäglichen Umgang wirksam sei. Dieses intuitive Festhalten an der Korrespondenzidee werde jedoch dann zum Problem, wenn man versuche, in Gestalt einer Korrespondenztheorie über diese simplen Intuitionen hinausgehen zu wollen. „Philosophische Theorie tendiert dazu, sich von der eigentlichen Fragestellung zu entfernen. Wahrheit wird zum Problem, sobald wir in der Philosophie versuchen, den Begriff der Wahrheit zu bestimmen. Wahrheit wird zum Problem, weil in der begrifflichen Bestimmung sogleich eine Reihe von Alternativen ins Spiel kommen und Vorentscheidungen fallen, welche nicht selbstverständlich sind.“ (a. a. O., 144) Wahrheit werde zum Problem, „weil die Ressourcen, mit denen wir Wahrheit in der Philosophie erläutern, die intuitive Einfachheit des umgangssprachlichen Wahrheitsbegriffes preisgeben.“ (a. a. O., 144). Rust plädiert darum dafür, „die Kernidee der Wahrheit als Korrespondenz zu fassen, allerdings ohne den ganzen Apparat, der daraus eine eigentliche Theorie macht.“ (a. a. O., 155) Man mag Rust darin zustimmen, dass theoretische Explikationen des korrespondenztheoretischen Wahrheitsbegriffs nicht immer explizieren, was im alltäglichen Umgang für die korrespondenztheoretische Intution konstitutiv ist. Auch mag man mit Rust sämtliche, mit den Explikationen verbundene Vorentscheidungen durchaus kritisch betrachten. Allerdings scheint mir andererseits doch die Theorieebene die Möglichkeit zu bieten, offene Fragen zu klären und praxisrelevante Lösungen zu entwickeln. Eine Verteidigung der intuitiven Korrespondenzidee in Gestalt einer Korrespondenztheorie hat dagegen in der neueren Philosophie R. Schantz unternommen (vgl. dazu R. Schantz, Wahrheit, Referenz und Realismus), wobei Korrespondenz für ihn „einfach Referenz“ bedeutet (vgl. a. a. O., 3). Schon Puntel fragte, ob die Korrespondenztheorie der Wahrheit „nicht eine reine Intuitionsanzeige ist, die, sobald man sie zu präzisieren versucht, sich unmittelbar auflöst.“ (L.B. Puntel, Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie, 27). Allerdings hat Puntel sich im Unterschied zu Rust positiv um eine Explikation des Wahrheitsbegriffs in zahlreichen Veröffentlichungen bemüht. Puntel ist ähnlich wie Schantz der Meinung, es bedürfe philosophischer Erklärungen der intuitiven Korrespondenzidee auf wahrheitstheoretischer Ebene, auch wenn, wie er selbst bemerkt, darin „das größte Problem“ für die philosophische Wahrheitstheorie sieht: „Viele W.-Theoretiker der Ggw. sind bereit anzuerkennen, daß der intuitiv gegebene W.-Begriff den Gedanken einer Korrespondenz zw. Denken bzw. Sprache u. Wirklichkeit beinhaltet. Aber eine ganz andere Frage ist es, wie der Gedanke der Korrespondenz mit der Wirklichkeit (od. den Tatsachen) philosophisch zu explizieren ist. Im allgemeinen besteht kein Problem darin, globale Charakterisierung mit Hilfe von Ausdrücken wie „der Fall sein“, „zutreffen“ u. ä. anzunehmen. Aber solche Charakterisierungen können nicht als philos. Erklärungen im strengen Sinn angesehen werden. Überhaupt stellt das Verhältnis zw. dem intuitiven od. natürlich-sprachl. W.-Verständnis u. einer streng philos. Erklärung od. Definition des Begriffs der W. das größte Problem dar, mit dem jede philos. W.-Theorie zu kämpfen hat.“ (L.B. Puntel, Art. Wahrheit, 928). Puntel selbst gelangte nicht zu einer Korrespondenztheorie der Wahrheit, sondern zu einem semantisch-ontologischen Wahrheitsbegriff, der mit einer beide Ebenen verbindenden Identitätsthese operiert, die hier nicht weiter darzustellen ist.

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3.4.2.5.2 Wahrmacher – Pannenberg auf der Linie der (definitionalen) Korrespondenztheorie

„Die Probleme wahrer Rede von Gott haben nichts mit der Bedeutung von Wahrheit zu tun. Aussagen über Gott sind, wenn sie denn überhaupt wahr sind, im gleichen Sinn wahr wie Aussagen über andere Dinge. Bisweilen wird für Aussagen über Gott ein spezifisch religiöses oder theologisches Wahrheitsverständnis postuliert, das sich angeblich vom üblicherweise vorausgesetzten Wahrheitsverständnis unterscheidet. Diese Forderung dürfte unterm Strich darauf hinauslaufen, daß Aussagen über Gott überhaupt nicht wahr sind. Was Aussagen über Gott wahr macht, ist m. E. das Gleiche, das etwa auch Aussagen über den Schnee wahr macht. Gewöhnlich nennt man das, was Aussagen wahr macht, Tatsachen, also die Art und Weise, wie sich die Dinge verhalten.“661

Korrespondenztheoretischer Anschauung nach gilt folgender Grundsatz: Die Wahrheit der per Wahrheitsträger artikulierten Ansprüche auf Wahrheit hängt stets am Wahrmacher662. Das fand der Sache nach schon bei Aristoteles Beachtung663, auch wenn seinerzeit noch nicht von Wahrmachern gesprochen worden 661 A. Kreiner, Wahrheit und Perspektivität religöser Rede von Gott, 53f. 662 Das ist in der Regel bei (den modernen) Korrespondenztheorien der Wahrheit der Fall. Vgl. auch die Bemerkung von V. Gerhardt dazu, dass der Maßstab eines Korrespondenzurteils im Sachverhalt liege. (Vgl. V. Gerhardt, Wahrheit und Öffentlichkeit, 18). Natürlich können auch andere Wahrmacher in Betracht kommen, wie gezeigt wurde. Die durch den Wahrmacher (z. B. eine Tatsache) erzeugte korrespondenztheoretische Wahrheit in ihrer Objektivität zeigt sich etwa auch an der bekannten Argumentation des Korrespondenztheoretikers B. Russell anhand des Beispiels der Liebe zwischen Desdemona und Cassio. Dazu erklärt J. Rohls veranschaulichend: „Das Bewußtsein erschafft nicht die Wahrheit, sondern bringt nur Meinungen hervor. Was eine Meinung wahr macht, ist eine Tatsache, die nichts mit dem Bewußtsein der Person zu tun hat, die die Meinung besitzt. Wenn Othello meint, daß Desdemona Cassio liebt, dann sind Desdemona und Cassio die Objektglieder und ist Lieben die Objektbeziehung. Wenn es eine komplexe Einheit, nämlich Desdemonas Liebe zu Cassio, gibt, in der die Objektglieder durch die Objektbeziehung in der gleichen Ordnung, die sie im Urteil haben, miteinander verbunden sind, dann ist diese komplexe Einheit die Tatsache, die dem Urteil entspricht.“ (J. Rohls, Korrespondenz, Konsens und Kohärenz, 35). 663 Siehe dazu ausführlicher J. Szaif, Die Geschichte des Wahrheitsbegriffs in der klassischen Antike, 20: „Indem Aristoteles herausstellt, daß die Wahrheitseigenschaft einer Meinung nicht von der Person, die etwas aussagt, sondern von der Konstellation der denotierten Sachen abhängt, wendet er sich gegen Protagoras, dessen Homo-Mensura-Satz ebenfalls die Vorstellung voraussetzt, daß es beim Meinen darum geht, Seiendes als Seiendes, Nichtseiendes als Nichtseiendes zu denken, dies allerdings so wendet, daß nicht das Sein oder Nichtsein Maßstab für das Meinen ist, sondern der urteilende Mensch Maßstab für das Sein oder Nichtsein, wodurch sich dann jedes Meinen und Erscheinen als wahr relativ zu dem Menschen, dem es so erscheint, erweisen würde.“ Siehe ferner die Erläuterungen von J. Rohls

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ist. Was das genauer heißt und was diese Erkenntnis austrägt für die Begutachtung des Korrespondenzgedankens im Werk Pannenbergs, ist das Thema der folgenden Seiten: Die auf manchen Theologen befremdlich wirkende Objektivität korrespondenztheoretischer Wahrheit resultiert aus der Abhängigkeit der Wahrheit von dem Wahrmacher auf der ontologischen Seite, wodurch ausgeschlossen wird, dass die subjektive Seite des erkennenden Subjektes in irgendeiner Weise Wahrheit konstituieren könnte. Pannenberg hat (wenn auch nicht explizit) vom Ideal eines objektiven Wahrmachers her gedacht. Wie noch deutlich werden wird, verschafft ihm das einen Vorteil gegenüber theologischen Positionen, die der Idee eines objektiven Wahrheitsbegriffs skeptisch gegenüberstehen. G. Hasenhüttl ist ein exemplarischer Repräsentant für diese Sicht, die sich folgendermaßen wiedergeben lässt: „Da der objektive Wahrheitsbegriff die Wahrheit radikal von allen subjektiven und auch personalen Relationen abtrennt, scheint er für eine theologische Verwendung als völlig ungeeignet auszuscheiden.“664 Doch genau diese Objektivität – „die Unabhängigkeit der Realität von Akt und Qualität des subjektiven Fürwahrhaltens“665 – ist von entscheidender Wichtigkeit. „“Objektive“ Wahrheit nimmt ihren Maßstab ausschließlich an der objektiven Existenz dessen, worauf sie sich bezieht. Die so verstandene Wahrheit meint die Gültigkeit von Aussagen, die unabhängig von Grad und Qualität des subjektiven Fürwahrhaltens ist“666. Auch wenn von Seiten der Theologie existenziellen Aspekten wie der Echtheit des Glaubens(aktes) oder subjektivem Empfinden zu (Korrespondenz, Konsens und Kohärenz, 29f) zu Aristoteles: „Aber Aristoteles meint noch mehr, wenn er vom Sein im Sinne der Wahrheit spricht. Er meint nämlich, daß jeder wahren Aussage, in der etwas von etwas prädiziert wird, ein Verbundensein zweier Seiender entspricht. Der wahren Aussage „der Schnee ist weiß“ entspricht demnach das Verbundensein von Schnee und Weiße. Und weil die Aussage diesem Verbundensein entspricht, ist sie wahr. Nicht nämlich, weil wir glauben, daß der Schnee weiß ist, ist er weiß, sondern weil er weiß ist, ist unsere Aussage, daß der Schnee weiß ist, wahr.“ (in Anm. 3 bezieht Rohls sich auf Aristoteles, Metaphysik IX, 10, 1051b 6f sowie auf E. Tugendhat, Der Wahrheitsbegriff bei Aristoteles, 251–260). 664 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 161. Als Vertreter dieser Option kann Kreiner auf G. Hasenhüttl hinweisen, der von der Tradition Kierkegaards herkommend ein verobjektivierendes Wahrheitsverständnis kritisierte und für ein die Gott-Mensch-Relation thematisierendes sog. relationales Wahrheitsverständnis eintrat. Die Problematik liegt freilich darin, dass durch die Ablehnung des Aspektes der Objektivität (und damit zugleich der korrespondenztheoretischen Annahme, dass Aussagen aus sich heraus wahr sind und nicht aufgrund menschlichen Fürwahrhaltens, persönlich-existenzieller Betroffenheit oder ähnlich) das glaubende und erkennende Subjekt selbst zur Instanz wird, die über die Wahrheit der mit Anspruch auf Wahrheit formulierten Sätze entscheidet. Zu Hasenhüttls Wahrheitskonzeption und ihrer Kritik s. ausführlich dazu A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 395– 411. 665 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 162. Kreiner knüpft hier an M. Devitt an. 666 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 162.

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Recht große Bedeutung beigemessen wird, scheint es mir nicht ratsam, mit Blick auf die Wahrheitsthematik gegen dieses in der Korrespondenztheorie angelegte Prinzip der Objektivität verstoßen zu wollen, wie es der Fall wäre, wenn etwa ein strikt subjektiver Wahrheitsbegriff favorisiert wird. Für jegliche Rede von Gott hätte dies fatale Konsequenzen. Diese würden dann darin bestehen, dass jede sinnvolle Rede von Gott verunmöglicht wäre, weil zwischen Gott und unseren Vorstellungen von Gott nicht mehr unterschieden werden könnte und der Verdacht im Raum stünde, dass nicht mehr Gott, sondern nun der Mensch der Maßstab für die Wahrheit von Sätzen sei667: Es geht mir darum deutlich zu machen, dass solche Innerlichkeiten die (korrespondenztheoretische) Wahrheit nicht tangieren können, Wahrheitsträger nur durch den Wahrmacher wahr gemacht werden können668. Kreiners Ausführungen veranschaulichen das vorzüglich: „Wenn theologische Aussagen durch die entsprechenden Tatsachen wahr gemacht werden, dann folgt daraus unter anderem, daß Aussagen über Gott nicht durch ihre biblische Bezeugung, nicht durch ihre ununterbrochene Überlieferung, nicht durch ihre kirchliche Rezeption und auch nicht durch ihre lehramtliche Verlautbarung wahr gemacht werden. Ebenso wenig werden sie natürlich durch die Art und Weise ihres subjektiven Geglaubt- oder Bezeugtwerdens wahr gemacht.“669

Auch I.U. Dalferth stellte fest: „Das bloße Fürwahrhalten von etwas verbürgt nicht schon die Wahrheit dessen, was man für wahr hält.“670 Auch wenn es sich bei dieser Einsicht, wie D. Davidson einmal meinte, um eine „Platitüde“ handele671, bleibt sie von entscheidender Wichtigkeit. Es ist zudem auch mit Joest und Kreiner „überhaupt nicht einzusehen, inwiefern die persönliche Einstellung, die gegenüber jedweder Aussagewahrheit eingenommen werden kann, an ihrer Wahrheit irgendetwas zu verändern vermag.“672 Wie kann ernsthaft davon ausgegangen werden, dass die Wahrheit von Aussagen – auch die der Glaubens-

667 Vgl. A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 163. 668 Auch W. Joest hat zu Recht deutlich gemacht, dass Aussagen dann objektiv wahr sind, wenn sie Tatbeständen entsprächen – und zwar unabhängig von subjektiven oder existentiellen Belangen, die im Hintergrund des Aussagens stehen. Darauf hat A. Kreiner (Ende der Wahrheit?, 403) hingewiesen, der selbst an Joest anschließt. Siehe W. Joest, In welchem Sinn wollen theologische Aussagen wahr sein?, 1340. Joest schließt seinerseits an W. Kamlahs Werk „Wissenschaft, Wahrheit, Existenz“ an. 669 A. Kreiner, Wahrheit und Perspektivität religiöser Rede von Gott, 54. 670 So I.U. Dalferth, Religion und Wahrheit, 212 Anm. 25 im Anschluss an D. Davidson, The Structure and Content of Truth, 305. 671 Vgl. D. Davidson, The Structure and Content of Truth, 305. Siehe dazu auch die Bezugnahme darauf bei H.-P. Großhans, Wahrheit als Perspektive?, 264f. 672 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 409.

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aussagen (Assertionen) – von existenziellen Belangen, subjektiven Stimmungen, Gefühlen o. ä. abhängig sein könn(t)e? 673 „Der Modus der persönlichen Befindlichkeit, aus welchem heraus Aussagen getroffen oder bejaht werden, hat auf ihren Wahrheitswert nur dann Einfluß, wenn diese Aussagen dazu dienen sollen, diese Befindlichkeit auszudrücken. Falls theologische Aussagen tatsächlich nur in Abhängigkeit von der existentiellen Situation des Redenden wahr wären, könnten sie auch nur diese Situation thematisieren.“674

Wenn Wahrheit nicht als vom Wahrmacher abhängig gilt, sondern von subjektiven Faktoren des erkennenden Subjektes abhängig gemacht würde, hätte dies (wenigstens) für Aussagen von Gott eine verheerende Folge: Es käme zu einem Verlust des Gegenstandsbereiches, auf den die Aussagen bezogen sind. Die so wichtige Distinktion zwischen Gott und den menschlichen Vorstellungen von Gott löste sich auf. Gott könnte so leicht zum Produkt subjektiven Empfindens, Denkens, Träumens etc. werden. Die atheistische Religionskritik wäre dann nicht zu Unrecht als die für die Gottesthematik zuständige Disziplin zu verstehen675. Die (objektive) Korrespondenztheorie mit der für sie typischen Verknüpfung der außersprachlichen, objektiven Ebene mit der subjektiven Ebene des erkennenden Subjektes bleibt darum auch für die Theologie von besonderer Wichtigkeit. 673 Vgl. A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 409: „Die Aussagewahrheit kann schwerlich vom Vollzug abhängen, innerhalb dessen sie auftaucht, bekannt oder abgelehnt wird. Sicherlich gibt es Aussagen, deren Anerkennung aus persönlicher Betroffenheit heraus geschieht oder deren Anerkennung selbst eine solche Betroffenheit erst bewirkt. Glaubensaussagen gehören zweifellos zu dieser Klasse von Aussagen. […] Daraus kann aber nicht gefolgert werden, daß diese Aussagen „kein Wahrsein an sich und nicht den Charakter richtiger Sätze“ beanspruchen.“ (So zu Recht A. Kreiner ebd. in seiner Kritik an Joests Bemerkung aus dessen Aufsatz „In welchem Sinn wollen theologische Aussagen wahr sein?“, 1353. 674 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 410. Siehe dazu passend auch Kreiners Bemerkungen zur sog. Tatsachenwahrheit unter Bezugnahme auf R. Spaemanns Ausführungen zum Offenbarungsglauben: „Er drückt nicht nur die Innenperspektive einer Erfahrung aus, sondern der Offenbarungsglaube behauptet und verteidigt zugleich, daß diese Erfahrung eine adäquate Erfahrung der Wirklichkeit in dem Sinne sei, daß das, was hier erfahren ist, ganz unabhängig davon, ob es von endlichen Subjekten erfahren wird oder nicht, Wirklichkeit hat und daß es deshalb von keiner möglichen „Außenbetrachtung“ aus relativiert werden kann (ebd. 227f).“ (R. Spaemann, Religion und „Tatsachenwahrheit“, 227f, zitiert nach A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 512 Anm. 16). 675 Der Versuch, die (korrespondenztheoretische) Wahrheit von Aussagen von subjektiven Faktoren abhängig zu machen, ist auch von G. Hasenhüttl unternommen worden und zu Recht von Kreiner kritisiert worden: „Sie [sc. die Aussagen] sind, wenn sie denn in der Tat wahr sind, unabhängig von menschlichem Fürwahrhalten und subjektivem Existenzvollzug wahr. Ihre Wahrheit von letzterem abhängig zu machen, bedeutet die definitive, wenn auch terminologisch verschleierte Verabschiedung dieses Projekts. Daß dieses Projekt gescheitert ist, ist die These der atheistischen Religionskritik, die in einem ihrer prominentesten Vertreter ebenfalls für eine nur mehr prädikativische Verwendung des Gottesbegriffs plädiert. Es ist keinesfalls überraschend, daß sie sich im Kern kaum mehr von der Konzeption Hasenhüttls unterscheiden läßt.“ (A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 411).

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Durch die von ihr konstituierte Verknüpfung zwischen subjektiv-sprachlicher bzw. semantischer Ebene einerseits und außersprachlich-ontologischer Ebene entsteht eine Relationalität zwischen zwei Ebenen, die sowohl den Unterschied zwischen Gott und Mensch anschaulich zum Ausdruck bringt als auch das religiöse Verhältnis zwischen Gott und Mensch denkbar werden lässt, welches der Mensch in seiner Rede von Gott als einem vom Menschen unterschiedene Wirklichkeit stets beansprucht (besser: beanspruchen sollte) und zumeist auch mit Recht voraussetzt676. Die Wahrheit artikulierter Geltungsansprüche im korrespondenztheoretischen Sinne ergibt sich also freilich weder schon dadurch, dass sie erhoben werden677, noch hängt sie – wie bereits oben erwähnt – von der Subjektivität des Erkenntnissubjekts ab. Pannenberg folgt sachgemäß dieser klassischen Vorstellung, ohne jedoch die entsprechende wahrheitstheoretische Terminologie aufzugreifen678. Dazu passt, dass auch der Terminus ‚Wahrheitsträger‘ von ihm nicht gebraucht worden ist. An den nachfolgend aufgeführten Beispielen soll die Bedeutung des Wahrmachers für Pannenbergs Denken demonstriert werden: So hält Pannenberg beispielsweise über die Aussagen der Theologie fest: „Ihre Aussagen sind, wenn theologisch wahr, unabhängig davon, ob sie anerkannt werden oder nicht. Sie gelten nicht nur für einen Verein von Gläubigen.“679

In seiner Kritik am die (Aussagen-)Wahrheit relativierenden oder sie gar auflösenden Säkularismus beklagt Pannenberg „[t]he dissolution of the idea of truth – of truth that does not need my approval in order to be true“680. Entsprechendes gilt freilich auch für die Allgemeinverbindlichkeit einer bestimmten Wahrheit681.

676 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 165: „Nur wenn Gottes Dasein nicht mehr als unabhängig vom subjektiven Fürwahrhalten des Menschen (und in diesem Sinne als objektiv) gedacht werden dürfte, müßte auch die Korrespondenztheorie theologischerseits verabschiedet werden. Fraglich bliebe dann freilich, ob es für die theologische Reflexion des Glaubens darüber hinaus noch irgendetwas zu verabschieden gäbe.“ 677 Vgl. exemplarisch W. Pannenbergs Illustration am Behauptungsbegriff (in: Wissenschaftstheorie und Theologie, 219): „Das Moment der Behauptung in der Bedeutungsstruktur eines Satzes, gerade auch im Fall der reinen Aussage, bietet keine Gewähr für die Wahrheit.“ 678 Die hier relevanten Ausdrücke ‚Subjektkorrelat‘ (bzw. Subjektrelat), ‚Objektkorrelat (bzw. Objektrelat)‘, Wahrheitsträger, Wahrmacher, Erkenntnisrelation sind von ihm an keiner Stelle gebraucht worden. 679 W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 23. 680 W. Pannenberg, How to Think About Secularism, 27f. 681 Pannenberg kann demgemäß Kritik üben an Wilhelm Weischedel, der die Meinung äußerte, „daß eine theologische Begründung ‚doch nur für die Menschen desselben Glaubens‘ verbindlich wäre.“ (zitiert nach W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 22). Pannenberg zitiert hier W. Weischeldel, Recht und Ethik, 2. Aufl. 1959, 33.

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Wenn Pannenberg etwa sagt, dass die Wahrheit etwa von Erfahrungen, Überlieferungen und Traditionen „unabhängig von individuellem Belieben gelten“, sodass daraus auch ihre „allgemeine Verbindlichkeit“ für bspw. moralisches Handeln rührt682, dann operiert er mit der in der Wahrheitstheorie als Wahrmacher bezeichneten Vorstellung, dass die Wahrheit der von Wahrheitsträgern transportierten Inhalte vom Objektkorrelat abhängt. Weitere Beispiele bestätigen das: „Vielmehr hat jede Interpretation, die private ebenso wie die amtliche, ihr Maß an der Wahrheit der Sache [kursiv: T. L.]. Kein Interpret entscheidet von sich aus die Wahrheit der Sache, sondern sie wird im Fortgang der Diskussion über seine Interpretation [kursiv: T. L.] entscheiden.“683 „Die Wahrheit ist ihrem Wesen nach subjektiver Einsicht vorgegeben, weil der um Erkenntnis Bemühte den wahren Sachverhalt entweder treffen oder auch verfehlen kann. […] Wäre der Sachverhalt nicht vorgegeben, so könnte er nicht verfehlt werden. Das ist das Moment der „Korrespondenz“ zum Gegenstand oder Sachverhalt, das für den erkenntnistheoretischen Aspekt des Wahrheitsbegriffs grundlegend ist. Es zeigt sich schon bei der Frage, ob jemand „die Wahrheit sagt“ oder nicht, und Entsprechendes gilt für die Frage nach der Wahrheit von Urteilen oder Behauptungen. Aber andererseits entscheidet sich erst im Vollzug der Wahrheitserkenntnis selber, was dem Erkenntnisvollzug als wahr vorgegeben ist.“684 Selbst der urteilende Dogmatiker entscheidet letztlich nicht über Wahrheit685. 682 W. Pannenberg, Schuld und Sühne im Jahre 1971, 162. 683 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 25. 684 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 34. Gerade weil Pannenberg die Wahrheit als jedweder Erkenntnis vorgegebene Größe denken kann, ist sie auch den menschlichen Bemühungen um Wahrheitserkenntnis – und damit eben auch menschlichem Antizipieren und der Konsensusbildung – eine vorgegebene Größe im Sinne eines Objektkorrelats. Dies lässt sich auch an den nachfolgenden Bemerkungen Pannenbergs zeigen: „In viel höherem Maße jedoch fehlt die sittliche Autorität der „Antizipation eines möglichen Konsensus“ dem als Mehrheitsherrschaft auf der Basis der Prinzipien der Volkssouveränität organisierten Staat.“ (W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 458f) „Der Inhalt solcher Antizipation müßte als der Konsensbildung vorgegebene und sie begründende Wahrheit [kursiv: T. L.] glaubhaft sein und entsprechend in der institutitonellen Ordnung der Gesellschaft zur Darstellung kommen.“ (a. a. O., 459) „Demjenigen Staate, der nur noch das Volk, bzw. die Gesellschaft und ihre Antagonismen repräsentiert, aber nicht mehr die in der Ordnung des Kosmos oder der Geschichte offenbare göttliche Wahrheit, bleibt die Möglichkeit einer nicht auf ihn selber begründeten Legitimation seiner politischen Ordnung verschlossen.“ (a. a. O., 459). 685 „Wenn nun […] in der Dogmatik als zusammenhängender Darstellung der christlichen Lehre deren Wahrheit nicht schon vorausgesetzt, sondern Thema einer Erörterung werden soll, die ihre Strittigkeit mit einschließt, wird dann nicht die rationale Argumentation selber zur Entscheidungsinstanz für (oder gegen) die Wahrheit des Glaubens? Wird diese dann nicht abhängig von den Kriterien rationaler Urteilsbildung und damit letzten Endes vom Menschen selber als dem Subjekt seines Denkens?“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 62) Pannenberg verneint freilich: „Wenn gesagt wurde, daß in der systematischen

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„Über die Wahrheit (oder den wahren Sinn) von Träumen, Eingebungen oder Orakelworten läßt sich nur aufgrund ihrer Beziehung zur normalen Welt- und Selbsterfahrung der Menschen entscheiden. Das gilt auch für Prophetenworte, insofern ihre Wahrheit (auch die Behauptung ihres göttlichen Ursprungs) am Eintreffen ihrer Voraussagen gemessen wird. Mit der Berufung auf Inspirationserlebnisse ist über die Wahrheit ihres Inhalts noch gar nichts ausgemacht“686. „Vorzeichen treffen ein – oder sie bleiben aus –, ein Traum erweist sich als Wahrtraum, der zunächst schwer verständliche, verschlüsselte Sinn eines Orakels erschließt sich im Fortgang der Erfahrung.“687 „Auch die Wahrheit der den Vätern gegebenen Verheißungen entscheidet sich erst an ihrer Erfüllung, nicht unabhängig von ihr.“688 „Denn in der Auferstehung Jesu ist die eschatologische Wirklichkeit selbst vorweg an ihm Ereignis geworden. Daher ist die Antizipation des Endes, wie sie in der Auferstehung Jesu geschehen ist, durch kein innerweltliches Ereignis mehr überholbar, sondern nur das Geschehen – oder Ausbleiben – der allgemeinen Totenauferweckung, die nun aber an keine Termine einer Naherwartung mehr gebunden ist, entscheidet über seine Wahrheit [kursiv: T. L.] .“689

686

687 688 689

Darstellung der christlichen Lehre deren Wahrheit auf dem Spiele steht, so kann das also nicht bedeuten, daß der Dogmatiker selber die Entscheidungsinstanz über diese Wahrheit wäre. Seine Versuche, die Kohärenz der christlichen Lehre und damit auch die Einheit der Welt, ihrer Geschichte und ihrer künftigen Vollendung als Ausdruck der Einheit Gottes zu denken, sind nur Nachvollzug und Vorentwurf der Kohärenz der göttlichen Wahrheit selber. Sie beruhen auf Antizipationen, die die Prolepse des Eschaton in der Geschichte Jesu Christi nachvollziehen, und die im Hinblick auf Gott die Funktion der Doxologie haben. Die Entscheidung über ihre Wahrheit liegt bei Gott selbst. Sie wird endgültig mit der Vollendung des Reiches Gottes in seiner Schöpfung fallen, und sie fällt vorläufig in den Herzen der Menschen durch das überführende Wirken des Geistes Gottes.“ (a. a. O., 66). W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 257. Weil – wovon Pannenberg zumeist auszugehen scheint – Wahrheit durch das Objektkorrelat und nicht durch die subjektive Seite der Erkenntnisrelation hergestellt wird, irritiert es, wenn er in anderen frühen Beiträgen schreibt, im Mittelalter habe – im Gegensatz zur neuzeitlichen Situation – „die Autorität der Schrift die Wahrheit ihres Inhalts verbürgen“ können, sodass es der Theologie möglich gewesen sei, „die Vernunft einfach zur Unterwerfung auf[zu]fordern.“ (W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 241). Man wird allerdings sagen dürfen, dass die der Schrift ( jeweils subjektiv) beigemessene Autorität faktisch nie die Wahrheit des Inhaltes der Schrift hat verbürgen können, auch wenn das seinerzeit so empfunden worden sein mag. Denn die (strukturell aussagetheoretische) Wahrheit des Inhaltes hängt niemals davon ab, welche Bedeutung diesem beigemessen wird, sondern davon, ob dieser zutrifft – Wahrheit ist also allein vom Objetkorrelat, dem Wahrmacher, abhängig. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 210. Auch für diese besondere Vorstellung eines ‚Wahrtraums‘ zeigt sich die für den Wahrheitsbegriff konstitutive semantisch-ontologische Relationalität. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 274. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 156. Wenn jedoch das Eintreten oder Nicht-Eintreten der Auferstehung über die Frage nach eben dieser Wahrheit entscheidet, kann dieses Ereignis – sollte es sich tatsächlich an Jesus vorweg ereignet haben – nicht einfach als unüberholbar vorausgesetzt werden. Auch das müsste sich eben erst noch

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„Die christliche Botschaft von der Auferstehung Jesu bedarf zu ihrer endgültigen Bewahrheitung des Ereignisses der eschatologischen Totenauferstehung. Das Eintreten dieses Ereignisses ist eine der Wahrheitsbedingungen, wenn auch keineswegs die einzige, für die Behauptung der Auferstehung Jesu.“690 „Die Theologie hat es also, in freilich stets vorläufiger Weise, mit der Voraussetzung des Glaubens zu tun, mit der im Glaubensakt schon vorausgesetzten Wahrheit und Verläßlichkeit des „Gegenstandes“, an dem der Glaube hängt. Die Wahrheit oder Unwahrheit des Glaubens entscheidet sich nicht primär im Akt des Glaubens, sondern die Entscheidung darüber hängt an seinem Gegenstand, der in sich die Verheißung birgt, auf die der Glaube vertraut, und der auch Gegenstand des theologischen Wissens ist. Nur so hängt der Glaube an seiner Wahrheit extra se. Weil es nun das Spezifische des Wissens ist, den Gegenstand in seiner Gegenständigkeit, in seiner Differenz zur Subjektivität (auch des Wissenden selbst) wahrzunehmen – soweit das möglich ist – darum ist es Sache des theologischen Wissens, die dem Glauben vorgegebene Wahrheit, auf die hin er vertraut, als solche zu wahren.“691 Es ist „der wahre Satz, die wahre Behauptung, auf die Wirklichkeit des behaupteten Sachverhalts nicht in der Weise der Sinngebung bezogen, sondern eher in der Weise der Sinnfindung.“692 So kann „die Sprache die Sinnstruktur des Wirklichen erfassen oder auch verfehlen. Jedenfalls aber wird sie nicht erst durch Sprache geschaffen.“693

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erweisen. Die Unüberholbarkeit kann Pannenberg im Grunde nur behaupten. Die Möglichkeit der Falschheit, also der prinzipiellen Überholbarkeit dieser Annahme, müsste konsequenterweise Beachtung finden. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 392. W. Pannenberg, Stellungnahme zur Diskussion, 345. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 103. Siehe ausführlicher auch a. a. O., 103ff. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 104. Vgl. dazu die ähnliche Bemerkung in: W. Pannenberg, Art. Geschichte/Geschichtsschreibung/Geschichtsphilosophie VIII. Systematisch-theologisch, 668: Selbst wenn Interpretation (auch) als „Ausdruck produktiver Sinngebung“ [also im Sinne der Sinnstiftung] verstanden werden könne, gebe es in der Geschichte vorgegebene Sinnkontexte, auf welche Erstere bezogen ist und die der Interpret treffen, oder aber auch verfehlen könne. Die Vorstellung einer dem erkennenden Subjekt vorgegebenen Sinnstruktur der Wirklichkeit sowie die Vorstellung, dass Sinn und Bedeutung den Entitäten inhärierende Größen sind, die sich zu den Gegenständen nicht äußerlich verhalten, insofern sie etwa den Gegenständen nur beigemessen würden, hat Pannenberg schon früh hervorgehoben Vgl. zum Themenfeld Ereignis, Bedeutung bzw. Sinn insbesondere auch den folgenden älteren Beitrag: W. Pannenberg, Die Offenbarung Gottes in Jesus von Nazareth, 160ff. Zu Sinn und Bedeutung als den Dingen selbst inhärente Größen siehe W. Pannenberg, Glaube, Vernunft und die Zukunft des Christentums. Ein Gespräch mit Wolfhart Pannenberg, 20: „Bedeutung tritt zu den Fakten nicht willkürlich hinzu. Etwas wird vielmehr als bedeutsam erfahren“. Dieses Festhalten an der Objektivität bzw. Vorgegebenheit von Sinn und Bedeutung vor jeder ihrer Erfassung hat auch seine Kontroverse mit N. Luhmann in der einen oder anderen Weise (mit-)bestimmt: Während Luhmann den Sinn als durch die Gesellschaft konstituiert dachte (vgl. W. Pannenberg, Die Allgemeingültigkeit der Religion. Diskussion über Luhmanns Religionssoziologie, 350), betonte Pannenberg dagegen die „Priorität von Sinngegebenheit als Bedingung aller menschlichen Sinndeutung“ (a. a. O., 356). Gerade für die Verteidigung des Allgemeingültigkeitsanspruches, wie Pan-

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Erkennbar ist Pannenbergs Orientierung am Objektkorrelat ferner, wenn er die irrige Annahme tadelt, Wahrheit könnte von subjektiver Seite aus konstituiert werden. Es ist das Objektivitätsattribut der Wahrheit, das oftmals mitschwingt, weil die Wahrheit von der ontologischen Ebene her zu gewinnen ist, wie das Beispiel (s)einer Kritik am (Glaubens-)Subjektivismus F.A.G. Tholucks demonstriert. Tholuck argumentierte mit der Erfahrung als Wahrheitskriterium, indem er etwa von sittlicher Erfahrung (nämlich von der „Erfahrung der befreienden Wirkung der Vergebung sittlicher Schuld“) anstatt „von der theoretischen Frage nach der historischen Zuverlässigkeit der biblischen Zeugnisse“694 ausging. Pannenberg bemängelt m. E. zurecht, dass „damit eine bloß negative Bedingung aufgestellt“ ist und „die theoretische Erkenntnis […] keine positive Funktion mehr bei der Entscheidung über die Wahrheit des biblischen Offenbarungsanspruchs [zukommt].“695 „Indem Tholuck die Entscheidung über die Wahrheit der biblischen Offenbarung ganz in die sittliche Selbsterfahrung des Menschen verlegte, entlastete er die Theologie (scheinbar) von der theoretischen Frage nach der historischen Zuverlässigkeit der biblischen Zeugnisse. Die Entscheidung auch dieser Frage erfolgte für Tholuck nun aus

nenberg ihn mit dem christlichen Glauben verbunden sieht, weist er Luhmanns Verständnis von Sinn als (bloßer) „Funktion menschlicher Aktivität“ – „Informationsverarbeitung“ (a. a. O., 356) – als unzureichend zurück. Die Aktivität wird auch von Pannenberg nicht geleugnet, muss aber als auf eine gegebene Größe bezogen gedacht werden: Es „darf die Aktivität menschlicher Sinndeutung („Informationsverarbeitung“) gewiß nicht übergangen werden, aber sie ist als bezogen auf ein ihr schon Gegebenes zu denken, das durch Sinndeutung (als Reflexionsakt) ausdrücklich thematisiert wird.“ (a. a. O., 357). Vgl. zum Thema auch W. Pannenberg, Religion in der säkularen Gesellschaft. Niklas Luhmanns Religionssoziologie, 103: „Die Theologie […] wird auf der Priorität von Sinngegebenheit als Bedingung aller menschlichen Sinndeutung bestehen müssen.“ (ebd.) Vgl. zur Problematik menschlicher Sinngebung bzw. Sinnstiftung auch Pannenbergs Auseinandersetzung mit dem New Yorker Soziologen Peter L. Berger: Vgl. exemplarisch W. Pannenberg, Signale der Transzendenz. Religionssoziologie zwischen Atheismus und religiöser Wirklichkeit, bes 151ff. Religion wäre – wenn Sinn als Produkt menschlicher Sinnstiftung (bzw. -gebung) aufgefasst wäre – in einem solchen Fall dann nur „bloße Projektion“, wie Pannenberg an anderer Stelle sagt (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 105), und zwar „ohne einen das menschliche Bewußtsein übersteigenden Wahrheitsgehalt.“ (ebd.). Vgl. dazu auch exemplarisch W. Pannenberg, Feminine Language About God?, 28f): Pannenberg verwirft dort den Gedanken, „a change in social conditions would require a corresponding change in religious language.“ (a. a. O., 28) Denn: „This assumption endangers the truth claims of religious language by reducing it to human projection.“ (ebd.) Doch (aussagetheoretische) Wahrheit wird nicht von Seiten erkennender Subjekte her konstituiert. 694 W. Pannenberg, Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie, 83f. Pannenberg bezieht sich auf F.A.G. Tholuck, Die Lehre von der Sünde und vom Versöhner oder: Die wahre Weihe des Zweiflers, 1823, 297. 695 W. Pannenberg, Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie in Deutschland, 83.

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der Kraft der sittlichen Selbsterfahrung, die die Gewißheit von der Wahrheit der biblischen Offenbarung begründet.“696

Hierin besteht ein fundamentaler Gegensatz zu Tholuck, weshalb Pannenberg auch nicht mit unmissverständlicher Kritik spart: Er beklagt bei Tholuck eine „Verkehrung der reformatorischen Position“ und eine – im Vergleich zu Schleiermacher – „Radikalisierung des Subjektivitätsprinzips“697 Denn: „Die Subjektivität der sittlichen Selbsterfahrung sollte jetzt die Wahrheit des Evangeliums begründen, statt daß umgekehrt die Wahrheit des Evangeliums ihrerseits die Gewißheit der Sündenvergebung begründet.“698 „Die Selbsterfahrung des Menschen, seine subjektive Gewißheit, wurde hier nun zum Grunde für die Gewißheit des Geglaubten, für das Bewußtsein der Wahrheit der Offenbarung.“699

Der korrespondenztheoretische Gedanke, dass die objektive Seite den Maßstab für die Wahrheit (in ihrer Allgemeingültigkeit) bildet, ist also auch hier präsent. Nicht die subjektive Erfahrung, der individuelle Glaube, die persönliche Gewissheit oder dergleichen ist für die Wahrheit entscheidend, sondern die Faktizität des Gegenständlichen, des Historischen. Sehr schön zeigt sich dies auch an seiner Kritik an M. Kähler, dem er zum Vorwurf macht, die Wahrheit der christlichen Botschaft in ihrer Allgemeingültigkeit letztlich über einen kirchlichen Konventionalismus zu begründen versucht zu haben700. In diesem wie in allen anderen aufgeführten Beispielen folgt Pannenberg (wenigstens weitgehend) dem geläufigen korrespondenztheoretischen Verständnis, wonach ein Wahrheitsanspruch nur durch einen Wahrmacher wahr gemacht wird. Übertragen auf die Beispiele heißt dies in concreto: Ob päpstliche Lehraussagen, Behauptungen, Träume, Verheißungen, Eingebungen, Orakelworte oder Gegenstände des Glaubens: Allen gemeinsam ist, dass sie nicht schon dadurch wahr werden oder sind, dass sie für wahr gehalten werden, sondern nur dadurch, dass ihr Inhalt zutrifft, mit ihnen verbundene Erwartungen eintreffen, vermutete Sachverhalte durch bestehende oder künftige Tatsachen bestätigt 696 W. Pannenberg, Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie in Deutschland, 83f. 697 Dazu, zur weiteren Kritik an Tholuck und zum Erlanger Luthertum siehe W. Pannenberg, Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie in Deutschland, 89ff. 698 W. Pannenberg, Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie in Deutschland, 86. 699 W. Pannenberg, Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie in Deutschland, 86. Siehe auch die Auseinandersetzung mit A. v. Harleß a. a. O., 89f. 700 Pannenberg bezieht sich hier auf M. Kähler, Die Wissenschaft der christlichen Lehre. Siehe dazu W. Pannenberg, Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie in Deutschland, 106ff, bes. 114f. Zur ‚Konventionsproblematik‘ siehe unten Pannenbergs kritisch-konstruktive Besprechung der Konsensustheorie der Wahrheit.

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werden, der den Dingen inhärente Sinn tatsächlich getroffen wird usw. Die aussagetheoretische Wahrheit hängt für Pannenberg von nichts anderem als dem (objektiven, da vorgegebenen) Wahrmacher ab. Dieser Gedanke, der eine wichtige veritative Einsicht ist, dürfte in nicht unerheblichem Maße Pannenbergs Subjektivismus-Kritik genährt haben701. 3.4.2.5.3 Deviationen Während – wie oben nachgewiesen – für Pannenberg wie für moderne Korrespondenztheoretiker weitgehend unstrittig zu sein scheint, dass die Korrespondenzwahrheit vom Wahrmacher abhängt, lassen sich dennoch an manchen seiner Passagen zur Korrespondenzwahrheit auch Ungereimtheiten finden: Das Moment der Korrespondenz wird beispielsweise in einem Anwendungsfall auf ungewöhnliche, vielleicht auch originelle Weise mit einer anthropologischen These über die Bestimmung des Menschen als Teilhabe an der Ewigkeit Gottes verbunden. Pannenberg behauptet:

701 Siehe Pannenbergs Kritik an den gerade in der ev. Theologie wiederholt zu beobachtenden, aber zum Scheitern verurteilten Bemühungen, speziell die Frage nach der Wahrheit von religiösen Behauptungen über eben diese Subjektivität des Glaubenden oder des eine bestimmte Erfahrung Machenden klären zu wollen. (Siehe dazu W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 169) Pannenberg kritisiert hier die Meinung, die Wahrheit religiöser Behauptungen „erschließe [kursiv: T. L.] sich nur dem Glaubenden oder dem, der selber eine religiöse Erfahrung macht.“ (ebd.). Diese Formulierung erweist sich jedoch nicht zuletzt auch für Pannenbergs eigene Argumentation als unglücklich. Denn es wäre durchaus denkbar, dass sich die Wahrheit von Behauptungen nur dem glaubenden oder eine Erfahrung machenden Subjekt erschließt. Doch das muss nicht heißen, dass die Wahrheit vom Subjekt abhängt. Zu Pannenbergs insgesamt überzeugender Kritik der These der Subjektabhängigkeit von Wahrheit passt, dass er auch in den (subjektiven) Stimmungen kein Wahrheitskriterium sieht: „Es ergibt sich, daß zwar in jeder glücklichen Stimmung das Leben als rund und vollkommen erscheinen mag. Es mag darin auch wirklich etwas von der kosmischen Harmonie und dem Gotteslob der Schöpfung erfahren werden. Aber zu den Stimmungen gehört auch, daß sie wechseln, und das Kriterium ihrer Wahrheit liegt nicht in ihnen selbst. Die endgültige Freude ist daher in der biblischen Erwartung der eschatologischen Zukunft Gottes vorbehalten, und nur wo diese schon gegenwärtig offenbar ist, können Menschen schon jetzt aus der Freude leben, die das Leid der gegenwärtigen Welt überwindet.“ (W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 250). Solche subjektivitätskritischen Erwägungen dürften auch schon hinter Pannenbergs früher Kritik am „irrationalistischen [(Glaubens-)]Subjektivismus“ stehen. Vgl. exempl. W. Pannenberg, Glaube und Wirklichkeit, 8: Dort wendet er sich gegen die verbreitete Auffassung, „wonach die Glaubensinhalte erst von der Glaubensentscheidung her und darum nur für den Glaubenden in den Blick kommen oder jedenfalls nur für ihn verständlich und überzeugend sind“ sowie auch gegen einen Autoritätsglauben, „für den der Inhalt des Glaubens sich ebenfalls vernünftiger Prüfung entzieht und als Vorbedingung des Verstehens den als Glaubensgehorsam charakterisierten Akt der Unterwerfung unter die als Gotteswort ausgegebene, aber nicht als solches erweisbare Autorität des Kerygma oder der in der Schrift bezeugten Offenbarung fordert.“ (ebd.).

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„Die Bestimmung des Menschen zielt auf die Übereinstimmung von Ich und Wirklichkeit [kursiv: T. L.], die uns von uns aus unerreichbar bleibt. Daher weist sie uns immer wieder über alles, was wir schon sind, hinaus. […] Übereinstimmung von Ich und Wirklichkeit [kursiv: T. L.], das ist die alte Begriffsbestimmung der Wahrheit. Die Bestimmung des Menschen zielt also auf eine Existenz in der Wahrheit [kursiv: T. L.]. Wer aus der Wahrheit [kursiv: T. L.] leben könnte, dessen Leben wäre ein ganzes, wäre heil, wäre im Frieden mit allen Dingen. Diese Wahrheit aber, zu der wir bestimmt sind, ist nicht unsere, sondern Gottes [kursiv: T. L.]. Denn nicht aus uns selbst ist der Konflikt der Ichbezogenheit mit der Weltoffenheit zu überwinden. Die Übereinstimmung des Ich mit der Gesamtwirklichkeit kann nur von Gott her empfangen werden.“702

Korrespondenztheoretische Wahrheit in der spezifischen Gestalt als Übereinstimmung von Ich und Wirklichkeit wird als Zielpunkt der menschlichen Bestimmung begriffen. Nach dieser zweifelsfrei alten Begriffsbestimmung liegt Wahrheit jedoch gerade in dieser Relation selbst – Wahrheit bedeutet diese Übereinstimmung von Subjekt- und Objektkorrelat. Für Pannenberg genügt dies ganz offenkundig jedoch nicht. Das relationale Korrespondenzverhältnis wird mit der Vorstellung einer Existenz in der Wahrheit in Verbindung gebracht; und Gott wird letztlich als diejenige Wahrheit angesehen, auf die die Bestimmung des Menschen abzielt. Das sich hier bekundende Problem besteht nicht in den unverkennbaren theologischen Intentionen, sondern darin, dass Korrespondenzwahrheit und die Wendung ‚Wahrheit Gottes‘ zwei völlig unterschiedlichen Wahrheitsverständnissen zugehören. Während sich erstere als Eigenschaft von Aussagen versteht, klingt in der Verbindung Gottes mit dem Ausdruck Wahrheit eine ontologische Zuordnung an. Das aber heißt, dass allein in einem Textpassus der Ausdruck ‚Wahrheit‘ nicht durchweg dasselbe meint. Aus den Äquivokationen werden Konfusionen: Denn es fragt sich: Zielt nun die Bestimmung des Menschen auf Übereinstimmung von Ich und Wirklichkeit (also auf eine Form von Korrespondenzwahrheit) oder doch auf ein (nicht korrespondenztheoretisch zu interpretierendes) Leben in der Wahrheit Gottes? 703 Nicht ganz klar bleibt zudem (auch) hier, was der Ausdruck ‚Wahrheit‘ in der Wendung ‚Wahrheit Gottes‘ überhaupt bedeuten soll. Deviationen vom korrespondenztheoretischen Verständnis zeigen sich auch dort, wo Pannenberg die Korrespondenzwahrheit nicht bzw. nicht konsequent als vom Objektkorrelat, dem Wahrmacher, abhängig deklariert. Manche Formulierungen sind daher unglücklich und irritierend:

702 W. Pannenberg, Was ist der Mensch?, 45. Siehe dazu auch a. a. O., 45f. 703 Das zumindest deutet sich in folgender Bemerkung an: „Da der Mensch nicht von sich aus in der Wahrheit Gottes [kursiv: T. L.] leben kann, bleibt es vorläufig bei dem Konflikt zwischen Weltoffenheit und Ichhaftigkeit.“ (W. Pannenberg, Was ist der Mensch?, 46).

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„Erst im Lichte von Ostern ist es wahr, daß Jesus für uns gestorben ist und durch seinen Tod auch für uns überwunden hat [kursiv: T. L.], was uns von Gott trennt.“704

Der Korrespondenztheorie zufolge ist diese Behauptung in sich entweder wahr oder falsch. Somit besteht die Wahrheit unabhängig von dem Zeitpunkt des Verstehens dieses Ereignisses. Pannenberg vermengt hier die Frage nach (Korrespondenz-)Wahrheit mit derjenigen nach der Möglichkeit ihrer Erkenntnis. Ein weiteres, prekäre Deviationen anzeigendes Beispiel ist das folgende: „Denn alle Aussagen der christlichen Lehre haben ihre Wahrheit nur in Gott. Mit seiner Wirklichkeit stehen und fallen sie.“705

Hier handelt es sich offenkundig um den Versuch, die Wahrheitsfähigkeit des aussagetheoretischen Wahrheitstyps vom Gottesgedanken abhängig zu machen. So argumentierte Pannenberg bereits 1962 in „Wa s i s t Wa h r h e i t ? “. Strukturell ist die Aussagenwahrheit darauf jedoch nicht angewiesen. Und selbst wenn: Die christliche Lehre enthält sicher auch Aussagen, die sich nicht auf Gott beziehen und in sich wahr sind, sodass selbst in diesem Fall die Rückbindung an Gott überflüssig wäre. Freilich manifestiert sich hier einmal wieder eindrücklich das Interesse, Wahrheit vorrangig bei Gott zu lozieren. Vor dem Hintergrund dieser Logik erklärt sich auch die Betonung, es handele sich bei wahren Dogmen um mehr als „nur um menschliche Schulmeinungen“, und zwar „um Gottes Offenbarung [kursiv: T. L.].“706 „Die Wahrheitsgeltung solcher Selbstaussagen des Glaubens, wie sie bei Barth oder auch bei Tillich begegnen, ist jedoch nicht unabhängig davon, ob die in ihnen enthaltenen Annahmen metaphysischer Natur sich gedanklich rechtfertigen lassen [kursiv: T. L.].“707

Zunächst ist unklar, was mit ‚Wahrheitsgeltung‘ gemeint ist. Meint der Ausdruck die (öffentliche) Anerkennung von Wahrheitsansprüchen, also von Geltungsansprüchen, deren Wahrheit noch nicht entschieden ist? Oder ist ‚Wahrheitsgeltung‘ äquivalent/kongruent zu ‚Wahrheit‘? Nur für die erstere Interpretation wird man mit Pannenberg insofern konform gehen können, als zwischen Wahrheit und ihrer Rechtfertigung eine Unterscheidung gemacht wäre. Mit dem Ausdruck ‚Wahrheitsgeltung‘ käme dann lediglich ein Wahrheitsanspruch zum Ausdruck; die Wahrheitsfrage bliebe hierbei offen. (Für die Deutung als [geltender] Wahrheitsanspruch spricht auch der Gebrauch dieses Ausdrucks an anderer Stelle, wo er von der Theologie fordert, Gründe für die Wahrheitsgeltung

704 705 706 707

W. Pannenberg, Gegenwart Gottes. Predigten, 138. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 70. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 19. W. Pannenberg, Metaphysik und Gottesgedanke, 9.

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der [stets] strukturell hypothetischen Glaubensaussagen zu geben708.) Anders verhielte es sich bei einer Interpretation, derzufolge die Wahrheitsgeltung im Sinne der Wahrheit der Aussagen als von ihrer metaphysischen Rechtfertigung, anstatt wie üblich vom Wahrmacher, abhängig gedacht würde. Es handelte sich dann um so etwas wie ein epistemisches Wahrheitsverständnis. Wäre Pannenberg so zu verstehen, läge hier ein eklatanter Widerspruch vor, der eine Parallele darin hat, dass Pannenberg mitunter auch mithilfe des Kohärenzkriteriums die Wahrheit von Aussagen feststellen will. Hier zeigt sich erneut, dass die Frage nach den in Betracht kommenden Wahrmachern von Pannenberg nicht eingehend genug geklärt worden ist. Weitere Beispiele dokumentieren dies: „Die Behauptungen der christlichen Lehre erreichen die Weltwirklichkeit nicht, bleiben über ihr schweben und damit unwahr [kursiv: T. L.], wenn sie die Problematisierung der Wirklichkeit Gottes von der Welt her, ihre Bestreitung und die Abwendung von ihr nicht in sich aufnehmen als Infragestellung des eigenen, christlichen Wahrheitsbewußtseins.“709

Die Wahrheit von Behauptungen kann aber nicht ernstlich davon abhängen, ob in bzw. mit ihnen der Wirklichkeit Gottes und ihrer Problematisierung – in welcher Weise auch immer – angemessen Rechnung getragen wird oder nicht. Für die als Gegenstands- oder Sachverhaltskorrespondenz aufgefasste Erkenntnisrelation hebt Pannenberg andernorts hervor, dass bestimmte Entitäten (z. B. Gegenstände oder Sachverhalte) das Maß darstellen für die auf Korrespondenz hin formulierten Aussagen710. Während dieses Verständnis noch im Rahmen der Korrespondenztheorie und der geläufigen Funktion der Wahrmacher liegt, insofern dem Wahrheitsverständnis einer „unverfälschten“ Korrespondenztheorie exakt die Auffassung zugrunde liegt, dass Wahrheit in einer correspondentia oder adäquatio besteht, können andernorts Modifikationen festgestellt werden, in denen ‚Wahrheit‘ anders interpretiert wird, und zwar als die für den der subjektiven Erkenntnis vorgegebenen Erkenntnisgegenstand (selbst). Pannenberg erlälutert an einer Stelle, die Wahrheit sei vorgegeben, „weil der um Erkenntnis Bemühte den wahren Sachverhalt entweder treffen oder auch verfehlen kann.“711 Mit der den Urteilen vorgegebenen Wahrheit meint Pannenberg präzise „die in den Dingen selbst schon vorhandene Wahrheit“, die es in einer korrespondenztheoretischen ‚Urteilswahrheit‘ adäquat zu erfassen gilt712. 708 So Pannenberg im Gespräch mit H. Krings. Vgl. W. Oelmüller (Hg.), Wahrheitsansprüche der Religionen heute, 292. 709 W. Pannenberg, Systematische Theologie, Bd. I, 59. 710 Zur Sachverhaltskorrespondenz vgl. exemplarisch auch W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 235. 711 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 34. 712 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 1, 117.

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Das von Urteilen adäquat zu Erfassende sei also stets als „wahrhaft Seiendes“ gedacht713. Aber müsste nicht vielmehr der Erkenntnisgegenstand an Stelle der Wahrheit dem erkennenden Subjekt vorgegeben sein? Dass Pannenberg scheinbar problemlos die Wahrheit als zu erkennende Größe annimmt, hängt mit seinem wesentlich von der Ontologie her entwickelten Begriff von Wahrheit zusammen, der überdies mithilfe des Gottesgedankens die Vorgegebenheit der Erkenntnisgegenstände sichern soll. Pannenberg formuliert: „Das Urteilen über wahr und falsch ist sicherlich subjektiv bedingt, wie alles Urteilen. Dennoch verfügt der Mensch in seinen Urteilen nicht über die Wahrheit, sondern setzt sie voraus, sucht ihr zu entsprechen. Die Wahrheit ist in ihrer für alle verbindlichen Allgemeinheit den subjektiven Urteilen der Menschen vorgegeben. Diese Einsicht bildete den entscheidenden Schritt in Augustins Argument für die Göttlichkeit der Wahrheit (De lib. arb. II,10; vgl. 12). […] Hier interessiert die augustinische Verbindung von Wahrheitsidee und Gottesbegriff zunächst darum, weil sie die Unverfügbarkeit der Wahrheit für das subjektive Urteil feststellt und weil dabei zugleich der spezifisch theologische Sinn dieses Sachverhalts hervortritt: die Unverfügbarkeit Gottes selbst und darum auch die der Wahrheit des Dogmas als dogma theou.“714

Der Rekurs auf den Gedanken der Vorgängigkeit bzw. Vorgegebenheit ontischer oder onto-theologischer Wahrheit bricht sich auch an anderer Stelle in seiner Theologie Bahn. Sogar in der Kunst könne Wahrheit als gegebene Größe verstanden werden715. Eine formal so gedachte Wahrheit wird bei Pannenberg nicht selten zum wesentlichen Referenzpunkt erklärt und auch als ethischer Maßstab eingestuft716. Man beachte exemplarisch folgende Bemerkung: „Christian preachers and writers might even find the nerve to speak of something so outré as obedience to moral truth.“717 Es ist schon für das religiöse Gottesverhältnis des Menschen aus der Sicht Pannenbergs typisch, dass es als auf die Wahrheit Gottes bezogen gedacht wird718. Auch bezogen auf die Ethik argumentiert Pannenberg 713 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 1, 117 sowie insbes. Anm. 1. 714 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 62. 715 Sogar in der Kunst will Pannenberg die Idee vorgegebener Wahrheit berücksichtigt wissen. So bemängelt er, dass „die Bindung des Kunstwerks an eine der Beliebigkeit bloßen Meinens übergeordnete künstlerische Wahrheit [kursiv: T. L.] faktisch vernachlässigt“ werde, also die Bindung an „eine Wahrheit, an der dann freilich zuallererst das Kunstwerk selber zu messen wäre.“ (W. Pannenberg, Über Menschenwürde, persönliche Freiheit und Freiheit der Kunst – theologische Erwägungen aus Anlass des Falles ‚Mephisto‘, 147). 716 Vgl. zur Ausdrucks- und Verhaltenswahrheit W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 215f. Siehe dazu auch die ähnliche, aber sehr viel spätere Bemerkung Pannenbergs zum Lebensstil „als Ausdruck der Wahrheit der Offenbarung Gottes für alle Menschen“ (W. Pannenberg, Wahrheit statt Gleichgültigkeit. Antwort an Wilfried Gerhard, 135). 717 W. Pannenberg, Letter from Germany, 10. 718 So Pannenberg an anderer Stelle: „Das religiöse Verhältnis des Menschen zu Gott entspricht nicht immer schon der Wahrheit Gottes, die durch seinen geschichtlichen Selbsterweis an den Tag gebracht wird. Das religiöse Verhältnis zu Gott bedarf vielmehr der Korrektur vom

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ähnlich: „Die Frage nach der Wirklichkeit Gottes und seiner Offenbarung muß für sich gestellt werden, gerade auch im Interesse der Ethik selbst. Nur wenn die Wahrheit Gottes und seiner Offenbarung für sich feststeht, läßt sich ein ihr gemäßes Leben führen [kursiv: T. L.].“719 Schließlich hat Pannenberg insbesondere auch für den Zusammenhang der Legitimation politischer Herrschaft und Ordnung mit der Annahme einer den Herrschenden vorgegebenen (d. h. nicht willkürlich gesetzten) Wahrheit argumentiert, von welcher her erst Verhalten zu bemessen sei und welche eine alle Mitglieder einer Gesellschaft ‚verpflichtende Wahrheit‘ sei720. „Es kann sich bei jener „Wahrheit“, auf die Herrschaft sich für ihre Legitimation berufen muß, auch nicht um wissenschaftliche Wahrheit im Sinne der positiven Wissenschaften handeln, da diese nicht die Sinntotalität der gesellschaftlichen Lebenswirklichkeit umfaßt. Das ist vielmehr die Funktion der Religion, und aus diesem Grunde muß Herrschaft, um sich zu legitimieren und sich der Loyalität der Beherrschten zu versichern, religiöse Glaubenswahrheiten voraussetzen, an die sie sich bindet, um sich durch sie zu legitimieren.“721 Pannenberg meint, es vermöge „[n]ur eine dem Belieben aller Individuen und insbesondere auch dem der politische Herrschaft ausübenden Individuen entzogene, allgemein überzeugende „Wahrheit“ über den Menschen und seine Bestimmung [kursiv: T. L.] […] die Loyalität der Individuen gegenüber dem Staat

Selbsterweis der göttlichen Wahrheit her, und gerade die Unangemessenheit in der Gestaltung des menschlichen Verhältnisses zur göttlichen Wahrheit trägt dazu bei, daß diese erst im Prozeß einer Geschichte sich selbst dem Menschen erweisen kann.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 188). 719 W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 54. Vgl. auch schon W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 216: dort der Gedanke, dass menschliches Verhalten an Gottes Wahrheit seinen Maßstab finde. Siehe auch S. Greiner, Die Theologie Wolfhart Pannenbergs, 18 Anm. 8. 720 Vgl. auch zu der jedem individuellen Verhalten gegenüber vorgegebenen Wahrheit W. Pannenberg, Theologie und Reich Gottes, 63; vgl. ausführlicher zur Legitimierung einer politischer Ordnung und Herrschaft vorgegebenen Wahrheit W. Pannenberg, Die Bestimmung des Menschen, 29 („Ohne die Annahme einer solchen, der Willkür gerade auch der Herrschenden vorgegebenen Wahrheit, an der ihr Verhalten gemessen werden kann, wäre jede Form menschlicher Regierung unerträglich.“); zum Thema siehe auch: W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 328f; W. Pannenberg, Die Erfahrung der Abwesenheit Gottes in der modernen Theologie, 21f; W. Pannenberg, Die theokratische Alternative, 237 (dort die Darlegung des Gedankens, dass politische Herrschaft nur dann akzeptiert werde, „wenn sie [sc. die Herrschaft] sich als Ausdruck einer den Inhabern der Herrschaft und ihrer Willkür ebenso wie der ganzen Gesellschaft vorgegebenen, auch die Herrschenden selbst verpflichtenden „Wahrheit“ [kursiv: T. L.] darstellen kann.“). 721 W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 329; vgl. ferner W. Pannenberg, Einheit der Kirche und Einheit der Menschheit, 17. Er fährt fort: „Auch die säkularen Staaten der Neuzeit konnten sich dieser Notwendigkeit nicht entziehen. Die Privatisierung der konfessionellen Ausprägungen des Christentums hatte lediglich zur Folge, daß der Staat seine religiöse Legitimationsbasis in der „natürlichen Religion“ suchte“ (W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 329 bzw. W. Pannenberg, Einheit der Kirche und Einheit der Menschheit, 17).

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zu begründen.“722 An anderer Stelle führt Pannenberg den Gedanken aus, dass die zur Begründung politischer Ordnung dem Menschen vorgegebene und die ihn verpflichtende Wahrheit „ihrem ursprünglichen und eigentlichen Sinne nach religiöse Wahrheit [kursiv: T. L.] ist.“723 Und die Aufgabe politischer Herrschaft bestünde darin, diese Wahrheit gegenüber den Individuen zu repräsentieren724. Die Vorgängigkeit dieser Wahrheit, ihr Repräsentiertwerden, ist es denn dann auch nach Voegelin und Pannenberg, was die Loyalität des Individuums für die gesellschaftliche Ordnung gewährleisten soll: „Only the assumption that the principles and symbolic institutions of a society represent the final truth of all reality – only that assumption can secure the loyalty of the individual for his social order as Eric Voegelin has explained.“725

Interessanterweise setzt Pannenberg den Ausdruck ‚Wahrheit‘ zuweilen in Anführungszeichen, offenbar, weil das Wort ‚uneigentlich‘ gebraucht wird für „die Ordnung des Kosmos und ihren göttlichen Ursprung […] oder […] fundamentale Forderungen der Natur und Bestimmung des Menschen selber“726. Man kann grundsätzlich wie trefflich darüber streiten, ob das Normative, d. h. die maßstabsbildende Instanz, für die menschliche Lebensführung angemessen mit ‚Wahrheit‘ zu benennen ist oder nicht727.

722 W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 121. Siehe auch W. Pannenberg, Beiträge zur Ethik, 16. 723 W. Pannenberg im Vorwort zu E. Voegelin, Evangelium und Kultur, 7. 724 Vgl. W. Pannenberg im Vorwort zu E. Voegelin, Evangelium und Kultur, 7: „Diese Wahrheit stellte sich in der Sicht der frühen Kulturen als Entsprechung der politischen Ordnung zu der von den Göttern begründeten Ordnung des Kosmos dar. Die Verlagerung vom Kosmos auf den Menschen, wie sie in der griechischen Philosophie erfolgte und durch das Christentum (im Zeichen des christlichen Inkarnationsglaubens) weitergebildet wurde, ist das Ergebnis einer Geschichte, der Voegelin seit den dreißiger Jahren den Großteil seiner Bemühungen um eine Neubegründung unserer Begriffe von der politischen Ordnung gewidmet hat.“ (vgl. a. a. O., 7f). 725 W. Pannenberg, Future and Unity, 75. 726 W. Pannenberg, Die theokratische Alternative, 237. 727 So hat etwa E.M. Pausch im Anschluss an D. Bonhoeffer die Meinung geäußert, „in einer normativen christlichen Ethik wird jedenfalls die höchste Norm nicht Wahrheit oder Wahrhaftigkeit heißen können, weil ihnen das Prinzip der sich agapisch konkretisierenden und als Geschwister-, Nächsten- und Feindesliebe differenzierenden Liebe in jedem Falle vorgeordnet sein müßte.“ (E.M. Pausch, Wahrheit zwischen Erschlossenheit und Verantwortung, 329). Pausch will damit „[d]ie Wahrheit/Wahrhaftigkeit […] in den Schranken der Liebe […] halten.“ (ebd.) Insoweit erscheint es auch konsequent, dass Pausch diese Position „zunächst einmal“ ablehnt und meint, die Ethik müsse „sich um den Zusammenhang von Wahrheit und Wahrhaftigkeit zentrieren“ (ebd.). Mir scheint allerdings, dass eine Entscheidung über die Verwendung des Ausdrucks ‚Wahrheit‘ in ethischen Zusammenhängen grundsätzlich nicht an einer solchen Gegenüberstellung festgemacht werden sollte. Entscheidend bleibt doch die Frage, was mit ‚Wahrheit‘ gemeint sein soll.

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Wenn jedoch wie in den aufgeführten Beispielen Wahrheit selbst als Referenzpunkt in der Funktion eines Wahrmachers in Anspruch genommen wird, wird die Ebene eines (modernen) aussagetheoretischen Wahrheitsverständnisses „gesprengt“. Es kann deshalb nicht mehr von einem originären korrespondenztheoretischen Wahrheitsverständnis gesprochen werden, da die per Wahrheitsträger transportierten Inhalte nicht deshalb als wahr gelten, weil sie etwa im korrespondenztheoretischen Sinne mit außersprachlichen Entitäten korrespondieren (d. h. zutreffen), sondern weil sie auf die (primär) ontologische und/ oder letztlich als göttlich gedachte Wahrheit bezogen werden und in der Konsequenz die Aussagenebene allenfalls in abgeleiteter Weise mit dem Phänomen Wahrheit etwas zu tun hätte. Inwiefern hier noch von aussagetheoretischer Wahrheit die Rede sein kann, wird man darum fragen dürfen. Und das ist eine schon deshalb nicht unerhebliche Frage, weil Pannenberg an anderer Stelle auf die korrespondenztheoretische Wahrheit „in Reinform“ zurückgegriffen hat. Pannenberg erklärt seine m. E. sicher begrüßenswerte Absicht, Wahrheit nicht als eine vom erkennenden Subjekt her zu konstituierende Größe zu denken. Darum betont er, dass Wahrheit eine vom Subjekt zu erkennende vorgegebene Größe sei. Dieser Gedanke ist – wie gezeigt wurde – für die korrespondenztheoretische Wahrheit grundcharakteristisch, insofern sie ihre stets objektive Wahrheit vom (hier nicht als Wahrheit ausgegebenen) Objektkorrelat – dem Wahrmacher (z. B. der Wirklichkeit, der Welt, den Dingen, Tatsachen und dergleichen) – und also nicht vom Subjekt(korrelat) und seinem subjektiven Fürwahrhalten her gewinnt. Daraus ergibt sich jedoch, dass es des Gottesgedankens für die Begründung der Vorgegebenheit von Wahrheit nicht zwingend bedarf – zumindest nicht, wenn es um die Erkenntnis von Wahrheit im Sinne endlicher Entitäten geht. Denn die Vorgegebenheit außersprachlicher Entitäten steht in Zusammenhang mit dem der Korrespondenztheorie einhergehenden Wirklichkeitsverständnis des Realismus, demzufolge es außersprachliche Entitäten gibt, und zwar unabhängig von unseren Einstellungen, Meinungen und Haltungen ihnen gegenüber. Pannenbergs Bemühung des Gottesgedankens erweist sich als eindeutig theologisch motiviert und sachlich überflüssig. Pannenbergs eigentümliche Verquickung der aussagetheoretischen Korrespondenzwahrheit mit der (onto-)theologischen Wahrheit Gottes überzeugt auch dann nicht, wenn er den Anspruch auf die Wahrheit von Dogmen (der üblicherweise ein Anspruch auf aussagetheoretische Wahrheit darstellt) als „Anspruch auf göttliche Wahrheit [kursiv: T. L.] dieser Dogmen“728 interpretiert. Die aussagetheoretische Korrespondenzwahrheit, auf die Wahrheitsansprüche gemeinhin abzielen, wird nicht nur in Beziehung zu Gott als der Wahrheit gesetzt, 728 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 20. Eine solche Verquickung findet sich auch a. a. O., 60.

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sondern die Ansprüche auf Wahrheit werden selbst zu Ansprüchen auf göttliche Wahrheit – besser: sie werden lediglich als solche deklariert. Das führt zu Konfusionen: Was hat die göttliche Wahrheit mit Wahrheit im Sinne von Korrespondenz zu tun? Weil es sich um zwei verschiedene Wahrheitsbegriffe handelt, ist der von Pannenberg behauptete Zusammenhang ein künstlich hergestellter. 3.4.2.5.4 Zur Problematik theologischer Modifikationen des Objektkorrelats der Korrespondenzrelation in neueren Beiträgen Nicht nur dadurch dass Pannenberg in seiner Theologie als Wahrmacher außer der üblichen ontologischen Ebene (Wirklichkeit, Tatsachen, Sachverhalten o. ä.) speziell auch Gott beansprucht, unterscheidet sich sein Konzept einer Korrespondenztheorie von anderen modernen Korrespondenztheorien der Wahrheit. Sämtliche „Deviationen“ von einer modernen Korrespondenztheorie dürften von dieser theologischen Variante einer Korrespondenztheorie verursacht sein. Aufs Ganze gesehen dürften die benannten Schwierigkeiten aber als überschaubar und nicht allzu problematisch zu taxieren sein. Eine klare Stärke seiner theologischen Rezeption der Korrespondenztheorie der Wahrheit ist zudem, dass er über weite Strecken in gewohnten Bahnen denkt, deren Plausibilität damit weitgehend gewährleistet ist. Pannenberg geht ähnlich wie der alethische Realismus davon aus, dass korrespondentistische Aussagen auf eine externe, von uns unabhängige Wirklichkeit zu beziehen sind. Er geht dabei von der Einheit der Wirklichkeit als Geschichte aus, die strukturell im (metaphysischen) Realismus beheimatet ist. In der neueren Theologie wird jedoch gelegentlich die Wirklichkeit, auf die die theologischen Aussagen gerichtet sind, als eine andere Wirklichkeit verstandenen. Ein solcher Fall liegt noch nicht vor, wenn etwa Chr. Schwöbel sagt, dass „[d]ie Aussagen des christlichen Glaubens und der sie explizierenden Theologie […] sich nicht durch einen speziellen Wahrheitsbegriff von anderen Behauptungen“ unterscheiden729, damit also „der Begriff der Korrespondenz von Aussage und Wirklichkeit […] für die Aussagen des christlichen Glaubens [als] ganz zureichend“730 erklärt wird und H. Schulz festhält, dass sich die Aussagen der Theologie „nicht durch einen speziellen Wahrheitsbegriff von anderen Behauptungen“731 unterschieden. Eine zu Pannenberg, Kreiner und der hier vertreten Position des alethischen Realismus diametral entgegengesetzte Position ergibt sich erst durch die Anschauung beider Theologen, dass sich theologische Aussagen „auf eine umfassendere Wirklichkeit beziehen […], als sie der menschlichen Welt- und Selbsterfahrung von 729 Chr. Schwöbel, Art. Wahrheit, 288. 730 Chr. Schwöbel, Die Wahrheit des christlichen Glaubens im religiös-weltanschaulichen Pluralismus, 55. 731 H. Schulz, Vom Daseinsverständnis zum Evidenzerleben, 124.

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sich aus zugänglich ist.“732 Schwöbel geht nun allerdings von einem christlichen Wirklichkeitsverständnis aus, das v. a. darin bestehen soll, dass „Grund, Sinn und Ziel der Wirklichkeit in Gottes Handeln begründet“ verstanden würde733; Schulz meint, dass „[d]iejenige Wirklichkeit, auf die sich theologische Aussagen i. S. von etwas beziehen, das der menschlichen Welt- und Selbsterfahrung von sich aus unzugänglich ist, […] die des Glaubens beziehungsweise die – und zwar allein im Glauben zugängliche“734 sei. Schließlich sei hier noch auf E.M. Pausch verwiesen, der ähnlich die korrespondentistische, semantisch-ontologische Wahrheit des aussagetheoretischen Wahrheitstypus anerkennt und die (theologischen) Denunzierungen dieses Wahrheitstyps als bloß abgeleitete Wahrheit (z. B. Satzwahrheit) m. E. voll zu Recht kritisiert, aber merkwürdigerweise (Schwöbel und Schulz nicht unähnlich) eine Differenz zu anderen Wissenschaften und der Philosophie darin zu erkennen glaubt, dass sich die Theologie durch ein „im Rechtfertigungsglauben begründetes Wirklichkeitsverständnis“ unterscheide735. Solche theologisch motivierten Modifikationen des Objektkorrelates durch Distinktionen im Wirklichkeitsbereich überzeugen nicht. Inwiefern kann für die auf Korrespondenz abzielenden Aussagen der Theologie und des Glaubens angenommen werden, dass sie auf eine andere/besondere/umfassendee Wirklichkeit bezogen sind als diejenigen anderer Wissenschaften? Nicht wer die Einheit der Wirklichkeit behauptet, sondern der, der sie bestreitet und mit zwei oder gar mehreren verschiedenen Wirklichkeiten rechnet, gerät unter den Druck der Beweislast. Sofern unter Wirklichkeit eine von unserem Denken unabhängige Wirklichkeit im Sinne des erkenntnistheoretischen Realismus verstanden wird – etwa im Sinne der ‚Welt‘ – ist die These eines separaten Wirklichkeitsraumes m. E. wenig überzeugend. Was für eine Wirklichkeit sollte diese ‚umfassendere‘ sein? Wie verhielte sie sich zur Wirklichkeit im geläufigen, realistischen Sinne? Und hätte der geglaubte Gott der Christenheit überhaupt noch etwas zu tun mit der Wirklichkeit der Anderen? Es stellt sich hier die Kohärenzfrage. Es ist eine Frage, der sich m. E. die Proponenten der Separationsthese zuwenden müssten. Entsteht durch eine Aufspaltung der Wirklichkeit nicht der begründete Verdacht, dass es sich hier um theologisch motivierte, möglicherweise zum Teil auch von postmodernem Geist evozierte Konstrukte handelt, für die es außer einem subjektiven Glauben und seiner ebenso konturierten Gewissheit keinerlei Anhaltspunkte gibt? 736 Für den Fall, dass Wirklichkeit ernsthaft als eine von Gott 732 Chr. Schwöbel, Art. Wahrheit, 288. Daran anschließend H. Schulz, Vom Daseinsverständnis zum Evidenzerleben, 124. 733 Chr. Schwöbel, Die Wahrheit des Glaubens im religiös-weltanschaulichen Pluralismus, 55. Vgl. ausführlicher zu diesem eigentümlichen Wirklichkeitsverständnis auch a. a. O., 44f. 734 H. Schulz, Vom Daseinsverständnis zum Evidenzerleben, 125. 735 E.M. Pausch, Wahrheit zwischen Erschlossenheit und Verantwortung, 10. 736 Man vgl. Landmessers Bemerkungen über ‚nebulöses postmodernes Gerede‘ und dessen

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bestimmte gedacht werden soll, gewinnt die Annahme einer solchen anderen Wirklichkeit m. E. auch keine größere Plausibilität. Im Gegenteil: Gott kann nach christlichem Verständnis nicht gut mit der Welt/ Wirklichkeit identifiziert werden (Pantheismus). Kann Gott nicht angemessener mit Pannenberg als Begründer der Wirklichkeit im Sinne des Realismus gedacht werden? In diesem, m. E. konsequenterweise auf einen Panentheismus hinauslaufenden Fall bestünde gar keinen Grund ein anderes Wirklichkeitsverständnis als das des (z. B. metaphysischen) Realismus zu postulieren. Die theologische Option bestünde dann wesentlich darin, die Wirklichkeit als eine realistisch interpretierte äußere Welt und so als eine von Gott bestimmte zu denken. Die (Korrespondenz-) Wahrheit von Aussagen über die Beschaffenheit der Wirklichkeit hängt – wie gezeigt – nicht von der subjektiven Seite der Erkenntnisrelation – also beispielsweise ihrer Erfahrbarkeit oder ihrer Zugänglichkeit ab, sondern vom Wahrmacher, dem Objektkorrelat. Schulz meint allerdings: „Aussagenwahrheit heißt […] christlich verstanden: Übereinstimmung des Ausgesagten mit der (diesseits des Glaubens: stets zweideutigen) Wirklichkeit – als einer von Gott, in Liebe, erkannten. Wahr ist diejenige Ansicht der Dinge, die diese so sieht, wie Gott sie schaffend, rechtfertigend, versöhnend, erlösend sieht und erkennt.“737 Die damit heraufbeschworene Problematik ist eine zweifache. Nicht nur verunmöglicht er objektive Korrespondenzwahrheit durch die Bindung von Wahrheit an die subjektive Seite der Erkenntnisrelation – auch wenn Gott ein Grenzfall ist, sondern verstößt gegen den eigenen Vorsatz, die aussagetheoretische Wahrheit theologisch nicht anders verstehen zu wollen. Innerhalb der Theologie wird die Vorstellung von der Einheit der Wirklichkeit gelegentlich bestritten. Gegen die Kritik an der Einheit der Wirklichkeit lassen sich allerdings weitere bedenkenswerte Einwände geltend machen: Chr. Landmesser hat darauf aufmerksam gemacht, dass die neutestamentlichen Texte auf die eine Wirklichkeit/ Welt bezogen sind und dieser Umstand „von entscheidender Bedeutung für die Verstehbarkeit der neutestamentlichen Texte ist.“738 Würde dagegen die Einheit Wirklichkeit bestritten und stattdessen eine „Sonderwirklichkeit“ für die an Christus Glaubenden beansprucht, hätte dies erheblichen Einfluss auf die Ebene der Kommunikation, wie Landmessers Kritik an J. Fischer zeigt:

sich allmählich ankündigenden Endes. Den Rückzug auf unterschiedliche Wirklichkeiten interpretiert er sicher im Anschluss an C. Lorenz nicht zu Unrecht als Kennzeichen eines ‚postmodernen Schauspiels‘. (Chr. Landmesser, Rezension Schröter, Jens, mit Antje Eddelbüttel [Hg.]: Konstruktion von Wirklichkeit. Beiträge aus geschichtstheoretischer, philosophischer und theologischer Perspektive, 1227f). 737 H. Schulz, Vom Daseinsverständnis zum Evidenzerleben, 125. 738 Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 443f.

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„Bei einer möglicherweise unterstellten Bezogenheit auf unterschiedliche Welten oder auf eine von der übrigen Wirklichkeit abgetrennte Sonderwirklichkeit – etwa einer Sonderwirklichkeit der an Christus Glaubenden – verbunden mit der beschriebenen Relativität aufgrund der immer zu konstatierenden Perspektivität ergäbe sich eine Art der Beliebigkeit, die es nicht mehr erlauben würde, in eine sinnvolle, verstehbare und rational beurteilbare (wissenschaftliche) Kommunikation einzutreten.“739 „Die Annahme absolut unterschiedlicher Welten bzw. Wirklichkeiten – und nur solche sind wirklich unterschiedliche Welten bzw. Wirklichkeiten – wäre für jede Kommunikation desaströs, da jeder Mensch nur noch in seiner abgeschlossenen Wirklichkeit leben würde. Inwiefern zwei miteinander kommunizierende Subjekte eine gemeinsame Welt intendieren, könnte weder begründet noch plausibel gemacht werden. Die – auch in der Theologie – gestellte Aufgabe ist es deshalb, unter Wahrnehmung – nicht aber unter Bestreitung – der Perspektivität Kommunikationsregeln darzustellen, mittels deren intersubjektiv auf die eine Wirklichkeit bzw. Welt Bezug genommen werden kann.“740

Fischers These „eine[r] Vielzahl disparater Wirklichkeitskonzepte und kommunikativer Perspektiven auf Wirklichkeit“741 steht im Übrigen selbst noch nicht einmal gegen den Gedanken der Einheit der Wirklichkeit, sondern besagt und impliziert im Wesentlichen lediglich, dass unsere Konzeptualisierungen von Wirklichkeit auf die Perspektivität individuellen Erkennens zurückgehen. 3.4.2.5.5 Vorläufigkeit und Perspektivität – zur Relativität der Wahrheitserkenntnis Die zu beobachtende Tendenz, aufgrund der Perspektivität menschlichen Erkennens Wirklichkeit und Wahrheit relativieren zu wollen, findet in neueren Publikationen verstärkt ihren Niederschlag, z. B. auch in der Gestalt, dass Wahrheit mit Perspektivität assoziiert wird und die (nicht nur) für die Korrespondenztheorie der Wahrheit unabdingbare (objektive) Referenzebene, und zwar Wirklichkeit im Sinne des metaphysischen Realismus, wie sie bei Pannenberg (noch) vorzufinden ist, dabei verloren geht. Sind solche Schritte gerechtfertigt? Aus meiner Sicht nicht: Dass (menschliche) Wahrheitserkenntnis bestimmten epistemischen Grenzen unterliegt – seien es historische/geschichtliche, (sozio-)kulturelle und zeitbedingte Grenzen wie etwa auch die das menschliche Leben kennzeichnende Endlichkeit742 – wird (nicht erst) innerhalb der neueren 739 Siehe dazu die instruktiven Bemerkungen Chr. Landmessers, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 443f (zit. 443). 740 Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 444 Anm. 30. 741 Siehe exempl. J. Fischer, Zum Wahrheitsanspruch der Theologie, 103 inkl. Anm. 12, zit. 104; siehe auch J. Fischer, Pluralismus, Wahrheit und die Krise der Dogmatik, bes. 512ff. 742 So schreibt etwa H. Küng mit Recht: „Es ist offensichtlich: nicht nur in der Natur-, sondern auch in der Geisteswissenschaft, auch in Philosophie und Theologie, ist uns die Wahrheit nun einmal immer nur in geschichtlicher, zeitbedingter Form zugänglich: die bleibende

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Theologie weithin anerkannt. Bei Pannenberg findet diese Einsicht ihren prägnantesten Ausdruck in der These der Vorläufigkeit allen Erkennens. Die unausweichliche Perspektivität im Erkennen wird in Fachkreisen so gut wie nicht bestritten; sie ist in der Tat unausweichlich. Insofern kann man durchaus mit H.P. Großhans im Rückgang auf F. Nietzsche sogar sagen, dass die Perspektivität zu den Grundbedingungen des menschlichen Lebens zählt743 und Erkenntnis sich „immer perspektivisch“, und zwar „von bestimmten Stand- und Gesichtspunkten aus, in bestimmten Situationen, in einzelnen Sprachen“744 vollzieht. Solche grundsätzliche Perspektivität wird man auch mit J. Fischer und Chr. Landmesser745 nicht gut bestreiten wollen, sondern sollte sie viel eher als epistemische Rahmenbedingung anzuerkennen746. Und zwei weitere, von Großhans herausgestellten Aspekte erscheinen mir wesentlich: Perspektivität ist ein unumgängliches Charakteristikum jeden Erkennens, was aber nicht die Möglichkeit objektiver Erkenntnis ausschließen muss, wie noch gezeigt werden wird747. Die Gebundenheit des Erkennens und damit also auch der Wahrheitserkenntnis hat jedoch nichts mit dem zu tun, was Wahrheit ist. Das gilt (fast) unabhängig davon, welcher Wahrheitsbegriff zugrunde gelegt wird. Hätte

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Wahrheit wird in immer neuen Paradigmen, in neuen Konstellationen von Überzeugungen, Werten und Verfahrensweisen überliefert.“ (H. Küng, Die Funktion der Religion zur Bewältigung der geistigen Situation. Versuch einer zeitgeschichtlichen Analyse, 140). R. Barth fordert für die Wahrheitserkenntnis die Anerkennung „der prinzipiellen historisch-kulturellen Relativität aller möglichen Gehalte des Wahrheitsbewußtseins“ (R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 58). Er meint zudem: „Ein gegenwärtiges Wahrheitsverständnis muß daher diesem Sachverhalt Rechnung tragen.“ (ebd.). Ist nicht – frage ich – deutlich(er) die epistemische Frage nach den Bedingungen von Wahrheitserkenntnis von derjenigen nach dem Wahrheitsverständnis zu unterscheiden? Siehe dazu H.-P. Großhans, Wahrheit als Perspektive?, 256 und sein Verweis auf F. Nietzsches Vorrede zu Jenseits von Gut und Böse. H.-P. Großhans, Wahrheit als Perspektive?, 269. Vgl. dazu exemplarisch die Bemerkungen Chr. Landmessers zu J. Fischer (Zum Wahrheitsanspruch der Theologie, 103 inkl. Anm. 12 u. J. Fischer, Pluralismus, Wahrheit und die Krise der Dogmatik, 512–516): „Fischers Feststellung, daß unterschiedliche Zugänge zur Welt mit unterschiedlichen Perspektiven verbunden sind, ist unhintergehbar. Diese grundsätzliche Perspektivität wird niemals überwunden werden können – auch nicht innerhalb der Theologie oder innerhalb der Naturwissenschaften, die in sich selbst durch vielerlei Perspektiven ausdifferenziert sind. Es gibt prinzipiell keine Möglichkeit, die Perspektivität zu bestreiten.“ (Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 444 Anm. 30). Das geschieht gerne und zu Recht in neueren Beiträgen, so z. B. bei M. Zechmeister: „Erkenntnis der Wahrheit vollzieht sich immer perspektivisch. Alle unsere Annäherungen an die Wahrheit geschehen aus unserem subjektiven, durch viele Faktoren bedingten und begrenzten Blickwinkel.“ (M. Zechmeister, Der Preis der Wahrheit, 163). Siehe dazu H.-P. Großhans, Wahrheit als Perspektive?, bes. 257, 260 u. 269. Anders als bei Großhans wird hier nicht für einen internen Realismus eines H. Putnam und der damit verbundenen Kritik am metaphysischen Realismus optiert.

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Wahrheitserkenntnis einen Einfluss auf die Beschaffenheit von Wahrheit selbst, hieße das zu versuchen, die Wahrheit von der Subjektivität des erkennenden Subjektes abhängig zu machen, was aber, wie schon Davidson erkannte, im Grunde nicht möglich ist, täte man es aber doch, so hieße dies, die Wahrheit durch das erkennende Subjekt konstituiert zu denken, was ihrer Objektivität nicht nur widerspricht, sondern auch gerade in der Theologie und ihrer Rede von Gott doch nicht ernsthaft intendiert sein kann. Die Gebundenheit des Erkennens (von Wahrheit) an die Perspektivität, wie sie etwa von Pannenberg anerkannt und herausgestellt worden ist748, sollte darum auch grundsätzlich nicht dazu führen, Perspektivität mit der Wahrheit selbst in Verbindung zu bringen, wie dies bei I.U. Dalferth u. Ph. Stoellger geschieht749. 748 Besonders deutlich kommt dies in dem von Pannenberg verfassten Vorwort zu J. Kunaths „Sein beim Anderen“ zum Ausdruck: „Die Perspektivität hängt nämlich eng mit der Endlichkeit unserer menschlichen Erkenntnis und Bewusstseinsbildung zusammen“. (So W. Pannenberg in seinem Vorwort zu: J. Kunath, „Sein beim Anderen“. Der Begriff der Perspektive in der Theologie Wolfhart Pannenbergs, 9) „Die Pluralität der Perspektiven schließt freilich nicht den Anspruch auf Wahrheit, im Falle der Theologie sogar Wahrheit in Bezug auf das Ganze der Wirklichkeit aus, wie sie sich in der „Perspektive Gottes“, des Schöpfers, darstellt.“ (ebd.) Kennzeichnend für Erkenntnis ist bei Pannenberg immer ihr vorläufiger und antizipatorischer Charakter (vgl. ebd.). 749 Vor dem Hintergrund, dass Dalferth und Stoellger die theologischen Bemühungen um Wahrheit mit der Aufgabe verbunden sehen, „Wahrheit als Wahrheit der Existenz oder des Lebens zu entfalten, und zwar nicht zentralperspektivisch, sondern in unvertretbar individueller Perspektive“ (I.U. Dalferth u. Ph. Stoellger, Perspektive und Wahrheit, 20) haben sie die Behauptung aufgestellt: „Nur in Perspektiven ‚gibt es‘ Wahrheit.“ (So die Herausgeber I.U. Dalferth u. Ph. Stoellger im Vorwort zu I.U. Dalferth/Ph. Stoellger (Hg.), Wahrheit in Perspektiven). Mit dem Hinweis auf die Perspektivität wollen sie dem allgemein hinlänglich bekannten Umstand Rechnung tragen, dass es viele Perspektiven gibt. Perspektivität heißt hier genauer „[d]ie Unhintergehbarkeit wie die Unüberschreitbarkeit der jemeinigen Perspektive“ (a. a. O., 21). Sie betonen, dass es angesichts des Perspektivenpluralismus „nie nur meinen Weg zur Wahrheit“ gibt (a. a. O., 27). Während eine solche Rückbindung von Wahrheitserkenntnis m. E. nicht nur problemlos ist, sondern sogar erforderlich ist, scheint es mir dagegen fatal, wenn von den Autoren Wahrheit selbst an Perspektiven gebunden wird. An einem Beispiel illustrieren sie ihre Auffassung: „Auch wenn ich selbst mich vor Gott nur als peccator verstehen kann, betrachtet Gott mich von sich aus als iustus, weil und insofern er mich als den sieht, zu dem er mich macht. Beides ist wahr, wenn überhaupt eines wahr ist. Beide Wahrheiten heben sich aber nicht auf und lassen sich nicht ineinander überführen: Sie sind gebunden an die jeweilige Perspektive. Beide Wahrheiten lassen sich daher nur zusammen vertreten unter Wahrung der Differenz zwischen Gott und Mensch. […] Oder anders gesagt: Daß ich Sünder bin, erschließt sich mir als Wahrheit in meiner Perspektive, weil ich mich selbst dazu mache und gemacht habe. Daß ich gerecht bin, bleibt dagegen eine mir unzugängliche Wahrheit in Gottes Fremdperspektive, der mich anders sieht, als ich mich selbst je sehen kann, indem er mich zu einem macht, zu dem ich mich selbst nie zu machen vermag. […] Aber die Wahrheit meiner Perspektive hängt an der anderen Wahrheit einer anderen Perspektive, die meine nicht nur nicht ist, sondern niemals werden kann.“ (a. a. O., 22) „Denn wer kommuniziert, tauscht Wahrheit nicht wie eine Ware, sondern schafft Situationen, in denen sie selbst wirksam werden kann. Nur so wird sie in unserer Perspektive zur Wahrheit. Nur so gibt es sie.“ (a. a. O., 28). Diese Argumentation kann m. E. aus mehreren

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Aber auch aus einem anderen Grund ist es problematisch, Wahrheit an die Perspektivität zu binden oder gar die Wahrheit selbst als Perspektive aufzufassen.

Gründen nicht überzeugen: Die Aussage, dass der Christ simul iustus et peccator ist, nötigt nicht zu der Annahme, es handele sich um zwei nicht ineinander überführbare Wahrheiten. Auch die Unterschiedenheit in der Perspektive von Gott und Mensch darf die Wahrheitsfrage nicht aufspalten. Dalferth und Stoellger vermengen zwei zu unterscheidende Fragestellungen. Die Frage nach der Erkennbarkeit und auch Zugänglichkeit von Wahrheit ist als eine epistemologische Frage eine von der definitorischen Frage nach Wahrheit zu unterscheidende Frage. Für diese These, der Christ sei sowohl iustus et peccator kann ohne Probleme Wahrheit beansprucht werden, und zwar im geläufigen korrespondenztheoretischen Sinne. Von der Korrespondenzidee machen auch Dalferth und Stoellger Gebrauch, insofern sie etwa von der „Wahrheit meiner Perspektive“ (vgl. oben) sprechen oder für ihre Darlegungen Wahrheit beanspruchen. Das bedeutet aber, dass es auch in theologischen Bemühungen nicht nur (wenn überhaupt) um eine „Wahrheit der Existenz oder des Lebens“ geht. Stoellgers Auffassung von Wahrheit als Perspektive rührt von seiner Skepsis an Wahrheitstheorien her und kommt v. a. darin zum Ausdruck, dass er „die Wahrheit des religiösen Lebens als Perspektive einer Welterschließung“ versteht und als Alternative zu einer „Zentralposition oder -perspektive“ als einer „unerschwinglich[en]“ Option. (Ph. Stoellger, Wirksame Wahrheit, 379). Allerdings verstrickt sich Stoellger in Inkonsistenzen, die nicht klar erkennen lassen, ob er wirklich Wahrheit selbst als Perspektive verstanden wissen will oder eine solche Perspektivität lediglich für das Fragen nach Wahrheit oder Beanspruchen von Wahrheit reklamiert: So erklärt Stoellger etwa, dass Wahrheit „mehrdimensional“ sei (a. a. O., 335f), „ nicht in dem leichtfertigen Sinn, daß es viele Wahrheiten gäbe – dann könnte man auf den Wahrheitsbegriff verzichten -, sondern in dem präzisen Sinn, daß in nicht aufeinander reduziblen Hinsichten, d. h. in Perspektiven und verschiedenen Horizonten oder anders mit Cassirer gesagt, in allen, nicht aufeinander rückführbaren ‚symbolischen Formen‘ nach ihr gefragt werden kann.“ (a. a. O., 335f). „Wahrheit als mehrdimensional zu begreifen heißt, sie in verschiedenen Horizonten für fragwürdig zu halten.“ (a. a. O., 339) An anderer Stelle behauptet er „die irreduzible Perspektivität von Wahrheitsansprüchen“ (a. a. O., 352). Die (unhintergehbare) Perspektivität der Wahrheitserkenntnis, die m. E. mit Dalferth und Stoellger behauptet werden sollte, wird von Stoellger jedoch nicht sauber von der Frage nach Wahrheit selbst unterschieden. Beides als perspektivisch zu bezeichnen, macht m. E. keinen Sinn. Zur Bindung der Wahrheit(-serkenntnis) (und der Wahrheit?) an die Perspektivität des Erkennens vgl. I.U. Dalferth, Evangelische Theologie als Interpretationspraxis, 12ff: Dalferth will zwar auf „Fragen nach Bestimmtheit, Richtigkeit, Wahrheit oder Verbindlichkeit“ nicht verzichten, propagiert jedoch „ein topisches Denken in Perspektiven und Horizonten, das sensibel ist für die Vielaspektigkeit und Rekombinierbarkeit der Phänomene, die in den Blick gefasst werden, sie also in verschiedenen Perspektiven und Horizonten zu betrachten sucht und nicht mehr darauf zielt, sie begrifflich so zu fixieren, dass sie auf eine und nur eine Weise ‚richtig‘ verstanden sind.“ (a. a. O., 12). In Anwendung auf die Wahrheitsthematik ergibt sich daraus für Dalferth, dass das, „was jeweils wahr ist, gewiss sein kann und verbindlich gilt, […] sich nicht zeitfrei, situationsunabhängig und auf nur eine ‚richtige‘ Weise inhaltlich fixieren“ lasse. (a. a. O., 12f) Es müsse „als immer wieder neues, konkretes Zustandekommen von Verständnis, Wahrheit, verlässlicher Gewissheit und gemeinsamer Verbindlichkeit unter Bedingungen pluraler Meinungen, verschiedener Hinsichten und divergierender Ansichten verstanden und beschrieben werden“ (a. a. O., 13). Zudem heißt es: „Wahr ist, was wahr wird und auch für andere wahr werden kann.“ (ebd.) Dalferth meint auch: „Nur situierte Wahrheit ist konkret, und nur konkrete Wahrheit ist das, was im Kontext von Lebenspro-

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Wolfhart Pannenbergs Wahrheitskonzeption

Solche Anschauungen teilen die Schwierigkeiten mit ähnlichen Formen der Relativierungen von Wahrheit, deren Proponenten sich aber scheinbar nicht selten weigern, diesen Gedanken auf ihre eigenen Aussagen zu applizieren. Im Akt des Aussagens wird faktisch für das Gesagte ein Geltungsanspruch erhoben, und das ist im Regelfall ein Anspruch auf universale und absolute Geltung, also schlicht ein Wahrheitsanspruch im herkömmlichen Sinn. Wahrheitsansprüche transzendieren aber jedwede Perspektivität, weil es bei Wahrheit um mehr als nur um eine (subjektive) Perspektive geht. Die Pannenbergkritik gerade aus postmodernem Umfeld scheint sich diesem Sachverhalt nicht immer bewusst (gewesen) zu sein750:

zessen wirklich ‚wahr‘ genannt zu werden verdient.“ (a. a. O., 13 Anm 4, siehe auch Anm. 4, 12f). Dalferth vermengt – darin Stoellger nicht unähnlich – verschiedene Fragestellungen, die m. E. zu trennen wären. Zunächst ist aus meiner Sicht, die ich oben dargelegt habe, die Wahrheitsfrage von der Gewissheitsfrage zu unterscheiden. Was wahr ist, kann gewiss sein, muss es aber nicht notwendig sein. Ob sich aus Wahrheit bzw. Gewissheit Verbindlichkeit ableiten lässt, ist eine davon ebenso zu unterscheidende Frage, wobei Verbindlichkeit nicht aus Gewissheit abgeleitet werden kann und das Gelten von Verbindlichkeiten selbst noch nichts darüber aussagt, ob etwas wirklich verbindlich ist (etwa weil es wahr ist). Man mag Dalferth darin zustimmen, dass sich das, was wahr ist, nicht zweifelsfrei feststellen lässt und diese Feststellung durchaus zeit- und perspektivenbedingt ist. Dennoch sollte die epistemische Einsicht nicht aus dem Blick geraten, dass die Wahrheit (beispielsweise einer Tatsache) selbst nicht von den (durchaus als schwierig einzustufenden) Möglichkeitsbedingungen ihrer Erkenntnis – zum Exempel den jeweiligen Perspektiven – abhängt. Dalferths Behauptung, wahr sei, was wahr werde und für Andere wahr werden könne, bleibt mir semantisch völlig unklar. Sofern Wahrheit besteht, muss sie nicht erst wahr werden. Und wenn Wahrheit besteht, dann ist sie für alle wahr, sie braucht nicht erst für andere wahr werden. Denkbar scheint mir lediglich, dass Andere die Relevanz der Wahrheit für sich wahrnehmen. Das ist aber etwas gänzlich Anderes. Es geht bei Wahrheit nicht darum, was jemand für wahr hält, sondern darum, was wahr ist – unabhängig vom subjektiven Fürwahrhalten. Dalferths Behauptung, nur situierte Wahrheit sei aufgrund ihrer konkreten Verfasstheit lebensweltlich relevant, verfehlt m. E. den Kern desjenigen Phänomens, das gemeinhin mit ‚Wahrheit‘ in Verbindung gebracht wird. Während Dalferth hierbei die Wahrheit stark vom Subjekt des sie Artikulierenden her denkt (statt sie vom Objektkorrelat – dem Wahrmacher – abhängig zu denken), entnehme ich einer anderen Formulierung, dass Wahrheit nicht vom individuell-subjektiven Fürwahrhalten abhängig gemacht werden kann, woraus resultiert, dass der Aspekt der Objektivität für Dalferth offenbar doch nicht (ganz) preisgegeben werden darf. Er schreibt: „Das bloße Fürwahrhalten von etwas verbürgt nicht schon die Wahrheit dessen, was man für wahr hält.“ (I.U. Dalferth, Religion und Wahrheit, 212 Anm. 25 im Anschluss an D. Davidson, The Structure and Content of Truth, 305). 750 Diese Beobachtung hat etwa schon F. LeRon Shults gemacht und am Beispiel seiner Kritik an Walsh illustriert: „When Walsh states that „truth must be contextual to be known and lived,“ does this assertion apply only to Walsh’s own context, or is it true of all contexts? If the former, on what basis is he criticizing Pannenberg, for whose context the assertion may not apply? If the latter, he is making the same kind of universal claim for which he chides Pannenberg. We will often have the opportunity to note this self-exempting fallacy in many of Pannenberg’s critics.“ (F. LeRon Shults, The Postfoundationalist Task of Theology, 3 Anm. 6).

Pannenberg und die modernen philosophischen Wahrheitstheorien

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„Mit der Frage nach der Wahrheit einer Erkenntnis wird die Perspektivität des Erkennens […] zu überschreiten gesucht, insofern es dann um die Erkenntnis eines Sachverhalts bzw. eines Gegenstandes in seiner in sich stimmigen Gesamtheit geht, die auch aus anderen Perspektiven als sachgemäß und stimmig erkannt und anerkannt werden kann. Insofern ist ein Wahrheitsanspruch eine Überschreitung perspektivischen Erkennens und es scheint dann wenig sinnvoll, Wahrheit selbst als eine Perspektive (unter anderen) zu bezeichnen.“751

Nicht Wahrheit selbst ist eine Perspektive, sondern ihre Erkenntnis vollzieht sich stets perspektivisch752. Der wichtige Unterschied zwischen Wahrheit und perspektivischer Wahrheitserkenntnis wird von Pannenberg mit vollem Recht aufrechterhalten. Seine eben diese Thematik berührenden Überlegungen zur Geschichtlichkeit der Wahrheit und der Wahrheitserkenntnis lassen dagegen – wie oben gesehen – an verschiedenen Stellen eine problematische Kategorienverwechslung erkennen, die insbesondere durch eine Reflexion auf zugrunde gelegte Wahrheitsbegriffe und die jeweiligen Zuschreibungen von Wahrheitsattributen hätte vermieden werden können. 3.4.2.5.6 Zur Höherbewertung der ontologischen Wahrheit gegenüber der aussagetheoretischen (Korrespondenz-)Wahrheit der modernen Philosophie Wiederholt ist an unterschiedlichen Stellen die außerordentlich große Bedeutung ontologischer Wahrheit im Denken Pannenbergs erkennbar geworden. Mit ihr, so verdichtet sich der Eindruck, geht eine relative Distanz zum wahrheitstheoretischen Diskurs (durchaus konsequent) einher. Denn Pannenberg ist der festen Überzeugung, dass der in der philosophischen bzw. wahrheitstheoretischen Diskussion gepflegte Umgang mit der Wahrheitsthematik alles andere als unproblematisch ist. S.E. verhält es sich so, dass das Wahrheitsproblem in der „moderne[n] Entwicklung […] ganz auf die Aussagewahrheit eingeengt“753 worden sei (was gerade in der Theologie auch von Anderen kritisiert worden ist754). Pannenberg notiert: 751 H.-P. Großhans, Wahrheit als Perspektive?, 269. Die m. E. berechtigte, an die Adresse Dalferths und Stoellgers gerichtete Kritik am Verständnis von Wahrheit als Perspektive indiziert freilich bereits der Titel seines Beitrages. 752 Vgl. dazu exempl. aus der Theologie den Beitrag von H. Schulz, Perspektivität und Positionalität, bes. 133. 753 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 235. 754 Vgl. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 235. In dieser Hinsicht hegt Pannenberg ähnliche Vorbehalte wie viele andere Theologen gegenüber einem aussagetheoretischen Wahrheitsbegriff. Die Motivation zu solchen Einschätzungen hängt oftmals mit dezidiert theologischen Intentionen zusammen und ist nicht selten dem zumeist auch offen ausgesprochenen Anliegen geschuldet, dem traditionsreichen Gedanken der Göttlichkeit der Wahrheit gerecht werden zu wollen: So besteht etwa eine Parallele zu G. Ebeling, der sich

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„Die Einengung des Wahrheitsbegriffs auf die Aussagewahrheit bildet den Boden, auf dem die Diskussion zwischen verschiedenen Wahrheitstheorien ausgetragen wird.“755 Pannenberg sieht den Umgang mit der Wahrheitsfrage also reduktionistischen Tendenzen ausgesetzt; die Ursache für die beklagte Engführung sieht er im Verlust der Gewissheit von der göttlichen Wirklichkeit, die schließlich zur Folge gehabt habe, dass der Mensch „in seinem Verhältnis zur Wahrheit auf sich selber und damit auf die Aussagewahrheit zurückgeworfen [sei].“756 Offenbar übersieht Pannenberg die Weite dieses Wahrheitstyps, die in der Verbindung von semantischer und ontologischer Ebene besteht und nur im Falle eines argen Missverständnisses als eine Form des Zurückgeworfenseins auf die Subjektivität des Erkennenden gewertet werden kann, wo doch nichts weniger als das Gegenteil für den aussagetheoretischen Wahrheitsbegriff symptomatisch ist.

Pannenbergs These, dass die wahrheitstheoretische Diskussion das Wahrheitsproblem auf die Aussagenwahrheit hin verengt habe, hängt mit einer weiteren These unmittelbar zusammen, wonach die Aussagewahrheit, die „in jenem anfänglichen Erkennen, das immer wieder zum Ausgangspunkt gläubigen Vertrauens wird, […] ihren Ort“ habe, „das Wesen der Wahrheit nicht erschöpft“ –

1979 gegen die Reduktion von Wahrheit auf Aussagenwahrheit gewandt hat mit der These, dass „Wahrheit einen Bezug zum Sein“ habe und in diesem Zusammenhang die Wahrheit als Gottesattribut verstanden wissen wollte (G. Ebeling, Dogmatik des christlichen Glaubens. Bd. II [Zweiter Teil], 116). Neben den o.g. Gemeinsamkeiten besteht eine Parallele auch darin, dass im Anschluss an H. v. Soden eine Verschiedenheit zwischen griechischem und hebräischem Wahrheitsverständnis behauptet wird. (s. o.) Zu den vielfach in der Theologie beobachtbaren Vorbehalten gegenüber einem reinen aussagetheoretischen Wahrheitsverständnis siehe auch die Bemerkungen von Chr. Schwöbel: „Angesichts der umfassenden Infragestellung des christlichen Glaubens wird in der Theologie des 20. Jahrhunderts vielfach der Versuch unternommen zu zeigen, daß der christliche Wahrheitsbegriff nicht oder zumindest nicht primär als Aussagenwahrheit zu verstehen ist.“ (Chr. Schwöbel, Art. Wahrheit, 286) „Stattdessen wird Wahrheit als personale Begegnung von Gott und Mensch interpretiert (E. Brunner), oder Wahrheit wird als Ereignis verstanden, das geschieht, wo das → Wort Gottes Ereignis wird, das den Menschen, der von sich aus nicht wahr sein kann, im Glauben wahr macht und so sein Reden von Gott wahr werden läßt (E. Jüngel).“ (a. a. O., 286f). Schwöbel ist selbst auch der Meinung, „daß das biblische und christliche Verständnis von Wahrheit, gerade wegen der inhaltlichen Implikationen der als wahr behaupteten Aussagen, in denen es ja um das → Heil Gottes für die Welt geht, umfassender ist als der Begriff der Aussagenwahrheit.“ (a. a. O., 287) Siehe ferner exempl. M. Petzoldt (Wahrheit als Begegnung, 81), der aus theologischem Interesse mit seinem Rekurs auf H. v. Soden u. E. Brunner „philosophischen Engführungen widerstehen“ will. 755 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 235. Pannenberg bezieht sich hierfür auf L.B. Puntel, Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie, Darmstadt 1978. 756 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 235. Er fährt fort: „Diese Entwicklung kündigte sich schon an in der antiken Skepsis und ihren Auseinandersetzungen mit der Stoa. Sie kam zum Durchbruch im Gefolge der Auflösung der christlichen Wahrheitsgewißheit im konfessionellen Antagonismus der Neuzeit.“ (ebd.).

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wie Pannenberg sowohl mit Blick auf das biblische als auch hinsichtlich des griechischen Wahrheitsverständnisses behauptet757. Diesbezüglich ist Kritik angebracht – einmal, weil bereits die Rede von einem „Wesen“ der Wahrheit maßgeblich (wenn nicht ausschließlich) die Präsupposition ontologischer Wahrheit erkennen lässt, mit der Pannenberg zu operieren wünscht. Wenn aber ontologische Wahrheit als wesentliches Momentum für das Phänomen Wahrheit genannt wird, wundert es nicht, dass die Aussagenwahrheit als defizitär erscheinen muss. Aber diese Annahme eines ontologischen Wesens von Wahrheit ist nichts weiter als eine positionelle Option, nämlich eine für einen frei wählbaren, aber nicht zwingenden Begriff von Wahrheit. Wenig überzeugend ist daher auch das Urteil, das Wesen der Wahrheit werde von der Aussagenwahrheit nicht hinreichend erfasst. Und insofern kann auch nicht einfach davon ausgegangen werden, das Wesen der Wahrheit könne nur durch einen bestimmten Begriff von Wahrheit mehr oder weniger angemessen erfasst werden758. Zum zweiten bleibt auch völlig unverständlich, wieso die aussagetheoretische Wahrheit allenfalls für das ‚anfängliche Erkennen‘ tauglich sein soll. Das ist eine absichtsvolle, aber unzulässige Engführung der Aussagenwahrheit, die im Übrigen auch mit Pannenbergs anderweitigen, zum Teil auch sehr positiven Bemerkungen zu diesem Wahrheitsbegriff nicht in Einklang zu bringen ist. Derartige Kritik an der sog. Aussagenwahrheit stellt so etwas wie die landläufige Form der theologischen Kritik philosophischer Wahrheitsbegriffe dar. Häufig wird die alte (übrigens inzwischen zurecht kritisierte) Fundamentalunterscheidung zwischen biblischem und griechischem Wahrheitsbegriff zum Ausgangspunkt einer Kritik, die in der Regel darauf abzielt, den (philosophischen und insofern ‚griechischen‘) aussagetheoretischen Wahrheitsbegriff als reduktiv oder defizitär zu brandmarken, was dann zugleich der Demonstration gereichen soll, „daß der christliche Wahrheitsbegriff nicht oder zumindest nicht primär als Aussagenwahrheit zu verstehen ist.“759 Hierzu seien folgende prominente Beispiele gegeben: 757 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 234. 758 In diese Richtung geht auch A. Kreiners Kritik der anzutreffenden Anschauung, „daß es […] um grundlegende Alternativen im Verständnis des Wesens der einen Wahrheit“ gehen könne, „das entweder vom hebräischen oder griechischen Denken umfassend und angemessen erfaßt wird.“ (A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 327). 759 So die Interpretation von Chr. Schwöbel, Art. Wahrheit, 286: Schwöbel nennt als Repräsentanten dieser Einschätzung E. Brunner, E. Jüngel und reiht sich selbst ein. An anderer Stelle formuliert Chr. Schwöbel ähnlich, indem er im Anschluss an M. Petzoldt seiner Überzeugung Ausdruck verleiht, dass „‚Wahrheit‘ in den biblischen Traditionen nicht auf Aussagen zu beschränken ist.“ (Chr. Schwöbel, Die Wahrheit des Glaubens im religiösweltanschaulichen Pluralismus, 55) Schwöbel will allerdings, wie er hier erklärt, keinen eigenen theologischen Wahrheitsbegriff propagieren, weil dies auf Kosten des christlichen Wahrheitsanspruches ginge. Pannenberg nicht unähnlich, berücksichtigt er konstruktiv Aspekte philosophischer Wahrheitstheorien.

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E. Brunners Modell von Wahrheit als Begegnung versteht sich in deutlicher Abgrenzung von der die Subjekt-Objektrelation thematisierenden wissenschaftlichen Sachwahrheit zu (s. o.). G. Ebeling wandte sich gegen die Reduktion von Wahrheit auf Aussagenwahrheit und vertrat die These, dass „Wahrheit einen Bezug zum Sein“ habe760. E. Jüngel meinte, es sei „das christliche Verständnis von Wahrheit zunächst eher am Gegenteil von Übereinstimmung orientiert“761. Chr. Schwöbel ist (scheinbar wie Pannenberg) der Meinung, „daß das biblische und christliche Verständnis von Wahrheit, gerade wegen der inhaltlichen Implikationen der als wahr behaupteten Aussagen, in denen es ja um das → Heil Gottes für die Welt geht, umfassender ist als der Begriff der Aussagenwahrheit [kursiv: T. L.].“762 M. Petzoldt hat von „philosophischen Engführungen“ hinsichtlich der Fassung des Wahrheitsbegriffs gesprochen, denen s.E. mit den Überlegungen von H. v. Soden u. E. Brunner die Theologie widerstehen könne763. Und schließlich teilen auch I.U. Dalferth und Ph. Stoellger die Einschätzung, dass das Verständnis der Wahrheit als Satzwahrheit zu eng ist764.

Ausgehend von der Einschätzung, dass die Aussagenwahrheit für sich alleine genommen insuffizient sei, weil sie das Wesen der Wahrheit nicht erschöpfe (vgl. oben), will Pannenberg seine These der Abhängigkeit der aussagetheoretischen Wahrheit von der ontologischen Wahrheit wie folgt plausibilisieren: Es sei „die Wahrheit der Aussage nur möglich als Entsprechung zur „Wahrheit“ der Sache selbst [kursiv: T. L.], zu ihrer Beständigkeit und Selbstidentität. Gerade aus diesem Grund ist ja nach Platon und Aristoteles vom Vergänglichen und Wechselnden kein Wissen im strengen Sinne möglich, während nach biblischem Verständnis das endgültige Wissen noch von der Zukunft des eschatologischen Gotteshandelns abhängt. Vorausgesetzt ist hier wie dort der Gedanke des in sich selber Beständigen und Identischen. Die Wahrheit der Aussage hängt an dieser Voraussetzung und entspricht ihr durch ihre eigene Identität, indem sie das Wahre wahr und das Unwahre unwahr [kursiv: T. L.] nennt.“765

Diese Bemerkungen provozieren kritische Anmerkungen: L.B. Puntel kritisierte an dem hier wiedergegebenen Argumentationsgang Pannenbergs zum Wesen der Wahrheit, dass „eine „Möglichkeitsbedingung“, eine „Voraussetzung“ u. ä. einer Sache […] doch nicht „das Wesen“ dieser Sache

760 G. Ebeling, Dogmatik des christlichen Glaubens. Bd. II (Zweiter Teil), 116. Neben den o.g. Gemeinsamkeiten besteht eine Parallele auch darin, dass im Anschluss an H. v. Soden eine Verschiedenheit zwischen griechischem und hebräischem Wahrheitsverständnis behauptet wird. 761 E. Jüngel, Wertlose Wahrheit, 100. 762 Chr. Schwöbel, Art. Wahrheit, 287. 763 M. Petzoldt, Wahrheit als Begegnung, 81. Siehe dazu ausführlicher schon a. a. O., 79ff. 764 Vgl. I.U. Dalferth/ Ph. Stoellger, Wahrheit, Glaube und Theologie. Zur theologischen Rezeption zeitgenössischer wahrheitstheoretischer Diskussionen, 61. 765 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 234f.

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dar[stelle].“766 In der Tat hätte eine präzisere Diktion sein Anliegen, die These der Abhängigkeit der aussagetheoretischen Wahrheit von der ontologischen Wahrheit zu illustrieren, klarer zum Ausdruck bringen können. Überdies fragt sich, welche Funktion den Anführungszeichen um das Wort ‚Wahrheit‘ (s. o.) zukommt: Könnte es sein, dass Pannenberg sich selbst nicht sicher gewesen ist, ob eine außersprachliche Entität tatsächlich sinnvollerweise als Wahrheit ausgegeben weden sollte? Die Vorstellung eines wahrheitsbegrifflichen Abhängigkeitsverhältnisses findet sich jedenfalls nicht erst in dem Aufsatz „Wa h r h e i t , G e w i ß h e i t u n d G l a u b e “ von 1978, aus dem zitiert wurde, sondern schon in „Wa s i s t Wa h r h e i t ? “ (1962), und zwar als Spezifikum des von ihm sog. griechischen Wahrheitsgedankens: Dieser „mein[e] einerseits die Übereinstimmung des Wahren mit sich selbst, seine Beständigkeit. Andererseits die Übereinstimmung des Redens und Denkens mit dem von sich aus Wahren.“767 Die zwei als fundamental ausgemachten Aspekte sind also s.E. einmal die „Identität des Wahren mit sich selber“ und auch die „Entsprechung des Menschen zum Wahren in der Aussage, die ihrer Form nach darauf zielt, das Wahre sein zu lassen, was es ist.“768

Pannenbergs Überzeugtsein von der Abhängigkeit aussagetheoretischer Wahrheit von der ontologischen Wahrheit bezeugt schließlich auch eine spätere wahrheitstheoretische Reflexion, die in das Plädoyer für einen metaphysischen Begriff von Wahrheit mündet: „Wenn Wahrheit nur vom Urteil her, als wie auch immer näher zu bestimmende ‚Korrespondenz‘ von Urteil und Sachverhalt, gedacht wird, dann kann Wahrheit als dem Sachverhalt selbst äußerlich gelten. Daran ändert sich auch noch nichts, wenn Kriterien der Wahrheit des Urteils angegeben werden, wie der Konsensus der Urteilenden oder die Kohärenz des einzelnen Urteils mit allen andern für wahr gehaltenen Urteilen. Es ändert sich solange nichts, wie solche Kriterien der Wahrheit vom Begriff der Wahrheit getrennt bleiben. Ist jedoch der Konsensus der Urteilenden als ein Teilaspekt der Kohärenz in den Sachverhalten aufzufassen und so dem Begriff der Wahrheit selber zugehörig, dann ist der Schritt zu einem metaphysischen Wahrheitsbegriff vollzogen, der es erlaubt, im Horizont der Einheit des Wahren auch von der Wahrheit der Dinge und nicht nur der Urteile über sie zu sprechen.“769

An diesem Zitat wird besonders deutlich, dass Pannenberg den urteilstheoretischen Wahrheitsbegriff v. a. deshalb für defizitär hält, weil er meint, dass Wahrheit „dem Sachverhalt selbst äußerlich“ bliebe. Aufgrund der strukturell 766 767 768 769

L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff in Philosophie und Theologie, 28f Anm. 29. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 210. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 232. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 56.

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semantisch-ontologischen Relationalität urteilstheoretischer Wahrheit ist dieses Argument genauso wenig überzeugend wie seine eigentümliche und pauschalisierende These, es müssten Kriterien der Wahrheit (notwendig) in den Begriff der Wahrheit aufgenommen werden770. Nachvollziehbar ist seine Argumentation nur unter Berücksichtigung seiner Anschauung, das Phänomen Wahrheit müsse letztlich primär ontologisch verortet werden. Wahrheit wird von Pannenberg nicht zuletzt mit der Absicht der Erschließung eines genuin biblischen Verständnisses von Wahrheit primär auf die Ebene der Ontologie transponiert, wie dies im Übrigen auch für die antik-griechische, vorsokratische und auch vor-aristotelische Tradition charakteristisch ist und später für Plotin und die christliche Tradition im Besonderen per Anschluss an Augustin kennzeichnend wurde771. Zweifelhaft bleibt Pannenbergs Behauptung, dass die Aussagenwahrheit auf der Voraussetzung von ontologischer Wahrheit notwendig beruhen muss, vor allen Dingen schon deshalb, weil er damit zwei eigenständige verschiedene Wahrheitsbegriffe unzulässigerweise aufeinander bezieht, was von L.B. Puntel erkannt und kritisch zur Sprache gebracht worden ist772. Diese Tatsache scheint Pannenberg nicht zu bemerken (oder auch nicht bemerken zu wollen?). 770 S. o. die Bemerkungen. Die wichtige Unterscheidung zwischen (definitorischem) Wahrheitsbegriff und Kriterien der Wahrheit schließt freilich nicht aus, dass ein bestimmtes Kriterium der Wahrheit (z. B. Kohärenz) auch zum Begriff der Wahrheit hinzugerechnet werden kann. 771 Erst mit Aristoteles bahnt sich ein Wandel an, dessen Bedeutung kaum zu unterschätzen und dessen Folgen bis heute fortwirken. Bei Aristoteles gewinnt die Aussagewahrheit zunehmend an Bedeutung. J. Szaif erklärt: „Bei Aristoteles rückt der propositionale Wahrheitsbegriff in den Mittelpunkt der philosophischen Wahrheitskonzeption“ (J. Szaif, Die Geschichte des Wahrheitsbegriffs in der klassischen Antike, 18. Zu Aristoteles‘ propositionalem Wahrheitsbegriff s. a. a. O., 18–24; ferner zu seinem (und Platos) Begriff der Wahrheit auf dem Gebiet der Ethik auch 24–27). Gerade weil Pannenberg Wahrheit primär auf ontologischer Ebene verortet, kommt den Konzeptionen von Parmenides und Augustin – wie noch zu zeigen sein wird – innerhalb seines Wahrheitsverständnisses herausragende Bedeutung zu. 772 So auch schon L.B. Puntel (Der Wahrheitsbegriff in Philosophie und Theologie, 28f Anm. 29) zu diesen Ausführungen Pannenbergs: „Pannenberg verwechselt verschiedene Fragestellungen und -richtungen, die zu unterscheiden sind, will man störende Konfusionen vermeiden. Die „‚Wahrheit‘ der Sache“ wurde in der Tradition der Philosophie und wird auch heute „ontologische Wahrheit“ genannt; davon ist nach Thomas ‚id quod formaliter rationem veri perficit‘ (ebd.) zu unterscheiden.“ Der von Pannenberg gebrauchte Terminus ‚Aussagewahrheit‘ ist freilich wenig präzise, insofern damit nicht gesagt wird, was als Wahrheitsträger in relationalen Wahrheitskonzeptionen in Betracht kommt. In diese Richtung zielt auch die folgende Kritik von Puntel: „– PANNENBERG stellt auch die Behauptung auf: ‚Die Einengung des Wahrheitsbegriffs auf die Aussagenwahrheit bildet den Boden, auf dem die Diskussion zwischen verschiedenen Wahrheitstheorien ausgetragen wird‘ (ebd.). Diese Behauptung ist nicht nur einseitig, sondern völlig unzutreffend. Zunächst ist zu sagen, daß der deutsche Ausdruck „Aussage“ unklar, ja mißverständlich ist: Bezeichnet er den „Satz“ oder das durch den Satz Ausgedrückte (den Sachverhalt, die Pro-

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Aufs Ganze gesehen bleibt seine Verhältnisbestimmung zwischen ontologischer Wahrheit und aussagtheoretischer (Korrespondenz-)Wahrheit so eigenwillig wie theologisch-positionell und problembeladen. 3.4.2.5.7 Aussagen als ein Tun und die These der Superiorität des biblischen Wahrheitsverständnisses Es ist nicht uninteressant, dass Pannenberg das Aussagen im Anschluss an israelitisches Denken als eine Tätigkeit interpretieren möchte – ergibt sich so doch durchaus eine Spannung zu der an die Aussagestruktur gebundene Darstellungsfunktion von Sprache, die von ihm an anderer Stelle von den Performativa als Handlungsvollzügen abgegrenzt wird. Das Tun im Aussagen nach biblischem Verständnis interpretiert er so, das es „die Identität des Wahren bewährt und dabei letztlich auf der Voraussetzung der Treue Gottes beruht.“773 In das griechische Verständnis von Wahrheit sei „[d]ieser Tataspekt des Aussagens […] freilich […] nicht integriert worden“774, worin Pannenberg nicht nur „eine wichtige Differenz des biblischen zum griechischen Wahrheitsverständnis“ erkennt, sondern von der er sich auch zur These veranlasst sieht, „sein[en] Überschuß über das letztere“ zu behaupten. Dass jener Überschuss „darauf hinaus[laufe], daß das biblische Wahrheitsverständnis Zeit und geschichtlichen Wechsel nicht ausschließt, sondern einschließt [kursiv: T. L.]“775, wiederholt die Superiorität gegenüber dem griechischen, aussagetheoretischen Wahrheitsbegriff durch das Argument der Inklusion von Zeitlichkeit bzw. Geschichtlichkeit. Pannenbergs Argumentation ist aber hier zumindest irritierend, suggeriert diese doch, es könne das Moment des Tätigseins im Vollzug des Aussagens zu diesem überlegenen ‚Überschuss‘ beitragen – doch wie könnte das sein und wie ließe sich das rechtfertigen? position) oder die Behauptung (und hier sind zwei Bedeutungen zu unterscheiden: „das Behaupten“ und „das Behauptete“)? Solange hierüber keine Klarheit besteht, hat es keinen Sinn, von einer „Einengung des Wahrheitsbegriffs auf die Aussagenwahrheit“ zu sprechen. Zweitens: In der wahrheitstheoretischen Diskussion werden meistens drei Wahrheitsträger genannt und diskutiert: der Satz, die Proposition (der Sachverhalt), die Äußerung (als Ereignis aufgefaßt).“ (L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff in Philosophie und Theologie, 28f Anm. 29). Die Kritik von Puntel scheint mir nicht ganz gerechtfertigt: Im Zuge des sich stets weiter ausdifferenzierenden Wahrheitsdiskurses hat auch der terminologische Differenzierungsgrad in der Wahrheitsdebatte zugenommen. Puntel, der sich mit dem Wahrheitsproblem sehr viel umfassender befasst hat, kennt daher auch die entsprechenden terminologischen Distinktionen. Der Sprachgebrauch Pannenbergs ist durchaus gängig gewesen und ist es auch heute noch. So gebrauchte etwa auch W. Kamlah (Wissenschaft, Wahrheit, Existenz) die Ausdrücke ‚Satz- und Aussage(n)wahrheit‘ (s. o.), in der Theologie zur Etablierung einer Korrespondenztheorie insbes. A. Kreiner, Ende der Wahrheit?. 773 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 232. 774 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 232. 775 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 232.

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3.4.2.5.8 Zwischenfazit Dass Pannenberg sich der Korrespondenztheorie der Wahrheit bedient, ergibt sich – wie gezeigt wurde – allein schon aus seinem realistischen Wirklichkeitsverständnis und der Inanspruchnahme diverser Wahrheitsträger. Die Form der Inanspruchnahme der Korrespondenztheorie hinterlässt, wie gezeigt wurde, allerdings einen zwiespältigen Eindruck. Einerseits bewegt Pannenberg sich auf der Linie der Korrespondenzwahrheit, indem die Wahrheit von Aussagen faktisch von Wahrmachern abhängig gemacht wird, auch wenn er diesen Terminus nicht gebraucht. Andererseits kann das in Fülle vorhandene ‚Anschauungsmaterial‘ zu dieser Inanspruchnahme nicht verhüllen, dass Pannenberg mit eindeutig theologischen Interessen den Korrespondenzgedanken rezipiert und damit auch so modifiziert hat, dass ein merklicher Abstand zur neueren philosophischen Wahrheitstheorie überdeutlich wird. Das hat Folgen und provoziert Rückfragen. In mehr oder weniger mittelbarem Zusammenhang mit dieser durch eine entschieden theologische Brille rezipierte Korrespondenztheorie dürfte die Erklärung dafür darin zu finden sein, dass Pannenberg an keiner philosophischen, detaillierten Klärung der Korrespondenzrelation selbst interessiert gewesen ist. Über seine Mutmaßung, dass ‚some link‘ die subjektive mit der objektiven Seite der korrespondentistischen Relation verknüpft, führen seine Ausführungen (kaum) hinaus. Sehr viel deutlicher dürfte sich seine theologische ‚Brille‘ daran zeigen, dass er die Korrespondenzwahrheit gegenüber der ontologischen Wahrheit abwertet und auf diese darum auch beziehen will: Theologisch bricht sich hierin das Interesse bahn, über den Weg der Ontologie schließlich auf biblische Wahrheitsvorstellungen zurückkehren zu können, damit das Phänomen ‚Wahrheit‘ letztlich aber an Gott rückgebunden werden kann. Schlüssiger wäre es m. E. gewesen, die Verschiedenheit der benannten Wahrheitsbegriffe gelten zu lassen, anstatt sie auf doch eher künstliche Weise und mithilfe einer m. E. überdenkenswerten systematischen Anstrengung miteinander zu verbinden. Aufgrund der in Pannenbergs Theologie erkennbaren Verknüpfung des Realismus mit dem korrespondenztheoretischen Verständnisses von Wahrheit kann Pannenberg als Vertreter eines (religiösen) Wahrheitsrealismus gelten776. So steht Pannenberg zugleich aber auch dem alethischen Realismus der philosophischen Wahrheitstheorie nahe. Denn für Pannenberg wie auch für die alethischen Realisten gilt, „daß Wahrheit just eine Beziehung zwischen einem Wahrheitsträger, einer Aussage oder einer Überzeugung, und einem Wahrmacher ist,

776 Siehe dazu auch die Bemerkungen von J. Seifert, Person, Religiöser Glaube und Wahrheit, 176ff.

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einer Realität, die hinsichtlich des Wahrheitsträgers einen objektiven Status besitzt.“777 Gleichwohl erfolgt Pannenbergs Umgang mit dem Korrespondenzgedanken im Ganzen augenfällig nicht über eine eingehende Auseinandersetzung mit der Theorieebene und den darüber verhandelten verschiedenen korrespondenztheoretischen Ansätzen, geschweige denn unter Gebrauch der entsprechenden Fachtermini. Weder mit dem von ihm selbst erwähnten klassischen Entwurf des Th. v. Aquin noch mit verschiedenen korrespondenztheoretischen Entwürfen der Wahrheitstheorie des 20. Jahrhunderts (mit Ausnahme der Beachtung des Ansatzes von K.R. Popper) setzt sich Pannenberg (eingehend) auseinander. Aber auch eine eigene Explikation der Korrespondenztheorie fehlt778. Schon ein gezielter Seitenblick auf die philosophische Wahrheitstheorie wäre enorm hilfreich gewesen und hätte den Systematiker Pannenberg zu einem klaren, präziseren Umgang mit den die Korrespondenztheorie der Wahrheit betreffenden Fragestellungen verhelfen können. Die ausbleibende Systematik – nicht nur mit Blick auf die Wahrheitsträger, die Wahrmacher und hinsichtlich der Frage nach der Beschaffenheit der Korrespondenzrelation selbst – dürften im Wesentlichen der Tatsache geschuldet sein, dass Pannenberg in seiner Theologie (im Unterschied etwa zu Pausch und insbesondere Landmesser) eine eingehende(re) Auseinandersetzung mit der modernen philosophischen Wahrheitstheorie scheute. Man kann sich kaum des Eindrucks erwehren, dass sich Pannenberg in seinen Überlegungen zum einen offenbar von einem intuitiven Gebrauch des Korrespondenzgedankens im truth talk des Alltags leiten ließ, bei welchem die mit dem Korrespondenzgedanken verbundene Erkenntnisrelation ganz im Unterschied zur Theorieebene in der Regel tatsächlich keinerlei Probleme bereitet779. Zum 777 Das gilt, auch wenn Pannenberg diese Ausdrücke nicht verwendet. Siehe zu den alethischen Realisten R. Schantz, Wahrheitstheorien in der analytischen und pragmatistischen Tradition, 393f. Schantz verweist dazu auch auf W. Alston, A Realist Conception of Truth, Ithaca 1996 sowie auf R. Schantz, Wahrheit, Referenz und Realismus, Berlin u. a. 1996. 778 Ein Unterschied besteht möglicherweise darin, dass die alethischen Realisten „glauben, daß die Wahrheit einer Aussage durch objektive referentielle Beziehungen zwischen ihren Bestandteilen und Aspekten der Welt expliziert werden kann.“ (R. Schantz, Wahrheitstheorien in der analytischen und pragmatistischen Tradition, 394). Derartige explizierende oder auch nur annähernd differenzierte definitorische Anstrengungen hat Pannenberg nicht unternommen. 779 Auf diese Beobachtung wird an späterer Stelle zurückzukommen sein. Siehe zum Thema insbes. den Beitrag von A. Rust, Wo Wahrheit zum Problem wird. R. Schantz hat dieses intuitive Moment an einem Beispiel verdeutlicht: Bei der Korrespondenztheorie geht es darum „den intuitiven Gedanken ernst zu nehmen […], daß eine Aussage genau dann wahr ist, wenn die Tatsache tatsächlich besteht, deren Bestehen durch die Aussage behauptet wird. Die Tatsache, daß Tomaten rot sind, ist sowohl eine notwendige als auch eine hinreichende Bedingung für die Wahrheit der Aussage, daß Tomaten rot sind. Es ist wahr, daß p, genau dann, wenn p. Tatsachen sind einer realistischen Auffassung zufolge keine bloßen Schatten, die unsere sprachliche Praxis des Aufstellens von Behauptungen wirft, wie etwa Peter

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anderen dachte er die aussagetheoretische (Korrespondenz-)Wahrheit (meistens immerhin konsequent) von der ontologischen Wahrheit abhängig, um – wie sich wiederholt zeigt – biblischem Denken nahe zu sein und (damit) zugleich auch die Gottesidee in den Wahrheitsbegriff miteinbeziehen zu können. Es ist sicher richtig zu resümieren, dass Pannenberg an keiner Stelle seines Werkes eine konsequente Entfaltung einer Korrespondenztheorie der Wahrheit beabsichtigt. Korrespondenz ist ihm lediglich ein Aspekt innerhalb eines als umfassender gedachten Begriffs der Wahrheit. Seine Beschränkung der aussagetheoretischen Korrespondenzwahrheit zugunsten der ontologischen Wahrheit erweist sich als sachlich unangemessen. Weder ist der Mensch durch sie auf sich ‚zurückgeworfen‘, noch kann von einer ‚Einengung‘ gesprochen werden. Es ist die moderne Wahrheitstheorie, die sich der spezifischen Relationalität zwischen sprachlicher und ontologischer Ebene bewusst ist und über die damit verbundenen Herausforderungen trefflich streiten kann. Dass wir mit jedem Referieren auf Gott oder endliche Entitäten in der Welt uns der Sprache bedienen, ist eine elementare wahrheitstheoretische Einsicht, die von Pannenberg scheinbar unterschätzt und auch nicht gewürdigt worden ist. Das Wissen um die große Bedeutung von Sprache müsste zu einer umgekehrten Erkenntnis führen, dass nämlich die (rein) ontologische Wahrheit als Wahrheitsbegriff defizitär ist, weil sie nicht nur die Ebenendifferenz der Erkenntnisrelation überhaupt nicht in den Blick nimmt, also ignoriert, sondern das Wort ‚Wahrheit‘ mit ihr zu einem Synonym für sämtliche Erkenntnisgegenstände verkommen kann, sodass der Ausdruck ‚Wahrheit‘ droht redundant (überflüssig) zu werden780. Strawson meint. Vielmehr sind Tatsachen Bestandteile der von unserer Sprache und unseren Gedanken unabhängigen objektiven Realität.“ (R. Schantz, Wahrheitstheorien in der analytischen und pragmatistischen Tradition, 394). Das andere Vokabular Pannenbergs darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Pannenberg auch in dieser Hinsicht dem alethischen Realismus nahe steht und die Aussagenwahrheit vom Objektkorrelat abhängig macht, auch wenn Pannenberg i. d. R. nicht über Triviales (z. B. Tomaten), sondern vorzugsweise über Gott spricht. 780 Statt von Wahrheit der Dinge, Sachen o. ä. zu sprechen, wäre es m. E. von Vorteil, den Ausdruck ‚Wahrheit‘ hier zu tilgen und einfach von Dingen, Sachen, Entitäten o. ä. als den Erkenntnisgegenständen zu sprechen. Die Redundanzproblematik, die sich einstellt, wenn der Ausdruck ‚Wahrheit‘ im Sinne eines rein ontologischen Wahrheitsverständnisses ausschließlich oder wenigstens primär auf Entitäten bezogen wird, scheint schon früh als Problem erkannt worden zu sein, z. B. schon von L. Valla, wie S. Ebbersmeyer (Varietas veritatis. Perspektiven des Wahrheitsbegriffs in der Philosophie der Renaissance, 217) herausgearbeitet hat. Leitend war für Valla speziell die Einsicht, dass der Ausdruck ‚Wahrheit‘ nicht (sinnvoll) auf die Dinge selbst angewandt werden kann, weil die Dinge selbst nicht ‚wahr‘ oder ‚falsch‘ sein können, sondern ‚Wahrheit‘ im Zusammenhang der Erkenntnis einer Sache eine Rolle spielt, weshalb Wahrheit und Unwahrheit also als etwas zu begreifen seien, was in unserer Seele sei. Valla äußerte gegenüber einem (rein) ontologischen Wahrheitsverständnis Bedenken: „Wenn wir von etwas behaupten, es sei wahr oder falsch, so bezieht sich das sicherlich auf die Seele des Sprechenden, weil in ihr Wahrheit und Un-

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3.4.2.6 Varia zur Präsenz aussagetheoretisch-korrespondentistischer Wahrheit Pannenbergs Vorliebe zum onto-theologischen Wahrheitsverständnis zum Trotz lässt sich innerhalb seines magnum opus eine eindrückliche wie variantenreiche Präsenz des semantisch-ontologisches Wahrheitsverständnisses nachweisen, auf dem der aussagetheoretische Wahrheitsbegriff und die Korrespondenztheorie im Besonderen fußen: Eindeutig und unstrittig sind sämtliche Anwendungsfälle so verstandener Wahrheit, in denen Pannenberg sich bestimmter Wahrheitsträger bedient – z. B. bei der Wahrheit von Aussagen781 oder einer fraglichen „infallible truth“ von Sätzen (die Pannenberg kritisch beurteilt) 782. Bei der Behandlung der Frage nach der „Wahrheit des Dogmas [kursiv: T. L.]“ geht es insofern um die (Aussagen-) Wahrheit, als solche mit einzelnen Dogmen beanspruchten wird783. Strukturell aussagetheoretisch sind auch Wahrheitsansprüche als Ansprüche auf doctrinal truth784 oder beispielsweise solche auf historische Wahrheit785. Des Weiteren können Vorstellungen eine Wahrheit aussprechen786, und so bleiben diejenigen,

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wahrheit ist. Denn falsches Brot, falscher Wein und ein falscher Prophet sind keineswegs Brot, Wein und Prophet; und wahres Brot, wahrer Wein und ein wahrer Prophet sind unserer Meinung nach nichts anderes als Brot, Wein und Prophet. Also ist in uns, d. h. in unserer Seele, Wahrheit und Unwahrheit.“ (L. Valla, Repastinatio dialectice et philosophia, 19f, zit. nach S. Ebbersmeyer, Varietas veritatis, 217). Mit Valla schon kann also die Anwendung der Ausdrücke Wahrheit, Unwahrheit, Falschheit und falsch auf Dinge als redundant bezeichnet werden. Außerdem wird bei Valla durch die ausdrückliche Berücksichtigung des erkennenden Subjekts die hier verteidigte semantisch-ontologische Relationalität deutlich, wobei dann aber gegen Valla das Phänomen ‚Wahrheit‘ nicht allzu einseitig statt auf die ontologische nun auf die rein sprachliche bzw. subjektive Ebene des erkennenden Subjekts gelegt werden sollte. Exemplarisch: „Aber es ist nicht sinnvoll, sich vom Inhalt dieser Aussagen auf den Akt eines inhaltlich unbestimmten Glaubens zurückzuziehen und ihre Wahrheit [kursiv: T. L.] dahingestellt sein zu lassen. (W. Pannenberg, Das Glaubensbekenntnis, 18). W. Pannenberg, The Emergence of Creatures and their Succession in a developing Universe, 19: „[…] [T]he authority of the text cannot coincide with the infallible truth of its particular sentences, as if they were superior to all later experience.“ W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 18ff. W. Pannenberg, A Response to My American Friends, 335. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 178: „Einfälle und Hypothesen in bezug auf Jesus bedürfen der Prüfung und Bewährung an der Schrift. Erst als so bestätigte haben solche Hypothesen – gleich welcher Herkunft – Anspruch auf historische Wahrheit [kursiv: T. L.].“ (ebd.) Daneben kann historische Wahrheit bei Pannenberg auch eher als Sachwahrheit verstanden werden: „Was Johannes als Kernpunkt der jüdischen Anklage gegen Jesus überliefert – er habe sich Gott gleichgemacht (5,18), sich selbst zu Gottes Sohn gemacht (19,7), – das dürfte in diesem Falle der historischen Wahrheit [kursiv: T. L.] recht nahe kommen.“ (W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 258. Vgl. zur ‚historischen Wahrheit‘ (auch W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 38, dort im Zusammenhang historisch-kritischer Forschung an den biblischen Schriften). Vgl. dazu folgenden Beleg: „Auch die in der Inkarnationsvorstellung ausgedrückte Bewe-

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die sie artikulieren, dabei faktisch auf Wahrheitsträger angewiesen, wie sie von einzelnen Explikationen semantisch-ontologischer Wahrheit her bekannt sind. Daneben verwendet Pannenberg das Wort ‚Wahrheit‘ auch dort in semantischontologischem Sinn, wo eine explizite oder implizite Beziehung zu einem Wahrheitsträger besteht oder ein Kompositum zu Wahrheit diese Relationalität (mehr oder weniger deutlich) impliziert bzw. erforderlich macht. Offensichtlich ist dies im alltäglichen Umgang in der geläufigen Wendung „In Wahrheit“787 – diese indiziert auch bei Pannenberg eine Bezugnahme auf die ontologische Ebene. Bereits die alltagssprachlich geläufige Rede von einer Wahrheit über etwas stellt eine Form der sprachlichen Bezugnahme auf die außersprachliche ontologische Ebene dar, auf der es künftig, wie im folgenden Beispiel, für den Einzelnen zu Gericht oder Heil kommen könne: „In dieser Tiefendimension unseres gegenwärtigen Lebens ist schon jetzt die Wahrheit über dieses Leben – zum Gericht oder zum Heil – gegenwärtig, die sich doch im Gang unseres Lebens erst noch entscheidet.“788 3.4.2.6.1 Komposita Die verbreitete Vorstellung von Wahrheit als Eigenschaft von Sätzen und die mit ihr verbundene semantisch-ontologische Relationalität kommt in seiner Rede vom Wahrheitsgehalt zum Ausdruck789. Allerdings keineswegs nur in diesem gung von Gott zum Menschen hin spricht eine unaufgebbare Wahrheit aus.“ (W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 155). 787 Vgl. exemplarisch W. Pannenberg, Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre, 723 oder W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. II, 259. 788 W. Pannenberg, Das Glaubensbekenntnis ausgelegt und verantwortet vor den Fragen der Gegenwart, 181. 789 Vgl. exemplarisch W. Pannenberg, Die christliche Hoffnung auf die Auferstehung der Toten und die Naturphilosophie, 26: „Diese Sätze wollen den Wahrheitsgehalt der traditionellen christlichen Vorstellung einer Unsterblichkeit der Seele ausdrücken.“ Vgl. ebenfalls exemplarisch W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. II, 272f, dort zur Frage nach dem Wahrheitsgehalt christlich-eschatologischen Hoffens auf ein Leben nach dem Tod: „Es bleibt natürlich die Frage, ob die Hoffnung auf ein Leben über den Tod hinaus wahr ist, vertrauenswürdig und nicht etwa trügerisch.“ (a. a. O., 272) „Wie also ist es um den Wahrheitsgehalt der eschatologischen Hoffnung der Christen bestellt?“ (a. a. O., 273). Vgl. ferner W. Pannenberg, Die Bestimmung des Menschen, 102: „Sogar dem puritanischen Bewußtsein einer besonderen Erwähltheit sollte man trotz der Enge seiner biblizistischen Gesetzlichkeit nicht absprechen, daß sein Wahrheitsgehalt [kursiv: T. L.] beträchtlich war.“ Hier wird also ausdrücklich auf die semantisch-ontologische Relationatität rekurriert. Vgl. ähnlich auch W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 8 (dort u. a. zum „truth content of traditional teaching“). Die These, dass der Ausdruck ‚Wahrheitsgehalt‘ aussagetheoretisch zu interpretieren ist, zeigt sich auch daran, dass Pannenberg ihn als je und je spezifischen materialen Gehalt der üblicherweise aussagetheoretisch zu verstehenden Wahrheitsansprüche auffasst. Siehe dazu folgenden Satz: „Mit Erörterungen über den Wahrheitsgehalt des religiösen Bewußtseins überhaupt ist die Frage nach der Berechtigung des Wahrheitsanspruchs der positiven Religionen in ihrem Verhältnis zueinander noch keineswegs ent-

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Kompositum. Im Gedanken der Wahrheitsfähigkeit von Behauptungen (und auch Wahrheitsansprüchen) ist diese Relation auch zugrunde gelegt790; beim Gedanken einer Wahrheitsintention von Behauptungen791 gilt Analoges. Ebenfalls relational versteht Pannenberg die Unmöglichkeit einer Wahrheitsgarantie hinsichtlich einzelner Aussagen der Schrift792. Ähnlich scheint auch sein Gebrauch des Ausdrucks ‚Wahrheitsnorm(en)‘ im Dienste aussagetheoretischer, daneben aber auch (schwach) kohärenztheoretischer Wahrheit zu stehen, insoschieden.“ (W. Pannenberg, Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie in Deutschland, 315). 790 Vgl. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 171. 791 Vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 68f. 792 Das ist etwa klar der Fall, wenn er sagt, dass „sich aus der Lehre von der Schriftinspiration keine formale, allem sich Einlassen auf die Inhalte der Schrift vorausgehende Wahrheitsgarantie aller biblischen Einzelaussagen [kursiv: T. L.] gewinnen lasse. Die Schrift ist sicherlich in der buchstäblichen Korrektheit ihres Wortlauts als inspiriert zu verstehen, aber nur insofern sie das Evangelium von Jesus Christus bezeugt.“ (W. Pannenberg, Zur Begründung der Lehre von der Schriftinspiration, 158; siehe auch im identischen Aufsatz in W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 1, 248). Vgl. auch W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 510f: „Auch diese Aussage über die Inspiration der Schrift ist jedoch keine Wahrheitsgarantie für die Einzelbehauptungen der biblischen Texte.“ (a. a. O., 510f). Auch aus der Schriftautorität lässt sich keine Garantie hinsichtlich aussagetheoretischer Wahrheit ableiten: „Die Autorität der Bibel im Verhältnis zur Kirche enthält also keine Wahrheitsgarantie für die Einzelaussagen der biblischen Schriften.“ (a. a. O., 510). Zur Irrtumsanfälligkeit sämtlicher auf Wahrheit hin formulierten Aussagen vgl. folgende Bemerkungen: „Die Lehre von der Inspiration der Schrift muß selber am Maßstab der Schriftautorität gemessen werden. Die dafür in erster Linie herangezogene Schriftstelle 2.Tim 3,16 vermag jedoch die Beweislast einer biblischen Begründung der Lehre von der Schriftinspiration nicht zu tragen. Zum einen ist die hier betonte Nützlichkeit zur Lehre und zur Aufdeckung der Wahrheit nicht als Garantie der Irrtumslosigkeit jeder einzelnen Aussage [kursiv: T. L.] zu verstehen. Vor allem aber bezeichnet die Wendung ‚jede von Gottes Geist eingegebene Schrift‘ an dieser Stelle die Schriften des Alten Testaments, wobei die prophetische Auslegung dieser Schriften als Weissagung auf Christus hin im Vordergrund stehen dürfte. Als Beweis für die Behauptung einer Inspiration der neutestamentlichen Schriften eignet sich 2.Tim. 3,16 nicht.“ (W. Pannenberg, Zur Begründung der Lehre von der Schriftinspiration, 156; siehe auch im identischen Aufsatz in W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 1, 246). Auffällig ist nicht zuletzt hier, dass Pannenberg im gleichen Zusammenhang parallel den Ausdruck ‚Wahrheit‘ mit z. T. recht unterschiedlichen Bedeutungen verwendet: Und zwar tut er dies einmal nämlich offenbar im Sinne der Tatsächlichkeit: Es heißt, „die Behauptung der Inspiration der Schrift setzt die Überzeugung von der Wahrheit der Offenbarung Gottes in Person und Geschichte Jesu, von der Gottheit Jesu und dem Handeln des dreieinigen Gottes im Versöhnungsgeschehen des Todes Jesu Christi, in seiner Auferweckung von den Toten und im apostolischen Dienst der Versöhnung bereits als anderweitig begründet voraus.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 511) Während demgegenüber seine nachfolgenden Bemerkungen zur Wahrheit hinsichtlich des Evangeliums offenbar aussagetheoretisch zu verstehen sind, kann dies hinsichtlich der Anmerkung einer „freien Erkenntnis und Anerkenntnis der Wahrheit Gottes [kursiv: T. L.] in der Geschichte Jesu“ (ebd.) so nicht gesagt werden, insofern die Bedeutung um die Vorstellung der Göttlichkeit als einer sich geschichtlich manifestierenden Wahrheit zu kreisen scheint.

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fern nämlich Pannenberg diesbezüglich die Frage nach der Widerspruchslosigkeit von Worten diskutiert793. Der Ausdruck ‚Wahrheitskern‘794 steht ebenso im Dienste semantisch-ontologischer Relationalität795 wie die mit dem Glauben verbundene ‚Wahrheitszuversicht‘, die Pannenberg im Horizont seiner These reflektiert, dass das Wissen, das wir vom Glaubensgegenstand haben, vorläufig und relativ sei796. Mit dem Ausdruck ‚Wahrheitsbewußtsein‘ scheint Pannenberg zu indizieren (können), dass bestimmte Inhalte oder Vorstellungen (Wahrheitsansprüche) im korresondenztheoretischen Sinne für wahr gehalten werden (können) 797. Das Wahrheitsgewissen wird von ihm in Verbindung mit aussa-

793 Man vgl. Pannenbergs Urteil zur APO: „Die altprotestantische Dogmatik hat diese Anschauung von der Autorität der Schrift durch die Umformung der mittelalterlichen Auffassungen von der Schriftinspiration zur Lehre von der Verbalinspiration der Schrift zu begründen versucht, doch diese Begründung ist in der Folgezeit zerfallen, nicht in erster Linie, weil die Theologie sich anderen Wahrheitsnormen [kursiv: T. L.] als der Schriftautorität zugewendet hätte, sondern weil die mit der Lehre von der Verbalinspiration verbundene Überzeugung von der widerspruchslosen Lehreinheit aller Schriftworte untereinander sich nicht halten ließ. Diese Auffassung der Schriftinspiration scheiterte also letztlich an ihrer eigenen Unvereinbarkeit mit dem reformatorischen Grundsatz der Schriftautorität als der obersten Regel aller kirchlichen Lehre.“ (W. Pannenberg, Zur Begründung der Lehre von der Schriftinspiration, 156; siehe auch im identischen Aufsatz in W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 1, 246). 794 Vgl. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 153. 795 Der „Wahrheitskern“, den Pannenberg „in dem berüchtigten Wort, daß außerhalb der Kirche kein Heil sei“ vorfindet, liegt s.E. darin, dass „die Gemeinschaft mit Jesus Christus durch Glaube und Taufe der einzige Weg zu gegenwärtiger Gewißheit endgültigen Heils“ sei (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 153). 796 Vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 176. 797 Vgl. dazu etwa die Bemerkungen zum ‚Wahrheitsbewußtsein der Gegenwart‘ (W. Pannenberg, Theologie und Reich Gottes, 54), vor welchem ein autoritatives Lehramt nicht mehr leisten könne, was es früher gekonnt habe, nämlich dieses Wahrheitsbewusstsein der Gegenwart zu überzeugen. Siehe auch seine Rede vom ‚christlichen Wahrheitsbewußtsein‘ (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 35) und die folgenden Bemerkungen in ihrem Kontext: „Daß die innere Problematik des Christusgeschehens zu einer Entfaltung drängte, die zugleich dem Wahrheitsbewußtsein und der Erlösungssehnsucht der damaligen Umwelt [kursiv: T. L.] entgegenkam, das läßt nicht etwa eine Schwäche, sondern die Stärke der urchristlichen Christusbotschaft erkennen, es machte ihre missionarische Kraft aus.“ (W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 154). Pannenberg fährt fort: „Aber können uns diese Vorstellungen heute noch mehr sein als mythische Bilder? Können wir im Zeitalter der Technik ernsthaft von Abstieg und Aufstieg eines himmlischen Gottwesens sprechen?“ (a. a. O., 154). Vgl. auch Pannenbergs kritische Bemerkungen zur unhistorischen Schriftauslegung. Man könne sie nicht betreiben, „ohne gegen das allgemeine Wahrheitsbewußtsein zu verstoßen und damit die Glaubwürdigkeit des Christentums zu gefährden.“ (W. Pannenberg, Apostolizität und Katholizität der Kirche in der Perspektive der Eschatologie, 104) „Das Wahrheitsbewußtsein des Glaubens“ impliziert einen wie auch immer gearteten semantisch-ontologischen Wahrheitsbegriff, wenn es mit Wissen in seiner Vorläufigkeit in Verbindung gebracht wird (so in: W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 176).

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genlogischer Wahrheit und auch mit Erkenntnis gebracht798. Den Ausdruck ‚Lebenswahrheit‘799 kann Pannenberg unter Voraussetzung eines korrespondenztheoretischen Wahrheitsbegriffs gebrauchen800. Auch Pannenbergs Feststellung eines Konsenses in Bezug auf die Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre verlangt nach einem semantisch-ontologischen bzw. aussagelogischen Wahrheitsbegriff, insofern für die Lehre Wahrheit (im korrespondenztheoretischen Sinn) beansprucht wird801. Entsprechend ist eine einzelne Teilwahrheit formal zu verstehen802. Der gelegentlich bei Pannenberg wieder798 Pannenberg zufolge hat „der Christ das Bewußtsein, die wahre Bedeutung Jesu zu kennen, indem er sich zu ihm bekennt. […] Er [sc. der Christ T. L.] weiß und glaubt, daß das christliche Reden von Jesus das allein sachgemäße, oder vielmehr das allein der Person Jesu gemäße ist. Solcher Anspruch aber muß verantwortet werden; er muß sich als wahr ausweisen, nicht erst gegenüber dem Zweifel der anderen, sondern schon im Wahrheitsgewissen des Glaubenden selbst [kursiv: T. L.]. Jeder Christ ist gefragt, ob sein Verständnis Jesu denn auch das wahre, das Jesus selbst gemäße ist. Dieser Frage in methodischer Weise standzuhalten und so das christliche Reden von Jesus zu verantworten, aber auch zu überprüfen, ist der Sinn der christologischen Bemühung.“ (W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 13). Siehe zur Aufgabe der Christologie auch a. a. O., 23: „Die Aufgabe der Christologie ist es also, aus der Geschichte Jesu die wahre Erkenntnis seiner Bedeutung zu begründen, die sich zusammenfassend durch den Ausdruck umschreiben läßt, daß in diesem Menschen Gott offenbar ist.“ In der Bindung des Wahrheitsgewissens an die semantisch-ontologische Relationalität des Wahrheitsbegriffs klärt sich zugleich, warum Pannenberg das Wahrheitsgewissen auch mit Erkenntnis in Verbindung bringen kann: In Luther sieht Pannenberg „eine an die eigene Erkenntnis des Evangeliums mit der Kraft des Wahrheitsgewissens gebundene Position“ – im Gegensatz zur „hierarchisch-autoritäre[n] Struktur“ der Kirche des Mittelalters (W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 260). Vgl. auch zum Ausdruck des ‚Wahrheitsgewissens‘ W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 179. 799 Vgl. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 257. 800 So kann Pannenberg etwa über bestimmte Geschichten (beispielsweise über David, Jonathan und Saul) des Alten Testaments sagen, sie zeugten von „so treffender Realistik, daß die Lebenswahrheit dieser Geschichten zu einem Zeugnis für die Wirklichkeit des Gottes wird, mit dem diese Menschen es zu tun haben.“ (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 257). Ganz ähnlich die Vorstellung von Lebenswahrheit in Beschreibungen: „Die gesellschaftlichen Strukturen andererseits sind ebenso ambivalent wie der individuelle Lebensvollzug. Dennoch zeigen auch sie, unter der Voraussetzung der Entfremdung im individuellen Verhalten, Züge objektiver Entfremdung. Das macht die Eindringlichkeit und Lebenswahrheit [kursiv: T. L.] in den von Marx gegebenen Beschreibungen der entfremdeten Macht des Privateigentums und der eigengesetzlichen Bewegungen des Kapitals über die Herzen der Menschen verständlich.“ (W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 277). 801 Vgl. dazu W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, bspw. 289, 295 u. 298. Zur ex aequo zu interpretierenden „Wahrheit der christlichen Lehre“ siehe exempl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 326. 802 So kann Pannenberg etwa von einer Teilwahrheit in Behauptungen ausgehen. Vgl. z. B. W. Pannenberg, Wie kann heute glaubwürdig von Gott geredet werden?, 55. Der Sprachgebrauch scheint jedoch nicht einheitlich zu sein. Auch als ontologische Wahrheit scheint Pannenberg die (Teil-)Wahrheit denken zu wollen, auch offenbar dort, wo Pannenberg Kritik übt, wenn „Jesu Wirken […] als Ausdruck einer bloßen Teilwahrheit beurteilt“ werde,

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kehrende Ausdruck ‚Wahrheitsmoment‘ (vgl. auch element of truth in englischen Beiträgen) kann schließlich sinnvoll nur von einem aussagetheoretischen Wahrheitsbegriff her interpretiert werden803. Die semantisch-ontologische Relationalität kennzeichnet darüber hinaus auch sein Reden von Wahrheit bezüglich des christlichen Glaubens: Die Wahrheit des Glaubens (Glaubenswahrheit) zeigt sich in der Vorstellung, dass eine Glaubenswahrheit formulierbar sei804; Pannenbergs These der Vorläufigkeit theologischer Formulierungen und Lehraussagen soll s.E. damit nicht konfligieren; er geht davon aus, dass diese nicht mit der Glaubenswahrheit identisch seien, diese Wahrheit (zumindest hier) offensichtlich irgendwie universal-holistisch gedacht zu werden scheint805. Solange Pannenberg jedoch die Wahrheit des Glaubens an wodurch „dem Bekenntnis zu seiner Gottheit von vornherein der Boden entzogen zu sein [scheint].“ (W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 242). Vgl. zum Ausdruck ‚Teilwahrheit‘ auch exemplarisch W. Pannenberg, Religion und menschliche Natur, 13. 803 So nimmt Pannenberg etwa an, dass „in der These Barths auch ein Wahrheitsmoment“ steckt (W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 89). Pannenberg fordert auch vom Christentum „[to be] open and ready to accept whatever truth the Christian can accept and learn from other religious traditions in order to incorporate those elements of truth [kursiv: T. L.] into our own understanding of God and his revelation.“ (W. Pannenberg, Religious Pluralism and Conflicting Truth Claims, 103). 804 Das zeigt sich etwa an Pannenbergs folgender Bemerkung: „Zweifel an zeitbedingten Formulierungen einer Glaubenswahrheit müssen nicht diese selbst verneinen.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 449f). Aussagetheoretische Wahrheit scheint ebenso im Blick, wenn es Pannenberg im Rahmen einer Predigt nach Meinung von Pannenberg darum geht, „die Wahrheit des christlichen Glaubens […] zu formulieren.“ (W. Pannenberg, Theologie und Reich Gottes, 57). Es heißt weiter: „Eine so verstandene Predigt gibt ein Beispiel und eine Anleitung für die eigene Urteilsbildung der Gemeindeglieder über den christlichen Glauben und seine gegenwärtige Wahrheit.“ (ebd.). In diesem Satz scheint dagegen ‚Wahrheit‘ eher so etwas wie ‚Relevanz‘ zu bedeuten. Zu Glaubenswahrheiten als aussagetheoretischen Wahrheiten vgl. auch W. Pannenberg, Die Situation der Ökumene. Zwei Gespräche von Heinrich Fries und Wolfhart Pannenberg, 28. 805 Zur Anwendung aussagetheoretischer Wahrheit durch ‚Formulierungen‘ und im Zusammenhang von Lehrtraditionen vgl. auch seine Ausführungen in: W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 32f. Zur Glaubenswahrheit vgl. exemplarisch auch W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 331. Pannenberg führt aus, es gebe eine Differenz zwischen „der endgültigen Gestalt der Glaubenswahrheit“ einerseits und der „Vorläufigkeit aller theologischen Formulierung“ (W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 331) andererseits. Ähnlich, aber doch eher material-ontologisch dagegen wirkt die Vorstellung, die Wahrheit des Glaubens sei in der Schrift enthalten und bedürfe keiner Ergänzung inhaltlicher Art (materiale Suffizienz). So W. Pannenberg und Theodor Schneider im Vorwort zum Band „Verbindliches Zeugnis I. Kanon – Schrift-Tradition“, 7. Zur „Glaubenswahrheit“ siehe auch W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 301. Bei der Rede von der „universal truth of the Christian faith“ (Vgl. exemplarisch W. Pannenberg, The Churches and the Emergence of European Unity, 420) scheint dagegen eher ein aussagetheoretisches Wahrheitsverständnis vorausgesetzt zu werden, da die Universalität bzw. Allgemeingültigkeit der Wahrheit als ein Charakteristikum dieses Wahrheitsbegriffs innerhalb des Pannenberg’schen Wahrheitsverständnisses gelten darf. Zur Wahrheit des Glaubens als sich in ihrer Funktion strukturell aussagetheoretisch bekundenden vgl. auch

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die sprachliche Ebene bindet – wie exempli causa in einer Kritik derjenigen, „die die Wahrheit des Glaubens nur in der existentiellen Echtheit des Glaubensaktes, nicht aber in einem objektivierbaren und aussagbaren Glaubensinhalt [kursiv: T. L.] suchen“806 – tendiert Wahrheit durch diese Positionierung allein schon zu einer aussagetheoretischen Wahrheit, wie dies auch in der Anschauung manifest ist, dass die lutherischen Bekenntnisschriften ihrem Anspruch nach die Wahrheit des Glaubens repräsentieren807. Die Wahrheit des Glaubens aussagetheoretisch zu exempl. die Kontroverse zwischen Pannenberg und E. Jüngel. Beide gebrauchen sie diese Wendung (zumindest auch) im Sinne semantisch-ontologischer Wahrheit – insofern sie die Wahrheit des Glaubens mit Wahrheitsansprüchen in Verbindung bringen (können), die nur in Form von aussagetheoretischen Wahrheitsträgern formuliert werden können. Gegenstand der Kontroverse ist die Frage, auf welche Weise mit der ‚Wahrheit des Glaubens‘ theologisch angemessen umzugehen sei, worauf hier nicht näher einzugehen ist. Vgl. dazu E. Jüngel, Nihil divinitatis, ubi non fides, 232ff u. Pannenbergs Antwort (W. Pannenberg, Den Glauben an ihm selbs fassen und verstehen, bes. 360 u. 369f). 806 W. Pannenberg, Die Geschichtlichkeit der Wahrheit und die ökumenische Diskussion, 32. Nicht wenig irritierend ist, dass Pannenberg im gleichen Aufsatz noch einen anderen Wahrheitsbegriff zu gebrauchen scheint, der wohl kaum im gleichen Sinn als aussagetheoretische Wahrheit verstanden werden kann, wie folgende Sätze zeigen: „Aber gehört zum Glaubensakt nicht in jedem Falle ein gegenständlicher Bezug, ein Woran des Glauben?“ Er fährt fort: „Die Frage nach der Wahrheit, an der der Glaube hängt, darf im Zeichen ökumenischer Begegnung nicht übersprungen werden, wenn die neue Erfahrung ökumenischer Gemeinsamkeit nicht selbst unglaubwürdigt werden soll.“ (ebd.) Erst wenn Pannenberg schließlich konstatiert, dass „[d]ie Wahrheit, auf die sich der Glaube gründet, […] im Zeitalter der Glaubensspaltungen in entgegengesetzte und einander ausschließende Auffassungen [zerbrach]“ (ebd.), bekundet sich erneut der oben nachgewiesene aussagetheoretische Wahrheitsbegriff. 807 Vgl. folgende Aussage Pannenbergs: „In seinem beratenden Votum hat der Theologische Ausschuß gesagt (III, 3): „Eine förmliche und verbindliche Auslegung der Bekenntnisschriften durch die Kirche kann es nicht geben. An die Stelle dessen hat in einer evangelischen Kirche das ausdauernde Einprägen des Anspruchs der Wahrheit des christlichen Glaubens zu treten, den die Bekenntnisschriften repräsentieren [kursiv: T. L.]“ (S. 4).“ (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 3, 359). Vgl. a. a. O., 358f ausführlicher speziell zu den Aussagen der Bekenntnisschriften und der Frage auch nach neuer Formulierbarkeit der christlichen Glaubenswahrheit. „Die gegenwärtige Erkenntnis der Wahrheit des christlichen Glaubens ist Auslegungsinstanz für den kirchlich verbindlichen Gehalt früherer Bekenntnisaussagen, allerdings nicht in dem Sinne, daß im Namen gegenwärtiger Schriftauslegung neue Lehren verkündet werden dürften. Es muß vielmehr nachgewiesen werden, daß es sich bei neuer Erkenntnis und Formulierung der Wahrheit des christlichen Glaubens inhaltlich um dasselbe eine Bekenntnis der Kirche durch die Zeiten hin handelt. In diesem Sinne bleiben die als rechtgläubig und kirchlich maßgeblich rezipierten Bekenntnistexte der Vergangenheit Kontrollinstanz für die kirchliche Lehre späterer Zeitalter und auch wiederum Auslegungsinstanz für deren Aussagen.“ (a. a. O., 358). Wenn Pannenberg allerdings ausdrücklich behauptet, dass „der jeweils neu festzustellende, aber durch die Zeiten hin identische Inhalt der Bekenntnisaussagen [maßgeblich sei], nicht die zeitbedingte Form dieser Aussagen als solcher“ (a. a. O., 358), erhebt sich die Frage, inwiefern eine solche neue Feststellung des identischen Inhalts für die Wahrheit im aussagetheoretischen Sinn überhaupt erforderlich ist. Bedarf es solcher neuen Feststellungen? Und impliziert die Behauptung ihrer Notwendigkeit nicht, dass frühere Formulierungen im

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interpretieren, ist dann auch mit seiner Einschätzung kompatibel, derzufolge „[d]ie Wahrheit des christlichen Glaubens aber steht und fällt mit der Wahrheit seines Redens [kursiv: T. L.] von Gott.“808 Das Reden ist freilich ebenso sprachlich verfasst wie die Inhalte des Glaubens, deren Wahrheit von daher nur eine aussagetheoretische sein kann809. Wenn Pannenberg allerdings an anderer Stelle „den Glauben und seine gegenwärtige Wahrheit“810 thematisiert, wird die Wahrheit des Glaubens abhängig von der Zeit, was zwar mit dem Strukturmerkmal der Zeitlosigkeit aussagetheoretischer Wahrheit m. E. nicht so recht zusammenpasst, aber dennoch nichts an ihrem semantisch-ontologischen Charakter ändert. Biblische Texte und speziell die Botschaft Jesu scheinen bei Pannenberg im Dienste aussagetheoretischer Wahrheit zu stehen, was nicht wundert, weil auch hier deren sprachliche Verfasstheit den wesentlichen (wenn nicht einzigen, aber entscheidenden) Grund für den Rückgriff auf diesen Begriff von Wahrheit bildet: Es geht darum, endgültige Wahrheit auszusagen811. Die Wahrheit der Botschaft

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aussagetheoretischen Sinn als nicht wahr gelten müssten? Warum sonst bedürfte es solcher neuen Feststellungen, eine Überwindung zeitbedingter Formulierungen? Oder bleiben sie alle inadäquat, wie Pannenberg an anderer Stelle – etwa im Anschluss an Cusanus – lehrt? Siehe ausführlicher a. a. O., 355ff. Im Übrigen bekundet sich auch schon in der Vorrede zum Konkordienbuch offenkundig ein irgendwie gearteter aussagetheoretischer Wahrheitsbegriff, an den Pannenberg hier anschließt. So weißt er darauf hin, dass „in der Vorrede zum Konkordienbuch die Absicht betont [werde], nicht „einige andere oder neue Lehre anzunehmen, zu verteidigen oder auszubreiten, sondern bei der zu Augsburg Anno 1530 einmal erkannten und bekannten Wahrheit … beständiglich zu verharren und zu bleiben“ (BSELK 5, 36–42).“ (a. a. O., 357f). So Pannenberg im Rahmen kritisch-konstruktiver Äußerungen zu K. Barth in: W. Pannenberg, Theologie im 20. Jahrhundert, 72. An anderer Stelle verbindet Pannenberg ähnlich die aussagetheoretische Wahrheit mit der theologischen Wahrheit, der Wahrheit Gottes: „Die Struktur der Antizipation kennzeichnet, wie ich ausführlich dargetan habe, das biblische Offenbarungsverständnis, seit es auf eine Zukunft eschatologischer Vollendung bezogen ist. Daher läuft auch der als Explikation des christlichen Offenbarungsgedankens (der Offenbarung des göttlichen Heilsmysteriums in Jesus Christus) bestimmte Gang der Entfaltung der christlichen Lehre in der durch die Struktur der Antizipation bedingten Spannung zwischen gegenwärtiger Erschlossenheit der Wahrheit Gottes und ihrer künftigen Vollendung ab. Diese Spannung eröffnet den Raum der Strittigkeit der Wahrheit des Glaubens und daher auch der theologischen Argumentation für diese Wahrheit. Sie ist zusammengehalten im Akt des Glaubens, wie er Hebr 11,1 beschrieben ist, und durchzieht dessen eigene Bewegung.“ (W. Pannenberg, Den Glauben an ihm selbs fassen und verstehen, 362f). Ein Beispiel: „Wird dem Glauben zugemutet, daß er seinerseits Wahrheit und Wirklichkeit seiner Inhalte verbürgen soll, dann wird er faktisch zum tragenden Grund aller seiner Inhalte erklärt.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 175). W. Pannenberg, Theologie und Reich Gottes, 57. Offenkundig geht es hier um einen Modus von Wahrheit, analog zu dem ihrer Endgültigkeit. Sofern solch ein Modus sinnvollerweise ausgesagt werden soll, bedarf es jedoch der Klärung, wie er sich zur aussagetheoretischen Wahrheit als einer in aller Regel zeitlosen Wahrheit verhält. Vgl. dazu seine Bemerkungen: „Doch diese [sc. biblischen] Texte als Dokumente des ersten

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Jesu und seines Redens von Gott kann Pannenberg deshalb eindeutig als eine korrespondenztheoretische Wahrheit deuten812. Nicht anders geht es bei der Erörterung der „Wahrheit des Evangeliums von Jesus Christus [kursiv: T. L.]“ um den Anspruch auf korrespondenztheoretische Wahrheit; denn diese Wahrheit wird – im Konflikt mit alternativen Wahrheitsansprüchen – beansprucht813. Entsprechend korrespondentistisch zu begreifen ist die ‚Wahrheit der christlichen Botschaft‘814. Es ist auch dann ein korrespondenztheoretischer Wahrheitsbegriff vorausgesetzt, wenn Pannenberg von der Wahrheit der christlichen Botschaft als eine „dem heutigen Hörer der Predigt […] ihn betreffende, heutige Wahrheit“815. Gleichfalls wird strukturell die „Wahrheit der Osterbotschaft“816 oder (etwas präziser) die „Wahrheit des Inhalts der Christusbotschaft“817 und

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Jahrhunderts beanspruchen zur selben Zeit Endgültigkeit, wie das schon für die Botschaft Jesu selbst gilt. Diese beiden Elemente, daß diese Texte einerseits Ausdruck einer für uns vergangenen Zeit und andererseits in den Formen des Denkens dieser Zeit endgültige Wahrheit zu sagen [kursiv: T. L.] beanspruchen, diese beiden Elemente sind schwer zusammenzuhalten. Der Anspruch endgültiger Wahrheit sprengt sozusagen die Zeitbedingtheit, die diese Texte ja auch haben; er nötigt dazu, diese Texte im Hinausgehen über ihre vergangene Gestalt auszulegen im Hinblick auf die in ihnen ausgesagte Sache [kursiv: T. L.].“ (W. Pannenberg, Die Erfahrung der Abwesenheit Gottes in der modernen Theologie, 36). Pannenberg erklärt: „Jedenfalls ist so viel sicher, daß die Annahme der Wahrheit der Botschaft Jesu von Gott ihre Auslegung im Rahmen einer Inkarnationschristologie fordert, und ohne solche Annahme der Wahrheit der Botschaft Jesu von Gott gibt es gar keine Christologie [kursiv: T. L.].“ (W. Pannenberg, Grundfragen Systematischer Theologie Bd. 2, 131). Und die Christologie frage „nach der Wahrheit dieser Botschaft“ im Sinne einer Frage nach „ihrer Übereinstimmung mit ihrem Gegenstand, mit der Wirklichkeit Gottes selbst […; kursiv: T. L.].“ (W. Pannenberg, Grundfragen Systematischer Theologie Bd. 2, 132). Vgl. auch a. a. O. Pannenbergs Bemerkungen über Urteile und deren Wahrheit im hiesigen korrespondenztheoretischen Sinn, 132. Vgl. auch W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 131; ferner 130 u. 132 (dort auch „die Wahrheit seines [= Jesu] Redens von Gott“). Zur „Wahrheit der christlichen Botschaft“ in einem ebenfalls aussagetheoretischen Sinn vgl. exempl. auch W. Pannenberg, Stellungnahme zur Diskussion, 341. Siehe zu dieser Interpretation W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 41. Vgl. auch W. Pannenberg, Unbekümmert um die Moden der Zeit, 65: Wörtlich heißt es dort: „Meine Hoffnung ist, dass die Kirchen wieder unbekümmert um die Moden der Zeit das Evangelium verkündigen und den Mut zu seiner Wahrheit für alle Menschen und damit auch zur Wahrnehmung ihres Missionsauftrags bewahren.“ Aber auch hier erweist sich Pannenbergs Sprachgebrauch als uneinheitlich. An anderer Stelle wird das Evangelium selbst als Wahrheit ausgegeben. Er formuliert: „Dabei hat die Kirche dieses Evangelium der Welt als die endgültige Wahrheit Gottes [kursiv: T. L.] für alle Menschen zu verkündigen.“ (W. Pannenberg, Angst um die Kirche?, 62). „Vielmehr geht meine Behauptung gerade dahin, daß die Wahrheit der christlichen Botschaft [kursiv: T. L.] nicht ablösbar ist von der Geschichtlichkeit des Verhältnisses unserer Gegenwart zum Urchristentum. Die Wahrheit selbst ist in diesem geschichtlichen Verhältnis.“ (W. Pannenberg, Stellungnahme zur Diskussion, 287). W. Pannenberg, Art. Wort, 378. W. Pannenberg, Gegenwart Gottes. Predigten, 138. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 232. Allerdings zeigt sich, dass

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außerdem auch Pannenbergs Rede von der „Wahrheit der christlichen Botschaft von der Auferweckung Jesu“ zu verstehen sein818. Nicht anders als im Sinne aussagetheoretischer Wahrheit ist es, wenn Pannenberg Gesagtes irritierenderweise selbst als Wahrheit versteht819. Es kann z. B. „[d]ie Sache eines Textes [= als dasjenige, was ein Text aussagt] […] eine mathematische Wahrheit“ sein820. Klar ist hier die für die Wahrheit konstitutive sprachliche Bezugnahme auf Außersprachliches – durch Worte in Sätzen, Evangelium, Botschaft, Überlieferung821 o. ä.822. Nicht zuletzt gewinnt dieses Referieren fundamentale Bedeutung für das christliche und auch theologische Reden, womit die aussagetheoretische Wahrheit am Platze ist823. Sogar die Wahrheit eschatologischer Hoffnungen824, welche

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Pannenberg dieses aussagetheoretische Wahrheitsverständnis mit dem der ontologischen Wahrheit faktisch verknüpft. Sogar im gleichen Satz noch ist die Rede von dem „von sich aus Wahre[n]“ (ebd.) neben dem Richtigen und Erweisbaren. W. Pannenberg, Das Glaubensbekenntnis, 111f. Die korrespondenztheoretische Relationalität im Denken Pannenbergs bekundet sich auch in den darstellenden Darlegungen von G. Wenz: „Hängt sonach die Bewahrheitung des Vollmachtsanspruches Jesu, ja die Wahrheit seiner Botschaft und seines Wirkens überhaupt an der Tatsache der Auferstehung, so hat nach Pannenberg zugleich zu gelten, daß sich deren Tatsächlichkeit nur in Form eines historischen Urteils behaupten läßt.“ (G. Wenz, Ostern als Urdatum des Christentums. Zu Wolfhart Pannenbergs Theologie der Auferweckung Jesu, 140f). Vgl. dazu die von ihm diskutierte „hermeneutische Frage, wie das in der Vorstellungswelt des ersten Jahrhunderts Gesagte als Wahrheit für alle Menschen [kursiv: T. L.; …] verstanden werden könne“ (W. Pannenberg, Den Glauben an ihm selbs fassen und verstehen, 360). W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 93 Anm. 1. Siehe exemplarisch Pannenbergs Gedanke, dass die Religionen bzw. ihre Institutionen „um die allgemeine Wahrheit der religiösen Überlieferung bemüht“ seien (W. Pannenberg, Über Menschenwürde, persönliche Freiheit und Freiheit der Kunst – theologische Erwägungen aus Anlass des Falles ‚Mephisto‘, 141). Dass die ‚Wahrheit des Überlieferten‘ aussagetheoretisch zu interpretieren ist, wird nicht zuletzt auch daran erkennbar, dass der Ausdruck ‚wahr‘ auf die Inhalte dieser Überlieferung bezogen wird. Pannenberg formuliert: „Im Vollzug der Überlieferung nun setzt die Kirche die Wahrheit des Überlieferten [kursiv: T. L.] schon voraus, tritt aber auch argumentierend für sie ein. Doch sie bleibt darauf angewiesen, daß sich den Empfängern der Verkündigung und Überlieferung deren Inhalt immer wieder als wahr [kursiv: T. L.] bewährt, indem er ins Verhältnis gesetzt wird zu allen sonstigen Erfahrungen und Überzeugungen der Menschen und sich dabei im Bewußtsein des einzelnen nicht nur behauptet, sondern ein neues, erhellendes Licht auf alles andere zu werfen vermag, so daß alle sonstige Erfahrung und Urteilsbildung in einer neuen Perspektive erscheint und damit auch modifiziert wird im Lichte des Christusglaubens.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 143). So auch Chr. Landmesser (Neutestamentliche Wissenschaft und Weltbezug, 191), der u. a. die semantisch-ontologische Relation in der Frage nach der „Wahrheit der Texte“ stellt und sie als diejenige versteht, „was ein Text von der Welt zu erkennen geben will.“ Man vgl. folgenden Satz: „Im Begriff der Theologie wird die Wahrheit theologischen Redens als eines durch Gott selbst autorisierten Redens von Gott immer schon vorausgesetzt.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 17). „Ein nur vom Menschen her, aus menschlichen Bedürfnissen und Interessen und als Ausdruck menschlicher Vorstellungen von einer göttlichen Wirklichkeit begründetes Reden von Gott wäre nicht Theologie, sondern nur Produkt menschlicher Einbildungskraft. Daß menschliches Reden von Gott sich

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Pannenberg thematisiert hat, wird man irgendwie im Sinne der Aussagewahrheit verstehen dürfen825 – denn auch Mentales ist sprachlich strukturiert. 3.4.2.6.2 Christliche Ansprüche auf Wahrheit und ihre Anfechtung im postmodernen Säkularismus Der Säkularismus und die Säkularismuskritik bilden einen vorzüglichen, da anschaulichen Themenbereich, um die sich um diese zwei Begriffe rankende Diskussion als eine in den Augen Pannenbergs (wesentlich) um aussagetheoredarin nicht erschöpft, daß es als wahrhaft „theologisches“ Reden vielmehr Ausdruck göttlicher Wirklichkeit sein kann, das ist alles andere als selbstverständlich. Die tiefe Zweideutigkeit theologischen Redens besteht gerade darin, daß es sich dabei sehr wohl um bloß menschliche Rede handeln könnte, die dann nicht mehr wahrhaft „theologisch“ wäre. Darauf richtet sich die Skepsis, mit der schon Platon den theologischen Reden begegnete. Reden nämlich „gibt es doch zweierlei, wahre nämlich und falsche“ (Staat 376 e 11). Von den „theologischen“ Reden der Dichter aber schienen ihm die meisten (377 d 4ff.) unwahr zu sein.“ (a. a. O., 17; siehe dort auch zur „Wahrheit des christlichen Redens von Gott“). Hinsichtlich dieser Bemerkungen Pannenbergs urteilt S. Vasel, es sei bei alldem vorausgesetzt, „dass es so etwas wie die Wahrheit theologischer Aussagen gibt.“ (S. Vasel, Philosophisch verantwortete Christologie und christlich-jüdischer Dialog, 556). Dass es so etwas gibt, wird von Pannenberg in der Tat vorausgesetzt. Und dies geschieht sicher nicht zu Unrecht, wie in dieser Arbeit mehr als nur deutlich wird. Auch A. Lange (Religion als Weltbemächtigung, 34ff) hat sich zu diesen Bemerkungen Pannenbergs schon kritisch geäußert: Lange glaubt, dass Pannenberg von einem „ummittelbaren Entsprechungsverhältnis zwischen Gottes Wahrheit und Hervorbringungen menschlicher Artikulation“ ausgeht. Lange verweist auf K. Barth, der s.E. deutlich gemacht habe, „daß zwischen dem Sprechen der Kirche von Gott und Gottes eigenem Sprechen keine notwendige Identität besteht.“ (a. a. O., 36) Die an Barth und Lange zu richtende Frage ist m. E. dann die, was unter diesen angenommenen Voraussetzungen dann überhaupt noch sinnvollerweise über Gott und den christlichen Glauben gesagt werden kann. Und träfen diese Restriktionen nicht auch Langes eigene Bemerkungen? Lange meint, es gelte zu klären, „ob es Pannenberg gelingt, eine Differenz zwischen der Wahrheit und dem Anspruch des Redens Gottes einerseits und der Theologie andererseits auch in der Reflexion auf deren Sprachgestalt deutlich zu machen und ob der Rekurs auf den historischen Jesus dafür überhaupt eine Rolle speilt – oder ob die Funktion, die einst das Schriftprinzip in der Dogmatik hatte, am Ende bei Pannenberg unbesetzt bleibt.“ (a. a. O., 40). Gegen Lange und zur Verteidigung Pannenbergs ist anzumerken, dass Pannenberg die benannte Differenz sehr deutlich wahrt, ihr in besonderer Deutlichkeit durch seine epistemische These der Vorläufigkeit jedweden endlichen, d. h. menschlichen, Erkennens und durch das Offenhalten der Wahrheitsfrage sogar enorm hohe Bedeutung beimisst. 824 Vgl. dazu beispielsweise W. Pannenberg, The Task of Christian Eschatology, 2ff: „When we ask for the truth of our eschatological hope [kursiv: T. L.], Christian theology does not only have to face the skepticism of the world, but also a long history of critical dissolution of the eschatological conceptions exhibited in the Bible.“ (a. a. O., 2f). 825 Der Frage, inwiefern sich (Lehr-)Aussagen strukturell zur Glaubenswahrheit verhalten, scheint Pannenberg nicht weiter nachgegangen zu sein. Einerseits werden Aussagen ausdrücklich in den Wahrheitsbegriff inkludiert (s. o.), andererseits deutet sich an anderer Stelle eine strukturelle (Grund-)Verschiedenheit an. Er schreibt: „Aber weder diese noch irgendeine andere Lehraussage ist heute noch als identisch mit der endgültigen Gestalt der Glaubenswahrheit anzusehen.“ (W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 331).

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tische (Korrespondenz-)Wahrheit kreisende Kontroverse in den Blick zu bekommen. Darum interessiert das ergiebige Beispiel aus seiner Theologie: Pannenberg wandte sich konsequent gegen die Zurückdrängung der Wahrheitsthematik oder die Nivellierung ihrer Bedeutsamkeit, wie sie gemeinhin von postmoderner Seite her betrieben worden ist und wird. Innerhalb der Theologie Pannenbergs werden derlei Tendenzen mit dem Säkularismus in Verbindung gebracht und vornehmlich unter dieser Etikettierung kritisch beäugt. Ein nicht unwesentlicher Faktor für seine Säkularismuskritik dürfte darin zu suchen sein, dass er meint, dass das gegenwärtige „climate of secularism puts considerable strain on the confidence of believers in the truth of the Christian teaching“826. Pannenberg verteidigt „das Geltendmachen des christlichen Wahrheitsanspruches“ gegenüber dem (säkularisierten) Zeitgeist, der davon ausgehe, „die Theologie habe gar keinen Wahrheitsanspruch.“827 Er verteidigt dabei zugleich auch den Gedanken der Einheit der Wahrheit gegenüber einem Pluralismus, der von der Bedeutungslosigkeit unterschiedlicher Wahrheitsansprüche ausgeht828. Aber auch ‚mildere‘ Formen des Umgangs mit Wahrheitsansprüchen bringt Pannenberg mit dem gegenwärtigen Säkularismus in Verbindung. Pannenberg äußert 1994 seine Überzeugung, „daß in weiten Bereichen unserer Öffentlichkeit von den Inhalten der Bibel und des Christentums und von den damit verbundenen Wahrheitsansprüchen gar keine Kenntnis mehr genommen wird“829. Und mehr noch scheint ihm charakteristisch: „The situation is no longer that some people reject the truth claims of Christian teachings. Increasing numbers of them don’t even know what should be accepted or rejected.“830 Überhaupt ist Pannenberg der Meinung, dass sowohl mit Wahrheitsansprüchen als auch mit Werten und kulturellen Traditionen inzwischen wie mit Konsumgütern verfahren werde. „With respect to values and cultural traditions, as with truth claims, a 826 W. Pannenberg, How to Think About Secularism, 27. 827 W. Pannenberg, Geist gegen Zeitgeist. Gespräch mit dem Theologen Wolfhart Pannenberg, 266. 828 „Pluralism can also mean, and all too often it does mean, the assumption that truth claims are no longer meaningful because there is no one truth.“ (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 60). Pannenberg konstatiert jedoch, dass Pluralismus viel heißen könne („Pluralism can mean many things.“) (ebd.) „Pluralism can refer to a cultural situation in which competing truth claims are to be treated with respect.“ (ebd.). Eine positive Wertschätzung kann Pannenberg gegenüber der Pluralität durchaus zeigen – und zwar insbesondere im Zusammenhang seiner ökumenisch ausgerichteten Ekklesiologie, die sich auch in der Wahrheitsattribution der Katholizität wiederspiegelt (s. o.). 829 Es sei denn – wie er meint – in Form „der Entstellung oder bei Themen, die in christlicher Perspektive marginal sind, mit denen sich aber für die säkularisierte Öffentlichkeit noch ein Nachrichtenwert verbindet. Das ist die verfestigte Vorurteilsstruktur, gegen die die christliche Verkündigung und Theologie sich heute behaupten müssen.“ (W. Pannenberg, Wahrheit statt Gleichgültigkeit. Antwort an Wilfried Gerhard, 134f). 830 W. Pannenberg, How to Think About Secularism, 28.

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consumerist attitude prevails. Each chooses according to his preferences or perceived needs.“831 Sowohl solches „cultural relativizing“ als auch die noch weitergehende „dissolution“ der „idea of truth“ sieht Pannenberg als kennzeichnend für den gegenwärtigen Säkularismus an , der sich seinerseits von dem Säkularismus der Aufklärung in dem entscheidenden Punkte unterscheide, dass damals wenigstens noch um Wahrheit gerungen worden sei832: „While the enlightenment challenged the traditional Christian affirmations by demanding rational argument for the truth claims of Christian teaching instead of a simple appeal to authority now truth claims as such are considered obsolete.“833 „The secularist thinkers of the Enlightenment challenged Christians to justify their truth claims by rational argument rather than by simple appeal to religious authority. But both Christians and their opponents assumed that there was a truth about the matters in dispute. That cannot be assumed today. In the view of many, including many Christians, Christian doctrines are merely options that may or may not be affirmed according to individual preference, or depending on whether they speak to personally felt needs.“834 Die säkularistische Kritik am Erheben von (christlichen) Wahrheitsansprüchen und die Auflösung der Wahrheitsidee wird von Pannenberg als dem christlichen Verständnis von Evangelisierung und Mission freilich abträglich erkannt, darum auch abgelehnt835; von ihm wird entschieden die „idea of truth“ als „absolutely vital for the Christian faith“ verteidigt gegenüber einer säkularisierten Kultur836. Pannenbergs Apologie der Idee der Wahrheit kommt u. a. in seinem Festhalten an Wahrheitsansprüchen zum Ausdruck, in verschärfter Form darin, dass er meint, dass „die Wahrheitsansprüche der christlichen Lehre […] mit dem Zeit831 832 833 834 835

W. Pannenberg, How to Think About Secularism, 30. Vgl. W. Pannenberg, How to Think About Secularism, 27f. W. Pannenberg, How to Think About Secularism, 28. W. Pannenberg, How to Think About Secularism, 27. „The dissolution of the idea of truth – of truth that does not need my approval in order to be true – severely undercuts the Christian understanding of evangelization or mission.“ (W. Pannenberg, How to Think About Secularism, 27f) „The dissolution of the notion of truth, however, ruins the idea of Christian missions. Missionary preaching is no longer seen as bringing the truth to other people – and therefore legitimate – but as imposing upon them one’s personal opinions, which must appear improper.“ (a. a. O., 28) And even when we leave the issue of missions aside, why should people opt for the Christian faith, if not because the apostolic teaching is true? Or, mor precisely, if it is not even meaningful to claim its content to be true? The issue of truth is absolutey vital for the Christian faith. The destruction of the idea of truth, on the other hand, can be seen as a strategy of legitimating the secularist culture since its lack of true meaning is precisely the point of its most delicate vulnerability.“ (a. a. O., 28). 836 Siehe dazu W. Pannenberg, How to Think About Secularism, 28. „The destruction of that idea is key to legitimating a secularist culture, since the idea of truth touches on secularism’s greatest vulnerability.“ (ebd.).

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geist unserer fortschreitend säkularistischen Kultur“ in Konflikt gerieten837. Anstatt in der Manier der säkularisierten Kultur Wahrheitsansprüche einfach zu relativieren oder aufzulösen, nimmt er diese ernst und tritt entschieden für den christlichen Anspruch auf Wahrheit ein838. Das wird exemplarisch deutlich an seiner Kritik eines die Beliebigkeit hochhaltenden Pluralismus. Mit seiner Kritik vollzieht Pannenberg eine trennscharfe Abgrenzung vom postmodernen Geist und der ihm zuzuordnenden „pluralistischen Religionstheologie, für die mindestens mehrere Religionen mit gleichem Recht den Anspruch auf ‚ihre‘ Wahrheit erheben können“839. Für diese Grenziehung gibt es innerhalb der gegenwärtigen Theologie nicht immer ‚Rückendeckung‘840. Es ist in der Einschätzung von Pannenberg nicht nur lediglich so, dass „[i]m Kontext eines von Religion emanzipierten öffentlichen Bewußtseins […] der 837 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. II, 271. 838 Dass Pannenberg einen zum postmodernen Zeitgeist gegenläufigen Umgang mit der Wahrheitsfrage wählte, indem er entschieden für den christlichen Wahrheitsanspruch eintritt, hat R. Schwager als „überraschend“ bezeichnet. Selbiges Urteil hat Schwager auch auf René Girard bezogen: „In diesem Kontext [sc. Postmoderne] ist es überraschend, daß heute zwei Autoren, deren große und umfangreiche Werke seit Jahrzehnten durch eine konsequente religionsgeschichtliche Perspektive bestimmt sind, entschieden den christlichen Anspruch auf Wahrheit betonen und zum Widerstand gegen einen beliebigen Pluralismus aufrufen. W. Pannenberg warnt die Kirche vor der Anpassung an die säkularistische Kultur und vor der Relativierung der Wahrheit“. Siehe R. Schwager, Religionswissenschaft und Theologie, 172f. Ausgehend von der Feststellung der gleichen ‚Perspektive und Zielrichtung‘ vergleicht Schwager beide Werke (vgl. a. a. O., 172–192) und befragt sie auf ihre Wahrheitsfähigkeit, und zwar dadurch dass er nach ihrer beiden inneren Kohärenz und etwaigen Heterogenität fragt (vgl. a. a. O., 173). Dazu Schwager: „Wenn nämlich trotz der gemeinsamen Perspektive und Zielrichtung beide Werke heterogen wären, dann würde dies einerseits Fragen nach der inneren Kohärenz beider Entwürfe aufwerfen, andererseits könnte man darin sogar ein Zeichen sehen, daß die Pluralisten letztlich doch recht haben, wenn sie eine allgemeine Wahrheit ablehnen. Wenn nämlich gegensätzliche Argumentationen zum gleichen Ergebnis führen würden, dann wären die Argumentationen fraglich, und die Ergebnisse stünden im Verdacht, das Produkt subjektiver Vor-Urteile zu sein.“ (a. a. O., 173). Schwager macht die Wahrheitsfähigkeit daran fest, dass beide Ansätze zu einem kohärenten Gesamtentwurf verknüpft werden könnten (wenn auch hinsichtlich bestimmter Punkte noch Klärungsbedarf bestehe) (vgl. a. a. O., 192). Er wendet damit die Kohärenztheorie der Wahrheit kriteriologisch an, wie es u. a. auch für Pannberg kennzeichnend ist. 839 R. Schwager, Religionswissenschaft und Theologie, 172. 840 Gewisse Unterstützung erhält Pannenberg von Chr. Glimpel, der mit seiner Studie Gottesgedanke und autonome Vernunft „[u]nbeschadet aller an Wolfhart Pannenbergs Ansatz geübter Kritik […] mit ihm ein fundamentales Anliegen [teilt]: Das Anliegen einer Vermittlung der durch die Aufklärung geschaffenen und durch Begriffe wie Vernunft, Freiheit und Autonomie, aber auch durch das Phänomen des erkenntnistheoretischen Relativismus wie des weltanschaulichen Pluralismus bestimmten geistigen Situation mit den positiven (dogmatischen) Inhalten des christlichen Glaubens samt deren Wahrheitsanspruch.“ (Chr. Glimpel, Gottesgedanke und autonome Vernunft, 13). Glimpels Kritik an Pannenbergs Umgang mit der Wahrheitsproblematik wird im Durchgang der Arbeit ebenfalls einer Kritik unterzogen werden.

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Behauptungscharakter von Aussagen über Gott, insofern sie als Aussagen die Existenz ihres Gegenstandes voraussetzen, auffälliger geworden [sind].“841 Sein Urteil über die Lage ist sehr viel weitreichender. Er meint, dass solche Aussagen sich im Kontext einer öffentlichen und inzwischen rein säkularisierten Kultur „zunächst einmal als bloße Behauptungen dar[stellten], deren Wahrheit dahingestellt bleibt.“842 „Das heißt, daß die Wahrheit solcher Aussagen oder auch nur ihres (propositionalen) Kerngehalts, nicht mehr ungeprüft als plausibel oder glaubwürdig, wenn auch nicht über jeden Streit erhaben, hingenommen wird.“843 Die ganze Tragik des Verhältnisses der säkularisierten Kultur zu Behauptungen über Gott dürfte Pannenberg jedoch wohl darin erkennen, dass den Wahrheitsansprüchen, wie sie mit Behauptungen über Gott untrennbar verbunden sind, innerhalb einer säkularen Kultur mit größter Skepsis begegnet wird: „[D]as öffentliche Bewußtsein der säkularen Kultur läßt die Wahrheitsansprüche solcher bloßen Behauptungen zwar dann gern gelten, wenn sie säkulare Sachverhalte zum Inhalt haben und sich auf die Autorität der Wissenschaften stützen, etwa bei Soziologen oder Psychologen, nicht aber im Falle von Behauptungen über Gott, und zwar sogar dann nicht, wenn diese mit größerem Aufwand an Scharfsinn vorgetragen werden als das manchmal bei modischen Thesen von Humanwissenschaftlern der Fall ist.“844 „Behauptungen über Gott bleiben im öffentlichen Bewußtsein „bloße“ Behauptungen, die nur der Subjektivität des Redenden zugerechnet werden, und das nicht nur in dem Sinn, daß ihr Wahrheitsanspruch generell für einer Prüfung bedürftig gilt, bevor seine Bejahung erwogen werden kann, sondern in dem viel weiter gehenden Sinn, daß von vornherein unterstellt wird, daß solche Prüfung zu nichts führen kann, Wahrheitsansprüche von Aussagen über Gott also einer ernsthaften öffentlichen Diskussion gar nicht würdig sind.“845 841 So W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 73 im Anschluss an I.U. Dalferth (Existenz Gottes und christlicher Glaube. Skizzen zu einer eschatologischen Ontologie, 88f), der sich seinerseits auf W.V.O. Quine beruft. Pannenberg präzisiert: „Das gilt sowohl für die Aussagen der Tradition philosophischer Theologie als auch für die der christlichen Überlieferung und Verkündigung.“ (ebd.) 842 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 73. 843 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 73. 844 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 73f. 845 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 74. Siehe dazu auch Pannenbergs folgende Bemerkungen zu religiösen Behauptungen: „Dem öffentlichen Bewußtsein der Moderne stellt sich mit zunehmender Entschiedenheit die Religion als ein sekundäres Bedürfnis dar, das nicht zu den konstitutiven Zügen des Menschseins gehört.“ So komme es zur „Herleitung der Religion aus anderen, vermeintlich fundamentaleren Gegebenheiten, die ihrerseits als von aller Bedingtheit durch Religion unabhängig unterstellt werden.“ (W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 7) „Dabei ist immer schon vorausgesetzt, daß religiöse Behauptungen nicht wahrheitsfähig sind und im wissenschaftlichen Meinungsstreit nicht als ernstzunehmende Optionen zugelassen werden können. Sie gelten vielmehr als Ausdruck bloß subjektiver Bedürfnisse, deren Aufhellung der Psychologie oder der Soziologie überlassen bleibt.“ (ebd.). In seinen anthropologischen Beiträgen hat Pannenberg

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Pannenbergs Kritik des Säkularismus hinsichtlich des Umgehens mit der Wahrheitsfrage erweist sich zugleich als Kritik der Wahrheitskritik der Postmoderne, in der Pannenberg ohnehin nur ein Negativphänomen sieht846. Für diese Untersuchung ist noch wichtiger wahrzunehmen, dass der skizzierte Konflikt substanziell ein Konflikt um unterschiedliche Ansprüche auf aussagetheoretische Wahrheit ist. 3.4.2.6.3 Aussagetheoretische Wahrheit und Religionenpluralismus Religion(en) haben immer schon auf die eine oder andere Weise mit der Wahrheitsthematik zu tun. Für das Christentum gilt das in jedem Fall847. „Die Wahrheitsfrage ist natürlicherweise die brennende Frage für alle Religionen“848. Dass kognitive Äußerungen von den Religionen vertreten werden, lässt sich auch daran verdeutlichen, dass Religionen verschiedene Wahrheitsansprüche erheben entschieden die konstitutive Bedeutung der Religionsthematik für das Menschsein aufzuzeigen versucht. Es ist eine nicht unerhebliche Vorbedingung religiöser Aussagen über Gott, dass erst unter der Bedingung, dass ernstlich mit einer solchen konstitutiven Bedeutung der religiösen Thematik für das Menschsein gerechnet werden kann, christliche Wahrheitsansprüche (etwa in Gestalt von Behauptungen über Gott) wieder Geltung erlangen können: „Denn ohne ein öffentliches Bewußtsein von der konstitutiven und unveräußerlichen Bedeutung der Religionsthematik für das Menschsein bleiben die spezifisch christlichen Aussagen über den Menschen auf ein kulturelles Abseits beschränkt und verdanken ihre Geltung nur der Zahl ihrer Anhänger, nicht aber dem Gewicht ihrer Wahrheitsansprüche.“ (W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 8). 846 Die Postmoderne ist für Pannenberg ein Negativphänomen – wie etwa seine Rede von den „excesses of postmodernism“ (W. Pannenberg, Facing Up: Science and Its Cultural Adversaries, 64) unmissverständlich kundtut. Pannenberg befürwortet in diesem Beitrag mit S. Weinberg den Realismus der Wissenschaften gegenüber der Gruppe der ‚social constructionists‘. Die spärlichen Vorkommnisse des Ausdrucks ‚Postmoderne‘/‘postmodern‘ innerhalb seines Werkes sind nur ein weiteres Indiz für einen gewaltigen Abstand zum postmodernen Denken. Das dürfte aber auch dadurch zu erklären sein, dass mit solch einer Etikettierung noch wenig gesagt ist. Pannenberg hält „much of the current talk on postmodernity“ für „somewhat obscure“ (W. Pannenberg, Foreword, in: F. LeRon Shults, The Postfoundationalist Task of Theology, ix). F. LeRon Shults urteilt, „Pannenberg himself has never been fond of postmodern hermeneutics, usually dismissing it as a fad.“ (F. LeRon Shults, The Postfoundationalist Task of Theology, 81). Pannenberg erkennt jedoch die von der Postmoderne ausgehende Kritik an „foundationalist claims“ innerhalb modernen Denkens als „one of the real issues“ an (W. Pannenberg, Foreword, in: F. LeRon Shults, The Postfoundationalist Task of Theology, ix). Gerade auch im Rahmen seiner Auseinadersetzung mit der Wahrheitsfrage (etwa wie hier im Umfeld seiner Säkularismuskritik) hat Pannenberg wiederholt sachlich Stellung bezogen, wenngleich man beklagen mag, dass eine direkte oder eingehende Auseinandersetzung mit prominenteren Vertretern der Postmoderne ausbleibt. 847 Vgl. dazu auch die Bemerkungen von H.-P. Großhans, Die Wahrheit wird euch freimachen, bes. 336ff. Auch für ihn ist klar, „daß die Wahrheitsfrage in die Religion, zumindest in die christliche Religion, gehört.“ (a. a. O., 338). 848 S.C. Neill, Die Wahrheit in den Religionen, 137.

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– wenn auch vielleicht nicht alle849. Nun zeigt sich nicht zuletzt auch an Pannenbergs Auseinandersetzung mit dem Religionenpluralismus, dass die Konflikte zwischen den Religionen maßgeblich solche um Wahrheit im aussagetheoretischen Sinne sind: Das Erheben von Wahrheitsansprüchen hängt mit theologischen Sätzen also unmittelbar zusammen850. Nicht nur das sieht nicht nur Pannenberg so851. Auch die damit verbundene Brisanz liegt offen zutage852, und sie scheint auch unvermeidlich, weil die Anhänger der verschiedenen Religionen zumeist davon auszugehen scheinen, dass es jeweils (nur) die eigene Religion ist, die dem einzelnen Dasein Bestand zu gewähren vermag853, also wahr ist. Der aussagetheoretische Wahrheitsbegriff ist folglich nicht nur für das Christentum als eine bestimmte Religion854 von Bedeutung, sondern für die Religionen überhaupt. Um diese Erkenntnis ranken sich vielerlei Überlegungen in zahlreichen Publikationen Pannenbergs zum christlichen Absolutheits-/Universalitätsanspruch, zum Religionenpluralismus sowie auch speziell zur religionstheologischen Position J. Hicks („Theologie der Religionen“) 855. Die (histo849 So die berechtigte Einschränkung von W. Oelmüller (Hg.), Wahrheitsansprüche der Religionen heute, 7. 850 Chr. Mostert schätzt etwa, dass Pannenberg „does not abandon the question of the truthclaims inherent in theological statements.“ (Chr. Mostert, God and the Future, xi). 851 Vgl. dazu auch denselben Gedanken bei E. Herms: „Es ist eine unerläßliche Funktionsbedingung für alle Weltanschauungen und Religionen, jeweils für ihre Sicht des Gesetzes des Daseins explizit oder implizit den Anspruch zu erheben, daß sie wahr ist.“ (E. Herms, Phänomene des Glaubens, 96). 852 Darin, dass Religionen Wahrheitsansprüche vertreten, hat W. Oelmüller „ein schwieriges und brisantes Thema für Einzelne und soziale Gruppen, für religiöse und weltliche Institutionen, für die Philosophie, die Theologie und die Wissenschaften“ gesehen. Man wird Oelmüller beipflichten dürfen, dass die von den Religionen formulierten Wahrheitsansprüche letztlich auf Anerkennung und Durchsetzung (ob auf sozialer, politischer oder einer anderen Ebene) drängen. Vgl. W. Oelmüller (Hg.), Wahrheitsansprüche der Religionen heute, 7. 853 „Wenn Menschen ihre Religion für wahr halten, bedeutet dies für sie, daß diese Religion im letzten für ihr Leben und Handeln, für ihr Erkennen und Erleiden verbindlich und verläßlich ist, daß diese Religion ihrer Identität im letzten Bestand und Halt gibt“ (W. Oelmüller (Hg.), Wahrheitsansprüche der Religionen heute, 7). Dieser Gedanke erinnert an den von Pannenberg über die Etymologie behaupteten Zusammenhang zwischen Wahrheit und Beständigkeit, näherhin an die Beschreibung des alttestamentlichen Frommen, der „sich an die unvergängliche Wahrheit Gottes“ hält, weil sie ihm, seinem Leben „Bestand und Identität gewährt.“ (W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 158). 854 Gegen K. Barth KD § 17 wird hier davon ausgegangen, dass das Christentum eine Religion unter Religionen ist. 855 Vgl. dazu folgenden Überblick: W. Pannenberg, Erwägungen zu einer Theologie der Religionsgeschichte, in: Grundfragen systematischer Theologie, bes. 278 (Anm. 37); (ggf.) W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, bes. 143ff u. 234; W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 9ff; W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, bes. 152f, 164, 170f u. 174–177; W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, bes. 31,

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rischen bzw. positiven) Religionen erheben i. d. R. einander widerstreitende, konfligierende und auf Universalität abzielende Wahrheits- und Geltungsansprüche (zumeist jedenfalls) in Bezug auf Gott oder Götter, was immer dann der Fall ist, wenn sie Wahrheit für ihre Behauptungen beanspruchen. Es handelt sich hier, wie erkannt, immer schon – nicht erst bei Pannenberg – faktisch und formal um aussagetheoretische Wahrheit. Es ist für Pannenbergs Theologie aber charakteristisch, dass er die Verschiedenheit von Wahrheitsansprüchen wahrnimmt und – neben der Heilsfrage – der durch sie ‚heraufbeschworenen‘ Wahrheitsthematik entscheidende Bedeutung für die Frage nach dem Verhältnis der Religionen zueinander beimisst856. Jedenfalls ist das Verhältnis der Religionen zueinander aufgrund der Differenzen und Gegensätzlichkeit ihrer Ansprüche aus der Sicht Pannenbergs vornehmlich eines des Konfliktes bzw. des Wettstreites857. An einer Stelle formuliert er auf eine erschreckende Weise scharf und unmissverständlich: Die Religionen „fight each other“; und das hängt s.E. damit zusammen, dass die (Religions-)Geschichte als der Ort göttlichen Inerscheinung41, 63; W. Pannenberg, Religious Pluralism and Conflicting Truth claims; W. Pannenberg, Die Religionen als Thema der Theologie. Die Relevanz der Religionen für das Selbstverständnis der Theologie in: W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 1, 160–172 (s. diesen Beitrag auch in: ThQ 169); W. Pannenberg, „Fundamentaltheologie“ als anthropologische Grundlegung einer Theologie der Religion und der Religionen?, 197ff; W. Pannenberg, Den Glauben an ihm selbs fassen und verstehen, bes. 362ff (dort auch eine kurze Kritik an der pluralistischen Religionstheologie); W. Pannenberg, A Response to My American Friends, 314ff; W. Pannenberg, Angst um die Kirche?, bes. 52ff, 62; (ggf.) W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. II, 137; (ggf.) W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 185; W. Pannenberg, Stellungnahme zur Diskussion, 317 Anm. 24 sowie Pannenbergs Diskussionsbeitrag in der Schlussdiskussion in: W. Oelmüller (Hg.), Wahrheitsansprüche der Religionen heute, 321. Sekundärliteratur zur Erörterung des Religionenpluralismus bei Pannenberg: G. Augustin, Gott eint – trennt Christus?, bes. 316–377 (im Anschluss an Pannenberg); S.J. Grenz, Reason for Hope, 7, 25f, 292; W.A. Euler, Wolfhart Pannenbergs Theologie der Religionen; R. Schwager, Religionswissenschaft und Theologie; G. Bollinger, Pannenberg’s Theology of the Religions and the Claim to Christian Superiority; S. Lösel, Wolfhart Pannenberg’s Response to the Challenge of Religious Pluralism: The Anticipation of Divine Absoluteness; S.J. Grenz, Commitment and Dialogue: Pannenberg on Christianity and the Religions; Zur Kritik, v. a. der Pannenberg’schen These einer konfliktreichen Gegensätzlichkeit der Religionen zueinander: P. Schmidt-Leukel, Die Herausforderung der Religionsgeschichte für die Theologie. Zur Aktualität von Ernst Troeltsch, 127f (zu Pannenberg auch schon a. a. O., 122ff). 856 Bemerkenswerterweise – und sicher seinem Interesse an der Wahrheitsthematik geschuldet – kreisen Pannenbergs eher im Grundsätzlichen bleibenden Erwägungen zum Religionenpluralismus vorrangig um die Wahrheitsfrage im Hinblick auf die verschiedenen von den Religionen beanspruchten, einander entgegenstehenden und konfligierenden Wahrheitsansprüche; daneben geht es (auch, fast sekundär) um die Heilsfrage. Darauf ist hier nicht näher einzugehen. 857 Vom „Konflikt“ verschiedener Wahrheitsansprüche ist in sämtlichen Publikationen die Rede (vgl. exemplarisch W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 234, s. o. weitere Literaturhinweise). Zum „Wettstreit der Religionen“ siehe exempl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 10, zum Thema ausführlicher a. a. O., 9f.

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tretens interpretiert – und darum eben auch – verschiedentlich interpretiert werden kann, sodass es zu Konflikten kommt858. Gegen den religionstheologischen Pluralismus macht Pannenberg geltend859, es dürften Wahrheitsansprüche nicht einfach vergleichgültigt werden, weil dadurch die verschiedenen Wahrheitsansprüche nicht ernst genommen würden. Es verbietet sich für Pannenberg, dass sie relativiert, heruntergespielt oder unvermeidlich „bagatellisiert und nivelliert“860 werden. Das Faktum einer Konkurrenzsituation hinsichtlich verschiedener Wahrheitsansprüche zwischen den Religionen861 schließt jedoch nach 858 Verschiedene Wahrheitsansprüche der Religionen können Pannenberg zufolge nicht „einfach gleichermaßen akzeptiert werden: they cannot, because they fight each other. Therefore, the history of religions is a history of the disproof of religious truth claims as well as a history confirming (at least temporarily) some of them.“ (So W. Pannenberg, A Response to My American Friends, 314) Pannenbergs Erwartung ist die, „that in the end it will be the God of Israel alone who will emerge as true God. And this end is said to be anticipated in Jesus Christ when the New Testament speaks of God’s revelation in him.“ (ebd.) Sogar P. SchmidtLeukel (!) folgt Pannenberg in der Einschätzung, „dass sich Religionswissenschaft, die ihrem Gegenstand gerecht werden will, nicht gegenüber Fragen nach Wert und Wahrheit von Religion verschliessen darf und zu deren Erörterung auf den Dialog mit Theologie und Religionsphilosophie – doch keineswegs nur in deren christlicher Gestalt – angewiesen ist.“ (P. Schmidt-Leukel, Die Herausforderung der Religionsgeschichte für die Theologie. Zur Aktualität von Ernst Troeltsch, 127) Allerdings – darin liegt ein wesentlicher Unterschied zu Pannenberg (aber auch u.a zum „Troeltsch der Absolutheitsschrift“) – ist Schmidt-Leukel mit dem späten Troeltsch und W.C. Smith der Meinung, „dass sich die Vielgestaltigkeit der Religionsgeschichte keineswegs nur oder am adäquatesten im Sinne einander ausschliessender und unversöhnlicher Konflikte verstehen lässt. Denn diese Sichtweise beruht auf der Voraussetzung einer einzigen und allein richtigen Form der menschlichen Anschauung des Göttlichen, die unter der Vielfalt der Religionen daher letztlich nur eine einzige Entsprechung haben kann. Demgegenüber scheint es durchaus verheissungsvoll, weiter den Gedanken zu verfolgen, dass sich die Wahrnehmung einer alles Endliche übersteigenden transzendenten Wirklichkeit in einer Vielfalt einzelner endlicher Erfahrungen widerspiegelt, so dass – mit Troeltsch gesprochen – das „göttliche Leben . . .in unserer irdischen Erfahrung nicht ein Eines, sondern ein Vieles“ […] ist.“ (a. a. O., 128). 859 S. Lösel sieht in Pannenberg sicher nicht zu Unrecht einen besonders entschiedenen Kritiker der pluralistischen Religionstheologie: „Among the most fervent opponents of the pluralistic theologies of religions is German Lutheran theologian Wolfhart Pannenberg“. (S. Lösel, Wolfhart Pannenberg’s Response to the Challenge of Religious Pluralism: The Anticipation of Divine Absoluteness, 500). 860 W. Pannenberg, „Fundamentaltheologie“ als anthropologische Grundlegung einer Theologie der Religion und der Religionen?, 198. Vgl. auch Pannenbergs Kritik an der pluralistischen Religionstheologie, vornehmlich daran, „to relativize and play down the Christian truth claims“ (W. Pannenberg, Religious Pluralism and Conflicting Truth claims, 103; vgl. auch bes. a. a. O., 102ff). 861 Vgl. dazu exempl. folgende Bemerkung: „Für das Verständnis der Geschichte der Religionen und der Konkurrenz ihrer Wahrheitsansprüche untereinander ergibt sich daraus die Perspektive, daß aus Gründen des Wahrheitsverständnisses verstehbar wird, wieso es in diesen Auseinandersetzungen um die Frage geht, welche Seite nun besser und tiefer und umfassender die Lebenssituation der Menschen und die Wirklichkeit ihrer Welt zu erhellen vermag.“ (W. Pannenberg, Die Wahrheit Gottes in der Bibel und im christlichen Dogma, 283).

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Meinung von Pannenberg nicht die Chance aus, (offenbar ebenfalls aussagetheoretisch zu interpretierende) sog. Wahrheitsgehalte auch in solchen Behauptungen vorzufinden, die von anderen Religionen aufgestellt werden862; ja es sei möglich, bestimmte ‚elements of truth‘ anderer Traditionen für den eigenen christlichen Glauben aufzugreifen863. Überhaupt ist er der Meinung, das Christentum solle den (interreligiösen) Dialog mit nichtchristlichen Religionen über die Wahrheitsfrage führen864 – und zwar mit wechselseitigem Respekt und Toleranz, ohne dabei die christliche Wahrheitsgewissheit zu opfern865 und ohne jedoch die verschiedenen Wahrheitsansprüche auszublenden866, wofür ganz ähnlich auch Chr. Schwöbel plädierte867. Pannenberg meint sogar, dass der Christ 862 Die inklusivistische religionstheologische Option kommt etwa schon in seinem frühen Aufsatz „Erwägungen zu einer Theologie der Religionsgeschichte, in: Grundfragen systematischer Theologie, 278 Anm. 37 zum Ausdruck. Jedenfalls erinnert dieser Inklusivismus an die im II. Vatikanum vertretene These eines Wahrheitskerns in den Auffassungen anderer Religionen: siehe dazu A. Schwans Bemerkungen zum Thema in seinem Diskussionsbeitrag in: W. Oelmüller (Hg.), Wahrheitsansprüche der Religionen heute, 325f. 863 Vgl. dazu folgende Bemerkungen Pannenbergs: „That means to incorporate whatever one has to recognize as elements of truth in other traditions into one’s own faith. But it can never mean to give up on the specific truth claims of one’s own tradition.“ (W. Pannenberg, Religious Pluralism and Conflicting Truth claims, 103). „Christianity should deal with the situation of religious pluralism in a different way. It must be open and ready to accept whatever truth the Christian can accept and learn from other religious traditions in order to incorporate those elements of truth into our own understanding of God and of his revelation.“ (ebd.). 864 Zurecht hat S.J. Grenz darauf hingewiesen, dass der interreligiöse Dialog von Pannenberg als ein wesentlich um die Wahrheitsfrage kreisender Dialog verstanden wird: „Pannenberg’s understanding of the task of theology and of the nature of truth provides a first point of departure for interreligious dialogue. For him theology is engaged in the quest for the truth concerning ultimate reality. This outlook provides the parameters for such dialogue, for it indicates that dialogue must serve the quest for truth.“ (S.J. Grenz, Commitment and Dialogue: Pannenberg on Christianity and the Religions, 203). Man vgl. auch Pannenbergs Bemerkung, die Christen würden „damit zu rechnen haben, daß sie selber durch den Dialog an ihnen bislang verborgen gebliebene Aspekte der Wahrheit ihres eigenen Glaubens erinnert werden.“ (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 178) „Der christliche Wahrheitsanspruch selber muß in den Dialog eingebracht werden.“ (a. a. O., 178). 865 „Dieser Dialog muß in der Festigkeit christlicher Wahrheitsgewißheit und kann eben darum auch im Geiste der Toleranz und des Respekts, im demütigen Bewußtsein der Vorläufigkeit unserer eigenen theologischen Erkenntnis geführt werden. Dann wird er auch konstruktiv zur Zukunft der Kirche Jesu Christi und ihrer Theologie beitragen können.“ So W. Pannenbergs Geleitwort, in: G. Augustin, Gott eint – trennt Christus?, 7. 866 Siehe beispielsweise W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 31 u. 41. Auch das Bewusstsein der dem Erkennen gesetzten Grenze (Vorläufigkeit) bedeute kein „selling out Christian affirmation to the current mood of false modesty that abstains from truth claims in defence to what is falsely called pluralism.“ (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 60). 867 Vgl. zu C. Schwöbels Plädoyer, anderen Religionen im Dialog mit Respekt zu begegnen, ohne gleichzeitig Wahrheitsüberzeugungen preisgeben zu müssen (C. Schwöbel, Wahrheitsgewissheit und Dialog: Christliche Identität im religiösen Pluralismus, 49). Die Nichtver-

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in einem offenen Dialog „nicht nur andere belehrt und auch nicht nur den eigenen Glauben darstellt, sondern durchaus hinzulernen kann über die Wahrheit des Gottes, den er selber bekennt.“868 Schon derjenige Wahrheitsanspruch, den Pannenberg mit dem Auftreten Jesu selbst verbunden sieht, nämlich denjenigen unüberholbarer, eschatologischer Wahrheit, bleibt von maßgeblicher Bedeutung, nicht zuletzt gerade auch für die Heilsfrage869.

pflichtung auf einen Konsensdruck, das Zulassen von Differenzen und das Verständnis von Toleranz als das „Ertragen eines Wahrheitsbewusstseins“ sind weitere Parallelen zu Pannenbergs religionstheologischer Position (a. a. O., 50; vgl. zum Thema ausführlicher a. a. O., 49ff). Auch W. Oelmüller ging ähnlich der Frage nach, wie Wahrheitsansprüche verteidigt werden könnten, nämlich ohne Intoleranz, Fanatismus oder auch Dogmatismus, wie dies glaubwürdig und ohne Verlust von Bedeutung geschehen könne (Vgl. W. Oelmüllers Vorwort, in: W. Oelmüller (Hg.), Wahrheitsansprüche der Religionen heute, 7). 868 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 170). Was dies in concreto heißen mag, bleibt jedoch ähnlich offen wie bei seiner Rede vom ‚Wahrheitsgehalt‘, ‚elements of truth‘ oder bei seinen Worten über das „christliche Bewußtsein für die Wahrheit anderer religiöser Traditionen und Perspektiven“ (W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 185). Dessen ungeachtet bleibt anzumerken, dass Pannenberg parallel mit verschiedenen Wahrheitsbegriffen operiert, ohne dies explizit zu machen. Zur Respektierung auch anderer Wege und Formen des Erfassens der Wahrheit Gottes als derselben göttlichen Wahrheit siehe auch W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 25 vgl. zum Thema auch 26. 869 Anders etwa als J. Hick und in Abgrenzung von seinem philosophischen Lehrer K. Jaspers, die beide Jesus nur als ‚großen Menschen‘ unter anderen angesehen hätten, betont Pannenberg in seinem Festhalten am christlichen Absolutheitsanspruch, dass der „Anspruch auf eschatologische, unüberholbare Wahrheit […] schon für das Auftreten Jesu selbst kennzeichnend gewesen [sei], weil die eschatologische Wirklichkeit, die kommende Gottesherrschaft, in seinem Reden und Wirken schon Gegenwart wurde.“ (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 170). Zu dem mit Jesu Auftreten verbundenen eschatologischen Wahrheitsanspruch s. auch W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 214. Zu dem von Jesus erhobenen Wahrheitsanspruch, der „ihn ans Kreuz gebracht“ hat siehe W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 234. Vgl. auch Pannenbergs Ausführungen zur „Zukunft des Gerichts“ als „Bestätigung des Wahrheitsanspruchs Jesu“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 137). Aus dieser Vorstellung, dass Jesus selbst einen Wahrheitsanspruch formuliert hat, resultiert dann konsequenterweise, dass nach Meinung von Pannenberg anderen Wegen des Glaubens nicht „in gleicher Weise endgültige, eschatologische Wahrheit“ zugebilligt werden könnte (vgl. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 170). Weil „Gott in Jesus Christus zum Heil aller Menschen gehandelt hat“, ist gemäß Apg 4,12 „‚in keinem andern Heil‘“ (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 31; vgl. auch zu Apg 4,12 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 152). Der christliche Absolutheitsanspruch ist damit am Platze und wird von Pannenberg gegen den religionstheologischen Pluralismus verteidigt: „Jesus erhob nun einmal den Anspruch, daß sich an der Stellung zu ihm und zu seiner Botschaft das Urteil Gottes im Jüngsten Gericht über jeden einzelnen Menschen entscheide.“ (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 152: Pannenberg bezieht sich auf Lk 12,8; Joh 12,48 u. Mt 25,31ff). Pannenberg ist sich freilich bewusst, dass mit dem Vertreten eines Wahrheitsanspruchs freilich noch nicht die Wahrheit des Beanspruchten feststeht. Sie ist offen und strittig (vgl. W. Pannenberg, „Fundamentaltheologie“ als anthropologische Grundlegung einer Theologie der Religion und der Religionen?, 200).

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3.4.2.6.4 Mutmaßlich aussagetheoretische Wahrheit In Pannenbergs Werk finden sich auch Verwendungsweisen der Vokabel ‚Wahrheit‘, die wenigstens einigermaßen klar dem aussagetheoretischen Begriff von Wahrheit zugeordnet werden können. Das demonstriert die folgende Auswahl an Beispielen: Zu den Exempeln der aussagetheoretischen (Korrespondenz-)Wahrheit können diverse materiale Einzelwahrheiten gezählt werden wie zum Beispiel eine ‚wissenschaftliche Wahrheit‘870 oder Pannenbergs These, „die augustinische Auffassung des Geistes als der Liebe, die Vater und Sohn verbindet, [enthalte] eine tiefere Wahrheit [kursiv: T. L.]“871. Pointiert Formuliertes wie die ‚Seiten der Wahrheit‘ können auch nur irgendwie semantisch-ontologisch gemeint sein872 wie nicht anders die Wendung In-die-Wahrheit-bringen verstanden sein will873. Die Eruierung des hinter der Vokabel ‚Wahrheit‘ sich verbergenden formalen Wahrheitsbegriffs kann sich zuweilen schwieriger gestalten. Pannenbergs Bezeichnung eines „geschichtliche[n] Erbe[s] […] als Wahrheit [kursiv: T. L.]“ irritiert zunächst genauso wie seine Forderung, durch Verwandlung dieses Erbe „als Wahrheit für eine veränderte Zeit [zu] bewahren.“874 Denkt man dieses Erbe als strukturell sprachliches, lässt sich auch dieses Anwendungsbeispiel wenigs870 Vgl. W. Pannenberg, Einheit der Kirche und Einheit der Menschheit, 17. Siehe auch W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 331. 871 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 343. 872 So bei den „Seiten der Wahrheit“, die von großen Kirchengemeinschaften verkündet würden vgl. W. Pannenberg, Theologie und Reich Gottes, 48. 873 So formuliert Pannenberg: „Wenn so das treffende menschliche Wort, indem es die „Bedeutung“ der Dinge und Ereignisse richtig nennt, sie also in ihre Wahrheit bringt, als inspiriert gelten kann, dann kommt in solchem menschlichen Wort Gott als Ursprung der Wirklichkeit im ganzen zu Worte. Das menschliche Wort gehört dann, sofern es treffend und wahr [kursiv: T. L.] ist, nicht mehr nur dem Menschen, sondern ist Wort Gottes.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 278). Zum Gedanken eines ‚In-die-WahrheitBringens‘ vgl. auch W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 136 (sowie ähnlich auch schon a. a. O., 135.) Doch diese Formel gebraucht Pannenberg alles andere als eindeutig: So meint Pannenberg an anderer Stelle, „die Botschaft Jesu [sei] von dem in der Zukunft seines Reiches kommenden Gott nicht etwa der Gegensatz zu aller menschlichen Religion, sondern – ihre eigene Wahrheit einmal unterstellt – die in ihre Wahrheit gebrachte Religion des Menschen [kursiv: T. L.].“ (W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 135). Doch was soll dieser Satz bedeuten? Inwiefern soll die Botschaft Jesu als „die in ihre Wahrheit gebrachte Religion“ (ebd.) gelten können? Oder will Pannenberg sagen, dass die (korrespondenztheoretische?) Wahrheit der christlichen Religion die „in ihre Wahrheit gebrachte Religion“ ist, wodurch sich die Frage erhebt, was dann die Wendung ‚Indie-Wahrheit-bringen‘ anderes genau heißen soll. In diesem Aufsatz heißt es u. a. auch, dass „die spezifische Weise der Gottesgemeinschaft Jesu als Modifikation und möglicherweise als ein In-die-Wahrheit-Bringen des Menschseins überhaupt zugänglich [werde] hinsichtlich desjenigen Themas, das in der Geschichte der Religionen ausdrücklich wird, also hinsichtlich der Gottesbeziehung des Menschen [kursiv: T. L.].“ (a. a. O., 136). Hier wird also die Formel erneut anders verstanden! 874 W. Pannenberg, Reformation zwischen gestern und morgen, 30.

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tens im Horizont semantisch-ontologischer Wahrheit verstehen. Wenn etwa gesagt wird, dass die „Zurückführung der Möglichkeit des Übels […] auf die mit der Geschöpflichkeit verbundenen Bedingungen des Daseins […] etwas Wahres [kursiv: T. L.]“875 enthalte, dürfte intuitiv relativ klar sein, dass diese Rede vom ‚Wahren‘ auch im Dienste einer sprachlichen Bezugnahme auf die ontologische Ebene steht. Wenn Pannenberg die Behauptung aufstellt, man könne nicht das Gottesverhältnis Jesu als Beispiel (Illustration) einer auch unter Absehung von ihm zu erfassenden solchen, allgemeinen anthropologischen Wahrheit sehen876, so lässt sich der hier vorausgesetzte Wahrheitsbegriff ebenso am ehesten aussagetheoretisch interpretieren. Dieser Wahrheitsbegriff dürfte sich m. E. auch hinter seinen Erwägungen zu „allgemeinen, auch sonst zugänglichen Wahrheiten religiöser oder anderer Art“877 verbergen. Die von Pannenberg an einer Stelle als „die Wahrheit des Endlichen“878 bezeichnete Wahrheit stellt sich als ein Anspruch auf eine einzelne, materiale Wahrheit über das Endliche dar im geläufigen korrespondenztheoretischen Sinn. Es handelt sich ihm zufolge um „die Wahrheit nämlich, daß das Endliche nicht in sich selber gründet, sondern aus dem Unendlichen und Ganzen „herausgeschnitten“ ist.“879 Solche semantisch-ontologische Relationalität wird aber auch in solchen Fällen von Pannenberg beansprucht, wo nicht das Übereinstimmungsverhältnis oder die Relation in irgendeiner Weise als Wahrheit verstanden zu werden scheint, sondern irritierenderweise ein Nomen (das klassisch das Subjektkorrelat innerhalb eines Satzes mit Wahrheitsanspruch wäre) als Wahrheit fungiert. Das ist der Fall, wenn Pannenberg irritierenderweise etwa Gedanken selbst als eine Wahrheit ausgibt880 oder beispielsweise „die eigne, christliche Botschaft als die diesen Religionsformen überlegene religiöse Wahrheit [kursiv: T. L.]“ bezeichnet881. Pannenbergs Bemerkung „über die Wahrheit der apokalyptischen Erwartung eines zukünftigen Gerichtes und einer Auferstehung der Toten [kursiv: T. L.]“882 ist im Unter875 876 877 878 879

W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 199. Vgl. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 259. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 81. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 155. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 155 (dort im Anschluss an Schleiermacher u. Descartes‘ Argumentation in der III. Meditation). 880 Vgl. dazu folgenden Beleg: „Die Gedanken der Mysterien können heute nicht mehr, wie zur Zeit des Paulus, als allgemein einleuchtende Wahrheit vorausgesetzt werden.“ (W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 269). 881 So W. Pannenberg in seinem Diskussionsbeitrag, in: W. Oelmüller (Hg.), Wahrheitsansprüche der Religionen heute, 303. Diese Formulierung entstammt einer Replik auf Waldenfels, in der er darlegt, die christliche Apologetik habe diese christliche Botschaft als Wahrheit anderen Religionsformen überlegen darzutun versucht. 882 W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 79. Vgl. auch folgende, ebenso zu deutenden Bemerkungen: „Mit solchen Erwägungen ist die Frage nach der Wahrheit der apokalyptischen Erwartung [kursiv: T. L.] natürlich noch in keiner Weise entschieden. […] Ob die

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schied dazu leicht der aussagetheoretischen Wahrheit zuzuordnen. Die hierin intendierte semantisch-ontologische Relationalität tritt in einer späteren Formulierung noch deutlicher hervor, und zwar in der Formulierung der Frage, ob die „urchristliche Enderwartung sich noch ‚übernehmen‘ läßt, ob sie noch als wahr festgehalten werden kann oder als zeitbedingt und vom Gang der Geschichte überholte Anschauung verabschiedet werden muß.“883 Die von Pannenberg andernorts erörterte Frage „nach der Wahrheit des religiösen Bewußtseins hinsichtlich seines Gegenstandes“ als der Wirklichkeit Gottes mag als abschließendes Beispiel für jene den aussagetheoretischen Wahrheitsbegriff kennzeichnende semantisch-ontologische Relationalität884 genommen werden und den Eindruck verfestigen, dass das mit ‚Wahrheit‘ assoziierte Phänomen in der Theologie Pannenbergs sehr häufig ein semantisch-ontologisches Phänomen ist.

3.4.2.7 Zwischenfazit Mit der im Ganzen geradezu überbordenden Präsenz des aussagetheoretischen Wahrheitsbegriffs ist gezeigt, dass Pannenberg über weite Strecken in gewohnten Bahnen denkt. Neben explizit aussagetheoretischer Wahrheit „gesellen“ sich in apokalyptische Erwartung einer Auferstehung der Toten heute noch in irgendeiner Hinsicht als verbindliche Wahrheit gelten kann oder nicht, das dürfte sich an ihrem Verhältnis zu dem Verständnis des Menschen […] entscheiden.“ (ebd.) Vgl. auch den Hinweis auf die Erwartung der Auferstehung „als traditionell gegebene oder als anthropologisch, philosophisch zu begründende Wahrheit“ (a. a. O., 77) Vgl. auch schon folgendes Zitat: „Lassen wir die apokalyptische Erwartung des Weltendes mit allgemeiner Totenauferweckung, sei es zum Heil oder zum Gericht, zunächst einmal als Wahrheit [kursiv: T. L.] gelten“. (W. Pannenberg, Dogmatische Thesen zur Lehre von der Offenbarung, 104) Siehe auch seine Kommentierung der „Frage nach der Wahrheit der apokalyptischen Erwartung einer künftigen Auferstehung [kursiv: T. L.] des ganzen, ungeteilten Menschen in einem allen Menschen gemeinsam bevorstehenden Endgeschehen.“ (W. Pannenberg, Dogmatische Thesen zur Lehre von der Offenbarung, 109) An anderer Stelle lesen wir: „Obwohl so die spezifisch christliche Auferstehungshoffnung von der Gemeinschaft mit dem Gekreuzigten und Auferstandenen her begründet ist, setzt sie doch die Wahrheit der Erwartung einer Totenauferstehung [kursiv: T. L.] überhaupt mit der jüdischen Überlieferung voraus.“ (W. Pannenberg, Das Glaubensbekenntnis, 111). 883 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 271. Mit dieser, einen strukturell aussagetheoretischen Wahrheitsanspruch enthaltenen Frage, ist Pannenberg – wie er a. a. O. in Anm. 159 anmerkt – ursprünglich von I. Berten konfrontiert worden. Mit Pannenbergs Anmerkung, es handele sich hierbei um die entscheidende Frage nach der Wahrheit des biblischen Wahrheitszeugnisses, bestätigt sich, dass die Aussagenwahrheit mit der für sie charakteristischen semantisch-ontologischen Relationalität auch für sein Wahrheitsverständnis maßgeblich bedeutend ist. 884 W. Pannenberg, Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie in Deutschland, 312ff. Siehe dort ausführlicher im Zusammenhang seiner kritischen Auseinandersetzung mit O. Pfleiderer und R.A. Lipsius.

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seinem Werk viele Verwendungsweisen, in denen der Sprachmodus der Aussage auch dafür verwendet wird, einzelne von diesem Sprachmodus her zu verstehenden Wahrheitsträger auf Wahrheit selbst als eine ontologische oder ontotheologische Größe zu beziehen. Das ist oben bereits deutlich geworden. Pannenberg vermengt wiederholt irritierenderweise zwei Wahrheitsbegriffe, wie nicht zuletzt aus seinen Ausführungen zum Religionenpluralismus hervorgeht. Während Pannenberg den Konflikt der Religionen m. E. zurecht wesentlich als Konflikt um verschiedene, aussagetheoretisch zu interpretierende Wahrheitsansprüche interpretiert, behauptet Pannenberg an manchen Stellen auch einen Konflikt hinsichtlich der ‚Wahrheit Gottes‘885, die jedoch – wenigstens nicht unmittelbar – als aussagetheoretische Wahrheit zu interpretieren ist, sondern, indem sie auf den Gedanken der Göttlichkeit der Wahrheit bezogen ist, strukturell eine onto-theologische Wahrheit darstellt, an der Pannenberg ein besonderes Interesse zeigt. Konflikte dürften jedoch nur materiale Wahrheitsansprüche betreffen, die sinnvoll und zumindest zunächst vom aussagetheoretischen Wahrheitsbegriff her zu verstehen sind und von daher nicht die ‚Wahrheit Gottes‘ betreffen, bzw. damit zu tun haben, was diese Formel semantisch indizieren kann. Pannenberg pendelt zwischen onto(-theo-)logischer und semantisch-ontologischer Wahrheit. Ob die aussagetheoretische Wahrheit innerhalb der Wahrheitskonzeption Pannenbergs als solche auch entsprechend gewürdigt wird, wird an anderer Stelle noch zu klären sein. Bereits hier scheinen mir erhebliche Zweifel angebracht. Denn: Kann Pannenberg bei dem geradezu inflationären Gebrauch korrespondentistischer Wahrheit innerhalb seines Werkes gut begründet und vor allem auf überzeugende Weise diese für seine Theologie offenkundig sehr bedeutsame aussagetheoretische Wahrheit bedenkenlos abwerten gegenüber ontologischer und onto-theologischer Wahrheit? Bevor diese Frage weiter verfolgt wird, wendet sich diese Studie der Konsensusthematik in ihrer Bedeutung für Pannenbergs Wahrheitskonzeption zu.

3.4.3 Konsensus und die Konsensustheorie der Wahrheit Der Konsensusaspekt nimmt eine nicht unerhebliche Bedeutung innerhalb des Pannenbergs’schen Wahrheitsverständnisses ein, wenngleich auch sein Stellenwert sowie derjenige der Konsensustheorie innerhalb seiner Wahrheitskonzep885 So heißt es etwa auch in W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 31, wo es doch eigentlich thematisch um aussagetheoretische Wahrheit – um „Konflikte mit anderen Wahrheitsansprüchen“, wie Pannenberg an anderer Stelle selbst sagt (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 41), – der Sache nach gehen dürfte.

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tion teils unterschiedlich bewertet wird. Keinesfalls ist es jedoch so, dass das Element des Konsensus in seinem Wahrheitsbegriff etwa vernachlässigt werde, wie J. Track behauptet hat886. Pannenbergs Erörterungen der Rolle des Konsensusaspektes im Zusammenhang der Wahrheitsthematik sind – so viel sei vorweggenommen – kritisch-konstruktiv. Sie erfolgen in concreto einmal über die Auseinandersetzung mit der Konsensus- und Diskurstheorie von J. Habermas (in ihrer frühen Fassung), gewinnen aber auch im Rahmen von Reflexionen über den alten und traditionellen, theologiegeschichtlich wie konfessionsübergreifend äußerst wirkmächtigen Gedanken eines (inneren) Nexus von Wahrheitsthematik und Konsensusgedanken an Tiefe887. 886 Vgl. J. Track, Die Begründung theologischer Aussagen, 114: Tracks Urteil: „In der Konzeption Pannenbergs wird aber von einem Wahrheitsverständnis ausgegangen, das das Element des Konsensus im Wahrheitsbegriff vernachlässigt.“ Track meint, Pannenberg berühre nur „die Fragen des Konsensus und der je konkreten Sinnfindung und Sinnsetzung“, sodass „eine weitergehende Reflexion der Erfahrungsthematik“ ausfalle (vgl. a. a. O., 128). Pannenberg hat in seiner „Wi s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d T h e o l o g i e “, worauf Track hier als Quelle rekurriert, wenig über den (formalen) Begriff der Wahrheit gesagt, wohl aber ausdrücklich sich um eine Rezeption des konsensustheoretischen Anliegens bemüht. Später, in seiner „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ wurde der Konsensus – und zwar neben dem Moment der Kohärenz und der Korrespondenz – wiederholt ausdrücklich in den (formalen) Wahrheitsbegriff einbezogen und schließlich mit dem Gottesgedanken verbunden (s. u.). Tracks Bemerkungen zur Erfahrungs- und Sinnthematik sind völlig unzutreffend. Beide Themenfelder sind von fundamentaler Bedeutung – man vergleiche nur Pannenbergs vorläufiges Verifikations- bzw. Bewährungsverfahren, das mit dem Kriterium der [Welt-]erfahrung operiert sowie seine Hermeneutik (mit dem Gedanken der Sinntotalität, dem kontextuelle Sinnbegriff uvm.) und schließlich die hinter all seinem Denken liegende fundamentale Prämisse der „Sinnhaftigkeit des menschlichen Daseins“, die von Pannenberg durchweg als ‚selbstverständlich‘ in Anspruch genommen wird, da sie ihm „Voraussetzung allen Argumentierens“ ist (so Pannenberg beispielsweise schon in seinem Brief an W. Weischedel vom 8. Juni 67 in: J. Salaquarda, Philosophische Theologie im Schatten des Nihilismus, 179). Zur kritischen Auseinandersetzung mit der Sinnprämisse (inkl. dem Briefwechsel) vgl. schon exempl. W. Weischedel, Von der Fragwürdigkeit einer Philosophischen Theologie, 166–181. Track weiß um die Pannenberg’sche These von der Antizipierbarkeit der Sinntotalität, meint jedoch, dass „jeweils in der Situation konkret zwischen wahr und falsch sinnsetzend entschieden werden“ müsse (vgl. a. a. O., 128). Für Pannenberg ist dieses Postulat erst eschatologisch, also nicht ex ante einlösbar; hinzu kommt, dass Sinn nach Pannenbergs fester Überzeugung nicht menschlicherseits erst erzeugt wird, sondern den Dingen inhärent ist, darum auch eruriert werden muss. 887 Siehe dazu exempl. die Bemerkung von A. Kreiner (Ende der Wahrheit?, 191) im Anschluss an J.-L. Leuba: „Das Verhältnis von Konsens und Wahrheit stellt „eines der Zentralthemen der christlichen Theologie“ dar“. Siehe dort auch weitere Lit. zum Thema, sowie im Besonderen dazu auch P. Højen, Wahrheit und Konsensus. Es findet sich der sog. consensus omnium schon bei Plato, Aristoteles und Cicero (Zur Übereinstimmung aller bzw. aller Vernünftigten siehe bei Plato, Gorgias, 487e, bei Aristoteles, Topik, A1. 100b, 21–22; bei Cicero findet sich der Gedanke konsensueller Übereinstimmung zur Begründung des allgemeinen Glaubens an Gott [De divinatione, I 1; Tusculanae disputationes, I 36]). Siehe dazu auch Chr. Schwöbel, Art. Konsens I. Fundamentaltheologisch, 1610. Die Konsensusidee hat sowohl in der reformatorischen Theologie als auch innerhalb der römisch-katholischen

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Zunächst soll ein kurzer Blick auf die Konsensustheorien der Wahrheit die Wahrnehmung schärfen für Pannenbergs Beanspruchung des Konsensus als veritativ relevante Größe. 3.4.3.1 Konsensustheorien der Wahrheit im Allgemeinen Bei den Konsensustheorien der Wahrheit handelt es sich um einen wahrheitstheoretischen Typus, der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts starke Verbreitung gefunden hat und besonders in den 1970er Jahren eine Hochkonjunktur erlebt hat, was nicht zuletzt mit der prominenten und bis heute wirkmächtigen Konsensustheorie von J. Habermas zusammenhängen dürfte888. Auch in der Theologie hat das Moment des Konsensus (nicht immer in Gestalt geläufiger

Lehre größere Bedeutung erlangt. (Einen Überblick über die Konsensus-Idee in der Kirchenund Theologiegeschichte bietet G. Sauter, der in Bezug auf die Reformation im Besonderen von einem ‚Consensus-Phänomen‘ spricht. Vgl. G. Sauter, Was ist Wahrheit in der Theologie?, 57–82.) Auf reformatorischer Seite hat der Konsensusbegriff den Rang eines terminus technicus erlangt – bekundet sich der Konsensusgedanke doch in sämtlichen Einigungs- und Bekenntnisschriften – man denke bereits nur an die confessio Augustana und an den dort festgehaltenen „magnus consensus“ (CA 1) sowie das Prinzip des „consentire de doctrina evangelii“ (CA 7), das den Konsens an die Schrift bindet; daneben sind im Besonderen erwähnenswert die Konkordienformel von 1577, der Consensus Tigurinus (1549) und die Leuenberger Konkordie (1973). Siehe dazu G. Sauter, Art. Consensus, 185f und Chr. Schwöbel, Art. Konsens I. Fundamentaltheologisch, 1610f. Auf römisch-katholischer Seite ist der sich schon in der Alten Kirche etablierende consensus patrum als Indiz für Wahrheit von Bedeutung (vgl. Chr. Schwöbel, Art. Konsens I. Fundamentaltheologisch, 1610). Auf dem Konzil von Trient wurde er für die Schriftauslegung zur Norm erhoben (DH 1507) (vgl. ebd.). Später auf dem zweiten Vatikanischen Konzil wurde festgestellt, dass der consensus patrum gemeinsam mit dem consensus theologorum und dem consensus fidelium zusammengenommen einen ‚übereinstimmenden Glaubenssinn‘ (=supernaturalis sensus fidei) zum Ausdruck brächten, sodass „die Gesamtheit der Gläubigen nicht irren“ könne. Vgl. hierzu Chr. Schwöbel, Art. Konsens I. Fundamentaltheologisch, 1610. Ferner sind päpstliche Lehrdefinitionen, deren Gültigkeit als ex sese deklariert worden sind, mit dem Konsensus in Verbindung gebracht worden (DH 3074). Der Konsensus hat freilich auch im Rahmen der Ökumene an Bedeutung gewinnen können (Siehe dazu A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 191: dort Verweis auf G. Sauter, Art. Consensus, 186f). Dies kann etwa in der Weise sein, dass der Konsensus gemeinsame Wahrheitserkenntnis zum Ausdruck bringt. So urteilt Chr. Schwöbel, der im Sinne der Leuenberger Konkordie meint, es könne in der ökumenischen Verständigung darum gehen, „wie die Offenbarung Gottes K[onsensus] als Zeugnis einer gemeinsam erkannten Wahrheit schafft.“ (Chr. Schwöbel, Art. Konsens I. Fundamentaltheologisch, 1611). 888 Ähnlich die Einschätzung von L.B. Puntel (Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie), der in der ersten Auflage von 1978 die seinerzeit starke Verbreitung dieser Theorie der Wahrheit feststellt. Auch E.M. Pausch stellte eine Hochkonjunktur dieser Wahrheitstheorie in den 1970er Jahren fest (Siehe E.M. Pausch, Wahrheit zwischen Erschlossenheit und Verantwortung, 81).

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Konsensustheorien der Wahrheit) zumeist positive Beachtung und Wertschätzung erfahren889. Wahrheits- bzw. Geltungsansprüche, wie sie mit als ‚wahr‘ behaupteten Aussagen stets verbunden sind, werden im Rahmen dieser Theorien über die Ebene des Dialoges oder des Diskurses einzulösen versucht. Im Allgemeinen kann gesagt werden, „daß die Konsensustheorien der Wahrheit den Anspruch erheben, die Geltung einer als wahr behaupteten Aussage und damit die Wahrheit einer Aussage durch einen Argumentationsgang einzulösen, in dem alle Gesprächsteilnehmer hinsichtlich der Gründe konsentieren, und zwar nicht zufällig, sondern notwendig in einem potentiell universellen Konsens.“890

Aussagen gelten demzufolge dann als wahr, wenn in Bezug auf sie ein (universeller) Konsensus erzielt werden kann. Soweit die Theorie im Allgemeinen. Was Wahrheit als Konsensus in einem präzisen Sinn bedeutet und ob im Konsensus das Kriterium für Wahrheit oder dagegen das Definiens von Wahrheit zu sehen ist, wird in den verschiedenen Theorie-Entwürfen nicht immer geklärt oder unterschiedlich beantwortet891. Für den Fall, dass sie sich als Alternative zur Korrespondenztheorie der Wahrheit sehen bzw. von Relationen auf die ontologische Ebene absehen, können Konsensustheorien der Wahrheit wie auch die definitorischen Kohärenztheorien der Wahrheit zur Gruppe der subjektimmanenten Theorien der Wahrheit gezählt werden892. Aufgrund der Idee konsensueller Übereinstimmung kann man in der Konsensustheorie auch eine besondere Form der (subjektimmanenten) Kohärenztheorie der Wahrheit erkennen893. Für den anderen, auch denkbaren Fall, dass eine bestimmte Konzeption einer Konsensustheorie die subjektimmanente Ebene durchbricht und auf das Ontologische referiert, stellt sich unweigerlich die Frage, wie das Verhältnis einer solchen Konzeption einer Konsensustheorie zur Korrespondenztheorie der Wahrheit aussieht oder ggf. auch bestimmt wird. 889 Innerhalb der protestantischen Theologie gibt es nicht sehr viele Konsensustheoretiker (s. dazu die Beobachtung von E.M. Pausch, Wahrheit zwischen Erschlossenheit und Verantwortung, 78). Der katholische Theologe P. Scharr (Consensus fidelium. Zur Unfehlbarkeit der Kirche aus der Perspektive einer Konsenstheorie der Wahrheit) hat für eine Konsensustheorie der Wahrheit votiert, weil sie das Wahrheitsverständnis des II. Vatikanums sei. 890 K. Gloy, Wahrheitstheorien, 195. 891 Siehe dazu L.B. Puntel (Der Wahrheitsbegriff in Philosophie und Theologie, 21 Anm. 7): Puntel verweist dort auf „die Diskussionen über die Konsensustheorie der Wahrheit in der Zeitschrift Ethik und Sozialwissenschaften 1, 1990, Heft 3, 343–399. 892 So etwa bei K. Gloy, Wahrheitstheorien, 67ff zur Kategorisierung sowie zur Konsensustheorie der Wahrheit und prominenten Konzeptionen s. a. a. O., 193–222. 893 So etwa auch K. Gloy, Wahrheitstheorien, 192. Während die Vertreter der Kohärenztheorie jedoch um aussagenlogische Übereinstimmung bemüht sind, ist die Konsensustheorie aussagenpragmatisch ausgerichtet.

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3.4.3.2 Skizze der (frühen) Konsensustheorie der Wahrheit von J. Habermas Weil Pannenberg Notiz genommen hat von der frühen Fassung einer Konsensustheorie durch J. Habermas, ist es erforderlich, sich in einem ersten Schritt den matrialen Gehalt dieser spezifischen Theorie zu erschließen, um dann in einem weiteren Schritt Pannenbergs Auseinandersetzung mit Habermas detailgetreu nachverfolgen und nachvollziehen zu können. Gegenstand der Auseinandersetzung mit der Habermasschen Konsensustheorie bildet für Pannenberg nicht der 1973 unter dem Titel „Wa h r h e i t s t h e o r i e n “ publizierten systematischen Theorieentwurf, sondern (insbesondere) zwei diesem Aufsatz vorausgehende Beiträge, in denen Habermas eine erste Skizze seiner Konsensustheorie vorgelegt hatte894. Darum bleibt die folgende Darstellung (zunächst) auf diese Textgrundlage bezogen: Habermas hält darin die Konsensustheorie für die einzig heute noch akzeptable Wahrheitstheorie; er versteht sie als Alternative zu den an der Wirklichkeit orientierten ontologischen Theorien, die er schwerwiegenden Einwänden ausgesetzt sieht. Habermas hat gegen eine spezielle ontologische Theorie – die Korrespondenztheorie – das Argument vorgebracht, dass die von ihr gegebene Auskunft einer Korrespondenz zwischen Aussage und Wirklichkeit seiner Meinung nach „unbefriedigend [bleibe], weil die Korrespondenz zwischen Aussagen 894 Da die „Wi s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d T h e o l o g i e “, in der Pannenberg erstmals auf Habermas’ Theorie eingeht, im gleichen Jahr publiziert worden ist, konnte er freilich den o.g. neueren Beitrag (kaum) berücksichtigen. Pannenberg setzte sich mit den folgenden zwei Aufsätzen von J. Habermas auseinander: „Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz“ und „Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie? Eine Auseinandersetzung mit Niklas Luhmann“. Beide Beiträge sind veröffentlicht in: Habermas, J./ N. Luhmann, Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie – Was leistet die Systemforschung?, Frankfurt 1971, 101–141 sowie 142–290. Im Übrigen hat Habermas bereits 1970 in seinem Aufsatz „Der Universalitätsanspruch der Hermeneutik“– im Anschluss an K.-O. Apel – knappe Bemerkungen zum Konnex von Wahrheit und Konsensus zusammengetragen. Siehe dazu J. Habermas, Der Universalitätsanspruch der Hermeneutik, 73–103, insbes. 99ff. Zum fragmentarischen, eher andeutungshaften Charakter der Konsensustheorie in den o.g. ersten zwei Aufsätzen s. auch L.B. Puntel, Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie, 145. Auch diese nachfolgend genannten Beiträge von Habermas hat Pannenberg zur Kenntnis genommen: J. Habermas, Hermeneutik und Ideologiekritik (1971) sowie auch schon J. Habermas, Erkenntnis und Interesse (1965). Vgl. dazu W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 95 Anm. 190. Leider unberücksichtig bleibt der gewichtige(re) (Referenz-)Aufsatz für den Habermas’schen Theorieentwurf: J. Habermas, Wahrheitstheorien, 211–265. Die Veröffentlichung fällt mit dem Erscheinungsjahr von Pannenbergs „ Wi s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d T h e o l o g i e “ zusammen, sodass Pannenberg sich darin noch nicht diesem Aufsatz auseinandersetzen konnte. Aber auch als 1988 Pannenbergs erster Band seiner „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ erschienen ist, hat Pannenberg für die Auseinandersetzung mit J. Habermas dessen neuerem, ausführlicherem und differenzierterem Beitrag keine Beachtung geschenkt. Zu Habermas’ Konsensustheorie siehe L.B. Puntel, Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie, 144–164, K. Gloy, Wahrheitstheorien, 203–222 sowie A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 166–198.

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und Wirklichkeit wiederum in Aussagen expliziert werden muß.895“ Daraus leitet er ab: „Dem Terminus ‚Wirklichkeit‘ können wir am Ende keinen anderen Sinn beimessen als den, den wir in wahren Aussagen über existierende Sachverhalte implizieren. Wir können den Begriff ‚Realität‘ nicht unabhängig vom Terminus ‚wahre Aussage‘ einführen.“896 Nach Habermas stellt es sich als unmöglich dar, versuchen zu wollen, auf eine unabhängige Realität rekurrieren zu wollen: A. Beckermann hat Habermas’ Argumentationsgang prägnant wiedergegeben: „Soweit ich sehen kann, ist der Kern dieses nicht ohne weiteres sehr klaren Arguments die folgende Überlegung: realistische Wahrheitstheorien definieren Wahrheit als Relation zwischen Realität und Aussage, aber sie sind nicht in der Lage, hinreichend zu explizieren, was mit dem ersten Relationsglied „Realität“ gemeint sein soll, da es nicht möglich ist, ohne Rekurs auf die Wahrheit von Aussagen zu klären, was mit „der Fall sein“ oder „x ist der Fall“ gemeint ist. Zur Definition von Wahrheit kann der Begriff „Realität“ daher nicht verwendet werden, weil Realität – mangels anderer Alternativen – selbst nur als Korrelat aller wahren Aussagen definiert werden kann. Auf eine Formel gebracht: ob etwas der Fall ist, ist davon abhängig, ob die Behauptung, daß es der Fall ist, wahr ist, und nicht umgekehrt. Bei der Definition von Wahrheit kann daher nicht auf eine unabhängige Realität [kursiv: T. L.] rekurriert werden.“897

Die Konsensustheorie sieht er grundsätzlich im Vorteil. Im Zuge seiner Profilierung einer Konsensustheorie hat Habermas hervorgehoben, dass er im Unterschied zu seinem Gesprächspartner Niklas Luhmann, dessen Wahrheitsverständnis er für subjektivistisch hält898, für seine Theorie dagegen den Anspruch erhebt, dem Problem des Subjektivismus entgehen zu wollen. Er propagiert eine auf universale Gültigkeit und Normativität abzielende Wahrheitstheorie899, für welche der Konsensus der Urteilenden als ein originär soziologischer Gesichtspunkt zentral ist900 und als Wahrheitskriterium fungiert. Als entscheidende Be-

895 Vgl. J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, in: Habermas, J. / N. Luhmann, Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie – Was leistet die Systemforschung?, 123f. 896 J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 124. 897 A. Beckermann, Die realistischen Voraussetzungen der Konsenstheorie von J. Habermas, 64. 898 Habermas erkennt bei Luhmann einen „auf Gewißheit reduzierte [n] Wahrheitsbegriff“, der zudem als „hoffnungslos subjektivistisch“ abqualifiziert wird. Siehe dazu J. Habermas, Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie? Eine Auseinandersetzung mit Niklas Luhmann, 221ff (zit. 224). 899 Zu diesem Anspruch auf Normativität und Universalität vgl. exemplarisch ausführlicher J. Habermas, Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie? Eine Auseinandersetzung mit Niklas Luhmann, 222ff.: „Freilich hält die Konsensustheorie der Wahrheit den normativen Anspruch auf universale Geltung wahrer Sätze fest“ (J. Habermas, Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie? Eine Auseinandersetzung mit Niklas Luhmann, 222). Dies soll möglich werden durch die Bindung des Konsenses an vernünftige Menschen (s. u.). 900 Auf die mit dem Konsensus-Begriff verbundenene Behandlung des Wahrheitsbegriffs aus

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dingung zur Überwindung des Subjektivismus (s. o.) gelte, zwischen einem wahrem und falschem (‚trügerischem‘) Konsens unterscheiden zu können. Denn wäre dies nicht möglich, könnte jeder faktische Konsens mit der Wahrheit in Verbindung gebracht werden. „Nicht jeder faktisch erzielte oder zu erzielende Konsensus kann ein zureichendes Kriterium für die Wahrheit von Sätzen sein. Sonst könnten wir einen falschen von einem wahren Konsensus, oder Meinungen mit naivem Geltungsanspruch von Wissen, nicht mehr unterscheiden.“901

Welcher Konsens kommt aber als wahrer Konsens in Frage? Und wann sind Aussagen, hinsichtlich derer Konsens besteht, tatsächlich wahr? Nach Habermas’ (früher) Konsensustheorie bleibt die Wahrheit von Aussagen von einem ‚imaginären Konsens‘ (Beckermann) abhängig, insofern für Habermas die Bezugnahme auf das Urteil aller anderen Menschen für den Habermas’schen Konsensusgedanken konstitutiv ist. So gilt: „Die Bedingung für die Wahrheit von Aussagen ist die potentielle Zustimmung aller anderen.“902 Alle meint „alle die Gesprächspartner […], die ich finden könnte, wenn meine Lebensgeschichte mit der Geschichte der Menschenwelt koextensiv wäre“903. Die alledem zugrunde liegende Überlegung ist die, dass alle Anderen zu gleichen Überzeugungen hinsichtlich zu erkennender Gegenstände gelangten und auch tatsächlich ihre Zustimmung zeigten: „Jeder andere müßte sich überzeugen können, daß ich dem Gegenstand das Prädikat p berechtigterweise zuspreche, und müßte mir dann zustimmen können.“904 Ziel des ganzen Unternehmens ist, zu einem Konsens zu gelangen, der als ein begründeter Konsens bestimmte in Form von Deutungen, Behauptungen und auch Erklärungen artikulierten Geltungsansprüche bestätigen würde einschließlich der Erwartung, „daß es sich in Wirklichkeit so und genauso verhält, wie wir aufgrund des propositionalen Gehaltes eines wahren Satzes annehmen.“905 Zur Beurteilung der Frage nach der Wahrheit von Aussagen fungiert der Konsens zwischen Gesprächspartnern also als Wahrheitskriterium. Allerdings

901 902 903 904 905

soziologischer Perspektive bei J. Habermas hat Pannenberg hingewiesen (vgl. W. Pannenberg, Theologie und Philosophie, 17). J. Habermas, Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie? Eine Auseinandersetzung mit Niklas Luhmann, 223. J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, in: Habermas, J. / N. Luhmann, Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie – Was leistet die Systemforschung?, 124. J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 124. J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 124. J. Habermas, Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie? Eine Auseinandersetzung mit Niklas Luhmann, 223f.

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kommt hier nicht jeder beliebige Konsens in Frage. Vielmehr stellt Habermas bestimmte Bedingungen auf, die die Teilnehmer des Diskurses betreffen und die ‚Zurechnungsfähigkeit‘ der urteilenden Subjekte einfordern906, was Habermas vor allem unter dem Überbegriff der ‚Kompetenz‘ zusammenhält. Was unter Kompetenz zu verstehen ist, reflektiert Habermas zunächst für den Kontext theoretisch-empirischer Diskurse, also für jene Diskurse, die es mit empirischen Behauptungen zu tun haben. Als kompetent gelten Beurteiler, die ‚vernünftig‘ sind, und das sind diejenigen, die sich sog. „nicht-konventionelle[r] Wege“ bedienen, um empirische Behauptungen zu überprüfen, indem sie sich konkret der Methoden der Beobachtung und der Befragung bedienen (können) und darum auch als sachverständige Beurteiler gelten907: Während die Beobachtung dazu dient, empirische Behauptungen zu überprüfen, die ausschließlich Beobachtungsprädikate beinhaltet (z. B.: „Dieses Haus brennt“), führt Habermas die Befragung ein, um „intentional-sprachlich“ formulierte Behauptungen (z. B.: „England hat Deutschland im September 1939 den Krieg erklärt“) als die geeignete Methode zur Nachprüfung ein908. In der Möglichkeit der Nachprüfbarkeit sieht Habermas die Intersubjektivität gewahrt; auch ein möglicher Opponent könne sich beispielsweise von der Wahrheit bestimmter Aussagen überzeugen, etwa, dass das Haus brennt, indem er nachsieht909. Daraus schlussfolgert Habermas, dass im Zuge einer über Beobachtung und Befragung erfolgenden Überprüfung empirischer Behauptungen es nicht zu einer Kontroverse kommen wird910. Doch von wem kann gesagt werden, dass ihm die Kompetenz zu Beobachtung und Befragung auch tatsächlich zukommt? „Es genügt ja nicht, daß einer so tut, als mache er eine Beobachtung oder als führe er eine Befragung durch.“911 Zu Kompetenz subsumiert Habermas, dass einer „seiner Sinne mächtig“ und „zurechnungsfähig“ ist; er müsse „in der öffentlichen Welt seiner Sprachgemeinschaft leben“, dürfe überdies auch „kein Idiot sein, also unfähig, Sein und Schein zu unterscheiden.“912 Ob ein Beurteiler tatsächlich die Methoden der Beobach906 J. Habermas, Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie? Eine Auseinandersetzung mit Niklas Luhmann, 223. 907 J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 126ff. 908 J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 126f. 909 Vgl. J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 126. 910 Vgl. J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 126. 911 J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 129. 912 J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 129.

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tung und Befragung anwenden kann, hängt davon ab, „ob einer bei Vernunft ist“, was wiederum nur festgestellt werden könne, „wenn wir mit ihm sprechen und in Handlungszusammenhängen auf ihn rechnen.“913 Habermas stellt im Folgenden Überlegungen zu den speziell praktische Fragen betreffenden Diskursen an. Im Unterschied zu den theoretisch-empirischen Diskursen tangieren diese nach Meinung von Habermas nicht die Wahrheitsthematik, d. h. zumindest stelle sich in ihnen nicht die Frage nach der Wahrheit von Aussagen (empirischer Behauptungen), sondern sie zielten auf „gerechtfertigte Empfehlungen und Warnungen, also auf überzeugende Rechtfertigungen und nicht auf wahre Behauptungen“914. Wie ist Kompetenz in diesem Kontext zu begreifen? In praktischen Diskursen könne Kompetenz nicht mehr als Sachverstand aufgefasst werden, sodass Kompetenz sich nicht in der Beherrschung der Methoden zur Nachprüfung empirischer Behauptungen erschöpft. So unternimmt Habermas einen neuen Anlauf, über die bereits zuvor vorgenommene Identifikation von ‚vernünftig‘ mit ‚kompetent‘ jetzt genauer zu klären, was unter Vernünftigkeit zu verstehen ist915. Doch welcher Vernünftigkeit eines Sprechers bedarf es? Habermas identifiziert diese Vernünftigkeit mit der Wahrhaftigkeit der Äußerungen eines Sprechers916. Als wahrhaftig gilt, wer weder sich noch andere täuscht, wenn ein Sprecher, „die Intentionen, die er im Vollzug seiner Sprechakte zu erkennen gibt, sich oder anderen nicht bloß vortäuscht, sondern tatsächlich meint“, indem er beispielsweise ein gegebenes Versprechen hält, eine aufgestellte Behauptung auch verteidigen will oder eine Warnung in guter Absicht ausspricht, um Schlimmes zu verhindern917. Habermas versucht nun die Frage zu klären, auf welche Weise die Verlässlichkeit eines Sprechers und „damit die Wahrhaftigkeit seiner Äußerungen“ festgestellt werden kann. Habermas will hier der Frage nach der Möglichkeit der Vergewisserung der Wahrhaftigkeit von Sprechern nachgehen, „um für die Kompetenz eines Beurteilers und damit für die Tragfähigkeit eines Konsensus,

913 J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 130. 914 J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 130. 915 Vgl. J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 130. 916 Vgl. J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 131. 917 J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 131.

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den kompetente Beurteiler über die Wahrheit von Aussagen erzielen sollen, ein geeignetes Kriterium zu finden.“918 Doch genau hier erhebt sich – wie Habermas bemerkt – eine Grundaporie, wenn gelten soll, dass die Wahrhaftigkeit eines Sprechers ihrerseits aber am Wahrheitsgehalt der Aussage „S gibt, indem er einen Sprechakt y äußert, seine wahre Einstellung zu erkennen.“919 Der Zirkel hat folgende konkrete Gestalt: „Denn der Wahrhaftigkeit eines Sprechers und seiner Äußerungen wollten wir uns nur vergewissern, um für die Kompetenz eines Beurteilers und damit für die Tragfähigkeit eines Konsensus, den kompetente Beurteiler über die Wahrheit von Aussagen erzielen sollen, ein geeignetes Kriterium zu finden.“920 Und daraus folgt: „Die Frage nach der Wahrhaftigkeit von Äußerungen kann nicht [kursiv: T. L.] durch einen Rekurs auf die Wahrheit von Aussagen entschieden werden, wenn zuvor die Frage nach der Wahrheit von Aussagen zum Rekurs auf die Wahrhaftigkeit von Äußerungen genötigt hat.“921 Um dieser Problematik zu entgehen, plädiert Habermas dafür, die Frage nach der Wahrhaftigkeit von Äußerungen an der tatsächlichen Befolgung derjenigen Regeln festzumachen, „die für den Vollzug eines Sprechaktes, insbesondere für die Verpflichtung, die impliziten Ernsthaftigkeitsbedingungen gegebenenfalls zu erfüllen, konstitutiv sind“922. Kurzum: Es geht um den Versuch, die Wahrhaftigkeit von Aussagen an der „Richtigkeit von Handlungen“923 zu beantworten, d. h. darum, ob „jemand einer Regel korrekt folgt, ob er intentional von der Regel abweicht und systematische Fehler macht, oder ob sein Verhalten irregulär, also überhaupt nicht von Regeln geleitet ist“924. Konkret könnte die Richtigkeit einer Handlung daran bemessen werden, „ob sie zur Menge aller erlaubten Fälle einer zugrunde gelegten Regel gehört.“925 Doch auch hier erhebt sich für Habermas eine Grundschwierigkeit. Die kriteriologische Frage ist, wie Habermas bemerkt, nur verschoben worden. Hier erhöbe sich die Frage nach den Bedingungen, die 918 J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 132. 919 J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 132. 920 J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 132. 921 J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 132. 922 J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 132f. 923 J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 133. 924 J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 133. 925 J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 133.

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erfüllt sein müssen, um Handlungen als „regelgerecht oder richtig“ bezeichnen zu können926. „Zur Überprüfung der Regelkompetenz eines Handelnden ist mithin die Regelkompetenz eines Prüfers erforderlich. Da aber keine der beiden Seiten eine methodische Überlegenheit gegenüber der anderen […] geltend machen kann, muß die Entscheidung der Frage, ob der Proband einer Regel folgt, und die der reziproken Frage, ob der Prüfer seinerseits imstande ist, die Rolle des Probanden zu übernehmen, letzten Endes von einem Konsensus zwischen beiden Subjekten abhängig gemacht werden. In einem eingelebten Sprachspiel ergibt sich dieser Konsensus wie von selbst. Sobald dieser aber problematisiert wird, kann eine Verständigung, die eine wirkliche Verständigung ist, nur dadurch erzielt werden, daß die handelnden Subjekte aus dem Handlungszusammenhang heraustreten und einen Diskurs führen. Wir können die Richtigkeit einer Handlung nicht extern beurteilen, wir müssen uns ihrer als Teilnehmer einer Interaktion vergewissern oder, wenn der eingespielte Konsensus zerbricht, versuchen, unter den Teilnehmern selbst eine diskursive Verständigung herbeizuführen.“927 Habermas kehrt schließlich zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen zurück. Die Quintessenz seiner Überlegungen liegt nun darin, dass zur Unterscheidung zwischen wahrem und falschem Konsens kein unabhängiges Kriterium herangezogen werden kann, sodass eine solche Unterscheidung „in Zweifelsfällen durch Diskurs“ erfolgen müsse und der „Ausgang des Diskurses“ von einem zu erzielenden tragfähigen Konsens abhängig sei928. Für die Habermassche Konsensustheorie ergeben sich aus alledem elementare Konsequenzen: „Die Konsensustheorie der Wahrheit bringt zu Bewußtsein, daß über die Wahrheit von Aussagen nicht ohne Bezugnahme auf die Kompetenz möglicher Beurteiler, und über diese Kompetenz wiederum nicht ohne Bewertung der Wahrhaftigkeit ihrer Äußerungen und der Richtigkeit ihrer Handlungen entschieden werden kann.“929

Bestimmte Fähigkeiten der Diskursteilnehmer sind für eine (gelingende) Anwendung der Konsensustheorie vonnöten: „Die Idee des wahren Konsensus verlangt von den Teilnehmern eines Diskurses die Fähigkeit, zwischen Sein und Schein, Wesen und Erscheinung, Sein und Sollen zuver-

926 J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 133. 927 J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 134. 928 Vgl. J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 134. 929 J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 134.

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lässig zu unterscheiden, um kompetent [kursiv: T. L.] die Wahrheit von Aussagen, die Wahrhaftigkeit von Äußerungen und die Richtigkeit von Handlungen zu beurteilen.“930

Die Grenze, die Habermas jedoch an dieser Stelle sieht, liegt darin, dass in keiner von diesen drei Dimensionen ein Kriterium namhaft gemacht werden kann, welches eine von dem im Diskurs zu erzielenden Konsens „unabhängige Beurteilung der Kompetenz möglicher Beurteiler erlauben würde“931. Es müsse sich Habermas zufolge vielmehr „die Beurteilung der Beurteilungskompetenz ihrerseits ausweisen an einem Konsensus der Art, für dessen Bewertung Kriterien gerade gefunden werden sollten“932. Doch: „Nur eine ontologische Wahrheitstheorie könnte diesen Zirkel durchbrechen. Keine dieser Theorien hat aber bisher der Diskussion standgehalten.“933 Die obigen Darlegungen seiner Ausführungen haben gezeigt, dass sie alles andere als zielführend sind: Denn erstens kann auf diesem Wege die Frage nach der Kompetenz der Diskursteilnehmer nicht nicht-diskursiv ausgemacht werden; zweitens schließt Habermas die Inanspruchnahme ontologischer Theorien aufgrund (vermeintlicher) Schwächen aus. Trotz dieser ernüchternden Feststellungen findet Habermas schließlich eine Lösung, die es ermöglichen soll, zwischen wahrem und falschem Konsensus zu unterscheiden und dabei zugleich das Wahrheitsproblem zu lösen – nämlich die Bezugnahme auf eine sog. ‚ideale Sprechsituation‘. Habermas geht aus von dem Phänomen, dass wir Menschen in unseren Gesprächen davon ausgingen, „zu einer Verständigung gelangen [zu] können.“934 „Tatsächlich trauen wir uns ja jederzeit zu, einen wirklichen Konsensus von einem trügerischen zu unterscheiden“935. Habermas meint dieses behauptete Phänomen nun damit erklären zu können, „daß wir in jedem Diskurs wechselseitig eine ideale Sprechsituation unterstell[t]en“, d. h. auf eine spezielle Sprechsituation vorgriffen, für die nach Habermas charakteristisch ist, dass jeder unter ihren Bedingungen (s. u.) erzielte Konsens „per se als wahrer Konsensus gelten darf.“936 930 J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 135. 931 J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 135. 932 J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 135. 933 J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 135. 934 J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 135. 935 J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 135f. 936 J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 136.

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Unter der Bedingung dieser nur antizipativ zugänglichen idealen Sprechsituation seien – so die These von Habermas – faktischer Konsensus und wahrer Konsensus kongruent: „Der Vorgriff auf die ideale Sprechsituation ist Gewähr dafür, daß wir mit einem faktisch erzielten Konsensus den Anspruch des wahren Konsensus verbinden dürfen“937. Zur Unterscheidung von wahrem und falschem Konsens muss demnach diese ideale Sprechsituation antizipiert werden, gleichsam wechselseitig von den Teilnehmern eines Diskurses unterstellt werden938. Die Unterstellung bestehe darin, dass im Vollziehen von Sprechakten so getan werde, „als sei die ideale Sprechsituation (oder das Modell reinen kommunikativen Handelns) nicht bloß fiktiv, sondern wirklich“939. Als so antizipierte Größe ist sie für Habermas zugleich auch wirksam940. Als ideal gilt diese Sprechsituation in mehrerlei Hinsicht: Ein wesentlicher Aspekt ist die Zwanglosigkeit, die mit einer idealen Sprechsituation verbunden gedacht wird941. Sie bietet Schutz vor „Verzerrung der Kommunikation“, nur der „zwanglose Zwang des besseren Argumentes“ dürfe herrschen942. Das bedeutet: „Wahrheit schreiben wir nur den Sätzen zu, von denen wir kontrafaktisch annehmen, daß ihnen jedes zurechnungsfähige Subjekt zustimmen müßte, wenn es seine Meinungen nur lange genug in uneingeschränkter und zwangloser Kommunikation prüfen könnte.“943 Die von Habermas anvisierte Kommunikationsstruktur, die keine Zwänge verursacht, sieht er gewährleistet, „wenn für alle möglichen Beteiligten eine symmetrische Verteilung der Chancen, Sprechakte zu wählen und auszuüben, gegeben ist“944, was Habermas näher in Bezug auf die vier Klassen von Sprechakten 937 J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 136. 938 Vgl. J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 136 939 J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 140. 940 Vgl. J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 140. 941 Vgl. zu den Kennzeichen der idealen Sprechsituation wie auch zur Problematik des Zwanges im Besonderen J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, in: Habermas, J. / N. Luhmann, Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie – Was leistet die Systemforschung?, 136ff. 942 J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 137. 943 J. Habermas, Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie? Eine Auseinandersetzung mit Niklas Luhmann, 223. 944 J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 137.

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spezifiziert hat (hier aber nicht weiter von Interesse ist) 945. Vielmehr drängt sich eine andere Frage auf: Warum kann Habermas annehmen, dass ein unter solchen Bedingungen zustande gekommener Konsens zugleich als wahrer Konsens gelten kann? Die Antwort liegt zum einen in der Erwartung, dass die ideale Sprechsituation automatisch in einen solchen Konsensus resultiert, d. h. in jenen gesuchten Konsens mündet, von dem Habermas annimmt, dass dieser „sich unter Bedingungen einer idealen Sprechsituation immer wieder ergeben müßte.“946 „Die Funktion von Wahrheit geht [dabei] nicht darin auf, intersubjektive Übertragbarkeit zu sichern, sie garantiert darüberhinaus die Erwartung eines begründeten Konsensus, und das heißt: die Erwartung, daß sich der Geltungsanspruch von Deutungen, Behauptungen und Erklärungen, wenn wir in einen Diskurs eintreten würden, bestätigen ließe, die Erwartung mithin, daß es sich in Wirklichkeit so und genauso verhält [kursiv: T. L.] , wie wir aufgrund des propositionalen Gehaltes eines wahren Satzes annehmen.“947 Wie sehr der (sich nicht nur in diesem Satz bekundende) Ausgriff auf die ontologische Ebene (die Realität) dem Habermas’schen Vorhaben entgegensteht, wird von Pannenberg herausgehoben in seiner Kritik an Habermas’ Theorie, um die es im Folgenden ausführlicher gehen soll. 3.4.3.3 Pannenbergs kritisch-konstruktive Rezeption der Habermas’schen Konsensustheorie Um es gleich vorwegzunehen: In Pannenbergs Werk findet sich keine eingehende(re) Auseinandersetzung mit dem Habermas’schen Theorieentwurf. So spielen die Frage nach dem Konsensusbegriff selber, nach möglichen, zu postulierenden Anforderungen an die Diskursteilnehmer sowie auch nach den zu fordernden Rahmenbedingungen eines Diskurses, die ideale Sprechsituation und die damit verbundene Idee, dass sich unter idealisierten Bedingungen ein wahrer Konsensus ergebe, und dergleichen bei Pannenberg kaum eine Rolle und werden dementsprechend auch nicht weiter erörtert. Auch mit Habermas’ Kritik an der Korrespondenztheorie setzt er sich nicht erschöpfend auseinander. Von dem (wohl einzigen) gemeinsamen Interesse an einem universalen (statt subjektivistischen) Wahrheitsbegriff (s. o.) einmal abgesehen, gibt es ansonsten nur Differenzen. Pannenberg meldet zwei grundsätzliche Bedenken an Haber945 Siehe dazu ausführlicher J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 137ff. 946 J. Habermas, Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie? Eine Auseinandersetzung mit Niklas Luhmann, 223. 947 J. Habermas, Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie? Eine Auseinandersetzung mit Niklas Luhmann, 223f.

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mas’ Theorie an. Es sind zwei Kritikpunkte, die klare und wichtige Rückschlüsse auf die Gestalt der Pannenberg’schen Wahrheitskonzeption zulassen und im Folgenden nacheinander eingehend thematisiert werden: (1) Da ist zum einen die (treffsicher erkannte) grundsätzliche, schon von A. Beckermann gegen Habermas aufgearbeitete Einsicht von Bedeutung, dass es eine reine, d. h. auf den Aspekt der Korrespondenz mit der Wirklichkeit verzichtende und allein auf den Konsensusaspekt abzielende, Konsensustheorie der Wahrheit nicht geben kann. (2) Eine weitere Schwäche reiner Konsensustheorien wie der von Habermas948 erkennt Pannenberg in dem Mangel, nicht den Unterschied zwischen einem Wahrheitskonsens und bloßer vorherrschender Konvention zeigen zu können. Ich beginne mit dem zweiten Monitum: 3.4.3.3.1 Zur Differenz zwischen Konsens und Konvention Auch ein unter sehr günstigen Bedingungen zustande gekommener Konsensus, so urteilt Pannenberg, könne die Gefahr nicht bannen, dass der Konsens statt auf Wahrheit bloß auf Konvention gründe, wie er in seiner „Wi s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d T h e o l o g i e “ gegenüber Habermas und im Rückgang auf N. Luhmanns Kritik an der behaupteten Konnexität von Konsensus und Wahrheit zeigen will. Pannenberg meint gegen Habermas, es sei die Möglichkeit nicht auszuschließen, „daß alle Reflexion […] einer ‚systematisch verzerrten Kommunikation‘ angehören könnte“949. „Aus ihr [sc. der Möglichkeit] führt auch ‚die Idee der Wahrheit, die sich am wahren Konsensus bemißt, nämlich an einem solchen Konsensus, der zwanglos und unverzerrt zustande gekommen ist‘950 nicht [kursiv: T. L.] hinaus.“951

948 Habermas’ Theorie fungiert bei Pannenberg als Exempel reiner Konsensustheorien (vgl. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 42 Anm. 62). Auf weitere Konsensustheorien der Wahrheit geht Pannenberg nicht ein. 949 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 95. Er zitiert hier aus J. Habermas, Der Universalitätsanspruch der Hermeneutik (in: Hermeneutik und Dialektik I, Festschrift für H.-G. Gadamer (1970), 73–104). 950 Pannenberg zitiert hier (in: Wissenschaftstheorie und Theologie, 95 Anm. 190) J. Habermas, Hermeneutik und Ideologiekritik (1971), 155 u. 153 und verweist weiter auch auf ders., Erkenntnis und Interesse (1965), 1. c. 164 sowie auf die hier besprochene, weiterentwickelte Variante der Habermas’schen Konsenstheorie im Gespräch mit N. Luhmann ( = Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie (1971), 223 sowie 123 ff). Pannenberg weist auch auf die Anm. 402 a. a. O. hin. 951 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 95.

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Pannenberg greift in seiner Argumentation auf N. Luhmann zurück, der „mit Recht bezweifelt [habe], „ob das Phänomen der Konsensbildung bei längerer, freier Gruppendiskussion überhaupt etwas mit Wahrheit zu tun hat – oder vielleicht nur mit Reduktion von Komplexität durch Angleichung und konsistenten Gebrauch symbolischer Schemata“.“952 Habermas’ Behauptung gegenüber Luhmann, Wahrheit lasse sich „sehr wohl durch „Freisetzung“ von Kommunikation, und zwar nur auf diesem Wege, erreichen“953, erweist sich für Pannenberg als wenig überzeugend, als „nicht mehr als eine bloße Versicherung“954. Zwanglosigkeit als alleiniges Kriterium vermöge nicht auszuschließen, „daß der Konsens auf bloßer Konvention beruhen könnte.“955 Schon im Hinblick auf allein die Möglichkeiten, die von Habermas ersehnte Zwanglosigkeit zu erreichen, gibt Pannenberg sich wenig optimistisch. Interessant ist, dass ein rationaler Theologe wie Pannenberg in diesem Punkt sogar der menschlichen Rationalität erstaunlich wenig zutraut, auch wenn seine Kritik eine bestimmte Ausprägung des Vernunftgebrauchs tangiert: „Eine reine Konsensustheorie der Wahrheit ist, wie die Ausführungen von Habermas sehr instruktiv zeigen, nicht imstande, den Unterschied zwischen dem Wahrheitskonsens und einer herrschenden Konvention zu bezeichnen. Seine Annahme, daß letztere nie zwanglos ist und daher stets von einer utopischen Antizipation zwangloser Kommunikation her als bloße Konvention enthüllt werden kann, dürfte einen unhistorischnaturalistischen Begriff von menschlicher Rationalität voraussetzen, der einer Projektion ideal gelingender Konvention entspricht, die aber auch im „herrschaftsfreien Dialog“ noch Konvention und hinsichtlich ihrer Sachwahrheit problematisch bliebe.“956

Mit Luhmann lässt sich gegen Habermas im Sinne Pannenbergs zusammenfassen: Es bleibt „das Risiko, auf falschem Konsens sitzenzubleiben“957.

952 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 95. Pannenberg zitiert hier N. Luhmann, Systemtheoretische Argumentationen. Eine Entgegnung auf Jürgen Habermas, in: J. Habermas/ N. Luhmann, Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie – Was leistet die Systemforschung? (1971), 343 Anm. 82. 953 Pannenberg bezieht sich in seiner „Wi s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d T h e o l o g i e “ (95 Anm. 192) auf J. Habermas, Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie? Eine Auseinandersetzung mit Niklas Luhmann, 242. 954 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 95 955 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 95. 956 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 42f Anm. 62. 957 N. Luhmann, Systemtheoretische Argumentationen. Eine Entgegnung auf Jürgen Habermas, 343 Anm. 82.

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3.4.3.3.2 Zur Kritik an Habermas’ sog. reiner Konsensustheorie mit A. Beckermann Weil Habermas in seinen veritativen Skizzen für (s)eine Konsensustheorie als Ersatz für die angeblich mit erheblichen Problemen behaftete Korrespondenztheorie der Wahrheit votiert, sieht Pannenberg sich daraufhin zu einer Kritik an Habermas veranlasst. Diese Kritik besteht sachlich in der Wiederholung der von dem Philosophen A. Beckermann gegenüber Habermas vorgetragenen Kritik, die auf der (Kern-)These beruht, die von Habermas als reine Konsensustheorie konzipierte Wahrheitstheorie enthalte realistische Implikationen, die ihrerseits aber Wahrheit im korrespondenztheoretischen Sinne erforderten, was Habermas jedoch entschieden abgelehnt hat. „Habermas lehnt […] die […] Theorie der Wahrheit als Entsprechung zur vorgegebener Wirklichkeit (Korrespondenztheorie) ab […] und möchte den Begriff der Wahrheit lediglich an der Übereinstimmung der Subjekte untereinander (Konsensustheorie) orientieren […]. A. Beckermann hat aber gezeigt, daß Habermas selbst eine reine Konsensustheorie der Wahrheit nicht durchhält, sondern daß vor allem in den Begriff der Kompetenz und in die Berufung auf „nichtkonventionelle Wege“ der Kontrolle empirischer Aussagen […] „nicht explizit gemachte realistische Voraussetzungen eingehen“, die die von Habermas abgelehnte Korrespondenztheorie der Wahrheit implizieren“958. Im Kern ist für Pannenbergs Argumentation gegen Habermas also die Einsicht entscheidend, „daß der Gedanke der Kompetenz seinerseits schon Sachgerechtigkeit und also Gegenstandskorrespondenz [kursiv: T. L.] voraussetzt, so daß die Konsensustheorie der Wahrheit gar nicht rein durchführbar ist.“959 Die für Pannenbergs eigene Meinungsbildung entscheidende Erkenntnis dürfte genau darin gelegen haben, dass die Korrespondenzwahrheit (bzw. in einem weiteren Sinne: die semantisch-ontologische Wahrheit) ebenso unabkömmlich ist wie das zu ihr gehörende Wirklichkeitsverständnis des Realismus. Habermas’ eigene Ausführungen belegen dies mehr als deutlich: Auf den Typus der Korrespondenztheorie der Wahrheit ist Habermas – wie die nachfolgenden Ausführungen bestätigen sollen – also deshalb angewiesen, weil er im Rahmen seines Konsensusprogramms unzweideutig auf die ontologische Ebene (Wirklichkeit, Realität) im Sinne des Realismus referiert. Beckermann erkennt den als Basis genommenen „heimliche[n] Realismus“ darin, dass Habermas wiederholt auf die Realität als eine vom Konsens unabhängige Instanz rekurriert, obwohl sich eine solche Bezugnahme auf die ontologische Ebene von 958 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 205 Anm. 402. Pannenberg greift dabei zurück auf die Kritik von A. Beckermann an Habermas (Vgl. A. Beckermann, Die realistischen Voraussetzungen der Konsenstheorie von J. Habermas, in: Zeitschrift für allgemeine Wissenschaftstheorie 3, 1972, 63–80 [Zitat v. Beckermann a. a. O., 65, vgl. auch 75]). 959 W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 173f.

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konsensustheoretischer Warte aus verbieten müsste, da dort „Realität erst im Konsens definiert wird.“960 Damit hängt zusammen, dass es im Rahmen von Konsensustheorien der Wahrheit üblicherweise „keine letztlich wahrheitsverbürgenden Instanzen außer dem Konsens geben [kann], auf die bei dem Verständigungsprozeß, der zum Konsens führen soll, rekurriert werden könnte.“961 Habermas verwickelt sich demnach genau dann in Widersprüche, wenn er auf die Realität als eine konsensunabhängige Größe Bezug nimmt962: „Die Bezugnahme auf Instanzen dieser Art findet sich jedoch in den Habermasschen Überlegungen immer wieder.“963 Entsprechende, von Habermas nicht explizit gemachte realistische Voraussetzungen hat Beckermann nachgewiesen anhand der Explikation des Begriffs der Konsensustheorie (A), an Habermas’ Inanspruchnahme nicht-konventioneller Methoden zur Überprüfung empirischer Aussagen (B), an der Verwendung des Begriffs der Kompetenz (C) und schließlich an der idealen Sprechsituation (D), mit deren Möglichkeit zu rechnen erst vor dem Hintergrund realistischer Voraussetzungen Sinn macht. Die Argumentation von Beckermann soll hier kurz skizziert werden: Ad A): Die Explikation der Konsensustheorie:964 Die Wahrheitsbedingung für Aussagen liegt Habermas zufolge in der potentiellen Zustimmung aller965. Doch für die Zustimmung jeder müsste sich jeder überzeugen können, dass einem bestimmten Gegenstand berechtigterweise ein bestimmtes Prädikat zukommt966, wodurch aber die realistische Annahme einer unabhängigen Realität vorausgesetzt wird und sich somit ein Widerspruch zur Konsensustheorie, welche Realität allererst definiert, ergibt. Entgegen dem eigentlichen Anliegen der Konsensustheorie wird Wahrheit hier letztlich von der vorgängigen Realität abhängig gemacht. Außerdem sind manche Wendungen sprachlich an die Korrespondenztheorie angelehnt, etwa die Vorstellung, „daß es sich in Wirklichkeit so und genauso verhält“967.

Ad B): Die Inanspruchnahme nichtkonventioneller Methoden zur Überprüfung empirischer Aussagen:968 960 A. Beckermann, Die realistischen Voraussetzungen der Konsenstheorie von J. Habermas, 65. 961 A. Beckermann, Die realistischen Voraussetzungen der Konsenstheorie von J. Habermas, 65. 962 Vgl. A. Beckermann, Die realistischen Voraussetzungen der Konsenstheorie von J. Habermas, 65. 963 A. Beckermann, Die realistischen Voraussetzungen der Konsenstheorie von J. Habermas, 65. 964 Vgl. dazu A. Beckermann, Die realistischen Voraussetzungen der Konsenstheorie von J. Habermas, 66f. 965 J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 124. 966 Ebd. 967 J. Habermas, Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie? Eine Auseinandersetzung mit N. Luhmann, 223f. 968 Vgl. A. Beckermann, Die realistischen Voraussetzungen der Konsenstheorie von J. Habermas, 67ff.

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Habermas’ „verstohlener Hang zum Realismus“969 zeigt sich auch dort, wo er auf die nichtkonventionellen Methoden der Überprüfung zu sprechen kommt. Doch solche, auf Intersubjektivität abzielenden Überprüfungen und Kontrollen sind ihrerseits jedoch nur sinnvoll, wenn bestimmte empirische Gegenbenheiten in der Realität bestehen, von denen in den empirischen Aussagen die Rede ist970. In reinen Konsensustheorien wäre die Wahrheit dagegen nur von der Zustimmung Anderer abhängig, also nicht von solchen nicht-konventionellen Methoden der Überprüfung. (ebd.)

Ad C): Der Begriff der Kompetenz:971 Auch in Bezug auf den Begriff der Kompetenz sieht Beckermann Habermas „einen realistischen Trumpf aus dem Ärmel“ schütteln972. Der Konsensus unter Gesprächspartnern wird dann als zureichendes Wahrheitskriterium angesehen, wenn die Gesprächspartner kompetente Beurteiler sind. Kompetent ist ein Gesprächspartner nach Habermas dann, wenn er vernünftig ist und fähig ist, die nicht-konventionellen Methoden der Überprüfung anzuwenden – also konkret Beobachtung und Befragung. Das bedeutet aber – wie oben bereits dargelegt – eine Anknüpfung an den Realismus (ebd.). Denn Beobachtung und Befragung sind in der Tat verlässliche Mittel, um „etwas über die Realität zu erfahren“ (ebd.) – sie stellen damit jedoch vom Konsensus unabhängige Mittel dar. Eine reine Konsensustheorie müsste einem solchen Ansatz entgegenstehen.

Ad D): Die Theorie der idealen Sprechsituation:973 Die ideale Sprechsituation gewährleistet Habermas zufolge, dass jeder Konsens, der unter dieser Bedingung erzielt werden kann, „per se als wahrer Konsensus gelten darf.“974 Habermas geht davon aus, dass sich die Wahrheit mit Hilfe des zwanglosen Zwanges besserer Argumente durchsetzen wird. Warum dies so sein soll, bleibt unklar. Beckermann stellte seinerzeit die kritische Rückfrage, was eigentlich garantiere, dass sich innerhalb eines unter den Bedingungen der idealen Sprechsituation stattfindenden Diskurs „die besseren Argumente durchsetzen?“975 Und: „Wieso führt jener Diskurs, in dem sich die besseren Argumente durchsetzen, per se zum wahren Konsens?“976 Beckermanns These ist nun die, dass Habermas’ Annahme, die besseren Argumente setzten sich durch, nur unter realistischen Voraussetzungen plausibel ist: „Denn in einer KT kann der Wert eines Arguments ja nicht wie in realistischen Wahrheitstheorien darin bestehen, daß die in dem Argument vorgebrachten Evidenzen die Wahrheit des in Frage

969 A. Beckermann, Die realistischen Voraussetzungen der Konsenstheorie von J. Habermas, 67. 970 Vgl. A. Beckermann, Die realistischen Voraussetzungen der Konsenstheorie von J. Habermas, 71. 971 Vgl. A. Beckermann, Die realistischen Voraussetzungen der Konsenstheorie von J. Habermas, 71ff. 972 A. Beckermann, Die realistischen Voraussetzungen der Konsenstheorie von J. Habermas, 72. 973 Vgl. dazu insbes. A. Beckermann, Die realistischen Voraussetzungen der Konsenstheorie von J. Habermas, 77ff. 974 J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 136. 975 A. Beckermann, Die realistischen Voraussetzungen der Konsenstheorie von J. Habermas, 78. 976 A. Beckermann, Die realistischen Voraussetzungen der Konsenstheorie von J. Habermas, 78.

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stehenden Satzes als besonders wahrscheinlich erscheinen lassen, da die Möglichkeit, in Argumenten Evidenzen für die Wahrheit eines empirischen Satzes anführen zu können, von der Voraussetzung abhängig ist, daß die Wahrheit eines empirischen Satzes eben darin besteht, daß der von dem Satz behauptete Sachverhalt der Fall ist, und daß darüberhinaus in der Realität Gesetzesmäßigkeiten bestehen, die den Schluß vom Bestehen einer Tatsache – der Tatsache, die als Evidenz angeführt wird – auf das Bestehen einer anderen – der behaupteten – Tatsache rechtfertigen“977. In einer (reinen) Konsensustheorie wird dagegen die Wahrheit von Aussagen ausschließlich vom Konsensus abhängig gemacht, was freilich mit dem Problem behaftet ist, dass sich der Wert eines Argumentes nur am Überreden, an seinem Erfolg, sich durchzusetzen, bestimmt werden kann978.

Von Beckermanns vorzüglicher Kritik scheint Habermas unbeeindruckt979. In dem Aufsatz „Wa h r h e i t s t h e o r i e n “ (1973) – dem von Pannenberg unbeachteten, geläufigen Referenztext für Habermas’ Konsensustheorie980 – kritisiert Habermas die in seinen früheren Beiträgen noch anzutreffende Korrespondenztheorie der Wahrheit981 sogar noch deutlicher – und zwar mit Ch. S. Peirce als eine selbstwidersprüchliche Theorie der Wahrheit. Seine Argumentation sei kurz angeführt: Sein „Einwand gegen die Korrespondenztheorie der Wahrheit führt auf den logischen Einwand gegen die Selbstwidersprüchlichkeit dieser Theorie zurück, den bereits Peirce erhoben hat. Wenn wir dem Terminus „Wirklichkeit“ keinen anderen Sinn beilegen können als den, den wir mit Aussagen über Tatsachen verbinden, und die Welt als Inbegriff aller Tatsachen auffassen, dann könnte das Korrespondenzverhältnis zwischen Aussagen und der Realität wiederum nur durch Aussagen bestimmt werden. Die 977 A. Beckermann, Die realistischen Voraussetzungen der Konsenstheorie von J. Habermas, 78f. 978 Vgl. A. Beckermann, Die realistischen Voraussetzungen der Konsenstheorie von J. Habermas, 79. 979 Aus J. Habermas, Wahrheitstheorien, geht hervor, dass er A. Beckermanns Aufsatz zur Kenntnis genommen hat (vgl. J. Habermas, Wahrheitstheorien, 239 mit Anm. 33 [=a. a. O., 264]). Habermas’ Bemerkung, er selber sollte „besser von einer Diskurs- statt von einer Konsensustheorie der Wahrheit sprechen“ (ebd.), nimmt weder Bezug auf die von Beckermann benannte Problematik noch führt sie aus der von diesem benannten Problematik heraus. 980 J. Habermas, Wahrheitstheorien (1973), 211–265. Da Pannenberg diesen wichtigen, „bis zu einem gewissen Grad systematisch zu nennenden Entwurf“ (L.B. Puntel, Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie, 145) von Habermas nicht weiter beachtet hat, gehe ich im Folgenden nicht ausführlich darauf ein. Siehe diesbezüglich die konzisen Darstellungen und Kritiken von L.B. Puntel (Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie, 144–164), K. Gloy (Wahrheitstheorien, 203–222) und A. Kreiner (Ende der Wahrheit?, 166–198). 981 Neben Beckermann ist auch von A. Kreiner (Ende der Wahrheit?, 170 Anm. 24) bemerkt worden, dass Habermas – wenn auch nicht in „Wahrheitstheorien“ (1973) (s. u.) – so doch (wenigstens scheinbar) noch in „Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz“ (1971) die Korrespondenztheorie der Wahrheit zu gebrauchen bzw. vorauszusetzen scheint.

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Korrespondenztheorie der Wahrheit versucht vergeblich, aus dem sprachlogischen Bereich auszubrechen, innerhalb dessen der Geltungsanspruch von Sprechakten allein geklärt werden kann.“982

Habermas sieht die Problematik der Korrespondenztheorie der Wahrheit also nach wie vor im Kern darin, dass die Bestimmung, Feststellung oder Klärung beanspruchter Korrespondenz selbst sich allein sprachimmanent vollziehen könne, sodass ein Überschreiten dieser Sphäre auf die ontologische Ebene vergeblich erscheinen muss. Diese Einschätzung ist sicher richtig. Sie dürfte allerdings die die semantische mit der ontologischen Ebene verknüpfende Korrespondenztheorie der Wahrheit nicht tangieren. Die Frage nach der Feststellung, Klärung oder Bestimmung der Korrespondenz ist eine epistemische Frage, nicht aber eine nach der Bedeutung von Wahrheit. Habermas vermengt hier verschiedene Fragestellungen. Aus seiner Kritik an der auf die ontologische Ebene referierende Korrespondenztheorie ergibt sich als Anforderung für seine Konzeption, die Wahrheitsfrage hier nun konsequent auf der sprachlogisch-subjektimmanenten Sphäre allein zu verorten. Der Ausgriff auf die ontologische Ebene – der Gegenstandsbezug – wird, wie Puntel in seiner Kritik treffend bemerkte, „wegdistinguiert“983. Dies geschieht maßgeblich über eine sonderbare Distinktion zwischen Gegenständen und Tatsachen. Immerhin – und das ist angesichts seiner Kritik der Korrespondenztheorie bemerkenswert – erkennt er an, dass sich diese Theorie „auf eine richtige Beobachtung“ stütze. „Wenn Aussagen Tatsachen „wiedergeben“ und nicht bloß vorspiegeln oder erfinden sollen, dann müssen diese doch in irgendeinem Sinne „gegeben“ sein; und genau diese Eigenschaft haben „wirkliche“ Gegenstände, eben die Erfahrungsgegenstände, die „etwas in der Welt sind“ [kursiv: T. L.]. Die Aussagen müssen zu den Tatsachen passen, und nicht die Tatsachen zu den Aussagen.“984

982 J. Habermas, Wahrheitstheorien, 216. 983 L.B. Puntel, Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie, 148. Anders als bei A. Beckermann, der in den realistischen Voraussetzungen bei Habermas Widersprüchlichkeiten gesehen hat, stellt sich für A. Kreiner (zumindest) dessen Fassung der Konsensustheorie von 1973 als in sich konsistent dar. Diese Konsistenz führte aber eben auch zur Ausklammerung der ontologischen Ebene, die für den Aspekt der Referenz auf den Gegenstand im Wahrheitsbegriff konstitutiv ist. Vgl. A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 187. Kreiner sieht bei Habermas’ Theorie von 1973 überhaupt auch keine Nähe zur Korrespondenztheorie der Wahrheit, was er am Tatsachenbegriff festmacht, demzufolge Tatsachen „nur zum Schein gegenständliche Korrelate von Aussagen“ (J. Habermas, Wahrheitstheorien, 216) seien (Vgl. A. Kreiner, Ende der Wahrheit, 170). Interessanterweise geht Habermas nicht auf Beckermanns Kritik an den realistischen und korrespondentistischen Implikationen seines Theorieentwurfs ein, obwohl er – wie ein Hinweis auf den Aufsatz von Beckermann (vgl. dazu J. Habermas, Wahrheitstheorien, 239 Anm. 33) zeigt – dessen Kritik zur Kenntnis genommen haben muss. 984 J. Habermas, Wahrheitstheorien, 216.

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Im Hintergrund dieser Überlegungen steht ein merkwürdiger und darum erklärungsbedürftiger Tatsachen-Begriff. Habermas unterscheidet Gegenstände, die er als außersprachliche Entitäten auf der ontologischen Eben – nämlich in der Welt – verortet von Tatsachen: Tatsachen sind für Habermas keine außersprachlichen Korrelate von Aussagen – also nicht etwas Wirkliches im Sinne von Gegenständen. Tatsachen kämen als Tatsachen nur im Diskurs zur Sprache985; für ihn sind sie – vom gewöhnlichen Sprachgebrauch abweichend – das, was über Gegenstände behauptet werde. Diese sonderbare Unterscheidung zwischen Gegenständen, die auf ontologischer Ebene verortet werden und Tatsachen, die er zur Aussagenebene (also auch zum Diskurs) zählt und die unberücksichtigt gelassen zu haben, Habermas der Korrespondenztheorie zuschreibt, ist für seine Theorie von grundlegender Bedeutung. Es bleibt freilich äußerst problematisch, einerseits Gegenstände auf ontologischer Ebene anzuerkennen (wie es exemplarisch auch die realistisch anmutende Rede von „Erfahrungen mit einer äußeren, objektivierten Wirklichkeit“986 bezeugt), andererseits diese objektive Wirklichkeit im Sinne des Realismus für das Wahrheitsphänomen, das durch die Geschichte hindurch zumeist als ein semantisch-ontologisches Phänomen in Erscheinung getreten ist, auszublenden. Die Kritik der Luzerner Philosophie K. Gloy an Habermas geht in dieselbe Richtung wie die zuvor schon von Pannenberg erhobenen Bedenken: „Wird Wahrheit als diskursiv einlösbarer Geltungsanspruch von Aussagen definiert, so versteht sich von selbst, daß dasjenige benannt werden muß, worüber die jeweilige Aussage geht, wovon der Wahrheitsanspruch erhoben wird und worauf sich im Falle des Vorleigens der Wahrheit diese bezieht. Es ist unmöglich, den Gegenstandsbezug auszuklammern. Entweder ist Habermas zur Übernahme der Korrespondenztheorie, in welcher Form auch immer, genötigt, um den in den Aussagen liegenden Gegenstandsbezug der Tatsachen zu rechtfertigen oder sein Konzept weist ein Defizit auf, da die Untersuchung allein in der Dimension des Diskurses bleibt und dort keinen Anhaltspunkt für einen solchen Bezug findet. Durch bloßen Konsens auf Diskursebene läßt sich Wahrheit, die stets den Gegenstandsbezug der Aussagen impliziert, nicht fassen.“987 985 Siehe auch die Bemerkungen von A. Kreiner zu diesem „eigentümlichen, anti-objektivistischen“ Gebrauch des Tatsachenbegriffs. (Vgl. A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 184f). 986 J. Habermas, Wahrheitstheorien, 250. Der nachfolgend zitierte Satz ist dagegen nur dem Anschein nach unzweideutig realistisch, soll aber nach Habermas aufgrund seines merkwürdigen Tatsachenbegriffs (s. o.) nicht als solcher verstanden werden: „Wir können jeder Aussage einen Sachverhalt zuordnen, aber wahr ist eine Aussage dann und nur dann, wenn sie einen wirklichen Sachverhalt oder eine Tatsache wiedergibt“ (J. Habermas, Wahrheitstheorien, 212). 987 K. Gloy, Wahrheitstheorien, 221. Zur Kritik an der fehlenden Gegenstandsbezogenheit vgl. auch schon L.B. Puntel, Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie, 148. Diese essentielle Gegenstandsbezogenheit scheint P. Dabrock in seiner an die Diskurstheorie erinnernden Kohärenztheorie zu verkennen. Dabrock optiert, wie H. Schulz zusammenfasst, für die

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Ganz ähnlich ist innerhalb der Theologie von Chr. Schwöbel argumentiert worden. Die Gegenstandsbezogenheit hält auch er für essentiell. Er sieht darum den Sinn des Wahrheitsbegriffs im Moment der Korrespondenz zwischen Aussagen und Sachverhalten, einen Sinn also, den auch die Vertreter von Konsensustheorien der Wahrheit, so sie Konsensus als Kriterium der Wahrheit verstünden, seines Erachtens voraussetzen müssten988. Die Auseinandersetzung mit Habermas’ Theorie kann an dieser Stelle nicht weiter verfolgt werden; sie ist auch erheblichen Schwierigkeiten ausgesetzt, da Habermas selbst sich nicht ganz klar darüber zu sein scheint, ob Konsensus ein Kriterium für Wahrheit oder dessen Definiens ist989. Weitere Beachtung verdient allerdings die Entwicklung im Wahrheitsdenken von Habermas. Erst in seinen (neueren) philosophischen Aufsätzen aus „Wa h r h e i t u n d R e c h t f e r t i g u n g “ scheint sich Habermas seinen Kritikern wenigstens etwas anzunähern: Die für das Phänomen ‚Wahrheit‘ eminent wichtige Dimension der Referenz auf die ontologische Ebene wird nun deutlich exponiert, was freilich in die Nähe der Korrespondenztheorie der Wahrheit führt, die er allerdings nach wie vor ablehnt990. Durch die Verbindung des Konsensus mit dem Aspekt der Kohärenztheorie, „weil sie im Streit der Diskurse ein ‚hinreichend stabiles wahrheitstheoretisches Modell‘ (111) bereit stellt, das als solches einerseits und im Unterschied zur Korrespondenztheorie ,beim Signifikantenspiel auf eine Seinsvermeinung verzichtet‘ (105) und dennoch andererseits ‚keinen Beliebigkeitspluralismus in erkenntnistheoretischer und sozialer Hinsicht nach sich zieht‘ (111).“ (H. Schulz, Einleitung, 17). A. a. O. in Anm. 46 ergänzt Schulz treffend: „Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Dabrock sich vor allem deshalb genötigt sieht, für eine Kohärenztheorie der Wahrheit zu votieren, weil er nur auf diese Weise der Gefahr begegnen zu können meint, der erlegen zu sein er der theologisch motivierten Korrespondenztheorie unterstellt: nämlich der Gefahr diskurspragmatischer Grenzüberschreitung. Dieses Votum bzw. dessen Begründung erscheint deshalb ironisch, weil man, wie sich z. B. an der Wahrheitstheorie W. Pannenbergs zeigen lässt (vgl. dazu H. Schulz, a. a. O., Anm. 2, 111–114), von ganz analogen theologischen Motiven geleitet sein und gleichzeitig für die Kohärenztheorie der Wahrheit plädieren kann!“ 988 Vgl. Chr. Schwöbel, Art. Konsens II. Dogmatisch, 1612. 989 Es ist – etwa von Puntel (Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie, 158ff) – diskutiert worden, ob Habermas’ Konsensustheorie („Wahrheitstheorien“ [1973]) als eine definitionale oder als kriteriologische zu verstehen ist. Habermas’ Ausführungen zur Rolle des Konsensus sind jedoch alles andere als eindeutig, sodass eine Klärung dieser eminent wichtigen Frage schwierig bis unmöglich ist. So gilt ihm der Konsensus einerseits als Wahrheitskriterium (Vgl. J. Habermas, in: H. Fahrenbach, Wirklichkeit und Reflexion, 239, 255, 257; siehe zu diesen Belegen auch K. Gloy, Wahrheitstheorien, 215), während andere Formulierungen und das daraus abzuleitende Verständnis von Wahrheit als diskursiv einlösbarer Geltungsanspruch (vgl. bei Habermas a. a. O., 218) auf eine definitorische Konsensustheorie der Wahrheit schließen lassen. Zur Diskussion um den unklaren Theoriestatus s. L.B. Puntel, Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie, 158ff sowie K. Gloy, Wahrheitstheorien, 214ff. 990 Bemerkenswert ist, dass Habermas sich später ausdrücklich auf einen erkenntnistheoretischen Realismus einlässt, also auf die Annahme einer äußeren, unabhängigen Welt, auf welche in Form von Sprache refereriert wird bzw. werden kann. Daraus ergibt sich, wie

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Referenz ist er dann aber eben auch nicht mehr weit von Pannenbergs Synthetisierungsbestrebungen entfernt, die den Gegenstand der Betrachtung im nächsten Kapitel bilden. (Die neuere Entwicklung bei Habermas hat bei Pannenberg jedoch bedauerlicherweise keine Beachtung [mehr] gefunden.) 3.4.3.3.3 Zur Synthetisierung der Konsensustheorie mit der Korrespondenztheorie Im Ergebnis zeigt sich, dass Pannenberg seinerseits nicht so sehr an den in Habermas’ Konzeption aufgewiesenen realistischen Implikationen interessiert ist vielmehr daran, von der im Anschluss an Beckermann bei Habermas diagnostizierten Verknüpfung von Korrespondenz- und Konsensustheorie ausgehend gleichsam für die Notwendigkeit derselben einzutreten991. Der Ausgriff auf die ontologische Ebene über das Moment der Referenz bzw. Korrespondenz muss nach Meinung von Pannenberg mit dem Aspekt konsensueller Übereinstimmung kombiniert werden. Denn es ist seine feste Überzeugung, dass eine reine Konsensustheorie eine ebenso einseitige Theorie der Wahrheit ist wie die klassische Korrespondenztheorie992. Pannenberg zeigt seine Skepsis sowohl gegenüber einer reinen Korrespondenztheorie als auch hinsichtlich reiner Konsensustheorien der Wahrheit: „Die Momente der Gegenstandskorrespondenz und des Konsensus im Wahrheitsbegriff fordern einander wechselseitig. Sie lassen sich nicht prinzipiell einander unterordnen. Die alternative Entgegensetzung von Korrespondenztheorie und Konsensustheorie der Wahrheit bleibt daher kurzschlüssig.“993 „He is equally sceptical about pure correspondence and pure consensus theories of truth, arguing that correspondence cannot be established without some reference to others, but they must be ‚competent‘ others; judgment of facts is not a matter of convention but requires skill.“994

Pannenberg verfolgt das Ziel, die Konsensustheorie der Wahrheit konstruktiv aufzugreifen und mit der Korrespondenztheorie der Wahrheit zu verbinden. Dieser Schritt erweist sich für Pannenberg als unumgänglich, und zwar in einer zweifachen Hinsicht: 1) Zum einen meint er, dass der Aspekt eines intersub-

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Habermas selbst bemerkt, eine gewisse Nähe zur Korrespondenztheorie, die er dennoch weiterhin ablehnt. (Vgl. J. Habermas, Wahrheit und Rechtfertigung, bes. 8, 18, 41, 80, 98f, 112, 153, 246f u. 265). Siehe zur Kombination der Korrespondenz- mit der Konsensustheorie schon die zutreffende Diagnose von W. Härle und E. Herms, wonach Pannenberg keinen Gegensatz dieser beiden Wahrheitsbegriffe anstrebt. (Vgl. W. Härle, E. Herms, Deutschsprachige protestantische Dogmatik nach 1945 II, 51). Vgl. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 219. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 42f Anm. 62. J.A. Stewart, Reconstructing Science and Theology in Postmodernity, 33.

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jektiven Konsensus kokonstitutive Funktion für die Objektivität der Wahrheit im korrespondenztheoretischen Sinn habe. 2) Zum anderen denkt er, wie bereits gesehen, dass es mithilfe einer reinen Konsensustheorie nicht möglich sei, einen Unterschied zwischen Wahrheitskonsensus einerseits und bloßer Konvention feststellen zu können. In Pannenbergs Worten: „Daß die Korrespondenzwahrheit bedingt ist durch einen (zumindest erwartbaren) intersubjektiven Konsensus über den Sachverhalt, der mitkonstitutiv ist für dessen Objektivität, ist nicht zu bestreiten. Das hat jedoch nicht zur Folge, daß sich die Korrespondenztheorie der Wahrheit mit J. Habermas […] auf eine Konsensustheorie der Wahrheit reduzieren ließe.“995 „Sowenig Erkenntnis sich ausschließlich als Abbildung der Sache im Bewußtsein verstehen läßt, weil das Gegebene, mit dem der Gedanke übereinstimmen soll, sich wiederum nur durch Gedanken erfassen läßt, so sehr richtet sich doch die Intention der Erkenntnis auf Sachwahrheit, und nur durch den Sachbezug läßt sich das Wahrheitskriterium der Übereinstimmung der Erkennenden von einer bloß konventionellen Meinungskonformität unterscheiden, die Wahrheit gerade verdeckt [kursiv: T. L.].“996

Das Moment der Bezugnahme auf die ontologische Ebene per Gegenstandsbezug gilt gemeinhin als mit dem Wahrheitsbegriff, sofern er wie weitgehend üblich als ein semantisch-ontologischer fungiert, verbunden997. Im Gegensatz dazu ist die (frühe) Habermas’sche, wenn auch konsequente und in sich (weitgehend) konsistente, Verlagerung der Wahrheitsproblematik auf die rein subjektimmanente Diskursebene ein fragwürdiges Unternehmen, da mit diesem die semantischontologische Relationalität im Wahrheitsbegriff nicht erörtert, sondern stattdessen etwas Anderes thematisiert wird, sodass dadurch gerade auch die Legitimität der Habermas’schen Annahme, in der Konsensustheorie eine Wahrheitstheorie zu sehen, in Frage stehen dürfte998. 995 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 42f Anm. 62. Pannenberg bezieht sich hier auf J. Habermas, Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikativen Kompetenz, 101ff., bes. 123ff. 996 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 205 Anm. 402. Dem Gedanken der notwendigen Verknüpfung des Aspektes der Korrespondenz mit dem des Konsensus will Pannenberg mit dem Begriff der Sinnerfahrung Rechnung tragen, der im Kontext seiner hermeneutischen Erwägungen besondere Bedeutung genießt: „Während die Lehre von erkenntnisleitenden Interessen auf eine Ausblendung des Gegenstandsbezuges aus dem Wahrheitsbegriff tendiert, finden in der Sinnerfahrung beide Aspekte des Wahrheitsbegriffs, die Sachkorrespondenz wie der Konsensus der Subjekte, ungezwungen Raum: Die intersubjektive Verständigung über sie bezieht sich stets auch auf die Gegenständlichkeit erlebter Inhalte.“ (ebd.). 997 So auch A. Kreiner, der auf den Gegenstandsbezug als ein zum Wahrheitsbegriff konstitutiv gehörendes Moment hinweist. Vgl. A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, bes. 179, 184ff, bes. 191. 998 Vgl. insbes. die Bemerkungen von A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 187 u. 191. Kreiner kommt darum zu folgendem, m. E. berechtigten Fazit: „Die Probleme der Korrespondenztheorie bleiben ungelöst, weil sie einfach beiseite geschoben werden, und der für jeden

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In diese Richtung hat Pannenberg jedoch nicht gedacht. Er glaubte, mit einer Koppelung beider Theorien der Wahrheit einen veritativen Gewinn einzufahren, der – wie sich noch zeigen wird – so nicht erzielt werden kann, ganz im Gegenteil. Geradezu typisch für seine Theologie ist, dass er auf die Grenzen des Erkennens wiederholt hinweist. So gesellt sich auch für diesen Themenzusammenhang die These dazu, dass sowohl der Wahrheitskonsens als auch die Korrespondenz ad rem, aber auch deren Einheit, nur antizipativ zugänglich seien: „Wie sowohl der Wahrheitskonsens als auch die Sachkorrespondenz jeweils nur antizipiert werden können, so ist auch die Einheit zwischen beiden jeweils nur antizipativ realisiert.“999

3.4.3.3.4 Die interpersonale Verifikationstheorie von W. Kamlah und P. Lorenzen Für sein Anliegen, Korrespondenz- und Konsensustheorie zu koppeln, kann Pannenberg (wie etwa zuvor aus ebenfalls wissenschaftstheoretischem Interesse schon G. Sauter1000) auf die interpersonale Verifikationstheorie, wie sie von W. Kamlah und P. Lorenzen 1967 in ihrer „L o g i s c h e n P r o p ä d e u t i k o d e r Vo r s c h u l e d e s ve r n ü n f t i g e n R e d e n s “ in äußerster Kürze skizzenhaft dargelegt worden ist1001, rekurrieren: Denn für deren Konzeption interpersonaler Verifizierung von Aussagen ( – und dabei geht es immer um Aussagen- /Satzwahrheit – ) ist der Gedanke konsensueller Übereinstimmung innerhalb einer Sprachgemeinschaft zentral: „Da wir bei […] Beurteilung der Wahrheit von Aussagen auf das Urteil anderer rekurrieren, die mit uns dieselbe Sprache sprechen, können wir dieses Verfahren i n t e r p e r s o n a l e Ve r i f i z i e r u n g nennen. Wir stellen auf diesem Wege, durch diese ‚Methode‘, Ü b e r e i n s t i m m u n g zwischen dem Sprecher und seinen Gesprächspart-

adäquaten Wahrheitsbegriff unverzichtbare Gegenstandsbezug wird unterschlagen. Auch wenn aufgrund der zahlreichen Ungereimtheiten letztlich nicht deutlich wird, wovon die Konsenstheorie eigentlich handelt, so ist doch zumindest so viel klar, daß sie nicht länger von dem handelt, was traditionellerweise und umgangssprachlich als Wahrheit bezeichnet wird. Insofern ist die Konsenstheorie, was immer sie ansonsten sein mag, nur mehr dem Namen nach eine Theorie der Wahrheit.“ (A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 191). Kreiner beruft sich hier auf Puntels Kritik am fehlenden Gegenstandsbezug im Habermas’schen Theorieentwurf (L.B. Puntel, Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie, 1978, 148). 999 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 42f Anm. 62. 1000 Siehe dazu G. Sauter, Die Begründung theologischer Aussagen – wissenschaftstheoretisch gesehen, 306f. 1001 W. Kamlah u. P. Lorenzen, Logische Propädeutik oder Vorschule des vernünftigen Redens, 116ff. Zu dieser Theorie der Wahrheit siehe auch die kurzen Skizzen bei L.B. Puntel, Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie, 164f (dort unter dem Überbegriff „Dialogische (konstruktivistische) Theorie der Wahrheit“). Siehe auch die Darstellung bei K. Gloy, Wahrheitstheorien, 195–199.

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nern her, eine Übereinstimmung, die in der Sokratischen Dialogik „Homologie“ genannt wurde.“1002

Ob eine Aussage mit dem (Beurteilungs-)Prädikator wahr oder falsch zu versehen ist, entscheidet dieser Theorie zufolge die Homologie bzw. ein Konsens. Die Homologie fungiert als Methode der Wahrheitsfindung. Umgekehrt weist ein solcher Konsensus Wahrheit von Aussagen aus, wobei mit einem solchen Konsensus nicht faktische Übereinstimmung gemeint ist, sondern die prinzipielle Möglichkeit zur Zustimmung1003. Allerdings bedarf es für solch einen Ausweis weiterer Bedingungen: Die für das Zustandekommen einer solchen Homologie in Betracht kommenden Angehörigen einer Sprachgemeinschaft müssen nicht nur dieselbe Sprache sprechen, sondern müssen ‚normalsinnig‘ sein (d. h. müssen – wie im ugs. Sprachgebrauch – ihre Sinne beisammen haben; dürfen also nicht schwachsinnig sein), sie müssen kurzum ‚sachkundig‘ und ‚vernünftig‘ sein, wobei als vernünftig ein Mensch dann gelte, wenn er „dem Gesprächspartner und den besprochenen Gegenständen aufgeschlossen ist“ und „ferner sein Reden nicht durch bloße Emotionen und nicht durch bloße Traditionen und Gewohnheiten bestimmen läßt.“1004 Die ebenfalls erforderliche Sachkundigkeit meint so viel wie alltägliche und wissenschaftliche (Experten-)Kenntnis, ein „Sich-Auskennen“ hinsichtlich der betreffenden Sachen / Gegenstände1005. Der Ausdruck ‚Sachkundigkeit‘ impliziert seinerseits freilich eine veritativ motivierte sprachliche Bezugnahme auf die ontologische Ebene, wie sie zumeist in der Korrespondenztheorie der Wahrheit expliziert wird. Und in der Tat greifen auch Lorenzen und Kamlah das bereits in der Umgangssprache vorfindliche Verständnis von Wahrheit als adaequatio rei et intellectus auf, wonach eine Aussage also genau dann als wahr gilt, wenn der von ihr dargestellte Sachverhalt wirklich ist1006. Ebenfalls im klassisch korrespondenztheoretischen Sinn fungiert bei Lorenzen und Kamlah die Wirklichkeit als (potentieller) Wahrmacher einer bestimmten Aussage. Das Problem, das sie dabei sehen, liegt aber darin, dass die Wirklichkeit als die maßgebende Instanz „nicht redet, sondern schweigt.“1007. Um dem korrespondenztheoretischen Aspekt, den Sie als Forderung und nicht als 1002 W. Kamlah u. P. Lorenzen, Logische Propädeutik oder Vorschule des vernünftigen Redens, 120. 1003 Vgl. W. Kamlah u. P. Lorenzen, Logische Propädeutik oder Vorschule des vernünftigen Redens, 123f. 1004 W. Kamlah u. P. Lorenzen, Logische Propädeutik oder Vorschule des vernünftigen Redens, 118. 1005 W. Kamlah u. P. Lorenzen, Logische Propädeutik oder Vorschule des vernünftigen Redens, 118. 1006 Vgl. W. Kamlah u. P. Lorenzen, Logische Propädeutik oder Vorschule des vernünftigen Redens, 142f. 1007 W. Kamlah u. P. Lorenzen, Logische Propädeutik oder Vorschule des vernünftigen Redens, 142.

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Definition begreifen, nachkommen zu können, bedarf es darum ihrer Meinung nach geeigneter Nachforschungen, nach deren Durchführung durch sprachkundige, aber zugleich auch sachkundige und vernünftige Beurteiler es prinzipiell zu einem Konsensus kommen könne. M.a.W.: Der Aspekt der Korrespondenz wird aufgegriffen, bleibt aber nach Meinung von Kamlah und Lorenzen auf das Verfahren interpersonaler Verifizierung angewiesen1008: „Soll also „die Wirklichkeit selbst“ als „maßgebende Instanz“ darüber entscheiden, ob jene Aussage […] wahr ist oder nicht, so kann das vernünftigerweise nur heißen: Es sollen die geeigneten Nachforschungen angestellt werden, die uns die „Tatsachen“ erkennen lassen, d. h. die uns zu Aussagen verhelfen, durch die „wirkliche Sachverhalte“ dargestellt werden, in welchen Worten auch immer. Sind diese Aussagen dann sachverhaltsgleich mit der Aussage […], dann ist die Wahrheit dieser Aussage erwiesen. Allgemein formuliert: Wollen wir der berechtigten Forderung nachkommen, unsere Erkenntnis solle den zu erkennenden Gegenständen „adaequat“ sein, dann bleibt uns nichts anderes übrig, als das Verfahren der interpersonalen Verifizierung anzuwenden.“1009

Das Urteil anderer Kompetenter ist somit nicht unerheblich für einen (auf Korrespondenz abzielenden) Wahrheitsanspruch. Pannenberg kommt in diesem Punkt durchaus mit W. Kamlah und P. Lorenzen darin überein, dass jedwede Feststellung von Sachkorrespondenz nicht ohne „Berücksichtigung des Urteils anderer“ innerhalb derselben Sprachgemeinschaft möglich ist, was jedoch auch noch einmal der Bedingung unterliege, dass die Beurteiler ‚kompetent‘ und ‚sachkundig‘ seien1010. Auf diese Weise kann Pannenberg das korrespondentistische Anliegen mit dem konsensuellen Aspekt verknüpfen1011, wobei wichtig ist, dass Pannenberg den „Sachaspekt als kritisches 1008 Vgl. W. Kamlah u. P. Lorenzen, Logische Propädeutik oder Vorschule des vernünftigen Redens, 142f. 1009 W. Kamlah u. P. Lorenzen, Logische Propädeutik oder Vorschule des vernünftigen Redens, 143. 1010 Vgl. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 219f. Pannenberg bezieht sich hier auf W. Kamlah u. P. Lorenzen, Logische Propädeutik oder Vorschule des vernünftigen Redens (1967), 120. Zu der Einbeziehung des Konsensusmoments in Gestalt kompetent Urteilender siehe auch den Hinweis in W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 173f. 1011 Bei G. Sauter, der sich in seinem Aufsatz „Die Begründung theologischer Aussagen – wissenschaftstheoretisch gesehen“ wie Habermas auf W. Kamlahs und P. Lorenzens interpersonale Verifizierungstheorie berufen hat (vgl. a. a. O., 306), rügt Pannenberg eine einseitige Betonung des Konsensus gegenüber dem referentiellen Sachbezug: „Bei dieser einseitigen Betonung des Konsensusaspekts der Wahrheit vernachlässigt Sauter, daß Kamlah [und man wird ergänzen dürfen: auch Lorenzen] für den Prozess interpersonaler Verifizierung immerhin ‚kompetente Beurteiler‘ und ‚Sachkundige‘ voraussetzt (ebd. 119) und dadurch doch auch den Sachaspekt nicht im Sinne eines reinen Konventionalismus ausschließt (s. o. 219).“ (W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 296 Anm. 606).

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Prinzip gegenüber einem bloßen Konventionalismus“ einfordert1012. Faktisch gewährleistet Pannenberg damit, dass Wahrheit nicht durch die subjektive Seite der Erkenntnisrelation – also durch die Erkennenden – konstituiert wird, sondern ihr Maß an der Sache (o. ä.) hat, so wie dies in der neueren Wahrheitstheorie durch Wahrmacher zum Ausdruck kommt. Es wird auf diese Weise sichergestellt, dass die ontologische Seite der Erkenntnisrelation Wahrheit ‚macht‘. Das schließt nicht aus, sondern ein, dass – wie Pannenberg nicht zu Unrecht bemerkt – „die Sache selbst nur von Subjekten [kursiv: T. L.] in Erfahrung gebracht werden kann“, woraus er „eine Präponderanz der interpersonalen Übereinstimmung bei der Entscheidung über die Wahrheit einer Behauptung“ ableitet1013. Allerdings ist die Frage nach der Entscheidbarkeit von Wahrheit eine epistemisch-kriteriologische und so auch eine von der wahrheits-definitorischen Frage zu unterscheidende. Dass diese zwei Kategorien von Pannenberg nicht durchweg auseinandergehalten, sondern teils konfundiert werden, wird noch an anderer Stelle – gerade auch an seinen Ausführungen zur Verhältnisbestimmung von Korrespondenz- und Konsensustheorie – verdeutlicht werden (s. u.). Für die Verknüpfung der Konsensustheorie mit der Korrespondenztheorie kann Pannenberg sich jedenfalls mit Recht auf die interpersonale Verifikationstheorie von W. Kamlah und P. Lorenzen berufen: Umso bemerkenswerter ist es von daher scheinbar für Pannenberg, dass weder J. Habermas noch G. Sauter (der ebenfalls auf Kamlah und Lorenzen rekurrierte) das Moment der Korrespondenz für den Sachbezug konstruktiv berücksichtigt hat. Bei Habermas zeigte sich bereits oben, dass im Rahmen der postulierten Inanspruchnahme nichtkonventioneller Methoden der Überprüfung zwangsläufig realistische Implikationen eingehen, die er doch so sehr vermeiden wollte1014. Die der Realismus einfordernde, unentbehrliche und darum essentielle Gegenstandsbezogenheit sieht Pannenberg zutreffend bei Kamlah und Lorenzen dadurch gewahrt, dass sie „den Sachaspekt“ nicht ausgeschlossen haben, wie er impliziert ist in deren programmatischer Forderung nach kompetenten Beurteilern und Sachkundigkeit/Sachkunde der interpersonal Übereinstimmenden1015. Denn die Forderung nach Kompetenz und Sachkunde verweist intentional auf eine Bezugnahme auf die ontologische Ebene, auf die Ebene der Dinge 1012 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 219. 1013 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 219. 1014 Sogar in der Darstellung dieser interpersonalen Verifikationstheorie von Kamlah und Lorenzen bei L.B. Puntel (Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie, 164f) fehlt ein entsprechender Hinweis. Bei K. Gloy (Wahrheitstheorien, 195–197) klingt der Aspekt der Gegenstandsbezogenheit wenigstens an. 1015 Vgl. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 296 Anm. 606: Pannenberg kann sich hierfür berufen auf W. Kamlah/ P. Lorenzen, Logische Propädeutik oder Vorschule des vernünftigen Redens, 119f.

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selbst, bezüglich derer erst sinnvoll von Kompetenz und Sachkunde gesprochen werden kann. Die Verbindung von Gegenstandsbezug per Korrespondenz mit dem Kriterium des Konsenses, die im Übrigen in der Theologie weit verbreitet zu sein scheint1016 und die für Pannenbergs eigenes Wahrheitsverständnis insbesondere deshalb so wichtig ist, weil er erst auf diesem Wege einen Schutz vor der Gefahr eines subjektimmanenten Konventionalismus sieht, wie er ihn übrigens auch bei G. Sauter – allerdings nicht ganz zu Recht (!) – erkennt1017, hätte Pannenberg 1016 So stellte wie schon Pannenberg etwa auch Hans Küng fest: „Eine Theorie der Wahrheit im Sinne des Konsenses kommt letztlich nicht durch, ohne irgendwo auch nach der Korrespondenz mit der Wirklichkeit zu fragen.“ (H. Küng, in: Papsttum als ökumenische Frage, 322f). Er meint jedoch weiter: „Aber auch eine Korrespondenztheorie der Wahrheit muß damit rechnen, daß Wahrheit in einem Konsens, im Dialog usw. durchgesetzt, beziehungsweise zu einem Konsens gebracht werden muß.“ (a. a. O., 323). Diese Notwendigkeit kann ich nicht erkennen, zumal korrespondenztheoretische Wahrheit unabhängig von welcher Konsensusbildung auch immer besteht oder nicht besteht. Sie besteht in bestimmten Fällen auch sicher dort, wo niemand es bemerkt, geschweige denn weiß. 1017 Vgl. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 296 Anm. 606. Pannenberg bezieht sich hier u. a. auf G. Sauters Aufsatz „Die Begründung theologischer Aussagen – wissenschaftstheoretisch gesehen“, 306: Darin hatte Sauter mit Rekurs auf die interpersonale Verifizierungstheorie für eine Verifizierung auf Basis von Homologie plädiert. Was die Validitiät eines solchen Einverständnisses betrifft, formuliert Sauter hier überzeugt, „daß es mehr ist als eine bloße Konvention [kursiv: T. L.], die man morgen auch ohne weiteres wieder ändern könnte.“ (a. a. O., 307). Auf Pannenbergs ‚Konventions‘-Kritik an Sauter (s. o.) hat Letzterer reagiert, woraus deutlich hervorgeht, dass Pannenberg und Sauter in ihren Positionen keineswegs so weit voneinander entfernt sind, wie es aufgrund der Ausführungen Sauters und der (durchaus zutreffenden) Darstellung Pannenbergs vermutet werden könnte. Im Hintergrund der Kritik Pannenbergs steht die von Sauter zutreffend benannte Einschätzung, dass „Pannenberg […] zwischen Konsens und Konvention [kursiv: T. L.] keinen ausschlaggebenden Unterschied zu sehen [scheint].“ (G. Sauter, Was ist Wahrheit in der Theologie?, 80 Anm. 6). Pannenbergs Reserven möchte Sauter sogar „insofern beipflichten, als ohne Aussagen keine Wahrheitsprüfung möglich ist, so daß ein Verzicht auf sie der Einheit der Kirche nur schaden kann. Darum halte ich eine Rückführung der Wahrheit auf einen „sozialen Basiskonsens“ auch für ökumenisch problematisch“. (ebd.). An anderer Stelle stellt Sauter heraus, dass er mit seinem Votum für eine Konsensustheorie der Wahrheit nicht das Moment der Korrespondenz habe ausschließen wollen: „Zwischen Pannenberg und mir dürfte aber gar nicht die Gegenstandskorrespondenz als Kriterium für Wahrheit strittig [kursiv: T. L.] sein, obwohl ich gern zugestehe, daß ich mich zu dieser Frage bisher noch nicht ausführlich genug geäußert habe. […] Recht ist Pannenberg zunächst darin zu geben, daß Einverständnis „Wahrheit“ höchstens anzeigt, aber noch nicht verbürgt. Bei der (auch von Pannenberg) gegen mich vorgebrachten Kritik am Konsensusverständnis der Wahrheit sehe ich mich mißverstanden, sofern diese Kritik befürchtet, die Verbindlichkeit der Wahrheit werde bloßen Konventionen [kursiv: T. L.] ausgeliefert. „Konsensus“ ist aber, wie ich meine, theologisch zuallererst als Zustimmung zu Sachverhalten zu verstehen, als Einstimmung in ihre Wahrheit (insofern nehme ich die Intention der sog. Korrespondenztheorie der Wahrheit durchaus auf)“. (G. Sauter, Überlegungen zu einem weiteren Gesprächsgang über „Theologie und Wissenschaftstheorie“, 164). Beide, Sauter und Pannenberg, kommen also überein in der Einschätzung der Notwendigkeit einer korrespondentistisch gedachten Referenz auf Au-

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jedoch nicht erst aus den Implikationen der von Kamlah und Lorenzen postulierten Anforderungen an die Urteilenden ableiten müssen, sondern vielmehr deren ausdrücklichen Bemerkungen zur Relevanz des Korrespondenz- bzw. Adäquationsgedankens entnehmen können. 3.4.3.3.5 Zur Problematik der Synthetisierung der Korrespondenztheorie mit der Konsensustheorie im Sinne Pannenbergs Pannenbergs veritativer Ansatz, Korrespondenz und Konsensus als „einander wechselseitig“ erfordernde und damit gleichrangig Aspekte miteinander zu versöhnen, erweist sich bei näherem Hinsehen als nicht wenig problematisch. A. Kreiner hat eine solche problematische Verknüpfung von Korrespondenz und Konsensus an einem Beispiel illustriert. Der Satz „Im Jahre 1517 hat Luther die Ablaßthesen an der Schloßkirche von Wittenberg angeschlagen.“1018 ist der korrespondenztheoretischen Intuition zufolge dann wahr, wenn Luther tatsächlich im Jahre 1517 die Thesen an die Schlosskirche anschlug. Solche korrespondenztheoretische Wahrheit erweist sich als gewissermaßen selbstgenügsam, sie kann nicht zugleich auch von irgendeiner Konsensusbildung abhängig gedacht werden, da dies die absurde Annahme implizierte, konsensueller Meinungsbildung sei die Möglichkeit gegeben, z. B. aus einer bloßen Behauptung ein Faktum zu generieren. Wie absurd das wäre, hat Kreiner anhand des obigen Beispielsatzes verdeutlicht: Es „klingt […] nun auf den ersten Blick mehr als merkwürdig, wenn die Wahrheit des Satzes damit zu tun haben soll, ob eben dieser Satz innerhalb der Gemeinschaft der Historiker oder aller kompetenten Sprecher überhaupt konsensfähig sei oder nicht. Dagegen spricht offensichtlich, daß sich das Ereignis, das der Satz behauptet, in der Vergangenheit entweder ereignet oder nicht ereignet hat. Wie soll aber dasjenige, was 1517 in Wittenberg geschah, mit dem zusammenhängen, worüber sich nachfolgende Generationen von Experten einigen können. Die Wahrheit des Satzes vom Konsens/ Dissens abhängig zu machen, gerät in die Nähe der prima facie absurden Annahme, mit dem Konsens/Dissens ändere sich jeweils die gesamte Vergangenheit. Natürlich läßt ßersprachliches; zugleich bedienen sich beide des Konsensus als eines brauchbaren, aber auch epistemisch begrenzt leistungsfähigen Wahrheitskriteriums. In Sauters Interpretation der Korrespondenz als eines Wahrheitskriteriums (!) dürfte jedoch ein Missverständnis liegen. Korrespondenz ist – sowohl nach geläufigem Verständnis der Vertreter der Korrespondenztheorie der Wahrheit also auch bei Pannenberg faktisch nicht Kriterium, sondern die Definition (Bedeutung) von Wahrheit (bei Pannenberg freilich – wie sich zeigt – nur im Rahmen eines größeren, darum auch zu Äquivokationen im Sprachgebrauch nötigenden Wahrheitsbegriffs). Selbst aus Sauters Darlegungen geht hervor, dass letztlich auch für ihn der Konsensus bloßes Kriterium der Wahrheit ist, während das referentielle, korrespondenztheoretische Moment fundamentaler zu sein scheint (vgl. hierzu sein Votum, Konsensus als „als Zustimmung zu Sachverhalten zu verstehen, als Einstimmung in ihre Wahrheit“ (s. o.) aufzufassen). 1018 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 90.

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sich diese absurde Folgerung vermeiden, wenn man dem Satz überhaupt keinen Bezug mehr zu dem Ereignis, das er behauptet, unterstellt. Dann ginge es bei der Frage nach seiner Wahrheit allerdings nicht mehr um Luther und den Thesenanschlag, sondern allenfalls noch darum, was heute über Luther und den Thesenanschlag gedacht wird. Das ist zwar nicht minder merkwürdig, aber immerhin einigermaßen stringent.“1019

Etwas anders als Pannenberg, aber Kreiner in diesem wichtigen Punk nicht unähnlich haben sogar die Vertreter der interpersonalen Verifizierungstheorie – Kamlah und Lorenzen – letztlich der Korrespondenztheorie den erforderlichen Vorrang eingeräumt, woran M. Leiner argumentativ anknüpfen konnte: „Ein Satz kann auch dann wahr sein, wenn sich überhaupt niemand (oder noch niemand) findet, der ihm faktisch zustimmt. Daß jeder Sprach- und Sachkundige bei geeigneter Nachprüfung „zustimmen würde“, schließt ja die Möglichkeit nicht aus, daß z. B. die „geeignete Nachprüfung“ von niemandem durchgeführt wird.“1020

Homologie muss also nicht nur mit korrespondenztheoretischer Wahrheit nichts zu tun haben1021. Die von Pannenberg luzide wahrgenommene Gefahr eines bloßen pragmatischen Konsensus bzw. eines Konventionalismus ohne jegliche Wahrheit bleibt. Schon gar nicht kann Konsensus Wahrheit selbst begründen1022, noch ist anzunehmen, dass Wahrheit nur konsensuell zugänglich sei1023. 1019 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 90. 1020 M. Leiner, Methodischer Leitfaden Systematische Theologie und Religionsphilosophie, 57. Er bezieht sich hier auf W. Kamlah u. P. Lorenzen, Logische Propädeutik oder Vorschule des vernünftigen Redens, 124. 1021 Insofern erstaunen mich M. Leiners, an Kamlah und Lorenzen anschließenden Bemerkungen zu Dialog und Homologie. Leiner meint: Wenn es gelinge, „die anderen zu überzeugen, erlebt man Homologie“, was er dann als „meistens ein gutes Zeichen für die mögliche Wahrheit einer theologischen Sicht“ verstanden wissen will. Er fährt fort: „Gelingt es einem nicht, dann braucht man schon sehr gute Argumente für seine Auffassung. Die Einsamkeit des Theologen, der sich seine eigenen Lehren entwickelt ohne sie im Gespräch mit anderen auszutauschen, ist jedenfalls ein Abweg.“ (M. Leiner, Methodischer Leitfaden Systematische Theologie und Religionsphilosophie, 59). Wenn dagegen jedoch mit Kamlah und Lorenzen zu Recht die Wahrheit von Aussagen letztlich nicht von Homologie abhängig gemacht werden kann, wird man wohl auch nicht grundsätzlich über die Majorität argumentieren können. Man wird überdies sagen dürfen, dass die Kraft der Argumente nicht erst dann wichtig wird, wenn die vertretene Position eine Minderheiten- oder Einzelmeinung ist. Ein Einzelner kann prinzipiell ebenso wahre Aussagen formulieren wie eine Gruppe oder Vertreter einer Religionsgemeinschaft. 1022 Von daher kann ich Chr. Schwöbel (Die Wahrheit des Glaubens im religiös-weltanschaulichen Pluralismus, 57) zustimmen, wenn er sagt, dass „der im gemeinsamen Glaubensbekenntnis formulierte Konsens nicht als ein von der Gemeinschaft hergestellter Wahrheitskonsens verstanden“ werde bzw. werden kann. Ob dieser dabei „als Anerkennung einer stets nur im Modus persönlicher und darum pluraler, den Glaubenden selbst unverfügbarer Gewißheit erschlossener Wahrheit verstanden“ werden könn(t)e oder sollte (a. a. O., 57), wie Schwöbel meint, ist eine andere Frage. 1023 M. Leiner rechnet zu den „sinnvolle[n] Elemente[n] dieses [konsensustheoretischen] Wahrheitsverständnisses“ vor allem drei Elemente: „Wahrheit wird nicht unabhängig von

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Pannenberg hat jedoch keine präzise und eindeutige Verhältnisbestimmung zwischen den Aspekten der Korrespondenz und des Konsensus vorgelegt. Seine verschiedenen Bemerkungen zum Thema ergeben ein alles andere als konsistentes Bild. Pannenbergs Modell der Koppelung der Korrespondenz- mit der Konsensustheorie zielte darauf ab, kurzschlüssige Alternativen zu vermeiden, erweist sich bei näherem Hinsehen aber selbst als allzu kurzschlüssig. Die Reflexion auf die aussagetheoretische Korrespondenzwahrheit verdeutlicht, dass mit Blick auf Wahrheit von einer Kokonstitutivität konsensueller Urteilsbildung keineswegs die Rede sein kann, d. h. von Konsensus und Korrespondenz nicht einfach leichtfertig als „einander wechselseitig“ erfordernden Aspekten gesprochen werden kann. Hinzu kommt, dass Pannenberg dies selbst nicht ernstlich intendiert haben dürfte. Dafür spricht, dass er zumeist korrespondentistisch denkt, und zwar so sehr, dass die eigene Fassung einer Kohärenztheorie davon stark gekennzeichnet ist: So hat Pannenberg in „Wa s i s t Wa h r h e i t ? “ (1962) bereits in seiner Kritik an I. Kant diesen Gedanken in der These formuliert, dass „die Übereinstimmung mit der außermenschlichen Wirklichkeit […] sich nicht zurückführen [lässt] auf die Übereinstimmung der Menschen untereinander“1024. Das geht tatsächlich nicht. Was hier angedeutet ist, konnte oben nachgewiesen werden, nämlich dass auch für Pannenbergs Theologie (wenn von manchen Ungereimtheiten abgesehen wird) gilt, dass korrespondenztheoretische Wahrheit durch das Objektkorrelat – also durch den Wahrmacher – hergestellt wird (s. o.). Als Beispiel sei hier wiederholt an Pannenbergs Bemerkungen zu der unabhängig von einem Konsensus bestehenden ‚ex sese‘-Wahrheit päpstlicher Lehrdefinitionen erinnert (s. o.). Aus manchen Ausführungen Pannenbergs, wie nicht zuletzt auch die Auseinandersetzung mit Habermas und Beckermann zeigt, lässt sich mehr oder weniger klar herauslesen, dass letztlich auch für Pannenberg der Korrespondenz die fundamentale Bedeutung beizumessen ist, während der Konsensus dagegen nur (im engeren Sinne) epistemische Relevanz genießt. Diesen Gedanken deutlich herauszustellen, wäre erforderlich gewesen. Eine begrifflich klare Unterinterpersonaler Zustimmung zugänglich, sie hat kulturelle und dialogische Momente.“ (so M. Leiner, Methodischer Leitfaden Systematische Theologie und Religionsphilosophie, 58f). Mir leuchtet nicht ein, wieso die Zugänglichkeit von Wahrheit nicht auch unabhängig von interpersonaler Zustimmung gedacht werden kann. Plausibler scheint mir der Gedanke der (unhintergehbaren) individuellen Perspektivitiät der Wahrheitserkenntnis bzw. -zugänglichkeit, sodass eine Bindung an die interpersonale Ebene gerade nicht entscheidend ist. Ebensowenig verständlich bleibt mir, wie die Elemente ‚kulturell‘ und ‚dialogisch‘ auf die Wahrheit selbst bezogen werden könn(t)en. Beide Aspekte wird man doch sinnvollerweise nur der Wahrheitserkenntnis attribuieren können. 1024 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 215. Von entscheidender Bedeutung ist, dass er in Gott die Voraussetzung und Möglichkeitsbedingung von Wahrheit im korrespondenztheoretischen Sinn sieht.

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scheidung zwischen Korrespondenz als der Definition bzw. Bedeutung von Wahrheit (aussagetheoretische Wahrheit) und dem Konsensus als epistemologisch relevantem, aber nicht immer unproblematischem Kriterium für Wahrheit wäre von Vorteil gewesen. Seine Rede von verschiedenen Aspekten, Momenten oder Dimensionen o. ä. erweist sich als unzureichend. Es hätte gezeigt werden können, dass der Konsensus – ganz im Unterschied zur Korrespondenz – niemals aussagetheoretische Wahrheit konstituieren kann; Bedeutung von und Kriterium für Wahrheit hätten auf diese Weise deutlich und nachvollziehbar klar unterschieden werden können.

3.4.3.4 Der Konsensus und das Wahrheitsproblem in Theologie und Kirche(-ngeschichte) Die epistemische Rolle des Konsensus bespricht Pannenberg in seiner Theologie auch abseits veritativer Theoriediskussionen. Von Bedeutung ist seine Behandlung des Konsensus anhand ausgewählter Versuche aus der Theologie- bzw. Kirchengeschichte, der Wahrheitsproblematik mit dem Konsensus-Ideal erfolgreich zu begegnen. Denkerisch nehmen seine Überlegungen dazu ihren Anfang in der Überzeugung von der Unmöglichkeit, die Wahrheit von vornherein als positive Gegebenheit zu behandeln. Als „[e]inen verhängnigsvollen Schritt“ stuft Pannenberg den vollzogenen Schritt zur „kirchenrechtlich (und reichsrechtlich) verbindliche[n] Festlegung der Dogmen“ ein, weil eine solche Festlegung „deren Wahrheit weniger voraussetzte als vielmehr fixierte“1025, anstatt den mit den Dogmen verbundenen Wahrheitsanspruch zu artikulieren und diesen aber dabei offenzuhalten. Er tadelt den „Versuch, die Wahrheitsfrage durch rechtliche Festlegung zu entscheiden [kursiv: T. L.]“ unmissverständlich „als Verirrung“1026. Und er nimmt deshalb an dieser Praxis Anstoß, weil dies nichts anderes bedeute als den zutiefst problematischen „Versuch, die Zustimmung zur Wahrheit kirchlicher Lehre durch rechtliche Festlegung und durch die Mittel staatlicher Gewalt [zu] erzwingen [kursiv: T. L.]“1027. (Die von Habermas mitbehandelte Problematik des Zwanges kehr, so scheint es, im hiesigen Argumentationszusammenhang auf ähnliche Weise wieder.) Pannenberg ist sich sicher: Der Glaubenszwang stellt, wie sich gezeigt habe, ein zur Klärung der Wahrheit (hier: von Dogmen) „nicht nur verwerfliches, sondern 1025 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 20. 1026 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 20. 1027 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 20. Pannenberg führt diesen Versuch seinerseits auf die aus seiner Sicht irrige Annahme zurück „man könne die eschatologische Wahrheit der Offenbarung Gottes in Jesus Christus auf eine ebenso endgültige, definitive Formel [kursiv: T. L.] bringen.“ (ebd.).

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auch für seinen Zweck ungeeignetes Mittel [kursiv: T. L.]“ dar1028. Nicht der Konsensus als brauchbares Wahrheitskriterium sei selbst schon kritikwürdig, sondern die Verknüpfung in der Anwendung des Konsensusgedankens im Zusammenhang mit Zwang: „Der Glaubenszwang ist der Versuch, den Konsens über die Wahrheit des Dogmas zu erzwingen und damit diese Wahrheit selber zu etablieren. Konsens kann nämlich als ein Kennzeichen der Wahrheit gelten, weil sich in der Übereinstimmung der Urteilsbildung die Allgemeinheit der Wahrheit ausdrückt [kursiv: T. L.].“1029 „Nur ein unabhängig von jedem Zwang [kursiv: T. L.] gebildeter Konsens kann aber als Kriterium der Wahrheit geltend gemacht werden.“1030

Wobei auch hier gelten dürfte, dass selbst die zwanglose Übereinkunft Wahrheit nicht verbürgen kann, wie Pannenberg im Rückgang auf Luhmann hervorhob (s. o.). Gleichwohl rechnet Pannenberg damit, dass die Wahrheit über den Weg der Konsensusbildung in Erscheinung tritt. Eine geeignete Anwendung des Konsensus als Wahrheitskriterium unter Absehung von Zwang sieht Pannenberg im „C o m m o n i t o r i u m “ des Vincenz von Lerinum auf klassische Weise in Anschlag gebracht: „So geschah es in der berühmten Formel von Vinzenz von Lerin in seinem Commonitorium pro catholicae fidei antiquitate et universitate aus dem Jahr 434: Zur Feststellung dessen, was katholische Lehre, also Dogma der ganzen Kirche sei, müsse man das festhalten, was überall, immer und von allen geglaubt worden ist (curandum est, ut id teneamus quod ubique, quod semper, quod ab omnibus creditum est, Kap. 2,5).“1031

Nun sei sich Vincenz darüber im Klaren gewesen, „daß es auf die Identität in der Sache, nicht in der Formulierung ankommt“, was bedeute, dass es (legitime) Fortschritte in Bezug auf Formulierungen gebe. Wenn das aber zugestanden werde, ergebe sich eine Schwierigkeit, die darin bestehe, „daß strittig wird, ob eine neue Formulierung die Identität des Glaubensgehaltes [kursiv: T. L.] wahrt oder nicht.“1032 Im Ergebnis entpuppt sich somit die Anwendung des Leriner Konsensuskriteriums als keinesfalls leicht: „Das Konsenskriterium [kursiv: T. L.] des Leriners zur Feststellung des einen göttlichen Dogmas gegenüber den vielerlei menschlichen Meinungen der Häretiker ist daher nicht leicht anwendbar. Die Behauptung der Identität des Glaubensinhalts trotz Änderung seiner Formulierung scheint noch einmal einer anderen Instanz zur Prüfung und Entscheidung zu bedürfen.“1033 Genau diesen Aspekt einer Ergänzung des Konsen1028 1029 1030 1031 1032 1033

W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 20f. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 21. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 21. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 21. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 21. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 21.

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sus durch Überprüfung hält Pannenberg für elementar. Immerhin sei es angesichts der erwähnten Anwendungsschwierigkeiten des Konsensuskriteriums „nicht verwunderlich, daß die römisch-katholische Kirche, deren Theologie sich seit dem 16. Jahrhundert auf Vinzenz von Lerin berufen hat, das Konsenskriterium durch die kirchliche Lehrautorität der Bischöfe und des Papstes [kursiv: T. L.] ergänzt hat.“1034 Eine solche Ergänzung ist für Pannenberg wenigstens grundsätzlich nachvollziehbar: „Wenn die Gemeinschaft der Bischöfe oder auch der Papst allein in ihrer Funktion als Repräsentanten der Gesamtkirche sprechen, dann bringen sie ja, so scheint es, deren Glaubenskonsens [kursiv: T. L.] kraft ihres Amtes zum Ausdruck. Darüber hinaus ist die Lehrautorität der Bischöfe und des Papstes lange im Sinne autoritativer Verbürung der Wahrheit des Dogmas durch das kirchliche Lehramt aufgefaßt [kursiv: T. L.] worden. So ist noch in den Texten des ersten Vatikanischen Konzils der Ausdruck fidei dogmata (DS 3017) auf die verbindlich vorgelegten Lehren der Kirche bezogen, die als von Gott offenbart zu glauben sind (DS 3011: . . .tamquam divinitus revelata credenda proponuntur).“1035

Pannenberg beklagt jedoch – und das ist der entscheidende Punkt seiner Kritik –, dass hier eine breite, von der Glaubensgemeinschaft her zu erfolgende (konsensuelle) Rezeption kirchlicher Lehraussagen unberücksichtigt bleibt, die ihrerseits einen/den von kirchlichen Würdeträgern in Anspruch genommenen als einen zugleich auch faktischen Konsensus aufgezeigt bzw. bestätigt hätte: „Vom Prozeß der Rezeption amtlicher Lehraussagen durch die Gesamtheit der Gläubigen als Kriterium für das tatsächliche Bestehen des Lehrkonsenses, den das kirchliche Lehramt zu formulieren beansprucht, ist in diesem Zusammenhang – im Unterschied zur Theologie der orthodoxen Ostkirchen – nicht die Rede [kursiv: T. L.].“1036

„Zum Glück“, meint Pannenberg, sei „die Angewiesenheit auf Rezeption aber auch nicht ausdrücklich ausgeschlossen worden.“1037 So könnten seiner Meinung nach dann auch die Lehraussagen, „die der Papst im Namen der Gesamtkirche kraft seines Amtes (ex cathedra) macht [und welche gemäß dem I. Vatikanum] aus sich selber und nicht erst aufgrund der Zustimmung der Kirche (ex sese, non 1034 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 21. 1035 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 21. Übrigens: Seit dem Aufkommen der historisch-kritischen Forschung besteht aus der Sicht Pannenbergs die Möglichkeit „autoritativer Wahrheitsverbürgung“ (W. Pannenberg, Die Vernünftigkeit der Vernunft als theologisches Problem, 74) nicht mehr: „Die Zeit ist heute vorbei, in der das Recht zum Glauben durch den Hinweis auf Autoritäten begründet werden konnte.“ (a. a. O., 75). 1036 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 21f. 1037 Pannenberg bezieht sich hier (d. h. in Anm. 18) nicht auf das I. Vatikanum, sondern auf „die Darstellung der katholischen Position in der Erklärung der Gemeinsamen römisch-katholischen und evangelisch-lutherischen Kommission über ‚Das geistliche Amt in der Kirche‘, 1981, 40.“ Vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 22.

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autem ex consensu Ecclesiae) gültig und unabänderlich seien (DS 3074) […] vielleicht restriktiv so auszulegen, daß solche Aussagen keiner formellen Bestätigung durch eine andere Instanz bedürfen“, was aus seiner Sicht die Tatsache eröffne, „daß erst der faktische Prozeß der Rezeption solcher Aussagen über ihren Stellenwert im Leben und Glaubensbewußtsein der Kirche entscheiden wird.“1038 Womit – so wird man sagen dürfen – freilich noch nichts über die (objektive) Wahrheit der jeweiligen Aussagen gesagt ist, weil diese – auch im Sinne Pannenbergs – doch nicht von der subjektiven Seite der Erkenntnisrelation – und es sei durch eine breite ‚katholische‘ Rezeption – konstituiert werden kann. (Dass der Stellenwert des entsprechenden Konsensus in der christlichen Kirche ein größerer ist, je größer die (konsensuelle) Rezeption ist, mag dagegen durchaus sein.) Die weiteren Überlegungen Pannenbergs lassen dagegen erneut erkennen, dass er dem Konsensus eine gewisse veritative Kraft abringen möchte: Für den Prozess der Rezeption nimmt Pannenberg an, dass die Wahrheit in ihrer Selbstevidenz in Erscheinung tritt. Indem sie erkannt und von den einzelnen Glaubenden einer Gemeinde geprüft und rezipiert wird, könne sich ein Wahrheitsanspruch bewähren1039. Solche Rezeption denkt Pannenberg universal, zumindest als auf die Gesamtchristenheit bezogen, jenseits aller konfessionellen Grenzen. Es müsse „in der Kirche immer wieder auch das Bemühen um den weltweiten Konsensus der Christenheit über ihren Glauben geben“, nach dem Vorbild der altkirchlichen, ökumenischen Konzilien1040. Gleichwohl werden auch hier die epistemischen Grenzen des Konsensuskriteriums benannt: „Allerdings kann auch ein faktisch bestehender Konsensus der Kirche (sei es zu einer gegebenen Zeit oder auch in zeitüberbrückender Kontinuität) nicht schon für sich allein hinreichendes Kriterium der Wahrheit einer Glaubenslehre [kursiv: T. L.] sein. Die Konsensustheorie der Wahrheit des Dogmas teilt die Schwächen einer bloßen Konsensustheorie der Wahrheit [kursiv: T. L.] überhaupt.“1041

Pannenberg exemplifiziert diese, in seiner „ S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ (1988) formulierte These mit dem Hinweis auf die oben ausführlicher dargelegte Kritik A. Beckermanns gegenüber Habermas’, wobei es ihm hier allein um das Problem möglicher Nichtunterscheidbarkeit von Wahrheit und Konvention zu gehen scheint1042. Jeder Konsens muss sich der kritischen Rückfrage konfrontiert 1038 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 22. 1039 Vgl. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 131. Es stellt sich allerdings die Frage, wie sich diese Einschätzung mit seiner Evidenz-Kritik an anderer Stelle widerspruchsfrei zusammendenken lässt. 1040 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 149. Hier stellt Pannenberg allerdings keinen (ausdrücklichen) Bezug zur Wahrheitsthematik her. 1041 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 22. 1042 D. h. es geht Pannenberg hier scheinbar nicht um die Problematik realistischer Intentionen

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sehen, wie er als Wahrheitskriterium von bloßer Konvention unterschieden werden kann: „Konsensus kann [kursiv: T. L.] Ausdruck und Zeichen für die Allgemeinheit der Wahrheit sein, [kann T. L.] aber auch Ausdruck bloßer Konvention [kursiv: T. L.] unter den Gliedern einer Gruppe, einer Gesellschaft, einer Kultur [sein].“1043

Was konsensuell als wahr gilt, muss noch lange nicht (an sich) wahr sein, weshalb dem Konsensuskriterium nach Meinung von Pannenberg erhebliche epistemische Grenzen beschieden sind: „Auch in solchen Fällen eines weitreichenden oder gar allgemeinen Konsenses ist der Konsensus noch kein hinreichendes Kriterium der Wahrheit.“1044 Pannenbergs Reserven gegenüber dem Verständnis des Konsensus als eines verlässlichen Wahrheitskriteriums liegen also vor allem im Rahmen einer reinen Konsensustheorie wie derjenigen Habermas’. Er schreibt: „Beckermann hat gezeigt, daß der Versuch von Habermas, ein Kriterium für die in Behauptungen beanspruchte Korrespondenz zu Sachverhalten [!] im Konsensus der Urteilenden zu gewinnen, über eine zirkuläre Argumentation nicht hinauskommt, weil Habermas auf den Begriff des „kompetenten“ Urteils rekurrieren muß, um einen sachhaltigen von einem bloß konventionellen Konsensus [kursiv: T. L.] unterscheiden zu können.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 22 Anm. 19). Pannenberg bezieht sich hier auf A. Beckermann, Die realistischen Voraussetzungen der Konsenstheorie von J. Habermas. Problematisch ist an diesen Bemerkungen freilich, dass er hier Habermas unterstellt, seine Behauptungen zielten auf aussagetheoretische Korrespondenzwahrheit ab. Dass Habermas dies gerade nicht intendierte, hat Pannenberg eigens und im Rekurs auf eben diesen Aufsatz von Beckermann seinerzeit selbst nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern auch kritisiert. Pannenberg selbst hatte in seiner Wissenschaftstheorie und Theologie dagegen noch zu Recht darauf hingewiesen, dass Habermas die Korrespondenztheorie ablehnte (vgl. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 205 Anm. 402). Siehe auch bes. a. a. O., 42f Anm. 62. 1043 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 22. Vgl. zu diesem Kritikpunkt auch die zur Illustration angeführten Beispiele auf der angegebenen Seite sowie W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 235. Das (nach wie vor starke) Argument, dass sich hinter der Konsensusbildung nur eine (mit der Wahrheit nicht in Verbindung stehende) Konvention verbergen könne, kehrt, wie sich zeigte, wiederholt wieder, nicht nur in Auseinandersetzung mit Habermas, sondern auch mit Blick auf die Anwendung des Konsensuskriteriums in kirchlichen Lehrfragen: „Ein faktisch festzustellender Konsensus kann bloße Konvention [kursiv: T. L.] sein und auf den Moden der Zeit oder auch auf traditionsbestimmten Denk- und Sprachgewohnheiten beruhen im Unterschied zum Evangelium. Umgekehrt kann auch der Widerspruch gegen die Lehrverkündigung der Kirche in solchen Gewohnheiten oder Neigungen gründen statt in der Bindung an das Evangelium.“ (W. Pannenberg, Bleiben in der Wahrheit als Thema reformatorischer Theologie, 127). 1044 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 22. Diese Einsicht in einen Grundsachverhalt veranschaulicht Pannenberg an gleich mehreren Beispielen: So habe sich etwa die lange Zeit als „unantastbare Wahrheit“ geltende Annahme, dass sich die „Erde im Zentrum des Universums“ befände, von der Neuzeit rückwirkend „als bloß konventionell erwiesen“. „Entsprechend galt noch dem Reformationszeitalter und dem frühen 17. Jahrhundert bei allen streitenden Religionsparteien die Einheit der Religion als unabdingbar für die Einheit der Gesellschaft, während diese Auffassung einer späteren Zeit als bloß konvetionelle Überzeugung erschien.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 22).

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in der Erkenntnis der prinzipiellen Unmöglichkeit einer konsensuellen Wahrheitsverbürgung begründet, was die Irrtumsanfälligkeit jedweden konsensuellen Urteilens deutlich ins Bewusstsein ruft. Von daher ergibt sich, dass in einigen Fällen auch mit der Möglichkeit sehr trügerischer, d. h. die (Korrespondenz-) Wahrheit nicht verbürgender, Konsense gerechnet werden muss: „Es ist sogar denkbar, daß gewisse Vorstellungsformen und Überzeugungen so tief in der menschlichen Natur verwurzelt sind, daß sie niemals überwunden werden, obwohl sie nicht der Wahrheit entsprechen [kursiv: T. L.].“1045

Die Rolle des Konsensus im Umfeld reformatorischer Theologie untersucht zu haben, ist ein weiteres Verdienst in Pannenbergs Auseinanderstzung mit der traditionsreichen Konsens-Idee. Seine Überlegungen setzen ein mit der zutreffenden Feststellung, dass „[d]er Gesichtspunkt des Konsenses […] auch im reformatorischen Verständnis kirchlicher Lehre eine wichtige Rolle gespielt [hat].“1046 Pannenberg erwähnt CA 7, worin „das consentire de doctrina evangelii et de administratione sacramentorum Inbegriff dessen [ist], was zur kirchlichen Einheit notwendig ist.“1047 Weil die lutherischen Bekenntnisse „durchweg auf einen gesamtkirchlichen Konsens über die Lehre des Evangeliums und die Verwaltung der Sakramente“ abzielten, beriefen sie sich „darum nicht nur auf die Schrift, sondern auch auf die Übereinstimmung mit der Lehre der Alten Kirche, vor allem mit dem Symbol von Nicaea und Konstantinopel (CA 1).“1048 Die sich hier für Pannenberg erhebende Frage ist die, ob diese Form der Konsensusbildung eine Nähe zur Konsensustheorie der Wahrheit aufweist, also der Konsensus auch möglicherweis hier als Wahrheitskriterium fungiert. Pannenberg verneint dies mit Recht: „Als Kriterium der Wahrheit der kirchlichen Lehre gilt allerdings nicht der Konsensus als solcher, sondern die Übereinstimmung mit der Lehre des Evangeliums [kursiv: T. L.].“1049

1045 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 22f: „Es gäbe dann eine unüberwindliche Befangenheit der ganzen Gattung, die deshalb unüberwindlich ist, weil sie in den Erbkoordinationen der Gattung angelegt ist. Eine solche Befangenheit würde aber auch durch den Konsensus aller Individuen noch nicht zur Wahrheit [kursiv: T. L.]. Im Falle des Christentums hat die Plausibilität christlicher Grundüberzeugungen sogar im abendländischen Mittelalter keinen so hohen Grad der Selbstverständlichkeit erreicht. Um so weniger kann der Konsensus der Christen untereinander als hinreichendes Wahrheitskriterium gelten [kursiv: T. L.], so bedeutsam und erstrebenswert der ökumenische Konsensus der Christen in anderer Hinsicht sein mag.“ (a. a. O., 23). 1046 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 23. Siehe dazu auch die Anmerkungen oben. 1047 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 23. 1048 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 23. 1049 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 23. Siehe zum Thema auch a. a. O., 23f.

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Pannenberg erkennt diesen Umstand treffsicher, sodass sich die Frage erhebt, ob mit solch einem stets auf Evangelium und Schrift hin bezogenen Konsensus (consensus de doctrina evangelii) „der Umkreis des [wahrheitstheoretischen] Konsensusgedankens grundsätzlich überschritten [kursiv: T. L.] ist:“1050 Was er damit meint, wird im Folgenden deutlich: Was „[d]as lutherische Konzept des consensus de doctrina evangelii“ betrifft, so lässt sich nämlich feststellen, dass das im Evangelium und in der Heiligen Schrift der Kirche enthaltene Gotteswort eine „normative Funktion“ aufweist1051. Pannenbergs zentrale These lautet, dass nicht etwa ein (kirchlicher) Konsens „Inhalt und Wahrheit des Dogmas […] begründet“, sondern genau umgekehrt „erst die Erkenntnis der Sache der Schrift den Konsens über sie hervor[ruft].“1052 Was hier über die Wahrheit des Dogmas im Besonderen gesagt wird, gilt auch allgemeiner: Keine Wahrheit ist vom Konsens abhängig, sondern umgekehrt ist jede Konsensbildung von der Wahrheit abhängig, an der jeder Konsens zu messen ist. (Analog dazu kann Pannenberg auch die Wahrheit des Evangeliums als aus sich selbst heraus [gewissermaßen ‚ex sese‘] bestehend behaupten, womit auch ihre Unabhängigkeit vom Rezeptionsprozess angegeben ist1053.) 1050 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 23. 1051 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 23f (zit. 23). Pannenberg bezieht sich in Anm. 20 hier auf die Ausführungen seines Lehrers E. Schlink, „Theologie der Bekenntnisschriften, 3. Aufl. 1948, 43–47, sowie 280f.“ (ebd.). 1052 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 26. Ähnlich – jedoch ohne Rekurs auf Pannenberg – urteilt U. Kühn (Evangelische Rezeption altkirchlicher Bekenntnisse. Am Beispiel des Projektes der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung „Auf dem Wege zu einem gemeinsamen Ausdruck des apostolischen Glaubens heute“, 653) zur Rezeption von CA 7: „Das bloß formale Zitieren des alten Bekenntnisses garantiert als solches die Wahrheit noch nicht.“ 1053 Er hält fest, dass „die Wahrheit des Evangeliums aus ihm selber heraus besteht und nicht erst durch seine Rezeption konstituiert wird.“ (W. Pannenberg, Bleiben in der Wahrheit als Thema reformatorischer Theologie, 133; siehe auch im identischen Aufsatz in W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 3, 353). Dieser Aufsatz kreist um das Thema des ‚Bleibens in der Wahrheit‘. Pannenbergs Ausführungen fördern allerdings Konfusionen, da er mit seinen Erwägungen zu dieser Formel verschiedene Fragen erörtert, indem er parallel mit verschiedenen Wahrheitsbegriffen hantiert: So legt er etwa dar, es gehe „[b]eim Bleiben in der Lehre des Evangeliums […] um das Bleiben in der Wahrheit Gottes und Christi [kursiv: T. L.]“ (W. Pannenberg, Bleiben in der Wahrheit als Thema reformatorischer Theologie, 133; siehe auch im identischen Aufsatz in W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 3, 353). Und hinsichtlich „der Frage nach der Verbindlichkeit kirchlicher Lehre als einem Bleiben in der Wahrheit des Evangeliums“ gehe es „primär um die christliche Identität der kirchlichen Lehre.“ (a. a. O., 133; siehe auch im identischen Aufsatz in W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 3, 354) Zugleich bedürfe es der Auseinandersetzung mit den „der Wahrheit des Evangeliums“ entgegenstehenden Wahrheitsansprüchen (a. a. O., 133; siehe auch im identischen Aufsatz in W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 3, 354). Onto-theologische Wahrheit und aussagetheoretische Wahrheit (Wahrheit des Evangeliums; Wahrheitsansprüche) treten unmittelbar nebeneinander. Das liegt daran, dass Pannenberg von der

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Von daher versteht sich, dass Konsensusbildung ein zur Zukunft hin offener Prozess ist, ein Weg, auf dem es Wahrheit zu finden gilt. Entsprechendes gilt Pannenberg zufolge für Auslegungs- bzw. Interpretationsprozesse. Sie finden kein schnelles Ende, sondern müssen nach Pannenbergs Dafürhalten immer wieder erneuert werden. Alle gewonnenen Erkenntnisse blieben zunächst vorläufig1054. Es könne allenfalls eine Art (Zwischen-)Ergebnis eines vorausgegangenen und noch nicht zum Abschluss gekommenen Erkenntnisprozesses erreicht werden; dieser diene der „Vergewisserung der intersubjektiven Identität der Sache“, die – wie Pannenberg es knapp zusammengefasst hat – als das in den neutestamentlichen Schriften bekundete Handeln Gottes in Jesus von Nazareth gefasst werden könne. Wenn auch die Auslegung weitergeht und auch zukünftig über den Sachgehalt diskutiert wird, so bleibt doch (nicht nur für Pannenberg) das Entscheidende, dass wie beim Prozess der Konsensusbildung und demjenigen der Rezeption, auch für den Prozess der Auslegung oder Interpretation die objektive Seite der Erkenntnisrelation (faktisch also ein Wahrmacher) maßstabsbildend bleibt für das Urteil über Wahrheit wie für die Wahrheit selbst1055. Pannenbergs Ausführungen zur Handhabe des Konsensus in der reformatorischen Tradition zeigen, dass diesem Gedanken insofern Rechnung getragen worden ist, dass der Konsensus auf als normativ erachtete Größen bezogen wurde, wie es z. B. der Konsensus hinsichtlich der Ursprünge kirchlicher Überlieferung und Lehrtradition belegt1056. Als wichtige Beobachtung ist zu notieren, Untrennbarkeit der hier angesprochenen, verschiedenen Fragestellungen ausgeht: Er meint, dass die Bewahrheitung der kirchlichen Lehrverkündigung „in Auseinandersetzung mit anderweitigen Wahrheitsansprüchen […] ein davon [d. h. „vom Bleiben in der Wahrheit des Evangeliums“ (a. a. O., 133; siehe auch im identischen Aufsatz in W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 3, 354) zu unterscheidendes Thema“ sei. Doch ließen „sich beide Fragen letztlich nicht trennen, weil Inhalt des Evangeliums die Wahrheit der Offenbarung Gottes in Jesus Christus [kursiv: T. L.]“ sei. Dass diese Wahrheit, wie er meint, bis zum Eschaton strittig bleibe (vgl. a. a. O., 133; siehe auch im identischen Aufsatz W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 3, 354), entspricht seiner Epistemologie und Ontologie. Doch ‚Wahrheit‘ scheint hier wiederum etwas Anderes zu bedeuten (z. B. Tatsächlichkeit?). Das ex sese-Wahrsein, das in dem hiesigen Zusammenhang ontologisch zu deuten ist, kann, wie oben dargelegt, auch korrespondentistisch interpretiert werden. So zeigte es sich bei Pannenberg und auch bei A. Kreiner. Ein anderes Beispiel für diesen Gedanken einer konsensuellen Einstimmung in eine als feststehend gedachte, also vorausgesetzte Wahrheit findet sich auch in Pannenbergs Rede von einem „Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre“ (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 298. (Bezug auf n 40 der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre). 1054 Vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 26. 1055 Siehe W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 25, zum Zitat auch schon oben. 1056 Diese Normativität der Relata, bezüglich derer die konsensuelle Übereinstimmung gefordert wird, zeigt sich auch dort, wo Pannenberg dies nicht explizit macht. Vgl. W. Pan-

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dass der Konsensus bei alledem eher die Funktion eines Einstimmens in (präsupponierte) Wahrheit eingenommen hat, diese aber niemals konstituiert hat. Vor allem darin dürfte mitbegründet sein, dass „[d]ie reformatorische Auffassung kirchlicher Lehre […] also keinen rein konsensustheoretischen Charakter [hat; kursiv: T. L.].“1057 Sie hat es in der Tat nicht. Das bedarf folgender Explikation: Man wird sogar sagen müssen, dass sie eher weit von der Konsensustheorie der Wahrheit entfernt ist. Denn die (zumindest) lutherische Konsensusbildung sollte ihrerseits nicht zur Wahrheitsfindung beitragen. Es ist nicht einmal so, dass diese Konsensusbildung für bestimmte Fragestellungen zur Wahrheitsfindung Anwendung gefunden hat. Die konsensuelle Übereinstimmung ist stets bezogen auf Größen wie Evangelium, Gotteswort oder die Schrift im Ganzen, deren Normativität und auch Wahrheit zuvor schon längst vorausgesetzt ist, wie Pannenberg an anderer Stelle zutreffend festhält. Er notiert, „daß das Evangelium selber wahr ist, das ist dabei eher schon vorausgesetzt.“1058 Der wahrheitstheoretische Konsensusgedanken ist hier nicht, wie Pannenberg fragt, „überschritten“ (s. o.), sondern – zumindest aus wahrheitstheoretischer Sicht – tendenziell eher „unterschritten“. Denn wenn wie hier Normativität und Wahrheit ohnehin als fixe, gleichsam feststehende Größen behandelt werden, dann ist die Rolle des Konsensus – im Unterschied zur philosophischen Konsensustheorie – nicht mehr eine epistemologische, also die des Wahrheitskriteriums, sondern lediglich die, eine gemeinsame Überzeugung übereinstimmend zur Geltung zu bringen1059, über deren (Korrespondenz-)Wahrheit freilich mittels nenberg, Systematische Theologie Bd. I, 23. Pannenberg reflektiert, hinsichtlich welcher Größen der Konsensusaspekt in kirchlichen Zusammenhängen in Anschlag gebracht wurde und wird: „Die Übereinstimmung mit dem Zeugnis der Schriften des Neuen Testaments ist ja jedenfalls auch Übereinstimmung mit der in diesen Schriften zum Ausdruck kommenden Lehre und Verkündigung der Urkirche [kursiv: T. L.]. Die Übereinstimmung mit dem biblischen Zeugnis [kursiv: T. L.] könnte also selbst noch im Sinne des Konsensusgedankens und zwar dann als hervorragendes Kriterium des Konsenses mit der kirchlichen Überlieferung von ihren Anfängen her verstanden werden. In diesem Sinne legte auch der Konsensusbegriff Vinzenz von Lerins in erster Linie Gewicht auf die Übereinstimmung mit dem Ursprung kirchlicher Lehrtradition in der Verkündigung der Apostel [kursiv: T. L.], wie sie in den neutestamentlichen Schriften ihren Niederschlag gefunden hat.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 23). Weil der Konsensus also nicht als Wahrheitskriterium herangezogen wird, wird auch der Abstand zu (modernen) Konsensustheorien der Wahrheit erkennbar. 1057 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 24. 1058 W. Pannenberg, Bleiben in der Wahrheit als Thema reformatorischer Theologie, 133; s. auch identischen Aufsatz in: W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 353. 1059 Darin gründet der elementare Unterschied zwischen einer kriteriologischen Konsensustheorie der Wahrheit und dem Gebrauch des Konsensusaspekts in der christlichen Theologie. Diese Einsicht hat neben Pannenberg auch schon A. Kreiner (Ende der Wahrheit?, 192–198) herausgestellt.

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konsensueller Übereinstimmung nicht mehr oder weniger gesagt werden kann: Ganz gleich in Bezug auf welche Inhalte, hinsichtlich derer Konsensus besteht, bleibt offen, ob sie tatsächlich mit der ontologischen Ebene korrespondieren. Jedenfalls kann kein Konsensus eine Wahrheit – auch nicht die (m. E. in formaler Hinsicht unklare) ‚Wahrheit der Offenbarung Gottes‘ – verbürgen1060. Hier manifestieren sich (erneut) die von Pannenberg erkannten Grenzen des Konsensuskriteriums. Hinzu kommt, dass der Umkreis der hinsichtlich der kirchlichen Lehre Übereinstimmenden faktisch begrenzt ist (auf die Glaubensgemeinschaft im weitesten Sinne), während die Konsensustheorie ihrem Anspruch nach mit der Anforderung eines auch diese Gruppe transzendierenden, möglichst universalen Konsensus verbunden ist. Anders ausgedrückt: Dass die hier skizzierte Form lutherischer Konsensusbildung nicht ernstlich zur Wahrheitsfindung gereichen könnte, zeigt sich m. E. darin sehr deutlich, dass der (im Hinblick auf die Weltbevölkerung) verhältnismäßig kleine Kreis der konsensuell Übereinstimmenden weit von der Idee des univeralen Konsensus entfernt ist.

3.4.3.5 Zwischenfazit Gezeigt worden ist, dass Pannenberg das Moment des Konsensus in seine Wahrheitskonzeption eingegliedert hat. Dies geschieht auf philosophischem Wege durch eine Auseinandersetzung mit der (frühen) Konsensustheorie von J. Habermas sowie durch Berücksichtigung der interpersonalen Verifikationstheorie nach W. Kamlah und P. Lorenzen (wobei Pannenberg auffallender- und bedauerlicherweise an keiner Stelle weder auf die einzelnen Theorieinhalte bei Habermas näher zu sprechen kommt und auch dessen neure Publikationen zum Thema nicht mehr sichtet und auch noch die Konzeption von Kamlah und Lorenzen nicht eingehender bespricht!). Neben dieses philosophische Sichtfeld, das Pannenberg nur eher streifend bearbeitet, tritt eine Argumentationslinie, die die Frage nach der Relevanz des Konsensus eher aus theologisch-kirchenhistorischer Sicht zu klären sucht. Die von Pannenberg gewonnene Einsicht ist im 1060 Man vgl. hierzu auch passenderweise Pannenbergs Illustration dieses Grundsachverhalts am Beispiel der Verkündigung und Rezeption der von ihm sog. „Wahrheit der Offenbarung Gottes“: „Doch die in der Welt bis zum Jüngsten Tage strittige Wahrheit der Offenbarung Gottes kann weder durch kirchliche Lehrverkündigung, noch durch die Rezeption der Gemeinde verbürgt werden. Sie wird in der Kirche geglaubt, und solcher Glaube ist schon vorausgesetzt, wo es innerhalb der Gemeinschaft der Kirche um die Übereinstimmung ihrer Lehre mit dem Evangelium geht.“ (W. Pannenberg, Bleiben in der Wahrheit als Thema reformatorischer Theologie, 133f bzw. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 354). Auch in W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 176 scheint die „Wahrheit der Offenbarung Gottes“ auf einem semantisch-ontologischen bzw. aussagetheoretischen Wahrheitsbegriff zu fußen – dort, insofern diese Wahrheit als Gegenstand exegetischer Bemühungen begriffen wird.

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Wesentlichen die, dass der Konsensus als Wahrheitskriterium durchaus brauchbar ist, er aber auch als Wahrheitskriterium weder Wahrheit verbürgen noch konstituieren kann, was selbst (inzwischen auch) innerhalb der theologischen Diskussionen des Verhältnisses von Konsensus und Wahrheit so etwas wie einen Konsensus darstellt1061. (Nebenbei bemerkt: Eine definitionale Konsensustheorie kommt freilich im Umfeld dieser Überlegungen Pannenbergs ohnehin nicht in Betracht). Pannenberg weist überzeugend im Rückgang auf A. Beckermann nach, dass die Habermas’sche Konsensustheorie der Wahrheit realistische Implikationen enthält, die die Korrespondenztheorie der Wahrheit erforderlich machen. Dass Pannenberg sich mit seinem angedeuteten Modell der Synthetisierung von korrespondenztheoretischer und konsensustheoretischer Wahrheit in Schwierigkeiten manövriert, bemerkt er allerdings nicht, ist aber möglicherweise als Resultat des (immer wieder in seiner Theologie anzutreffenden) und rundweg ehrenwerten Anliegens zu verstehen, verschiedene Ansätze konstruktiv zusammenzuführen, zumal – wie in diesem Fall – sich das damit verbundene, nicht minder ehrenwerte Anliegen mitausspricht, Wahrheit zum Gegenstand öffentlichen Diskurses werden zu lassen, wofür sich auch weitere Belege finden lassen1062. An den benannten Schwierigkeiten seines Vorgehens ändert dies 1061 So scheint dies etwa auch U. Kühn zu sehen, der mit Blick auf CA VII („consentire de doctrina evangelii“) festhält, dass „[d]as bloß formale Zitieren des alten Bekenntnisses […] als solches die Wahrheit noch nicht [garantiert].“ (U. Kühn, Evangelische Rezeption altkirchlicher Bekenntnisse, 653) Dass kein consentire eine Wahrheit garantieren könne, müsste m. E. jedoch – anders als im Text – deutlich festgehalten werden. H. Döring etwa betont und diskutiert die „Distanz zwischen Konsens und Wahrheit“, die allerdings überwunden werden müssten (So H. Döring, Müssen Spaltungen wirklich sein? Überlegungen zur theologischen Bewertung des ökumenischen Status quo, 612). P. Højen (Wahrheit und Konsensus, 150) wies auf die Möglichkeit hin, dass eine konsensuelle Majorität nicht zwangsläufig im Recht sein muss; auch eine Minderheit könne durchaus den wahren Konsensus vertreten. An der Problematik kommt auch nicht P. Scharr vorbei mit seinem Versuch, die Konsensustheorie für die Theologie dahingehend rehabilitieren zu wollen, dass das Konsensuskriterium selbst noch einmal verschärft wird. Scharr meint: „Bei der Wahrheitsfindung darf keine Zahlenmehrheit entscheiden: nur die qualifizierte Mehrheit, die durch Argumentation gewonnen wird, kann die Wahrheit verbürgen.“ (So P. Scharr, Consensus fidelium. Zur Unfehlbarkeit der Kirche aus der Perspektive einer Konsenstheorie der Wahrheit, 232). Freilich ist schon der Titel problematisch, insofern er suggeriert, Wahrheit habe etwas mit der Perspektivität ihrer Erkenntnis zu tun. Dies aber ist eine kategoriale Verwechslung zwischen der definitorischen Frage nach dem (formalen) Wahrheitsbegriff und der anderen, epistemologischen Frage nach (möglicher) Wahrheitserkenntnis. 1062 „Der Glaube an die wohltätige Wirkung freier, öffentlicher Diskussion lebt von dem Vertrauen, daß im freien Streit der Meinungen die Wahrheit sich am ehesten herausstellen wird.“ (Vgl. zum Zitat W. Pannenberg, Über Menschenwürde, persönliche Freiheit und Freiheit der Kunst – theologische Erwägungen aus Anlass des Falles ‚Mephisto‘, 145). Vgl. auch folgende Bemerkung: „Die christliche Überlieferung und ihre Wahrheit kann nicht zum Gegenstand von Mehrheitsentscheidungen werden, obwohl sie Sache der Diskussion und öffentlichen Urteilsbildung sein muß.“ (So W. Pannenberg in „Zehn Fragen an die

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freilich nichts. Nicht erst hier zeigt sich, dass eine eingehende Auseinandersetzung mit philosophischen Theorieentwürfen nicht nur sinnvoll gewesen wäre, sondern die oben benannten Probleme aufgrund des erhöhten Präzisierungsgrades vermutlich gar nicht erst hätten entstehen lassen. Mit dem Hinweis auf die (mögliche) Nicht-Unterscheidbarkeit zwischen bloßen konsensueller Konventionalismen einerseits und konsensueller Übereinstimmung in Bezug auf Wahrheit bei ‚reinen‘ Konsensustheorien deutet Pannenberg eine grundsätzliche Schwäche dieses Theorietyps an, die innerhalb der Theologie auch mit der Irrtumsanfälligkeit in Verbindung gebracht werden kann1063. Die von Pannenberg wiederholt angesprochene Problematik bloßer Konvention hat ihrerseits eine Ursache, die von Pannenberg nicht deutlich genug herausgestellt worden ist. Es ist der Umstand, dass Wahrheit in Konsensustheorien der Wahrheit wie etwa bei derjenigen von Habermas letztlich von der subjektiven Seite der Erkenntnisrelation konstituiert, statt von der objektiven (ontologischen) Seite her gewonnen wird und genau aus diesem Grund nicht nur grundsätzlich, sondern auch für die theologische Rezeption kaum geeignet sein dürfte: Es sollte sich von selbst verstehen, dass eine solche Sicht für einen theologischen Gebrauch erstrecht nicht in Frage kommen kann. Solche, von der subjektiven Seite der Erkenntnisrelation konstituierte Wahrheit liefe nämlich Gefahr nichts weiter als „Ergebnis, Resultat oder Produkt eines kommunikativen Verständigungsprozesses“1064 zu sein, wie A. Kreiner schon mit P. Knauer feststellte: „Nach der Wahrheit zu fragen, setzt auch im Kontext christlichen Glaubens die Bereitschaft voraus, sich an der objektiven Wirklichkeit orientieren zu wollen [kursiv: T. L.]. Die Konsenstheorie wird dieser Einsicht nicht gerecht. Letztlich tendiert sie in ihrer theologischen Adaption dahin, auch den zentralen Gegenstand christlicher Rede, die Wirklichkeit Gottes, als durch kommunikative Akte konstituiert zu denken. Aus diesem Grund kann die Konsenstheorie auch innerhalb der Theologie nicht beanspruchen, die Korrespondenztheorie ersetzen zu können.“1065

Kirche“, 78, dort im Zusammenhang der Demokratisierung innerhalb der Kirche, der er positiv gegenüber steht.) Die Kirche sieht er „mit dem Gedanken des allgemeinen Priestertums verknüpft“ (ebd.). 1063 Siehe dazu auch die Bemerkungen von Chr. Schwöbel (Art. Konsens I. Fundamentaltheologisch, 1610) zum Zusammenhang von Glaube, Evangelium, kirchlicher Lehre, Konsensus, Irrtum, Gewißheit und Gott als der Wahrheit. 1064 So deutlich A. Kreiner in seiner Kritik an der Habermas’schen Konsensustheorie, die aus o.g. Grund nicht für eine theologische Rezeption taugt. Siehe dazu A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 194. 1065 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 197. Dass Wahrheit nicht als vom Subjekt her entworfen gedacht werden darf, ergibt sich für Kreiner mit P. Knauer auch schon von daher, dass der Wahrheitsanspruch des christlichen Glaubens angemessen als „‚vom Hören kommend‘“ zu verstehen sei.

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Als definitorische Theorie der Wahrheit ist sie also keinesfalls geeignet. Kriteriologisch, wie Pannenberg zeigte, ist sie nur bedingt tauglich, da nicht wahrheitsverbürgend1066, allenfalls potentiell hilfreich bei der Wahrheitsfindung in Verbindung mit dem referentiellen Moment der Korrespondenz. Dieses ist aber derart grundlegend, dass es nicht wie bei Pannenberg auf eine Ebene mit dem Konsensus gestellt werden darf. Aber auch allgemeiner wird man sagen können, dass wie bei Pannenberg auch in anderen theologischen Inanspruchnahmen des Konsensusmodells im Zusammenhang mit der Wahrheitsfrage zugleich das Moment der Korrespondenz für die Gegenstandsbezogenheit zum Tragen kommt1067. Die Angewiesenheit auf aussagetheoretische Korrespondenz lässt sich sogar für den speziellen Status des Konsensusbegriffs in den reformatorischen Bekenntnisschriften behaupten, insofern dort die normativ vorausgesetzte Wahrheit des Evangeliums ihrerseits als eine strukturell aussagetheoretische /korrespondentistische zu interpretieren ist.

3.4.4 Kohärenz und die Kohärenztheorie der Wahrheit „On ne peut qu’ admirer la cohérence de Pannenberg, aussi sur le plan de la ‚récolte‘ des fruits de toute une vie théologique.“1068 „[T]he coherence theory is the most significant.“1069 „Pannenberg is quite clear that his theory of truth is going to be primarily a coherence theory“1070. 1066 Dazu passt auch schon die Kritik von H. Albert an der damaligen „Konsensus-Euphorie“; Albert betont zurecht, „daß echte oder auch scheinbare Übereinstimmung zwar beruhigend wirken mögen, daß sie aber keineswegs Wahrheitsgarantien mit sich bringen, nicht einmal in den vielberufenen idealen Kommunikationssituationen.“ (H. Albert, Traktat über kritische Vernunft, XII). 1067 Kreiner ist sogar der Meinung, dass der fundamentale Unterschied im Konsensusbegriff zwischen Habermas und theologischem Verständnis darin besteht, „daß das theologische Konsensmodell „weitgehend korrespondenztheoretisch interpretiert“ werde. Selbst für den Konziliarismus stelle der Konsens nicht den „Ort der Wahrheits-setzung, sondern der Wahrheits-findung“ dar.“ (So A. Kreiner mit W. Pauly. Siehe dazu A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 195). Man vgl. zu der bei Pannenberg nachgezeichneten Synthetisierung von Korrespondenz- und Konsensustheorie auch exempl. C. Schwöbel, der ebenfalls die für den Wahrheitsbegriff elementare Gegenstandsbezogenheit durch das Moment der Korrespondenz herausstellt, worauf auch eine kriteriologische Konsensustheorie der Wahrheit angewiesen sei. Er hält aus gutem Grund „die Korrespondenz zw. Aussage und Sachverhalt als Sinn des Wahrheitsbegriffs“ fest (C. Schwöbel, Art. Konsens II. Dogmatisch, 1612). 1068 K. Lehmkühler, Le théologien Wolfhart Pannenberg dans le contexte de la théologie protestante du XXe siècle, 425. 1069 S.J. Grenz, Reson for Hope, 15. Grenz beruft sich für seine These der herausragenden Bedeutung der Kohärenztheorie der Wahrheit auf Pannenberg. 1070 J.A. Stewart, Reconsctructing Science and Theology in Postmodernity, 33.

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3.4.4.1 Pannenbergs Interpretation der Kohärenztheorie der Wahrheit – ein Überblick Dem Kohärenzgedanken als solchem kommt bereits in frühen Publikationen basale Bedeutung zu – nicht zuletzt vermittelt durch die Einheitsthese. In Don H. Olives früher Darstellung der Theologie Pannenbergs aus dem Jahre 19731071 sind zwar die Bezüge zur Wahrheitsthematik spärlich. Doch bemerkenswert ist, dass Olive bereits zu diesem Zeitpunkt erkennt, dass die Aspekte Einheit, Konsistenz und Kohärenz für Pannenbergs Denken kennzeichnend sind1072. L.B. Puntel hat ebenfalls vergleichsweise früh (1976) die fundamentale Bedeutung der Kohärenz für Pannenbergs Theologie herausgestellt: „P.s Thesen bestätigen […], daß seine Gesamtkonzeption der Theologie einen Theoriebegriff impliziert, für den der Gedanke der Kohärenz die zentrale Rolle [kursiv: T. L.] spielt.“1073

Der Gedanke der Kohärenz ist in dieser Arbeit im Zusammenhang der Darlegung des veritativen Einheitsattributs, das die Kohärenz zu implizieren scheint, hervorgetreten. Auch im Kontext theologischer Verifikationsbemühungen ist der Aspekt der Kohärenz sichtbar präsent und wirksam. Unmittelbare Bedeutung gewinnt Kohärenz zunächst als das Wesen von Wahrheit, zugleich wird sie aber auch als Kriterium für Wahrheit angesehen und damit auch für die Beurteilung von Wahrheitsansprüchen relevant; sie fungiert also durchaus als ‚wahrheitstheoretisches Ideal‘ (Glimpel) 1074. Später hat Pannenberg die Bedeutung des Kohärenzgedankens deutlicher hervorgehoben und auch explizit formuliert. Seine Kohärenzbemühungen treten in seiner „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ unverstellt zu Tage. E. Jüngel will in diesem Werk sogar einen „unbändigen Integrationswillen“1075 erkennen.

1071 Vgl. D.H. Olive, Wolfhart Pannenberg, Waco 1973. 1072 Vgl, D.H. Olive, Wolfhart Pannenberg, 39. Die zentrale Bedeutung der Wahrheitsthematik im Denken Pannenbergs zeigt sich dagegen in unübersehbarer Deutlichkeit erst mit Erscheinen des ersten Bandes seiner Systematischen Theologie im Jahre 1988. Zur Wahrheit in ihrer Einheit und im Verhältnis zu Vernunft und Wissen in Pannenbergs früher Theologie siehe a. a. O., 37ff. 1073 L.B. Puntel, Wissenschaftstheorie und Theologie. Zu Wolfhart Pannenbergs gleichnamigem Buch, 292. 1074 C. Glimpel kritisiert „die Erhebung widerspruchsloser Kohärenz zu jenem wahrheitstheoretischen Ideal, das Pannenberg zur Norm theologischer Erwägungen erhebt.“ (Chr. Glimpel, Gottesgedanke und autonome Vernunft, exemplarisch 234 [zit.] u. 269). Die Formulierung ist allerdings tautologisch – Kohärenz umfasst immer schon Konsistenz (Widerspruchsfreiheit). 1075 Vgl. hierzu die (kritischen) Erwägungen von E. Jüngel, nihil divinitatis, ubi non fides, 225, deren Kontext hier unberücksichtigt (weil irrelevant) bleibt.

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Ausdrücklich versteht Pannenberg sein Wahrheitsverständnis als ein kohärenztheoretisches: „Was die Wahrheitstheorie betrifft, so bin ich für eine Kohärenztheorie der Wahrheit [kursiv: T. L.] eingetreten“1076.

Und so ist seine Wahrheitskonzeption auch verstanden worden: „[T]he coherence theory of truth […] lies at the foundation of the dogmatics.“1077

Auffallend ist, dass Pannenberg für sein eigenes, erklärtermaßen kohärenztheoretisches Wahrheitsverständnis sich nicht etwa auf bestimmte klassische kohärenztheoretische Modelle oder gar auf den Universalgelehrten G.W. Leibniz bezieht, dem zuweilem nachgesagt wird, der „Pioneer of the Coherence Theory of Truth“1078 zu sein. Allem (ersten) Anschein nach ist die Kohärenztheorie des USamerikanischen Philosophen Nicholas Rescher von Pannenberg beachtet worden. Immerhin hat Pannenberg wiederholt auf dessen 1973 erschienene und in den 1980er Jahren nachwirkende „T h e C o h e r e n c e T h e o r y o f T r u t h “ rekurriert1079. 1076 W. Pannenberg, Geschichtliche Offenbarung Gottes und ewige Trinität, 245, Anm. 19. 1077 So hinsichtlich der Dogmatik Pannenbergs zu Recht S.J. Grenz, Reason for Hope, 194. 1078 N. Rescher, Leibniz. An Introduction to his Philosophy, 130. Eine Rezeption der Leibniz’schen Kohärenztheorie mit ihrem Begriff der Kompossibilität hätte sich m. E. für Pannenbergs Anliegen angeboten, zumal sich bei Leibniz wie bei Pannenberg parallel korrespondentistische Elemente auffinden lassen (Siehe dazu A. Balestra, Kontingente Wahrheiten. Ein Beitrag zur Leibnizschen Metaphysik der Substanz, passim, bes. 68ff). Dass Leibniz tatsächlich Kohärenz postulierte, heißt noch nicht – worauf M. Albrecht mit Recht hinweist – dass er ein Vertreter der Kohärenztheorie der Wahrheit in dem Sinne ist, dass Kohärenz die Bedeutung von Wahrheit sein soll. Es lässt sich nämlich zeigen, dass Kohärenz (auch) als Wahrheitskriterium aufgefasst werden kann und der Aspekt der Korrespondenz in Leibniz‘ Wahrheitsverständnis eingeschlossen ist (vgl. M. Albrecht, Wahrheitsbegriffe von Descartes bis Kant, 240). Wie nahe beieinander kohärenz- und korrespondenztheoretische Entwürfe liegen können, zeigt sich etwa am Beispiel der Korrespondenztheorie A. Kreiners im Vergleich mit der (frühen) Kohärenztheorie N. Reschers: Für A. Kreiner ist Korrespondenz die Bedeutung von Wahrheit, während Kohärenz für die epistemologische Ebene – also als Kriterium der Wahrheit – durchaus eingeschlossen ist. Dies entspricht dem ersten Entwurf der ‚Coherence Theory of Truth‘ von N. Rescher! 1079 So die Einschätzung von E.M. Pausch (Wahrheit zwischen Erschlossenheit und Verantwortung, 81). An folgenden Stellen verweist Pannenberg auf die Kohärenztheorie von Nicholas Rescher (in chronologischer Reihenfolge): W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 235f, W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen (173) u. 174f, sowie W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 63. Die m. E. zutreffende Einschätzung Pauschs passt auch zu dem Befund, dass Pannenberg ab Ende der 1970er Jahre mehrfach auf Reschers Theorie hingewiesen hat. Die Konsensustheorie der Wahrheit wirkte dagegen ganz besonders in den 1970er Jahren (vgl. E. M: Pausch, Wahrheit zwischen Erschlossenheit und Verantwortung, 81), weshalb sie von Pannenberg womöglich bereits in seiner ‚Wissenschaftstheorie und Theologie‘ von 1973 Berücksichtigung gefunden hat. Das Kohärenzideal dagegen gewann erst später erneut und zunehmend an erkennbarer Bedeutung in der veritativen Diskussion.

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Zudem hat Pannenbergs Münchner Kollege vom Fachbereich Philosophie, Lorenz B. Puntel, bemerkt, dass Pannenberg der Kohärenz bereits in seiner „Wi s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d T h e o l o g i e “ in kriteriologischer Hinsicht entscheidende Bedeutung beimesse, wodurch sich eine Nähe zur Theorie N. Reschers ergibt1080. Darum wird im Folgenden ganz besonders Pannenbergs Auseinandersetzung mit der Kohärenztheorie nähere Betrachtung finden. Zu klären sind vorrangig die Fragen, inwiefern Pannenberg als (bekennender) Vertreter eines kohärenztheoretischen Wahrheitsverständnisses gelten kann und welche Bedeutung die Kohärenztheorie Reschers im Denken Pannenbergs hat, zumal bislang noch keine eingehende Auseinandersetzung mit dem Kohärenzgedanken innerhalb der Theologie Pannenbergs erfolgt ist1081. Eigenschaften, Funktion und Bestimmung des Kohärenzbegriffs verdienen in diesem Zusammenhang besondere Aufmerksamkeit. Es zeigen sich eine Reihe von Besonderheiten und Eigentümlichkeiten, die in vielen Hinsichten signifikante Unterschiede zwischen seiner eigenen Kohärenztheorie der Wahrheit und derjenigen N. Reschers (wie im Übrigen auch zwischen anderen klassischen Kohärenztheorien) erkennen lassen, woraus sich die Frage ergibt, ob Pannenbergs Wahrheitsverständnis möglicherweise überhaupt berechtigt als ein kohärenztheoretisches Konzept behauptet werden kann. Um Antworten auf diese Fragen zu finden, scheint mir eine weitere grobe Unterscheidung sinnvoll. In Fragen formuliert: – [1] Welche Bedeutung misst Pannenberg der Kohärenztheorie (N. Reschers) im Begriff der Wahrheit bei (kriteriologisch, definitorisch, ontologisch)? – [2] Wie involviert Pannenberg in seiner Theologie das Moment der Kohärenz? Erste Konturen einer Antwort auf die erste Frage ermöglicht ein Blick in den Aufsatz „Wa h r h e i t , G e w i ß h e i t u n d G l a u b e “ (1978). Darin geht Pannenberg u. a. auf philosophische Wahrheitstheorien ein. In einer sehr knapp gehaltenen Skizzierung der philosophischen Korrespondenz-, Konsensus- und Kohärenztheorie scheint seine Sympathie für die Kohärenztheorie der Wahrheit 1080 Vgl. dazu L.B. Puntel, Wissenschaftstheorie und Theologie. Zu Wolfhart Pannenbergs gleichnamigem Buch, 271–292, bes. 279ff. Pannenberg hat diese Einschätzung Puntels bestätigt: „L. B. Puntel hat mit Recht festgestellt, daß meine Ausführungen in diesem Punkt der 1973 von N. Rescher erneuerten Kohärenztheorie der Wahrheit nahestehen […], obwohl ich diesen Ausdruck nicht verwendet und die entsprechende Wahrheitstheorie nicht systematisch entfaltet habe.“ (Vgl. W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 174). 1081 Gleichwohl ist man sich darüber im Klaren, dass das Moment der Kohärenz zentrale Bedeutung bei Pannenberg genießt. Siehe dazu exemplarisch die entsprechenden Bezugnahmen auf Pannenberg bei A. Kreiner (Ende der Wahrheit?, 285ff u. 568) sowie die knappen Hinweise bei Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 66 u. 479.

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unverstellt. Er erwähnt „das gewichtige Buch von N. Rescher (The Coherence Theory of Truth, Oxford 1973)“1082 und interpretiert sodann die Kohärenztheorie der Wahrheit (N. Reschers?) folgendermaßen: „Die Kohärenztheorie verbindet den Konsensusaspekt der Wahrheit, sowie die eng damit verwandte Forderung nach der Übereinstimmung aller partikularen Wahrheiten untereinander, mit dem Gesichtspunkt der Einheit von aussagendem Subjekt und Gegenstand der Aussage. Sie stellt dabei die Korrespondenz von Subjekt und Gegenstand wieder unter die Bedingung der Einheit des Gegenstandes selber. Damit stellt sie den Anschluß an diejenige Dimension des Wahrheitsproblems wieder her, die für das altgriechische und auch für das alttestamentliche Verständnis von Wahrheit maßgebend ist, in beiden Traditionen aber auch den Vorrang des Gottesgedankens für das Wahrheitsverständnis begründet hat.“1083

Aus dem Zitat ergeben sich unmittelbar eine Reihe von wichtigen Beobachtungen, Feststellungen und offenen Fragen, die im Zusammenhang der zu erörternden Frage nach Pannenbergs Verständnis der Kohärenztheorie der Wahrheit sehr aufschlussreich sind: – Es fällt schnell auf, dass Pannenberg weit entfernt ist von einer gründlichen, eingehenden oder auch angemessenen Rezeption der Kohärenztheorie der Wahrheit N. Reschers1084. (Entsprechendes gilt im Übrigen auch für alternative kohärenztheoretische Entwürfe und auch im Besonderen für die semantischontologische Theorie seines Münchner Kollegen Puntels, die in gewissem Sinne auch als eine Weiterführung der Kohärenztheorie Reschers gelten kann.1085) Diese eher ernüchternde Feststellung muss geradezu erstaunen – hat Pannenberg doch als Hochschullehrer die Lektüre der entsprechenden Werke von N. Rescher und L.B. Puntel den Studierenden zur Lektüre empfohlen1086 und mit Puntel auch gemeinsame Lehrveranstaltungen angeboten1087. Die sich hier erhebende Frage, welche Bedeutung der Theorie Reschers für Pannenbergs Wahrheitsverständnis zukommt, scheint hier vorläufig dahingehend zu beantworten zu sein, dass ein Einfluss von Seiten Reschers – wenn überhaupt – 1082 Vgl. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 236. Zur Kohärenztheorie vgl. auch 235. 1083 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 236. 1084 Hans-Martin Rieger (Theologie als Funktion der Kirche, 166f, Anm. 115) scheint dies nicht bemerkt zu haben. Er schreibt, Pannenberg knüpft „an die modifizierte Kohärenztheorie von N. Rescher […], welche Konsens- und Korrespondenzaspekt miteinander verbindet, vgl. ebd., 62f; ders., Antwort, 173f., und schon ders., Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 235f.“ Pannenberg suggeriert zwar mit seinen eigenen Bemerkungen, an Rescher anzuschließen, tut dies tatsächlich jedoch eher weniger als mehr. Überdies wird von Rescher der Kohärenz-Aspekt mit dem Korrespondenzaspekt verbunden! 1085 Siehe dazu v. a. L.B. Puntel, Grundlagen einer Theorie der Wahrheit. 1086 Das bestätigte mir am 22. April 2010 in einem persönlichen Gespräch in Tübingen Chr. Landmesser. Ihn habe Pannenberg auf entsprechende Werke aufmerksam gemacht. 1087 Darüber informierten mich W. Dietz und J. Lauster.

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ein nur sehr begrenzter sein kann. Es drängt sich hier der Eindruck auf, der an seine oberflächliche Auseinandersetzung mit der Korrespondenz- und Konsensustheorie erinnert. Auch bei seiner Erörterung dieser Theorien ist er mit Ausnahme von J. Habermas auf keine ihrer Vertreter näher eingegangen. Sollte auch für die Kohärenztheorie der Wahrheit gelten, dass Pannenberg offensichtlich nur an grundsätzlichen Einsichten interessiert ist? Von vorrangiger Bedeutung ist aber die Frage, inwieweit die zitierten Ausführungen Pannenbergs als konform mit der Kohärenztheorie der Wahrheit gelten können. Gleich mehrere Auffälligkeiten können hier namhaft gemacht werden: – Als klärungsbedürftig erweisen sich schon die ersten Worte des Satzes. Was meint Pannenberg mit „Die [Kursiv: T. L.] Kohärenztheorie“? Ist mit dem bestimmten Artikel die Kohärenztheorie im Allgemeinen gemeint oder will Pannenberg sich hier auf die Theorie in ihrer speziellen Ausprägung bei Rescher beziehen? Ganz gleich jedoch, wie die Frage beantwortet wird (von ihm), bleiben hier Ungereimtheiten. Denn – legt man seine Ausführungen als Maßstab zugrunde – ergibt sich keinerlei Kongruenz mit bekannten Kohärenztheorien. Richtiger wird man in seiner Skizze das genuin Pannenberg’sche Verständnis der Kohärenztheorie erkennen dürfen, dem allenfalls Konvergenzen zu den übrigen Kohärenztheorien der Wahrheit eignen. Und es gibt weitere Eigentümlichkeiten seines Verständnisses der Kohärenztheorie: – So ist es etwa – gelinde gesagt – ungewöhnlich, wenn nicht sogar äußerst eigentümlich, als Aspekte die Korrespondenz und den Konsensus in die Kohärenztheorie mit aufzunehmen. Zwar mag man mit Puntel und Pannenberg annehmen, dass auch im Fall der Kohärenztheorie das Moment der Gegenstandskorrespondenz als der Bedeutung von Wahrheit vorausgesetzt wird oder faktisch vorausgesetzt werden muss1088, doch ist an dieser Stelle nochmals zu betonen, dass die Kohärenztheorie entwickelt worden ist, um bestimmten Schwierigkeiten, denen man die Korrespondenztheorie konfrontiert sah (s. o.), zu entgehen. Vertreter der Kohärenztheorie, die sich vor allem in den 30er Jahren des 20. Jh.s mit Verteidigern der Korrespondenztheorie in heftige Dispute verwickelten, verstanden sich als Antipoden und vice versa. Auch die Konsensus- und die Kohärenztheorie der Wahrheit stehen üblicherweise in Konkurrenz zueinander. Es ist hier noch einmal daran zu erinnern, dass nach dem Verständnis ihrer Vertreter die jeweiligen (klassischen) Wahrheitstheorien (Korrespondenz-, Konsensus- und Kohärenztheorie) in der Regel als Alternativen zueinander verstanden werden, nicht also einfach (und scheinbar allzu selbstverständlich) zu synthetisieren oder integrieren sind.

1088 Vgl. den Tenor bei W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 173.

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– Eher untypisch für (zumindest die modernen) Kohärenztheorien ist Pannenbergs Vorstellung, dass es bei ihr um alles Wahre in seiner ontologischen Kohärenz oder um die geforderte Übereinstimmung partikularer Wahrheit gehe. Denn (zumindest die modernen) Kohärenztheorien verorten die Kohärenz (wenigstens primär) auf der sprachlichen Ebene – in Satzsystemen, nicht auf der ontologischen Ebene. Pannenberg involviert dagegen nicht nur die ontologische Ebene, er legitimiert die Kohärenzbildung erst von ihr her: Die Einheit auf ontologischer Seite – bspw. im Gegenstand – soll als Maßstab für einheitliche Kohärenzbildung mit dem Ziel der Korrespondenz sein. Das Wahre (die Wahrheit) erscheint als Seiendes, analog etwa zu Augustins Rede von Wahrheit/dem Wahren als dem id quod est1089, sodass dann Pannenberg in einem weiteren Schritt – ganz im Sinne des Kohärenz-Prinzips der Ontologie – für die Wahrheit die Zusammenstimmung alles Wahren annimmt. Zur vertiefenden Betrachtung und Aufarbeitung der Pannenberg’schen Kohärenzkonzeption bedarf es zunächst einer Betrachtung von Kohärenztheorien der Wahrheit im Allgemeinen. In einem zweiten Schritt wird die Kohärenztheorie N. Reschers skizziert. In einem folgenden dritten Schritt wird Pannenbergs Interpretation der Kohärenztheorie mit dieser und anderen Theorien konfrontiert, um so zu Pannenbergs kohärenztheoretischem Wahrheitsverständnis mit all seinen Eigentümlichkeiten vordringen zu können. 3.4.4.2 Zur Struktur und Eigenart von Kohärenztheorien im Allgemeinen1090 Wie in modernen philosophischen Wahrheitstheorien überhaupt üblich, involviert auch die Kohärenztheorie der Wahrheit die Frage nach der Wahrheit von Aussagen. Im Unterschied aber zu der den subjektiven und zugleich objektiven Bereich umgreifenden Korrespondenztheorie der Wahrheit wird die Kohärenztheorie der Wahrheit häufig als reine subjektivitätstheoretische, subjektimmanente Theorie interpretiert, für die dann zwei Grundeigenschaften kennzeichnend sind. Erstens wird mit ihr die Wahrheitsfrage allein auf der sprachlichen Ebene, d. h. innerhalb des subjektiven Bereichs von Aussagen, erörtert. Wegen des bewussten Verzichts auf das Moment der Referenz auf die ontologische Ebene (Wirklichkeit, Welt o. ä.) kann sie zweitens als eine subjektimmanente, der 1089 Pannenberg bezieht sich darauf (referatsartig) in W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 62, dort mit Hinweis auf dessen Soliloquia II,5. 1090 Zu den Grundcharakteristika der Kohärenztheorie im Besonderen sowie zu den im 20. Jh. entwickelten und (auch gegenwärtig) diskutierten Entwürfen siehe L.B. Puntel, Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie. Eine kritisch-systematische Darstellung, bes. 172–204, F.F. Schmitt (Hg.), Theories of Truth, bes. 77ff und K. Gloy, Wahrheitstheorien, 168–187.

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Korrespondenztheorie alternativ gegenüberstehende, ja als eine mit ihr und anderen Wahrheitskonzeptionen konkurrierende, Theorie gelten1091. Diese Charakteristik kennzeichnet auch prominente(re) Kohärenztheorien, dere klassische Varianten aus zwei unterschiedlichen Traditionen entstammen: Eine Traditionslinie entstammt der idealistischen Tradition (1); zu ihr werden die Ende des 19. Jh.s im angelsächsischen Raum erstmals auftretenden modernen Kohärenztheorien (F.H. Bradley, Ewing [England], Campbell [Schottland] und Blanshard [USA]) gerechnet. Hinzu kommt die logisch-empiristische Variante (2) (z. B. O. Neurath) 1092. Die viele Kohärenztheorien kennzeichnende Subjektimmanenz ergibt sich durch einen bewussten Verzicht darauf, sich auf die ontologische Ebene zu beziehen. Fast mustergültig zeigt sich das an den vielbeachteten Andeutungen zu einer Kohärenztheorie durch den logischen Empiristen O. Neurath: „Aussagen werden mit Aussagen verglichen, nicht mit ‚Erlebnissen‘, nicht mit einer ‚Welt‘, noch mit sonst etwas. Alle diese sinnleeren Verdoppelungen gehören einer mehr oder minder verfeinerten Metaphysik an und sind deshalb abzulehnen. Jede neue Aussage wird mit der Gesamtheit der vorhandenen, bereits miteinander in Einklang gebrachten, Aussagen konfrontiert. Richtig heißt eine Aussage dann, wenn man sie eingliedern kann. Was man nicht eingliedern kann, wird als unrichtig abgelehnt.“1093 1091 K. Gloy etwa ordnet die Kohärenztheorie unter die subjektimmanenten Wahrheitstheorien ein. Vgl. K. Gloy, Wahrheitstheorien, 168ff. Vgl. ferner ihre instruktiven Ausführungen zu den drei Grundtypen des Wahrheitsbegriffs, die sie anhand verschiedener erkenntnistheoretischer Grundpositionen und den dabei jeweils verbundenen unterschiedlichen Betonungen oder Präferenzen in Bezug auf die Erkenntnisrelate festmacht (vgl. a. a. O., 67ff): 1) Präferenz der objektiven Seite, 2) Präferenz der subjektiven Seite, 3) Subjekt- und Objektrelat werden gleichrangig behandelt. Wenn auch von den Vertretern der Korrespondenztheorie vielfach der Verzicht auf den Korrespondenzaspekt gefordert wird, so bleibt doch fraglich, ob dieser Verzicht sinnvollerweise durchgehalten werden kann. Die Subjektimmanenz gängiger Kohärenztheorien wird auch in der Kurzdefinition von Kohärenztheorien durch D.-M. Grube (Art. Kohärenz, 1471f) augenfällig: „K. ist grundsätzlich eine syntaktische Relation, die zw. verschiedenen Propositionen, nicht jedoch zw. Propositionen und Wirklichkeit gilt.“ (a. a. O., 1471). Gegen die Verbindung von Kohärenz- und Adäquations-/Korrespondenzbegriff spricht allerdings deren mögliche Inkompatibilität, sodass zu fragen ist, ob die Proponenten sich „in interne Widersprüche und Inkonzinnitäten“ verstricken, wie beispielsweise K. Gloy (Wahrheitstheorien, 168) meint. 1092 Vgl. ausführlicher zur Kohärenztheorie der Wahrheit und ihren Varianten L.B. Puntel, Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie, 172–204 sowie auch K. Gloy, Wahrheitstheorien, 168–187. Zur Diskussion speziell der Theorie O. Neuraths, ihrer Rezeption durch C.G. Hempel und ihrer Gegenüberstellung zu den alternativen korrespondenztheoretischen Positionen von R. Carnap und M. Schlick siehe L.B. Puntel, Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie, 172–182 sowie K. Gloy, Wahrheitstheorien, 175–183. Pannenberg ist sich der beiden Traditionen (der idealitischen und logisch-empiristischen) bewusst (vgl. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 235), geht allerdings – wie sich noch zeigen wird – an keiner Stelle auf einen bestimmten kohärenztheoretischen Entwurf näher ein – auch die Erwägungen zu Rescher bleiben letztlich eher an der Oberfläche. 1093 O. Neurath, Soziologie im Physikalismus, in: Erkenntnis 2 (1931), 403/ alternativ: O.

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Im Hintergrund steht die Vorstellung, dass die objektiven Dinge auf der ontologischen Ebene – die Erkenntnisgegenstände – an sich nicht zugänglich seien, sondern ausschließlich in Form der Erkenntnis vorhanden seien. Deshalb kann nach Neurath – aber nicht nur Neurath zufolge – Wahrheit nur in der Übereinstimmung einer Aussage mit anderen Aussagen gesehen werden1094. Es liegt auf der Hand, dass Vertreter der Kohärenztheorien der Wahrheit darum oftmals eine größere Distanz zum Wirklichkeitsverständnis des Realismus haben – in mehrerlei Hinsicht: „Wenn gezeigt wird, daß wir sozusagen im Netz der Sätze gefangen sind und unsere Sätze nicht mit der Wirklichkeit konfrontierbar sind, sondern immer wieder nur mit andern Sätzen, dann liegt es nahe, Wahrheit als Übereinstimmung zwischen Sätzen, d. h. als Kohärenz und nicht als Übereinstimmung der Sätze mit der Wirklichkeit zu verstehen. […] Die Kohärenztheorie wird vielmehr begünstigt durch die stark anti-realistische oder idealistische Tendenzen in der Ontologie und Erkenntnistheorie.“1095

Das Prädikat „wahr“ kann nach Ansicht von Kohärenztheoretikern nicht einfach auf isolierte Aussagen bezogen werden. Es müssen Aussagen, um berechtigt als wahr prädiziert werden zu können, integrierbar sein in einen Komplex von Aussagen, wie schon Neurath dies (in seinen rudimentären Erwägungen) gefordert hatte. Kohärenztheoretische Ansätze teilen „die Überzeugung, dass Wahrheit „is not a content-to-world relation“, sondern „a content-to-content, or belief-to-belief, relation“.“1096. „Eine Aussage ist dann und nur dann wahr, wenn sie mit anderen wahren Aussagen in einem logisch kohärenten Verhältnis steht.“1097 In Bezug auf einen Glauben hängt die Wahrheit dann davon ab, dass er „als Teil eines kohärenten Systems von Glaubensannahmen oder Aussagen bzw. deren propositionalen Gehalten auftritt.“1098 Die Frage, ob Kohärenz als das Definiens von Wahrheit oder als Kriterium für Wahrheit oder aber Kohärenz als beides zu gelten habe, ist in den bisherigen kohärenztheoretischen Entwürfen teilweise offen geblieben oder unterschiedlich beantwortet worden1099.

1094 1095 1096 1097 1098 1099

Neurath, Gesammelte philosophische und methodologische Schriften, Bd. 2, 541. Zu Neuraths Wahrheitsverständnis (im Kontext des Wiener Kreises) vgl. auch die informativen Ausführungen von A. Beckermann, Wittgenstein, Neurath und Tarski über Wahrheit, 529–552. Vgl. dazu die kurze Skizze bei K. Gloy, Wahrheitstheorien, 168–170. A. Rust, Wo Wahrheit zum Problem wird, 149. H. Schulz, Einleitung, 5. Schulz zitiert hier M. Glanzberg. Chr. Schwöbel, Die Wahrheit des Glaubens im religiös-weltanschaulichen Pluralismus, 49. So zu Recht H. Schulz, Einleitung, in: Marburger Jahrbuch Theologie XXI (Wahrheit), 5. Bei F.H. Bradleys auf Konsistenz und Umfassendheit (comprehensiveness) beruhender Kohärenztheorie (F.H. Bradley, Essays on Truth and Reality, 203) bleibt unklar, ob Kohärenz nur ein Kriterium für Wahrheit ist (etwa neben der Korrespondenz) oder dagegen als das einzige Kriterium zu gelten habe, sodass sie mit der Definition von Wahrheit

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Wenn Kohärenz als das Definiens von Wahrheit verstanden wird, ergibt sich folgendes Bild: „Kohärenz als Definiens von Wahrheit bedeutet im allgemeinsten Sinne die Einordnung einer Aussage in ein Aussagesystem, die Verträglichkeit einer Aussage mit allen anderen. Kohärenz heißt die Fähigkeit einer Aussage, sich in ein System von Aussagen integrieren zu lassen, mit den übrigen Aussagen kompatibel zu sein. Die Wahrheit einer Aussage im Sinne der Kohärenztheorie besteht darin, daß sie sich widerspruchslos mit den übrigen Aussagen des Systems verbindet.“1100

Eine Kohärenztheorie der Wahrheit, welche in diesem Sinne in der Kohärenz das Definiens von Wahrheit sieht, tritt zur Korrespondenztheorie in Konkurrenz, da diese in der Korrespondenzrelation die Definition von Wahrheit (und teils auch ihr Kriterium) sieht1101. Es hat in der Tat das kohärenztheoretische Wahrheitsprogramm dort seinen Ausgangspunkt genommen, wo man verschiedentlich Schwierigkeiten mit der Korrespondenztheorie zu erkennen glaubte. So besteht etwa ein gewichtiges Argument gegen eine (kriteriologische) Korrespondenztheorie darin, dass sie sich nicht auf Tatsachenwahrheiten in der Vergangenheit anwenden lasse: Denn eine Übereinstimmung historischer Urteile zusammenfiele (vgl. dazu auch K. Gloy, Wahrheitstheorien, 171). Dass diese Frage unbeantwortet bleibt, zeigt sich auch daran, dass für ihn Kohärenz zum einen als Testkriterium für Wahrheit fungiert, daneben aber auch der Realität zugeschrieben wird (vgl. F.H. Bradley, Essays on Truth and Reality, 203). Die sich daraus ergebende weitere Frage, ob Wahrheit und Wirklichkeit zusammenfallen, bleibt ebenfalls unbeantwortet. Siehe dazu auch F.H. Bradley, Appearance and Reality. A Metaphysical Essay, 414ff sowie 460ff. Siehe auch K. Gloy, Wahrheitstheorien, 171f. Mit Gloy wird man annehmen dürfen, dass ein solches Zusammenfallen dann plausibel anzunehmen ist, wenn Kohärenz als das Wesen von Wahrheit gelten darf. Der Amerikaner B. Blanshard führt den (speziell auch für Pannenbergs kohärenztheoretisches Wahrheitsverständnis) wichtigen Nachweis, dass Kohärenz sowohl Definiens als auch Kriterium für Wahrheit ist (s. u.). N. Rescher hatte dagegen in seiner ersten Version der Kohärenztheorie für die Fassung von Kohärenz als Wahrheitskriterium optiert, in der Korrespondenz dagegen das Definiens von Wahrheit gesehen (s. u.). Anders dürfte es aussehen, wenn eine definitorische Verbindung von Kohärenz- und Adäquations-/Korrespondenzbegriff angestrebt wird. Die hartnäckig sich haltende Rückfrage bleibt, ob die Proponenten für eine solche Option sich „in interne Widersprüche und Inkonzinnitäten“ verstricken, wie beispielsweise K. Gloy (Wahrheitstheorien, 168) meint. 1100 K. Gloy, Wahrheitstheorien, 168. An späterer Stelle wird allerdings zwischen Kohärenz und Widerspruchsfreiheit (Konsistenz) noch unterschieden werden. 1101 Zur Rivalität zwischen definitionaler Kohärenz- und ebensolcher Korrespondenztheorie siehe auch die folgende Bemerkung von A. Kreiner (Ende der Wahrheit?, 289f): „Unter der Voraussetzung, daß die Kohärenztheorie eine Theorie des Wesens oder der Natur von Wahrheit darstellt, die die korrespondenztheoretische Vorstellung einer Relation zwischen den Dingen selbst und unseren Vorstellungen über die Dinge gerade unterminieren will, müßte auch ihre theologische Relevanz anders als bisher bewertet werden. Anders als bei Rescher gehört das dezidiert definitionale Selbstverständnis zum unverzichtbaren Grundanliegen jener Kohärenztheorie, die sich als kompromißlose Rivalen zur Korrespondenztheorie verstehen. Danach besteht die Wahrheit einer Proposition in nichts anderem als ihrer Kohärenz mit anderen Propositionen.“

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wie beispielsweise dasjenige, das die Ermordung Caesars am 15.3.44 v. Chr. feststellt, mit Tatsachen erscheint unmöglich, da diese Tatsachen gar nicht mehr bestehen, sodass man auf die Kohärenztheorie angewiesen sei, die eine Gesamtschau, eine Universalkohärenz von Tatsachen, biete, in die ein einzelnes historisches Urteil eingeordnet werden könne1102. Analoges gelte für Urteile, die die Zukunft betreffen1103. Vielfach wird die als Einsicht interpretierte Auffassung geltend gemacht, eine Übereinstimmung zwischen der sprachlichen und der außersprachlichen Ebene sei nicht möglich. Dieser Gedanke lässt sich exemplarisch an einer Bemerkung O. Neuraths zeigen: „Man kann zwar mit einem Teil der Sprache über den anderen sprechen, man kann sich aber nicht über die Sprache als Ganzes sozusagen von einem ‚noch-nicht-sprachlichen‘ Standpunkt aus äußern […]. Man kann auch nicht die Sprache als Ganzes mit den ‚Erlebnissen‘ oder mit der ‚Welt‘ oder mit einem ‚Gegebenen‘ konfrontieren. Jede Aussage von der Art: ‚Die Möglichkeit der Wissenschaft beruht auf einer Ordnung der Welt‘, ist daher sinnleer. […] Wir können nicht als Aussagende gewissermaßen eine Position außerhalb des Aussagens einnehmen und nun gleichzeitig Ankläger, Angeklagte und Richter sein.“1104

Aus der ernüchternden Einschätzung folgt das geläufige kohärenztheoretische Programm, die Frage nach der Wahrheit von Aussagen allein auf einer innersprachlichen Ebene per kohärente Systemanstrengungen klären zu wollen. 3.4.4.3 Elementaria der Kohärenztheorie der Wahrheit nach N. Rescher (1973) Anders dagegen präsentiert sich Nicholas Reschers frühe und von Pannenberg zur Kenntnis genommene kohärenztheoretische Konzeption. Seinen groß angelegten Entwurf der Kohärenztheorie der Wahrheit hat Rescher 1973 unter dem Titel „T h e C o h e r e n c e T h e o r y o f T r u t h “ veröffentlicht1105. Seine Kohärenztheorie versteht er als eine kriteriologische Wahrheitstheorie, die der Frage nachgeht, welche Kriterien im Rahmen rational verantworteter Verwendung des Ausdrucks ‚ist wahr‘ für Propositionen angewandt werden können; er grenzt sie ab von den definitionalen Theorien, die darauf abzielen anzugeben, was der 1102 Siehe zu dieser Kritik der kriteriologischen Korrespondenztheorie mit dem Hinweis auf B. Blanshard in The Nature of Thought K. Gloy, Wahrheitstheorien, 172. 1103 Vgl. K. Gloy, Wahrheitstheorien, 172. 1104 O. Neurath, Soziologie im Physikalismus, in: Erkenntnis, Bd. 2 (1931), 396f. 1105 N. Rescher, The Coherence Theory of Truth, Oxford 1973. Vgl. dazu ferner die grundrisshaften Darstellungen seiner Kohärenztheorie bei L.B. Puntel (Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie. Eine kritisch-systematische Darstellung, 182–204 [inkl. Kritik]), A. Kreiner (Ende der Wahrheit?, 270–284 [Kritik ab 278ff]) und Chr. Landmesser (Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 43–70) sowie in sehr knapper Form bei K. Gloy (Wahrheitstheorien, 184–187).

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Ausdruck ‚ist wahr‘ bedeutet1106. Es gehört zur Grundeigentümlichkeit seiner (frühen Fassung der) Kohärenztheorie, dass der korrespondentistische Gegenstandsbezug (ad rem) nicht verabschiedet wird. Genauer gesagt operiert Rescher im Horizont seiner kriteriologischen Kohärenztheorie mit einer definitionalen Korrespondenztheorie: Wahrheit bedeutet also auch für Rescher Übereinstimmung mit Tatsachen, sodass er insgesamt zwei Wege beschreitet – die sog. „definitional route“ und die „criterial route“1107. Das Moment der Kohärenz spielt zunächst noch nicht in definitorischer Hinsicht, sondern nur in kriteriologischer Hinsicht eine Rolle1108, was darauf zurückzuführen sein dürfte, dass Rescher 1973 noch die Vorstellung einer kohärenten Realität als „metaphysical doctrine“ kritisiert und als letztlich völlig bedeutungslose Vorstellung abgetan hatte1109. 1106 Siehe dazu Reschers Unterscheidung zwischen definitorischen und kriteriologischen Theorien der Wahrheit in: N. Rescher, The Coherence Theory of Truth, 1ff. 1107 N. Rescher, The Coherence Theory of Truth, 1. 1108 Insofern Rescher im Rahmen der ersten Fassung seiner Kohärenztheorie in der Kohärenz ausschließlich ein Wahrheitskriterium (also nicht auch zugleich das Wesen der Wahrheit) erkannt hat, stellt sich freilich die Frage, ob es sich hierbei überhaupt um eine Wahrheitstheorie im eigentlichen Sinne handelt oder ob hier nicht durch die getroffene kriteriologische Einschränkung nicht vielmehr die (klassische) Kohärenztheorie in ihrer Substanz bedroht ist und so Reschers Ansatz nicht viel eher als „Theorie der rationalen Akzeptanz von Geltungsansprüchen“ (A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 283) zu verstehen ist um demnach auf dem Gebiet der Epistemologie anzusiedeln ist, wie A. Kreiner (Ende der Wahrheit?, 272ff, insbes. auch 279 u. 283f) in seiner Kritik im Anschluss an L.B. Puntel nicht zu Unrecht angemerkt hat. Später – im Gespräch mit L.B. Puntel – kommt Rescher zu einem anderen Ergebnis. Vgl. dazu N. Rescher, Wahrheit als ideale Kohärenz, 284–297. Während Rescher zuvor in The Coherence Theory of Truth noch B. Blanshards These, wonach Kohärenz nicht nur Wahrheitskriterium, sondern auch die Natur bzw. das Wesen von Wahrheit sei, kritisierte, vermeidet Rescher die Inkonsistenz seiner früheren Kohärenztheorie im o.g. Beitrag dadurch, dass er die Übereinstimmung von Kohärenz als Wahrheitskriterium mit dem definitionalen Wesen von Wahrheit behauptet, allerdings einräumt, dass dies nur der Fall sei, sofern es sich dabei um ideale Bedingungen – das sind eine optimale Kohärenz mit vollendeter Datenbasis – handelt. Weil faktisch keine vollständige Datenbasis zu erreichen ist, bleibt es auch hier bei dem Unterschied zwischen „mutmaßlicher“ und „gesicherter“ Wahrheit (a. a. O., 297), was zeigt, dass Kohärenz Wahrheit nicht garantieren kann. Siehe zu seinem Verständnis von vollendeter Datenbasis N. Rescher, Wahrheit als ideale Kohärenz, 284ff. Siehe zu weiterer Kritik an Rescher auch A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 280ff. Die Einsicht Reschers, dass Kohärenz sowohl als Kriterium für Wahrheit als auch als Definition von Wahrheit gelten kann, wird für Pannenbergs Argumentation noch wichtig (s. u.). Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass Rescher ungeachtet dieser neuen Einsicht weiterhin am Korrespondenz bzw. Adaequationsaspekt von Wahrheit festhält, indem er den Realitätsstatus von Sachverhalten (d. h. die Annahme, dass die Sachverhalte Konstituenten der realen Welt sind) weiterhin über die Übereinstimmungsrelation (in Form der adaequatio ad rem) fasst. Demnach besteht (nur) für den Idealfall eine „Äquivalenz von Wahrheit-als-adaequatio und idealer Kohärenz“ (N. Rescher, Wahrheit als ideale Kohärenz, 293). Vgl. ferner die Bemerkungen zur Entwicklung in N. Reschers Kohärenztheorie von Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 51ff. 1109 Vgl. dazu N. Rescher, The Coherence Theory of Truth, 234f.

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Grundsätzlich hat Reschers Kohärenztheorie von 1973 mit älteren kohärenztheoretischen Entwürfen gemein, dass Kohärenz als Wahrheitskriterium fungiert – nicht jedoch zur Bedeutung (d. h. zum Begriff) der Wahrheit gerechnet wird. Diese definitorische Frage wird bei ihm mit der Korrespondenztheorie beantwortet, deren Daseinsberechtigung er damit unterstreicht1110. Dass die Bedeutung von Wahrheit, die Rescher in einer Korrespondenzrelation sieht, s.E. der Ergänzung durch eine kriteriologische Kohärenztheorie bedarf, ergibt sich für ihn dadurch, dass die Korrespondenztheorie in eben dieser kriteriologischen Hinsicht sich als unzureichend erweist, insofern bei bestimmten Aussagen (beispielsweise bei Allaussagen oder historischen Aussagen) die Korrespondenztheorie kriteriologisch nicht angewandt werden könne, also nicht einfach Beobachtungen mit der Wirklichkeit oder irgendwelchen Tatsachen verglichen werden könnten1111. Dem Kriterium der Kohärenz kommt so die fundamentale Aufgabe zu, im Entscheidungsfindungsprozess, bestimmte Wahrheitsansprüche (und zwar in Gestalt von Propositionen) rational zu rechtfertigen, damit sie im korrespondenztheoretischen Sinne als wahr behauptet werden können. Das Kriterium der Kohärenz hat bei Rescher den Zweck rationaler Legitimation (rational warrant). Die Kohärenz fungiert hier nicht als ein garantierendes (guaranteeing) Kriterium, sondern – in seiner Leistungsfähigkeit begrenzt gedacht – als ein legitimierendes (authorizing) Kriterium, das bei seiner Anwendung „presumptive assurance“ zu erzeugen, nicht aber eine Garantie zu geben vermag1112. Eine weitere Begrenzung nimmt Rescher vor, indem er das Kohärenzkriterium nicht als universales Kriterium ausgibt, sondern als sog. partial criterion zur ausschließlichen Aufdeckung von Tatsachenwahrheiten (truths of fact) einführt; logische Wahrheiten werden von der Anwendung der proponierten Kohärenzkriteriologie exkludiert1113. Analog zu geläufigen kohärenztheoretischen Entwürfen (s. o.) wird auch von Rescher die Wahrheitsfrage auf der Ebene des Systems von Aussagen zu beantworten gesucht, was der Grundcharakteristik von Kohärenztheorien entspricht. Hiermit sind üblicherweise zwei Annahmen verbunden, nämlich einmal die, dass

1110 Vgl. N. Rescher, The Coherence Theory of Truth, 5ff, dort diskutiert er die Stärken und Schwächen der Korrespondenztheorie. Für diese, Reschers (frühe) Variante der Kohärenztheorie ist Korrespondenz die Bedeutung von Wahrheit, nicht jedoch ein Wahrheitskriterium, was Rescher aus mehreren Gründen zunächst noch ablehnt (s. u.). Auf diese elementare Einsicht wird an späterer Stelle zurückzukommen zu sein. 1111 N. Rescher, The Coherence Theory of Truth, 7–9. 1112 Siehe ausführlicher N. Rescher, The Coherence Theory of Truth, insbes. 4 (zit.). 1113 Vgl. N. Rescher, The Coherence Theory of Truth, exempl. 45

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die wahren Propositionen „in einer logischen Beziehung zueinander oder Abhängigkeit voneinander stehen und somit eine umfassende Einheit bilden.“1114 Allerdings zeigen sich in seiner Wahrheitstheorie eine Reihe von Besonderheiten, die es nachfolgend darzustellen gilt: Dem Kohärenzsystem misst Rescher eine rein epistemologische Bedeutung bei, d. h. es sind mit ihm keine ontologischen Implikationen hinsichtlich der Beschaffenheit der Wirklichkeit in ihrer Totalität oder Ganzheit verbunden (etwa in der Form, dass die Realität in ihrer Totalität und Einheit als im kohärenten Zusammenhang zueinander stehende (Bestand-Teile) gedacht würde) 1115. Des Weiteren setzt sich bei Rescher ein System aus einer Vielzahl an Propositionen, genauer aus Daten (data), zusammen. Solche Daten sind besondere Propositionen, für die aufgrund bestimmter Gründe Aussicht auf Wahrheit besteht. Propositionen als Daten fungieren so als Wahrheitskandidaten (truthcandidates). Einzelne Daten gelten zunächst nicht als an sich wahr, sondern lediglich „as potentially or presumptively true“1116. Eine Entscheidung über die Frage, ob bestimmte Propositionen überhaupt als Daten gelten können, kann jedoch nicht über eine isolierte Betrachtung der einzelnen Propositionen erfolgen, sondern erst kontextuell, also im Verbund mit anderen Propositionen in einer Daten-Familie („group of data“1117). Es macht geradezu den Prozess der Wahrheitsfindung aus, dass die einzelnen Daten als Wahrheitskandidaten innerhalb einer Datenfamilie in den Blick genommen werden, sodass es möglich werden soll, bestimmte Daten auszuschließen und andere beizubehalten. Mithilfe der Kohärenzanalyse gilt es, die einzelnen Daten auf einen systematischen Zusammenhang hin zu befragen. Genügen beispielsweise bestimmte Daten in ihrem systematischen Zusammenhang den von Rescher gestellten KohärenzAnforderungen, werden diese Daten als wahr qualifiziert. Rescher stellt nun fest, dass alle Data zusammen genommen eine inkonsistente Menge bilden. Das eröffnet einerseits die Möglichkeit, mehrere verschiedene, aber jeweils geschlossene Datenmengen (als Untermengen) zu bilden. Andererseits verdeutlicht sich hier, wodurch der Prozess der Wahrheitsfindung erschwert wird: Wenn mit Rescher angenommen wird, dass Wahrheit nur auf Grund einer (einzigen) in sich kohärenten Datenmenge zu behaupteten ist, erhebt sich die Frage, welcher Datenmenge der Vorzug zu gewähren ist. Rescher führt zur Lösung weitere Parameter ein, die über den Aspekt der Konsistenz 1114 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 275. 1115 Vgl. N. Rescher, The Coherence Theory of Truth, 169 und 234ff, bes. 235f. gegen die Annahme, die Wirklichkeit selbst sei kohärent. 1116 N. Rescher, The Coherence Theory of Truth, 54. Zu den Propositionen als Daten und Wahrheitsträger vgl. insbes. N. Rescher, The Coherence Theory of Truth, 53–70. 1117 N. Rescher, The Coherence Theory of Truth, 55. Zum Konzept der data s. a. a. O. insbes. 53– 70.

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hinaus eine begründete Auswahl einer bestimmten Datenmenge ermöglichen sollen: Die elementaren Parameter, die seinen Begriff der Kohärenz ausmachen, sind insbesondere die Comprehensiveness (Umfassendheit), Consistency (Konsistenz) und Cohesiveness/ unity (Zusammengefügtheit) 1118: Comprehensiveness (Umfassendheit) 1119 Rescher unterscheidet hier zunächst zwischen einer externen und einer internen Umfassendheit. – Die externe Umfassendheit liegt vor, wenn alle als relevant eingestuften data Berücksichtigung finden. – Interne Umfassendheit sieht Rescher für den Fall gegeben, dass aus der Gesamtdatenmenge die größtmögliche Datenmenge als wahr gelten kann. – Die interne Umfassendheit weist nach Rescher drei Gesichtspunkte auf: o 1) inferential closure (inferenzielle Geschlossenheit): § Für eine bestimmte Menge M gilt inferenzielle Geschlossenheit, wenn die in diesem System enthaltenen Propositionen zudem auch alle die ihnen eigenen logischen Konsequenzen enthält. o 2) logical inclusiveness (logische Eingeschlossenheit): § Sie liegt vor, wenn eine bestimmte Menge M alle Sätze der Logik (mit)enthält. o 3) logical completeness (logische Vollständigkeit): Hinsichtlich dieser Forderung unterscheidet Rescher zwischen beschränkter und unbeschränkter Vollständigkeit: § 1) unrestricted or saturated completeness (unbeschränkte Vollständigkeit): • Mit unbeschränkter Vollständigkeit meint Rescher, dass die Menge M der wahren Propositionen entweder eine Proposition selbst oder ihr kontradiktorisches Gegenteil beinhaltet. Rescher hat für seine Kohärenztheorie nicht den Anspruch erhoben, dass sie diese Bedingung erfüllen müsse. In einer schwächeren Form forderte er aber Vollständigkeit ein: § 2) restricted completeness (beschränkte Vollständigkeit) 1120: • Beschränkte Vollständigkeit meint, dass unter bestimmten Standardbedingungen die Menge M der wahren Propositionen entweder die Proposition P oder deren kontradiktorisches Gegenteil enthält, wobei Standardbedingungen meint, dass die fragliche Proposition P zur Ausgangsdatenmenge gehört und die Applikation des Kohärenzkriteriums nur zu einer einzigen in sich konsistenten Untermenge 1118 Vgl. dazu N. Rescher, The Coherence Theory of Truth, 169ff. 1119 Vgl. dazu N. Rescher, The Coherence Theory of Truth, 169–173. 1120 Vgl. dazu N. Rescher, The Coherence Theory of Truth, 170–172.

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führt. Idealerweise treffen beide Bedingungen zu. Da normalerweise in der Wissenschaft aber mehrere, verschiedene konsistente Datenmengen gebildet werden können, ergibt sich für Rescher, dass das Gesetz vom ausgeschlossenen Dritten und das Bivalenzprinzip für den Regelfall in der Wissenschaft nicht gelten kann. Consistency (Konsistenz, Widerspruchsfreiheit) 1121 Mit dem Postulat der Konsistenz schließt Rescher die Möglichkeit logischer Widersprüche aus. Das bedeutet konkret, dass in einer Datenmenge M keine Proposition enthalten sein darf, in welcher zugleich auch ihr kontradiktorisches Gegenteil enthalten ist. Cohesiveness / unity (Zusammengefügtheit, Zusammenhängendheit) 1122 Mit der Cohesiveness der Wahrheit bringt Rescher den Aspekt der Kohäsion und Einheit einer Menge M zum Ausdruck. Hier ist die Vorstellung leitend, dass wahre Propositionen ein zusammengefügtes Ganzes und so eine Einheit bilden. Rescher fordert, dass jede der wahren Propositionen mit mindestens einer der weiteren Propositionen innerhalb dieser Propositionenmenge logisch verknüpft ist. Aus der kontextuellen Bestimmung von Wahrheit resultiert, dass die Menge M keine Propositionen enthält, die in Unabhängigkeit von den übrigen Propositionen als Grundlage für das Ableiten von anderen Wahrheiten fungieren könnten. Mit der Logik der Kohärenz und den zu ihr gehörenden Aspekten (s. o.) sind die Anforderungen an die Auswahl von Propositionen sehr hoch1123. Und doch kann es auch bei Anwendung der oben skizzierten Aspekte des Kohärenzbegriffs im wissenschaftlichen Alltag zu Schwierigkeiten im Wahrheitsfindungsprozess kommen. Denn es ist das Szenario denkbar, dass trotz der Berücksichtigung der von Rescher beschriebenen Anforderungen in Bezug auf die Kohärenzbildung mehrere Mengen gebildet werden können. Es zeigt sich hierbei, dass mit der Logik der Kohärenz eine abschließende Entscheidung zugunsten einer einzigen Propositionenmenge nicht möglich ist. Es bedarf nach Rescher darum zusätzlich außerlogischer Überlegungen, die eine Entscheidung zugunsten einer einzigen konsistenten Propositionenmenge rechtfertigen. Rescher nennt fünf Methoden, die eine begründete Auswahl ermöglichen sollen; jede Wahl einer dieser fünf Optionen ist eine Entscheidung, die zugunsten eines von Rescher sog. Präferenzkriteriums (P) ausfällt.

1121 Vgl. dazu N. Rescher, The Coherence Theory of Truth, 172. 1122 Vgl. dazu N. Rescher, The Coherence Theory of Truth, 173–179. 1123 So auch Chr. Landmessers Einschätzung: Vgl. Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 62.

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1) Propositional Pivot-Points (Propositionale Angelpunkte) 1124 Es wird davon ausgegangen, dass im Fall einer inkonsistenten Datenmenge angenommen wird, dass es gewisse äußere Gründe gibt, die für die Ablehnung einer bestimmten Folgerung P sprechen, sodass darin dann ein Maßstab für die Präferenzentscheidung zugunsten einer der maximal konsistenten Untermengen gefunden werden kann. • 2) Majority Rule (Mehrheitsregel) 1125 Es kann unter bestimmten Umständen vernünftig sein, derjenigen maximal konsistenten Untermenge den Vorzug zu gewähren, welche mehr Elemente der Menge M enthält als die anderen Untermengen. • 3) Probabilistic Preference (Probabilistische Präferenz) 1126 Wenn in Bezug auf die maximal konsistenten Untermengen der Grad ihrer Wahrscheinlichkeitswerte bekannt ist, kann diese Information als Grundlage für eine Präferenzentscheidung zugunsten einer bestimmten Untermenge herangezogen werden. • 4) Plausibility (Plausibilität) 1127 Ein Wissen über die Plausibilität einzelner Propositionen kann zur Entscheidung zugunsten einer der maximal konsistenten Untermengen verhelfen. • 5) Pragmatic Approach (Pragmatisches Verfahren) 1128 Es genießt diejenige Untermenge den Vorzug, deren Nützlichkeit eine größere ist.

Genügt ein System diesen hier skizzierten Kriterien, gilt es als wahr. Rescher selbst hält die pragmatische Methode (5) für am plausibelsten. Dass Rescher an diesem wichtigen Punkt seine Wahrheitstheorie pragmatisch ausrichtet, ist vor dem Hintergrund „der pragmatischen und lösungsorientierten Zielsetzung von Wissenschaft“ zu verstehen, wie Rescher sie versteht1129. Die pragmatisch-lösungsorientierten Ausrichtung seiner Theorie steht in engem Zusammenhang damit, dass er seine Wahrheitstheorie jedoch nur in den Naturwissenschaften angewandt wissen will. Überhaupt wird von Rescher der Wissenschaftsbegriff allein auf die Naturwissenschaften begrenzt – die Bereiche Ästhetik, Ethik und Theologie werden von Rescher ausgegrenzt1130.

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Vgl. dazu N. Rescher, The Coherence Theory of Truth, 99–103. Vgl. dazu N. Rescher, The Coherence Theory of Truth, 103f. Vgl. dazu N. Rescher, The Coherence Theory of Truth, 104–111. Vgl. dazu N. Rescher, The Coherence Theory of Truth, 111–114. Vgl. dazu N. Rescher, The Coherence Theory of Truth, 130–140. Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 65. Vgl. N. Rescher, Methodological Pragmatism, 290ff; siehe dazu auch die Ausführungen von Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 66f.

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3.4.4.4 Die Synthese von Kohärenz, Korrespondenz und Konsensus im Begriff der Wahrheit Die obigen Ausführungen zu verschiedenen Theorien der Wahrheit und ihrer Rezeption im Denken Pannenbergs bilden einen soliden Erkenntnis- und Wissenshorizont, um nun den von Pannenberg vorgelegten formalen Wahrheitsbegriff gründlich in den Blick nehmen zu können. Dass dieser auf der Kohärenz fußt, gehört mit zu den Grundeigentümlichkeiten seines Wahrheitsverständnisses, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass – wie bereits gesehen – auch andere Aspekte eine tragende Rolle spielen. 3.4.4.4.1 Der synthetische Begriff der Wahrheit und seine Merkmale So ist zum einen richtig, dass Pannenberg am Moment der Gegenstandskorrespondenz besonderes Interesse gezeigt hat1131. Richtig ist aber auch, dass ihm „gar nichts daran [liegt], dieses Moment der Gegenstandskorrespondenz im Wahrheitsbegriff auf Kosten anderer Momente zu betonen.“1132 Diese anderen Momente sind der Konsensus und die Kohärenz1133, die schließlich durch Verknüpfung mit dem Gottesgedanken zu einem originellen, strukturell synthetischen Wahrheitsbegriff führen, dessen theologische Herkunft unverkennbar ist und hier in seinen Teilen Gegenstand einer näheren Untersuchung wird. Von besonderer Wichtigkeit für Pannenbergs Wahrheitsverständnis sind seine Ausführungen im ersten Band seiner „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “. Sie bilden diesbezüglich gewissermaßen so etwas wie den locus classicus1134. Dort legt er sein Verständnis des (formalen) Wahrheitsbegriffs vor1135. Er plädiert darin – 1131 Vgl. dazu G. Sauter, Überlegungen zu einem weiteren Gesprächsgang über „Theologie und Wissenschaftstheorie“, 163f. 1132 W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 173. 1133 Siehe dazu nur exempl. W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 173ff. 1134 F. LeRon Shults, The Postfoundationalist Task of Theology, 126. 1135 Pannenberg gebraucht daneben den Ausdruck ‚Wahrheitsbegriff‘ bzw. ‚Wahrheitsverständnis‘ auch auf eine untypische, geradezu irritierende Weise: Wenn er etwa an anderer Stelle auf ein „autoritäres Wahrheitsverständnis“ (W. Pannenberg, Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie in Deutschland, 204) zu sprechen kommt, so ist dazu kritisch anzumerken, dass hier offensichtlich die Frage nach dem Wahrheitsbegriff (bzw. -verständnis) verwechselt wird mit der Form der Vermittlung bzw. der Zugänglichkeit von Wahrheit, was sich auch in Pannenbergs diesbezüglicher Kritik am „dezisionistische[n] Zugang zur Wahrheit des Glaubens“ (ebd.) andeutet. Mit dem Hinweis auf ein sog. autoritäres Wahrheitsverständnis ist jedenfalls die (eigentliche) Frage nach dem (formalen) Wahrheitsbegriff in keiner Weise beantwortet. Siehe auch die folgende problematische Formulierung: „Allzu leicht ist im Laufe der neuzeitlichen Geschichte das jeweilige eigene Wahrheitsverständnis, wie es besonders durch den Triumphzug neuzeitlicher Naturerkenntnisse geprägt wurde, verwechselt worden mit jener letzten Wahrheit [kursiv: T. L.], die den Menschen frei macht.“ (W. Pannenberg, Reformation zwischen gestern und morgen, 21) (Auch) hier „fehlt“ die wichtige Unterscheidung zwischen (formalem) Wahrheitsbegriff

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wenn auch in komprimierter, eher andeutungshafter Manier – für einen synthetischen, im Kern kohärenztheoretischen Wahrheitsbegriff (sui generis) 1136. Nichtsdestotrotz bietet Pannenberg damit eine äußerst gehaltvolle und originelle Synthetisierung der drei klassischen Wahrheitstheorien an. Ganz bestimmte definitorische und kriteriologische Gesichtspunkte werden konstruktiv miteinander in Beziehung setzt. Auf diese Weise gelangt Pannenberg schließlich zu einem multidimensionalen Wahrheitsbegriff, der der traditionsreichen Identifizierung Gottes mit der Wahrheit [aus: De libero arbitrio II, 10; vgl. 12] bei Augustin Rechnung trägt und dabei zugleich „die Unverfügbarkeit der Wahrheit [Gottes und des Dogmas] für das subjektive Urteil“ zum Ausdruck bringen soll1137. Die Darlegungen Pannenbergs enthalten derart viele Aspekte, dass seine Überlegungen vor ihrer Besprechung zunächst im originalen Wortlaut wiedergegeben werden: „Gegen Augustins Verknüpfung von Wahrheitsidee und Gottesbegriff ist immer wieder die Auffassung der Wahrheit als Urteilswahrheit, der Sitz des Unterschieds von wahr und falsch im Urteilsakt, geltend gemacht worden. Wenn Augustin nämlich das Wahre definiert als id quod est (Solil II,5), im Unterschied zum Falschen, das etwas anderes ist als was es zu sein scheint, dann ist beim Begriff des Wahren von der Urteilsrelation – also von der Korrespondenz zwischen intellectus und res – abgesehen, wie das auch schon beim ontologischen Wahrheitsbegriff des Parmenides der Fall war, wo nur die Selbstidentität der Übereinstimmung alles Wahren in der Einheit der Wahrheit deren Begriff ausmachte. Thomas von Aquin hat zu Augustins Definition des Wahrheitsbegriffs bemerkt, daß dabei die eigentliche ratio veri, nämlich die correspondentia oder adaequatio rei et intellectus nicht angegeben sei (De ver. I,1 resp. und ad 1). So muß in der Tat urteilen, wer den Wahrheitsbegriff vom Urteilsakt her bestimmt. Ob das genügt, ist jedoch bis in die heutige Diskussion über Wahrheitsbegriff und Wahrheitstheorien strittig. Zwar steht auch in dieser Diskussion der Korrespondenzgedanke im Vordergrund, also die Urteilswahrheit, und die verschiedenen Wahrheitstheorien versuchen, die Unbestimmtheit des Korrespondenzgedankens durch Präzisierung zu beheben und Kriterien dafür zu benennen, wann und unter welchen Bedingungen solche Korrespondenz gegeben ist, eine Aussage also wahr ist. Auf die Unterscheidung von Wahrheitsbegriff (im Sinne der Korrespondenz) und Wahrheitskriterien zielte auch die ursprüngliche Fassung der Kohärenztheorie der Wahrheit von Nicholas Rescher (1973):

(Wahrheitsverständnis) und konkreter, materialer Wahrheit. Welches Wahrheitsverständnis Pannenberg hier kritisiert, bleibt überdies letztlich offen. 1136 A. Kreiner hat hier mit Recht auf den eher andeutungshaften Charakter der Darlegungen Pannenbergs hingewiesen (vgl. A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 285). 1137 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 62. „Hier interessiert die augustinische Verbindung von Wahrheitsidee und Gottesbegriff zunächst darum, weil sie die Unverfügbarkeit der Wahrheit für das subjektive Urteil feststellt und weil dabei zugleich der spezifisch theologische Sinn dieses Sachverhalts hervortritt: die Unverfügbarkeit Gottes selbst und darum auch die der Wahrheit des Dogmas als dogma theou.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 62).

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Übereinstimmung mit allem sonst für wahr Geltenden sollte Kriterium für die Wahrheit von Behauptungen im Sinne ihrer Übereinstimmung (Korrespondenz) mit ihrem Gegenstand sein. Die Unterscheidung zwischen Kriterium und Begriff der Wahrheit ist jedoch beanstandet worden: Kann Kriterium der Wahrheit sein, was nicht auch zu ihrem Begriff gehört? Rescher hat diesen Einwand akzeptiert. Wenn aber die Kohärenz oder widerspruchslose Einheit alles Wahren zum Begriff der Wahrheit selber gehört, dann erhebt sich die Frage, wie sich dazu die „Korrespondenz“ von Urteil und Sachverhalt verhält, und es liegt zumindest nahe, in dieser „Korrespondenz“ eine besondere Form der Kohärenz zu sehen (ebenso wie übrigens im „Konsensus“ der kompetent Urteilenden), so daß sich der Kohärenzgedanke als das eigentlich Fundamentale im Wahrheitsbegriff darstellt. Der Urteilsaspekt – die Korrespondenz von Urteil und Sachverhalt – wird dann ebenso wie der Konsensus unter den Urteilenden zu einem abgeleiteten Moment des Wahrheitsbegriffs. Dieser selbst wird – wenn Wahrheit von Kohärenz her zu verstehen ist – unvermeidlich ins Ontologische gewendet: Die Kohärenz in den Dingen selbst, nicht erst in den Urteilen über sie, ist dann für die Wahrheit auch unserer Urteile konstitutiv. Das bedeutet aber, daß sich das Gewicht der parmenidischen und auch der augustinischen Wahrheitsidee wieder neu geltend macht, die Zusammengehörigkeit der Wahrheitsidee mit dem Seinsbegriff und auch mit dem Gedanken Gottes als des Absoluten und Allumfassenden: Nur Gott kann der ontologische Ort der Einheit der Wahrheit im Sinne der Kohärenz als Einheit alles Wahren sein.“1138

Es ist schon beeindruckend, wie vielschichtig sich ein derart prägnant gefasster Wahrheitsbegriff präsentieren kann und wie zielsicher dieser Wahrheitsbegriff auf den Gottesgedanken hinführt. Doch wie überzeugend ist dieses Konzept eines synthetischen Begriffes von Wahrheit? Im Folgenden wird eine Reihe von kritischen Rückfragen an das Konzept herangetragen. 3.4.4.4.2 Die Gegenüberstellung von Augustinus und Thomas von Aquin vor dem Hintergrund des beanspruchten Präs der onto-(theo)-logischen gegenüber der aussagetheoretischen Wahrheit Die obigen Ausführungen Pannenbergs suggerieren eine mehr oder minder schroffe Gegensätzlichkeit hinsichtlich der Fassung des Wahrheitsbegriffs, wie sie so sicher nicht aus den Darlegungen weder des Thomas noch des Augustinus abgeleitet werden können. Auch wenn bei Augustin unstrittig Wahrheit primär eine ontologische ist und letztlich Gott die Wahrheit genannt wird, so lässt sich – wie M. Enders gezeigt hat – auch bei Augustin ein an die Korrespondenztheorie der Wahrheit erinnerndes aussagetheoretisches (bzw. propositionales) Wahrheitsverständnis nachweisen, von dem Pannenberg offensichtlich keine Notiz genommen hat1139:

1138 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 62f. 1139 Das hat sicher auch seinen Grund darin, dass die „wahrheitstheoretischen Überlegungen des Augustinus bislang […] noch längst nicht intensiv genug rekonstruiert worden“ sind,

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Enders will an mehreren Stellen in Augustins Soliloquia II eine (sogar) korrespondenztheoretische [!] Definition erkennen, insofern – wenn auch mit unterschiedlichen Akzentuierungen – das Wahrsein als Übereinstimmung eines objektiven Sachverhalts mit der subjektiven Ansicht eben dieses Sachverhalts verstanden würde1140. „Falsch ist nach dem hier zugrundegelegten Verständnis ein propositionaler Gehalt genau dann, wenn er etwas nicht real Existierendes bezeichnet. Wahr ist dementsprechend ein propositionaler Gehalt genau dann, wenn er etwas real Existierendes bezeichnet.“1141 Demnach hat auch Augustin ein aussagetheoretisches Wahrheitsverständnis beansprucht, ohne dieses allerdings eingehend zu reflektieren1142. Umgekehrt bleibt festzustellen, dass auch für Thomas gilt, was von Pannenberg offenbar (nur) bei Augustin positiv festgestellt worden ist – die Dimension ontologischer Wahrheit: „verum est id quod est“1143, wobei die Wahrheit von Thomas mit seiner berühmten Adäquations- oder Korrespondenz-Formel im Anschluss an Aristoteles primär im Verstand (in mente) und damit im Unterschied zu Augustin nicht primär auf der ontologischen Ebene verortet worden ist1144. Außerdem verbindet ihn eine weitere Gemeinsamkeit mit Augustin in der Vorstellung der Göttlichkeit der Wahrheit, die dem Wahrheitsverständnis metaphysische und auch theologische Züge verleihen, woran Pannenberg erkennbar sehr gelegen ist. Das augustinische Verständnis Gottes als prima veritas, von dem Pannenberg Notiz nimmt1145, ist in eigener Ausformung auch für Thomas’

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wie M. Enders urteilt (vgl. M. Enders, ‚Wahrheit‘ von Augustinus bis zum frühen Mittelalter: Stationen einer Begriffsgeschichte, 65). Siehe zu den Details M. Enders, ‚Wahrheit‘ von Augustinus bis zum frühen Mittelalter, 66ff (zit. 67). Enders verweist auf diverse Belege in Soliloquia II. M. Enders, ‚Wahrheit‘ von Augustinus bis zum frühen Mittelalter, 77. Siehe dazu die Schilderungen von M. Enders: „Durch diesen Bezug der Begriffe des Wahren und des Falschen auf den propositionalen Gehalt des Aussagesatzes hat Augustinus – ohne dies allerdings ausdrücklich zu reflektieren – ein neues, als „propositional“ charakterisierbares Verständnis des Wahren und des Falschen eingeführt“ (M. Enders, ‚Wahrheit‘ von Augustinus bis zum frühen Mittelalter, 77). Überhaupt handelt es sich m. E. bei Augustin um keinen umfassend systematisierten, wahrheitstheoretischen Entwurf. M. Enders urteilt ähnlich und erkennt „systematische Mängel“ sowie „nicht zuletzt die fehlende Integration eines aussagentheoretischen Wahrheitsbegriffs […], die dazu berechtigen, Augustins Wahrheitstheorie keinen in sich völlig konsistenten Charakter zusprechen zu können.“ (M. Enders, ‚Wahrheit‘ von Augustinus bis zum frühen Mittelalter, 93). Nach Augustin gilt: „Wahr ist das, was ist.“ (Soliloquia II 8,5: CSEL 56,14f.: – „nam verum mihi videtur esse id quod est.“) Zitiert nach M. Enders, ‚Wahrheit‘ von Augustinus bis zum frühen Mittelalter, 69. Pannenberg findet diese ontische Wahrheit ebenfalls in den Soliloquia II vor (vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 62). Vgl. Th. v. Aquin, De veritate II: „verum et falsum sunt in mente“. Hierfür beruft er sich auf Aristoteles, Metaphysik VI, 4; 1027b25. Siehe dazu I. Schüßler, Art. Wahrheit/Wahrhaftigkeit IV. Philosophisch, 354. Vgl. W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 232. Kritisch zu hinterfragen ist

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Wahrheitsdenken bestimmend gewesen. Für Thomas gründet letzten Endes alle Wahrheit im göttlichen Intellekt als der „summa et prima veritas“1146. Gott als das höchste Seiende ist die erste Wahrheit und Wahrheitsgrund aller anderen Wahrheit, aber auch „Wahrheitsgrund des Urteilsaktes“1147. Auch auf die von Pannenberg ausdrückliche aufgegriffene christologische Zuspitzung göttlicher Wahrheit in Joh 14,6 ist Thomas ausdrücklich eingegangen1148. Im dritten Band seiner „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ erwähnt Pannenberg selbst den Gedanken göttlicher Wahrheit beim Aquinaten; es habe jener doch „den Zustimmungsakt des Glaubens nicht nur auf den für wahr zu haltenden Lehrinhalt (als materiale obiectum) bezogen, sondern auf Gott selbst, der als die höchste Wahrheit [kursiv: T. L.] das Formalobjekt des Glaubens ist (s. o. Anm. 117).“1149 Gerade in Gefolgschaft von Thomas, aber auch in Auseinandersetzung mit der Lehre von den Transzendentalien1150 hätte Pannenberg seine theologischen und metaphysischen Anliegen hinsichtlich der Fassung des Wahrheitsbegriffs zur Geltung bringen können. Von daher scheint mir die von Pannenberg angedeutete Entgegensetzung von Parmenides und Augustin im Gegenüber zu Th. v. Aquin wenig überzeugend, wenn nicht sogar im Ganzen schief. Trotz unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen bei Augustinus und dem Aquinaten können beide Theologen und Philosophen kaum in dieser Weise angemessen gegenübergestellt werden.

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allerdings, ob es sich dabei wirklich um einen platonischen oder – wie ich meine – nicht eher um einen neuplatonischen Gedanken handelt. Vgl. zu dieser Vorstellung von der ‚una veritas‘ insbes. S.th. I,16; De veritate V. Siehe dazu auch I. Schüßler, Art. Wahrheit/Wahrhaftigkeit. IV. Philosophisch, 354. Zur Wahrheit bei Th. v. Aquin (sowie auch schon zu A. Magnus) siehe W. Senner, Wahrheit bei Albertus Magnus und Thomas von Aquin, 103–148. „Aus der prinzipiellen Konvertibilität von Seiendem und Wahrem folgt für Thomas nun aber, daß dasjenige, welches im höchsten Grade seiend ist, auch im höchsten Grade wahr und somit Ursache des Wahrseins alles Wahren ist. Damit ist die Brücke von der Transzendentalienlehre zur Gotteslehre geschlagen: Gott ist als das höchste Seiende zugleich Ursprung aller Wahrheit. Aber auch wenn Gott auf diese Weise seinsmäßig als Wahrheitsgrund zu stehen kommt […]. Die letzte Voraussetzung dieser theologischen Wahrheitstheorie besteht also darin, daß Gott in zweifacher Weise als Wahrheitsgrund fungiert, zum einen als höchstes Seiendes, zum andern als göttlicher Verstand. Ihr Ziel besteht darin, zu zeigen, inwiefern alle menschlichen [sic!] Wahrheitserkenntnis vom Sein und Intellekt Gottes abhängt.“ (U. Barth, Gott – Die Wahrheit?, 115.) „Für Thomas von Aquin ist Wahrheit im höchsten Grad in Gott vorhanden. Als göttlicher Verstand ist er der Wahrheitsgrund der abstrahierenden Wesenserkenntnis, als erster Beweger ist er der Wahrheitsgrund des Urteilsaktes.“ (U. Barth, Gott – Die Wahrheit?, 123). Vgl. dazu exempl. Th. v. Aquin, Lectura super Iohannem, 351b, Nr 1869 (Siehe dazu W. Senner, Wahrheit bei Albertus Magnus und Thomas von Aquin, 143). W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 162. H.-P. Großhans weist darauf hin, dass die Identifikation Gottes mit der Wahrheit vor allem in der Transzendentalienlehre vertreten worden ist (Siehe H.-P. Großhans, Wahrheit V. Dogmatisch und ethisch, 1252f).

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Für Pannenbergs systematisierenden, gleichsam synthetisierenden Bemühungen bezüglich ontologischer, theologischer und aussagetheoretischer Wahrheit hätten sich durchaus auch andere, möglicherweise geeignetere Konzeptionen aus der Theologiegeschichte angeboten – im Besonderen die systematisch entfaltete Wahrheitstheorie des Anselm v. Canterbury (De veritate), die im Sinne Pannenbergs die mit Augustin assoziierte ontologische Wahrheit mit der logischen Wahrheit (veritas logica) des Boethius kombinierte und zudem auch dem spezifisch theologischen Anliegen, Wahrheit als Gottesprädikat(ion) (deus est veritas) im Anschluss an Joh 14,6 aufzufassen, Rechnung zu tragen bemüht gewesen ist1151. In scharfem Kontrast zu Pannenbergs multidimensionalem, primär ontotheologischem Wahrheitsverständnis steht nicht das (mit diesem viel gemein habende) thomasische Wahrheitsverständnis, sondern viel eher die Wahrheitskonzeption des Boethius. Dieser war es, der (darin Aristoteles nicht unähnlich) das Urteil als den alleinigen ‚Sitz‘ der Wahrheit (und auch Falschheit) auffasste1152 und damit eine Anschauung vertrat, die Pannenberg wiederholt argumentativ zu kritisieren oder zu widerlegen versucht hat. 3.4.4.4.3 Ontologische und aussagetheoretische Kohärenz: Blanshard – Rescher – Puntel – Pannenberg Hat Pannenberg sich für sein Verständnis der Wahrheit von der Kohärenz her (= Wahrheit als Kohärenz alles Wahren) zu Unrecht auf N. Rescher berufen, da dieser in seiner rein kriteriologischen Kohärenztheorie von 1973 – und damit auch im Gegensatz zu gängigen Kohärenztheorien – die Bedeutung (bzw. die Definition) von Wahrheit in der Korrespondenz, nicht aber wie Pannenberg in der Kohärenz gesehen hat1153? Bereits 1978 hatte L.B. Puntel in seiner Darstellung der „Wa h r h e i t s t h e o r i e n i n d e r n e u e r e n P h i l o s o p h i e “1154 zu Reschers Theorie kritisch angemerkt, dass – wenn wie bei Rescher Kohärenz als Kriterium für Wahrheit gelten 1151 Siehe dazu ausführlicher die großangelegte Studie zur anselmianischen Wahrheitstheorie von M. Enders, Wahrheit und Notwendigkeit, und M. Enders, ‚Wahrheit‘ von Augustinus bis zum frühen Mittelalter, 96ff. Im Übrigen dominiert im 12. Jahrhundert das theologische Wahrheitsverständnis (vgl. a. a. O., 98). 1152 M. Enders, Wahrheit und Notwendigkeit, 116ff. 1153 Vgl. auch L.B. Puntel, Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie, 200: Die Tatsache, dass Rescher zunächst seine Kohärenztheorie lediglich als kriteriologische Theorie verstanden wissen wollte, kam faktisch einer „Destruktion des eigentlichen Kerns der traditionellen KH-TW gleich“, da ihre traditionellen Vertreter in der Regel der Kohärenz (auch) definitorische Bedeutung beimaßen, in der Kohärenz das Wesen der Wahrheit sahen bzw. sehen. 1154 L.B. Puntel, Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie. Eine kritisch-systematische Darstellung, Darmstadt 1978.

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soll – Kohärenz zudem auch als das Wesen von Wahrheit gelten müsse. Puntel bezieht sich dafür auf B. Blanshard, der bereits 1939 in dem zweiten Band seiner „T h e N a t u r e o f T h o u g h t “ eine Kohärenztheorie der Wahrheit vorstellte1155. Es ist alles andere als erstaunlich, aber dennoch sehr interessant, dass Pannenberg mit seinem erklärten Interesse am Kohärenzideal im Anschluss an Puntel und gegen den (frühen) Rescher diese These von Blanshard übernommen hat1156. Die Tatsache, dass Rescher diesen gegen ihn vorgetragenen Einwand später akzeptiert hat (vgl. „T r u t h a s I d e a l C o h e r e n c e “ [1985]; deutsch: „Wa h r h e i t a l s i d e a l e K o h ä r e n z “ [1987]), scheint Pannenberg als starkes Indiz für die Richtigkeit der von Puntel aufgegriffenen Überlegungen gewertet zu haben1157. Um folgenden Gedankengang Blanshards geht es: Blanshard ist sich der Berechtigung des Unterschiedes zwischen Definition und Kriterium bewusst, argumentiert aber dafür, dass man eine solche Differenz mit Blick auf die Wahrheit nicht mehr treffen könne. Kohärenz als Kriterium für Wahrheit fällt mit Kohärenz als der Definition von Wahrheit zusammen: Wenn Blanshard für diese seine These keinen direkten Erweis für möglich hält, verläuft seine Argumentation in vier Schritten, ergeht indirekt und erfolgt über zwei Prämissen und zwei Folgerungen1158: 1. Prämisse I: Eine Kohärenztheorie der Wahrheit muss in der Kohärenz wenigstens das primäre Kriterium für Wahrheit sehen. 2. Prämisse II: Wenn die Bedeutung von Wahrheit in etwas Anderem gesehen wird, das nicht logisch äquivalent mit der Kohärenz ist (so etwa bei der Definition von Wahrheit als Korrespondenz), dann folgt daraus, dass Kohärenz nicht als sichere Garantie für Wahrheit gelten kann.

1155 Vgl. L.B. Puntel, Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie, 201ff. Zu B. Blanshards Kohärenztheorie, zur Kohärenz als Wahrheitstest und zur Kohärenz als Natur von Wahrheit siehe B. Blanshard, The Nature of Thought, Vol. II., 260ff. Siehe auch die einführenden Bemerkungen von K. Gloy, Wahrheitstheorien, 172–174. 1156 Zu Pannenbergs Hinweis auf B. Blanshard vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 63 Anm. 121: mit Blanshard geht Pannenberg davon aus, „daß Kohärenz nur dann das Kriterium der Wahrheit bilden könne, wenn sie auch zu ihrem Wesensbegriff gehört.“ (ebd.). Pannenberg greift dabei argumentativ auf Puntels konstruktiv-kritische Besprechung der Rescher’schen Theorie von 1973 zurück (in: L.B. Puntel: Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie, 182–204), wobei er sich besonders an Puntels Bedenken gegenüber der bei Rescher vorzufindenden „Trennung von Wahrheitsbegriff und Wahrheitskriterium“ interessiert zeigt (vgl. bei Puntel, a. a. O., 203f, zu B. Blanshard a. a. O., 174ff). 1157 Vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 63, bes. Anm. 121 u. 122. 1158 Siehe dazu B. Blanshard, The Nature of Thought, Vol. II, 267ff. Siehe dazu die Darstellung bei N. Rescher, The Coherence Theory of Truth, 29f. Vgl. auch die Darstellung bei L.B. Puntel, Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie, 174–176 sowie diejenige bei K. Gloy, Wahrheitstheorien, 174.

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3. Folgerung I: Da aber die Kohärenztheorie der ersten Prämisse gemäß in der Kohärenz das primäre Kriterium für Wahrheit sehen muss, muss in der Kohärenz auch eine sichere Garantie für Wahrheit liegen. 4. Folgerung II: Aus der zweiten Prämisse folgt sodann, dass mit einer Kohärenztheorie sowohl das Kriterium für als auch das Wesen von Wahrheit in der Kohärenz angenommen werden muss, da nur dasjenige eine sichere Garantie für das Vorliegen von etwas sein kann, das zugleich für sein Wesen konstitutiv ist. Im Ergebnis kommt es so zur Identifizierung des Kohärenzkriteriums mit der Kohärenz als der Definition von Wahrheit. Diese Identifikation sei nur dann widerlegbar, wenn die Prämissen angegriffen würden1159. Dieser Argumentationsgang ist für Pannenberg vor allem deshalb von Interesse, weil so Kohärenz (offenbar) primär auf ontologischer Ebene verortet werden und so auch mit dem Gottesgedanken in Verbindung gebracht werden kann. Hinzu kommt, dass Pannenberg glaubt, ein Argument dafür gefunden zu haben, die aussagenlogische Kohärenz gegenüber onto-theologischer Wahrheit als sekundär ausweisen zu können. Denn der Aspekt der Kohärenz auf der Aussagenebene ergibt sich unter der Berücksichtigung der obigen Überlegungen erst von der ontologischen Ebene her. Man wird sogar mit Pannenberg sagen dürfen, dass die auf der Aussagenebene als Kriterium fungierende Kohärenz letztlich nur über diese Ebene, und zwar mit Rekurs auf eine kohärente und außersprachliche Wirklichkeit im Sinne des Realismus begründet werden kann. Dies unterscheidet Pannenberg – worauf Chr. Glimpel zu Recht hingewiesen hat – von dem Kohärenztheoretiker Neurath, der „dem Kohärenzbegriff (wie jeglicher Theorie) ontische Relevanz [kursiv: T. L.] abspricht.“1160. 1159 Vgl. K. Gloy, Wahrheitstheorien, 174. Gloy verweist mit Recht darauf, dass N. Rescher diese Prämissen angegriffen hat. 1160 Chr. Glimpel, Gottesgedanke und autonome Vernunft, 61, dort Bezug nehmend auf O. Neurath, Gesammelte philosophische und methodologische Schriften Bd. 2, 536. Weil Glimpel von der Unmöglichkeit ausgeht, vom Hypothesenbegriff mit seinen Implikationen auf ontologische Kohärenz zu schließen, hält er es für „konsequent, wenn etwa Neurath dem Kohärenzbegriff (wie jeglicher Theorie) ontische Relevanz abspricht.“ (ebd.) In Anm. 179 belegt Glimpel dies mit Hinweis auf O. Neurath, Gesammelte philosophische und methodologische Schriften, Bd. 2, 536: „Man kann . . .nicht die Sprache … mit den ‚Erlebnissen‘ oder mit der ‚Welt‘ oder mit einem ‚Gegebenen‘ konfrontieren. Jede Aussage von der Art wie: ‚Die Möglichkeit der Wissenschaft beruht auf einer Ordnung der Welt‘, ist daher sinnleer… .Wir können nicht als Aussagende gewissermaßen eine Position außerhalb des Aussagens einnehmen und nun gleichzeitig Ankläger, Angeklagter und Richter sein.“ (zitiert nach Chr. Glimpel, Gottesgedanke und autonome Vernunft, 61 Anm. 179). Man mag hinsichtlich solcher, auf der rein subjektimmanent-sprachlichen Ebene verharrenden Kohärenz fragen, inwiefern sie für die Wahrheitsthematik überhaupt etwas austrägt. Welchen Sinn hat es, kohärent zu formulieren, wenn damit nicht auf die außer-

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Die aus den obigen Überlegungen resultierende Einsicht, dass für eine Kohärenztheorie der Wahrheit Kohärenz als Kriterium für und zugleich auch als das Wesen von Wahrheit gelten muss, hat Rescher im Gespräch mit Puntel für sein Wahrheitsverständnis übernommen. Auch er versteht nun Wahrheit als ideale Kohärenz1161. Im Kern gilt dieser (Grund-)Gedanke auch für Pannenberg; für ihn ist Kohärenz m. E. aber deshalb vor allem ein Wahrheitskriterium, weil Kohärenz schon für das „Wesen“ eines von ihm favorisierten onto-theologischen Begriffs von Wahrheit angenommen werden kann1162. Aber kann ontologische Wahrheit zum konstitutiven ‚Existenzgrund’ aussagetheoretischer Wahrheit erklärt werden? Nicht nur diese Rückfrage stellt sich m. E. vollkommen zu Recht. 3.4.4.4.4 Onto-theogische Kohärenzwahrheit und sekundäre Aussagenwahrheit? Kritische Anmerkungen Fragwürdig scheinen mir schon seine Verhältnisbestimmungen im Begriff der Wahrheit zu sein: Pannenberg greift zwar ausdrücklich die aussagetheoretische (bzw. urteilstheoretische) Wahrheit auf, degradiert aber – wie bereits oben thematisiert – diesen Begriff von Wahrheit jedoch zu einer abgeleiteten, sekundären Dimension im primär (onto-)theologischen Wahrheitsbegriff. Seine onto-theologische Zuspitzung im Kohärenzbegriff der Wahrheit verdeutlicht in diesem Zusammenhang einmal mehr, was sich längst an anderer Stelle gezeigt hat: sein Interesse an einem theologischen Verständnis von Wahrheit, was (in durchaus anderer Gestalt) bis in die Gegenwart hinein immer mal wieder (ein-)gefordert worden ist. Immerhin unterscheidet sich Pannenbergs Rezeption der Aussagenwahrheit positiv von jenen, besonders einigen in der Theologie propagierten, Ansätzen, die die Aussagenwahrheit ausdrücklich abgewertet haben, ohne zu bemerken, dass sie auf sie angewiesen sind. Der Philosoph W. Kamlah wusste 1962 zu berichten, dass es „[n]icht allein in der protestantischen Theologie […] üblich geworden [ist], geringschätzig von der „bloßen Richtigkeit“ wissensprachliche ontologische Ebene referiert wird, ja wenn nicht einmal angenommen wird, dass die ontologische Ebene selbst eine kohärente Verfasstheit aufweist? Zugestanden werden kann gegenüber subjektimmanenten Kohärenztheorien lediglich, dass die ontologische Ebene nur über das Medium der Sprache zugänglich ist und die Annahme ihrer kohärenten Verfasstheit eine eher schwer zu begründende metaphysische Annahme darstellt. 1161 Vgl. dazu schon den aufschlussreichen Beitrag von N. Rescher, Wahrheit als ideale Kohärenz, 284–297. 1162 Dass Pannenberg die Kohärenz als (fundamentales) Wahrheitskriterium versteht und die Wahrheit für Pannenberg ihrem Begriff nach nur eine ist, bedeutet nicht, wie etwa R. Nnamdi (Offenbarung und Geschichte. Zur hermeneutischen Bestimmung der Theologie Wolfhart Pannenbergs, 33) meint, dass die Wahrheit für Pannenberg sowohl ihrem Begriff als auch ihrem Kriterium nach nur eine ist. Neben der Kohärenz lässt Pannenberg etwa auch den Konsensus als ein Kriterium für Wahrheit gelten, was die Falschheit dieser Behauptung belegt (s. o.).

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schaftlicher Sätze zu sprechen, die Wahrheit der Wissenschaft als „bloße Satzwahrheit“ beiseite zu tun, als sei sie ernsthafter Aufmerksamkeit kaum würdig.“1163 Pannenberg hat – der auch von ihm vorangetriebenen Degradierung der aussagetheoretischen Wahrheit zum Trotz – reichlich Gebrauch gemacht von ihr, wie sich an den zahlreichen von ihm beanspruchten Wahrheitsträgern zeigt. Man kann allerdings auch mit gutem Grund fragen, ob damit der aussagetheoretischen Wahrheit, ja ob dem Phänomen ‚Wahrheit‘, das als ein semantisch-ontologisches beschrieben werden kann, überhaupt ausreichend, d. h. angemessen, Rechnung getragen ist. Denn bei ihm wird durchweg die ontologische Wahrheit als vorrangig behandelt. Pannenbergs Distinktion zwischen ontologischer (und damit auch göttlicher) Wahrheit und aussagentheoretischer Wahrheit als von ersterer abzuleitender, sekundärer Größe hat in der Geschichte der Philosophie und der Theologie durchaus Parallelen. Man mag hier exemplarisch an den Kirchenvater Augustin denken1164. Aber auch sehr viel später haben so unterschiedliche Denker wie M. Heidegger und K. Rahner die „Abkünftigkeit“ der Aussagenwahrheit von einem ursprünglicheren Phänomen der Wahrheit her zu verstehen“ gesucht.“1165 In der neueren Theologie hat W. Dietz in die gleiche Kerbe geschlagen1166. Die Be1163 W. Kamlah, Der moderne Wahrheitsbegriff, 108. 1164 Augustin versäumte es, die aussagetheoretische Wahrheit für das Verständnis von Wahrheit systematisch zu reflektieren (vgl. die Kritik von M. Enders, ‚Wahrheit‘ von Augustinus bis zum frühen Mittelalter, 93). 1165 Siehe dazu den Hinweis von A. Kreiner (Ende der Wahrheit?, 413). Für Kreiner sind solche Ansätze kritisch darauf hin zu prüfen, „ob bei der Suche nach jenem ursprünglichen Phänomen nicht dasjenige auf der Strecke bleibt, dessen Abkünftigkeit anfänglich aufgezeigt werden sollte.“ (ebd.). Entsprechende Anfrage wird man an Pannenberg richten dürfen. Zu K. Rahners Wahrheitsverständnis siehe insbes. die Darstellung bei A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 412–440. 1166 Auch W. Dietz geht von einem Proprium des christlichen Wahrheitsverständnisses aus: „Die Wahrheit des Christentums stellt sich somit in ihrer ursprünglichen Gestalt als Person dar: Jesus Christus ist die Wahrheit, und er ist dies – wie LUTHER betont hat – „für dich“.“ (W. Dietz, Wahrheitsgewissheit und Einheit der Wirklichkeit aus theologischer Sicht, 56). Die Aussagewahrheit ist für ihn von sekundärer Bedeutung: „Die Wahrheit von Aussagen, von Sätzen, Dogmen oder Lehrsystemen ist demgegenüber sekundärer Gestalt (d. h. zwar nicht unwichtig, aber abgeleiteter Art). Primär vollzieht sich die christliche Wahrheit als Begegnung.“ (W. Dietz, Wahrheitsgewissheit und Einheit der Wirklichkeit aus theologischer Sicht, 56f) Dietz knüpft hier an E. Brunner an, der seinerseits an F. Ebner und F. Gogarten anschloss. Gleichwohl hält Dietz „die Frage einer theologischen Anschlussfähigkeit der philosophischen Wahrheitssuche [für] durchaus von Bedeutung, und zwar im Sinn einer positiven Anknüpfung und einer Bezugnahme auf die Kriterien dessen, was als wahr gelten kann.“ (a. a. O., 60). Bereits die Rezeption der Aussagenwahrheit bedeutet faktisch eine Berücksichtigung (wenigstens) der intuitiven Korrespondenzidee, wie sie insbesonders in Korrespondenztheorien der Wahrheit entfaltet wird. In seiner Habilitationsschrift „Wahrheit-Gewißheit-Zweifel“ hat sich Dietz jedoch vor dem Hintergrund sei-

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stimmung der Aussagenwahrheit bzw. Korrespondenzwahrheit zu einer Form sekundärer Wahrheit findet sich etwa schon bei Anselm, der ebenso schon ihre Abkünftigkeit behauptet hatte und anders als Boethius Wahrheit nicht ausschließlich im Urteil lozieren gedachte1167. Wer so argumentiert oder einfach nur mit verschiedenen Dimensionen im Wahrheitsbegriff operiert, müsste m. E. erst einmal begründen, warum der Ausdruck ‚Wahrheit‘ ganz offenkundig auf verschiedene Phänomene anzuwenden sei / angewendet werden kann. Im Übrigen ergibt sich dadurch das nicht zu unterschätzende Problem, dass der Ausdruck ‚Wahrheit‘ äquivok wird1168. Die Favorisierung eines primär ontologischen Wahrheitsverständnisses bei gleichzeitiger Abwertung der Bedeutung der aussagetheoretischen Wahrheit sehe ich mit weiteren grundsätzlichen Schwierigkeiten konfrontiert: Dazu zähle ich beispielsweise die Beobachtung, dass jedwede ontologische Wahrheit auf die aussagetheoretische Wahrheit angewiesen ist. Das hängt mit der spätestens seit dem linguistic turn bekannten Einsicht zusammen, dass bei dem Vorliegen von ‚Wahrheit‘ stets in Form von Sprache auf außersprachliche Entitäten Bezug genommen wird – und das ganz gleich, ob man für eine ontologische Wahrheit plädiert und diese unentbehrliche Relationalität zwischen sprachlicher ner Überzeugung eines „Elementarzusammenhangs von Wahrheit und Gewißheit“ (a. a. O., 34) gegen eine theologische Rezeption philosophischer Wahrheitstheorien ausgesprochen: Er begründet ihre Ausschließung damit, dass sie „das Wesen der Wahrheit rein hypothetisch fassen oder die Dimension der Aneignung und Vergewisserung ganz ausblenden wollen. Sie sind theologisch irrelevant, lassen sich aber auch philosophisch als unhaltbar ausweisen.“ (W. Dietz, Wahrheit-Gewißheit-Zweifel, 644). Über die „Auseinandersetzung mit dem Skeptizismus“ ist er „zu der Einsicht gelangt, daß die Wahrheitsproblematik nicht isoliert werden darf, sondern auf die Möglichkeit von Gewißheit überhaupt bezogen werden muß. Reine und abstrakte Wahrheitstheorien sind sinnlos, ein müßiges Spiel des Gedankens mit sich selbst – im Grunde nur eine intellektuelle Form der Selbstbefriedigung.“ (W. Dietz, Wahrheit-Gewißheit-Zweifel, 36). Ähnlich auch die oben erwähnte Verurteilung der Aussagenwahrheit bei Chr. Schwöbel und M. Petzoldt als Engführung oder zu wenig umfassende Wahrheit. 1167 Zum abkünftigen Charakter korrespondenztheoretischer Wahrheit bei Anselm (im Unterschied auch zu Boethius) siehe M. Enders, Wahrheit und Notwendigkeit, 115ff. 1168 Vgl. zu A. Kreiners Kritik an K. Rahner: A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 439f. Das mag an einem Beispiel verdeutlicht werden: „Der auffälligste Nachteil besteht natürlich in der Äquivokation des Begriffs und den dadurch begünstigten Kommunikationsschwierigkeiten. In der Formulierung vom Sein-in-der-Wahrheit bedeutet der Ausdruck „Wahrheit“ eben etwas anderes als in der Formulierung vom „Haben wahrer Sätze“, auch wenn zwischen beiden Bedeutungen ein spekulativ aufweisbarer Zusammenhang bestehen sollte.“ (A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 440). Immerhin kann Kreiner Rahner zugute halten, dass er versucht hat, Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Dimensionen/Aspekten im Wahrheitsbegriff aufzuzeigen, womit er sich positiv von anderen Ansätzen, die „in willkürlich erscheinender Weise dem Wahrheitsbegriff nach Belieben eine andere Bedeutung beimessen“ unterscheide (A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 439): Entsprechendes kann auch hinsichtlich der Ausführungen Pannenbergs zu den Dimensionen im Wahrheitsbegriff positiv hervorgehoben werden.

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und ontologischer Wahrheit nicht bemerkt oder einfach nicht berücksichtigen will oder für von nachrangiger Bedeutung hält, oder ob man sich dagegen dieser Relationalität bewusst ist und darum auch konsequenterweise für ein relationales, semantisch-ontologisches Verständnis eintritt, das im korrespondenztheoretischen Wahrheitsverständnis eine mögliche Explikation erfährt. Unzureichend und insofern mangelhaft ist nicht – wie vielfach vermeint wird – ein relationales, die subjektiv-sprachliche und die objektiv-ontologische Ebene verknüpfendes Wahrheitsverständnis wie etwa das der Korrespondenztheorie, sondern dasjenige, das sich allein oder wenigstens vorrangig auf der ontologischen Ebene bewegt und die stets sprachliche Referenz auf diese Entitäten (teils völlig) ignoriert, wie dies freilich in der antiken griechischen Philosophie geschehen ist (die infolgedessen auch nicht sauber zwischen Wahrheit und Wahrheitserkenntnis unterschied), aber auch übrigens bei Hegel erfolgte, indem er die Relationalität im korrespondenztheoretischen Wahrheitsbegriff – wie sich oben zeigte – als bloße Richtigkeit bezeichnet und damit abgetan hat, sodass auch dessen Wahrheitskonzeption in dieser Hinsicht defizient bleibt. Die Problematik unverzichtbarer Relationalität mag hier an einem prominenten Beispiel erläutert werden: Das Diktum des johanneischen Christus „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14, 6) will zwar offenkundig nicht als aussagetheoretische Wahrheit verstanden werden, bleibt aber auf sie – nämlich auf die Korrespondenztheorie – angewiesen, insofern das Zutreffen dieser Behauptung im korrespondenztheoretischen Sinne zunächst beansprucht werden muss, bevor überhaupt Wahrheit – wie hier womöglich intendiert – auf der ontologischen bzw. personalen Ebene verortet werden kann1169. Aber diese Verkennung oder Ausblendung der Relationalität ist nicht die einzige Problematik. Die von der antiken Philosophie herrührende Identifikation des Wahren mit dem Seienden erweist sich überhaupt als wenig sinnvoll, und zwar aus dem einfachen Grund, dass eine solche Ausdrucksweise redundant wird. Angesichts des hohen Niveaus und stets zunehmenden Differenziertheitsgerades in der Behandlung der Wahrheitsproblematik innerhalb der neueren und neuesten wahrheitstheoretischen Debatte ist es zudem enorm bedauerlich, dass Pannenberg für seine Verteidigung eines sowohl (formalen) Wahrheitsbegriffs 1169 Diese Angewiesenheit auf die die Relationalität zwischen sprachlicher und außersprachlicher Ebene überbrückende aussagetheoretische Wahrheit für das gemeinhin als ‚Wahrheit‘ bezeichnete Phänomen scheint auch R. Heinrich (Wahrheit, 8) nicht in den Blick zu bekommen. Denn er meint, dass in der wissenschaftlichen Diskussion und ihrer Konzentration auf die Satzwahrheit „[m]ancherlei Alternativen, die einem unvoreingenommenen Geist ebenso plausibel erscheinen, […] dadurch freilich ausgeschlossen“ würden, wie „etwa die Auffassung der Wahrheit als Echtheit oder Unverfälschtheit (das wahre Wesen einer Sache, einer Person oder der Welt).“

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wie auch im Rahmen seines Eintretens für den Wahrheitsanspruch des christlichen Glaubens von dieser neueren Diskussion nicht tiefergehende Kenntnis genommen hat. Für seine eigene argumentativ zu gewinnende Meinungsbildung wäre eine Auseinandersetzung mit den dort verhandelten Fragestellungen weit sachdienlicher gewesen als der Rückgang auf ältere, traditionsreiche und weit weniger elaborierte Konzeptionen. 3.4.4.4.5 Fußt Pannenbergs Kohärenztheorie der Wahrheit letztlich auf der Korrespondenztheorie? Es ist deutlich geworden, dass Pannenberg gerade deshalb insbesondere auf Augustinus rekurriert hat, weil er mit ihm das Interesse geteilt hat, Wahrheit vorrangig an die ontologische Ebene zu binden und zugleich im christlichen Gott den Wahrheitsgrund aller anderen Wahrheit zu sehen, sodass dabei zugleich die Ebene ontologischer Wahrheit für die fundamentalerer Ebene gehalten wird, in Bezug auf welche dann erst die aussagentheoretische/propositionale Wahrheit bzw. Aussagen- /Korrespondenzwahrheit möglich werden solle. Die Parallele zwischen Pannenberg und Augustin ist hier frappierend, wie die folgende, von M. Enders nachgezeichnete augustinische Argumentation zeigt: „Augustins Präferenz für das primär ontologische Verständnis des Wahren [sc. in den Soliloquia: T. L.] […] dürfte in der sachlichen Vereinbarkeit begründet liegen, die dieses Verständnis des Wahrheitsprädikats mit der transzendenten, biblisch begründeten und durch den christlichen Glauben vorgegebenen Auffassung des Wahrheitsbegriffs als eines Gottesprädikats besitzt: Gott als die Wahrheit ist das Prinzip alles Wahren, d. h. aller Ideen, indem er sie als seine eigenen Gedanken hervorbringt. Erst in zweiter, abgeleiteter, uneigentlicher Bedeutung können dann auch die von Gott geschaffenen Entitäten auf Grund ihrer Formbestimmtheit als wahr bezeichnet werden, da ihnen nur ein ambivalent-imitatives Wahr-Sein eignet.“1170

Das ist genau der auch bei Pannenberg zu konstatierende Gedanke, in der aussagentheoretischen Wahrheit einen lediglich sekundären Aspekt zu sehen. Die von Pannenberg angenommene primäre ontologische Kohärenz als Fundamentalstruktur der Wirklichkeit versteht Pannenberg als die Voraussetzung für die Kohärenz zwischen den auf Korrespondenz abzielenden Urteilen, sodass das Kohärenzideal also zugleich auch bestimmend wird für Wahrheit im korrespondenztheoretischen Sinn, wie Glimpel richtig beschrieben hat: „Dabei wird freilich vorausgesetzt, daß die Wirklichkeit eine kohärente ist – träfe dies nicht zu, dann wäre eine kohärente Beschreibung der Wirklichkeit nicht nur inadäquat, sondern dann fiele auch das Ideal der Adäquatheit dahin. Die berühmte Idee einer adaequatio rei et intellectus stellt nämlich nichts anderes als die Anwendung des Kohärenzideals auf die Relation zwischen Denken und Wirklichkeit dar. Insofern hat 1170 M. Enders, ‚Wahrheit‘ von Augustinus bis zum frühen Mittelalter, 85.

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Pannenberg Recht mit seiner Einschätzung, Korrespondenz und Konsens seien nur besondere Formen der wahrheitstheoretisch fundamentaleren Kohärenz.“1171

Darum kann für Pannenberg in der Kohärenz sowohl das Wesen von als auch zugleich das Kriterium für Wahrheit sein. Es ist dies auch ein alter Gedanke, den Pannenberg bereits 1962 von dem antiken, griechischen Verständnis der Wahrheit zu adaptieren beabsichtigte: Dieses Verständnis von Wahrheit umfasse einmal den Gedanken der Übereinstimmung eines Gegenstandes/Sache o. ä. mit sich selbst, als sekundären Aspekt auch die (korrespondentistische) Übereinstimmung der sprachlichen Seite (z. B. Denken und Reden) mit dem Wahren (ontologischer Seite) 1172. Allerdings verdeckt der hiesige, doppelte Gebrauch des Ausdrucks ‚Übereinstimmung‘, dass damit in beiden Fällen nicht Gleiches gemeint ist. Übereinstimmung auf ontologischer Ebene ist innerontologische Kohärenz. Daneben findet sich Kohärenz auf der rein subjektimmanenten, sprachlichen Ebene in Form der Übereinstimmung als aussagenlogische Kohärenz. Übereinstimmung hinsichtlich der Relation zwischen subjektiv-sprachlicher Ebene einerseits und außersprachlicher, ontologischer Ebene andererseits meint dagegen Korrespondenz im Sinne von Entsprechen, Zutreffen und dergleichen. Dieses Übereinstimmungsverhältnis wird man gerade auch mit Pannenberg dagegen gerade nicht als Kohärenzverhältnis interpretieren dürfen, als ginge es bei der korrespondenztheoretisch zu fassenden Erkenntnisrelation um (schwache) Kohärenz im Sinne von Widerspruchslosigkeit zwischen der sprachlichen Ebene einerseits und der ontologischen Ebene andererseits1173. Pannenberg hat dies – wie oben 1171 Chr. Glimpel, Gottesgedanke und autonome Vernunft, 59: In Anm. 169 findet sich der Hinweis auf W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 63. 1172 Vgl. W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 210. 1173 Insofern erscheinen mir auch die kritischen Erwägungen von Chr. Glimpel zu diesem Aspekt abwegig. Glimpel vermerkt in diesem Zusammenhang: „Daß die Kohärenz unserer Urteile ‚in den Dingen selbst‘ gründe, Wahrheit im Sinne von ‚Kohärenz oder widerspruchslose[r] Einheit‘ also die existierende Fundamentalstruktur der Wirklichkeit sei, läßt sich aber nicht halten. Denn erstens verdankt sich das Ideal widerspruchsloser Kohärenz dem a priorischen Sinn wahrheitsfähiger Gegenständlichkeit. Zweitens läßt sich aufgrund der sinntheoretischen Neutralität der existenzprädikativen Funktion der Kopula das Verhältnis zwischen Denken und Wirklichkeit weder als widersprüchliches noch als widerspruchsloses interpretieren. Sofern die Wirklichkeit eines Gehalts sich zu seiner Möglichkeit sinntheoretisch neutral verhält, kann sie ihm weder entsprechen noch widersprechen, denn nur Sinn kann Sinn widersprechen. Daß die Wirklichkeit unseren Urteilen widersprechen oder auch nicht widersprechen kann, läßt sich also nicht durch Verweis auf die Wirklichkeit, sondern nur durch Rekurs auf jene Ebene begründen, die den Sinn wahrheitsfähiger Gehalte stiftet – und gleiches gilt für das Ideal widerspruchsloser Kohärenz, welches den Fall der Widerspruchslosigkeit zwischen Wirklichkeit und Urteil von der gleichursprünglichen Möglichkeit der Widersprüchlichkeit isoliert und zum Ideal verabsolutiert .“ (Chr. Glimpel, Gottesgedanke und autonome Vernunft, 59). Glimpel scheint nicht zu bemerken, dass es gar nicht Pannenbergs Anliegen ist, durch einen Rekurs auf die

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gezeigt – auch nicht so verstanden, sondern lediglich ‚some link‘ zwischen beiden Korrelaten der Erkenntnisrelation gesehen und mehr benannt als bestimmt. Die besondere Wertschätzung des Kohärenzgedankens als primär ontologische Kohärenz dürfte bei Pannenberg dagegen in der Anschlussfähigkeit an die, im Christentum vor allem von Augustin ausgehende, traditionsreiche Identifikation Gottes mit der Wahrheit begründet sein1174. Hinsichtlich des Pannenberg‘schen Wahrheitsverständnisses kann von einem „Primat der Kohärenz vor der Korrespondenz“1175 gesprochen werden, und zwar in dem Sinne, dass Pannenberg, wie gezeigt worden ist, Wahrheit primär in Gott und auf der Ebene ontologischer Kohärenz ansiedelt und erst sekundär auf der sprachlichen Ebene, was durch den Korrespondenzgedanken zumeist repräsentiert wird1176. ontologische Ebene zu demonstrieren, dass Urteile der Wirklichkeit widersprechen oder nicht widersprechen können. Die Bezugnahme auf die ontologische Ebene als eine kohärent verstandene Wirklichkeit dient lediglich dazu, im Rahmen der rein sprachimmanenten Urteilsbildung zu kohärenten Formulierungen zu gelangen, deren Verhältnis zur außersprachlichen Wirklichkeit dann (rein) korrespondenztheoretisch (und nicht irgendwie kohärentistisch) zu fassen ist. Daneben sei angemerkt, dass Glimpel offenbar und darin Pannenberg nicht unähnlich einen alltäglichen schwachen Kohärenzbegriff gebraucht, der sich des (sinnvollerweise zu machenden) Unterschieds zu bloßer Konsistenz (Widerspruchsfreiheit) nicht bewusst zu sein scheint. Zudem ist seine Rede von ‚widerspruchsloser Kohärenz‘ redundant, da Kohärenz das Moment der Konsistenz in sich schließt und darüber hinaus noch weitere Aspekte umfasst. 1174 Insofern scheint mir auch die Einschätzung von Chr. Glimpel etwas schief, wonach Pannenbergs „ontische Fundierung des Kohärenzideals unbeschadet ihrer Unbegründbarkeit immerhin erklärbar“ sei, und zwar dadurch, dass er den Wahrheitsbegriff auf materiale (=positive) Wahrheit beschränke (Chr. Glimpel, Gottesgedanke und autonome Vernunft, 59f). Glimpel selbst geht an anderer Stelle auf den Zusammenhang des Kohärenzideals und den Gottesgedanken bei Pannenberg ein (s. u.): Glimpel schreibt: „Diese Verortung ist ja auch nicht ohne Wahrheitsmoment, denn der transzendental konstituierte Sinn positiver Wahrheit sieht tatsächlich vor, daß die Faktizität darüber entscheidet, ob etwas wahr ist oder nicht – und zwar nicht etwa deshalb, weil die Faktizität wahrheitstheoretisch fundamental oder gar absolut wäre, sondern weil sie als kontingent definiert ist: Zum Kontingenten gehört, daß es nur wahr ist, wenn es vorliegt – und insofern entscheidet sein Vorliegen, seine Positivität über seine Wahrheit.“ (Chr. Glimpel, Gottesgedanke und autonome Vernunft, 59f). Diese in Glimpels Arbeit wiederholt aufgegriffene These ist allein schon deshalb falsch, weil Pannenberg neben der unbestrittenen Behandlung und Anwendung materialer, kontingenter bzw. positiver Wahrheit und ihrem Wahrwerden durch Faktizität sich gerade auch der Frage nach dem formalen Wahrheitsbegriff zugewandt hat, wie auch Glimpel im Grunde nicht entgangen ist. Unzutreffend ist des Weiteren Glimpels Behauptung, Pannenberg verorte „das Wesen der Wahrheit in der denkunabhängigen Wirklichkeit“, denn Pannenberg hat ausdrücklich die semantische Ebene mit in den Wahrheitsbegriff einbezogen, indem er die Aussagenwahrheit als eine Dimension in den Wahrheitsbegriff einspeiste. 1175 H. Springhorn, Immanenz Gottes und Transzendenz der Welt. Eine Analyse zur systematischen Theologie von Karl Rahner und Wolfhart Pannenberg, 54. 1176 Insofern ist jedoch Springhorns Behauptung, es ginge Pannenberg um einen „Primat des

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Man kann allerdings berechtigterweise fragen, ob das Moment der Korrespondenz durch eine Bezugnahme auf die ontologischer Ebene und von ihr her mit ihrer dort festzustellen Kohärenz außersprachlicher Entitäten überhaupt abgeleitet bzw. begründet werden kann: A. Kreiner verneint diese Möglichkeit: „Die Favorisierung des Kohärenzgedankens kann durch einen ontologischen Rekurs jedoch schwerlich geklärt werden. Die Annahme einer „Kohärenz in den Dingen selbst“ kann die Urteilswahrheit deshalb nicht begründen, weil für diese Annahme selber eine Übereinstimmung zwischen Urteil und Sachverhalt beansprucht werden muß, von der dann die Kohärenztheorie allererst abgeleitet [kursiv: T. L.] werden kann.“1177

Kreiners Argumentation lässt sich auch folgendermaßen fassen: Gegen Pannenbergs Behauptung, dass zunächst und primär auf der ontologischen Ebene eine Kohärenz in und zwischen den Entitäten bestehen soll, von welcher her dann der sekundärer Urteilsaspekt im Wahrheitsbegriff – Wahrheit im korrespondenztheoretischen Sinne – gewonnen werden könne, wendet Kreiner ein, dass Pannenberg für eben diese Behauptung auf Wahrheit im korrespondenztheoretischen Sinne notwendig zurückgreifen müsse. Und in der Tat: Die Behauptung, dass ontologische Wahrheit in spezieller Gestalt der Kohärenz in und zwischen den Dingen primär sei, beruht bereits auf einer solchen Inanspruchnahme der Korrespondenztheorie. Denn Behauptungen ohne dieses Moment der Referenz und Korrespondenz gibt es faktisch nicht. Insofern wird man Kreiner zustimmen dürfen, dass Pannenberg ironischerweise für die Darlegung seines primär an ontologischer Kohärenz orientierten Wahrheitsverständnisses immer schon zuerst auf Korrespondenzwahrheit angewiesen ist. Dieses Argument Kreiners ließe sich prinzipiell ausweiten. Es ist ein klassisches Argument für die kaum zu überschätzende Bedeutung des Korrespondenzgedankens, der sich hartnäckig durchhält: Wahrheitsansprüche – ganz gleich mit welchen Wahrheitsträgern sie formuliert werden – verlieren an Bedeutung, ja sind im Grunde gar nicht recht denkbar, wenn mit ihnen nicht in irgendeiner Weise der Anspruch verbunden ist, dass sie in eben diesem korrespondenztheoretischen Sinne zutreffen. Doch muss diese Einsicht automatisch heißen, dass Wahrheit im korrespondenztheoretischen Sinn nicht von kohärenztheoretischer Wahrheit im Kohärenzkriteriums [kursiv: T. L.] von Wahrheit vor dem Kriterium [kursiv: T. L.] der Korrespondenz“ (H. Springhorn, Immanenz Gottes und Transzendenz der Welt. Eine Analyse zur systematischen Theologie von Karl Rahner und Wolfhart Pannenberg, 64) als in mehrfacher Hinsicht falsch zurückzuweisen. Es zeigte sich, dass Pannenberg der Kohärenz definitorische als auch kriteriologische Bedeutung beigemessen hat. Außerdem basiert daneben Pannenbergs Inanspruchnahme korrespondenztheoretischer Wahrheit (man vergleiche nur den Gebrauch zahlreicher Wahrheitsträger) nicht darauf, dass er Korrespondenz als ein bloßes Wahrheitskriterium gebraucht, wie in der Theologie gelegentlich – nicht nur in Bezug auf Pannenberg – fälschlicherweise behauptet wird. 1177 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 285.

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Sinne ontologischer Kohärenz abgeleitet werden kann? Man wird m. E. mit Kreiner dies bejahen müssen. Grundsätzlich ist es zwar möglich, Wahrheit – wenigstens primär – auf der rein ontologischen Ebene zu verorten, wie es für Pannenbergs Wahrheitsverständnis kennzeichnend ist. Doch bleibt Pannenberg zur Darlegung seiner Sichtweise auf eine sprachliche /semantische Ebene angewiesen, die im Sinne der Korrespondenztheorie mit der ontologischen Ebene (in welcher Form auch immer) übereinstimmt. Für die ontologische Fundierung von Wahrheit muss Pannenberg Wahrheit im korrespondenztheoretischen Sinn beanspruchen. Dadurch aber erweist sich unweigerlich die die semantische mit der ontologischen Ebene verknüpfende Korrespondenztheorie als letztlich fundamental. Kreiner gelangt so zu der These, dass für einen solchen Typus der Kohärenztheorie letztlich die Korrespondenztheorie der Wahrheit fundamentale Bedeutung beibehält, ja – also gleichsam gegenläufig zur Vorstellung Pannenbergs – erst von der definitional fundamentaleren Korrespondenz auf eine Kohärenz geschlossen werden kann: „Insofern die Kohärenztheorie auf ontologischen Annahmen über die Wirklichkeit im ganzen basiert, bleibt für sie der Korrespondenzgedanke fundamental [Kursiv: T. L.]. Dies gilt für jede Kohärenztheorie, die auf metaphysische Annahmen über die Beschaffenheit der Wirklichkeit im ganzen basiert: Jede auf die „Kohärenz der Dinge“ rekurrierende „Kohärenztheorie“ bleibt korrespondenztheoretisch.“1178

Die These eines Prae der Korrespondenztheorie in der Kohärenztheorie Pannenbergs lässt sich zudem auch belegen an Pannenbergs Ausführungen zur Frage, wodurch nach seinem Dafürhalten Aussagen wahr werden. [1] Die eine Möglichkeit ist die, dass aufgrund der (definitorischen) Inanspruchnahme der Korrespondenztheorie der Wahrheit solche (Aussage-)Wahrheit (allein) vom sog. Wahrmacher, dem Objektkorrelat (Wirklichkeit, Welt, Gegenstände …), abhängt. [2] Durch Pannenbergs gleichzeitige Inanspruchnahme der Kohärenztheorie der Wahrheit ergibt sich aber auch die Möglichkeit, die Wahrheit von Aussagen (und anderen Wahrheitsträgern) am Kriterium ihrer Kohärenz mit anderen Aussagen (und anderen Wahrheitsträgern) festzumachen. Um den Möglichkeitsspielraum plastisch zu machen, frage ich beispielhaft: Wodurch wird also eine Aussage wie „Wolfhart Pannenberg adaptiert die Korrespondenztheorie der Wahrheit“ wahr? Entweder dadurch, dass [ad 1] sie im 1178 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 285f. Siehe auch A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 289: „Bisher war davon ausgegangen worden, daß Kohärenz epistemologisch dann und nur dann relevant sein kann, wenn eine ontologische Basis vorausgesetzt wird, für die Wahrheit im korrespondenztheoretischen Sinn behauptet werden muß. Daraus war auch gefolgert worden, daß die Korrespondenztheorie in definitionaler Hinsicht fundamental bleibt.“

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Sinne der Korrespondenztheorie zutrifft, d. h. den Tatsachen entspricht, oder dadurch, dass sie im Sinne von [2] zu anderen Aussagen in einem aussagelogischen Kohärenzverhältnis steht? Pannenberg scheint diese Frage nicht geklärt zu haben. Kreiner meint, Pannenberg so verstehen zu können, dass er die Wahrheit von Aussagen von ihrem Zutreffen [1] abhängig und nicht von ihrer Kohärenz untereinander [2] gemacht hat: „Auch Pannenberg scheint sich letztlich für diese nicht kohärentistische, sondern korrespondenztheoretische Formulierung zu entscheiden.“1179 Er kann sich für diese Interpretation berufen auf Pannenbergs Ausführungen zu „Behauptungen, die formal gesehen entweder falsch oder wahr sein können, bei denen daher sinnvoll gefragt werden kann, ob sie zutreffen, also wahr sind, und deren Wahrheit von Bedingungen abhängt, die nicht mit der Behauptung selber schon gegeben sind.“1180 Gegen Kreiners Interpretation können allerdings Belege ins Feld geführt werden, die zeigen, dass Pannenberg andernorts scheinbar kohärenztheoretisch argumentiert: Pannenberg behauptet in „G o t t e s g e d a n k e u n d m e n s c h l i c h e F r e i h e i t “, es sei eine „Überzeugung von der Wahrheit […] theologischer Behauptungen […], wenn anders die Wahrheit in bezug auf ein und dasselbe nur eine sein kann, nur unter der Voraussetzung möglich, daß die theologischen Behauptungen mit dem, was an außertheologischen Behauptungen über Mensch, Welt, Geschichte wahr ist, übereinstimmen [kursiv: T. L.], und diese Voraussetzung muß selbst Gegenstand theologischer Reflexion werden, weil sonst die Wahrheit aller theologischen Aussagen dahinsteht.“1181

Möglichkeitsbedingung der Wahrheit theologischer Behauptungen ist diesem Passsus zufolge umfassende Kohärenz mit außertheologischen Behauptungen. Dieses postulierte Erfordernis verträgt sich nicht mit dem korrespondenztheoretischen Gedanken, dass Behauptungen allein dadurch wahr werden, dass sie zutreffen und so auch im Einzelfall zutreffen könn(t)en, wenn die von Pannenberg eingeforderte Kohärenz nicht gegeben sein mag. Wie es scheint, kann Pannenberg nur deshalb die Kohärenz als Wahrheitskriterium nutzen, weil er voraussetzt und auch voraussetzen kann, dass eine gegebene Kohärenz aller wahren Aussagen die Wahrheit dieser Aussagen verbürgt. Ihre Wahrheit besteht jedoch nicht in ihrer Übereinstimmung, sondern letztlich darin, dass alle diese Behauptungen im korrespondenztheoretischen Sinne zutreffen, so sie wahr sind. Denn während Kohärenz die Wahrheit von Aussagen nicht garantieren kann,

1179 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 289 Anm. 79. 1180 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 66. Vgl. A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 289 Anm. 79. 1181 W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 53f.

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sind sie doch andererseits immer wahr, wenn sie zutreffen1182. Die Wahrheit von Aussagen sollte Pannenberg darum konsequenterweise auch hier nicht von der Kohärenz, sondern von ihrem Zutreffen abhängig machen. Die gemachte Beobachtung, dass die beiden Bedingungen (= [1] und [2]) irgendwie Verwendung finden können, dürfte zwar auf Pannenbergs Ansatz zutreffen, nicht aber die Frage beantworten, wodurch Aussagen letztlich wahr werden. Und diesbezüglich wird man mit Kreiner urteilen dürfen, dass sie auch für Pannenberg letztlich durch das am Wahrmacher hängende Moment der Korrespondenz wahr werden, wenn auch das Kriterium der Kohärenz zusätzlich bemüht wird. 3.4.4.4.6 Korrespondenz und Konsensus als besondere Form von Kohärenz? Eine Anfrage Pannenbergs Behauptung, sowohl die Korrespondenz zwischen Urteilen und Sachverhalten sowie der Konsensus kompetent Urteilender könnten als „eine besondere Form der Kohärenz [kursiv: T. L.]“ (s. o.) angesehen werden, bedarf einer kritischen Betrachtung. Man wird dieses Urteil zwar vor dem Hintergrund seines Anliegens deuten dürfen, den „Kohärenzgedanke[n] als das eigentlich Fundamentale im Wahrheitsbegriff“ (s. o.) erkennen zu wollen, und so scheint er es selbst, wie im Text angedeutet, wohl auch zu sehen. Gleichwohl vermag diese Betrachtung nicht komplett überzeugen. Hinsichtlich des Konsensus wird man Pannenbergs These beipflichten können. So wird etwa zuweilen auch in der wahrheitstheoretischen Diskussion die Konsensustheorie der Wahrheit als dem Typus der Kohärenztheorie nahestehende Theorie gesehen, insofern mit ihr aussagenpragmatische Kohärenz intendiert wird1183. In der Korrespondenz wird man gegen Pannenberg wohl gerade keine besondere Form von Kohärenz erkennen können. Denn Korrespondenz bezeichnet in der Korrespondenztheorie eine Relation zwischen zwei (heterogenen) Bereichen. Wie kann eine solche Relation selbst kohärent verfasst sein? Das ist vor allem dann unmöglich, wenn etwa nur eine einzige Behauptung (ganz im Sinne Pannenbergs auch) mit dem Anspruch auf Gegenstandskorrespondenz aufgestellt wird. Hat Pannenberg sich möglicherweise von dem deutschen Ausdruck ‚Übereinstimmung‘, der sowohl in der Kohärenztheorie- als auch in der Korrespondenztheorie mit je verschiedener Bedeutung Anwendung findet, irritieren lassen? Kohärenz lässt sich nur finden auf den beiden, die Erkenntnisrelation begründenden Ebenen: (1) einmal auf der sprachlichen Ebene, z. B. bei der Ko1182 Aus der Tatsache, dass Kohärenz die Wahrheit von Aussagen nicht garantieren kann, leitet Kreiner ab, dass „kein Anlaß [bestehe], die Kohärenztheorie als die theologische Theorie der Wahrheit zu postulieren.“ (A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 289). 1183 Vgl. etwa auch K. Gloy, Wahrheitstheorien, 192.

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härenztheorie in Gestalt aussagenlogischer Kohärenz oder im Fall der Konsensustheorie in Form aussagenpragmatischer Kohärenz1184. (2) Alternativ oder zugleich kann Kohärenz auf der ontologischen Ebene verortet werden, womit dann das Verhältnis der Entitäten untereinander beschrieben wäre und auch die Möglichkeit der denkerischen Verknüpfung des Gottesgedankens mit dem Kohärenzideal für manche auf geradezu verführerische Weise gegeben ist. 3.4.4.4.7 (Ontologische) Kohärenz und Gottesgedanke Aus Pannenbergs Ausführungen zum Wahrheitsbegriff geht deutlich hervor, dass die Kohärenz auf der Urteilsebene (=Aussagenebene) für Pannenberg von sekundärer Bedeutung ist, da diese, sich der Kohärenz als einem Wahrheitskriterium bedienende Kohärenzbildung auf ontologische Kohärenz – d. h. auf den kohärenten Zusammenhang (endlicher) Entitäten und damit letztlich auf Gott, der alle ontologische Kohärenz umgreift – angewiesen bleibt. Der Kern seines Kohärenzbegriffs liegt also auf der Ebene der Ontologie1185. Daraus resultiert zum 1184 Vgl. dazu K. Gloy, Wahrheitstheorien, 192. 1185 Pannenbergs These der (ontologischen) Kohärenz als des Fundamentalen im Wahrheitsbegriff kritisiert Glimpel im Zusammenhang einer Kritik am Hypothesenbegriff, mit dessen Anwendung sich Probleme ergäben. „Schon gar nicht sollte der auf empirische Verifikation zielende Hypothesenbegriff übernommen werden. Sofern die Hypothese ihrer Form nach darauf abzielt, ‚das Wahre sein zu lassen, was es ist, es also durch die Ausschließung seines Gegenteils von jeder Beimischung des Falschen freizuhalten‘“ (W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. II, 232 zitierend und hervorhebend), stellt sie die methodische Exekution des logischen Zweiwertigkeitsprinzips dar. Wahrheitstheoretisch fällt jenes von jeder Beimischung des Falschen freigehaltene Wahre unter den Begriff materialer Wahrheit bzw. Richtigkeit, derzufolge das Falsche vom Wahren ausgeschlossen werden muß, weil nur das ‚als Wahres für sich bestehen [kann], das kein anderes widersprechendes neben sich hat‘“ (hier mit Hervorhebung aus: W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 210 zitierend; zu allem siehe Chr. Glimpel, Gottesgedanke und autonome Vernunft, 55). „Zweiwertige Logik und widerspruchslose Wahrheit sind demnach komplementäre Seiten ein und derselben theoretischen Option.“ (a. a. O., 56) Diese Einschätzung ist zutreffend. Das muss aber nicht – wie Glimpel meint – heißen, dass „„Gott“ durch diese Weise der Thematisierung offensichtlich zu einem kontingenten Gehalt umdefiniert wird.“ (a. a. O., 56). Er meint weiter: „Tatsächlich gehört es zum Begriff des materialiter Wahren, daß es vom materialiter Falschen unterschieden und kraft dieser Unterschiedenheit eine mit sich identische, „widerspruchslose Einheit“ ist. Indem es „von jeder Beimischung des Falschen“ [162: Grundfragen ST II, 232] durch dessen Ausschluß freigehalten wird, bleibt das Wahre jedoch konstitutiv auf das Falsche bezogen. Da beide sich sowohl gegenseitig ausschließen als auch wechselseitig fordern, bilden sie die Seiten einer Disjunktion, deren Einheit ihr Sinn und ihre Wahrheit ist. Aber diese Einheit kann unter der Ägide der klassischen Logik nicht gedacht werden, denn diese fordert den Ausschluß des Dritten. Die klassische Logik stützt also den positiven Wahrheitsbegriff – beide sind komplementäre Seiten ein und derselben theoretischen Option.“ (Chr. Glimpel, Gottesgedanke und autonome Vernunft, 57). Glimpel kritisiert also Pannenbergs Wahrheitsbegriff deshalb, weil er der klassischen Logik mit ihrem Bivalenzprinzip verhaftet bleibt und dabei – so die Meinung von Glimpel – das Falsche aus der widerspruchslosen kohärenten Menge ausschlösse. Genau diese Vorstellung dürfte aber weder dem Anliegen Pannenbergs entsprechen noch als solche überzeugen: Ein Neben zur Kohärenz auf der onto-

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logischen Ebene gibt es nicht. Es gibt nach der Auffassung Pannenbergs gar kein von der kohärenten Menge ausgeschlossenes Falsches, das – wie das Wort selbst anzeigt – bei Glimpel merkwürdigerweise hypostasiert wird und so zu einem scheinbaren Gegenüber zur materialen bzw. positiven Wahrheit wird. Wahrheit und Falschheit gehören (nicht nur bei Pannenberg) in den Kontext der Hypothesenbildung im weitesten Sinne, insofern Falschheit wie auch Wahrheit eine Eigenschaft von Sätzen ist: Aussagen, Behauptungen u. dergl. können entweder wahr oder falsch sein – hier ist der Gedanke des Bivalenzprinzips an seinem Platze. Niemals aber wäre das Falsche selbst eine ontische Realität – diese Täuschung beruht auf einer grammatischen Eigentümlichkeit, die durch das Nomen ‚das Falsche‘ suggeriert wird. Dieses ist jedoch nicht existent, weshalb es auch gar nicht vom Widerspruchsfreien ausgeschlossen werden könnte. Die Wirklichkeit selbst wird von Pannenberg als in sich kohärent strukturiert gedacht, ein Ausgeschlossenes oder gar ausgeschlossenes Falsches daneben gibt es nicht. Die prinzipielle Kritikwürdigkeit des Kohärenzideals gründet Glimpel zufolge aber vor allem darin, dass er fürchtet, Gott könne im Zuge kohärenter Deskription zu einem kontingenten Gegenstand degradiert werden: „Die Theologie muß an einer Kritik des Kohärenzideals aber insofern interessiert sein, als die Gegenstände kohärenter Deskription durch den Ausschluß des Widersprechenden konstituiert und dadurch als kontingente bestimmt sind. Da es sich bei Gott per definitionem um keinen kontingenten Gehalt handelt, wird die Theologie im Rahmen kohärenter Deskription ihre Aufgabe, von Gott zu reden, nicht angemessen erfüllen können. Aus Gott wird dann nämlich ein endliches Ding, dessen Wahrheit ‚auf dem Spiele‘steht und das zum Gegenstand empirisch-wissenschaftlicher Hypothesenbildung werden kann.“ (Chr. Glimpel, Gottesgedanke und autonome Vernunft, 62; zitierend W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 33). Dem skizzierten Argumentationsmuster entsprechend kritisiert Glimpel auch, dass „Pannenberg das Nichtseiende [kursiv: T. L.] als wahrheitstheoretisch irrelevant einstuft“ (Chr. Glimpel, Gottesgedanke und autonome Vernunft, 84). Glimpel bemängelt, dass Pannenberg aufgrund seines „positivistischen Wissenschaftsverständnis[ses], demzufolge allein das, was faktisch vorliegt bzw. empirisch nachprüfbar ist“ (a. a. O., 85) Gott nicht auch als „Grund des Nichtseienden und Grund der zwischen Seiendem und Nichtseiendem bestehenden Differenz“ denkt/versteht. (a. a. O., 84f. vgl. auch exemplarisch 91, wo Glimpel erklärt, in der Vorstellung Gottes als des Grundes nur des Seienden den Hintergrund zu erkennen für die Pannenbergs Theologie kennzeichnende Machtförmigkeit in der Rede von Gott, wie sie bereits von Th. Freyer [Zeit – Kontinuität und Unterbrechung, 226f], E. Jüngel [nihil divinitatis, ubi non fides, 231] u. A. Lange [Religion als Weltbemächtigung, 248ff] kritisiert worden ist). Gott werde auf diese Weise jedoch nicht angemessen gedacht, insofern Gott dadurch zu einem bloß kontingenten, endlichen Gehalt würde, also zu einem Gehalt, „der sein oder auch nicht sein könnte.“ (a. a. O., 81). Wiederholt kulminiert seine Argumentation in der Kritik an einem angeblich „defizitären wahrheitstheoretischen Ansatz auf der Ebene positiver Wahrheit“ (a. a. O., 96; vgl. dazu auch a. a. O., 214). Es zeigt sich in alledem, dass Glimpel auch hier wieder mit der abwegigen Vorstellung rechnet, Pannenberg schlösse im Rahmen kohärenter Deskription einen Teilbereich – nämlich das Widersprechende, Falsche oder Nichtseiende – aus. Wenn, wie bereits dargelegt, neben der Kohärenz gar keine Inkohärenz anzunehmen ist, dann verliert auch Glimpels Folgerung, Gott werde bei Pannenberg zu einem endlichen, kontingenten Ding degradiert, an Überzeugunskraft (vgl. a. a. O., 62f). Diese Annahme erübrigt sich aber auch schon deshalb, weil Gott selbst in seiner Verfasstheit von Pannenberg im Anschluss an Augustin (und damit insbesondere auch im Anschluss an Plotin letztlich) in sich kohärent gedacht wird und zudem Gott mit seiner Unendlichkeit (im Hegel’schen Sinne als das wahrhaft Unendliche) bei Pannenberg kein Gegenüber hat, das seiner Bestimmung entzogen wäre. Gegen Glimpel wird man daher mit

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einen eine Nähe (nicht zu N. Reschers Theorie), sondern zur idealistischen Kohärenztheorie F.H. Bradleys, insofern auch er auf eine widerspruchsfreie, „ultimate unity“ rekurrierte1186. Die Kohärenz verweist ihrerseits im Denken Pannenbergs – und damit im Unterschied zu Rescher – letztlich auf Gott, in dem die ontologische Kohärenz gründend gedacht wird. Denn die wesensmäßige Beschaffenheit der Wahrheit als ontologischer Kohärenz vermag seiner Überzeugung gemäß erst die Bildung von Kohärenzen auf Aussagenebene zu rechtfertigen1187. (Pannenbergs Befolgung des Scholz‘schen Kohärenzpostulats darf – nebenbei bemerkt – als ein Exempel für die Umsetzung dieses Gedankens fungieren (s. o.). Denn dieses fordert die konsistente Beschreibung eines einheitlichen Gegenstandbereiches.) Zum anderen gewinnt Pannenbergs Kohärenztheorie durch die Verbindung ontologischer Kohärenz mit dem Gottesgedanken einen spezifisch theologischen Charakter. Denn es ist Pannenberg zufolge kein Geringerer als „Gott der ontologische Ort der Einheit der Wahrheit im Sinne der Kohärenz als Einheit alles Wahren“1188. Diese von Pannenberg vorgenommene Verknüpfung liegt in der Tat nahe, wie auch schon A. Kreiner gemeint hat: „Die Idee eines systematischen Zusammenhangs der Wirklichkeit als eines Gesamtes wechselseitig abhängiger Teile läßt sich theologisch rezipieren und durch die Vermittlung des Gottesgedankens begründen.“1189

Gott wird so zum Einheit und Kohärenz stiftenden locus aller ontologischen Wahrheit. „Pannenberg follows Augustine in interpreting God as the location of the unity of all truth.“1190 Das zeigte sich bereits. Doch inwiefern hängen Gott und alle ontologische Kohärenz zusammen? Pannenberg macht dazu ein paar Andeutungen: „Der augustinische Gedanke, daß Gott die Wahrheit selbst sei (De lib. arb. II,15), beruht auf dem Gesichtspunkt der Kohärenz und Einheit alles Wahren.“1191 Gott wird als Stifter der ontologi-

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Pannenberg argumentieren dürfen, dass die Theologie (nicht nur allein deshalb) sehr wohl am Kohärenzideal weiterhin interessiert sein dürfte. F.H. Bradley, Appearance and Reality. A Metaphysical Essay, 414ff, 460ff (zitiert nach K. Gloy, Wahrheitstheorien, 171f bzw. 263). Vgl. zum Kohärenzgedanken bei Pannenberg in Verbindung mit dem Gottesgedanken auch die Bemerkungen von H.-P. Willi, Dogmatik als Lehre von Gott. Ein Bericht über den ersten Band der „Systematischen Theologie“ von Wolfhart Pannenberg, bes. 105–110 sowie ders., Theologie der Menschwerdung. Ein Bericht über den zweiten Band der „Systematischen Theologie“ von Wolfhart Pannenberg, 332. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 63. So A. Kreiner zu Pannenbergs Ansatz. Vgl. A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 285. Chr. Schwöbel, Rational Theology in Trinitarian Perspective. Wolfhart Pannenberg’s Systematic Theology, 500. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 63. Siehe auch W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 6: Kohärenz (als Konsistenz?) wird dort zum Wesen der

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schen Kohärenz und Einheit verstanden1192. Gott als die Wahrheit selbst sei der (Existenz-)Grund aller ontologischen Wahrheit – ein Gedanke, den Pannenberg zutiefst metaphysisch verstanden wissen will1193. Gott ist für Pannenberg der „one unifying ground of truth“1194. Es ist die Vorstellung, dass „all truth must cohere in God“1195. Aber auch der Gedanke, alle (ontologische) Wahrheit zu umgreifen, den Pannenberg schon im biblischen Verständnis der alles umgreifenden ‫ֱאֶמת‬/emet Gottes begründet sieht (s. o.), scheint nicht wenig plausibel, zumindest nicht vor dem Hintergrund der für seine Theologie schöpfungstheologischen Annahme Gottes als der alles bestimmenden Wirklichkeit als auch von der Unendlichkeit als einem Gottesprädikat her: Gott umfasst auch alle endlichen Entitäten1196. Gott ist Ort der Einheit der Wahrheit, weil er als (höchste) Wahrheit den Zusammenhang von (ontologischer) Wahrheit und Sein in seiner Einheit stiftet und die Totalität alles Seienden mitsamt dessen Wahrheit umfasst1197.

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Einheit der Wahrheit gerechnet und als „all-embracing, closely related to the concept of the one God“ ausgegeben. So auch die Interpretation von J. Rohls, Protestantische Theologie der Neuzeit II, 829. Zu dieser Vorstellung Gottes als des Stifters aller ontologischen Wahrheit (‚Wahrheit der Dinge‘) vgl. auch W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 1, 56. Die ontologische Wahrheit wird von Pannenberg mit der einen und alles einenden göttlichen oder absoluten Wahrheit auch hier in Verbindung gebracht: „Wenn metaphysisches Denken, auch als deskriptive Metaphysik, die Wahrheit der Dinge im Gedanken darzustellen sucht, dann kann es gerade die Frage nach der Wahrheit des Absoluten als des Göttlichen nicht auf sich beruhen lassen.“ (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 56). So zurecht R.A. Rhem, A Theological Conception of Reality as History – Some Aspects of the Thinking of Wolfhart Pannenberg, 214. S.J. Grenz, „Scientific“ Theology/ „Theological“ Science: Pannenberg and the Dialogue between Theology and Science, 162: „Because God is truth, Pannenberg surmises, all human inquiry has God as its ultimate subject matter. And if God is the power that determines everything (that is, the Creator of the universe), all truth must cohere in God.“ Vgl. auch S.J. Grenz, II. The Irrelevancy of Theology: Pannenberg and the Quest for Truth, 308; vgl. ferner S.J. Grenz, Reason for Hope, 19. Vgl. auch folgende Bemerkung von Chr. Mostert, God and the Future, 118: „It is given from the future, says Pannenberg; it is ultimately the truth of God, whose mode of being is future. ‚All constancy, whether it be in the orders of nature, in the life of nations, or in the individual, is embraced by the truth of God and is grounded in it.‘“ Zu Pannenbergs These von Gott als dem ontologischen Ort der einen und einheitlichen Wahrheit siehe auch die knappe Deskription von Dirk-Martin Grube: „Pannenberg setzt sich mit der Kohärenztheorie der Wahrheit auseinander und schreibt dieser fundamentale Funktion für den Wahrheitsbegriff zu, die es ermöglichen, den Wahrheitsbegriff von der metasprachlichen Urteilsebene auf die objektsprachliche Ebene der „Dinge selbst“ zurückzuführen. Dadurch wird es wieder möglich, die augustinische Idee der Zusammengehörigkeit von Wahrheit und Sein einzuholen und damit den Gottesbegriff als „ontologische(n) Ort der Einheit der Wahrheit im Sinne der K. als Einheit alles Wahren“ (Pannenberg, Syst. Theol., 63, s.a. Wahrheit) zur Geltung zu bringen.“ (D.-M. Grube, Art. Kohärenz II. Fundamentaltheologisch, 1473). Siehe auch R.A. Klein, Wolfhart Pannenberg: Systematische Theologie I–III, 273f: „Der Gottesgedanke, den die dogmatische Theologie

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Man wird sagen können, dass sich in den Überlegungen Pannenbergs zu der von Gott umgriffenen ontologischen Ebene so etwas wie ein ‚wahrheitstheoretischer Holismus‘ kundtut1198. Das Moment universaler Kohärenz ist Wesensmerkmal von Wahrheit und somit auch Wesensmerkmal Gottes1199. Chr. Glimpel ist in seiner Studie der Frage nachgegangen, ob möglicherweise in der Kohärenz- und nicht in der Gotteshypothese die fundamentale Hypothese Pannenbergs zu erkennen ist. Er argumentiert folgendermaßen: „Wird Kohärenz dennoch als ontische Struktur angesetzt, dann kann es sich bei dieser Behauptung unter Voraussetzung der prinzipiellen Hypothetizität allen Wissens nur um eine Hypothese handeln.“1200 „Diese Hypothese ist der weiteren Hypothese, Gott sei ‚der ontologische Ort der Einheit der Wahrheit im Sinne der Kohärenz als Einheit alles Wahren‘ […] offenbar vorausgesetzt.“1201 „Erwiese sich die Wirklichkeit als nicht kohärent, dann könnte der als Grund aller Kohärenz bestimmte Gott nicht die „alles bestimmende Wirklichkeit“ sein, denn das Inkohärente wäre ja seinem Bestimmen entzogen.“1202 „Umgekehrt ließe sich nur im Falle einer „Kohärenz in den Dingen selbst“ dann noch Gott als Grund dieser Kohärenz behaupten. Das bedeutet: Bevor die Gotteshypothese verifiziert werden kann, muß sich die These bewahrheiten, daß die Wirklichkeit letztlich eine kohärente bzw. daß Kohärenz im Sinne von Widerspruchslosigkeit die universale Struktur ist.“1203

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in allen ihren Teilen zu explizieren hat (vgl. aaO, 482–483), ist insofern ‚ontologisch‘ als sich mit ihm die Wahrheit alles Seienden benennen lässt, für die er als Grund fungiert […]. Des Weiteren ist Gott der ‚Ort‘ der Wahrheit, insofern er selbst zwar nicht endlich ist, als Gott der Geschichte aber die Kontingenz der geschichtlichen Ereignisse umschließt (vgl. STh I, 419ff.438f.452).“ So L.B. Puntel ganz passend zu Hegels Wahrheitskonzeption mit Blick auf die Identifikation der Wahrheit mit Gott, da dieser (im Fall von Hegel) „allein die Übereinstimmung des Begriffs und der Realität darstellt.“ (L.B. Puntel, Hegels Wahrheitskonzeption. Kritische Rekonstruktion und eine „analytische“ Alternative, 218). Bei Pannenberg manifestiert sich der besagte Holismus dadurch, dass Gott alle Entitäten umschließt. Vgl. auch die Bemerkung von H.-P. Willi: „Der skizzierte Wahrheitsbegriff im Sinne universaler Kohärenz ist in eins mit dem Begriff von Gott als der alles bestimmenden Wirklichkeit die Grundvoraussetzung der ganzen „Systematischen Theologie“.“ (H.-P. Willi, Dogmatik als Lehre von Gott. Ein Bericht über den ersten Band der „Systematischen Theologie“ von Wolfhart Pannenberg, 107). Chr. Glimpel, Gottesgedanke und autonome Vernunft, 61. Chr. Glimpel, Gottesgedanke und autonome Vernunft, 61f. Chr. Glimpel, Gottesgedanke und autonome Vernunft, 62. Chr. Glimpel, Gottesgedanke und autonome Vernunft, 62. Glimpel meint darüber hinaus, folgende Behauptung aufstellen zu können: „Ob man von der Kohärenz als Wesen der Wahrheit oder als Wesen der Wirklichkeit [kursiv: T. L.] spricht, ist unter den Voraussetzungen des Pannenberg‘schen Ansatzes gleichgültig: Was seinem Wahrheitsverständnis zufolge unwahr ist, ist zugleich unwirklich.“ (ebd., Anm. 181). Zwar ergibt sich bei Pannenberg durch seine primär ontologische Fundierung der Wahrheit eine große Nähe zwischen Wahrheits- und Wirklichkeitsbegriff, doch fallen bei Pannenberg beide keines-

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Glimpels Fazit lautet daher: „Nicht die Gotteshypothese, sondern die Kohärenzhypothese erweist sich damit als die eigentliche Fundamentalhypothese des Pannenbergschen Ansatzes.“1204

Gegen diese Hypothese Glimpels können allerdings Einwände erhoben werden. Zunächst ist m. E. zu erwägen, ob nicht beide Hypothesen Pannenbergs einander wechselseitig bedingen. Aber auch die unmittelbare Gegenthese zu Glimpel ließe sich ohne weiteres rechtfertigen. Gott selbst wird von Pannenberg als in seinem Wesen kohärent gedacht – und das einmal mit der Vorstellung einer Selbstübereinstimmung Gottes, aber auch anknüpfend an die biblische Selbstprädikation Christi (Joh 14,6) 1205. Deswegen wird man im Unterschied zu Glimpel eher zu dem Urteil gelangen können, dass der Gottesgedanke im Verständnis Pannenbergs die aussichtsreiche Gelegenheit bot, die Kohärenztheorie der Wahrheit nicht nur zu adaptieren, sondern auch die bei ihm intuitiv vorhandene Vorstellung von einer kohärenten Verfasstheit der Wirklichkeit aufzugreifen und mit dem Gottesgedanken zu verbinden. In beiden Hinsichten stellt der Aspekt der Kohärenz jedenfalls ein Axiom dar1206. Gegen Glimpels Pannenberg-Interpretation spricht aber letzten Endes, dass Pannenberg selbst nachdrücklich dargelegt hat, dass „[v]om Gottesgedanken her und um seinetwillen […] der Kohärenzaspekt [kursiv: T. L.] des Wahrheitsbegriffs […] zentrale Bedeutung für das christliche Denken“ gewinne1207.

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wegs in eins: Kohärenz erschöpft bei Pannenberg gerade nicht den Begriff bzw. das Wesen von Wahrheit, weil Pannenberg auch der sprachlichen bzw. aussagetheoretischen Dimension Rechnung tragen will. Damit bleibt für Pannenberg die vor allem vom korrespondenztheoretischen Wahrheitsverständnis her geläufige Verknüpfung zwischen semantischer Ebene einerseits und der ontologischen Ebene (= Wirklichkeit) andererseits konstitutiv, zumal er, wie gezeigt, Wahrheit auf Wirklichkeit bezieht, was eine Unterscheidung voraussetzt. Chr. Glimpel, Gottesgedanke und autonome Vernunft, 62. „In diesem letzteren Sinne bezeichnet der johanneische Christus sich selbst als „die Wahrheit“ (Joh 14, 6), nämlich als eins mit der alles begründenden, tragenden und zusammenfassenden [kursiv: T. L.] Wahrheit (emet) Gottes.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 177). T. Freyer spricht von einem „geschichtsmetaphysische[n] Axiom der Kohärenz der Wahrheit“ (Th. Freyer, Zeit – Kontinuität und Unterbrechung, 251f). Im Ganzen spricht vieles dafür, dass Pannenberg das Moment der Kohärenz sowohl vom Gottesgedanken her als auch von der Wahrheitstheorie her adaptiert hat. W. Pannenberg, Die Wahrheit Gottes in der Bibel und im christlichen Dogma, 278.

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3.4.4.4.8 Der Rekurs auf Parmenides, Augustin und Thomas von Aquin zur Rehabilitierung der ontologischen und (onto-)theologischen Wahrheit Es sind wahrscheinlich zwei Gründe, die Pannenberg veranlasst haben mögen, für sein Wahrheitsverständnis den Konzeptionen von Parmenides und Augustin auffallend große Beachtung zu schenken. 1.) Der Wille, Wahrheit primär auf der ontologischen Ebene zu verorten. 2.) Das theologische Interesse, von diesem (Vor-)Verständnis ausgehend eine Verbindung von Wahrheitsidee und Gottesgedanken herzustellen. In Hinblick auf beide Aspekte in ihrem Verbundensein kann bei Pannenberg auch von einem (onto-)theologischen Wahrheitsverständnis gesprochen werden1208. Parmenides und Augustin dürften als Vorbilder dieses Verständnis von Wahrheit wesentlich mitkonturiert haben: [1] Parmenides Pannenberg nicht unähnlich hat schon Parmenides dem Wahrheitsbegriff besondere Bedeutung beigemessen1209. Bereits in „Wa s i s t Wa h r h e i t ? “ ist Pannenbergs (vorrangige) Bindung der Wahrheit an die ontologische Ebene mit Parmenides erkennbar, den er dort zitiert: „‚daß Ist ist und daß Nichtsein nicht ist, das ist die Bahn der Überzeugung; denn diese folgt der Wahrheit‘“1210. Pannenberg identifiziert Parmenides‘ Formulierung mit derjenigen, wie sie bereits von Xenophon, Platon und Aristoteles vorgetragen wurde, wonach nämlich ἀληθεύειν darin bestehe, „‚das Seiende als Seiendes und das Nichtseiende als Nichtseiendes auszugeben‘“1211. Das ist insofern äußerst bemerkenswert und irritierend zugleich, als diese berühmte Formel – zumindest in Bezug auf Aristoteles – gemeinhin als Ausdruck gerade nicht des ontologischen, sondern als prominentes Exempel des semantisch-ontologischen Wahrheitsverständnisses bzw. der aussagetheoretischen (Korrespondenz-)Wahrheit angesehen wird1212. 1208 So etwa R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 21 speziell hinsichlich der Rezeption des augustinischen Wahrheitsverständnisses, das Barth formal als ein onto-theologisches versteht. Barth zeigt, dass eine weitere Gemeinsamkeit zwischen Augustin und Pannenberg darin besteht, das Wesen von Wahrheit vorrangig auf der ontologischen Ebene anzusiedeln, anstatt Wahrheit zunächst aussagetheoretisch und so semantisch-ontologisch zu verstehen. 1209 „Der erste vorsokratische Philosoph, bei dem der Wahrheitsbegriff als solcher eine zentrale Bedeutung gewinnt, ist Parmenides aus Elea.“ (J. Szaif, Die Geschichte des Wahrheitsbegriffs in der klassischen Antike, 6). Zu Parmenides s. ausführlicher J. Szaif, Die Geschichte des Wahrheitsbegriffs in der klassischen Antike,1–9 (bes. 6–9). Siehe auch G. Scuto, Parmenides‘ Weg: vom Wahr-Scheinenden zum Wahrseienden. 1210 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 204. Siehe auch insbes. Anm. 8. 1211 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 204. 1212 S. o. Es soll hier nicht der Frage nachgegangen werden, ob Arisoteles sich selbst bewusst war, dass er damit ein (rein) ontologisches Wahrheitsverständnis überwunden hat. Dieses seinerzeit „neue“ Verständnis der Wahrheit lässt sich entweder als propositionales Wahr-

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Pannenberg ist sich dieser Relationalität in diesem, von ihm sog. griechischen Wahrheitsverständnis bewusst, wenn er sagt, der griechische Wahrheitsgedanke sei „von Anfang an orientiert am Verhältnis eines Redenden zum Beredeten.“1213 Doch weder hier noch an anderer Stelle in Pannenbergs Werk hat diese Anerkenntnis von Relationalität dazu geführt, ein (rein) ontologisches Verständnis von Wahrheit zu hinterfragen. Für seine Verortung von Wahrheit auf der primär ontologischen Ebene kann er jedenfalls problemlos auf Parmenides zurückgreifen. Dieser hatte in seinem nur in Fragmenten überlieferten Lehrgedicht sein Verständnis von Wahrheit1214 dargelegt, welches durch und durch von der Vorstellung ontologischer Wahrheit getragen ist. Die ontologische Ebene ist für Parmenides die Sphäre der Wahrheit; sie steht der Sphäre des trügerischen Scheins gegenüber1215. Sein, Wirklichkeit und Wahrheit werden eng miteinander in Verbindung gebracht, im Akt täuheitsverständnis, (umfassender) als semantisch-ontologisches oder womöglich auch als korresondenztheoretisches verstehen, weil die sprachliche Ebene mit der ontologischen Ebene in Beziehung gesetzt wird: „Das Schema von Korrespondenz und Adäquation läßt sich der Sache nach schon in der Sophistik belegen, etwa in den anonymen Dissoi Logoi: „wenn eine Rede ausgesprochen wird, so gilt sie dann als wahr, wenn der Tatbestand dem Inhalt der Rede entspricht; wo nicht, so gilt dieselbe Rede als Lüge.“ (I.U. Dalferth u. Ph. Stoellger, Perspektive und Wahrheit, 7). J. Rohls (Korrespondenz, Konsens und Kohärenz, 29) sieht in der aristotelischen Formulierung die klassische Korrespondenztheorie der Wahrheit enthalten, auch wenn der Terminus ‚Übereinstimmung‘ fehle. (Rohls bezieht sich auf Aristoteles, Metaphysik IV, 7, 1011b 26f). Sicher richtig dürfte die präzisierende Einschätzung Chr. Landmessers sein, wonach es sich bei den Ausführungen in der Metaphysik noch nicht um eine von Aristoteles entwickelte Theorie handelt, wenn unter Theorie so etwas wie ein ‚wissenschaftliches Lehrgebäude‘ verstanden wird (Vgl. Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 45 inklusive Anm. 27). Wichtig scheint mir mit J. Szaif der propositionalistische Charakter der aristotelischen Wahrheitsdefinition zu sein (Vgl. J. Szaif, Die Geschichte des Wahrheitsbegriffs in der klassischen Antik, 18f). Und schon für Platons Wahrheitsverständnis (etwa im Kratylos 385b) lassen sich die Momente der Korrespondenz und Adäquanz nachweisen (vgl. dazu Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 46 Anm. 28, dort weitere Literatur). 1213 W. Pannenberg, Was ist Wahrheit?, 204. 1214 Man kann sicher fragen, ob es sich hierbei schon um eine Wahrheitstheorie handelt. U. Barth will bei Parmenides eine „systematisch entfaltete Wahrheitstheorie“ erkennen (vgl. U. Barth, Gott als Projekt der Vernunft 88f, dort auch weiterführende Literatur; siehe auch schon U. Barth, Gott – Die Wahrheit?, 102). Zur These der Wahrheitstheorie siehe insbes. E. Heitsch, Gegenwart und Evidenz bei Parmenides sowie U. Barth, Gott als Projekt der Vernunft, 90 Anm. 11. Siehe zudem auch schon U. Barth, Gott – Die Wahrheit?, 103 Anm. 17). Angemessener scheint mir, von einer Wahrheitslehre bei Parmenides (so auch H. v. Steuben in seiner Vorbemerkung zu: Parmenides, Über das Sein, 94) zu sprechen. Für eine Theorie dürfte es an Differenziertheit mangeln, wie im Übrigen auch ähnlich bei Augustin. 1215 Vgl. U. Barth, Gott als Projekt der Vernunft, 90. Siehe auch schon U. Barth, Gott – Die Wahrheit?, 103. Zur Entgegensetzung von Wahrheit (bzw. dem wahren Sein) zum Schein siehe Parmenides, Über das Sein, 94ff, bes. 102, 106, 127, 134f sowie 173.

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schungsfreier Erkenntnis sogar miteinander identifiziert: „Wahrheit oder das Wahre wird hier als das Wirkliche/Seiende verstanden, welches in einem Wissen und geistigen Erfassen erkannt werden kann. […] Wahrheit […] ist Wirklichkeit unter dem Aspekt ihrer Erkennbarkeit.“1216 Allerdings hat Parmenides – etwa im Unterschied zu Augustin und auch anders als Pannenberg – die Wahrheit noch nicht explizit mit Gott identifiziert, sondern die Wahrheit lediglich mit Prädikaten wie ‚ungeworden‘, ‚eins‘, ganz‘, unvergänglich‘ o. ä. versehen, die später mit dem Wesen Gottes in Verbindung gebracht worden sind1217. Vor diesem Hintergrund kann Parmenides dann doch als Begründer der „These von der Absolutheit der Wahrheit“ verstanden werden1218. Andererseits ist dabei für Parmenides und andere Vorsokratiker die Identifikation der Wahrheit mit der Wirklichkeit charakteristisch1219. Von be1216 J. Szaif, Die Geschichte des Wahrheitsbegriffs in der klassischen Antike, 3. Siehe zur Verknüpfung von Sein bzw. Wirklichkeit und Wahrheit auch die folgenden Einschätzungen: „Den einfachen Gedanken des reinen Seins haben die Eleaten zuerst, vorzüglich Parmenides als das Absolute und als einzige Wahrheit“ verstanden (G.W.F. Hegel, Sämtliche Werke Bd. 4: Wissenschaft der Logik. Erster Teil, 89f.) Siehe auch die folgenden Bemerkungen Hegels zu Parmenides, der das Sein für das Wahre hält (im Gegensatz zum Nichts). Vgl. G.W.F. Hegel, Sämtliche Werke Bd. 17: Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie Bd. 1, 310ff, bes. 312f. „Parmenides konnte die Wahrheit nicht als ein abstraktes Wesen begreifen, sondern hielt sie für einen Aspekt der Wirklichkeit selber, wahres Sein.“ (So das Urteil von W.J. Verdenius in seiner „Conception“ nach einer Übersetzung von H. v. Steuben. Siehe dazu Parmenides, Über das Sein, 59). „Was der Philosoph letzten Endes zu erfassen sucht, ist die Wahrheit oder Wirklichkeit, das heißt das Sein.“ (H. Fränkel, Dichtung und Philosophie des frühen Griechentums, 402f). 1217 Siehe dazu die folgenden Bemerkungen von U. Barth: „So unbestreitbar Parmenides in den uns erhalten gebliebenen Fragmenten das Seiende nirgendwo direkt als göttliche bezeichnet hat, ebenso offenkundig versieht er es mit Prädikaten, die man vor, neben und nach ihm mit dem Wesen der Gottheit verbunden hat. Es handelt sich vor allem um die Prädikate: ungeworden, unvergänglich, kugelartig, ganz, eins und einheitlich. Diese Absolutheitscharaktere des Seienden sind für ihn die Wegmarken der Wahrheitserkenntnis. Weniger die Form der Offenbarungsrede, in der die Wahrheitsbelehrung erfolgt, als vielmehr jener spezifische Gehalt der Wahrheitserkenntnis machen die Absolutheit der Wahrheit zum zentralen Thema des Lehrgedichts.“ (U. Barth, Gott als Projekt der Vernunft, 91. Siehe auch schon U. Barth, Gott – Die Wahrheit?, 105). „Für Parmenides eignet der Wahrheit als dem Denken erschlossener Seiendheit und Gültigkeit zugleich Absolutheit.“(U. Barth, Gott – Die Wahrheit?, 122). 1218 So U. Barth, Gott als Projekt der Vernunft 88f (dort auch weiterführende Literatur); siehe auch schon U. Barth, Gott – Die Wahrheit?, 102. 1219 Siehe dazu ausführlicher G. Calogero, Studien über den Eleatismus sowie folgende neuere Untersuchung: J. Szaif, Die Geschichte des Wahrheitsbegriffs in der klassischen Antike, bes. 6ff. Weil Parmenides und die Vorsokratiker noch nicht sauber zwischen Wahrheit und Wahrheitserkenntnis unterschieden, kann bei Parmenides durchaus von „einem ontologisch-gnoseologischen Wahrheitsverständnis“ gesprochen werden, „bei dem die ale¯theia mit dem Seienden unter dem Gesichtspunkt seiner täuschungsfreien geistigen Faßbarkeit identifiziert und zugleich von den gewöhnlichen Erscheinungsweisen abgegrenzt wird.“ (a. a. O., 7). „Der Gegensatz zwischen der wahren Beschaffenheit des Seienden und unserem

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sonderer Bedeutung scheint mir diese Erkenntnis, weil hier doch die Wurzeln gelegt worden sind für ein die abendländische Geschichte nachhaltig prägendes ontologisches Verständnis von Wahrheit, das zugleich die Einbeziehung des Gottesgedankens ermöglicht. Doch es bestehen im Wahrheits- bzw. Gottesbild freilich auch entscheidende Unterschiede, derer Pannenberg sich bewusst ist: Während Parmenides (und auch Plato) die Ewigkeit Gottes als zeitlose Ewigkeit dachte[n], hat Pannenberg die Geschichtlichkeit der Wahrheit betont und diese speziell auch auf die Wahrheit Gottes angewandt. Hier besteht ein Unterschied auch zu Augustins incommutabilis veritas (s. u.). Solche Zeitlosigkeit (von Parmenides und auch Plato) im Ewigkeitsbegriff ist von Pannenberg als unvereinbar mit dem Gedanken der Zukünftigkeit Gottes abgelehnt worden1220. [2] Augustin, Plato und Plotin Besondere Sympathien hat Pannenberg für Augustins Identifikation Gottes mit der Wahrheit1221. Die von Pannenberg vorgenommene Gegenüberstellung der Konzeptionen von Augustin und Thomas von Aquin wurde bereits oben kritisiert, da beide sowohl an der Göttlichkeit der Wahrheit festhielten als auch an der aussagetheoretischen Wahrheit. Nur die Gewichtung ist eine andere. Nur insofern ist die Gegenüberstellung nicht nur angebracht, sondern auch folgerichtig. In der Gewichtung folgt Pannenberg Augustin und nicht Thomas von Aquin1222. Pannenberg bezieht sich mit der für seine Wahrheitssicht wichtigen Identifikation Gottes mit der Wahrheit zwar auf Augustin als einen prominenten Vertreter dieser Sichtweise, meint jedoch, den Zusammenhang von Gottesgedanken und Wahrheitsidee von der platonischen Tradition her verstehen zu können, wie sich etwa in dem folgenden Zitat andeutet: „Allerdings argumentierte Augustin dabei nicht mit dem Vorhandensein der Gottesidee in unserem Geiste, sondern als Platoniker [kursiv: T. L.] konnte er unmittelbarer die Wahrheitsidee selber zum Gegenstand seiner Argumentation machen: Schon in der Selbstgewißheit setze ich Wahrheit voraus, die nicht mit der Vernunft identisch ist,

durch die Erscheinungsweisen geprägten Verständnis der Wirklichkeit (das sich in der Sprache und ihren Bezeichnungen widerspiegelt) ist ein wiederkehrendes Thema bei den nach-parmenidischen Vorsokratikern“ (a. a. O., 8, z. B. bei Empedokles und Anaxagoras). 1220 Vgl. bes. W. Pannenberg, Theologie und Reich Gottes, 20, siehe auch a. a. O., 21: Die Zukunft wird als wahr erweisen, was immer schon wahr gewesen ist. 1221 Auch schon Th. Freyer beobachtete „eine unverstellte Sympathie für den Wahrheitsbegriff Augustins […], nämlich für die Verbindung von Wahrheitsidee und Gottesbegriff.“ (Th. Freyer, Zeit – Kontinuität und Unterbrechung, 248). 1222 Unverständlich ist mir, wie Pannenberg als „le ‚plus thomiste‘ des théologiens protestants“ (so E. Tourpe, W. Pannenberg, Théologie systématique II. À PROPOS D’UN LIVRE RÉCENT) bezeichnet werden kann. Das leuchtet auch dann nicht ein, wenn er damit Pannenbergs ‚Aufschlüssellung‘ des Wahrheitsbegriffs im ersten Band der Systematischen Theologie meint.

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sondern noch über der Vernunft steht, daher jedenfalls nicht – wie die Sinnendinge – veränderlich sein kann: die incommutabilis veritas. Die unveränderliche Wahrheit aber kann nur mit Gott identisch sein; denn unveränderlich ist nur Gott [kursiv: T. L.].“1223

Pannenberg meint nun: „Der Weg von der Wahrheitsidee zum Gottesgedanken [kursiv: T. L.] wird heutigem Denken sicherlich nicht mehr so kurz und unbeschwerlich erscheinen wie das bei Augustin der Fall war. Das braucht nicht zu bedeuten, daß der von Augustin erfaßte Zusammenhang der beiden Themen nicht richtig gesehen ist.“1224 (Ersteres ist sicher richtig, Letzteres sei einmal dahingestellt.) Es bedürfe Pannenberg zufolge möglicherweise nur einer Neuformulierung dieses von Augustin erfassten Zusammenhanges1225. Nun besteht zwar hinsichtlich des Fokus‘ auf ontologische Wahrheit eine Gemeinsamkeit mit etwa Parmenides, Augustin und auch mit Pannenberg1226, doch der eng mit der ontologischen Wahrheit zusammenhängende Gedanke der Göttlichkeit der Wahrheit lässt sich dagegen nicht bei Plato nachweisen: Richtig ist, dass Plato das Absolute von der Sphäre der Wahrheit unterschieden und abgegrenzt hat, wie U. Barth nachgewiesen hat: „Nimmt man beide Aspekte der Prinzipienlehre Platons zusammen, so folgt daraus, daß der absolute Grund alles Wissens, sei es das Eine, sei es die Idee des Guten, der Sphäre von Wahrheit, Sein und Erkenntnis gegenüber transzendent ist. Platons Letztbegründungsdenken hat geradezu darin seine Pointe, daß dem wahren Sein bzw. der Wahrheitserkenntnis keine Absolutheit eignet. Eine Gleichsetzung von Wahrheit und Absolutem würde nichts weniger als die systematische Einheit der Ideenlehre sprengen. Der Epekeina-Gedanke bildet denn auch ein integrales Moment der Theologie Platons.“1227

1223 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 252. Pannenberg entnimmt die Vorstellung der incommutabilis veritas aus Augustins De libero arbitrio III, 7–12. 1224 W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 252. 1225 Wie eine solche Neuformulierung konkret aussehen könnte, sagt Pannenberg jedoch nicht. Lediglich folgende Bemerkung macht er, wonach es „nur einer Neuformulierung [bedürfe], wie sie auch in den Systementwürfen des Idealismus versucht worden ist, wenn sie das Absolute als die Einheit des Subjektiven und Objektiven bestimmten, die in jedem Akt des Erkennens und des Handelns schon vorausgesetzt ist. Doch mag diese Frage hier auf sich beruhen.“ (W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 252). 1226 „Wie schon bei Parmenides, so werden auch im Kontext der Platonischen ‚Ideenlehre‘ Wahrheit und das Wahre als Inbegriff der erkennbaren bzw. geistig faßbaren Wirklichkeit verstanden und vom Objektbereich des Meinens und sinnlichen Wahrnehmens abgehoben.“ (J. Szaif, Die Geschichte des Wahrheitsbegriffs in der klassischen Antike, 10). Charakteristisch ist in diesem Zusammenhang auch die bei Pannenberg zu beobachtende Rede von der „Wahrheit des Seienden“, was – wie J. Szaif erläutert – bei Plato jedenfalls „das wahre und wesentliche Sein – die Formen, wie sie als sie selbst sind“ bedeutet (J. Szaif, Die Geschichte des Wahrheitsbegriffs in der klassischen Antike, 14). 1227 U. Barth, Gott als Projekt der Vernunft, 95. Siehe auch schon U. Barth, Gott – Die Wahrheit?, 108f.

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„Für Platon eignet der Wahrheit, repräsentiert durch den Ideenkosmos, keine Absolutheit. Das Absolute ist, sei es als das Eine, sei es als die Idee des Guten, überseiend und darum gegenüber der Sphäre der Wahrheit transzendent. Dieser Epekeinagedanke bestimmt auch die Theologie der Alexandriner; die göttliche Wahrheit ist exemplarisch verkörpert im Logos/Sohn.“1228

Insofern ist es eher erstaunlich, dass Augustin in seinen „C o n f e s s i o n e s “ „zu den unmittelbaren Auswirkungen dieser Begegnung mit dem Platonismus auch die Erkenntnis zählt, daß Gott die ewige Wahrheit selbst sei. [kursiv: T. L.].“1229 Pannenbergs Rückführung eines Zusammenhangs von Wahrheitsidee und Gottesgedanken auf Plato und den Platonismus erweist sich zumindest als sehr heikel und diskussionswürdig, und zwar schon deshalb „weil es dafür nicht nur bei Platon selbst – wie wir gesehen haben –, sondern auch bei […; bestimmten] Platonikern keine direkten Anhaltspunkte gibt.“1230 „Man kommt nicht umhin zu konstatieren, daß sowohl für den kaiserzeitlichen Mittelund frühen Neuplatonismus als auch für die Theologie der christlichen Alexandriner Platons Epekeina-Gedanke schlechterdings verbindlich war. Das besagt: Gott in seinem reinen An-sich-Sein steht über dem Sein und über der Wahrheit von Denken und Sein. Augustins Gleichsetzung von Gott und Wahrheit ist alles andere als die selbstverständliche Folge seines Platonismus [kursiv: T. L.].“1231

Entgegen Pannenbergs Behauptungen wird man darum auch entsprechende Zweifel haben dürfen, dass Augustin einen Zusammenhang zwischen Wahrheitsidee und Gottesgedanken gesehen bzw. erkannt hat. Es dürfte sich bei Augustin wie nicht anders bei Th. v. Aquin, Cusanus1232 und schließlich nicht zuletzt auch bei Pannenberg eher um eine christliche oder theologische motivierte, also interessengeleitete Festlegung handeln, Gott mit der (absoluten) Wahrheit zu identifizieren. Es handelt sich dabei nicht um eine Erkenntnis im eigentlichen Sinn, sondern um ein erstaunlich wirkmächtiges, von der Patristik an theologiegeschichtlich zu beobachtendes und bis in die gegenwärtige Theologie hin1228 U. Barth, Gott – Die Wahrheit?, 122f. 1229 U. Barth, Gott als Projekt der Vernunft, 95f. Siehe auch schon U. Barth, Gott – Die Wahrheit?, 109. Barth bezieht sich auf die Confessiones VII, 10,16f; 17,23. Vgl. hierzu W. Beierwaltes: Deus est veritas. Zur Rezeption des griechischen Wahrheitsbegriffs in der frühchristlichen Theologie, bes. 26ff. 1230 U. Barth, Gott als Projekt der Vernunft, 95f. Siehe auch schon U. Barth, Gott – Die Wahrheit?, 109. 1231 U. Barth, Gott als Projekt der Vernunft, 99. Siehe auch schon U. Barth, Gott – Die Wahrheit?, 109 1232 Man vgl. Pannenbergs Adaption der kusanischen Konjekturenlehre und die Inbeziehungsetzung der Konjekturen zur Wahrheit Gottes. In der Tat hat Cusanus Wahrheit mit Gott in Verbindung gebracht, sogar mit dem auch für Pannenberg typischen Einheitsgedanken Gott als ‚unitas veritatis‘ verstanden (siehe N. de Cusa, Dialogus de deo abscondito / Der verborgene Gott, 12).

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einwirkendes Produkt einer Programmatik, die mit ihrer Identifikation Gottes mit der Wahrheit das Verständnis des Christentums als einer ‚veritas-Religion‘ maßgeblich förderte und auch zur Entwicklung der Idee eines eigenen theologischen Wahrheitsbegriffs sicher beigetragen hat1233. Genau darum dürfte der Kirchenvater Augustin in dieser Hinsicht für Pannenbergs wahrheitszentrierte Theologie so wichtig gewesen sein. Zwar lässt sich die Vorstellung der Einheit und Absolutheit der Wahrheit mit dem Kohärenzideal zusammendenken. Das lässt sich seinerseits aber nicht unbedingt aus (den neueren) kohärenztheoretischen Wahrheitsentwürfen ableiten. Es ist sogar kaum möglich, diesen Schritt im Anschluss an solche Theorien zu führen. Weder von Rescher, auf den Pannenberg sich berufen hat, noch von seinem Münchner Kollegen Puntel sind solche Schlüsse gezogen worden. Augustins Identifikation Gottes mit der Wahrheit wird man ihrerseits nicht so sehr von Plato, sondern neben (rein) biblischem, insbesondere johanneischem 1233 „Augustins Theorie der Absolutheit der Wahrheit hat innerhalb der Geschichte der Theologie und Metaphysik Schule gemacht.“ (U. Barth, Gott als Projekt der Vernunft, 104). Zur Identität des Absoluten mit der ewigen Wahrheit bei Augustin siehe auch die weitere Bemerkung von U. Barth (Gott – Die Wahrheit?, 123). Augustins Identifikation Gottes mit der Wahrheit trug maßgeblich dazu bei, dass das Christentum zu einer ‚veritas-Religion‘ (so schon E. Haenchen, Die Frage nach der Gewißheit beim jungen Augustin, 95) geworden ist. (Vgl. auch die kommentierenden, und die Richtigkeit dieser Einschätzung im Grunde bestätigenden knappen Bemerkungen dazu von U. Barth, Gott als Projekt der Vernunft, 87 u. U. Barth, Gott – Die Wahrheit?, 134ff.) Auch von G. Stammler ist der Einfluss Augustins herausgearbeitet worden: „Weit weniger als das Aletheia-Denken haben das Veritas- und Wahrheits-Denken die Theologie des Abendlandes seit Augustin bestimmt. Oder: Weit weniger als das reine urgriechische Aletheia-Denken haben das späthellenistisch-lateinische und das mittelalterlich-lateinische (Aletheia-)veritas-Denken und das germanische Wahrheits-Denken die Ausbildung des „Christentums“ bestimmt oder mindestens gestaltet.“ (G. Stammler, Die Bedeutung des Wortes Wahrheit, 238 [zitiert nach A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 317 Anm. 62]). Pannenberg hätte sich also für sein Anliegen durchaus auch berufen können auf Gregor von Nyssa, für den Gott die in Christus erschienene Wahrheit gewesen ist, oder auf Pseodo-Dionysius-Areopagita rekurrieren können, für den Gott die „Wahrheit über jeder Wahrheit“ (vgl. De vita Moysis 2, 19ff), war, als „Wahrheit an sich“ (De divinis nominibus) verstanden wurde; siehe dazu die Aufarbeitung beider Wahrheitsverständnisse bei Th. Böhm, Das Wahrheitsverständnis in Bibel und Früher Kirche, 58ff). R. Barth sieht die Identifizierung Gottes mit der Wahrheit und den damit verbundenen Einheitsgedanken in einem theologisch-metaphysischen Horizont: „Als ein weiteres durchgängiges Thema der Wahrheitsdebatte zeigte sich das Problem der Einheit der Wahrheit. Dies hat im besonderen Maße für einen theologischen Wahrheitsbegriff und die in ihm implizierten Unbedingtheitsansprüche zu gelten, da nicht nur die metaphysische Tradition des Wahrheitsbegriffs der klassische Ort einer Entfaltung dieses Sachverhalts war, sondern weil sich der Begründungsanspruch einer theologischen Identifizierung von Gott und Wahrheit gegenüber einer strukturellen Pluralität von Wahrheitsformen allein mit Bezug auf die Einheit der Wahrheit durchhalten ließe. Es ist daher für eine konsistente Theorie der Wahrheit entscheidend, ob und – wenn ja – wie sich die These von der Einheit der Wahrheit formulieren lassen kann.“ (R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 58f).

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Denken (vgl. exempl. Joh 14,6), vom Neuplatonismus Plotins her verstehen dürfen, wie etwa M. Enders meint1234: Nach Enders hat Augustin die traditionelle, christliche Vorstellung von Wahrheit als Gottesprädikat in Anlehnung an Plotins geistmetaphysische Wahrheitstheorie näher expliziert und dabei auf die Selbstprädikation des johanneischen Christus in Joh 14,6 zurückgreifen können1235, und zwar weil Augustin in Plotins geistmetaphysischem Wahrheitsverständnis ein Modell hat finden können, „wie Wahrheit als Gottesprädikation bzw. als Bestimmung eines absoluten, in sich relational konzipierten Geistes überhaupt angemessen verstanden werden kann.“1236 Plotin hatte in Enneade V 5 die 1234 Siehe dazu M. Enders, ‚Wahrheit‘ von Augustinus bis zum frühen Mittelalter, 86ff. Auch I. Schüßler versteht Augustins Identifikation Gottes mit der Wahrheit maßgeblich als eine christliche Umdeutung der plotinischen Wahrheitsfassung: Bei Plotin gilt „Gott als die einzige, allumfassende Wahrheit“ (I. Schüßler, Art. Wahrheit/Wahrhaftigkeit IV. Philosophisch, 351). Es liegt „im göttlichen νοῦς die einzig mögliche Stätte der Wahrheit (enn. V,5,1–3 […].)“ (a. a. O., 351). Vgl. zu Plotin auch a. a. O., 352. „Aber bei Augustin ist Gott die Wahrheit nicht nur im Sinne solcher (christlich umgedeuteten) logisch-noetischen Wahrheit eines Plotin, sondern infolge der jüdisch-christlichen aeternitas auch und vor allem in dem Sinne, daß er als Präsenz der intelligiblen unwandelbaren Ideen selbst unwandelbar ist. Gott ist veritas incommutabilis (lib. II, 12,32) bzw. veritas stabilis (conf. XI,8,10)“ (I. Schüßler, Art. Wahrheit/Wahrhaftigkeit IV. Philosophisch, 352.) „Quod vere est, incommutabiliter manet […]; fid. et symb. IV,7).“ (ebd.) Siehe zu Augustins Wahrheitsverständnis auch a. a. O., 353. 1235 Siehe M. Enders, ‚Wahrheit‘ von Augustinus bis zum frühen Mittelalter, 85ff: „Augustins zweite große wahrheitstheoretische Leistung besteht in seiner definitorischen Bestimmung des Wahrheitsbegriffs unter Berücksichtigung seines christlichen Vorverständnisses von Wahrheit als eines Gottesprädikats und in Anlehnung an die geistmetaphysische Wahrheitstheorie Plotins“ (a. a. O., 85). „Augustinus sah sich in seinen wahrheitstheoretischen Überlegungen vor die Aufgabe gestellt, folgende ihm traditionell vorgegebene Bedeutungen und Bestimmungen des Wahrheitsbegriffs bzw. des Wahrheitsprädikats miteinander zu vermitteln:“ (a. a. O., 86) „Spätestens nach seiner Konversion zum Christentum wurde für ihn das Verständnis der Wahrheit als Selbstprädikation der zweiten göttlichen Person nach Joh 14,6 – „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ – verbindlich. Es ist daher konsequent, daß der Christ Augustinus diese transzendente Bedeutung des Wahrheitsbegriffs als eines Gottesprädikats durchgängig vertreten hat.“ (a. a. O., 86; man beachte auch Enders Hinweis darauf, dass die Belegstellen für diesen Gedanken der Wahrheit als Gottesprädikat „Legion“ seien. [a. a. O., Anm. 59]). Anders dagegen U. Barth, der m. E. nicht ganz ohne Grund davon ausgeht, Augustin habe die Gleichsetzung Gottes mit der Wahrheit auch nicht von der neutestamentlichen, näherhin johanneischen Tradition ableiten können: „Man kann darin aber auch nicht einfach das Erbe der neutestamentlichjohanneischen Tradition erblicken. Denn ewige Wahrheit eignet dort dem Logos-Sohn sowie dem Wirken des von ihm verheißenen Parakleten. Über die Gottesbeziehung beider bezüglich der Wahrheitsthematik erfahren wir nichts.“ (U. Barth, Gott als Projekt der Vernunft, 99. Siehe auch schon U. Barth, Gott – Die Wahrheit?, 109f). 1236 M. Enders, ‚Wahrheit‘ von Augustinus bis zum frühen Mittelalter, 87. Siehe zur Entfaltung dieses Modells in De vera religione ausführlicher a. a. O., 87ff, bes. 89ff. In Bezugnahme auf Joh 14, 6 hat Augustin in De beata vita 34 den Gedanken der Absolutheit der Wahrheit ausführlich trinitätstheologisch expliziert, dabei zwischen der sekundären Absolutheit des Sohnes einerseits und der primären Absolutheit des Vaters unterschieden (Zu diesem von

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Wahrheit in einem allwissenden, absoluten Geist verortet und sich gegen die aristotelische bzw. korrespondenztheoretische Bestimmung von Wahrheit gewandt. Es stimme „die ‚wahrhafte Wahrheit […] nicht mit etwas Anderem überein, sondern mit sich selbst [kursiv: T. L.] und nichts ist neben ihr‘ (V 5,2,18ff.).“1237 Solche selbstübereinstimmende Wahrheit erinnert ihrerseits sehr stark an die in Pannenbergs Theologie wiederkehrenden, scheinbar durchweg von antikem Denken geprägten, Tendenzen, Wahrheit wesentlich als selbstübereinstimmende, in Gott gründende Einheit und Kohärenz zu interpretieren. Plotin hat für die Genese des Wahrheitsverständnisses von Pannenberg jedoch keine Rolle gespielt. 3.4.4.4.9 Incommutabilis veritas versus geschichtliche Wahrheit (Gottes)? Eine Problemanzeige Wie es scheint, meint Pannenberg per Adaption der augustinischen Identifikation Gottes mit der Wahrheit zugleich auch das Attribut der Unveränderlichkeit rezipieren zu müssen. Das geschah jedenfalls auch schon in seinem Aufsatz von 1978, wo er ebenfalls im Anschluss an Augustin die Vorstellung der incommutabilis veritas1238 teilt. Vor dem Hintergrund der Geschichtstheologie Pannenbergs und ganz besonders vor dem Hintergrund seiner (wenigstens in frühen Veröffentlichungen vorgetragenen) These der Geschichtlichkeit der Wahrheit mag sich an dieser Stelle ein eklatanter Widerspruch ergeben. Auch lässt sich fragen, ob der Gedanke geschichtlicher Wahrheit an sich konsistent denkbar ist, wenn Pannenberg mit Wahrheit auf eine absolute Wahrheit der (Universal-) Geschichte – nämlich Gott – aus ist. D. McKenzie meint, Absolutheit und Geschichtlichkeit schlössen einander aus: „If there is, after all, an absolute truth for universal history, then truth is not finally historical.“1239 U. Barth gelangte zu der Einschätzung, dass Pannenbergs Anschluss an Augustins Auffassung von der Göttlichkeit der Wahrheit im Widerspruch stehe sowohl zu Pannenbergs These der Geschichtlichkeit der Wahrheit als auch zum hypothetischen Charakter der Wahrheitserkenntnis: „Es ist merkwürdig, daß W. Pannenberg, der insbesondere die Geschichtlichkeit der Wahrheit […] sowie den hypothetischen Charakter theologischer Wahrheitserkenntnis […] hervorhebt, sich zugleich auf Augustins Gleichsetzung von Wahrheit und Gott beruft […]. Augustins idealistischer Wahrheitsbegriff schließt ebenso die Geschichtlichkeit der Wahrheit aus, wie das in der Illuminationslehre Entfaltete dem Hypothesencharakter von Erkenntnis U. Barth als metaphysisch-trinitätstheologisch bezeichneten Wahrheitsbegriff siehe ausführlicher U. Barth, Gott als Projekt der Vernunft, 101ff). 1237 M. Enders, ‚Wahrheit‘ von Augustinus bis zum frühen Mittelalter, 87. 1238 Siehe W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 252, dort Bezug nehmend auf Augustins De libero arbitrio III, 7–12. 1239 D. McKenzie, Wolfhart Pannenberg & Religious Philosophy, 41.

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widerspricht.“1240 Während der eine Widerspruch, sollte er tatsächlich bestehen, nicht zu einer Kritik an Pannenberg nötigt, da Pannenberg weder die Illuminationslehre des Augustin rezipierte noch sich für die Profilierung des Hypothesenbegriffs auf ihn berief, bleibt als klärungsbedürftige Frage bestehen, ob Pannenbergs These der Geschichtlichkeit der Wahrheit wirklich in jedem Fall unvereinbar sein muss mit der Annahme der Existenz absoluter Wahrheit. In seiner „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ hat Pannenberg jedenfalls wiederholt zu zeigen versucht, wie Gott als die absolute Wahrheit mit dem Kohärenzideal und dem Moment der Geschichtlichkeit zusammengedacht werden kann: „Gott ist der Ort dieser Einheit, er ist die mit sich identische (insofern „unveränderliche“) Wahrheit, die alles Wahre umgreift und in sich schließt (ebd. II,12).“1241

Durch seine Interpretation der Unveränderlichkeit als kohärente Identität der göttlichen Wahrheit scheint es Pannenberg in einem weiteren Schritt möglich, das Moment der Geschichtlichkeit der göttlichen Wahrheit nicht opfern zu müssen, sondern integrieren zu können. Geschichte wäre so als Charakteristikum einer in sich kohärenten, mit sich identischen und unveränderlichen Wahrheit gedacht: Pannenberg’ Vorstellung ist die, dass: „die in Gott begründete Einheit alles Wahren selber die Form einer Geschichte „habe, sodass die Wahrheit“ erst im Prozeß der Zeit zu ihrer Vollendung [kursiv: T. L.] kommt.“1242

Was Pannenberg hier nur andeutet, zeigte sich schon in früheren Publikationen, etwa in seinen „G r u n d z ü g e n d e r C h r i s t o l o g i e “, worauf schon David P. Polk aufmerksam machte. Pannenberg hält schon dort seine These der Geschichtlichkeit der Wahrheit gerade auch in der Anwendung auf die Wahrheit Gottes aufrecht. Doch Pannenberg drängt mit seiner These der geschichtlichen Wahrheit Gottes weder zu einer Prozesstheologie, die eine Entwicklung, ein veränderndes Werden oder ein Wandel in Gott, annehmen würde, noch zu einer Lösung, welche die mit der Geschichtlichkeit zusammenhängende Annahme der Zeitlichkeit im Widerspruch zur Ewigkeit Gottes sehen würde, da Letztere Erstere umgreifen soll. Pannenberg dürfte es meinen, wie Polk es herausgearbeitet hat, nämlich dass „the truth of God, essentially incorporates into itself the historical.“1243 Gott als die alles bestimmende Wirklichkeit schafft alle geschichtliche 1240 U. Barth, Gott als Projekt der Vernunft, 97 Anm. 38. Siehe auch schon U. Barth, Gott – Die Wahrheit?, 111 Anm. 43. 1241 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 63. 1242 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 63. 1243 D.P. Polk, On the Way to God. An Exploration into the Theology of Wolfhart Pannenberg, 268. Polk notiert a. a. O., 269: „Therefore eternity is not the antithesis of change but takes up into itself change – unchangingly!“ Siehe ausführlicher a. a. O., 266ff. Siehe auch D.P. Polk, The All-Determining God and the Peril of Determinism, 166.

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Wahrheit; aber weil das so ist, implizieren Geschichtlichkeit oder Zeitlichkeit auch keinen Wandel, Prozess oder eine Entwicklung in Gottes ewigem Wesen, schon gar nicht würde Gott mit irgendwelchen geschichtlichen ‚Neuigkeiten‘ ‚überrascht‘1244. Kritische Pannenberg-Leser mögen sich fragen: Wird denn die Geschichtlichkeits-These von Pannenberg wirklich mit der der Unveränderlichkeit vermittelt? R. Barth meint, es „bleibt […] angesichts der These von der Geschichtlichkeit der göttlichen Wahrheit doch völlig ungeklärt, wie die bei Augustin im Anschluß an die neuplatonische Ideenlehre als ganz dem ontologischen Bereich des Veränderlichen entzogen gedachte Einheit der ewigen Wahrheit als eine geschichtliche näher zu bestimmen ist. In seiner Wahrheitsstudie hatte Pannenberg noch selbst auf die Spannung zwischen der antiken Ontologie und dem modernen Gedanken einer radikalen Historizität hingewiesen, seine These von der Geschichtlichkeit der absoluten Wahrheit freilich auch nicht näher ausgeführt – in seiner Systematischen Theologie treten dann der Rekurs auf Augustins Wahrheitsverständnis und die These von der Geschichtlichkeit ganz unvermittelt nebeneinander.“1245

Ob – wenigstens in der „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ – von einem solchen unvermittelten Nebeneinander gesprochen werden kann, darüber mag man streiten können. Immerhin legt Pannenberg dar, dass seine Bezugnahme auf die augustinische Identifikation Gottes mit der Wahrheit (De libero arbitrio II, 15) 1244 Siehe dazu auch D.P. Polk: „Pannenberg’s doctrine of God’s changeless eternal co-presence to every moment depends utterly on the hard meaning of God’s all-determining power. It is only because God, in God’s eternity, totally determines all that emerges as historical truth – truth incorporated into its ultimate consummation – that the novelties of history make no contribution of their own to God’s fullness of being. Process and change come to be incorporated as constitutive for ultimate truth only because it is ultimately God who is fully constitutive of process and change.“ (D.P. Polk, The All-Determining God and the Peril of Determinism, 167). „[…T]ruth is to be found precisely in what is historically real, not in timeless essence above (or ahead of) temporal process.“ (a. a. O., 168). 1245 R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 23. R. Barth bezieht sich auf W. Pannenberg, Was ist Wahrheit, 203ff u. 216ff sowie auf W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 62ff. Vgl. zur Kritik von R. Barth auch a. a. O., 23ff: „Da jedoch auch der einzige Ansatz, welcher das Programm einer solchen, die klassischen Gestalten überwindenden, neuen Ontologie durchgeführt hat – Hegels Logik – gerade aufgrund seiner Bestimmtheit von Pannenberg abgelehnt wird und er selbst es unterläßt, eine alternative kategoriallogische Grundlegung durchzuführen, bleibt der wahrheitstheoretische Anspruch des Gedankens der Geschichtlichkeit der absoluten Wahrheit [kursiv: T. L.] „eigentlich vorerst eine große Intuition“, wie Puntel seine instruktive Kritik am Theoriestatus von Pannenbergs Wissenschaftstheorie zusammenfaßt.“ (R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 23f) R. Barth fährt fort: „Die wahrheitstheoretische Grundthese von Gott als der ‚alles bestimmenden Wirklichkeit‘ erscheint so im Lichte ihrer methodischen Überprüfung als ‚das vorweggenommene Ergebnis eines noch durchzuführenden theoretischen Prozesses‘.“ (R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 24. Barth rekurriert hier auf Puntel a. a. O., 285).

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„auf dem Gesichtspunkt der Kohärenz und Einheit alles Wahren“ beruhe und Gott insofern der Ort ontologischer Kohärenz und Einheit sei, als Gott „die mit sich identische (insofern „unveränderliche“) Wahrheit, die alles Wahre umgreift und in sich schließt (ebd. II,12)“, sei1246. Unveränderlichkeit der Wahrheit soll also eine durch kohärente Einheit konstituierte Identität bedeuten. Diesen Hinweis wird man noch nicht als Vermittlung zwischen dem rezipierten augustinischen Gottesgedanken und Pannenbergs eigener These der Geschichtlichkeit der Wahrheit interpretieren dürfen, muss m. E. aber auch nicht eine Unverträglichkeit beider Anschauungen bedeuten. Interessant ist, dass M. Luther schon ganz ähnlich die Unveränderlichkeit Gottes mit Zeitlichkeit und Geschichtlichkeit zusammendachte, also für vereinbar hielt1247, wie sich dies ganz besonders auch in Pannenbergs geschichtstheologischem Verständnis Gottes als Wahrheit der Geschichte auf anschauliche Weise gezeigt hat (s. o.). Andererseits hat Pannenberg keine Anstrengungen unternommen, die innerhalb seines Werkes anzutreffende ältere These der Geschichtlichkeit der Wahrheit auf ihre Vereinbarkeit mit der These der Göttlichkeit der Wahrheit und dem erst später hinzugewonnenen kohärenztheoretischen Wahrheitsverständnis zu explizieren und zu plausibilisieren. Pannenbergs diesbezügliche Bemerkungen bleiben allenfalls andeutungshaft. Sollte daraus abgleitet werden (können), dass Pannenberg gar kein Kohärenztheoretiker im eigentlichen Sinne gewesen ist? 3.4.4.4.10 Zur Frage nach dem Theoriestatus (s)einer Kohärenztheorie Dass der Aspekt der Kohärenz für Pannenbergs Wahrheitsverständnis wesentlich ist, ist zu Recht konstatiert worden. So hat etwa T. Bradshaw vermerkt, dass „Pannenberg’s view of truth is very much a coherence view.“1248 Doch rechtfertigt das den Schritt hin zur These, Pannenberg vertrete – wie er es im Übrigen ja auch selbst für sich beansprucht (s. o.) – ein kohärenztheoretisches Wahrheitsverständnis? Wenigstens in bestimmter Hinsicht dürften berechtigte Zweifel angemeldet werden können: [1] Ein erster Punkt betrifft sein Interesse an der Verortung von Wahrheit auf der primär ontologischen Ebene. Dieser Schritt ist für sämtliche gängigen (d. h. subjektimmanenten, auf Aussageebene verharrenden) Kohärenztheorien verschiedenster Provenienz geradezu untypisch. Das wirft die Frage auf, wie Pan1246 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 63. 1247 Darauf hat Pannenberg schon in einem frühen Aufsatz hingewiesen: „Die Unveränderlichkeit blieb für ihn nicht dem jenseits der Zeit stehenden, ewigen Wesen, Erkennen und Wollen Gottes vorbehalten, sondern erstreckt sich auch auf Gottes Taten in der Zeit, auf sein Handeln in der Geschichte.“ (W. Pannenberg, Der Einfluß der Anfechtungserfahrung auf den Prädestinationsbegriff Luthers, 137). 1248 T. Bradshaw, Pannenberg: A Guide for the Perplexed, 11.

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nenberg zum Kohärentismus gestanden hat. Auf die Antwort war schon F. LeRon Shults aus, der fragte: „Is Pannenberg […] perhaps a „coherentist“?“1249

Gemäß der hier exemplarisch zitierten Definition des Kohärentismus nach S. Haack müsste dann gelten: „A belief is justified if and only if it belongs to a coherent set of beliefs.“1250 Das ist – wie oben gezeigt wurde – das entscheidende Wahrheitskriterium für Kohärenztheorien. Doch Shults bemerkt, dass die Bedeutung dieses Wahrheitskriteriums im Denken Pannenbergs ganz offenbar begrenzt ist. „Pannenberg does accept coherence with other beliefs as a necessary condition for justifying the truth of an assertion, but he clearly does not see it as a sufficient condition […]. While he does occasionally use language reminiscent of nonfoundationalism, such as the „web of life“ in which humans exist […], Pannenberg also requires criteria for justification that are external [kursiv: T. L:] to the set of beliefs; e. g., adequacy to experience.“1251

Laut Shults müssen Pannenberg zufolge „statements to be both experientially and epistemologically adequate“ sein1252. Diese Einschätzung trifft auf Pannenberg sicher zu. Doch ein wesentlicher Aspekt seiner Distanz zum Kohärentismus zeigt sich m. E. noch deutlicher in der von Shults angedeuteten externen Hinsicht, die jenseits eines bloß subjektimmanenten ‚coherent set of beliefs‘ (s. o.) für das Zustandekommen von Wahrheit auf der Ebene der Aussagenwahrheit konstitutiv ist. Konkret heißt dies, dass Pannenberg die Wahrheit der Wahrheitsträger letzten Endes zumeist von der korrespondenztheoretischen Vorstellung abhängig macht, worauf schon A. Kreiner hingewiesen hat. Es ist dies die Vorstellung, dass Aussagen, Behauptungen etc. dann (und nur dann) wahr sind, wenn sie zutreffen bzw. mit der Wirklichkeit übereinstimmen. Eine klassisch kohärenztheoretische bzw. kohärentistische Vorstellung, derzufolge die Wahrheit von Aussagen eben nicht mit einem solchen Rekurs auf die außersprachliche, ontologische Ebene erfolgen würde, sondern ausschließlich von der Eingliederbarkeit einer Aussage in ein kohärentes Aussagesystem abhängig gemacht werden würde, findet sich dagegen bei Pannenberg so nicht. Wenn in Bezug auf Pannenberg von einem Kohärentismus die Rede sein soll, dann in einem speziellen, theologischen Sinne, wonach die in Gott gründende Kohärenz auf ontologischer Ebene konstitutive Bedeutung gewinnt für die Kohärenz auf semantischer Ebene, wie A. Kreiner Pannenberg interpretiert: 1249 1250 1251 1252

F. LeRon Shults, The Postfoundationalist Task of F. LeRon Shults, The Postfoundationalist Task of F. LeRon Shults, The Postfoundationalist Task of F. LeRon Shults, The Postfoundationalist Task of

Theology, 115. Theology, 115. Theology, 115f. Theology, 117.

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„Die Kohärenz zwischen Propositionen gilt hier nur deshalb als Wahrheitsindiz oder -kriterium, weil die Dinge selbst als in einem objektiven Zusammenhang miteinander stehend gedacht werden. Das Spezifikum eines theologischen Kohärentismus (in dem hier vorliegenden Sinn) bestünde dann darin, den Grund des objektiven Zusammenhangs der Dinge im göttlichen Bewußtsein bzw. Schöpfungshandeln zu finden.“1253

[2] Die Einbeziehung des Korrespondenzgedankens steht im weiteren Zusammenhang eines alethischen und kritischen Realismus, der ebenfalls Pannenbergs Distanz zum Idealismus mitsamt den von ihm entwickelten Kohärenztheorien der Wahrheit zu Tage treten lässt. Pannenberg ist aber auch kein logischer Empirist (wie etwa O. Neurath, dessen Kohärenztheorie-Entwurf auf subjektimmanenter Ebene verharrt). Auch hier zeigt sich eine Distanz zu den (beiden gegensätzlichen) Gruppen, die in der modernen Wahrheitstheorie für eine Kohärenztheorie geworben haben. Pannenberg ist also sicher (nur) in gewisser Hinsicht ein Kohärenztheoretiker. Allerdings wartet sein veritatives Verständnis davon mit einer Reihe von Eigentümlichkeiten auf, die sein Konzept in seiner Verschiedenheit von den in der Philosophie diskutierten Modellen erkennbar werden lassen. [3] Eine Sichtung der veritativen Theorieebene und die Erkenntnis ihres spärlichen Vorkommens in Pannenbergs Theologie mag schließlich auch den Zweifel nähren an der Einschätzung, in Pannenberg einen Kohärenztheoretiker der Wahrheit zu erkennen: Man wird mit Hinblick auf Pannenbergs eigenes Wahrheitsverständnis wohl weniger von einer dezidierten Theorie der Wahrheit sprechen können, auch wenn Pannenberg selbst ein kohärenztheoretisches Wahrheitsverständnis behauptet hat. Der Grund ist naheliegend: Er hat weder eine solche Theorie großflächig entfaltet, noch hat er an der philosophischen Theoriediskussion in besonderer Weise partizipiert. Das trifft auf die Kohärenztheorie, aber auch auf die Korrespondenz- und Konsensustheorie der Wahrheit zu. Dem entspricht es, dass auch keine, mit den verschiedenen Theorien verbundenen diskussionswürdigen Schwierigkeiten der einzelnen Theorien behandelt werden. Was den Gedanken der Kohärenz betrifft, kann nur festgestellt werden, dass seine Ausführungen eher andeutungshaften Charakter haben1254. Und das betrifft auch auf die spärlichen und wenig konzisen Hinweise darauf, was er unter ‚Kohärenz‘ versteht.

1253 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 286. 1254 Insofern ist hier A. Kreiner (Ende der Wahrheit?, 285) zuzustimmen, der mit Bezug auf die bedeutsamen Darlegungen Pannenbergs im ersten Band seiner „ S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ weder deutlich noch betont von einer Kohärenztheorie bei Pannenberg spricht, sondern vielmehr festhält, Pannenberg habe „[m]it wenigen Andeutungen [kursiv: T. L.][…] aus theologischer Sicht dafür plädiert, im Kohärenzgedanken das „eigentlich Fundamentale“ des Wahrheitsbegriffs, nicht nur ein Wahrheitskriterium zu sehen“.

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Weder die Verwendung des Wortes ‚Kohärenz‘ noch der Verweis auf die Inanspruchnahme der Kohärenztheorie der Wahrheit verrät Näheres über Intension und Extension dieses Ausdrucks. Selbst in der epistemologischen und veritativen Theoriediskussion bleibt vielfach unklar, was ‚Kohärenz‘ genau heißen soll1255, wenn dies auch nicht – wie gezeigt wurde – , auf den speziellen Fall der elaborierten Theorie N. Reschers zutreffen mag. Im Allgemeinen können verschiedene Kohärenzbegriffe unterschieden werden, was freilich für die Verständigung nicht unproblematisch ist. Die Bandbreite kann von sog. starker bis hin zu schwacher Kohärenz reichen, wie A. Rust dargelegt hat1256: Einem starken Kohärenzbegriff zufolge, wie er etwa in der idealistischen Tradition vertreten worden ist und wird, ist Kohärenz weit mehr als bloße Konsistenz (Widerspruchsfreiheit) 1257: „Die Idealisten haben einen starken Begriff vertreten, demgemäß jeder Satz jeden andern impliziert und jeder von jedem andern impliziert wird [kursiv: T. L.]. Das hat zur Konsequenz, daß jede Überzeugung in jeder andern enthalten ist und wir eigentlich nur eine einzige solche Überzeugung benötigen. Das scheint den absoluten Idealismus tatsächlich in gewisser Weise zu charakterisieren.“1258

Einem solchen starken Kohärenzbegriff kann ein vages, schwaches Verständnis von Kohärenz als Konsistenz gegenübergestellt werden: „Am andern Ende des Spektrums haben wir Kohärenz als bloße logische Konsistenz. Dieser Begriff der Kohärenz ist dagegen sehr schwach, da in einem solchen System alle Sätze ohne Beziehung zueinander sein können – und es zudem möglich ist, daß sie alle falsch sind (obwohl untereinander konsistent). Eine plausible und interessante Konzeption der Kohärenz müßte irgendwo zwischen diesen beiden Extremen liegen.“1259

Es kann dagegen aber auch die Meinung vertreten werden, Kohärenz sei überhaupt falsch- oder wenigstens unterbestimmt, wenn sie analog zum alltäglichen Sprachgebrauch lediglich als Konsistenz interpretiert bzw. mit Konsistenz verwechselt wird. So etwa sieht es im Unterschied zu Rust K. Gloy: 1255 Vgl. A. Rust, Wo Wahrheit zum Problem wird, 150: „Was ist unter Kohärenz überhaupt zu verstehen? Der Begriff bleibt erstaunlicherweise im Zusammenhang der entsprechenden Erkenntnis- und Wahrheitstheorie unerörtert.“ 1256 A. Rust, Wo Wahrheit zum Problem wird, 150: Dort der Hinweis auf den Unterschied zwischen starker Kohärenz (der Idealisten) und schwacher Kohärenz im Sinne von Konsistenz. Diese wichtige Distinktion findet sich auch bei A. Kreiner (Ende der Wahrheit?, 286f). 1257 L.B. Puntel, Wissenschaftstheorie und Theologie. Zu Wolfhart Pannenbergs gleichnamigem Buch, 280. Puntel selbst optiert für einen starken Kohärenzbegriff, den er deshalb konsequent und strikt von dem der Konsistenz abhebt (vgl. dazu auch etwa den Hinweis in L.B. Puntel, Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie, 25). 1258 A. Rust, Wo Wahrheit zum Problem wird, 150. 1259 A. Rust, Wo Wahrheit zum Problem wird, 150.

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„Das Kriterium der Konsistenz ist nicht zu verwechseln mit dem der Kohärenz, wiewohl dies im gewöhnlichen Sprachgebrauch oft geschieht. Konsistenz meint die logische Widerspruchslosigkeit von Aussagen und ist allen Wahrheitstheorien, mag es sich um Kohärenz- oder Korrespondenztheorien handeln, eigentümlich; denn keine Wahrheitstheorie, sofern sie endliche Wahrheiten und nicht absolute, göttliche Wahrheit thematisiert, darf gegen das fundamentale logische Gesetz der Identität bzw. des auszuschließenden Widerspruchs verstoßen. Der Kohärenzbegriff jedoch reicht weiter und ist bezogen auf ein Gesamt- oder Teilsystem, auf jeden Fall auf einen systematischen Zusammenhang von Aussagen. Eine kohärente Erkenntnis ist eine solche, in der ein Urteil in das gesamte System integrierbar ist und umgekehrt das Gesamtsystem das Einzelurteil impliziert. Konsistenz hingegen ist bescheidener und bezeichnet lediglich eine unerläßliche Voraussetzung von Systematik, nämlich einem Subjekt in einem Satz kein ihm widersprechendes Prädikat zuzuschreiben. Der Gelehrte kann nicht ungelehrt sein; das Prädikat ‚ungelehrt‘ ist folglich auszuklammern.“1260

Im Unterschied zu derlei auch bei N. Rescher vorzufindenden Differenzierungen scheint Pannenberg den Kohärenz- und Konsistenzbegriff weder in systematisierter Form expliziert noch weiter spezifiziert zu haben. Reschers Kohärenzbegriff ist schlicht nicht erkennbar in Pannenbergs Ausführungen zur Kohärenz. Pannenbergs Kohärenzbegriff muss eigens rekonstruiert werden: Einmal ist Kohärenz von der Einheit der Wahrheit her zu verstehen, die alles Wahre widerspruchsfrei inkludiert1261. Kohärenz scheint somit im Kern vor allem Widerspruchsfreiheit (bzw. -losigkeit) 1262, also Konsistenz, zu bedeuten (s. o. Kohärenz-/Konsistenz-Argument). Kohärenz und Konsistenz werden offenkundig nicht voneinander differenziert; sie wirken nahezu synonym, wie etwa in folgenden Formulierungen ersichtlich wird: „Coherence provides the final criterion of truth, and it can serve as such a criterion because it also belongs to the nature of truth: Whatever is true must finally be consistent with all other truth, so that truth is only one, but all-embracing, closely related to the concept of the one God [kursiv: T. L.].“1263 1260 K. Gloy, Wahrheitstheorien, 185. 1261 Zu Kohärenz und Einheit siehe auch W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 330 (dort zu dem im Kohärenzpostulat von H. Scholz vorausgesetzten Zusammenhang von Kohärenz und Einheit). Vgl. auch W. Pannenberg, Wahrheit, Gewißheit und Glaube, 236 (dort zum Verhältnis von Kohärenz und Einheit eines Gegenstandes). Vgl. ferner Pannenbergs Überlegungen in W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 174f. Zum Zusammenhang von Kohärenz und (widerspruchsloser) Einheit vgl. auch etwa W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 63. 1262 So etwa in W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 71. Der Zusammenhang von Widerspruchsfreiheit und Kohärenz zeigt sich in Pannenbergs Rezeption des Kohärenzpostulates von H. Scholz. Siehe dazu exempl. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 277. 1263 Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 6. Auch an anderen Stellen scheint Pannenberg unter Kohärenz Konsistenz (Widerspruchsfreiheit) zu verstehen (vgl. etwa W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 71 sowie W. Pannenberg, Antwort auf G.

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Im nachfolgenden Beispiel scheint Pannenberg dagegen zu unterscheiden: Dort behauptet Pannenberg, die Theologie „appeals to criteria of consistency and coherence [kursiv: T. L.], the kind of criteria that also guide a philosophical critique of theological conceptions and assertions.“1264 Pannenberg formuliert als Anforderung an eine „systematic presentation“, dass sie „not only consistent within itself and consonant with the biblical witness“ sein müsse, sondern auch „coherent with regard to all matters that have to be taken into account in such a presentation [kursiv: T. L.].“1265

Ob in diesen Fällen eine Distinktion vorliegt, bleibt letztlich offen. Für den Fall, dass er die ‚Kohärenz‘ von der ‚Konsistenz‘ distinguiert wissen wollte, bliebe dennoch unklar, was er unter ‚Kohärenz‘ exakt versteht (von den sie kennzeichnenden Aspekten der ‚Einheit‘ und der ‚Zusammenstimmung‘ etc. einmal abgesehen). Ist dagegen keine Unterscheidung zwischen Kohärenz und Konsistenz gemeint, wäre diese Ausdrucksweise lediglich redundant. Offenbar lässt sich ohnehin keinerlei Systematik in seinem Gebrauch des Kohärenzbegriffs ausfindig machen. ‚Kohärenz‘ wird scheinbar synonym mit ‚Konsistenz‘ gebraucht. Anders ausgedrückt: ‚Kohärenz‘ heißt lediglich, dass jeglicher Widerspruch vermieden ist1266. Das deutet auf einen schwachen Kohärenzbegriff hin, der in seiner Unschärfe schlicht vom lateinischen cohaerere her zu verstehen ist und im geläufigen, alltäglichen Sprachgebrauch seinen ‚Sitz im Leben‘ haben dürfte1267, für die wissenschaftliche Handhabe aber erst einmal zu begründen und verteidigen wäre. Weiterführend wäre dagegen Reschers differenzierte

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Sauters Überlegungen, 174). Zu Pannenbergs Interpretation der Kohärenz als Konsistenz (Widerspruchsfreiheit) vgl. exempl. auch seine Bemerkungen in W. Pannenberg, Die Wahrheit Gottes in der Bibel und im christlichen Dogma, 278. Eine Synonymität suggeriert auch die Darstellung bei A. McGrath, A Scientific Theology. Bd. 2, 17. Dort ist von „coherence or consistency“ in Bezug auf Pannenbergs Bemühen um (interne und externe) Kohärenz die Rede. Der Begriff der Konsistenz wird von Pannenberg vergleichsweise selten verwendet. Dass Pannenberg Konsistenz weder mit Kohärenz ausdrücklich identifiziert noch beide Begriffe sorgsam terminologisch voneinander unterscheidet, bestätigt schließlich auch das synonyme Nebeneinander beider Begriffe in der 1980 erschienenen „Antwort auf G. Sauters Überlegungen“ (a. a. O., 181). W. Pannenberg, Theology and Philosophy in Interaction with Science: A Response to the Message of Pope John Paul II on the Occasion of the Newton Tricentennial in 1987, 77. W. Pannenberg, Theology Examines Its Status and Methodology, 7. Dafür spricht auch sein Bemühen um systematische Darstellung, ja seine Überzeugung, dass „ohne Anerkennung der Grundsätze von Identität und Widerspruch [kursiv: T. L.] […] auch in der Theologie keine Argumentation möglich [ist].“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 31). Anspruchsvollere Anforderungen an seine (kohärente) Systematik werden hier auch nicht genannt oder erörtert. Siehe dazu den knappen Hinweis von L.B. Puntel, Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie, 211 Anm. 6.

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Fassung des Kohärenzbegriffs, die aber im Werk Pannenbergs bedauerlicherweise gänzlich unberücksichtigt geblieben ist. Es versäumt zu haben, eine präzise Definition des Kohärenzbegriffs zu entwickeln, evoziert freilich Kritik. Was ‚Kohärenz‘ und ‚Konsistenz‘ genau bedeuten sollen, bleibt damit bei Pannenberg offen. Nicht nur hier lässt sich bei Pannenberg – wie bereits in meiner Kernthese formuliert – so etwas wie ein „Präzisionsmangel“ (Puntel) 1268 feststellen. Es steht die Frage im Raum, ob ein lediglich schwacher Kohärenzbegriff wie in der Theologie Pannenbergs ausreicht, um im Hinblick auf die um diesen Ausdruck gesponnene Wahrheitskonzeption von einer Kohärenztheorie berechtigterweise sprechen zu können. Auch wenn Pannenberg sich als Proponent einer Kohärenztheorie der Wahrheit verstanden hat, ist das nicht mehr als eine Absichtserklärung. A. Kreiner deutete in seiner Pannenberg-Kritik an, dass das Verständnis der Kohärenz als einheitsstiftende Konsistenz für die Profilierung einer Kohärenztheorie der Wahrheit zu wenig ist und die Konsistenz-Maxime ebenso für andere Wahrheitstheorien elementar ist: „Die traditionelle kohärentistische Vorstellung der Einheit alles Wahren verliert auch durch ihre Integration in einen theologischen Kontext nicht an Vieldeutigkeit. Unklar ist insbesondere, was über die unbestrittene Maxime logischer Konsistenz hinaus darunter zu verstehen ist. Ein logisch konsistentes System besteht aus Aussagen, aus denen sich keine kontradiktorischen Aussagen ableiten lassen. Diese Maxime besitzt in nahezu allen Wahrheitstheorien Geltung und kann daher nicht das Spezifikum einer Kohärenztheorie darstellen. Dieses Spezifikum besteht vielmehr in der besonderen Verbindung oder Abhängigkeit, in der wahre Aussagen angeblich zueinander stehen.“1269

Sofern man Kohärenz als Wahrheitskriterium auf aussagenlogischer Ebene verwendet und unter dem Ausdruck Kohärenz lediglich Konsistenz versteht, wie es bei einem schwachen Kohärenzbegriff der Fall ist, kann also durchaus gefragt werden, ob dies ausreicht, um von einer Kohärenztheorie der Wahrheit sprechen zu können. Es ergeben sich überdies weitere Fragen, von denen hier zur Veranschaulichung der Problematik nur ein paar genannt seien: Zunächst müsste gefragt werden, welche strukturellen Wahrheitskandidaten1270 für die Kohärenztheorie in Frage kommen. Sind es Aussagen (in einem 1268 So konstatierte L.B. Puntel in Pannenbergs Ausführungen zu Gott als dem Gegenstand der Theologie einen „Präzisionsmangel“ hinsichtlich des genauen Theoriestatus‘ seiner These von Gott als von der Theologie zu thematisierenden Gegenstand (vgl. L.B. Puntel, Wissenschaftstheorie und Theologie. Zu Wolfhart Pannenbergs gleichnamigem Buch, 283). Hinsichtlich der Frage nach der genauen Bedeutung des Kohärenzbegriffs wären ebenso Präzisierungen wünschenswert. 1269 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 286. 1270 Auch Pannenberg gebraucht – im Anschluss an Rescher? – an einer Stelle den Ausdruck ‚Wahrheitskandidaten‘ in Bezug auf Behauptungen als Wahrheitsansprüche. Er tut dies allerdings ohne erkennbare terminologische Systematik im Sprachgebrauch. Siehe dazu W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 164.

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unbestimmten Sinne oder gar in ganz bestimmten Sinn)? Oder müssen präziser Propositionen, Behauptungen, Hypothesen o. ä. in einen kohärenten Zusammenhang gebracht werden? Des Weiteren erhebt sich die Frage, ob zwischen den einzelnen Wahrheitskandidaten ein Abhängigkeitsverhältnis besteht, und falls ja, wie dies näher zu verstehen ist. Bestehen logische und möglicherweise auch inhaltlich-deduktive Abhängigkeiten? Implizieren u. U. bestimmte Wahrheitskandidaten andere Wahrheitskandidaten? Mit wie vielen kohärenten Mengen wird gerechnet – möglicherweise mit nur einer einzigen? 1271 Spätestens hier erhebt sich (erneut) die Frage nach der Bedeutung von Kohärenz. Ist Kohärenz kongruent zu Konsistenz oder geht es im kohärenten System um weit mehr, und zwar um ein System, „bei dem jede Aussage den Rest des Systems notwendig impliziert und notwendig aus diesem folgt (…). Jede Aussage soll sogar aus jeder anderen Aussage als einzelner notwendig folgen, nicht nur aus dem Rest des Systems. Jeder Teil ist auf das Ganze angewiesen, um verständlich zu sein. Das Ganze wiederum kann ohne den Beitrag jedes einzelnen Teils nicht verstanden werden.“1272

Die Tatsache, dass Pannenberg sich derlei weiterführende systematische Fragen gar nicht gestellt hat, belegt indes erneut seine große Distanz zur wahrheitstheoretischen Diskussion. Lediglich in dem mit jedem Bemühen um Kohärenz (immer schon) verbundenen systematisierenden Anliegen scheint eine Parallele zu Rescher (und auch Hegel) zu bestehen1273. Hätte Pannenberg tatsächlich eine Kohärenztheorie der Wahrheit vorgelegt, wäre sicher die Auseinandersetzung mit derartigen Fragestellungen gesucht worden. Nicht zuletzt hätte eine Auseinandersetzung mit den komplexen Kohärenzanforderungen Reschers die Erörterung der Kohärenzthematik als Wahrheitsthematik auf ein in seinem Sinne elaborierteres Level heben können.

1271 Vgl. auch die Auflistung von möglichen Rückfragen bei A. Kreiner, Ende der Wahrheit, 286f. 1272 So etwa in der Kohärenztheorie B. Blanshards, wie J.B. Freeman u. C.B. Daniels in ihrem Beitrag „Maximale Propositionen und die Kohärenztheorie der Wahrheit“, 134 herausstellten (zitiert nach A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 286f). 1273 Man kann denn dann auch eine Nähe der Kohärenztheorie N. Reschers zum „Hegelschen Systemgedanken“ erkennen (so R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 15), was immerhin erklären würde, warum beide – Hegel und Rescher – nicht ganz unbedeutende Gestalten im Denken Pannenbergs sind (auch wenn Hegel sicher noch weit entfernt gewesen sein dürfte von dem Projekt einer analytischen Kohärenztheorie der Wahrheit).

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3.4.4.4.11 Metaphysische und theologische Implikationen Ein wesentlicher, von Pannenberg nicht eigens herausgestellter Unterschied zwischen Reschers Kohärenztheorie und seiner formalen Bestimmung von Wahrheit besteht darin, dass dem Moment der Referenz auf die ontologische Ebene, d. h. der von Gott geschaffenen außersprachlichen Wirklichkeit und bestimmter damit verbundener Anschauungen über ihre kohärente Beschaffenheit, bei Pannenberg entscheidende Bedeutung zur Konstituierung von Aussagenkohärenz zukommt. Auch wenn beide – Rescher (in seiner frühen Theorie) wie Pannenberg – den (korrespondentistischen) Gegenstandsbezug ad rem für elementar halten, operiert Reschers Theorie als eine rein epistemische Theorie ohne metaphysische Implikationen. Demgegenüber ist Pannenbergs Kohärenztheorie geradezu regelrecht von der ontologischen Ebene her entworfen. Ein Beleg dafür findet sich in der (m. E. gar nicht selbstverständlichen) Annahme, dass jeder in Behauptungsform artikulierte Anspruch auf Gegenstandskorrespondenz mit dem Implikat ontologischer Kohärenz verbunden ist: „Das benennende Wort – und entschiedener noch der Satz, der als Behauptung Wahrheit beansprucht und damit die Kohärenz alles Wahren impliziert [kursiv: T. L.] – kommt immer schon aus einem Vorgriff auf das in der Realität noch unvollendete Ganze der Wirklichkeit, und das gesprochene Wort als Ereignis (nicht als Handlung, also nicht als Sprechakt) impliziert darum auch immer schon irgendwie Gott als Grund dieses Ganzen, wenn es zutrifft, daß das Ganze der Welt und die Ganzheit des menschlichen Daseins ihren Grund in Gott haben.“1274

Doch kann Kohärenz pauschal als Implikat von Behauptungssätzen behauptet werden? Wie dem auch sei: Während bei Pannenberg (ähnlich zu Bradley und Landmesser) von der Vorstellung ontologischer Kohärenz der Wirklichkeit die Notwendigkeit aussagetheoretischer Kohärenzbildung abgeleitet wird, begründet Rescher seine (kriteriologische) Kohärenztheorie gerade nicht von der metaphysischen These einer kohärent oder konsistent beschaffenen Wirklichkeit her1275. Konsistenz oder auch rationale Intelligibilität (consistency bzw. rational intelligibility) ist für Rescher „not a constitutive feature of nature […], […] but a regulative feature, an aspect, that is, of our concept of nature“1276. Die Konsistenz

1274 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 276f. Entsprechend kann auf die Kohärenz des Sinnzusammenhanges aller Ereignisse und Dinge sprachlich in Behauptungsform (und damit korrespondentistisch) Bezug genommen werden. Siehe dazu a. a. O., 277. 1275 L.B. Puntel stellt deutlich den Unterschied zu Bradley heraus. Siehe dazu L.B. Puntel, Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie, 183f. 1276 N. Rescher, The Coherence Theory of Truth, 235. Siehe ausführlicher zu seiner Kritik einer kohärentistischen Metaphysik a. a. O., 234–237.

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wird hier lediglich für unsere Konzeptualisierungen der Wirklichkeit bemüht1277. Nicht der Rescher‘schen Variante der Kohärenztheorie, sondern klassischen Versionen dieser Theorie steht Pannenberg insofern näher, als in klassischen Versionen die Vorstellung ontologischer Kohärenz ein zentraler Aspekt ist und anders als in Reschers Theorie solchen Theorien sogar „weitreichende metaphysische Annahmen über die Natur der Wirklichkeit zugrunde“ liegen1278: „The metaphysical doctrine lying behind the Coherence Theory is that the universe is a single whole of multifarious interdependent parts so related that the nature and occurrence of each is determined by its relations to all the rest and so by the overall structure of the totality.“1279

„Kohärenz impliziert hier nicht nur die Konsistenz und systematische Einheit eines begrenzten data-relativen Bereichs, sondern die durchgängige Abhängigkeit aller Wahrheiten schlechthin, so daß „every completely true judgement entails every other.“1280 Bedingt durch Pannenbergs schwachen Kohärenzbegriff fallen derlei Annahmen über die Wirklichkeit vergleichsweise dezent aus, was dann doch wieder einen gewissen Unterschied zu solchen Kohärenztheorien erkennbar werden lasst. Allerdings kann Pannenberg mithilfe metaphyischer Spekulationen den Gottesgedanken in die Wahrheitskonzeption inkludieren: „Wenn Kohärenz in irgendeiner Weise die Totalität und Einheit der Wirklichkeit als Ganzer impliziert, drängt sich ein Zusammenhang zwischen Kohärenz- und Gottesbegriff bzw. eine Affinität von Kohärenztheorie und Theologie nahezu von selbst auf.“1281

Es ist unstrittig, dass solche Erwägungen zu einer „traditionelle[n] Affinität zwischen Kohärentismus und Theologie“ geführt haben1282. Und in einer solchen, von metaphysischen Anschauungen auf den Gottesgedanken hinführenden Argumentation besteht jedoch ein weiterer Unterschied zur Fassung der Kohärenztheorie bei Rescher, innerhalb derer sich „keinerlei Hinweise auf mögliche theologische oder religionsphilosophische Konsequenzen“1283 finden lassen. 1277 Siehe dazu auch die Bemerkung von L.B. Puntel, Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie, 183. 1278 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 284. Kreiner verweist auf L.J. Cohens Aufsatz „The Coherence Theory of Truth“, 352f. 1279 E.E. Harris, Coherence and its Critics, 209. Zitiert nach A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 285. 1280 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 285 inkl. Anm. 68 mit dem Hinweis auf L.J. Cohens Auseinandersetzung mit F.H. Bradley in L.J. Cohen, The Coherence Theory of Truth, 353. 1281 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 285. 1282 So A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 284, dort der weiterführende Hinweis auf die Spinozaund Hegel-Interpretation durch R.C.S. Walker, The Coherence Theory of Truth. Realism, Anti-Realism, Idealism, bes. 41ff u. 83ff. 1283 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 284.

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So gesehen wird man zu dem Urteil gelangen dürfen, dass für Pannenbergs Verständnis der Kohärenztheorie und deren argumentativer Explikation die Berücksichtigung anderer, zu Reschers Theorie alternativ gegenüberstehender, „theologieaffinerer“ kohärenztheoretischer Entwürfe sicher von Vorteil gewesen wäre1284. Und doch lässt sich in einem Punkt noch eine gewisse Nähe zu Reschers Theorie erkennen. Beide sehen die Kohärenzbildung mit epistemischen Grenzen konfrontiert. Für Pannenberg ist Erkenntnis solange vorläufig, solange die Welt noch nicht eschatologisch vollendet ist. Durch diese Beachtung der Aspekte der Geschichtlichkeit und Zeitlichkeit ergibt sich eine gewisse Relativität des Erkennens per Kohärenz. Jede Erkenntnis ist demnach fallibel im Angesicht des temporalen Abstands zur Zukunft Gottes. Die Wahrheit in ihrer kohärenten Einheit ist ihm, wie sich zeigte, „in abschließender Weise erst eschatologisch erreichbar“1285. Auf Wahrheit kann Pannenberg zufolge lediglich vorgegriffen werden. Nach Meinung von Rescher gerät die kriteriologische Kohärenztheorie vor allem deshalb an eine Grenze, weil die vorhandene Datenbasis unvollständig ist. Das ist aber eine Rahmenbedingung, derer sich auch Pannenberg bewusst gewesen ist. Denn vorläufig ist Erkenntnis auch dadurch, dass Erkenntnis im Geschichtsprozess voranschreiten kann, was letztlich wieder auf die von Rescher reklamierten data zurückführt. 3.4.4.4.12 Implikationen seines kohärenztheoretischen Wahrheitsverständnisses: Wahrheit – Wissen – Wissenschaften Die Auffassung von Wahrheit als kohärente Einheit alles Wahren findet sich in Pannenbergs Theologie bereits vor der Entwicklung und Präsentation seines synthetischen Wahrheitsbegriffs in der „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “, und zwar im Bestand seiner wissenschaftstheoretischen Beiträge. Sein Konzept einer Kohärenztheorie enthält Implikationen, die Pannenberg im Rahmen seiner „A n t wo r t a u f G . S a u t e r s Ü b e r l e g u n g e n “ (1980) zur wissenschaftstheoretischen Diskussion in der Theologie expliziert hat und erhellend sind für sein Verständnis der Theologie im universitären Kontext: „Die Kohärenztheorie der Wahrheit impliziert die Idee einer prinzipiellen Einheit alles Wissens und aller Wissenschaft.“1286 1284 Pannenbergs Bezugnahme auf Rescher dürfte wahrscheinlich auf die entsprechenden Hinweise seines Münchener Kollegen L.B. Puntel zurückzuführen sein. Immerhin hatte dieser nach seiner Lektüre von Pannenbergs „Wi s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d T h e o l o g i e “ überhaupt erst eine Nähe zwischen Pannenberg und Rescher im Gedanken der Kohärenz erkannt und benannt (siehe dazu den Aufsatz von L.B. Puntel, Wissenschaftstheorie und Theologie. Zu Wolfhart Pannenbergs gleichnamigem Buch, 271–292). 1285 W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 174. 1286 W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 175.

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Pannenberg hat allerdings keine logisch-positivistische „Einheitswissenschaft“ im Blick, da „[e]in formal einheitlicher Begriff von Wissenschaft, gerade wenn er vom Modell einer als paradigmatisch geltenden Einzelwissenschaft her entwickelt wird, […] immer nur eine abstrakte Allgemeinheit [bilde], der sich die vielfältigen Perspektiven der Einzelwissenschaften nicht ohne weiteres einfügen.“1287 Vielmehr verbindet sich für Pannenberg „der Gedanke der Einheit der Wissenschaft“ mit „der Forderung nach Zusammenstimmung aller Teilwissenschaften zu einem Ganzen“.1288 So ist für ihn „die Einheit alles Wissens und aller Wissenschaft – auch wenn sie sich nicht als Gesamtbild formulieren läßt – Bedingung des Wahrheitsanspruchs jeder Einzelwissenschaft in ihren Theorien, Verfahrensweisen und Resultaten.“1289 Pannenbergs Wissenschaftsverständnis kann so mit G. Sauter als ein ‚enzyklopädisches‘ bezeichnet werden1290, wobei für Pannenberg von entscheidender Bedeutung ist, „daß sich eine solche Auffassung von Wissenschaft notwendig aus dem Wahrheitsbegriff ergeben muß.“1291 Das Erfordernis der Kohärenz im Wissens-Begriff hat die Pannenberg-Rezeption herausgestellt. Robert W. Jenson formulierte Pannenbergs Anliegen treffend so: „All disciplines must finally make one coherent body of knowledge or lose hold of their matter; and any knowledge of this coherence is in fact knowledge of God – that is, knowledge of what theology is supposed to know.“1292 Ted Peters urteilt korrekt, Pannenberg gehe von einem ,merging of horizons’, von einer „possibility of a single domain of knowledge shared by both science and theology [kursiv: T. L.]“ aus, weil seine Überlegungen von der Annahme getragen sind, „that scientific discoveries will find their fullest understanding when understood in light of our knowledge of God.“1293 1287 1288 1289 1290

W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 175. W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 175. W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 175. Zum enzyklopädischen Charakter des Wissenschaftsverständnisses, wie G. Sauter es bei Pannenberg erkannt hat und sodann von Pannenberg in seiner Replik auch bestätigt worden ist, vgl. G. Sauter, Überlegungen zu einem weiteren Gesprächsgang über „Theologie und Wissenschaftstheorie“, 165 u. W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 175. Ob der „enzyklopädische Ansatz“ im Wissenschaftsverständnis Pannenbergs zu seiner Wahrheitsauffassung führt, wie Sauter ebenfalls meint, sei einmal dahingestellt. Siehe dazu G. Sauter, Überlegungen zu einem weiteren Gesprächsgang über „Theologie und Wissenschaftstheorie“, 165. 1291 W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 175. Pannenberg ergänzt: „Das bedeutet natürlich nicht, daß jede Betätigung in einer Einzelwissenschaft immer auch enzyklopädisch orientiert sein müßte. Ihr Interesse kann sich durchaus auf die Entwicklung von Hypothesen mittlerer Reichweite im Theoriezusammenhang einer Wissenschaft richten“ (ebd.). 1292 Robert W. Jenson, Review Systematic Theology Bd. 2, 60. 1293 T. Peters, Clarity of the Part versus Meaning of the Whole, 291. Zu diesem Gedanken der „one domain of knowledge“ angesichts der Einheit der Wirklichkeit siehe auch a. a. O., 293. Siehe auch die Bemerkungen von R.A. Rhem zur theologischen Interpretation der Wirk-

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Die Einheit von Wissen und Wissenschaft ergibt sich im Ganzen für Pannenberg folgerichtig aus dem Gedanken der Einheit der Wahrheit, an deren Suche nicht nur die Theologie und die Philosophie beteiligt sind, sondern auch die übrigen Wissenschaften partizipieren, wie oben gezeigt wurde. Es ist bemerkenswert und bedauerlich zugleich, dass Pannenberg das Moment der Kohärenz, das Wahrheit, Wissen und Wissenschaft verbindet, auffälligerweise nicht in Auseinandersetzung mit N. Reschers Kohärenztheorie der Wahrheit erörtert hat, obwohl dieser im Rahmen seiner Kohärenztheorie diesen Zusammenhang ausdrücklich hergestellt hat1294. Auch hierin wird man ein weiteres Indiz dafür erkennen können, dass Pannenberg offenbar von Reschers Theorieansatz im Grunde leider keine rechte Kenntnis genommen hat. 3.4.4.5 Zwischenfazit Pannenberg reklamiert für seine Theologie selbstbewusst einen Begriff der Kohärenz und – nicht minder entschlossen – ein kohärenztheoretisches Wahrheitsverständnis. Kennzeichnet das Bemühen um Kohärenz schon frühe Publikationen Pannenbergs, so wird in späteren Beiträgen die Applikation der Kohärenz unter Bezugnahmen auf die Kohärenztheorie der Wahrheit (insbesondere auch derjenigen N. Reschers) legitimiert. Sein synthetischer Wahrheitsbegriff, der formal die Momente der Kohärenz, der Korrespondenz und des Konsensus zusammenführt, lässt jedoch erkennen, dass der Abstand zur modernen philosophischen Wahrheitstheorie und der Kohärenztheorie N. Reschers erstaunlich groß ist, ja vielleicht größer ist, als es zu vermuten wäre, wenn ein Theologe eine prominente Kohärenztheorie der Wahrheit mehrfach erwähnt. Sein Wahrheitsbegriff wird zwar maßgeblich von dem Aspekt der Kohärenz dominiert. Das geschieht aber nicht über eine Integration der detaillierten Überlegungen Reschers zum Begriff von Kohärenz – lichkeit (R.A. Rhem, A Theological Conception of Reality as History – Some Aspects of the Thinking of Wolfhart Pannenberg, bes. 181). 1294 L.B. Puntel hat in seiner Rezension andeutungshaft skizziert, wie von N. Reschers Kohärenztheorie der Wahrheit her auch die Frage nach dem Wissensbegriff einer möglichen Klärung zugeführt werden kann, einer Klärung, die in ihrem zentralen Gehalt wenigstens der von Pannenberg vorgenommenen Verbindung von Wahrheits- und Wissensbegriff sehr nahe kommt. Puntel schreibt: „Eine konsequente Erörterung dieser ganzen Problematik müßte sich streng an jenes Theorieverständnis halten, dessen konsequente Entfaltung seinerseits auf einer Konzeption des Wissens basiert, die nicht von „sicheren“ Fundamenten ausgeht, sondern die Wissen als Explikation von Kohärenz begreift. N. Rescher hat in diesem Zusammenhang eine überzeugende Kritik des „fundamentalistischen“ Wissensmodells vorgelegt und die Grundzüge eines „kohärenten“ Wissensmodells herausgearbeitet [Anm. 22: Verweis auf N. Rescher, The Coherence Theory of Truth, bes. Kap. XIII].“ (L.B. Puntel, Wissenschaftstheorie und Theologie. Zu Wolfhart Pannenbergs gleichnamigem Buch, 292).

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dieser Schritt bleibt aus. Pannenbergs Interesse richtet sich verstärkt auf antike philosophische und theologiegeschichtliche Konzeptionen. Die Intention ist klar erkennbar. Über die Rezeption der alten, traditionsreichen ontologischen Wahrheit soll auch die onto-theologische Wahrheit zur Geltung gebracht, ja rehabilitiert werden. Die kritische Besprechung seines synthetischen Kohärenzbegriffs hat auf Schwierigkeiten hingewiesen und dabei nicht zuletzt auch grundsätzlich den synthetisierenden Zug in Pannenbergs Herangehensweise in Frage gestellt. Als eine wesentliche Grundschwierigkeit resultiert daraus die Äquivozität des Wahrheitsbegriffs. Darüber hinaus ist zweifelhaft, ob die aussagetheoretische Wahrheit auf überzeugende Weise von der ontologischen Wahrheit abgleitet werden kann. Pannenberg konstruiert geschickt Zusammenhänge zwischen Wahrheitsbegriffen. Die Erkenntnis allerdings, dass verschiedene Begriffe von Wahrheit (zumindest teilweise) verschiedene Phänomene behandeln, wie mit der modernen Wahrheitstheorie gezeigt werden kann, stellt dieses Integrationsbedürfnis Pannenbergs schon im Ansatz in Frage. 3.4.4.6 Kriteriologische Applikation der Kohärenz (Teil 1): Das Kohärenzideal von seinen frühen Publikationen an und im Horizont wissenschaftstheoretischer Überlegungen Wie sehr eine Theologie dem Kohärenzideal verpflichtet sein kann, demonstriert auf eindrückliche Weise das Beispiel kriteriologischer Kohärenzanstrengungen in der Theologie Pannenbergs. Derlei Bemühungen kennzeichnen frühe wie spätere Forschungsbeiträge. 3.4.4.6.1 Die frühe (implizite) Präsenz des Kohärenzideals Das Moment der Kohärenz spielt als Wahrheitskriterium nicht erst seit der expliziten Anknüpfung an die Kohärenztheorie der Wahrheit eine große Rolle in Pannenbergs Theologie. Zuvor schon, in seiner „Wi s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d T h e o l o g i e “, steht das Ideal holisierender Kohärenzbildung im Mittelpunkt seiner eigenen Denkanstrengungen; aber auch schon in sehr frühen Aufsatzbeiträgen ist dieses Ideal präsent, wenn auch dort zumeist nicht explizit1295. Darum verdient es einer Aufarbeitung, die – wie hier unternommen – die starke,

1295 Im Sachindex seiner Wissenschaftstheorie und Theologie findet sich die ‚Kohärenz‘ nicht unter ‚Wahrheit‘, sondern sie wird (noch) separat verzeichnet. Als Wahrheitstheorien werden dort unter ‚Wahrheit‘ lediglich die Konsensus- und die Korrespondenztheorie genannt. Vgl. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 454 sowie zur Kohärenz a. a. O., 451. Erst später, im ersten Band seiner „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “, wird der Aspekt der Kohärenz und die Kohärenztheorie der Wahrheit unter ‚Wahrheit‘ aufgeführt.

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aber prima facie unauffällige Präsenz der Kohärenz als ein entscheidendes Wahrheitskriterium deutlich macht. Wenn auch eher implizit als ausdrücklich, macht bereits in frühen Publikationen Pannenbergs das Kohärenzideal auf sich aufmerksam: in der Einheitsthese und dem holisierenden Ansatz, die Einheit und Ganzheit der Wirklichkeit auf den biblischen Gott zu beziehen, in dem die eine Wirklichkeit als von ihm her bestimmt gedacht wird. Daraus ergibt sich nahezu von selbst die Vorstellung einer kohärenten Verfasstheit dieser einen Wirklichkeit. Soll die (eine) Wirklichkeit (einschließlich alles Wirklichem) vom biblischen Gott her verstanden werden, ergibt sich für Pannenberg darum als eine weitere Aufgabe (systematischer) Theologie, schlichtweg alles – alle Themen(-bereiche), Erkenntnisse und Wahrheiten in ihrem Zusammenhang, also in ihrer sie verbindenden Kohärenz – wahrzunehmen. Denn nur durch das Moment der Kohärenz lasse sich die Wirklichkeit als eine durch den biblischen Gott konstituierte einheitliche und ganze denken. Wie sehr dieser Gedanke sein bereits frühes Denken bestimmt hat, zeigt sich in seinem Aufsatz „D i e K r i s e d e s S c h r i f t p r i n z i p s “ von 1962. Dort heißt es zur Aufgabe systematischer Theologie: „Systematische Theologie vollzieht sich immer in einer Spannung zwischen zwei Tendenzen: Einerseits geht es in ihr um die Treue der Theologie selbst (und darüber hinaus der christlichen Kirche) zu ihrem Ursprung, zur Offenbarung Gottes in Jesus Christus, wie sie in der Schrift bezeugt ist. Andererseits aber schließt die Aufgabe der Theologie über jenes besondere Thema hinaus alle Wahrheit überhaupt in sich [kursiv: T. L.]. Solche Universalität der Theologie hängt unausweichlich damit zusammen, daß sie von Gott redet. Man gebraucht das Wort „Gott“ nur dann sinnvoll, wenn man dabei die alles, was ist, bestimmende Macht denkt. Wer nicht auf die religionsphänomenologische Stufe eines Polytheismus oder Polydämonismus zurückfallen will, muß den einen Gott als den Schöpfer aller Dinge denken. Ein Verständnis alles Seienden auf Gott hin, so daß es ohne Gott schlechterdings nicht verstanden werden kann, gehört also zur Aufgabe der Theologie. Und das macht ihre Universalität aus.“1296 „Eine Theologie, die sich der intellektuellen Verpflichtung bewußt bleibt, die der Gebrauch des Wortes „Gott“ mit sich bringt, wird sich tunlichst darum bemühen, alle Wahrheit und daher nicht zuletzt die Erkenntnisse der außertheologischen Wissenschaften [kursiv: T. L.] auf den Gott der Bibel zu beziehen und von ihm her neu zu verstehen.“1297

Der Gottesgedanke und die Offenbarung Gottes sind für Pannenberg der Grund, dass Theologie sich nicht auf einen von anderen (universitären) Disziplinen und Wissenschaften (ab-)gesonderten Themenbereich begrenzen kann – etwa mit der Vorstellung, ‚ihre eigene Sache‘ zu betreiben, sondern die Offenbarung Gottes 1296 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 11. 1297 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 11.

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ernst nehmend einen universalen Skopus verfolgen muss, indem sie durch die Hinordnung aller Wahrheit und Erkenntnis auf den biblischen Gott gleichsam automatisch nach den die verschiedenen Wahrheiten und Erkenntnisse verbindenden Kohärenzen Ausschau hält: „Hat es nicht die Theologie – ob sie nun damit als „Wissenschaft“ neben andern Wissenschaften auftreten kann oder nicht – jedenfalls mit der besonderen Offenbarung Gottes in Jesus Christus zu tun, wie sie in der Schrift bezeugt ist?“1298 „Doch recht verstanden ist die Offenbarung Gottes als Offenbarung Gottes eben erst dann bedacht, wenn alle sonstige Wahrheit und Erkenntnis auf sie hingeordnet und in sie aufgenommen wird [kursiv: T. L.]. Nur so kann die biblische Offenbarung als Offenbarung des Gottes, der Schöpfer und Vollender aller Dinge ist, verstanden werden.“1299

L.B. Puntel bemerkt bereits 1976 in Pannenbergs wissenschaftstheoretischem Ansatz von 1973 („Wi s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d T h e o l o g i e “) sog. ‚Kohärenzweisen‘, die im Dienste eines system-theoretischen Erklärungsunternehmens stünden und sich etwa in der Dialektik von Teil und Ganzem zeigten1300. 1298 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 11f. Vgl. dazu ausführlicher auch a. a. O., 11f. 1299 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 12. Vgl. dazu ausführlicher auch folgende Bemerkungen Pannenbergs: „Die altkirchlichen Väter und die Autoren der großen scholastischen Summen haben davon etwas gewußt. Demgegenüber erscheint es mir als ein verführerischer Gedanke, daß die Theologie ihrer eigenen Sache (also den biblischen Überlieferungen) näher wäre, wenn sie sich auf einen Sonderbereich göttlicher Offenbarungen zurückzieht und zu einer Wissenschaft neben anderen wird, wie das vor allem in der positiv kirchlichen Theologie im Laufe der Neuzeit immer deutlicher geschehen ist. Das mag seine Bequemlichkeiten für ein friedliches Zusammenleben der Theologie mit den anderen Fakultäten an der Universität haben. Aber die Universalität, die mit dem Gedanken Gottes verbunden ist, gerät dabei in Vergessenheit. Und hier droht im theologischen Denken der Verrat am ersten Gebot, verdeckt durch die schön klingende Versicherung einer Konzentration der Theologie auf ihre besondere Aufgabe.“ (W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 12 vgl. zum Thema auch a. a. O., 12f.). Es ist Pannenbergs feste Überzeugung, dass „ die Theologie nicht als Spezialwissenschaft von der göttlichen Offenbarung auf Grund der Heiligen Schrift bestehen kann – der Bezug auf die Universalgeschichte (d. h. auf „die Gesamtheit alles Geschehens“) bleibt wesentlich (vgl. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 20); es komme (ausgehend vom „Verständnis der Einheit alles Wirklichen als Geschichte“) darauf an, „alle Dinge auf den Gott der Bibel hin zu verstehen und so den biblischen Gott neu als den Schöpfer der Welt zu erkennen; denn der Gott der Bibel ist der Gott der Geschichte, und das Verständnis der Welt als Geschichte ist diejenige Auffassung der Wirklichkeit, die das biblische Gottesverständnis der Menschheit erschlossen hat.“ (a. a. O., 21). Vgl. auch E.F. Tupper, The Theology of Wolfhart Pannenberg, 53: Tupper zeigt, dass Theologie im Sinne Pannenbergs ihren Horizont nicht begrenzen darf, sich nicht auf die Sphäre ‚offenbarter Wahrheit‘ zurückziehen darf. Es geht um die Universalität der Wahrheit. Denn wenn die Offenbarung Gottes richtig verstanden ist, dann wird alle andere Wahrheit darauf (auf Gott) bezogen. Glaubwürdig ist die Rede von Gott nur, wenn er wirklich als Schöpfer und Vollender aller Dinge in den Blick kommt (vgl. ebd.). 1300 Vgl. ausführlicher Puntels Bemerkungen, die im Kontext systemtheoretischer Erwägungen

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Puntel gelangt zu der treffenden Einschätzung, dass Pannenberg „[a]ufs ganze gesehen, […] eher eine Lösung der Bewährungsproblematik anzuzielen [scheint], die die Bewährung der Aussagen im Aufzeigen von Kohärenz sucht, bzw. mit diesem Aufzeigen identifiziert. Demnach wäre zu sagen: Sind zwei oder mehrere konkurrierende Theorien gegeben, so hat diejenige als bewährt zu gelten, die eine „größere“, eine „intensivere“ Kohärenz aufweist und der es damit gelingt, die andere(n) Theorie(n) in sich „aufzuheben“, d. h. zu negieren und in sich zu integrieren.“1301 Inwiefern Pannenberg hierbei das Kohärenzideal als Wahrheitskriterium zum Einsatz bringt und welche Schwierigkeiten damit verbunden sind, wird in einem gesonderten Kapitel unten thematisiert werden. Bereits hier soll aber verdeutlicht werden, dass nach Meinung von Pannenberg das „Wahrheitskriterium [kursiv: T. L.] der Kohärenz […] für die Beurteilung von Wahrheitsansprüchen immer und besonders in der Systematischen Theologie eine entscheidende Rolle spielt.“1302 Dieser kriteriologische Gebrauch des Kohärenzbegriffs wird von Pannenberg in seiner „A n t wo r t a u f G . S a u t e r s Ü b e r l e g u n g e n “1303 (1980) explizit gemacht und so weiterhin in Anspruch genommen. So wie Rescher mit seiner kriteriologischen Theorie die Kohärenz der Aussagen postulierte, so geht es bei Pannenbergs Anwendung des Kohärenzkriteriums ebenfalls um die Kohärenz von Aussagen zur gegenwärtigen Urteilsbildung1304. Eine Kohärenzprüfung darf Pannenberg zufolge nicht auf eine nur begrenzte Aussagenmenge bezogen werden. Sein Anspruch greift entsprechend hoch, wenn er nicht nur dem kohärentistischen Grundsatz folgt, wonach die Wahrheit einzelner Behauptungen an die Bedingung universaler Kohärenz – d. h. an die Kohärenz mit allen anderen (wahren!) Behauptungen – zu binden sei, sondern zugleich eine Reflexion auf die universale Kohärenz auf der ontologischen Ebene als Bezugsgröße für die sprachlich artikulierten Wahrheitsansprüche einfordert:

1301 1302 1303 1304

zum Erklärungsbegriff stehen: L.B. Puntel, Wissenschaftstheorie und Theologie. Zu Wolfhart Pannenbergs gleichnamigem Buch, 280: Kohärenzweisen sind „Weisen der systemtheoretischen Erklärung“. Sie erfüllen eine logische Funktion, „da sie ja theoretische Sätze miteinander verknüpfen.“ Zu Pannenberg notiert er noch den kritischen Hinweis: „Man muß aber sehen, daß Ganzes-Teil nur eine Kohärenzweise und damit nur eine Weise der systemtheoretischen Erklärung darstellt.“ (ebd.) Auch für spätere Publikationen Pannenbergs gilt, dass der Kohärenzbegriff und seine theologische Applikation nur unzureichend expliziert werden. L.B. Puntel, Wissenschaftstheorie und Theologie. Zu Wolfhart Pannenbergs gleichnamigem Buch, 292. So W. Pannenberg im Vorwort zu J. Kunath, „Sein beim Anderen“. Der Begriff der Perspektive in der Theologie Wolfhart Pannenbergs, 9. W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 168–181, bes. 173f. So explizit etwa in W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 103.

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„Der Anspruch jeder Behauptung (als Sachwissen) auf Wahrheit macht die Reflexion auf die Totalität aller wahren Behauptungen und damit auf die Totalität des Seienden selber unvermeidlich, wenn es gilt, daß eine einzelne Behauptung dann und nur dann wahr sein kann, wenn sie übereinstimmt mit allen andern wahren Behauptungen. Das ist die Grundlage, auf der letztlich der Kohärenzbegriff der Wahrheit ebenso wie die Legitimation systematischen Denkens überhaupt beruht [kursiv: T. L.].“1305

Mehr zum Thema sagt Pannenberg nicht, womit klar wird, dass Pannenberg seinen Kohärenzbegriff auch hier nicht näher präzisiert hat, geschweige denn die genauen (Wesens-)Merkmale von Kohärenz (etwa wie Puntel im Rückgang auf N. Rescher) näher zu spezifizieren versucht hat, was seiner Kohärenzprogrammatik sehr dienlich gewesen wäre1306. 3.4.4.6.2 Die Anthropologie, das Wahrheitsproblem und der Weg über die (Welt-) Erfahrung zum Zwecke der vorläufigen Bewährung (Verifikation) „Es gehört zum Menschsein, Religion zu haben.“1307

Es ist eine anthropologische Kernthese Pannenbergs, dass Religion konstitutiv zum Menschsein gehört. So sind seine anthropologischen Beiträge mit der Intention verbunden, dafür argumentativ einzutreten und so einen partiellen Beitrag zur Klärung der Wahrheitsfrage zu leisten: Von der anthropologischen 1305 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 87: Er fährt fort: „Diese Wahrheitsbedingung der Einzelbehauptung wird nun thematisch nur für ein antizpierendes Bewußtsein [kursiv: T. L.] und darum nur in Gestalt einer Pluralität abstrakter Aspekte der Totalität des Wissens und des Seienden, die als solche (als konkrete Totalität) dem endlichen Bewußtsein nicht adäquat zugänglich bzw. erreichbar ist.“ (ebd.); siehe auch schon die frühe, die Kohärenz implizierenden Formulierung, es werde mit Wahrheit konknret „die eine, ganze Wahrheit“ beansprucht, also die eine Wahrheit, die alles einzelne Wahre umfasst. (W. Pannenberg, Freude des Glaubens, Predigten, 28). 1306 N. Reschers The Coherence Theory of Truth erschien mehr oder weniger zeitgleich mit Pannenbergs wissenschaftstheoretischem Entwurf. Von daher wird verständlich, dass er zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf Rescher rekurrierte. Allerdings zeigte sich schon in den obigen Untersuchungsergebnissen, dass Pannenberg auch später auf Rescher allenfalls andeutungshaft Bezug nimmt und damit die Chance vergibt, das für seine Theologie so entscheidende Kohärenzideal in seiner wissenschaftlichen Bedeutung herauszustellen und in seinen Potentialen und Grenzen zu erörtern. Puntel hat m. E. zurecht die Meinung vertreten, es müssten im Rahmen der von Pannenberg intendierten Kohärenzbildung „für den kleineren bzw. größeren Grad von Kohärenz (wieder) Kriterien aufgestellt werden“ und „[e]ine konsequente Erörterung dieser ganzen Problematik“ geführt werden, die „sich streng an jenes Theorieverständnis“ hielte und „dessen konsequente Entfaltung seinerseits auf einer Konzeption des Wissens basiert, die nicht von „sicheren“ Fundamenten ausgeht, sondern die Wissen als Explikation von Kohärenz begreift.“ (Siehe dazu L.B. Puntel, Wissenschaftstheorie und Theologie. Zu Wolfhart Pannenbergs gleichnamigem Buch, 292). Pannenbergs enzyklopädisches Wissensverständnis (s. u.) steht diesen Überlegungen sehr nahe, insofern es ebenfalls im Ansatz der Kohärenz verpflichtet ist. 1307 So an einer Stelle prägnant: W. Pannenberg, Das christliche Inkarnationsdogma als Thema der Philosophie, 507.

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Klärung der Frage, „ob Religion unerläßlich zum Menschsein des Menschen gehört“, erhofft Pannenberg sich für den christlichen Glauben in seiner Auseinandersetzung mit atheistischer Religionskritik eine „Verteidigung seines Wahrheitsrechtes“1308 im Sinne einer Absicherung des mit dem Anspruch auf (allgemeingültige) Wahrheit verbundenen religiösen Redens von Gott, das seinem Anspruch nach (d. h. mit seinen Behauptungen in Bezug auf Gott) Pannenberg zufolge mehr sein will als „bloße subjektive Versicherungen ohne ernstzunehmenden Anspruch auf Allgemeingültigkeit.“1309 „Die theologische Behauptung, daß das Reden von Gott sich nicht nur einer subjektiven Glaubensentscheidung verdankt, sondern eine allgemein gültige Wahrheit besitzt, muß sich mit der Bestreitung solcher Allgemeingültigkeit auf der Basis der Anthropologie auseinandersetzen.“1310 Doch mehr zu leisten vermöge die Anthropologie hinsichtlich der Wahrheitsproblematik nicht. Pannenberg argumentiert folgendermaßen: Selbst wenn eine religiöse Anlage (konstitutiv) zur menschlichen Natur gehörte, könne nicht ausgeschlossen werden, dass Gegenstände des religiösen Bewusstseins (z. B. die göttliche Wirklichkeit) „durchweg illusionär wären.“1311 Wegen des religiösen Bewusstseins allein könne die Wirklichkeit Gottes nicht behauptet werden1312. Deshalb könne das anthropologische Argument einer „Anlage des Menschen zur Religion“ in Verbindung mit dem Hinweis auf „religiöse Erfahrungen oder Erlebnisse“ nicht „als Wahrheitsbeweis für die religiösen Behauptungen göttlicher Wirklichkeit und göttlichen Wirkens geltend“ gemacht werden1313. Selbst wenn gezeigt wäre, dass die religiöse Natur konstitutiv zum Menschen gehört, dann wäre für Pannenberg damit weder die „Wahrheit der göttlichen Wirklichkeit [kursiv: T. L.] als Gegenstand der Religion

1308 W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 15. Siehe auch in Anm. 3 den Hinweis auf W. Pannenberg, Reden von Gott angesichts atheistischer Kritik, in: Ders., Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 29–47 sowie P.L. Berger, Auf den Spuren der Engel. Die moderne Gesellschaft und die Wiederentdeckung der Transzendenz. 1309 W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 16. Dies sei „die Tragik der dialektischen Theologie“, vgl. a. a. O., 16: „Die bisherigen Erwägungen haben ergeben, daß die Anthropologie in der Neuzeit faktisch, aber auch mit sachlicher Notwendigkeit zu dem Boden geworden ist, auf dem die Theologie ihren Anspruch auf Allgemeingültigkeit für ihre Aussagen begründet hat.“ (ebd.). 1310 W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive. Philosophisch-theologische Grundlinien, 88. 1311 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 172. 1312 Siehe ausführlicher W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 172f. „Die Möglichkeit, daß es sich beim religiösen Bewußtsein göttlicher Wirklichkeit um eine zur Natur des Menschen gehörige Illusion handeln könnte, läßt es jedoch nicht zu, allein wegen der religiösen Anlage des Menschen schon die Wirklichkeit Gottes zu behaupten.“ (ebd.). Eine stichhaltige Kritik kann aus der Sicht Pannenbergs gen eine Widerlegung der Wirklichkeit Gottes tendieren (vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 71). 1313 Siehe ausführlicher W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 173.

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entschieden“1314 noch könnte auf die Wahrheit religiöser Behauptungen geschlossen werden1315. Pannenbergs Befund, „daß Religion für das Menschsein konstitutiv ist“ ist s.E. so zu interpretieren, dass dieser „eine zwar nicht hinreichende, aber unerläßliche Bedingung für die Wahrheit religiöser Behauptungen über göttliche Wirklichkeit, vor allem aber für die Wahrheit des monotheistischen Glaubens an einen einzigen Gott [bildet], jedenfalls dann, wenn der eine Gott als Urheber der Welt gedacht wird.“1316 Die starke anthropologische (Kern-) These ist insofern Wahrheitsbedingung, als im Fall der Richtigkeit des Gegenteils (= der Mensch ist nicht von Natur aus religiös) bereits hier – nämlich auf anthropologischer Ebene – „ein schwerwiegender Einwand gegen die Wahrheit des Glaubens an die Wirklichkeit Gottes gegeben“1317 wäre. Auf dem Feld der Anthropologie könne also allenfalls „eine Vorentscheidung, wenn auch noch keineswegs die endgültige Entscheidung [kursiv: T. L.] über den Wahrheitsanspruch des christlichen Glaubens“ gefällt werden1318. 1314 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. II, 9f. Der der Sache nach gleiche Gedanke findet sich in: W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 70 (allerdings ohne explizite Erwähnung der Wahrheitsfrage in Bezug auf die göttliche Wirklichkeit). 1315 „Aus solcher Anlage zur Religion folgt nun allerdings nicht die Wahrheit der religiösen Behauptungen über Wirklichkeit und Wirken Gottes oder der Götter [kursiv: T. L.]. Auch wenn im Gegensatz zu rein anthropologischen Bestimmungen des Religionsbegriffs der Bezug auf eine göttliche Wirklichkeit immer schon konstitutiv ist für die Religion, läßt sich aus der menschlichen Anlage zur Religion nicht auf das Dasein Gottes schließen.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 172: Siehe dazu auch in Anm. 118 die Auseinandersetzung mit M. Scheler). Siehe auch die treffenden Worte seines Lehrstuhlnachfolgers G. Wenz: „Indes entscheidet der Beweis der Religion als anthropologisches Universale für sich genommen, wie gesagt, noch nicht über die inhaltliche Wahrheit der Religion.“ (G. Wenz, W. Pannenbergs Systematische Theologie, 59). 1316 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 173. Dabei sind Pannenbergs anthropologischen Erwägungen von der Annahme getragen, dass der Mensch von seinem Bezogensein von Gott weiß: „Wenn nämlich der eine Gott Schöpfer des Menschen sein soll, dann muß der Mensch als selbstbewußtes Wesen auch in irgendeiner, noch so inadäquaten Form um diesen seinen Ursprung wissen. Sein Dasein als Mensch müßte die Signatur der Geschöpflichkeit tragen, und das könnte dem Bewußtsein des Menschen von sich selber nicht gänzlich verborgen bleiben.“ (ebd.). 1317 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 173. Argumentativ zielen in diese Kerbe etwa auch schon frühere Bemerkungen: „Wenn sich nicht zeigen läßt, daß die religiöse Thematik, die Erhebung über die endlichen Inhalte menschlicher Erfahrung zum Gedanken einer unendlichen, alles Endliche und den Menschen selbst tragenden Wirklichkeit wesentlich und konstitutiv zum Menschsein gehört, so daß man den Menschen nicht zu Gesicht bekommt, solange man von dieser Dimension absieht“ (W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 18). 1318 W. Pannenberg, Theologie und Philosophie, 360: Siehe in diesem Zusammenhang auch Pannenbergs Kritik anSchleiermachers Hinweis, dass „der Religion eine „eigene Provinz“ im menschlichen Gemüt gehöre“ (ebd.). Dieser Hinweis genügt nach Meinung von Pannenberg eben deshalb nicht, weil er im Sinne Feuerbachs psychologisch relativiert werden könnte, und so „würde er wenig besagen.“ (ebd.). Hegel habe darum „mit Recht den

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Wenn auch mithilfe anthropologischer Argumentation die Frage nach der Wahrheit religiöser Aussagen (und damit auch eines Gottesgedankens, Gottglaubens, christlichen Glaubens) nicht beantwortet werden könne1319, sieht Erfahrungssubjektivismus Schleiermachers kritisiert.“ (ebd.) Vielmehr müsse zur Lösung Schleiermachers Begriff der religiösen Anschauung (aus der 2. Rede) von Descartes her interpretiert werden, und zwar „als Thematisierung der Priorität des Unendlichen vor und in aller Erfassung von Endlichem, um den auch objektiv gültigen Kern der Argumentation Schleiermachers herauszustellen.“ (ebd.). Vgl. auch die auf Pannenberg gemünzte Bemerkung von Carl E. Braaten, dass „the finding that religion is, from the outset, human – and fundamentally so – is only a necessary but never a sufficient condition for the truth of religious assertions about the reality of God.“ (So Carl E. Braaten, The Place of Christianity among the World Religions, 302). „Die Religion ist eine Bedingung dafür, daß der christliche Wahrheitsanspruch geltend gemacht werden kann. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.“ (W. Pannenberg, Geist gegen Zeitgeist. Gespräch mit dem Theologen Wolfhart Pannenberg, 268). So erschließt sich, dass ferner „[m]it der Bestimmung des Wesens der Religion […] die Frage nach ihrer Wahrheit bzw. nach der Wahrheit der Behauptungen, die in den verschiedenen Religionen geglaubt und überliefert werden, noch nicht beantwortet“ ist (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 167). Der Anthropologie kommt ‚fundamentaltheologischer Rang‘ zu, und zwar in dem Sinne „einer methodischen Priorität“ (W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 424f). Pannenberg hat der „Anthropologie als Basis einer „Religionstheologie“ fundamentaltheologischen Rang zuerkannt. Das hat natürlich nur den Sinn einer methodischen Priorität, nicht aber den, daß die Anthropologie der Sache nach als Fundament der Theologie aufzufassen wäre (vgl. a. a. O. 419, sowie auch oben 66f. und auch Pannenbergs Bemerkungen in der Schlussdiskussion in: W. Pannenberg (Hg.), Sind wir von Natur aus religiös?, 134ff., bes. 165f.). Andernorts hat Pannenberg scheinbar die Bedeutung der Anthropologie für die Wahrheitsfrage offenkundig überbewertet, was in gewisser Spannung zur oben dargelegten Skizze seiner Überlegungen steht. Er schreibt an einer Stelle: „Für die philosophische Theologie der Neuzeit hingegen ist die Erkenntnis richtungsweisend geworden, daß von der Natur kein sicherer Weg mehr zu Gott führt und darum die ganze Beweislast für die Wahrheit des Gottesglaubens auf das Verständnis des Menschen, auf die Anthropologie [kursiv: T. L.] gefallen ist.“ (W. Pannenberg, Gottesgedanke und menschliche Freiheit, 11: Im Hintergrund steht die von Plato bis Kant erfolgte, von Pannenberg sog. „Anthropologisierung des Gottesgedankens“ [ebd.]). Pannenberg übertreibt allerdings, wenn er von der ‚ganzen Beweislast‘ spricht. Mit seiner eigenen Theologie belegt er mehr als deutlich, dass die Verteidigung des christlichen Anspruchs auf Wahrheit für den christlichen Gottesglauben weit mehr erforderlich macht, insbesondere ein Verfahren empirischer Verifikation, darüber hinausgehend auch Argumentationen auf der Ebenen der Wahrheitstheorie. Es irritiert, dass Pannenberg hier der Anthropologie die ‚ganze Beweislast‘ zuschreibt, während er doch andererseits deutlich macht, dass die die Frage nach der Existenz Gottes und somit auch die Wahrheitsfrage mit Blick auf einen Gottesgedanken nicht zu tragen vermag. Dazu bedarf es weiterer theologischer Verfahren und Reflexionen (s. u.). Nicht ganz kompatibel formuliert Pannenberg an anderer Stelle: „Am Verständnis des Menschen entscheidet sich heute nicht zuletzt die Frage nach der Wahrheit der Religion und des Glaubens an Gott, so wie umgekehrt der Atheismus seine Argumentation anthropologisch begründet.“ (W. Pannenberg, Geleitwort zu deutscher Ausgabe, John B. Cobb, Die christliche Existenz, 7). Hier widerspricht er ebenso seiner eigenen oben skizzierten Einschätzung, dass auf dem Wege der Anthropologie (allein) die Wahrheitsfrage nicht geklärt werden könne. 1319 Zur begrenzten epistemischen Reichweite siehe auch folgende Bemerkung: „Auch die christliche Theologie ist für den Nachweis der humanen Allgemeingültigkeit des christli-

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Pannenberg eine andere Möglichkeit, diese zu prüfen. Dies soll möglich sein über ein Verfahren der Verifikation bzw. der Bewährung, das zwar nicht auf ein striktes Verifizieren aus ist1320, wohl aber kraft der Kohärenz als Wahrheitskriterium eine vorläufige Urteilsbildung über die offene Wahrheitsfrage ermöglichen soll. Der Gedanke einer Bewährung oder Verifikation spielt in der Theologie Pannenbergs eine nicht unwesentliche Rolle. Die Möglichkeit der Kontrolle ergibt sich freilich bereits aus dem für berechtigt befundenen Kontrollierbarkeitspostulat von H. Scholz und seiner im Rückgang auf A.J. Ayer vorgetragenen Einschätzung, „daß das Verifizierbarkeitskriterium sich nur in einer so weiten Form verteidigen lasse, daß auch metaphysische Sätze dadurch nicht mehr aus dem Bereich des rational Diskussionswürdigen ausgeschlossen werden können.“1321 Mit Blick auf Pannenbergs Theologie ist die Beachtung des Unterschiedes zwischen der einerseits angestrebten vorläufigen Verifikation (Bewährung) und der eschatologischen Verifikation andererseits, mit deren Realisierbarkeit Pannenberg mit J. Hick und I.M. Crombie am Ende der Geschichte rechnet1322 wichtig. chen Glaubens heute zunächst auf die Basis der Anthropologie [kursiv: T. L.] verwiesen, obwohl diese Basis nicht hinreichend ist für eine Vergewisserung über die Wahrheit [kursiv: T. L.] des christlichen Gottesgedankens und seiner Offenbarung.“ (W. Pannenberg, Theologie und Philosophie, 359f. Siehe zu diesem Argumentationsmuster auch die Darstellung durch G. Wenz, Wolfhart Pannenbergs Systematische Theologie, 270). 1320 Pannenberg legte dar: „Eine strenge Verifikation im Sinne des logischen Positivismus durch Zurückführung theologischer Sätze auf Sinnesbeobachtungen ist sicher nicht möglich. Aber solche strenge Verifikation ist selbst bei den Gesetzesbehauptungen der Physik nicht möglich, weil keine allgemeine Regel durch eine endliche Zahl von Anwendungsfällen erschöpfend geprüft werden kann. Gesetzesbehauptungen lassen sich allerdings umgekehrt schon durch einen einzigen nachgewiesenen Fall ihrer Durchbrechung falsifizieren. Ihr Anspruch auf schlechthin allgemeine Geltung ist schon durch eine einzige Ausnahme widerlegt. Auch dieses von Karl Popper entwickelte Prinzip der Falsifikation ist jedoch in der Theologie wie auch in anderen Disziplinen (zum Beispiel der Geschichtswissenschaft) nicht anwendbar, da es sich bei den für sie charakteristischen Behauptungen nicht um allgemeine Gesetzesbehauptungen handelt.“ (W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 40). 1321 W. Pannenberg, Metaphysik und Gottesgedanke, 10. 1322 Siehe dazu W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 346, bes. Anm. 639. Dennoch: Der Ausdruck ‚Verifikikation‘ scheint bei Pannenberg ebensowenig zentral wie der mit ihm zu assoziierende Prozess des Verifizierens. Kaum spezifizierende Ausführungen finden sich dazu. Nichtsdestotrotz besteht doch in dem Gedanken einer wie auch immer näher zu bestimmenden eschatologischen Verifikation eine Gemeinsamkeit mit seinem Gesprächspartner I. Berten (vgl. I. Berten, Geschichte-Offenbarung-Glaube, 122f), im Besonderen eine Parallele zu J. Hicks Programm einer eschatologischen Verifikation (vgl. bes. J. Hick, Death and Eternal Life, 327f, aber auch schon J. Hick, Faith and Knowledge (1988), 169ff, bes. 176ff, sowie die Darstellungen von A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 523ff; F. Wagner, Was ist Religion?, 412–416 u. M. Laube, Im Bann der Sprache, 291–304), aber freilich auch zu sämtlichen anderen Theologieentwürfen, wie etwa zu P. Tillichs Verfahren zur Entscheidung über Wahrheit und Falschheit von Urteilen (vgl. P. Tillich,

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Denn die Möglichkeit eines abschließenden, letztgültigen Verifizierens ist, wie sich aus Pannenbergs Überlegungen zur Geschichtlichkeit der Wahrheit und der Wahrheitserkenntnis ergibt, vor dem Eschaton unmöglich. Insofern wundert es nicht, dass er die Möglichkeit einer definitiven Verifikation negiert: „Eine endgültige Bewahrheitung theologischer Behauptungen dürfte allerdings überhaupt unerreichbar sein – im Unterschied zu der anders gearteten Vertrauensgewißheit des Glaubens.“1323

Die mit der „Unabgeschlossenheit der Wirklichkeit und ihrer Sinnzusammenhänge“ verbundene Möglichkeit auch „andere[r] Antizipationen endgültiger Wahrheit“ (s. o.) scheint für Pannenberg mit der Unmöglichkeit epistemischer Gewissheit verbunden zu sein: „Daher kann die theologische Überprüfung und Neuformulierung überkommener religiöser Aussagen nicht zu theoretischer Gewißheit gelangen, sondern höchstens zur Urteilsbildung über ihre Bewährung oder Nichtbewährung [kursiv: T. L.] und zur Angabe der Gründe dafür, inwiefern eine gegebene religiöse Behauptung als bewährt oder nichtbewährt zu beurteilen ist.“1324

Solange die Wirklichkeit noch unabgeschlossen, d. h. „noch nicht zum Ganzen vollendet ist“1325 (der noch offene Geschichtsprozess gilt ihm entsprechend mit Th.W. Adorno als das „unwahre Ganze“1326), gilt es als unmöglich, zu abschließenden Urteilen zu gelangen. „Theologische Aussagen lassen sich […] überprüfen, auch im Hinblick auf ihren Wahrheitsanspruch.“1327 Es sei jedoch „kein

1323 1324 1325 1326 1327

Systematische Theologie Bd. I, bes. 123/ passim; zu Tillichs Verifikationsverfahren vgl. auch die Aufarbeitung bei K.N. Micskey, Die Axiom-Syntax des evangelisch-dogmatischen Denkens, 96–100), oder auch zu neueren Verifikationsbemühungen bei W. Härle (vgl. W. Härle, Das christliche Verständnis der Wahrheit, 87f. Er will auch wie J. Hick an eschatologischer Verifikation festhalten, d. h. dass alle Aussagen „unter dem „eschatologischen Vorbehalt“, bzw. unter der antizipierenden Gewissheit der sich erweisenden Treue Gottes“ stünden), I.U. Dalferth (der am Gedanken eschatologischer Verifikation als einem von Gott durchzuführenden Verfahren festhält; vgl. I.U. Dalferth, Religiöse Rede von Gott, 699 sowie 689–711) und M. Leiner, der an Ebeling anschließt: „Der Mensch verifiziert nicht einfach die biblischen Aussagen, sondern er wird vom Evangelium selbst verifiziert, wahr gemacht und in seine Wahrheit gebracht. Der Mensch benötigt eine Offenbarung, die ihn erst in die Wahrheit bringt. Verifikation der christlichen Verkündigung geschieht darum vielfach so, dass Menschen sich durch sie in ihre Wahrheit gebracht sehen.“ (M. Leiner, Methodischer Leitfaden Systematische Theologie und Religionsphilosophie, 56). W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 41. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 347. So Pannenberg an anderer Stelle zum offenen Geschichtsprozess. Siehe W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 36. So Pannenberg hier durchaus mit Th.W. Adorno zur offenen, noch unabgeschlossenen Geschichte. Siehe W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 35f, zit. 36. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 346.

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abschließendes Urteil möglich“1328, lediglich ein gewissermaßen prä-eschatologisch zu gewinnendes vorläufiges (Wahrheits-)Urteil hält Pannenberg für möglich, und zwar in dem Sinn, dass „jetzt schon ein Urteil über den Wahrheitsanspruch religiöser Behauptungen“ gebildet werden könne1329. Es ist die angesprochene Totalitätsthematik, mit der Pannenberg auf die religiöse Thematik (freilich einschließlich des Gottesgedankens) hinlenkt und die Sinnhaftigkeit der Prüfung theologischer Aussagen auf ihren potentiellen Wahrheitsgehalt hin zu begründen sucht. Im Kern geht es um folgende Überlegung: Wir Menschen könnten nicht auf den Gedanken des Ganzen verzichten, „weil auch alles einzelne, das wir erfahren, seine bestimmte Bedeutung erst im Zusammenhang des Ganzen hat, dem es angehört.“1330 Ähnlich habe „jedes begrenzte Ganze seine Bedeutung wiederum nur als Glied eines größeren Ganzen.“1331 Von daher meint Pannenberg annehmen zu können, dass bereits „[i]n jeder Erfahrung einer bestimmten Einzelheit […] „schon ein Bewußtsein von dem letztumgreifenden Ganzen alles Wirklichen mitgesetzt“ sei, auch wenn dies „meist nur unausdrücklich“ sei1332. Pannenberg geht von folgendem Szenario aus: Es greift seiner Meinung nach „der Gedanke der alles umgreifenden Totalität […] hinaus über alles jeweils schon Vorhandene“ und „antizipiert als Sinntotalität die noch nicht vorhandene Vollendung alles Wirklichen und die Macht, die solche Vollendung ermöglicht.“1333 Diese Vorstellung verbindet sich bei Pannenberg dann mit der These, dass diese „nur antizipierte […] „Sinntotalität der Wirklichkeit […] unausdrücklich [kursiv: T. L.] in jeder einzelnen Erfahrung im Spiel“ sei1334. „Ausdrücklich thematisch [kursiv: T. L.] aber wird die alle Erfahrung erhellende, aber auch im Prozeß der Erfahrung noch offene und sich weitende Sinntotalität in der religiösen Erfahrung.“1335 Die religiöse Erfahrung [kursiv: T. L.] stellt für Pannenberg sozusagen den Ort dar, an dem Menschen es „mit dem Ganzen ihres Daseins zu tun“ haben1336. Das lenkt im Wesentlichen auf die Religion(en) hin und führt zur Frage, durch welche (z. B. göttliche) Macht oder Mächte die Wirklichkeit bestimmt wird:

1328 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 346. 1329 W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 40. Vgl. auch W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 347. 1330 W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 36. 1331 W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 36. 1332 W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 36. 1333 W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 36. 1334 W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 36. 1335 W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 36. 1336 W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 36.

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„Die Sinntotalität der jeweiligen Erfahrung wird in den Religionen und in den ihnen hierin verwandten Philosophien und Weltanschauungen ausdrücklich thematisch im Hinblick auf die alles Wirkliche bestimmenden Mächte.“1337 „Eine Überprüfung theologischer Aussagen wird sich daher an die Religionen und an die Geschichte ihrer Veränderungen zu halten haben.“1338 „Denn in den Religionen ist jene Sinntotalität der Wirklichkeit immer schon thematisch, an der die Wahrheit theologischer Aussagen geprüft werden soll.“1339

Das diesen Vorüberlegungen entspringende, in sich sehr komplexe Verfahren vorläufiger Bewährung ist hier im Einzelnen nicht näher zu schildern1340. Es genügt hier der Nachweis, dass dies im Kern maßgeblich mit dem KohärenzKriterium als einem entscheidenden Wahrheitskriterium operiert. Pannenberg erstrebt Verifikation im weiteren Sinne, und das über ein Verfahren der Bewährung, das das Moment der Verifizierung nicht auf Sinnesbeobachtungen einschränkt und die Prüfung theologischer Hypothesen im weitesten Sinne an der Totalität der (Welt-)Erfahrung hinsichtlich der ganzen Wirklichkeit festmacht1341, mit dem Ziel gleichsam präeschatologisch zu (wenigstens vorläufigen) Urteilen hinsichtlich der Frage nach religiösen Wahrheitsansprüchen gelangen zu können1342. 1337 1338 1339 1340

W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 36. W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 36. W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 36f. Der Aspektreichtum dieses Verfahrens tritt in den verschiedenen Publikationen offen zu Tage. Offenbar ist sich Pannenberg nicht restlos darüber im Klaren, ob dieses Verfahren von einer Religionswissenschaft als Theologie der Religionen (vgl. W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 37) oder nicht eigentlich schon eher in den Religionen selbst (so in W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 167ff) durchgeführt werden soll. 1341 Man vgl. dazu Pannenbergs Bemerkungen: „Es ist jedoch nicht einzusehen, weshalb der Begriff der Wissenschaft auf die Erkenntnis allgemeiner Regeln beschränkt werden und nicht auch die Erkenntnis des Individuellen und Einmaligen umfassen sollte. Ebensowenig ist einzusehen, mit welchem Recht der Begriff der Wahrheit und der davon abhängige Begriff der Verifikation auf Sinnesbeobachtungen eingeengt werden sollte, da er es doch viel eher mit dem Ganzen der Wirklichkeit und dem Ganzen der Erfahrung zu tun hat. Man hat daher mit Recht von einer Verifikation im weiteren Sinne einer Bewährung von Hypothesen durch Prüfung an allen einschlägigen Gegebenheiten gesprochen.“ (W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 40). 1342 Vgl. dazu den folgenden Hinweis Pannenbergs zu J. Hicks These der eschatologischen Verifikation: „Wenn John Hick von einer eschatologischen Verifikation spricht, weil die Inhalte der Verheißungen und des Glaubens erst am Ende aller Tage, beim Kommen der Gottesherrschaft in Herrlichkeit, in ihrer Wahrheit offenbar sein werden, so ist das in gewissem Sinne sicherlich richtig, nützt aber demjenigen wenig, der sich jetzt schon ein Urteil über den Wahrheitsgehalt religiöser Behauptungen bilden will, wenn ein solches Urteil auch vorläufig bleiben wird.“ (W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 40). Pannenberg hält die bisher vorgebrachten Vorschläge für nicht zureichend. (vgl. W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 40). Als unzureichend erweist sich s.E. speziell G. Ebelings Modell, das mit dem umgekehrten Verhältnis operiert, nämlich von der Vor-

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Seinen frühen Überlegungen zur Wahrheitsfrage nicht unähnlich, wird die Möglichkeit der Wahrheitserkenntnis maßgeblich von der Möglichkeit von Wahrheitserfahrung begriffen. „In der Tat können wir als wahr nur gelten lassen und uns zu eigen machen, was sich unserer Erfahrung [kursiv: T. L.] bewährt.“1343

Dadurch eignet seinem Verfahren ein empirischer, aposteriorischer Charakter1344 (der zugleich aber auch andere Formen der Wahrheitserkenntnis von vornherein ausblendet). Im Horizont der (Welt-)Erfahrung sieht Pannenberg die Chance, religiöse Behauptungen auf ihre Bewährung hin zu befragen, diese so präeschatologisch doch wenigstens vorläufig zu verifizieren1345.

stellung her denkt, dass Gott den Menschen verifiziere. Ebeling hat damit, so Pannenberg, „eine originelle Umkehrung des Verifikationsbegriffs vorgetragen“, wodurch „ein Wahrheitskriterium des Glaubens getroffen [sei], dem sich darin die Wahrheit Gottes erweist.“ (ebd.). Mit Recht kritisiert Pannenberg jedoch, dass bei Ebeling „die Schranken der Subjektivität des Glaubens nicht überwunden“ seien. Vor allem aber werde „[d]ie Möglichkeit theologischer Behauptungen und ihrer Prüfung […] durch den Hinweis auf solche existenzielle Verifikation um keinen Grad deutlicher.“ (W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 40f). M. E. erweist sich eine solche Umkehrung der Verifikationsthematik als ein Ausweichen vor dem eigentlichen Problem. Ebelings Ansatz umgeht die epistemologisch wichtige Frage, wie wir als die nach Wahrheit suchenden Menschen begründet zur Wahrheitserkenntnis finden können. 1343 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 56. 1344 Vgl. exempl. bes. dazu W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 184ff. 1345 H. Fischer hat Pannenbergs Anthropologie und sein Bemühen um Verifikation einer Kritik unterzogen. In einer Rezension schreibt er: „Es geht ihr um den Erweis der Allgemeingültigkeit christlicher Wahrheit mittels empirisch-anthropologischer Verifikation. Der konzeptionelle Ansatz einer fundamentaltheologischen Anthropologie im Gegensatz zu einer dogmatischen verhindert aber die Einlösung dieses programmatischen Anspruchs, da der Verifikationsprozeß allenfalls die religiöse, nicht […] die genuin christliche Dimension anthropologischer Grundsachverhalte verständlich zu machen vermag, jedenfalls in eigentümlicher Selbstbeschränkung gar nicht bis zu ihrer Thematisierung vordringt.“ (H. Fischer, Fundamentaltheologische Prolegomena zur theologischen Anthropologie, 46f). Zu Fischers Kritik ist anzumerken, dass er zwei Argumentationsebenen im Denken Pannenbergs nicht auseinanderhält. Das ist einmal die oben dargestellte anthropologische Ebene und andererseits die auf Erstere aufbauende Ebene der Verifikation, zu der Pannenbergs Ausführungen zur Bewährung bzw. Bewahrheitung religiöser u. theologischer Aussagen zählen (siehe dazu v. a. W. Pannennberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 299–348 [Kap. 5]). Zudem kann Fischers Kritik, derzufolge Pannenberg „nicht aber die genuin christliche Dimension anthropologischer Grundsachverhalte verständlich zu machen vermag“ (s. o.), nicht überzeugen. Denn sollte es tatsächlich eine solche christliche Dimension hinsichtlich der einzelnen anthropologischen Sachverhalte geben, dann müsste diese in einer (philosophischen, allgemeinen oder anderweitigen) Anthropologie auch aufweisbar sein.

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„Die Frage nach der Wahrheit religiöser Behauptungen über Gott findet also ihre Antwort in der Sphäre der Welterfahrung, indem sich die Welt – mit Einschluß der Menschheit und ihrer Geschichte – als durch Gott bestimmt erweist.“1346

Die sich mit diesem Plädoyer verbindende Programmatik, die Wahrheitsfrage methodisch mit einem (im Übrigen auch für polytheistische Religionen offenen) 1347 a-posteriorischen Verfahren auf einer im weitesten Sinne empirischen Ebene klären zu wollen, strebt einen vorläufigen Wahrheitsaufweis an im Sinne einer Bewährung als „Bewahrheitung“ von Wahrheitsansprüchen in Bezug auf einen geglaubten Gott. Im glücklichen Fall kommt es, so Pannenberg, im Vollzug des Verfahrens zu einem „Selbsterweis des geglaubten Gottes im Medium der 1346 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 175. Diese, die Theologie Pannenberg kennzeichnende Programmatik, die Wahrheitsfrage maßgeblich über die Ebene der (religiösen) (Welt-)Erfahrung einer Klärung zuführen zu wollen, zeigt sich schon in ganz frühen Beiträgen. Man vgl. exemplarisch den Aufsatz Erwägungen zu einer Theologie der Religionsgeschichte (1962), in: Grundfragen systematischer Theologie, bes. 277ff. Vgl. auch folgende Bemerkungen, „daß religiöse Gotteserkenntnis nicht nur durch Selbsterfahrung der Menschen, sondern immer auch durch ihre Welterfahrung [kursiv: T. L.] vermittelt ist, so wie umgekehrt die Wahrheit religiöser Behauptungen über Gott sich an ihrer Fähigkeit zur Erschließung eines Verständnisses der Weltwirklichkeit in der Einheit eines Weltbegriffs bewähren muß.“ (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 242). Glimpel meint folgende Schwierigkeit bei Pannenberg zu erkennen: „Wenn die „Frage nach der Wahrheit religiöser Behauptungen über Gott“ erst (hypothetisch) beantwortet werden kann, nachdem geprüft wurde, ob „sich die Welt [!] – mit Einschluß der Menschheit [!] und ihrer Geschichte [!] – als durch Gott bestimmt erweist“ (W. Pannenberg: STh 1, 175), dann müßten Universalgelehrte hinsichtlich ihres Glaubens prinzipiell gewisser sein können als wissenschaftliche Laien [kursiv: T. L.]. Auf diese Weise würde die durch Schrift- und Traditionskritik doch eigentlich überwundene Kluft zwischen Klerikern und Laien in modifizierter Form wieder aufgetan [kursiv: T. L.] – die kleine Zahl der Gelehrten „würde den langen Zug der Ungelehrten . . . nach sich schleppen“ (I. Kant: Rel, A 236/ B 250).“ (Chr. Glimpel, Gottesgedanke und autonome Vernunft, 277 Anm. 994). Dazu ist zunächst zu sagen, dass Pannenberg in der Tat – wie sich oben zeigte – den von Glimpel angedeuteten Unterschied macht – und zwar in Gestalt der Unterscheidung zwischen Reflexionsebene einerseits und (unreflektierter) Glaubensebene andererseits, was sicher seiner Hochschätzung universitärer Theologie entspricht. Allerdings vermengt Glimpel hier die Gewissheitsfrage mit der Wahrheitsfrage, was mir unzulässig erscheint. Hält man sich vor Augen, dass kein notwendiger und schon gar nicht ein determinierter Zusammenhang zwischen Wahrheit und Gewissheit besteht (s. o.), hätte auch Glimpel zu der Einsicht gelangen können, dass die Gewissheit bei Wissenschaftlern wie bei Nicht-Wissenschaftlern unterschiedlich hoch oder niedrig sein kann. Jedenfalls sagt kein einziger, wenn überhaupt konstatierbarer Gewissheitsgrad etwas über Wahrheit aus. Glimpels auf die Überwindung der Kluft zwischen Klerikern und Laien abzielenden Bemerkungen helfen hier nicht weiter, da (gerade auch mit Blick auf Pannenberg) die Frage bleibt, wer letzten Endes über die Wahrheitsfrage entscheidet bzw. entscheiden können soll. 1347 Pannenberg hat dieses Bewährungsverfahren in einer allgemeinen Form entwickelt, sodass es nicht auf monotheistische Gottesvorstellungen beschränkt bleibt, sondern grundsätzlich auch für die Prüfung polytheistischer Vorstellungen in den Religionen zur Anwendung gebracht werden könne (Vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 175 („Entsprechendes gilt grundsätzlich auch für polytheistische Gottesvorstellungen.“).

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Welterfahrung“1348. Für den anderen Fall, dass sich ein religiöser Wahrheitsanspruch nicht bewährt, müsse „der geglaubte Gott als ein bloß menschlicher Gedanke, eine bloß subjektive Vorstellung des Menschen erscheinen.“1349 3.4.4.6.3 Holistische Kohärenz, Wahrheit und Sinn(totalität) Wie aus der Skizze seines vorläufigen Bewährungsverfahrens hervorgeht, ist die Verknüpfung der Frage nach religiöser Wahrheit schon ganz basal und untrennbar mit der Frage nach Sinn verknüpft. Für Pannenberg steht schon das Wahrheitsproblem selbst im inneren Zusammenhang zur Sinn- und Bedeutungsfrage1350. In seiner „Wi s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d T h e o l o g i e “ ist Pannenberg darum auf diesen Zusammenhang näher eingegangen. Seine Überlegungen erweisen sich als ein dichtes und keineswegs unproblematisches Geflecht zusammengeführter Überlegungen zu verschiedenen mit diesen Themenfeldern assoziierten Aspekten. Zunächst zu seinem sog. kontextuellen Sinnbegriff, den er maßgeblich von W. Dilthey adaptiert: „Every particular meaning is conditioned by a framework of meaning, by the whole within which the particular that we experience is experienced as a part, so that we cannot identify any particular that occure to us while ignoring the whole“1351. „Alle speziellen Bedeutungen sind abhängig von einer letztumfassenden Bedeutungstotalität, in der alle Einzelbedeutungen miteinander vermittelt sind in einem umfassenden Sinnganzen.“1352

Sinn oder Bedeutung in Gänze zu erfassen, ist Pannenberg zufolge erst eschatologisch möglich, weshalb sich auch erst dann die Frage nach der Wahrheit unserer Annahmen in Bezug auf das Vorhandensein von Sinn wird klären kön1348 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 175. Vgl. ausführlicher a. a. O., 174ff. Siehe a. a. O. in Anm. 124 der Hinweis auf W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 302. 1349 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 175. 1350 Siehe zu dieser Ausprägung in der Handhabung der Wahrheitsproblematik bes. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 218ff, bes. 219f u. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 110ff, dort im Kontext der Frage nach religiöser Sinnerfahrung. Hier kehrt seine These wieder, dass die Wahrheits- und die Sinnfrage nicht voneinander abgelöst werden könnten (vgl. a. a. O., 112). 1351 W. Pannenberg, A Theological Conversation with Wolfhart Pannenberg, 292. Siehe ausführlicher a. a. O., 286ff sowie die nachfolgend genannten Passagen, die deutlich die Herkunft dieses Sinnverständnisses insbesondere von W. Dilthey verdeutlichen: W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 497ff („W. Dilthey hat die Einheit geschichtlicher Prozesse als Bedeutungs- oder Sinnzusammenhang verstehen gelehrt, in welchem das Einzelne und das Ganze einander wechselseitig bedingen“ [a. a. O., 497]) und auch schon W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 77ff und 162ff, zur Anknüpfung an Schleiermacher und besonders an Dilthey für den kontextuellen Begriff von Sinn siehe a. a. O., 215ff. 1352 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 216.

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nen: „Erst vom Ende der Geschichte her könnten wir nach Dilthey die den Ereignissen und Gestalten der Geschichte eigene Bedeutung voll und ganz erfassen. Erst am Ende der Geschichte also wird endgültig entschieden sein über Wahrheit oder Unwahrheit unseres Sinnbewußtseins [kursiv: T. L.].“1353 Besonders aufschlussreich für seine Verhältnisbestimmung von Wahrheitsthematik und Sinnfrage sind erst seine in der „Wi s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d T h e o l o g i e “ formulierten Überlegungen zum Verhältnis vom Begriff der Bedeutung (also auch des Sinns) und dem der Wahrheit. Pannenberg nimmt an, dass „sich das Wahrheitsproblem nicht äußerlich additiv zu dem Fragenkreis von Sinn und Bedeutung [kursiv: T. L.]“ verhält, was – wie er meint – „schon deswegen zu vermuten [sei], weil die beiden Aspekte, die der Bedeutungsbegriff vereint – Gegenstandsbezug und Kontextbezug – den beiden Aspekten des Wahrheitsbegriffs, die immer wieder den Ausgangspunkt für entgegengesetzte Deutungen der Wahrheit gebildet haben, in bemerkenswerter Weise entsprechen: der Gegenstandskorrespondenz und dem Kohärenz- bzw. Konsensusaspekt [kursiv: T. L.].“1354 Pannenberg inkludiert im Duktus seiner Argumentation das Moment des interpersonalen Konsenses in das der Kohärenz von Erfahrungen und gelangt so schließlich zu einem Verständnis von Sinn und Wahrheit, das durch innere Kohärenz charakterisiert ist. Wir lesen: „Da nun der interpersonale Konsensus nur ein Teilaspekt der Zusammenstimmung aller Gegebenheiten der Erfahrung überhaupt, also der Kohärenz der Erfahrung ist, so sehr, daß auch noch der Widerspruch gegen eine konventionell anerkannte Auffassung aus ihrer evidenten Unvereinbarkeit mit einer persönlichen Sacherfahrung hervorgeht, so läßt sich behaupten, daß die alle Erfahrung umfassende Sinntotalität in ihrer inneren Kohärenz zugleich zusammenfiele mit der Wahrheit;“1355 Zur Begründung dieser seiner These, dass im Falle „der umfassenden Sinntotalität […] Sinn und Wahrheit in eins“ fallen, führt er an, dass sie [die Wahrheit oder die Sinntotalität?] „keine Erfahrung mehr außerhalb ihrer selbst [hätte], die die Wahrheit ihres Sinnes [kursiv: T. L.] problematisch machen könnte.“1356

Die komplexen Argumentationsfolgen fordern zu kritischer Reaktion heraus: Wenn Pannenberg von ‚Aspekten‘ des Wahrheitsbegriffs spricht, geht daraus hervor, dass er (und diese Vorstellung zeigt sich immer wieder in seinem Werk) 1353 1354 1355 1356

W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 110. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 219. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 219. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 220. Allein schon weil Kohärenz von Pannenberg als Strukturmerkmal von Wahrheit und Sinntotalität reklamiert wird, kann ich im Unterschied zu Puntel nicht sagen, dass „[d]er von P. oft verwendete Begriff des Sinnes […] nichts anderes als Kohärenz“ meine (L.B. Puntel, Wissenschaftstheorie und Theologie. Zu Wolfhart Pannenbergs gleichnamigem Buch, 292).

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einen einheitlichen Begriff von Wahrheit annimmt, der verschiedene Momente synthetisiert bzw. integriert. Er lässt damit aber die Einsicht vermissen, dass die verschiedenen ‚Deutungen der Wahrheit‘ auch nicht zuletzt dadurch konfligieren, dass verschiedene, ja teilweise einander exkludierende formale Begriffe von Wahrheit (zumindest in der philosophischen Wahrheitstheorie) zur Disposition und auch Diskussion stehen. Diese einfach zu Aspekten eines umfassenderen Begriffs von Wahrheit zu erklären, führt nicht nur zu definitorischer und kriteriologischer Unschärfe, sondern – damit einhergehend – zu Äquivokationen. Indem Pannenberg die Gegenstandskorrespondenz, die Kohärenz und den Konsensus lediglich als Aspekte des Wahrheitsbegriffs versteht, geht die wichtige Unterscheidung verloren zwischen Wahrheitsdefinition einerseits und Wahrheitskriterium andererseits. Die Gegenstandskorrespondenz ist dem Verständnis der Korrespondenztheorie der Wahrheit zufolge i. d. R. die Bedeutung von Wahrheit, Kohärenz und Konsensus werden oftmals kriteriologisch in Anschlag gebracht, können aber auch in alternativen Wahrheitskonzeptionen definitorisch gebraucht werden. Dieses Differenzierungsdefizit trifft so sehr mehr den „späteren“ Pannenberg – aus jüngeren Publikationen geht hervor, dass Begriff von Wahrheit und Wahrheitskriterien im Rekurs auf die Wahrheitstheorie unterschieden werden, wobei auch da seine Rede von ‚Aspekten‘ oder ‚Momenten‘ für seinen synthetischen Begriff von Wahrheit konstitutiv bleiben. Mutmaßlich ist Pannenbergs Zurkenntnisnahme der Theorien von N. Rescher und J. Habermas auch ein Grund dafür, zwischen Kohärenz- und Konsensusaspekt zu unterscheiden, zwischen Aspekten, die – in der Tat aufgrund ihrer Verschiedenheit sinnvollerweise zu unterscheiden sind – er in seiner „Wi s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d T h e o l o g i e “ noch meinte ‚zusammennehmen‘ zu können, „weil systematischer Zusammenhang und intersubjektive Übereinstimmung Teilaspekten der kontextuellen Sinntotalität entsprechen.“1357 Als Unschärfe bleibt freilich, dass Kohärenz und Konsensus nicht nur an sich schon etwas anderes bedeuten, sondern in Bezug auf die von ihm sog. zwei Aspekte nicht (immer) klar ist, auf welcher Ebene der Erkenntnisrelation (auf der subjektimmanten oder der ontologischen Seite?) sie angesiedelt werden (sollen). Wie plausibel ist es, den interpersonalen Konsensus als einen partiellen Aspekt der Erfahrungskohärenz zu verstehen? M. E. provoziert diese Einschätzung Rückfragen. Während doch der Konsensus ein Konsensus der Urteilenden hinsichtlich einer oder verschiedener Sachen sein kann, meint der Gedanke einer kohärenten Zusammenstimmung von Erfahrungen, dass diese selbst kohärieren, bewegt sich also auf einer anderen Ebene. Mir ist von daher nicht ersichtlich, wie Ersteres Teil von Letzterem sein kann. 1357 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 219 Anm. 436.

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Die Identifikation der Erfahrung kohärenter Sinntotalität mit sowohl der Sinntotalität selbst und der (ganzen) Wahrheit legt unweigerlich offen, dass Pannenberg (sozusagen erneut) die wichtige Distinktion zwischen Wahrheitserkenntnis und Wahrheit selbst nicht durchhält. Allzu sehr scheint er davon auszugehen, dass das, was wahr ist, sich uns auch irgendwie empirisch zeigen wird. Obwohl Pannenberg hier Wahrheit von universal-holistischer Kohärenz her denkt, rekurriert er irritierenderweise auf den aussagetheoretischen Wahrheitsbegriff, wenn er auf die „Wahrheit ihres Sinnes“ (s. o.) rekurriert, offenbar ohne dies problematisch zu finden. Eben diese Verhältnisbestimmung von Sinn und Wahrheit wirkt sich (durchaus folgenreich) aus auf das, was gemeinhin als aussagetheoretische Wahrheit bekannt ist: Der Holismus dieser Programmansage führt dazu, dass die mit diesem Wahrheitsbegriff artikulierbare Wahrheit – Pannenberg expliziert seine Überlegungen am Behauptungsbegriff – gleichsam zu einer irgendwie defizitären Wahrheit verkommt – mit Pannenbergs Worten als „Unwahrheit oder vielmehr Teilwahrheit (Schein)“1358 auszugeben sei, da der Bedeutungshorizont von Behauptungen partikular sei: „[D]ie Partikularität ihres Bedeutungshorizontes“ ist in concreto genau deshalb „der Grund ihrer Unwahrheit […], weil jede Behauptung im Hinblick auf ihren Gegenstand Wahrheit schlechthin in Anspruch nimmt und sich eben deshalb wegen der Partikularität ihres Bedeutungshorizontes [kursiv: T. L.] in Widerspruch zur Totalität der Wahrheit setzt“1359 [ich ergänze – zu einer Wahrheit, die Pannenberg sinn-kohärent und holistisch denkt]. Seine Ergänzung, dass jede Behauptung andererseits eine Wahrheitsantizipation vollzöge1360, wirkt wie ein bescheidenes Zugeständnis zur Aufwertung der aussagetheoretischen Wahrheit von Behauptungen. Klar ist jedoch, dass aus Pannenbergs Wahrheitsprogrammatik eine Abwertung jeder einzelnen Aussagenwahrheit logisch folgen muss – was aber mehr oder weniger nur einleuchtet unter Zugrundelegung der von ihm vorgenommenen Prämissen. 3.4.4.6.4 (Sub-)Kriterien der Kohärenz zur (vorläufigen) Wahrheitsfindung Das von Pannenberg entwickelte Verfahren zur vorläufigen Urteilsbildung über die Wahrheitsfrage involviert ein breites Spektrum an Kriterien, die großenteils von der Kohärenz her verstanden werden können. Die in sämtlichen Publikationen als überaus facettenreich präsente (und leider nicht so recht durchsystematisiert wirkende) Kriteriologie wird (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) im

1358 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 220 Anm. 438. 1359 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 220. 1360 Vgl. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 220.

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Folgenden nach den wesentlich wirksamen (Sub-)Kriterien der Kohärenz sortiert und dargestellt. Das Kriterium des Machterweises „Der Gebrauch des Wortes ‚Gott‘ im Singular impliziert den Gedanken einer alles bestimmenden Wirklichkeit.“ Das ist zumindest dann der Fall, „sofern wir [wie Pannenberg] mit dem Worte „Gott“ diejenige Macht denken, die alles Seienden mächtig ist.“1361 Anders ausgedrückt: „Von Gott zu reden ist daher nur dann sinnvoll, wenn sich dieser Gott als bestimmende Macht über alle endliche Wirklichkeit denken läßt. […] Von Gott sinnvoll zu reden, ist dann nur unter der Bedingung möglich, daß dieser Gott als die Welt, wie sie heute erkannt wird, bestimmende Macht [kursiv: T. L.] verstehbar wird.“1362 Es gehört für Pannenberg geradezu zu den Implikationen des Gottesgedankens, Gott als aller Dinge mächtig zu verstehen – von daher ergibt sich seine Zustimmung zur Bultmann’schen Nominaldefinition Gottes als der alles bestimmenden Wirklichkeit1363. Neben dem Aspekt der Mächtigkeit Gottes ist auch der Ganzheitsbezug wesentlich: „[…W]o die Beziehung des Redens von Gott zur Totalität endlicher Wirklichkeit nicht […] bedacht wird, da wird das Reden von Gott gedankenlos und leer, schließlich ein unnützer und lästiger Ballast, dessen man sich lieber entledigt.“1364 Darum denkt Pannenberg (auch schon in frühen Beiträgen) den göttlichen Selbsterweis zunächst auch als einen Machterweis dieses geglaubten Gottes hinsichtlich der „Gesamtheit alles Geschehens“1365 und fragt darin bereits holisierend nach den die „alles Wirkliche bestimmenden Mächte[n].“1366 Die Totalität der endlichen Realität ist zum Gottesgedanken das Korrelat1367. Diese Spezifizierung ist nicht nur aufschlussreich hinsichtlich seines Gottesgedankens, sondern gleichermaßen auch für sein Verfahren der Bewährung an der (Welt-) Erfahrung, insofern Pannenberg den Erfahrungsausweis auf die Totalität der Wirklichkeit bezieht und so schon im Ansatz das Problem ausschließt (besser gesagt: ausschließen will), dass es sich um bloß singuläre, einzelne (im Sinne Pannenbergs bloß subjektive) Erlebnisse handelt, die als Argument für einen Machtausweis eines geglaubten Gottes herangezogen werden. Schon in einer frühen Stellungnahme urteilt Pannenberg: 1361 W. Pannenberg, Stellungnahme zur Diskussion, 298. 1362 W. Pannenberg, Christlicher Glaube und Naturverständnis, 11f. 1363 Siehe ausführlicher Pannenbergs, auf R. Bultmann rekurrierenden Bemerkungen in W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 304f. 1364 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. 1, 93, dort ausführlicher, auch hinsichtlich einzelner Implikationen der Rede von Gott. 1365 Siehe dazu (nochmals) W. Pannenberg, Stellungnahme zur Diskussion, 298; zu Gott als „Macht über alles“ siehe auch a. a. O., 305 u. 308. 1366 W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 36. 1367 Vgl. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 311 bes. Anm. 615.

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„Die unmittelbare religiöse Erfahrung für sich allein kann keine Gewißheit der Wahrheit ihres Inhalts begründen. Darin befindet sich die religiöse Erfahrung in einer ganz anderen Lage als etwa die Sinneserfahrungen. Nur im Blick auf das Ganze der Wirklichkeit – nicht von irgendwelchen besonderen Erlebnissen her – läßt sich, wenn überhaupt, begründet von Gott als der Macht über alles sprechen.“1368

Als ein entscheidendes Kriterium für eine glückende Bewährung durch einen Selbsterweis eines ganz bestimmtes Gottes, an den eine religiöse Verehrergemeinschaft glaubt, fungiert der Macht-Erweis eben dieser Gottheit; denn Gott wird in erster Linie als „die die Welt bestimmende und durchwaltende Macht“ gedacht1369. Ein Machterweis im Horizont der (Welt-)Erfahrung einer Verehrergemeinschaft wird von Pannenberg als Bestätigung religiöser Wahrheitsansprüche (z. B. Behauptungen) gewertet, ein Ausbleiben als Zeichen der Ohnmacht gewertet oder von den Verehrern einer Gottheit gar als Indiz für deren Unwirklichkeit interpretiert1370. „Die Behauptungen der Wirklichkeit göttlicher Mächte sind also auf ihre Wirklichkeit erschließende Kraft zu prüfen“1371. Die Bewährungsfrage von der Erfahrung der Mächtigkeit Gottes abhängig zu machen, ergibt sich für Pannenberg vom Gottesbegriff her, und zwar letztlich von der adaptierten Nominaldefinition Gottes als der alles bestimmenden Wirklichkeit. Damit ist nach Meinung von Pannenberg der Vorteil verbunden, dass als „Maßstab solcher Prüfung […] kein der Gottheit äußerliches Kriterium“ zur Anwendung kommt1372. „Die Gottheit vor das Forum ihr fremder Maßstäbe zu ziehen und danach zu beurteilen, wäre ein irreligiöser Akt, der der Majestät des 1368 W. Pannenberg, Stellungnahme zur Diskussion, 305. 1369 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. 1, 174, siehe ausführlicher a. a. O., 174ff. 1370 Vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 175; siehe auch angedeutet a. a. O., 69. Von entscheidender Bedeutung ist Pannenbergs Annahme, dass sich die Prüfung von Wahrheitsansprüchen hinsichtlich der göttlichen Wirklichkeit im religiösen Leben selbst vollzöge: „Dieses Kriterium [sc. Gott als alles bestimmende Macht zu denken] ist vielmehr im tatsächlichen Leben der einzelnen Religionen überall schon wirksam und erklärt die Veränderungen, die im religiösen Bewußtsein tatsächlich stattfinden.“ (W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 272). Siehe zu dieser Einschätzung, dass die Wahrheitsfrage von der Verehrergemeinschaft mit ihrer Welterfahrung entschieden werde, auch W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 180. Vgl. auch viele weitere Bezugnahmen auf das Kriterium des Machterweises: W. Pannenberg, Erwägungen zu einer Theologie der Religionsgeschichte, in: Grundfragen systematischer Theologie, bes. 271– 273, 283f; W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, bes. 299–348 (= 5. Kap.); W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 37; W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. II, 141ff; W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 134f, 166. Siehe zum hiesigen Themenfeld (Macht Gottes, Erfahrung, Bewährung) auch die Auseinandersetzung mit E. Mühlenberg in W. Pannenberg, Vom Nutzen der Eschatologie für die christliche Theologie. Eine Antwort, 102ff. 1371 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 367. Siehe ausführlicher auch a. a. O., 368. 1372 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 175f.

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Gottes zu nahe träte und den Begriff der Gottheit selber aufheben würde.“1373 Daher könne „[e]in Gott […] nur an dem Maß gemessen werden, das er selber setzt“, was geschehe, „wenn Behauptungen über göttliche Wirklichkeit oder göttliches Handeln an ihren Implikationen für das Verständnis der endlichen Wirklichkeit der Welt geprüft werden, indem gefragt wird, ob der Gott sich in der Erfahrung [kursiv: T. L.] der Menschen tatsächlich als die Macht erweist, die zu sein von ihm behauptet wird.“1374 Das scheint möglich zu sein, weil Pannenberg die Religionsgeschichte auch als „Erscheinungsgeschichte“ der göttlichen Wirklichkeit interpretiert1375. Durch dieses verifikatorische Postulat, dass ein geglaubter Gott sich an der Ganzheit der Wirklichkeit als tatsächlicher Gott durch seine Weltmächtigkeit ausweisen müsse, kann Pannenberg das für seine Theologie so wichtige Moment universalisierender, holistischer (schwacher) Kohärenz auch hier in Anschlag bringen. Es gilt, „daß ein Reden von Gott oder Göttern nur insoweit sinnvoll [ist], weil in sich widerspruchsfrei, ist, als es die bestimmende Macht über aller erfahrenen Wirklichkeit [kursiv: T. L.] bezeichnet.“1376

Damit ist zumindest impliziert, dass jedes sinnvolle Reden von Gott ein kohärentes Reden von Gott als Macht über die gesamte Wirklichkeit sein muss, woraus hervorgeht, dass solches kohärente Reden seine Legitimität letztlich von der ontologischen Kohärenz, wie sie Gott mit seiner Mächtigkeit über alles (endliche) Seiende zukommt, her gewinnt. Pannenbergs wissenschaftliche Inanspruchnahme der Kohärenzbildung wird verständlich vor dem Hintergrund seiner Auseinandersetzung mit der Wissenschaftstheorie der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die besondere Bedeutung wissenschaftlicher Kohärenzbildung, für die er eintritt, hängt sicher ein Stück weit zusammen mit seinen Sympathien für T.S. Kuhn, der „in seinem Buch über „D i e S t r u k t u r w i s s e n s c h a f t l i c h e r R e vo l u t i o n e n “ in einer mir durchschlagend scheinenden Argumentation gezeigt [habe], daß auch das, was naturwissenschaftliche Theorien leisten, eine zusammenhängende Interpretation [kursiv: T. L.] ist, die weit hinausgeht über das, was im einzelnen falsifizierbar ist.“1377 Er meint zudem: „Und im Hinblick darauf scheint mir, daß die Fähigkeit zur zusammenhängenden Interpretation einen viel größeren wissenschaftstheoretischen Stellenwert hat, als sowohl der Logische Positivismus als auch der 1373 1374 1375 1376 1377

W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 176. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 176. Siehe dazu W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 187. W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 272. So Pannenberg in: S.M. Daecke, H.N. Janowski, W. Pannenberg, G. Sauter, Theologie als Wissenschaft. Ein Gespräch, 84.

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Kritische Rationalismus ihr zubilligen.“1378 So bahnt Pannenberg schon im Umfeld seiner wissenschaftstheoretischen Erwägungen den Weg zur kriteriologischen Anwendung des Kohärenz- als Wahrheitskriteriums an, das in späteren Publikationen in seiner Deutlichkeit stärker in den Vordergrund rückt. Vielleicht am augenscheinlichsten tritt das Kohärenzideal in seiner veritativen Funktion dort zu Tage, wo Pannenberg zur Klärung der Frage nach der Wahrheit hinsichtlich der Religionen ausdrücklich deren Fähigkeit, die „universale Einheit der Wirklichkeitserfahrung zu stiften“, zum Kriterium „auch ihrer Wahrheit“ erklärt1379. „Glaubwürdigkeit können religiöse wie sonstige Behauptungen aber nur gewinnen durch einen positiven Bezug zur sonstigen Wirklichkeitserfahrung.“1380 Damit ist etwas weiteres Wichtiges gesagt: Die anvisierte Kohärenz manifestiert sich für Pannenberg maßgeblich auf dem Feld menschlicher Erfahrung. Das wird im Durchgang durch die diversen (Sub-)Kriterien der Kohärenz im Einzelnen deutlich: Bessere, überzeugendere, angemessenere, tiefere, differenziertere und einheitlichere Interpretation Nach Meinung von Pannenberg geht es im „Wettstreit zwischen den Religionen“ um die „Fähigkeit zur besseren, überzeugenderen Interpretation [kursiv: T. L.] der Wirklichkeit, wie sie von den Menschen in ihrer Welt erfahren wird.“1381 Es sei 1378 So Pannenberg in: S.M. Daecke, H.N. Janowski, W. Pannenberg, G. Sauter, Theologie als Wissenschaft. Ein Gespräch, 84. Zur Bedeutung K.R. Poppers u. T.S. Kuhns für Pannenbergs Theologie siehe ausführlicher M.W. Worthing, Foundations and Functions of Theology as Universal Science, 37ff. Auch in der Naturwissenschaft werde – nach Meinung von Pannenberg – maßgeblich um universelle Totaldeutungen miteinander gerungen (Siehe dazu W. Pannenberg in: S.M. Daecke, H.N. Janowski, W. Pannenberg, G. Sauter, Theologie als Wissenschaft. Ein Gespräch, 91), nämlich um Deutungen, die nach meiner Einschätzung implizit oder explizit der für seine Theologie charakteristischen holisierenden Kohärenzenanforderung genügen. 1379 W. Pannenberg, Grundfragen sysematischer Theologie, 265f. Die Einheit hinsichtlich der Erfahrung, die eine Religion „zu stiften vermag“, stellt für Pannenberg neben dem Wahrheitskriterium auch das Kriterium der Relevanz und der „Heilsmacht“ dar (a. a. O., 266). 1380 W. Pannenberg, Erwägungen zu einer Theologie der Religionsgeschichte, in: Grundfragen systematischer Theologie, 282. 1381 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematische Theologie Bd. I, 166. „In der Begegnung verschiedener Religionen ereignet sich immer ein Ringen um die bessere, für die Menschen überzeugendere Interpretation [kursiv: T. L.] der von ihnen erfahrenen Wirklichkeit der Menschen und ihrer Welt.“ (W. Pannenberg, „Fundamentaltheologie“ als anthropologische Grundlegung einer Theologie der Religion und der Religionen?, 201). Vgl. recht ähnlich auch seine kriteriologische Inanspruchnahme des ‚besseren Verstehens‘: „Wenn die christliche Lehre von der Schöpfung der Welt durch Gott uns nicht mehr dazu hilft, die Wirklichkeit der Welt und unser eigenes Leben in ihr besser zu verstehen [kursiv: T. L.] als das ohne sie möglich wäre, dann ist die Rede von Gott dem Schöpfer leer und nichtssagend

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ein „Wettstreit um die tiefere, überzeugendere und einheitlichere Interpretation [kursiv: T. L.] des menschlichen Daseins und der Welt, in der die Menschen leben.“1382 Pannenberg zeigt sich davon überzeugt, „daß die Gesamtheit unserer Wirklichkeit vom Geschick Jesu und dem in ihm offenbaren Gott her in sonst unzugänglicher Weite und Tiefe [kursiv: T. L.] erschlossen und erfahrbar wird.“1383 Hinsichtlich der „Frage nach der Wahrheit des biblischen Gottesgedankens“ sei „zu zeigen, inwiefern die Ganzheit der Wirklichkeit und so auch das Dasein des Menschen vom Gott der Bibel her tiefer erschlossen [kursiv: T. L.] ist als irgendwo anders. Dadurch allein kann die Behauptung, daß der biblische Gott der wahre Gott ist, ihre Bewährung finden.“1384 Pannenberg gibt sich zuversichtlich, dass die christliche Theologie in der Lage ist, „zu zeigen, daß der Gott der Bibel sehr wohl als Urheber der Welt, wie wir sie heute kennen, denkbar ist und daß der Schöpfungsglaube uns ein tieferes Verständnis [kursiv: T. L.] der Welt und unseres eigenen Lebens erschließt, als es sonst erreichbar wäre.“1385

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geworden. Wenn der christliche Glaube an die erlösende Liebe Gottes den Menschen nicht mehr dazu hilft, ihr eigenes Leben besser zu verstehen [kursiv: T. L.] und mit ihren Problemen besser fertig zu werden als ohne diese Botschaft, dann werden auch diese Worte leer, und die Menschen werden sich dann mit ihrem religiösen Suchen nach einem Sinn ihres Lebens anderen Religionen zuwenden.“ (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 206; vgl. auch a. a. O., 207). W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 167. W. Pannenberg, Glaube und Wirklichkeit, 87. W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 30. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 207. „Es ist zu zeigen, inwiefern die Ganzheit der Wirklichkeit und so auch das Dasein des Menschen vom Gott der Bibel her tiefer erschlossen [kursiv: T. L.] ist als irgendwo anders. Dadurch allein kann die Behauptung, daß der biblische Gott der wahre Gott ist, ihre Bewährung finden.“ (W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 30). Zum Rekurs auf ein tieferes Verständnis der Welt und auch unseres Lebens vgl. auch W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 411 („Es muß sich dann, wie auf andern Gebieten auch, zeigen, ob die christliche Umformung nachträglich dadurch zu rechtfertigen ist, daß sie das Verständnis der Gesamtwirklichkeit, die wir mit allen andern Menschen gemeinsam erfahren, tiefer erschließt, als der philosophische Ausgangspunkt der christlichen Lehrbildung es vermag.“), W. Pannenberg, Der Kirchenvater des Atheismus, 12 (Es „entscheidet sich die Wahrheit des in den biblischen Überlieferungen wurzelnden Gottesglaubens an der Frage, ob die Welt, die wir erfahren, und unser eigenes Leben von diesem Glauben her tiefer verstehbar werden als von anderen Voraussetzungen her.“) und W. Pannenberg, Wie von Gott reden? Ein Gespräch mit Professor Wolfhart Pannenberg, 189 („Etwas von diesem Vertrauen zu der ein weiteres und tieferes Verstehen unserer Wirklichkeit erschließenden Kraft des biblischen Gottesgedankens, gerade auch des biblischen als des trinitarischen Gottes, müssen wir in unserer Kirche wiedergewinnen“.). Man vgl. schließlich auch die folgende, schon frühe ausführliche und ganz ähnliche Formulierung: „Vom Gott der Bibel her, wie er durch Jesus offenbar ist, erfuhren die Menschen der hellenistischen Zeit Antwort auf ihre offenen Fragen. Und sie erfuhren, daß sich von ihm her das Ganze der Wirklichkeit tiefer erschloß [kursiv: T. L.], als es bisher der Fall gewesen war. Das ist bis heute das einzige Kriterium für die Wahrheit der Offenbarung Gottes in Jesus von Nazareth [kursiv: T. L.], daß sie sich nachträglich immer wieder bewahrheitet [!] an der Erfahrung der Wirklichkeit, in der wir leben. Solange

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Andernorts setzt Pannenberg den Akzent etwas anders, nämlich mit seiner These, dass es im „Wettstreit der Religionen“ um die Frage gehe, „ob […] die Realität der Welt und des Menschen angemessener und differenzierter [kursiv: T. L.] erfaßt werden kann als von konkurrierenden Ansatzpunkten her.“1386 Oder er schreibt: Als bewährt gelten für Pannenberg überlieferte Aussagen dann, „wenn sie den Sinnzusammenhang aller Wirklichkeitserfahrung differenzierter und überzeugender erschließen als andere“ und im Zuge einer solchen „Bewährung des Gottesgedankens an der Erhellung unseres eigenen Lebens alle Dimensionen jeweils zugänglicher Erfahrung miteinschließen.“1387

A. Kreiner hat das von Pannenberg benannte Kriterium der Erschließung des Sinnkontextes aller Erfahrung der Wirklichkeit zu Recht als Implikat des Kohärenzkriteriums aufgefasst1388. Das lässt sich anschaulich an der Anforderung zeigen, im Rahmen der Prüfung theologischer Aussagen zu fragen, „in welchem Maße es […] gelingt, die Gegebenheiten der religiösen Überlieferung und die Sinnzusammenhänge gegenwärtiger Erfahrung“ auch tatsächlich „zusammenhängend [kursiv: T. L.] zu deuten“1389. Erhellungskraft Der oben bereits angeklungene Aspekt der Erhellung ist seinerseits auch separat aufgegriffen worden. Ein wissenschaftstheoretisches Postulat Pannenbergs lautet, dass konkurrierende und auf Universalität abzielende Totaldeutungen von Wissenschaften „an ihrer Erhellungskraft [kursiv: T. L.] gemessen werden

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das Ganze der Wirklichkeit von Jesus her tiefer und überzeugender [kursiv: T. L.] verständlich wird als ohne ihn, solange bewahrheitet sich uns in unserer alltäglichen Erfahrung und Erkenntnis zu unserem Teil, daß in Jesus der schöpferische Ursprung aller Dinge offenbar ist.“ (W. Pannenberg, Die Offenbarung Gottes in Jesus von Nazareth, 169). In diesem frühen Beleg wirkt seine typische Vorläufigkeitsthese noch unterentwickelt. Gegen Pannenbergs Behauptung, es handele sich bei der tieferen Erschließung der Gesamtwirklichkeit um „das einzige Kriterium für die Wahrheit der Offenbarung Gottes“ (vgl. kursiv oben) ist jedoch einzuwenden, dass dies mit Blick auf seine gesamte Theologie so nicht (mehr) gesagt werden kann. Für ihn selbst ist dies sicher nicht das einzige Kriterium (man denke allein nur an die Kohärenz und den Konsensus als hinzugetretene Kriterien). Sollte dieser alte und steile Satz zutreffen, dann müsste alles unter dieses Kriterium subsummiert werden (was nicht in Pannenbergs eigener Intention liegen dürfte). Es dürfte eher so sein, dass diese starke Behauptung ein Beleg der frühen Theologie Pannenbergs ist, die später durch die Aufnahme weiterer veritativer Kriterien bereichert wurde. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 10. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 347. Vgl. dazu A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 568. Pannenberg selbst bezeichnet später ähnlich „den Sinnzusammenhang alles Wirklichen“ als „den Kohärenzrahmen“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 277). W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 348.

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[könnten], und zwar durch diejenigen, die an dem Wissenschaftsdialog beteiligt sind.“1390 Die Erhellungskraft als Maßstab soll aber auch für die Theologie relevant werden. Er meint, „daß die verschiedenen Behauptungen über Gott und Götter sich daran messen lassen müssen, ob und inwieweit sie das Verständnis der erfahrenen Wirklichkeit erhellen [kursiv: T. L.].“1391 Ähnlich lesen wir es in seinem Vorlesungsmanuskript „Theologie der Vernunft“; er fordert etwa für die als Hypothesen begriffenen theologischen Aussagen eine Prüfung „ob sie unserer [sic] Wirklichkeit tiefer erhellen [kursiv: T. L.] als andere Hypothesen.“1392 Und ganz ähnlich formuliert er programmatisch: „Aber eine vorläufige Bewährung theologischer Hypothesen ist in dem Maße erreichbar, in welchem sie die Problematik der religiösen Überlieferungen und die Sinnimplikationen gegenwärtiger Erfahrungen zu erhellen [kursiv: T. L.] vermögen.“1393 Die Forderung, Hypothesen an ihrer Erhellungskraft zu messen, meint Pannenberg aufstellen zu können, weil er davon überzeugt ist, dass sich die „im jüdischen Volk gewonnene und bewahrte Gottesverständnis […] sich in der durch Jesu Botschaft und Geschichte erfolgten Umformung in der spätantiken Welt als allen konkurrierenden Göttern überlegen erwiesen [habe] durch seine Kraft, die damalige Wirklichkeitserfahrung in ihrer Totalität zu erhellen und zu vertiefen [kursiv: T. L.].“1394 Wenn göttliche Mächte – so Pannenberg – unsere „Daseinserfahrung erhellen [kursiv: T. L.]“, dann erweisen sie sich damit als machtvoll1395. Das Kriterium der Erhellungskraft wird gleichsam anti-subjektivistisch auf möglichst umfassende, letztlilch universale, Erfahrungshorizonte bezogen. Eine Einzelerfahrung kann demnach nur dann erhellend sein, wenn alles Erhellende in einem kohärenten Verhältnis zueinander steht, was Pannenberg voraussetzt.

1390 So Pannenberg in: S.M. Daecke, H.N. Janowski, W. Pannenberg, G. Sauter, Theologie als Wissenschaft. Ein Gespräch, 91. Pannenberg fügt hinzu: „Hier kommt nun das Moment der Konsensusbildung hinzu, auf das wir noch zurückkommen müssen.“ (ebd.). Dazu äußerte er sich auch im Gespräch: „Konsens ist ein Aspekt des Wahrheitsproblems. Ob und in welchem Maß eine Annahme, von der ich ausgehe, erhellende Kraft für den Erfahrungsbereich [kursiv: T. L.] hat, auf den sie sich bezieht, das ist eine Frage des Konsenses, es ist aber auch schon eine Frage des individuellen Selbstverständnisses im Fortgang der Erfahrung. Schon das weist darauf hin, daß der Konsens hier nicht alles sein kann.“ (a. a. O., 80). Zur Bedeutung, zu Stärke und Schwäche des Konsensus in Pannenbergs Umgang mit der Wahrheitsproblematik s. o. 1391 W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 272. Er verweist hier in Anm. 110 auf (seine) Wissenschaftstheorie und Theologie, 335ff. 1392 Zitiert nach W. Greive, Wolfhart Pannenbergs Vorlesung „Theologie der Vernunft“. Eine Skizze, 124. 1393 W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 41. 1394 W. Pannenberg, Das Glaubensbekenntnis, 34. 1395 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 284.

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Integrationspotential Pannenberg hat die Forderung nach Integrierbarkeit auch mit dem Kriterium des Machterweises verbunden. Bei Behauptungen religiöser Überlieferungen sei zu prüfen, „ob die erfahrene Wirklichkeit durch die Götter der Tradition integrierbar ist [kursiv: T. L.] oder ob sich in ihr andere Mächte bekunden, vor denen die eigene Überlieferung versagt und die dann in ganz neuer Weise oder durch eine Modifikation der Überlieferung oder auch durch Anschluß an eine andere Überlieferung benennbar werden.“1396 Auch die religiösen Behauptungen sollen für ihre Bewährung integrierbar sein in einen bestehenden, letztlich holistischkohärenten Sinnzusammenhang: „Die Behauptungen religiöser Überlieferungen […] müssen sich bewähren durch ihre Fähigkeit zur Integration [kursiv: T. L.] der in aller alltäglichen Sinnerfahrung implizit mitgesetzten Beziehungen auf einen umfassenden Sinnzusammenhang, der allen Einzelsinn begründet.“1397

Gelingende Integration von Sinn- bzw. Bedeutungserfahrungen vor dem Horizont einer stets nur antizipierbaren „Sinntotalität aller Erfahrung“ ermöglicht Erhellung1398 und die Option auf Bewahrheitung. „Die integrative Kraft einer Religion“ ist für die Frage nach ihrer Wahrheit alles andere als unerheblich1399. Pannenbergs Postulat, Wahrheitselemente anderer religiöser Traditionen in den eigenen Glauben und in das eigene Verständnis Gottes zu inkorporieren1400, erscheint vor diesem Hintergrund nachvollziehbar. Das Kohärenzideal liegt diesen Überlegungen zugrunde; es wirkt auf dem Terrain religiöser Erfahrung systematisierend-integrativ und trägt so zur Erhellung menschlichen Lebens bei. Assimilationskraft Schließlich darf auch der „für die Überzeugungskraft des Christentums in der alten Welt entscheidend gewesen[e]“ Gedanke „synkretistischer Assimilationskraft“, den Pannenberg in besonderer Weise vom Christentum in seiner Geschichte – und zwar durch die Verbindung „mit der griechischen Philosophie“ und durch die Beerbung der „religiöse[n] Überlieferung der Mittelmeerwelt“ –

1396 W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 37. Vgl. auch W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 322f. Zu diesem Vorhaben, (unterschiedliche und veränderte) Erfahrungen in das Verständnis der Wirklichkeit zu integrieren, siehe auch die knappen Bemerkungen in W. Pannenberg, Das Glaubensbekenntnis, 34 sowie W. Pannenberg in seinem Diskussionsbeitrag, in: S.M. Daecke, H.N. Janowski, W. Pannenberg, G. Sauter, Theologie als Wissenschaft. Ein Gespräch, 80. 1397 W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 111. 1398 Das geht etwa aus W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 223f hervor. 1399 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 266. 1400 Vgl. W. Pannenberg, Religious Pluralism and Conflicting Truth claims, 103.

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verwirklicht sieht1401, (zumindest bei Pannenberg) vom Kohärenzideal her verstanden werden. Daraus geht hervor, dass Pannenberg die Ursache für die Wandlungen von Religionen maßgeblich in der Problematik der Inkohärenz (beispielsweise von Erfahrungen innerhalb der Verehrergemeinschaft im Durchgang durch die Zeit) sieht, was die Rückfrage provoziert, ob nicht (auch) andere Faktoren dafür ursächlich in Betracht zu ziehen wären1402. Zusammenschau Entscheiden die hier in systematisierter Form dargelegten (Sub-)Kriterien der Kohärenz selbst schon über Bewährung und Nichtbewährung, so hat Pannenberg doch auch in einer prägnanten Aufstellung via negationis aufgeführt, unter welchen Konditionen theologische Aussagen als nicht bewährt zu gelten hätten1403: (1) wenn sie als „Hypothesen über die Tragweite israelitisch-christlichen Glaubens […] nicht als Formulierung von Implikationen biblischer Überlieferung“ ausweisbar sind (2) wenn ein Bezug zur Wirklichkeit im Ganzen fehlt, der an gegenwärtiger Erfahrung eingelöst werden könnte und sich als ausweisbar erweisen würde am Verhältnis dieser Aussagen „zum Stand des philosophischen Problembewußtseins“. Solche theologischen Aussagen können darum bei kritischer Sichtung als mythisch, legendär, oder ideologisch entlarvt werden. (3) wenn theologische Aussagen „nicht zur Integration des zugeordneten Erfahrungsbereiches tauglich sind“ oder der Versuch einer solchen Integration nicht unternommen wird (4) wenn die Erklärungskraft dieser Aussagen hinter einem bereits erreichten Stand des Problembewusstseins in der Theologie zurückbleibt, d. h. hinsichtlich ihrer Deutungskraft nicht an bereits vorhandene Hypothesen heranreichen und so „deren in der Diskussion herausgestellte Schranken nicht überwindet“ 1401 W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 270. 1402 Darauf zielt die Kritik von H.-M. Rieger, der diesbezüglich auch ein Kohärenzdenken bei Pannenberg beobachtet: „Zu diskutieren wäre m. E. dabei, ob die Entwicklungen von Religionen sich von ihrem externen Kohärenzzusammenhang her erklären ließen; den internen Verarbeitungsmöglichkeiten von Inkohärenz- bzw. Konflikterfahrungen (kritisch formuliert: den Immunisierungsmöglichkeiten) muss wohl ein größerer Stellenwert eingeräumt werden. Nicht zuletzt bemisst sich das, was leistungsfähig genannt zu werden verdient, mit N. Luhmann gesagt, nach dem der Religion eigenen Code. Vgl. dazu auch die späteren Äußerungen Pannenbergs zum Konflikt religiöser Wahrheitsansprüche in ders., Religionen als Thema, 166–169.“ (H.-M. Rieger, Theologie als Funktion der Kirche, 168 Anm. 124; unter Bezugnahme speziell auf W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 37). 1403 Pannenberg skizziert vier Bedingungen. Vgl. zur folgenden Auflistung inklusive der Zitate W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 348.

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Zusammengefasst scheiden für Pannenberg Aussagen der Theologie als Wahrheitskandidaten vor allem dann aus, wenn erkennbar wird, dass es an Kohärenz zu anderen Erfahrungskontexten mangelt. 3.4.4.6.5 Problemanzeige: Vagheit der Kriterien und Subjektivität der Urteile Eine Systematisierung der einzelnen, großenteils von der Kohärenz bzw. seinem Kohärenzideal her zu verstehenden, deskriptiven Kriterien (wie eine bessere, tiefere, überzeugendere, einheitlichere, erhellendere, angemessenere, differenziertere, integrative, synkretistisch-assimilative Interpretation) hat Pannenberg nicht vorgenommen, weshalb einem jeden mit diesen Kriterien durchgeführtem Verfahren zwangsläufig ein hinderlicher, ja erratischer Charakter eigen sein muss. Vielleicht kann man mit J. Russell vorsichtig sagen, dass „unity, integration, and illuminative explanatory power compromise the conditio sine qua non in Pannenberg’s idea of verification.“1404 Die einzelnen Kriterien wechseln scheinbar mehr oder weniger regellos ab. Für den wissenschaftlichen Gebrauch dürften sich solche von Pannenberg eingeführten Kriterien schon aufgrund der mit ihnen (freilich in unterschiedlichem Maße „erkauften“) Vagheit wohl kaum eignen1405. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass es im Hinblick auf die Ebene der Realität, die christlicher Glaube zu erschließen gedenkt, tatsächlich eine bessere, tiefere, überzeugendere, einheitlichere, erhellendere, integrativere, synkretistisch-assimilativere Interpretation o. ä. gibt, weil die Wirklichkeit als eine äußere, von unserem Denken unabhängige Größe, ein Gegenüber darstellt, das im Rahmen menschlicher Bemühungen um Erkenntnis mehr oder weniger adäquat erfasst werden kann. Doch lassen sich für die Welt- und Gotteserkenntnis auf überzeugende Weise Kriterien wie die von Pannenberg genannten so zum Einsatz bringen, dass ein solches Projekt berechtigterweise als ein wissenschaftliches bezeichnet werden kann? In Bezug darauf scheint mir allein schon wegen der Vagheit der Kriterien wenig Optimismus angebracht. Aber es kommt noch mehr hinzu: Interpretationen und Urteile unterscheiden sich nicht nur von 1404 J.M. Russell, Pannenberg on Verification in Theology. An epistemic response, 43. 1405 Bereits von John M. Russell ist Pannenbergs vorläufiges Verifikations- /Bewährungsverfahren als wenig präzise eingeschätzt worden. Es bedürfe u. a. einer „careful semantic analysis“ (a. a. O., 43) und spezifizierter Angaben zu den vorzunehmenden Testprozeduren (vgl. a. a. O., 44). „Specifically, the definiendum verification, as explained by Pannenberg, denotes a hopelessly broad logical extension: ‚all appropriate means of testing.‘“ (a. a. O., 43f). Die Vagheit, die auch mir aufgrund einer fehlenden, präzisen Systematik überhaupt kennzeichnend zu sein scheint für Pannenbergs Bewährungsverfahren, hat etwa auch John V. Apczynski speziell in dem von Pannenberg bemühten Kriterium einer „more subtle and convincing interpretation“ gesehen (J.V. Apczynski, Truth in Religion, 62): „To be sure, what counts as „a more subtle and convincing interpretation“ is very difficult to specify.“ (ebd.). Auch schon D. McKenzie monierte u. a. an Pannenbergs Testverfahren, es könne nicht „rank the monotheistic conceptions of God in terms of comprehensive and integrative power“ (D. McKenzie, Wolfhart Pannenberg & Religious Philosophy, 70f).

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Verehrergemeinschaft zu Verehrergemeinschaft, sondern schon von Subjekt zu Subjekt, auch wenn es sich dabei um (wissenschaftliche) Theologen handeln sollte. In der Vielfalt subjektiver Überzeugungen dürfte ein entscheidender Grund für die Vielfalt der Religionen zu suchen sein. Harvey W. White hat in Pannenbergs Testverfahren folgende Problematik erkannt: „What a test of an […] [hypothesis of the totality of meaning] can establish […] is that is holds true in a particular historical context. But that is all that can be established. Insofar as providing a base for making choices between theological options (e. g., Christian or Buddhist), such a test will completely fail to do the job. If Buddhism is more ‚meaningful‘ to me, then I will become a Buddhist. But that is not a test of Buddhism. It simply says something about me: that I find Buddhism more meaningful than Christianity. The whole upshot of Pannenberg’s thesis is that theological hypotheses must be relevant. This is a far cry from any sense of ‚scientific‘ testing.“1406

Aus meiner Sicht handelte es sich jedoch um ein Missverständnis, wollte man Pannenberg den Vorwurf machen, den Erfahrungsausweis an der Subjektivität des einzelnen festmachen zu wollen. Indem die vielfältigen, mehr oder weniger deutlich von der Kohärenz her zu verstehenden Kriterien in Anschlag gebracht werden, wird die von Pannenberg stets als Problem wahrgenommene Ebene purer Subjektivität immerhin überwunden1407. 1406 H.W. White, A critique of Pannenberg’s Theology and the Philosophy of Science, 436; zu Whites Kritik an Pannenbergs Verfahren vorläufiger Verifikation vgl. a. a. O. ausführlicher 431–436. 1407 Allein deshalb schon ist in diesem Zusammenhang die Einschätzung von P. Molnar (Some Problems with Pannenberg’s Solution to Barth’s ‚Faith Subjectivism‘) als falsch zurückzuweisen, wonach für Pannenbergs Ansatz ein Subjektivismus kennzeichnend sei, den Pannenberg seinerseits an K. Barth kritisiert hatte und zu überwinden gedacht hatte (vgl. a. a. O., 330): „Pannenberg seeks confirmation in experience of the truth which, according to Barth, can only be verified by an act of God which is its own validation and can only be acknowledged. Rational truth therefore becomes the criterion of theology itself while sin, which Pannenberg treats extensively in his theological anthropology, is neglected at this decisive point.“ (a. a. O., 327). Den problematischen Subjektivismus glaubt Molnar darin zu erkennen, dass Pannenberg das Wissen von Gott in der Erfahrung zu gründen versuche (s. o.), während Barth, für den er Partei ergreift, von solchen subjektiven Erfahrungen weg hin zur Offenbarung verwiesen habe: „While Pannenberg tried to overcome Feuerbach by appealing to religious experience and thus fell into subjectivism, Barth appealed to the mystery of Jesus Christ, God and man and pointed theologians away from their experiences of self-transcendence toward the grace of revelation.“ (a. a. O., 338); Molnar meint darin eine lohnende Alternative zu Pannenbergs Unternehmen zu sehen. Diese „may lead to genuine knowledge of the truth; but it begins and ends theology in faith in God’s Word and Spirit.“ (a. a. O., 339). Molnar verwechselt offenkundig die Frage nach der Wahrheit (und ihrem Begriff oder Wesen) mit der epistemologischen Frage nach den Möglichkeiten der Wahrheitserkenntnis. Die Wahrheit (selbst) wird natürlich nicht als von der Erfahrung abhängig gedacht – dieser Unterschied zur Wahrheit wird ja von Pannenberg betont. Aber sofern etwas wahr ist, wird man damit rechnen müssen, dass ein Wahres dem Menschen sich auch irgendwie als wahr bewährt. Außerdem führt es argumentativ nicht weiter, zu

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3.4.4.7 Kriteriologische Applikation der Kohärenz (Teil 2): Systematische Rekonstruktion qua kohärenter Darstellung zur Wahrheitsfindung in der „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ ( B d e . I – I I I ) 1408 „Die Forderung nach Kohärenz von Beschreibungen und Erklärungen schält sich als das wichtigste Kriterium der Rationalität heraus“1409. „First, Pannenberg says that one criterion for truth should be coherence: the articulation of a theological model free from contradiction, which acts as a grand theological hypothesis.“1410 „His understanding of dogmatics as a coherent presentation of the eschatological truth of God is developed in these chapters.“1411 „The major task of the work as a whole is to test the Christian understanding of God by means of its co-

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meinen, Gott müsse Urheber eines Verifikationsprozesses sein. Von Gott wird man nicht annehmen brauchen, dass er dies nötig hätte. Menschen in ihrer begrenzten Erkenntnisfähigkeit dagegen bedürfen der Epistemologie und Prozessen der Verifikation bzw. der Bewährung. Der Zusammenhang zwischen Wahrheit und Erfahrung besteht nicht darin, dass Wahrheit in der Erfahrung gründet. Der Erfahrungsbegriff ist bei Pannenberg eingebunden in ein aposteriorisch fundiertes Verifikationsverfahren, das die für den Menschen elementar wichtige Funktion erfüllen soll, Wahrheit zu erkennen. Dieses Verfahren ist an bestimmte Kriterien gebunden, die als intelligible rational gerechtfertigt, transsubjektiv und intersubjektiv kommunikabel sind. Das ist alles andere als subjektivistisch. Mit seiner dreibändigen Systematischen Theologie realisiert Pannenberg ein bemerkenswertes theologisches Kohärenzprogramm. Die folgende Darstellung, Analyse und Kritik bleibt vorrangig daran orientiert, bezieht aber auch andere Publikationen Pannenbergs ein, die diesem Programm verpflichtet sind. So W. Pannenberg im Geleitwort über Ph. Claytons Buch über „Rationalität und Religion“. So eine wichtige Übereinstimmung zwischen Pannenberg und Clayton. Wie für Pannenberg ist auch für Ph. Clayton das Moment der Kohärenz von fundamentaler Bedeutung. Ähnlich wie Pannenberg verknüpft Clayton den Kohärenzaspekt mit dem Konsensusaspekt und verbindet den ersteren mit einem referentiellen (insbes. korrespondenztheoretischen) Anliegen. Siehe dazu Ph. Clayton, Rationalität und Religion, bes. 196ff. Die üblicherweise als einander ausschließende Alternativen verstandenen Korrespondenz- und Kohärenztheorien der Wahrheit will Clayton kombinieren und sodann vor dem Hintergrund eines realistischen Wirklichkeitsverständnisses profilieren. Siehe dazu Ph. Clayton, Coherence and Realism: A Retrospective, 216–230. R. A. A. Hinton, III. Pannenberg on the Truth of Christian Discourse: A Logical Response, 313). Hinton scheint – wie Pannenberg und viele andere – offenbar nicht zwischen Kohärenz und Konsistenz zu unterscheiden. S.J. Grenz, Reason for Hope, 13. An anderer Stelle schreibt Grenz, Pannenberg verstehe „systematic theology as a consistent presentation of a model of the world, humanity, and history as grounded in God, which demonstrates the reality of God and the truth of Christian doctrine.“ (S.J. Grenz, Reason for Hope, 20; vgl. auch S.J. Grenz, II. The Irrelevancy of Theology: Pannenberg and the Quest for Truth, 310). Hier zeigt sich, dass auch Grenz wie Pannenberg offenbar nicht zwischen Kohärenz und Konsistenz unterscheidet.

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herence with all human knowledge and its ability to illumine human experience of the world.“1412 „Pannenberg’s goal is to offer a presentation and provisional confirmation of the truth of Christian doctrine. From the first paragraph (p. 6) in volume 1 to the last sentence of volume 3 (p. 646), the comprehensive explanation of the relation of all things to God (sub ratione Dei) is the key to theology’s claim to be the „science of God.““1413

Dieses Kapitel thematisiert Pannenbergs Applikation der Kohärenz als Kriterium für Wahrheit im engeren Umfeld seines dogmatischen Ansatzes. Es wird deutlich werden, wie sehr seine Dogmatik in ihrem Vollzug dem Kohärenzideal verpflichtet ist. Es ist sicher nicht übertrieben zu behaupten, dass Pannenbergs theologischer Denkweg auf der achtsamen Berücksichtigung des Kohärenzgedankens fußt, was seiner Dogmatik im Ganzen das ihr eigene Gepräge verleiht. 3.4.4.7.1 Das Kohärenzprogramm – eine Skizze Praktische Anwendung erfährt die Kohärenz als Wahrheitskriterium bei Pannenerg überall dort, wo nach Wahrheit gefragt wird, da diese strittig ist und im Horizont (möglicherweise divergierender) Sichtweisen oder Perspektiven für eine bestimmte Sichtweise oder Perspektive rational begründet eingetreten werden soll1414. Diese Aussagenkohärenz spielt bei Pannenberg beispielsweise dort eine Rolle, wo er – zum Zwecke des wissenschaftlichen ‚Erweises‘ der Wahrheit der christlichen Lehre – kohärente Erklärungen1415, Beschreibungen1416 oder eine kohärente Interpretation1417 fordert oder für den christlichen Wahrheitsanspruch eine kohärente Durchführung1418 postuliert. Entsprechende gilt, wenn Pannenberg eine systematische Untersuchung und Darstellung der christ1412 So S.J. Grenz (Commitment and Dialogue: Pannenberg on Christianity and the Religions, 199) zu Pannenbergs Systematischer Theologie. 1413 F. LeRon Shults, A Theology of Everything? Evaluating Pannenberg’s Interdisciplinary Method – Review Essay, 159. 1414 Zur Relevanz der Kohärenz im Zusammenhang erkenntnistheoretisch relevanter Perspektivität siehe etwa schon die Bemerkungen Pannenbergs im Vorwort zu J. Kunath, „Sein beim Anderen“. Der Begriff der Perspektive in der Theologie Wolfhart Pannenbergs, 9: „Auch dabei bleibt aber mit der Endlichkeit unserer Einsichten das Faktum ihrer Perspektivität bestehen.“ 1415 So Pannenberg noch vor der Auseinandersetzung mit Reschers Kohärenztheorie in: W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 153. Siehe auch W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 174. „Das Maß an kohärenter Erklärung […] ist dementsprechend auch das Maß ihrer Verbindlichkeit“. Hier steht der Begriff der Erklärung im Zusammenhang der Forderung nach Aussagenkohärenz. 1416 So in W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 405. 1417 So in W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 34. 1418 Vgl. dazu W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 215.

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lichen Lehre1419 anstrebt, was einem Nachvollzug1420 der Einheit alles Wahren und zugleich einem Vorentwurf 1421 der göttlichen Wahrheit – wie sie die Bände I bis III seiner „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ im Ganzen repräsentieren – gleichkommen soll. Dass es sich immer nur um einen Vorentwurf handeln kann, ergibt sich für Pannenberg von daher, dass der „Zusammenhang alles einzelnen Wahren“ nur Signum „der endgültigen Wahrheit“ ist, darum nur antizipativ zugänglich ist1422. Weil Wahrheit in ihrer Einheit selbst, wie sich oben bereits zeigte, für Pannenberg strukturell ‚systematischer‘, also kohärenter, Natur ist, zieht er bereits in seiner „Wi s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d T h e o l o g i e “ die Folgerung, dass alle denkerischen Bemühungen um Wahrheit in der Theologie ebenfalls systematischer Natur sein müssten (vgl. oben).1423 Der kohärente Wahrheitsbegriff führt so folgerichtig zu einem seine gesamte Theologie prägenden kriteriologischen Kohärenzprogramm. Pannenberg notiert: Es „ist in der systematischen Untersuchung und Darstellung [kursiv: T. L.] sogar ein ganz bestimmtes Verständnis von Wahrheit impliziert, nämlich Wahrheit als Kohärenz, als Zusammenstimmung alles Wahren.“1424 Im autobiographischen Rückblick legt Pannenberg offen, dass die drei Bände seiner „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ im Wesentlichen mit einem systematischen Kohärenzanliegen verbunden sind, das ihn seit Jahren beschäftigt hat1425. Es handelt sich um eine wahrheitstheoretisch(e) Umsetzung des Kohä1419 So in W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 31f. Dort erklärt Pannenberg, dass mit der ihm eigenen Systematik in Untersuchung und Darstellung christlicher Inhalte die Vorstellung von Wahrheit als Kohärenz alles Wahren zusammenhängt. Die Annahme der Kohärenz alles Wahren rechtfertigt für Pannenberg gewissermaßen die systematische Art der Darlegung. Eine kohärente Darstellung kann daher als Wahrheitsvergewisserung dienen. Zum Zusammenhang von Systematik und (universaler) Kohärenz vgl. auch a .a. O., 59. 1420 So in W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 66. 1421 So in W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 66. 1422 Siehe dazu exempl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 190. 1423 Vgl. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 350. 1424 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 31. 1425 Bemerkenswerterweise ist diese mit dem Ideal der Systematizität verbundene Forderung nach Kohärenzbildung nach Meinung von Pannenberg grundsätzlich für alle theologischen Disziplinen zu fordern, wie er zumindest in seiner Wissenschaftstheorie und Theologie deutlich macht: „Theologie muß systematisch verfahren, sofern sie nach der Wahrheit der religiösen Überlieferung hinsichtlich ihres religiösen Gehaltes fragt. Diese Frage aber muß in allen Disziplinen der Theologie wirksam sein, sofern sie als theologische Disziplinen betrieben werden und verstanden werden wollen.“ (W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 350) „In diesem Sinne läßt sich behaupten, daß Theologie schlechthin gleichbedeutend ist mit systematischer Theologie. Die Theologiegeschichte des Christentums ist daher in ihrem Kern die Geschichte seiner systematischen Deutungen. Doch gilt ebenso umgekehrt, daß systematische Theologie gerade im Christentum stets nur als Interpretation historisch vermittelter Stoffe entwickelt worden ist, als Deutung eines geschichtlich Gegebenen.“ (ebd.).

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renzideals, die sich dargelegt u. a. auch in kurz-prägnanter Form in „A n I n t r o d u c t i o n t o S y s t e m a t i c T h e o l o g y “ (1991) findet. Es geht ihm darum, durch die Entwicklung eines kohärenten Modells den christlichen Wahrheitsanspruch argumentativ zu verteidigen, d. h. diesen durch den Kohärenzaufweis als wahrheitsfähig darzutun. Aufgrund der (kohärent gedachten) Einheit der Wahrheit und mit Blick auf die Einheit Gottes zielt dieses systematisch-theologische Programm darauf ab, die Wirklichkeit in ihrer Einheit als die Schöpfung des (christlichen) Gottes zu verstehen: „In any event these claims can be supported only in the form of a systematic and integrative interpretation of the world of experience, corresponding to the oneness of God as well as to the unity of truth which is expressed by the requirement of coherence as a criterion to judge any particular claim to truth.“1426 „So far, I have argued that systematic theology is necessary in order to substantiate the truth claims of Christian language about God. This task is met by attempting a comprehensive and coherent account of the world as God’s creation [kursiv: T. L.], including the economy of God’s action in history.“1427 Bezweckt wird „a coherent [kursiv: T. L.] account of how the world and especially human nature and history is related to God as creative source and ultimate destination of all things.“1428

Kennzeichnend nicht nur für Pannenbergs „S y s t e m a t i s c h e T h e o l o g i e “ (Bde. I–III) ist das Bemühen um eine Kohärenzbildung1429, die ihrem Anspruch nach universal-holistisch ist, weshalb außertheologische Einsichten konstruktiv mitberücksichtigt werden: „Die Universalität des dogmatischen Themas, die im Gottesgedanken begründet ist und ihren Ausdruck in der umfassenden gedanklichen Systematik der dogmatischen Dar1426 W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 12. 1427 W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 13. Eine Applikation des Kohärenzkriteriums in dieser Form sieht Pannenberg bereits in der frühen Kirchen umgesetzt: „To provide such a comprehensive interpretation on the basis of a Christian doctrine of God is more or less what has actually been done in systematic theology since the days of the early church, when in a context of Hellenistic culture Christians, especially Gentile Christians, had to justify their faith in the Jewish God and in Jesus as his final word.“ (ebd.). Eine solche Verteidigung des christlichen Glaubens erkennt er schon in Origenes’ Werk Peri Archon/De principiis (vgl. ausführlicher zum Thema a. a. O., 13). 1428 W. Pannenberg, An intellectual pilgrimage, 158. Ebd. legt Pannenberg u. a. offen, dass ihn dieses Vorhaben einer „comprehensive and systematic theology“ über viele Jahre hin beschäftigt habe. Vgl. den ähnlich prägnanten Hinweis auf das theologische Programm eines „comprehensive account in terms of God, the God of revelation, as unifying source and destiny of all finite reality.“ (W. Pannenberg, Theology and Philosophy in Interaction with Science: A Response to the Message of Pope John Paul II on the Occasion of the Newton Tricentennial in 1987, 77). 1429 G. Wenz (W. Pannenbergs Systematische Theologie, 22) erkennt „weltumspannende universale Kohärenz“ bei Pannenberg.

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stellung findet, hat also zweifellos etwas mit dem Wahrheitsanspruch der christlichen Lehre und mit seiner Wahrnehmung durch die Dogmatik zu [kursiv: T. L.] tun. Dazu gehört ferner auch das Hineinziehen des außertheologischen Wissens über Mensch, Welt und Geschichte [kursiv: T. L.], insbesondere der ihrerseits schon auf die Frage nach der Wirklichkeit im ganzen bezogenen Aussagen der Philosophie zu diesen Themen, in die dogmatische Darstellung von Welt, Mensch und Geschichte im Lichte der Christusoffenbarung: Auch dabei geht es um die universale Kohärenz und folglich um die Wahrheit der christlichen Lehre [kursiv: T. L.].“1430

Davon ausgehend, dass Wahrheit in Gestalt von Kohärenz in Erscheinung tritt1431, zielen seine der Wahrheitsdemonstration dienenden systematisch-theologischen Kohärenzbemühungen auf universale Kohärenz ab1432. Diese universal gedachte Kohärenz umfasst als Teil ihrer selbst einmal eine innere Kohärenz der Inhalte der christlichen Lehre1433 und erstreckt sich ausnahmslos auf alle behandelten dogmatischen Topoi und Teilgebiete dieser Disziplin1434; hinzu kommt eine äußere Kohärenz in dem Sinne, dass diese Inhalte in kohärentem Zusammenhang

1430 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 59. 1431 „Denn die Wahrheit tritt in Erscheinung durch die Kohärenz des vielfältig Gegebenen.“ (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 210). 1432 Vgl. nur exemplarisch W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 210. 1433 Man vgl. folgende Ausführungen: „Systematische Theologie muß in jeder neuen Situation immer wieder den Versuch einer Gesamtdarstellung christlicher Lehre machen. Dabei tritt jeder neue Bearbeiter in die Reihe von Vorläufern ein, die sich derselben Aufgabe zu stellen hatten. Ihre unterschiedlichen Ansätze sind kritisch zu mustern, um aus den Irrwegen oder Engführungen auch berechtigter Anliegen und ihrer Durchführung zu lernen, das Wegweisende daraus als Beitrag zum eigenen Verständnis der theologischen Aufgabe zu bewahren und das fragmentarisch Gebliebene zu integrieren in eine neue systematische Darstellung der christlichen Lehre. Dabei urteilt nicht nur der Spätere über die Leistungen der Vorgänger und deren Schranken, sondern jede neue Darstellung steht auch ihrerseits unter der kritischen Frage, ob und wo sie zurückgeblieben ist hinter den Einsichten und dem Problembewußtsein der Vorgänger. Auch darum sehen sich die Späteren immer wieder neu zum Umgang mit der Geschichte der Theologie veranlaßt.“ (W. Pannenberg, Problemgeschichte der neueren evangelischen Theologie in Deutschland, 355). 1434 Pannenberg illustriert sein alle behandelten Topoi betreffendes Kohärenzunternehmen ausführlich in der Schöpfungstheologie (s. u.). Die (stete) Orientierung am Kohärenzideal plausibilisiert er (gleichsam exemplarisch) auch an der Eschatologie: „Bei der Behandlung der genannten Einzelaspekte tritt die Einheit der eschatologischen Hoffnung, wie sie hier betont worden ist, notgedrungen zurück. Erst nach dem Durchgang durch die Einzelthemen der Eschatologie kann deren innere Zusammengehörigkeit und Einheit erfaßt werden. Daß sich dieses Resultat einstellt, dürfte jedoch eine Probe [kursiv: T. L.] auf die sachgerechte Behandlung der eschatologischen Einzelthemen sein. Wenn nämlich das Ziel der eschatologischen Hoffnung die Gemeinschaft mit dem ewigen Gott ist, dann dürfen die verschiedenen Aspekte dieses Themas nicht auseinanderfallen, sondern sie müssen sich als zusammengehörig erweisen, unbeschadet ihrer jeweiligen Besonderheit.“ (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. II, 274).

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stehen zu allem übrigen (außertheologischen) Wissen bzw. zu aller gewussten Wahrheit stehen1435. Es geht für Pannenberg in „theological systematics“ um eine konsistente Integration auch des außertheologischen Wissens, um auf diese Weise Wahrheitsansprüche bekräftigend darlegen zu können1436. Pannenberg sucht den „Einklang […] mit den Daten des Erfahrungswissens und mit den Einsichten des Reflexionswissens“1437. Weil Pannenberg in der Konsonanz ein Implikat des kohärenztheoretischen Wahrheitsbegriffs erachtet, ist das systematische Kohärenzunternehmen zugleich ein Bemühen um möglichst große Konsonanz hinsichtlich des weltweit vorhandenen Wissensstoffes überhaupt1438. Indem eine 1435 Der Pannenberg-Schüler S.J. Grenz wies hin auf „the question of internal coherence of Pannenberg’s theology and method, a question in keeping with his own theological approach, which sets forth the coherence theory of truth – the internal coherence of the doctrines and the external coherence of doctrine with all knowledge. Although no one, specific section of the study is devoted to this task – nor is the question of coherence raised in terms of each theological topic – it is nevertheless implicitly found throughout the six chapters, and important assistance is offered by the noted sources.“ (S.J. Grenz, Reason for Hope, 5). Er legt (auch) dar, dass Pannenberg an die Scholastik anschließt, die versucht habe „to show the truth of Christian doctrine through a representation of its coherence both internally (the relation of the various topics to each other) and externally (its relation to other knowledge).“ (S.J. Grenz, Reason for Hope, 16). Siehe auch S.J. Grenz, „Scientific“ Theology/ „Theological“ Science: Pannenberg and the Dialogue between Theology and Science, 161 u. S.J. Grenz, II. The Irrelevancy of Theology: Pannenberg and the Quest for Truth, 309f, u. a. zum universalen Anspruch auf „coherence with all knowledge“ (a. a. O., 310). Zur internen Kohärenz des Lehrinhaltes und der externen Kohärenz im Sinne der Kohärenz der Lehre mit „doctrines with the world of reality and other intellecutal disciplines“ bei Pannenberg s. auch die Bemerkung von A. McGrath (A Scientific Theology, Bd. 2, 17). Chr. Schwöbel spricht in Bezug auf Pannenbergs Bemühen um Wahrheitsvergewisserung sehr ähnlich von einer Untersuchung der „coherence of doctrine in the relationship of particular doctrines to one another and in relation to all other truth.“ (Chr. Schwöbel, Rational Theology in Trinitarian Perspective: Wolfhart Pannenberg’s Systematic Theology, 500). Bezogen auf das erste Kapitel der Systematischen Theologie Bd. I stellt F. LeRon Shults fest, dass Pannenberg „begins by describing the task of systematic theology as the presentation of the inner coherence of the content of Christian doctrine and showing its coherence with all that is regarded as true.“ (F. LeRon Shults, The Postfoundationalist Task of Theology, 105). Es geht Pannenberg einmal um „a comprehensive and coherent treatment of the loci“ (so G. Fackre, Systematic Theology, Bd. I, 306), aber eben auch um „potential coherence with truths generally known.“ (a. a. O., 305). Zur doppelten Kohärenz (innerer theologischer Lehre und übrigem Wissen siehe nicht zuletzt J. Werbick, Den Glauben verantworten. Eine Fundamentaltheologie, 847f. 1436 „[…][T]heological systematics must be concerned to integrate into its own synthesis the wealth of insight gained by the secular disciplines [kursiv: T. L.] into the mysteries of nature, of human life and history.“ (W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 18, siehe ausführlicher dazu a. a. O., 18f.. 1437 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 12. Je mehr dies gelinge, umso „erhellender“ sei dies im Hinblick auf den damit verbundenen Wahrheitsanspruch. 1438 Vgl. Ausführlicher W. Pannenberg, Theology Examines Its Status and Methodology, 7f: „When the Christian theologians incorporated philosophical monotheism in their argu-

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Kommensurabilität zu theologischen Weltbeschreibungen hin vorausgesetzt wird1439, bilden die Inhalte christlicher Lehre in ihrer universalen Kohärenz mit allem anderen Wahren für Pannenberg den Gegenstand systematischer Theologie1440. Und für diese Programmerklärung schielt er auf Vorbilder: „His central interest in universal truth suggests that Pannenberg sees himself as standing in continuity with what is perhaps the central trajectory of Christian theology.“1441

Es ist also nicht der Kohärenztheoretiker N. Rescher, dessen Überlegungen hier besonderen Einfluss auf Pannenberg ausgeübt haben. Für sein systematischuniversalisierendes Kohärenzprogramm sieht sich Pannenberg vielmehr mit manchen Theologen der älteren Theologiegeschichte im Verbund: „Systematische Theologie in diesem Sinne hat es natürlich nicht erst seit dem Aufkommen dieser Bezeichnung gegeben. Der Sache nach ist die systematische Darstellung der christlichen Lehre viel älter. Sie ist Gegenstand der Bemühungen schon der gnostischen Systeme des 2. Jahrhunderts gewesen“1442. Aber nicht auch nur zur Zeit der Kirchenväter1443, sondern auch im Mittelalter sieht er das Kohärenzideal angewandt,

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ment for the universal truth of the biblical teaching about God and about the Christian trinitarian doctrine, they accepted that these beliefs must be consonant with our knowledge of the world in all its aspects, so that the claim that this God is the creator of the cosmos becomes plausible“. This stance implied a coherence theory of truth: Christian teaching must be coherent with all aspects of the reality of the world and of human life: Only under that condition can the Christian claim that the biblical God is the creator of this world and of all humanity be plausible.“ (a. a. O., 7). Vgl. das dort formulierte Streben nach Konsonanz „with all pertinent data“ (a. a. O., 9). Jeffrey S. Wicken (Theology and Science in the Evolving Cosmos: A Need for Dialogue, 48) urteilt: „Wolfhart Pannenberg’s insistence that theological descriptions of the world be commensurable with those provided by science is essential for dialogue.“ Darin unterscheidet sie sich von der Verkündigung, wenn auch für sie ein Umgang mit universaler Kohärenz charakteristisch ist: Es ist „das Verhältnis zur Wahrheit der christlichen Lehre bei der Verkündigung ein anderes als bei der systematischen Theologie. Indem die Verkündigung die Inhalte christlicher Lehre im einzelnen als wahr behauptet, setzt sie deren Zusammenhang untereinander und mit allem Wahren [kursiv: T. L.] implizit voraus. Dieser Zusammenhang aber ist Gegenstand der Untersuchung und Darstellung der Lehrinhalte in der systematischen Theologie.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 29). S.J. Grenz, II: The Irrelevancy of Theology: Pannenberg and the Quest for Truth, 308 [kursiv: T. L.]. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 29. Zum Thema vgl. ausführlicher 29f. Man vgl. dazu schon das Abstract in: W. Pannenberg, Theology and The Kingdom of God, 19: „In distinction from Barth, Bultmann and other dominant figures in the contemporary theological enterprise, Pannenberg assumes theology is a universal science whose subject matter is the whole of reality. He believes, as did the theologians of the patristic Church, that theology should provide a comprehensive interpretation and synthesis of Christian faith and philosophical, scientific and historical thought.“ Robert L. Wilken hat bereits 1965 Pannenbergs theologisches Anliegen in der Nähe zur Patristik gesehen: „In this view – first worked out by the theologians of the patristic Church – theology seeks to provide a total

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und zwar in jenen, lateinischen, scholastischen Summen und Sentenzenkommentaren, die eine systematische Darstellungsform zeigten, und Pannenberg zufolge im „im Dienste des Nachweises der Vereinbarkeit der Aussagen der christlichen Lehre sowohl untereinander als auch mit den Prinzipien der Vernunfterkenntnis“1444 gestanden hätten, wobei dieses scholastische „Interesse an der systematischen Einheit der christlichen Lehre und damit an ihrer Übereinstimmung mit den Prinzipien der Vernunft [behält] bleibende Gültigkeit.“1445 Schließlich ist zu erwähnen Johann Franz Buddeus, der 1727 in seiner Isagoge die christliche Lehre in ihrem systematischen Zusammenhang zur Darstellung brachte und eben dadurch den Inhalt zu beweisen und bekräftigen gewillt war1446.

Pannenberg adaptiert diese Methode und fügt hinzu, dass „das ‚Beweisen‘ und ‚Bekräftigen‘ vornehmlich durch die Form der systematischen Darstellung selbst [geschehe], nämlich durch den Aufweis des Zusammenhangs zwischen den christlichen Lehraussagen, aber auch zwischen ihnen und allem, was sonst als ‚wahr‘ gilt.“1447 Auch wenn für Pannenbergs eigenes Unternehmen nicht ernstlich von der Absicht eines Beweisens gesprochen werden kann (– das indizieren m. E. die Anführungszeichen –), so verfolgt er doch mit größtem Interesse die Idee eines Wahrheitsaufweises durch den Aufweis von Kohärenz: „Die systematische Darstellung des Inhalts der christlichen Lehre steht also bereits als solche in einer Beziehung zu ihrem Wahrheitsanspruch. Sie ist eine Probe auf die Wahrheit des Dargestellten, wenn anders die Wahrheit nur eine sein kann, Widerspruchslosigkeit und Vereinbarkeit alles als wahr Anzuerkennenden also eine elementare Implikation jedes Anspruchs auf Wahrheit ist.“1448

Nicht nur seine dreibändige „S y s t e m a t i s c h e T h e o l o g i e “ ist ganz fundamental von der Einsicht her konzipiert, dass „die Frage nach der Wahrheit des Inhalts […] mit der systematischen Darstellungsform selber verbunden“ ist, darum auf diesem Wege auch die Möglichkeit bestehe, sich der Wahrheit vergewissern zu können1449. Die Wahrheitsthematik – und das zeichnet seinen Entwurf ganz besonders aus – nimmt die Gestalt an, dass die Wahrheitsfrage als offen angesehen wird, und

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and comprehensive interpretation and synthesis of Christian Faith and philosophical, scientific, and historical thought.“ (Robert L. Wilken, Who is Wolfhart Pannenberg?, 141). W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 29. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 30. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 28. In Anm. 30 bezieht er sich auf J.F. Buddeus, Isagoge historico-theologica ad theologiam universam singulasque eius partes, Leipzig 1727, 303 (siehe nach der hier herangezogenen Ausgabe von 1730, a. a. O., 304). Zu Pannenbergs Rekurs auf Buddeus im hier dargelegten Sinne siehe auch a. a. O., 33 Anm. 40. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 28. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 28f. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 29.

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zwar deshalb als offen, weil die Wahrheit, wie er m. E. völlig zu Recht meint, nicht als gegebene Größe vorausgesetzt werden dürfe. Es sei an dieser Stelle darauf aufmerksam gemacht, dass erst unter just dieser Ausgangsbedingung ein kriteriologisches Kohärenzprogramm, wie Pannenberg es mit epistemischer Absicht propagiert hat, sinnvoll ist. Denn wozu sollte ein ambitioniertes Kohärenzunternehmen ernstlich gereichen, wenn die Wahrheit von vornherein als eine positive, d. h. vorausgesetzte, Größe behandelt würde?

3.4.4.7.2 Das Problem präsupponierter Wahrheit und seine Überwindung im rationalen, mit epistemischen Grenzen behafteten Kohärenzprogramm Der mit Pannenbergs Kohärenzprogrammatik verbundene hohe Anspruch an die (Systematische) Theologie wird erst verständlich vor dem Hintergrund seiner Annahme, dass Wahrheit in der Theologie nicht einfach vorausgesetzt werden kann – etwa in dem Sinne, dass Wahrheit als gegebene, fixe und normative Größe behauptet, sicherzustellen oder gar zu garantieren versucht wird. Dass „die Wahrheit der Lehre schon im voraus sicher wäre“, kann Pannenberg so nicht sagen1450. Bei dieser ‚erschwerten‘ Ausgangsbedingung nehmen seine diesbezüglichen Überlegungen ihren Anfang. So gerät Pannenberg mit diesem, d. h. seinem, Verständnis systematischer Theologie, wie er selber notiert, „in eine Spannung zu Auffassungen, denen die Wahrheit der christlichen Lehre schon vorweg feststeht“1451. Pannenbergs Programmatik dagegen zielt auf einen Kohärenzaufweis qua systematischer Darstellung, um so die der christlichen Lehre inhärente Kohärenz zu demonstrieren und eben dadurch für die mit ihr verbundenen Wahrheitsansprüche argumentativ eintreten zu können: „Die dadurch in Erscheinung tretende innere Kohärenz kann der Lehre selber nicht äußerlich sein. Gewiß ist sie dem Aufweis solcher Kohärenz in der systematischen Darstellung vorgegeben, aber daß das der Fall ist, kann erst aufgrund der systematischen Darstellung gewußt werden.“1452

So verbindet sich das Kohärenzprogramm mit einem Interesse an Vergewisserung hinsichtlich der Wahrheitsfrage. Es handelt sich also um etwas gänzlich anderes als um die theologische Alternative, mit Wahrheit als Voraussetzung zu 1450 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 33. 1451 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 32. 1452 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 32 in Verbindung mit einer Kritik der traditionellen und altlutherischen Dogmatik. Mit Bezugnahme auf K.G. Bretschneiders Handbuch der Dogmatik der evangelisch-lutherischen Kirche, Bd. I, 61ff (§11) geht Pannenberg auf den Gedanken innerer Kohärenz ein, auf welche hin die Kirchenlehre zu prüfen sei (Vgl. dazu W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 50).

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operieren. Dass dies nicht (mehr) möglich ist, ist ohnehin Pannenbergs feste Überzeugung. Weder durch den Rekurs auf „die Autorität der göttlichen Offenbarung“ noch über „den kirchlichen Konsens über den Inhalt des Dogmas“ könne Wahrheit als vorab feststehend begriffen werden1453. Pannenberg begründet diese Sichtweise zum einen vor dem Hintergrund der Autoritätsproblematik, die darin besteht, dass seit dem Aufkommen und Siegeszug der historisch-kritischen Methode in der Exegese nicht mehr auf die Autorität der Schrift rekurriert werden könne, um in der Theologie die „divine truth as a guaranteed presupposition“ zu behandeln.1454 Die von Pannenberg mit der Autorität assoziierte Problematik besteht ferner darin, dass seit der Neuzeit die Vernunft historisches Wissen gewinnt, sodass die Autorität zur Verbürgung der Geltung bestimmter Inhalte überflüssig werde und nicht (mehr) sozusagen vernunftwidrig, z. B. gegen die historisch-kritische Analyse, eingebracht werden könne.1455 Diese hier erwähnte Problematik sieht Pannenberg auch in der Geschichte der mittelalterlichen und auch der protestantischen Dogmatik (noch) nicht wahrgenommen: „To be sure, medieval and even Protestant dogmatics did in fact determine what was to be regarded as the true content of traditional teaching and of the scriptural witness. But the tension between this implication of its own praxis and the assumption of a presupposed guarantee was not perceived before the rise of historical criticism and the modern suspicion against any appeal to authority.“1456 Pannenberg erinnert: „Even in the modern situation, however, theology did not dare to stand on its own systematic reasoning in facing the question of truth.“1457 Das Autoritätsprinzip „in its function of an a priori guarantee of truth“, so argumentiert Pannenberg, lässt sich auch nicht einfach ersetzen durch das Prinzip der „personal experience and belief“, durch ein Theologieverständnis „as the explication of the content of personal or communal faith, the truth of which had to be presupposed as a matter of personal decision.“1458 Denn das komme einem Rückzug von der öffentlichen Bühne gleich, von jenem Ort, an dem der „public critical discourse of truth claims of all sorts“ stattzufinden habe. Sämtliche alt- wie neuprotestantische Versuche, die Wahrheit christlicher Lehre vorab absichern zu wollen, müssten nicht nur scheitern, sondern seien illegitim, da unvereinbar „mit der Souveränität der Wahrheit Got-

1453 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 32. 1454 W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 15. Vgl. Ausführlicher zum Thema a. a. O., 15f. 1455 Vgl. W. Pannenberg in seinem Diskussionsbeitrag, in: S.M. Daecke, H.N. Janowski, W. Pannenberg, G. Sauter, Theologie als Wissenschaft. Ein Gespräch, 109. 1456 W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 16. 1457 W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 16. 1458 W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 16.

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tes“1459. Theologische Konzeptionen, die die Wahrheit durch den Rekurs auf den (subjektiven) Glaubensakt abzusichern versuchen, stuft Pannenberg außerdem als grundsätzlich nicht überzeugend ein1460. Dass so verschiedene Theologen wie F.D.E. Schleiermacher und K. Barth der Kritik Pannenbergs zum Opfer fallen, hängt mit dem gemeinsamen Glaubenssubjektivismus beider theologischen Entwürfe zusammen – wenn auch der eine die Wahrheit(sfrage) durch das subjektive Glaubensbewusstsein meinte vorentscheiden zu können (Schleiermacher), der Andere dagegen mit einem ‚Wagnis‘ die Wirklichkeit Gottes voraussetzen zu können glaubte (Barth) 1461. Pannenberg begründet „die Unhaltbarkeit dieses Versuches zur Selbstsicherung des christlichen Wahrheitsbewußtseins“ bemerkenswerterweise unter Einbeziehung der Gewissheitsfrage, und zwar mit der „Unvereinbarkeit solcher Argumentation mit dem Erfahrungskriterium selber“, insofern nämlich „[d]ie einzelne Erfahrung […] nirgends absolute, unbedingte Gewißheit [vermittele], sondern allenfalls eine Gewißheit, die der Klärung und Bestätigung im Fortgang von Erfahrung“ bedürfe1462, auch wenn die subjektive Gewissheit „die Gegenwart der Wahrheit und ihrer Unbedingtheit“ erfahre; denn dies geschehe antizipativ, somit „nur im Vorgriff auf ihre Bestätigung und Bewährung im Fortgang des Erfahrungsprozesses.“1463 Diese Bedingtheit aller subjektiven Gewissheit will Pannenberg als Signum der „Endlichkeit menschlicher Erfahrung“ anerkannt wissen1464. Mir scheint, dass Pannenberg mit seiner Kritik des Glaubenssubjektivismus in erster Linie an der von diesem forcierten Lozierung von Wahrheit allein auf der 1459 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 57. Zu Pannenbergs Kritik siehe ausführlicher a. a. O., bes. 56f. 1460 Das kommt zum Ausdruck auch in der folgenden, bes. an die Adresse Schleiermachers und Barths gerichteten Bemerkung: „Solange man daran festhält, die Wahrheit des christlichen Glaubens aller Erwägung seiner Inhalte vorweg sicherzustellen, bleibt nach der Abkehr von einer unfehlbaren Lehrautorität kirchlicher Amtsträger und nach dem Zerfall der altprotestantischen Inspirationslehre kaum ein anderer Weg dazu als die Berufung auf den Glaubensakt, sei es als Erfahrung oder als „Wagnis“.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 57). 1461 Vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 56f. „Tatsächlich jedoch hielt die evangelische Theologie auch angesichts der Auflösung der objektiven Verbindlichkeit der Schriftautorität an der Vorgegebenheit der Offenbarungswahrheit vor aller theologischen Untersuchung und Darstellung fest.“ (a. a. O., 45). So erkennt Pannenberg, dass bei Schleiermacher die Wahrheitsfrage durch das subjektive Glaubensbewusstsein vorentschieden ist (vgl. a. a. O., 51f). Bei K. Barth sei es ironischerweise auch nur dessen Glaubenssubjektivismus, der zum ‚Wagnis‘ der Voraussetzung der Wirklichkeit Gottes geführt habe, wodurch er einer Problematik erlegen gewesen sei, von der jener sich doch eigentlich lossagen wollte (vgl. dazu a. a. O., bes. 54f). Auf weitere Details ist hier nicht einzugehen. Vgl. dazu ausführlicher W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 45–58. 1462 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 57. 1463 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 57. 1464 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 57.

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Seite der um Erkenntnis bemühten Glaubenssubjekte Anstoß genommen hat und deshalb den Glaubenssubjektivismus auch scharf attackieren kann: „Die Behauptung unbedingter Gewißheit unabhängig von aller weiteren Prüfung und Bewährung ist nur als Gewaltsamkeit eines subjektiven Engagements möglich, in welchem das glaubende Ich sich selber als den Ort der absoluten Wahrheit etabliert.“1465 Der theologisch vielfach beschrittene Weg des (Glaubens-)Subjektivismus, sein „retreat into some sheltered corner of personal preference“, hat laut Pannenberg der Theologie geschadet „the righteous claim of Christian teaching to be taken seriously as a candidate of rational discourse.“1466 Es ist natürlich klar, dass eine ‚glaubenssubjektive‘ Form des Umgehens mit der Wahrheitsfrage einer „Flucht ins Engagement“ (so einst der Popper-Schüler W.W. Bartley) gleichkommt, die ihrerseits weder für eine rationale Klärung der Wahrheitsfrage geeignet ist noch für eine Verteidigung des christlichen Wahrheitsanspruches taugt1467. 1465 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 57. 1466 W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 16. 1467 Man vgl. hierzu Pannenbergs Kritik des Glaubenssubjektivismus als „Spielart eines irrationalen Fanatismus“, dessen „Erscheinungen […] nicht mehr rational, sondern nur noch psychologisch aufgeklärt werden [könnten] (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 57). Pannenberg bezieht sich ebd. in Anm. 115 (im Übrigen auch schon in Wissenschaftstheorie und Theologie, 45ff) auf W.W. Bartley, The Retreat to Commitment (dt.: ‚Flucht ins Engagement‘). Der Glaubenssubjektivismus als eine Form der Flucht ins Engagement liefert nach Meinung von Pannenberg „den christlichen Glauben faktisch der atheistischen Religionspsychologie aus, die das Bedürfnis des Glaubens angesichts seiner Irrationalität auf seine weltlichen Wurzeln zurückführt. Auch diesen Zusammenhang hat Barth scharf und treffend erkannt, und die Treffsicherheit seiner Einsicht wird um nichts gemindert dadurch, daß noch Barth selber das christliche Wahrheitsbewußtsein nicht aus der Sackgasse des Glaubenssubjektivismus und seiner Verfallenheit an die atheistische Religionskritik herauszuführen vermochte.“ (a. a. O., 57) Die Kritik am Glaubenssubjektivismus überhaupt sowie an den Versuchen, mithilfe eigener positionell-subjektiver Glaubensstandpunkte argumentieren zu wollen oder gar die Wahrheit auf solch einem Weg – und sei es über ein noch so entschiedenes persönliches Engagement – sichern zu wollen, zeigt, wie sehr Pannenberg von dem kritisch-rationalistischen Denken K.R. Poppers, W.W. Bartleys und H. Alberts geprägt ist, das eine neutrale Position – ein „commitment to noncommitment“ (W. v. Huyssteen, Truth and Commitment in Theology and Science: An Appraisal of Wolfhart Pannenberg’s Perspective, 364) – forderte und demzufolge auch jeder „subjectivistic, fideistic religious commitment“ (a. a. O., 368) kritisch gegenüber stand. Doch diese These der Nähe Pannenbergs zum Kritischen Rationalismus wird kontrovers diskutiert. Während v. Huyssteen m. E. zurecht einen merklichen Einfluss auf Pannenberg zu erkennen glaubt (vgl. a. a. O., 364ff: „The influence of Bartley’s criticism and pointed rejection of any retreat to commitment is clearly evident in Pannenberg’s development of his own conceptual model.“ (a. a. O., 370); zur Kritik daran siehe wiederum a. a. O., 370ff) und P. Eicher (Offenbarung, 432) die Meinung geäußert hat, Pannenbergs Wissenschaftsverständnis könne als kritische Erweiterung insbesondere der Ansätze von K.R. Popper (und H. Scholz) verstanden werden, sind Ph. Clayton und J.A. Stewart von der

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Anstatt Wahrheit als Präsupposition zu behandeln, plädiert Pannenberg daher mit seiner kriteriologischen Inanspruchnahme des Kohärenzideals dafür, Wahrheit zum Thema zu erheben und sie damit zugleich als Zielpunkt theologischer Reflexion aufzufassen1468. Die (offene) Wahrheitsfrage zu thematisieren, heißt für ihn, auf die in der Geschichte der Dogmatik geläufig gewordene Praxis, die Wahrheit (sei es beispielsweise die göttliche Wahrheit oder auch die Wahrheit christlicher Lehre) vorab sicherzustellen oder (auf welche Art auch immer) faktisch vorauszusetzen1469, zu verzichten. Es ist dies geradezu die „[d]urchgängige Pointe der Darstellung“, sämtliche Versuche der Sicherstellung von Wahrheit (vor einer [Kohärenz-]Untersuchung) zurückzuweisen1470: „Doch nicht schon vorauszusetzen ist die göttliche Wahrheit [kursiv: T. L.], die die christliche Lehrüberlieferung beansprucht: Dieser Anspruch ist in der Theologie darzustellen, zu prüfen, wo möglich zu erhärten, muß aber eben darum als offen und nicht schon vorweg entschieden behandelt werden. Es macht geradezu das Interesse an der These eines merklichen Einflusses weniger überzeugt und sehen Pannenberg nicht so sehr in der Nähe des Kritischen Rationalismus (vgl. Ph. Clayton, From Methodology to Metaphysics: The Problem of Control in the Science-Theology Dialogue, 398 sowie J.A. Stewart, Reconstructing Science and Theology in Postmodernity, 43). 1468 „Die Wahrheitsfrage verband sich nun mit der Aufgabe der Hermeneutik. Das hätte bedeuten können, daß auch in der Untersuchung und Darstellung der christlichen Lehre die Antwort auf die Frage nach ihrer Wahrheit als Offenbarung Gottes nicht mehr als Voraussetzung, sondern als Ziel solcher Untersuchung und Darstellung behandelt worden wäre.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 45). 1469 „Was bedeutet es nun aber für das christliche Glaubensbewußtsein und für die Dogmatik, auf eine vorgängige Sicherstellung ihres Wahrheitsbewußtseins zu verzichten [kursiv: T. L.] ?“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 57) „Damit soll jedenfalls nicht auf den Wahrheitsanspruch der christlichen Lehre selber verzichtet werden.“ (a. a. O., 57f) „Es geht vielmehr gerade darum, diesen Anspruch zum Thema zu erheben.“ (a. a. O., 58) „Die christliche Dogmatik hat gerade auch in ihrer neueren Geschichte die Wahrheit der christlichen Lehre formell mehr als Voraussetzung hingestellt denn zum Thema ihrer Untersuchung erklärt.“ (a. a. O., 58). Siehe dazu ausführlicher Pannenbergs theologiegeschichtliche Exkurse a. a. O., 36–58. Siehe auch folgende weitere Erläuterungen Pannenbergs: „Was bedeutet es dann aber noch, daß die Dogmatik zumeist nicht formell die Wahrheit der christlichen Lehre thematisiert, sondern sie voraussetzt? Es bedeutet, daß der Wahrheitsanspruch der christlichen Lehre nicht ausdrücklich und jedenfalls nicht systematisch in seiner Problematik erörtert, sondern vorwiegend affirmativ wahrgenommen wird. In diesem Verfahren steckt ein Motiv, das mit der theozentrischen Orientierung der Dogmatik zusammenhängt und deshalb auch in der vorliegenden Darstellung aufgenommen werden muß: Welt, Mensch und Geschichte werden in ihrer positiven Bestimmtheit von Gott her thematisiert. Das ist durch die Eigenart des Gottesgedankens selbst vorgezeichnet. Aber es schließt nicht aus, daß auch die Infragestellung der christlichen Offenbarung und der Wirklichkeit Gottes selbst durch die „Welt“ in der Dogmatik mitbedacht wird. Daß die Wirklichkeit Gottes und seiner Offenbarung in der Welt strittig ist, das gehört mit zur Wirklichkeit der Welt, die in der Dogmatik als die Welt Gottes gedacht werden soll.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 59). 1470 Siehe dazu auch die Einschätzung von G. Wenz, Wolfhart Pannenbergs Systematische Theologie, 22.

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Theologie aus, daß im Gang ihres Denkens und ihrer Argumente das Recht dieses Anspruchs auf dem Spiele steht.“1471

Ist damit die Absage an eine Theologie mehr als deutlich, die Wahrheit als unstrittige positive Gegebenheit induzieren will und in diesem Sinne als Voraussetzung behandeln will1472, so heißt dies andererseits nicht, dass Pannenberg etwa eine voraussetzungslose Theologie fordert. Im Gegenteil: Er erkennt er an, dass in der Dogmatik „mit vielerlei Voraussetzungen“ gearbeitet werde1473.

1471 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 60. Gerade dadurch, dass Pannenberg ausdrücklich die Wahrheitsfrage offen hält, erweist sich E. Jüngels Kritik, wonach „[d]ie von Pannenberg so unermüdlich beanstandete Argumentationsstruktur der Theologie des Wortes – nämlich die in der christlichen Lehre beanspruchte Wahrheit bei deren Erörterung schon vorauszusetzen und als schon vorweg entschieden zu behandeln – […] innerhalb der Rahmenkonstruktion der Theologie Pannenbergs potenziert wieder[kehre]“, ja dass „ihre Vorverlegung auf den Boden der Anthropologie nicht im geringsten überwunden“ sei (E. Jüngel, nihil divinitatis, ubi non fides, 230 Anm. 102), als nicht nur unbegründet, sondern auch als sachlich falsch. Der entscheidende Unterschied zur Dialektischen Theologie besteht doch gerade in der Offenhaltung der Wahrheitsfrage. Pannenbergs Antwort an Jüngel irritiert jedoch an dem Punkt, wo er erklärt, er sehe keinen Dissens darin, „die in der christlichen Lehre beanspruchte Wahrheit bei deren Erörterung schon vorauszusetzen und als schon vorweg entschieden zu behandeln“ (W. Pannenberg, Den Glauben an ihm selbs fassen und verstehen, 363). Ein solcher Akt des Voraussetzens der Wahrheit heißt für Pannenberg jedoch, dass „das in der Form der Behauptung geschieht, d. h. eben in der Form einer Antizipation.“ (ebd.) Gerade dadurch bleibt der Wahrheitsgehalt einer wohl affirmativ vorausgesetzten Wahrheit für Pannenberg offen: „Daß die Behauptung (assertio) die behauptete Wahrheit schon in Anspruch nimmt, ändert nicht das Geringste daran, sondern begründet geradezu, daß sie ihrerseits der Bewahrheitung bedarf.“ (a. a. O., 363f). 1472 Als unglücklich ist darum eine Formulierung zu bezeichnen, derzufolge sich der gläubige Christ „schon eingelassen [habe] auf die Wahrheit der Botschaft“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 60), insofern darin gerade eine Präsupposition von Wahrheit, die er zu vermeiden beabsichtigt, anklingt. Es handelt sich freilich um ein Missverständnis der britischen Philosophin Mary Hesse, wenn sie meint, Pannenberg setze Wahrheit voraus. Zurecht hat Pannenberg darauf reagiert: „It is equally misleading to attribute to me the view that ‚the nature and content of theological truth is apparently not up for investigation. It is presupposed.‘“ (So zu Recht W. Pannenberg, Comment by Wolfhart Pannenberg, 299). „Nobody is obliged to read books and articles of other people. But if one doesn’t, one should be just a litte careful in talking about their views.“ (ebd.). 1473 „Es ist sicherlich richtig, daß die christliche Theologie nicht voraussetzungslos sein kann. So arbeitet auch die Dogmatik mit vielerlei Voraussetzungen:“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 59) „An erster Stelle setzt sie die Tatsache christlicher Lehre voraus, damit zugleich auch die vielschichtige Realität des Christentums in seiner Geschichte, die von ihm ausgegangenen Kulturwirkungen und vor allem Verkündigung und gottesdienstliches Leben der Kirche.“ (a. a. O., 59f) „Vorausgesetzt ist die in der Geschichte des Christentums schon früh der Bibel zugewachsene Funktion als Bezugsgröße und Kriterium der christlichen Identität kirchlicher und theologischer Lehre. Das alles geht der theologischen Reflexion voraus und ist ihr als geschichtliche Realität vorgegeben einschließlich der damit verbundenen Wahrheitsansprüche.“ (a. a. O., 60).

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Wenn verfahren wird, „als ob die Wahrheitsfrage schon im voraus entschieden wäre“, erscheine die die theologische Argumentation kennzeichnende Rationalität als etwas, was den Glauben in seinem Kern nicht tangiere, als etwas Äußerliches1474. Ein solches Argumentationsmuster hält er aber für „unernst, weil die Offenheit des Resultates und das Risiko eines nur der Wahrheit verpflichteten Abwägens zu fehlen scheinen.“1475 Dass es sich hierbei um „advokatorisches Denken“ handelt, wie Pannenberg mit K. Jaspers sagen kann, für das charakteristisch ist, dass „die Resultate schon vorher feststehen, unabhängig vom Gewicht der Argumente, so daß diese nur noch die rhetorische Funktion des Überredens haben, einer Überredung durch Erzeugen eines rationalen Scheins“, ist von Pannenberg als Problem erkannt und als Ursache für die „Diskreditierung der Theologie im öffentlichen Bewußtsein“ benannt worden.1476 Pannenberg betreibt und fordert daher eine Theologie, die, wie sich unlängst zeigte, in ihrem Vollzug die Wahrheitsfrage offen hält, simultan aber – wie von Anselm von Canterbury einst propagiert – sola ratione verfährt, um den mit dem christlichen Glauben verbundenen Wahrheitsanspruch argumentativ (d. h. glaubwürdig) verteidigen und plausibilisieren zu können1477 (anstatt dass einfach „subjektive Glaubens1474 1475 1476 1477

W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 60f. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 61. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 61. Vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 61f. Pannenberg schätzt Anselms rationales Konzept, das auf Verstehen des Glaubens drängt, ein Konzept, das vom Glauben umgriffen gewesen sei und in der Argumentation rein rational verfährt, „also nicht von irgendwelchen autoritativen Vorgaben her argumentiert.“ (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 79). Bei einer rationalen Rekonstruktion ist der Glaubensinhalt vorausgesetzt – aber „er ist nicht vorausgesetzt als Prämisse oder Prinzip der Argumentation selbst. Diese kann vielmehr sola ratione verfahren, und nur soweit sie das tut, wird sie dem Rationalitätsanspruch der Theologie gerecht (so Pannenberg mit I.U. Dalferth in: W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 83). Weil Thomas v. Aquin in seiner Summa theologica ebensowenig die Wahrheit präsupponiert habe, erfährt er vergleichbar positive Beachtung wie Anselm. Vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 32f. Auch folgende Bemerkungen Pannenbergs sind bezüglich seines Rationalitätskonzepts aufschlussreich: „There is indeed a spell of authority emanating from the Bible and peculiar to the Christian church, although not everybody might be sensitive to its fascination. But, again, such spiritual authority must not be mistaken for a basis of argument. It should rather motivate an effort at examining its truth claims. In the course of such investigation and examination, authority cannot function as an argument. In fact, it would ruin the argument if it were used that way. Anselm of Canterbury was more sensitive to that problem than most theologians of later periods have been.“ (W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 17) Chr. Glimpel hat völlig zu Recht in diesem thematischen Zusammenhang dargelegt, dass es Pannenberg in seinem Plädoyer um eine glaubwürdige Theologie geht, wie er sie in einem argumentativen, rationalen Unternehmen zum Ausdruck kommen sieht. Siehe dazu Chr. Glimpel, Gottesgedanke und autonome Vernunft, 48. Die Pannenbergs Denken kennzeichnende Rationalität hat auch Kritik erfahren, etwa von Schwöbel, der das Verhältnis von Glaube und Ratio und die Verteidigung von theologischen Wahrheitsansprüchen aufgreift: „The problems of Pan-

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Wolfhart Pannenbergs Wahrheitskonzeption

voraussetzung[en]“ zum argumentativen Ausgangspunkt erklärt werden) 1478. Es ist dies Pannenbergs Konzept einer „rationalen Vergewisserung des Glaubens über die allgemeingültige Wahrheit seines Inhalts“, zu der es allerdings nur dann kommen könne, „wenn die Erörterung darüber in voller Offenheit geführt wird, ohne daß Versicherungen privaten Engagements eingeführt werden, wo etwa die Argumente ausgehen.“1479 Pannenberg scheint seinerseits so fest von der Wahrheit des christlichen Glaubens(-inhalts) überzeugt, dass er auf jegliche Versuche der Sicherstellung von Wahrheit verzichten kann und seinen Lesern den Rat mit auf den Weg gibt, dass jeder unter ihnen, ja der Christ „dem Inhalt seines Glaubens so viel zutrauen [sollte], daß seine göttliche Wahrheit aus diesem Inhalt selber [kursiv: T. L.] einzuleuchten vermag und keiner vorgängigen Sicherstellung bedarf.“1480 Damit sagt Pannenberg, dass Evidenz das mutmaßliche Ergebnis einer epistemischen Kohärenzanstrengung ist. Weil er dem Kohärenzprogramm so viel zutraut, braucht Wahrheit nicht sichergestellt werden: nenberg’s attempt at combining the perspective of reason and the perspective of faith in his theological conception could be summarized in the following question: is it necessary to try to establish the basis for the claims to universality in Christian faith from the perspective of reason, before one turns to the explication of the contents of faith as they are grounded in revelation, or would it be more adequate to treat the universality of theological truth-claims as an implication of the Christian revelation that can only be developed in terms of a rational reconstruction of its contents from the perspective of faith?“ (Chr. Schwöbel, Art. 13 Wolfhart Pannenberg, 287). Von vornherein eine Glaubensperspektive einzufordern, scheint mir suspekt: Gibt es wirklich privilegierte Zugänge zur Wahrheit oder nährt das nicht vielmehr den Verdacht, hier soll etwas für wahr gehalten werden, was anderweitig – zum Beispiel auf der Ebene der Vernunft – nicht überzeugt? 1478 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 61. 1479 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 61. 1480 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 61f: Erstaunlich und unverständlich scheint mir die folgende Rückfrage E. Jüngels an Pannenberg zu sein: „Dann bleibt noch immer zu fragen, wie ein solcher Anspruch geprüft werden kann. Hat der Prüfende andere Zugänge zur Sache als der jenen Anspruch Erhebende? Wohl kaum. Dann kann die Prüfung aber eigentlich nichts anderes als eine Nachprüfung jenes Anspruches sein, und das heißt, daß sie sich selber denselben Bedingungen unterwirft, unter denen jener Wahrheitsanspruch entstand. Meint Pannenberg es so? Dafür spricht, daß der Christ nach Pannenberg „dem Inhalt seines Glaubens so viel zutrauen“ sollte, „daß seine göttliche Wahrheit aus diesem Inhalt selber einzuleuchten vermag und keiner vorgängigen Sicherstellung bedarf“ [Anm. 23: „AaO 61f.“].“ (E. Jüngel, nihil divinitatis, ubi non fides, 210). Jüngel scheint nicht zu erkennen, dass eine solche Nachprüfung für Pannenberg auf dem argumentativen Wege und im größeren Rahmen einer Kohärenzprüfung erfolgen soll. Dass der Wahrheitsanspruch einleuchtet, hat nichts vorrangig damit zu tun, wie Jüngel zu glauben scheint, dass ich mich unter die Bedingungen begebe, unter denen dieser Wahrheitsanspruch erhoben wurde. Es geht schlicht um einen rationalen Ausweis der Wahrheitsfähigkeit des christlichen Glaubens in Form des Aufweises der Kohärenz der als wahr behaupteten (Aussagen-) Inhalte. Es ist geradezu – so wird man ergänzen dürfen – das Besondere, dass ein potentielles Einleuchten der Wahrheit – zumindest die Wahrheitsfähigkeit – dadurch auch außerhalb der Perspektive des Glaubens erfolgen kann.

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„But theology does not really need to retreat to subjectivism. In coherently restating the content of christian doctrine [kursiv: T. L.], the discipline of systematic thought can stand on its own without a prior guarantee of truth.“1481 Eine Garantie der Wahrheit ist, wie Pannenberg erkennt, ohnehin nicht (– erst recht nicht a priorisch –) zu haben: „There is no a priori warrant of truth“1482.

Es verhalte sich vielmehr so, dass „faktisch im Prozeß theologischer Reflexion und Rekonstruktion der Wahrheitsgehalt der Überlieferung selber auf dem Spiele“ stehe1483. „Jedenfalls geht es im Prozeß der Urteilsbildung darum, Wahrheitsansprüche zu prüfen, und insofern steht in diesem Prozeß die Wahrheit der Sache auf dem Spiele. Die Ergebnisse der Urteilsbildung bleiben sicherlich im Prinzip korrigierbar, und sie sollten auch faktisch für künftige bessere Einsicht offen gehalten werden.“1484

Das methodische Offenhalten der Wahrheitsfrage ist die Ermöglichungsbedingung für ein seriöses kriteriologisches Kohärenzprogramm. Mit dem Entwerfen kohärenter Modelle verbindet sich bei Pannenberg das Ziel, die Welt als durch Gott und sein Handeln bestimmt zu denken1485. Pannenberg optiert für eine systematische Theologie, die mit Hilfe eines assertorischen und zugleich hypothetischen Verfahrens ein konsistentes bzw. kohärentes Modell einer durch Gott bestimmten (Welt-)Wirklichkeit mit Einschluss des Menschen und der Geschichte entwickelt, das seinerseits aufgrund seiner inneren Konsistenz bzw. Kohärenz die Wahrheitsfähigkeit des mit diesem Modell behaupteten Inhaltes untermauern soll. Pannenbergs Überlegungen verstehen sich vor dem Hintergrund der auch bei Rescher in seiner frühen (kriteriologischen) Kohärenztheorie erkennbaren Verbindung des Kohärenzideals mit der Bedeutung von Wahrheit als Korrespondenz: Das von der Theologie zu entwickelnde kohärente Modell wird mit dem Anspruch konzipiert, ein der Wirklichkeit der Welt gemäßes Modell zu sein. Das bedeutet für Pannenberg zunächst, dass dieses Modell im korrespondenztheoretischen (wie auch in einem zugleich antizipativen) Sinn wahr sein soll. In Pannenbergs eigenen Worten:

1481 W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 16. 1482 W. Pannenberg, Foreword, in: F. LeRon Shults, The Postfoundationalist Task of Theology, ix: Und sei es über Erfahrung oder über die Vernunft („principles of reason“, ebd.), sogar keine für theologische Argumentation. Beide können nicht als Fundament fungieren. Demnach scheidet für Pannenberg die Möglichkeit aus, theologische Argumente von einer solchen soliden Quelle – etwa von einer als vorgegeben gedachten Größe wie „some pure source of revealed truth“ (ebd.) – deduzieren zu können. 1483 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 33. 1484 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 34. Vgl. ausführlicher a. a. O., 34f. 1485 Vgl. W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 17.

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„Dogmatik als Darstellung der christlichen Lehre muß also systematische Theologie sein, nämlich systematische Lehre von Gott und sonst nichts. Indem die christliche Lehre systematisch durch Beziehung all ihrer Einzelthemen zur Wirklichkeit Gottes und so als systematische Theologie zur Darstellung kommt, wird auch die Wahrheit der christlichen Lehre zum Thema. […] Die Wirklichkeit Gottes aber hängt, da es nun einmal eine Welt gibt, an Gottes Ehre als Schöpfer, Erhalter, Versöhner und Vollender dieser Welt. Darum geht es bei der systematischen Darstellung von Welt, Mensch und Geschichte als in Gott gegründet, versöhnt und vollendet um die Wirklichkeit Gottes selbst.“1486 „Dogmatik als systematische Theologie verfährt sowohl assertorisch als auch hypothetisch, indem sie ein Modell von Welt, Mensch und Geschichte als in Gott begründet entwirft, das, wenn es stichhaltig ist, die Wirklichkeit Gottes und die Wahrheit der christlichen Lehre „beweist“, nämlich durch die Form der Darstellung als konsistent denkbar ausweist und so erhärtet. Die Dogmatik legt damit den Wahrheitsanspruch der christlichen Lehre aus; sie führt aus, wie diese Lehre im Zusammenhang verstanden werden muß, um als wahr angenommen werden zu können. Die Bedingung der Stichhaltigkeit der dogmatischen Auslegung von Welt, Mensch und Geschichte als in Gott begründet zeigt allerdings, daß die Entscheidung über Beweiskraft und Wahrheit eines dogmatischen Entwurfs nicht bei ihm selber liegt.“1487

Doch wovon hängt „die Entscheidung über Beweiskraft und Wahrheit eines dogmatischen Entwurfs“ ab? Klar ist mit dem Zitierten, dass nicht der Theologe als „Entscheidungsinstanz“ für die Wahrheit missverstanden werden darf 1488. Die Wahrheitsfage, so formuliert Pannenberg an anderer Stelle, „does not depend on the effort of the theologian.“1489 Die Entscheidung über Wahrheit oder Unwahrheit eines systematisch-theologischen Gesamtentwurfs hängt einzig und allein an der Realitätsgemäßheit des zur Darstellung Gebrachten, wodurch erneut der realistische Charakter seiner Kohärenztheorie zum Vorschein tritt. Die Wahrheit einer dogmatischen Konzeption… „hängt daran, ob Welt, Mensch und Geschichte – wie wir sie kennen und soweit wir sie kennen – in diesem Modell wiederzuerkennen sind, ob es also wirklich die Realität der Welt, des Menschen und seiner Geschichte ist, die in diesem Modell als durch Gott bestimmt dargetan wird [kursiv: T. L.].“1490 Sie „hängt andererseits daran, ob die Berufung auf die christliche Lehre, die die Dogmatik zur Darstellung zu bringen behauptet, berechtigt ist. Beide Fragen sind Gegenstand kritischer Erörterung, motivieren die Kritik an früheren Darstellungen der christlichen Lehre sowie auch an jedem neuen Versuch zur Entwicklung eines besseren,

1486 1487 1488 1489 1490

W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 70. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 70. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 66. W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 17. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 70f.

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den Intentionen der christlichen Lehre treueren und der Realität von Welt, Mensch und Geschichte angemesseneren Modells [kursiv: T. L.].“1491

Pannenberg hat schon früh im Gespräch mit I. Berten und noch vor expliziter Adaption des Kohärenzideals die „Differenz der eigenen Situation zur eschatologischen Heilserfüllung“ hervorgehoben und dabei auch nicht ohne epistemische Demut notiert, dass „die Einheit der Wahrheit Gottes und seines Geistes […] größer ist auch als die beste Theologie, die aber als solche zu denken noch Aufgabe und zugleich Lebenselement der Theologie bleibt.“1492 Sein Pochen auf die Differenz zwischen Gegenwart und Eschaton prägt konsequenterweise auch seine spätere These, dass die Kohärenzbildung genau an der benannten Differenz ihre Grenze findet, wie das Gespräch mit G. Sauter über die Reichweite der auf Korrespondenz hin ausgerichteten Bildung von Kohärenzen auf Aussagenebene zeigt: „Meine eigene Argumentation zum Wahrheitsbegriff begnügt sich nicht damit, Subjektivität und Gegenstandskorrespondenz über die Eschatologie zu verbinden. Bei dieser von Sauter erwähnten These handelt es sich nur um den theologischen Aspekt meiner Äußerungen zu diesem Gegenstand. Dabei erwäge ich übrigens sehr wohl, daß sich hier auch die Frage nach der Gegenstandskorrespondenz selber neu stellt; denn die Geschichtlichkeit gilt nicht nur für das erkennende Subjekt, sondern auch für die Bestimmung der Identität des Gegenstandes. Erst die Erwägung, daß auch die Identität des Gegenstandes der endgültigen Klärung im Lichte der eschatologischen Zukunft bedarf, erlaubt mir die von Sauter erwähnte Verknüpfung mit der Subjektivitätsthematik über die Eschatologie. Doch wie gesagt ist das nur die eine Seite meiner Äußerungen zum Wahrheitsbegriff.“1493

Für die gegenwärtige Urteilsbildung über Wahrheitsansprüche will Pannenberg das Kohärenzkriterium anwenden. Und auch wenn „die Einheit der Wahrheit als Kohärenz alles Wahren in abschließender Weise erst eschatologisch erreichbar sein“ mag, könne „das Maß an Kohärenz doch schon gegenwärtig als Wahrheitskriterium fungieren, das es gestattet, wahre und falsche Aussagen vorläufig voneinander zu scheiden.“1494 Mit epistemischer Demut geht Pannenberg davon aus, dass die theologische, reflexive Rekonstruktion christlicher Lehre „die Frage ihrer Wahrheit nicht abschließend entscheiden“1495 könne. Das systematisierende Kohärenzunternehmen wird somit als ein „Nachvollzug“ oder – noch bescheidener – „Vorentwurf“ der göttlichen Wahrheit klassifiziert: 1491 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 71. 1492 So W. Pannenberg, Nachwort von Wolfhart Pannenberg, in I. Berten, Geschichte-Offenbarung-Glaube, 141. 1493 W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 174. 1494 W. Pannenberg, Antwort auf G. Sauters Überlegungen, 174. 1495 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 33.

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„Alles menschliche Bemühen um Kohärenz kann dann nur ein stets unvollkommen und unabgeschlossen bleibender Nachvollzug, ein Nachdenken der in Gott begründeten Einheit alles Wahren sein – oder auch ihr Vorentwurf [kursiv: T. L.], wenn nämlich die in Gott begründete Einheit alles Wahren selber die Form einer Geschichte haben sollte, so daß sie erst im Prozeß der Zeit zu ihrer Vollendung kommt. Auch für die systematische Darstellung der christlichen Lehre in der Dogmatik gilt, daß sie lediglich Nachvollzug und Vorentwurf [kursiv: T. L.] der Offenbarung Gottes in ihrer Beziehung zu der in Gott begründeten Einheit von Welt und Geschichte sein kann. Die Dogmatik kann nicht die Wahrheit Gottes als solche dingfest machen und in Formeln verpackt vorführen. So sehr ihr Bemühen darauf gerichtet ist, die Wahrheit zu erfassen und zur Darstellung zu bringen [kursiv: T. L.], so sehr bleibt ihre mögliche Entsprechung [kursiv: T. L.] zur Wahrheit Gottes an das Bewußtsein gebunden, daß unsere Theologie eine menschliche Erkenntnisbemühung und als solche den Bedingungen der Endlichkeit verhaftet ist.“1496

Eine Differenz zwischen einem (kohärenten/konsistenten) Modellentwurf einerseits und der Wahrheit (Gottes) andererseits markiert deutlich die epistemische Grenze, die Pannenberg mit seinem Kohärenzprogramm verbunden sieht. Immerhin soll aber eine antizipative „Darstellung der Wahrheit Gottes“ (s. u.) als möglich gelten: „Im fortgehenden Disput über die Stichhaltigkeit der früheren wie auch der neueren dogmatischen Modelle tritt die Differenz zwischen dem Modell und der Wahrheit Gottes, wie sie durch die Schöpfung und im Gang ihrer Geschichte faktisch bezeugt wird, für das Bewußtsein in Erscheinung. Zum Trost für den Theologen darf allerdings damit gerechnet werden, daß nicht nur seine eigene Einsicht beschränkt ist, sondern auch die seiner Kritiker, so daß die verschiedenen Modelle der christlichen Lehre bei all ihren Schranken doch die Funktion antizipierender Darstellung der Wahrheit Gottes behalten, auf deren endgültige Offenbarung in der Welt der Glaube wartet.“1497 „At its very best, the doctrine of creation could design a model of how the world looks if considered as God’s creation, and of how we have to think of God if we are to speak seriously of the creator of the world.“1498

Was damit erreicht werden könne, bleibe „always far from being adequate“1499, was erneut eine gewisse Spannung erkennen lässt zur korrespondentistisch anmutenden Idee einer Realitätsgemäßheit kohärenter Deskriptionen der Weltwirklichkeit. Die Theologie müsse sich laut Pannenberg der Strittigkeit ihrer Aussagen bewusst sein1500. Und zu den Bedingungen der Endlichkeit rechnet 1496 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 63f. 1497 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 71. 1498 W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 10. Die Schöpfungslehre „substantiates the truth claim involved in the use of the word ‚God‘.“ (a. a. O., 11). 1499 W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 10. 1500 „Die Theologie wird allerdings damit zu rechnen haben, daß über das Recht des christlichen Wahrheitsanspruchs gerade auch im Hinblick auf das Verständnis der Welt als Schöpfung Gottes bis zum jüngsten Tage keine allgemeine Übereinstimmung zu erzielen

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Pannenberg nicht zuletzt auch die Perspektivität, an welche die Möglichkeit der Wahrheitserkenntnis gebunden gedacht wird1501. „Of course, such an examination and presentation could never amount to a definitive demonstration of the truth of the Christian faith in the trinitarian God. The reinterpretation of the data from biblical exegesis, from human sciences, and from the natural sciences can be questioned, and the appropriateness of such a reinterpretation may be denied.“1502 „Therefore, each attempt at the systematic presentation of the Christian doctrine remains a hypothetical reconstruction of the universal coherence of the phenomena of God’s creation with the theological assumptions concerning the Creator.“1503

Die Grenze des zu erwartenden Erkenntnisgewinns mithilfe der systematischen Behandlung der christlichen Lehre ergibt sich freilich schon aus der für Pannenberg Epistemologie überhaupt charakteristischen These der Vorläufigkeit der Erkenntnis (und allen damit verbundenen limitierenden Faktoren). Fast schon zahlose Male ruft Pannenberg innerhalb seines Werkes mit Paulus (1 Kor 13,9ff) den bestehenden Abstand zur Zukunft des noch ausstehenden Eschatons in Erinnerung. „Until then, the truth of his revelation will continue to be in dispute. Therefore, our knowledge is imperfect, as Paul says (1 Cor. 13:9), and this applies to theological knowledge in the first place. We are called to accept this situation and not to demand a final guarantee of truth before we even start to think.“1504

1501

1502 1503 1504

sein wird. Die theologischen Aussagen werden gerade auf diesem Felde strittig bleiben.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 77). Vgl. dazu Pannenbergs Bemerkung im Vorwort zu J. Kunath, „Sein beim Anderen“. Der Begriff der Perspektive in der Theologie Wolfhart Pannenbergs, 9: „Auch dabei bleibt aber mit der Endlichkeit unserer Einsichten das Faktum ihrer Perspektivität bestehen.“ Angesichts dieser und auch der oben aufgeführten Bemerkungen Pannenbergs kann A. Langes Kritik an Pannenberg zurückgewiesen werden: Lange (Religion als Weltbemächtigung, 26) sah sich im Kontext seiner Pannenberg-Lektüre zur Forderung für die Theologie veranlasst, „daß sie auch im Blick auf Kirche und Welt das Wissen um diese Differenz zwischen Gottes Wahrheit und menschlichem Bemühen wahrt.“ Eben dieser Vorwurf trifft Pannenberg nicht, da er diese von Lange beschriebene Differenz (sogar wiederholt) ausdrücklich hervorgehoben hat: vgl. dazu exemplarisch: W. Pannenberg, Heiligung und politische Ethik – Ein kritischer Blick auf einige Grundlagen der Befreiungstheologien im Protestantismus, 94: Pannenberg hält dort fest: Es gibt eine „Differenz zwischen der göttlichen Wahrheit und menschlicher Lehre über diese Wahrheit.“ Vgl. dazu auch: W. Pannenberg, Christliche Spiritualität, 71. W. Pannenberg, Theology Examines Its Status and Methodology, 8. W. Pannenberg, Theology Examines Its Status and Methodology, 8. W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 17. Vgl. auch zur Vorläufigkeit a. a. O., 18.

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Die Möglichkeit einer definitiven Bestätigung über die von Seiten der Theologie beanspruchte Wahrheit wird bei Pannenberg darum mit dem Eschaton in Verbindung gebracht und gewissermaßen als eschatologische Verifikation gedacht: „Of course, if it turns out to be true that there is a God, that Jesus is risen, and that everything is in his hand, then this has been true all along.“1505

Pannenberg betont die Vereinbarkeit dieses, die Wahrheitsfrage offen haltenden systematisch-theologischen Verfahrens einer systematischen Rekonstruktion christlicher Lehre mit der „personal confidence in the ultimate truth of the Christian doctrine, even more so than on the basis of a prior commitment to authority.“1506 Pannenbergs Vertrauen (confidence) in die Wahrheit ist durchweg derart groß1507, dass er keinen Anlass für Zweifel an der Wahrheit sieht1508. „Of course, most persons who engage in such an enterprise will be confident from the outset that some sort of Christian teaching will prove to be true.“1509 Gerade weil Pannenberg von der Wirklichkeit Gottes überzeugt ist, ist er trotz der methodisch offen zu haltenden Wahrheitsfrage entspannt. Unbeirrt und folgerichtig empfiehlt er Anderen, damit zu leben:

1505 W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 17. 1506 W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 18. 1507 Das Vertrauen auf und auch das Zutrauen in die (beanspruchte) Wahrheit Gottes und seiner Offenbarung ermöglicht es Pannenberg, die Theologie nicht gegenüber ‚critical inquiry‘ schützen zu müssen. Es wäre umgekehrt geradezu ein Kennzeichen von Unglauben, hielte man es für notwendig, die offenbarte Wahrheit vor solcher Kritik schützen zu wollen: „Christian confidence in the truth of God and His revelation should be vigorous enough to assume that truth will not succumb to any findings of critical inquiry.“ (W. Pannenberg, How to Think About Secularism, 31). „My argument is that, if we think it is necessary to protect divinely revealed truth from critical inquiry, we are in fact displaying our unbelief. Such inquiry, while it may at times pose difficulties, will finally enhance the splendor of the truth of God. Confidence in that truth – a confidence exhibited in proclamation and life – is the only adequate and worthy response to the challenge of secularism.“ (a. a. O., 32). 1508 Vgl. diesbezüglich die aufschlussreichen Bemerkungen Pannenbergs: „I anticipate that God will take care to protect the truth of the gospel.“ (M. Bauman, W. Pannenberg, Wolfhart Pannenberg, Munich, West Germany [Interview], 46) „That is why I am not terribly concerned with doubt or doubts. I realize that our human critical judgments are, at best, provisional.“ (a. a. O., 46). „One should trust in God that, if it is true, God’s gospel will stand. He will take care of it. He does not need us to shelter it from scrutiny.“ (a. a. O., 51). 1509 W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 16. Pannenberg zeigt sich optimistisch, was die christlichen Wahrheitsansprüche und die Möglichkeit ihrer Verteidigung betrifft: „The modern criticism of authoritarian argument on the one hand, and the criticism of the retreat to subjective commitment on the other, have caused many theologians to surrender Christian apologetics and dogmatics, to surrender even the Christian truth claims themselves, and to turn to what are considered „relevant issues“ of the time.“ (W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 17f). „But there is no reason to lose heart and to sell out just because there is no a priori guarantee of truth.“ (a. a. O., 18).

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„A Christian should be ready to leave it to God himself to prove definitely his reality, and he or she should be content to perceive but vaguely and to adumbrate the infinite wealth of the truth of God.“1510 „The prospect of general agreement may be somewhat dim, although the bold outlines of some agreed synthesis may become visible once in a while. The dangers of dilettantism are always close at hand. But then even in theology the excitement of systematically exploring the truth of God must not be mistaken for having that truth itself at our disposal.“1511

3.4.4.7.3 Die Insuffizienz der Fundamentaltheologie zur Klärung der Wahrheitsfrage Warum – mag man Pannenberg fragen – soll die Dogmatik als Systemtische Theologie die Wahrheit eigentlich nicht als Voraussetzung behandeln? Denkbar wäre doch, dass vorab – also in den Prolegomena, im Rahmen der Apologetik oder der Fundamentaltheologie – die Wahrheitsfrage geklärt wird. Pannenberg verneint diese Möglichkeit jedoch entschieden. Die Wahrheitsfrage unabhängig von den in der Dogmatik behandelten Inhalten oder Themen zu klären, hält er für unmöglich. Die Klärung der Wahrheitsfrage wird so nicht der Fundamentaltheologie zugeschrieben, sondern der Systematischen Theologie aufgebürdet: „Muß sich nicht mit der Darstellung des Inhalts der christlichen Lehre notwendig die Frage nach ihrer Wahrheit und ihrem wahren Sinn verbinden, wenn diese Lehre nicht nur als Inventar eines historischen Raritätenkabinetts, sondern als göttliche Offenbarung vorgetragen wird?“1512

Es habe faktisch „auch nirgends eine vollständige Trennung von dogmatischer Darstellung und Wahrheitsfrage [kursiv: T. L.] gegeben.“1513. Man habe üblicherweise „von der Dogmatik erwartet, daß sie den von ihr entfalteten Lehrinhalt auch argumentativ vertritt und als wahr erhärtet.“1514 Und genau dies habe die Dogmatik der Sache nach „durch die systematische Form der Darstellung [kursiv: T. L.]“ immer schon getan1515.

1510 1511 1512 1513 1514 1515

W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 18. W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 19. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 58. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 58. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 58. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 58: „Indem die Einheit von Schöpfung und Heilsgeschichte auch angesichts von Sünde und Übel in der Welt zur Darstellung kommt, wird faktisch zugleich die Einheit Gottes als des Schöpfers, Versöhners und Erlösers der Welt und damit auch die Wahrheit Gottes, seine Gottheit, bekräftigt.“ (ebd.). Vgl. auch folgendes Anwendungsbeispiel: „Auch in anderen Punkten, z. B. im Hinblick auf die Beurteilung der christlichen Osterbotschaft, können die mit dem christlichen Offenbarungsverständnis verbundenen Wahrheitsfragen erst im Gang der dogmatischen Explika-

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In einem der Frage nach der Fundamentaltheologie gewidmeten Aufsatz1516 erklärt Pannenberg sich: Es „wird in den Prolegomena zur Dogmatik ebenso wie in einer Fundamentaltheologie nicht über die Wahrheitsfrage der christlichen Lehre vorweg entschieden [kursiv: T. L.].“1517 „Die Behandlung dieser Wahrheitsfrage, deren endgültige Entscheidung wohl ohnehin nur Gott selbst zusteht, gehört in die Darstellung der christlichen Lehre selbst als Explikation der Offenbarung Gottes in Jesus Christus [kursiv: T. L.], die ihn als Schöpfer und Vollender des Menschen und der Welt zum Gegenstand hat. Die systematische Darstellung der christlichen Lehre als solche erhärtet den Wahrheitsanspruch [kursiv: T. L.], dass der Gott des christlichen Glaubens der Schöpfer und Vollender der Welt und des Menschen sei.“1518 „Eine Fundamentaltheologie, die vorab den Wahrheitsanspruch der Theologie für das christliche Reden von Gott sicherstellen wollte, etwa durch die Argumentation für Notwendigkeit und tatsächliche Gegebenheit einer göttlichen Offenbarung als Quelle der christlichen Theologie, ist daher abzulehnen. Die Etablierung eines solchen Anspruchs sollte auch den Prolegomena der Dogmatik nicht zugemutet werden, weil eben das Plädoyer der christlichen Theologie für die Wahrheit der christlichen Lehre von Gott und seiner Offenbarung durch die Darstellung der christlichen Lehre insgesamt [kursiv: T. L.] erfolgt. Eben deshalb kann die Wahrheit der christlichen Lehre nicht ihrer Darstellung vorweg [kursiv: T. L.] durch Berufung auf eine autoritative Norm sichergestellt werden.“1519 Bereits in seiner „Wi s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d T h e o l o g i e “ hat Pannenberg sich gegen eine Apologetik oder Fundamentaltheologie gewandt, die glaubt, die Wahrheitsfrage hinsichtlich des christlichen Glaubens vorweg entscheiden zu können, damals allerdings die Unmöglichkeit noch nicht mit einem Verweis auf kohärenztheoretische Überlegungen zur Wahrheitsfindung, sondern mit dem Christentum als einem geschichtlichen Phänomen begründet1520. Von daher ergibt sich für ihn, dass „[d]ie Wahrheit des Glaubens […] der Theologie gerade darum nicht schon vorgegeben“ ist (ebd.), also „abschließend beantwortbar“ wäre (ebd.). Denn schließlich ist „sie vielmehr in der Geschichte des Christen-

1516 1517 1518 1519 1520

tion seines Inhalts [kursiv: T. L.] behandelt werden.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 272). Siehe dazu ausführlicher W. Pannenberg, „Fundamentaltheologie“ als anthropologische Grundlegung einer Theologie der Religion und der Religionen?, 195–204. W. Pannenberg, „Fundamentaltheologie“ als anthropologische Grundlegung einer Theologie der Religion und der Religionen?, 202. W. Pannenberg, „Fundamentaltheologie“ als anthropologische Grundlegung einer Theologie der Religion und der Religionen?, 202f. W. Pannenberg, „Fundamentaltheologie“ als anthropologische Grundlegung einer Theologie der Religion und der Religionen?, 203. Vgl. W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 418ff.

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tums noch strittig und gerade so Gegenstand seiner Theologie“ (ebd.) 1521. Von daher versteht sich auch, dass Pannenberg die „Wahrheit des Christentums“ auch nicht alternativ durch die „subjektive Glaubensentscheidung des Theologen“ für entscheidbar hält, sondern hevorhebt, dass diese vielmehr im offenen Geschichtsprozess weiterhin „auf dem Spiele steht.“1522. Dies sagt Pannenberg ganz konkret auch für „die Wahrheit der christlichen Lehre“ und Gottes Daseins1523. Pannenbergs Zielsetzung eines (vorläufigen) Wahrheitsaufweises über den Weg universalisierender kohärenter Explikationen und Deskriptionen erübrigt also nicht die Fundamentaltheologie oder Apologetik, sondern involviert diese, indem die oft ihr zugewiesene Aufgabe der Klärung der Wahrheitsfrage automatisch miterledigt wird innerhalb der Systematischen Theologie1524. 1521 Vgl. insbesondere auch folgende Bemerkungen aus W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 419: „Aber die Wahrheitsfrage übersteigt die Kompetenz der philosophischen oder Fundamentaltheologie nicht deshalb, weil sie vor aller Theologie in der Subjektivität des Theologen schon entschieden sein müßte, sondern im Gegenteil deswegen, weil sie sich im Christentum selbst als einem geschichtlichen Phänomen, nämlich im Prozeß seiner Überlieferungsgeschichte, von Überlieferungsschritt zu Überlieferungsschritt aufs neue stellt und auch in der Gegenwart noch nicht abschließend beantwortbar ist.“ 1522 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 419. 1523 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 70. 1524 Zur apologetischen Dimension seines Kohärenzprogramms siehe auch die Bemerkungen von S.J. Grenz, „Scientific“ Theology/ „Theological“ Science: Pannenberg and the Dialogue between Theology and Science, 162: „Thus, in his estimation the best apologetic for the truth of the Christian faith is the rational demonstration of both the internal and the external coherence of Christian teaching, that is, the demonstration of the power of the Christian conception of God to illumine our understanding of reality.“ Grenz hat überdies zeigen können, dass bei Pannenberg im Ergebnis keine wirkliche Differenz zwischen Apologetik und Dogmatik besteht. „As a result he entertains no difference between apologetics and dogmatics. The unfolding of Christian doctrine comprising his systematic theology constitutes at the same time the testing of the Christian conception of God found therein.“ (So S.J. Grenz, Reason for Hope, 9 Anm. 9, dort im Vergleich mit P. Tillichs Apologetik). Im Übrigen hegt Pannenberg ganz grundsätzliche Reserven gegenüber dem Ausdruck ‚Fundamentaltheologie‘, insofern in der Theologie nur Gott selbst sowie seine (Selbst-)Offenbarung fundamental seien (mit Blick auf 1 Kor 3,11), während bestimmte, im Rahmen der sog. ‚Fundamentaltheologie‘ erfolgenden „Erörterungen allenfalls im methodischen Sinne ‚fundamental‘“ seien (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 72). Zur Rolle der Fundamentaltheologie bzw. der Prolegomena zur Dogmatik in Pannenbergs Systematischer Theologie (I–III) siehe auch die Bemerkung von Paul O’ Callaghan: „The novelty of Pannenberg’s approach lies in the fact that the rest of the work (on dogma as it were) serves to explain and test the truth claims of the first part (on foundations). That is to say, the validity of the truth claim of Christianity in general is detected by examining its truth claims one by one as they develop historically, and as they relate to one another organically. This is why Pannenberg avoids hard and fast distinctions between a fundamental and a dogmatic approach to theology.“ (Paul O’ Callaghan, Whose Future? Pannenberg’s Eschatological Verification of Theological Truth, 20f) Man vgl. auch die Bemerkungen von R. Rice: „For one thing, assessing the truth of Christian claims is not a separate discipline for him. Unlike older natural theologies or more recent theological

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3.4.4.7.4 Markante Besonderheiten und Auffälligkeiten im Kohärenzprogramm Beachtenswert erscheinen mir über das bereits Behandelte hinaus folgende Punkte: 1. Pannenbergs Realisierung des Programms universaler Kohärenzbildung in seiner „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ repräsentiert in gewissem Sinne die Erfüllung des Scholz’schen Konkordanzpostulat, das seinerseits von Pannenberg schon in seiner „Wi s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d T h e o l o g i e “ gewisse Beachtung gefunden hat. Das Konkordanzpostulat fordert nichts weniger als „die Übereinstimmung der Sätze einer Disziplin mit den wahren Sätzen aller übrigen Disziplinen“1525. An dieses eine umstrittene Postulat von H. Scholz hätte Pannenberg für sein nunmehr an die Kohärenztheorie der Wahrheit kriteriologisch anknüpfendes Begehren anknüpfen können1526. Geht es doch Scholz im Kern um die Beachtung von Kohärenz/Konsistenz (Widerspruchsfreiheit) auf Aussagenebene1527 und damit um eine Anforderung, der Pannenberg in seiner „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ (Bde. I–III) stringent für die Gesamtpräsentation christlich-dogmatischer Gehalte zu entsprechen versucht hat. 2. Sein systematisches Kohärenzprojekt zur Erörterung der Wahrheitsfrage sieht Pannenberg begriffsgeschichtlich begründet. S.E. ist schon „[d]ie Besinnung auf das Aufkommen des Namens „Dogmatik“ […] geeignet für den Nachweis, daß die Dogmatik nicht nur den Inhalt kirchlicher Lehre zu entfalten, sondern dabei auch der Frage nach der Wahrheit des Dogmas nachzugehen hat.“1528 Das systematisierende Moment in einer „zusammenfassenden und zusammenhängenden Darstellung der christlichen Lehre“ sieht er in dem sich ab dem 18. Jh. einbürgernden Begriff systematische Theologie indiziert1529.

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„prolegomena,“ Pannenberg discusses the truth of revelation throughout his theological program.“ (R. Rice, Wolfhart Pannenberg’s Crowning Achievement: A Review of His Systematic Theology, 57). Siehe dazu auch W. Pannenberg, „Fundamentaltheologie“ als anthropologische Grundlegung einer Theologie der Religion und der Religionen?, bes. 199 u. 203. So die Darstellung von W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 272. Siehe zum Konkordanzpostulat H. Scholz, Wie ist eine evangelische Theologie als Wissenschaft möglich?, 23f. Dies wurde bedauerlicherweise versäumt. Pannenberg hätte auf diesem Wege sich veranlasst sehen können, im Rahmen wissenschaftstheoretischer Erwägungen die Frage nach der genauen Beschaffenheit von Kohärenz auf Aussagenebene zu klären. Siehe H. Scholz, Wie ist eine evangelische Theologie als Wissenschaft möglich?, 23f. Scholz bezieht sich hier auf die Konsistenzforderung im Sinne der Widerspruchsfreiheit gegenüber Sätzen der Biologie und Physik. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 27. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 28. Philosophische Überlegungen finden bei dem Unternehmen einer zusammenhängenden Präsentation immer Eingang, wie an anderer Stelle explizit von ihm gesagt wird: „Philosophische Gedanken können bei der zusammenhängenden Darstellung [kursiv: T. L.] der christlichen Lehre dazu helfen, bi-

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Letztlich wirkt so das Kohärenzprojekt eher theologiehistorisch abgeleitet als sachlich von der Wahrheitstheorieebene her adaptiert. 3. Das die Theologie Pannenbergs kennzeichnende Programm, die Wahrheitsfrage durch eine kriteriologische Anwendung der Kohärenz als Wahrheitskriterium klären zu wollen, ermöglicht es, die Wahrheitsfrage nicht von den Inhalten der christlichen Lehre separiert zu behandeln, sondern gerade im Prozess einer kohärenten Darstellung und Explikation ihrer Inhalte zugleich ihre Wahrheitsfähigkeit zu erweisen zu suchen (Kohärenzaufweis). Dies wird von Pannenberg interessanterweise jedoch nicht (so sehr) von der Kohärenztheorie der Wahrheit (N. Reschers) als doch weit mehr von theologischen Erwägungen her begründet: o In der konkreten Umsetzung des Kohärenzprogramms spielt weder die Kohärenztheorie Reschers noch eine andere eine erkennbare Rolle. Einzig verbindendes Element zur frühen Theorie Reschers ist die Verknüpfung kriteriologischer Kohärenz mit dem korrespondentistischen Gegenstandsbezug (ad rem). Eine gewisse Spannung ergibt sich dadurch, dass Pannenberg das korrespondentistische Adäquationsideal einerseits für die Wirklichkeitsgemäßheit kohärenter Deskriptionen reklamiert, andererseits – bedingt durch seine Epistemologie – die Unmöglichkeit von Adäquanz im zur Zukunft hin offenen Geschichtsprozess behauptet. o Auffallend ist des Weiteren die recht eigenwillige Verbindung des Kohärenzverfahrens mit der Reflexion auf die historischen Kontexte, in denen einzelne Teilgehalte der von Pannenberg komponierten Kohärenzmenge thematisiert worden sind1530. Diese Anforderung überzeugt nicht – sie wäre blische Sachverhalte besser zu erschließen und in ihrer Tragweite erkennen zu lassen“, auch wenn von der Philosophie mitunter eine „Blickverengung“ ausgehen könne (W. Pannenberg, Bibel und Philosophie in der protestantischen Theologie, 129). 1530 Es darf als ein originäres Spezifikum seines Ansatzes gelten, dass Pannenberg diesen nicht als einen rein systematisierendes, auf Kohärenz bedachtes Unternehmen versteht, sondern im Vollzug der Erörterung der einzelnen Sachthemen auch die historischen Kontexte, in denen sie behandelt wurden, ausdrücklich mitreflektieren und durchdringen möchte, um so eine Auseinandersetzung mit den Wahrheitsansprüchen christlicher Lehre im Stile einer bloß „freihändige[n] Systematisierung nach dem Geschmack des Autors oder der jeweiligen Zeitmode“ schon im Ansatz zu unterbinden (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 8. Vgl. dazu ausführlicher a. a. O., 7f). Schon früher findet sich dieser Gedanke: „[J]e weniger der Systematiker sich darauf einläßt, das historische Phänomen des Christentums systematisch zu durchdringen, desto mehr behalten seine Entwürfe etwas subjektiv Zufälliges und Beliebiges.“ (W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 424). Er schreibt: „Die Aufgaben einer Darstellung von Wesen und Wahrheit des Christentums überschreiten also nicht prinzipiell den Rahmen einer historischen Theologie. Sie ließen sich freilich nur wahrnehmen in einer historischen Theologie, die ihrerseits und als solche schon systematisch verfahren würde. Eine solche historische Theologie würde die Aufhebung des Gegensatzes von historischer und systematischer Theologie bedeuten. Umgekehrt ist so lange, wie die systematische Durchdringung des historischen Stoffes in

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nur erforderlich, wenn die historisch zu berücksichtigende Genese bestimmter Fragen- und Themenstellung für die gegenwärtige, von Pannenberg intendierte Kohärenzbildung beitrüge. Das ist aber nicht anzunehmen, wenn die Kohärenzforderung gilt. Zu berücksichtigen in der koden historischen Disziplinen der Theologie unterbleibt oder nur in Ansätzen geleistet wird, neben ihnen und ergänzend zu ihnen eine besondere systematische Theologie erforderlich. Ihr fällt die provisorische Wahrnehmung derjenigen Themen zu, die die historische Theologie in der vollkommen durchgearbeiteten Gestalt einer Theologie des Christentums in sich aufnehmen könnte.“ (W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 421). Wie es scheint, will Pannenberg einen lediglich subjektiven Zugang zu diesen Fragestellungen vermeiden. Zugleich manifestiert sich hinter der Verbindung von Systematizität und Historizität sein geschichtliches Wahrheitsverständnis: Wenn Wahrheit und Wahrheitserkenntnis geschichtlich sind, folgt daraus, dass sich Wahrheitserkenntnis in fortschreitendem Maße im Verlauf der Geschichte vollzieht und vollziehen kann. Und so liegt es (wenn auch nicht unbedingt, so doch für ihn) nahe, im Rahmen des Möglichen zur Klärung der Wahrheitsfrage den jeweiligen „historischen Orten“ Beachtung zu schenken und von den dort geführten Debatten zu lernen. Diese Besonderheit hat S.J. Grenz sehr klar gesehen und benannt: „His use of history is not surprising, given his view of the historical process as the field in which truth emerges, that he developed in the opening chapters.“ (S.J. Grenz, Reason for Hope, 60): „The author’s own positions are not simply asserted apart from an awareness of their historical context. Rather, interspersed throughout are summaries of the flow of the discussion of the question at issue during important periods of Christian theological history. This structure provides a helpful clue to Pannenberg’s understanding of truth: truth emerges from the flow of historical debate.“ (a. a. O., 13). „In keeping with the emphasis on the importance of history to the manifestation of truth, he utilizes historical sketches as teaching tools in an attempt to draw conclusions from the major advances and errors of the past for his own development of the doctrine.“ (a. a. O., 60). In dieser Hinsicht mag dann die von Leiner angedeute These eines forschungsgeschichtlichen Wahrheitsverständnisses nicht ganz ungerechtfertigt sein, wenngleich streng genommen freilich nicht das Verständnis der Wahrheit forschungsgeschichtlich ist, sondern die Forschungsgeschichte allein für den Prozess ihrer Erkenntnis relevant wird. E. Jüngel hat die in Pannenbergs Systematischer Theologie erkennbare „Konstruktion eines prinzipiellen Parallelismus von systematischem und historischem Wissen“ einer Kritik unterzogen. Jüngel sieht darin den „scholastische[n] Grundsatz omne ens est verum […] in verwandelter Gestalt“ (E. Jüngel, nihil divinitatis, ubi non fides, 229), was seine Rückfrage evoziert, ob die Totalität der geschichtlichen Wirklichkeit überhaupt erfasst werden könne. Wenn diese Frage aber mit Pannenberg zu verneinen sei, ergebe sich die weitere Frage nach der Relevanz bzw. dem Stellenwert des berücksichtigen (und nicht berücksichtigten) historischen Materials: kurzum, es könnte „mehr oder weniger zufällig“ sein (vgl. a. a. O., 229f). „Die Fülle des referierten historischen Materials kann und darf die prinzipielle Zufälligkeit seiner Organisation nicht kaschieren. Auch die systematische Verarbeitung und Repräsentierung des historischen Wissens innerhalb einer Dogmatik darf nicht den Eindruck erwecken, diese Zufälligkeit getilgt zu haben.“ (a. a. O., 229). Nicht nur diese Kritik scheint mir gerechtfertigt. Es ist überhaupt zu fragen, wieso für die Kohärenzbildung eine reine Systematisierung für insuffizient zu erklären ist. Dass sich in der Geschichte ein Erkenntnisfortschritt vollzogen hat, nötigt doch nicht dazu, zur Untersuchung und Darlegung und Plausibilisierung des Wahrheitsanspruches auf ‚alte Debatten‘ zu rekurrieren. Dies ergibt sich von der Kohärenztheorie der Wahrheit auch nicht, insofern der Datenumfang möglichst groß sein muss, gegenwärtig also durchaus umfassender sein kann als zu welcher vergangenen Zeit auch immer.

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härenten Datenmenge M wären lediglich diejenigen Aussagen, in Bezug auf welche Aussicht auf Wahrheit besteht, also – mit Rescher – die sog. Wahrheitskandidaten. Es kommt als weitere, die Datenmenge M negativ beeinflussende Schwierigkeit hinzu: Das von ihm in seiner Dogmatik versammelte Material ist als von ihm ausgewähltes Material in bestimmter Hinsicht kontingent1531 – dies hätte Pannenberg m. E. eingehend als Problem behandeln können. o Überzeugt bin ich ebenso wenig von der die Frage der Durchführbarkeit des Kohärenzprogramms betreffenden Sicht, derzufolge (s)eine „die Wahrheitsfrage thematisierende systematische Theologie“ nicht unvermittelt mit einer „systematischen Rekonstruktion der christlichen Lehre von ihrem Ausgangspunkt in der von ihr behaupteten geschichtlichen Offenbarung Gottes aus“ beginnen könne, sondern zunächst Anderes zu thematisieren habe1532. Aus Sicht der Kohärenztheorie (zumindest der Theorie N. Reschers von 1973) wäre dieses Additum in Gestalt einer Zusatzanforderung entbehrlich. Allerdings wäre der Kohärenz akribische(re) Aufmerksamkeit zu schenken. o Eingebunden ist die Umsetzung des Kohärenzprogramms in eine facettenreiche Kritik der (systematisch-)theologischen Option, Wahrheit vorauszusetzen oder irgendwie sicherstellen. Der Absichtserklärung zum Trotz, mit seinem Kohärenzprogramm die Wahrheit nicht voraussetzen zu wollen, findet sich an einer Stelle in der „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ eine (aus meiner Sicht nicht so recht nachvollziehbare) Relativierung dieses Gedankens, die so zugleich seine Kritik an sämtlichen mit präsupponierter Wahrheit operierenden theologischen Programmen aufzuweichen droht. Er formuliert dunkel:

1531 Dies hat E. Jüngel gesehen und Pannenberg teilt diese Sicht Jüngels im Wesentlichen (vgl. W. Pannenberg, Den Glauben an ihm selbs fassen und verstehen, 358). 1532 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 215. Siehe ausführlicher seine Begründung a. a. O., 214f: Mit seiner kohärenten Darstellung will Pannenberg zunächst „mit dem Gottesgedanken als einem Befund menschlichen Sprachgebrauchs“ anfangen, also auf der Ebene „menschlicher Gedankenbildung“ (a. a. O., 214f) einsetzen. Pannenberg führt aus: „Sie [sc. die systematische Theologie] muß vielmehr den Ausgangspunkt der Rekonstruktion des Wahrheitsanspruchs christlicher Lehre in seiner Vermittlung durch die Wirklichkeit der Religionen, in die er geschichtlich eingebettet ist, gewinnen, ebenso aber den Zugang zum Religionsthema als Zeugnis göttlicher Wirklichkeit allererst erschließen durch eine Erörterung des Gottesgedankens und seiner Relevanz für das Selbstverständnis des Menschen überhaupt. Mit der zunächst beschreibend festzustellenden Thematisierung göttlicher Offenbarung im Bildungsprozeß einer religiösen Überlieferung, in der Geschichte der jüdischen Religion, erfolgt nun zugleich die Wendung in der Durchführung der Wahrheitsfrage zur Rekonstruktion des Redens von Gott in der Überlieferung christlicher Lehre.“ (a. a. O., 215).

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„Die beiden Auffassungen der Vergewisserung überlieferter Wahrheit einerseits als bloßer Aneignung und Erläuterung einer schon vorausgesetzten Wahrheit, andererseits als Entscheidung über den Wahrheitsanspruch der Überlieferung sollten nicht als Alternativen betrachtet werden. In Wirklichkeit handelt es sich um zwei Aspekte, die bei der Aneignung der Überlieferung gar nicht gänzlich voneinander zu trennen sind: Die subjektive Vergewisserung der schon vorausgesetzten Wahrheit überlieferter Lehre kann diese doch nur als Wahrheit erfassen und vertreten, soweit die eigene Erkenntnis dieser Wahrheit reicht. Umgekehrt kann auch der bewußt kritische Umgang mit der Überlieferung ihren wahren Sinn und Gehalt nicht als Produkt beliebiger kritischer Konstruktion betrachten, sondern muß den durch Kritik aufzudeckenden wahren Sachverhalt als seiner Rekonstruktion vorgegeben auffassen.“1533

Wieso – so mag man zunächst fragen – soll die nicht unerhebliche Differenz zwischen Konzeptionen, die mit präsupponierter Wahrheit arbeiten und solchen, die dies nicht tun und über Wahrheitsansprüche entscheiden wollen, derart minimiert werden, dass beide Grundoptionen „nicht als Alternativen“ zu sehen wären? Mit seiner Begründung, dass benannte „zwei Aspekte […] bei der Aneignung der Überlieferung gar nicht gänzlich voneinander zu trennen [kursiv: T. L.]“ (s. o.) seien, vermag Pannenberg die eklatante Grunddifferenz beider theologischer Optionen nicht aufzuheben, sondern lediglich die Fragestellung auf die Frage nach der Möglichkeit der Aneignung hin zu wechseln. Ist dies an sich schon in der Argumentation problematisch, fragt es sich, ob es wirklich beider von ihm beschriebenen ‚Aspekte‘ zur Aneignung bedarf bzw. ob sich wirklich im Erkenntnisprozess vollzieht, was Pannenberg hier behauptet: Kommt es wirklich zu einer Wahrheitserkenntnis als einer ausdrücklichen Erkenntnis eines Gehaltes als Wahrheit, wenn doch in dem einen Fall von der Wahrheit ohnehin, d. h. noch vor Einsetzen des Erkenntnisaktes, schon ausgegangen wird? Was Pannenberg hier im Blick zu haben scheint, ist der wichtige Aspekt der Vorgegebenheit der Erkenntnisgegenstände im Sinne von (ontologischer) Wahrheit für das nach Erkenntnis strebende Subjekt. Solche Vorgegebenheit ist aber etwas anderes, als eine bestimmte, materiale Wahrheit vorauszusetzen. Rory Hinton ist hinsichtlich der Überlegungen Pannenbergs der Meinung, Pannenberg suche im Umgang mit der Wahrheitsfrage eine „balance between presupposing the truth of the Christian message as a theological hypothesis and critically reflecting upon it as a problem.“1534 Mir scheint, dass Hinton Pannenbergs Intention nicht trifft. Wahrheit als vorausgesetzte Wahrheit heißt für Pannenberg nicht, bestimmte (materiale) Wahrheitsansprüche (etwa hinsichtlich der christlichen Lehre) einfach als wahr vorauszusetzen. Mir 1533 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 33f. 1534 R. A. A. Hinton, III. Pannenberg on the Truth of Christian Discourse: A Logical Response, 314.

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scheint Pannenbergs Anliegen darin zu bestehen, die Vorgegebenheit von Wahrheit als einer gänzlich subjektunabhängigen Größe festhalten zu wollen, als ein Phänomen, auf das der Mensch sich in seinem Meinen und Urteilen erst bezieht. Durch Kohärenzaufweis soll sich die bislang angenommene und insofern vorausgesetzte Wahrheit als wahr erwiesen und erkannt werden (können). Schwöbel schildert Pannenbergs Anliegen m. E. treffender: „On the one hand, it seems that the truth of Christian doctrine is already presupposed in theology, insofar as the state of affairs to which theological statements refer must be given in order for any statement to be true or false. On the other hand, this presupposed truth can only be grasped if it is known as true. Pannenberg’s solution of this problem is based on a strategy of integrating the methodological issues of the prolegomena into the framework of the Christian understanding of God.“1535 Die von Schwöbel angedeutete Einbeziehung der Prolegomena (im Sinne einer Fundamentaltheologie) in die Dogmatik vollzieht sich in der Inanspruchnahme der Kohärenz als Wahrheitskriterium. Alles in allem zeigen die benannten Auffälligkeiten, dass Pannenberg in seinem Umgang mit dem kriteriologischen Kohärenzgedanken eher eigene Wege geht. 3.4.4.7.5 Schöpfungstheologische Inanspruchnahme der Kohärenz als Wahrheitskriterium

„If God is the reality that determines everything, Pannenberg argues, the world can be properly understood only when it is seen as the creation of God.“1536 „Credible talk about God has to be related to the reality that is claimed to be his creation.“1537 „But talk about God has to deal with God the creator of the world. Otherwise it would come to nothing. To deal with the creator of the world, however, requires to consider everything to be a creature of that God, and that requires to clarify, whether each single reality can be understood and has to be understood to be a creature of that God.“1538

Das oben skizzierte Kohärenzprogramm hat Pannenberg auch explizit aus basalen schöpfungstheologischen Erwägungen heraus entwickelt, wie keinesfalls 1535 Chr. Schwöbel, Rational Theology in Trinitarian Perspective. Wolfhart Pannenberg’s Systematic Theology, 500. 1536 S.J. Grenz, „Scientific“ Theology/ „Theological“ Science: Pannenberg and the Dialogue between Theology and Science, 163. Dies ist – so Grenz – seine „theological programmatic that Pannenberg brings to the dialogue“ (ebd.). Siehe auch J. Polkinghorne, Wolfhart Pannenberg’s Engagement with the Natural Sciences, 152. 1537 W. Pannenberg, An intellectual pilgrimage, 157. 1538 W. Pannenberg, An intellectual pilgrimage, 158.

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nur in Bd. 2 der „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ deutlich wird. Möglicherweise lassen sich in diesem besonderen Subkontext weitere Besonderheiten im Kohärenzbegehren Pannenbergs erkennen. Pannenbergs Argumentationsduktus setzt folgendermaßen ein: Wenn sich, so Pannenberg, die Schöpfungslehre „nur dieser Welt selbst zu[wendet], um sie als Schöpfung des trinitarischen Gottes zu interpretieren“, dann wendet sie sich damit zugleich einem Thema zu, das „von größter Bedeutung für die Frage nach der Wahrheit des christlichen Glaubens“ ist1539. Denn: „Nur wenn diese Welt als Schöpfung des biblischen Gottes zu verstehen ist und Gott selbst als Schöpfer dieser Welt, nur dann kann für den Glauben an seine alleinige Gottheit der begründete Anspruch auf Wahrheit erhoben werden.“1540 Es ist seine feste Überzeugung, dass Gott nur dann angemessen als Gott gedacht wird, wenn er als Schöpfer dieser einen Welt bzw. Wirklichkeit verstanden wird1541, die neben der Philosophie etwa auch Referenzfläche oder Gegenstand anderer Wissenschaften (denen Pannenberg in dieser Hinsicht [nicht erst hier] besondere Beachtung schenkt1542) ist1543. Von daher versteht sich Pannenbergs Vorhaben, nicht einen 1539 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 77. 1540 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 77. 1541 Siehe zu diesem, für seine schöpfungstheologischen Erwägungen zentralen Gedanken der von Gott konstituierten Einheit der Wirklichkeit, auf welche auch die Naturwissenschaften bezogen sind, auch W. Pannenberg, Der Glaube an Gott und die Welt der Natur, 123. Siehe auch den identischen Artikel in Confessio Augustana, 22 sowie ferner W. Pannenberg, Afterword: Faith in God and the World of Nature, 210: „This is a very strong affirmation. It says, after all, that there is no other explanation for the existence of the natural world and of its different forms that could seriously compete with the belief in a creator.“ Auf Deutsch formuliert er andernorts: „So lautet auch in Luthers Großem Katechismus die Antwort auf die Frage zum ersten Glaubensartikel, wer denn Gott sei im Sinne des ersten Gebotes, das sei Gott Vater, der Himmel und Erde geschaffen habe: „Außer diesem einigen halte ich nichts fur Gott, denn sonst keiner ist, der hymel und erden schaffen künde“ (WA 30/1, 183).“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 175). Zu dieser Anknüpfung an Luther siehe auch W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 77 u. W. Pannenberg, Die Wahrheit Gottes in der Bibel und im christlichen Dogma, 278: „Noch Luther hat im Großen Katechismus zum ersten Glaubensartikel auf die Frage: Warum glaubst du denn, daß der Vater Gott sei, geantwortet: Weil kein anderer Himmel und Erde schaffen könnte. Nun ist ja Luther wahrhaftig unverdächtig, eine besondere Hochschätzung für die Philosophie gehabt zu haben, aber diese Aussage ist ohne philosophische Voraussetzungen nicht zu denken.“ 1542 Das klingt auch in seiner „Wi s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d T h e o l o g i e “ schon an: „Die Theologie muß sich […] auf mancherlei andere Bereiche einlassen neben dem der religiösen Erfahrung und des Christentums im besonderen. So redet die Theologie traditionell von der Schöpfung der Welt durch Gott. Sie muß sich dabei auch um das Weltverständnis der Naturwissenschaften kümmern, und zwar nicht nur unter dem Gesichtspunkt, ob die Naturwissenschaftler selbst Christen sind, sondern unter dem Gesichtspunkt der Vereinbarkeit ihrer Methoden und Erkenntnisse mit dem Verständnis der Welt, das der Schöpfungsglaube impliziert [kursiv: T. L.].“ (W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 265). Vgl. auch die Bemerkung, dass christliche Theologie versuchen solle, „die

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Teilbereich von Wirklichkeit mit den Augen eines Theologen zu betrachten, sondern diese Wirklichkeit in ihrer Einheit theologisch als Schöpfung des biblischen Gottes zu verstehen1544. Und das macht es für Pannenberg erforderlich, sämtliche Erkenntnisse im Vollzug der diesem Anliegen dienenden universalisierenden Kohärenzbildung konstruktiv aufzunehmen1545. Es bedürfe der DeGrundbegriffe, Verfahren und Ergebnisse der Naturwissenschaften beim theologischen Reden von der Welt als Schöpfung Gottes so zu berücksichtigen, daß die naturwissenschaftliche Weltbeschreibung als eine besondere Zugangsweise zur Schöpfungswirklichkeit der Welt verstanden werden kann.“ (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. II, 44). 1543 Beide, „theology and science move in the same domain.“ (S.J. Grenz, Reason for Hope, 135) So formulierte es Grenz hinsichtlich Pannenbergs Ansatz treffend. Ebenso treffend ist aber auch Grenz’ Feststellung, dass Pannenberg mit dieser Auffassung innerhalb der Theologie nicht immer mit Zuspruch rechnen kann: „Some maintain, in contrast to Pannenberg, that science speaks about the natural world, whereas theology talks about the human person before God. Others are less charitable to theology in their rejection of a call for dialogue. They claim that only the findings of the sciences reflect true knowledge. Theology is discredited as being merely a continuation of the metaphysical enterprise that has been displaced by the rise of the scientific method.“ (ebd.). J.A. Stewart (Reconstructing Science and Theology in Postmodernity, 24) urteilt: „In his pursuit of this grounding of truth in reason, the truth of Christian faith and theology is always connected by Pannenberg with other branches of human knowledge as claims to truth, including the natural sciences.“ M. E. ist der Dialog mit anderen Wissenschaften sehr viel mehr von der Idee der Einheit der Wirklichkeit her zu verstehen als von dem Interesse geleitet, Wahrheit in der Vernunft zu gründen, was überdies auch nicht so sehr kennzeichnend für Pannenbergs Umgang mit der Wahrheitsthematik ist. Siehe auch die Darstellung von J. Polkinghorne, Wolfhart Pannenberg’s Engagement with the Natural Sciences. 1544 Siehe dazu ausführlicher bes. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 77f. Das, was Pannenberg hier anstrebt, begrüßt auch A. McGrath, nämlich „a Christian theological interpretation of nature and natural science from the point of view of God’s revelation in Christ.“ (W. Pannenberg, Rezension: A Scientific Theology. Volume 1: Nature, By Alister E. McGrath, 316). 1545 Siehe dazu passend auch Pannenbergs Credo, der schöpfungstheologische Grundgedanken sei mithilfe kriteriologischer Kohärenzbildung zu verteidigen: „The truth-claim of the Christian teaching about the one true God, the creator of the universe, then, implies the acceptance of coherence as criterion of truth [kursiv: T. L.].“ (W. Pannenberg, Theology Examines Its Status and Methodology, 7). „The systematic form of presentation corresponds to the requirement of coherence as a criterion of truth, standing as a testimony to truth insofar as it explores and presents the coherence of all issues concerned with affirming the trinitarian God as creator of the universe.“ (ebd.). Vgl. ferner seine Bemerkung, in der systematischen Theologie gehe es um „constructive thought“, darum „to exemplify how the God of the Bible can be understood as creator and Lord of all reality.“ (W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 18). Siehe auch W. Pannenberg, Der Glaube an Gott und die Welt der Natur, 123: „Die Welterkenntnis der Naturwissenschaften und der biblische Schöpfungsglaube können sich nicht gleichgültig zueinander verhalten. Denn es geht bei beiden um dieselbe eine Welt. Jedenfalls muss sich die theologische Auslegung des Schöpfungsglaubens deshalb positiv beziehen auf die Welt der Natur [kursiv: T. L.], und zwar so, wie sie von den Naturwissenschaften beschrieben wird.“ (ebd.). Siehe zum Thema a. a. O., 123ff sowie auch den identischen Artikel in Confessio Augustana, 22.

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monstration, dass die ganze Welt von diesem einen Gott her verstanden werden kann; das bloße Behaupten, der biblische Gott sei Schöpfer, ist ihm nicht hinreichend1546. „Der Verzicht darauf, die von den Wissenschaften beschriebene Welt Hinsichtlich dieser These der einen Wirklichkeit und der sich daraus ableitenden Forderung, den Dialog der Theologie mit den Naturwissenschaften zu suchen, stimmt Pannenberg auch mit Papst Johannes Paul II. überein, der deutlich machte, dass „the same world“ (als Schöpfung Gottes) Gegenstand der (Natur-)Wissenschaften und der Theologie sei, und der (gegen K. Barth) betonte, dass „peoples cannot continue to live in separate compartments“. (W. Pannenberg, Theology and Philosophy in Interaction with Science: A Response to the Message of Pope John Paul II on the Occasion of the Newton Tricentennial in 1987, 75). An Stelle der von Barth empfohlenen „self-imposed isolation“, wie es Papst Johannes Paul II formulierte, müssten Konsonanzen zwischen (Natur-)Wissenschaft und Theologie gesucht werden (vgl. a. a. O., 75ff). Theologie und Philosophie – beide – müssten nach Meinung von Pannenberg „take account of scientific „findings“ and methodology when talking about the world of nature. Theology must try „to incorporate these findings“ (M10) in its doctrine of the creation of the world.“ (a. a. O., 77). Diese Meinung teilt Pannenberg mit Johannes Paul. Dieser sich vom Kohärenzideal her ergebenden Möglichkeit des systematischen Inkorporierens liegt die Annahme zugrunde, dass „[w]hat is undoubtedly true in science cannot be wrong in theology.“ (a. a. O., 78). Man vgl. auch die oben dargelegte Kritik Pannenbergs an der Lehre von der doppelten Wahrheit. Weil „sich die Aussagen der Naturwissenschaft und der Theologie auf ein und dieselbe Wirklichkeit“ (W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. II, 54) beziehen, sollte die Theologie ein Interesse an einer positiven Bezugnahme auf diese Wissenschaften haben. Vgl. auch zu Recht U. Ruhs Bemerkung zu Pannenberg: Der christliche Glaube „muß seinen universalen Wahrheitsanspruch in der Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der Wissenschaft und dem philosophischen Denken einlösen, weil er von Gott als dem Schöpfer aller Wirklichkeit spricht.“ (U. Ruh, Den Glauben denken, 181). „After all, both are concerned for one and the same world [kursiv: T. L.]. The theological exposition of the Christian faith in creation, in any event, has to relate positively to the world of nature as it is described by the sciences.“ (W. Pannenberg, Afterword: Faith in God and the World of Nature, 210) Siehe zu diesem Argument auch: W. Pannenberg, Contributions from Systematic Theology, 359: „Why should Christian theologians get involved in a dialogue with natural science? Personal reasons aside, they should take an interest in science because they have to account for the world of nature, including human beings, in the context of their existence as God’s creation. When Christians confess God as the Creator of the world, it is inevitably the same world that is also the object of scientific descriptions, although the language may be quite different. Therefore, theologians must be concerned with the question of how theological assertions about the world, and about human beings as God’s creation, can be related to their descriptions by scientists. After all, there is only one world, and this one world is claimed as God’s creation in the Bible and in the faith of the Church.“ 1546 Dieses Anliegen bekundet sich schon in älteren Publikationen: „Die Rede von Gott ist nur wahr, soweit es ihr gelingt, die Wirklichkeit der Welt und des Menschen, so wie sie sich jeweils der gegenwärtigen Erfahrung darbietet, als ein Ganzes verständlich zu machen. Die Rede von Gott ist nur wahr, soweit sie die Welt als Schöpfung verstehen läßt. Sie als Schöpfung verstehen, – dazu ist aber mehr erforderlich als die bloße Behauptung, daß die Welt vom Gott der Bibel geschaffen ist. Um die Welt als Schöpfung zu verstehen, muß man zeigen, daß sie anders nicht verstanden werden kann, jedenfalls nicht auf sinnvolle Weise. Solange wir die Welt nicht wieder in dieser Weise als Schöpfung des biblischen Gottes verstehen, solange entbehrt alles, was sonst noch über Gott gesagt werden mag, der rechten Glaubwürdigkeit. Das macht die Verpflichtung deutlich, die das Erbe des Mittelalters für

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als die Welt Gottes in Anspruch zu nehmen, bedeutet den Ausfall der gedanklichen Rechenschaft für das Bekenntnis zur Gottheit des Gottes der Bibel.“1547 Ein solches systematisierendes Kohärenzprojekt mit dem Blick über den theologischen Tellerrand hinaus auf andere Wissenschaften hält Pannenberg für eine Notwendigkeit. „Die Theologie kann es sich nicht leisten, über die Welt als Schöpfung Gottes und über den Menschen als Gottes Geschöpf Aussagen zu machen, ohne auf die mit diesen Gegenstandsbereichen befaßten Wissenschaften Rücksicht zu nehmen.“1548 Es bliebe auch „[d]as Bekenntnis zu dem Gott der christlichen Botschaft als dem Schöpfer von Himmel und Erde“, wie er an anderer Stelle notiert, „ein leeres Lippenbekenntnis, solange nicht mit guten Gründen behauptet werden kann, daß die Natur, mit der sich der Naturwissenschaftler befaßt, etwas mit diesem Gott zu tun habe.“1549 Darin zeigt sich die eine Seite seiner Theologie, die bewusst die Offenheit zur Wahrheit hin ins Bewusstsein ruft. Andererseits ist Pannenbergs theologisches Kohärenzunternehmen von der Zuversicht getragen, dass erst mit der von ihm dezidiert optierten schöpfungstheologischen Verständnisoption der Wirklichkeit dieselbe angemessen verstanden werden könne, ja „daß erst so das eigentliche Wesen dieser Welt in den Blick kommt [kursiv: T. L.].“1550

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uns bedeutet.“ (W. Pannenberg, Die Gottesidee des hohen Mittelalters, 22; zur Kritik an der mittelalterlichen Umsetzung dieses Projekts siehe a. a. O., 22ff, bes. 33). D.H. Olive (Wolfhart Pannenberg, 33) hat auf diesen Gedanken in Pannenbergs schöpfungstheologischem Denken aufmerksam gemacht: „Modern man will no longer willingly put on blindes in order to think theologically; neither can the Christian God survive as a sort of truncated, provincial deity who is limited to some religious dimension of life.“ Olive meint weiterhin zu Recht: „The bifurcation of life into religious and nonreligious zones will no longer suffice as a description of man’s duty before God. If the Christian intellectual effort is to survive, God must be affirmed to be what he affirms himself to be – creator and Lord of life.“ (a. a. O., 33f). W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 77f. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. II, 101. „Das wäre nur dann möglich, wenn den Aussagen der Wissenschaften keinerlei Wahrheit zugestanden würde.“ (ebd.) Sehr ähnlich formuliert er in Zuspitzung hinsichtlich der Beachtung der Naturwissenschaften im Besonderen wie folgt: „Das Selbstverständnis des Glaubens gerät dann in einen Gegensatz zum Weltbewußtsein, durch den er leicht der Unaufrichtigkeit verfällt. Das Bekenntnis zu Gott dem Schöpfer wird dann zur Leerformel. […] Es ist nicht so, daß die Theologie es sich leisten könnte, sich um die Weltbeschreibung der Naturwissenschaft gar nicht zu kümmern.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 78) Zu Pannenbergs Forderung nach einem (kritischen) Dialog mit den den Natur- und Humanwissenschaften siehe auch exempl. W. Pannenberg, Christentum in einer säkularisierten Welt, 67f; vgl. ferner W. Pannenberg, An intellectual pilgrimage, 157f (dort zu den Naturwissenschaften und anderen Wissensgebieten). W. Pannenberg, Kontingenz und Naturgesetz, 35. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 77: „If the God of the Bibel is creator of the universe, then it is not possible to understand fully or even appropriately the processes of nature without any reference to that God. If, on the contrary, nature can be appropriately understood without reference to the God of the Bible, then that God cannot be the creator

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„Wenn Gott nicht in Wahrheit als Schöpfer dieser Welt zu verstehen wäre, dann wäre damit die Wahrheit des Glaubens an den einen Gott überhaupt bedroht. Wenn Gott aber Schöpfer der Welt ist, dann ist zu erwarten, daß kein of the universe, and consequently he could not be truly God and could not be trusted as a source of moral teaching either.“ (W. Pannenberg, Theological Questions to Scientists, 4. Hier geht es um „compatibility of modern science with faith in the Biblical God as creator and redeemer of humankind and of his entire creation.“ [a. a. O., 5]). Die Zuversicht in den Ausführungen Pannenbergs kommt auch in einer Anmerkung von J.A. Stewart (Reconstructing Science and Theology in Postmodernity, 13) zum Ausdruck: „The consequence of Pannenberg’s insistence on the rational accessibility and universal coherence of all truth is that for every theological assertion about the world, he claims there will be supporting evidence from all other disciplines, including philosophy.“ Die Einschätzung von C.R. Albright u. J. Haugen, derzufolge Pannenberg annimmt, dass die (vorläufigen) Daten der (natur-)wissenschaftlichen Deskriptionen der objektiven Realität „a further and theologically relevant dimension“ (C.R. Albright und J. Haugen, Preface, in: C.R. Albright/J. Haugen (Hg.), Beginning with the End, xi) enthalten, scheint mir durchaus plausibel. Und auch schon in seinem Büchlein Was ist der Mensch? hatte Pannenberg vermeint, „daß erst vom Gott der Bibel her die Wirklichkeit, in der wir leben, so erkennbar geworden ist, wie sie wirklich ist. Darin aber liegt der Selbsterweis der Wahrheit des biblischen Gottes, daß von ihm her, und erst von ihm her, die Wirklichkeit so sichtbar wird, wie sie ist.“ (W. Pannenberg, Was ist der Mensch?, 101). Ähnlich lesen wir es im Kontext seiner SäkularismusKritik: „Die säkulare Untersuchung der Wirklichkeit der Welt und des Menschen unter Absehung von Gott kann nur als Annäherung an die wahre Wirklichkeit der Natur und des Menschen anerkannt werden und kann nicht als adäquate Erkenntnis dieser Wirklichkeit gelten, wenn der biblische Gottesgedanke festgehalten werden soll.“ (W. Pannenberg, Christentum in einer säkularisierten Welt, 68. Vgl. zu Pannenbergs Abgrenzung von einer säkularen Deutung der Welt und des Menschen exemplarisch a. a. O., 67f.) Dass sich diese starke These nicht leicht (wenn überhaupt) kontrollieren lässt, problematisiert Pannenberg nicht. Diese Problematik gehört zum Problemkreis der Korrespondenztheorie. Aus der Sicht Pannenbergs hat die Theologie an der Auseinandersetzung um das Weltverständnis zu partizipieren und entgegen der Sicht des modernen Säkularismus „im Dialog mit den Wissenschaften die Aufgabe […], in den von ihnen untersuchten Phänomenen die dabei ausgeblendete Dimension konkret aufzuweisen, durch die diese Phänomene mit Gott als dem Schöpfer der Welt verbunden sind.“ (W. Pannenberg, Christentum in einer säkularisierten Welt, 68) Pannenberg kritisiert das Entmythologisierungsprogramm dafür, dass die Entmythologisierung „eine Relevanz des Glaubens an Gott für das Weltverständnis überhaupt bestritt.“ (a. a. O., 69). Um Missverständnissen vorzubeugen, führt er weiter aus: „Das heißt nicht, daß sie an den antiken Weltvorstellungen festhalten müßte, die in den biblischen Schriften ihren Ausdruck gefunden haben. Das Weltverständnis ebenso wie das Selbstverständnis der Menschen ist relativ in bezug auf geschichtliche Bedingungen, es ist darum wandelbar und auch eines Erkenntnisfortschrittes fähig.“ (a. a. O., 68). Konkret an einem Beispiel: Man müsse sich nicht mit Gen 1,6f ein Firmament als feste Himmelsglocke vorstellen. „Wir brauchen auch nicht bei starken Regenfällen zu vermuten, daß jemand vergessen hat, die Luken in dieser Himmelsglocke zu verschließen. Aber es genügt nicht, über solche Vorstellungen zu lächeln, wenn wir nicht fähig sind, in der Sprache heutiger Naturerkenntnis das Verhältnis der Naturwirklichkeit zur Wirklichkeit Gottes konkret auszusagen.“ (W. Pannenberg, Christentum in einer säkularisierten Welt, 69. Vgl. alternativ dazu W. Pannenberg, Die Säkularisierung des europäischen Geistes, 144. Alle solchen Überlegungen münden in das beschriebene Plädoyer der Kohärenzbildung in schöpfungstheologischer Absicht.

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Phänomen der endlichen Wirklichkeit dieser Welt mit Einschluß des Menschen angemessen begriffen ist, solange dabei von seiner Beziehung zu Gott abgesehen wird.“1551 Die Wirklichkeit in ihrer Einheit von Gott her zu verstehen, ist ein schon in frühen Veröffentlichungen erkennbares und hier wiederkehrendes Anliegen1552. Dieses wird durch das in jüngeren Publikationen deutlicher hervortretende Kohärenzanliegen zur Verteidigung des christlichen Wahrheitsanspruches nicht nur wiederholt, sondern durch die Applikation des Kohärenzkriteriums mit größerer systematischer Anstrengung aufgegriffen und tendenziell entschiedener und unter erklärter Einbeziehung speziell naturwissenschaftlicher Theoriebildung forciert(er) in Angriff genommen1553. 1551 W. Pannenberg, Christentum in einer säkularisierten Welt, 67. 1552 S.J. Grenz („Scientific“ Theology/ „Theological“ Science: Pannenberg and the Dialogue between Theology and Science, 165) hat zurecht mit Blick auf Pannenbergs Gottesverständnis von einer Vorstellung Gottes als „the great Unifier of the universe“ gesprochen. Grenz formulierte jedoch auch folgende Kritik: „But this begs the question of the basis for concluding that the great Unifier of the universe is none other than the God of the Christian faith. In other words, viewed from a Christian perspective, the form of the dialogue between theology and science represented in Beginning with the End risks running aground on a modern rearticulation of Tertullian’s cry, ‚What does Athens have to do with Jerusalem?‘.“ (ebd.). Diese Kritik bleibt mir unverständlich, da sich seine Kohärenzforderung konsequent aus dem christlichen Schöpfungsglauben ableiten lässt. Bildhaft gesprochen lassen sich deshalb auch Athen und Jerusalem nicht trennen – alle Entitäten müssten vielmehr auf Gott als die (Erst-)Ursache ihres Bestehens hin bedacht werden, wenn man glaubt, was man sagt, wenn man von der Schöpfung Gottes spricht oder sie im Glauben bekennt. 1553 „Wohl aber wird der Wahrheitsanspruch des Schöpfungsglaubens dadurch erhärtet, daß die Theologie die naturwissenschaftlichen Gesetzesaussagen prinzipiell in den Kohärenzrahmen ihrer Beschreibung der Welt als Schöpfung Gottes einordnen [kursiv: T. L.] kann.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 90) Diese Option eines naturwissenschaftliche Grundaussagen inkludierenden kohärenten Gesamtverständnisses der einen Wirklichkeit erachtet Pannenberg dann als möglich, „wenn [-wofür er plädiert-] alles Geschehen, auch das der durch Naturgesetze beschriebenen Abläufe, prinzipiell als kontingent“ betrachtet würde (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 90). Denn: „In diesem Fall handelt es sich nicht mehr um Lücken, sondern um ein auch die Grundaussagen der Naturwissenschaft umgreifendes Gesamtverständnis der Weltwirklichkeit, in dessen Rahmen die Tatsache der naturgesetzlichen Ordnung des Geschehens einen speziellen und in mehrfacher Hinsicht besonders bedeutsamen Platz einnimmt.“ (a. a. O., 90f). Zur kohärenten Einbeziehung in der Deskprition der einen Wirklichkeit speziell physikalischer Beschreibungen, „um dadurch die Kohärenz der eigenen Aussagen über die Weltwirklichkeit zu bewähren“ siehe a. a. O., 103. Pannenbergs deutliche holisierende Kohärenzforderung vom Standpunkt des christlichen Schöpfungsglauben aus verbindet ihn mit der Position Ph. Hefners (vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 78, Anm. 151), zeigt sich aber auch deutlich in Auseinandersetzung mit G. Ebeling, der bezüglich des Schöpfungsglaubens behauptet hatte, „seine Gewißheit wird nicht aus der Naturwissenschaft geschöpft“ (G. Ebeling, Dogmatik des christlichen Glaubens I, 304). Pannenberg widerspricht dem nicht, betont jedoch, „daß das Wahrheitsbewußtsein dieser Gewißheit gebunden ist an die Bedingung der Integrierbarkeit des naturwissenschaftlichen Weltverständnisses in die christliche Auffassung der Welt als Schöpfung Gottes [kursiv: T. L.].“ (a. a. O., Anm. 151). (Nebenbei bemerkt scheint Pannenberg hier Gewissheit als epistemische Gewissheit zu

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3.4.4.7.6 Zur klärungsbedürftigen Frage nach dem Ziel der Kohärenzbildung – eine Problemanzeige Dass eine bestimmte Gestalt schwacher Kohärenz als Wahrheitskriterium von Pannenberg (im weitesten Sinne) zur Verteidigung des christlichen Wahrheitsanspruches dienen soll, wird im Vorwort zu Band II seiner „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ sehr deutlich1554. Doch die wichtige Frage, die sich m. E. mit solch einem erklärtermaßen systematischen Anliegen verbinden sollte, was hinsichtlich der Wahrheitsfrage genau mithilfe von Kohärenzbildung(en) geleistet werden kann oder soll, wird nicht nur allein dort nicht restlos geklärt. Pannenbergs Formulierungen sind alles andere als konzise und präzise. In der Gesamtschau gewinnt der Leser den Eindruck, er konfundiere verschiedene Anliegen. Dazu folgende Auswahl an Belegen: Das (als spekulatives Unternehmen verstandene) Programm „der systematischen Rekonstruktion der christlichen Lehre“ zielt ab auf „Ausweis und Bewährung ihrer Wahrheit [kursiv: T. L.]“, was offenbar einer „theoretischen ‚Verifikation‘ der christlichen Lehre [kursiv: T. L.]“ gleichkommt1555. Ergänzt werden müsse sie durch „ihre affektive und praktische Bewährung“.“1556 Was beides in concreto bedeuten soll, wird von Pannenberg nicht weiter ausgeführt. Beabsichtigt Pannenberg lediglich, wie es an einer Stelle heißt, den Wahrheitsanspruch christlicher Theologie „zu klären und durch zusammenhängende Darstellung der

denken, d. h. nicht bloß als ein (strikt) von der Wahrheitsfrage zu separierendes mentales Phänomen. Auf diese Frage des Verhältnisses von Wahrheit und Gewissheit ist bereits oben eingegangen worden.) In Auseinandersetzung mit den Naturwissenschaften ist das Bemühen um ein Aufzeigen von Konsonanzen zentral, kommt darin doch auch das angestrebte Kohärenzideal zum Ausdruck. Vgl. dazu W. Pannenberg, Theologie der Schöpfung und Naturwissenschaft, in: J. Dorschner, M. Heller, W. Pannenberg, Mensch und Universum, 149: „So ist das Ziel einer Verständigung zwischen Schöpfungstheologie und naturwissenschaftlicher Welterkenntnis wohl eher im Sinne einer Konsonanz beider Betrachtungsweisen zu beschreiben […]. Konsonanz setzt Widerspruchsfreiheit voraus, aber sie erfordert darüber hinaus noch mehr. Widerspruchsfreiheit läßt sich auch von Gedanken behaupten, die beziehungslos nebeneinander stehen. Konsonanz hingegen schließt die Vorstellung einer Harmonie, also einer positiven Beziehung ein.“ (siehe auch den identischen Aufsatz in: W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. II, 32) Zur Konsonanz zwischen Schöpfungsglauben und (Natur-)Wissenschaft vgl. exemplarisch diese Feststellung: „Of course, the assumption of an origin of the universe at some finite point in the past does not „prove“ the biblical doctrine of creation, but it is „consonant“ [kursiv: T. L.] with it, to invoke the useful term of Ernan McMullin.“ (Vgl. W. Pannenberg, Facing Up: Science and Its Cultural Adversaries, 65). 1554 Vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 9ff. 1555 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 33. 1556 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 33. In Anm. 40 bezieht er sich auf U. Köpf, Die Anfänge der theologischen Wissenschaftstheorie im 13. Jahrhundert, 194–198, 207f u. 209f.

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christlichen Lehre zu erhärten [kursiv: T. L.]“ und um „seine Tragweite zu erproben [kursiv: T. L.]“1557? Oder geht es um weit mehr, nämlich um eine „Prüfung des christlichen Wahrheitsanspruches [kursiv: T. L.]“1558? Dem entspräche immerhin das wiederholt anklingende Vorhaben einer vorläufigen Bewährung der Wahrheitsansprüchen christlicher Lehre im Sinne einer vorläufigen Verifikation – etwa durch systematische, also „in der Form zusammenhängender Darstellung ihrer Inhalte“1559? „Die systematische Darstellung der christlichen Lehre“ durch die christliche Theologie ist darauf aus, „eine zusammenhängende Interpretation von Gott, Mensch und Welt [zu] entwickeln“, von der Pannenberg zufolge gelten soll, dass sie sich „mit guten Gründen als wahr vertreten läßt, […] als wahr behauptet werden kann.“1560

Vollziehen sich mit der Darstellung zugleich eine Prüfung und womöglich auch eine Erhärtung? 1561 Worin sich Letztere auszeichnen, bleibt ungeklärt. Interessanter scheint mir aber zu fragen, ob dieses Vorhaben sich nicht etwas bescheidender gibt als das eines auf vorläufige Bewährung abzielenden Unternehmens. Dazu passt die Bemerkung, dass „die Möglichkeit einer zusammenhängenden Interpretation der Welt mit Einschluß der Menschheit und ihrer Geschichte von einem bestimmten Gottesgedanken her bereits eine Probe [kursiv: T. L.] auf dessen mögliche Wahrheit [kursiv: T. L.]“ sei, „wenn auch eine solche Interpretation der Weltwirklichkeit an vielen Punkten strittig bleiben mag.“1562

Dieser eher in Richtung Plausibilisierung tendierende Gedanke stellt sich seinerseits wiederum als vergleichsweise bescheiden dar gegenüber der (bereits oben zitierten) Vorstellung, dass eine konsistente Darstellung christlicher Lehre innerhalb eines stichhaltigen Modells als Ausweis, Erhärtung oder gar Beweis der Wahrheit gelten könne1563.

1557 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 9f. Zum Gedanken der „Erhärtung“ durch Kohärenz siehe auch seine Bemerkungen a. a. O., 90. 1558 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 10. Zum Anpeilen einer „Prüfung“ siehe auch als weiteren Beleg W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 215. 1559 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 10. Das Projekt der vorläufigen Bewährung bzw. Verifizierung in Form einer zusammenhängenden Wirklichkeitsinterpretation findet sich schon in Pannenbergs Vorlesung „Theologie der Vernunft“ – dort ausdrücklich gegen eine „Beliebigkeit systematisch-theologischer Aussagen“ gewendet (zitiert nach W. Greive, Wolfhart Pannenbergs Vorlesung „Theologie der Vernunft“. Eine Skizze, 126). 1560 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 11. Dass diese Interpretation „aus der Perspektive des Offenbarungsgeschehens“ (ebd.) erfolgen soll, ist für Pannenbergs Theologie charakteristisch und insofern bedeutsam, aber für das Kohärenzargument allerdings zu vernachlässigen. 1561 Vgl. die Ausführungen in W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 60. 1562 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 12. 1563 Vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 70, wobei interessanterweise das „beweist“ in Anführungszeichen steht – meint er es etwa (doch) nicht so?

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Das Kriterium der Stichhaltigkeit erweist sich wie viele andere im Dienste des Kohärenzaufweises stehenden Wahrheitskriterien als letztlich diffus und ohne weitere systematisierende Explikation als kaum wissenschaftlich applikabel. Pannenberg hat dieses Kriterium der Kohärenz mit der Überzeugung gebraucht, dass im positiven Falle ein Wahrheitserweis möglich sei; er hat aber auch gesehen, dass ein für die Theologie denkbar ungünstiger Fall eintreten kann, und zwar dass eine sich als Kritik an der theologischen Intepretation der Weltwirklichkeit verstehende alternative kohärente Interpretation die Theologie mitsamt dem von ihr hoch gehaltenen Gottesgedanken in Bedrängnis bringen kann1564. Allerdings wäre m. E. auch hier die tatsächliche veritative Leistungsfähigkeit des in Anschlag gebrachten Kohärenzideals zu überprüfen. Wie es scheint, ist Pannenberg so sehr von der Wahrheit einzelner christlicher Wahrheitsansprüche überzeugt gewesen, dass er keine Hemmungen hatte, die Wahrheitsfrage als offen zu bezeichnen und an die Möglichkeit des Irrtums zu erinnern. Was gelegentlich in seinen Formulierungen anklingt, ist ein Bewusstsein der Superiorität der christlichen Deutung der Weltwirklichkeit1565. Auf der anderen Seite gewinnt der Leser gelegentlich den Eindruck, Pannenberg habe sich selbst vergewissern wollen durch sein Kohärenzprogramm. Das Bestehen von Glaubensgewissheit beispielsweise erübrigt aus der Sicht Pannenbergs nicht „die theologische Vergewisserung der Wahrheit der christlichen Lehre“1566, woraus geschlossen werden kann, dass der Vergewisserungsprozess mit einem epistemischen Anliegen verbunden ist. Das Kohärenzprogramm (systematischer) Theologie soll auch die Möglichkeit zur (Wahrheits-) Vergewisserung beinhalten: „Durch Untersuchung und Darstellung der Kohärenz der christlichen Lehre hinsichtlich des Verhältnisses ihrer Teile zueinander, aber auch hinsichtlich ihres Verhältnisses zu sonstigem Wissen vergewissert [kursiv: T. L.] sich systematische Theologie der Wahrheit der christlichen Lehre.“1567 1564 Vgl. dazu W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 71. 1565 Siehe dazu die grundsätzliche Bemerkung von S. Vasel (Philosophisch verantwortete Christologie und christlich-jüdischer Dialog, 493): „Insgesamt geht es Pannenberg nicht nur darum, dem säkularen Modell-Leser seiner Dogmatik den christlichen Glauben plausibel zu machen; es geht vielmehr darum, die Überlegenheit religiöser – und insbesondere christlicher – Weltdeutung gegenüber jeder a-religiösen Interpretation von Wirklichkeit zu erwiesen.“ Vgl. auch die instruktiven Bemerkungen von R.A. Rhem, A Theological Conception of Reality as History – Some Aspects of the Thinking of Wolfhart Pannenberg: Mit Troeltsch gegen Barth und Bultmann bezieht Pannenberg den christlichen Glauben auf die ganze Wirklichkeit, gegen Troeltsch wird aber nicht „Christianity in subjection to the prevailing world-view of modern man“ gesehen. Vielmehr ist Pannenberg der Meinung, dass „a Christian interpretation of the whole of reality is more rational than any other.“ (a. a. O., 181). 1566 Vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 60. 1567 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 31. Siehe auch W. Pannenbergs Äuße-

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Dieses Programm bezweckt eine ‚systematische bzw. theologische Vergewisserung‘1568. Pannenberg intendiert erklärtermaßen nicht nur eine „theologische Prüfung des Wahrheitsanspruchs der christlichen Offenbarung“, sondern zugleich auch „seine Vergewisserung […] in der Form systematischer Rekonstruktion der christlichen Lehre“1569. Die Theologie dürfe „hoffen, daß ihr immer wieder Einsichten geschenkt werden, die sie zu vernünftiger Vergewisserung der im Glauben antizipierten Wahrheit Gottes [kursiv: T. L.] gelangen lassen.“1570 Anscheinend geht es um etwas, das an anderer Stelle mit ‚Beruhigung‘ in Verbindung gebracht wird: „But certainly, we need to be reassured of that truth [kursiv: T. L.], and precisely there is the place for systematic theology.“1571 Aufs Ganze drängt sich der Eindruck auf, dass sich die Intentionen, die Pannenberg mit seinem kriteriologischen Kohärenzprogramm hegte, nicht auf einen Nenner bringen lassen. Unübersehbar ist allerdings das Wahrheitsinteresse als Grundmovens hinter seiner Herangehensweise an veritative Fragen. 3.4.4.7.7 Eschatologie, Wahrheit und eschatologische Verifikation

„Truth and eschatology are closely related, because only with the final consummation will the full meaning of history appear and the truth about God, humanity and creation be fully manifest.“1572 „For him it is not yet self-evident that God is God of history: it is one day to be finally demonstrated.“1573 „Only in the end, if the end should happen according to

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rungen zur systematischen Darstellungform, insbesondere zur „ebenfalls mit der systematischen Form der Darstellung verknüpfte[n] Wahrnehmung des Wahrheitsanspruches der christlichen Lehre.“ (W. Pannenberg, Dogmatische Theologie in ökumenischer Perspektive, 152). In diesem Verfahren kohärenten Darstellens erkennt Pannenberg eine Nähe zur Philosophie (vgl. ebd.). Vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 32 bzw. 33. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 281. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 84. W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 18. R. Rice, Wolfhart Pannenberg’s Crowning Achievement: A Review of His Systematic Theology, 58. So mit Recht S.J. Grenz, Reason for Hope, 279 Anm. 38.

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Christian expectations, will it be decided whether God is a reality.“1574 „That great day of final reckoning and judgement holds the ultimate verification and vindication, the deepest meaning of what happened in and to Christ, in relation to the God he called Father.“1575 „Weil Gott und seine Herrschaft den zentralen Inhalt des eschatologischen Heils bilden, darum ist die Eschatologie nicht nur Thema eines einzelnen Kapitels der Dogmatik, sondern bestimmt die Perspektive für das Ganze der christlichen Lehre.“1576

Die kriteriologische Applikation der Kohärenz im Rahmen einer kriteriologischen Kohärenztheorie der Wahrheit kann grundsätzlich gewürdigt werden. Mit kohärenten Entwürfen können Wahrheitsansprüche als legitime Ansprüche ausgewiesen werden. Da vollständige Kohärenz von Pannenberg als eine rein eschatologische Option eingestuft wird (s. o.), bleibt die epistemische Reichweite jeder veritativen Inanspruchnahme der Kohärenz auf eine jeweilige Gegenwart beschränkt. Demzufolge ist kohärente Urteilsbildung über Wahrheit ein durch das Eschaton relativiertes Unternehmen. Für Pannenbergs Theologie ist geradezu charakteristisch, dass alle (beanspruchte) Wahrheit in dem noch zum Eschaton hin offenen Geschichtsprozess nicht über den Status lediglich beanspruchter Wahrheit hinauskommt. Jedwede Frage nach dem Wahrheitsgehalt muss vorerst offen bleiben. Erst das Eschaton ist für Pannenberg der zeitliche Ort der Wahrheit – und das in mehrfacher Hinsicht: Das Themenfeld Eschatologie-Wahrheit-Verifikation umfasst in der Theologie Pannenbergs ein Geflecht verschiedener Fragestellungen: Ontologie, Gottes- und Wahrheitsfrage sind auf vielschichtige und (aufgrund einer fehlenden Systematik) auch auf verworrene, d. h. nicht immer unproblematische Weise, miteinander verwoben: Zunächst interessiert jedoch genauer, wieso und inwiefern Pannenberg überhaupt einen elementaren Zusammenhang von Wahrheit und Eschatologie behauptet bzw. behaupten kann. Eine wichtige Schaltstelle ist der von ihm sog. biblische, hebräische Wahrheitsbegriff und dessen Ausdeutung im Anschluss an H. v. Soden, wonach Wahrheit als dasjenige zu gelten habe, was sich künftig herausstelle (s. o.). In einer Betrachtung des geschichtlichen Endes notiert Pannenberg: 1574 So Pannenberg im Interview: W. Pannenberg, A Theological Conversation with Wolfhart Pannenberg, 294. Vgl. auch seine Bemerkung, „that it is only in the eschaton that the reality of God and his kingdom over his creation will become fully manifest in relation to the temporal course of its process.“ (W. Pannenberg, Theological Appropriation of Scientific Understandings: Response to Hefner, Wicken, Eaves, and Tipler, 267). 1575 T. Bradshaw, Pannenberg: A Guide for the Perplexed, 46. 1576 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 572f.

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„Das Endgeschehen wird sowohl den in der Geschichte handelnden Gott offenbaren als auch die Wahrheit über die Welt und die Menschen [kursiv: T. L.]. Das entspricht dem hebräischen Wahrheitsbegriff, demzufolge Wahrheit nicht im Gegensatz zur Zeit steht, nicht die zeitlose Selbstidentität der Dinge und die Übereinstimmung unserer Urteile mit ihr meint, sondern das, was sich im Prozeß des Geschehens an seinem Ende als das Wesen der Dinge [kursiv: T. L.] herausstellen wird. Daher gehört zum Endgeschehen auch das Gericht über die Welt, das Offenbarwerden des wahren Charakters und Wertes der Dinge und Menschen.“1577

Von der Zukunft hängt die Wahrheitsfrage ab1578. Das Eschaton ermöglicht im Verständnis Pannenbergs eine Aufklärung der strukturell ontologischen Wahrheit in dem (für sein Denken typischen) Sinne, dass sich mit ihr die (rein) ontologische Wesensfrage umfassend klären wird. „Zwar ist vom Blickpunkt unserer und jeder endlichen Gegenwart die Zukunft noch nicht entschieden, und insofern trägt der Fortschritt der Zeit und der Geschichte bei zur Entscheidung über die Wahrheit alles dessen, was ist und war. Das gilt auch für die Wirklichkeit und das Wesen Gottes. […] Dessen [sc. Künftiges und Vergangenes] endgültige Bedeutung, sein eigentliches Wesen, wird durch den Gang der Geschichte und endgültig erst durch ihre letzte Zukunft entschieden. Diese Entscheidung betrifft also gerade alles frühere Geschehen. Was die Zukunft als wahr entscheidet, das wird auf Grund dieser Entscheidung immer wahr gewesen sein.“1579

Die Zukunft tangiert also auch die Vergangenheit – und das ist für Pannenberg deshalb der Fall, weil Gott als die Macht der Zukunft gedacht wird1580. „It will be true all along, whatever the final nature of God is“1581. 1577 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 419. 1578 Galloway hat m. E. auch nicht zu Unrecht, gewissermaßen in diesem Sinn auch betont, dass alles an der Zukunft, am Eintreten des Reiches Gottes, hängt. Siehe A.D. Galloway, Wolfhart Pannenberg, 73. 1579 W. Pannenberg, Theologie und Reich Gottes, 20f. Vgl. Auch die englischsprachige Formulierung. Es gelte, „what turns out to be true in the future will then be evident as having been true all along.“ (W. Pannenberg, Theology and the Kingdom of God, 63). Pannenberg kommt auch an anderer Stelle auf „die künftig zu offenbarende Wahrheit der Dinge, ihr im Eschaton ans Licht kommendes wahres Wesen“ zu sprechen (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 651). Kennzeichnend für seine Ontologie ist nicht zuletzt der Gedanke einer retroaktiven Konstitution des Seienden aus der Zukunft und damit durch Gott als Macht der Zukunft. 1580 Im Hintergrund dieses Gedankens steht seine Abgrenzung von der Prozessphilosophie Whiteheads: Dieser habe nicht erkannt, dass eine zukünftige Entscheidung nicht nur die Zukunft betrifft, sondern auch die Vergangenheit (und zwar alles Vergangene). In diesem Zusammenhang kann Pannenberg sich dann auch gegen Whiteheads Gedanken einer Entwicklung in Gott wenden: Pannenberg schreibt: „Gott war jedem vergangenem Geschehen gegenwärtig als der, der er in seiner Zukünftigkeit ist und als der er sich in Zukunft erweisen wird. Die Priorität der Zukunft für das Wirklichkeitsverständnis, die im Gedanken des kommenden Gottes liegt, unterscheidet die hier entwickelte Argumentation von der Prozeßphilosophie Whiteheads.“ (W. Pannenberg, Theologie und Reich Gottes, 21).

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Im Hinblick auf die Momente der Geschichtlichkeit, Zeitlichkeit und des Prozessualen als zum Wesen der Wahrheit gehörige Aspekte kann, um eine Formulierung von J. Ringleben aufzugreifen, von einer „Theorie einer auf sich zugehenden Wahrheit“1582 gesprochen werden. Eschatologisch entscheidet sich nach Meinung von Pannenberg vor allem aber eines – die Gottesfrage1583: Schon in „O f f e n b a r u n g a l s G e s c h i c h t e “ stellt Pannenberg die für seine Geschichtstheologie zentrale These auf, dass „[e]rst am Ende alles Geschehens […] Jahwe als der eine, einzige Gott endgültig offenbar sein [werde].“1584 Damit ist die Vorstellung eines definitiven, eschatologischen göttlichen Selbsterweises angesprochen. Pannenberg zufolge „kommt erst mit der eschatologischen Vollendung der Welt auch ihre Schöpfung zum Abschluß.“1585 Und mit dem Ende der Geschichte und dem Abschluss des schöpferischen Handelns Gottes ist für Pannenberg auch erst der definitive göttliche Selbsterweis als Bestätigung des angenommenen, aber stets im Horizont einer offenen Geschichte noch strittigen, Schöpfungshandelns zu erwarten1586. Es wird mit dem Erweis gerechnet, dass Gott sich als die Liebe und als das wahrhaft Unendliche zu erkennen gibt: „Erst die künftige Vollendung seines Reiches kann abschließend erweisen, daß die Gottheit Gottes schon in der Geschichte Jesu definitiv offenbar geworden ist und daß umgekehrt der Gott der Liebe wahrhaft Gott ist.“1587 Diesen Gedanken kann

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Vgl. ausführlicher auch die Erläuterungen von Lewis Ford, The Nature of the Power of the Future, 86). So zu Pannenberg: Lewis Ford, The Nature of the Power of the Future, 86. J. Ringleben, Gottes Sein, Handeln und Werden, 470. Siehe dazu auch den Hinweis von H. Schulz (Vom Daseinsverständnis zum Evidenzerleben, 114 Anm. 29), dass bei Pannenberg „Gott selbst die letzte und streng genommen einzig mögliche (eschatologische) Verifikationsinstanz der christlichen Botschaft“ ist, worin er eine Parallele zu I.U. Dalferth (Religiöse Rede von Gott, 697 u. 699) sieht. W. Pannenberg, Dogmatische Thesen zur Lehre von der Offenbarung, 97. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 13. Weiterführend zur Bedeutung der Eschatologie für Pannenbergs Theologie siehe Chr. AxtPiscalar, Die Eschatologie in ihrer Funktion und Bedeutung für das Ganze der Systematischen Theologie Wolfhart Pannenbergs, zum Obigen bes. 133f. Pannenberg setzt freilich voraus, dass es so etwas wie ein künftiges Ende der Geschichte geben wird. Diese Erwartung ist jedoch, wie er selbst bemerkt, (nicht zuletzt auch naturwissenschaftlich) umstritten. Gegenüber I. Berten, der „der Annahme eines Endes der Geschichte kritisch gegenüber“ steht (W. Pannenberg, Nachwort von Wolfhart Pannenberg, in: I. Berten, GeschichteOffenbarung-Glaube, 132) verteidigt Pannenberg seinen Standpunkt, insbesondere mit dem hermeneutischen Argument, ein solches Ende sei erforderlich für die Kategorie von Sinn und Bedeutung hinsichtlich der Totalität der Wirklichkeit (Vgl. W. Pannenberg, Nachwort von Wolfhart Pannenberg, in: I. Berten, Geschichte-Offenbarung-Glaube, 133). W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 477. Vgl. auch a. a. O., 65. Zum eschatologischen Erweis Gottes als Liebe und das wahrhaft Unendliche siehe (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 482f). Zum eschatologischen Erweis des Daseins Gottes siehe ferner W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 138 sowie Systematische Theologie Bd. I, 360.

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man durchaus als einen ‚eschatologischen Vorbehalt‘ verstehen1588. Pannenberg denkt dieses künftige Ereignis zugleich zusammen mit der Aufhebung jeden Unglaubens und Zweifels: „Die eschatologische Vollendung der Welt zur Teilnahme an der Herrlichkeit Gottes wird auch das Unrecht des Unglaubens und seiner Zweifel an der Existenz Gottes, sowie an der Liebe des Schöpfers zu seinen Geschöpfen erweisen.“1589 Der eschatologische Selbsterweis hat also insgesamt eine im Denken Pannenbergs fundamentale Bedeutung; es geht um nicht weniger als um die letztgültige Klärung der offenen Wahrheitsfrage. Selbst der christliche Anspruch, „daß dieser Selbsterweis Gottes in der Geschichte Jesu, in der Auferweckung des Gekreuzigten, bereits erbracht sei“, kann dessen Bedeutung nicht schmälern1590: Denn dass dieser Selbsterweis erbracht sei, „gilt auch der urchristlichen Botschaft zufolge nur im Sinne einer Antizipation [kursiv: T. L.] des Endgeschehens, dessen Vollendung [kursiv: T. L.] noch zu erwarten bleibt in der endgültigen Realisierung des Gottesreiches bei der Wiederkunft Christi, in Verbindung mit der Auferweckung der Toten und dem Gericht über diese Welt.“1591 Das bedeutet eben, dass die noch ausstehende Offenbarung Gottes und das Anbrechen des Reiches Gottes im Denken Pannenbergs einer solchen finalen Bestätigung in Form eines endgültigen göttlichen Selbsterweises bedürfen1592. In dem von Pannenberg erwarteten eschatologischen Selbsterweis Gottes bekundet sich, wie J. Ringleben treffend formulierte, so etwas wie die Vorstellung einer „Selbstverifikation Gottes in der vollendeten Selbstoffenbarung“1593 Es geht also um den Gedanken, dass Gott sich selbst zu erkennen gibt und so sich selbst gleichsam verifiziert. Allerdings fällt bei näherem Betrachten der Ausführungen Pannenbergs zum Eschaton auf, dass allein dieser göttliche Selbsterweis mit Wahrheit in unterschiedlichen Hinsichten in Verbindung gebracht wird. Das zeigen die ausgewählten Belege: Pannenberg meint „daß allein die Zukunft Gottes selbst die [derzeit noch offene] Frage nach der Wahrheit der Christusoffenbarung und des christlichen Glaubens [kursiv: T. L.] endgültig entscheiden kann, obwohl diese Wahrheit überall da schon wirksam gegenwärtig ist, wo der Geist Gottes und Christi weht. […]. Diesseits der Vollendung der Wahrheit Gottes [kursiv: T. L.] in der Geschichte der Welt gehört gerade das Bewußtsein

1588 Vgl. U. Ruh, Den Glauben denken, 181. Er bezieht sich auf den Beleg in W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 65. 1589 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 678f. 1590 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 476f. 1591 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 477. Zu demselben Gedanken vgl. auch schon W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 138. 1592 Vgl. dazu W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 234 sowie W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 684. 1593 J. Ringleben, Gottes Sein, Handeln und Werden, 465.

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der Vorläufigkeit und Gebrochenheit ihrer gegenwärtigen Realisierung bei uns zu den Bedingungen für die Glaubwürdigkeit christlicher Verkündigung und Theologie.“1594 „Die ewige Gottheit des trinitarischen Gottes geht in der Geschichte ihrer endgültigen Bewahrheitung noch entgegen, ebenso wie die Wahrheit seiner Offenbarung [kursiv: T. L.].“1595 „Das Eschatologiekapitel legt dar, daß und wie die eschatologische Vollendung Gottes Festhalten an seinem Schöpferwillen zum Inhalt hat und dabei für die einzelnen Geschöpfe sowohl Gericht als auch ewiges Heil in sich schließt. Erst durch diese eschatologische Vollendung der Welt wird Gott sich selbst definitiv als der wahre Gott und Schöpfer seiner Geschöpfe erweisen, und damit wird er zugleich die Wahrheit seiner Offenbarung in Jesus Christus [kursiv: T. L.] endgültig erweisen.“1596 1594 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 13. 1595 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 360. Diese Formulierung scheint mir problematisch. Wie kann neben der (an sich auch nicht ganz unproblematischen) Rede von der letztgültigen Bewahrheitung der Gottheit Gottes auch gesagt werden, die ‚Wahrheit der Offenbarung‘ gehe ihrer eigenen Bewahrheitung entgegen? Wenn es sich wirklich um die Wahrheit der Offenbarung handelnt sollte, bedarf es keiner Bewahrheitung mehr. Pannenberg dürfte vielmehr den Anspruch auf Wahrheit der Offenbarung Gottes in Jesus Christus gemeint haben, der freilich nicht mit Wahrheit selbst zu verwechseln ist und in Bezug auf welchen auch gesagt werden kann, er sei auf eine künftige Bestätigung angewiesen. Gleiches wird man hinsichtlich des Gedankens einer Bewahrheitung der Gottheit Gottes sagen dürfen. Nicht die Gottheit Gottes selbst bedarf einer Bewahrheitung, sondern der Anspruch bzw. Gedanke, dass Gott Schöpfer dieser einen Welt ist und seine Gottheit eschatologisch erweisen wird. Pannenberg versteht seine Rede von der Offenbarung Gottes als strukturell antizipativ (s. folgende Anmerkung). 1596 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 11. Wahrheit scheint hier als eine aussagentheoretische Größe gedacht, worauf unten noch näher einzugehen ist: Die sich im Gedanken des ‚wahren Gottes‘ bekundende semantisch-ontologische Relationalität findet sich insofern im Gedanken der Wahrheit der Offenbarung Gottes wieder, als der Ausdruck ‚Wahrheit‘ offenbar ‚Tatsächlichkeit‘ meint und ebenso eine Relation zwischen Sprache und außersprachlicher Wirklichkeit Gottes impliziert, ja intendiert. Die Vorstellung, dass es die „Sache Gottes selbst“ sei, „[d]ie Entscheidung über die Wahrheit seiner Offenbarung also und die Durchsetzung ihrer öffentlichen Anerkennung“ herbeizuführen, findet sich in W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 13. Faktisch fungiert bei Pannenberg der erwartete, künftige Anbruch des Reiches Gottes als Wahrmacher für den Anspruch auf „Wahrheit der Offenbarung Gottes in Jesus Christus“ (s. u.). Erst das künftige Eintreten kann gewissermaßen diesen Anspruch und auch die Inhalte christlicher Lehre endgültig verifizieren: „Die Wahrheit der Offenbarung Gottes in Jesus Christus ist also abhängig vom tatsächlichen Anbruch des [sic!] Zukunft des Reiches Gottes, und sie wird gegenwärtig behauptet und verkündigt unter der Voraussetzung seines Kommens. Auf das Kommen des Reiches gründet sich die Botschaft Jesu, und ohne das Eintreffen dieser Zukunft wäre sie ihrer Basis beraubt. Zwar würde die Zukunft des Gottesreiches durch Jesu Wirken schon Gegenwart bei denen, die ihm und seiner Botschaft Glauben schenkten, und ihre dieses irdische Leben verwandelnde Kraft ist schon offenbar geworden im Ereignis der Auferweckung Jesu. Aber daß damit das damals Geschehene richtig beschrieben ist, bleibt abhängig von der noch ausstehenden tatsächlichen Ankunft der Gottesherrschaft in ihrer ganzen Kraft und Herrlichkeit [dort in Anm. 24 mit Verweis auf W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 392f]. Und wie das Wirken und die Geschichte Jesu wesentlich

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Hinsichtlich der göttlichen Wahrheit im Speziellen nimmt er an, dass sie sich eschatologisch selbst verifiziert durch das Eintreten der endzeitlichen Ereignisse1597.

Es ist unübersehbar, dass Pannenberg hier mit verschiedenen Begriffen der Wahrheit operiert. Während die Frage nach der Wahrheit der Offenbarung und des Glaubens sowie die Vorstellung von Bewahrheitung (letztlich irgendwie) aussagetheoretisch zu verstehen sein dürfte, wird mit der parallelen Rede von einer eschatologischen Vollendung der Wahrheit Gottes das Wort ‚Wahrheit‘ scheinbar (und m. E. ohne erkennbare Bedeutung) simpel als Gottesattribut verwendet. Vor dem Hintergrund dieses theologisch durchaus verbreiteten Sprachgebrauchs mag es nicht wundern, dass das Eschaton für Pannenberg nicht „nur“ einen Selbsterweis Gottes erwarten lässt, sondern eben auch mit einem (bzw. dem identischen?) Selbsterweis der Wahrheit Gottes rechnen lässt, sodass auf diese Weise die Strittigkeit der Wahrheit innerhalb der noch offenen Geschichte ausgeräumt werden könne1598. Denn es ist seine feste Überzeugung, dass „die ewige Selbstidentität Gottes und die Strittigkeit seiner Wahrheit im Prozeß der Geschichte“ erst „durch die Vollendung der Geschichte“ entschieden werden wird1599. Präeschatologisch ist auch die spezielle Frage nach der Wahrheit Gottes als unentschieden anzusehen1600. Jedwede Rede von dieser Wahrheit Gottes im Horizont der noch unabgeschlossenen Geschichte denkt Pannenberg als unhintergehbar konjektural, hypothetisch und antizipativ1601, wie es bereits an an-

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Antizipation der Gottesherrschaft waren und hinsichtlich ihres Sinnes und ihrer Wahrheit von der Zukunft des endgültigen Kommens derselben abhängen, so auch das gottesdienstliche Leben der Kirche, die Gegenwart Jesu Christi bei der Feier seines Mahls, die Heilswirkung der Taufe, aber auch das christliche Erwählungsbewußtsein und die Rechtfertigungsgewißheit des Glaubens. Die ganze christliche Lehre hängt hinsichtlich ihres Inhalts und ihrer Wahrheit an der Zukunft des Kommens Gottes selbst zur Vollendung seiner Herrschaft über seine Schöpfung.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 573). Zur eschatologischen Verifikation vgl. bereits W. Pannenberg, Dogmatische Thesen zur Lehre von der Offenbarung, 97 sowie ders., Wissenschaftstheorie und Theologie, 346f. Vgl. dazu folgende Belege: „Das Offenbarungserlebnis wird damit zu etwas Vorläufigem, dessen Wahrheit an der Zukunft des Selbsterweises der Wahrheit Gottes [kursiv: T. L.] hängt. Das hindert nicht, daß umgekehrt der apokalyptische Seher ebenso wie der Prophet sich bereits im Licht der künftig zu offenbarenden Wahrheit wußten. Sie lebten in dem Bewußtsein, daß die endgültige Wahrheit ihnen schon gegenwärtig eröffnet worden war.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 234). W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 361. Vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 281: „Wie nun aber alle Offenbarung Gottes in seinem geschichtlichen Handeln auf die noch ausstehende Zukunft der Vollendung der Geschichte vorgreift, so bleibt umgekehrt ihr Anspruch, die Gottheit des einen Gottes zu offenbaren, der Schöpfer, Versöhner und Erlöser der Welt ist, in der noch nicht vollendeten Geschichte offen auf künftige Bewährung, offen darum auch für die Frage nach seiner Wahrheit.“ (ebd.). Vgl. folgende Formulierungen: „Der Anspruch des biblischen Schöpfungsglaubens auf das Ganze der Weltwirklichkeit als Ausdruck der schöpferischen Macht Gottes und als Erweis

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derer Stelle ausführlich dargelegt worden ist, wobei die Kategorie der Antizipation überproportional häufig für diesen Gedanken beansprucht zu werden scheint1602. Bis hierher ist deutlich geworden, dass Pannenberg das Eschaton als einen Ort verstanden hat, an dem sich strukturell unterschiedliche Wahrheiten zu erkennen geben. Neben dem Gedanken des künftigen Sichherausstellens des Wesens ontologischer Wahrheit und des Selbsterweiseses Gottes (und der damit in Verbindung gebrachten Wahrheitsfragen) denkt Pannenberg, wie bereits festgestellt werden konnte, die eschatologische Zukunft mitunter auch als den ausgezeichneten Ort, an welchem Fragen nach aussagetheoretischer Wahrheit definitiv beantwortbar werden, nämlich indem sie verifiziert oder falsifiziert werden (können) 1603. Zu wichtigen Referenzpersonen wurden für ihn John Hick1604 und I.M. Crombie1605, deren Erwartung, dass eine abschließende, definitive, eschatologi-

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seiner alleinigen Gottheit hat im Prozeß der noch nicht abgeschlossenen Geschichte faktisch immer die Form einer Antizipation seiner erst am Ende der Geschichte definitiv zur Erscheinung kommenden Wahrheit.“ (W. Pannenberg, Den Glauben an ihm selbs fassen und verstehen, 362). Die Reflexion auf den göttlichen Selbsterweis erfolgt Pannenberg zufolge über „durch sich immer wieder als korrekturbedürftig erweisende Konjekturen und Hypothesen.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 11f). „Darin wird ähnlich wie im Leben der Kirche die endgültige Wahrheit Gottes selbst schon ergriffen und also Gegenwart – ewige Wahrheit – , aber doch nur in vorläufiger Gestalt, die nicht selber für die endgültige Wahrheit genommen werden darf.“ (a. a. O., 12). Vgl. zur antizipativen Erfassung von Wahrheit schon das Nachwort zu Offenbarung als Geschichte (5. Aufl.), 145: „Psychologisch geurteilt, lebt der einzelne Glaubende immer nur von einer vorläufigen Erkenntnis her, im Vorgriff auf die endgültig erst im Eschaton zu erkennende Wahrheit, im Vorgriff aber auch auf eine schon hier sich erschließende und gegenwärtige Zweifel lösende Erkenntnis des Geglaubten.“ Siehe auch folgende Belege: „Auch Gottes Offenbarung in der Geschichte hat die Form einer Antizipation der definitiven Manifestation seiner ewigen und allmächtigen Gottheit im Ereignis der Vollendung aller Zeit und Geschichte.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 573) „Schon der Offenbarungsgedanke, der durch das trinitarische Gottesverständnis entfaltet wird, beruht ja auf der Antizipation des Endes der Geschichte in der Person und Geschichte Jesu Christi.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 360). Vgl. auch schon W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 236: „Insofern ist auch das Reden von der Offenbarung Gottes in Jesus Christus proleptisch. Es geschieht im Vorgriff auf den abschließenden Erweis ihrer Wahrheit durch den Anbruch des Endes selbst.“ Siehe auch die Einschätzung von Paul O’ Callaghan zum Gedanken der eschatologischen Verifzierung unserer ‚affirmations‘: „Pannenberg seems to be saying that truth – definitive, binding, religious truth – though it may well exist ‚in itself‘, is inaccessible ‚for us‘ in the present moment with all its clarity and fullness. From the Christian standpoint, in other words, truth can be verified only at the end, eschatologically, and the truth affirmations we make, such as they are, are at best doxological in nature.“ (P. O’ Callaghan, Whose Future? Pannenberg’s Eschatological Verification of Theological Truth, 25). Pannenberg bezieht sich auf J. Hick, Philosophy of Religion, 100ff sowie auf ders., Faith and Knowledge (21966), 169ff. Pannenberg bezieht sich auch auf I.M. Crombie, Theology and Falsification, 109–130.

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sche Verifikation erst in der eschatologischen Zukunft möglich sei, er geteilt hat. Es geht in concreto um die Erwartung, „daß erst das Ende aller Geschichte die endgültige Entscheidung über alle Behauptungen [kursiv: T. L.] hinsichtlich der Wirklichkeit im ganzen, und so auch im Hinblick auf die Wirklichkeit Gottes“ bringen kann1606. Verifikation heißt hier Verifikation von Aussagen1607. Deren Kognitivität voraussetzend (vgl. oben), kann er in der Tat problemlos, d. h. werkskohärent, nach Möglichkeiten der Verifikation fragen1608. Folgende Beispiele aus Pannenbergs Werk zur Vorstellung einer eschatologischen Verifikation als einer Verifikation auf Aussagenebene mögen genügen: „Auf dem Wege zu jener letzten Zukunft bleibt der Wahrheitsanspruch der christlichen Botschaft von Gott unvermeidlicherweise strittig. Daran kann auch die Theologie nichts ändern. Die Theologie kann den Glauben nicht ersetzen. Aber sie kann zu klären versuchen, inwieweit sich der Glaube, dem Wahrheitsanspruch der christlichen Verkündigung [kursiv: T. L.] entsprechend, im Bunde mit der wahren Vernunft wissen darf.“1609 Es gelte, dass innerhalb der noch unabgeschlossenen Geschichte der Wahrheitsanspruch nicht definitiv geklärt werde, „sei es mit dem Ergebnis einer Verifikation oder einer Falsifikation.“1610 So ist dies seine Überzeugung, „daß erst das Ende aller Geschichte die endgültige Entscheidung über alle Behauptungen hinsichtlich der Wirklichkeit im ganzen, und so auch im Hinblick auf die Wirklichkeit Gottes und die Bestimmung des Menschen bringen kann.“1611 „Erst in der Zukunft […] wird sich die Behauptung ‚Gott existiert‘ endgültig als wahr erweisen [kursiv: T. L.].“1612 1606 Siehe dazu W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 346f (zit. 347). 1607 So scheinbar auch die Interpretation von M. Leiner: „Pannenberg geht davon aus, dass Aussagen des christlichen Glaubens unter der Wahrheitsfrage stehen und unterschiedlicher Verifikationen bedürfen.“ (M. Leiner, Methodischer Leitfaden Systematische Theologie und Religionsphilosophie, 49). 1608 Insofern ergibt sich eine weitere, zwangsläufige Parallele zwischen Pannenberg und Hick. Auch hat er freilich für sein Verifikationsverfahren mit der Vorstellung eines kognitiven Glaubensinhaltes operiert bzw. operieren müssen (wenn er verifzierbar oder falsifizierbar sein soll). Vgl. dazu auch die Bemerkung von A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 546. 1609 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 477. 1610 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 346. Hierin scheint mir eine nicht unwesentliche Parallele zum Programm eschatologischer Verifikation bei Hick zu bestehen. Auch er hat schon ausdrücklich die prinzipielle Möglichkeit einer eschatologischen Falsifikation mit aufgenommen, wie A. Kreiner (Ende der Wahrheit?, 527 Anm. 42) zeigen konnte (er bezieht sich auf J. Hick, Faith and Knowledge (1957), 156). 1611 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 347. 1612 W. Pannenberg, Theologie und Reich Gottes, 20; vgl. auch die englische Übersetzung: W. Pannenberg, Theology and the Kingdom of God, 11f. Auch an anderer Stelle zeigen Pannenbergs Ausführungen, dass er offenbar eschatologisch auch mit der Möglichkeit der Bestätigung von Wahrheitsansprüchen rechnet: Es scheint also eschatologisch (zumindest

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Auch wenn aus den zitierten Belegen eine mehr oder weniger große Zuversicht zum Ausdruck kommt, was die Verifizierung christlicher bzw. theologischer Wahrheitsansprüche betrifft, hat Pannenberg solchem Optimismus zum Trotz in seiner „Wi s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d T h e o l o g i e “ die prinzipielle Möglichkeit auch einer Falsifikation eingeräumt. Und zwar gibt er zu bedenken, „daß Theologie als endliche Erkenntnisbemühung ständig der Möglichkeit ausgesetzt ist, daß sich ihr Gegenstand durch den Vollzug seiner Erklärung selbst in einen anderen verwandeln und dementsprechend die Theologie in einer anderen Disziplin aufgehen könnte.“1613 Wenn das ernstgenommen wird, dann gilt dies nicht nur für die eschatologische Klärung der in Aussageform gekleideten Wahrheitsansprüche, sondern erstreckt sich auf sämtliche, hier explizit benannte formale und materiale (letztlich: potentielle) Wahrheiten, deren letzte Prüfung Pannenberg zufolge noch aussteht. Wie dieses Kapitel demonstriert hat, wäre es unzureichend, die eschatologische Verifikationsthematik in der Theologie Pannenbergs auf nur einen Begriff von Wahrheit zu beziehen. Dass dies teilweise dennoch geschieht, zeigt ein Blick in die entsprechende Sekundärliteratur, die nicht selten die Verifikations- bzw. Falsifikationsthematik (womöglich intuitiv?) auf lediglich die aussagetheoretische Wahrheit bezogen hat: So hat beispielsweise Allan D. Galloway ausgeführt, dass sich die Wahrheit oder Falschheit der Wahrheitsansprüche Jesu am Ende der Geschichte zeige1614. auch und speziell) um die Frage nach der (aussagetheoretischen) Wahrheit der christlichen Hoffnung auf ein Leben über den Tod, also um den Wahrheitsgehalt dieser Hoffnung zu gehen. Pannenberg fordert sogar, dieser konkreten Wahrheitsfrage nicht auszuweichen (vgl. W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. II, 272f). Weil die Zukunft und nicht etwa schon die Gegenwart über Wahrheit entscheidet, kann auch der Einwand von John M. Russell gegenüber Pannenbergs Gedanken einer eschatologischen Verifizierung als abwegig zurückgewiesen werden. Russell fragte: „How can the eschatological verification of a theological assertion qualify as „intersubjectively valid“ to presently-living inquirers? Experiencing the eschaton seems private in character, not public.“ (John M. Russell, Pannenberg on Verification in Theology: An epistemic Response, 44). Hierzu ist zu sagen, dass die eschatologische Verifikation nicht an der Erfahrung des Eschatons, sondern an der Tatsächlichkeit des Eschatons selbst hängt. Insofern besteht auch kein Widerspruch zu dem von Pannenberg eingeforderten Intersubjektivitätsanspruch. 1613 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 302f. Die Möglichkeit der Falsifikation ist allerdings in der Tat, wie A. Kreiner anmerkte, hier eher „vorsichtig angedeutet“ (vgl. A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 555 Anm. 34). In seiner Vorlesung „Theologie der Vernunft“ lesen wir deutlicher, dass Pannenberg „die endgültige Verifikation (oder Falsifikation) [kursiv: T. L.] des theologischen Redens von Gott und von seiner Offenbarung“ mit der eschatologischen Zukunft verbindet. Siehe dazu W. Greive, Wolfhart Pannenbergs Vorlesung „Theologie der Vernunft“. Eine Skizze, 126. 1614 „An emphasis on the futurity of the Kingdom of God has the systematic advantage that it establishes definite truth-conditions for the claims of Jesus. If the apocalyptic expectations are in one way or another fulfilled, then the claims are to that extent vindicated. If they are not fulfilled, then the claims are false.“ (Allan D. Galloway, Wolfhart Pannenberg, 67. Siehe

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Rory A. A. Hinton scheint für den Verifikationsprozess die aussagetheoretische Wahrheit vorauszusetzen, indem er meint, dass nicht wir Menschen, sondern „that God [kursiv: T. L.] must theoretically verify our models at the end of history since he is the all-determining reality.“1615 Ganz ähnlich spricht M. Leiner von einer eschatologischen Verifizierung dogmatischer Aussagen – gerade auch unter Bezugnahme auf Pannenberg von einer ‚eschatologischen Verifikationstheorie‘–, die auch als eine Theorie der Verifizierung „durch Gott am Ende aller Tage“ gedacht sei1616. Und auch S. Vasels These, dass Pannenberg „die Frage der Wahrheit der christlichen Lehre [kursiv: T. L.] bis zum eschatologischen Selbsterweis Gottes offen gehalten“ habe1617, impliziert eine aussagetheoretische Interpretation. Letztlich wäre eine differenziertere, in sich systematische Betrachtung der eschatologischen Verifizierungsfrage durch Pannenberg hilfreich gewesen. Weil dieser Schritt aber ausgeblieben ist, wurde die Chance vertan, das von ihm behauptete Verwobensein der Wahrheitsthematik mit der Eschatologie tiefgehender zu reflektieren. 3.4.4.7.8 Potentiale und (prinzipielle) Grenzen einer kriteriologischen Applikation des Kohärenzideals Pannenbergs Überlegungen zur eschatologischen Klärung aller Wahrheitsfragen scheinen sinnfällig – zumindest im Horizont eines christlichen Verständnisses der Weltwirklichkeit. Die These einer eschatologischen Verifikation hilft jedoch – wie sich oben bereits zeigte – nicht weiter für die gegenwärtige Urteilsbildung, für die Pannenberg auf beeindruckende Weise das Kohärenzideal bemüht hat. Eine kriteriologische Applikation des Kohärenzideals hat auf veritativem Gebiet ein beträchtliches Potential. Gleichwohl gibt es auch Grenzen, die einem Kohärenzprogramm gesetzt sind und deshalb auch von denjenigen wahrgenommen werden sollten, die ein solches Programm propagieren.

dazu passend auch W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie, 156 zum Thema der allgemeinen Auferweckung der Toten). 1615 R.A.A. Hinton, III. Pannenberg on the Truth of Christian Discourse: A Logical Response, 316. Dass Hinton Pannenberg so interpretiert, scheint mit der Tatsache in Zusammenhang zu stehen, dass er bei Michael Dummet eine ähnliche Überzeugung findet, die er in Verbindung mit dem Ansatz Pannenbergs aufgreifen möchte: Jedenfalls erkennt Hinton in Pannenbergs (eschatologischem) Verifikationsmodell eine Konvergenz zu Michael Dummet, der von einem logischen Gesichtspunkt aus der gleichen Meinung war: Dieser „argues that our models must be veriefied, or be capable of being verified, in order to have meaning at all.“ (a. a. O., 316) Hinton meint zudem, man könne mit M. Dummets Ansatz Pannenbergs Verifikationstheorie weiter ausbauen (vgl. dazu a. a. O., 315–317). 1616 M. Leiner, Methodischer Leitfaden Systematische Theologie und Religionsphilosophie, 52. 1617 S. Vasel, Philosophisch verantwortete Christologie und christlich-jüdischer Dialog, 493.

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Ein erster Gegenstand möglicher Kritik kann beispielsweise eine konkrete Gestalt beanspruchter Kohärenz sein. Gegen Pannenberg formuliert in diesem Sinne J.A. Stewart. Sie meint, „Pannenberg’s desire to perceive unity may lead to an assumption of coherence between theories when there is, in fact, none [kursiv: T. L.].“1618 Anstatt die beanspruchte Kohärenz selbst in Frage zu stellen, kann auch auf das Problem aufmerksam gemacht werden, dass Wichtiges aus anderen Wissenschaften (wie z. B. den Naturwissenschaften) in der Kohärenzbildung fehle1619. Eine vollständige Kohärenzprüfung auch nur seines Werkes dürfte – sowohl mit Blick auf allein die immanente Kohärenz als auch mit Blick auf den mit seiner Kohärenztheorie verbundenen Universalitätsanspruch – kaum (wenn überhaupt) realisierbar sein. Würden Inkohärenzen gefunden, stellten sie den mit dem gesamten Kohärenzsystem verbundenen Wahrheitsanspruch in Frage. Ob Inkohärenzen tatsächlich vorliegen, kann nur im Einzelnen geprüft werden, wobei nicht auszuschließen ist, dass es diesbezüglich unterschiedliche Meinungen geben kann. Dass die Menge kohärenter Daten stets unvollendet bleibt, ist eigentlich klar und eher eine banale, aber wichtige und folgenreiche Erkenntnis. Selbst wenn ein Nachweis der Kohärenz positiv verliefe, wäre damit nur eine mögliche Form kohärenter Aussagenbildung gezeigt. Es ist grundsätzlich möglich auch andere Kohärenzsysteme zu bilden, also auch solche, in denen Datenmaterial Berücksichtigung finden kann, das an anderer Stelle aufgrund von Inkohärenzen exkludiert worden ist. Eine andere mögliche Form der Kritik kriteriologischer Kohärenzanstrengungen erweist sich als gravierender, und zwar eine solche Form, bei der das Kohärenzideal selbst Gegenstand der Kritik ist. Denn selbst bei einwandfrei kohärenten Aussagesystemen ist nicht klar, ob Wahrheit durch es verbürgt werden kann. Es ist damit die Fallibilität epistemischer Relationen nicht ausge1618 J.A. Stewart, Reconstructing Science and Theology in Postmodernity, 145: Stewart greift a. a. O. 144 auf den Aufsatz von Paul D. Molnar zurück, wonach Pannenberg (so Molnar) „substitutes the observation of unity for the unity itself.“ 1619 Der an Pannenberg von Lindon Eaves gerichtete Vorwurf ist der, dass er die Biologie vernachlässige. Vgl. dazu den Hinweis von Carol Rausch Albright, Introduction to Part Five, in: C.R. Albright/J.Haugen (Hg.), Beginning with the End, 308. Zur Kritik siehe ausführlicher L. Eaves, Behavioral Genetics, or What’s Missing from Theological Anthropology?, 341–347: Darin hebt Eaves die Bedeutung der Biologie (Genetik) hervor für die Anthropologie, was schließlich auf eine Kritik der Kohärenzbildung hinausläuft und auf die Frage hinführt, was jeweils an Material für die Kohärenzbildung aufzunehmen ist. Lindon Eaves ist der Meinung, „Pannenberg tends to disavow the paradigms of science in favor of an idiographic search for meaning and coherence.“ (So der Hinweis von Carol Rausch Albright, Introduction to Part Five, in: C.R. Albright/J. Haugen (Hg.), Beginning with the End, 306). Eaves meint weiter, dass „[a] theology which lays claim to science, therefore, has to be prepared for the truth to be different from what it would like.“ (L. Eaves, Spirit, Method, and Content in Science and Religion: The Theological Perspective of a Geneticist, 329).

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schlossen: Ein in sich kohärentes Modell ist zwar grundsätzlich wahrheitsfähig, aber durch seine so beschaffene Struktur noch nicht verifiziert – es bleibt fallibel, worauf noch einzugehen ist. Die kriteriologische Inanspruchnahme der Kohärenz zeigt so gesehen zwar einerseits die Grenze menschlicher Erkenntnisbemühungen um Wahrheit. Andererseits birgt sie die Chance, gleichsam bis an eben diese unüberschreitbare Grenze heran auf rationale Weise für Wahrheitsansprüche einzutreten. Das Wahrheitskriterium der Kohärenz kann Wahrheit zwar nicht garantieren, bleibt aber dennoch ein praktikables Kriterium von Wahrheit1620. Aufs Ganze gesehen ermöglicht die kriteriologische Anwendung von Kohärenz eine rationale Begründung von Wahrheitsansprüchen; durch das Offenlegen von Kohärenz werden eine prinzipielle Nachvollziehbarkeit und intersubjektive Kommunikabilität sowie Kontrollierbarkeit gewährleistet1621. Die Einsicht allerdings, dass Kohärenz Wahrheit nicht verbürgen oder gar garantieren kann, provoziert die Frage, wie zwischen Wahrheit und Unwahrheit mittels Kohärenz unterschieden werden kann, wenn – wovon auszugehen ist – nicht alle kohärenten Systeme oder Deskriptionen als gleichwertig anzusehen sind. Kohärenz (allein) – und das scheint mir der Kern der „klassischen“ Kritik kriteriologischer Kohärenzbildungen zu sein – vermag Realität und Fiktion nicht voneinander separieren zu können1622. Einen besonderen Bekanntheitsgrad erlangten B. Russells Bedenken gegen die Kohärenztheorie. Es sei nicht bewiesen, dass es nur ein kohärentes System – ein „coherent body of beliefs“ – gebe, was dann freilich zu Schwierigkeiten führen würde1623. Er wand ein, es könnte ein phantasiebegabter Schriftsteller eine Vergangenheit erfinden, die mit allem verfügbaren Wissen übereinstimmt und doch von der wirklichen Vergangenheit verschieden ist: „It may be that, with sufficient imagination, a novelist might invent a past for the world that would perfectly fit on to what we know, and yet be quite different from the real past. […] Thus, for example, it is possible that life is one long dream, and that the outer world has only that degree of reality that the objects of dreams have; but although such a view does not seem inconsistent with known facts, there is no reason to prefer it to the common-sense view, according to which other people and things do really exist. Thus

1620 Zu alledem siehe die in eine ähnliche Richtung gehenden Überlegungen von Chr. Landmesser (Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 105). Zu dem auch aus meiner Sicht beachtenswerten Aspekt der intersubjektiven Kommunikabilität siehe auch a. a. O., 66f. 1621 Vgl. die Überlegungen von Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 69. 1622 Vgl. auch die Schilderung dieser Problematik in einer Kritik der Kohärenztheorie bei K. Gloy, Kants Wahrheitstheorie und moderne Positionen, 5. 1623 B. Russell, The Problems of Philosophy, 122. Zitiert nach L. Gerbracht, Wahrheit und kognitive Perspektive, 78.

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coherence as the definition of truth fails because there is no proof that there can be only one coherent system.“1624

Die Kohärenzanalyse kann eben data als wahr erscheinen lassen, die aber falsch sind und umgekehrt1625, was dadurch möglich ist, dass Kohärenz Wahrheit nicht konstituieren kann, darum auch die Fallibilität kohärenter Aussagensysteme nicht ausgeschlossen werden kann, die Kohärenzanalyse als solche für ein Test auf Wahrheit unzureichend bleiben muss1626. Das ist in der Theologie nicht verhallt, sondern angekommen. „Coherency does not guarantee truth“1627, urteilt der Pannenberg-Kenner A. McGrath: „A belief can be consistent with all other beliefs within a system, and yet have no independent supporting evidence.“1628 Ähnlich argumentierten W. Härle und Chr. Schwöbel1629. 1624 B. Russell, The Problems of Philosophy, 122. Zitiert nach L. Gerbracht, Wahrheit und kognitive Perspektive, 78. Zu dieser Problematik der „Nichtunterscheidbarkeit von Fiktion u. Realität“ vgl. ausführlicher L. Gerbracht, Wahrheit und kognitive Perspektive, 78–84. Ähnlich hatte auch M. Schlick bereits 1934 argumentiert. Vgl. M. Schlick, Über das Fundament der Erkenntnis, bes. 438f. Schlicks Argument: Wer Kohärenz ernst nähme, müsste auch ein widerspruchsfreies Märchen als „wissenschaftlich gültiges Satzsystem anerkennen wie etwa ein Lehrbuch der Physik“. So L. Gerbracht (Wahrheit und kognitive Perspektive, 79) in treffender Beschreibung der Schlick’schen Kritik. In diesem „Fiktionalitätseinwand“ sieht Gerbracht allerdings „kein[en] Einwand gegen den Kohärenzgedanken, sondern eher eine – freilich mangelhafte – Paraphrase der kohärenztheoretischen These von der Unbestimmtheit der Hypothesensysteme.“ (a. a. O., 82). Zu dieser Problematik unterschiedlicher Kohärenzsysteme, dem sog. ‚consistent fairy story‘-Einwand, siehe auch schon I. Kants ganz ähnliche Kritik, v. a. das Argument, dass diese Theorie sogar Lügen wahr erscheinen lassen könne (Vgl. I. Kant, Wiener Logik, AA Bd. 24/2, 822f: „Aber auf die Art können alle Lügen wahr seyn, wenn es keiner andern Bestätigung, als der Übereinstimmung der Erkenntniß mit sich selbst bedarf.“). 1625 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 283. 1626 In diese Richtung argumentierte J.L. Mackie: „A set of beliefs which was at some time completely coherent in this sense of being neither internally nor externally in conflict would be accepted at that time as being true. But its coherence does not establish its truth; it only gives it an as yet unchallenged claim to the title of truth […,] coherence is neither a sufficient nor an independent test of truth“ (J.L. Mackie, Truth, Probability and Paradox, 25). 1627 A. McGrath, A Scientific Theology. Bd. 2, 19. 1628 A. McGrath, A Scientific Theology. Bd. 2, 19. McGrath bezieht sich auch auf den anglikanischen Theologen Charles Gore, der von der ‚coherence of Christian doctrine‘ sprach, aber McGrath zufolge gewusst habe, dass die Glaubwürdigkeit christlicher Lehre niemals allein auf Kohärenz beruht (ebd.). 1629 „Es ist ja möglich, Systeme von kohärenten Aussagen zu formulieren, die untereinander widerspruchsfrei (also konsistent) sind, möglicherweise sogar zusammenhängen (also kohärent sind), aber deswegen keineswegs im Ganzen und im einzelnen wahr sein müssen.“ (W. Härle, Das christliche Verständnis der Wahrheit, 67f). Härle meint nun weiter, „[e]ine besondere Schwäche der Kohärenztheorie der Wahrheit“ darin zu erkennen „dass sie neue Wahrheitserkenntnis als Korrektur bisheriger Einsichten geradezu programmatisch verhindert, weil diese neuen Erkenntnisse ja mit den bisherigen Wahrheitsannahmen nicht kohärent sind.“ (a. a. O., 68). Derart pauschal lässt sich dies jedoch nicht sagen. Je nach

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In diesem Zusammenhang trifft man auf eine Schwierigkeit, die auch als „drunken sailors“ -Problematik bekannt ist. Es geht dabei um den absurd anmutenden Versuch zweier Segler, „[to] support each other by leaning back to back – when neither was standing on anything.“1630 Derartige Kritik hat immerhin den Vorteil, dass sie auf die entscheidende Frage zurücklenkt, wodurch sich aussagetheoretische Wahrheit einstellt. Als Antwort ist festzuhalten, dass sich die Wahrheit von Aussagen nicht von der Kohärenz der Aussagen untereinander her ergibt, sondern nur dadurch, dass sie (durch einen Wahrmacher) im korrespondenztheoretischen Sinne zutreffen oder – allgemeiner gesagt – den Hiatus zwischen semantischer und ontologischer Ebene überbrücken (weshalb auch in dieser Form der Kohärenztheorie definitorisch die Korrespondenztheorie maßgeblich bleibt). Die für Pannenbergs Wahrheitsverständnis charakteristische Verknüpfung kriteriologischer Kohärenz mit der Korrespondenz berücksichtigt das und findet in der neueren Theologie mit dem Pannenberg-Kenner A. McGrath1631 einen weiteren Befürworter. Vernünftig an den Überlegungen sowohl von Pannenberg als auch von McGrath scheint mir, dass sie der semantisch-ontologischen Relationalität im Wahrheitsbegriff auf begründete Weise Rechnung tragen. Sachlich stehen deren Überlegungen nicht nur der Rescher’schen „T h e C o h e r e n c e T h e o r y o f T r u t h “ sondern auch der von D. Davidson sog. „K o h ä r e n z t h e o r i e d e r Wa h r h e i t u n d d e r E r k e n n t n i s “ nahe, innerhalb derer die Applikation des Kohärenzkriteriums zum Test für korrespondentistische Theorieentwurf lassen sich sehr wohl (Sub-)Kriterien angeben, die eine Auswahl von Aussagen für den Erkenntnisfortschritt ermöglichen (vgl. Reschers Überlegungen zu Präferenzkriterien). Auch Härles zweiter kritischer Einwand überzeugt aus eben diesem Grund nicht. Er meint nämlich, es liefere „die Kohärenztheorie kein Kriterium dafür, welche Aussagen als nicht wahr aus einem Gesamtzusammenhang oder Theoriegebilde auszuscheiden wären, in dem Inkohärenzen aufträten“, weshalb „[e]ine Interpretation von „Wahrheit“ im Sinne von „Kohärenz“ […] als sachfremd zurückzuweisen“ sei (a. a. O., 68). Härle weist sämtliche Wahrheitstheorien zurück bis auf die Korrespondenztheorie als adäquatio ad rem. Lediglich einzelne Elemente der übrigen Wahrheitstheorien seien rezipierbar (vgl. a. a. O., 69f), darunter Kohärenz als Kriterium und so als Bedingung für Wahrheit (a. a. O., 70). Die Korrespondenztheorie konzipiert er semiotisch (vgl. a. a. O., 70ff). In Bezug auf die reine Mathematik merkt Chr. Schwöbel im Sinne der oben erwähnten Grundschwäche der Kohärenztheorie kritisch an, dass sie „durchaus verschiedene jeweils intern kohärente, aber einandre ausschließende Systeme [kennt].“ (Chr. Schwöbel, Die Wahrheit des Glaubens im religiös-weltanschaulichen Pluralismus, 50). 1630 So dargelegt bei S. Haack, Evidence and Inquiry, 66. Zu diesem Argument s. a. a. O., bes. 66ff 1631 Vgl. dazu A. McGrath, A Scientific Theology, Bd. 2, 17: Ähnlich wie Pannenberg synthetisiert er das Moment der Korrespondenz mit dem der Kohärenz. Seines Erachtens können sowohl der korrespondentistische als auch zugleich der kohärentistische „approach to justified belief“ als „intrinsic elements of a robust view of reality“ verstanden werden.

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Wahrheit genutzt wird1632. Die veritativ wertvolle Einsicht, die sich aus dem Geschilderten ergibt, muss also lauten: Die in kohärenten Aussagesystemen enthaltenen Wahrheitsanwärter (data) sind selbst entweder wahr oder sie sind es nicht. Und das gilt auch ex ante einer Kohärenzanalyse1633. Das ändert aber nichts daran, dass die Kohärenz ihr Potential genau an der Stelle ausspielt, wo es darum geht herauszufinden, was als wahr gelten kann. Veritative Kohärenz ist insoweit selbstgenügsam, als ein Rekurs auf feste Fundamente oder Axiome operational nicht erforderlich ist (und im Übrigen argumentativ m. E. auch niemals wünschenswert sein kann). Im Angesicht der offenen, d. h. untentschiedenen, Wahrheitsfrage, muss sich jedem Wahrheitsinteressierten jedoch die Frage stellen, welchem System kohärenter Datenmengen der Vorzug begründetermaßen zu geben ist. Pannenberg hat sich weder dieser Grundproblematik der Kohärenztheorie zugewandt noch der für ihre Verteidigung eigentlich zu klärenden Frage, wie mit dem Problem mehrerer, konkurrierender kohärenter Systeme umzugehen sei. Eine nicht unerhebliche Problematik besteht ja darin, dass auch ein kohärentes System nicht schon allein wegen seiner Kohärenz vor seiner Fallibilität geschützt werden kann. Dass Pannenbergs Werk eine solche Auseinandersetzung vermissen lässt, ist umso erstaunlicher vor dem Hintergrund, dass Pannenbergs Kohärenzverfahren als ein Verfahren systematischer Rekonstruktion gemäß eigener Auskunft nicht auf die christliche Theologie begrenzt sein soll, sondern ausdrücklich, wie er sagt, die Möglichkeit seiner Anwendung auch für andere Religionen einschließt1634, was genau diese Frage evoziert, wie mit verschiedenen kohärenten Modellen hinsichtlich der offenen Wahrheitsfrage umzugehen sei. Erstaunlich ist die gemachte Beobachtung aber auch, weil die namhaft gemachten Schwierigkeiten bzw. Herausforderungen im Umgang mit der Kohärenz aus Pannenbergs eigenen Überlegungen abgeleitet werden können, nämlich von seiner These, dass die Kohärenz auf ontologischer Ebene konstitutive Bedeutung genießt für die aussagetheoretische Wahrheit unserer Urteile auf Systemebene1635. Warum also bleibt eine Bespre1632 Siehe D. Davidson, Eine Kohärenztheorie der Wahrheit und der Erkenntnis, 271. Davidson hat sich für seine Kohärenztheorie der Erkenntnis sowohl gegen den internen Realismus H. Putnams als auch gegen den metaphysischen Realismus, der hier vertreten wird, ausgesprochen. Er selbst plädiert für einen „nicht-relativierten“ Realismus (a. a. O., 274). Über Beibehaltung des korrespondenztheoretischen Wahrheitsbegriffs bleibt auch bei ihm die hier für den Wahrheitsbegriff als konstitutiv erachtete semantisch-ontologische Relationalität bestehen. 1633 So auch A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 283f. 1634 Vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 215f. 1635 Vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 63. H.-P. Willi hat in seiner Rezension unter Beachtung dieser Überlegung Pannenbergs klar gesehen, dass „[a]uch ein in sich widerspruchsloses System […] falsch sein“ kann. (H.-P. Willi, Dogmatik als Lehre von Gott.

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chung dieser Schwierigkeiten aus? In der merklichen Distanz seiner Theologie zur modernen philosophischen Wahrheitstheorie dürfte der Grund dafür zu suchen sein, dass Pannenberg die Notwendigkeit einer peniblen, differenzierten systematischen Kohärenzanalyse wohl nicht gesehen hat. Zum Anderen scheint mir Pannenberg – insbesondere in der Spätphase seiner Theologie – von der Superiorität des christlichen Glaubens und seiner Wahrheit derart überzeugt gewesen zu sein, dass er offenbar die Problematik alternativer kohärenter Systeme, die von anderen Religionen formuliert werden könnten, nicht weiter meinte thematisieren zu brauchen1636. Es sollte allerdings klar sein, dass sich aus wissenschaftlicher Sicht hier ein enormes Defizit zu erkennen gibt. Gegen Pannenbergs Erläuterung, sein „coherent scheme“ der theologischen Weltinterpretation, präziser „its capacity to include and explain the details of our knowledge of reality“, diene als Indikation dafür, „how far it approximates to the truth“1637, spricht an sich nichts. Sie bleibt aber leer und wirkungslos, solange nicht der Frage nachgegangen wird, wie angesichts potentiell mehrerer kohärenter System mit der Wahrheitsproblematik wissenschaftlich seriös hantiert werden kann (oder besser: sollte), und nicht im Ansatz der Versuch unternommen wird, eine behauptete Annäherung an Wahrheit irgendwie nachvollziehbar zu demonstrieren. 3.4.4.7.9 Die Erfahrungs-Problematik Der wissenschaftlich verantwortete Rekurs auf Erfahrungsmaterial, wie Pannenberg ihn für sein Verfahren vorläufiger Verifikation propagiert hat, ist in sich alles andere als unproblematisch. Gravierende Schwierigkeiten ergeben sich durch die Subjektivität jedes Einzelnen, der eine Erfahrung von etwas macht. Die Subjektivitätsproblematik besteht ganz konkret darin, dass jeweils und zuvörderst die Subjekte selbst die eigens gemachten Erfahrungen evaluieren. Daraus resultieret eine Fülle von Anschauungen über „Erfahrungen“, die sich relativ zu anderen Bewertungen von Erfahrungen verhalten, weshalb sie wissenschaftlich nicht gut verwertbar sind1638. Es ist und bleibt eine offenbar unüberwindbare Ein Bericht über den ersten Band der „Systematischen Theologie“ von Wolfhart Pannenberg, 107 Anm. 11). Vgl. auch die Bemerkung seines Schülers und Lehrstuhlnachfolgers in München zu Pannenbergs eigenen Ausführungen: „Konsens der Urteilsbildung und Kohärenz der Interpretation garantieren als solche nicht schon die Sachkorrespondenz, also die deckungsgleiche Übereinstimmung der Interpretation mit dem Sachverhalt, so unentbehrlich sie für solche Übereinstimmung sind.“ (G. Wenz, Wolfhart Pannenbergs Systematische Theologie, 21). 1636 In seiner „ Wi s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d T h e o l o g i e “ ist noch sehr viel deutlicher die Fallibilität von Wahrheitsansprüchen berücksichtigt als es in seiner „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ der Fall ist. 1637 So in: W. Pannenberg, An Introduction to Systematic Theology, 67. 1638 In „Pannenberg’s theology of the history of religions“ hat etwa auch S. Lösel die „empirical

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Grundschwierigkeit, dass jedes vorhandene Erfahrungsmaterial nicht gut (wenn überhaupt) von den Interpretationsleistungen, die eine bestimmte Erfahrung als eine Erfahrung von etwas bestimmtem (beispielsweise des Wirkens Gottes) ausweisen, abgehoben werden kann. Es ist davon auszugehen, dass behauptetes ‚Erfahrungsmaterial‘ selbst schon als das Ergebnis von Interpretationsleistungen gelten kann, wie A. Kreiner herausgestellt hat1639. Es ist auch m. E. plausibel, damit zu rechnen, dass ein wechselseitiges, aber keinesfalls determiniertes Abhängigkeitsverhältnis bestimmend ist für das Verhältnis von sensorischem Input, Erfahrungsmaterial und Interpretationsleistung. Außerdem scheint für die stets über kognitive Prozesse ablaufenden Interpretationsprozesse ein bestimmtes vorhandenes und für eine Interpretationsleistung in Anspruch genommenes ‚Interpretationssystem‘ maßgeblichen Einfluss auf die Deutung eines konkreten, als vorgegeben und gemeinhin als ‚empfangen‘ gedachten Erfahrungsmaterials zu haben: „Um beispielsweise ein bestimmtes historisches Ereignis als Wirkung der Vorsehung Gottes oder als Resultat sozioökonomischer Entwicklungsprozesse interpretieren zu können, muß das betreffende Interpretationssystem schon vorausgesetzt werden. Kein Interpretationssystem drängt sich automatisch aufgrund eines bestimmten Erfahrungsmaterials auf.“1640 Diese Einsichten sind nun mit negativen Auswirkungen auf die Frage nach der Verifikationsmöglichkeit verbunden: „Da jedes vermeintliche Erfahrungsmaterial seinerseits bereits durch Interpretationsleistungen entsteht, läßt sich auch kein Interpretationssystem (höherer Stufe) durch den Rekurs auf ein vorgängiges Erfahrungsmaterial (niedrigerer Stufe) verifizieren.“1641 Anknüpfend an Dalferths Untersuchungen in „ R e l i g i ö s e R e d e vo n G o t t “ (1981) zeigt Kreiner, dass die Erfahrung nur im Kontext eines bestimmten Systems taugt und insofern sich als untauglich erweist, „den Wahrheitsanspruch des ganzen Systems zu begründen und dessen Annahme rational zu rechtfertigen.“1642 Der Schwachpunkt ist der „zirkuläre Charakter der Bewahrheitung“1643. In Sachen Verifizierbarkeit besteht das ernüchternde Ergebnis dieser Überlegungen nicht nur darin, dass eine Verifikation im strikten Sinne ausfällt1644, sondern auch die von Pannenberg im Ansatz bescheidenere Option einer nur vorläufigen Verifikation – also einer Bewährung theologischer Aussagen unter Zuhilfenahme der (Welt-)Erfahrung

1639 1640 1641 1642 1643 1644

validity“ u. a. vermisst. So eine Andeutung von S. Lösel, Wolfhart Pannenberg’s Response to the Challenge of Religious Pluralism: The Anticipation of Divine Absoluteness, 519. Vgl. hierzu und zum Folgenden A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, bes. 537f. A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 538. A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 538. I.U. Dalferth, Religiöse Rede von Gott, 686 (zit. n. A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 538). A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 538. Für Kreiner ist Verifikation ein Verfahren, das etwas als „notwendigerweise wahr“ beweist, „nicht nur möglicherweise“ (vgl. A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 537).

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erheblichen Schwierigkeiten ausgesetzt ist, die die Ergebnisse solcher Verfahren jedenfalls enorm relativieren und für die wissenschaftliche Handhabe eingeschränkt brauchbar erscheinen lassen. Vor diesem Hintergrund ist die hier gemachte Feststellung umso interessanter, dass Pannenberg in seiner „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “ seinerseits auf I.U. Dalferths o.g. Werk rekurrierte, genauer nämlich an den von Dalferth formulierten Gedanken einer „‚Erfahrungsbasis christlicher Glaubensrede‘“ andockte1645. Die oben von Kreiner mit Dalferth geäußerten Bemerkungen hinsichtlich des doch arg eingeschränkten (Leistungs-)Potentials empirischer Verifizierungsbestrebungen erörtert Pannenberg jedoch nicht. Angesichts der beschriebenen Schwierigkeiten wird man hinsichtlich des von Pannenberg entwickelten Programms vorläufiger Bewährung (Verifikation) durch Erfahrung aus wissenschaftlicher Perspektive urteilen müssen, dass es zu keinen validen Ergebnissen führen kann1646. 3.4.4.7.10 Zur Kritik des Macht-Kriteriums Pannenbergs Begehren, die Wahrheitsfrage hinsichtlich der Wirklichkeit einer geglaubten Gottheit methodisch über die Ebene der Erfahrung der Mächtigkeit einer solchen Gottheit (wenigstens vorläufig) kohärent klären zu können, begegnet bereits in frühen Veröffentlichungen, ganz besonders deutlich im Zusammenhang seiner wissenschaftstheoretischen Erwägungen. In späteren Publikationen, im Besonderen in seiner „S y s t e m a t i s c h e [ n ] T h e o l o g i e “, kehrt die Programmatik wieder. Sie ist nicht nur von E. Jüngel kritisiert worden – provoziert ein solches Vorgehen doch die Frage, ob letztlich die Frage nach Macht, Durchsetzung o. ä. mit Wahrheit verwechselt wird. Denkt Pannenberg hier illegitimerweise darwinistisch? 1647. 1645 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 75 Anm. 3. 1646 Für McKenzie war daher klar, dass es sich hier nicht um ein wissenschaftliches Verfahren handeln kann. Vgl. dazu D. McKenzie, Wolfhart Pannenberg & Religious Philosophy, 70f: „I suggest, then, that the procedure lacks the power to settle issues in the really crucial sense, and thus to establish theology as a science.“ (a. a. O., 71) M.W. Worthing interpretiert McKenzies Resümee folgendermaßen: „The heart of his criticism seems to rest upon theology’s apparent inability to finally and conclusively settle or prove anything.“ (M.W. Worthing, Foundations and Functions of Theology as Universal Science, 31). Auch von McKenzie wird die Problematik des Rekurses auf Erfahrung angesprochen, dort als Kritik des Bemühens um „uniformity in the modern experience of reality which is simply absent.“ (D. McKenzie, Wolfhart Pannenberg & Religious Philosophy, 70). 1647 E. Jüngel fragt an: „Wird, wenn man dies behauptet, die als Geschichte des Manifestwerdens göttlicher Wirklichkeit aufgefaßte Religionsgeschichte nicht zur Erscheinungsgeschichte der Gottheit Gottes und also zum göttlichen curriculum vitae, in dem der Streit zwischen den Religionen und den in ihnen verehrten Göttinnen und Göttern sinnvoll ausgetragen und nach dem Gesetz des Stärkeren entschieden wird? Reduziert sich der Wahrheitsanspruch der jeweiligen Gottesverehrung damit nicht auf einen bloßen Machtanspruch? Doch

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Doch des Kriteriums des göttlichen Machterweises wird sich seriöse Theologie nicht so leicht entledigen können. Das scheint sich mir nicht nur aus der No-

die Macht der Wahrheit ist etwas anderes als die als Wahrheit behauptete Macht. Wie verträgt sich zudem die Apotheose der Macht mit der treffenden Einsicht, daß „die Allmacht nur gedacht werden kann als die Macht der göttlichen Liebe, also nicht als Selbstdurchsetzung irgendeiner partikularen Instanz gegen das ihr Entgegenstehende“? Die Kohärenz des Pannenbergschen Entwurfs erscheint an diesem Punkte zumindest gefährdet.“ (E. Jüngel, Nihil divinitatis, ubi non fides, 231). Pannenberg hat in seiner Antwort an Jüngel daran festgehalten, dass „[d]er Selbsterweis Jahwes gegenüber den anderen Göttern wird in der Tat „nach dem Gesetz des Stärkeren entschieden“ (zu Jüngel 231). Entsprechend redet Jesus im Kampf mit den widergöttlichen Mächten von dem Stärkeren, der über sie kommt (vgl. Mk 3,27). Dabei geht es allerdings um die Macht Gottes, nicht etwa um die seines Verehrerkreises. Die Macht Gottes aber ist die Macht der Wahrheit selbst.“ (W. Pannenberg, Den Glauben an ihm selbs fassen und verstehen, 361 Anm. 4). Allerdings – so Pannenberg: „Der Anspruch des biblischen Schöpfungsglaubens auf das Ganze der Weltwirklichkeit als Ausdruck der schöpferischen Macht Gottes und als Erweis seiner alleinigen Gottheit hat im Prozeß der noch nicht abgeschlossenen Geschichte faktisch immer die Form einer Antizipation seiner erst am Ende der Geschichte definitiv zur Erscheinung kommenden Wahrheit.“ (a. a. O., 362) Im Anschluss an Jüngel urteilte auch A. Lange, die Wahrheitsfrage werde von Pannenberg mit der Machtfrage auf unzulässige Weise verquickt. Langes These: „Die Wahrheitsfrage ging in die Machtfrage über.“ (A. Lange, Religion als Weltbemächtigung, 170). Er bezichtigt Pannenberg einer „heimliche[n] Analogie zwischen Gottes Macht und der Macht des Denkens“, die „offenbar auch der Grund dafür [sei], warum Pannenberg des weiteren eigenartig apodiktisch verfügen kann, daß diese Macht der Integration von Wirklichkeit wiederum nicht anders als vermittelt durch die Interpretations- und Definitionsmacht der Verehrer einer Gottheit gedacht werden müsse. Die Identifikation von Faktizität und Wahrheit findet so gleichsam ihre metaphysische Überhöhung. Selbstdurchsetzung Gottes in der Welt und Durchsetzung von Weltdeutung, die in seinem Namen vorgebracht werden, fallen eigenartig zusammen: Religion als Weltbemächtigung.“ (a. a. O., 254). Lange geht sogar so weit zu mutmaßen, „ob sich nicht unter dem Etikett ‚göttliche Macht‘ nur die Hypostasierung sehr weltlicher Macht verberge, die sich auf diese Weise zusätzlich und uninterfragbar [sic] legitimiert“ (a. a. O., 255 mit Verweis auf Nietzsche). Diese letztere, kritische Mutmaßung geht an Pannenbergs Anliegen in jedem Fall vorbei. Nebenbei sei auch auf das Problem der Arbeit von A. Lange hingewiesen: W. Pfüller hat (in: Rezension Lange, Armin: Religion als Weltbemächtigung) durchschaut, dass es Lange nur um eine Destruktion des Pannenberg’schen Unternehmens geht, während er konstruktive Beiträge schuldig bleibt. Überdies ist auch von Pfüller bezweifelt worden, dass Pannenberg scheitere. Chr. Glimpel hat in seiner Pannenberg-Studie seinerseits an A. Lange angeschlossen und urteilt, Lange habe „[d]ie Machtförmigkeit des von Pannenberg gezeichneten Gottesbildes […] eindrucksvoll herausgearbeitet und in seinen Konsequenzen erörtert“ (Chr. Glimpel, Gottesgedanke und autonome Vernunft, 44 Zur Kritik Glimpels s. insbesondere auch a. a. O., 279–285). Glimpel geht dort der Frage nach, wie die Machtförmigkeit mit der Liebe Gottes zusammengedacht werden kann. Auch R. Leuze argumentierte ähnlich wie Jüngel und später A. Lange. Er fragte bereits 1978 rhetorisch: „Ist es legitim, so fragt man, das Durchsetzungsvermögen der einzelnen Religionen oder Weltanschauungen zum Kriterium ihres Wahrheitsgehaltes zu machen? Bietet nicht die Geschichte genügend Beispiele dafür, daß die Lüge triumphiert, während die Wahrheit unterdrückt und zum Schweigen gebracht wird? Es kann kein Zweifel bestehen, daß solche Bedenken ernstgenommen werden müssen. Gerade wenn wir uns die Ereignisse dieses

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minaldefinition Gottes zu ergeben, sondern erweist sich auch als naheliegende Annahme, wenn das christliche Gottesbild mit den Implikationen des Glaubens an einen in creatio continua agierenden Schöpfergott in Einklang stehen soll. Sowohl das Machtkriterium als auch der Gottesgedanke erfordern universale Kohärenz. Von daher ist es verständlich wie notwendig (trotz aller benannten Schwierigkeiten), dass sich der Mensch anhand von Kohärenzerfahrungen in der Welt zu orientieren bemüht. 3.4.4.8 Weiterführende Überlegungen zu Pannenbergs Kohärenzprogramm Pannenbergs Festhalten an der Kohärenzidee, wie sie in kriteriologischen (nicht definitorischen) Kohärenztheorien der Wahrheit verstanden wird1648, hat zukunftsfähiges epistemisches Potential – ungeachtet der Frage, ob das zur Über-

Jahrhunderts vergegenwärtigen, werden wir uns davor hüten, über sie allzu leichtfertig hinwegzugehen.“ (R. Leuze, Möglichkeiten und Grenzen einer Theologie der Religionsgeschichte, 235). Daneben übten auch D. McKenzie und S. Lösel Kritik. Während McKenzie u. a. darauf hinweist, dass bestimmte Ideen, weil sie geschichtlich einflussreich sind, nicht (deshalb) gleich als wahr gelten dürften (vgl. McKenzie, Wolfhart Pannenberg & Religious Philosophy,70), bezeichent S. Lösel v. a. das Machtmoment in Pannenbergs Religionstheorie ausdrücklich als darwinistisch (vgl. Ausführlicher S. Lösel, Wolfhart Pannenberg’s Response to the Challenge of Religious Pluralism: The Anticipation of Divine Absoluteness?, 515ff): „It is Darwinian in its presupposition that evolutionary progress in the history of religions results from the historical conflict of the various religions with one another – a conflict dominated by the rule of the ‚survival of the fittest.‘ The ‚stronger‘ religions succeed against the ‚weaker‘ religions by reason of their better ability to adapt to the new and changing life experiences of their followers.“ (a. a. O., 515). Wie Jüngel fragt auch Lösel kritisch, wer auf dem ‚Battlefield‘ eigentlich kämpft – Gott doch wahrscheinlich nur gegen seine eigenen Manifestationen? Lösel rekurriert auf E. Jüngel (nihil divinitatis, ubi non fides, 231; dazu S. Lösel, a. a. O., 516). Er hält „Pannenberg’s triumphalistic scenario“ nicht für eine „adequate interpretation of the biblical understanding of the gospel’s presence in the world“ (a. a. O., 516) und beruft sich dafür auf 1 Kor 1,23. Dies spreche gegen „any optimistic scenario of Christianity’s growth in history.“ (a. a. O., 517). Überdies übt er Kritik an „Pannenberg’s explanation of a religion’s historical success sheerly in terms of its argumentative force [kursiv: T. L.]“. S.E. sind andere Faktoren (mit-)beteiligt – „namely, the exercise of political, socioeconomic, or even military power“ (a. a. O., 517), die Pannenberg jedoch unterschätze. Pannenberg äußert sich zu dem von Lösel angesprochenen Fragekreis bereits in seiner Systematischen Theologie Bd. I, 177ff, hält politisch-ökonomische Einflüsse jedoch bei weitem für nicht so bedeutsam. So meint er etwa, dass die Geschichte des Gottes Marduks und seiner Verehrung „sich in keiner Weise als bloße Folgeerscheinung politisch-ökonomischer Entwicklungen verstehen [läßt]. Sie ist vielmehr umgekehrt folgenreich geworden für die politische Geschichte Assyriens.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 178. Siehe ausführlicher a. a. O., 178f). 1648 Chr. Schwöbel hat die Einschätzung geäußert (Die Wahrheit des Glaubens im religiösweltanschaulichen Pluralismus, 52), die Kohärenz, die er als Wahrheitskriterium versteht, trage nichts zur Bedeutung von ‚Wahrheit‘ bei. Dies kann so verallgemeinert jedoch nicht gesagt werden. In der Wahrheitstheorie steht vielmehr bis heute zur Diskussion, ob Ko-

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nahme einer Kohärenztheorie nötigt Denn: „Kohärenz und Konsistenz normieren die „Logik“ des theologischen (wie auch jedes anderen) Aussagensystems“, „ermöglichen die kritische Überprüfung von Wahrheitsansprüchen sowie deren Intelligibilität“ und „schaffen […] auch die Voraussetzungen für die intellektuelle Integrität desjenigen, der sie vertritt“, wie Kreiner zu Recht meint1649. Kohärenz und Konsistenz scheinen deshalb auch für Pannenberg von besonderer Wichtigkeit zu sein, weil sie objektive Kriterien sind, die – wenn sie ernsthaft angewendet werden –subjektive Faktoren eines Urteilenden oder gar irrationale Befindlichkeiten desselben für die Beurteilung von Wahrheit nicht zum Zuge kommen lassen. Pannenberg hat zeigen können, dass selbst die Berufung auf Autorität letztlich nur eine besondere Form des Subjektivismus ist, ja der offenbarungspositivistische Ansatz (der Dialektischen Theologie [nicht nur] K. Barths) sogar eine „extreme Zuspitzung des Subjektivismus in der Theologie“1650 darstellt, wie im Übrigen auch Kreiner im Anschluss an Pannenberg meint1651. Im Folgenden werden die Vorzüge des Pannenberg’schen Kohärenzprogramms mit weiterführenden Überlegungen verbunden. 3.4.4.8.1 Zu Verifikation und Falsifikation Die Applikation des Kohärenzkriteriums als Wahrheitskriterium ermöglicht es, die Frage nach der Möglichkeit von Verifikation und Falsifikation mithilfe der Kohärenzbildung zu stellen. Mithilfe der Kohärenzbildung auf Aussagenebene können kohärente (und konsistente) Aussagensysteme geschaffen werden, die als so substanziierte Aussagemengen berechtigt als wahrheitsfähig gelten können, also möglicherhärenz Kriterium für Wahrheit oder die Bedeutung von Wahrheit ist oder ob gar beides gelten könne (s. o.). 1649 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 571. Neben A. Kreiner hat auch A. Rust, der ähnlich wie Kreiner die Bedeutung des Aspektes der Korrespondenz betont hat, die Meinung vertreten, dass die Kohärenz als Kriterium gewürdigt werden kann. (vgl. A. Rust, Wo Wahrheit zum Problem wird, 150). Kreiner rechnet die Konsistenz- und Kohärenzbemühungen dem Gebiet einer ‚falsifikatorischen Epistemologie‘ zu (vgl. A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 288 sowie 564ff). Weil die Erfüllung logischer Konsistenz und empirischer Kohärenz nicht notwendig zur Verifikation führt, will Kreiner in ihnen keine Wahrheitskriterien sehen (vgl. A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 564). Diese Kriterien ermöglichen nach Kreiner eher eine Bewährung, wie er mit Pannenberg meint, der seinerseits gegen Popper von einer Bewährung spricht, wenn vorhandene Tatsachen durch eine Theorie erklärt werden könnten (ebd.; Bezug auf W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 339). Zum Thema siehe ausführlicher 564ff. Während Pannenberg die Kohärenz (bzw. auch Konsistenz) in seiner Wissenschaftstheorie und Theologie noch nicht ausdrücklich als Wahrheitskriterium in Anspruch nimmt, ändert sich das mit späteren Veröffentlichungen. Insofern bleibt diesbezüglich eine Differenz zwischen Kreiner und Pannenberg bestehen. 1650 W. Pannenberg, Wissenschaftstheorie und Theologie, 278. 1651 Siehe dazu A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 552.

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weise auch wahr sind. Da das vorhandene Material an Wahrheitskandidaten1652 (data) innerhalb eines Aussagesystems immer begrenzt und niemals vollständig ist, lässt sich bereits auf der Ebene der Logik der Kohärenz zeigen, dass eine definitive Verifikation eines kohärenten Aussagesystems nicht einmal möglich sein kann. Auch wenn diese Überlegungen für Pannenberg nicht leitend gewesen sind, so stehen sie doch seiner Skepsis gegenüber der Möglichkeit einer definitiven bzw. strikten oder sicheren Verifikation nahe. Eine solche Verifikation ist Pannenberg zufolge, wie bereits demonstriert, nur als eschatologische Verifikation am Ende der Geschichte möglich. Bereits in seiner „ Wi s s e n s c h a f t s t h e o r i e u n d T h e o l o g i e “ , worin er noch nicht explizit auf die Kohärenztheorie der Wahrheit rekurriert, hat er mit epistemischer Bescheidenheit lediglich eine Bewährung theologischer Aussagen zu erreichen gesucht. Wie verhält es sich im Falle inkonsistenter bzw. inkohärenter Aussagensysteme? Können solche Systeme mit Sicherheit, d. h. definitiv, wenn nicht verifiziert, so doch falsifiziert werden? Kreiner hat in seiner u. a. an Popper anschließenden falsifikatorischen Epistemologie dies völlig zu Recht behauptet. Hinsichtlich eines spezifischen Aussagesystems kann mit Kreiner in jedem Aufweis der Inkohärenz/ Inkonsistenz praktisch eine Falsifizierung eben dieses Systems behauptet werden, wohingegen Kohärenz freilich ein eben so beschaffenes System noch nicht automatisch verifiziert1653. Zu bedenken ist allerdings, dass einzelne Aussagen, die Teil dieses Systems wurden, in sich und an sich nicht falsch sein müssen, sondern möglicherweise erst in einem anderen Kontext, nämlich im Verbund mit anderen Aussagen, berechtigterweise als Wahrheitskandidaten in Betracht kommen können und so womöglich zu einem alternativen wahrheitsfähigen Kohärenzsystem führen könnten1654. 1652 Pannenberg hat diesen, insbesondere von N. Rescher gebrauchten Ausdruck selbst nicht im Zusammenhang seiner Erwägungen zur Kohärenztheorie gebraucht. Dennoch findet er sich an einer Stelle in einem sehr ähnlichen Sinn: Wahrheitskandidaten sind für Pannenberg Wahrheitsansprüche in Gestalt von Behauptungen, die von den verschiedenen Religionen ausgehen (vgl. dazu W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 164). Der Ausdruck stellt aber innerhalb seiner Theologie keinen terminus technicus dar. 1653 Vgl. A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 564(ff). 1654 Siehe dazu die Bemerkungen Chr. Landmessers zur falsifikatorischen Epistemologie A. Kreiners und den Überlegungen W. Härles, der folgende Behauptung aufgestellt hat: „Wissenschaft ist grundsätzlich nicht in der Lage, generelle (affirmative) Aussagen zu verifizieren, sie kann sie allenfalls (mit Sicherheit) falsifizieren.“ (W. Härle, Dogmatik, 8f). Landmesser stimmt m. E. vollkommen zu Recht dieser Einschätzung aufgrund der zu beachtenden Kontextabhängigkeit allen auszuwertenden Datenmaterials nur bedingt zu: „Dem ersten zitierten Teilsatz kann aufgrund des hier entwickelten Wahrheitsbegriffs zugestimmt werden, daß aber eine Falsifikation genereller Aussagen mit Sicherheit möglich sein soll, läßt sich aufgrund der Kontextabhängigkeit einer jeden Aussage gerade nicht bestätigen. Es muß also gefragt werden, ob nicht Falsfikationen einen zu starken Anspruch

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3.4.4.8.2 Zur Problematik von Inkonsistenz(en) Die zuweilen in der Theologie vertretene Meinung, unter bestimmten Umständen seien Widersprüche nicht nur zu dulden, sondern sogar als Paradoxien zu tolerieren1655, überzeugt grundsätzlich nicht. Zunächst muss man sich über die Folgen der Zulassung von Widersprüchen im Klaren sein. Eine Widerlegung wäre unmöglich, und „Beliebigkeit, Willkür und Unverständlichkeit wären die Folge“1656. Nun wird gelegentlich erklärt, für die Theologie seien die Regeln der Logik mehr oder weniger aufzuheben. Dies damit begründen zu wollen, dass es sich um einen ‚metarationalen‘ oder ‚transrationalen‘ Bereich handele, kann nicht überzeugen1657. (Im Übrigen wüsste ich nicht, mit welchem Argument die Zulassung von Inkonsistenzen rational legitimiert werden könnte.) Mit Dalferth und Kreiner bleibt festzuhalten, dass Inkonsistenzen und Inkohärenzen sowie „paradoxe Formulierungen“ nach Möglichkeit zu tilgen sind, denn sie sind „niemals Antworten, sondern Aufgaben, die nach Lösung verlangen“1658, die – das dürfte nach meiner Einschätzung Pannenberg auch so gesehen haben – im Einzelfall bei einer Rekombination oder Exklusion bestimmter Aussagen eines Aussagensystems liegen kann. In der Verteidigung des Konsistenzkriteriums dürfte zumindest Kreiner ausgesprochen haben, was Pannenberg unausgesprochen für nicht weniger richtig gehalten haben dürfte: „Die Maxime, Inkonsistenzen unter allen Umständen zu vermeiden, erweist sich dabei als Kern

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erheben oder zumindest einen ebenso starken wie solche Sätze, die Wahrheit für sich beanspruchen. Dann aber kann nicht nur von Falsifikationen, sondern auch von Verifikationen, die in der gezeigten Weise kontextabhängig sind, gesprochen werden. (Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 102f Anm. 2). So bspw. M. Leiners Votum: „Es scheint darum in der Tat so zu sein, dass an religiöse und theologische Sprache nicht einfach der Anspruch der Widerspruchsfreiheit gestellt werden kann.“ (M. Leiner, Methodischer Leitfaden Systematische Theologie und Religionsphilosophie, 55). Er ist der Meinung, dass einerseits „zahlreiche logische Widersprüche Hinweise auf eine mangelhafte Durchdringung eines theologischen Problems sind“; er betont aber ebenso, es gebe „gehaltvolle und theologisch begründbare Widersprüche, die in der Theologie zuzulassen sind“ und verweist auf M. Luther (WA 1, 226,21 oder WA 39/II,8,4f u. 31,1) (ebd.). A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 565 mit Rekurs auf P. Knauer, I.U. Dalferth und W.W. Bartley. Siehe dazu den Hinweis auf dieses Argument bei A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 566. I.U. Dalferth, Religiöse Rede von Gott, 542, zit. n. A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 566. „Paradox klingende Formulierungen mögen auch unter Umständen aufgrund ihrer evozierenden Kraft als nützliche Stilmittel der Verkündigung fungieren. Stets muß aber geprüft werden, ob es sich dabei wirklich um Widersprüche handelt und ob diese nicht durch eine bessere Formulierung getilgt werden können.“ (So A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 566) im Anschluss an W.A. Christian und W.L. Power) Vgl. ausführlicher seine Kritik derjenigen Positionen, die für bestimmte, von der Theologie zu thematisierende Bereiche auf das Kriterium logischer Konsistenz verzichten wollen (a. a. O., 565ff).

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von Rationalität überhaupt, da die Zulassung von Inkonsistenzen Kritik unmöglich macht.“1659 Das m. E. (auch) bei der kriteriologischen Inanspruchnahme der Kohärenztheorie Pannenbergs wirksame Leitprinzip „holistische[r] Kohärenz“ gewährleistet, wie Landmesser zurecht betonte, „[i]ntersubjektive Kommunikabilität“1660 und gewinnt seine Plausibilität von der Annahme einer einheitlich-kohärent verfassten Wirklichkeit her1661, von der auch Pannenberg ausgegangen ist: „Das kohärentistisch orientierte Verfahren hat insbesondere dann hohe Plausibilität, wenn auch unter ontologischer Fragestellung von einer kohärentistisch verfaßten Wirklichkeit gesprochen werden kann.“1662

Von der Einheit der Wirklichkeit im Sinne ihrer Kohärenz ist die aussagenlogische Kohärenzbildung legitimiert – und so wird die eine Wirklichkeit zu dem einen entscheidenden Bezugspunkt für alle Wissenschaften1663. Das hat auch N. Rescher in „T r u t h a s I d e a l C o h e r e n c e “ (Wahrheit als ideale Kohärenz)

1659 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 283. Vgl. zu diesen an Rescher anknüpfenden Erwägungen auch a. a. O., 284 u. 567. 1660 „Intersubjektive Kommunikabilität ist dagegen gewährleistet, wenn holistische Kohärenz als methodisches Leitprinzip akzeptiert wird.“ (Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 105). 1661 Vgl. dazu die Bemerkungen Landmessers zur Kohärenz als (Struktur-)Merkmal der Wirklichkeit im Anschluss an Reschers Zugeständnis in Truth as Ideal Coherence (1987) in: Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 66: „Ist die Wirklichkeit selbst kohärent, dann gibt es nur eine Wirklichkeit, die auch in kohärenter Weise zur Sprache gebracht werden muß.“ (Ebd.) Zeitlich vor Rescher und Pannenberg nicht unähnlich hat F.H. Bradley mit Bezug auf die Realität von einer widerspruchsfreien „ultimate unity“ gesprochen (vgl. F.H. Bradley, Appearance and Reality. A Metaphysical Essay, 414ff, 460ff: zitiert nach K. Gloy, Wahrheitstheorien, 171f bzw. 263). 1662 Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 105. Siehe auch schon a. a. O., bes. 66f. 1663 Aufgrund der kohärenten Einheit der Wirklichkeit selbst, stellt sie selbst den Bezugspunkt auch für andere Wissenschaften (z. B. Naturwissenschaften) dar (Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 66f), wie Landmesser auch gegenüber Rescher aus gutem Grund hervorhebt: „Wenn, wie Rescher behauptet, die Realität kohärent ist und Kohärenz zu Recht als Wahrheitskriterium gilt, dann ist schon aufgrund der Überlegungen Reschers nicht mehr einsichtig zu machen, warum für außerhalb der Naturwissenschaften liegende Erkenntnisbemühungen nicht dieselben Kriterien gelten sollen. Eine Aufspaltung der einen Wirklichkeit in einen Tatsachenbereich, welcher von den Naturwissenschaften untersucht wird, sowie einen davon zu unterscheidenden Bereich, auf den die anderen Wissenschaften ausgerichtet sein sollen, vermag nicht einzuleuchten. Die Wissenschaften unterscheiden sich vielmehr in ihrer Fragestellung bezüglich der einen Wirklichkeit.“ (Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 69).

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später eingesehen und nunmehr die Kohärenz als Charakteristikum der Wirklichkeit verstanden1664. 3.4.4.8.3 Reflexionen auf Herausforderungen im (theologischen) Umgang mit Kohärenzbegriffen Da der Wahrheitsgehalt der einzelnen Aussagen (= data) eines Aussagensystems offen ist aufgrund der unvollständigen Datenmenge und der Kontextabhängigkeit der entsprechenden Aussagen, können die einzelnen data (auch in der Theologie) nicht als Wahrheiten (und seien sie angeblich noch so gewiss oder evident) gelten; sie können mit Landmesser (der präziser und eingehender als Pannenberg auf Rescher rekurrierte) ausdrücklich als Anwärter auf Wahrheit, d. h. als Wahrheitskandidaten, verstanden werden1665. (Nebenbei sei bemerkt, dass Pannenberg mit einer solchen Explikation dieses veritativen Terminus‘ seinen programmatischen Grundsatz, dass Wahrheit nicht präsupponiert werden dürfe, argumentativ hätte stützen können.) Ob allerdings die zu bildende Aussagenkohärenz den von Rescher als zum Kohärenzbegriff gehörig behaupteten Anforderungen der Umfassendheit, Konsistenz und Zusammengefügtheit unterworfen werden sollte, wie Landmesser es propagiert hat1666, erscheint mir fraglich. Unter Umständen ist eine strenge Befolgung auch nicht möglich. Kreiner hat auf Schwierigkeiten aufmerksam gemacht, die mit der theologischen Applikation starker Kohärenzbegriffe, wozu derjenige Reschers zu zählen ist, verbunden sein können. Kreiner hat einen starken Kohärenzbegriff für die Theologie sogar als „kaum rezipierbar“ bezeichnet1667, weil ein kohärentistischer, an logischer Aussagenkohärenz orientierter Gebrauch des Kohärenzkriteriums in der Theologie einen Determinismus zur Folge hätte und ein Verlust von Freiheit sowohl für den Menschen als auch letztlich für Gott bedeutete, insofern nämlich „unter diesen Voraussetzungen nur eine logisch notwendige Welt denkbar ist, deren sämtliche Zustände durch logische Relationen determiniert wären“1668. Statt für einen starken Kohärenzbegriff zu plädieren, optiert er für 1664 Daran anschließend auch Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 66(f). 1665 „Dabei ist ein kohärentes System nicht aufzubauen auf unmittelbar evidenten Wahrheiten, es wird vielmehr aus Daten, die zunächst als Wahrheitskandidaten verstanden werden, gebildet.“ (Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 105). 1666 „Die herangezogenen Daten bilden dann ein kohärentes System, wenn sie die Logik der Kohärenz erfüllen. Diese Logik der Kohärenz ist bestimmt durch die Anforderungen der Umfassendheit, der Konsistenz und der Zusammengefügtheit.“ (Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 105). 1667 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 287. 1668 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 287. Kreiner bezieht sich auf eine Auseinandersetzung mit der Kohärenztheorie der Wahrheit durch L.J. Cohen.

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einen bescheideneren, schwachen Kohärenzbegriff, der es – wie schon von Pannenberg intendiert – erlauben soll, die als von Gott begründet gedachte ontologische Einheit der Wirklichkeit als Kohärenz zur Darstellung zu bringen, ohne dabei jedoch auf kohärentistische (d. h. aussagenlogische) Zusammenhänge und den aus ihr resultierenden problematischen Konsequenzen in der Darstellung zurückgreifen zu müssen. Denn gegen das Verfolgen logischer Abhängigkeiten im Sinne des Kohärentismus spricht, wie Kreiner erkennt, dass das mit dem monotheistischen Gottglauben verbundene Unternehmen, die Wirklichkeit mit all ihren Teilen als Einheit zu verstehen und als solche verständlich zu machen, auf andere Weise nach Zusammenhängen aus sei1669. „Diese Zusammenhänge werden aber weitgehend nicht durch rein logische Abhängigkeiten hergestellt, sondern vor allem durch die personalistische Interpretation von Motiven, Absichten usw. Die ‚Abhängigkeit‘ zwischen Handlungen und Handlungszielen läßt sich aber nicht nach dem Modell von Prämisse und Schlußfolgerung konstruieren“, weshalb auch theologische Kohärenzmodelle (wie auch dasjenige Pannenbergs) „nicht nach den Prinzipien des starken Kohärenzbegriffs strukturiert“ seien1670. In der Umsetzung geht es demnach um widerspruchsfreie und intelligible Interpretationen, ohne damit „aus den angegebenen Gründen logisch die konkrete Beschaffenheit der erfahrbaren Welt abzuleiten.“1671 Die mit dem starken Kohärenzbegriff assoziierten Gefährdungen sind damit dann auch erfolgreich ausgeschlossen: „Weder stehen alle theologischen Aussagen in einer wechselseitigen deduktiven Abhängigkeit, noch impliziert jede einzelne Aussage virtuell alle anderen.“1672 „Völlig absurd wäre die Annahme, daß theologische Aussagen grundsätzlich alle anderen profanen Aussagen implizieren.“1673

Im Horizont dieses Problembewusstseins dürfte dann jedoch auch die Tatsache, dass Pannenberg eine differenzierte Bestimmung von Kohärenz unterlassen und so (unweigerlich) keinen starken Kohärenzbegriff entwickelt und postuliert hat, nicht so schwer wiegen, ja wahrscheinlich nicht einmal als Versäumnis gelten dürfen. Andererseits ist mit einer solchen begründeten Ablehnung eines starken Kohärenzbegriffs das eigentliche Problem noch nicht beseitigt. Es erhebt sich freilich die Frage, wie (wenn nicht logisch) sich die theologischen Entwürfe in Gestalt kohärenter Aussagesysteme zu den in anderen Wissenschaften kohärentistisch verfassten Modellen verhalten. Und wie ist Kohärenz auf Seiten der 1669 Vgl. A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 287. 1670 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 287. Kreiner zitiert aus W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 70. 1671 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 287. 1672 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 287. 1673 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 287f.

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ontologischen Ebene – der Wirklichkeit – überhaupt präziser zu denken? Ohne eine Lösung anbieten zu können, geht es mir darum, dass derlei Problemanzeigen nicht negiert werden. Erst wenn solche verschiedentlichen Kohärenzsysteme wiederum in einen kohärenten Gesamt-Zusammenhang gebracht werden können, kann für das System wie auch für die einzelnen darin enthaltenen Wahrheitskandidaten ein begründeter Anspruch auf Wahrheit erhoben werden. Dies gefordert und über weite Strecken dogmatischer Gehalte denkerisch realisiert zu haben, ist das bleibende und seine Theologie von vielen anderen Entwürfen seiner Zeit abhebende Verdienst Pannenbergs. 3.4.4.8.4 Universale Kohärenz als berechtigtes Erfordernis Ungeachtet der Fragen nach einer möglichen Explikation des Kohärenzbegriffs, wird man für die Kohärenzbildung im Sinne Pannenbergs, Puntels und Landmessers holistisch anwenden dürfen, d. h. also im Sinne der Formulierung möglichst umfassender Aussagensysteme1674. Je mehr kohärente Teile eines Aussagensystems dargetan werden können – das dürfte das dahinterliegende Anliegen sein – umso mehr kann für dieses System begründet Wahrheit in Anspruch genommen werden. Eine solche Kohärenzintuition wird mit gleichen Absichten theologisch auch von Anderen bemüht1675. Das epistemische Anliegen 1674 In seinem Streben nach universaler, holisierender Kohärenz ergibt sich eine (auffällige und sicher nicht zufällige) Parallele zu Pannenbergs Münchner Kollegen L.B. Puntel (der hinsichtlich seines eigenen Wahrheitsverständnisses einmal von einer kohärentistischen, d. h. „coherentist-holistic conception of truth“ sprach (vgl. L.B. Puntel, The Rationality of Theistic Belief and the Concept of Truth, 39–60). Auch M. Leiner (Methodischer Leitfaden Systematische Theologie und Religionsphilosophie, 56) steht der mit der Kohärenztheorie einhergehenden „holistischen (d. h. auf das Ganze gehenden) Tendenz“ positiv gegenüber. Interessant ist, dass er sich von einer möglichst umfassenden Aussagenkohärenz wiederum positive Auswirkungen für das Zustandekommen von Gewissheit(en) verspricht. So fände er, wie Leiner im Anschluss an J.H. Newman behauptet, eher seine Ruhe des Geistes (repose of mind). Pannenberg, der sich ebenfalls mit Newmans Gewissheitsverständnis auseinandergesetzt hat, hat im Unterschied zu Leiner einen derartigen Zusammenhang nicht behauptet und die den Gewissheitszustand angeblich kennzeichnende „Ruhe des Geistes“ etymologisch – von ‫ֱאֶמת‬/emet und he’emin her – begründet. 1675 Der katholische Theologe Hans Urs v. Balthasar formulierte gewagt: „Wer am meisten Wahrheit in seiner Sicht zu integrieren vermöchte, hätte den Anspruch auf die höchsterreichbare Wahrheit.“ (H.U. v. Balthasar, Epilog, 11). Siehe zum Thema auch 13f. – zitiert nach G. Augustin, Gott eint – trennt Christus?, 34 Anm. 64 u. 65. Im unmittelbaren Anschluss an Pannenberg meint J. Werbick, „die Vorstellung von der prinzipiell aufweisbaren Einheit alles Wahren wie die darauf bezogene Aufgabenstellung der Systematischen Theologie, diese Einheit durch ihren möglichst umfassend angelegten und durchgeführten doppelten Kohärenzaufweis theologisch in Anspruch zu nehmen und zu vergewissern, scheinen vom Wahrheitsanspruch der Theologie und des Glaubens selbst gefordert.“ (J. Werbick, Den Glauben verantworten. Eine Fundamentaltheologie, 848). Ähnlich wie bei Pannenberg lässt sich auch bei Werbick schon in vergleichsweise frühen Beiträgen das Bemühen um ein kohärente Interpretation der Wirklichkeit im Ganzen. Vgl. dazu fol-

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einer Prüfung von Aussagesystemen durch Kohärenz auf ihre Wahrheitsfähigkeit wird von Pannenberg derart realisiert, dass er die Kohärenzbildung auf Universalität abzielen lässt und darum sinnvollerweise sowohl eine interne als auch externe Kohärenzbildung durchführt. Während interne Kohärenz im weitesten Sinne den Bereich der Glaubensinhalte in ihrem systematischen Zusammenhang meint, bedeutet externe Kohärenz die Berücksichtigung von Konsonanzen und Kohärenzen mit dem Wissen und Wahrheitsansprüchen anderer Wissenschaften. Darin dürfte eine große Stärke der Theologie Pannenbergs liegen. Jede Theologie büßte an Überzeugungskraft ein, wenn sie einer größeren Kohärenzanforderung nicht nachkommen würde. Eine Theologie, die sich dadurch selbst isolierte, würde unglaubwürdig und scheiterte schließlich daran, ihre eigenen Wahrheitsansprüche als wahrheitsfähig zu präsentieren1676. Bei den theologisch zu unternehmenden Versuchen der Auflösung von Inkonsistenzen und Inkohärenzen kann es jedoch wie auch in „profan“ motivierten Kohärenzbildungen wohl kaum darum gehen, die Paradoxien dadurch aufzulösen (bzw. nur zu verschieben), dass zwischen verschiedenen Hinsichten oder Kontexten unterscheiden wird1677, weil solche Verfahren doch nur wieder die

genden Aufsatz von 1978: J. Werbick, Theologie als Theorie? Zur Diskussion um die Wissenschaftlichkeit der Theologie, 204–228. Offenbar von Pannenbergs Kohärenzbemühungen inspiriert, votiert auch der Pannenberg-Schüler N.H. Gregersen für eine Kohärenztheorie in der spezifischen Form einer ‚kontextuellen‘ Kohärenztheorie, die auf das Moment zweifacher Bewährung – auf „(1) theoretische Selbstreferenz und (2) Anwendungsvermögen in Bezug auf verschiedene Sprachbereiche“ abhebt. Vgl. dazu N.H. Gregersen, Einheit und Vielheit der schöpferischen Werke Gottes. Wolfhart Pannenbergs Beitrag zu einer trinitarischen Schöpfungslehre, 104 inkl. Anm. 6 (dort der diesbezügliche Hinweis auf N.H. Gregersen, A Contextual Coherence Theory for the Science Theology Dialogue, in: N.H. Gregersen, W.J. van Huyssteen (Hg.), Rethinking Theology and Science. Six Models for the Current Dialogue, Grand Rapids 1998, 181–231, bes. 189–198). 1676 Ähnlich dazu A. Kreiner, der eine Reihe von Beispielen für das Scheitern an der Kohärenzforderung gibt: „Beispiele, in denen theologische Entwürfe scheitern, weil sie sich als unfähig erwiesen haben, in Kohärenz mit der jeweiligen Wirklichkeitserfahrung diese in ihrer Totalität zu erhellen, wären etwa eine theologische Schöpfungslehre, die elementaren Einsichten der Evolutionstheorie widerspricht; eine Gnadenlehre, die den Grunddaten moderner Anthropologie nicht gerecht wird; eine Ekklesiologie, der es nicht gelingt, soziologische Theorien zu integrieren; eine Christologie, die die Historizität menschlichen Verstehens ignoriert; ein heilsgeschichtlicher Entwurf, der die Katastrophen der Menschheitsgeschichte ausblendet; usw.“ (A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 568f). 1677 Doch dies ist die Meinung von M. Leiner (Methodischer Leitfaden Systematische Theologie und Religionsphilosophie, 55): „Theologie kann und soll immer wieder Paradoxien dadurch auflösen, dass unterschiedliche logische Hinsichten und Kontexte unterschieden werden. Dies ist sogar eine ihrer besonders wichtigen Aufgaben.“ „Eine vollständige Auflösung aller Paradoxien ist aber wegen der die gegenständlichen Bedingungen unserer Logik überschreitenden Realität Gottes nicht möglich. Auch logisch bleibt das Geheimnis größer als unser Verstehen. Wer dies bestreitet und die Möglichkeit von nicht bis ins Letzte logisch auflösbaren Widersprüchen in der Theologie ablehnt, kann als „Logizist“ be-

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berechtigte Rückfrage provozieren würden, wie sich diese Hinsichten und Kontexte zueinander verhalten. Bestimmte, zwischen verschiedenen Kontexten und Hinsichten festgestellte Inkohärenzen und Inkonsistenten müssten dann aber auch nach Möglichkeit aufzulösen versucht werden, jedenfalls dann, wenn man von der Einheit der Wirklichkeit als einer von den verschiedenen Hinsichten und Kontexten ihrer Erkenntnis unabhängigen, kohärent oder kohärentistisch verfassten Wirklichkeit ausgeht, wovon m. E. jedoch immer schon intuitiv auszugehen ist, weil es irgendeinen Zusammenhang auf ontologischer Ebene (nicht nur das Verhältnis der Naturgesetzlichkeiten zueinander, sondern auch aller kontingenten Faktoren betreffend) mutmaßlich geben muss1678. Von der Inkozeichnet werden. Wer hingegen sich nicht um die Auflösung von Widersprüchen bemüht, ein Irrationalist ist“ (ebd.; dort weitere Literatur dazu). 1678 Allein deshalb schon scheint mir die Kritik von H.-P. Willi an Pannenbergs Bemühungen um universale Kohärenz wenig überzeugend. Willi urteilt: „Der systematisch-theologischen Aufgabe, „die Welt und die menschliche Lebensthematik vom christlichen Gottesverständnis her als in Gott begründet“ darzustellen (11) und durch den Aufweis universaler Kohärenz den Wahrheitsanspruch der Rede von Gott zu erhärten, kommt Pannenberg in eindrucksvoller Weise nach […]. Er stößt bei diesem Vorhaben jedoch notwendig an eine Grenze. Diese Grenze wird durch die „Tatsache des Bösen und des Übels in der Schöpfung“ (192) markiert.“ (H.-P. Willi, Theologie der Menschwerdung. Ein Bericht über den zweiten Band der „Systematischen Theologie“ von Wolfhart Pannenberg, 335) Bereits in seiner Rezension des ersten Bandes der Systematischen Theologie Pannenbergs hat Willi daran Kritik geübt, dass die „Problematik des Bösen“ bei Pannenberg nicht als Problem für die universale Kohärenzbildung verstanden worden ist. Es drängte sich Willi u. a. die Frage auf, „ob es überhaupt theologisch notwendig oder auch nur möglich ist, universale Kohärenz im Rahmen einer theologia viatorum durchzusetzen. Markiert nicht die Problematik des Bösen die unaufhebbare Grenze einer auf universale Kohärenz insistierenden Konzeption?“ (H.-P. Willi, Dogmatik als Lehre von Gott. Ein Bericht über den ersten Band der „Systematischen Theologie“ von Wolfhart Pannenberg, 106f). In einer Anmerkung rekurriert er weiter auf J. Müller: „Zu beachten wäre in diesem Zusammenhang ein Gedanke, den der Hallesche Dogmatiker Julius Müller (1801–1878) so formuliert hat: „. . .auch die unzureichendste Erklärung eines Widerspruches zwischen zwei gleichberechtigten Momenten – so lange sie nur beide festhält, bleibt sie der Wahrheit dennoch näher als die Beseitigung des Widerspruches durch Beseitigung des einen Momentes.“ (Die christliche Lehre von der Sünde, 5. Auflage Breslau 1867, Zweiter Band, 430f.).“ (a. a. O., 107, Anm. 11.) Dieses Argument ist sehr schwach. Denn ein solches Urteil scheint nur von einem (unerreichbaren) Metastandpunkt aus möglich. Solange die Wahrheit noch nicht definitiv feststeht – und zwar weil keiner für sich eine solche privilegierte Urteilsebene für sich reklamieren kann – bleibt die Kohärenzbildung (und damit auch die Beseitigung von Widersprüchen) in ihrem Recht. Willi plädiert für das bewusste Zulassen von Widersprüchen, sofern diese noch nicht gelöst werden könnten: „Zu beachten ist ferner – wegen des geschichtlichen Wesens der Wahrheit – der zeitlich-eschatologische Aspekt; die Frage ist, ob es Widersprüche gibt, die eine theologia viatorum prinzipiell nicht auflösen kann und darf, weil sie tatsächlich (noch) nicht (endgültig) aufgelöst sind. Gibt es solche Widersprüche, so könnte ein Denken, das sich in der Form der Paradoxalität vollzieht, seine Berechtigung als Korrektiv des Denkens, das universale Kohärenz (vorzeitig oder auf nicht adäquate Weise) durchsetzen will, behaupten: ein solches Denken würde durch das Festhalten der faktisch vorhandenen und (noch) nicht zu lösenden Widersprüche das Pro-

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härenz der Wirklichkeit auszugehen, wodurch allein auch eine inkonsistente, inkohärente und Paradoxien enthaltene Rede von der Wirklichkeit und von Gott begründet werden könnte, scheint mir darum eine wenig plausible Option. Das mit Pannenberg aus meiner Sicht berechtigte Festhalten an der Idee der Einheit der Wirklichkeit muss und kann allerdings nicht ausschließen, dass Wirklichkeit unterschiedlich erlebt, wahrgenommen oder erkannt werden kann1679.

blembewußtsein schärfen und allen vorschnellen Bemühungen um Kohärenz Hindernisse in den Weg legen, welche einzig die befreiende Macht der Wahrheit zu ihrer Zeit und auf ihre (heute vielleicht noch nicht absehbare) Weise auszuräumen vermag. Nur wenn die Theologie diese Zusammenhänge beachtet, kann sie der Gefahr entgehen, eine Kohärenz (oder einen Schein von Kohärenz) zu erzeugen, welche der Wahrheit nicht entspricht.“ (H.P. Willi, Dogmatik als Lehre von Gott. Ein Bericht über den ersten Band der „Systematischen Theologie“ von Wolfhart Pannenberg, 107 Anm. 11). Willi ist sich der Irrtumsanfälligkeit kohärenter Systeme – diesem berühmten Standardeinwand gegenüber der Kohärenztheorie der Wahrheit – voll bewusst. In diesem Punkt dürfte aber kein allzu großer Gegensatz zu Pannenbergs Ansatz bestehen. Auch er ist sich, wie gezeigt wurde, der epistemischen Grenzen der Kohärenzbildung bewusst. Anders als Willi postuliert er jedoch m. E. zu Recht die Aufgabe, wiederholt nach Kohärenzen zu suchen, weil nur so ein begründeter Anspruch auf Wahrheit möglich ist. Für Willi scheint diese Aufgabe von untergeordneter Bedeutung, weil es ihm grundsätzlich auch denkbar scheint, dass auf ontologischer Ebene gar keine Kohärenz besteht, was jedoch aus o.g. Gründen wenig überzeugt. 1679 Vgl. dazu auch die instruktive Kritik von E. Herms an J. Fischers These, wonach sich die Glaubenden im Unterschied zu den Nichtglaubenden „in einem anderen Raum oder Wirklichkeitszusammenhang“ befänden (J. Fischer, Theologische Ethik und die Forderung nach Selbstbeschränkung religiöser Überzeugungen im öffentlichen Raum, 251). Zu Fischers Skepsis gegenüber der Vorstellung der Einheit der Wirklichkeit siehe auch J. Fischer, Zum Wahrheitsanspruch der Theologie, 103 Anm. 12. Während darin Wirklichkeit eher (?) nicht als eine verstanden wird, ist Herms m. E. völlig zu Recht für den Gedanken ihrer Einheit eingetreten und betont die m. E. alltägliche wie evidente Intuition, dass die Glaubenden in der gleichen Wirklichkeit lebten, auch wenn diese eine Wirklichkeit von anderen anders erlebt bzw. erkannt wird. Herms meint, Fischer jedoch so verstehen zu können (und dann bestünde Übereinkunft), „daß er damit nur sagen will, daß der Glaubende sich in einem anderen Horizont der Erschlossenheit von Wirklichkeit bewegt als der Nichtglaubende, nicht aber, daß dieser sein eigengearteter Horizont des Erschlossenseins von Wirklichkeit es dem Glaubenden gebiete oder auch nur erlaube, erstens anzunehmen, daß der Nichtglaubende sich in einer anderen Wirklichkeit bewege als der Glaubende (vielmehr steht er für den Glaubenden in derselben vom dreieinigen Gott geschaffenen Wirklichkeit wie der Glaubende), und zweitens nicht anzunehmen, daß eben deshalb auch der der Nichtglaubende fähig sei und dazu bestimmt, des Erlebens teilhaft zu werden, das den Glauben begründet (vielmehr steht auch der Nichtglaubende aus der Sicht des Glaubenden in der Hand des dreieinigen Gottes und seines auf völlige Selbsterschließung für seine Geschöpfe hinzielenden Schöpferwirkens)“ (E. Herms, Phänomene des Glaubens, XIII, Anm. 3). Dann wäre auch m. E. nichts gegen die Ausführungen Fischers einzuwenden. Ob Fischer damit angemessen verstanden ist, wage ich jedoch zu bezweifeln.

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3.4.4.8.5 Zum Leistungspotential eines Präferenzkriteriums (P) nach N. Rescher Der oben behandelte und häufiger gegen den Kohärentismus vorgebrachte und zuweilen auch als consistent fairy story objection1680 bezeichnete Einwand trifft die Verfechter einer Kohärenztheorie der Wahrheit zumeist sehr. Denn er ruft schlicht in Erinnerung, dass es zu viele kohärente Modelle gibt, die das Kohärenzkriterium der Wahrheit erfüllen. Nicht einmal der Wahrheitsgehalt von Märchen kann mit der Logik der Kohärenz überprüft werden1681. Aufgrund dieser unüberwindbaren epistemischen Grenze in der Wahrheitserkenntnis erscheint eine Wahl zugunsten eines kohärenten Systems sinnvoll, ja erforderlich. Es ist mit A. Kreiner sicher richtig anzunehmen, dass „[d]ie Entscheidung zwischen den konkurrierenden Modellen […] keineswegs nur von der Kohärenz der einzelnen Annahmen ab[hängt], sondern von dem Stellenwert, der bestimmten Grundannahmen beigemessen wird.“1682 Auch ist sicher richtig, dass „[d]ieser Stellenwert […] weitgehend als Vorgabe für die weitere Strukturierung theologischer Systeme [fungiert]“ und weder die Kohärenz noch ihre Konsistenz die Wahrheit dieses Systems garantieren können1683. Allerdings müssen die Entscheidungen, die zur Wahl eines bestimmten Aussagesystems nicht völlig willkürlich und darum unerheblich sein. Mehr noch. Es – so wird hier im Anschluss an Rescher und Landmesser behauptet – bietet sich eine Chance, die Wahl eines bestimmten für wahr befundenen (Sub-)Systems nachvollziehbar zu rechtfertigen, sodass dadurch ein letztlich rational verantworteter Anspruch auf Wahrheit für dieses System erhoben werden kann. Rescher hat in „T h e C o h e r e n c e T h e o r y o f T r u t h “ in diese Richtung gehende Überlegungen angestellt, bei denen erkennbar wird, dass (rein) subjektivistische (d. h. willkürliche) Bewertungsmaßstäbe ausgeschlossen werden, jedoch die Subjektivität und Perspektivität des Einzelnen der wissenschaftlich nach Wahrheit Suchenden positiv zum Tragen kommt. Nach einem Vorschlag von N. Rescher kann die erwähnte Kohärenzproblematik bei der Wahl eines bestimmten kohärenten Aussagesystems dadurch überwunden werden, dass eine solche Wahl über die Auswahl eines ganz besimmten Kriteriums führt (vgl. oben). Es ist das sog. Präferenzkriterium (P) 1684, das eine vernünftig nachvollziehbare und kontrollierbare Wahl ermöglichen kann1685. Mit dieser Präferenz eines Kriteriums kann m. E. dann transparent zum 1680 So S. Haack, Evidence and Inquiry, 65. 1681 So Chr. Landmesser (Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, bes. 504f). 1682 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 288. 1683 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 288. Dies bleibt für Kreiner ein gewichtiges Argument gegen die Kohärenztheorie. 1684 So mit N. Rescher auch Chr. Landmesser. Vgl. ebd. 1685 Vgl. Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 105.

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Ausdruck kommen, wie die einzelnen Wissenschaften – oder im Einfall auch der einzelne Mensch – sowohl den Menschen selbst aber auch seine Wirklichkeit, in der er lebt, verstehen bzw. versteht1686. Für die Theologie als Wissenschaft unter Wissenschaften hätte dies den Vorteil, dass sie auf die Logik der Kohärenz in gleicher Weise rekurrierte wie dies andere Wissenschaften tun1687 Aber auch in der Wahl eines bestimmten Präferenzkriteriums ergäbe sich kein prinzipieller Unterschied1688 – nur ggf. darin, dass sie bestimmte, voneinander verschiedene Kriterien wählten, würden sich die Wissenschaften voneinander unterscheiden, womit aber zusammenhängt, dass keine Wissenschaft gegenüber einer anderen hinsichtlich der von ihnen erhobenen Wahrheitsansprüche im Vorteil wäre – auch nicht gegenüber der Theologie; die Wissenschaften differierten in entscheidender Weise hinsichtlich eines zu wählenden Präferenzkriteriums, das selbst aber nicht mehr über die Kohärenz-Logik begründet werden kann1689. Während Rescher sich für ein pragmatisches Präferenzkriterium entschied, hat Chr. Landmesser in seiner Adaption wesentlicher Bestandteile der Theorie von Rescher für die Theologie ein (rein) pragmatisches P für die Theologie abgelehnt und als Altrnative ein christologisches Präferenzkriterium ins Gespräch gebracht1690. Landmessers Begründung für das von ihm sog. „christologische Präferenzkriterium“1691 führt über die Texte des Neuen Testamentes, deren ge-

1686 In ähnlicher Weise hat der damalige Gesprächspartner Pannenbergs – I. Berten – auf die für das menschliche Leben existenziell belangvolle Relevanz der Wahl hingewiesen. Bei Berten ist diese Wahl zwar nicht die Wahl eines Präferenzkriteriums, aber sehr ähnlich dazu eine Wahl, die nach Sinn in Bezug auf das Selbst und die Welt aus ist. Der Mensch drückt mit seiner (durchaus als von mehreren, komplexen Faktoren abhängigen) Wahl aus, was er als Antwort auf die Sinnfrage versteht. Vgl. dazu I. Berten, Geschichte-Offenbarung-Glaube, 119–121. 1687 Vgl. Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 504: „Die neutestamentliche Wissenschaft – wie die Theologie insgesamt – unterscheidet sich hinsichtlich der Frage nach der Wahrheit und hinsichtlich der Logik der Kohärenz nicht grundsätzlich von anderen Wissenschaften.“ 1688 Vgl. Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 504. 1689 Vgl. Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 504f. Zu Obigem, zur Wahl unterschiedlicher Präferenzkriteria in den Wissenschaften und zur unterschiedlichen Beachtung bestimmter Data siehe auch Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 400. Vgl. ferner Chr. Landmesser, Freiheit als Konkretion von Wahrheit, 41 Anm. 14: „Jeder kommunikable Zugang zur Welt bedarf über die allgemein vorauszusetzenden Kriterien hinaus noch eines Präferenzkriteriums, das nicht mehr logisch und keinesfalls unbestreitbar zu begründen ist.“ 1690 Landmesser ist der Auffassung, dass „[e]in rein pragmatisches Präferenzkriterium […] im Rahmen der Theologie als Wissenschaft keine Plausibilität“ hat (Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 67). 1691 Siehe dazu Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 459ff.

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meinsamen Skopus er in der „Zentrierung auf die Person und das heilvolle Werk Jesu Christi“1692 sieht. M. E. kann erstens das Präferenzkriterium weiter gefasst werden als es bei Landmesser geschieht, und zwar durchaus im Sinne Pannenbergs als ein theologisches – geht es doch nicht nur in seiner systematischer Theologie um ein theologisches Gesamtverständnis der von Gott bestimmten, als kohärent verfasst gedachten Wirklichkeit. Zweitens täte die Theologie gut daran, im Einzelfall zu prüfen, ob nicht auch die anderen von Rescher genannten Kriterien erfüllt werden können (anstatt sie von vornherein auszugrenzen). Drittens scheint mir dies insbesondere für das pragmatische P zu gelten. Warum sollte Theologie am Punkte der Konkurrenz verschiedener Kohärenzmodelle nicht (auch) auf ein pragmatisches P zurückgreifen (können)? Schließlich wird die Wahrheitsfrage selbst nicht selten immerhin auch aus pragmatischen Gründen gestellt (s. o.). Und das scheint mir alles andere als illegitim zu sein, weil wir Menschen eben leben müssen oder wollen und das berechtigte Interesse zeigen, uns sozusagen „einen Reim auf die Welt zu machen“. A. Kreiner hat sich u. a. im Anschluss an N. Reschers methodological pragmatism dafür ausgesprochen, „daß religiöse Überzeugungen auch danach zu beurteilen sind, inwiefern sie ein gutes und sinnvolles Leben ermöglichen.“1693 Lebensdienliche Aspekte wie „survival, welfare, and affective well-being“ verdienen berücksichtigt zu werden1694. Auch wenn solche epistemischen Erwägungen in Pannenbergs Kohärenzprogramm bedauerlicherweise fehlen, zeichnen sich Pannenbergs Ausführungen zum Thema durch eine entschiedene Reflexion des Verhältnisses von Kohärenz und Zeitlichkeit aus. Die epistemischen Grenzen angewandter Kohärenztheorien aufgrund einer unvollständigen Datenmenge rühren in der Tat ja ihrerseits nicht selten daher, dass sich – wie Pannenberg annimmt und überzeugend darlegt – Erkenntnisfortschritt erst im Verlauf der Geschichte vollzieht, weshalb der biblisch bezeugte fragmentarische Charakter von Erkenntnis bis zum Eschaton (gemäß 1 Kor 13, 9f.) nicht nur in theologischer Hinsicht an Aktualität nicht 1692 Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 463: „Die Texte des Neuen Testaments geben mit dieser Konzentration auf die Person und das heilvolle Werk Jesu Christi zu erkennen, was für sie als das Präferenzkriterium zu gelten hat.“ (Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 464). „Die Wahl des christologischen Präferenzkriteriums ist im Neuen Testament erkennbar und für uns heute allein im Glauben an Jesus Christus gesetzt.“ (a. a. O., 505). Landmesser hebt allerdings hervor, dass der Christusglaube zwar „explikationsfähig“ sei; doch „der Zugang zu ihm ist argumentativ unverfügbar und […] kann somit nicht eingefordert werden.“ (Chr. Landmesser, Neutestamentliche Wissenschaft und Weltbezug, 199). Siehe zum christologischen Präferenzkriterium auch a. a. O., 195ff, bes. 198ff. 1693 A. Kreiner, Wahrheit und Perspektivität religiöser Rede von Gott, 61f. 1694 N. Rescher, Methodological Pragmatism, 24f (zitiert nach A. Kreiner, Wahrheit und Perspektivität religiöser Rede von Gott, 62).

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verloren hat. Dieses Bewusstsein eines sich geschichtlich vollziehenden Fortschritts und dem sich daraus erklärten Gewahrseins einer unvollendeten Datenbasis sollte gleichermaßen Ansporn zu interdisziplinärer Kohärenzsuche sein wie Anlass für die nicht minder bei Pannenberg erkennbare Demut gegenüber dem jeweils „Gewußten“, das vielleicht nicht mehr als nur für wahr Gehaltenes ist und künftig dem Irrtum anheimfallen kann.

3.4.4.8.6 Zwischenfazit Ein nicht nur die „S y s t e m a t i s c h e T h e o l o g i e “ durchziehendes Kohärenzprogramm wird von Pannenberg in den Dienst genommen für eine Apologie des christlichen Anspruchs auf Wahrheit. Die Kohärenz wird dabei bewusst als ein allgemeines Wahrheitskriterium in Anschlag gebracht, welches auch die (philosophische) Kohärenztheorie der Wahrheit kennt und anwendet. Wie N. Rescher nutzt Pannenberg den Vorzug, der sich mit einer großangelegten, universalen Kohärenzbildung verbinden kann: Anstatt mit einem theologischen Programm Wahrheit zu präsupponieren und so die kritische Rückfrage nach einer Begründung und Plausibilisierung zu evozieren, demonstriert sowohl die erreichte Kohärenz der theologischen Inhalte, für die Wahrheit beansprucht wird, als auch die Kohärenz zu außertheologischen Gehalten, dass für diese Gesamtheit der Inhalte berechtigterweise Wahrheit in Anspruch genommen werden kann. Sowohl im Hinblick auf den hohen Anspruch als auch im Blick auf die kreative, systematisch-theologische Umsetzung besticht Pannenbergs Programmatik. Dazu gehört auch die von ihm notierte wichtige Einsicht, dass ein kriteriologisches Kohärenzprogramm epistemische Grenzen hat, konkret: dass Wahrheit nicht demonstriert werden kann – schon gar nicht präeschatologisch. Getrübt wird dieses bemerkenswerte Kohärenz-Unternehmen durch semantische Unschärfen, wie sie etwa in den erklärten Zielen der Kohärenzbildung zu Tage treten. Solche Unschärfen dürften mit einem grundsätzlichen Manko zusammenhängen. Dieses scheint mir weniger darin zu bestehen, dass Pannenberg postmoderne Auflösungserscheinungen von Wahrheit nicht eingehender in diesem Zusammenhang als problematische Entwicklungen behandelt hat. Es fehlt schlicht eine klare und präzise Systematik und Terminologie. Das ist umso bedauerlicher, als Publikationen N. Reschers zum Thema offenbar zwar gelesen worden sind, aber dessen hoch differenzierende Erwägungen es sozusagen nicht in die Rezeption geschafft haben. Die Tatsache der unthematisierten Vagheit des Kohärenzbegriffs (z. B. in der fehlenden Abhebung von Konsistenz) als solcher als auch die relative Vagheit seiner Auskünfte im Hinblick auf das, was mit Kohärenzbildung erreicht werden soll, lässt die Frage aufkommen, inwieweit dieses Kohärenzprogramm überhaupt auf eine wissenschaftlich „legitime“ Art und Weise Anwendung finden und valide Ergebnisse heraufbefördern kann.

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Wolfhart Pannenbergs Wahrheitskonzeption

Wie sich zeigte, macht Pannenberg (nicht zuletzt auch) innerhalb seines Kohärenzprogramms ausgiebigen Gebrauch von verschiedenen Wahrheitsbegriffen, ohne diesen Schritt eigens zu rechtfertigen oder überhaupt als problematisch wahrzunehmen. Es irritiert nicht nur hier, dass die Vokabel ‚Wahrheit‘ zur Bezeichnung verschiedenster Sachen benutzt wird. Ein behutsamer und systematisierter Umgang mit dem Themenfeld hätte nicht nur bewirken können, die Fragen nach Wahrheit und Verifizierung hinsichtlich verschiedener Dimensionen o. ä. zu unterscheiden und auseinanderzuhalten. Dieser hätte auch zur Auseinandersetzung mit den im Kontext der Bearbeitung des Themenfeldes aufkeimenden Fragen verhelfen können und zu Antworten drängen können auf Fragen wie etwa die, wer (Gott oder Mensch?) als das Agens (Subjekt) der Verifizierung gelten kann und was Verifizierung selbst konkret bedeutet und inwiefern sie überhaupt als realisierbar zu denken ist1695. Geht es beispielsweise um eine Bestätigung der auf aussagetheoretische Wahrheit abzielenden Modelle unserer kohärenten Weltinterpretation oder (alternativ oder zugleich) um einen sich selbst verifizierenden Gott coram mundo? Aber auch schon grundsätzlicher mag man fragen: Wieso geht Pannenberg, wie sich wiederholt zeigt, davon aus, dass sich die Wahrheit uns nach Erkenntnis strebenden Menschen am Ende des Geschichtsprozesses herausstellen wird, ja auch schon auf dem Weg dahin bis zur eschatologischen Vollendung zunehmend erkennbar wird? Ist das trotz der biblischen Anleihen, auf denen diese Überzeugung fußt, vielleicht dennoch zu optimistisch, wie S.J. Grenz kritisch anfragt? 1696

1695 Sollte eine Verifizierung aussagetheoretischer Wahrheitsansprüche etwa doch nicht möglich sein, wie er an einer Stelle behauptet? „Eine endgültige Bewahrheitung theologischer Behauptungen dürfte allerdings überhaupt unerreichbar [kursiv: T. L.] sein – im Unterschied zu der anders gearteten Vertrauensgewißheit des Glaubens.“ (W. Pannenberg, Wie wahr ist das Reden von Gott?, 41). Steht dies nicht im Widerspruch zu seinem andernorts formulierten Verifizierungsanliegen? 1696 „Similarly, his understanding may be rejected as constituting a too optimistic confidence in the historical process as the field in which truth will emerge, a religious progressivism against which the Genesis story of the fall and the Pauline condemnation of human idolatry […] stand as a critique.“ (S.J. Grenz, Commitment and Dialogue: Pannenberg on Christianity and the Religions, 208f).

Äquivokationen und das Problem der Gleichzeitigkeit verschiedener Wahrheitsbegriffe 779

3.5

Äquivokationen und das Problem der Gleichzeitigkeit verschiedener (formaler) Wahrheitsbegriffe

Dass „die möglichen Begriffe von Wahrheit, die mit Bezug auf Religion ins Spiel kommen, […] sehr unterschiedlich [sind]“1697, wie R. Spaemann feststellt, ist sicher richtig. Aber darin liegt eine Grundschwierigkeit, die als Herausforderung anerkannt werden müsste, soll theologisch angemessen das Wahrheitsproblem behandelt werden. In theologischen Publikationen schillern die Vokabel ‚Wahrheit‘ und ihre Derivate oftmals erschreckend häufig. Der Wortgebrauch bei Pannenberg scheint im Vergleich zu anderen theologischen Konzeptionen (wenigstens des 20. Jahrhunderts) einen erfreulich hohen Präzisionsgrad zu haben. Und doch bleibt immer noch Raum für heikle Äquivokationen. Das hängt zum einen damit zusammen, dass Pannenberg – v. a. in seinen frühen Publikationen – eine klare Unterscheidung zwischen formaler und materialer Wahrheit vermissen lässt, dabei verschiedene Attribute auf ‚die Wahrheit‘ bezieht, zum Teil aber stillschweigend mit disparaten Begriffen von Wahrheit operiert und auf diese Weise zwangsläufig Äquivokationen in Kauf nimmt. Wiederholt ist diese Schwierigkeit deutlich geworden. Im Folgenden soll darauf ausführlicher eingegangen werden. Pannenberg hat – auch wenn er gelegentlich von einem biblischen oder ‚christlichen Wahrheitsverständnis‘ (!) 1698 spricht – nicht für ein Wahrheitsverständnis votiert, das als ein Gegenüber zu dem landläufigen Verständnis von Wahrheit als semantisch-ontologisches Phänomen verstanden sein will. Das ist die Stärke seines insbesondere die aussagetheoretische Wahrheit inkludierenden synthetisch-integrativen Wahrheitsbegriffs. Die Schwäche eines solchen multidimensionalen Wahrheitsverständnisses besteht jedoch darin, dass die Vokabel ‚Wahrheit‘ unweigerlich mit verschiedenen und zum Teil auch den unterschiedlichsten Bedeutungen aufgeladen wird: Wahrheit im korrespondenztheoretischen Sinne bedeutet eben etwas Anderes als Wahrheit im Sinne von Kohärenz. Auch macht es einen gewaltigen Unterschied, ob Wahrheit als Treue interpretiert wird oder von der ontologischen

1697 R. Spaemann, Religion und ‚Tatsachenwahrheit‘, 225. Spaemann illustriert diesen Sachverhalt an einem Beispiel: „Wenn es im Evangelium heißt: „Wenn ihr tut, was ich euch sage, dann werdet ihr erkennen, daß ich die Wahrheit rede“, dann ist offenbar ein anderer Sinn von Wahrheit gemeint als bei der Aussage, daß das Grab Jesu am dritten Tage leer war. Wahrheit als ‚Bewährung‘ im Leben, was immer das heißen mag, ist ein möglicher Sinn von Wahrheit, aber nicht der einzige.“ (ebd). 1698 Vgl. etwa W. Pannenberg, Auferstehung Jesu und Zukunft des Menschen, 69 („Darum ist es für das christliche Wahrheitsverständnis [kursiv: T. L.] entscheidend wichtig, daß der christliche Glaube in einem positiven Verhältnis zu aller menschlichen Sehnsucht nach Vollendung des Menschen steht.“).

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Wolfhart Pannenbergs Wahrheitskonzeption

Wahrheit der Dinge als ihrem Wesen gesprochen wird. Wiederum etwas anderes ist es, mit M. Heidegger Wahrheit als Unverborgenheit1699 auszugeben oder die traditionelle, aber mehrdeutige Formel der Wahrheit Gottes zu bemühen. Um einiges klarer in semantischer Hinsicht ist es immerhin, wenn Pannenberg in Bezug auf Gott (sei es Vater oder Christus) sagt, er sei die Wahrheit. Es hat sich im Zuge der Rekonstruktion der Pannenberg’schen Wahrheitskonzeption gezeigt, dass der Ausdruck ‚Wahrheit‘ von Pannenberg mit einer Vielzahl von (partiell auch sehr unterschiedlichen) Bedeutungen versehen worden ist. Dieser Umstand ist – wenn auch nicht nur – eine unweigerliche Folge seines synthetischen Wahrheitsbegriffs, für dessen Zustandekommen weniger eine elaborierte wahrheitstheoretische Reflexion ausschlaggebend gewesen sein dürfte als vielmehr die Begeisterung für alte, teils antike und theologiegeschichtliche Vorbilder. Eine eingehende Auseinandersetzung mit der modernen philosophischen Wahrheitstheorie des 20. Jahrhunderts und auch der neuesten Debatte am Beginn des 21. Jahrhunderts hätte so manche prekäre Konfundierung verschiedener Fragestellungen (z. B. der Wahrheit und Wahrheitserkenntnis) erst gar nicht aufkommen lassen. Ein eingehendes Studium neuerer Veröffentlichungen zum Thema hätte eventualiter auch Zweifel an dem Vorhaben nähren können, mehrere, (aus heutiger wahrheitstheoretischer Perspektive) unterschiedliche Begriffe von Wahrheit zu verbinden. Dies sind im Wesentlichen die ontologische Wahrheit, die semantisch-ontologische bzw. aussagetheoretische (Korrespondenz-)Wahrheit und die (onto-)theologische Wahrheit. Hinzu kommen das biblische und das griechische Wahrheitsverständnis, wobei eine formal-begriffliche Eigenständigkeit nicht vollends gegeben ist. Deren Bedeutung und Funktion kann im Einzelfall den genannten Begriffen von Wahrheit zugeordnet werden. 1699 Hier tritt die Schwierigkeit hinzu, dass Heidegger seine Sicht später jedoch selbst korrigierte, weshalb der Rekurs auf Heidegger für das Verständnis von Wahrheit als Unverborgenheit „seither“ praktisch noch problematischer wird. Siehe dazu A. Halder, Geschichtliche und logische Wahrheit, 58; siehe insbes. ausführlicher Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 159–161. Ab der Selbstkorrektur galt ihm Unverborgenheit als „die einzig angemessene Übersetzung von ἀλήθεια“, sodass der Ausdruck ἀλήθεια nicht mit ‚Wahrheit‘ wiedergegeben werden kann. D. h. seine Korrektur (gegenüber seinen Ausführungen in Sein und Zeit) besteht darin, dass „er die Identität von Wahrheit und dem von ihm mit ἀλήθεια Gemeinten jetzt bestreitet.“ (Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 160) Die Frage nach Unverborgenheit ist (für ihn seitdem auch) eine andere Frage als die nach der Wahrheit. Wahrheit bezieht er nun auf die Aussagenwahrheit, mit Unverborgenheit meint er dagegen „die Erschlossenheit des Daseins“ (a. a. O., 159). Siehe dazu M. Heidegger, Das Ende der Philosophie und die Aufgabe des Denkens, 74–79 (in der Ausgabe von 31988). Die Möglichkeit, sich auf Heidegger in diesem Punkt zu berufen, wird damit obsolet. Glücklicherweise scheint die Zeit des Etymologisierens zur Bedeutungseruierung ohnehin weitestgehend vorüber.

Äquivokationen und das Problem der Gleichzeitigkeit verschiedener Wahrheitsbegriffe 781

Die Eruierung der einzelnen semantischen Gehalte des Wortes ‚Wahrheit‘ im Sprachgebrauch Pannenbergs erweist sich i. d. R. solange als weitgehend unproblematisch, als die je kontextuellen Bedeutungen dieser Vokabel sich von jenen Wahrheitsbegriffen her verstehen lassen, die Pannenberg in Anspruch genommen hat1700. Die semantische Bandbreite des Ausdrucks ‚Wahrheit‘ gemäß den unterschiedlichen Wahrheitsbegriffen wird ihrerseits nun nicht so sehr dadurch gesteigert, dass in manchen Verwendungsfällen verschiedene Wahrheitsbegriffe vermengt werden, wie dies exemplarisch an der von ihm sog. ‚Ausdruckswahrheit‘ (s. o.) sichtbar geworden ist: Da werden mindestens zwei verschiedene Wahrheitsverständnisse aufeinander bezogen – die theologische Wahrheit (‚Wahrheit Gottes‘) und die aussagetheoretische (Korrespondenz-)Wahrheit mit dem Übereinstimmungsgedanken. Die Äquivozität wird noch gesteigert dadurch, dass er an einer Stelle die ‚Ausdruckswahrheit‘ mit „der Auffassung von Wahrheit als Ausdruck“ wiedergibt, was aufgrund der darin erkennbaren Identifizierung von Wahrheit mit Ausdruck zur Folge hat, dass die Vokabel ‚Wahrheit‘ erneut mit etwas Anderem in Verbindung gebracht wird. (Dessen ungeachtet mag man fragen, wie Pannenberg ein Übereinstimmungsverhältnis zwischen menschlichem Verhalten und göttlicher Wahrheit gedacht hat. Die ohnehin für die Korrespondenzrelation ty-

1700 Das ist z. B. der Fall, wenn Wahrheit als Zuverlässigkeit definiert wird, und zwar in einem Fall, in dem er seiner Anschauung Ausdruck verleiht, dass „das Vertrauen nicht bestehen [könne], ohne die Wahrheit, nämlich die Zuverlässigkeit [kursiv: T. L.] dessen vorauszusetzen, worauf es sich einläßt.“ (W. Pannenberg, Das Glaubensbekenntnis, 15). Diese Bedeutung von Wahrheit erschließt sich über das von ihm sog. hebräische Wahrheitsverständnis. Vom hebräischen Wahrheitsverständnis will Pannenberg auch das Verständnis von Wahrheit als Tragfähigkeit ableiten. In Pannenbergs 49. These zur Kirche heißt es, „[d]er Glaubende setzt die Tragfähigkeit (= Wahrheit) [kursiv: T. L.] des Grundes, auf den er sich verlässt, voraus, obwohl er sein eigenes Verständnis dieses Grundes als ein vorläufiges und korrekturbedürftiges erkennen wird, gerade wenn er die endgültige Wahrheit [kursiv: T. L.] des Glaubensgrundes selbst (als wesentlich mit dem eschatologischen Charakter der Geschichte Jesu gegeben) als Bedingung des Glaubens erkennt: Solche endgültige Wahrheit hat das eigene Verstehen des Glaubensgrundes niemals.“ (W. Pannenberg, Thesen zur Theologie der Kirche, 25 [These 49]). Möglicherweise ist auch Pannenbergs spätere Rede von „der endgültigen Wahrheit dieses Glaubensgrundes“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 178) vom Verständnis der Wahrheit als Tragfähigkeit her zu verstehen. Entsprechend gilt dann auch, dass gemäß seinem (onto-) theologischen Wahrheitsverständnis das ‚Wahre‘ und ‚wahrhaft Seiende‘ letzlich mit Gott in Verbindung gebracht wird: „Dennoch ist die Identität der Dinge in ihrem vergänglichen Dasein und der darin sich manifestierenden Ordnung der Ort, an dem das wahrhaft Seiende in Erscheinung tritt und die Treue Gottes sich manifestiert (vgl. Ps. 119, 160; cf. 111,7f.). Ihre Darstellung im Wort der Sprache bildet die erste Artikulation der im Gefühl nur unbestimmt sich bekundenden Gegenwart des Ganzen und Endgültigen, des dauernd Wahren und Bleibenden in der menschlichen Erfahrung. […] Die Gegenwart des Wahren und Endgültigen inmitten der unvollendet abbrechenden Prozesse der Geschichte, inmitten irdischen Mißlingens und irdischer Vergänglichkeit, nennen wir Geist.“ (W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 505).

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Wolfhart Pannenbergs Wahrheitskonzeption

pische Metaphorik müsste hierfür wohl in besonderem Maße, wenn nicht sogar eher über Gebühr, in den Dienst genommen werden).

Die Bandbreite an Bedeutungen, die das Wort ‚Wahrheit‘ annehmen kann, wird vor allem immer dann erheblich gesteigert, wenn bei einzelnen Anwendungsfällen die jeweiligen Bedeutungsgehalte nicht klar von einem bestimmten Wahrheitsbegriff her verstanden werden können, also wenn eigenwillige Verwendungsweisen vorliegen, die den Ausdruck ‚Wahrheit‘ zuweilen enorm schillern lassen. Aufs Ganze gesehen türmt sich trotz aller systematischen Anstrengungen Pannenbergs eine semantische Diversität und Plurivozität in beachtlichem Ausmaß auf. Es liegt hier ein Grundproblem vor, auf das die Pannenbergkritik bereits gestoßen ist. Schon Bernhard Waldenfels hat bei Pannenberg eine problematische „Doppeldeutigkeit des Wahrheitsbegriffs“ festgestellt1701. Im Folgenden wird anhand ausgewählter Beispiele das breite semantische Feld offengelegt, das Pannenberg mit dem Ausdruck ‚Wahrheit‘ und teilweise recht eigenwilliger und undefinierter Komposita aufs Tableau bringt. Alles in allem ergibt sich daraus, dass Pannenbergs hochkomplexes Verständnis von Wahrheit nicht prägnant formuliert, geschweige denn pointiert in einem Satz auf den Punkt gebracht werden kann. (Die eingangs vorgenommene Zusammenschau solcher Versuche zeigt dies mehr als deutlich.) Unter den verschiedenen Bedeutungen sind diejenigen noch eher wenig problematisch, die sich kontextuell eruieren lassen und u. U. aus der gegenwärtigen Alltagssprache bekannt sind. Dazu rechne ich die Verwendung des Wortes ‚Wahrheit‘ für Tatsächlichkeit oder Faktizität. Das Überzeugtsein von der „Wahrheit der Offenbarung Gottes in Person und Geschichte Jesu“ beispielweise besagt, dass davon ausgegangen wird, dass der behauptete Wahrheitsanspruch auch zutrifft. So gesehen geht es um die Tatsächlichkeit einer solchen Annahme der Offenbarung Gottes1702. Pannenberg verquickt hier diesen Wortgebrauch des 1701 „Nun zu den Ausführungen über Toleranz. Ich meine, daß sich die Doppeldeutigkeit des Wahrheitsbegriffs von Pannenberg auch dort sichtbar machen läßt. Ich gehe zunächst aus von der Wahrheit im Sinne des Ganzen. Das ergibt eine Stufe der Toleranz, wo andere Konfessionen, andere Religionen eingeschlossen werden. In diesen Wahrheitsbegriff können auch Atheisten, Nichtgläubige eingeschlossen werden, da sie auch wohl Teile der Wahrheit für sich haben. Nimmt man aber den ersten Wahrheitsbegriff im Sinne der Treue, hat es eigentlich keinen Sinn mehr zu sagen: Treue heißt Gefolgschaft, Nachfolge, also folgen auch Atheisten Christus. Denn Gefolgschaft stellt vor Alternativen, die sich nicht zu einem Ganzen runden. Toleranz müßte beide Male Verschiedenes besagen.“ (So B. Waldenfels in der Diskussion, in: W. Oelmüller (Hg.), Wahrheitsansprüche der Religionen heute, 300). Nicht weniger treffsicher zeigte sich schon Waldenfels’ Kritik an Pannenbergs mehrdeutiger Verwendungsweise der Vokabel ‚Wahrheit‘ (vgl. B. Waldenfels in der Diskussion über die Wahrheit Gottes, in: W. Oelmüller (Hg.), Wahrheitsansprüche der Religionen heute, 299; s. auch oben schon). 1702 „Im Gegenteil, die Behauptung der Inspiration der Schrift setzt die Überzeugung von der Wahrheit der Offenbarung Gottes in Person und Geschichte Jesu [kursiv: T. L.], von der

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Ausdrucks ‚Wahrheit‘ mit dem klassisch-aussagetheoretischen, wie er in Bezug auf die Frage nach der Wahrheit von Behauptungen sich manifestiert1703. Wahrheit in solchem Sinne der Tatsächlichkeit oder Faktizität dürfte sich schon in seinen bekannten Äußerungen aus OaG finden lassen, und zwar in Gestalt der Behauptung einer „doch vor aller Augen offenkundige[n] Wahrheit der Offenbarung Gottes im Geschick des Christus“1704. Analoge Beispiele hierfür sind die Wendungen „Wahrheit der Inkarnation“1705 und „Wahrheit der Auferstehung Jesu“1706. Wenn Pannenberg in Bezug auf Jesus Christus von der „Wahrheit [kursiv: T. L.] seiner Menschlichkeit und seines Gottseins“1707 spricht, anstatt einfach von seinem Menschsein und Gottsein zu sprechen, so gehört dieser Anwendungsfall wohl auch zu dieser Gruppe, wobei sich hier auch eine Redundanz bekundet, die – worauf die Wahrheitstheorie aufmerksam gemacht hat – zum Nachdenken darüber animieren sollte, ob es dann noch Sinn macht, die Vokabel ‚Wahrheit‘ in solchen Fällen zu verwenden. Wie sehr das Wort schillern kann, zeigen folgende Belege zu Wahrheit und manchen Komposita: „Ernst der Wahrheit/Wahrheitsernst“1708, „Wahrheitsinteresse des christlichen Glaubens“1709‚ „Wahrheitsfunken“1710, „Wahrheitsbesitz“1711‚ „Wahrheitsfin-

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Gottheit Jesu und dem Handeln des dreieinigen Gottes im Versöhnungsgeschehen des Todes Jesu Christi, in seiner Auferweckung von den Toten und im apostolischen Dienst der Versöhnung bereits als anderweitig begründet voraus.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 511). Vgl. auch die folgenden Formulierungen: „Die Sendung zum Zeugnis für die universale und endgültige Wahrheit der Offenbarung Gottes in Jesus Christus ist das ursprünglich Apostolische.“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 443); vgl. ferner „die eschatologische Wahrheit der Offenbarung Gottes in Jesus Christus“ (ebd.). Siehe schließlich auch zur ‚truth of revelation‘ W. Pannenberg, The Churches and the Emergence of European Unity, 422. Vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 510f. W. Pannenberg, Dogmatische Thesen zur Lehre von der Offenbarung, 99. Vgl. auch a. a. O., 100. Dort schreibt Pannenberg: „Wenn man hier anders denken wollte, dann würde man die christliche Wahrheit zu einer Konventikelangelegenheit machen.“ (a. a. O., 100). Hier wird unter der (christlichen) Wahrheit allerdings wieder etwas anderes als die ‚Tatsächlichkeit der Offenbarung‘ verstanden. Vgl. auch die Bemerkung Pannenbergs zu der von seinem Lehrer K. Barth übernommenen „Konzentration der Theologie auf die allem menschlichen Fragen und Reden überlegene Wahrheit der Offenbarung Gottes in Jesus Christus“. (So W. Pannenberg in seinem Brief an K. Barth vom 9. 5. 1965 [= W. Pannenberg, Zu Brief Nr. 174. Prof. Dr. W. Pannenberg an K. Barth, 564]). Hier scheint der Ausdruck ‚Wahrheit‘ für Tatsächlichkeit zu stehen, es scheint allerdings irgendwie zugleich die Vorstellung der Göttlichkeit der Wahrheit mitzuschwingen. Darum ist für Pannenberg „die Einheit Jesu mit Gott – […] die Wahrheit der Inkarnation“ (W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 332). Vgl. dazu passend auch die Rede von der „Wahrheit des Inkarnationsgedankens“, wodurch Pannenberg die Tatsächlichkeit der Inkarnation zum Ausdruck bringt (W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 150). W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. III, 40. W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 300. Vgl. W. Pannenberg, Über Lortz hinaus?, 94f. Diese Wendung hat Pannenberg offen-

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dung“1712‚ „Wahrheitswert“1713, „truth of humanity“1714 als „the reconciliation between the common nature and destiny of man and his individual experience“ (sofern es sich hier um eine Apposition handeln sollte, was mir unklar ist). Die Liste lässt sich mühelos fortsetzen: Was heißt ‚Wahrheit‘, … – wenn Pannenberg (mit D. Böhler) von der Bibel sagt, sie sei „Kanon, nämlich κανών τῆς ἀληθείας, Richtschnur der Wahrheit, insofern nämlich die Geschichte, von der sie berichtet, zur ‚Lebensorientierung‘ für alle Folgezeigt wird, so daß in dieser die biblische Geschichte eine Fortsetzung findet“1715?

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sichtlich von J. Lortz übernommen, mit dem er festhält: „Der Ernst der Wahrheit [kursiv: T. L.] darf durch nichts beeinträchtigt werden.“ (W. Pannenberg, Über Lortz hinaus?, 95). Wahrheitsernst scheint so viel wie ein aufrichtiges Interesse an Wahrheit zu bedeuten, so jedenfalls erkennbar in seinen Formulierungen zum „Ausdruck des Wahrheitsernstes […], der es verbietet, eine Aussage gegen die eigene Einsicht zu widerrufen“. (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 450 Anm. 956). Irgendwie scheint der Wahrheitsernst mit Wahrheitsbewusstsein und Wahrheitsverständnis in Verbindung gebracht werden zu können (vgl. W. Pannenberg, Über Lortz hinaus?, 94f). W. Pannenberg, Theologie im 20. Jahrhundert, 72: „Das Wahrheitsinteresse des christlichen Glaubens [kursiv: T. L.] und der Theologie vor aller Erörterung politischer Folgerungen wurde ideologieverdächtig. Wo aber die theologische Sprache zur blossen [sic!] Verbrämung eines weltlich-politischen Engagements wird, verliert sie mit dem Eigengewicht ihres Themas auch das Recht auf öffentliches Interesse.“ „Ohne die These von einer mehrfachen, wenn auch nach Graden ihrer Vollständigkeit abgestuften Subsistenz der Kirche Christi in den heutigen getrennten Kirchen würde es zuletzt doch bei einem exklusiven Anspruch für eine einzige der heute bestehenden Kirchen bleiben, die allenfalls noch die Wahrheitsfunken [kursiv: T. L.] in sich zu versammeln hätte, die sich nach draußen verirrt haben. Ein solches Bild aber trifft die heutige ökumenische Situation der getrennten Kirchen nicht.“ (W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 205). Exempl. W. Pannenberg, Erfordert die Einheit der Geschichte ein Subjekt?, 489 (s. o. für weitere Belege). Vgl. exemplarisch W. Pannenberg, Auferstehung Jesu und Zukunft des Menschen, 68. Nach Wahrheit in welchem Sinne gesucht wird, lässt Pannenberg hier offen, d. h. unkommentiert. Von christlicher Seite aus, so Pannenberg, werde jedem die Menschenwürde zuerkannt. Sie impliziere „gerade die Achtung vor der ungezwungenen Selbstverantwortlichkeit jedes Menschenlebens in der Wahrheitsfindung [kursiv: T. L.]“. (W. Pannenberg, Auferstehung Jesu und Zukunft des Menschen, 68); siehe auch im identischen Aufsatz W. Pannenberg, Grundfragen Systematischer Theologie Bd. 2, 180. Vgl. exemplarisch W. Pannenberg, Beiträge zur Systematischen Theologie Bd. I, 242. Hintergrund ist hier die epistemologische These der Endlichkeit menschlichen Erkennens. Dadurch dass Pannenberg den Ausruck ‚Wahrheitswert‘ auf philosophische Begriffe und religiöse Bewusstseinsvorstellungen bezieht, ist immerhin die semantisch-ontologische Relationalität der aussagetheoretischen Wahrheit irgendwie impliziert. So Pannenberg in Auseinandersetzung mit Hegel. Siehe W. Pannenberg, Can Christianity do without an Eschatology?, 27. W. Pannenberg, Frage und Antwort – Das Normative in christlicher Überlieferung und Theologie, 418.

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– wenn er die Behauptung aufstellt, es gehe für die Menschen „in der Geschichte Jesu Christi um die Wahrheit und Bestimmung ihres eigenen Lebens [kursiv: T. L.]“1716? – oder die These aufstellt, die Personalität des Menschen habe „es zu tun mit dem Inerscheinungtreten der Wahrheit und Ganzheit des individuellen Lebens [kursiv: T. L.] im Augenblick seines Daseins“1717? – wenn er fragt, wer wir Menschen als Personen in Wahrheit, d. h. hinsichtlich unseres Selbstseins eigentlich, sind, ja wenn er von der „Wahrheit unseres Daseins“ sagt, sie sei uns nur antizipativ zugänglich, aber wenigstens auch „gegenwärtig […] durch den Geist im Medium unseres Lebensgefühls“1718? – wenn er behauptet, dass „das Selbst Gottes definitiv gefunden ist – wie es möglicherweise die Wahrheit der Geschichte Jesu ist“1719 – oder wenn er formuliert, „die Wahrheit der Geschichte Jesu [sei] gebunden daran, daß sie zum Ziele kommt in der Versöhnung der Welt, durch die Jesus sich als der Messias erweist“1720? Die jeweils wirksamen formalen Wahrheitsbegriffe dürften (wenigstens teilweise) differieren. Manche Bedeutungen bleiben m. E. sehr im Dunkeln: Was heißt dieses bei Pannenberg schillernde Wort ‚Wahrheit‘, wenn er… – die „Wahrheit der Religion als Gottesverehrung“ versteht1721? – notiert, dass „[e]rst in der eschatologischen Vollendung des Reiches Gottes […] die zeichenhafte Existenz der Kirche in die Wahrheit [kursiv: T. L.] der durch sie angekündigten Zukunft aufgehoben werden [würde], – in die Überwindung des Antagonismus von Individuum und Gesellschaft durch

1716 1717 1718 1719 1720 1721

W. Pannenberg, Grundfragen Systematischer Theologie Bd. 2, 180. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 227. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 230. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 143. W. Pannenberg, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 143. Pannenberg schreibt: „Die Wahrheit der Religion als Gottesverehrung beruht […] darauf, daß sie dem wahren Gott und seiner Offenbarung entspricht [kursiv: T. L.]. In diesem Sinne genommen setzt der Gedanke der Wahrheit der Religion oder der „wahren Religion“ die Wahrheit Gottes (und also auch die Gegenstandswahrheit der Behauptungen über ihn) schon voraus und bezieht sich darauf, daß der Mensch in seinem Verhalten, in den Formen seiner Gottesverehrung, Gott entspricht und nicht etwa sich ihm entzieht oder ihn für seine eigenen Zwecke zu benutzen sucht [kursiv: T. L.].“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. I, 189). Allein in diesem Passus wird mit ‚Wahrheit‘/‚wahr‘ Verschiedenes assoziiert: Der attributive Gebrauch des Ausdrucks ‚wahr‘ (vgl. wahrer Gott) hat mit der Wahrheitsthematik – wie gezeigt wurde – im eigentlichen Sinne nichts zu tun. Die korrespondenztheoretische ‚Gegenstandswahrheit‘ wird in Beziehung gesetzt zu Gott als der Wahrheit (in einem erneut anderen Sinne).

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Realisierung der Bestimmung des Menschen in der Gemeinschaft mit dem ewigen Gott durch seinen Geist“1722? – an wieder anderer Stelle die „Bundestreue des biblischen Gottes – und damit auch seine „Wahrheit“ im Sinne der Wirklichkeit“1723 erwähnt? Das Bedeutungsspektrum von ‚Wahrheit‘ scheint mir auf bedrohliche Weise ausufernd zu sein: An einer Stelle scheint Pannenberg die Frage nach „gegenwärtiger Wahrheit“ mit derjenigen nach gegenwärtiger Relevanz zu verwechseln bzw. zu vermengen1724. Nicht geringfügig anders dagegen wird Wahrheit verstanden, wenn auf die „Erkenntnis von der universalen Wahrheit der Person und Geschichte Jesu“1725 reflektiert wird. Scheint im Unterschied dazu die Wendung „Wahrheit des Gegenstandes“1726 einigermaßen verständlich (insofern sie von seiner Wahrheitsontologie her verstanden werden kann), kann dem Zitat „Wahrheit dieses Heilsgeschehens“1727 die Bedeutung des Wortes ‚Wahrheit‘ nicht so leicht entlockt werden. Ein gerüttelt Maß an Unklarheit bekundet sich speziell in den Ausführungen zum Verhältnis von Wahrheit zur Dimension Zeit: Was meint Pannenberg mit „Wahrheit der Zeit“1728? Seine Definition, „[d]ie Wahrheit der Zeit“ als „Zusammenklang allen Geschehens in einer ewigen Gegenwart“1729 zu 1722 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 11. 1723 So W. Pannenberg, Thesen zur Theologie der Kirche, 12 (= These 8). 1724 Vgl. dazu folgende Formulierungen: Pannenberg erklärt, er habe versucht, [er bezieht sich auf seinen Aufsatz „Die Offenbarung Gottes in Jesus von Nazareth“] „die aller gegenwärtigen Theologie gemeinsam aufgegebene Frage zu klären, was Jesus von Nazareth uns heute eigentlich noch angeht. Im Mittelpunkt stand also die Problematik des Verhältnisses von Urchristentum und gegenwärtiger Wahrheit [kursiv: T. L.]. Die Frage nach der Relevanz Jesu [kursiv: T. L.] für unsere Gegenwart“ (W. Pannenberg, Stellungnahme zur Diskussion, 285f) scheint Pannenberg hier mit der Wahrheitsfrage zu vermengen. 1725 W. Pannenberg, Grundzüge der Christologie, 406. Vgl. zur Wendung „Wahrheit der Geschichte Jesu“ auch W. Pannenberg, Grundfragen Systematische Theologie Bd. II, 143 (hier wird diese in Beziehung gesetzt zum „Selbst Gottes“ und dabei trinitätstheologisch reflektiert). 1726 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 177. 1727 W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 178. 1728 Zu dieser Formulierung siehe W. Pannenberg, Was ist der Mensch?, 52f. 1729 W. Pannenberg, Was ist der Mensch?, 53. Vgl. auch die folgenden Formulierungen Pannenbergs: „Die Wahrheit der Zeit liegt jenseits der Ichbezogenheit unserer Zeiterfahrung in Gegenwart, Vergagenheit und Zukunft.“ (a. a. O., 52) „Die Ewigkeit steht dabei nicht als etwas ganz anderes der Zeit gegenüber. Sie bildet keinen andern Inhalt als die Zeit.“ (a. a. O., 53). „Aber die Ewigkeit ist die Wahrheit der Zeit, die im Fluß der Zeit verborgen bleibt.“ (a. a. O., 53). Zur Ewigkeit als der „Zeit Gottes“ siehe a. a. O., 53. Vielleicht durch den Gottesbezug im Pannenberg’schen Wahrheitsverständnis wird man hier ein einigermaßen nachvollziehbares Indiz dafür haben können, warum in diesem Zusammenhang von ‚Wahrheit‘ die Rede ist. Möglicherweise liegt im Verständnis der Ewigkeit und ihrer inneren Kohärenz nach dem Verständnis Pannenbergs der Schlüssel zur Verbindung mit

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begreifen, irritiert mehr als sie die spezifische Bedeutung von Wahrheit (in diesem Kontext) erkennen lässt.

Weiterführend für eine Bedeutungsklärung ist auch nicht die Sichtung der „ A n t h r o p o l o g i e i n t h e o l o g i s c h e r P e r s p e k t i ve “ . Darin findet sich der Satz: „Die Gegenwart der Wahrheit [kursiv: T. L.] unseres eigenen Lebens und der Welt, von der alle geistige Erfahrung lebt, die Gegenwart der Ewigkeit im Bewußtseins unserer eigenen Identität und des Wesens der Dinge im Ganzen alles Seienden, wird in dieser endgültigen Einheit von Geist und Leib vollendet sein.“1730

Vergleichbar dunkel bleibt das Wort ‚Wahrheit‘ in folgender anthropologischen These: „In der Gewißheit, selber die Wahrheit der Inhalte seines Bewußtseins und also „alle Realität zu sein“, die Wahrheit aller Realität in sich selber zu haben [kursiv: T. L.], und in dem Bemühen, solchen vermessenen Anspruch in seinem Weltverhältnis zu realisieren, verkehrt das Ich seine eigene Konstitution, indem es das Gegenstandsbewußtsein, das Sein beim andern, von dem her es selber ursprünglich konstituiert ist, dem eigenen Sein im Unterschied zum andern unterordnet, statt seine Einheit im Vollzug seiner exzentrischen Bestimmung zu finden und seine Besonderheit in diesem Prozeß aufgehoben sein zu lassen.“1731

Nebulös bleibt ferner, was Pannenberg mit der Distinktion zwischen wissenschaftlicher und künstlerischer Wahrheit intendiert, geschweige denn, was der Ausdruck ‚Wahrheit‘ in diesen Zusammenhängen bedeuten soll. Die aus seinen Überlegungen zu entnehmende Vermutung, dass „die Frage nach der künstlerischen Wahrheit eines Kunstwerks die Möglichkeiten seiner rechtlichen Wür-

der Wahrheitsthematik. Pannenberg formuliert an anderer Stelle: „Der Zusammenklang aller Einzelmomente unseres menschlichen Lebens in der Sphäre der Ewigkeit Gottes ergibt aber wohl kaum von sich aus den reinen Ton der Harmonie des Wahren, sondern wird sich wohl eher als mehr oder weniger schrille Dissonanz darstellen. Die Vorstellung der Verewigung unseres zeitlichen Lebens führt also zunächst eher auf ein Bild der Hölle als auf das einer ewigen Seligkeit“ (W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. III, 657). D. h. die Ewigkeit als strukturell kohärente wäre sozusagen die temporale Seite einer materialkohärenten Wahrheit. Anders als bei anderen Wendungen mit Genitiv lässt sich offenbar bei der Hiesigen der Ausdruck ‚Wahrheit‘ auch nicht mit Tatsächlichkeit, Wirklichkeit o. ä. übersetzen. Zum Verhältnis von Zeit und Ewigkeit als dem eigentlichen von Pannenberg hier angesprochenen Thema siehe die knappen Bemerkungen von James T. Bridges, Human Destiny and Resurrection in Pannenberg and Rahner, 184ff: Zum Verhältnis von Zeit und Ewigkeit vgl. auch Chr. Mosterts Darstellung, God and the Future, 104ff sowie im Besonderen entsprechende Abschnitte zu Pannenberg in der Studie von Th. Freyer, Zeit – Kontinuität und Unterbrechung. 1730 W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 517. 1731 W. Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive, 82.

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digung“1732 vielleicht übersteige, ist eine für die Bedeutungsklärung wenig hilfreiche These. ‚Wahrheit‘ erscheint bei Pannenberg nicht selten als ein großes, ominöses Wort, wenn es in vielfältigen und darum auffälligen Genitiv-Konstruktionen Verwendung findet, zumal für jeden der einzelnen Konstrukte gefragt werden kann (bzw. besser: muss), welcher genitivus sich je und je dahinter verbergen mag. Ich beziehe mich exemplarisch auf folgende seiner Darlegungen: „Apostolisch ist vielmehr die Darlegung der Endgültigkeit, also Wahrheit, des in der Person Jesu Geschehenen und von den Aposteln Verkündeten [kursiv: T. L.]. Endgültigkeit bedeutet dabei die zukünftige Wahrheit [kursiv: T. L.] der noch unvollendeten, also noch nicht in ihr Wesen gebrachten Welt.“1733 Während hier Endgültigkeit und Wahrheit (in einem bestimmten, ggf. ontologischen Sinne?) miteinander identifiziert werden, ist im gleichen Kontext die Rede von „der Endgültigkeit der Botschaft und Geschichte Jesu als der diese unvollendete Welt in ihre Vollendung bringenden Wahrheit [kursiv: T. L.].“1734 ‚Wahrheit‘ fungiert also zugleich als Gottesprädikat und erhält dadurch eine andere Bedeutung. Des Weiteren behauptet Pannenberg die „unüberbietbare, endgültige Wahrheit der Erscheinung Jesu Christi [kursiv: T. L.]“1735, was wiederum nach einer anderen Bedeutung für ‚Wahrheit‘ verlangt, da die Wahrheit der Erscheinung eher so etwas wie Tatsächlichkeit, Echtheit, Faktizität zu bedeuten scheint, grammatikalisch nicht aber als Gottesprädikat in Betracht kommen kann. Nun hebt Pannenberg hervor, dass sowohl die Trinitätslehre als auch die Kriterien und Formeln von Chalkedon diese Wahrheit „zu klarem und in der Sprache ihrer Zeit gültigem Ausdruck brachten.“1736 Das rückt die Bedeutung des Ausdrucks ‚Wahrheit‘ jedoch eindeutig in die Nähe eines von den obigen Bedeutungen wiederum zu unterscheidenden aussagetheoretischen Wahrheitsverständnisses. Wenn Pannenberg schließlich „das Kriterium apostolischer Lehre“ an der Frage festmachen will, „ob und in welchem Maße es gelingt, die endgültige Wahrheit und komprehensive Universalität der Geschichte und Person Christi [kursiv: T. L.] darzutun“1737, wird deutlich, dass Endgültigkeit offenbar als ein Charakteristikum von Wahrheit verstanden werden kann, was aber in Widerspruch zur Identifikation von Endgültigkeit und Wahrheit zu stehen scheint. Außerdem erhebt sich die Frage, welche Bedeutung der Ausdruck ‚Wahrheit‘ in der Anwendung auf die Geschichte und Person Jesu Christi genau haben soll. Es legt sich die Vermutung nahe, dass ‚Wahrheit‘ hier wiederum etwas anderes bedeutet.

1732 W. Pannenberg, Über Menschenwürde, persönliche Freiheit und Freiheit der Kunst – theologische Erwägungen aus Anlass des Falles ‚Mephisto‘, 147. 1733 So etwa in W. Pannenberg, Apostolizität und Katholizität der Kirche in der Perspektive der Eschatologie, 103. Vgl. auch und im Folgenden W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 227. 1734 W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 227. 1735 W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 227. 1736 W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 227. 1737 W. Pannenberg, Ethik und Ekklesiologie, 230.

Äquivokationen und das Problem der Gleichzeitigkeit verschiedener Wahrheitsbegriffe 789

Wenn ich recht sehe, wird ein äquivoker Gebrauch des Ausdrucks ‚Wahrheit‘ weder in Pannenbergs Werk noch in der gegenwärtigen Theologie als Problem wahrgenommen worden – von wenigen Ausnahmen (A. Kreiner, E.M. Pausch, Chr. Landmesser) einmal abgesehen1738. Es ist das besondere Verdienst von A. Kreiner, die Problematik integrativer Wahrheitsbegriffe in aller Deutlichkeit herausgestellt zu haben, und zwar die, dass der Begriff der Wahrheit (scheinbar nach individuellem Geschmack und Interessensschwerpunkt) „zu einem Konglomerat unterschiedlicher Konnotationen“ zu werden droht, sodass im Ergebnis unter der einheitlich anmutenden Wahrheitsproblematik sich letztlich verschiedene, ja u. U. disparate Fragestellungen verbergen (können) 1739. Solche Entwicklungen sind gelingender Kommunikation über ein ganz bestimmtes Phänomen wie Wahrheit freilich abträglich.

1738 Chr. Landmesser beispielsweise hat einen äquivoken Gebrauch des Ausdrucks ‚Wahrheit‘ allein bei M. Heidegger, R. Bultmann, P. Stuhlmacher und K. Berger feststellen können (vgl. dazu in Chr. Landmesser, Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, die entspr. Kapitel). Zum äquivoken Gebrauch des Ausdrucks ‚Wahrheit‘ bei Bultmann siehe auch schon E.M. Pausch, Wahrheit zwischen Erschlossenheit und Verantwortung, 324f. 1739 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 303f. Außerdem müsste erst einmal begründet werden, wieso der Ausdruck ‚Wahrheit‘ überhaupt verschiedene Bedeutungen annehmen soll(te). Insbesondere das (auch bei Pannenberg anzutreffende) Argument, das „Wesen“ von Wahrheit umfasse sämtliche semantischen Gehalte, überzeugt nicht: „Ein Zusammenhang zwischen den einzelnen Bedeutungen läßt sich dann nur mehr durch die Konstruktion eines angeblichen „Wesens“ der Wahrheit herstellen, in dem sämtliche Bedeutungen letztlich konvergieren. Dieses Verfahren kann sich zwar darauf berufen, daß der faktische Sprachgebrauch eben unterschiedliche Entitäten mit dem Wahrheitsbegriff prädiziert. Daß sich deshalb hinter der Pluralität eine identische Sache verbirgt, ist damit jedoch keineswegs erwiesen. Der konstitutive Schluß von der Identität des Wortes auf eine verborgene Identität der Sache läßt sich nicht durch den assoziativ hergestellten Zusammenhang einer unreflektierten umgangssprachlichen Verwendung rechtfertigen.“ (A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 303f). Von daher wird klar, dass Kreiner einem 1991/92 feststellbaren und vielleicht auch zunächst sympathisch wirkenden Trend der Integration mehrerer Wahrheitstheorien kritisch gegenüber stand und diesem entgegenwirken wollte: „Gegenwärtig zeichnet sich ein Trend ab, den angeblich angemessenen theologischen Wahrheitsbegriff durch die Integration mehrerer theologischer und philosophischer Wahrheitstheorien zu eruieren. Diesem Trend schließen sich die vorliegenden Untersuchungen nicht an. In gewisser Weise wollen sie ihm sogar entgegenwirken: Zunächst bestehen erhebliche Zweifel an der prinzipiellen Möglichkeit einer Integration alternativer Wahrheitstheorien. Zum einen wurden sie zumeist in kritischer Absicht gegenüber der Korrespondenztheorie konzipiert. Diese ursprüngliche Intention würde durch eine Integration rückwirkend verdeckt. Zum anderen ist es keineswegs ausgemacht, ob diese Theorien über einen identischen Sachverhalt handeln. In der Tat kann die Wahrheit einer Aussage außer in ihrer Übereinstimmung mit der behaupteten Tatsache schwerlich noch in ganz anderen Eigenschaften bestehen.“ (A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 8).

4.

Gesamtfazit und Ausblick

4.1

Was ist Wahrheit bei Wolfhart Pannenberg? Zusammenfassende Bemerkungen und evaluativer Ausblick zur Verortung seiner elaborierten Wahrheitskonzeption

Es ist deutlich geworden: Für die wahrheitszentrierte Theologie Pannenbergs gilt: Der häufige Gebrauch der Vokabel ‚Wahrheit (wahr, etc.)‘ innerhalb seines großen theologischen Werkes indiziert vor allem eines: Die herausgehobene und zentrale Bedeutung des Phänomens Wahrheit in seinem Denken und so auch in seiner (Systematischen) Theologie. Bewegt von der Wahrheitsfrage, widmet sich Pannenberg diesem Topos bereits in frühen Publikationen. Neben der entschiedenen theologischen Fragerichtung nach Wahrheit, die ihn zur Auslotung der biblischen Verstehenshorizonte im Hinblick auf das Wahrheitsphänomen führt, ist weiterhin charakteristisch, dass er dem Phänomen Wahrheit nachspürt, indem er dessen Attribute zu bestimmen und definieren sucht. Eine Erörterung der eminent wichtigen Frage nach (formalen) Wahrheitsbegriffen erfolgt in frühen Publikationen durch eine entschlossene Hinwendung zu dem Verständnis von Wahrheit, welches er biblisch (insbesondere im Alten Testament) vorfindet und in Unterscheidung von einem griechischen Wahrheitsverständnis zu profilieren sucht. Wird dort (noch) das Phänomen Wahrheit stark etymologisch und über Wahrheitsattributionen erschlossen, erfolgt die im strengeren Sinne ‚eigentliche‘ Frage nach dem formalen Wahrheitsbegriff verstärkt erst in einer späteren Schaffensphase, in welcher die modernen philosophischen Theorien der Wahrheit an Bedeutung gewinnen – im Besonderen die Kohärenz-, die Korrespondenz- und die Konsensustheorie – und zwar an Bedeutung zunächst für seine Wahrheitskonzeption, dabei nicht zuletzt aber auch für die ihn wissenschaftlich bewegende Frage nach kriteriologisch abgesicherter Wahrheitsfindung in der Theologie. Dies geschieht auf eine Weise, die die vorherigen Wahrheitsprädikationen und Überlegungen zu Wahrheit durchaus anschlussfähig hält. Geradezu bestechend ist (trotz benannter Wandlungen und Akzentverschie-

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Gesamtfazit und Ausblick

bungen, die diachrone Betrachtungen erforderlich machten) die beeindruckend hohe Konstanz und Kohärenz in seinem Denken, das auch seine facettenreichen Erörterungen zum Thema Wahrheit miteinschließt1. Im (finalen) Ganzen operiert Pannenberg mit einem systematischen, synthetisch-integrativen (formalen) Wahrheitsbegriff, der in seiner Multidimensionalität wesentlich durch den Kohärenzgedanken signiert ist, aber auch den Konsensus- und Korrespondenzaspekt als kokonstitutive Bestandteile umfasst. Der Kern von Wahrheit wird nicht auf der aussagetheoretischen Ebene verortet, sondern – von unverkennbar theologischen Interessen geleitet und mit biblischtheologiegeschichtlichen Argumenten untermauert – in Gott als der einen, holistisch-kohärenten und geschichtlichen Wahrheit gesehen. So verstandene Wahrheit ist der vorzügliche Ort, der alle ontologische Wahrheit umfasst2. Ein derart komplexes Modell von Wahrheit denkerisch entworfen zu haben, verdient allein schon großen Respekt, und zwar auch deshalb, weil er wie wohl kaum ein anderer Theologe seiner Zeit die lebensweltliche Relevanz der Wahrheitsthematik erkannt und das Thema Wahrheit in den Mittelpunkt der Theologie gerückt hat3. Immerhin scheinen auf diese Weise alte wie traditionsreiche theologische Anliegen hinsichtlich der Konzeptualisierung eines Wahrheitsbegriffs zu neueren Tendenzen des theologischen und „profanen“ Wahrheitsdiskurses der 1 Eine bemerkenswerte Kontinuität im Denken Pannenbergs haben auch schon C. Braaten u. Ph. Clayton (The Theology of Wolfhart Pannenberg, 9) festgestellt. Daran anschließend hält auch Chr. Glimpel fest, dass „das Pannenbergsche Denken über 50 Jahre hindurch eine erstaunliche Kontinuität aufweist“ (Chr. Glimpel, Gottesgedanke und autonome Vernunft, 12 Anm. 5). Ähnlich ist auch schon die Einschätzung von M.W. Worthing (Foundations and Functions of Theology as Universal Science, 5) sowie diejenige von Heinrich Springhorn, wonach für Pannenbergs Publikationen „ein erstaunliches Maß an Folgerichtigkeit und innerer Konsistenz“ kennzeichnend sei (Vgl. H. Springhorn, Immanenz Gottes und Transzendenz der Welt. Eine Analyse zur systematischen Theologie von Karl Rahner und Wolfhart Pannenberg, 13). Ähnlich spricht E. Kunz von einer „Kontinuität und Kohärenz des P.schen Denkens.“ Vgl. E. Kunz, Rez. Pannenberg, Wolfhart, Grundfragen systematischer Theologie Bd. 2, 306. Kunz weist allerdings auch auf Weiterentwicklungen und neue Akzentsetzungen hin (a. a. O. , 306 f) – z. B. für das Verhältnis von Erkenntnis und Glauben. 2 Ähnlich in der Einschätzung R. Barth: „Sachlich ist für Pannenbergs Wahrheitsverständnis vor allem charakteristisch, daß er von einer in der Neuzeit auftretenden Spannung zwischen der urteilstheoretischen und der onto- und theologischen Tradition des Wahrheitsbegriffs ausgeht, unter diesen Bedingungen eine Reformulierung der theologischen Wahrheitstradition Augustins über den für das Wesen der Wahrheit unverzichtbaren Gedanken der Einheit vornimmt und schließlich den Sachverhalt der geschichtlichen Relativität menschlicher Wahrheitserkenntnis zum integralen Bestandteil seiner Theorie macht.“ (R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 23). 3 Vgl. auch die Bemerkung von R. Barth, wonach bei Pannenberg im Vergleich mit der neueren Theologie die „Stellung des Wahrheitsbegriffs“ und auch der von ihm vorgeschlagene Lösungsweg „singulär“ geblieben sei. (R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 23).

Was ist Wahrheit bei Wolfhart Pannenberg? Zusammenfassende Bemerkungen

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Philosophie konstruktiv in Beziehung gesetzt werden zu können4. Seine kriteriologische Applikation des Kohärenzkriteriums zur Verteidigung des christlichen Wahrheitsanspruches ist umfassend – sein Kohärenzunternehmen zeigt, wie ernst Pannenberg es mit dem Einheitsgedanken meint, vom Ganzen her denkt und Partikulares zu implementieren gedenkt. Allein das ist eine beachtliche theologische Leistung in einer Zeit, in der die Theologie bei zunehmendem Spezialisierungstrend einerseits und postmodernem Zeitgeist andererseits Gefahr läuft, die Einheit (auch der Wahrheit) aus dem Blick zu verlieren oder in nur fragmentarischen Fragestellungen ‚steckenzubleiben‘5, und das nicht selten gepaart mit der selbstbewusst vorgetragenen Auffassung, nicht mehr tun zu müssen oder gar zu können. Ob Pannenberg im Ganzen dem ambitionierten, selbst gesetzten Anspruch kohärenter Deskriptionen nachkommt, bleibt im Einzelfall zu überprüfen6. Die Bedeutung der philosophischen Wahrheitstheorie für die Theologie und für das menschliche Leben überhaupt hat Pannenberg erkannt. Das ist eine zu würdigende Leistung. Denn ohne Wahrheitstheorie, so könnte man sagen, ist kein wissenschaftlich angemessener Umgang mit dem gemeinhin als Wahrheit ausgegebenen semantisch-ontologischen Phänomen7 vorstellbar. Aus der fakti4 Auch etwa R. Barth hat Pannenbergs Wahrheitstheorie gewürdigt, allerdings mit etwas anderer Akzentsetzung. Barth schreibt: „Es ist das Verdienst von Pannenbergs fundamentaltheologischer Wahrheitstheorie, das in der Theologie allseits bewußte Problem einer Vermittlung christlicher Wahrheitsansprüche mit dem allgemeinen Wahrheitsbewußtsein in seinem kategorialen Charakter erfaßt und thematisiert zu haben.“ (R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 23). 5 Vgl. auch die in diese Richtung gehende Würdigung durch Chr. Schwöbel, Rational Theology in Trinitarian Perspective: Wolfhart Pannenberg’s Systematic Theology, 498): „A FEW YEARS AGO one could occasionally hear the opinion expressed that the time of the great systematic syntheses in theology was over: in the context of the pluralistic and fragmented situation of post-modern culture and in view of the increasing specialization within theology, it was argued, a full-scale exposition of Christian doctrine had become almost impossible. Wolfhart Pannenberg has proved this view to be premature.“ (ebd.) “His Systematic Theology offers a consistently organized and carefully structured exposition of the whole of Christian doctrine which can be compared with the great dogmatic syntheses of former generations of theologians.” (ebd.). „After having read Pannenberg’s Systematic Theology one will have little more than a tired smile for the view that in our postmodern situation a comprehensive exposition of Christian doctrine is no longer possible. One may disagree with the actual form it takes in Pannenberg’s work, but one can no longer dispute that it is a possibility.“ (a. a. O., 527). 6 Gerhard Ludwig Müller urteilt, dass bei Pannenberg „aufs Ganze gesehen eine kohärente und konsistente Gesamtdarstellung des christlichen Offenbarungsglaubens angeboten ist, die angesichts der epochalen Herausforderungen des Christentums nicht leicht zu überbieten ist“ (G.L. Müller, Pannenbergs Entwurf einer systematischen Theologie (II), 360). 7 Für R. Barth ergibt sich ganz ähnlich auch, „daß der Wahrheitsbegriff und die Auseinandersetzung mit philosophischen Wahrheitstheorien für die Theologie von herausragender Bedeutung ist.“ (R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 3). Seine Kritik, der ich nur beipflichten kann, ist näherhin die, dass die Theologie der Moderne sich dabei zuwenig an die Klärung des Wahrheitsbegriffs gemacht habe.

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schen Phänomenhaftigkeit der Wahrheit ergibt sich, dass die mit dieser Vokabel assoziierte Sache sich gegenüber sowohl skeptizistischen als auch postmodernen Ansätzen immun erweist, auch wenn man Pannenberg dafür kritisieren mag, dass er keine eingehendere Auseinandersetzung mit einzelnen postmodernen Wahrheitspositionen gesucht hat8. Unter ‚Wahrheit‘ eben jenes semantisch-ontologische Phänomen (und nicht einfach aus theologischer Absicht etwas Alternatives) thematisiert zu haben, bleibt bei allen den mit seinem Wahrheitsverständnis verbundenen Eigentümlichkeiten ein Verdienst, das es zu würdigen gilt, auch wenn aus heutiger Sicht, und d. h. insbesondere vor dem Hintergrund des inzwischen enorm hohen Differenziertheitsgrades im Wahrheitstheoriediskurs, eine noch tiefergehendere und differenziertere Betrachtung wünschenswert gewesen wäre9, und zwar gerade im Sinne des eigens anvisierten „highest level of sophistication“10 für die theologische Arbeit. 8 Darum kann ich – wenigstens mit Blick auf die Behandlung der Wahrheitsthematik – etwa auch der Einschätzung von J.A. Stewart nicht zustimmen, wonach „Pannenberg’s attempt to engage postmodernity is itself very vulnerable to a postmodern critique.“ (J.A. Stewart, Reconstructing Science and Theology in Postmodernity, 139). 9 Teilweise wird der Rekurs auf philosophische Wahrheitstheorien innerhalb der Theologie auch eher kritisch beobachtet. So etwa I.U. Dalferth u. Ph. Stoellger: „Nicht von ungefähr gibt es neben dem Wahrheitsdiskurs der theoretischen Philosophie mit seiner Konzentration auf semantische, ontologische und epistemologische Fragen den nicht weniger gewichtigen Diskurs um Wahrheit in der praktischen Philosophie, Hermeneutik, Ästhetik, Religionsphilosophie und Theologie. Man könnte diesen sogar in mancher Hinsicht für grundlegender halten als den immer technischer werdenden theoretischen Diskurs im Umfeld korrespondenz- oder kohärenztheoretischer Ansätze und ihrer Kritik. Denn selbst wo die Frage nach Wahrheit als theoretische Frage formal gefaßt, strukturell entfaltet und semantisch präzisiert wird, ist sie pragmatisch motiviert und praktisch orientiert“ (So I.U. Dalferth u. Ph. Stoellger, Perspektive und Wahrheit, 1). Doch gegen eine solche Einschätzung sind m. E. berechtigte Bedenken angebracht: Sofern die modernen philosophischen Wahrheitstheorien sich der Frage nach dem Definiens von Wahrheit und den möglichen Kriterien der Wahrheit widmen und – wie zumeist – die Relationalität zwischen semantischer und ontologischer Ebene thematisieren, zu explizieren suchen oder wenigstens in ihren Darlegungen faktisch implizieren, wird das thematisch, was gemeinhin mit dem Ausdruck ‚Wahrheit‘ assoziiert wird. Insofern kann ich nicht nachvollziehen, dass der Wahrheitsdiskurs in der praktischen Philosophie, Hermeneutik, Ästhetik oder Theologie „in mancher Hinsicht für grundlegender“ zu halten sei, etwa weil das theoretische Fragen nach Wahrheit „pragmatisch motiviert und praktisch orientiert“ sei. Wie aber kann die Legitimität der theoretischen Behandlung der Wahrheitsfrage dadurch infragegestellt werden, dass etwa gezeigt wird, dass die Motivation zur Auseinandersetzung mit dieser Frage eine eminent praktische ist? Selbst wenn man dies zugesteht, ist damit noch nicht gesagt, dass die Frage nach Wahrheit auf eben dieser Ebene zu behandeln ist. Wenn – wie gezeigt – der theoretische Wahrheitsdiskurs (wenn auch nicht nur) dasjenige thematisiert und expliziert, was gemeinhin mit Wahrheit assoziiert wird, dann wird man wohl eher kaum mit guten Gründen am theoretischen Wahrheitsdiskurs vorbeikommen. Es müsste darum ein Wahrheitsdiskurs daran gemessen werden, ob er dieses mit dem Ausdruck ‚Wahrheit‘ gemeinhin assoziierte semantisch-ontologische Phänomen behandelt oder nicht. Geschieht dies nicht, wird man mit Recht fragen dürfen, warum dies nicht geschieht und ob

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Eine weitere nicht zu verkennende Leistung ist sein argumentatives Eintreten für die gegenwärtig „einem erheblichen Plausibilisierungsdruck ausgesetzt[e]“ Annahme einer absoluten Wahrheit11, wie sie sich aus der Identifikation Gottes mit der Wahrheit ergibt. Auch das sollte mit entsprechendem Respekt zur Kenntnis genommen werden12. Aus freilich dezidiert theologischem Interesse heraus kann Pannenberg an eine lange Tradition der Verbindung von Wahrheitsidee und Gottesgedanken anknüpfen. Dass es sich hierbei um einen eigenen Wahrheitsbegriff handelt, der dem noch heute in Alltag und Wissenschaft geläufigen aussagetheoretischen Wahrheitsbegriff entgegensteht, wird von Pan-

dort nicht mit einem anderen Wahrheitsbegriff operiert wird, dessen Legitimität erst einmal zu begründen wäre. In jedem Falle wäre dann der Ausdruck ‚Wahrheit‘ äquivok, was für die Verständigung sowohl im Alltag als auch auf wissenschaftlicher Ebene folgenschwer wäre. Zustimmung verdient m. E. eher die Einschätzung von W. Härle u. R. Preul, die wie der Vf. der Meinung sind, es gebe „sehr gute Gründe, sich für eine theoretische Klärung der Wahrheitsthematik einzusetzen“, und zwar auf eine Weise, „in der deren elementare, lebensorientierende Bedeutung nicht aus dem Blick gerät, sondern eine entscheidende kriteriologische Funktion erhält bzw. behält.“ (W. Härle/ R. Preul, Vorwort, in: Marburger Jahrbuch Theologie XXI (Wahrheit), VII). 10 So Pannenberg in einem Interview: M. Bauman, W. Pannenberg, Wolfhart Pannenberg, Munich, West Germany (50). Unbeschadet seiner unbestreitbaren Verdienste für die Systematische Theologie konnte Pannenberg, wie sich zeigte, auf dem Gebiet der Wahrheitsthematik wohl eher kaum seinem eigens gesetzten Anspruch gerecht werden. Das ist sehr bedauerlich, zumal er gerade für den innerhalb seiner Theologie zentralen Kohärenzgedanken einen größtmöglichen Grad an Differenziertheit einforderte. Man vgl. hierzu die oben zitierte Äußerung in ihrem Kontext: „We also should concern ourselves with the more general requirements of coherence and consistency [kursiv: T. L.]. By doing so, I hope Christian theology will reobtain and pursue its task on the highest level of sophistication [kursiv: T. L.], which is our best weapon against the present cultural marginalization of theology. If we do, some day our culture will realize that it was not really respectable to despise Christianity.“ (ebd.). 11 R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 357. 12 Gegen H. Stoevesandt, der meint, das Bekenntnis zu Christus als Wahrheit schlösse es aus, von der Absolutheit der Wahrheit oder von einem Wahrheitsanspruch des Christentums sprechen zu können: „Vollends in die Irre führt es, von einer Absolutheit oder von einem Wahrheitsanspruch des Christentums zu sprechen, und zwar nicht zuerst deshalb, weil das von Nichtchristen notwendig als Anmaßung empfunden wird, sondern weil das Bekenntnis zu Christus allein, zu Christus als der Wahrheit es ausschließt, daß die Bekenner diese Wahrheit sich zuschreiben und sie als ihren Besitz, sich selber als ihre Verwalter ansehen. Sie sagen vielmehr in ihrem Bekenntnis, daß sie die Wahrheit in keiner Weise in sich selber tragen.“ (Hinrich Stoevesandt, Wehrlose Wahrheit. Die Christus bekennende Kirche inmitten der Vielfalt der Religionen, 217) Die christliche oder theologische Option, Wahrheit als Gottesprädikat zu verstehen und in Gott bzw. Christus selbst die (absolute) Wahrheit zu sehen, schließt jedoch freilich nicht die aussagetheoretische Wahrheit aus, sondern ein. Es ist ja vielmehr so, dass gerade auch für diese Position der Göttlichkeit der Wahrheit Wahrheit (im korrespondenztheoretischen Sinn) beansprucht werden kann. Solches Beanspruchen von Wahrheit bedeutet in aller Regel auch nicht einen Besitz von Wahrheit, wie Stoevesandt meint. Seine Argumentation kann im Ganzen nicht überzeugen.

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nenberg nicht so recht wahrgenommen13, stattdessen Letzterer in Ersteren aufgenommen. Im Ganzen stimmt, was Chr. Mostert sagt, nämlich dass „Pannenberg works with a view of truth not usually found in philosophical discussion.“14 Mosterts Einschätzung trifft es gut: „His concern is neither with the narrow question of the truth of propositions nor with the modern subjectivisation of truth.“15 Es konnte gezeigt werden, dass Pannenbergs Wahrheitsverständnis überhaupt an sehr vielen Stellen eigentümliche Züge aufweist, wenngleich auch traditionelle, klassische und modern-theoretische Aspekte einfließen. Pannenbergs Unternehmen darf als respektabel und ehrenwert gelten, er beschreitet einen eigenen, durchaus originellen und insgesamt synthetisch-integrativen Weg, der schroffe Entgegensetzungen vermeidet, vielmehr sämtliches brauchbare Material zusammenfährt, was in dieser Form keine Parallelen weder in der Philosophie noch in der Theologie aufweist16. Ist das bei ihm (ganz im Gegensatz zum Trend) in hohem Maße ausgeprägte integrative Moment seiner Theologie17 13 Die Unterschiedlichkeit von Wahrheitsbegriffen scheint heute bewusster wahrgenommen zu werden. So hat R. Barth diese Verschiedenheit spezifisch als Gegensätzlichkeit eines „maßgeblich von Augustin geprägten christlich-idealistischen Wahrheitsverständnis[ses]“ zu der (aussage-)logischen, v. a. aristotelischen, Tradition in der Fassung des Wahrheitsbegriffs bestimmt. (R. Barth, Absolute Wahrheit und endliches Wahrheitsbewußtsein, 358). Barth meint nun aber weiter: „Die innere Spannung dieser beiden problemgeschichtlichen Traditionen, und nicht etwa die von Pannenberg konstruierte Gegenläufigkeit eines (vermeintlich) israelitischen und eines griechischen Wahrheitsverständnisses, muß als die eigentliche Herausforderung eines theologischen Wahrheitsbegriffs erblickt werden.“ (ebd.) Tatsächlich zeigte sich, dass sich die geläufige Distinktion zwischen israelitischer und griechischer Wahrheit nicht aufrechterhalten lässt. Es wurde deutlich, dass – abgesehen von der Indentifikation Gottes mit der Wahrheit (insbes. in der johanneischen Tradition) – sich kein eigenes religiöses, theologisches oder christliches Wahrheitsverständnis rechtfertigen lässt. Insofern gehe ich anders als Barth nicht davon aus, dass die Herausforderung eines theologischen Wahrheitsverständnisses zu bewältigen sei. Der Theologie scheint mir in arbeitsfunktionaler Hinsicht mehr gedient, wenn sie die Vokabel ‚Wahrheit‘ semantisch-ontologisch gebraucht. 14 Chr. Mostert, God and the Future, 118. 15 Chr. Mostert, God and the Future, 118. 16 Überhaupt scheint Pannenbergs Theologie dadurch gekennzeichnet zu sein, dass die verschiedensten Aspekte und Positionen in Beziehung gesetzt werden. Letztlich wird das aus seiner Sicht für brauchbar befundene Material (das vorzugsweise aus der Theologie- und Philosophiegeschichte stammt) systematisiert. M. E. urteilte M.W. Worthing nicht zu Unrecht, die Originalität des Pannenberg’schen Werkes „lies not so much in his creation of a new system of theological thought as in his creative and original use and re-formulation, that is to say, in his innovative synthesis of insights drawn from a variety of sources encompassing especially the biblical witness, Protestant theology, and the Western philosophical tradition.“ (M.W. Worthing, Foundations and Functions of Theology as Universal Science, 74). Wegen des unverkennbaren Bemühens um Systematik dürfte Pannenbergs besonderes Interesse an der Kohärenztheorie der Wahrheit nicht zufällig sein. 17 Pannenberg stellt selbst fest, dass (intellektuelle) „integration“ eine „rare commodity anywhere in the university“ sei (M. Bauman, W. Pannenberg, Wolfhart Pannenberg, Munich, West Germany [Interview], 49).

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für die Aufrechterhaltung der Wahrheit als materialiter einer von elementarer wissenschaftlicher Bedeutung, so gilt dies auch für seinen formalen Wahrheitsbegriff. Sollte – was D. McKenzie grundsätzlich zu Pannenbergs Theologie meinte – im Besonderen auch für sein Wahrheitsverständnis gelten, nämlich dass er versuchte, „to incorporate too much, to attempt to accomodate too many diversified viewpoints“18? Diese Frage wäre aus meiner Sicht zu bejahen. Wie sich zeigte, wird das synthetisch-integrative Unternehmen genau dort zum Problem, wo verschiedene formale Wahrheitsbegriffe zusammengeführt werden, woraus als Problem – wie gezeigt – nicht nur wenige Äquivokationen resultieren, sondern zum Teil auch fragwürdige Wahrheitsprädikationen die Folge sind. Als ein weiteres Ergebnis ist eine Reihe von Ungereimtheiten festzustellen, die seine Ausführungen zum Begriff der Wahrheit gezeigt haben. Diese sind nicht immer präzise, manche Bemerkungen als unsauber und inakzeptabel zurückzuweisen. Eine stärkere Orientierung an analytischer Philosophie wäre nicht nur für die Systematische Theologie weiterführend, sondern auch sinnvoll für die Verständigung zwischen den Wissenschaften. Misslingende Kommunikation ist ein Grundübel im interdisziplinären Dialog. Problematische Irritationen kann bedauerlicherweise auch das Studium der Schriften Pannenbergs auslösen. Zwar macht der objektsprachliche Gebrauch des Ausdrucks Wahrheit und sämtlicher Komposita hinreichend deutlich, dass Pannenberg ausgiebig und auch schon in seinen frühen wichtigen Schriften von der semantisch-ontologischen Relationalität im (hier proponierten) Wahrheitsbegriff Gebrauch macht, also sich der aussagetheoretischen Wahrheit bedient. Ihre häufige Nutzung will jedoch nicht so recht passen zu der Geringschätzung dieser aussagetheoretischen Wahrheit als etwas gegenüber der ontologischen und theologischen Wahrheit (Gottes) Sekundäres. Man wird sogar sagen dürfen, dass der überwiegende Teil der Verwendungen des Ausdrucks ‚Wahrheit‘/‚wahr‘ trotz manch schillerndem Bedeutungsgehalt an prominenten Stellen innerhalb seines Werkes mehr oder weniger im Dienste des aussagenlogischen, also semantischontologischen, Wahrheitsverständnisses steht oder wenigstens eine Nähe zu diesem erkennen lässt. Pannenberg scheint sich der großen Relevanz einer semantisch-ontologisch gedachten Wahrheit innerhalb seines Denkens nicht sonderlich bewusst zu sein. Eine intensive Auseinandersetzung mit wahrheitstheoretischen Entwürfen fehlt ebenso wie eine dezidiert begründete Kritik daran, welche aber zu erwarten gewesen wäre, wo doch die onto-theologische Wahrheit als die vorrangige Dimension im Wahrheitsbegriff profiliert werden soll19. 18 D. McKenzie, Wolfhart Pannenberg & Religious Philosophy, 145. 19 Vgl. dazu schon die Ausführungen von R. Barth: „Schließlich ist es gerade angesichts der in obiger Rekonstruktion ausgewiesenen Beweislast der Kritik an einem rein urteilstheoretischen Wahrheitsbegriff unverständlich, daß Pannenberg sich an dieser Stelle nur in Andeutungen bzw. grob verkürzenden Darstellungen ausläßt.“ (R. Barth, Absolute Wahrheit

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Allerdings bedarf es der Erwähnung, dass Pannenberg keineswegs als Erster strukturell verschiedene Wahrheitsbegriffe – insbesondere die ontologische mit der theologischen und der aussagetheoretischen Wahrheit – synthetisiert hat. Diese Vorgehensweise ist charakteristisch für eine Vielzahl von Wahrheitskonzeptionen der Philosophie- und Theologiegeschichte – die wissenschaftliche Aufarbeitung sämtlicher Wahrheitskonzeptionen in den letzten Jahren und Jahrzehnten macht dies sehr deutlich20. So gesehen befindet sich Pannenbergs synthetische Wahrheitskonzeption in guter Gesellschaft. Kritikwürdig ist daneben, dass Pannenberg in seinem Reden von ‚der‘ Wahrheit oftmals auch auf bestimmte materiale Wahrheiten eingeht, ohne dies explizit zu machen, überhaupt der Ausdruck Wahrheit zum Teil sehr verschiedene Bedeutungsgehalte annehmen kann, die nicht immer (restlos) aufzuklären sind. Wie bereits eingangs erwähnt, ist es eine Stärke, dass Pannenberg mit Entschiedenheit an der Wahrheitsfrage als einer eminent wichtigen Frage festgehalten hat. Kein Geringerer als F. Nietzsche war es, dessen Bemerkungen zur Wahrheitsthematik (zumindest) in postmodernen Kreisen immer wieder gerne zitiert worden sind und werden21. Die auf ihn zurückgehende Bemerkung, es gebe keine Wahrheit, ist allerdings unhaltbar, da sie einen eklatanten Selbstwiderspruch darstellt: Bekanntermaßen lässt „sich die Leugnung der Wahrheit ernsthaft gar nicht auf eine These bringen […]. Denn wenn man eine offene Aussage daraus macht, muß sie, um überhaupt sinnvoll zu sein, selbst als Wahrheit fungieren. Folglich gerät die These, der zufolge es keine Wahrheit gibt, in einen eklatanten Widerspruch zu sich selbst.“22 und endliches Wahrheitsbewußtsein, 24f). Was R. Barth für die Behandlung speziell der urteilstheoretisch verstandenen Wahrheit bei Pannenberg feststellt, lässt sich – wie gezeigt wurde – auf Pannenbergs Auseinandersetzung mit allen modernen Wahrheitstheorien beziehen. 20 Vgl. J. Szaif/ M. Enders (Hg.), Die Geschichte des philosophischen Begriffs der Wahrheit. Vgl. dazu auch den Hinweis bei M. Enders, Wahrheit und Notwendigkeit, 6; dort speziell zur Erforschung der mittelalterlichen Wahrheitskonzeptionen. 21 Siehe dazu auch den Hinweis von J. Rohls, Korrespondenz, Konsens und Kohärenz, 31: „In den letzten Jahren haben die Bemerkungen Nietzsches zur Wahrheitsfrage eine erstaunliche Resonanz gefunden.“ 22 V. Gerhardt, Wahrheit und Öffentlichkeit, 10. Diese Kritik richtet sich ausdrücklich an diejenigen Postmodernisten, die so denken oder dachten: Gerhardt merkt an: „Gleichwohl ist der selbstwidersprüchliche Satz gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts zur philosophischen These erhoben und wie ein Glaubensbekenntnis in Umlauf gebracht worden. Bis heute halten nicht nur die Anhänger Nietzsches die Behauptung, daß es keine Wahrheit gebe, für einen unumstößlich wahren Satz. Die Verabsolutierung von Hermeneutik, Metaphorologie, kultureller Relativität, Kontingenz oder kommunitärer Solidarität zieht daraus ihre Legitimation, und es ist noch gar nicht so lange her, da sollte sogar ein neues Zeitalter auf ihn gegründet werden.“ (V. Gerhardt, Wahrheit und Öffentlichkeit, 10). Gerhardt zeigt, dass diese Problematik schon früh erkannt worden ist: „So hat es bereits Platon gegenüber den Sophisten kenntlich gemacht, die klug genug waren, die Behauptung lediglich nahezulegen, aber nicht

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Freilich hat nicht nur Nietzsche Wahrheitsansprüche erhoben, weswegen auch dieser scharfe Wahrheitskritiker auf die aussagetheoretische Wahrheit angewiesen gewesen ist. Auch die Theologie erhebt in aller Regel Wahrheitsansprüche – sei es bewusst oder unbewusst. Das gilt sogar auch für den Fall, dass die Möglichkeit des Erhebens von Wahrheitsansprüchen geleugnet wird: „Every negation of the possibility of meaningful truth claims is a contradiction because the negation is itself a truth claim.“23

offen auszusprechen. Vgl. den Satz des Protagoras, wie Platon ihn im Theaitetos darstellt (160d) und diskutiert (161b–168b). Vgl. ferner: Protagoras 334b; Gorgias 485b-d.“ (a. a. O., 10 Anm. 2). Gerhardt zeigt zudem, dass Nietzsches Kritik an der absoluten Wahrheit ihrerseits selbst nicht ohne metaphysische Wahrheit auskommt, insofern er mit seiner Negation einer alle Menschen umgreifenden Wahrheit zur Verteidigung des Nihilismus ironischerweise metaphysische Wahrheit beanspruchen muss: „Denn mit der alle Menschen möglicher Perspektiven übergreifender Negation der Wahrheit wird zweifellos eine Wahrheit ausgesprochen, die der umfänglichsten Perspektive des Menschen entspricht. Eben diese Perspektive ist die der Metaphysik. Der Nihilismus muß demnach als die metaphysische Wahrheit der in dieser Hinsicht ganz und gar zeitgemäßen Prophetie Nietzsches verstanden werden. Wäre sie ohne Wahrheitsanspruch, wäre sie ohne Bedeutung.“ (So V. Gerhardt, Wahrheit und Öffentlichkeit, 11 Anm. 5). Vgl. dazu ausführlicher V. Gerhardt, F. Nietzsche, 109ff. Für die Problematik (stillschweigender) Inanspruchnahme der Korrespondenztheorie ist Nietzsche ein vorzügliches Beispiel: in nur leicht abgewandelter Form zeigt sich diese Problematik in der von ihm vertretenen Anschauung, Wahrheit könne nicht als Korrespondenz von Aussagen mit der Wirklichkeit verstanden werden, es handele sich lediglich um Lügen. Klarer hat hier R. Rorty gesehen, der Nietzsche ebenfalls einen Selbstwiderspruch vorwarf, den J. Rohls folgendermaßen erläutert hat: Es „beansprucht Nietzsche, eben das zu wissen, wovon er selbst behauptet, daß man es nicht wissen kann [Rohls verweist auf R. Rorty, Kontingenz, Ironie und Solidarität, 29 Anm. 2]. Rorty stimmt demgegenüber Nietzsche zwar darin zu, daß wir die Vorstellung aufgeben sollten, daß die Wahrheit dort draußen sei und nur darauf warte, von uns entdeckt zu werden. Aber er will damit anders als Nietzsche nicht behaupten, entdeckt zu haben, daß es dort draußen keine Wahrheit gibt. Denn das würde die Gültigkeit der verabschiedeten Korrespondenztheorie ja voraussetzen.“ (J. Rohls, Korrespondenz, Konsens und Kohärenz, 31). Dass Nietzsche offenkundig auf den aussage- bzw. korrespondenztheoretischen Wahrheitsbegriff angewiesen ist, zeigt sich auch an folgendem berühmten Text: „Was ist also Wahrheit? Ein bewegliches Heer von Metaphern, Metonymien, Anthropomorphismen, kurz eine Summe von menschlichen Relationen, die, poetisch und rhetorisch gesteigert, übertragen, geschmückt wurden, und die nach langem Gebrauche einem Volke fest, canonisch und verbindlich dünken: die Wahrheiten sind Illusionen, von denen man vergessen hat, dass sie welche sind, Metaphern, die abgenutzt und sinnlich kraftlos geworden sind, Münzen, die ihr Bild verloren haben und nun als Metall, nicht mehr als Münzen in Betracht kommen.“ (F. Nietzsche, Ueber Wahrheit und Lüge im aussermoralischen Sinne 1, 880f). Überhaupt wird man mit Puntel behaupten dürfen, dass „man bei Nietzsche kaum etwas finden [kann], was als Beitrag zur Klärung des Wahrheitsbegriffs gedeutet werden könnte“; denn „seine Ausführungen haben einen Meta-Charakter bezüglich des Begriffs der Wahrheit“ (L.B. Puntel, Der Wahrheitsbegriff in Philosophie und Theologie, 19 Anm. 6). Zu F. Nietzsches Wahrheitsverständnis siehe die Darstellung von M. Enders, Das Verständnis von Wahrheit bei Sören Kierkegaard, Ludwig Feuerbach und Friedrich Nietzsche, 317–335. 23 Chr. Landmesser, Truth in New Testament Science, 47.

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Postmoderne Wahrheitskritik trifft Pannenbergs Wahrheitskonzeption nicht allein deshalb nicht. Der kritische Umgang mit Wahrheit innerhalb dieser inzwischen modisch überholten Denkbewegung führt zuweilen auch dazu, einen elementaren Zusammenhang zwischen Wahrheit und Macht zu erkennen, was zur Diskreditierung der Wahrheitsthematik führt und sicher auch als Ausdruck einer auch anderswo im postmodernen Denken anzutreffenden prinzipiellen Geringschätzung der Wahrheit(-sthematik) nicht fehlinterpretiert sein dürfte24. Zugegeben: „Die Frage nach dem Zusammenhang von Wahrheit und Macht“ mag „eine sehr sensible Frage“25 sein. Doch damit ist streng genommen noch nicht allzu viel gesagt. Die These eines Zusammenhangs von Wahrheit und Macht kann in sich schon fragwürdig sein. Genau das scheint mir bei M. Foucault26 und G. Deleuze der Fall zu sein; letzterer stellte scharf und m. E. zugleich unangemessen pauschalisierend die These auf, es gebe „kein Wahrheitsmodell, das nicht auf einen Typus von Macht wiese, kein Wissen und auch keine Wissenschaft, die nicht Ausdruck oder stillschweigende Voraussetzung einer sich entfaltenden Macht wären.“27 Generalisierend werden auf diese Weise die Entwickler von Wahrheitskonzeptionen verdächtigt, machtförmig zu agieren. Über Wahrheit ist mit dieser Skepsis nichts Gehaltvolles gesagt. Und außerdem: Stimmt diese These überhaupt? Es lässt sich mit H.-P. Großhans berechtigterweise fragen, ob nicht vielmehr eine Abkehr von der gescholtenen Wahrheitsfrage gerade dazu führt, dass alternative und keineswegs harmlose Faktoren wie etwa Machtansprüche hervortreten und in Ermangelung der Wahrheitsfrage dann als Orientierungsmaßstäbe fungieren28. Viel wichtiger scheint mir aber zu sein, dass die (postmoderne) Beobachtung eines möglichen Zusammenhangs von Wahrheits- und Machtfrage auch dann noch kein ernstes Argument gegen das von Pannenberg 24 Man denke hier etwa auch an Peter Sloterdijk, bei dem es zu einer regelrechten Ridikulisierung von Wahrheit kommt, dadurch dass von ihm Wahrheit als eine „spottfeste Angelegenheit“ bezeichnet wird (P. Sloterdijk, Kritik der zynischen Vernunft, 1998 (2 Bde), 527. Siehe dazu auch H.J. Türk, Postmoderne, 101). 25 So R. Polak, Macht und Wahrheit: Ein praktischer Widerspruch?, 76 [kursiv: T. L.]. 26 Siehe zur These eines Konnexes zwischen Wahrheit und Macht und der m. E. sonderbarkomplexen Verwobenheit mit Sex, Sexualität und Wissen exemplarisch M. Foucault, Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit I sowie schon ders., Dispositive der Macht. Über Sexualität, Wissen und Wahrheit. 27 G. Deleuze, Foucault, Frankfurt 1987, 59. 28 Dies sieht (auch) H.-P. Großhans so mit Blick auf die Ausblendung der Wahrheitsfrage im Kontext des Religionenpluralismus: „Mit der Ausblendung der metaphysischen Dimension im Verständnis von Religion in einem nachmetaphysischen Zeitalter scheint auch die Wahrheitsfrage aus den Religionen eliminiert zu werden. Geht es aber nicht mehr um Wahrheit in den Auseinandersetzungen in den Religionen, zwischen den Religionen und mit den Religionen, dann dominieren machttheoretische, ethisch-moralische oder ästhetische Gesichtspunkte. Nachmetaphysische Religionstheorien funktionalisieren Religion – so wenden ihre Kritiker ein – und lassen sie zum Spielball von Machtfragen, der Moral und der Ästhetik werden.“ (H.-P. Großhans, Die Wahrheit wird euch frei machen, 336).

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unternommene Projekt darstellt, wenn in bestimmten Fällen ein solcher Zusammenhang tatsächlich bestehen sollte. Geht es ernstlich um Wahrheit, dann ist das etwas anderes als die Frage nach Macht. Pannenbergs Plädoyer dafür, die Frage nach religiösen Wahrheitsansprüchen an der erfahrbaren Mächtigkeit eines geglaubten Gottes/ geglaubter Götter festmachen zu wollen, bleibt berechtigt und legitim vor allem vor dem Hintergrund des Gottesgedankens (und der Nominaldefinition Gottes). Dass in Pannenbergs formalen Wahrheitsbegriff Grundeinsichten aus den modernen philosophischen Wahrheitstheoretischen eingegangen sind, hat mittelbar die entscheidende Stärke, dass so auf die im alltäglichen und wissenschaftlichen Diskurs präsente und wirksame Wahrheitsthematik als eine semantisch-ontologische Angelegenheit eingegangen wird. Dies ist innerhalb der Theologie nach wie vor nicht selbstverständlich. Lange Zeit und bis in die gegenwärtige Debatte hin wird von Seiten der Theologie oftmals ein mehr oder weniger spezielles christliches, religiöses oder theologisches Wahrheitsverständnis behauptet, das ungeachtet seiner speziellen Eigenarten von ihren Proponenten zumeist als Alternative zur aussagetheoretischen (Korrespondenz-)Wahrheit verstanden wird29. Nicht selten wird im Zuge dessen die aussagetheoretische Wahrheit partiell oder gänzlich zurückgewiesen oder aus theologischen Überlegungen heraus modifiziert, damit aber faktisch uminterpretiert. Wie problematisch derlei Versuchungen in der Konsequenz sein können, hat Chr. Schwöbel auf den Punkt gebracht: „Eine solche Strategie könnte leicht zu einer Immunisierung des theologischen Wahrheitsverständnisses von der Bemühung um das Wahrheitsverständnis außerhalb der Theologie führen und ginge damit paradoxerweise auf Kosten des Wahrheitsanspruches des christlichen Glaubens.“30 29 Siehe zu dieser Position den (ersten) Überblick bei A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 299–305. Eine besondere Position stellt diejenige M. Leiners dar. Einerseits behauptet er im Anschluss an E. Jüngels Gott als Geheimnis der Welt ein spezifisch theologisches Wahrheitsverständnis: „Es geht der Theologie […] nicht um eine Wahrheit, die der Mensch feststellt, sondern um eine Wahrheit, die größer ist als der Mensch, die ihn einbezieht und mitnimmt. Wahrheit im christlichen Sinne ist nicht eine Wahrheit, die durch Feststellen sicherstellt, sondern sie ist Wahrheit, die sich an uns ereignet und uns verändert.“ (M. Leiner, Methodischer Leitfaden Systematische Theologie und Religionsphilosophie, 56). Andererseits propagiert er eine konstruktiv-kritische Auseinandersetzungen der Theologie mit philosophischen Wahrheitstheorien (vgl. a. a. O., 52ff) und fordert im Anschluss an Pannenberg dabei ausdrücklich eine Beurteilung theologischer Aussagen nach den „in der Philosophie geltenden Wahrheitstheorien“ (a. a. O., 52; er nennt die Kohärenz-, die Korrespondenz- sowie die von ihm sog. ‚eschatologische Verifizierungstheorie‘). Der Widerstreit einiger geläufiger Wahrheitsbegriffe, die Kommensurabilitäts- und auch die Äquivokationsproblematik scheinen Leiner offenbar nicht weiter zu beschäftigen. 30 Chr. Schwöbel, Die Wahrheit des Glaubens im religiös-weltanschaulichen Pluralismus, 55. Er exemplifiziert diese in der Tat problematische Strategie am Beispiel des Versuches, im

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Überhaupt ist eine grundsätzliche Kritik an der aussagetheoretischen bzw. korrespondenztheoretischen Wahrheit in sich schon problematisch. Man beachte A. Kreiners luzide Ausführungen: „Die massive Kritik an der Korrespondenztheorie und dem mit ihr aufs Engste verknüpften metaphysischen Realismus macht einen zwiespältigen Eindruck, weil sie in der Regel genau das für sich in Anspruch zu nehmen scheint, was sie eigentlich ausschließt: Wahrheit im korrespondenztheoretischen Sinn. Der anti-korrespondenztheoretische Kritiker rekurriert nämlich allem Anschein nach darauf, wie sich die Dinge verhalten. Entweder verhalten sich nun die Dinge tatsächlich so, wie es seine Kritik unterstellt, dann verwickelt er sich in einen Selbstwiderspruch. Er sägt gewissermaßen an dem Ast, auf dem er sitzt. Oder die Dinge verhalten sich nicht so, dann besteht eigentlich kein Grund, sich um seine Kritik zu kümmern. In diesem Fall wäre es vermutlich das Beste, sie schnellstens zu vergessen.“31

Darum halten Schwöbel und besonders nachdrücklich Kreiner an der aussagetheoretischen Korrespondenzwahrheit fest. Ich fasse nochmal zusammen: Konzeptionen des Wahrheitsbegriffs, die entweder durch eine Zurückweisung der Aussagenwahrheit gekennzeichnet sind (ungeachtet der vielfältigen Gründe, die zur Missbilligung bewogen haben mögen32) oder aber ein (wie auch immer

Rückgang auf den hebräischen Ausdruck ‫( ֱאֶמת‬mit seinen geläufigen Übersetzungen: Festigkeit, Beständigkeit, Treue…) einen speziell theologischen Wahrheitsbegriff postulieren zu wollen und diesen für die Theologie zur Norm zu erheben (vgl. ebd.). Schwöbel hält am korrespondenztheoretischen Wahrheitsverständnis fest. Dass er die Aussagen des christlichen Glaubens jedoch auf ein „Wirklichkeitsverständnis des christlichen Glaubens“ (ebd.) bezieht, dürfte sich dagegen als Problem erweisen, insofern dann nicht mehr gesichert zu sein scheint, dass die theologischen Aussagen auf die gleiche Wirklichkeit referieren wie außertheologische Disziplinen. 31 A. Kreiner, Wahrheit und Perspektivität religiöser Rede von Gott, 54f. 32 Zu möglichen Gründen, die hier nicht ausführlicher zu berücksichtigen sind, siehe die Zusammenstellung bei A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 301f: So ist etwa behauptet worden, dass das aussagetheoretische Wahrheitsverständnis in der Bibel, wie an den Ausdrücken ‫ ֱאֶמת‬und ἀλήθεια gezeigt werden soll, – von wenigen Ausnahmen abgesehen – keine Rolle spiele (a. a. O., 301). Angenommen wurde, dass es im Horizont des christlichen Glaubens nicht um „die formale Richtigkeit von Aussagen oder Sätzen“ gehe, „sondern [um] die als Heil oder Erlösung verstandene radikale Transformation menschlicher Existenz.“ (a.a.O, 301) Argumentiert wird dann offenbar gerne so, dass bereits die Prädikation von Sätzen als wahr, wie sie im Horizont von Aussagenwahrheiten vorgenommen werden, die Problematik eines distanzierten und kritischen Verhältnisses zu derjenigen Wirklichkeit erkennen lassen, die in solchen Aussagen behauptet wird. Von einer bestimmten theologischen Position her wird dann gefolgert, dass diese Haltung unangemessen sei. Denn die christliche Botschaft erfordere einen Glauben in Gestalt „unbedingten personalen Vertrauens und unerschütterlicher Gewißheit, während das auf Aussagen konzentrierte Wahrheitsverständnis eher dahin tendiert, das fragende Subjekt seinem unmittelbaren Existenzvollzug gegenüber zu entfremden.“ (a. a. O., 302) Die Gegenstandsbezogenheit, wie sie sich aus der für die Aussagenwahrheit fundamentalen Relation der zwei Ebenen – der Subjekt- und Objektebene – ergibt, wird für den Glauben als nicht angemessen verstanden. Der Gegenstandsbezug beim Glauben sei

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geartetes) zur Aussagewahrheit alternatives Wahrheitsverständnis propagieren, sind prinzipiell der Hauptschwierigkeit konfrontiert, dass sie für ihre eigenen Aussagen notwendig auf die aussagetheoretische Wahrheit zurückgreifen müssen – zumindest dann, wenn sie – was in den allermeisten Fällen unterstellt werden darf – für ihre Aussagen Wahrheit, Objektivität, Richtigkeit, Geltung o. ä. beanspruchen33, weshalb nicht zuletzt schon deshalb die These eines spezifisch christlichen, religiösen oder theologischen Wahrheitsverständnisses an Plausibilität34 einbüßt. Der für die (definitorische) Korrespondenztheorie wie für aussagetheoretische Wahrheit überhaupt charakteristische sprachliche Ausgriff auf Außersprachliches auf ontologischer Seite lässt sich nicht so leicht aus der Welt schaffen35, wie es manch einem gerne lieb wäre. Wer das allerdings versucht, verwickelt sich nicht selten in Selbstwidersprüche, wie anhand von Kreiners Kritik an (ultra-)skeptischen Positionen nachvollzogen werden kann, sofern deren Vertreter aufgrund ihrer Überzeugung von der Unmöglichkeit einer veritativen Bezugnahme auf die ontologische Ebene über etwas Aussagen machen – also beispielsweise die These der Unmöglichkeit einer Bezugnahme auf die onvielmehr als personale Relation (beispielsweise als Ich-Du-Beziehung) zu fassen (vgl. a. a. O., 302). 33 Siehe dazu die Bemerkung von A. Kreiner: „Zum einen müssen derartige Ansätze zumindest für sich notwendig die Aussagewahrheit in Anspruch nehmen, d. h. die hier getroffenen Aussagen müssen objektive Richtigkeit für sich beanspruchen, so daß das Problem der Aussagewahrheit faktisch nur verschoben wird.“ (A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 304f). Auch ist richtig, dass „sich die traditionellen christlichen Aussagen nicht einfach durch den Rekurs auf relationale oder personale Wahrheitsträger eliminieren, so daß sich auch die Frage nach der Wahrheit eben dieser Aussagen hartnäckig durchhält. Letztlich läßt sie sich wohl nur in einer konsequent nicht kognitiven Theorie religiöser Rede umgehen, die aber einen radikalen Bruch mit der theologischen Tradition darstellt.“ (A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 305). 34 Vgl. zu dieser Frage und diesem Votum auch A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 299ff. Kreiner gelangte zu dem Ergebnis, dass „kein einziger Aufweis eines spezifisch religiösen oder christlichen Wahrheitsverständnisses zu überzeugen vermag.“ (a. a. O., 465). 35 Chr. Landmesser und E. Herms sind ebenso der Meinung, dass diese der Korrespondenztheorie der Wahrheit zugrunde liegende Intuition von elementarer Bedeutung ist. Vgl. dazu die Bemerkungen von Chr. Landmesser (Wahrheit als Grundbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, 49 inkl. Anm. 51) im Anschluss an E. Herms (Offenbarung und Wahrheit, in: E. Herms, Offenbarung und Glaube, Tübingen 1992, 288) sowie in Auseinandersetzung mit H.P. Großhans (Theologischer Realismus, 89). Mit Landmesser kann Großhans‘ These zugestimmt werden, dass die Korrespondenztheorie insofern als gescheitert erklärt werden kann, als diese Theorie nicht für die Angabe eines Wahrheitskriteriums taugt. Zugleich kann aber mit Landmesser an dem „Intelligibilitätspotential […] dieser Theorie für eine angemessene Wahrheitsdefinition“ festgehalten werden. Mit Landmesser und Herms kann nicht nur behauptet werden, dass die Wahrheitstheorien gewöhnlich die der Korrespondenztheorie zugrunde liegende Intution voraussetzen, sondern auch, dass sich der Ausdruck ‚wahr‘ auf eine Eigenschaft von Aussagen bezieht, nämlich die Eigenschaft der Übereinstimmung der Aussage mit der Realität, die in der Aussage intendiert ist. Diese Feststellung von E. Herms gilt freilich, wie Landmesser präzisierend bemerkt, ausschließlich für solche Theorien, die diese Intuition reflektieren.

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tologische Ebene aufstellen –, damit aber die für die aussagetheoretische (Korrespondenz-)Wahrheit charakteristische semantisch-ontologische Relationalität in Anspruch nehmen, sodass daraus ein Selbstwiderspruch resultiert. Diese Erkenntnis führt gleichsam geradewegs zur Frage, inwieweit eine Auseinandersetzung mit den Vertretern derartiger Positionen überhaupt noch als erstrebenswert oder gar sinnvoll angesehen werden kann36. Während Pannenbergs Wahrheitskonzeption durch Inklusion der aussagetheoretischen Wahrheit (– und sei die Umsetzung in sich auch noch so fragwürdig [s. o.] –) solchen Schwierigkeiten gegenüber immun ist, zeigt ein Blick auf ausgewählte und teils prominentere theologische Positionen, dass die beschriebene Problematik auf virulente Weise „wüten“ kann: Es musste z. B. S. Kierkegaard, der für ein dezidiert christliches Wahrheitsverständnis optiert hat, für seine zwangsläufig objektivierend daherkommende Behauptung, dass „Christus die Wahrheit“ sei und „nicht eine Summe von Lehrsätzen“37, dafür selbst Wahrheit im korrespondenztheoretischen Sinn in Anspruch nehmen38. Ähnliches lässt sich exemplarisch bei E. Brunner zeigen, insofern er sich zwar nicht grundsätzlich gegen die objektive korresepondenztheoretische Wahrheit in ihrer wissenschaftlichen Anwendung wand, diese korrespondenztheoretische Wahrheit aber – so seine These – von der Wahrheit des Glaubens als einer Wahrheit „völlig anderer Art“39 unterschieden wissen wollte40. Auch die auf die Wahrheit selbst bezogenen Wahrheitsansprüche dieser Art lassen sich nur mittels aussagetheoretischer (Korrespondenz-)Wahrheit exprimieren. Ebenfalls nicht zu überzeugen vermag der populäre Versuch von D. Bonhoeffer, die Korrespondenztheorie der Wahrheit aus theologischen Motiven heraus bis zur Unkenntlichkeit zu modifizieren. Freilich ist auch er für die Herausstellung seiner zur Korrespondenztheorie faktisch entgegengesetzten Korrespondenz-Konzeption auf die ‚geläufige‘ Korrespondenztheorie mit ihrem Bezug auf die eine außersprachliche Wirklichkeit angewiesen gewesen: Bonhoeffer trat für eine ‚Korrespondenztheorie be-

36 Siehe dazu Kreiners Bemerkungen in A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 116f. Mit Kreiner bleibt hier in jedem Fall festzustellen, dass „[d]ie Preisgabe der Überzeugung, sich mit sprachlichen Mitteln auf Außersprachliches zu beziehen, […] der Preisgabe eines irgendwie noch sinnvollen Diskurses gleich[kommt].“ (a. a. O., 116). Wie hartnäckig sich der Korrespondenzgedanke und die Wahrheit als Korrespondenz hält, zeigen auch die folgenden Bemerkungen Kreiners: „Wer für die Existenz wahrer Erkenntnis plädiert, setzt die Wahrheit zumindest seiner Argumente bereits voraus. Wer gegen die Existenz wahrer Erkenntnis votiert, kann über die Destruktion der Argumentation seiner Gegner hinaus eigentlich überhaupt nichts mehr behaupten.“ (a. a. O., 68). 37 S. Kierkegaard, Einübung im Christentum, 214. 38 Zu S. Kierkegaards Wahrheitsverständnis und der mit diesem verbundenen Problematik siehe schon A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 337–359. 39 E. Brunner, Dogmatik Bd. 1, 71. 40 Zum Wahrheitsverständnis E. Brunners siehe auch die Darstellung bei A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 360–375.

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sonderer Art‘ (Chr. Tietz) ein, indem er zwar einerseits die Wendung „die Wahrheit sagen“ so verstanden wissen wollte, dass damit angegeben werde, „wie etwas in Wirklichkeit ist“41. Soweit denkt er klassisch korrespondentistisch42. Doch mit ‚Wirklichkeit‘ als dem gewöhnlichen Objektrelat einer Korrespondenzbeziehung meint Bonhoeffer (an anderer Stelle) speziell die Christuswirklichkeit. Von ihr her – und nicht von der Wirklichkeit an sich und dem in ihr enthaltenen Faktischen – solle die Welt verstanden werden, was für die Korrespondenztheorie jedoch zwangsläufig zum Problem wird. So stehen sich die Welt mitsamt ihren Fakten und die Christuswirklichkeit als gleichsam zwei verschiedene Wirklichkeitsbereiche gegenüber. Das hat die gravierende Folge, dass Falschaussagen, die im geläufigen korrespondenztheoretischen Sinn auch als ‚Lüge‘ artikuliert werden können, nach Meinung von Bonhoeffer auch als wahr gelten können, sofern sie nämlich die Christuswirklichkeit zur Geltung bringen.43 Die Wahrheit im korrespondenztheoretischen Sinn wird so letztlich abhängig gemacht von Situationen, Kontexten und Relationen, in denen sie beansprucht wird. Das ist – wenigstens aus korrespondenztheoretischer Sicht – inakzeptabel. Denn erstens wird von den Korrespondenztheoretikern üblicherweise eine als (metaphysischer) Realismus begriffene Wirklichkeit vorausgesetzt. Zweitens werden Aussagen nicht dadurch wahr, dass sie aus einer bestimmten Erkenntnisperspektive heraus artikuliert oder formuliert werden (also wenn sie etwa von einer Christuswirklichkeit her verstanden werden), sondern ausschließlich durch Wahrmacher, z. B. außersprachliche Entitäten (Tatsachen). In welchen Situationen oder Relationen ‚die Wahrheit gesagt‘ wird, kann für die strukturelle objektive korrespondenztheoretische Wahrheit nicht von Bedeutung sein. K. Micskey optierte für einen theologischen, d. h. insbesondere für einen nicht ‚jesusblinden‘, Begriff der Wahrheit, der maßgeblich von der Vorstellung sich existentiell

41 So D. Bonhoeffer an E. Bethge. Siehe dazu DBW 8, 229. 42 Siehe dazu auch DBW 16, 622: „Das Wirkliche soll in Worten ausgesprochen werden. Darin besteht die wahrheitsgemäße Rede.“ 43 Zu D. Bonhoeffers (eigenwilliger) Inanspruchnahme der Korrespondenztheorie der Wahrheit siehe Chr. Tietz, Eine Korrespondenztheorie besonderer Art. Dietrich Bonhoeffers Wahrheitsbegriff im Horizont traditioneller Bestimmungen von Wahrhaftigkeit und Lüge, 2–17; siehe auch Chr. Tietz-Steiding, Lebendige Wahrheit – wirklichkeitsgemäße Lüge. Zu einem Aufsatzfragment Dietrich Bonhoeffers, 273–282. Eine Würdigung der Bonhoeffer‘schen Modifikation der Korrespondenztheorie findet sich bei P. Dabrock („Was heißt: Die Wahrheit sagen“ in fundamentaltheologischer Perspektive?, 127–129) und auch bei W. Härle, Ethik, 438f (dort mithilfe einer mir nicht nachvollziehbaren Unterscheidung von (bloßer) „Tatsachenwahrheit“ und „Wirklichkeitswahrheit“, die auch „Falschaussagen“ (wie beispielsweise diejenige eines Kindes, das auf die ihm vom Lehrer in der Schule gestellte Frage, ob der Vater betrunken nach Hause komme, wahrheitswidrig verneint) einschließen kann und eine [angeblich] „tieferliegende, umfassendere, tragende Ebene der Wahrheitsfrage darstellt.“ (a. a. O., 438). Ich halte es für wenig sinnvoll, die von Härle angesprochene und unzweifelhaft wichtige ethische Fragestellung, wann die Wahrheit gesagt werden solle und wann besser nicht, mit der Wahrheitsthematik zu verquicken. Zur Vermeidung von Konfusionen sollte diese wichtige Frage innerhalb ethischer Reflexion erörtert werden. Ich teile die Sicht Härles, dass ein Falschaussagen – das ist die Unwahrheit sagen – in manchen Situationen durchaus ethisch geboten sein kann. Falschaussagen werden aber nicht dadurch wahr.

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selbst erschließender Wahrheit (‚Erweiswahrheit‘) geprägt ist44. Doch auch Micskey kommt um eine Inanspruchnahme der Aussagenwahrheit nicht herum45, wenn er seinen Wahrheitsbegriff für wahr hält. E. Jüngel hat zwischen einem christlichen und einem traditionellen, korrespodenztheoretischen Verständnis von Wahrheit als Übereinstimmung zwischen intellectus und res unterschieden. Gegenüber Letzterem sei das christliche Wahrheitsverständnis „eher am Gegenteil“ des korrespondentistischen Verständnisses von Wahrheit orientiert46. Im Rahmen seiner hier nicht weiter zu beachtenden hermeneutischen Erwägungen wird der Übereinstimmungsbegriff dann aber doch beibehalten, allerdings im Sinn einer Selbstübereinstimmung des Menschen47. Letztlich scheint es Jüngel um ein hermeneutisches Wahrheitsverständnis zu gehen, das im Rückgang auf neutestamentliche Gehalte vorrangig um die Vorstellung einer Wahrheit des Lebens und der Existenz kreist. Im Anschluss an die Selbstprädikation des johanneischen Christus, die Wahrheit selbst zu sein, gilt ihm Christus als derjenige, der die Selbstverständlichkeiten des Lebens unterbreche, nicht, damit es zerbrochen werde, sondern damit es die im Gegenüber vor ihm liegende Wahrheit entdecken lasse. „Wahrheit ist Unterbrechung als Steigerung des unterbrochenen Zusammenhanges“48 Einmal davon abgesehen, dass – wie Kreiner zu Recht kritisch angemerkt hat – bei diesen Gedankengängen „nun nicht mehr nur der Wahrheitsbegriff, sondern auch noch der Übereinstimmungsbegriff schillert“49, kann Jüngel nicht umhin, für seine darstellende Sprache Wahrheit im aussagetheoretischen Sinn in Anspruch zu nehmen. 44 Vgl. K.N. Micskey, Die Axiom-Syntax des evangelisch-dogmatischen Denkens, bes. 5, 33, 151, 160–162. 45 Darin liegt m. E. die Kernproblematik. Ich stimme aber auch mit E.M. Pausch (Wahrheit zwischen Erschlossenheit und Verantwortung, 10) überein, der urteilte: „Es steht der Theologie gerade daher m. E. nicht an, einen “Wahrheitsbegriff“ sui generis zu kreieren, der sie von allen anderen Wissenschaften unterscheidet, weil sie sich damit von den Wissenschaften isoliert und die (regulative) Idee der Einheit der Wahrheit aufgibt.“ Seine Kritik ist speziell (auch) an die Adresse von K.N. Micskey gerichtet, der meinte, der theologische Wahrheitsbegriff dürfe – im Unterschied sowohl zum umgangssprachlichen wie auch wissenschaftlichen Wahrheitsbegriff – nicht „jesusblind“ sein, vgl. K.N. Micskey, Die Axiom-Syntax des evangelisch-dogmatischen Denkens, 151; zur Kritik an Micskey siehe E.M. Pausch, a. a. O., 10 Anm. 37 sowie a. a. O., 330f. 46 E. Jüngel, Wertlose Wahrheit, 100. 47 Zu Jüngels Wahrheitsverständnis und seiner Problematik siehe ausführlicher A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 321f. 48 E. Jüngel, Wertlose Wahrheit, 103. 49 A. Kreiner, Ende der Wahrheit?, 322. Dies gilt im Übrigen gleichermaßen für seinen dem eben beachteten sehr ähnlichen englischsprachigen Beitrag „The Truth of Life: Observations on Truth as the Interruption of the Continuity of Life“. Auch Jüngels spätere Ausführungen zum Wahrheitsbegriff sind alles andere als deutlich und dürftig in definitorischer wie explikatorischer Hinsicht – sowohl mit Blick auf den Ausdruck ‚Wahrheit‘ als auch bezüglich der Fassung des Verhältnisses zur (klassischen) Korrespondenzwahrheit. Es heißt in seinem Lexikonartikel über Wahrheit u. a., „daß die Sprache des Glaubens nicht einfach mit der sog. → Wirklichkeit übereinstimmt“, was Jüngel damit begründet, dass von Gott geredet werde (E. Jüngel, Art. Wahrheit IV. Fundamentaltheologisch, 1251). Bei der Rede von Gott müsse der Glaube „mehr und anderes als nur die Wirklichkeit der Welt zur Sprache bringen“ (ebd.), was

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J. Fischers Wahrheitsverständnis50 ist von einer großen Distanz zur philosophischen Wahrheitstheorie gekennzeichnet. Fischer meint, hinsichtlich der Frage nach dem Wahrheitsanspruch der Theologie könne nicht so vorgegangen werden, „dass wir uns zunächst einen Begriff von Wahrheit bilden, von ihrem Wesen und ihren Kriterien, wie sie etwa in den diversen philosophischen Wahrheitstheorien expliziert werden, und dass wir diesen Wahrheitsbegriff dann auf die Theologie anwenden unter der Fragestellung, ob und in welchem Sinne die Theologie Anspruch auf so begriffene Wahrheit erheben kann.“51 Seiner Meinung nach weiß die Theologie aus ihrer eigenen Geschichte am besten, wie unterschiedlich die Wahrheitsfrage gestellt werden könne „und wie sehr hier alle Antworten dem Denken ihrer Zeit verpflichtet sind.“52 S.E. muss „der Begriff der Wahrheit, mit dem es die Theologie zu tun hat, weiter gefaßt werden, als er üblicherweise gebraucht wird, nicht als die Wahrheit einer Aussage […], nicht als Übereinstimmung mit der Wirklichkeit, sondern als Wahrheit einer Kommunikation und eines Lebensvollzugs“, wobei diese Wahrheit als im Geist vorausliegend und vorgegeben gedacht wird und über den theologischen Diskurs gesagt wird, dass er „[a]n dieser kommunikativen Perspektive des Glaubens“ nicht teilhabe53, „so daß er diese Wahrheit auch nicht

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aber, wie er meint, anscheinend dazu führe, dass „die Aussagen des christl. Glaubens vor dem Forum des an der empirischen Wirklichkeit orientierten erkennenden → Verstandes nicht als wahr gelten können.“ (ebd). Mithilfe der metaphorischen Rede soll es dem christlichen Glauben möglich sein, „die der Wirklichkeit der Welt und dem menschlichen Leben durch die → Offenbarung und Zuwendung Gottes neu zukommenden Möglichkeiten auszusagen, die nicht bereits Möglichkeiten der vorhandenen Wirklichkeit sind.“ (ebd.) Es könnte „eine im Kontext der Wirklichkeit neue W[ahrheit]“ artikuliert werden, welche Lebensorientierung böte, innerhalb derer dann wahres Leben im Sinne eines von der Wahrheit bestimmten Lebensvollzuges möglich werden könne (Anschluss an I.U. Dalferth, Die Wirklichkeit des Möglichen, 169–206). Jüngels Ausführungen wirken recht nebulös, und seine kritischen Bemerkungen zur Korrespondenzwahrheit erweisen sich m. E. als in mehrerlei Hinsicht problematisch: Das Moment der Korrespondenz für Glaubensaussagen wird bestritten, obwohl er selbst für seine Darlegungen darauf angewiesen zu sein scheint. Es ist im Übrigen für die angesprochene Korrespondenzwahrheit überhaupt nicht entscheidend, vor welchem Forum Aussagen als wahr gelten, da ihre Wahrheit unabhängig von ihrer Anerkennung besteht oder eben nicht besteht. Wenn nun Jüngel trotz seiner Reserve gegenüber der Korrespondenzwahrheit mithilfe metaphorischer Rede an der Möglichkeit des Aussagens (das offensichtlich nicht kognitiv strukturiert verstanden werden soll) festhalten will, erhebt sich die Frage, inwiefern solche Aussagen noch Geltung beanspruchen können. Können sie mehr als rudimentäre Zustandsäußerungen eines religiösen Subjektes sein? Es scheint mir alles andere als klar, was Jüngel unter ‚Wahrheit‘ versteht – vielleicht etwas gänzlich anderes, wie etwa M. Leiner (Methodischer Leitfaden Systematische Theologie und Religionsphilosophie, 56) vermutet: „Es geht der Theologie, wie Eberhard Jüngel (geb. 1934) in seinem Hauptwerk Gott als Geheimnis der Welt (1977) betont, nicht um eine Wahrheit, die der Mensch feststellt, sondern um eine Wahrheit, die größer ist als der Mensch, die ihn einbezieht und mitnimmt. Wahrheit im christlichen Sinne ist nicht eine Wahrheit, die durch Feststellen sicherstellt, sondern sie ist Wahrheit, die sich an uns ereignet und uns verändert.“ Siehe dazu J. Fischer, Zum Wahrheitsanspruch der Theologie, 93–107. J. Fischer, Zum Wahrheitsanspruch der Theologie, 94. J. Fischer, Zum Wahrheitsanspruch der Theologie, 94. J. Fischer, Zum Wahrheitsanspruch der Theologie, 99–101.

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aufweisen, begreiflich machen oder widerlegen könne.“54 Wie es scheint, soll eine solche expansive Fassung des Wahrheitsbegriffs als Alternative zum korrespondenztheoretischen Wahrheitsverständnis fungieren, das zu beanspruchen – wie sich zeigt – auch Fischer jedoch genötigt ist, wenn es richtig sein soll, was er schreibt. Außerdem ist an Fischer die Rückfrage zu stellen, was der Ausdruck ‚Wahrheit‘ in den Wendungen „Wahrheit des Glaubens“, „Wahrheit einer Kommunikation und eines Lebensvollzugs“ konkret heißen soll. Überhaupt geben diese Wendungen keinen Aufschluss über ein theologisches Wahrheitsverständnis, weil in diesen Anwendungsfällen bereits eine hier nicht offen gelegte Bedeutung für den Ausdruck ‚Wahrheit‘ in Anspruch genommen wird. Möglicherweise unterbleibt eine die Verständigung stets erleichternde Definition oder Explikation schon deshalb, weil Fischer der Meinung ist, die Wahrheit des Glaubens könne sich gleichsam abseits vom (theoretischen?) theologischen Diskurs, „allein in der Kommunikation und den Lebensvollzügen des Glaubens selbst zur Erkenntnis verdichten“55. Doch selbst wenn man dies zugestehen will, ist damit noch nicht die wichtige Frage beantwortet, welche Bedeutung mit dem Ausdruck ‚Wahrheit‘ zu assoziieren sei. Zumindest in Bezug auf die von ihm gebrauchte Wendung „Wahrheit des Glaubens“ ist der Verdacht angebracht, dass diese thematisierte Wahrheit sich nur sinnvoll denken lässt als eine formal aussagetheoretische (Korrespondenz-)Wahrheit.

Manche theologische Wahrheitskonzeptionen warten mit dem Vorzug auf, dass sie die aussagetheoretische (Korrespondenz-)Wahrheit nicht diskreditieren, wodurch sie gegen die geschilderten Schwierigkeiten immun sind: I.U. Dalferths und Ph. Stoellgers Ausführungen kreisen um den Gedanken der ‚Lebenswahrheit‘56. Dalferth hat die Meinung geäußert, es gehe (in) den Religionen vorrangig um „um gelebte Wahrheit, nicht bloß beanspruchte Wahrheit“, um „die Wahrheit einer Lebensweise, die sich auch in Gesagtem und Gedachtem zum Ausdruck bringt“57. In dieser Einschätzung folgt ihm H.-P. Großhans58. Wenn auch teilweise unklar bleibt, was ‚Wahrheit‘ im Einzelfall heißen mag, bleibt bei Dalferth und Großhans doch wenigstens die aussagetheoretische Wahrheit in Gestalt einer Dimension von Wahrheit erhalten. W. Dietz geht von einem Proprium christlichen Wahrheitsverständnisses aus, das in Gestalt und Person Jesu Christi die Wahrheit versteht. Daneben ist aber auch die aussagetheoretische Korrespondenzwahrheit (untergeordneter) Teil des Wahrheitsverständnisses59. 54 So die Darstellung von I.U. Dalferth/ Ph. Stoellger, Wahrheit, Glaube und Theologie. Zur theologischen Rezeption zeitgenössischer wahrheitstheoretischer Diskussionen, 43. 55 J. Fischer, Zum Wahrheitsanspruch der Theologie, 99. 56 I.U. Dalferths und Ph. Stoellgers Plädoyer für eine „Wahrheit des Lebens“, d. h. für die „pragmatische Dimension der Wahrheit“ (Vgl. I.U. Dalferth/ Ph. Stoellger, Wahrheit, Glaube und Theologie. Zur theologischen Rezeption zeitgenössischer wahrheitstheoretischer Diskussionen, 67) scheint mir von Jüngel beeinflusst, ohne allerdings, dass damit von ihnen ein einigermaßen klar benennbares Phänomen verbundenen zu werden scheint. 57 I.U. Dalferth, Die Wirklichkeit des Möglichen, 175. 58 Vgl. H.-P. Großhans, Art. Wahrheit VI. Religionsphilosophisch, 1254. 59 Vgl. W. Dietz, Wahrheitsgewissheit und Einheit der Wirklichkeit aus theologischer Sicht, 56f.

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Pannenberg hat, wie diese Studie ausführlich gezeigt hat, seinerseits an aussagetheoretischer (Korrespondenz-)Wahrheit in sämtlichen Ausprägungen festgehalten und in erstaunlich ausgiebigem Maße damit die semantisch-ontologische Wahrheit gebraucht und für sämtliche Wahrheitsansprüche (formal) problemlos beanspruchen können. Dass seine Überlegungen letzten Endes nicht zur Verteidigung eines allein solchen Wahrheitsbegriffes führten, sondern mit einem umfassenderen (onto-)theologischen Begriff von Wahrheit endeten, ist zu erklären vor dem Hintergrund eines dezidiert theologischen Interesses, das wiederholt in seinen Ausführungen mehr als deutlich zu Tage tritt. Da es jedoch einen Unterschied macht, ob Wahrheit semantisch-ontologisch begriffen wird oder Gott als die Wahrheit benannt wird, müsste dieser Unterschied klar – gerade auch mit Blick auf die Konsequenzen – benannt werden. Pannenberg kann sicher nicht vorgeworfen werden, solche Unterschiede im Horizont der Wahrheitsproblematik nicht bemerkt zu haben. Für das in seiner Theologie stark anzutreffende Anliegen, interdisziplinär vermittelbare Theologie mit universal-holisierendem Anspruch zu betreiben, hätte er mühelos herausstellen können, dass der gemeinsame (formale) Begriff von Wahrheit sämtlicher Wissenschaften der semantisch-ontologische bzw. aussagetheoretische, also kein anderer als der des alltäglichen truth talks, ist. Dann aber – und das scheint mir kritikwürdig zu sein – wäre die Frage aufgekommen, wie mit dem theologischen Verständnis Gottes als der Wahrheit umzugehen sei. M. E. kann eine angemessene Antwort sein, dieses Wahrheitsverständnis zu respektieren und wertzuschätzen, aber auch den Unterschied herausstellen zur weit verbreiteten, stets wirksamen semantischontologischen Wahrheit. Da aber andere Wissenschaften i. d. R. mit diesem (oder einem anderen) theologischen Begriff von Wahrheit nicht hantieren, kann er nicht normativ gemacht werden für den Wahrheitsdiskurs zwischen den Disziplinen. Schon gar nicht – und das hat Pannenberg aus guten Gründen unterlassen zu empfehlen – kann sich Theologie auf diesen theologischen Wahrheitsbegriff zurückziehen, etwa mit der Behauptung, nur dieser Begriff ginge sie etwas an. Für diese Behauptung allein reklamieren ihre Proponenten nicht nur die semantisch-ontologische Wahrheit (die sie [i. d. R.] ablehnen wollen), was ein Selbstwiderspruch bedeutete, sondern – und das scheint mir die gravierende Folge eines solchen Schrittes zu sein, Theologen, die vehement für einen dezidiert theologischen Wahrheitsbegriff optieren, vernachlässigen in der Reflexion über Wahrheit zumeist dasjenige Phänomen, was wir Menschen gemeinhin mit dem Wort ‚Wahrheit‘ assoziieren.

Vgl. auch W. Dietz, Wahrheit-Gewißheit-Zweifel, darin u. a. seine Kritik an ‚abstrakten‘ Wahrheitstheorien (s. o.).

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Gesamtfazit und Ausblick

4.2

Pannenberg und der postfoundationalism – abschließende Würdigung seiner Wahrheitskonzeption vor dem Hintergrund einer neueren theologischen Rationalität „By centering his project on the primacy and possibility of the norm of truth, Pannenberg stands against much of the anti-realist, subjectivist postmodernists like Richard Rorty.“60

Ich habe mit dieser Abhandlung eine akkurate, detaillierte und minutiöse Aufarbeitung der Wahrheitskonzeption von Wolfhart Pannenberg gesucht. Unübersehbar geht eine Umsetzung dieses Vorhabens mit sämtlichen Differenzierungsbemühungen einher, die die Geduld mancher Leserinnen und Leser womöglich strapazieren, deren Berechtigung aber sachlich auf der Hand liegen sollte. Doch so wichtig in der Wissenschaft präzise Distinktionen sind, soll deren Fülle nicht den Blick dafür verstellen, dass Pannenberg aufs Ganze gesehen eine wahrlich elaborierte Wahrheitskonzeption gelungen ist. Ein geweiteter Blick möge diesem Ergebnis gewahr werden und dafür sorgen, dass seine bewundernswerten Denkanstrengungen, die zu jenem Verständnis von Wahrheit geführt haben, noch angemessener gewürdigt werden können, so unterschiedlich akzentuiert eine Honorierung im Einzelfall ausfallen mag (sofern sie nicht von vornherein ausfällt). Ganz persönlich und somit durchaus alles andere als unpositionell sehe ich Pannenbergs bleibendes, mit seiner Wahrheitskonzeption unmittelbar zusammenhängendes Verdienst in seinem unerschütterlichen Festhalten an der Idee der Wahrheit, das es m. E. im krassen Gegenüber zu den (sich inzwischen teils verflüchtigenden) Trends der Postmoderne wertzuschätzen gilt. Während sich postmoderne Beiträge zur Wahrheit oftmals als eher problematisch erweisen (und zwar dadurch, dass Sachfragen nicht mit der nötigen wissenschaftlichen Ernsthaftigkeit bearbeitet werden, sondern vielmehr ästhetisierende Anliegen und nebulöse Formulierungen, die ihrerseits offenbar argumentative Mängel überdecken sollen, im Vordergrund zu stehen scheinen61), ist es eine grund60 P. Heltzel, Wolfhart Pannenberg (1928- ), in: Boston Collaborative Encyclopedia of Western Theology: Wolfhart Pannenberg, ed. Wesley Wildman, http://people.bu.edu/wwildman/ WeirdWildWeb/courses/mwt/dictionary/mwt_themes_856_pannenberg.htm (Zugriff am 21. 03. 2008). 61 Was A. Sokal und J. Bricmont (Postmoderne in Wissenschaft und Politik) in ihrer Postmodernekritik herausstellen, scheint mir im Wesentlichen zutreffend: Sie kritisieren u. a. einen charakteristischen Obskurantismus, schätzen es gar nicht, „wenn klares Denken und Schreiben aufgegeben wird“, ihnen missfallen „bewußt unverständliche Abhandlungen der Postmoderne“ (a. a. O., 940) und sie bemängeln m. E. auch zurecht eine „laxe Haltung gegenüber wissenschaftlicher Klarheit“ (a. a. O., 941) sowie „das wirre Denken und schwam-

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sätzliche Stärke der Theologie Pannenbergs, einen argumentativ verantworteten Umgang mit der Wahrheitsthematik gesucht zu haben62, der an keiner Schwäche der (vermeintlich) postmodernen „Alternativen“ zu laborieren braucht63. Aus der offenkundigen Distanz des Pannenberg‘schen Wahrheitsverständnisses zur sog. Postmoderne ergibt sich noch nicht automatisch eine Nähe zu der ihr vorausgehenden Moderne, was seinerseits wiederum als Zeichen der hervorragenden Qualität seiner Konzeption gewertet werden darf. T. Bradshaw hat zu Recht behauptet, dass „Pannenberg conforms neither to Enlightenment nor postmodern expectations.“64 Es ist inzwischen von F. LeRon Shults eingehend gezeigt worden, dass Pannenbergs Theologie – und nicht zuletzt auch sein Umgang mit der Wahrheitsthematik – nach wie vor aktuell ist und einem bestimmten Modell neuerer theologischer Rationalität nahe steht, welches – einer Wortschöpfung von J.W. v. Huyssteen zufolge – als postfoundationalism bezeichnet werden kann65 und zu dessen Vertretern u. a. auch N. Rescher gerechnet wird66.

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mige Formulieren“ in so manchen Texten (a. a. O., 941f) sowie die Preisgabe von Objektivität und Wahrheit (vgl. a. a. O., 942). Man wird kaum leugnen können, dass solche Trends auch in der gegenwärtigen Theologie beobachtbar sind, allerdings, so scheint es, ohne dass dies (überhaupt) als Problem empfunden wird. Vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 326: „In der Theologie zählen nur Argumente.“ In dieser Einschätzung ist ihm Carl E. Braaten gefolgt (Vgl. C.E. Braaten, The Place of Christianity among the World Religions, 299): „Argument and not assertion is what is required in the religious situation of our day“ So Braaten ebd. zu Pannenbergs argumentativem Ansatz in dessen Systematischer Theologie (Bd. I). Jedenfalls geht – so merkt S. Vasel zu Recht an (Vgl. S. Vasel, Philosophisch verantwortete Christologie und christlich-jüdischer Dialog, 557) – Pannenberg davon aus, „dass es gute und benennbare Gründe dafür gibt, die christliche Lehre für wahr zu halten.“ (S. Vasel bezieht sich auf W. Pannenberg, Systematische Theologie Bd. II, 11). In der rundum argumentativen Ausrichtung der Theologie, die für Pannenberg kennzeichnend ist, besteht (trotz zum Teil erheblicher Unterschiede im wissenschaftstheoretischen Grundverständnis) denn dann auch eine Gemeinsamkeit mit G. Sauter. Vgl. dazu auch Pannenbergs Bemerkung in: S.M. Daecke, H.N. Janowski, W. Pannenberg, G. Sauter, Theologie als Wissenschaft. Ein Gespräch, 59. Die Abkehr der Postmoderne von universalen Wahrheitsansprüchen vollzieht sich nicht selten im Horizont der Vorstellung, man lebe in einer nachmetaphysischen Zeit, in einer „postmodernen“ Gegenwart wähnt man sich. Und diese Abkehr geschieht nun vorwiegend nicht auf argumentativem Wege, wie H.-P. Großhans richtig erkannte: „Es geht in ihr weniger um Argumentation und mehr um Darstellung und Symbolisierung. Denn was sich über die eigene Tradition und das eigene belief-system hinaus nicht mehr begründen läßt, kann nur noch inszeniert und symbolisch dargestellt oder immer wieder aufs Neue wiederholt werden.“ (H.-P. Großhans, Die Wahrheit wird euch frei machen, 338). T. Bradshaw, Pannenberg: A Guide for the Perplexed, viii. Dieser Einschätzung schließt sich P.S. Fiddes an. Vgl. F. LeRon Shults, The Postfoundationalist Task of Theology, 25. Zu diesem Modell theologischer Rationalität siehe ausführlicher a. a. O., 25ff sowie insbes. J.W. v. Huyssteen, Essays in Postfoundationalist Theology. Zu N. Rescher als postfoundationalist siehe F. LeRon Shults, The Postfoundationalist Task of

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Gesamtfazit und Ausblick

„T h e p o s t f o u n d a t i o n a l i s t t a s k o f t h e o l o g y “ besteht nach Shults darin „to engage in interdisciplinary dialogue within our postmodern culture while both maintaining a commitment to intersubjective, transcommunal theological argumentation for the truth of Christian faith, and recognizing the provisionality of our historically embedded understandings and culturally conditioned explanations of the Christian tradition and religious experience.“67 Der postfoundationalism stellt so etwas wie ein Mittelweg dar zwischen dem der aufklärerischen, vernunftorientierten Moderne verhafteten dogmatischen, v. a. an der Einheit und Universalität von Wahrheit und an der Objektivität von Wissen festhaltenden und nach Gewissheit strebenden foundationalism einerseits und einem postmodernen, Vernunft, Wissen, Wahrheit und Erkenntnis relativierenden sog. nonfoundationalism68 andererseits, wobei es Shults zufolge dem postfoundationalism darum geht, eine dialektische oder dynamische Beziehung zwischen beiden Extrempositionen anzustreben bzw. aufrechtzuerhalten und die Auseinandersetzung mit postmodernen Herausforderungen zu suchen69. Shults hat eine Rekonstruktion dieser neueren theologischen Rationalität unternommen und anhand von vier Begriffspaaren (sog. postfoundational couplets: = experience and belief, truth and knowledge, individual and community, explanation and understanding) die wesentlichen Aspekte herausgearbeitet70. Dass Pannenberg dem postfoundationalism nahesteht71, zeigt sich innerhalb des Themenfeldes Wahrheit und Wissen (couplet 2: truth and knowledge) daran, dass er analog dem postfoundationalism von folgender, sich auch aus den Untersuchungen dieser Arbeit erschließenden Annahme ausgeht: „[T]he objective unity of truth is a necessary condition for the intelligible search for knowledge, and the subjective multiplicity of knowledge indicates the fallibility of truth claims.“72

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Theology, 41; daneben werden auch Susan Haack und Calvin Schrag von Shults zu dieser Gruppe gerechnet. F. LeRon Shults, The Postfoundationalist Task of Theology, 18. Vgl. F. LeRon Shults, The Postfoundationalist Task of Theology, 18ff. Vgl. dazu F. LeRon Shults, The Postfoundationalist Task of Theology, bes. 25ff. Vgl. zu den folgenden couplets und den nachfolgenden Zitaten F. LeRon Shults, The Postfoundationalist Task of Theology, 43ff. Zu der von Shults aufgewiesenen Nähe Pannenbergs zum postfoundationalism siehe ausführlicher F. LeRon Shults, The Postfoundationalist Task of Theology, 110ff. Pannenberg hat seine Sympathien gegenüber dem postfoundationalism in seiner Reaktion auf das Werk von Shults bestätigt: „He [Shults] is correct in placing me neither in the foundationalist camp nor among certain forms of nonfoundationalism that surrender the rational quest for truth. I feel rather sympathetic with the position he describes as postfoundationalist.“ (W. Pannenberg, Foreword, in: F. LeRon Shults, The Postfoundationalist Task of Theology, ix). F. LeRon Shults (The Postfoundationalist Task of Theology, xii) weist daraufhin, dass Pannenbergs Werk “has often been viewed by North American theologians as foundationalist and modernist.” Eine entsprechende Einschätzung wird i. d. R. auch im deutschen Sprachraum vertreten (s. o.). F. LeRon Shults, The Postfoundationalist Task of Theology, 43.

Was ist Wahrheit bei Wolfhart Pannenberg? Zusammenfassende Bemerkungen

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Man kann bezüglich der Theologie Pannenbergs sogar zu dem Ergebnis vordringen, dass „his approach to truth and rationality stands as a challenge to be considered both by foundationalists and postmodernists.“73 Diese Studie über Pannenbergs Wahrheitsverständnis gibt dieser Einschätzung Recht. Sein argumentativer und überaus umsichtiger Umgang mit der Wahrheitsfrage hat zur Darlegung eines Wahrheitsverständnisses geführt, das (fragwürdige) Extrempositionen meidet und unterschiedliche Einsichten in ihm vermittelt. Daraus resultieren zwar Frontstellungen in unterschiedliche Richtungen (nicht nur zum Fundamentalismus oder zu postmodernem Denken hin). Doch aufgrund einer bestechenden Rationalität, mit der Pannenberg seine Wahrheitskonzeption verantwortet hat, wird der epistemisch beschränkte Horizont des bloß Theologischen auf heilsame Weise zur Universalität hin durchbrochen. Abschließend komme ich zu folgender Gesamteinschätzung: Wolfhart Pannenbergs hoch komplexe Wahrheitskonzeption möge den inzwischen auch in der Theologie in Gang gekommenen und sich erfreulicherweise zunehmend ausdifferenzierenderen binnentheologischen Wahrheitsdiskurs im noch jungen 21. Jahrhundert bereichern74. Denn sie bleibt aus meiner Sicht (auch) bei aller berechtigten Kritik im Detail aufgrund der wertvollen philosophisch-theologischen Einsichten, aus denen sie sich denkerisch erschloss, aktuell und so zugleich für die Zukunft weit über die Grenzen der akademischen Theologie relevant und weiterführend, d. h. für veritative Optimierungen inspirierend: (Noch) ist die Wahrheitsfrage offen und der Streit um eine sachlich angemessene Wahrheitskonzeption nicht beigelegt – nota bene.

73 So G.D. Jackson, Creation and Reconciliation in the Theology of Wolfhart Pannenberg (Ph.D. diss., Southern Baptist Theological Seminary, 1993), 301 (zit. Nach F. LeRon Shults, The Postfoundationalist Task of Theology, 17). 74 Ähnlich ist die Einschätzung von K. Lehmkühler. Er meint, dass „l‘œuvre impressionnante de Wolfhart Pannenberg restera, peut-être sous une forme proleptique, un point de référence, pour le XXIe siècle (K. Lehmkühler, Le théologien Wolfhart Pannenberg dans le contexte de la théologie protestante du XXe siècle, 427). E.M. Pausch (Wahrheit zwischen Erschlossenheit und Verantwortung, 9) hat einen breiten binnentheologischen und zugleich interdisziplinären Diskurs aus gutem Grund gefordert, und H. Schulz hat ganz ähnlich beklagt, dass bislang kaum ein binnentheologischer Wahrheitsdiskurs stattfindet (H. Schulz, Vom Daseinsverständnis zum Evidenzerleben, 115f). M. E. kann dies nicht ganz so gesagt werden (man vgl. nur die hier berücksichtigte theologische Fachliteratur).

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870

Literaturverzeichnis

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Autorenregister

Adorno, Theodor W. 273, 683 Adriaanse, Hendrik J. 59, 394 Albert, Hans 63, 68f., 422f., 455, 608, 714 Albertus Magnus 59, 629 Albrecht, Michael 9, 64, 610 Albright, Carol R. 393, 738, 754 Albright, William F. 288 Alston, William P. 93, 537 Althaus, Paul 457 Anaxagoras 250, 653 Andersen, Wilhelm 277 Anselm von Canterbury 51, 78, 180, 437, 470, 630, 635, 717 Anwander, Anton 173, 283f. Apczynski, John V. 31, 701 Apel, Karl-Otto 355, 567 Arens, Edmund 292 Aristoteles 48, 50, 88, 91, 249, 257f., 301, 303, 357, 400f., 503f., 532, 534, 564, 628, 630, 650f. Armstrong, David M. 446 Arnim, Hans von 258 Athanasius 342f. Augustin, George 556, 558, 770 Augustinus, Aurelius 12, 28, 51, 64, 69f., 73, 104, 172, 178, 279, 293, 338f., 345, 365, 399, 446, 465, 468, 517, 534, 614, 626–630, 634, 637, 639, 645f., 650–660, 792, 796 Austin, John L. 95, 383, 388, 392, 394, 398, 400, 443f. Axt-Piscalar, Christine 10, 60, 746 Ayer, Alfred J. 395, 439, 472, 682

Bader, Günter 447 Balestra, Antonella 610 Balthasar, Hans U. von 770 Bar-Efrat, Shimon 374 Barbour, Ian G. 375 Barr, James 286–288, 290 Barth, Hans-Martin 54 Barth, Heinrich 324f. Barth, Karl 19f., 32, 45, 135, 149, 157, 160, 181, 185, 198, 389f., 395, 415, 436, 471, 515, 544, 546, 549, 555, 702, 709, 713f., 736, 742, 764, 783 Barth, Roderich 33, 36f., 40, 44, 51, 54f., 62, 91, 106, 109, 197, 241, 269, 272, 279, 294, 319, 321, 323f., 327, 329, 349, 357, 366, 455, 459, 525, 650, 656, 660, 668, 792f., 795–798 Barth, Ulrich 269, 629, 651f., 654–659 Bartley, William W. 13, 227, 714, 766 Bauer, J.B. 281 Bauman, Michael 13f., 33, 111, 233, 273, 298, 724, 795f. Baumgartner, Hans M. 73 Bayer, Oswald 160f., 395, 397f. Beckermann, Ansgar 354, 368, 568f., 577, 579–583, 586, 595, 599f., 606, 616 Beierwaltes, Werner 655 Berger, Peter L. 511, 679 Berten, Ignace 197, 455, 483, 562, 682, 721, 746, 775 Bethge, Eberhard 805 Beutler, Johannes 290 Billig, Michael 214 Blackburn, Simon 90

872 Blackstone, William T. 393, 397f., 424 Blanshard, Brand 615, 617–619, 630f., 668 Bloesch, Donald G. 14 Boethius 405, 630, 635 Böhm, Thomas 282–284, 286f., 291, 293, 656 Bollinger, Gary 556 Bollnow, Otto F. 283 Bonhoeffer, Dietrich 519, 804f. Braaten, Carl E. 19, 24, 30–32, 34, 681, 792, 811 Bradley, Francis H. 497, 615–617, 646, 669f., 767 Bradshaw, Timothy 33, 108, 282, 320, 661, 744, 811 Braithwaite, Richard B. 395 Brentano, Franz 97, 350, 496 Bretschneider, Karl G. 711 Bricmont, Jean 53, 810 Bridges, James T. 103, 273, 787 Brunner, Emil 146–149, 173, 180, 244, 281, 296, 349, 530–532, 634, 804 Buddeus, Johann F. (Budde) 710 Bühler, Karl 386 Bultmann, Rudolf 37, 40, 103, 139, 157, 186, 225, 244, 281, 284, 289–291, 342, 349, 379, 415, 692, 709, 742, 789 Bünker, Michael 285 Buren, Paul M. van 395 Burhenn, Herbert 132f. Burkhardt-Patzina, Bernd 14, 25 Butchvarov, Panayot 377 Calogero, Guido 652 Calvin 812 Carnap, Rudolf 439, 615 Case, Jonathan P. 18, 103, 360f. Chomsky, Noam 385f. Christian, William A. 5, 12–15, 20, 22, 24, 26–34, 117, 146, 177f., 180, 182f., 189, 198f., 202, 204, 215, 219, 225, 228, 232f., 327, 338f., 362, 374, 393, 470, 517, 544, 549–551, 556–558, 702–704, 706, 708– 710, 714, 717f., 723–725, 727, 730, 732f., 735–737, 739, 742, 744, 750, 753, 756, 766, 793, 795, 812

Autorenregister

Cicero 338, 564 Claudius, Matthias 5 Clayton, Philip 19, 31f., 103, 177, 451, 482, 497f., 500, 703, 714f., 792 Cobb, John B. 23, 31, 101, 179, 215f., 416, 681 Cohen, L. Jonathan 670, 768 Cook, Peter J.A. 34, 125, 183, 245, 317f. Coreth, Emerich 37 Cornehl, Peter 222, 332 Craig, William Lane 257 Crombie, Ian M. 399, 682, 750 Dabrock, Peter 90f., 275, 282, 584f., 805 Daecke, Sigurd M. 61, 115, 386f., 389, 395, 424–427, 446, 454–456, 694f., 698f., 712, 811 Dalferth, Ingolf U. 33, 35–37, 56f., 73f., 85f., 90, 98, 128f., 176, 282, 341, 345, 348f., 351, 387, 417, 505, 526–529, 532, 553, 651, 683, 717, 746, 760f., 766, 794, 807f. Daniels, Charles B. 668 Danz, Christian 131 Davidson, Donald 56, 505, 526, 528, 757f. Del-Negro, Walter 95, 496 Deleuze, Gilles 173, 176, 800 Demokrit 358 Deuser, Hermann 110, 425 Dewey, John 129, 176, 217 Diem, Hermann 146, 149f. Dietz, Walter 9f., 29, 37, 62–64, 69–71, 76f., 82, 129, 133f., 242f., 447, 454, 469, 612, 634f., 808f. Dilthey, Wilhelm 14, 131, 298f., 301, 453, 688f. Doran, Robert M. 104, 378 Döring, Heinrich 606 Dorschner, Johann 212, 740 Drees, Willem B. 177 Dulles, Avery 31 Duns Scotus 135, 407 Dürrenmatt, Friedrich 6 Eaves, Lindon 146, 744, 754 Ebbersmeyer, Sabrina 139, 538f.

Autorenregister

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Fackre, Gabriel 708 Fahrenbach, Helmut 585 Feige, Ingeborg 242, 319 Fellinger, Markus 72 Ferré, Frederick 397f., 424 Feuerbach, Ludwig 163, 680, 702, 799 Fichte, Johann G. 37, 176, 275, 467f. Fischer, Hermann 32, 686 Fischer, Johannes 191, 381, 426, 436, 438, 492, 523–525, 773, 807f. Flasche, Rainer 136, 173f. Flew, Antony G.N. 395 Foucault, Michel 173, 800 Fränkel, Hermann 652 Frankfurt, Harry G. 95, 381, 567, 800 Freeman, James B. 668 Frege, Gottlob 37, 62, 95f., 419, 496 Freyer, Thomas 33, 103, 105, 303, 353, 380, 436, 645, 649, 653, 787 Fries, Heinrich 169, 219, 235, 544 Fuchs, Ernst 244

Gestrich, Christof 281 Gethmann, Carl Friedrich 92 Geyer, Carl-Friedrich 281 Gilbertson, Michael 160, 167, 200 Girard, René 31, 552 Gläßer, Alfred 15, 34, 172f., 452 Glimpel, Christoph 28, 109f., 127, 208, 241, 253, 348, 383, 425, 436–438, 477f., 552, 609, 632, 637–639, 644f., 648f., 687, 717, 762, 792 Gloy, Karen 44f., 49f., 71, 97f., 118f., 137, 353, 355, 357, 359, 362, 367, 422, 566f., 582, 584f., 588, 591, 614–618, 631f., 643f., 646, 664f., 755, 767 Goebel, Bernd 53, 119, 129, 214 Goppelt, Leonhard 281, 284 Góz´dz´, Krzysztof 30, 102, 162 Gregersen, Niels H. 25, 34, 771 Greiner, Sebastian 15, 245, 389, 518 Greive, Wolfgang 20, 130, 156, 184, 252, 274, 298, 455, 464, 698, 741, 752 Grenz, Stanley J. 11f., 14–17, 20f., 24–26, 28, 34, 69, 79, 83, 104, 108, 123, 133, 140, 143, 157, 177, 179, 200f., 205, 208, 212, 215f., 218, 226, 232, 245, 282, 298f., 322, 327, 332, 373, 376, 382, 405–408, 410, 413, 431, 438, 454, 462, 470, 486, 489, 491, 524, 556, 558, 574, 588, 599f., 605, 608, 610, 647, 671, 678, 703f., 708f., 711, 721– 723, 727, 730, 733, 735, 739, 743, 753, 755, 763, 772–774, 776–778, 813 Großhans, Hans-Peter 51, 376, 378, 381, 505, 525, 529, 554, 629, 800, 803, 808, 811 Grube, Dirk-Martin 615, 647

Gadamer, Hans-Georg 22, 26, 29, 243, 327, 384f., 577 Galloway, Allan D. 15, 60, 282, 745, 752 Gawlick, Günter 71, 78 Gerbracht, Ludger 95–97, 118, 359, 496, 755f. Gerhard, Wilfried 183, 191, 193–196, 198, 204–207, 332, 335, 517, 550, 793 Gerhardt, Volker 35, 37, 73, 91f., 194, 207, 355, 503, 798f.

Haack, Susan 662, 757, 774, 812 Habermas, Jürgen 92f., 106, 354, 363, 368, 381, 496, 564f., 567–588, 590f., 595f., 600, 605, 607f., 613, 690 Haenchen, Ernst 656 Hägglund, Bengt 138, 157 Hailer, Martin 14, 29, 45 Halder, Alois 243, 780 Harbsmeier, Götz 389 Hare, Richard M. 395

Ebeling, Gerhard 66, 244, 281, 341, 384, 386, 455, 458f., 484, 529f., 532, 683, 685f., 739 Eddelbüttel, Antje 370, 523 Eggensperger, Thomas 53 Eicher, Peter 34, 103, 123, 128, 132, 166, 333, 714 Eisler, Rudolf 50 Empedokles 250, 653 Enders, Markus 51, 72, 78, 121, 279, 328, 627f., 630, 634f., 637, 657f., 798f. Erasmus von Rotterdam 447 Euler, Walter Andreas 32, 556

874 Härle, Wilfried 29, 35–37, 73, 78–80, 108, 349–351, 408, 424, 586, 683, 756f., 765, 795, 805 Harleß, Adolf G.C. von 187, 512 Harris, Erol E. 670 Haugen, Joel 160, 374, 393, 738, 754 Heckmann, Heinz-Dieter 46, 59, 62–64, 277f., 496f. Heesch, Matthias 36 Hefner, Philip 146, 391, 739, 744 Hegel, Georg W.F. 14, 52, 64, 85, 89, 100, 102, 104, 107, 156, 158, 160, 163, 168, 173, 176, 187, 194, 209, 216–218, 223, 264– 267, 273–276, 314, 317f., 324–326, 330, 348, 357, 359, 370, 426, 451, 456, 459, 467f., 471, 479, 497, 499–501, 636, 645, 648, 652, 660, 668, 670, 680, 784 Heidegger, Martin 6, 37, 134, 242–244, 250f., 258f., 262, 266, 287, 289, 291, 296, 299, 303f., 384–386, 399, 465, 634, 780, 789 Heinrich, Richard 35, 152, 227, 318, 487, 636 Heitsch, Ernst 651 Heller, Michael 212, 740 Helm, Paul 398, 460 Heltzel, Peter 28, 373, 380, 810 Henke, Peter 451 Henrich, Dieter 160, 501 Hepburn, Ronald W. 395 Heraklit 250 Herms, Eilert 29, 36, 108, 155, 191, 329, 349, 354f., 460f., 555, 586, 773, 803 Herrmann, Eberhard 72f., 93, 377f. Herrmann, Wilhelm 186, 225, 330, 415 Hesse, Mary 9, 716 Hick, John 399, 424, 555, 559, 682f., 685, 750f. High, Dallas M. 398 Hinton, Rory A. A. 14, 28f., 362, 703, 732, 753 Höffe, Otfried 50, 82 Hoffmeister, Johannes 264 Højen, Peter 564, 606 Hollweg, Arnd 17, 21, 358f., 501

Autorenregister

Honnefelder, Ludger 73 Hoping, Helmut 33 Hübner, Hans 71 Huyssteen, J. Wentzel van 177, 378, 393f., 714, 771, 811 Janich, Peter 71f., 93, 118 Janowski, Hans N. 61, 115, 387, 395, 424– 427, 436, 446, 454–456, 694f., 698f., 712, 811 Jaspers, Karl 151, 159, 210, 266, 386, 559, 717 Jenson, Robert W. 177, 672 Joest, Wilfried 137, 174, 493, 505f. Jones, Hugh O. 373, 398 Jüngel, Eberhard 18, 21, 27, 35, 96, 103, 143, 145, 213, 244, 280f., 289, 361, 387, 434, 446, 450f., 481, 488, 492–494, 530– 532, 545, 609, 645, 716, 718, 730f., 761– 763, 801, 806–808 Just, Wolf-Dieter 398, 464 Kähler, Martin 179, 512 Kamlah, Wilhelm 5, 18, 45, 48, 59, 68, 74, 79, 130, 138, 146, 151f., 209f., 229, 350, 365f., 399, 401, 409, 416, 443, 505, 535, 588–591, 593f., 605, 633f. Kant, Immanuel 37, 45, 49f., 64, 71, 91f., 94f., 137, 155, 181, 194, 261, 325, 348, 353, 355, 357f., 362, 422, 437, 467f., 471, 485, 497, 499–501, 595, 610, 681, 687, 755f. Kasper, Walter 16, 35, 242, 282, 349, 441 Keil, Günther 349 Kendel, André 15, 294 Kern, Walter 16, 37, 61, 70, 75, 88f., 96, 107, 110, 124, 207, 213, 220, 227, 245, 289, 298, 317, 319f., 325, 340, 375, 397, 409, 415, 426, 435f., 506, 528, 568, 579, 583, 626, 630, 633, 644, 665, 680f., 684f., 705, 717, 728, 755, 766, 792 Kierkegaard, Sören 64, 209, 259, 314, 459, 504, 799, 804 Kirkham, Richard L. 48 Klein, Rebekka A. 15, 27, 29, 157, 162, 448– 450, 647

Autorenregister

Klimkeit, Hans-Joachim 283 Kobusch, Theo 52 Koch, Anton F. 367 Koch, Klaus 253, 281 Koch, Kurt 12, 15, 32, 140, 154, 162, 212 Koch, Traugott 43, 253, 312, 367 Köhler, Bärbel 36 Köhlmoos, Melanie 41 Kolmer, Petra 86 Köpf, Ulrich 740 Koslowski, Peter 201 Krämer, Hans 369 Kreiner, Armin 16, 36f., 49, 51, 55, 57, 63– 69, 75f., 78–81, 88, 90–93, 96, 109, 111f., 119, 135, 147f., 242, 276–278, 280–284, 286f., 290–292, 294, 354, 360, 367f., 376, 379, 393, 399f., 420f., 429, 432, 454f., 490, 493f., 496f., 503–507, 521, 531, 535, 564f., 567, 582–584, 587f., 593f., 603f., 607f., 610f., 617–619, 621, 626, 634f., 640–643, 646, 656, 662–664, 667f., 670, 682, 697, 751f., 756, 758, 760f., 764–769, 771, 774, 776, 789, 801–804, 806 Krijnen, Christian 354, 356 Krötke, Wolf 185 Kruhöffer, Bettina 387 Kugelmann, Lothar 423f., 451–453 Kuhn, Helmut 18, 389f. Kuhn, Thomas S. 694f. Kühn, Ulrich 602, 606 Kunath, Jochen 15, 526, 677, 704, 723 Küng, Hans 281, 433, 524f., 592 Künne, Wolfgang 66f. Kuntz, Paul G. 338f. Kunz, Erhard 792 Landmesser, Christof 9, 18, 35, 37, 40–43, 49, 55, 63, 72, 74, 77f., 80–83, 87, 89, 91f., 94, 96–98, 112, 129, 139, 186, 191, 280– 287, 289–292, 350f., 355, 388, 400f., 522– 525, 537, 548, 611f., 618f., 623f., 651, 669, 755, 765–768, 770, 774–776, 780, 789, 799, 803 Lange, Armin 15, 137, 282, 318, 415, 549, 645, 723, 762, 801 Laube, Martin 682

875 Lauster, Jörg 9, 196, 612 Lauth, Reinhard 129, 278f., 319 Lehmkühler, Karsten 608, 813 Leibniz, Gottfried W. 467f., 610 Leiner, Martin 5, 16, 73, 106f., 328, 342, 349–352, 394, 398f., 435, 448, 594f., 683, 730, 751, 753, 766, 770f., 801, 807 Lessing, Gotthold E. 156, 172 Leuze, Reinhard 312, 762f. Link, Christian 282 Lipsius, Richard A. 562 Lohse, Bernhard 138 Lohse, Eduard 232 Lonergan, Bernard 30, 101, 104 Lorenzen, Paul 209, 350, 588–591, 593f., 605 Loretz, Oswald 35, 100f., 281 Lortz, Joseph 130, 196, 199, 238, 783f. Lösel, Steffen 556f., 759f., 763 Löwith, Karl 316 Luhmann, Niklas 184, 189, 219, 226, 510f., 567–570, 575–578, 580, 597, 700 Luther, Martin 55, 64, 69, 79, 130, 136–139, 162, 328, 332f., 399, 409, 435, 447, 456, 543, 593f., 661, 734, 766 Luther, Wilhelm 358 Lütterfelds, Wilhelm 382 Lyotard, Jean-François 176 Mackie, John L. 48, 59, 63, 360, 756 Mæland, Bård 30 Manzke, Karl H. 29f. Marquard, Odo 131, 136, 171f. Marshall, Bruce D. 350, 407 Mattes, Mark C. 378 McGrath, Alister E. 156, 243, 368, 666, 708, 735, 756f. McKenzie, David 12, 14, 32, 105, 275, 301f., 473, 489–491, 658, 701, 761, 763, 797 Melanchthon, Philipp 139 Michalson, Gordon E. 144 Michel, Diethelm 287f., 290–292 Michel, Karl M. 274 Micskey, Koloman N. 101, 130, 132, 683, 805f.

876 Miklas, Hermann 285 Mildenberger, Friedrich 278 Moldenhauer, Eva 274 Möller, Joseph 242, 244 Molnar, Paul D. 32, 702, 754 Moltmann, Jürgen 15, 33, 441 Mostert, Christiaan 5, 15, 19, 29, 31, 34, 127, 132, 145, 157, 172, 299, 303, 451, 485, 555, 647, 787, 796 Moxter, Michael 131 Mühlenberg, Ekkehard 312, 693 Müller, Fernando S. 53, 119, 129, 214 Müller, Gerhard L. 23, 27f., 227, 793 Müller, Hans-Peter 44 Müller, Julius 772 Müller, Klaus 72 Müller-Schwefe, Hans-Rudolf 37 Mulligan, Kevin 360 Musgrave, Alan 67 Neill, Stephen Ch. 554 Neuhaus, Richard J. 12, 32f., 228, 232, 330 Neuner, Peter 415 Neurath, Otto 95, 615f., 618, 632, 663 Nikolaus von Kues 130, 138, 152, 260f., 271, 330, 364, 375, 423, 430f., 447, 462– 472, 485–487, 546, 655 Nietzsche, Friedrich 35, 53, 63, 100, 176, 258, 525, 762, 798f. Nnamdi, Reginald N. 30, 101f., 127, 170f., 246f., 282, 423, 633 Nüssel, Friederike 29 Oelmüller, Willi 60, 203, 254, 300, 318, 417, 429, 439f., 491f., 516, 555f., 558f., 561, 782 Olive, Don H. 12f., 25, 34, 146, 160, 167, 609, 737 Oorschot, Jürgen van 292 Orji, Cyril 30, 101, 104 Overbeck, Franz-Josef 101, 274 Page, James S. 378f., 401 Papst Johannes Paul II. 666, 706, 736 Parmenides 51, 249–251, 299, 324, 335, 413, 534, 626, 629, 650–654

Autorenregister

Pasquariello, Ronald D. 107, 485 Passmore, John A. 393 Paulus 193, 200, 288, 331, 414f., 442, 453f., 561, 723 Pausch, Eberhard M. 37, 39f., 59, 61, 87f., 104, 245, 349, 352, 519, 522, 537, 565f., 610, 789, 806, 813 Peacocke, Arthur R. 375 Perler, Dominik 49 Peters, Ted 12–14, 22, 24–27, 29, 156, 172, 177, 218f., 299, 327, 672 Petzoldt, Matthias 147f., 281, 530–532, 635 Peukert, Helmut 35, 398 Pfleiderer, Otto 562 Pfüller, Wolfgang 762 Placher, William C. 16f. Platon 21, 173, 249–251, 257–259, 304, 324, 532, 534, 549, 564, 650f., 653–656, 681, 798f. Plotin 298, 303, 534, 645, 653, 657f. Polak, Regina 72, 283, 285, 288, 800 Polk, David P. 125, 127, 131, 136, 140–142, 159, 174f., 185, 282, 317, 451, 659f. Polkinghorne, John C. 146, 733, 735 Popper, Karl R. 18, 66, 69, 103, 368, 379, 420–424, 429, 439, 452, 454f., 463f., 479, 483, 537, 682, 695, 714, 764f. Porzig, Walter 288 Pottmeyer, Hermann J. 415 Preul, Reiner 35–37, 73, 350f., 408, 795 Puntel, Lorenz B. 36, 40, 43f., 47–49, 52, 55, 57, 59, 76, 79–84, 86–89, 91–95, 97f., 102, 104, 129, 168, 273, 275, 282f., 286f., 289f., 353f., 356f., 359–363, 385, 391, 436, 472, 502, 530, 532–535, 565–567, 582–585, 588, 591, 609, 611–615, 618f., 630f., 633, 648, 656, 660, 664, 666f., 669– 671, 673, 676–678, 689, 770, 799 Putnam, Hilary 93, 377f., 381, 496f., 525, 758 Quell, Gottfried 107, 244, 246, 258, 299, 344, 564, 719, 726, 815, 830 Rachel, Thomas

18

Autorenregister

Rahner, Karl 12, 18, 31, 78, 88, 103–105, 128, 163, 178, 212, 232, 273, 278, 433, 634f., 639f., 787, 792 Ramsey, Ian T. 398 Regenbogen, Arnim 448 Rendtorff, Rolf 100 Rendtorff, Trutz 100, 182 Rescher, Nicholas 59, 96, 102, 104, 167, 351f., 363, 438f., 610–615, 617–624, 626f., 630–633, 646, 656, 664–671, 673, 677f., 690, 704, 709, 719, 729, 731, 757, 765, 767f., 774–777, 811 Rhem, Richard A. 144, 156, 647, 672f., 742 Rice, Richard 15, 30, 727f., 743 Rieger, Hans-Martin 27, 389, 393, 426, 436, 612, 700 Ringleben, Joachim 29, 103, 746f. Ritschl, Dietrich 373 Robinson, James M. 12 Rohls, Jan 28, 50, 86, 94, 378, 381, 503f., 647, 651, 798f. Rorty, Richard 53, 56, 176, 206f., 217, 373, 799, 810 Rudolph, Enno 487 Ruh, Ulrich 19, 32, 254, 459, 736, 747, 770 Russell, Bertrand 503, 755f. Russell, John M. 407, 701, 752 Russell, Robert J. 18, 146, 229, 375 Rust, Alois 78, 88, 90, 92f., 502, 537, 616, 664, 764 Salaquarda, Jörg 564 Sánchez de Murillo, José 15, 440, 447 Sauter, Gerhard 61, 104, 110, 115, 130, 154, 167–169, 317, 349, 353, 356, 361, 363, 387, 389, 395, 421, 424–428, 430, 436– 439, 446–449, 454–456, 462, 565, 579, 588, 590–593, 610f., 613, 625, 665f., 671f., 677, 694f., 698f., 704, 712, 721, 811 Schaeffler, Richard 242 Schäfer, Rainer 176, 275 Schantz, Richard 37, 46–48, 93, 119, 368, 502, 537f. Scharf, Kurt 135 Scharr, Peter 282, 566, 606 Schelling, Friedrich W.J. 156, 317, 357, 469

877 Schelz, Sepp 281 Schleiermacher, Friedrich D.E. 156, 181, 187, 223, 227, 400, 469, 471, 512, 561, 681, 688, 713 Schlick, Moritz 95, 439, 615, 756 Schlink, Edmund 22, 404, 407, 424, 427, 602 Schmalenberg, Erich 479 Schmidt-Leukel, Perry 556f. Schmitt, Frederick F. 47, 614 Schnackenburg, Rudolf 284 Schneider, Erwin E. 281, 544 Schneider-Flume, Gunda 447 Schockenhoff, Eberhard 283 Scholz, Heinrich 174, 389–392, 429f., 646, 665, 682, 714, 728 Schröder, Richard 53 Schröter, Jens 370, 523 Schröter, Manfred 357 Schulz, Heiko 36f., 56f., 73, 90, 105, 138f., 162, 170, 268, 295, 349–352, 521–523, 529, 584f., 616, 746, 813 Schulz, Michael 102, 451, 478–480 Schüßler, Ingeborg 628f., 657 Schwager, Raymund 31, 36, 552, 556 Schwarz, Ludwig 285 Schwöbel, Christoph 5, 13–15, 23, 29, 349, 351f., 359, 367, 432, 521f., 530–532, 558, 564f., 585, 594, 607f., 616, 635, 646, 708, 717f., 733, 756f., 763, 793, 801f. Scuto, Giuseppe 650 Searle, John 388, 392, 394 Seckler, Max 35, 415 Seebaß, Gottfried 388, 392 Seifert, Josef 50, 536 Senner, Walter 59, 629 Shipway, Brad 380 Shults, F. LeRon 16f., 30, 108f., 127, 216, 394, 528, 554, 625, 662, 704, 708, 719, 811–813 Simon, Josef 275 Simons, Herbert W. 214 Simons, Peter 360 Skirbekk, Gunnar 350 Sloterdijk, Peter 800

878 Smith, Barry 360 Smith, Wilfred C. 557 Soden, Hans von 100, 103, 245, 247f., 252– 254, 280–283, 287, 290f., 297, 300, 312, 317, 335, 530, 532, 744 Sokal, Alan 53, 810 Soskice, Janet M. 380f. Spaemann, Robert 506, 779 Spener, Philipp J. 186 Springhorn, Heinrich 30f., 104f., 128, 136, 212, 278, 639f., 792 Staikos, Michael 285 Stead, Christopher 213 Steiger, Lothar 137, 141f., 157, 176 Steuben, Hans von 651f. Stewart, Jacqui A. 13, 15, 31, 106, 173, 217, 360, 388, 586, 608, 714f., 735, 738, 754, 794 Stoellger, Philipp 35–37, 56f., 73f., 85f., 90, 98, 128f., 176, 282, 348f., 417, 526– 529, 532, 651, 794, 808 Stoevesandt, Hinrich 795 Szaif, Jan 48, 50, 72, 84, 121, 279, 328, 503, 534, 650–652, 654, 798 Tarski, Alfred 75, 86, 94, 350, 394, 422, 616 Theunissen, Michael 34, 56 Tholuck, Friedrich A.G. 187, 511f. Thomas, Madathilparampil M. 48, 51, 237, 357, 470, 534, 627–629, 717 Thomas von Aquin 37, 52, 59, 78, 88, 357, 399, 415, 626f., 629, 650, 653 Thönissen, Wolfgang 72 Tietz, Christiane 9f., 805 Tillich, Paul 160, 179, 515, 682f., 727 Tipler, Frank 146, 160, 372, 744 Tourpe, Emmanuel 653 Track, Joachim 104, 564 Trillhaas, Wolfgang 50 Troeltsch, Ernst 129, 157, 217, 441, 452, 556f., 742 Tugendhat, Ernst 277, 504 Tupper, E. Frank 155, 282, 304, 447, 487, 676 Türk, Hans G. 424 Türk, Hans J. 129, 217, 800

Autorenregister

Valla, Lorenzo 538f. Vasel, Stephan 25, 28, 492, 549, 742, 753, 811 Vattimo, Gianni 53 Vechtel, Klaus 102, 107, 158, 358, 360, 451f., 479, 481, 501 Viladesau, Richard 33, 108 Voegelin, Eric 519 Vogel, Heinrich 81, 114, 134f., 482 Waap, Thorsten 15, 128, 226, 476f. Wagner, Falk 364, 498, 500, 682 Wagner, Hans 408 Waldenfels, Hans 254, 318, 561, 782 Walker, Ralph C.S. 368, 376f., 670 Walsh, Brian 528 Warin, Pierre 14, 185 Warnock, Geoffrey J. 400 Weischedel, Wilhelm 95, 507, 564 Welte, Bernhard 241f., 319, 524 Wenz, Gunther 9, 20, 31f., 160, 163, 387, 425, 440, 548, 680, 682, 706, 715, 759 Werbick, Jürgen 62–64, 114, 708, 770f. White, Harvey W. 125, 162, 439, 464, 483, 702 Wicken, Jeffrey S. 146, 709, 744 Wießner, Gernot 36 Wilckens, Ulrich 100, 258 Wildberger, Hans 281 Wilken, Robert L. 125, 144, 709f. Willi, Hans-Peter 28, 37, 646, 648, 758, 772f. Wingert, Lutz 381 Wittgenstein, Ludwig 67, 85, 118f., 363, 381, 385, 399, 425, 439, 616 Worthing, Mark W. 27, 178, 389, 429, 695, 761, 792, 796 Wriedt, Markus 41 Xenophanes 250 Xenophon 249, 650 Zabala, Santiago 53 Zechmeister, Martha 525 Zima, Peter V. 173, 176