Vorvertragliche Anzeigepflicht bei der D&O-Versicherung der Aktiengesellschaft [1 ed.] 9783428533435, 9783428133437

Die Relevanz der D&O-Versicherung hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Moritz Rudzio beleuchtet zunächst ihre

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Vorvertragliche Anzeigepflicht bei der D&O-Versicherung der Aktiengesellschaft [1 ed.]
 9783428533435, 9783428133437

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 42

Vorvertragliche Anzeigepflicht bei der D&O-Versicherung der Aktiengesellschaft Von

Moritz Rudzio

Duncker & Humblot · Berlin

MORITZ R UDZIO

Vorvertragliche A nzeigepflicht bei der D&O-Versicherung der Aktiengesellschaft

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 42

Vorvertragliche Anzeigepflicht bei der D&O-Versicherung der Aktiengesellschaft Von

Moritz Rudzio

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Konstanz hat diese Arbeit im Jahre 2009 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Process Media Consult GmbH, Darmstadt Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-13343-7 (Print) ISBN 978-3-428-53343-5 (E-Book) ISBN 978-3-428-83343-6 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

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Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Konstanz im Wintersemester 2009/2010 als Dissertation angenommen. Die mündliche Prüfung fand am 27. Januar 2010 statt. Für die Veröffentlichung sind Rechtsprechung und Literatur soweit möglich bis Ende Mai 2010 berücksichtigt worden. Danken möchte ich in erster Linie meinem akademischen Lehrer, Herrn Professor Dr. Jens Koch. Er hat nicht nur umgehend das Erstgutachten erstellt, sondern die Arbeit umfassend gefördert und äußerst verständnisvoll betreut. Insbesondere durfte ich als Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl eine überaus lehrreiche und prägende Zeit erfahren, während der ich stets eine sehr angenehme Arbeitsatmosphäre vorfand. Herrn Professor Dr. Matthias Armgardt danke ich für die Übernahme und zügige Erstellung des Zweitgutachtens, Herrn Rafael Harnos für viele anregende Diskussionen und die kritische Durchsicht der Arbeit. Frau Rosemarie Schmied, mein Vater und meine Schwester haben mich während des Studiums, bei der Anfertigung sowie bei der Veröffentlichung der Dissertation auf vielfältige Weise unterstützt. Dafür gilt auch ihnen mein ganz herzlicher Dank. Gewidmet ist die Arbeit meiner Mutter. . Konstanz, im Juni 2010

Moritz Rudzio

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Inhaltsverzeichnis Erster Teil Einführung

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Zweiter Teil Entwicklung der D&O-Versicherung

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§ 1 Haftungsrisiken für Organwalter der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 I. Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 1. Relevanz der Innenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2. Haftung der Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 a) Voraussetzungen des § 93 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 b) Keine Anwendung der Grundsätze der eingeschränkten Arbeitnehmerhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 c) Anspruchsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 3. Haftung der Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 a) Sinngemäße Anwendung des § 93 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 b) Urteil „ARAG/Garmenbeck“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 c) Anspruchsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 II. Außenhaftung gegenüber Aktionären und außenstehenden Dritten . . . . . . . . . . . 29 1. Haftung der Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 a) Gegenüber Aktionären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 b) Gegenüber außenstehenden Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2. Haftung der Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 § 2 Entwicklung der Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 I. Entwicklung in den Vereinigten Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 II. Entwicklung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1. Anfängliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

8

Inhaltsverzeichnis 2. „ARAG/Garmenbeck“-Urteil und KonTraG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3. Weiterentwicklung der D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 4. D&O-Versicherung als Standardprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Dritter Teil Grundlagen der D&O-Versicherung

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§ 3 Rechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 I. Haftpflichtversicherung für fremde Rechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 II. Rechte aus dem Versicherungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 III. Abschluss im überwiegenden Gesellschaftsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 § 4 Ausgestaltung der Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 I. Zeitlicher Umfang der Versicherungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 II. Grenzen des Versicherungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 § 5 Aktienrechtliche Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 I. Selbstbehaltspflicht bei der D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 1. Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 2. Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 II. Kompetenz des Vorstands zum Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 III. Pflicht zum Versicherungsabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Vierter Teil Vorvertragliche Anzeigepflicht

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§ 6 Gesetzliche Regelung der Anzeigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 I. Anzeigeobliegenheit des § 19 Abs. 1 VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 II. Überblick über die Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtverletzung . . . . . . . . . . . . 66 III. Versicherungsnehmer als Adressat der Anzeigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 1. Keine Adressatenstellung der Versicherten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2. Keine Adressatenstellung von Vertretern und Organwaltern . . . . . . . . . . . . . 71

Inhaltsverzeichnis

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§ 7 Risikoprüfung des Versicherers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 I. Rechtliche Aspekte der Fragenformulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 1. Fragestellung als Obliegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2. Eindeutige Formulierung in Textform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 3. Abfrage von Umstandswissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 II. Risikoprüfungsobliegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 1. Anforderungen an den Versicherer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2. Arglistige Täuschung des Versicherungsnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 III. Auswirkungen des Vertragsschlussverfahrens auf die Risikoprüfung . . . . . . . . . 81 1. Antragsmodell als gesetzliches Leitbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 a) Weitgehender Wegfall des Policenmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 b) D&O-Versicherung als Großrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 c) Erfüllung der Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 d) Risikoprüfung nach dem Antragsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 2. Ignorieren der gesetzlichen Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 3. Verzichtslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 4. Bedingtes Antragsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 5. Invitatiomodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 a) Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 b) Widerrufsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 c) Abweichendes Angebot des Versicherers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 d) Annahme des Versicherungsnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 e) Risikoprüfung nach dem Invitatiomodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 § 8 Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 I. Vom Verschuldensgrad abhängiges Rechtsfolgensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 1. Kündigungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 2. Rücktrittsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 3. Gestaltungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 a) Ausübungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

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Inhaltsverzeichnis b) Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 4. Ausschluss der Gestaltungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 a) Ausschlussfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 b) Belehrungserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 c) Vorrang der Vertragsanpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 5. Kausalitätsgegenbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 II. Anfechtung wegen arglistiger Täuschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 1. Voraussetzungen des Anfechtungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 2. Arglistiges Verschweigen nicht (formgemäß) erfragter Umstände . . . . . . . . 133 III. Kritik an der Neuregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 Fünfter Teil Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung

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§ 9 Anzeigepflichtverletzung der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 I. Kenntnis iSd § 19 VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 II. Kenntnis der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 1. Eigene Kenntnis der juristischen Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 2. Wissenszurechnung nach § 20 VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 3. Wissenszurechnung nach § 47 VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 4. Repräsentanten, Wissenserklärungs- und Wissensvertreter . . . . . . . . . . . . . . 154 a) Repräsentant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 b) Wissenserklärungsvertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 c) Wissensvertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 III. Verschulden der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 IV. Sonderfall der arglistigen Täuschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 § 10 Rechtsfolgen der ausgeübten Gestaltungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 I. Gesamtwirkung gegenüber Versicherungsnehmer und Versicherten . . . . . . . . . . 162 II. Auswirkungen einer Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung . . . . 164 1. Schuldlose und einfach fahrlässige Anzeigepflichtverletzung . . . . . . . . . . . 164

Inhaltsverzeichnis

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2. Grob fahrlässige und vorsätzliche Anzeigepflichtverletzung . . . . . . . . . . . . 165 3. Arglistige Anzeigepflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 III. Zentrale Problemlage bei der D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 § 11 Einschränkungen der Zurechnung und der Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 I. Gesetzliche Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 1. Rechtsfolgenbegrenzung durch die Reform des Versicherungsvertragsrechts 169 2. § 21 Abs. 2 VVG keine abschließende Problemlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 3. Keine Rechtsfolgenbegrenzung durch § 123 Abs. 1 VVG . . . . . . . . . . . . . . 173 4. Keine Rechtsfolgenbegrenzung durch § 29 VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 5. Keine Rechtsfolgenbegrenzung durch § 123 Abs. 2 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . 175 6. Keine Rechtsfolgenbegrenzung durch § 139 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 7. Keine Rechtsfolgenbegrenzung durch den Grundsatz vom betroffenen versicherten Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 8. Regelmäßig keine Rechtsfolgenbegrenzung durch § 242 BGB . . . . . . . . . . . 179 9. Keine Deckungsansprüche der Versicherten aus culpa in contrahendo . . . . . 180 10. Keine Zurechnungseinschränkung durch teleologische Reduktion des § 47 VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 II. Vertragliche Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 1. Ausschluss des Anfechtungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 2. Ausschluss des Rücktrittsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 3. Severability-Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 a) „Comroad-Urteil“ des OLG Düsseldorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 b) Reaktionen auf die Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 d) Qualifizierte Severability-Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 4. Einschränkung der Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 a) Keine konkludente Modifikation der Zurechnungsregeln durch die Besonderheiten der D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 b) Vertraglich vereinbarte Adressatenstellung der Versicherten . . . . . . . . . . 195 aa) Vereinbarung in den Bedingungen des Versicherungsvertrags . . . . . . 195 bb) Kein Vertrag zu Lasten eines Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199

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Inhaltsverzeichnis cc) Verstoß gegen § 32 VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 (1) Benachteiligung des Versicherungsnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 (2) Benachteiligung der Versicherten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 dd) Kein konkludentes Abbedingen des § 47 VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 ee) Formularmäßige Vereinbarung der Adressatenstellung . . . . . . . . . . . 208 c) Ausgestaltung der Zurechnungseinschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 Sechster Teil Untersuchungsergebnisse

217

I. Entwicklung der D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 II. Grundlagen der D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 III. Vorvertragliche Anzeigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 IV. Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

Abkürzungsverzeichnis aA aaO ABl Abs. AcP aF AG AGB AHB AktG Anl. Anm. AnwBl AO AP Art. Aufl. ausf. AVB AWR BAG BAGE BB Bd. Bearb. BeckRS Begr. BFM BGB BGBl. I BGH BGHSt BGHZ BR-Drucks. BT-Drucks. bzw. CCZ DACH DAJV-NL DB DCGK

anderer Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) alte(r) Fassung Aktiengesellschaft; Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Allgemeine Geschäftsbedingungen Allgemeine Bedingungen für die Haftpflichtversicherung Aktiengesetz Anlage Anmerkung Anwaltsblatt (Zeitschrift) Abgabenordnung Arbeitsrechtliche Praxis (Zeitschrift) Artikel Auflage ausführlich(e) Allgemeine Versicherungsbedingungen Anwaltspraxis Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Betriebs-Berater (Zeitschrift) Band Bearbeiter Beck-Rechtsprechung (Online-Sammlung) Begründer Bundesfinanzministerium Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Teil I Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Drucksache des Deutschen Bundesrates Drucksache des Deutschen Bundestages beziehungsweise Corporate-Compliance-Zeitschrift Europäische Anwaltsvereinigung DACH e.V. Newsletter der Deutsch-Amerikanischen Juristen-Vereinigung e.V. Der Betrieb (Zeitschrift) Deutscher Corporate Governance Kodex

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ders. dies. DM DNotZ D&O DRiZ DStR DZWiR EGVVG Einf. et al. e.V. EWiR f. ff. FM Fn. FS GDV GfK GmbH GmbH & Co. KG GmbHR grds. Halbbd. HGB Hrsg. insb. InsO iSd iVm JZ Kap. KG KonTraG LG lit. LMK m. MDR Mio. m.Nachw. MoMiG m.v.w.Nachw. m.w.Nachw. Nachw.

Abkürzungsverzeichnis derselbe dieselbe, dieselben Deutsche Mark Deutsche Notar-Zeitschrift Directors & Officers (-Versicherung) Deutsche Richterzeitung Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht Einführungsgesetz zum Versicherungsvertragsgesetz Einführung et alii (und andere) eingetragener Verein Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) und folgende (Seite) und folgende (Seiten) Finanzministerium(s) Fußnote Festschrift Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. Gesellschaft für Konsumforschung Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Compagnie Kommanditgesellschaft GmbH-Rundschau grundsätzlich Halbband Handelsgesetzbuch Herausgeber insbesondere Insolvenzordnung im Sinne des/der in Verbindung mit Juristenzeitung Kapitel Kammergericht Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich Landgericht litera/Buchstabe Lindenmaier-Möhring Kommentierte BGH-Rechtsprechung (Zeitschrift) mit Monatsschrift für deutsches Recht (Zeitschrift) Millionen mit Nachweisen Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen mit vielen weiteren Nachweisen mit weiteren Nachweisen Nachweise(n)

Abkürzungsverzeichnis 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

NJOZ NJW NJW-RR Nr. NVersZ NZA NZA-RR NZG OLG PHi RdA RegE RGBl. I RGSt RGZ Rn. r+s s. S. sog. StGB SVR SZ TransPuG u. u. a. UMAG US USA v. VAG VersR vgl. VorstAG VP VRR VuR VVG VVG-InfoV VW w. WiWo WM WuB ZAP

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Neue Juristische Online-Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Nummer Neue Zeitschrift für Versicherung und Recht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht NZA-Rechtsprechungs-Report Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Oberlandesgericht Haftpflicht international / Recht & Versicherung (Zeitschrift) Recht der Arbeit (Zeitschrift) Regierungsentwurf Reichsgesetzblatt Teil I Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Randnummer/Anmerkung Recht und Schaden (Zeitschrift) siehe Satz/Seite sogenannte(r/n) Strafgesetzbuch Straßenverkehrsrecht (Zeitschrift) Süddeutsche Zeitung Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz) und unter anderem Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten von Amerika viele(n)/van/von Versicherungsaufsichtsgesetz Versicherungsrecht (Zeitschrift) vergleiche Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung Die Versicherungspraxis (Zeitschrift) Verkehrsrechtliche Rundschau (Zeitschrift) Verbraucher und Recht (Zeitschrift) Versicherungsvertragsgesetz Verordnung über Informationspflichten bei Versicherungsverträgen (VVGInformationspflichtenverordnung) Versicherungswirtschaft (Zeitschrift); Volkswagen weitere(n) WirtschaftsWoche (Zeitschrift) Wertpapiermitteilungen, Zeitschrift für Wirtschaft und Bankrecht Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht Zeitschrift für die Anwaltspraxis

16 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

zB zfs ZfV ZGR ZHR Ziff. ZIP ZRP zT ZVersWiss

Abkürzungsverzeichnis zum Beispiel Zeitschrift für Schadensrecht Zeitschrift für Versicherungswesen Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Rechtspolitik zum Teil Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

Erster Teil

Einführung Die Managerhaftung ist aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht;1 Organwalter müssen mehr denn je damit rechnen, persönlich in Anspruch genommen zu werden.2 Da die Verantwortlichkeit für Schäden existenzgefährdende Ausmaße annehmen kann,3 ist Versicherungsschutz ein zentrales Anliegen. Diesem entspricht die D&O-Versicherung („Directors and Officers Liability Insurance“),4 eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung, die von der Gesellschaft für ihre Führungskräfte abgeschlossen wird. Ihre praktische Relevanz hat in den letzten Jahren durch dynamische Entwicklungen in der Wirtschaft, in der öffentlichen Wahrnehmung des Managerhandelns und in den rechtlichen Rahmenbedingungen der Verantwortlichkeit der Organwalter stark zugenommen. Die Versicherung gilt mittlerweile in Großunternehmen als Standardprodukt und ist auch in mittelgroßen und kleinen Gesellschaften gefragt.5 Angesichts dieser Entwicklung hat auch die Diskussion über das Versicherungsprodukt „D&O“ ihren Weg aus der Fachliteratur in die breite Öffentlichkeit gefunden. Regelmäßig neue Meldungen über Wirtschaftsskandale, Unternehmenskrisen und Arbeitnehmerentlassungen auf der einen Seite sowie über die „Maßlosigkeit“ bestimmter Führungskräfte auf der anderen Seite haben dafür gesorgt, dass kritische Schlagworte wie das der „Vollkasko-Mentalität“ in aller Munde sind. Die Berichterstattung über Ersatzforderungen gegen Organmitglieder lässt den Aspekt der scheinbar grenzenlosen Versicherungsdeckung kaum mehr außer Betracht.6 Die gewachsene Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit sowie die erhebliche Bedeutung der D&O1

So Schimmer, Managerhaftung, 25. Tagung der DACH, S. 23, 24. Habersack, FS Ulmer, S. 151. 3 Vgl. etwa Ehlers, VersR 2008, 1173. 4 Die übliche Kurzform „D&O-Versicherung“ entspringt dem angelsächsischen Rechtsraum, in dem das Single-Board-System vorherrscht. Die Mitglieder des Boards („Directors“) setzen sich aus dem „Topmanagement“ und externen Personen, die in etwa die Funktion deutscher Aufsichtsräte wahrnehmen, zusammen. Die übrigen Führungspersonen werden als „Officers“ bezeichnet. Vgl. dazu Schaaff, PHi 2001, 176. 5 Dreher, AG 2008, 429; Ulmer, ZHR 171 (2007), 119, 120. 6 Vgl. Hendricks, CCZ 2008, 64. Infolge der im Juli 2005 bekannt gewordenen Volkswagen-Affäre, in der Betriebsratsmitglieder u. a. mit Dienstleistungen von Prostituierten bestochen wurden, bezeichneten manche Medien die für den ehemaligen Personalvorstand Peter Hartz eintretende Versicherung spöttisch sogar als „Puff-Police“, vgl. etwa Özgenc, FOCUS vom 10. 7. 2006 (Nr. 28), S. 38 f. 2

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1. Teil: Einführung

Versicherung für die Organwalter rechtfertigen es, sie aus wissenschaftlicher Perspektive eingehend zu beleuchten. Der juristische Diskurs ist mit zahlreichen Aufsätzen und mehreren Monographien7 in Gang gekommen, kann aber noch lange nicht als bewältigt bezeichnet werden. Ziel der Arbeit ist es, einen Teil zur Aufklärung der offenen Fragen beizutragen. Um dieser Aufgabe mit dem notwendigen Tiefgang gerecht zu werden, kann keine Gesamtbetrachtung des Versicherungsprodukts mit all seinen Rechtsproblemen erfolgen, vielmehr musste bei der Themenfindung eine einschränkende Auswahl getroffen werden. Sie fiel zugunsten der vorvertraglichen Anzeigepflicht aus. Die in §§ 19 ff. VVG geregelte Obliegenheit zur Anzeige gefahrerheblicher Umstände soll dem Versicherer ermöglichen, das zu versichernde Risiko vor Vertragsschluss zuverlässig zu beurteilen. Die Risikoprüfung entscheidet darüber, zu welchen Bedingungen, insbesondere zu welcher Prämie, der Versicherungsvertrag zustande kommt. Sie ist bei der D&O-Versicherung, in erster Linie aufgrund deren komplexer Struktur, im Vergleich zu anderen Schadensversicherungen deutlich erschwert,8 weshalb auch der Anzeigepflicht und den Rechtsfolgen ihrer Verletzung eine besondere Bedeutung zukommt. Der praktischen Relevanz der Versicherung bei der Aktiengesellschaft ist es geschuldet, dass sich die Betrachtung der Rechtslage auf diese Unternehmensform beschränkt. Dennoch können die Ergebnisse überwiegend auf sämtliche körperschaftlich strukturierten Vereinigungen übertragen werden. Im Rahmen der vorvertraglichen Anzeigepflicht verdient „ein bislang ungelöstes, praktisch kaum zu überschätzendes Problem der D&O-Versicherung“ vertiefte Aufmerksamkeit.9 Im Kern geht es darum, welche Rechtsfolgen sich aus einer Anzeigepflichtverletzung für die Aktiengesellschaft als Versicherungsnehmerin, vor allem aber für die versicherten Organwalter ergeben. Da die gesetzliche Regelung so weitreichend zu sein scheint, dass sogar im Raum steht, die Funktion der Versicherung sei gefährdet, ist im Interesse der Beteiligten nach Einschränkungen zu suchen. Neben ihrer praktischen Relevanz erweist sich die vorvertragliche Anzeigepflicht aus einem weiteren Grund als reizvolles Thema: der umfassenden Reform des Versicherungsvertragsrechts, mit der es in einem mehr als siebenjährigen Verfahren den rechtstatsächlichen Entwicklungen angepasst wurde.10 Auf Grundlage des von 7 Vgl. Ferck, Selbstbehalt in der D&O-Versicherung; Ihlas, D&O; Limmer, D&O-Versicherungen in Deutschland; Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung; Olbrich, Die D&O-Versicherung; Osswald, D&O-Versicherung beim Unternehmenskauf; Pammler, Gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung; Schmitt, Organhaftung und D&OVersicherung. 8 Langheid/Goergen, VP 2007, 161. 9 So Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 62. Vgl. auch Dreher, AG 2008, 429, 437: „das … noch nicht voll bewältigte versicherungsrechtliche Hauptproblem der D&O-Versicherung“; Langheid/Grote, VersR 2005, 1165: eines der „kompliziertesten Probleme, die gegenwärtig im Zusammenhang mit der D&O-Versicherung diskutiert werden“. 10 RegE, BT-Drucks. 16/3945, S. 1, 47; näher dazu Meixner/Steinbeck, Das neue Versicherungsvertragsrecht, Einleitung Rn. 2 f.; v. Bühren, ZAP 2007, Fach 10, S. 307.

1. Teil: Einführung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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einer im Jahr 2000 eingesetzten Expertenkommission11 erarbeiteten Abschlussberichts, der im April 2004 vorgestellt wurde und einen vollständig ausformulierten und begründeten Vorschlag enthielt,12 setzte sich das Gesetzgebungsverfahren zur Neufassung des Versicherungsvertragsrechts in Gang.13 Schließlich trat nach fast einhundertjähriger Geltungsdauer zentraler Passagen des bisherigen Gesetzes14 am 1. Januar 2008 mit dem „Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts“15 ein grundlegend reformiertes VVG in Kraft. Gerade im Bereich der vorvertraglichen Anzeigepflicht als „Kern der Neuregelung“ kam es zu einschneidenden Änderungen,16 deren Auswirkungen auf die D&O-Versicherung einer eingehenden Analyse bedürfen. Die entsprechenden Regelungen wurden nicht nur modifiziert, sondern enthalten ein von Grund auf neues System.17 Ziel der Umgestaltung war es, einen bis dahin „äußerst komplizierten Bereich“18 verständlich zu machen.19 Verbreitet heißt es aber, auch die neuen Regelungen seien entgegen der Intention des Reformgesetzgebers sehr kompliziert und unübersichtlich geworden.20 Die Arbeit zielt daher auch darauf ab, die entsprechenden Vorschriften anschaulich darzustellen sowie die mit der Neuregelung einhergehenden Probleme einer überzeugenden Lösung zuzuführen. Um die vorvertragliche Anzeigepflicht bei der D&O-Versicherung der Aktiengesellschaft umfassend erörtern zu können, ist es zunächst erforderlich, die Grundlagen der Versicherung herauszuarbeiten. In einem ersten Schritt ist zu fragen, weshalb es eines solchen Produkts bedarf. Die Antwort ergibt sich durch einen Blick auf die Haftungsrisiken der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder. Da die Risiken in besonderem Maße im Innenverhältnis zur Gesellschaft begründet sind, liegt der Versicherungsschutz nicht nur im eigenen Interesse der Organmitglieder, sondern vornehm11 Eingehend zur Einsetzung und den Arbeiten der Kommission Bruck/Möller/NiederACHTUNGREleithinger, Einf. E Rn. 8 ff. Zur personellen Zusammensetzung s. Lorenz (Hrsg.), Abschlussbericht der Kommission, S. 427 ff. 12 Lorenz (Hrsg.), Abschlussbericht der Kommission. 13 Vgl. dazu den Regierungsentwurf vom 11. 10. 2006, BT-Drucks. 16/3945 sowie die Beschlussempfehlung und den Bericht des Rechtsausschusses vom 28. 6. 2007, BT-Drucks. 16/ 5862. 14 Das ursprüngliche VVG wurde am 30. 5. 1908 verabschiedet und trat am 1. 1. 1910 in Kraft, RGBl. I, S. 263. 15 Vom 23. 11. 2007, BGBl. I, S. 2631. Zur Notwendigkeit der Reform statt vieler Römer, Renaissance der Rechtspolitik, S. 91 ff. 16 Statt vieler Langheid, NJW 2006, 3317, 3318: Dieser Bereich habe „… eine derart grundlegende Neuregelung erfahren, dass die Praxis zu einem völligen Umdenken gezwungen sein wird.“ 17 Neuhaus, r+s 2008, 45. 18 Exemplarisch Dreher, JZ 1992, 926, 928. 19 RegE, BT-Drucks. 16/3945, S. 49. 20 Vgl. Neuhaus, r+s 2008, 45: Ein wortgleicher Abdruck in AVB sei als intransparent iSd § 307 Abs. 1 S. 2 BGB anzusehen; Rixecker, zfs 2007, 369: Die Anwendung der Regelungen verlange „eine gewisse Artistik“; ferner Grote/Schneider, BB 2007, 2689, 2692; Lange, r+s 2008, 56, 57; Langheid, NJW 2006, 3317, 3318; Reusch, VersR 2007, 1313, 1322. Nach Römer, VersR 2006, 740, 744 ist die Komplexität Preis einer ausgewogenen Regelung.

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1. Teil: Einführung

lich in dem der Gesellschaft (§ 1). Die Entwicklung der D&O-Versicherung in Deutschland von ihrer Markteinführung 1986 zu einem Standardprodukt wird nachvollziehbar, betrachtet man die Parallelentwicklung der Rahmenbedingungen der Organhaftung. Ein wechselseitiges Zusammenspiel von öffentlicher Wahrnehmung des Managerhandelns, Gesetzgebung und Rechtsprechung brachte eine stetige Haftungsverschärfung auf ein erhebliches Niveau mit sich (§ 2). Sodann wird die D&O-Versicherung ins Versicherungs- und Gesellschaftsrecht eingeordnet. Die dogmatische Verortung spielt für Voraussetzungen und Rechtsfolgen der vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung eine zentrale Rolle. Dabei darf die versicherungsrechtliche Klassifizierung als Haftpflichtversicherung für fremde Rechnung nicht über die tatsächliche Interessenlage beim Vertragsschluss hinwegtäuschen: Wirtschaftlich betrachtet wird die D&O-Versicherung vordergründig im Gesellschaftsinteresse abgeschlossen (§ 3). Nach knapper Erläuterung, wie der Versicherungsvertrag üblicherweise ausgestaltet ist und welchen weiten Grenzen der Deckungsschutz unterliegt (§ 4), werden zentrale aktienrechtliche Fragen der Versicherung diskutiert. So wurde ihre Zulässigkeit als Antwort auf die öffentlichkeitswirksame Managerschelte infolge der Wirtschafts- und Finanzkrise im Jahr 2009 durch das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG)21 an die Vereinbarung eines Selbstbehalts für Vorstandsmitglieder geknüpft. Im Anschluss wird untersucht, wie die Kompetenzen beim Abschluss eines D&O-Versicherungsvertrags verteilt sind und ob sogar eine Pflicht zum Vertragsschluss besteht (§ 5). Nachdem damit die rechtstatsächliche und rechtliche Verständniskulisse aufgebaut ist, folgen die Ausführungen zur vorvertraglichen Anzeigepflicht, bei der es sich um keine eigentliche Pflicht im Rechtssinne, sondern um eine gesetzliche Obliegenheit handelt. Im Anschluss an einen kurzen Überblick über die gesetzliche Regelung wird untersucht, an welchen Adressaten sie sich richtet (§ 6). Im Hinblick auf die Rechtsfolgen einer Verletzung der Obliegenheit und vertragliche Modifikationsmöglichkeiten kommt dieser Vorfrage erhebliche Bedeutung zu. Ihr schließt sich eine ausführliche Erörterung des Korrelats der Anzeigepflicht, der Risikoprüfung des Versicherers, an, deren ohnehin große Bedeutung beim Abschluss eines D&O-Vertrags durch die im Zuge der Reform des Versicherungsvertragsrechts erfolgten Änderungen noch erheblich gestiegen ist. Weil die Reform auch eine Abkehr vom bisher üblichen Vertragsschlussverfahren, dem sog. Policenmodell, bedeutete, stehen Abschlussmodelle nach neuer Rechtslage mit ihren Auswirkungen auf die Risikoprüfung im Mittelpunkt der folgenden Überlegungen (§ 7). Im Anschluss werden die grundsätzlichen Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtverletzung für den Versicherungsnehmer mitsamt den damit zusammenhängenden Kontroversen dargestellt (§ 8). Nach diesen Ausführungen zur vorvertraglichen Anzeigepflicht, die überwiegend für sämtliche Versicherungsarten bedeutend sind, wird im abschließenden Teil der Arbeit konkret auf die Besonderheiten der D&O-Versicherung eingegangen. Dabei stellt sich zunächst die Frage, wie die Aktiengesellschaft als juristische Person die 21

Vom 31. 7. 2009, BGBl. I, S. 2509, in Kraft getreten am 5. 8. 2009.

1. Teil: Einführung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Anzeigeobliegenheit verletzen kann, wobei Fragen der Wissens- und Verschuldenszurechnung in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücken (§ 9). Sodann wird das wesentliche Problem der D&O-Versicherung in diesem Bereich veranschaulicht: Durch die Gesamtwirkung der Gestaltungsrechte kann eine Anzeigepflichtverletzung der Gesellschaft selbst für redliche Versicherte zum vollständigen Verlust des Deckungsschutzes führen (§ 10). Da diese Rechtsfolge den Interessen der Beteiligten nicht entspricht, ist sowohl auf der Zurechnungs- als auch der Rechtsfolgenebene über Einschränkungen nachzudenken. Die im Schrifttum erwogenen Lösungsansätze werden einer kritischen Betrachtung unterzogen. Dabei fällt u. a. auf, dass die Besonderheiten der körperschaftlichen Organisationsverfassung regelmäßig nicht hinreichend gewürdigt werden. Es wird ein eigener Gestaltungsvorschlag erarbeitet, der diese Charakteristika berücksichtigt und versucht, den Interessen aller Beteiligten gerecht zu werden (§ 11). Die Arbeit endet mit einer Zusammenstellung der Untersuchungsergebnisse.

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Zweiter Teil

Entwicklung der D&O-Versicherung § 1 Haftungsrisiken für Organwalter der Aktiengesellschaft I. Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft 1. Relevanz der Innenhaftung Um die Bedeutung der D&O-Versicherung für die Aktiengesellschaft und die versicherten Organwalter zu verstehen, ist es in einem ersten Schritt erforderlich, die Haftungsrisiken der Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat aufzuzeigen. Da unternehmerische Tätigkeit zukunftsbezogen ist, beruht sie auf Prognosen und ist risikobehaftet. Verwirklicht sich ein Risiko in einem Schaden, stellt sich die Frage der Verantwortlichkeit.1 Die Innenhaftung regelt die Verantwortlichkeit des Organwalters gegenüber der Gesellschaft, für die er tätig ist. Ihre praktische Relevanz ist ungleich höher als die der Außenhaftung gegenüber Aktionären und außenstehenden Dritten. Grund dafür ist vor allem das deutsche Haftungssystem, nach dem sich geschädigte Dritte regelmäßig an die Gesellschaft halten müssen, die für das Verhalten ihrer Organwalter über eine Zurechnung entsprechend § 31 BGB haftet. Auch wenn der Außenhaftung in den letzten Jahren – nicht zuletzt unter Corporate-Governance-Gesichtspunkten – erhöhte Aufmerksamkeit zugekommen ist,2 müssen für eine unmittelbare Haftungsverantwortung eines Organmitglieds gegenüber Dritten im Wesentlichen die relativ strengen Voraussetzungen der Deliktshaftung erfüllt sein.3 Zudem kann von der Gesellschaft grundsätzlich eine höhere finanzielle Leistungsfähigkeit erwartet werden. Schließlich ist es für die Geschädigten in vielen Fällen nicht ersichtlich, auf wessen Fehlverhalten ihr Schaden beruht, sodass es einfacher scheint, direkt gegen die juristische Person vorzugehen. Ein Zugriff auf die Organwalter erfolgt daher regelmäßig nur dann, wenn die Aktiengesellschaft selbst – etwa in der Insolvenz – kein wirtschaftlich potenter Schuldner mehr ist.4 Die Gesellschaft kann sich unter bestimmten Voraussetzungen gegenüber ihren Organmitgliedern schadlos halten; die Regressansprüche machen einen erheblichen 1 2 3 4

Vgl. Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rn. 1. Vorstandsrecht/Spindler, § 13 Rn. 1. OLG München AG 2005, 817 f. Vgl. Dreher, ZHR 165 (2001), 293, 315.

§ 1 Haftungsrisiken für Organwalter der Aktiengesellschaft 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Teil der Innenhaftung aus.5 Die große Bedeutung dieses Segments der Verantwortlichkeit der Organwalter hat dazu geführt, dass Innenhaftungsansprüche nicht nur grundsätzlich vom Schutz einer D&O-Versicherung umfasst sind, sondern deren wesentlichen Anwendungsbereich bilden.6 Versuche der Versicherungswirtschaft, die Deckung im Innenverhältnis einzuschränken, konnten sich deshalb am Markt nicht durchsetzen.7 Der in der Absicherung der Innenhaftungsansprüche liegende Schwerpunkt der D&O-Versicherung wirkt sich auf die Beurteilung aus, in wessen Interesse sie abgeschlossen wird, worauf an anderer Stelle zurückzukommen ist.8 Festhalten lässt sich bereits, dass der Versicherungsvertrag neben den haftenden Organwaltern auch das Gesellschaftsvermögen schützt. Gerade bei – im Bereich der Managerhaftung nicht ungewöhnlichen – Schäden erheblichen Ausmaßes wird das Organmitglied regelmäßig nicht in der Lage sein, diese aus seinem Privatvermögen zu ersetzen. Die Versicherung schützt die Gesellschaft in solchen Fällen vor einer Insolvenz ihrer Organwalter und macht es damit erheblich wahrscheinlicher, Innenverhältnisansprüche zu realisieren.9

5 OLG München AG 2005, 817, 818. Der Schaden der Gesellschaft in diesen Konstellationen wird auch als „unechter Eigenschaden“ bezeichnet, da er die Gesellschaft nur mittelbar trifft, vgl. BK/Baumann, § 148 Rn. 119; ders., VersR 2006, 455, 457. 6 Vgl. Ulmer, FS Canaris, Bd. II, S. 451, 453, 456; ferner Plück/Lattwein, Haftungsrisiken für Manager, S. 195; Wellhöfer/Peltzer/Müller, § 20 Rn. 188: „Außenhaftungsfälle … fallen daneben von der Zahl und dem Anspruchsvolumen her kaum ins Gewicht“; Dreher, ZHR 165 (2001), 293, 296; Lange, DStR 2002, 1626, 1629: „Schwerpunkt der Schadensfälle im Bereich der Innenhaftung“; Peltzer, NZG 2009, 970, 971. Vgl. dazu auch die Studie der Beratungsfirma Towers Perrin zur D&O-Versicherung in Deutschland 2007, zitiert von Lier, VW 2008, 277, 278: Nur ein Drittel der Ansprüche kämen aus dem Außenverhältnis. 7 Etwa durch die Empfehlung des GDV aus dem Jahr 1997 („modifizierte Innenverhältnisdeckung“), vgl. Ihlas/Stute, Beilage zu PHi 4/2003, S. 5 ff., die im Jahr 2003 auf diesen Vorschlag zurückgreifen wollten. Zu Recht kritisch dazu Lange, Beilage zu PHi 6/2003, passim.; v. Westphalen, VersR 2006, 17, 20 ff. 8 Vgl. unter § 3 III. 9 Vgl. Dreher, DB 2001, 996, 998; ders., ZHR 165 (2001), 293, 313; Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 52; Lange, DStR 2002, 1626, 1629; ferner GroßkommGmbHG/Paefgen, § 43 Rn. 257 (für die GmbH); Heidel/Breuer/Fraune, § 112 AktG Rn. 6; Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, 3.8 Rn. 515; Scholz/U.H. Schneider, § 43 Rn. 437 (für die GmbH); Spindler/Stilz/ Fleischer, § 93 Rn. 288; ders., in: Vorstandsrecht, § 12 Rn. 3, 11; Managerhaftung/Lutter, § 1 Rn. 18; MünchHdbGesR/Hoffmann-Becking, Bd. 4, § 33 Rn. 17; Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung, S. 14 f.; Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 67 ff., 208; Hanau, FS Lorenz, S. 283, 290; Henssler, RWS-Forum Gesellschaftsrecht 2001, S. 131, 141 f.; Kiethe, BB 2003, 537, 539; Lattwein/Krüger, NVersZ 2000, 365, 367; Säcker, VersR 2005, 10, 11; Schilling, Verantwortlichkeit im Wirtschaftsrecht, S. 209, 215; Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550, 551; Steinkühler, VW 2009, 94.

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2. Teil: Entwicklung der D&O-Versicherung

2. Haftung der Vorstandsmitglieder a) Voraussetzungen des § 93 Abs. 2 AktG Dem Vorstand obliegen die eigenverantwortliche Geschäftsführung und die Vertretung der Aktiengesellschaft, §§ 76 Abs. 1, 78 Abs. 1 S. 1 AktG. Er haftet ihr gegenüber vorbehaltlich weiterer Anspruchsgrundlagen10 nach der zentralen Norm des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG. Danach ist entscheidend, ob das Organmitglied eine Pflicht verletzt hat. Ergibt sich eine solche weder aus dem Gesetz11 noch aus der Satzung oder dem Anstellungsvertrag,12 ist § 93 Abs. 1 S. 1 AktG heranzuziehen, der in einer Doppelfunktion sowohl generalklauselartig die objektiven Verhaltenspflichten des Vorstands umschreibt als auch einen Sorgfaltsmaßstab darstellt.13 Ist die Pflicht anderweitig speziell tatbestandlich umschrieben, dient § 93 Abs. 1 S. 1 AktG allein als Maßstab der Sorgfalt.14 Die Norm verlangt, wie ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter zu handeln, wobei auf ein Vorstandsmitglied eines vergleichbaren Unternehmens abzustellen ist.15 Dem Vorstand steht bei seiner Geschäftsleitung ein weiter Ermessensspielraum zu. Schon in der „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung hat der BGH im Jahr 1997 bestätigt, dass eine Sorgfaltspflichtverletzung erst vorliegt, wenn die Ermessensgrenzen deutlich überschritten werden, da unternehmerische Tätigkeit ohne weiten Handlungsspielraum „schlechterdings undenkbar“ sei.16 Die Grundsätze der Entscheidung wurden von der Rechtsprechung laufend konkretisiert. Im Zuge des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG)17 hat der 10 Etwa §§ 117 Abs. 1 und 2, 309 Abs. 2, 310 Abs. 1, 317 Abs. 3, 318 Abs. 1, 323 Abs. 1 S. 2 iVm 309 Abs. 2 AktG; § 823 Abs. 1, Abs. 2 iVm einem Schutzgesetz und § 826 BGB. Abzulehnen ist eine Anspruchskonkurrenz zwischen § 93 AktG und § 280 Abs. 1 BGB (Verletzung des Anstellungsvertrags) oder § 687 Abs. 2 BGB (angemaßte Eigengeschäftsführung), vgl. zutreffend Bedkowski, Geschäftsleiterpflichten, S. 448 m.w.Nachw. 11 Spezifische Vorstandspflichten sind etwa in §§ 76 Abs. 1, 80, 81, 83, 90, 91 und 92 AktG geregelt. 12 Dazu statt vieler Hüffer, § 93 Rn. 13. 13 Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 10; MünchHdbGesR/Wiesner, Bd. 4, § 26 Rn. 5; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rn. 182. 14 Vgl. Roth, Unternehmerisches Ermessen, S. 39; J. Koch, AG 2009, 93, 100. 15 MünchKommAktG/Spindler, § 93 Rn. 24. 16 BGHZ 135, 244, 253 f. = NJW 1997, 1926: „Diese [Schadensersatzpflicht] kann erst in Betracht kommen, wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muß, deutlich überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist oder das Verhalten des Vorstands aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss.“ 17 Vom 22. 9. 2005, BGBl. I, S. 2802, in Kraft getreten am 1. 11. 2005; vgl. dazu statt vieler Göz/Holzborn, WM 2006, 157 ff.; J. Koch, ZGR 2006, 769 ff.; Kolb, DZWiR 2006, 50 ff.; Spindler, NZG 2005, 865 ff.

§ 1 Haftungsrisiken für Organwalter der Aktiengesellschaft 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Gesetzgeber die Figur des Geschäftsleiterermessens, die sog. Business Judgment Rule, in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG kodifiziert.18 Danach ist eine Pflichtverletzung abzulehnen, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung aus ex-ante-Sicht vernünftigerweise davon ausgehen durfte, auf Grundlage angemessener Information zum Gesellschaftswohl zu handeln. Die Beschränkung auf unternehmerische Entscheidungen setzt voraus, dass das Handeln nicht durch fehlende Alternativmöglichkeiten oder konkrete gesetzliche Regelungen vorgezeichnet war.19 Durch die deutungsoffene Ausgestaltung der Kodifikation bleibt weiterhin ausreichend Raum, sie zu präzisieren.20 Dazu kann auf die vor Inkrafttreten des UMAG ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden.21 Außerhalb der Business Judgment Rule ist das Vorstandsmitglied beweispflichtig, wie ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter gehandelt zu haben. Geht es um eine vom Geschäftsleiterermessen erfasste unternehmerische Entscheidung, trifft den Organwalter die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG.22 Insbesondere nach einem Ausscheiden aus dem Amt kann es schwierig sein, den Entlastungsbeweis zu führen. Der durch die Business Judgment Rule gewonnene Freiraum („safe harbour“) für die Organmitglieder ist daher in nicht unerheblicher Weise begrenzt. b) Keine Anwendung der Grundsätze der eingeschränkten Arbeitnehmerhaftung Außerhalb der Business Judgment Rule müssen nicht ordentlich und gewissenhaft handelnde Geschäftsleiter – im Gegensatz zu Arbeitnehmern – grundsätzlich schon bei leichten Sorgfaltspflichtverstößen mit einer unbeschränkten Haftung rechnen. Die Haftungserleichterungen nach den Grundsätzen der betrieblich veranlassten Tätigkeit,23 die nicht schon durch bestehenden Versicherungsschutz ausgeschlossen sind,24 gelten für sie nicht.25 Zwar können auch Vorstandsmitglieder einem im Ver18 Die Kodifikation geht auf einen Vorschlag von Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 299 zurück, der vom 63. Deutschen Juristentag aufgenommen wurde und sich auch im Bericht der Regierungskommission Corporate Governance wiederfindet, s. Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 70. 19 Vgl. Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer, § 93 Rn. 12; J. Koch, ZGR 2006, 769, 784 f. 20 J. Koch, ZGR 2006, 769, 783; ferner Fleischer, ZIP 2004, 685, 688. 21 s. Hüffer, § 93 Rn. 4b; Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer, § 93 Rn. 10; Managerhaftung/ Krieger, § 3 Rn. 7. 22 Statt vieler Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer, § 93 Rn. 37. 23 Dazu BAGE 101, 107 ff. = NJW 2003, 377; Sandmann, Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, S. 4 ff.; ferner Geigel/Hübinger, Haftpflichtprozess, 12. Kap., Rn. 51 ff.; Bürkle/Fecker, NZA 2007, 589, 591 ff.; Joussen, RdA 2006, 129 f.; Lohr, NZG 2000, 1204, 1205; Schwab, NZA-RR 2006, 449, 450 ff. 24 Vgl. Hanau, FS Lorenz, S. 283, 288 ff. (zu leitenden Angestellten); zur freiwilligen Berufshaftpflichtversicherung BAG AP zu § 611 BGB, Haftung des Arbeitnehmers, Nr. 111 (25. 9. 1997); ErfK/Preis, § 619a BGB Rn. 20 (etwas anderes gilt zT bei der Pflichtversiche-

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gleich zu ihrer Vergütung unverhältnismäßigen Haftungsrisiko ausgesetzt sein. Das Verhältnis der Organmitglieder zur Gesellschaft erschöpft sich aber nicht in einer gegenseitigen Beziehung. Die Haftung besteht nach dem Zweck des § 93 AktG gerade auch im Interesse der Gesellschafter und Gesellschaftsgläubiger.26 Außerdem können die Haftungsgrundsätze bei Arbeitnehmern nur mangels spezieller gesetzlicher Regelungen der betrieblichen Tätigkeit angepasst werden.27 Es besteht eine Regelungslücke,28 die richterrechtlich ausgefüllt werden kann, um Arbeitnehmer vor unkalkulierbaren Haftungsrisiken zu schützen. Eine solche Lücke besteht bei der gesetzlich geregelten Organhaftung nicht, sodass für eine rechtsfortbildende Modifikation kein Raum bleibt.29 c) Anspruchsdurchsetzung Gemäß § 112 AktG ist der Aufsichtsrat zuständig, Ansprüche der Gesellschaft gegen ihre Vorstandsmitglieder geltend zu machen. Unter den Voraussetzungen des § 147 AktG kann die Hauptversammlung eine Geltendmachung erzwingen. Ferner wurde durch das UMAG in § 148 AktG die Aktionärsklage eingeführt und damit für eine Aktionärsminderheit die Möglichkeit geschaffen, im Wege der Prozessstandschaft eine Anspruchsverfolgung durchzusetzen.30 Hierfür ist eine Beteiligung von rung, vgl. etwa BAG AP zu § 611 BGB, Haftung des Arbeitnehmers, Nr. 94 [23. 6. 1988]); aA Otto, FS 50 Jahre BAG, S. 97, 112 ff.: Jedenfalls in dem Fall, in dem überwiegend der Arbeitgeber die Versicherungsprämien trage, sei ein antizipierter Verzicht des Arbeitnehmers auf eine Haftungsbefreiung anzunehmen. Die D&O-Versicherung müsse dann im Wege einer vertraglichen Modifikation des richterrechtlichen Haftungsregimes berücksichtigt werden, aaO, S. 118; zu Recht kritisch hierzu Hanau, aaO, S. 302 ff. 25 Ausf. GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rn. 339 ff.; vgl. auch BGH WM 1975, 467, 469; OLG Düsseldorf AG 1995, 416, 420; GroßkommAktG/Kort, § 84 Rn. 461; Hüffer, § 93 Rn. 14; MünchKommBGB/Henssler, § 619a Rn. 19; Henn/Frodermann/Jannott/Schäfer, 7. Kap., Rn. 309; MünchHdbGesR/Wiesner, Bd. 4, § 26 Rn. 10; Bedkowski, Geschäftsleiterpflichten, S. 457; Jäger, Aktiengesellschaft, § 21 Rn. 97; Kleindiek, Deliktshaftung, S. 385 ff.; Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung, S. 91 ff.; K. Schmidt, GesR, § 28 II 4b (S. 816 f.); Fleck, FS Hilger und Stumpf, S. 197, 215 ff.; Schimmer, Managerhaftung, 25. Tagung der DACH, S. 23, 38; aA im Bezug auf Obhutspflichten U.H. Schneider, FS Werner, S. 795, 812 f. 26 GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rn. 341 f.; Kleindiek, Deliktshaftung, S. 386 f.; Krieger, RWS-Forum Gesellschaftsrecht 1995, S. 149, 164. 27 Wellkamp, Vorstand, Aufsichtsrat und Aktionär, Rn. 715; Krieger, RWS-Forum Gesellschaftsrecht 1995, S. 149, 164 f.; dem folgend Schimmer, Managerhaftung, 25. Tagung der DACH, S. 23, 38. 28 BAGE 78, 56, 61 f. = NJW 1995, 210; schon in den Materialien zum BGB wird eine spezialgesetzliche Regelung für Arbeitsverträge gefordert, vgl. Mugdan, Materialien zum BGB, Bd. II, S. 1328, 1333, 1340. 29 So auch Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung, S. 93; Wellkamp, Vorstand, Aufsichtsrat und Aktionär, Rn. 715; Krieger, RWS-Forum Gesellschaftsrecht 1995, S. 149, 165. 30 Dazu ausf. m. Blick auf die bis zum UMAG geltende Regelung J. Koch, ZGR 2006, 769, 771 ff.

§ 1 Haftungsrisiken für Organwalter der Aktiengesellschaft 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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einem Prozent des Grundkapitals oder ein Nennwert von 100.000 Euro erforderlich.31 Um eine Klagewelle zu verhindern, wurde der gerichtlichen Geltendmachung ein Zulassungsverfahren vorangestellt, § 148 AktG. Unter bestimmten Voraussetzungen können Ansprüche der Gesellschaft auch von ihren Gläubigern geltend gemacht werden, § 93 Abs. 5 AktG, die dabei Zahlung an sich selbst verlangen können. Es handelt sich dabei um keine Prozessstandschaft, sondern um einen eigenen Anspruch der Gläubiger.32 3. Haftung der Aufsichtsratsmitglieder a) Sinngemäße Anwendung des § 93 AktG Die Aufsichtsratsmitglieder haften der Aktiengesellschaft grundsätzlich entsprechend den Vorstandsmitgliedern, §§ 116 S. 1, 93 AktG.33 Für sie kommt eine Haftungserleichterung nach den Grundsätzen des „innerbetrieblichen Schadensausgleichs“ selbst dann nicht in Betracht, wenn sie als Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat gewählt wurden.34 Da sich die Aufgaben und Funktionen des Aufsichtsrats erheblich von denen des Vorstands unterscheiden, schuldet das Aufsichtsratsmitglied der Gesellschaft infolge einer sinngemäßen Anwendung des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG, die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Überwachers und Beraters an den Tag zu legen.35 Das bedeutendste Haftungsrisiko entspringt der in § 111 AktG speziell geregelten Überwachungspflicht. Diese umfasst die zentrale Aufgabe, Ansprüche der Gesellschaft gegen ihre Vorstandsmitglieder zu verfolgen.36 Allerdings gab es eine Tendenz, aufgrund kollegialer Verbundenheit oder eigener Kontrollversäumnisse von einer Verfolgung abzusehen und damit das eigene Interesse über das der Gesellschaft zu stellen.37 31

Eine ursprünglich vorgesehene weitere Absenkung auf einen Börsenwert von 100.000 Euro wurde nicht ins Gesetz übernommen, vgl. J. Koch, ZGR 2006, 769, 772. 32 So auch GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rn. 392; Hüffer, § 93 Rn. 32; MünchKommAktG/ Spindler, § 93 Rn. 234; Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer, § 93 Rn. 57; Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 251; ders., in: Vorstandsrecht, § 11 Rn. 113; MünchHdbGesR/Wiesner, Bd. 4, § 26 Rn. 25; aA OLG Frankfurt WM 1977, 59, 62; LG Köln AG 1976, 105, 106 (Prozessstandschaft). 33 Daneben kommen zB Ansprüche aus §§ 117 Abs. 1 und 2, 310 Abs. 1, 318 Abs. 2, 323 Abs. 1 S. 2 iVm 309 Abs. 2 AktG, § 823 Abs. 1, Abs. 2 iVm einem Schutzgesetz und § 826 BGB in Betracht. 34 Vgl. Dürr, Haftung von Aufsichtsratsmitgliedern, S. 212 ff.; Edenfeld/Neufang, AG 1999, 49, 53 ff.; ferner MünchKommBGB/Henssler, § 619a Rn. 19; Kleindiek, Deliktshaftung, S. 385 ff.; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 1012. 35 Hüffer, § 116 Rn. 1; MünchKommAktG/Habersack, § 116 Rn. 2; Spindler/Stilz, § 116 Rn. 1; Schwark, FS Canaris, Bd. II, S. 389, 390 f. 36 BGHZ 135, 244, 252 = NJW 1997, 1926; Hüffer, § 111 Rn. 4a; Marsch-Barner/Schäfer/ Vetter, § 26 Rn. 42 f.; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 440 ff. 37 Vgl. J. Koch, ZGR 2006, 769, 770 f.; ferner den ehemaligen Bankier Josef Abs (zitiert nach Schilling, Verantwortlichkeit im Wirtschaftsrecht, S. 209): Es sei leichter, eine eingeseifte Kuh am Schwanz zu packen als einen deutschen Aufsichtsrat haftbar zu machen. Vgl. auch RegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 19 f.: „Es kann typischerweise nicht erwartet werden,

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b) Urteil „ARAG/Garmenbeck“ Dieser Tendenz versuchte der BGH im Jahr 1997 mit der viel beachteten Entscheidung „ARAG/Garmenbeck“ entgegenzuwirken.38 Er stellte klar, dass der Aufsichtsrat eigenverantwortlich prüfen müsse, ob sich ein Vorstandsmitglied durch eine organschaftliche Maßnahme gegenüber der Gesellschaft schadensersatzpflichtig gemacht habe. Dabei sei er angewiesen, den möglicherweise zum Schadensersatz verpflichtenden Tatbestand tatsächlich und rechtlich zu würdigen, um dann das Prozessrisiko und die Durchsetzbarkeit zu analysieren.39 Führe die Analyse zum Ergebnis, dass der Gesellschaft ein durchsetzbarer Schadensersatzanspruch zustehe, müsse dieser verfolgt werden, sofern nicht gewichtige Interessen und Belange des Gesellschaftswohls entgegenstünden.40 Bei der Beurteilung steht dem Aufsichtsrat nach zutreffender Ansicht weder ein Ermessen zu noch kann er die Business Judgment Rule für sich in Anspruch nehmen.41 Das Urteil verschärfte die Haftung von Aufsichtsräten,42 die es in der Folge ernster nahmen, Ansprüche der Gesellschaft geltend zu machen.43 Es wurde im Rahmen des UMAG durch den Gesetzgeber präzisiert, der in § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AktG regelte, dass überwiegende Gründe des Gesellschaftswohls der Anspruchsverfolgung einer Aktionärsminderheit entgegenstehen können. Wegen des subsidiären Charakters des § 148 Abs. 1 AktG kann das Verfolgungsrecht einer Aktionärsminderheit nicht weiter als die Verfolgungspflicht des Aufsichtsrats gehen. Auch dieser kann daher nur dann von einer Verfolgung absehen, wenn einer solchen überwiegende Gründe des Gesellschaftswohls iSd § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AktG entgegenstehen.44 c) Anspruchsdurchsetzung Es obliegt dem Vorstand, Ansprüche der Gesellschaft gegen Aufsichtsratsmitglieder geltend zu machen, § 78 AktG. Auch hier gab es vor „ARAG/Garmenbeck“ weitreichende Versäumnisse.45 Die Grundaussagen des Urteils sind entsprechend auf den Vorstand zu übertragen: Dieser ist grundsätzlich dazu verpflichtet, die Ansprüche zu

dass derjenige Ansprüche verfolgt, der dem Ersatzpflichtigen kollegial oder geschäftlich verbunden, ihm für seine eigene Bestellung zu Dank verpflichtet ist, oder der Gefahr läuft, dass im Verfahren seine eigenen Versäumnisse aufgedeckt werden.“ 38 BGHZ 135, 244 ff. = NJW 1997, 1926; dazu statt vieler Götz, NJW 1997, 3275 ff.; Horn, ZIP 1997, 1129 ff.; Raiser, NJW 1996, 552 ff.; Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 294 ff. 39 Vgl. Spindler/Stilz, § 116 Rn. 46; Raiser, NJW 1996, 552, 553 f.; Wirth, RWS-Forum Gesellschaftsrecht 2001, S. 99, 111 f. 40 BGHZ 135, 244, 254 ff. = NJW 1997, 1926. 41 J. Koch, AG 2009, 93, 97, 100; aA Paefgen, AG 2008, 761 ff. 42 Vgl. Wirth, RWS-Forum Gesellschaftsrecht 2001, S. 99, 102, 110. 43 Semler/Peltzer, § 9 Rn. 175. 44 So überzeugend J. Koch, ZGR 2006, 769, 776. 45 Lutter, ZHR 159 (1995), 287, 304: „Die Haftung von Aufsichtsratsmitgliedern aber steht derzeit bei uns nur auf dem Papier“.

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verfolgen.46 Außerdem besteht auch bei Ansprüchen gegen Aufsichtsratsmitglieder unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit der Hauptversammlung, eine Verfolgung zu erzwingen, § 147 AktG. Desgleichen kommen eine Aktionärsklage (§ 148 AktG) sowie die Anspruchsgeltendmachung von Gesellschaftsgläubigern in Betracht (§§ 116, 93 Abs. 5 AktG).

II. Außenhaftung gegenüber Aktionären und außenstehenden Dritten 1. Haftung der Vorstandsmitglieder a) Gegenüber Aktionären Neben die Verantwortlichkeit gegenüber der Gesellschaft tritt die Außenhaftung gegenüber Aktionären und außenstehenden Dritten. Dabei scheidet für die Aktionäre ein Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB iVm dem Rechtsinstitut des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter aus, da sie nicht in den Schutzbereich des Anstellungsvertrags einbezogen sind.47 Bei § 93 AktG handelt es sich für sie weder um eine taugliche Anspruchsgrundlage noch um ein Schutzgesetz iSd § 823 Abs. 2 BGB, weil die Norm allein die Gesellschaft vor unsorgfältiger Geschäftsführung absichert.48 Die Schutzgesetzqualität für Aktionäre fehlt daneben nach zutreffender Ansicht der Anzeigepflicht bei Verlust (§ 92 Abs. 1 AktG),49 die keinen individuellen Vermögensschutz bewirken, sondern die Information und Handlungsfähigkeit der Hauptversammlung sichern soll.50 Auch die durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG)51 in § 15a Abs. 1 InsO rechtsformübergreifend geregelte Insolvenzantragspflicht stellt keinen tauglichen Anknüpfungspunkt für eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB dar.52

46 Spindler/Stilz, § 116 Rn. 118; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 1013. 47 MünchKommAktG/Spindler, § 93 Rn. 264; Managerhaftung/Altmeppen, § 4 Rn. 4. 48 BGHZ 110, 342, 360 = NJW 1990, 1725; GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rn. 469, 478; Hüffer, § 93 Rn. 19; MünchKommAktG/Spindler, § 93 Rn. 266, 273; Marsch-Barner/Schäfer/ Arnold, § 22 Rn. 68. 49 So Hüffer, § 92 Rn. 15, § 93 Rn. 19; KölnKomm/Mertens/Cahn, § 92 Rn. 21; Schmidt/ Lutter/Krieger/Sailer, § 92 Rn. 10, § 93 Rn. 66; aA GroßkommAktG/Habersack, § 92 Rn. 26; Spindler/Stilz/Fleischer, § 92 Rn. 17; MünchKommAktG/Spindler, § 92 Rn. 17; MünchHdbGesR/Wiesner, Bd. 4, § 26 Rn. 31. 50 Hüffer, § 92 Rn. 15; Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer, § 92 Rn. 10. Obwohl sich die Hauptversammlung aus Einzelaktionären zusammensetzt, handelt es sich entgegen Heidel/ Oltmanns, § 92 AktG Rn. 19 m. Fn. 43 um keine willkürliche Differenzierung. 51 Vom 23. 10. 2008, BGBl. I, S. 2026, in Kraft getreten am 1. 11. 2008. 52 Das gilt selbst dann, wenn die Aktien erst nach Beginn der Antragspflicht erworben wurden. Vgl. Hüffer, § 92 Rn. 16; zur Vorgängerregelung (§ 92 Abs. 2 AktG aF) Großkomm-

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Als taugliche Schutzgesetze kommen dagegen §§ 399, 400 AktG,53 nach einer Ansicht auch § 266 StGB in Betracht.54 Die Strafbarkeit der Untreue dient aber nicht dem Schutz der Aktionäre: Treuepflichten der Vorstandsmitglieder bestehen nur gegenüber der Aktiengesellschaft, die als juristische Person von ihren Gesellschaftern unterschieden werden muss.55 Für einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB ist zu beachten, dass die Norm nicht dem Ersatz primärer Vermögensschäden dient. Zwar ist die durch die Aktie verkörperte Mitgliedschaft an der Gesellschaft als sonstiges Recht anerkannt.56 Um die gesetzgeberische Wertung nicht zu unterlaufen, kann die Vorschrift aber keine Anwendung finden, wenn eine Verletzungshandlung lediglich den wirtschaftlichen Wert der Aktien mindert. Aufgrund des Vorrangs aktienrechtlicher Rechtsbehelfe ist der Schutz der Mitgliedschaft auf Maßnahmen zu beschränken, die sich gegen ihren rechtlichen Bestand richten; eine bloße Beeinträchtigung des in der Aktie gebundenen Vermögens genügt nicht.57 Neben weiteren Normen kommt als Grundlage einer Haftung § 826 BGB in Betracht. Bedeutung erlangte die Norm insbesondere im Zusammenhang mit bewusst fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilungen, durch die Aktionäre des Neuen Marktes zum Aktienerwerb verleitet wurden.58 b) Gegenüber außenstehenden Dritten Eine persönliche Haftung ist auch gegenüber außenstehenden Dritten wie Gesellschaftsgläubigern möglich und nicht dadurch ausgeschlossen, dass unter Umständen über § 31 BGB unmittelbar die Gesellschaft in Anspruch genommen werden kann.59 Auch Dritte können § 93 AktG weder als Anspruchsgrundlage noch als Schutzgesetz für sich nutzen.60 Entgegen § 92 Abs. 1 AktG61 sind § 15a InsO62 und § 400 AktG63, AktG/Habersack, § 92 Rn. 71; MünchKommAktG/Spindler, § 92 Rn. 46; MünchHdbGesR/ Wiesner, Bd. 4, § 26 Rn. 31. 53 Vgl. BGHZ 149, 10, 20 f. = NJW 2001, 3622 (Bremer Vulkan); BGHZ 160, 134, 140 f. = NJW 2004, 2664 (Infomatec); GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rn. 479; Hüffer, § 93 Rn. 19; KölnKomm/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 209. 54 So zB Hüffer, § 93 Rn. 19; Marsch-Barner/Schäfer/Arnold, § 22 Rn. 74. 55 Vgl. GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rn. 476; MünchKommAktG/Spindler, § 93 Rn. 276; Managerhaftung/Altmeppen, § 7 Rn. 47. 56 RGZ 100, 274, 278; RGZ 158, 249, 255; BGHZ 83, 122, 133 f. = NJW 1982, 1703 (Holzmüller); GroßkommACHTUNGREAktG/Hopt, § 93 Rn. 470; MünchKommAktG/Spindler, § 93 Rn. 267; Friedrich, D&O Liability, S. 43 ff. 57 Vgl. m.w.Nachw. (auch zur aA) GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rn. 471 ff.; MünchKommAktG/Spindler, § 93 Rn. 268; ferner Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer, § 93 Rn. 64; MünchHdbGesR/Wiesner, Bd. 4, § 26 Rn. 29. 58 Dazu BGH AG 2007, 169 ff. (Comroad) und die Infomatec-Entscheidungen: BGHZ 160, 134 ff. = NJW 2004, 2664; BGHZ 160, 149 ff. = NJW 2004, 2971; BGH NJW 2004, 2668 ff. 59 BGHZ 109, 297, 302 = NJW 1990, 976 (Baustoff); BGH NJW 1996, 1535, 1536; Hüffer, § 93 Rn. 20a. 60 KG AG 2003, 324, 325; GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rn. 492, 501; MünchKommAktG/ Spindler, § 93 Rn. 273.

§ 1 Haftungsrisiken für Organwalter der Aktiengesellschaft 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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nach überwiegender Ansicht auch § 266a StGB,64 als Schutzgesetze zugunsten der Gesellschaftsgläubiger anzuerkennen. Vorstandsmitglieder haften Dritten darüber hinaus nach § 823 Abs. 1 BGB. Dies gilt nach zutreffender Ansicht auch bei mittelbaren Verletzungen aufgrund eines Verstoßes gegen Organisationspflichten.65 Eine Verantwortlichkeit kann sich außerdem u. a. aus § 826 BGB,66 dem Umwandlungsgesetz,67 § 69 AO,68 Vertrag,69 culpa in contrahendo (§ 311 Abs. 3 iVm §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB) aufgrund der Inanspruchnahme besonderen Vertrauens70 und infolge fehlerhafter Kapitalmarktinformationen71 ergeben. 2. Haftung der Aufsichtsratsmitglieder Auch Aufsichtsratsmitglieder kann eine unmittelbare Haftung gegenüber Aktionären oder außenstehenden Dritten treffen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass es sich beim Aufsichtsrat grundsätzlich um ein reines Innenorgan handelt, das regel61

BGH NJW 1979, 1829, 1831; GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rn. 501; KölnKomm/Mertens/Cahn, § 92 Rn. 21. 62 KölnKomm/Mertens/Cahn, Anh. § 92 Rn. 36. Ebenso zur Vorgängerregelung (§ 92 Abs. 2 AktG aF): BGHZ 75, 96, 106 = NJW 1979, 1823; KG AG 2003, 324, 325; GroßkommAktG/Habersack, § 92 Rn. 71, 75. 63 Ausf. Jäger, Aktiengesellschaft, § 21 Rn. 166 ff.; vgl. auch RGZ 159, 211, 224 (zu § 313 Abs. 1 Nr. 3 HGB aF); GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rn. 501; Hüffer, § 93 Rn. 20; MünchKommAktG/Spindler, § 93 Rn. 288. 64 Vgl. BGHZ 134, 304, 307 = NJW 1997, 1237; BGH NJW 1998, 1306; BGH NJW 2006, 3573; GroßkommACHTUNGREAktG/Hopt, § 93 Rn. 501, 511 ff.; aA m. beachtlichen Argumenten MünchKommAktG/Spindler, § 93 Rn. 292; ders., in: Vorstandsrecht, § 13 Rn. 55 f. 65 Vgl. Managerhaftung/Altmeppen, § 7 Rn. 33 ff. m.w.Nachw.; ferner BGHZ 109, 297, 302 ff. = NJW 1990, 976 (Baustoff); Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer, § 93 Rn. 69; MarschBarner/Schäfer/Arnold, § 22 Rn. 79; aA GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rn. 504; MünchKommAktG/Spindler, § 93 Rn. 287. 66 Näher GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rn. 500; Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 276 ff.; Managerhaftung/Altmeppen, § 7 Rn. 57 ff.; Vorstandsrecht/Spindler, § 13 Rn. 57 ff.; Wellhöfer/Peltzer/Müller, § 3 Rn. 125 ff. 67 Vgl. Marsch-Barner/Schäfer/Arnold, § 22 Rn. 86; MünchHdbGesR/Wiesner, Bd. 4, § 26 Rn. 41; Vorstandsrecht/Spindler, § 13 Rn. 76 f.; Ek, Haftungsrisiken für Vorstand und Aufsichtsrat, S. 127 f. 68 Ausf. Jäger, Aktiengesellschaft, § 21 Rn. 151 ff.; vgl. auch GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rn. 508 ff. 69 Vgl. dazu m.w.Nachw. GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rn. 493; Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 265. 70 Vgl. BGHZ 159, 94, 102 = NJW 2004, 2523; GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rn. 495 ff.; KölnKomm/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 220 f.; Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 268; Managerhaftung/Altmeppen, § 7 Rn. 14 ff. 71 Vgl. Marsch-Barner/Schäfer, § 16; Marsch-Barner/Schäfer/Arnold, § 22 Rn. 87 ff.; Vorstandsrecht/Fleischer, § 14. Insbesondere zur Prospekthaftung BGH AG 2008, 260 ff. (Göttinger Gruppe); dazu Hahn, EWiR § 276 BGB 1/08, 295 f.; ferner Marsch-Barner/Schäfer/ Krämer, § 10 Rn. 310 ff.

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2. Teil: Entwicklung der D&O-Versicherung

mäßig nur gegenüber der Gesellschaft verantwortlich ist.72 In Betracht kommt aber eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB iVm einem Schutzgesetz,73 § 826 BGB74 sowie weiteren Haftungsgrundlagen.75

§ 2 Entwicklung der Versicherung I. Entwicklung in den Vereinigten Staaten Trotz der besonderen Aufmerksamkeit, die der Versicherung der Organhaftung in heutiger Zeit zukommt, handelt es sich um keine neue Erscheinung. Die erste Idee einer Haftpflichtversicherung für Organmitglieder entstand vor über 100 Jahren bei der Verabschiedung des Aktien-, Genossenschafts- und GmbH-Gesetzes Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland.76 Die Idee wurde lange Zeit nicht weiter verfolgt, da sie als moralisch bedenklich galt und befürchtet wurde, eine solche Versicherung wirke sich nachteilig auf die Pflichterfüllung der Organmitglieder aus. Letztlich wurde nach einer Intervention des preußischen Innenministeriums auf eine Umsetzung verzichtet.77 Die D&O-Versicherung wurde deshalb ursprünglich im Zusammenhang mit dem Kurssturz an der Wall Street vom 25. Oktober 1929, dem „Schwarzen Freitag“, in den USA eingeführt. Dieser Tag war Anfangspunkt einer großen Rezession, in Wirtschaftskreisen wie in der Öffentlichkeit herrschte Verunsicherung. Der Gesetzgeber verschärfte die Haftung der Unternehmensleiter („directors“ und „officers“) gegenüber Aktionären („shareholders“) 1933 mit dem securities act und 1934 mit dem securities exchange act. Damit entstand Bedarf für eine Haftpflichtversicherung, den die Lloydss mit einem ersten Versicherungskonzept zu de-

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MünchKommAktG/Habersack, § 116 Rn. 76; Managerhaftung/Altmeppen, § 7 Rn. 73. Vgl. OLG Karlsruhe AG 2008, 900 (§ 823 Abs. 2 iVm § 263 StGB). Zu weiteren Schutzgesetzverletzungen vgl. Spindler/Stilz, § 116 Rn. 190 ff., 201 ff.; Semler/v. Schenk/ P. Doralt/W. Doralt, § 13 Rn. 184 ff., 191 ff. 74 Vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 23. 6. 2008, I-9 U 14/08, Rn. 23 ff., abrufbar unter www.nrwe.de (zuletzt abgerufen am 31. 5. 2010); dazu Sieg/Schramm, PHi 2008, 174, 175; vgl. ferner GroßkommAktG/Hopt/Roth, § 116 Rn. 311; Spindler/Stilz, § 116 Rn. 194; MarschBarner/Schäfer/Vetter, § 29 Rn. 72. 75 Dazu Spindler/Stilz, § 116 Rn. 198 ff.; Marsch-Barner/Schäfer/Vetter, § 29 Rn. 72; MünchHdbGesR/Hoffmann-Becking, Bd. 4, § 33 Rn. 56; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 1020 ff. 76 Näher Falk, Die Reform des Aufsichtsrats der Deutschen Aktiengesellschaften, S. 239 f. 77 Ausf. Lieder, Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, S. 253 f.; Pammler, Gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung, S. 23 ff.; Hahn, ZVersWiss 2 (1902), 317, 318 ff.; vgl. ferner Ek, Haftungsrisiken für Vorstand und Aufsichtsrat, S. 198; Haller, Organhaftung und Versicherung, Rn. 609 f.; Ihlas, D&O, S. 103 f.; Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 5 f.; Osswald, D&OVersicherung beim Unternehmenskauf, S. 22; Plück/Lattwein, Haftungsrisiken für Manager, S. 187; Wollny, directors and officers liability insurance, S. 1 f., 382 ff.; Lattwein/Krüger, VW 1997, 1366; Peltzer, FS Westermann, S. 1257 f.; Schillinger, VersR 2005, 1484, 1486 f. 73

§ 2 Entwicklung der Versicherung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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cken versuchte.78 Zu einer verstärkten Nachfrage kam es aber erst Ende der 1970er Jahre.79 Mitte der 1980er Jahre kam die Versicherung indes in eine tiefe Krise: Eine drastisch gestiegene Schadenshäufigkeit führte beinahe zum Zusammenbruch des Marktes, einige Versicherer zogen sich aus dem Segment zurück.80 Danach erholte sich der Markt langsam wieder. Inzwischen ist die D&O-Versicherung in den USA längst ein Standardprodukt.81 Kaum ein Manager ist dort ohne Versicherungsschutz bereit, in einem Unternehmen eine Führungsposition zu bekleiden.82

II. Entwicklung in Deutschland 1. Anfängliche Entwicklung Ausgehend von den USA verbreitete sich die D&O-Versicherung vom Ende der 70er Jahre an zunehmend im angloamerikanischen Rechtskreis sowie in der Europäischen Gemeinschaft.83 Dabei konnte sie nicht unbesehen übertragen werden, da in den USA ein Rechtssystem gilt, bei dem, etwa im Gegensatz zu Deutschland, die Außenhaftung im Vordergrund steht.84 In Deutschland wurde die D&O-Versicherung zum ersten Mal 1986 von der deutschen Tochtergesellschaft der CHUBB-Versicherung angeboten. Sie fand noch wenig Beachtung, weil es nach der damaligen Unternehmenskultur unüblich war, dass der Aufsichtsrat Ersatzansprüche gegen Vorstandsmitglieder verfolgte. Außerdem wurde nach Bedenken des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen ein Ausschluss von Ansprüchen im Zusammenhang mit „unternehmerischen Entscheidungen“ in die Versicherungsbedingungen aufge-

78 Vgl. Ihlas, D&O, S. 91; Küpper-Dirks, Managerhaftung und D&O-Versicherung, S. 61; ferner Hirschmann/Romeike/English, S. 205 f.; Vorstandsrecht/Fleischer, § 12 Rn. 4; ders., WM 2005, 909, 911; Osswald, D&O-Versicherung beim Unternehmenskauf, S. 23; Wollny, directors and officers liability insurance, S. 149; Lattwein/Krüger, VW 1997, 1366; Schillinger, VersR 2005, 1484, 1487; Schimmer, Managerhaftung, 25. Tagung der DACH, S. 9, 10. 79 Plück/Lattwein, Haftungsrisiken für Manager, S. 188; Wollny, directors and officers liability insurance, S. 5 f., 150; ferner Hirschmann/Romeike/English, S. 206; Paetzmann, ZVersWiss 98 (2008), 177, 180. 80 Ausf. Ihlas, D&O, S. 93 ff.; Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung, S. 4; ferner Küpper-Dirks, Managerhaftung und D&O-Versicherung, S. 62; Osswald, D&O-Versicherung beim Unternehmenskauf, S. 23. 81 Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung, S. 4; Lattwein/Krüger, VW 1997, 1366. 82 Vgl. Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, S. 102; Lattwein/Krüger, VW 1997, 1366; Schillinger, VersR 2005, 1484, 1487; Thümmel/Sparberg, DB 1995, 1013, 1016. 83 Ihlas, D&O, S. 102; Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 48; Pammler, Gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung, S. 19; Lohr, NZG 2000, 1204, 1211. 84 Dazu MünchKommAktG/Spindler, § 93 Rn. 173; Peltzer, NZG 2009, 970, 971.

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2. Teil: Entwicklung der D&O-Versicherung

nommen, der vertriebshemmend wirkte.85 Die Marktsituation änderte sich mit neuen Bedingungen, die 1993 durch die CHUBB auf den Markt kamen. Nachdem weitere ausländische Versicherer aktiv wurden, war es auch den einheimischen Assekuranzen nicht länger möglich, das Produkt zu ignorieren.86 Als sich die Bedenken des Bundesaufsichtsamts durch die Deregulierung des Versicherungsmarkts erledigt hatten und das Genehmigungserfordernis für AVB weggefallen war, beteiligten sie sich Mitte der 90er Jahre zahlreich am Geschäft.87 Die zu dieser Zeit aufkommenden Wirtschaftsskandale (u. a. um die co op AG, die Balsam AG,88 die Metallgesellschaft,89 der Fall Jürgen Schneider, die Auflösung der AEG AG und die Insolvenzen der Bremer Vulkan90 sowie der ASS AG91) setzten eine Diskussion über Corporate Governance in Gang und sorgten für eine weitere Verbreitung der Versicherung.92 1996 wurde eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, um für die Mitgliedsunternehmen des GDV (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V.) ein fertiges D&O-Bedingungskonzept zu entwickeln.93 Als sie 1997 ihr Basiskonzept vorstellte, bestand weitgehend Einigkeit, dass es lediglich als Grundlage für individuelle Bedingungen dienen könne. Auch die Nachfolgekonzepte entsprachen nicht den Marktverhältnissen.94 Bis heute gibt es eine „Bedingungsvielfalt“; von den Musterbedingungen wird in der Regel deutlich abgewichen.95 2. „ARAG/Garmenbeck“-Urteil und KonTraG Die Bedeutung der Versicherung wuchs durch die wirtschaftlichen Entwicklungen, die zu einem großen Teil mit der zunehmenden Globalisierung zusammenhin85 Näher Ihlas, D&O, S. 107 ff.; Lattwein/Krüger, VW 1997, 1366; ferner Ek, Haftungsrisiken für Vorstand und Aufsichtsrat, S. 198; Lohr, NZG 2000, 1204, 1211. 86 Lattwein/Krüger, VW 1997, 1366. 87 Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 7; Peltzer, FS Westermann, S. 1257, 1258. 88 LG Bielefeld AG 2000, 136 ff.; dazu Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 38 ff.; Sieg, VP 2001, 83 ff.; Wirth, RWS-Forum Gesellschaftsrecht 2001, S. 99, 113 ff. 89 Ausf. dazu Hempel/Wiemken, Managerhaftung im Wandel, S. 48 ff. 90 Dazu BGHZ 149, 10 ff. = NJW 2001, 3622; zur strafrechtlichen Seite BGHSt 49, 147 ff. = NJW 2004, 2248. 91 LG Stuttgart AG 2000, 237 ff.; dazu Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 41 f.; Wirth, RWS-Forum Gesellschaftsrecht 2001, S. 99, 115 f. 92 Hempel/Wiemken, Managerhaftung im Wandel, S. 47 ff., 51. 93 Zur Zusammensetzung der Arbeitsgruppe Ries/Peiniger, Haftung und Versicherung von Managern, S. 144 f. 94 Vgl. etwa zu den Musterbedingungen 2005 Lange, VW 2005, 1026 ff.; Klinkhammer, VP 2006, 22 ff. 95 Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Aufsichtsräten, Vorständen und Geschäftsführern (AVB-AVG), aktuell von Januar 2008. Diesen wird praktische Bedeutungslosigkeit nachgesagt, vgl. Hirschmann/Romeike/ Heitmann, S. 265; Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 51 f.; ferner Managerhaftung/Sieg, § 16 Rn. 10 f.

§ 2 Entwicklung der Versicherung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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gen.96 Zugleich wurde in der Öffentlichkeit eine verschärfte Diskussion über Manager geführt, die als „Nieten in Nadelstreifen“ bezeichnet wurden.97 Dadurch wuchs die Bereitschaft, Schadensersatzansprüche gegen Organmitglieder durchzusetzen.98 Die Möglichkeit dazu wurde vor allem durch das „ARAG/Garmenbeck“-Urteil erleichtert.99 Es verlieh der D&O-Versicherung einen Nachfrageschub,100 der durch die Umsetzung verschiedener Gesetzesvorhaben verstärkt wurde. So wurde 1998 das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG)101 erlassen, um die Corporate Governance zu verbessern. Zentraler Regelungsinhalt war die Verpflichtung des Vorstands, ein angemessenes Überwachungssystem zu installieren, um Risiken frühzeitig erkennen zu können, § 91 Abs. 2 AktG. Das Risikomanagement erhielt dadurch einen neuen Stellenwert.102 Ferner sollte durch das KonTraG das Klageerzwingungsverfahren erleichtert werden.103 Allerdings wurden die Hürden noch zu hoch angesetzt, sodass der entsprechende Gesetzesteil als „Schlag ins Wasser“ bezeichnet wurde.104 Dennoch verschärfte sich durch das KonTraG die Haftung der Organwalter,105 was zur Popularität der D&O-Versicherung beitrug.106 Wurde bis in die 1980er Jahre die Meinung vertreten, Schadensersatzansprüche gegen Manager spielten „rechtstatsächlich kaum eine nennenswerte Rolle“ und die

96 Vgl. v. Bühren/Lenz, § 26 Rn. 10; Limmer, D&O-Versicherungen in Deutschland, S. 162 ff.; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rn. 3; Heitmann, VW 1999, 1076. 97 Vgl. Bauer/Krets, DB 2003, 811, 814. Die Diskussion über „Nieten in Nadelstreifen“ begann bereits früher, vgl. das gleichnamige Werk von Ogger, Nieten in Nadelstreifen, 1992. 98 Vgl. Kiethe, BB 2003, 537; Schillinger, VersR 2005, 1484, 1485; Sieg, VP 2001, 83; ders., DB 2002, 1759, 1760; ferner Roth/Altmeppen, § 43 Rn. 161. 99 Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 31 ff.; Peltzer, FS Westermann, S. 1257, 1261. 100 So Peltzer, FS Westermann, S. 1257, 1261. 101 Vom 27. 4. 1998, BGBl. I, S. 786, in Kraft getreten am 1. 5. 1998; dazu ausf. Lieder, Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, S. 479 ff.; zu den Folgen Hempel/Wiemken, Managerhaftung im Wandel, S. 55 ff.; Feddersen, AG 2000, 385, 386 ff. (für die Managerhaftung); Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 11 ff. (für die D&O-Versicherung). 102 So Jäger, Aktiengesellschaft, § 21 Rn. 98. Eingehend zu Pflichten im Zusammenhang mit der Einrichtung eines Frühwarnsystems Vorstandsrecht/Spindler, § 19; ferner Ballwieser, in: Handbuch Corporate Governance, S. 447 ff.; Dahnz/Grimminger, Manager und ihr Berufsrisiko, S. 47 ff.; Jungblut/Meßmer, ZfV 2001, 705 ff. 103 RegE KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 21. 104 So Semler/Peltzer, § 9 Rn. 178; vgl. auch die Kritik von Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 292 ff. m.w.Nachw. 105 Vgl. für den Vorstand Semler/Peltzer, § 9 Rn. 256; für den Aufsichtsrat Pielorz/Sieg, PHi 2000, 77. 106 Rohles, ZfV 2001, 267, 268: „Ein Meilenstein im Hinblick auf die Bedeutung der D&OVersicherung“.

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2. Teil: Entwicklung der D&O-Versicherung

entsprechenden Haftungsnormen verkörperten „kein lebendes Recht“107, war im Jahr 2000 in der Wirtschaftspresse von einem „Ende der Schonzeit“ die Rede.108 3. Weiterentwicklung der D&O-Versicherung Das Bild der Manager wurde um die Jahrtausendwende weiter erschüttert: Zu nennen sind die Skandale um die FlowTex Technologie GmbH & Co. KG, die EM.TV & Merchandising AG und die WestLB AG,109 daneben die aufsehenerregende Übernahme der Mannesmann AG durch die Vodafone Group, der Fall Deutsche Bank AG/ Kirch Media110 sowie die Insolvenz der Philipp Holzmann AG. Im Frühjahr 2000 begann der Neue Markt zusammenzubrechen, wodurch ein beträchtliches Vermögen verloren ging. Immer häufiger wurde Managern vorgeworfen, versagt zu haben. Die Entwicklungen in Rechtsprechung und Gesetzgebung und die kritischere Wahrnehmung der Öffentlichkeit führten dazu, dass den Organmitgliedern die Gefahren ihrer Tätigkeit immer deutlicher vor Augen geführt wurden. Die „Haftungsängste“ eröffneten den Versicherern weitere Geschäftsfelder.111 Dadurch galt die D&O-Versicherung schon im Jahr 2000 als „feste Größe“ am deutschen Versicherungsmarkt: Fast ausnahmslos hatten die „Top 100“ der Wirtschaftsunternehmen bereits einen entsprechenden Vertrag abgeschlossen.112 Indes kam das Aktienrecht nicht zur Ruhe. Die „Cromme-Kommission“ präsentierte 2002 den Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) mit Grundsätzen zur Unternehmensführung.113 Davor hatte im Jahr 2001 eine weitere Regierungskommission zur Corporate Governance unter Leitung von Baums ihren Abschlussbericht vorgelegt.114 Ein Teil der Kommissionsempfehlungen wurde 2002 durch das Transparenz- und Publizitätsgesetz (TransPuG)115 in geltendes Recht umgesetzt, mit dem

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Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. I, § 11 III 2 (S. 624); v. Werder, DB 1987, 2265; vgl. auch Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rn. 1; Schillinger, VersR 2005, 1484 f. 108 So Werres, manager magazin 8/2000, S. 92; vgl. auch Schillinger, VersR 2005, 1484 f. 109 Dazu Sieg/Schramm, PHi 2007, 30. 110 Dazu Sieg/Schramm, PHi 2004, 28; dies., PHi 2006, 110, jeweils m.w.Nachw. 111 Vgl. Klinkhammer, FS 100 Jahre DVS, S. 275, 280. 112 Vgl. Lattwein/Krüger, NVersZ 2000, 365, die das Prämienaufkommen am deutschen Markt im Jahr 2000 auf 150 Mio. DM schätzen. Nach Dreher, RWS-Forum Gesellschaftsrecht 2003, S. 203, 237 betrug das Prämienvolumen 2003 bereits etwa 250 Mio. Euro. 113 Die Bestimmungen werden regelmäßig überarbeitet und sind abrufbar unter corporategovernance-code.de (zuletzt abgerufen am 31. 5. 2010). Zu den Auswirkungen des Kodex auf die Managerhaftung Hempel/Wiemken, Managerhaftung im Wandel, S. 70 ff. 114 Vgl. Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance. Zur Zusammensetzung der Kommission näher Damken, Corporate Governance, S. 39 f. 115 Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität vom 19. 7. 2002, BGBl. I, S. 2681, in Kraft getreten am 26. 7. 2002.

§ 2 Entwicklung der Versicherung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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u. a. die Pflichten des Aufsichtrats erweitert wurden.116 Die als gesetzestechnisch komplizierter geltenden Vorschläge fanden schließlich 2005 durch das UMAG ihren Weg ins Gesetz. Dadurch vereinfachte sich u. a. die Möglichkeit, Ersatzansprüche der Gesellschaft geltend zu machen, erheblich.117 Die Haftungssituation der Organwalter verschärfte sich sowohl durch das UMAG118 als auch durch die BGHRechtsprechung zum Organisationsverschulden und zur Insolvenzverschleppung119 erneut. Die Reputation der Manager blieb denkbar schlecht.120 Dazu trug auch das weit über juristische Fachkreise beachtete Revisionsurteil im Fall „Mannesmann“ bei.121 Unter Anknüpfung an „ARAG/Garmenbeck“ folgerte der BGH für die vom Aufsichtsrat zu treffende Entscheidung über die Vergütung von Vorstandsmitgliedern, dass die Aufsichtsratsmitglieder als Verwalter fremden Vermögens im Unternehmensinteresse zu handeln und den Vorteil der Gesellschaft zu wahren hätten. Dieses Gebot stelle sich als Vermögensbetreuungspflicht iSd § 266 Abs. 1 StGB dar, wobei dem Aufsichtsrat ein Beurteilungsspielraum eröffnet sei.122 Das Mannesmann-Verfahren diente den Medien als willkommener Anlass, die Einkommen von Führungskräften mit denen „gewöhnlicher“Arbeitnehmer des entsprechenden Unternehmens zu vergleichen. Ein solcher Vergleich fehlt regelmäßig auch dann nicht, wenn Arbeitsplätze abgebaut oder Fehlentscheidungen der Unternehmensleiter, denen bisweilen kriminelle Energie vorgeworfen wird,123 bekannt werden. Immer neue Skandale tun ihr übriges, das negative Image der Organmitglieder in der Öffentlichkeit aufrecht zu erhalten. Der „Lustreisen-Affäre“ bei Volkswagen folgten der Bestechungsskandal bei der Siemens AG sowie die Steueraffäre um Liechtensteiner Stiftungen, in die der frühere Vorstandsvorsitzende der Deutschen Post AG, Klaus Zumwinkel, verwickelt war. Auch die vom US-Hypothekenmarkt ausgehende Finanz- und Wirtschaftskrise wird überwiegend am Fehlverhalten der 116 Ausf. Lieder, Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, S. 551 ff.; ferner Managerhaftung/Lutter, § 1 Rn. 13; Hempel/Wiemken, Managerhaftung im Wandel, S. 93 f. 117 Vgl. MünchHdbGesR/Wiesner, Bd. 4, § 26 Rn. 44; Spindler, NZG 2005, 865. 118 s. J. Koch, ZGR 2006, 769, 791; vgl. auch Spindler/Stilz, § 116 Rn. 3 (Aufsichtsrat). Zu den Auswirkungen des UMAG auf die D&O-Versicherung s. Schillinger, VersR 2005, 1484, 1489 ff. 119 MünchHdbGesR/Wiesner, Bd. 4, § 26 Rn. 44. Zur Bedeutung der Insolvenzverschleppungshaftung für die D&O-Versicherung s. Sieg/Schramm, PHi 2004, 28, 29. 120 Ihlas, VW 2004, 395 beruft sich auf eine GfK-Studie, nach der Manager im Vergleich zu anderen Berufsgruppen (vor Politikern) auf dem vorletzten Platz des Vertrauens rangieren. 121 BGHSt 50, 331 ff. = NJW 2006, 522; dazu Fleischer, DB 2006, 542: „Lehrstück über die Grenzen der Vorstandsvergütung im Aktienrecht“; zu den Auswirkungen auf Vorstandsverträge vgl. daneben Bauer/Arnold, DB 2006, 546 ff.; Fonk, NZG 2006, 813 ff.; HoffmannBecking, NZG 2006, 127 ff.; Kort, NZG 2006, 131 ff. Zum Urteil der Vorinstanz vgl. LG Düsseldorf NJW 2004, 3275 ff. 122 BGHSt 50, 331, 335 ff. = NJW 2006, 522: Bei der Ermessensentscheidung sei zwischen vertraglich vereinbarten und nicht vereinbarten Sonderzahlungen zu unterscheiden. Für die Zulässigkeit nicht vereinbarter Zahlungen komme es darauf an, ob sie der Gesellschaft einen „zukunftsbezogenen Nutzen“ brächten. 123 Vgl. Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 1.

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2. Teil: Entwicklung der D&O-Versicherung

Organwalter festgemacht. Als erste Reaktion auf die öffentlichkeitswirksame Kritik hat die Legislative das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung ACHTUNGRE(VorstACHTUNGREAG)124 verabschiedet, nach dem u. a. die Pflicht besteht, beim Abschluss eines D&O-Vertrags einen Selbstbehalt für Vorstandsmitglieder zu vereinbaren.125 Auch außerhalb der gesetzgeberischen Tätigkeit sind infolge der Wirtschaftskrise bei der D&O-Versicherung Änderungen zu erwarten, da die Versicherer mit erheblichen Schadensfällen konfrontiert sind.126 Als kurzfristige Reaktion sind mehrere Assekuranzen bereits aus dem D&O-Geschäft mit Finanzunternehmen ausgestiegen.127 Mit Bedingungsanpassungen und Prämienerhöhungen ist in absehbarer Zeit zu rechnen. 4. D&O-Versicherung als Standardprodukt Entsprach es bis vor zwei Jahrzehnten noch der allgemeinen Auffassung, dass grundsätzlich nur der Eigentümer eines Unternehmens für Schäden hafte, die sich aus der Verwirklichung des unternehmerischen Risikos ergeben, stellt es mittlerweile ein erhebliches Berufsrisiko für Manager dar, für Schäden persönlich in Anspruch genommen zu werden. Der Gesetzgeber und die Rechtsprechung haben die Organhaftung in den letzten Jahren deutlich effektiviert.128 Das Risiko einer persönlichen Inanspruchnahme erhöhte sich sowohl für Vorstands- als auch für Aufsichtsratsmitglieder deutscher Aktiengesellschaften beträchtlich.129 Die Entwicklung des Managerhaftungsrechts verläuft weiterhin mit hoher Dynamik.130 Der permanente Reformprozess in der Gesetzgebung, die Entwicklung der Rechtsprechung und der von öffentlichkeitswirksamen Schadensfällen131 beeinflussten Wahrnehmung in der Gesellschaft haben dafür gesorgt, dass die D&O-Versicherung in Deutschland mittlerweile weit verbreitet ist und jedenfalls bei der Aktiengesellschaft als Standardprodukt

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Vgl. Erster Teil Fn. 21. Dazu ausf. unter § 5 I. 1. 126 Dazu Terbille/Sieg, § 17 Rn. 19; Bank, VW 2008, 730 f.; Sieg/Schramm, PHi 2007, 172, 173; dies., PHi 2008, 174, 175; ferner Looschelders/Pohlmann/Haehling v. Lanzenauer, Anhang C Rn. 7, 33; Fromm, SZ vom 20. 5. 2009, S. 27. 127 s. Fromm, SZ vom 20. 5. 2009, S. 27; ferner Ries/Peiniger, Haftung und Versicherung von Managern, S. 167. 128 Vgl. Ulmer, FS Canaris, Bd. II, S. 451, 452; ferner Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rn. 1 f.; Kiethe, BB 2003, 537 f. 129 Vgl. MünchHdbGesR/Wiesner, Bd. 4, § 26 Rn. 44; Ek, Haftungsrisiken für Vorstand und Aufsichtsrat, S. 1; für das Innenverhältnis Peltzer, FS Westermann, S. 1257, 1261. 130 Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, S. 7. 131 Vgl. neben den angesprochenen Skandalen die Inanspruchnahme des damaligen Vorstandsvorsitzenden Schrempp durch die DaimlerChrysler AG, nachdem er den Zusammenschluss von Daimler und Chrysler in einem Interview nicht als Fusion, sondern als Übernahme durch Daimler bezeichnet hatte. Ein weiterer großer D&O-Schadensfall war die Schadensersatzklage von Aktionären der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG gegen die Unicredito Italiano SpA und deren Organmitglieder, dazu Sieg/Schramm, PHi 2007, 216. 125

§ 2 Entwicklung der Versicherung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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gilt.132 Schätzungen zufolge hat sich das Prämienvolumen von 1998 bis 2008 innerhalb von zehn Jahren von 20 Mio. DM auf rund 500 Mio. Euro etwa verfünfzigfacht, ein weiteres Wachstum wird vorhergesagt.133 Da die großen Wirtschaftsunternehmen mittlerweile nahezu ausnahmslos eine D&O-Versicherung abgeschlossen haben, ist in diesem Segment eine Marktsättigung eingetreten. Mittelgroße und kleinere Gesellschaften, aber auch Vereine sind ins Visier der Versicherer geraten.134

132 Beckmann/Matusche-Beckmann, § 28 Rn. 7; Managerhaftung/Sieg, § 16 Rn. 72; MünchHdbGesR/Wiesner, Bd. 4, § 26 Rn. 44; v. Bühren/Lenz, § 26 Rn. 4; Vorstandsrecht/ Fleischer, § 12 Rn. 5; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rn. 101, 454; Krüger, NVersZ 2001, 8. 133 Terbille/Sieg, § 17 Rn. 16; ferner Wellhöfer/Peltzer/Müller, § 20 Rn. 181. 134 Vgl. Henrich/Stölzel, WiWo 21/2008, S. 127, 129: „… stürzen sich die Assekuranzen auf den Mittelstand“; Lange, VW 2005, 1026; Lattwein/Krüger, NVersZ 2000, 365 f. Zur Haftung von Vereinsvorständen vgl. etwa Sieg/Schramm, PHi 2006, 142, 143.

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Dritter Teil

Grundlagen der D&O-Versicherung § 3 Rechtliche Einordnung I. Haftpflichtversicherung für fremde Rechnung Die D&O-Versicherung ist eine Haftpflichtversicherung, die von der Gesellschaft als Versicherungsnehmerin und Prämienschuldnerin im eigenen Namen zugunsten ihrer Organmitglieder, häufig auch ihrer leitenden Angestellten, abgeschlossen wird.1 Es handelt sich um eine Versicherung für fremde Rechnung iSd §§ 43 ff. VVG.2 Der Deckungsschutz umfasst grundsätzlich Vermögensschäden, die auf einer Pflichtverletzung der versicherten Personen in Ausübung ihrer leitenden Tätigkeit beruhen und gegenüber ihnen geltend gemacht werden.3 Vermögensschäden sind dabei alle Schäden, die weder Personen- noch Sachschäden sind und sich auch nicht aus solchen herleiten lassen.4 Allerdings wird teilweise in den Versicherungsbedingungen ein erweiterter Vermögensschadensbegriff vereinbart.5 Vom Versicherungsschutz umfasst sind regelmäßig sowohl die Personen, die erst nach Vertragsschluss in entsprechende Positionen der Gesellschaft gelangt sind, als auch Mitglieder der betreffenden Gruppen, die bereits vor dem Vertragsschluss oder dem Versicherungsfall aus ihrer Position ausgeschieden sind.6 Häufig erstreckt 1 Die leitenden Angestellten werden im Folgenden regelmäßig, der praktischen Bedeutung und der Übersichtlichkeit geschuldet, nicht gesondert erwähnt. 2 Allgemeine Ansicht, vgl. OLG Düsseldorf NJOZ 2007, 1242; OLG München AG 2005, 817; LG Düsseldorf, Urteil vom 26. 1. 2006, 11 O 591/04, S. 12 (nicht veröffentlicht); LG Marburg DB 2005, 437, 438; Managerhaftung/Sieg, § 16 Rn. 23; Vorstandsrecht/Fleischer, § 12 Rn. 6, 26; Damken, Corporate Governance, S. 138; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rn. 458; R. Koch, GmbHR 2004, 18, 22 f.; ders., WuB IV F. § 149 VVG 1.06, 407 ff.; Langheid/Grote, VersR 2005, 1165, 1166; Peltzer, FS Westermann, S. 1257, 1265 f. Zur Geschichte der Versicherung für fremde Rechnung Anli, Versicherung für fremde Rechnung, S. 7 ff. 3 Halm/Engelbrecht/Krahe/Held, 33. Kap., Rn. 21 f.; MünchHdbGesR/Wiesner, Bd. 4, § 26 Rn. 44. 4 Statt aller Ihlas, D&O, S. 54. 5 Vgl. etwa § 1 Nr. 2 der Allgemeinen Bedingungen zur VOV D&O-Versicherung (AVBVOV 2008). 6 Statt vieler Beckmann/Matusche-Beckmann, § 28 Rn. 56. Vgl. aus der Praxis zB Klausel 1.1 der GDV-Musterbedingungen 2008 (AVB-AVG) sowie § 5 Nr. 1.7 der Allgemeinen Bedingungen zur VOV D&O-Versicherung (AVB-VOV 2008).

§ 3 Rechtliche Einordnung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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sich die D&O-Versicherung darüber hinaus auf die Organmitglieder der Tochtergesellschaften.7 Im Versicherungsfall schuldet der Versicherer die Abwehr unbegründeter sowie die Befriedigung begründeter Ansprüche (Rechtsschutz- und Schadensausgleichsfunktion), § 100 VVG.8 Er hat ein Wahlrecht, ob er die Ansprüche zunächst abwehren möchte, indem er den Versicherten Rechtsschutz gewährt, oder ob er die Ansprüche als begründet erachtet und den Schädiger freistellt.9 Da die Innenhaftung den wesentlichen Anwendungsbereich der D&O-Versicherung ausmacht,10 ist die Aktiengesellschaft regelmäßig auch gefährdete Dritte iSd § 100 VVG. Die Person des Versicherungsnehmers kann also mit der des Drittgeschädigten zusammenfallen.11 Die D&OVersicherung stellt als Versicherung für fremde Rechnung eine gesetzlich besonders ausgestaltete Form des Vertrags zugunsten Dritter iSd §§ 328 ff. BGB dar.12 Der versprechende Versicherer verpflichtet sich, die vertragliche Leistung nicht an seinen Vertragspartner und Versprechensempfänger, sondern an die versicherten Dritten zu bewirken. Der Vertrag zwischen ihm und der Aktiengesellschaft ist als Deckungsverhältnis die causa für seine Leistungspflicht an die Versicherten. Zu beachten ist das aus dem Wesen der Haftpflichtversicherung hergeleitete grundlegende Trennungsprinzip, nach dem das Haftpflichtverhältnis zwischen versi7 Ausf. Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 121 ff.; ferner Beckmann/Matusche-Beckmann, § 28 Rn. 51; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rn. 460. 8 Vgl. schon RGZ 150, 227, 229; ausf. Managerhaftung/Sieg, § 16 Rn. 45 ff.; ders., in: Terbille, § 17 Rn. 126 ff.; Kiethe, BB 2003, 537, 538; Lattwein/Krüger, VW 1997, 1366, 1371; Schillinger, VersR 2005, 1484, 1485. 9 Vgl. BGH NJW 1956, 826, 827; GroßkommGmbHG/Paefgen, § 43 Rn. 260; Halm/Engelbrecht/Krahe/Held, 33. Kap., Rn. 28; Managerhaftung/Sieg, § 16 Rn. 45, 52; ders., in: Terbille, § 17 Rn. 126. 10 Dazu bereits unter § 1 I. 1. 11 Vgl. Looschelders/Pohlmann/Schulze Schwienhorst, § 100 Rn. 15; Baumann, VersR 2006, 455, 457; Dreher, DB 2005, 1669, 1674; R. Koch, GmbHR 2004, 18, 23; v. Westphalen, DB 2005, 431, 432 ff.; ferner OLG München AG 2005, 817 f. Unzutreffend LG Marburg DB 2005, 437, 438: In der Haftpflichtversicherung könne der Geschädigte nicht gleichzeitig Versicherungsnehmer sein. 12 Aus der Rechtsprechung RGZ 89, 21, 25; RGZ 130, 237, 241 f.; BAGE 5, 360 ff. = NJW 1958, 764; LG Bonn NJW 1955, 1034; LG Marburg DB 2005, 437, 438; aus dem Schrifttum bereits Anli, Versicherung für fremde Rechnung, S. 16 ff.; Lenn, Das Versicherungsgeschäft für fremde Rechnung, S. 32 ff.; Ruscher, Besonderheiten des Versicherungsanspruchs, S. 17 ff.; Trautmann, Innenverhältnis bei der Versicherung für fremde Rechnung, S. 15 ff.; Asmus/Bühnemann/Gärtner/Möller/Sieg/Winter, ZVersWiss 59 (1970), 17, 20 ff.; Schirmer, FS Sieg, S. 451, 475; aus neuerer Zeit Bamberger/Roth/Janoschek, § 328 Rn. 41; BK/Hübsch, § 74 Rn. 1, 5, 14, § 75 Rn. 1; Bruck/Möller/Baumann, § 1 Rn. 148; MünchKommBGB/Gottwald, § 328 Rn. 80; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch, Vor §§ 43 – 48 VVG Rn. 2, § 44 VVG Rn. 2; Staudinger/Jagmann (2009), § 328 Rn. 226 f., § 334 Rn. 2; Beckmann/MatuscheBeckmann/Armbrüster, § 6 Rn. 91; v. Bühren, § 1 Rn. 63, 469, 621, 954; Damken, Corporate Governance, S. 139 f.; Deutsch, Versicherungsvertragsrecht, Rn. 102; R. Koch, GmbHR 2004, 18, 23; Seibt/Saame, AG 2006, 901 f. Einschränkend Bayer, Vertrag zugunsten Dritter, S. 169 ff.

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3. Teil: Grundlagen der D&O-Versicherung

chertem Schädiger und geschädigtem Dritten vom Deckungsverhältnis, das die Rechtsbeziehungen des Versicherten zum Versicherer umfasst, streng zu unterscheiden ist.13 Weil der geschädigte Dritte zum Versicherer in keiner unmittelbaren Rechtsbeziehung steht, kann er ihm gegenüber regelmäßig auch keinen Direktanspruch geltend machen.14 Dieser schuldet die Befriedigung des Deckungsanspruchs oder die Freistellung des Versicherten erst dann, wenn die Haftungslage geklärt ist. Der Haftpflichtprozess, in dem entschieden wird, ob und in welcher Höhe der Versicherte gegenüber dem Geschädigten einstehen muss, geht dem Deckungsprozess, in dem es um die Eintrittspflicht des Versicherers gegenüber dem versicherten Schädiger geht, voraus.15 Ein Zahlungsanspruch im Deckungsprozess ist deshalb solange unbegründet, bis der Haftpflichtprozess entsprechend entschieden wurde, wobei eine Bindungswirkung besteht: Das Ergebnis des Haftpflichtprozesses ist für die Deckungsfrage grundsätzlich verbindlich.16

II. Rechte aus dem Versicherungsvertrag Die Rechte aus dem Versicherungsvertrag sind gemäß § 44 Abs. 1 VVG, der nicht zu Lasten der Versicherten abdingbar ist,17 materiell dem versicherten Organmitglied zugewiesen. Allerdings kann der Versicherungsnehmer über sie nach § 45 Abs. 1 VVG im eigenen Namen verfügen. Es handelt sich um einen Fall der Prozessstandschaft. Die versicherte Person kann demgegenüber ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers nur über ihre Rechte verfügen, wenn sie im Besitz des Versicherungsscheins ist, § 44 Abs. 2 VVG, dessen Herausgabe vom Versicherer nach § 44 Abs. 1 S. 2 VVG nur der Versicherungsnehmer verlangen kann: Damit ist die materielle Rechtszuständigkeit vom formellen Verfügungsrecht abgespalten. Dies dient zum 13 s. Schwintowski/Brömmelmeyer/Retter, § 100 VVG Rn. 56; Beckmann/MatuscheBeckmann/Schneider, § 24 Rn. 4; Managerhaftung/Sieg, § 16 Rn. 19 ff.; ders., in: Terbille, § 17 Rn. 157, 173; Gräfe/Brügge, Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung, Rn. 39 ff.; Wellhöfer/Peltzer/Müller, § 20 Rn. 187. Das Trennungsprinzip ist stetige Rechtsprechung, vgl. BGHZ 117, 345, 349 f. = NJW 1992, 1509; BGHZ 119, 276, 277 = NJW 1993, 68; BGH NJWRR 2001, 1311, 1312; BGH NJW-RR 2004, 676; BGH NJW 2006, 289, 290 f.; BGH NJWRR 2007, 827 f. Für eine Abbedingung bei der D&O-Versicherung aber Peltzer, NZG 2009, 970, 972 ff. 14 Langheid/Grote, VersR 2005, 1165, 1170 m.w.Nachw. 15 Vgl. auch R. Koch, FS Winter, S. 345, 348 f. 16 Vgl. aus der (stetigen) Rechtsprechung BGHZ 117, 345, 350 f. = NJW 1992, 1509; BGHZ 119, 276, 277 ff. = NJW 1993, 68; BGH MDR 1959, 465 f.; BGH NJW-RR 2001, 1311, 1312; BGH NJW-RR 2004, 676; BGH NJW 2006, 289, 290; BGH NJW-RR 2007, 827 f.; aus dem Schrifttum Schwintowski/Brömmelmeyer/Retter, § 100 VVG Rn. 58 ff.; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider, § 24 Rn. 5 f.; Halm/Engelbrecht/Krahe, 23. Kap., Rn. 3; Terbille/Sieg, § 17 Rn. 157; R. Koch, FS Winter, S. 345, 348 ff. 17 Dazu RegE, BT-Drucks. 16/3945, S. 73; Beckmann/Matusche-Beckmann/Armbrüster, § 6 Rn. 149. Zur nur redaktionell abweichenden Vorgängervorschrift (§ 75 Abs. 1 VVG aF) statt vieler BK/Hübsch, § 75 Rn. 18; Prölss/Martin/Prölss, § 76 Rn. 15.

§ 3 Rechtliche Einordnung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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einen der zweckmäßigen Vertragsabwicklung, indem es der Versicherer nur mit dem Versicherungsnehmer zu tun bekommt, gibt dem Versicherungsnehmer als Vertragspartner und Prämienschuldner zum anderen ein Druckmittel, um seine Position zu stärken.18 Bei der Innenhaftung fällt der Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen den Organwalter mit ihrer formellen Berechtigung zusammen, dessen deckungsrechtlichen Anspruch gegen den Versicherer geltend zu machen, § 45 Abs. 1 VVG. Die Aktiengesellschaft kann damit mittelbar von der Versicherung Ersatz für Schäden verlangen, die auf einer Pflichtverletzung der eigenen Organmitglieder beruhen. Sie hat jedoch auch in einem solchen Fall keinen direkten Zahlungsanspruch gegen den Versicherer. Dessen Recht, die Anspruchsabwehr zu wählen, steht wie das Trennungsprinzip der Haftpflichtversicherung einem solchen Anspruch entgegen.19 Der Einwand, in Fällen der Innenhaftung sei das Wahlrecht ausgeschlossen, weil der Versicherer mit der Gewährung von Rechtsschutz gegen die Interessen des Versicherungsnehmers und damit seines Vertragspartners verstoße, verfängt nicht. Es handelt sich dabei vielmehr um die Konsequenz des Trennungsprinzips bei der Versicherung für fremde Rechnung: Der Haftungsgläubiger ist auch dann nicht in den Schutzbereich der Haftpflichtversicherung eingeschlossen, wenn er als Versicherungsnehmer faktisch von der Versicherung geschützt wird und zudem als Vertragspartner die Prämien trägt.20 Das Gesellschaftsinteresse, einen Haftungsprozess mit Hilfe eines direkten Anspruchs gegen den Versicherer zu vermeiden, muss hinter dem Interesse des Versicherers an möglichst effektiver Anspruchsabwehr zurückstehen. In der Praxis modifizieren die Vertragsparteien darüber hinaus § 44 Abs. 2 VVG häufig zugunsten der Versicherten, indem sie diesen unabhängig davon ein Verfügungsrecht einräumen, in wessen Besitz sich der Versicherungsschein befindet. Daneben wird das Verfügungsrecht des Versicherungsnehmers aus § 45 Abs. 1 VVG regelmäßig vertraglich ausgeschlossen.21

18 Vgl. MünchKommBGB/Gottwald, § 328 Rn. 84; Halm/Engelbrecht/Krahe/Wandt, 1. Kap., Rn. 679 ff.; ders., Versicherungsrecht, Rn. 696 f.; Terbille, § 2 Rn. 260; Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 55. 19 Vgl. OLG München AG 2005, 817 ff.; LG Düsseldorf, Urteil vom 26. 1. 2006, 11 O 591/ 04, S. 12 (nicht veröffentlicht); LG Köln BeckRS 2007, 11278 m. Anm. Kretschmer, EWiR § 305 BGB 1/08, 609; LG Marburg DB 2005, 437 ff.; GroßkommGmbHG/Paefgen, § 43 Rn. 260 f.; Terbille/Sieg, § 17 Rn. 170, 173 ff.; Damken, Corporate Governance, S. 144 f.; Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 58; Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 37, 39; R. Koch, GmbHR 2004, 18, 23 f.; ders., WM 2007, 2173, 2176 f.; v. Westphalen, DB 2005, 431, 434 ff.; aA Säcker, VersR 2005, 10 f.: Das Trennungsprinzip sei „Nachwirkung versicherungsdogmatischer Begriffsjurisprudenz“. Zur Prozessstandschaft bei der Versicherung für fremde Rechnung s. OLG Köln NVersZ 2002, 515, 516. 20 OLG München AG 2005, 817, 818. 21 Vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 26. 1. 2006, 11 O 591/04, S. 13 f. (nicht veröffentlicht); LG München I VersR 2005, 543, 544; Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 56 ff. m.Nachw. aus Bedingungswerken; ferner Schäfer, D&O-Versicherung, S. 45; Wandt, Versicherungsrecht, Rn. 700; Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 36; Lange, VersR 2007, 893, 894 f. In einem solchen

44 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

3. Teil: Grundlagen der D&O-Versicherung

Ein direkter Zahlungsanspruch der juristischen Person ist auch nicht mit dem Argument zu begründen, für Innenhaftungsfälle handle es sich bei der D&O-Versicherung nicht um eine Versicherung für fremde Rechnung, sondern um eine Eigenschadenversicherung der Gesellschaft.22 Auch wenn sie bei wirtschaftlicher Betrachtung zumindest im Innenverhältnis überwiegend dem Schutz der Versicherungsnehmerin dient,23 ändert dies nichts an ihrer versicherungsrechtlichen Konzeption als Haftpflichtversicherung zugunsten der Versicherten:24 Aus versicherungsrechtlicher Sicht ist sie insgesamt auf die Absicherung der Organmitglieder vor Ersatzansprüchen gerichtet,25 der Schutz der Gesellschaft vor einem Forderungsausfall im Innenverhältnis ist – versicherungsrechtlich betrachtet – lediglich eine mittelbare Folge. Die Tatsache, dass durch die Innenverhältnisdeckung Eigenschäden in eine FremdHaftpflichtversicherung eingeschlossen werden, macht aus dieser keine Eigenschadenversicherung.26 Ordnete man die Versicherung für den Bereich der Innenhaftung als solche ein, liefe das ihrer grundsätzlichen Konzeption zuwider. Überdies wird gegen einen Direktanspruch des Versicherers verbreitet vorgebracht, der Haftungsprozess sei in Innenhaftungsfällen erforderlich, um die Gefahr eines kollusiven Zusammenwirkens der Gesellschaft mit dem versicherten Organmitglied (sog. freundliche Inanspruchnahme)27 zu Lasten des Versicherers gering zu halten. Durch einen unmittelbaren Anspruch erhalte der Versicherungsnehmer die Möglichkeit, sich des Organmitglieds im Prozess als Zeugen zu bedienen, wodurch der Versicherer in seiner Beweisführung beeinträchtigt werde.28 Dieser Einwand erscheint jedoch konstruiert und überzeugt nicht. Die Aussagen eines Zeugen unterliegen der freien richterlichen Beweiswürdigung, § 286 ZPO. Es ist anzunehmen, dass der Richter die Verbindung zwischen der Gesellschaft und dem Organwalter erkennen und bei der Bewertung der Aussagen berücksichtigen wird.29 Zudem unterliegt (üblichen) Ausschluss liegt keine überraschende Regelung iSd § 305c BGB, aA aber MünchKommBGB/Basedow, § 305c Rn. 16. 22 So auch LG Düsseldorf, Urteil vom 26. 1. 2006, 11 O 591/04, S. 13 (nicht veröffentlicht); Dreher, DB 2005, 1669, 1673 f.; Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 38; Langheid/Grote, VersR 2005, 1165, 1168; R. Koch, WuB IV F. § 149 VVG 1.06, 407, 409; v. Westphalen, DB 2005, 431, 432; ferner Rüffer/Halbach/Schimikowski/Muschner, § 43 Rn. 22; Lange, VersR 2007, 893, 896; aA wohl noch Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 243 f. 23 Dazu noch ausf. unter § 3 III. 24 Vgl. auch Terbille/Sieg, § 17 Rn. 61. 25 Vgl. Ulmer, FS Canaris, Bd. II, S. 451, 460. 26 Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 38. 27 Zum verbreiteten Problem der „freundlichen Inanspruchnahme“ statt vieler Schmitt, Organhaftung und D&O-Versicherung, S. 146 ff.; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rn. 470 f. 28 So zB OLG München AG 2005, 817, 818; GroßkommGmbHG/Paefgen, § 43 Rn. 261; Kammerer-Galahn, AnwBl 2009, 77, 83; R. Koch, WuB IV F. § 149 VVG 1.06, 407, 408; Langheid/Grote, VersR 2005, 1165, 1172. 29 Vgl. Langheid, FS Winter, S. 367, 378; ferner KölnKomm/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 245; Böttcher, NZG 2008, 645, 648; Schirmer, ZVersWiss 96 (2007), Supplement, S. 427, 436.

§ 3 Rechtliche Einordnung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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ein Zeuge der strafbewehrten Wahrheitspflicht, §§ 153 ff. StGB.30 Ein kollusives Zusammenwirken ist demgegenüber gerade dann denkbar, wenn die Gesellschaft keinen unmittelbaren Anspruch gegen den Versicherer hat. In einem solchen Fall ist es dem Organmitglied möglich, die haftungsbegründenden Tatsachen im Haftpflichtprozess zu gestehen, woran der Richter gebunden ist, § 138 Abs. 3 ZPO. Durch die Bindungswirkung des Haftpflichtprozesses wirkt das Geständnis auch auf die Deckungsfrage fort. Eine „freundliche Inanspruchnahme“ wird durch einen Direktanspruch des Versicherers jedenfalls nicht entscheidend erleichtert. Dennoch ist ein unmittelbarer Zahlungsanspruch der Gesellschaft gegen den Versicherer im Regelfall nicht anzuerkennen. Allerdings steht es den Versicherten nach der VVG-Reform offen, ihren Deckungsanspruch an den geschädigten Dritten abzutreten. Ein bislang in den Versicherungsbedingungen übliches Abtretungsverbot ist nur noch individualvertraglich zulässig, § 108 Abs. 2 VVG.31 Die Besonderheiten der D&O-Versicherung stehen einer solchen Abtretung in Innenhaftungsfällen grundsätzlich nicht entgegen.32 Auch die Ansicht, der Versicherungsnehmer könne nicht Dritter iSd Norm sein, die nur außerhalb des Vertragsverhältnisses stehende Personen erfasse, ist nicht stichhaltig.33 Vielmehr wird der Geschädigte in der Haftpflichtversicherung regelmäßig als „Dritter“ bezeichnet (vgl. etwa § 100 VVG), wobei anerkannt ist, dass die Person des Drittgeschädigten mit der des Versicherungsnehmers übereinstimmen kann. Allerdings sind auch nach einer Abtretung Haftpflicht- und Deckungsanspruch weiterhin voneinander zu unterscheiden; die Gesellschaft kann ausschließlich aus dem abgetretenen Deckungsanspruch vorgehen.34 Dieser zunächst auf Freistellung des Organwalters gerichtete Anspruch wandelt sich in der Hand der geschädigten Gesellschaft erst dann in einen fälligen und begründeten Zahlungsanspruch gegen den Versicherer um, wenn die Haftpflichtlage – möglicherweise auch inzident im selben Prozess35 – geklärt ist (vgl. auch § 106 VVG).36 Die

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Vgl. (auch zum Folgenden) Böttcher, NZG 2008, 645, 648. Ausf. zu dieser Neuregelung Böttcher, NZG 2008, 645 ff.; Grote/Schneider, BB 2007, 2689, 2697 ff.; R. Koch, FS Winter, S. 345, 350 ff.; Lange, r+s 2007, 401, 403 ff.; ders., VersR 2008, 713 ff.; Langheid, VersR 2007, 865, 866 ff.; Littbarski, PHi 2007, 176, 179 ff.; Schimmer, VersR 2008, 875 ff.; Schramm, PHi 2008, 24 f.; Schramm/Wolf, r+s 2009, 358 ff.; Thalmair, ZVersWiss 96 (2007), Supplement, S. 459, 463 ff. 32 s. aber Armbrüster, NJW 2009, 187, 192, der eine Abtretung in einer solchen Konstellation für unzulässig hält. 33 So im Ergebnis auch Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 41 f.; aA Rüffer/Halbach/ Schimikowski, § 108 Rn. 6; Simon-Widmann, in: Haftung von Unternehmensorganen, Kap. 18, Rn. 107; Ihlas, D&O, S. 408 ff.; wohl auch Kammerer-Galahn, AnwBl 2009, 77, 83. 34 Bank, VW 2008, 730, 733; Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 42. 35 Vgl. Beckmann/Matusche-Beckmann, § 18 Rn. 7c; Beckmann/Matusche-Beckmann/ Schneider, § 24 Rn. 46. 36 s. (zT weitergehend): Bank, VW 2008, 730, 733; Lange, r+s 2007, 401, 403 f.; ders., VersR 2008, 713, 714 ff.; Schramm, PHi 2008, 24 f.; Schramm/Wolf, r+s 2009, 360 f. AA R. Koch, r+s 2009, 133, 135. 31

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3. Teil: Grundlagen der D&O-Versicherung

Einwendungen gegen den Versicherten bleiben dem Versicherer dabei erhalten, § 404 BGB.37 Die Aktiengesellschaft behält bei der D&O-Versicherung die Rechte, die unmittelbaren Einfluss auf das Bestehen des Vertrags haben. Dazu gehören etwa die Gestaltungsrechte der Anfechtung und der Kündigung.38 Dies ergibt sich aus der Stellung der juristischen Person als Versicherungsnehmerin, die auch alle Vertragspflichten, wie die zur Prämienzahlung, treffen.39 Etwas anderes wäre auch praktisch nicht durchführbar, weil es bei der Versicherung für fremde Rechnung ausdrücklich möglich ist, dass die begünstigten Versicherten vom Abschluss der Versicherung nichts wissen, vgl. § 47 Abs. 2 VVG. Gerade bei der D&O-Versicherung, bei der die versicherten Personen regelmäßig entsprechend § 43 Abs. 1 VVG auch nicht namentlich benannt werden, ist eine solche Situation kein Einzelfall.40 Auch wenn den Versicherten ihr Deckungsschutz bekannt ist, werden sie gewöhnlich nicht mit den Einzelheiten des Vertrags vertraut sein,41 sodass es auch sinnvoll ist, die unmittelbar den Bestand des Vertrags betreffenden Rechte beim Versicherungsnehmer zu belassen.

III. Abschluss im überwiegenden Gesellschaftsinteresse Trotz ihrer versicherungsrechtlichen Qualifizierung als Versicherung für fremde Rechnung wird die D&O-Versicherung nach zutreffender Ansicht tatsächlich im überwiegenden Gesellschaftsinteresse abgeschlossen.42 Die Gegenmeinung geht 37 Vgl. dazu Lange, r+s 2007, 401, 403; ders., VersR 2008, 713, 715 f.; ferner Looschelders/Pohlmann/Haehling v. Lanzenauer, Anhang C Rn. 54, 57; Schwintowski/Brömmelmeyer/ Retter, § 108 VVG Rn. 41; Terbille/Sieg, § 17 Rn. 185; Wandt, Versicherungsrecht, Rn. 1070. Im Rahmen des § 404 BGB ist der Begriff der „Einwendung“ weit zu verstehen, statt vieler Palandt/Grüneberg, § 404 Rn. 2. 38 Vgl. BK/Hübsch, § 75 Rn. 3; Prölss/Martin/Prölss, § 74 Rn. 8; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch, § 44 VVG Rn. 7 f.; Beckmann/Matusche-Beckmann/Armbrüster, § 6 Rn. 98; Halm/Engelbrecht/Krahe/Wandt, 1. Kap., Rn. 677; Terbille, § 2 Rn. 259; Nießen, Versicherung für fremde Rechnung, S. 53 ff.; Pammler, Gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung, S. 32; Dreher, AG 2008, 429, 436; Lange, DStR 2002, 1626, 1629. 39 s. auch Pammler, Gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung, S. 32; Dreher, AG 2008, 429, 436. 40 Vgl. Terbille/Sieg, § 17 Rn. 62; Dreher, ZHR 165 (2001), 293, 318. 41 Terbille/Sieg, § 17 Rn. 70. 42 So auch Bürgers/Körber/Israel, § 87 Rn. 3, § 113 Rn. 13; GroßkommAktG/Kort, § 87 Rn. 232; Heidel/Breuer/Fraune, § 112 AktG Rn. 6; Heidel/Oltmanns, § 87 AktG Rn. 2 m. Fn. 2; Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, 3.8 Rn. 517; Scholz/U.H. Schneider, § 43 Rn. 437 (für die GmbH); Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 289; ders., in: Vorstandsrecht, § 12 Rn. 12; MünchHdbGesR/Wiesner, Bd. 4, § 26 Rn. 46; Semler/v. Schenk/Wagner, § 10 Rn. 48; v. Bühren/Lenz, § 26 Rn. 26; Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, S. 133 f.; Beiner, Vorstandsvertrag, Rn. 443; Ek, Haftungsrisiken für Vorstand und Aufsichtsrat, S. 209; Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung, S. 18 f.; Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 208, 233; Bender/Vater, VersR 2003, 1376;

§ 3 Rechtliche Einordnung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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davon aus, die Versicherung diene vorrangig dem Schutz der versicherten Personen, was sich aus der versicherungsrechtlichen Einordnung ergebe und durch ein Urteil des OLG München bestätigt werde.43 Das versicherte und versicherungsrechtlich relevante Interesse der Organmitglieder, Rechtsschutz zu erhalten und von einer möglichen Schadensersatzpflicht befreit zu werden, ist aber vom tatsächlichen Interesse als Beweggrund für den Abschluss der D&O-Versicherung zu unterscheiden. Die rechtstechnische Gestaltung darf nicht über die tatsächliche Interessenlage hinwegtäuschen, die von der versicherungsrechtlichen Einordnung auch nicht vorgezeichnet wird.44 Für die formale Einstufung einer Versicherung als solche für fremde Rechnung ist es deshalb nicht erforderlich, dass der vordergründige Beweggrund des Vertragsschlusses in der Absicherung fremder Interessen liegt.45 Vielmehr ist die versicherungsrechtliche Charakterisierung als Fremdversicherung schon dadurch begründet, dass Deckungsansprüche allein in Person der Versicherten entstehen können;46 sie ist nicht von der Frage abhängig, wessen tatsächliche und wirtschaftliche Interessen durch den Abschluss der Versicherung primär verfolgt werden. Ein wirtschaftliches Eigeninteresse schließt daher die Annahme einer Fremdversicherung nicht aus.47 Deshalb ist auch der Verweis der Gegenansicht auf das OLG München nicht zielführend: Das entsprechende Urteil bestätigt nur, dass die D&O-Versicherung aus versicherungsrechtlicher Sicht dem Schutz der Organmitglieder dient.48 Da die versicherungsrechtliche Betrachtung aber nicht entscheidend ist, um die tatsächliche Interessenlage an der D&O-Versicherung zu beurteilen,49 muss diese Beurteilung, die insDreher, ZHR 165 (2001), 293, 313, 315 f.; ders., DB 2001, 996, 997 f.; ders., AG 2008, 429; Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 34; Hanau, FS Lorenz, S. 283, 290; Küppers/Dettmeier/Koch, DStR 2002, 199, 202 f.; Notthoff, NJW 2003, 1350, 1354 f.; Säcker, VersR 2005, 10 f.; Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550, 551; Seibt/Saame, AG 2006, 901, 902; Steinkühler/Wilhelm, VP 2005, 142, 145; s. auch (unter bestimmten Voraussetzungen) die Finanzverwaltung, vgl. BFM vom 24. 1. 2002, AG 2002, 287; ferner Erlass des FM Niedersachsen vom 25. 1. 2002, DStR 2002, 678; wohl auch GroßkommGmbHG/Paefgen, § 43 Rn. 257 (für die GmbH). 43 Vgl. Terbille/Sieg, § 17 Rn. 38, 59 (u. a. unter Berufung auf OLG München AG 2005, 817); Henssler, RWS-Forum Gesellschaftsrecht 2001, S. 131, 145; Klinkhammer, VP 2007, 88, 89; Lange, VersR 2007, 893, 895 (entgegen seiner früheren Auffassung, vgl. ders., ZIP 2001, 1524, 1526 [Versicherung des Aufsichtsrats]; ders., DStR 2002, 1626, 1628 f.; ders., AWR 2004, 172, 174); Schillinger, VersR 2005, 1484, 1486; wohl auch Halm/Engelbrecht/Krahe/ Held, 33. Kap., Rn. 18; v. Westphalen, DB 2005, 431, 434. 44 Vgl. Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, 3.8 Rn. 515. Im Grundsatz auch Ulmer, FS Canaris, Bd. II, S. 451, 460. 45 s. Dreher, ZHR 165 (2001), 293, 320 f.; vgl. auch ders., DB 2005, 1669, 1671. 46 Vgl. Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch, § 47 VVG Rn. 6; Beckmann/MatuscheBeckmann/Armbrüster, § 6 Rn. 1. 47 Vgl. BVerwG VersR 1987, 273, 276; Dreher, ZHR 165 (2001), 293, 320 f.; ders., DB 2005, 1669, 1671; ferner Prölss/Martin/Prölss, § 74 Rn. 1; Schwintowski/Brömmelmeyer/ Hübsch, § 43 VVG Rn. 13; Damken, Corporate Governance, S. 143 ff. 48 OLG München AG 2005, 817: „… aus versicherungsrechtlicher Sicht nicht gefolgt werden.“ Ähnlich LG Marburg DB 2005, 437, 438: „jedenfalls aus versicherungsrechtlicher Sicht“; ferner R. Koch, GmbHR 2004, 18, 22. 49 Ähnlich Dreher, DB 2005, 1669, 1671.

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3. Teil: Grundlagen der D&O-Versicherung

besondere für gesellschaftsrechtliche Fragen wie nach der Vergütungseigenschaft der Versicherungsprämien relevant ist, unabhängig davon erfolgen.50 Das überwiegende Eigeninteresse der Gesellschaft ergibt sich in erster Linie aus der Tatsache, dass Innenhaftungsfälle den wesentlichen Anwendungsbereich der D&O-Versicherung ausmachen. Die Versicherung dient vor allem dem Schutz des Gesellschaftsvermögens gegenüber dem Insolvenzrisiko der versicherten Personen, indem sie es, insbesondere bei hohen Schadenssummen, erheblich wahrscheinlicher macht, Ansprüche erfolgreich durchzusetzen.51 Die Versicherungsnehmerin versichert sich bei wirtschaftlicher Betrachtung hauptsächlich selbst gegen das Risiko, mit einem Anspruch auszufallen.52 Allerdings erleichtert es die Versicherung nicht nur, Ansprüche zu realisieren, sondern fördert bereits deren Geltendmachung: Die Verpflichtung von Vorstand und Aufsichtsrat, Ansprüche gegen ein Mitglied des jeweils anderen Organs zu verfolgen, hängt nach den Grundsätzen des Urteils „ARAGGarmenbeck“ auch von der Wahrscheinlichkeit ihrer Durchsetzung ab. Zudem senkt die D&O-Versicherung die Hemmschwelle zur Anspruchsverfolgung, weil zum einen sachfremde Erwägungen wie Mitleid oder persönliche Verbundenheit mit dem Schädiger zurücktreten, das zur Anspruchsverfolgung verpflichtete Organ zum anderen seltener aus Furcht vor eigener Verantwortlichkeit von einer Geltendmachung absehen wird, wenn es selbst in den Versicherungsschutz eingeschlossen ist.53 Für ein überwiegendes Gesellschaftsinteresse spricht darüber hinaus, dass ausreichender Versicherungsschutz mittlerweile eine entscheidende Voraussetzung ist, um geeignete Führungskräfte zu gewinnen.54 Ist eine solche Entwicklung in den

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Vgl. dazu § 5 II. Vgl. bereits die Ausführungen unter § 1 I. 1. 52 So Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550, 551; ebenso Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung, S. 15. 53 s. Managerhaftung/Lutter, § 1 Rn. 26; Pammler, Gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung, S. 66 ff.; Loritz, FS Rechberger, S. 327, 330; Peltzer, FS Westermann, S. 1257, 1265; Schillinger, VersR 2005, 1484, 1489. 54 Vgl. Heidel/Breuer/Fraune, § 112 AktG Rn. 6; Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 288; ders., in: Vorstandsrecht, § 12 Rn. 11; Forstmoser/Sprecher/Töndury, Persönliche Haftung nach Schweizer Aktienrecht, Rn. 254; Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&OVersicherung, S. 15; Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 208; Sauer, Haftung für Falschinformation, S. 252 f.; Dreher, ZHR 165 (2001), 293, 310; Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 53; Haller, FS Forstmoser, S. 249, 252 f.; Hanau, FS Lorenz, S. 283, 290; Kiethe, BB 2003, 537, 539; Lange, DStR 2002, 1626, 1629; Notthoff, NJW 2003, 1350, 1354; Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550, 551; Seibt/Saame, AG 2006, 901, 906; in diese Richtung auch GroßkommGmbHG/ Paefgen, § 43 Rn. 257; Scholz/U.H. Schneider, § 43 Rn. 437 (beide für die GmbH); Beiner, Vorstandsvertrag, Rn. 442; Diezi, Versicherbarkeit der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit, S. 91, 112. s. auch Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 13 Rn. 851 mit Hinweis auf die immer häufiger gestellte „Gretchenfrage“: „wie hast dus mit meiner Versicherungsdeckung?“. Kritisch Pammler, Gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung, S. 110 f., der das Argument mit der Behauptung „ad absurdum“ führen möchte, mit einer solchen Sichtweise läge auch die Entgeltzahlung im überwiegenden Gesellschaftsinteresse. Dabei übersieht er, dass die Beurteilung des überwiegenden Interesses eine Gesamtbetrachtung erfordert. 51

§ 3 Rechtliche Einordnung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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USA schon längere Zeit zu beobachten,55 legten auch die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder der deutschen LION Bioscience AG ihre Ämter nieder, weil die Gesellschaft keine D&O-Versicherung abschließen konnte.56 Für das Gesellschaftsinteresse lässt sich ferner ins Feld führen, dass der Versicherungsschutz übervorsichtiges Organverhalten verhindert und damit der unternehmerischen Handlungsfreiheit dient.57 Erfahrungen in den Vereinigten Staaten haben gezeigt, dass Manager durch den Schutz der Versicherung wieder bereit waren, risikobehaftete Entscheidungen im Sinne einer dynamischen Unternehmensführung, auch zugunsten der Aktionäre, zu treffen.58 Dass die Business Judgment Rule genügt, um den Organwaltern ausreichende Sicherheit zu vermitteln und eine übertriebene Risikoaversion zu verhindern, ist zu bezweifeln: Denn selbst innerhalb ihres – eingeschränkten – Anwendungsbereichs trägt der Organwalter eine erhebliche Beweislast. Auch an der Außenhaftungsdeckung hat die Gesellschaft aus den genannten Gründen der erleichterten Rekrutierung und dem Schutz vor übertriebener Risikoaversion ein Interesse. Hinzu kommt, dass sich die Absicherung der Organmitglieder vor Außenhaftungsrisiken auf das Ansehen der Gesellschaft59 sowie ihre Kreditwürdigkeit positiv auswirken kann.60 Auch wenn die Versicherung im Bereich der Außenhaftung in erster Linie den versicherten Personen dient, ergibt sich daraus, berücksichtigt man die deutlich höhere Bedeutung der Innenverhältnisdeckung, keine abweichende Gesamtbetrachtung. Die Entlastung des Organmitglieds tritt insgesamt hinter dem Gesellschaftsinteresse zurück.61 Schon die Prämienübernahme weist darauf hin, dass der Schutz der Gesellschaft primärer Beweggrund für den Abschluss der Versicherung

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Schmitt, Organhaftung und D&O-Versicherung, S. 98 f. m.w.Nachw. Dazu etwa Limmer, D&O-Versicherungen in Deutschland, S. 58 f.; Deilmann, NZG 2005, 54 ff.; Hendricks, CCZ 2008, 64. 57 Vgl. Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung, S. 16 f.; Dreher, DB 2001, 996, 998; ders., ZHR 165 (2001), 293, 310; ders., AG 2008, 429, 432 f.; Dreher/ Thomas, ZGR 2009, 31, 53; Notthoff, NJW 2003, 1350, 1354; ferner GroßkommGmbHG/ Paefgen, § 43 Rn. 257; Scholz/U.H. Schneider, § 43 Rn. 437 (beide für die GmbH); Spindler/ Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 288; ders., in: Vorstandsrecht, § 12 Rn. 11; Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 235; Schmitt, Organhaftung und D&O-Versicherung, S. 112 ff.; Hanau, FS Lorenz, S. 283, 290; Seibt/Saame, AG 2006, 901, 906; Steinkühler, VW 2009, 94. 58 Henssler, RWS-Forum Gesellschaftsrecht 2001, S. 131, 136. 59 Vgl. Notthoff, NJW 2003, 1350, 1354; ferner GroßkommGmbHG/Paefgen, § 43 Rn. 257 (für die GmbH); Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung, S. 15 f. 60 Vgl. Gran, DAJV-NL 2005, 6, 7; Notthoff, NJW 2003, 1350, 1354; ferner GroßkommGmbHG/Paefgen, § 43 Rn. 257 (für die GmbH); KölnKomm/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 242; Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung, S. 16 (auch zu den Auswirkungen der Vorgaben von Basel II); Seibt/Saame, AG 2006, 901, 906. 61 Vgl. Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 289; ders., in: Vorstandsrecht, § 12 Rn. 12; Heidel/Breuer/Fraune, § 112 AktG Rn. 6; v. Bühren/Lenz, § 26 Rn. 26; Beiner, Vorstandsvertrag, Rn. 443; Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 233; Hanau, FS Lorenz, S. 283, 290; Küppers/Dettmeier/Koch, DStR 2002, 199, 203. 56

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3. Teil: Grundlagen der D&O-Versicherung

ist, nicht nur ein Reflex des Schutzes für das Privatvermögen der Versicherten.62 Dafür spricht ferner, dass das individuelle Risiko der versicherten Personen, die regelmäßig nicht einmal namentlich benannt werden, bei der Ausgestaltung der Vertragsbedingungen regelmäßig keine Berücksichtigung findet.63 Ihr Schutz ist zwingende Voraussetzung für den Schutz der Gesellschaft, die durch den Versicherungsabschluss Haftpflichtrisiken ihrer Organmitglieder absichert, um eigene Interessen zu wahren. Die versicherungsrechtliche Form der Haftpflichtversicherung für fremde Rechnung ist daher geeignet, die Folgen von Pflichtverletzungen von Managern eines Unternehmens der Gesellschaft gegenüber abzumildern.

§ 4 Ausgestaltung der Versicherung I. Zeitlicher Umfang der Versicherungsschutzes Für eine eingehende Analyse der vorvertraglichen Anzeigepflicht bei der D&OVersicherung ist es erforderlich, sich auch die zentralen Punkte der üblichen Vertragsgestaltung zu vergegenwärtigen. Von erheblicher praktischer Bedeutung ist der zeitliche Umfang des Deckungsschutzes. Den Bedingungen der Versicherer ist gemeinsam, dass sich der Versicherungsfall nach dem sog. Claims-made-Prinzip (Anspruchserhebungsprinzip) bestimmt und damit in der erstmaligen Geltendmachung des Anspruchs durch den Geschädigten liegt.64 Dieses Prinzip ist in der Haftpflichtversicherung unüblich; gewöhnlich gilt das Verstoßprinzip, nach dem die schadensauslösende Pflichtverletzung als Versicherungsfall gilt. Das Verstoßprinzip ist aber für die D&O-Versicherung ungeeignet, weil zwischen dem haftungsrelevanten Fehlverhalten und der Geltendmachung des Schadens häufig mehrere Jahre liegen, der Versicherer mithin, insbesondere aufgrund der im Vergleich zu anderen Versicherungen erheblichen Deckungshöhe, nach Vertragsende ein schwer kalkulierbares Spätschadensrisiko tragen müsste.65 Das Claims-made-Prinzip stellt – auch nach Meinung 62 Für das Innenverhältnis auch Kiethe, BB 2003, 537, 539; ferner noch Lange, DStR 2002, 1626, 1628 f. (im Bereich der Außenhaftung bezwecke die Versicherung allein den Schutz der Versicherten) entgegen seiner neueren Auffassung, vgl. ders., VersR 2007, 893, 895; aA (nur Reflex) Terbille/Sieg, § 17 Rn. 38: Mit der Prämienzahlung käme die Gesellschaft nur ihrer allgemeinen Fürsorgeverpflichtung nach. Ferner Henssler, RWS-Forum Gesellschaftsrecht 2001, S. 131, 145; v. Westphalen, DB 2005, 431, 434. 63 Heidel/Breuer/Fraune, § 112 AktG Rn. 6; Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 234; Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 60; Hanau, FS Lorenz, S. 283, 290. 64 Ausf. Osswald, D&O-Versicherung beim Unternehmenskauf, S. 38 ff.; Schmitt, Organhaftung und D&O-Versicherung, S. 121 ff.; Lange, r+s 2006, 177 ff.; ferner Terbille/Sieg, § 17 Rn. 36, 104 ff.; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rn. 464; Lange, AWR 2004, 172 f.; Steinkühler/Kassing, VersR 2009, 607 ff.; kritisch Pataki, VersR 2004, 835 ff. 65 Lattwein/Krüger, VW 1997, 1366, 1370. Vgl. auch Osswald, D&O-Versicherung beim Unternehmenskauf, S. 41.

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des Reformgesetzgebers – eine zulässige Gestaltungsmöglichkeit dar,66 die grundsätzlich keinen AGB-rechtlichen Bedenken ausgesetzt ist.67 Danach kommt es für den Deckungsschutz nicht darauf an, ob der Versicherungsvertrag zum Zeitpunkt der schadensauslösenden Pflichtverletzung oder des Schadenseintritts bestand.68 Entscheidend ist vielmehr, ob der Geschädigte seine Ansprüche erstmals innerhalb der Vertragslaufzeit geltend macht. Auch wenn der Haftungszeitraum für den Versicherer durch das Claims-madePrinzip wirksam begrenzt wird, führt es doch auch zu einer Rückwärtsdeckung dergestalt, dass erst im Versicherungszeitraum geltend gemachte, aber lange zurückliegende Pflichtverletzungen vom Deckungsschutz umfasst sind.69 Die Versicherer ACHTUNGREbegrenzen das ihnen hieraus entstehende Risiko regelmäßig in den Versicherungsbedingungen, indem sie die Rückwärtsdeckung davon abhängig machen, dass die schadensverursachende Pflichtverletzung dem Versicherungsnehmer und der in Anspruch genommenen versicherten Person beim Vertragsschluss nicht bekannt waren.70 Teilweise wird dabei die grob fahrlässige Unkenntnis der Kenntnis gleichgestellt.71 Spiegelbildlich zur Rückwärtsdeckung ist denkbar, dass der durch eine Pflichtverletzung in der Versicherungszeit entstandene Schaden erst nach Ablauf der Vertragslaufzeit 66

RegE, BT-Drucks. 16/3945, S. 85. Vgl. das praxisrelevante Urteil des LG München I r+s 2009, 11 m. Anm. Schramm, S. 18 f.; dies., VW 2008, 2071; Schimmer, EWiR § 100 VVG 1/09, 285; Sieg/Schramm, PHi 2009, 28 f.; dies., PHi 2009, 138, 139. Vereinzelte Zweifel, ob es sich bei D&O-Policen um AGB handelt (vgl. Schmitt, Organhaftung und D&O-Versicherung, S. 138 m. Fn. 556, S. 156 f.), überzeugen nicht. Die übliche Beteiligung größerer Unternehmen ändert nichts am Vorliegen von AGB, sondern führt uU zur eingeschränkten Anwendung der AGB-Regeln, § 310 Abs. 1 BGB. Um individuell ausgehandelte Regelungen handelt es sich im Regelfall nicht, die Versicherer verwenden vielmehr – im Einzelnen individualisierbare und nach Anbieter verschiedene – Standardbedingungen. 68 Notthoff, NJW 2003, 1350, 1352. 69 Kiethe, BB 2003, 537, 539; Lattwein/Krüger, NVersZ 2000, 365, 366; Notthoff, NJW 2003, 1350, 1352. Die Rückwärtsdeckung wird häufig als Rückwärtsversicherung bezeichnet, vgl. etwa Ratka/Rauter/Gisch, Rn. 8/33 f.; Palmberger, VP 2004, 221, 224. Diese Bezeichnung kann zu Verwechslungen führen, da keine Rückwärtsversicherung iSd § 2 VVG vorliegt. Eine solche setzt voraus, dass der materielle vor dem formellen Versicherungsbeginn liegt, die Risikotragung also vor dem Vertragsschluss beginnt, statt vieler Bruck/Möller/Johannsen, § 2 Rn. 1, 3. Dabei ist auf den Versicherungsfall, nicht auf die Pflichtverletzung abzustellen. Dieser liegt mit der Anspruchserhebung auch bei der Rückwärtsdeckung zeitlich nach dem Vertragsschluss (formeller Versicherungsbeginn). Zutreffend daher Looschelders/Pohlmann/ C. Schneider, § 2 Rn. 8; Simon-Widmann, in: Haftung von Unternehmensorganen, Kap. 18, Rn. 57 f.; Osswald, D&O-Versicherung beim Unternehmenskauf, S. 45 f.; Lange, AG 2005, 459, 463 m. Fn. 56; augenscheinlich mit abweichendem Verständnis dagegen MünchKommVVG/Muschner, § 2 Rn. 26; Beckmann/Matusche-Beckmann, § 28 Rn. 106; Schäfer, D&O-Versicherung, S. 104 f.; wohl auch Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 151 ff. 70 Vgl. Terbille/Sieg, § 17 Rn. 116; Hendricks, Der Aufsichtsrat 2007, 98, 99; Kiethe, BB 2003, 537, 539 sowie § 6 Nr. 1, 2 der Allgemeinen Bedingungen zur VOV D&O-Versicherung (AVB-VOV 2008). 71 s. Terbille/Sieg, § 17 Rn. 116. Kritisch zur Rückwärtsdeckung Lattwein/Krüger, NVersZ 2000, 365, 366. 67

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3. Teil: Grundlagen der D&O-Versicherung

geltend gemacht wird, sodass kein Versicherungsschutz mehr bestünde. Häufig wird deshalb eine Nachdeckungsregelung vereinbart, nach der auch im Anschluss an das Vertragsende geltend gemachte Schäden noch für eine gewisse Zeit vom Versicherungsschutz umfasst sind.72 Die Nachdeckung endet häufig spätestens dann, wenn ein neuer D&O-Vertrag bei einem anderen Versicherer abgeschlossen wurde, wodurch es zu Versicherungslücken kommen kann.73

II. Grenzen des Versicherungsschutzes Der Schutz, der den Organwaltern und (mittelbar) der Gesellschaft durch die D&O-Versicherung zukommt, ist begrenzt. Zunächst kann die vorsätzliche Schadensverursachung niemals Gegenstand einer Haftpflichtversicherung sein, § 103 VVG. Die Versicherungsdeckung erstreckt sich auch nicht auf Schäden infolge von Strafen, Geldbußen oder Entschädigungen mit Strafcharakter.74 Weitere Einschränkungen ergeben sich aus vereinbarten Selbstbehalten75 und der Jahresdeckungssumme, auf die sämtliche Versicherungsfälle eines Jahres begrenzt sind.76 Die Versicherungsbedingungen enthalten darüber hinaus eine Reihe von Ausschlusstatbeständen: Von besonderer Relevanz ist der regelmäßige Ausschluss von Schäden, die der Versicherte infolge einer wissentlichen Pflichtverletzung verursacht hat. Noch besteht keine Einigkeit, wie der Begriff „wissentliche Pflichtverletzung“ zu verstehen ist. Unproblematisch ist, dass sich die Wissentlichkeit nicht auf den Schadenseintritt bezieht.77 Dagegen gehen die Meinungen auseinander, ob ein Ausschluss der „wissentlichen“ oder „vorsätzlichen“ Pflichtverletzung für die versicherte Person die vorteilhafte Klauselvariante ist. Richtigerweise ist der Ausschluss der wissentlichen Pflichtverletzung als günstiger anzusehen.78 Voraussetzung für ein wissentliches Handeln ist zumindest ein dolus directus, während für Vorsatz ein dolus eventualis

72 Dazu Beckmann/Matusche-Beckmann, § 28 Rn. 111 ff.; Halm/Engelbrecht/Krahe/Held, 33. Kap., Rn. 27; Terbille/Sieg, § 17 Rn. 117 ff.; Osswald, D&O-Versicherung beim Unternehmenskauf, S. 46 ff.; Kiethe, BB 2003, 537, 539; Lattwein, NVersZ 1999, 49, 52. 73 Lattwein/Krüger, NVersZ 2000, 365, 366. Vgl. auch Osswald, D&O-Versicherung beim Unternehmenskauf, S. 48. Zu „Unverfallbarkeitsklauseln“ Halm/Engelbrecht/Krahe/Held, 33. Kap., Rn. 27. 74 Vgl. Klausel 5.11 der GDV-Musterbedingungen 2008 (AVB-AVG); ferner § 3 Nr. 4.2 der Allgemeinen Bedingungen zur VOV D&O-Versicherung (AVB-VOV 2008). 75 Dazu noch ausf. unter § 5 I. 76 Zur Höhe der Versicherungssumme vgl. Halm/Engelbrecht/Krahe/Held, 33. Kap., Rn. 18. 77 Terbille/Sieg, § 17 Rn. 149; Seitz, VersR 2007, 1476, 1477; Vothknecht, PHi 2006, 52, 56. 78 So auch Hirschmann/Romeike/Heitmann, S. 249; Ihlas, D&O, S. 458 f., 468 f.; R. Koch, WM 2007, 2173, 2180; Mahncke, ZfV 2006, 540, 541 f.; Penner, VersR 2005, 1359, 1360 f.; Seitz, VersR 2007, 1476, 1477; Vothknecht, PHi 2006, 52, 59; ders., VW 2006, 488; aA Kolde, in: Vorstand der AG, § 8 Rn. 57; Hendricks, VW 2006, 229 f.; Vorrath, VW 2006, 151.

§ 4 Ausgestaltung der Versicherung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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genügt.79 Dagegen lässt sich nicht anführen, die Wissentlichkeitsklausel setze bloße Kenntnis von der verletzten Pflicht voraus, beinhalte aber im Gegensatz zur Vorsatzklausel kein Willenselement.80 Auch wissentliche Handlungen sind naturgemäß von einem Willen getragen; die Formulierung „wissentlich“ hebt das entsprechende Element nur hervor.81 Deshalb ist es auch rechtsfehlerhaft, die „wissentliche“ und die „vorsätzliche“ Pflichtverletzung gleichzusetzen. Zwar erfolgt jede wissentliche Pflichtverletzung tatsächlich auch vorsätzlich; umgekehrt lässt sich dies allerdings aufgrund der Möglichkeit eines Eventualvorsatzes nicht behaupten.82 Die Versicherungsbedingungen enthalten außerdem regelmäßig eine sog. Eigenschadenklausel: Danach erstreckt sich der Deckungsschutz bei einer Kapitalbeteiligung des Versicherten an der Gesellschaft in Innenhaftungsfällen nicht auf den Teil des Schadens, der der Beteiligungsquote entspricht.83 Nicht vom Versicherungsschutz erfasst sind ferner häufig Ansprüche, die in den USA oder auf Basis des dort geltenden Rechts geltend gemacht werden,84 sowie Schäden, die bereits anderweitig versichert sind, sog. Subsidiaritätsklausel.85 Daneben bestehen zahlreiche weitere Ausschlussklauseln, deren Verbreitung allerdings in den letzten Jahren immer mehr zurückgegangen ist. So wurden zB Ausschlüsse von Umweltrisiken oder Ansprüchen aus Produkthaftung86 wie die jahrelang zum Standard gehörenden Serienschadensklauseln87 mittlerweile weitgehend eliminiert.88 Entsprechend erging es den ehemals verbreiteten Trennungs- und Prozessklauseln, nach denen Versicherungsdeckung bei Innenhaftungsansprüchen nur bestand, wenn die Gesellschaft das verant-

79 Vgl. Halm/Engelbrecht/Krahe/Held, 33. Kap., Rn. 30; Terbille/Sieg, § 17 Rn. 149; Gräfe/Brügge, Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung, Rn. 205; Ihlas, D&O, S. 459, 468 f.; R. Koch, WM 2007, 2173, 2180; Penner, VersR 2005, 1359, 1360 f.; Seitz, VersR 2007, 1476, 1477; Vothknecht, PHi 2006, 52, 56, 59 f. Dies erkennt auch Vorrath, VW 2006, 151, die aber ersichtlich den fehlerhaften Schluss zieht, der dolus directus enthalte kein Wollenselement. 80 So aber Kolde, in: Vorstand der AG, § 8 Rn. 57; Limmer, D&O-Versicherungen in Deutschland, S. 48; Steinkühler, VW 2003, 1734. 81 Hirschmann/Romeike/Heitmann, S. 249; Harzenetter, Innenhaftung des Vorstands, S. 153; Vothknecht, PHi 2006, 52, 56, 59 f.; ders., VW 2006, 488. 82 Das verkennt Hansen, VW 2006, 313. 83 Ausf. Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung, S. 38 ff.; Lange, ZIP 2003, 466 ff.; ferner Beckmann/Matusche-Beckmann, § 28 Rn. 93 ff.; ders., FS Kollhosser, Bd. I, S. 25, 29 ff.; Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 165 ff. 84 Vgl. § 3 Nr. 4.3 der Allgemeinen Bedingungen zur VOV D&O-Versicherung (AVB-VOV 2008); ferner Halm/Engelbrecht/Krahe/Held, 33. Kap., Rn. 31 f. 85 Vgl. § 3 Nr. 2 der Allgemeinen Bedingungen zur VOV D&O-Versicherung (AVB-VOV 2008); zum Versicherungsausschluss Lattwein, NVersZ 1999, 49, 52 f. 86 Dazu Lattwein/Krüger, VW 1997, 1366, 1372; zum Umweltausschluss auch Lattwein, NVersZ 1999, 49, 53. 87 Dazu nur Schmitt, Organhaftung und D&O-Versicherung, S. 187 ff.; Lange, VersR 2004, 563 ff. 88 Peltzer, FS Westermann, S. 1257, 1260.

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3. Teil: Grundlagen der D&O-Versicherung

wortliche Organmitglied verklagt oder sich von ihm getrennt hatte.89 Inwieweit die Bedingungen infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise wieder verschärft werden, bleibt abzuwarten.

§ 5 Aktienrechtliche Probleme I. Selbstbehaltspflicht bei der D&O-Versicherung 1. Vorstandsmitglieder Die Zulässigkeit der gesellschaftsfinanzierten, selbstbehaltslosen D&O-Versicherung war lange Zeit nicht unbestritten. Als problematisch galt, dass das Organmitglied finanziell häufig nicht für von ihm verursachte Schäden einstehen müsse. Die Zahlungsschleife von der prämienpflichtigen Gesellschaft über den schadensersatzpflichtigen Organwalter zur Versicherung beseitige die Haftungsfolgen in einer „zirkulären Geldverschiebung“.90 Im Schrifttum kamen vermehrt Stimmen auf, nach denen die Zulässigkeit von einem angemessenen Selbstbehalt abhänge,91 dessen Vereinbarung freilich in der Praxis eher selten erfolgte. Die entsprechende Empfehlung erfuhr vielmehr die geringste Zustimmung aller Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex.92 Demgegenüber wurde überwiegend zu Recht vertreten, ein Selbstbehalt sei keine Voraussetzung einer wirksamen D&O-Versicherung.93 Der 89

Dazu Ferck, Selbstbehalt in der D&O-Versicherung, S. 114 ff.; Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung, S. 64 ff.; Pammler, Gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung, S. 200 ff.; Schmitt, Organhaftung und D&O-Versicherung, S. 169 ff., 172 ff.; Ihlas/Stute, Beilage zu PHi 4/2003, S. 8 ff., 10 f.; v. Westphalen, VersR 2006, 17, 18 ff. Entgegen Paefgen, AG 2008, 761, 769 m. Fn. 71 ist eine Prozessklausel in D&O-Verträgen nur die Ausnahme; vgl. Wellhöfer/Peltzer/Müller, § 20 Rn. 190 f.; ders., FS Westermann, S. 1257, 1260; Harzenetter, Innenhaftung des Vorstands, S. 148 f. 90 So Habetha, Direktorenhaftung, S. 172; ders., DZWiR 1995, 272, 279. 91 GroßkommAktG/Kort, § 84 Rn. 450, § 87 Rn. 239; ders., DStR 2006, 799, 802 f.; Semler/v. Schenk/P. Doralt/W. Doralt, § 13 Rn. 229, 246; Ferck, Selbstbehalt in der D&OVersicherung, S. 119 ff., Harzenetter, Innenhaftung des Vorstands, S. 31; Pammler, Gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung, S. 78 ff., 82 ff.; Ulmer, FS Canaris, Bd. II, S. 451, 463 ff., 467 ff.; ähnlich Bayer, Corporate Governance, S. 137, 158. 92 Empirische Daten bei Pfitzer/Oser/Orth/Bloß, S. 331; v. Werder/Talaulicar, DB 2005, 841, 845; dies., DB 2006, 849, 854; dies., DB 2007, 869, 871; dies., DB 2008, 825, 827; v. Werder/Talaulicar/Kolat, DB 2003, 1857, 1860; dies., DB 2004, 1377, 1381; vgl. ferner Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, 3.8 Rn. 519, 526a; Managerhaftung/Lutter, § 1 Rn. 18; Marsch-Barner/Schäfer, § 2 Rn. 61; Semler/v. Schenk/P. Doralt/W. Doralt, § 13 Rn. 245; Vorstandsrecht/Fleischer, § 12 Rn. 19; Ferck, Selbstbehalt in der D&O-Versicherung, S. 40; Baumann, VersR 2006, 455, 456 f.; Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 f.; Paetzmann, ZVersWiss 98 (2008), 177, 191 f.; aA („üblich“): Galahn, VW 2004, 1737, 1738; Kiethe, BB 2003, 537, 538; ähnlich Marsch-Barner/Schäfer/Vetter, § 29 Rn. 76 („oft“); Ek, Haftungsrisiken für Vorstand und Aufsichtsrat, S. 203 („häufig“). 93 So MünchKommAktG/Habersack, § 116 Rn. 74; ders., FS Ulmer, S. 151 ff., 173; Schmidt/Lutter/Drygala, § 116 Rn. 39; Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer, § 93 Rn. 70; Spindler/

§ 5 Aktienrechtliche Probleme 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Streit hat sich durch das VorstAG auf Vorstandsebene weitgehend erledigt: Gemäß § 93 Abs. 2 S. 3 AktG ist nunmehr ein Selbstbehalt zu Lasten der Vorstandsmitglieder in Höhe von mindestens 10 % des Schadens bei jedem Versicherungsfall zwingend vorgeschrieben. Beschränkt wird die Selbstbehaltspflicht durch eine für alle Schadensfälle eines Jahres geltende Obergrenze, die mindestens dem Eineinhalbfachen der jährlichen Festvergütung entsprechen muss. Durch diese Neuregelung, die den Weg in den Gesetzesentwurf erst über den Rechtsausschuss fand, hat der Gesetzgeber aber zahlreiche neue Unsicherheiten geschaffen.94 Die Vorschrift ist weder zweckmäßig noch handwerklich gelungen, sondern verdient erhebliche Kritik, die im Rahmen dieser Arbeit nicht näher spezifiziert werden kann.95 2. Aufsichtsratsmitglieder Eine gesetzliche Verpflichtung, auch für Aufsichtsratsmitglieder einen Selbstbehalt zu vereinbaren, besteht nicht. Vielmehr ist § 93 Abs. 2 S. 3 AktG von der Verweisung in § 116 S. 1 AktG ausdrücklich ausgenommen. Etwas anderes ergäbe sich, zöge man die im Schrifttum vor Einführung des § 93 Abs. 2 S. 3 AktG vertretene Auffassung heran, auch ohne konkrete gesetzliche Regelung sei die Vereinbarung eines angemessenen Selbstbehalts sowohl für Vorstands- als auch Aufsichtsratsmitglieder verpflichtend.96 Als Rechtsgrundlage dafür wurden ein Analogieschluss zu § 93 Abs. 2 AktG oder § 93 Abs. 4 S. 3 AktG,97 außerdem eine Anwendung des Rechtsgedankens dieser Vorschriften erwogen.98 Tatsächlich fehlte es schon vor InkrafttreStilz/Fleischer, § 93 Rn. 286; ders., in: Vorstandsrecht, § 12 Rn. 9; ders., WM 2005, 909, 919; Halm/Engelbrecht/Krahe/Held, 33. Kap., Rn. 14; Managerhaftung/Krieger, § 3 Rn. 48; Marsch-Barner/Schäfer/Mutter, § 22 Rn. 113; MünchHdbGesR/Wiesner, Bd. 4, § 26 Rn. 45; v. Bühren/Lenz, § 26 Rn. 23; Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 60; Lutter/ Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 1025 m. Fn. 3; Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 72; Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 2243; Dreher, AG 2008, 429, 430 ff.; Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321, 2323 f.; Kästner, AG 2000, 113, 118 ff.; Seibt/Saame, AG 2006, 901, 912; Vetter, AG 2000, 453, 454; ähnlich GroßkommAktG/Hopt, § 93 Rn. 519 f.; Armbrüster, NJW 2009, 187, 192; offen lassend: Bernhardt, Corporate Governance, 2002, S. 119, 126. 94 Mit der Neuregelung treten einige Folgefragen auf, die hier nicht näher erörtert werden können, dazu Albers, CCZ 2009, 222 ff.; Fiedler, MDR 2009, 1077 ff.; Franz, DB 2009, 2764 ff.; R. Koch, AG 2009, 637 ff.; Lange, VersR 2009, 1011 ff.; ders., VW 2009, 918; Olbrich/Kassing, BB 2009, 1659 ff. 95 Zum missverständlichen Wortlaut vgl. etwa Dauner-Lieb/Tettinger, ZIP 2009, 1555 f. 96 Vgl. dazu die Nachw. in Fn. 91. 97 § 93 Abs. 4 S. 3 AktG: Habetha, Direktorenhaftung, S. 173 ff. (generell zur Zulässigkeit der Versicherung); kritisch zu diesem Normverständnis Pammler, Gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung, S. 45 f. Ulmer, FS Canaris, Bd. II, S. 451, 464 f. lässt offen, ob als Analogiegrundlage auf § 93 Abs. 2 oder Abs. 4 AktG abzustellen ist. 98 Rechtsgedanke des § 93 Abs. 2 AktG: Pammler, Gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung, S. 47 ff.; Rechtsgedanke des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG: Ferck, Selbstbehalt in der D&OVersicherung, S. 98 ff., 119 ff.

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3. Teil: Grundlagen der D&O-Versicherung

ten des VorstAG an der für einen Analogieschluss wesentlichen Voraussetzung der planwidrigen Regelungslücke.99 Zwar wurde vorgebracht, der Gesetzgeber habe bei Erlass des AktG 1965 und seiner Vorläufer nicht wahrgenommen, dass ein Versicherungseintritt im Hinblick auf die Verhaltenssteuerung dieselben Folgen wie ein vertraglicher Haftungsausschluss haben könne. Er habe aber die Organhaftung auch wegen ihrer Steuerungswirkung als im Grundsatz unverzichtbar qualifiziert, sodass es nicht angehe, einen sachlich gebotenen Analogieschluss abzulehnen.100 Die Frage nach einer Regelungslücke kann aber nicht allein mit einem Blick auf den Gesetzgeber von 1965 beantwortet werden. Vielmehr ist auf den Rechtszustand zum Zeitpunkt der beabsichtigten Analogiebildung abzustellen. Der Gesetzgeber verzichtete auf eine entsprechende Regelung, obwohl er die D&O-Versicherung ersichtlich wahrgenommen und – nach zum Teil umfangreichen Erörterungen – in der nahen Vergangenheit mehrere Änderungen des AktG im Hinblick auf Voraussetzungen, Umfang und Folgen der Organhaftung vorgenommen hatte.101 Nach Inkrafttreten des VorstAG ist der Weg eines Analogieschlusses erst recht versperrt: Der Gesetzgeber hat in § 93 Abs. 2 S. 3 AktG eine Selbstbehaltsverpflichtung für Vorstandsmitglieder eingeführt, diese aber ausdrücklich nicht auf die Mitglieder des Aufsichtsrats erstreckt, § 116 S. 1 AktG. Daher ist die gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung für Aufsichtsratsmitglieder ohne Selbstbehalt zulässig, dessen Vereinbarung jedoch in Ziff. 3.8 des Deutschen Corporate Governance Kodex auch für sie empfohlen wird.

II. Kompetenz des Vorstands zum Vertragsschluss Erhebliche praktische Bedeutung kommt neben dem Selbstbehaltserfordernis der aktienrechtlichen Frage zu, ob der Vorstand der Aktiengesellschaft eine D&O-Versicherung ohne Beteiligung des Aufsichtsrats und der Hauptversammlung abschließen kann.102 Die Antwort hängt entscheidend davon ab, ob die Versicherungsprämien als Bestandteil der Gesamtbezüge der Vorstandsmitglieder und der Vergütung des Aufsichtsrats zu qualifizieren sind. Bejaht man dies, könnte nur der Aufsichtsrat die Versicherung der Vorstandsmitglieder zusagen, § 87 Abs. 1 AktG;103 die Versicherung 99 Zu den Voraussetzungen einer Analogie Bork, BGB AT, Rn. 144 f.; Larenz, Methodenlehre, S. 370 ff., 381 ff. 100 So Ulmer, FS Canaris, Bd. II, S. 451, 464 ff. 101 Dreher, AG 2008, 429, 431. 102 Offen lassend BGH WM 2009, 851, 853. Vgl. die ausf. Zusammenstellung bei Pammler, Gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung, S. 103 ff. 103 Mit dieser Konsequenz Hüffer, § 84 Rn. 16; Göckeler, in: Becksches Handbuch der AG, § 21 Rn. 247; Liebscher, in: Becksches Handbuch der AG, § 6 Rn. 38; Saenger/Aderhold/ Lenkaitis/Speckmann/Ulrich, § 15 Rn. 144; Semler/v. Schenk/P. Doralt/W. Doralt, § 13 Rn. 269; Wellkamp, Vorstand, Aufsichtsrat und Aktionär, Rn. 717; Henssler, RWS-Forum Gesellschaftsrecht 2001, S. 131, 144, 152 f.; Krieger, RWS-Forum Gesellschaftsrecht 1995, S. 149, 166; Krüger, NVersZ 2001, 8; Ulmer, FS Canaris, Bd. II, S. 451, 471; für einen Vergütungsbestandteil auch Habetha, Direktorenhaftung, S. 176.

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der Aufsichtsratsmitglieder erforderte eine Satzungsfestsetzung oder einen Hauptversammlungsbeschluss, § 113 Abs. 1 S. 2 AktG.104 Für die Einordnung der Versicherungsprämien als Teil der Vorstandsbezüge scheint zu sprechen, dass § 87 Abs. 1 AktG Versicherungsentgelte ausdrücklich nennt. Gleiches gilt für § 285 Nr. 9 lit. a HGB, der die bilanzielle Behandlung der Gesamtbezüge regelt und auch für die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder Gültigkeit beansprucht.105 Daneben wird vorgebracht, die ratio legis der §§ 87, 113 AktG spreche für eine entsprechende Einstufung: Aktionäre und Gläubiger der Gesellschaft seien vor überhöhten Vergütungen zu schützen, sodass der Vergütungsbegriff weit zu verstehen sei und sämtliche materiellen Vorteile erfasse.106 Teilweise heißt es auch, der Prämientragung käme schon deshalb Vergütungscharakter zu, weil sie nicht ausschließlich im Gesellschaftsinteresse liege.107 Tatsächlich gehören die Prämien weder zu den Bezügen des Vorstands noch zur Vergütung des Aufsichtsrats.108 Zur Erörterung der Sachfrage muss nicht zwischen 104 Konsequent Hüffer, § 113 Rn. 2a; Schmidt/Lutter/Drygala, § 113 Rn. 12, § 116 Rn. 39; Schwerdtfeger/Paschke, § 113 AktG Rn. 1; Beckmann/Matusche-Beckmann, § 28 Rn. 24; Göckeler, in: Becksches Handbuch der AG, § 21 Rn. 247; Henn/Frodermann/Jannott/Wolff, 8. Kap., Rn. 101; Schiedermair/Kolb, in: Becksches Handbuch der AG, § 7 Rn. 276; Schüppen/Schaub/Tomat, § 23 Rn. 235, 237; Semler/v. Schenk/P. Doralt/W. Doralt, § 13 Rn. 263 f.; Berger, Kosten der Aufsichtsratstätigkeit, S. 145 f.; Wellkamp, Vorstand, Aufsichtsrat und Aktionär, Rn. 718; Feddersen, AG 2000, 385, 394; Henssler, RWS-Forum Gesellschaftsrecht 2001, S. 131, 144 ff.; Kästner, AG 2000, 113, 117 f.; dies., DStR 2001, 195; Krieger, RWSForum Gesellschaftsrecht 1995, S. 149, 166; Pielorz/Sieg, PHi 2000, 77, 88; Ulmer, FS Canaris, Bd. II, S. 451, 471. 105 Mit diesem Argument Berger, Kosten der Aufsichtsratstätigkeit, S. 146; Henssler, RWSForum Gesellschaftsrecht 2001, S. 131, 144 f., 153; Kästner, AG 2000, 113, 116. 106 So Kästner, AG 2000, 113, 116. 107 Semler/v. Schenk/P. Doralt/W. Doralt, § 13 Rn. 259, 261; ferner Schmidt/Lutter/Drygala, § 113 Rn. 12. 108 So Bürgers/Körber/Israel, § 87 Rn. 3, § 113 Rn. 13; GroßkommAktG/Kort, § 87 Rn. 232; ders., DStR 2006, 799, 802; MünchHdbGesR/Hoffmann-Becking, Bd. 4, § 33 Rn. 17; Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, S. 133 f.; Kolde, in: Vorstand der AG, § 8 Rn. 87, 91; Ek, Haftungsrisiken für Vorstand und Aufsichtsrat, S. 208 f.; Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung, S. 168 ff., 185 ff.; Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 209, 211; Pammler, Gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung, S. 131 ff., 167 ff.; Bartscherer, FS 100 Jahre DVS, S. 179, 181; Dreher, ZHR 165 (2001), 293, 310, 321 f.; ders., AG 2008, 429; Notthoff, NJW 2003, 1350, 1354; Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550, 552 f.; Steinkühler/Wilhelm, VP 2005, 142, 145; Vetter, AG 2000, 453, 457 f. Für marktübliche D&O-Versicherungsverträge auch MünchKommAktG/Spindler, § 87 Rn. 14 f.; ders., Steuerungsfunktionen des Haftungsrechts, S. 215, 227 f.; für den Vorstand ferner Heidel/ Oltmanns, § 87 AktG Rn. 2 m. Fn. 2; KölnKomm/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 246; Spindler/Stilz/ Fleischer, § 93 Rn. 289; ders., in: Vorstandsrecht, § 12 Rn. 12; MünchHdbGesR/Wiesner, Bd. 4, § 21 Rn. 29, § 26 Rn. 46; v. Bühren/Lenz, § 26 Rn. 26; Beiner, Vorstandsvertrag, Rn. 443; Schüller, Vorstandsvergütung, S. 40; für den Aufsichtsrat außerdem Heidel/Breuer/ Fraune, § 112 AktG Rn. 6; MünchKommAktG/Habersack, § 113 Rn. 13, § 116 Rn. 74; Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, 3.8 Rn. 517; Marsch-Barner/Schäfer/Vetter, § 29 Rn. 77; Reichert, in: Becksches Handbuch der AG, § 5 Rn. 14; Semler/v. Schenk/Wagner, § 10 Rn. 48 entgegen früherer Auffassung von Semler, FS Claussen, S. 381, 400; Thümmel, Per-

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3. Teil: Grundlagen der D&O-Versicherung

„Vergütung“ und „Bezügen“ unterschieden werden: Auch wenn Versicherungsentgelte in § 113 Abs. 1 S. 1 AktG nicht wie in § 87 Abs. 1 AktG ausdrücklich genannt sind, können sie als Nebenleistungen grundsätzlich Vergütungsbestandteile sein.109 Ob dies im Einzelfall zutrifft, beurteilt sich nach den gleichen Kriterien wie bei den Vorstandsbezügen, sodass die Bezüge als Grundlage einer gemeinsamen Betrachtung dienen können.110 Zu ihnen gehören nach der ratio legis des § 87 AktG nur Zuwendungen, die bei den Organmitgliedern einen Vermögensvorteil verkörpern, der als Teil der Gegenleistung für die Übernahme des Mandats im Sinne eines „do ut des“ verstanden werden kann.111 Um solche Zuwendungen handelt es sich bei den Prämien für die D&O-Versicherung – von deren Bestehen das Organmitglied nicht einmal wissen muss – nicht.112 Der Abschluss der Versicherung liegt nach zutreffender Ansicht im überwiegenden Eigeninteresse der Gesellschaft und ist daher als Geschäftsführungsentscheidung anzusehen, bei der für eine Beteiligung von Aufsichtsrat und Hauptversammlung kein Raum bleibt.113 Entscheidend für die Einordnung einer Zuwendung als Gegenleistung ist nämlich, ob ein Zurechnungszusammenhang zur privaten Vermögenssphäre des Organmitglieds besteht, was nur dann anzunehmen ist, wenn sie in dessen überwiegenden Vermögensinteresse erfolgt.114 Ein Verzicht auf dieses Kriterium würde die Verwaltung der Aktiengesellschaft praktisch lahm legen: Die umfassenden Geschäftsführungs- und Kontrollaufgaben der Or-

sönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rn. 467; Kiethe, BB 2003, 537, 539; Lange, ZIP 2001, 1524, 1526 ff.; Mertens, AG 2000, 447, 448 ff.; Schimmer, Managerhaftung, 25. Tagung der DACH, S. 9, 20. 109 Statt vieler MünchKommAktG/Habersack, § 113 Rn. 9. 110 Vgl. Dreher, ZHR 165 (2001), 293, 303 f.; ferner Pammler, Gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung, S. 168 f.; grundsätzlich auch Kästner, AG 2000, 113, 116. 111 s. Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 49 ff.; ferner Beiner, Vorstandsvertrag, Rn. 443; Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 204 f., 211; Lange, ZIP 2001, 1524, 1526 f.; Mertens, AG 2000, 447, 448; Steinkühler/Wilhelm, VP 2005, 142, 145. Kritisch zum Erfordernis eines Gegenseitigkeitsverhältnisses Pammler, Gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung, S. 122 f.: Es gebe Vergütungsbestandteile, die das Organmitglied nicht zur Übernahme der Tätigkeit bewegten, womit kein Gegenseitigkeitsverhältnis vorliege. Dieses Verständnis des „do ut des“ geht fehl, weil es für das Vorliegen eines Synallagma nicht allein auf den Wert des Vermögensvorteils ankommt. Zutreffend Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 52 f. 112 GroßkommAktG/Kort, § 87 Rn. 232; Beiner, Vorstandsvertrag, Rn. 443; Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 51 f.; Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 202 ff., 207 ff., 211; Lange, ZIP 2001, 1524, 1526 f.; Steinkühler/Wilhelm, VP 2005, 142, 145; Vetter, AG 2000, 453, 457 f. 113 Zu diesem Zusammenhang Dreher, AG 2008, 429; Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 52 f.; Kiethe, BB 2003, 537, 539; Notthoff, NJW 2003, 1350, 1354; ferner Bürgers/Körber/ Israel, § 87 Rn. 3, § 113 Rn. 13; Heidel/Breuer/Fraune, § 112 AktG Rn. 6; Semler/v. Schenk/ Wagner, § 10 Rn. 48; Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, S. 133 f.; Beiner, Vorstandsvertrag, Rn. 443; Ek, Haftungsrisiken für Vorstand und Aufsichtsrat, S. 208 f.; Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung, S. 171, 187 f.; Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 208; Steinkühler/Wilhelm, VP 2005, 142, 145. 114 Vgl. Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 50; ferner KölnKomm/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 246.

§ 5 Aktienrechtliche Probleme 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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ganwalter berühren neben amtlichen am Rande häufig auch persönliche Interessen.115 Der Umstand, dass ein Geschäft der Gesellschaft auch im Interesse der Organwalter liegt, vermag daher eine Qualifizierung als Gegenleistung nicht zu begründen.116 Deshalb handelt es sich bei den Prämien um keinen Bestandteil der Bezüge, sondern um betrieblich veranlasste Aufwendungen, durch die Vermögensnachteile ausgeglichen werden, die den Organwaltern anlässlich der von ihnen zu erbringenden Hauptleistung entstehen. Sie dienen in erster Linie der Gesellschaft selbst, sind durch die Bezüge nicht abgegolten und als Bestandteil der rechtlichen und wirtschaftlichen Grundlagen des Mandats von der Gesellschaft zu tragen.117 § 285 Nr. 9 lit. a HGB steht dem nicht entgegen: Zweck der Vorschrift ist es, den mit der Organtätigkeit verbundenen Gesamtaufwand der Gesellschaft zu verlautbaren.118 Die bilanzielle Erfassung steht in unmittelbarem Zusammenhang zu den §§ 87, 113 AktG und erfasst daher nur Versicherungsprämien, die bereits nach der aktienrechtlichen Einordnung zu den Bezügen zählen.119 Dafür spricht auch die Änderung des § 285 Nr. 9 lit. a HGB im Zuge des Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetzes120 dahingehend, dass Bezüge iSd Norm nunmehr individuell anzugeben sind, was bei der D&O-Versicherung naturgemäß schwierig ist.121 Da dem Gesetzgeber dieses Problem nach Abschluss der Regierungskommission Corporate Governance bekannt sein musste, spricht vieles dafür, dass auch er nicht von einem Vergütungscharakter der Prämien ausging.122 Darüber hinaus ist die Finanzverwaltung dieser Einschätzung grundsätzlich gefolgt: Die Prämien unterliegen, wenn bestimmte Kriterien erfüllt

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Mertens, AG 2000, 447, 450. MünchKommAktG/Habersack, § 112 Rn. 17. 117 Vgl. Semler/v. Schenk/Wagner, § 10 Rn. 48; Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 207, 211; Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 50; Schimmer, Managerhaftung, 25. Tagung der DACH, S. 9, 20; ferner Bürgers/Körber/Israel, § 87 Rn. 3; Marsch-Barner/Schäfer/Vetter, § 29 Rn. 77; MünchHdbGesR/Hoffmann-Becking, Bd. 4, § 33 Rn. 17; MünchHdbGesR/Wiesner, Bd. 4, § 26 Rn. 46; Barzen/Brachmann/Braun, D&O-Versicherung für Kapitalgesellschaften, S. 133 f.; Dreher, AG 2008, 429; Lange, ZIP 2001, 1524, 1526; Mertens, AG 2000, 447, 449 ff.; in diese Richtung auch Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, 3.8 Rn. 517; Jäger, Aktiengesellschaft, § 21 Rn. 187; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rn. 467; kritisch zur häufig vorgenommenen Einordnung als „Fürsorgeaufwendungen“ Dreher, ZHR 165 (2001), 293, 308. 118 Vgl. MünchKommAktG/Habersack, § 113 Rn. 13. 119 Zutreffend Dreher, ZHR 165 (2001), 293, 302; ders., RWS-Forum Gesellschaftsrecht 2003, S. 203, 208; ferner Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung, S. 171; Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 206; Pammler, Gesellschaftsfinanzierte D&OVersicherung, S. 120; Vetter, AG 2000, 453, 456 f. 120 Gesetz über die Offenlegung von Vorstandsvergütungen (Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz – VorstOG) vom 3. 8. 2005, BGBl. I, S. 2267, in Kraft getreten am 11. 8. 2005. 121 Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 209; Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 60. 122 Die Kommission wies auf dieses Problem hin, vgl. Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 75; ferner Baumann, VersR 2006, 455, 463. 116

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3. Teil: Grundlagen der D&O-Versicherung

sind, die der üblichen Ausgestaltung der D&O-Versicherung entsprechen, nicht der Lohn- und Einkommensbesteuerung.123 Selbst über einen Analogieschluss zu §§ 87, 113 AktG124 oder den Rechtsgedanke der §§ 84, 88, 89, 112 AktG125 lässt sich die Vergütungseigenschaft der Prämien nicht begründen. Zwar wird für eine planwidrige Regelungslücke vorgebracht, die Zuständigkeit für einen D&O-Vertrag sei nicht ausdrücklich geregelt und es könne nicht angehen, dass Vorstände über einen privaten Vermögensvorteil selbst entschieden und im Hinblick auf die Versicherung der Aufsichtsratsmitglieder unmittelbaren Einfluss auf den Schutz des kontrollierenden Organs ausübten.126 Diese Argumentation überzeugt jedoch nicht. Die Kompetenzzuweisungen in §§ 87, 113 AktG bringen zum Ausdruck, nicht an jeden materiellen Vermögensvorteil anzuknüpfen, womit von keiner planwidrigen Regelungslücke ausgegangen werden kann.127 Jedenfalls fehlt es an einer vergleichbaren Interessenlage als weiterer Voraussetzung eines Analogieschlusses.128 Standardmäßig wird die D&O-Versicherung für alle Organwalter einer Gesellschaft, häufig zuzüglich ihrer leitenden Angestellten, und damit für eine große Zahl Versicherter abgeschlossen. Wie ein solcher überwiegend im Gesellschaftsinteresse liegender Vorgang die Kontrollaufgabe des Aufsichtsrats ernsthaft beeinträchtigen soll, ist nicht ersichtlich.129 Auch die Sorge, der Aufsichtsrat werde durch die Versicherung seiner Pflicht, Ansprüche gegen Vorstandsmitglieder zu verfolgen, nur noch mit geringerer Motivation nachkommen, verfängt nicht.130 Wie bereits aufgezeigt, fördert der Versicherungsschutz im Gegenteil aus verschiedenen Gründen die Anspruchsverfolgung des jeweils zuständigen Organs.131 GeACHTUNGREgen einen Analogieschluss sprechen außerdem seine praktischen Auswirkungen: Er führte zu einer Aufteilung der Kompetenzen für den Abschluss einer D&O-Versicherung zwischen Vorstand (für die leitenden Angestellten), Aufsichtsrat (für die Vorstandsmitglieder) und der Hauptversammlung (für die Aufsichtsratsmitglieder).132 Im Er-

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Vgl. dazu BFM vom 24. 1. 2002, auszugsweise abgedruckt in AG 2002, 287; ferner Erlass des FM Niedersachsen vom 25. 1. 2002, DStR 2002, 678; dazu Steinkühler, VW 2005, 1768 ff. 124 So aber Pammler, Gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung, S. 133 ff., 169 f.; dem folgend Ulmer, ZHR 171 (2007), 119, 122 f. 125 Dazu tendiert Managerhaftung/Krieger, § 3 Rn. 49. 126 Pammler, Gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung, S. 101, 133 ff., 169 f.; zustimmend Ulmer, ZHR 171 (2007), 119, 122. 127 Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 60 ff. 128 Zu den Voraussetzungen eines Analogieschlusses vgl. bereits die Nachw. in Fn. 99. 129 Zutreffend Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 61; ferner Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung, S. 186. 130 So Pammler, Gesellschaftsfinanzierte D&O-Versicherung, S. 138. 131 Vgl. dazu bereits die Ausführungen unter § 3 III. 132 Vgl., auch zu den Problemen einer Rückabwicklung, Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 61 f.

§ 5 Aktienrechtliche Probleme 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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gebnis ist festzustellen, dass der Vorstand für den Abschluss des D&O-Vertrags allein zuständig ist.133

III. Pflicht zum Versicherungsabschluss Aus dem Gesellschaftsinteresse an der D&O-Versicherung könnte sogar eine Pflicht für den Vorstand folgen, sie abzuschließen. Zum Teil wird angenommen, bei angemessenen Angeboten auf dem Markt sei der Vertragsschluss wesentlicher Bestandteil eines von § 91 Abs. 2 AktG geforderten ordnungsgemäßen RisikoACHTUNGREmanagements.134 Der Anknüpfungspunkt ist jedoch nicht unstreitig. Die Gegenansicht argumentiert, die der Vorschrift immanente Organisationspflicht umfasse nur ein auf die Früherkennung von Risiken ausgerichtetes System, keine materielle Risikovorsorge.135 Daher könne sich eine Pflicht zum Abschluss eines D&O-Vertrags nur aus den allgemeinen Leitungs- und Sorgfaltspflichten des Vorstands gemäß §§ 76, 93 AktG ergeben.136 Unabhängig vom Anknüpfungspunkt wird im Ergebnis aber eine aus dem Gesellschaftsinteresse resultierende Pflicht zum Vertragsschluss im Grundsatz überwiegend abgelehnt.137 Dieser Auffassung, die der Gesetzgeber im Rahmen der Begründung des VorstAG bestätigt hat,138 ist zuzustimmen. Sowohl nach § 91 Abs. 2 AktG als auch § 93 AktG muss nur Risiken vorgebeugt werden, die sich im Einzelfall mit einer verantwortungsbewussten Unternehmensführung nicht mehr vereinbaren lassen. Demgegenüber gehört es nicht zu den Pflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Unternehmensleiters, alle der Gesellschaft drohenden

133 So auch GroßkommAktG/Kort, § 84 Rn. 446 f.; ders., DStR 2006, 799, 801 f.; KölnKomm/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 246; Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 289; ders., in: Vorstandsrecht, § 12 Rn. 12; Kolde, in: Vorstand der AG, § 8 Rn. 87; Managerhaftung/Lutter, § 1 Rn. 18; Marsch-Barner/Schäfer/Vetter, § 29 Rn. 77; MünchHdbGesR/Wiesner, Bd. 4, § 26 Rn. 46; v. Bühren/Lenz, § 26 Rn. 26; Ek, Haftungsrisiken für Vorstand und Aufsichtsrat, S. 208; Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 209 f., 211; Dreher, ZHR 165 (2001), 293, 310, 321 f.; Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 55; Mertens, AG 2000, 447, 452; Notthoff, NJW 2003, 1350, 1354; Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550, 553; Vetter, AG 2000, 453, 457 f. 134 Vetter, AG 2000, 453, 454 f. 135 Vgl. MünchKommAktG/Spindler, § 93 Rn. 178; ders., Steuerungsfunktionen des Haftungsrechts, S. 215, 231; Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung, S. 216 f.; Schmitt, Organhaftung und D&O-Versicherung, S. 205 f.; Kort, DStR 2006, 799, 801; ferner Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 72 f. 136 Spindler, Steuerungsfunktionen des Haftungsrechts, S. 215, 231 f. 137 So auch BGH WM 2009, 851, 853; KölnKomm/Mertens/Cahn, § 84 Rn. 96, § 93 Rn. 242; Roth/Altmeppen, § 43 Rn. 161; Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer, § 91 Rn. 14; Spindler/ Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 291; ders., in: Vorstandsrecht, § 12 Rn. 14; Kort, DStR 2006, 799, 801; ferner Marsch-Barner/Schäfer/Mutter, § 22 Rn. 112: „Hieraus aber den Grundsatz einer Versicherungspflicht abzuleiten, erscheint kühn.“; (zur Schweizer Rechtslage) Haller, Organhaftung und Versicherung, Rn. 444 ff.; Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 72 f. 138 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/13433, S. 17.

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3. Teil: Grundlagen der D&O-Versicherung

Gefahren durch den Abschluss einer Versicherung zu minimieren.139 Vielmehr ist eine sinnlose Investition in Versicherungsprämien pflichtwidrig.140 Ob eine D&O-Versicherung für die Gesellschaft sinnvoll ist, lässt sich daher nicht generell beurteilen. Es kommt auf die Unternehmenslage, die individuellen Haftungsrisiken, die Angebotslage auf dem Versicherungsmarkt und darauf an, ob und welche anderen Möglichkeiten der Absicherung bestehen. Die Entscheidung für oder gegen eine Versicherungsdeckung ist eine unternehmerische Entscheidung, für die unter den Voraussetzungen der in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG kodifizierten Business Judgment Rule ein Ermessensspielraum besteht.141 Danach kann es nur im Einzelfall infolge einer Ermessensreduktion auf Null geboten sein, eine D&O-Versicherung abzuschließen.142 Eine Abschlusspflicht folgt ferner nicht aus Treue- und Fürsorgepflichten der Gesellschaft. Diese bestehen zwar auch gegenüber den Leitungsorganen,143 erstrecken sich jedoch nicht auf den Abschluss einer D&O-Versicherung.144 Aufgrund ihrer selbständigen Stellung müssen sich die Organwalter eigenverantwortlich um die Absicherung ihrer Risiken kümmern.145 Möglich ist es allerdings, eine Versicherungspflicht im Dienstvertrag gesondert zu vereinbaren.146

139 Henssler, RWS-Forum Gesellschaftsrecht 2001, S. 131, 151; Seibt/Saame, AG 2006, 901, 903; ferner Lange, DStR 2002, 1626, 1630. 140 Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 291; Lange, AWR 2004, 172, 176. 141 Für eine Ermessensentscheidung R. Koch, ZGR 2006, 184, 193 ff.; Lange, DStR 2002, 1626, 1630; ders., AWR 2004, 172, 176; ferner Ek, Haftungsrisiken für Vorstand und Aufsichtsrat, S. 208; Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung, S. 217 f.; Henssler, RWS-Forum Gesellschaftsrecht 2001, S. 131, 151. 142 Semler/v. Schenk/P. Doralt/W. Doralt, § 13 Rn. 256; R. Koch, ZGR 2006, 184, 198; im Ergebnis auch Marsch-Barner/Schäfer/Mutter, § 22 Rn. 112; Ek, Haftungsrisiken für Vorstand und Aufsichtsrat, S. 208; Möhrle, Gesellschaftsrechtliche Probleme der D&O-Versicherung, S. 218; Lange, DStR 2002, 1626, 1630. 143 s. Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 292; ders., in: Vorstandsrecht, § 12 Rn. 15; ders., WM 2005, 909, 919. 144 Vgl. KölnKomm/Mertens/Cahn, § 84 Rn. 96, § 93 Rn. 242; MünchKommAktG/ Spindler, § 84 Rn. 90, § 93 Rn. 117; ders., Steuerungsfunktionen des Haftungsrechts, S. 215, 231; MünchHdbGesR/Wiesner, Bd. 4, § 26 Rn. 46; Henn/Frodermann/Jannott/Schäfer, 7. Kap., Rn. 322; R. Koch, GmbHR 2004, 160, 167 f. In diese Richtung auch Spindler/Stilz/ Fleischer, § 84 Rn. 74, § 93 Rn. 292; ders., in: Vorstandsrecht, § 12 Rn. 15; ders., WM 2005, 909, 919. 145 MünchKommAktG/Spindler, § 84 Rn. 90, § 93 Rn. 177; ders., Steuerungsfunktionen des Haftungsrechts, S. 215, 231. 146 MünchKommAktG/Spindler, § 84 Rn. 90; zu sog. Versicherungsverschaffungsklauseln im Anstellungsvertrag ausf. Lange, ZIP 2004, 2221 ff.

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Vierter Teil

Vorvertragliche Anzeigepflicht § 6 Gesetzliche Regelung der Anzeigepflicht I. Anzeigeobliegenheit des § 19 Abs. 1 VVG Dem Abschluss eines D&O-Vertrags geht eine umfassende Risikoprüfung voraus. Um das zu versichernde Risiko zuverlässig beurteilen zu können, bedarf der Versicherer einiger Informationen über das Unternehmen, für das die zukünftigen Versicherten tätig sind. Dazu gehören (auch zukünftige) Haftungsrisiken, die Vermögenslage der Gesellschaft sowie eventuell bestehende Konzernverhältnisse.1 Von der versicherungsnehmenden Gesellschaft wird regelmäßig verlangt, ihre Satzung, Bilanzen und einen unabhängig erstellten Prüfbericht des Jahresabschlusses vorzulegen. Der Versicherer befasst sich mit den öffentlich zugänglichen Informationen der Gesellschaft, legt dieser aber insbesondere einen meist umfangreichen Fragebogen vor. Dieser enthält Fragen nach bestimmten Firmendaten, aus denen sich Art, Umsatzgröße, Bilanzsumme, Eigenkapitalausstattung, Konzernstruktur und die internationalen Verflechtungen der Gesellschaft ergeben. Ferner möchte der Versicherer wissen, ob Vorschäden oder mögliche Pflichtverletzungen vorliegen, aus denen innerhalb der Vertragslaufzeit Versicherungsfälle entstehen könnten.2 Um zu einer treffenden Risikoeinschätzung zu gelangen, sind vielfältige Lebenssachverhalte zu erfragen, was auch an der regelmäßig hohen Zahl der Versicherten liegt.3 Die ordnungsgemäße Risikoprüfung dient dazu, im Ergebnis zu einem Vertragsschluss mit angemessenen Bedingungen und einer risikogerechten Prämie zu gelangen.4 Sie ist bei der D&O-Versicherung im Vergleich zu vielen anderen Schadensversicherungen deutlich erschwert.5 Das liegt neben der Anzahl der Versicherten daran, dass es im Bereich unternehmerischer Tätigkeit schwierig zu bestimmen ist, aus welchen Handlungen später Ersatzansprüche drohen. Außerdem geht es bei der D&O1

Vgl. Halm/Engelbrecht/Krahe/Held, 33. Kap., Rn. 3; Langheid/Goergen, VP 2007, 161 f. Vgl. etwa Ries/Peiniger, Haftung und Versicherung von Managern, S. 164, 176. 3 Langheid/Goergen, VP 2007, 161, 162. 4 So generell zum Zweck der Risikoprüfung Knappmann, VRR 2007, 451; vgl. ferner Halm/Engelbrecht/Krahe/Wandt, 1. Kap., Rn. 764; Beyer, Rechtsvergleichung der vorvertraglichen Anzeigepflicht, S. 21. 5 Langheid/Goergen, VP 2007, 161. Zur Risikoermittlung bei der D&O-Versicherung vgl. auch Plück/Lattwein, Haftungsrisiken für Manager, S. 224 ff. 2

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4. Teil: Vorvertragliche Anzeigepflicht

Versicherung um erhebliche Deckungssummen, nicht selten in dreistelliger Millionenhöhe. Hinzu kommt die besondere Struktur der Versicherung: So trägt etwa das Claims-made-Prinzip dazu bei, dass auch lange vor dem Vertragsschluss erfolgte Pflichtverletzungen noch zu einer Inanspruchnahme des Versicherers führen können.6 Daraus entsteht zusätzlicher Informationsbedarf, weil der Versicherer die Risikorelevanz von Sachverhalten bewerten muss, die in der Vergangenheit liegen und deren Beteiligte unter Umständen bereits aus ihrer Position ausgeschieden sind.7 Trotz ihrer besonderen Bedeutung für die D&O-Versicherung ist eine ordnungsgemäße Beurteilung des zu versichernden Risikos für eine interessengerechte Vertragsgestaltung in sämtlichen Versicherungszweigen erforderlich. Weil die dafür notwendigen Informationen in der Regel in der Risikosphäre des Versicherungsnehmers liegen,8 hat der Gesetzgeber diesem eine „vorvertragliche Anzeigepflicht“ auferlegt.9 Gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 VVG muss der Versicherungsnehmer dem Versicherer die ihm bekannten gefahrerheblichen Umstände mitteilen,10 sofern dieser in Textform nach ihnen gefragt hat.11 Gefahrerheblich iSd Vorschrift sind dabei alle Umstände, die den Entschluss des Versicherers, den Vertrag überhaupt oder mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, beeinflussen können.12 Der Versicherungsnehmer verletzt die Anzeigepflicht, indem er eine ordnungsgemäß gestellte Frage nicht, unvollständig oder falsch beantwortet.13 Ungeachtet des Gesetzeswortlauts handelt es sich um keine einklagbare Pflicht im Rechtssinne, sondern um eine gesetzliche Obliegenheit, von deren Rechtsfolgen gemäß § 32 VVG grundsätzlich nicht zu Lasten des Versiche-

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Zum Claims-made-Prinzip vgl. bereits die Ausführungen unter § 4 I. Langheid/Goergen, VP 2007, 161. 8 RegE VVG, BT-Drucks. 16/3945, S. 64; Halm/Engelbrecht/Krahe/Wandt, 1. Kap., Rn. 530; Hinsch-Timm, VVG in der anwaltlichen Praxis, Rn. 153 f., 156; Grote/Schneider, BB 2007, 2689, 2692; Römer, VersR 2006, 740, 744. 9 Vgl. Beckmann/Matusche-Beckmann/Knappmann, § 14 Rn. 1; Halm/Engelbrecht/ Krahe/Wandt, 1. Kap., Rn. 526, 764; Hinsch-Timm, VVG in der anwaltlichen Praxis, Rn. 153 f.; Grote/Schneider, BB 2007, 2689, 2692. 10 Dabei handelt es sich um eine Wissenserklärung, vgl. bereits Falke, Vorvertragliche Anzeigepflicht unter besonderer Berücksichtigung der Haftpflichtversicherung, S. 30; ferner Barg, Vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers, S. 18 f.; Keinert, Vorvertragliche Anzeigepflicht, S. 17, 19; Röhr, Die vorvertragliche Anzeigepflicht, S. 120 f.; Schmidt, Obliegenheiten, S. 134. 11 Zum weit verstandenen Begriff des „Umstands“ vgl. Beyer, Rechtsvergleichung der vorvertraglichen Anzeigepflicht, S. 80 f. m.w.Nachw.; ferner bereits Börger, Anfechtung des Versicherungsvertrages, S. 3. 12 BGH NJW-RR 2007, 979, 980; Terbille, § 2 Rn. 92; außerdem bereits Küpper-Fahrenberg, Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht durch Dritte, S. 3; ferner Langheid, NJW 2007, 3665, 3667 m. Fn. 21, der klarstellt, dass es im reformierten VVG bei dieser Definition bleibt. 13 RegE VVG, BT-Drucks. 16/3945, S. 65; Niederleithinger, Das neue VVG, A Rn. 88 (S. 34). 7

§ 6 Gesetzliche Regelung der Anzeigepflicht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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rungsnehmers abgewichen werden darf.14 Sie zu erfüllen, liegt aufgrund der Rechtsfolgen ihrer Verletzung zuungunsten des Versicherungsnehmers in dessen eigenen Interesse.15 Die Regelung ist interessengerecht: Eine treffende Risikoeinschätzung schützt nicht nur den Versicherer, sondern auch den Versicherungsnehmer selbst, der möglichst umfassende Deckung zu angemessenen Bedingungen erwartet, sowie das Versichertenkollektiv.16 In zeitlicher Hinsicht besteht die Anzeigeobliegenheit grundsätzlich bis zur Abgabe der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers, § 19 Abs. 1 S. 1 VVG. Zu verstehen ist darunter die für diesen bindende Erklärung, die geeignet ist, zum endgültigen Vertragsschluss zu führen. Dabei kann es sich sowohl um das Angebot als auch um die Annahme handeln.17 Demgegenüber war bis zur Reform des Versicherungsvertragsrechts für die Erfüllung der Anzeigepflicht allein der Zeitpunkt des Vertragsschlusses entscheidend, § 16 Abs. 1 VVG aF. Dies brachte eine sog. Nachmeldeobliegenheit mit sich: Gefahrerhebliche Umstände mussten grundsätzlich auch dann angezeigt werden, wenn sie erst nach der Antragstellung, aber noch vor Vertragsschluss zutage traten.18 Da der durchschnittliche Versicherungsnehmer davon ausgehe, seiner Pflicht bereits nachgekommen zu sein, wenn er die vorgelegten Fragen zum Zeitpunkt seiner Antragstellung zutreffend beantwortet habe, wurde die Anzeigepflicht nach Abgabe eines Angebots durch den Versicherungsnehmer im reformierten VVG davon abhängig gemacht, dass der Versicherer die Fragen vor seiner Annahme in Textform wiederholt oder erstmalig stellt.19 Geht also das Angebot, wie es die Grundkonzeption des VVG vorsieht, vom Versicherungsnehmer aus (sog. Antragsmodell),20 kann der Versicherer die Anzeigepflicht durch Fragen 14

Zu den Theorien um die Rechtsnatur der Obliegenheiten vgl. ausf. und m.w.Nachw. Bruck/Möller/Heiss, § 28 Rn. 32 ff.; Barg, Vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers, S. 8 ff.; ferner Beyer, Rechtsvergleichung der vorvertraglichen Anzeigepflicht, S. 26 ff.; Keinert, Vorvertragliche Anzeigepflicht, S. 17 f. und bereits Firmery, Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht im Versicherungsvertrag, S. 6 ff. 15 RegE VVG, BT-Drucks. 16/3945, S. 64; Schwintowski/Brömmelmeyer/Härle, § 19 VVG Rn. 13; Halm/Engelbrecht/Krahe/Wandt, 1. Kap., Rn. 522 ff.; Barg, Vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers, S. 8 ff.; Hinsch-Timm, VVG in der anwaltlichen Praxis, Rn. 153; Meixner/Steinbeck, Das neue Versicherungsvertragsrecht, § 1 Rn. 223; Neuhaus, r+s 2008, 45; aA (echte Rechtspflicht) zB noch Falke, Vorvertragliche Anzeigepflicht unter besonderer Berücksichtigung der Haftpflichtversicherung, S. 6 ff., 15 m.w.Nachw. 16 Knappmann, r+s 1996, 81; Langheid/Goergen, VP 2007, 161; Neuhaus, r+s 2008, 45, 46. 17 So ausdrücklich die Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 16/3945, Anl. 3, S. 130; dazu Honsel, VW 2007, 359, 360; Schimikowski, r+s 2006, 441, 442; ders., VW 2007, 715, 716; Weidner, r+s 2007, 138, 139. 18 Aus der Rechtsprechung statt vieler BGHZ 111, 44, 51 = NJW 1990, 1916; OLG Saarbrücken r+s 1994, 162; zur faktischen Beschränkung dieses Grundsatzes durch die Rechtsprechung Reusch, VersR 2008, 1179 ff. 19 RegE VVG, BT-Drucks. 16/3945, S. 65; Reusch, VersR 2007, 1313. 20 Zum Antragsmodell als vom Gesetzgeber intendiertes Standardvertragsabschlussverfahren noch ausf. unter § 7 III. 1.

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4. Teil: Vorvertragliche Anzeigepflicht

nach dem Zugang des Angebots auf die Zeitspanne bis zu seiner Annahme erstrecken, § 19 Abs. 1 S. 2 VVG. Eine bloße vorherige Belehrung, auch nach der Antragstellung entstandene oder dem Versicherungsnehmer bekannt gewordene Umstände seien anzuzeigen, sofern zuvor nach ihnen gefragt wurde, erschien dem Gesetzgeber angesichts des Umfangs der vom Versicherungsnehmer vor Vertragsschluss zur Kenntnis zu nehmenden Informationen als nicht ausreichender Schutz.21 Die Beweislast für die Verletzung der Anzeigepflicht trägt der Versicherer, was sich einhelliger Ansicht zufolge aus § 69 Abs. 3 S. 2 VVG ergeben soll.22 Nach einer systematischen Betrachtung erscheint die Herleitung fragwürdig: § 69 VVG regelt die gesetzliche Vollmacht des Versicherungsvertreters und befindet sich im Unterabschnitt „Vertretungsmacht“ des Abschnitts „Versicherungsvermittler, Versicherungsberater“. Für eine allgemeine Beweislastregelung wäre § 69 Abs. 3 S. 2 VVG mithin reichlich unpassend platziert. Einleuchtender ist es, § 69 Abs. 3 S. 2 VVG als bloße Klarstellung im Zusammenhang mit der speziellen Beweislastregel des § 69 Abs. 3 S. 1 VVG zu begreifen. Im Ergebnis kann die Frage freilich offen bleiben: Die Beweislast des Versicherers ergibt sich jedenfalls aus dem allgemeinen Grundprinzip, dass diejenige Partei, deren Prozessbegehr ohne die Anwendung eines bestimmten Rechtssatzes erfolglos bleibt, die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen dieses Rechtssatzes trägt.23

II. Überblick über die Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtverletzung Der Zweck der vorvertraglichen Anzeigepflicht, dem Versicherer eine ordnungsgemäße Risikoprüfung zu ermöglichen, soll nach dem gesetzgeberischen Willen durch ein sorgfältig abgestuftes und in §§ 19 bis 22 VVG abschließend geregeltes System von Rechtsfolgen erreicht werden, das bei einer Anzeigepflichtverletzung eingreift.24 Aufgrund dessen Spezialität ist neben Ansprüchen aus culpa in contra-

21 RegE VVG, BT-Drucks. 16/3945, S. 65. Zur bisherigen Rechtslage wurde festgestellt, dass die fehlerhafte Vorstellung der Versicherungsnehmer, ihre Pflichten erfüllt zu haben, durch Hinweise der Versicherer in den Antragsformularen zur Nachmeldepflicht nur unvollkommen zu beseitigen sei, weil viele Versicherungsnehmer die Anträge nicht oder nicht sorgfältig studierten, vgl. Reusch, VersR 2007, 1313, 1314. 22 Vgl. etwa Terbille, § 2 Rn. 131; Hinsch-Timm, VVG in der anwaltlichen Praxis, Rn. 164; Marlow/Spuhl, VVG kompakt, S. 47; Fricke, VersR 2007, 1614, 1616. 23 Zu diesem Prinzip Musielak, Grundlagen der Beweislast, S. 293; Musielak/Stadler, Grundfragen des Beweisrechts, Rn. 202. 24 RegE VVG, BT-Drucks. 16/3945, S. 64. Der grundsätzlich abschließende Charakter der Regelungen war schon vor der Reform ständige Rechtsprechung, statt aller BGH NJW-RR 2007, 826 f.

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A endo25 auch eine Anfechtung des Versicherers infolge eines Irrtums über das versiCHTUNGREh cherte Risiko nach §§ 119 ff. BGB grundsätzlich ausgeschlossen; allein die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bleibt gemäß § 22 VVG von den §§ 19 ff. VVG unberührt.26 Da die Reichweite der Sanktionen nach vorheriger Rechtslage in einigen Fällen als nicht mehr gerechtfertigt erschien,27 wurde im Zuge der Reform des VVG das „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ aufgegeben, sodass sich die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung nunmehr in erster Linie nach dem Verschuldensgrad richten. Auch der Grundsatz der Unteilbarkeit der Prämie, nach dem Rücktritt oder Anfechtung des Versicherers dazu führten, dass dieser die Prämie bis zum Ende der Versicherungsperiode weiterhin beanspruchen konnte, gehört grundsätzlich der Vergangenheit an. Konnte zuvor schon eine leicht fahrlässige Anzeigepflichtverletzung einen Rücktritt des Versicherers vom gesamten Vertrag mit wirtschaftlicher ex-tunc-Wirkung begründen,28 besteht nun ein abgestuftes Verhältnis der Gestaltungsrechte Rücktritt, Anfechtung und Kündigung. Verletzt der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht vorsätzlich oder grob fahrlässig, kann der Versicherer bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen vom Vertrag zurücktreten, § 19 Abs. 2, 4 und 5 VVG. Allerdings greift in vielen Fällen das in § 19 Abs. 4 VVG geschaffene Vertragsanpassungsrecht ein, das den Rücktritt ausschließt. Eine einfach fahrlässige oder schuldlose Anzeigepflichtverletzung führt dagegen lediglich dazu, dass der Versicherer den Vertrag unter Umständen mit Wirkung für die Zukunft kündigen kann, § 19 Abs. 3 S. 2 VVG. Täuscht der Versicherungsnehmer den Versicherer sogar arglistig und bestimmt ihn dadurch zum Vertragsabschluss, hat dieser neben dem Rücktrittsrecht die Möglichkeit, den Versicherungsvertrag gemäß § 123 BGB mit ex-tunc-Wirkung anzufechten, § 22 VVG.

III. Versicherungsnehmer als Adressat der Anzeigepflicht 1. Keine Adressatenstellung der Versicherten Beim Abschluss einer D&O-Versicherung wird regelmäßig Versicherungsschutz für eine große Zahl an Personen vereinbart, zu der häufig auch die Organwalter der Tochtergesellschaften zählen.29 So existieren bei DAX-Unternehmen nicht selten

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Dazu BGH NJW-RR 2007, 826 f. m. Anm. Armbrüster, LMK 2007, 223881; Bruck/ Möller/Brömmelmeyer, § 32 Rn. 20; Bruck/Möller/Rolfs, § 19 Rn. 134; Beckmann/MatuscheBeckmann/Knappmann, § 14 Rn. 122. 26 Statt vieler Halm/Engelbrecht/Krahe/Wandt, 1. Kap., Rn. 347, 759 f.; v. KoppenfelsSpies, zfs 2004, 489, 492; aAWinterling/Harzenetter, VW 2007, 1792, die übersehen, dass § 22 VVG ausdrücklich nur auf die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung abstellt. 27 RegE VVG, BT-Drucks. 16/3945, S. 64 f. 28 Vgl. §§ 16 Abs. 2, 17 Abs. 1 VVG aF. Zur wirtschaftlichen ex-tunc-Wirkung des Rücktritts ausf. unter § 8 I. 2. 29 Langheid/Grote, VersR 2005, 1165, 1166: „eine Fülle von versicherten Personen“.

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4. Teil: Vorvertragliche Anzeigepflicht

mehrere tausend Versicherte.30 Für die Ausgestaltung der Risikoprüfung und die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung ist daher zunächst entscheidend, wer nach der gesetzlichen Regelung Adressat der Obliegenheit ist. Der Wortlaut des § 19 VVG scheint eindeutig: „der Versicherungsnehmer … hat anzuzeigen …“. Folgerichtig geht ein Teil des Schrifttums davon aus, der Versicherungsnehmer sei Adressat der Vorschrift und die Versicherten treffe daneben keine eigenständige Anzeigepflicht.31 Diesem Verständnis wird aber verbreitet entgegengesetzt, § 47 VVG sei zu entnehmen, dass bei der Versicherung für fremde Rechnung auch die Versicherten als Adressaten der Anzeigepflicht anzusehen seien.32 Dies sei erforderlich, weil eine etwaige Leistungsfreiheit des Versicherers nicht als Sanktion gegenüber dem Versicherungsnehmer wirke.33 Die Versicherten müssten mit den Obliegenheiten und damit einer der Eigenversicherung vergleichbaren Drucksituation belastet werden, um die durch die Rollenaufspaltung bei der Versicherung für fremde Rechnung entstehenden Nachteile für den Versicherer zu kompensieren.34 Dieser Auffassung ist zu widersprechen. § 47 VVG stellt die Kenntnis und das Verhalten des Versicherten denen des Versicherungsnehmers gleich. Daraus folgt eine

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So Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 63. Vgl. BK/Voit, § 16 Rn. 54, 59; MünchKommVVG/Wandt, § 28 Rn. 102; v. Bühren/Lenz, § 26 Rn. 125; Barg, Vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers, S. 47, 49; Lange, VersR 2006, 605, 606; wohl auch BGH NJW-RR 1992, 161 ff. (diese Entscheidung wird zT für die Gegenansicht herangezogen, obwohl der BGH an keiner Stelle eine pflichtbegründende Wirkung des § 79 VVG aF erwägt, vgl. aber BK/Hübsch, § 79 Rn. 5; Römer/Langheid, §§ 16, 17 Rn. 10); v. Westphalen, DB 2005, 431, 434; Winterling/Harzenetter, VW 2007, 1792, 1793 m. Fn. 5; ferner Falke, Vorvertragliche Anzeigepflicht unter besonderer Berücksichtigung der Haftpflichtversicherung, S. 25; offen gelassen von Langheid/Grote, VersR 2005, 1165, 1167. 32 So OLG Köln r+s 1994, 231; OLG Köln r+s 1997, 355; BK/Baumann, § 153 Rn. 35; BK/Hübsch, § 75 Rn. 3, § 79 Rn. 3, 5, 7; Bruck/Möller, 8. Aufl., § 16 Rn. 6; Bruck/Möller/ Heiss, § 28 Rn. 70; Looschelders/Pohlmann, § 19 Rn. 10; MünchKommVVG/Langheid, § 19 Rn. 40; ders., in: Römer/Langheid, §§ 16, 17 Rn. 10; Prölss/Martin/Prölss, §§ 16, 17 Rn. 17, § 75 Rn. 5; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch, Vor §§ 43 – 48 VVG Rn. 8, § 47 VVG Rn. 2; Beckmann/Matusche-Beckmann, § 28 Rn. 155; Beckmann/Matusche-Beckmann/ Armbrüster, § 6 Rn. 99; Beckmann/Matusche-Beckmann/Marlow, § 13 Rn. 40; v. Bühren, § 1 Rn. 955 f.; Krause, Begriff des versicherten Interesses, S. 24; Leonhardt, Repräsentationsdoktrin im Privatversicherungsrecht, S. 32, 142; Möller, Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers, S. 17; Nießen, Versicherung für fremde Rechnung, S. 43, 95, 105, 111; Röhr, Vorvertragliche Anzeigepflicht, S. 180; Ruscher, Besonderheiten des Versicherungsanspruchs, S. 132 f., 140; Schäfer, D&O-Versicherung, S. 44; Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 54; Uhlenbrock, Lösungsrechte des Versicherers, S. 46; wohl auch Römer/Langheid, § 79 Rn. 2. Allgemein für Obliegenheiten Asmus/Bühnemann/Gärtner/Möller/Sieg/Winter, ZVersWiss 59 (1970), 17, 21; Schirmer, FS Schmidt, S. 821, 826; ders., FS Sieg, S. 451, 476. Unklar Dreher/ Thomas, ZGR 2009, 31, 63: Jeder Versicherte müsse Umstandswissen mitteilen, Versäumnisse würden der Versicherungsnehmerin zugerechnet. 33 So Schirmer, FS Schmidt, S. 821, 827. 34 Nießen, Versicherung für fremde Rechnung, S. 43; Schirmer, FS Schmidt, S. 821, 826 ff. 31

§ 6 Gesetzliche Regelung der Anzeigepflicht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Zurechnung an den Versicherungsnehmer,35 jedoch keine eigene Anzeigeobliegenheit der Versicherten.36 Zwischen einer Zurechnung und einer eigenständigen Obliegenheitsbelastung ist strikt zu trennen,37 was von der Gegenauffassung regelmäßig – häufig ohne Problembewusstsein – missachtet wird.38 Für eine Anzeigepflicht der Versicherten neben einer Zurechnung spricht nicht, dass § 47 Abs. 1 VVG neben der Kenntnis auf ihr Verhalten abstellt.39 Auch ein Verhalten kann Gegenstand einer Zurechnung sein. Es ist von einem bewusst gewählten Wortlaut auszugehen, was sich daran zeigt, dass er durch die Reform des VVG nur leichte sprachliche Änderungen erfahren hat. Eine Unachtsamkeit kann auch deshalb nicht unterstellt werden, weil in anderen Vorschriften gleichlautende oder sehr ähnliche Formulierungen auftauchen, vgl. §§ 156, 179 Abs. 3, 193 Abs. 2 VVG.40 Gegen eine gesetzliche Belastung der Versicherten mit der Anzeigepflicht spricht ferner, dass diese bei der Versicherung für fremde Rechnung nicht davon wissen müssen, versichert zu sein, und in diesen Fällen auch von ihrer Anzeigeobliegenheit nicht wissen werden. § 47 Abs. 2 VVG macht deutlich, dass diese Fälle dem Gesetzgeber beim Erlass der Vorschrift bewusst waren. Die Annahme, er hätte vor diesem Hintergrund eine Adressatenstellung der Versicherten begründen wollen, ohne dies im Wortlaut der Vorschrift zum Ausdruck zu bringen, überzeugt nicht. Dagegen kann nicht mehr mit dem Verschuldenserfordernis der §§ 16 ff. VVG aF argumentiert werden. Nach bisheriger Rechtslage war die schuldlose Anzeigepflichtverletzung nicht sanktioniert. Rechtsfolgen gegenüber dem Versicherten wegen der Verletzung einer eigenständigen, aber ihm unbekannten Anzeigepflicht waren daher zwar nicht zwingend ausgeschlossen,41 jedoch nur ausnahmsweise denkbar, wenn die fehlende Kenntnis der Obliegenheit auf 35

Vgl. BGH NJW-RR 1992, 161, 162; OLG Hamm NJW-RR 1995, 287, 288; BK/Voit, § 16 Rn. 54, 59; MünchKommVVG/Dageförde, § 47 Rn. 2; Terbille/Sieg, § 17 Rn. 65; v. Bühren/ Lenz, § 26 Rn. 125; Bruns, Zurechnung von Wissen, S. 61 f.; Holzhauser, Versicherungsvertragsrecht, Rn. 292; Schimikowski, Versicherungsvertragsrecht, Rn. 285; Lange, VersR 2006, 605, 606; aA Bruck/Möller, 8. Aufl., § 6 Rn. 59; Bruck/Möller/Heiss, § 28 Rn. 70: „genau besehen um keine Zurechnungsnorm“; Leonhardt, Repräsentationsdoktrin im Privatversicherungsrecht, S. 32, 142. 36 Zutreffend BK/Voit, § 16 Rn. 54, 59; Lange, VersR 2006, 605, 606; dem folgend v. Bühren/Lenz, § 26 Rn. 125. 37 Vgl. auch Beckmann/Matusche-Beckmann/Marlow, § 13 Rn. 37. 38 Exemplarisch Schäfer, D&O-Versicherung, S. 88: Versicherte Personen könnten Adressaten der Anzeigepflicht sein, weil ihr Verhalten und ihre Kenntnis der Versicherungsnehmerin zugerechnet würden. s. auch Bruck/Möller/Rolfs, § 19 Rn. 20 ff., der die Begriffe „Zurechnung“ und „Anzeigepflicht“ so gebraucht, dass die Zurechnung eine eigenständige Anzeigepflicht der Hilfspersonen begründen müsste. Für den Sonderfall des § 47 VVG grenzt er dann aber (Rn. 25) die Anzeigepflicht von der Zurechnung (allerdings inkonsequent) ab. 39 Mit diesem Argument Beckmann/Matusche-Beckmann, § 28 Rn. 155. 40 So zu den entsprechenden Vorschriften vor der VVG-Reform (§§ 161, 179 Abs. 3, 178a Abs. 3 S. 2 VVG aF) Lange, VersR 2006, 605, 606; dem folgend v. Bühren/Lenz, § 26 Rn. 125. 41 Die Behauptung, dem Versicherten sei bei fehlender Kenntnis des Vertragsschlusses auch kein Verschulden vorzuwerfen, ist deshalb etwas unpräzise, so aber Lange, VersR 2006, 605, 611.

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4. Teil: Vorvertragliche Anzeigepflicht

einem so erheblichen Verschulden beruhte, dass daraus auch im Hinblick auf die Anzeigepflichtverletzung ein Fahrlässigkeitsvorwurf begründet werden konnte. Nach der Reform des Versicherungsvertragsrechts kann aber gemäß § 19 Abs. 3 S. 2, Abs. 4 VVG auch eine schuldlose Anzeigepflichtverletzung zu einer Kündigung oder Vertragsanpassung führen. Auch die neu eingeführte Frageobliegenheit des Versicherers kann nicht als ArACHTUNGREgument für die Belastung der Versicherten herangezogen werden. Zwar muss der ACHTUNGREVersicherer gemäß § 19 VVG grundsätzlich in Textform nach gefahrerheblichen Umständen fragen, um sich später auf eine mit ihnen zusammenhängende Anzeigepflichtverletzung berufen zu können. Daraus könnte nun der Schluss gezogen werden, der Versicherte wisse spätestens zum Zeitpunkt der Nachfrage von seiner Obliegenheit, wodurch auch eine eigenständige Anzeigepflicht möglich sei. Die Einführung der Nachfrageobliegenheit erfolgte jedoch allein zum Schutz der Versicherungsnehmer.42 Der Gesetzgeber hatte nicht im Sinn, mit ihr die Auslegung des § 47 VVG in Richtung einer Adressatenstellung der Versicherten zu beeinflussen. Im Gegenteil liefert gerade die Frageobliegenheit des Versicherers ein weiteres entscheidendes Argument gegen eine eigenständige Anzeigepflicht der Versicherten: Eine solche könnte nach der gesetzlichen Systematik jedenfalls nur dann Bestand haben, wenn der Versicherer entsprechend § 19 VVG gegenüber jedem einzelnen mit der Obliegenheit Belasteten dazu berufen wäre, in Textform nach gefahrerheblichen Umständen zu fragen. Aus § 43 Abs. 1 VVG ergibt sich aber ausdrücklich, dass die Versicherten bei der Versicherung für fremde Rechnung nicht benannt werden müssen, was etwa bei der D&O-Versicherung üblich ist. Dem Versicherer wäre es daher unmöglich, seine Frageobliegenheiten gegenüber den Versicherten zu erfüllen. Selbst wenn man ihm die Kenntnis all ihrer Namen und Kontaktdaten unterstellte, könnte es sich dabei um eine Vielzahl von Personen handeln. Eine Risikoprüfung auf dieser Grundlage wäre praktisch nicht durchführbar. Ein gesetzgeberischer Wille, die Versicherten zu Adressaten der Anzeigepflicht zu machen, ist nicht erkennbar. Diese Sichtweise wird auch von einer teleologischen Betrachtung gestützt: Zweck des § 47 VVG ist es, Nachteile für den Versicherer aus der Rollenaufspaltung auf Seiten des Versicherungsnehmers zu verhindern. Dafür genügt aber die weitgehende Zurechnung von Wissen und Verhalten an den Versicherungsnehmer,43 da der Versicherer bewusst eine Versicherung für fremde Rechnung abschließt und sich die Folgen der von ihm gegenüber dem Versicherungsnehmer ausgeübten Gestaltungsrechte auch auf die Versicherten erstrecken, § 334 BGB.44 Das weitere Gegenargument, die Leistungsfreiheit wirke sich nicht als Sanktion gegenüber dem Versicherungsnehmer aus, vermag ebenfalls nicht zu überzeugen. Denn in aller Regel hat auch dieser als Vertragspartner und Prämienschuldner ein Interesse am Deckungsschutz der Versicherten. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Versicherten nach der gesetzlichen Re42 43 44

Vgl. RegE VVG, BT-Drucks. 16/3945, S. 64. So auch Lange, VersR 2006, 605, 606; v. Bühren/Lenz, § 26 Rn. 125. Zur Gesamtwirkung der Gestaltungsrechte näher unter § 10.

§ 6 Gesetzliche Regelung der Anzeigepflicht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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gelung nicht als Adressaten der vorvertraglichen Anzeigepflicht anzusehen sind. Dafür bedarf es vielmehr einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung.45

2. Keine Adressatenstellung von Vertretern und Organwaltern Diese Auffassung ist konsequent auf die Vertreter des Versicherungsnehmers zu übertragen. Nach der versicherungsrechtlichen Sondervorschrift des § 20 VVG sind im Rahmen der vorvertraglichen Anzeigepflicht sowohl Kenntnis und Arglist des Versicherungsnehmers als auch seines Vertreters zu berücksichtigen.46 Eine Auslegung des § 20 VVG, bei der die gegen eine eigenständige Anzeigepflicht der Versicherten angeführten Argumente weitgehend herangezogen werden können, ergibt, dass es sich ebenfalls um eine bloße Zurechnungsvorschrift handelt.47 Nichts anderes gilt für § 166 Abs. 1 BGB, dessen Anwendungsbereich im Rahmen der vorvertraglichen Anzeigepflicht auf Fälle der arglistigen Täuschung beschränkt ist, in denen der spezielle § 20 VVG keine Anwendung findet.48 Entgegen verbreiteter Auffassung49 sind die Vertreter des Versicherungsnehmers beim Vertragsschluss daher nicht als Adressaten der Anzeigepflicht anzusehen. Es finden sich auch keine Anhaltspunkte, dass die Anzeigepflicht in solchen Fällen vom Versicherungsnehmer auf den Vertreter übertragen würde.50 Abschließend ist auch – entgegen anderer Ansicht51 – eine eigenständige Anzeigepflicht der Organwalter der Aktiengesellschaft abzulehnen. Wie im späteren Ver45

Zu einer solchen Vereinbarung vgl. ausf. unter § 11 II. 4. b). Ausf. zu dieser Vorschrift unter § 9 II. 2. 47 Vgl. BK/Voit, § 19 Rn. 1; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch, § 20 VVG Rn. 1; ferner Bruns, Zurechnung von Wissen, S. 60; zur Rechtsnatur als Zurechnungsvorschrift bereits Küpper-Fahrenberg, Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht durch Dritte, S. 6. AA Looschelders/Pohlmann, § 28 Rn. 55: nur Modifikation des § 166 BGB. 48 Vgl. die fehlende Bezugnahme der Vorschrift auf § 22 VVG und die Regierungsbegründung: BT-Drucks. 16/3945, S. 66. 49 Vgl. Bruck/Möller/Rolfs, § 19 Rn. 20 (dann aber offen lassend in § 20 Rn. 11); Looschelders/Pohlmann, § 19 Rn. 11 (für gesetzliche Vertreter); Römer/Langheid, § 19 Rn. 1; Rüffer/Halbach/Schimikowski, § 20 Rn. 1; Barg, Vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers, S. 24, 47 f. (der sich aber auf BK/Voit, § 19 Rn. 11 beruft, der gerade nicht von einer selbständigen Obliegenheit des Vertreters ausgeht, vgl. Rn. 10; auch Knappmann, r+s 1996, 81, 83 äußert sich entgegen Barg nicht zu einer eigenständigen Anzeigepflicht); Beyer, Rechtsvergleichung der vorvertraglichen Anzeigepflicht, S. 89; Uhlenbrock, Lösungsrechte des Versicherers, S. 46 f.; wohl auch Bruck/Möller, 8. Aufl., § 19 Rn. 5; Beckmann/MatuscheBeckmann/Marlow, § 13 Rn. 38. 50 So aber Barg, Vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers, S. 48. 51 So Bruck/Möller/Rolfs, § 19 Rn. 19; Looschelders/Pohlmann, § 19 Rn. 11; MünchKommVVG/Langheid, § 19 Rn. 39; Prölss/Martin/Prölss, § 6 Rn. 44; Barg, Vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers, S. 27: Die Verpflichtung der Organe sei davon unabhängig, ob die Anzeigepflicht zu ihrem Verantwortungsbereich gehöre; wohl auch Beckmann/Matusche-Beckmann/Marlow, § 13 Rn. 38. 46

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4. Teil: Vorvertragliche Anzeigepflicht

lauf der Arbeit noch ausführlich dargelegt wird, geht deren Stellung über die eines rechtsgeschäftlichen oder gesetzlichen Vertreters hinaus, was zur Folge hat, dass die Zurechnung ihrer Kenntnis und ihres Verhaltens an die Gesellschaft grundsätzlich bereits auf einer besonderen Ebene erfolgt und zu „Eigenwissen“ und „Eigenhandeln“ der juristischen Person führt. Spezielle gesetzliche Zurechnungsvorschriften, wie §§ 20, 47 VVG, § 166 BGB sind für die Organwalter nur heranzuziehen, wenn eine Zurechnung auf besonderer Ebene nicht erfolgen kann.52 Die herausgehobene Stellung der Organmitglieder rechtfertigt es aber nicht, ihnen eine eigenständige Anzeigepflicht gemäß § 19 Abs. 1 VVG aufzuerlegen. Zwar ist die juristische Person als solche nicht handlungs- und wissensfähig, sondern handelt durch ihre Organe.53 Das führt aber nicht dazu, dass sich die Anzeigepflicht auf die Organmitglieder erstreckt. Vielmehr ist allein die Gesellschaft als Adressatin der Obliegenheit anzusehen, zu deren Erfüllung sie mangels selbständiger Handlungsfähigkeit der Mitwirkung ihrer Organe bedarf. Dass es sich bei der Frage, ob §§ 20, 47 VVG, § 166 BGB auf Organwalter anzuwenden sind, um kein rein akademisches Problem handelt, wird deutlich, wenn die Zurechnung an die juristische Person vertraglich eingeschränkt werden soll.54 Der Behauptung, die Anwendung des § 20 VVG auf juristische Personen sei unproblematisch, weil als ihr Wissen ohnehin nur das ihrer Organe in Betracht komme, muss daher widersprochen werden.55 Auch die von der Rechtsprechung entwickelten Figuren des Repräsentanten, Wissenserklärungs- und Wissensvertreters56 begründen entgegen anderer Ansicht57 allein eine Zurechnung an den Versicherungsnehmer, die beteiligten Personen werden nicht zu Trägern der Anzeigepflicht. Nach der gesetzlichen Regelung ist also allein der Versicherungsnehmer als deren Adressat anzusehen.

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Vgl. ausf. unter § 9 II. 1. GroßkommAktG/Kort, § 76 Rn. 11; ders., in: Vorstandsrecht, § 2 Rn. 1; MünchKommAktG/Spindler, § 76 Rn. 7; MünchKommBGB/Schramm, Vor § 164 Rn. 7; RGRK/ Steffen, Vor § 164 Rn. 9; Roth/Altmeppen, § 35 Rn. 7; Schmidt/Lutter/Seibt, § 93 Rn. 3; ACHTUNGRESoerACHTUNGREgel/Hadding, § 26 Rn. 3; Soergel/Leptien, § 166 Rn. 4; Boecken, BGB AT, Rn. 119, 602; Bork, BGB AT, Rn. 204, 1668; Flume, BGB AT, Bd. I/2, § 11 I (S. 377); K. Schmidt, GesR, § 10 I 1b (S. 248). 54 Vgl dazu § 11 II. 4. 55 So aber Barg, Vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers, S. 31. 56 Vgl. dazu ausf. § 9 II. 4. 57 Bruck/Möller/Rolfs, § 19 Rn. 20 f.; MünchKommVVG/Langheid, § 39 Rn. 19; Römer/ Langheid, §§ 16, 17 Rn. 10; Terbille, § 2 Rn. 96; Barg, Vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers, S. 41, 45 (eine Zurechnung ergebe sich aus der Adressatenstellung); Röhr, Vorvertragliche Anzeigepflicht, S. 185 f. (für Wissenserklärungsvertreter). Die Anzeigepflicht wird in solchen Fällen auch nicht vom Versicherungsnehmer übertragen, so aber Barg, aaO, S. 47 f. 53

§ 7 Risikoprüfung des Versicherers 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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§ 7 Risikoprüfung des Versicherers I. Rechtliche Aspekte der Fragenformulierung 1. Fragestellung als Obliegenheit Die besondere Bedeutung der Risikoprüfung beim Abschluss einer D&O-Versicherung wurde durch die Reform des Versicherungsvertragsrechts noch erheblich gesteigert. Gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 VVG ist der Versicherungsnehmer nunmehr, von arglistigem Verhalten abgesehen, nur noch hinsichtlich der Umstände anzeigepflichtig, nach denen der Versicherer zuvor in Textform (§ 126b BGB) gefragt hat. Vor der Reform unterlag der Versicherungsnehmer einer „spontanen Anzeigepflicht“: Er war von sich aus dazu gehalten, alle ihm bekannten gefahrerheblichen Umstände anzuzeigen.58 Eine ausdrückliche schriftliche Frage des Versicherers führte lediglich dazu, dass der entsprechende Umstand im Zweifel als erheblich galt, § 16 Abs. 1 S. 3 VVG aF. Wurde ein gefahrerheblicher Umstand vor Vertragsschluss schuldhaft nicht angezeigt, konnte der Versicherer gemäß § 17 Abs. 1 VVG aF regelmäßig vom Vertrag zurücktreten. Damit lag das Risiko einer Fehleinschätzung, ob ein bestimmter Umstand als gefahrerheblich anzusehen war, beim Versicherungsnehmer, was in den Beratungen zum Reformgesetz als unangemessen betrachtet wurde.59 Denn häufig war eine entsprechende Einordnung dem Versicherungsnehmer kaum möglich.60 Das Beurteilungsrisiko wurde daher im Zuge der Reform auf den Versicherer übertragen. Nach neuer Rechtslage gilt ein Umstand aber nicht schon als gefahrerheblich, wenn der Versicherer formgemäß nach ihm gefragt hat. Eine solche Nachfrage spricht jedoch zumindest für eine Erheblichkeit aus subjektiver Sicht des Versicherers.61 Bestreitet der Versicherungsnehmer die erforderliche subjektive Erheblichkeit, ist sie nach der neuen gesetzlichen Risikoverteilung vom Versicherer nachzuweisen. Diesem ist anzuraten, die grundsätzliche Bedeutung verschiedener Umstände für einen Vertragsschluss nachvollziehbar festzuhalten.62 Zweifel, ob ein Umstand unter eine abstrakt formulierte, als erheblich betrachtete Position der Risikoprüfungsgrundsätze des Versicherers fällt, gehen zu dessen Lasten. Die entgegenstehende Rechtsprechung zur früheren Rechtslage lässt sich mit der Intention des Reformgesetzgebers bei Einführung der Frageobliegenheit nicht mehr vereinbaren.63 Um als gefahrerheblich iSd § 19 Abs. 1 VVG zu gelten, muss der betreffende Umstand über-

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Zum Begriff der „spontanen Anzeigepflicht“ Schubach, AnwBl 2008, 27, 28. RegE, BT-Drucks. 16/3945, S. 64. Hinsch-Timm, VVG in der anwaltlichen Praxis, Rn. 157. RegE VVG, BT-Drucks. 16/3945, S. 64; Neuhaus, r+s 2008, 45, 47. Lange, r+s 2008, 56, 57. Vgl. Neuhaus/Kloth, Praxis des neuen VVG, S. 62; Neuhaus, r+s 2008, 45, 47.

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4. Teil: Vorvertragliche Anzeigepflicht

dies objektiv erheblich sein,64 wobei auf einen Versicherer mit durchschnittlich strenger Risikoprüfung abzustellen ist.65 2. Eindeutige Formulierung in Textform Die Versicherer sind in ihrem eigenen Interesse gehalten, ihrer vorvertraglichen Risikoprüfung gut durchdachte Fragenkataloge zu Grunde zu legen, deren zulässige und sensible Formulierung wichtiger denn je ist.66 Gerade bei der D&O-Versicherung mit ihren erheblichen Deckungssummen muss versucht werden, potentielle Risiken durch eine sinnvolle Fragengestaltung möglichst vollständig aufzudecken, um sie in die Vertragsgestaltung einbeziehen zu können. Das Gesetz verlangt, die Fragen in Textform (§ 126b BGB) zu stellen, womit eine erhöhte Rechtssicherheit bezweckt ist.67 Die bis zur Reform mitunter vorkommende Praxis, die Fragen vorzulesen, kann daher nicht aufrechterhalten werden.68 Auch das Mitlesen des Kunden auf dem Notebook des Versicherungsvermittlers genügt mangels Verkörperung der Daten im Bereich des Versicherungsnehmers zur Formwahrung nicht. In einem solchen Fall fehlt ihm die Möglichkeit, die Fragen dauerhaft wiederzugeben, was § 126b BGB in Anbetracht seiner Dokumentationsfunktion aber zwingend voraussetzt.69 Diese Funktion ergibt sich deutlich aus den Materialien zum Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr,70 auf dem § 126b BGB beruht. Dabei wurde dem Regierungsentwurf nicht gefolgt, der darauf abstellte, dass die Erklärung „in Schriftzeichen lesbar“ war,71 sondern nach Anrufung des Vermittlungsausschusses eine „zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen“ geeignete Erklärung gefordert.72 Auch eine teleologische Betrachtung spricht dafür, eine Verkörperung der Fragen im Bereich des Versicherungsnehmers zu verlangen. Der Kunde soll den Inhalt der Erklärungen in Ruhe durchlesen und gegebenenfalls später auch nochmals nachlesen können.73 Die-

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RegE VVG, BT-Drucks. 16/3945, S. 64. Neuhaus, r+s 2008, 45, 47. 66 Langheid/Goergen, VP 2007, 161, 162. 67 RegE VVG, BT-Drucks. 16/3945, S. 64. 68 Meixner/Steinbeck, Das neue Versicherungsvertragsrecht, § 1 Rn. 235; Honsel, VW 2007, 359 ff.; ferner Stadler, VW 2006, 1339, 1341. 69 MünchKommBGB/Einsele, § 126b Rn. 4; Schwintowski/Brömmelmeyer/Härle, § 19 VVG Rn. 130; Staudinger/Hertel (2004), § 126b Rn. 10; Nugel, MDR 2009, 186; zur Textform ferner Erman/Palm, § 126b Rn. 3; Palandt/Ellenberger, § 126b Rn. 3; Brox/Walker, BGB AT, Rn. 300; Medicus, BGB AT, Rn. 623a. 70 Vom 13. 7. 2001, BGBl. I, S. 1542, in Kraft getreten am 1. 8. 2001. 71 RegE, BT-Drucks. 14/4987, S. 5, 19 f.; so auch noch in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 14/5561, S. 4. 72 Vgl. Staudinger/Hertel (2004), § 126b Rn. 28. 73 Staudinger/Hertel (2004), § 126b Rn. 10. 65

§ 7 Risikoprüfung des Versicherers 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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sem Normzweck ist – entgegen anderer Ansicht74 – bei einem Vorlesen oder Mitlesen nicht vollständig Rechnung getragen. Eine sinnvolle Fragestellung muss ferner eindeutig und präzise sein, weil Zweifel zu Lasten des Versicherers gehen.75 Bei der Auslegung wird auf die Verständnismöglichkeit eines verständigen Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse abgestellt.76 Kann ein solcher die Frage in der Weise verstehen, die der Versicherungsnehmer seiner Antwort zu Grunde gelegt hat, liegt keine Obliegenheitsverletzung vor.77 Deshalb ist dem Versicherer eine verständliche Fragestellung anzuraten, die sich auch in einem weitgehenden Verzicht auf Fachausdrücke, Fremdwörter sowie subjektiv interpretationsoffene Begriffe ausdrückt. Der Verständlichkeit stehen ferner zu knappe ebenso wie zu weitschweifige Formulierungen entgegen. Unpräzise Fragen können, eine entsprechende Deutungsmöglichkeit des Versicherungsnehmers vorausgesetzt, die Schwelle zur zu pauschalen Frage überschreiten und ihre Unzulässigkeit zur Folge haben.78 Bei der Gestaltung des Fragebogens ist neben einer transparenten Formulierung auch auf Übersichtlichkeit und eine nachvollziehbare Struktur zu achten: Der Versicherungsnehmer sollte nicht schon optisch erschlagen werden.79 3. Abfrage von Umstandswissen Bis zur Geltung des neuen Rechts fragte der Versicherer vor Abschluss eines D&O-Vertrags grundsätzlich sowohl nach bereits begangenen Pflichtverletzungen als auch nach bloßen Umständen, die auf eine Pflichtverletzung hindeuteten.80 Exemplarisch war die Frage: „Sind einer zu versichernden Person gerichtliche Schritte, Fehler, Irrtümer oder Umstände bekannt, die zu einem Anspruch im Sinne des Gegenstandes des hier angestrebten Vertrages führen könnten?“81

Durch diese Abfrage sog. Umstandswissens sollten Sachverhalte offenbar werden, aus denen Risikopotentiale erwachsen und Versicherungsfälle entstehen konnten.82 Nach der Reform des Versicherungsvertragsrechts ist die Zulässigkeit solcher Fragen, 74

So Marlow/Spuhl, VVG kompakt, S. 44 f. Schwintowski/Brömmelmeyer/Härle, § 19 VVG Rn. 34; Keinert, Vorvertragliche Anzeigepflicht, S. 37. 76 Vgl. BGHZ 123, 83, 85 = NJW 1993, 2369; Terbille, § 2 Rn. 90, 99; ferner BK/Dörner, § 34 Rn. 13 zur unklaren Fragestellung im Schadensanzeigeformular. 77 Vgl. BGH r+s 1989, 5, 6; OLG Hamm r+s 2003, 317, 318; OLG Saarbrücken ZfS 2002, 587, 589; aus dem Schrifttum statt vieler Beckmann/Matusche-Beckmann/Marlow, § 13 Rn. 21; Mankowski, JZ 2004, 121, 125. 78 Weiberle, VuR 2008, 170, 173 f. 79 Vgl. Neuhaus/Kloth, Praxis des neuen VVG, S. 63; Neuhaus, r+s 2008, 45, 47. 80 Vgl. Langheid/Grote, VersR 2005, 1165. 81 So Frage Nr. 12 im Fragebogen der VOV GmbH zu ihrer D&O-Police 2006. 82 Langheid/Goergen, VP 2007, 161. 75

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4. Teil: Vorvertragliche Anzeigepflicht

die allgemein auf Umstände abstellen, aus denen sich eine Pflichtverletzung oder ein Schadensersatzanspruch ergeben könnte, nicht unproblematisch. Der Reformgesetzgeber verfolgte nämlich, indem er die Anzeigepflicht von einer formgemäßen vorhergehenden Frage abhängig machte, die Intention, das Risiko einer Fehleinschätzung über die Erheblichkeit eines Umstands vom Versicherungsnehmer auf den Versicherer zu verlagern.83 Trotz dieses Hintergrunds wird dem Versicherer vereinzelt empfohlen, seine Fragen möglichst weit fassen, um dem späteren Einwand vorzubeugen, nach einem vertragserheblichen Umstand nicht gefragt zu haben.84 § 19 Abs. 1 S. 1 VVG unterscheide ausdrücklich zwischen der Fragestellung des Versicherers und der Vertragserheblichkeit eines dem Versicherungsnehmer bekannten Umstands. Beides habe nichts miteinander zu tun: Selbst bei einer weiten Fragestellung sei dem Versicherungsnehmer das Risiko der Fehleinschätzung, ob ein Umstand vertragsrelevant sei, abgenommen, indem Umstände, die nicht in Textform erfragt würden, keine Anzeigepflichtverletzung begründen könnten. Da die der schriftlichen Frage bisher immanente Vermutungswirkung im Hinblick auf die Gefahrerheblichkeit eines Umstands nach § 16 Abs. 1 S. 3 VVG aF nicht mehr gelte, sei es sinnlos, dem Versicherer engere Fesseln als bisher anzulegen.85 Diese Argumentation überzeugt nicht. Sie widerspricht dem Regelungsanliegen des Gesetzgebers und dem Zweck der eingeführten Frageobliegenheit. Der Versicherungsnehmer soll das Risiko, bei einer weit gefassten Frage richtig zu beurteilen, ob ein bestimmter Umstand von ihr umfasst ist, gerade nicht mehr tragen. Eine allgemeine Frage nach Umstandswissen würde die Risikoverteilung insoweit konterkarieren, als es wiederum dem Versicherungsnehmer auferlegt wäre, zu entscheiden, ob gewisse Umstände als Pflichtverletzung oder anspruchsbegründend angesehen werden könnten.86 Aus Unkenntnis würde er daher im Fragebogen voraussichtlich häufig Umstände angeben, die er mangels tatsächlicher Gefahrerheblichkeit gar nicht angeben müsste. Dieser Nachteil für den Versicherungsnehmer wird auch nicht dadurch ausgeglichen, dass bei einer fehlerhaften Antwort auf weite Fragen ein Verschulden seltener als bei einer konkreten Fragestellung anzunehmen ist.87 Der deutlich zum Ausdruck gekommene Gesetzeszweck gebietet eine möglichst präzise Befragung; der Versicherungsnehmer darf nicht mit einer erhöhten Konkretisierungslast belastet werden.88 Nach zutreffender Ansicht steht dem auch nicht entgegen, dass § 19 Abs. 1 83

RegE, BT-Drucks. 16/3945, S. 64. So Lange, r+s 2008, 56, 57; zustimmend Nugel, MDR 2009, 186, 187. Auch Marlow/ Spuhl, VVG kompakt, S. 45 f. halten eine weitergehende Konkretisierung der Fragen als vor der Reform für nicht nötig; ähnlich Rüffer/Halbach/Schimikowski, § 19 Rn. 9; Barg, Vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers, S. 80 f. 85 Lange, r+s 2008, 56, 57. 86 In diese Richtung (für die allgemeine Frage nach Krankheiten) auch Beckmann/Matusche-Beckmann/Knappmann, § 14 Rn. 22a; Franz, VersR 2008, 298, 306; ferner Rixecker, zfs 2007, 369, 370. 87 So aber wohl Marlow/Spuhl, VVG kompakt, S. 46. 88 Hering, SVR 2008, 5, 7; Weiberle, VuR 2008, 170, 172. 84

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S. 1 VVG zwischen der Fragestellung des Versicherers und der Vertragserheblichkeit eines dem Versicherungsnehmer bekannten Umstands unterscheidet. Zutreffend ist zwar, dass für den Versicherer subjektiv auch etwas erheblich sein kann, nach dem er nicht ausdrücklich gefragt hat.89 Die Tatsache, dass eine Anzeigepflichtverletzung nunmehr grundsätzlich eine vorherige Frage in Textform voraussetzt, genügt aber nicht, um dem Versicherungsnehmer entsprechend der gesetzgeberischen Intention das Einschätzungsrisiko im Hinblick auf die Gefahrerheblichkeit abzunehmen. Ein entsprechender Schluss, die eingeführte Frageobliegenheit führe dazu, dass auch weite Fragestellungen weiterhin zulässig seien, geht mithin zu weit: Ansonsten wäre es möglich, den klaren gesetzgeberischen Willen und den Normzweck durch nur wenige pauschale Fragen problemlos zu umgehen. Der Versicherer hätte dann zwar vollständig gefragt, das Einschätzungsrisiko, wann ein Umstand gefahrerheblich ist, läge indes wieder beim Versicherungsnehmer. Deshalb sind zu weite Fragen des Versicherers als unzulässig zu betrachten; eine Anzeigepflicht besteht insofern nicht.90 Erörterungsbedürftig bleibt aber, wo die Grenze liegt, ab der eine Frage als „zu weit“ anzusehen ist. Unzulässig ist es jedenfalls, wie im oben zitierten Praxisbeispiel pauschal nach irgendwelchen Gefahrmomenten zu fragen.91 Es ist aber zu weitgehend und praktisch nicht umsetzbar, vom Versicherer zu verlangen, jede einzelne potentielle Gefahr konkret abzufragen, um sich später auf eine mit ihr zusammenhängende Anzeigepflichtverletzung berufen zu können.92 Dies läge auch nicht im Interesse des Versicherungsnehmers, der ansonsten mit ausufernden Fragenkatalogen rechnen müsste.93 Die Forderung nach präziser Fragenformulierung darf deshalb nicht überdehnt werden. Um eine „noch zulässige“ von einer „schon unzulässigen“ Frage abzugrenzen, ist stets von der gesetzgeberischen Intention auszugehen, die dem Versicherungsnehmer das Risiko abnehmen möchte, die Gefahrerheblichkeit zu beurteilen. Dieses Bestreben ist dann noch gewahrt, wenn sich eine pauschale Frage auf einen eng begrenzten Bereich bezieht oder ohnehin nur gefahrerhebliche Umstände als Antwortmöglichkeiten in Betracht kommen. So ist die mittlerweile geänderte Fassung der oben zitierten Frage als zulässig zu betrachten: „Sind einer zu versichernden Person im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Pflichtverletzungen oder Handlungen oder Unterlassungen bekannt, die ihr gegenüber als mögliche Pflichtverletzung bezeichnet wurden?“94 89

So aber wohl Reusch, VersR 2007, 1313, 1314. Vgl. auch Weiberle, VuR 2008, 170, 172. 91 Für die allgemeine Frage nach Krankheiten Franz, VersR 2008, 298, 306; vgl. ferner Hering, SVR 2008, 5, 7. 92 Brand, VersR 2009, 715, 717; Neuhaus, r+s 2008, 45, 47; kritisch Weiberle, VuR 2008, 170, 172 m. Fn. 47. 93 Mit dieser Konsequenz Terbille/Kummer, § 12 Rn. 58: Der Gesetzgeber provoziere umfangreiche Fragenkataloge der Versicherer. 94 So Frage Nr. 11 des Fragebogens „D&O-Versicherung“ der VOV GmbH, abrufbar unter www.vovgmbh.de/upload/7_453.pdf (zuletzt abgerufen am 31. 5. 2010). 90

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4. Teil: Vorvertragliche Anzeigepflicht

Durch die Einschränkung auf Umstände, die bereits als mögliche Pflichtverletzung bezeichnet wurden, kann stets von deren Gefahrerheblichkeit ausgegangen werden, sodass die gesetzgeberische Wertung gewahrt bleibt. Nicht genügen dürfte es aber entgegen anderer Ansicht, eine weitgehend offene Frage als Abschlussfrage an das Ende eines vorangestellten konkreten Fragenkatalogs zu stellen (zB: „Liegen sonstige Umstände vor, aus denen sich ein Schadensersatzanspruch ergeben könnte?)“.95 In einem solchen Fall läge das Beurteilungsrisiko im Hinblick auf die Gefahrerheblichkeit eines Umstands entgegen dem gesetzgeberischen Willen im Ergebnis erneut beim Versicherungsnehmer.96 Eine genaue Grenzziehung muss der Rechtsprechung vorbehalten bleiben. Aufgrund der dadurch bestehenden Rechtsunsicherheit ist den Versicherern zu raten, ihre Fragen im Zweifelsfall möglichst eng zu stellen. Dafür spricht auch, dass das Risiko, ob ein Gefahrumstand von einer bestimmten Frage umfasst wird, beim Versicherer liegt. Eine zu weit formulierte Frage könnte deshalb jedenfalls dazu führen, dass Umstände geringerer Gewichtung als nicht gefahrerheblich gälten, weil sie für den objektiven Versicherungsnehmer aufgrund der pauschalen Formulierung nicht mehr nahe lägen.97

II. Risikoprüfungsobliegenheit 1. Anforderungen an den Versicherer Der Versicherer darf die ihm durch die Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers eingeräumte Risikoprüfungsmöglichkeit nicht nach Belieben zurückstellen und die Prüfung etwa erst nach Eintritt des Versicherungsfalls durchführen. Dies liefe ihrem Zweck zuwider, vor Vertragsschluss klare Verhältnisse zu schaffen. Der Versicherer prüft das Risiko nicht nur im eigenen Interesse, sondern aufgrund eines vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses auch in dem des Versicherungsnehmers. Aus diesem Grund ist die Risikoprüfung zwar nicht als einklagbare Pflicht, jedoch als Obliegenheit anerkannt, die von der Rechtsprechung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entwickelt wurde.98 Der Befragte dürfe sich darauf verlas95

Eine solche Vorgehensweise empfiehlt Neuhaus, r+s 2008, 45, 47 (mit Beispiel aus der Krankenversicherung: Dort sei im Anschluss an die Fragen nach konkreten Krankheiten die offene Frage zulässig, ob sonstige Krankheiten vorlägen, die von den bisherigen Fragen nicht erfasst wurden); zustimmend Brand, VersR 2009, 715, 717. 96 Nicht überzeugend Rühl, ZVersWiss 94 (2005), 479, 487 (vor der VVG-Reform): Durch eine offene Frage am Ende des Fragebogens werde dem Versicherungsnehmer „insbesondere“ deutlich vor Augen geführt, welche Umstände der Anzeige bedürften. 97 Vgl. auch Neuhaus, r+s 2008, 45, 47. 98 Grundlegend BGHZ 117, 385, 388 = NJW 1992, 1506; ferner BGH r+s 1993, 154, 155; BGH NJW 1995, 401, 402; OLG Hamm NJW-RR 1993, 1311; OLG Koblenz r+s 1998, 50, 51; OLG Saarbrücken NJW-RR 2006, 607, 609; Terbille, § 2 Rn. 108; ausf. Huesmann, ACHTUNGRERisikoprüfungsobliegenheit, passim; Römer, r+s 1998, 45, 48; ablehnend Dreher, JZ 1992, 926 ff.; Lorenz, VersR 1993, 513, 515 ff.; kritisch Langheid/Müller-Frank, NJW 1993, 2652, 2655 f.

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sen, dass der Versicherer das von ihm ausgefüllte Formular sorgsam durchsehen und seine vor Vertragsschluss gebotene Risikoprüfung an sämtlichen Angaben darin ausrichten werde. Dieser sei zu einem solchen Vorgehen auch deshalb gehalten, weil er mit Auswahl und Formulierung der Fragen zum Ausdruck bringe, alle erbetenen Auskünfte zu benötigen.99 Eine nicht ordnungsgemäße Risikoprüfung führt dazu, dass die Rechte des Versicherers aus Tatsachen, die durch Nachforschungen bekannt geworden wären, grundsätzlich ausgeschlossen sind.100 Der Obliegenheit zur Risikoprüfung ist unter Umständen auch eine Nachfrageobliegenheit immanent: Beantwortet der Versicherungsnehmer eine Frage widersprüchlich oder besteht aus einem anderen Grund Anlass dazu, ist der Versicherer zur Nachfrage verpflichtet.101 Aufklärungsbedarf besteht aber nur, wenn sich ihm die fehlerhafte oder unvollständige Beantwortung „aufdrängt“.102 Diese Rechtsprechungsgrundsätze gelten auch nach der Reform des Versicherungsvertragsrechts fort. Zwar ist der Versicherungsnehmer grundsätzlich nicht mehr bis zum Vertragsschluss, sondern nur noch bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung zur Anzeige verpflichtet, sodass eine Nachmeldeobliegenheit für ihn grundsätzlich nicht mehr besteht. Die Risikoprüfungs- und ihr immanente Nachfrageobliegenheit des Versicherers korrespondieren aber nicht mit der ehemals bestehenden Nachmeldeobliegenheit des Versicherungsnehmers. Ziel der Neuregelung war es nämlich, den Versicherungsnehmer zu entlasten.103 2. Arglistige Täuschung des Versicherungsnehmers Bis vor wenigen Jahren sollte der Versicherer nach Ansicht der überwiegenden Rechtsprechung bei einem Verstoß gegen seine Risikoprüfungsobliegenheit die aus einer Anzeigepflichtverletzung des Versicherungsnehmers resultierenden Rechte

99

BGHZ 117, 385, 387 = NJW 1992, 1506; sich anschließend OLG Koblenz r+s 1998, 50,

51. 100

Vgl. BGHZ 117, 385, 388 = NJW 1992, 1506; BGH r+s 1993, 154, 155; BGH NJW 1995, 401, 403; BGH NJW-RR 1995, 982, 983; OLG Frankfurt r+s 2003, 208, 209; OLG Hamm NJW-RR 1993, 1311; OLG Hamm r+s 2001, 39 f.; OLG Hamm r+s 2001, 354, 356; OLG Koblenz r+s 1998, 50 f.; OLG Saarbrücken r+s 1994, 162, 163; OLG Saarbrücken NJWRR 2006, 607, 608 f.; OLG Saarbrücken r+s 2007, 113; Terbille, § 2 Rn. 108; Römer, r+s 1998, 45, 48. 101 Vgl. BGHZ 117, 385, 387 f. = NJW 1992, 1506; ferner BGH r+s 1993, 154, 155; OLG Düsseldorf r+s 2003, 252; OLG Hamm NJW-RR 1993, 1311; OLG Hamm r+s 2001, 39, 40; OLG Hamm r+s 2001, 354, 356; OLG Koblenz r+s 1998, 50, 51; OLG Saarbrücken r+s 1994, 162, 163; OLG Saarbrücken r+s 2007, 113; Terbille, § 2 Rn. 108; Meixner/Steinbeck, Das neue Versicherungsvertragsrecht, § 1 Rn. 233. 102 Vgl. Müller-Frank/Scherff, VersR 1998, 1362, 1363 m.w.Nachw. aus der Rechtsprechung. 103 Für die künftige Anwendbarkeit auch Neuhaus, r+s 2008, 45, 49; aA (für eine Risikoprüfungsobliegenheit fehle es nun an einer planwidrigen Regelungslücke) Kruse, Vorvertragliche Anzeigepflicht in der Reform des VVG, S. 197 ff.

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4. Teil: Vorvertragliche Anzeigepflicht

selbst dann verlieren, wenn dieser ihn arglistig getäuscht hatte.104 Diese Auffassung war nicht überzeugend und stieß im Schrifttum und in Teilen der Rechtsprechung auf berechtigte Kritik.105 Es ist nicht nachvollziehbar, zugunsten des nicht schutzbedürftigen arglistig Täuschenden die Grundsätze von Treu und Glauben heranzuziehen.106 Dieser könnte es sogar darauf anlegen, Fragen in der Hoffnung widersprüchlich zu beantworten, der Versicherer werde die Widersprüchlichkeit nicht erkennen oder aus anderen Gründen eine ordnungsgemäße Nachfrage unterlassen. Ein solches Vorgehen stellt eine besonders subtile Täuschung dar, die nicht privilegiert werden darf.107 In derartigen Fällen der arglistigen Täuschung sind sowohl dem Versicherer als auch dem Versicherungsnehmer Obliegenheitsverletzungen vorzuwerfen: Der Versicherer verletzt seine Risikoprüfungsobliegenheit, der Versicherungsnehmer seine vorvertragliche Anzeigepflicht. Allerdings wiegt die arglistige Anzeigepflichtverletzung deutlich schwerer als die verletzte Risikoprüfungsobliegenheit, die regelmäßig auf einem Versehen beruht.108 Es überzeugt nicht, in einem solchen Fall allein die – gesetzlich nicht geregelte – Obliegenheitsverletzung des Versicherers über den Rechtsgedanken der unzulässigen Rechtsausübung zu sanktionieren. Auch die Wertung der fehlenden Nachfrage des Versicherers als (konkludentes) Einverständnis in eine arglistige Täuschung ist lebensfremd.109 Die Rechtsprechung blieb von diesen Argumenten nicht länger unbeeindruckt. Zunächst entschied der BGH, im Fall einer arglistigen Täuschung des Antragstellers komme eine Wissenszurechnung von einem passiven Stellvertreter an den Versicherer nicht in Betracht, weil der Täuschende nicht schutzwürdig sei.110 Infolge dieser Entscheidung war für die Rechtsprechung nicht mehr zu begründen, weshalb die fehlende Schutzwürdigkeit des Versi104 Vgl. BGHZ 117, 385, 388 = NJW 1992, 1506; OLG Koblenz r+s 1998, 50, 51; KG VersR 1998, 1362 m. Anm. Müller-Frank/Scherff; offen lassend: OLG Hamm r+s 2001, 39; OLG Saarbrücken r+s 2004, 206. 105 s. die Rechtsprechungsnachweise in Fn. 112; aus dem Schrifttum BK/Voit, § 22 Rn. 18; Beckmann/Matusche-Beckmann/Knappmann, § 14 Rn. 66; Terbille, § 2 Rn. 111; v. Bühren, § 1 Rn. 106, 664; Günther, Betrug in der Sachversicherung, S. 20; Holzhauser, Versicherungsvertragsrecht, Rn. 54; Uhlenbrock, Lösungsrechte des Versicherers, S. 232 f.; Dreher, JZ 1992, 926, 927; Knappmann, r+s 1996, 81, 83; Langheid/Müller-Frank, NJW 1998, 3680, 3682; Lücke, VersR 1994, 128, 129; Müller-Frank, NVersZ 2001, 447, 448; Müller-Frank/ Scherff, VersR 1998, 1362, 1364; v. Koppenfels-Spies, zfs 2004, 489, 494; kritisch auch Römer, r+s 1998, 45, 49. 106 Knappmann, r+s 1996, 81, 83; Lücke, VersR 1994, 128, 129; Römer, r+s 1998, 45, 49 (anders noch ders., Versicherungsvertragsrecht, Rn. 100); ferner Terbille, § 2 Rn. 111. 107 Vgl. schon Römer/Langheid, § 22 Rn. 8; Lorenz, VersR 1993, 513, 517; ferner Langheid/Müller-Frank, NJW 1998, 3680, 3682; Müller-Frank/Scherff, VersR 1998, 1362, 1364. 108 Ähnlich OLG Hamm NJW-RR 2002, 316, 317; OLG Saarbrücken NJW-RR 2006, 607, 609; OLG Saarbrücken r+s 2007, 113; vgl. aus dem Schrifttum Beckmann/Matusche-Beckmann/Knappmann, § 14 Rn. 66 („Wertungsgefälle“); Lücke, VersR 1994, 128, 129. 109 So Beckmann/Matusche-Beckmann/Knappmann, § 14 Rn. 66; Römer, r+s 1998, 45, 49; in diese Richtung auch Müller-Frank/Scherff, VersR 1998, 1362, 1364. 110 BGH NJW-RR 2001, 889 f.; dazu (zustimmend) Müller-Frank, NVersZ 2001, 447 ff.

§ 7 Risikoprüfung des Versicherers 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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cherungsnehmers eine Wissenszurechnung ausschließen, dem Rechtsverlust des Versicherers im Fall einer nicht ordnungsgemäßen Risikoprüfung aber nicht entgegenstehen soll.111 Instanzgerichte verwehrten daraufhin dem arglistig Täuschenden den Schutz, auch wenn der Versicherer seine Risikoprüfung nicht ordnungsgemäß durchgeführt hatte.112 Wer sich dermaßen treuwidrig verhalte, dürfe den bewussten Missbrauch des Vertrauens seines Verhandlungspartners nicht mit einem Verweis darauf ungeschehen machen, dass diesem Nachlässigkeiten unterlaufen seien.113 Inzwischen hat sich der BGH dieser Auffassung ausdrücklich angeschlossen und sich von seiner früheren Rechtsprechung verabschiedet.114 Deshalb ist an die Verletzung der Risikoprüfungsobliegenheit nur dann die Folge eines möglichen Rechtsverlusts zu knüpfen, wenn der Versicherungsnehmer nicht arglistig gehandelt hat.

III. Auswirkungen des Vertragsschlussverfahrens auf die Risikoprüfung 1. Antragsmodell als gesetzliches Leitbild a) Weitgehender Wegfall des Policenmodells Die vorvertragliche Risikoprüfung des Versicherers ist zentraler Teil des Vertragsschlussverfahrens. Ihre ordnungsgemäße Durchführung hängt unmittelbar damit ACHTUNGREzusammen, wie der Vertrag zustande kommt. Grundsätzlich gelten dafür die allgemeinen Regeln, namentlich §§ 116 ff., 145 ff. BGB.115 Bis zur Reform des Versicherungsrechts war in der Abschlusspraxis jedoch das sog. Policenmodell weit verbreitet.116 Danach kam der Vertrag auf Grundlage des Versicherungsscheins und der Versicherungsbedingungen zustande, obwohl diese dem Versicherungsnehmer regelmäßig erst nach seiner Angebotserklärung, in der Regel zusammen mit der Police im Rahmen der Vertragsannahme des Versicherers, ausgehändigt wurden. Ermöglicht wurde dieses – vom allgemeinen Zivilrecht abweichende – Vertragsschlussverfahren 111 Vgl. zur Parallelität der Fallkonstellationen auch Müller-Frank, NVersZ 2001, 447, 448; in diese Richtung auch Langheid/Müller-Frank, NJW 2002, 403, 407. 112 OLG Dresden, Urteil vom 8. 12. 2000, 3 U 2487/00, auszugsweise zitiert im Revisionsurteil BGH NJW-RR 2002, 89, in dem die Frage mangels Entscheidungserheblichkeit offen bleibt; OLG Düsseldorf r+s 2003, 252 f.; OLG Frankfurt r+s 2003, 208, 209; OLG Hamm NJW-RR 2002, 316, 317; OLG Saarbrücken NJW-RR 2006, 607, 608 f.; OLG Saarbrücken r+s 2007, 113 f.; vgl. auch schon LG Konstanz VersR 1997, 1082 f. 113 OLG Saarbrücken NJW-RR 2006, 607, 609; OLG Saarbrücken r+s 2007, 113, 114. 114 BGH r+s 2008, 234 f. m. Anm. Lorenz, VersR 2007, 96 f.; bestätigt in BGH NJW-RR 2007, 1519; im Anschluss daran OLG Düsseldorf, Urteil vom 17. 4. 2007, I-4 U 81/06, Rn. 21 f., abrufbar unter www.nrwe.de (zuletzt abgerufen am 31. 5. 2010). 115 Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen enthält die „Billigungsklausel“ in § 5 VVG, die eine vom Antrag abweichende Annahme ermöglicht; dazu noch unter b). 116 Vgl. Dohmen, Informations- und Beratungspflichten, S. 318; Hinsch-Timm, VVG in der anwaltlichen Praxis, Rn. 23; Römer, VersR 2006, 740, 741.

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durch § 5a VVG aF. Quasi als Ausgleich räumte die Vorschrift dem Versicherungsnehmer ein besonderes Widerrufsrecht ein, das allerdings in der Praxis nur selten genutzt wurde:117 Der Versicherungsnehmer konnte den Vertragsschluss mit einer Frist von vierzehn Tagen nach Erhalt der Unterlagen widerrufen. Dogmatisch begründet wurde dieses Modell mit einer schwebenden Unwirksamkeit des Vertrags bis zum Ablauf der Widerrufsfrist; im Anschluss sollte sein Zustandekommen rückwirkend fingiert werden.118 Trotz der Widerrufsmöglichkeit erfuhr das Policenmodell starke Kritik, da der Versicherungsnehmer ohne vorherige Aushändigung der Unterlagen eine durchdachte Entscheidung nur schwerlich treffen könne.119 Mit dem Wegfall des § 5a VVG aF und der Neufassung des § 7 VVG im Zuge der Reform des Versicherungsvertragsrechts hat sich der Gesetzgeber, auch aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen,120 bewusst gegen das Policenmodell entschieden, das dem Interesse des mündigen Versicherungsnehmers an frühzeitiger Information über den Inhalt des angestrebten Vertrags nicht hinreichend Rechnung trage. Dieser müsse sich vor Abgabe seiner Vertragserklärung mit den Einzelheiten des Produkts vertraut machen können, um es zu bewerten und gegebenenfalls mit anderen Angeboten zu vergleichen.121 Nunmehr sind dem Versicherungsnehmer in einer Rechtsverordnung (VVGInfoV)122 näher bestimmte Informationen und die Versicherungsbedingungen regelmäßig bereits rechtzeitig vor Abgabe seiner Vertragserklärung mitzuteilen.123 Das sog. Antragsmodell ist zum Leitbild des Vertragsschlusses geworden: Der Versicherungsnehmer gibt im Idealfall nach umfassender Information durch den Versicherer

117 Vgl. Hübner, Karlsruher Forum 1997, S. 43, 50: bei unter 1 % der Versicherungsanträge. Zur Einführung des § 5a VVG aF, auf dem das Policenmodell beruhte, im Zuge der Deregulierung des Versicherungsrechts nach den Dritten Richtlinien im Jahr 1994 Hinsch-Timm, VVG in der anwaltlichen Praxis, Rn. 16 ff.; Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 1/ 2; Gaul, VersR 2007, 21; jeweils m.w.Nachw. 118 Statt vieler Prölss/Martin/Prölss, § 5a Rn. 10; Hinsch-Timm, VVG in der anwaltlichen Praxis, Rn. 22; Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 2/2. 119 Dazu F. Baumann/Beenken, Versicherungsvertragsrecht in der Praxis, S. 40 f.; Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 1/2; ferner die Nachw. bei Dohmen, Informationsund Beratungspflichten, S. 322. 120 RegE, BT-Drucks. 16/3945, S. 60; zu den gemeinschaftsrechtlichen Problemen auch Dörner/Staudinger, WM 2006, 1710, 1712 m.w.Nachw. 121 RegE, BT-Drucks. 16/3945, S. 60; Marlow/Spuhl, VVG kompakt, S. 9; Niederleithinger, Das neue VVG, A Rn. 64 (S. 29). Zu den Meinungen im Gesetzgebungsverfahren Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 1/2. Wegen des klar ausgedrückten Willens des Gesetzgebers ist die Auffassung abzulehnen, das Policenmodell sei grundsätzlich weiterhin zulässig; so aber Neuhaus/Kloth, Praxis des neuen VVG, S. 30. 122 Verordnung über Informationspflichten bei Versicherungsverträgen (VVG-Informationspflichtenverordnung – VVG-InfoV) vom 18. 12. 2007, BGBl. I, S. 3004, in Kraft getreten am 1. 1. 2008 und 1. 7. 2008. 123 s. Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 3/49. Besonderheiten gelten beim Fernabsatz, etwa, wenn der Vertragsschluss auf Verlangen des Versicherungsnehmers telefonisch erfolgt, § 7 Abs. 1 S. 3 VVG. Dazu m.w.Nachw. Stockmeier, VersR 2008, 717, 720.

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ein Vertragsangebot ab, das dieser anschließend annimmt.124 Schon vor der Reform des Versicherungsvertragsrechts war ein Vertragsschluss nach diesem Verfahren möglich, erfolgte allerdings in der Praxis recht selten.125 Zahlreiche Stimmen im Schrifttum – insbesondere auch aus Reihen der Versicherungswirtschaft – wandten sich gegen die weitgehende Abschaffung des Policenmodells:126 Erfahrungen belegten, dass der Umfang der Vertragsinformationen den Kunden überfordere, der deshalb regelmäßig auf ihre Kenntnisnahme verzichte.127 Die Annahme, er studiere umfangreiche Texte Allgemeiner Versicherungsbedingungen, sei eine „blanke Illusion“.128 Die Gesetzesverfasser bestritten nicht, dass die wenigsten Versicherungsnehmer die Vertragsinformationen und Bedingungen vollständig zur Kenntnis nähmen. Es sei aber ausreichend, wenn ihnen dazu die Möglichkeit eingeräumt werde.129 Auch wenn sich die Diskussion um die Abschaffung des Policenmodells zunächst hauptsächlich auf Verbraucherverträge beschränkte, erfolgte in § 7 VVG eine umfassende Regelung, weil ein eingeschränkter persönlicher Anwendungsbereich nicht sachgerecht erschien.130 Die im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens geäußerte Kritik und ein entsprechender Vorschlag von Römer führten zur Re-

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Vgl. die Regierungsbegründung, BT-Drucks. 16/3945, S. 48, S. 60: „… ist die Abgabe der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers, in der Regel sein Vertragsantrag“; ferner F. Baumann/Sandkühler, Das neue VVG, S. 18, 48. Der Begriff „Antragsmodell“ stammt ursprünglich von Lorenz, VersR 1995, 616, 618; ders., ZVersWiss 84 (1995), 103, 108; ihm folgend Baumann, VersR 1996, 1, 3; Reiff, VersR 1997, 267, 268. 125 Vgl. Dohmen, Informations- und Beratungspflichten, S. 318; Hinsch-Timm, VVG in der anwaltlichen Praxis, Rn. 23; Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 2/2; Römer, VersR 2006, 740, 741. 126 Vgl. die Kernpunkte des GDV zur VVG-Reform – für die Anhörung im Rechtsausschuss am 28. 3. 2007, S. 25 – 27, abrufbar unter www.gdv.de/Downloads/Themen/Kernpunkte_ VVG_28_3_07.pdf (zuletzt abgerufen am 31. 5. 2010); ferner die Nachw. bei Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 3/92; zudem F. Baumann/Sandkühler, Das neue VVG, S. 19; Staudinger/Langheid, Vorträge Münsterischer Versicherungstag 2006, S. 23, 29 f.; Römer, VersR 2006, 740, 741; ders., VersR 2007, 618; Schimikowski, r+s 2006, 441, 443; Schubach, AnwBl 2008, 27 f. 127 Schubach, AnwBl 2008, 27 f.: Selbst der Gutwilligste verliere die Lust, die Informationen zu lesen. Der „auf dem Papier perfekt ausgedachte Verbraucherschutz“ werde den Verbraucher „kaum davor schützen, übereilt und ohne Kenntnis der für ihn wichtigen Informationen Versicherungsverträge zu schließen.“ Deutlich auch Staudinger/Langheid, Vorträge Münsterischer Versicherungstag 2006, S. 23, 29 f.: „Außerdem schaffen wir das Policenmodell ab und zwingen den Versicherer … jedes Blatt Papier … umzudrehen … und zu nur noch in Kilos zu messenden Gesamtkompendien zusammenzustellen, die dem Verbraucher, der sie weder liest noch versteht … zu überstellen sind.“ Vgl. ferner Römer, VersR 2006, 740, 741; ders., in: Römer/Heinen, Vorträge Münsterischer Versicherungstag 2007, S. 1, 18 f.; ders., VersR 2007, 618; Schimikowski, r+s 2006, 441, 443. 128 So Schimikowski, r+s 2006, 441, 443. Vgl. auch Römer, VersR 2007, 618: „… Überfülle von Informationen … Er [der Versicherungsnehmer] wird und kann sie nicht aufnehmen.“ 129 RegE VVG, BT-Drucks. 16/3945, S. 48. 130 Das Schutzbedürfnis kleiner Unternehmer und Freiberufler sei in aller Regel nicht geringer als das der Verbraucher einzuordnen, vgl. RegE VVG, BT-Drucks. 16/3945, S. 59 f.

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gelung des § 4 VVG-InfoV,131 wonach der Versicherer gegenüber Verbrauchern verpflichtet ist, ein „Produktinformationsblatt“ zur Verfügung zu stellen, in dem die wichtigsten Punkte des Versicherungsprodukts möglichst knapp beschrieben sind.132 Mangels Verbrauchereigenschaft der Vertragspartner ist ein solches Informationsblatt bei der D&O-Versicherung jedoch nicht erforderlich. b) D&O-Versicherung als Großrisiko Die Informationspflichten aus § 7 VVG sind allerdings beim Abschluss eines D&O-Vertrags generell entbehrlich, sofern es sich dabei um die Versicherung eines Großrisikos iSd Art. 10 Abs. 1 S. 2 EGVVG handelt, § 7 Abs. 5 VVG. Entsprechendes gilt für die besonderen Beratungspflichten des Versicherers aus § 6 VVG, vgl. dessen Absatz 6. Für die Einordnung als Großrisiko ist nach § 10 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 EGVVG erforderlich, dass die versicherungsnehmende Gesellschaft bestimmte Unternehmenskennzahlen erreicht, wobei kumulativ zwei der genannten drei Merkmale vorliegen müssen: 6,2 Mio. Euro Bilanzsumme, 12,8 Mio. Euro Nettoumsatzerlöse und im Wirtschaftsjahr durchschnittlich 250 Arbeitnehmer. Zwar erreichen nicht alle Versicherungsnehmer der D&O-Versicherung diese Werte, doch dürfte zumindest bei größeren Aktiengesellschaften regelmäßig ein Großrisiko versichert werden, womit ihnen gegenüber die Informationspflichten des § 7 VVG entfallen. Daraus ergibt sich allerdings nicht, dass das Policenmodell für diese Fälle weiterhin anwendbar bleibt.133 Es fehlt an einer § 5a VVG aF vergleichbaren Sonderregelung, nach der die Versicherungsbedingungen und der Versicherungsschein entgegen den grundsätzlichen zivilrechtlichen Regelungen den Vertragsinhalt bestimmen konnten. Aus diesem Grund kann das Verfahren des Policenmodells bei Großrisiken, sofern eine regelmäßige Anwendung im Raum steht, nur insoweit aufrechterhalten werden, als zuvor schon eine vertragliche Einigung bestand. In einem solchen Fall ist es weiterhin möglich, die Versicherungsbedingungen erst im Rahmen der Annahmeerklärung zu übersenden. Zwar ist § 5a VVG aF, der gegenüber § 305 Abs. 2 BGB als lex specialis anzusehen war,134 entfallen. Bei der D&O-Versicherung, die stets im unternehmerischen Geschäftsverkehr abgeschlossen wird, ist § 305 Abs. 2 BGB gemäß § 310 Abs. 1 BGB jedoch nicht anzuwenden. Vielmehr genügt zur Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen eine entsprechende vertragliche Vereinbarung.135 Nicht mehr möglich ist es dagegen, den Vertragsinhalt regelmäßig erst mit den Versicherungsbedingungen nach der Angebotserklärung des Versicherungsnehmers zu definieren. Dieses Verfahren kann auch nicht mit einem Hinweis auf § 5 Abs. 1 131

Vgl. Römer, VersR 2006, 740, 741; ders., VersR 2007, 618, 619. Zum wesentlichen Inhalt des Produktinformationsblatts Bruck/Möller/Herrmann, § 7 Rn. 46 ff. 133 So aber wohl Rüffer/Halbach/Schimikowski, § 7 Rn. 33. 134 Vgl. auch Halm/Engelbrecht/Krahe/Wandt, 1. Kap., Rn. 298; ders., Versicherungsrecht, Rn. 292. 135 Statt aller Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 305 BGB Rn. 169 f. 132

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VVG aufrechterhalten werden. Nach dieser Vorschrift gelten Abweichungen vom Angebot des Versicherungsnehmers als genehmigt, wenn dieser nicht innerhalb eines Monats nach Zugang des Versicherungsscheins formgemäß widerspricht, sofern der Versicherer die formellen Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 VVG gewahrt hat. Der eindeutige Wille des Reformgesetzgebers gebietet es aber, von einem Ausnahmecharakter des § 5 VVG auszugehen. Die Vorschrift kann deshalb nicht als Grundlage eines Vertragsabschlussmodells benutzt werden, um über den Umweg einer „Widerspruchslösung“ zu einem „Policenmodell in anderem Gewand“ zu kommen.136 Das durch § 7 VVG verkörperte gesetzliche Leitbild würde umgangen, wenn beim typischen Vertragsschlussverfahren eines Versicherungsprodukts das Angebot des Versicherungsnehmers regelmäßig nur über eine Anwendung des § 5 VVG angenommen werden könnte, weil der Versicherungsschein oder die Bedingungen vom Antrag des Versicherungsnehmers abweichen. Führte man das Policenmodell entgegen diesen Bedenken bei Großrisiken im ursprünglichen Umfang fort, müsste neben einer Verschärfung des Gesetzes de lege ferenda damit gerechnet werden, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als Aufsichtsbehörde gemäß § 146 Abs. 1 VAG aufgrund eines Missstands iSd § 81 VAG einschreitet. Ferner wären auch wettbewerbsrechtliche Folgen und Unterlassungsklagen zu erwarten.137 Deshalb kann auch bei Großrisiken das Policenmodell nur stark eingeschränkt fortgeführt werden. Für die Praxis der D&O-Versicherung ist ein derart modifiziertes Policenmodell unbrauchbar. Vor dem Hintergrund, dass mit der Neuregelung des VVG die besondere Widerrufsmöglichkeit des Versicherungsnehmers in § 5a VVG aF weggefallen ist, dürfte sich – schon aus Beweisgründen – kaum einer der meist geschäftserfahrenen Vertreter der Versicherungsnehmer darauf einlassen, die Versicherungsbedingungen bei einem derart erheblichen Vertragsschluss trotz vorheriger Einigung erst nach Abgabe eines verbindlichen Vertragsangebots einsehen zu können. Dafür spricht ferner, dass auch das Widerrufsrecht nach § 8 Abs. 1 VVG bei Versicherungsverträgen über ein Großrisiko gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 4 VVG nicht besteht. Auch für die Versicherer ist ein Festhalten an einem eingeschränkten Policenmodell bei Großrisiken nicht erstrebenswert: So müssten Verträge, je nach Einordnung als Groß- oder Normalrisiko, parallel nach zwei unterschiedlichen Verfahren abgeschlossen werden, was einen organisatorischen Mehraufwand bedeutete. Da sich die Einordnung als Großrisiko regelmäßig erst aus der Risikoprüfung des Versicherers ergibt, könnte auch über das Abschlussverfahren erst in deren Anschluss entschieden werden, was nicht nur im Hin136 Dazu auch Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/18; Schimikowski, r+s 2007, 309, 311. 137 Dazu Rüffer/Halbach/Schimikowski, § 7 Rn. 21 f., 24; ders., r+s 2006, 441, 443; ders., r+s 2007, 133, 137; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebers, § 7 VVG Rn. 63 f.; Hinsch-Timm, VVG in der anwaltlichen Praxis, Rn. 55 ff.; Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 3/79; Meixner/Steinbeck, Das neue Versicherungsvertragsrecht, § 1 Rn. 75; Niederleithinger, VersR 2006, 437, 442; Franz, VersR 2008, 298, 303; Römer, VersR 2006, 740, 742; Stockmeier, VersR 2008, 717, 722 f.

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blick auf die Kommunikation mit dem Kunden unvorteilhaft wäre, sondern auch Verzögerungen erwarten ließe. Abschließend ist zu beachten, dass der Versicherer das Risiko trägt, ob es sich zum Zeitpunkt der Abgabe der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers um ein Großrisiko gehandelt hat.138 Im Ergebnis ist daher von einem Aufrechterhalten des Policenmodells in eingeschränkter Form abzuraten. Liegt zweifelsfrei ein Großrisiko vor, kann aber auf die Pflichtinformationen aus § 7 VVG verzichtet werden. c) Erfüllung der Informationspflichten Ist dies nicht der Fall, muss der Versicherer die sich aus § 7 VVG ergebenden Informationspflichten erfüllen. Notwendiger Empfänger der Informationen ist bei der D&O-Versicherung allein die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin und Vertragspartnerin, nicht dagegen der einzelne Versicherte. Dafür spricht schon der Wortlaut des § 7 VVG, der allein auf den Versicherungsnehmer abstellt.139 Auch aus der Begründung140 und der Systematik des Gesetzes lässt sich eine abweichende Auslegung nicht herleiten: Der Gesetzgeber hat ausdrücklich geregelt, wann Informationspflichten des Versicherers auch gegenüber Dritten bestehen sollen, wie in § 10a Abs. 2 VAG für Lebensversicherungen und Pensionskassen gegenüber Versorgungsanwärtern und Versorgungsempfängern.141 Die Informationspflicht der Versicherten ergibt sich auch nicht aus § 44 Abs. 1 S. 1 VVG, da der Versicherte bei der Versicherung für fremde Rechnung nicht vollständig in die Stellung des Versicherungsnehmers als Vertragspartner eintritt.142 Eine teleologische Betrachtung stützt diese Sichtweise: Zweck des § 7 VVG ist es, die Entscheidungsfreiheit des Versicherungsnehmers zu stärken.143 Dazu genügt es, wenn dieser selbst ausreichend informiert wird. Eine weiter gehende Informationspflicht könnte darüber hinaus, entsprechend der Frageobliegenheit, praktisch nicht erfüllt werden:144 Die Versicherten der D&O-Versicherung sind dem Versicherer regelmäßig namentlich nicht bekannt, erlangen ihre Eigenschaft als Versicherte vielmehr allein durch eine bestimmte Position im Unternehmen. Dazu führt ein Wechsel der Organpersonen während der Versicherungsperiode zu Änderungen im Kreis der versicherten Personen, wobei die ausgeschiedenen Organmitglieder in der Regel weiterhin vom Versicherungsschutz erfasst sind.145 All 138

Rüffer/Halbach/Schimikowski, § 7 Rn. 33. s. Rüffer/Halbach/Schimikowski, § 7 Rn. 10; Franz, VersR 2008, 1565, 1572. 140 Ausf. Franz, VersR 2008, 1565, 1572. 141 Vgl. Rüffer/Halbach/Schimikowski, § 7 Rn. 10; Franz, VersR 2008, 298, 300; ders., VersR 2008, 1565, 1572 f. 142 Dazu Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 3/8 f.; ferner MünchKommVVG/Armbrüster, § 7 Rn. 14. 143 Franz, VersR 2008, 1565, 1568. 144 Zum gleich gelagerten Problem bei der betrieblichen Altersvorsorge Franz, VersR 2008, 1565, 1574 f. 145 Dazu schon § 3 I. 139

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dies spricht dafür, dass der Versicherer allein gegenüber der Aktiengesellschaft zur Information iSd § 7 VVG verpflichtet ist. Der Gesetzgeber hat, indem er das Antragsmodell indirekt zum Leitbild des Vertragsschlusses erklärte, einen erhöhten Aufwand der Versicherer bewusst in Kauf genommen, um sicherzustellen, dass der Versicherungsnehmer vor dem Vertragsschluss umfassend informiert wird. Dieses gesetzgeberische Ziel findet Ausdruck in § 7 VVG, wonach dem Versicherungsnehmer die Informationen „rechtzeitig“ vor Abgabe der Vertragserklärung mitgeteilt werden müssen, wohingegen nach überkommener Rechtslage eine Aushändigung „bei Vertragsschluss“ genügte.146 Die Bedeutung des Begriffs „rechtzeitig“ ist noch nicht hinreichend geklärt.147 Nach einer Ansicht genügt die Übermittlung der Informationen bei der Antragstellung,148 die Gegenansicht verlangt eine Einzelfallbetrachtung.149 Zutreffend muss sich die Bedeutung nach dem Normzweck des § 7 VVG bestimmen, der darin liegt, den Versicherungsnehmer vor einer Entscheidung ohne ausreichende Überlegung und Information zu schützen.150 Dieser Zweck ist – entsprechend dem Rechtzeitigkeitsbegriff in § 312c Abs. 1 S. 1 BGB – nur gewahrt, wenn es dem Versicherungsnehmer möglich ist, vom Inhalt der Informationen Kenntnis zu nehmen und sie zu bewerten.151 Die dafür nötige Zeitspanne ist – entsprechend der zweitgenannten Auffassung – nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, wobei dem jeweiligen Versicherungs146 Dies wurde bis zur Reform als zulässig erachtet, vgl. v. Bühren, § 1 Rn. 153; HinschTimm, VVG in der anwaltlichen Praxis, Rn. 19. Das Antragsmodell wurde daher durch die Reform modifiziert. AA Meixner/Steinbeck, Das neue Versicherungsvertragsrecht, § 1 Rn. 61, 68, die davon ausgehen, neben dem Policenmodell sei auch das Antragsmodell durch die Reform abgeschafft worden. 147 Ausf. zu diesem Problem MünchKommVVG/Armbrüster, § 7 Rn. 57 ff.; Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 3/50 ff. m.w.Nachw.; vgl. auch Meixner/Steinbeck, Das neue Versicherungsvertragsrecht, § 1 Rn. 68; Gaul, VersR 2007, 21, 22; Langheid, NJW 2007, 3665, 3666; Römer, VersR 2006, 740, 741; Schimikowski, r+s 2006, 441, 442; Stadler, VW 2006, 1339, 1340. 148 So MünchKommVVG/Armbrüster, § 7 Rn. 62, 67; Rüffer/Halbach/Schimikowski/ Brömmelmeyer, § 1 Rn. 49; Funck, VersR 2008, 163 f.; Gaul, VersR 2007, 21, 22; Stadler, VW 2006, 1339, 1340. 149 So Looschelders/Pohlmann, § 7 Rn. 18; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebers, § 7 VVG Rn. 36; Halm/Engelbrecht/Krahe/Wandt, 1. Kap., Rn. 290; ders., Versicherungsrecht, Rn. 284 (jeweils unter Ausschluss der Umstände, die nur in der Person des Versicherungsnehmers begründet sind); Hinsch-Timm, VVG in der anwaltlichen Praxis, Rn. 35; Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 3/51, 3/57 ff.; Marlow/Spuhl, VVG kompakt, S. 18 f.; Meixner/Steinbeck, Das neue Versicherungsvertragsrecht, § 1 Rn. 66; Schimikowski/Höra, Das neue VVG, S. 110 f. m. Beispielen; Franz, VersR 2008, 298, 303; Schimikowski, r+s 2006, 441, 442; ders., r+s 2007, 133, 135. 150 Ausf. und m.w.Nachw. Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 3/55; vgl. ferner Rüffer/Halbach/Schimikowski, § 7 Rn. 6; ders., Versicherungsvertragsrecht, Rn. 39; Beckmann/Matusche-Beckmann/K. Johannsen, § 8 Rn. 13. 151 Hering, SVR 2008, 5, 6; Stockmeier, VersR 2008, 717, 718; anders Bruck/Möller/ Hermann, § 7 Rn. 60 ff.: Die Rechtzeitigkeit hänge davon ab, ob ein Berater die Möglichkeit habe, das AVB-Studium zu steuern.

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produkt eine maßgebliche Rolle zukommt.152 Jedoch dürfte es auch bei einfachen Produkten ohne langfristige Verbindlichkeiten für den Kunden, wie einer Privathaftpflicht- oder Reisegepäckversicherung, nur in besonders gelagerten Fällen genügen, diesem die Informationen erst zeitgleich mit dem Antrag zur Unterschrift vorzulegen. Dem wird entgegengehalten, die Gesetzesbegründung mache deutlich, dass eine bestimmte Frist zwischen Informationserteilung und Antragstellung nicht in Betracht komme. Der Gesetzgeber wolle nicht verhindern, dass die Antragsunterschrift gleich nach der Information des Kunden erfolge.153 Vielmehr müsse der Versicherer keine Bedenkzeit einräumen:154 Eine Aushändigung bei der Antragstellung sei ausreichend, da es der Versicherungsnehmer selbst in der Hand habe, die Informationen vor seiner Unterschrift ausreichend zu begutachten.155 Das Merkmal der Rechtzeitigkeit sei daher einer objektiven Betrachtung entzogen und werde durch den Kunden ausgestaltet.156 Gegen diese Einwände spricht bereits, dass, ihre Richtigkeit unterstellt, dem Merkmal „rechtzeitig“ keine eigenständige Bedeutung mehr zukäme.157 Die Verwendung des Begriffs legt einen Regelungsgehalt insbesondere deshalb nahe, weil der Gesetzgeber an anderen Stellen darauf verzichtet hat, den Zeitpunkt „vor Vertragsschluss“ näher zu spezifizieren.158 Zwar besteht tatsächlich kein Anlass, den Kunden, der alsbald nach der Informationsübergabe unterschreiben möchte, an seiner VerACHTUNGREtragsACHTUNGREerACHTUNGREklärung zu hindern.159 Der Versicherer schuldet eine Informationsmöglichkeit, 152 Vgl. Looschelders/Pohlmann, § 7 Rn. 18; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebers, § 7 VVG Rn. 36; Halm/Engelbrecht/Krahe/Wandt, 1. Kap., Rn. 290; ders., Versicherungsrecht, Rn. 284 (jeweils unter Ausschluss der Umstände, die nur in der Person des Versicherungsnehmers begründet sind); F. Baumann/Beenken, Versicherungsvertragsrecht in der Praxis, S. 41; Hinsch-Timm, VVG in der anwaltlichen Praxis, Rn. 35; Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 3/51, 3/57 ff.; Marlow/Spuhl, VVG kompakt, S. 18 f.; Meixner/Steinbeck, Das neue Versicherungsvertragsrecht, § 1 Rn. 66; Schimikowski/Höra, Das neue VVG, S. 110 f.; Franz, VersR 2008, 298, 303; Schimikowski, r+s 2006, 441, 442; ders., r+s 2007, 133, 135; zu weiteren Kriterien Leverenz, VW 2008, 392, 393 f. Kritisch Beckmann/MatuscheBeckmann/Schwintowski, § 18 Rn. 22 ff., der den Begriff der Rechtzeitigkeit von der vorhergehenden Beratung abhängig macht. Eine solche Vorgehensweise schützt den Versicherungsnehmer allerdings nicht ausreichend vor unüberlegten Entscheidungen, vgl. die folgenden Ausführungen im Text. 153 So Funck, VersR 2008, 163 f. unter Hinweis auf die Regierungsbegründung, BTDrucks. 16/3945, S. 48. 154 So ausdrücklich Rüffer/Halbach/Schimikowski/Brömmelmeyer, § 1 Rn. 49. 155 So argumentieren Funck, VersR 2008, 163 f.; Stadler, VW 2006, 1339, 1340; im Ergebnis auch Rüffer/Halbach/Schimikowski/Brömmelmeyer, § 1 Rn. 49. 156 Gaul, VersR 2007, 21, 22; Funck, VersR 2008, 163, 164. 157 Die eigenständige Bedeutung verneinen dann auch konsequent MünchKommVVG/ Armbrüster, § 7 Rn. 62; Funck, VersR 2008, 163, 164. 158 Vgl. Halm/Engelbrecht/Krahe/Wandt, 1. Kap., Rn. 290; ders., Versicherungsrecht, Rn. 284. 159 F. Baumann/Beenken, Versicherungsvertragsrecht in der Praxis, S. 89; Niederleithinger, Das neue VVG, A Rn. 68 (S. 30).

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keinen Informationserfolg im Sinne eines nachprüfbaren Erkenntnisgewinns.160 Zutreffend ist auch, dass sich der Gesetzgeber gegen eine Mindestprüfungsfrist ausgesprochen hat.161 Beides rechtfertigt aber nicht den Schluss, eine Informationsaushändigung kurz vor der Antragstellung genüge den Voraussetzungen des § 7 VVG.162 Dies würde dem Normzweck, den Kunden vor einer übereilten Entscheidung zu schützen, nicht gerecht. Folgte man der Gegenansicht, käme der Unterschrift des Versicherungsnehmers eine faktische Gestaltungswirkung auch im Hinblick darauf zu, „rechtzeitig“ informiert worden zu sein. Eine solche Wirkung dürfte dem Versicherungsnehmer regelmäßig nicht bekannt sein und könnte von Versichererseite dazu genutzt werden, den Kunden zu einer möglichst schnellen Unterschrift zu bewegen. Das Bild des Versicherungsnehmers, der ein umfangreiches Informationspaket überreicht bekommen hat, und sich schon durch die bloße Anwesenheit eines Versicherungsvermittlers oder Außendienstmitarbeiters insoweit beeinflussen lässt, dass er die Lektüre auf eine oberflächliche Durchsicht reduziert, lässt sich gut vorstellen. Natürliche Reaktionen wie Unbehagen, die Gegenseite warten zu lassen oder durch genaues Durchlesen fehlendes Vertrauen zum Ausdruck zu bringen, können geschulte Personen durch Gesten, Blicke oder Anmerkungen noch verstärken. Würde die Rechtzeitigkeit der Information allein durch den Versicherungsnehmer mit seiner Unterschrift bestimmt, wäre dies entgegen der Intention des Gesetzgebers häufig nur eine vermeintlich selbstbestimmte Entscheidung.163 Aufgrund des umfassenden Regelungsanliegens des Gesetzgebers müssen diese generellen Argumente die einheitliche Auslegung des Rechtzeitigkeitsbegriffs auch dann prägen, wenn die Vertragspartner – wie bei der D&O-Versicherung – geschäftserfahren sind. Die Gesetzesbegründung macht lediglich deutlich, dass es dem Kunden aufgrund seiner Privatautonomie nicht verboten sein kann, vor Ablauf einer starren Frist den Vertrag abzuschließen.164 Vor dem Hintergrund des § 7 Abs. 1 S. 3 VVG, wonach er gänzlich auf Informationen vor dem Vertragsschluss verzichten kann, ist es konsequent, auch einen Verzicht auf eine Überlegungsfrist zu ermöglichen. Ein solcher muss aber entsprechend dem Gesetzeszweck ausdrücklich, nicht konkludent mit der Vertragsunterschrift erklärt werden; richtigerweise ist sogar eine gesonderte Erklärung in Textform analog § 7 Abs. 1 S. 3 VVG zu verlangen.165 Fehlt es an einem 160

MünchKommVVG/Armbrüster, § 7 Rn. 63; Leverenz, VW 2008, 392, 393. RegE VVG, BT-Drucks. 16/3945, S. 48. 162 So aber Funck, VersR 2008, 163 f.; in diese Richtung wohl auch Gaul, VersR 2007, 21, 22; Römer, VersR 2006, 740, 741. 163 Noch weiter geht Römer, VuR 2007, 94, 95, der sich auch gegen die Möglichkeit des ausdrücklichen Verzichts wendet: Für den geschulten Verkäufer sei es „ein Leichtes, im Verkaufsgespräch seinem Gegenüber einen entsprechenden Text über den Tisch zu reichen mit der Bitte um Unterschrift.“ Der in das Gespräch Gezogene werde den Text in der Regel nicht einmal lesen, geschweige denn erfassen, bevor er ihn unterschreibe. 164 Mit diesem Argument gegen eine statische Mindestfrist auch Schimikowski, r+s 2007, 133, 134. 165 In diese Richtung wohl auch Franz, VersR 2008, 298, 303, der allerdings auf § 6 Abs. 3 VVG als mögliche Analogiegrundlage abstellt. 161

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4. Teil: Vorvertragliche Anzeigepflicht

ausdrücklichen Verzicht, ist die Rechtzeitigkeit nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen,166 da nur so ein angemessener Ausgleich zwischen der Schutzwürdigkeit und der Mündigkeit des Versicherungsnehmers erreicht werden kann. Da die Rechtsprechung dem Begriff der Rechtzeitigkeit noch keine Konturen verliehen hat, dürfte es im Hinblick auf die bestehende Rechtsunsicherheit zum Regelfall werden, dass der Kunde die einschlägigen Vertragsunterlagen nach einem Vorgespräch erhält und die Antragstellung im Rahmen eines späteren Termins vollzogen wird.167 Bei der D&O-Versicherung ist bei der Einzelfallbetrachtung darauf zu achten, dass es sich um ein vergleichsweise komplexes Produkt handelt, das umfangreiche finanzielle Verpflichtungen auslöst und bei dem einzelne Bedingungen über den Deckungsschutz einer Vielzahl an Personen in Millionenhöhe entscheiden können. Auf der anderen Seite muss auch die Geschäftserfahrenheit der beteiligten Vertreter in die Wertung einfließen. Idealerweise werden die Bedingungen und Informationen dem Versicherungsnehmer bereits vor der Risikoprüfung, spätestens mit Aushändigung des Fragebogens, überreicht. Als „rechtzeitig“ kann aber ein Zeitraum von drei Tagen vor der Antragstellung durch den Versicherungsnehmer regelmäßig noch angesehen werden. d) Risikoprüfung nach dem Antragsmodell Ein Vertragsschluss nach dem Antragsmodell erfordert es bei komplizierten Produkten wie der D&O-Versicherung, dass bereits dem Antrag des Versicherungsnehmers eine Risikoprüfung des Versicherers zugrunde liegt. Diese wirkt sich wesentlich auf die konkreten Vertragsbedingungen und die zu zahlende Prämie aus, sodass der Versicherer das Angebot regelmäßig nicht annehmen könnte, erfolgte die Prüfung erst nach dessen Abgabe. Abänderungen ließen sich nicht vermeiden, womit die Vertragserklärung des Versicherers nur als erneuter Antrag eingeordnet werden könnte, § 150 Abs. 2 BGB. Der Tatsache, dass ein annahmefähiges Angebot bei der D&OVersicherung regelmäßig nur auf Grundlage einer vorherigen Risikoprüfung erstellt werden kann, steht § 5 VVG nicht entgegen, der – wie bereits erörtert – eine Ausnahmevorschrift darstellt. Denn wählte der Versicherer für den Vertragsschluss ein Regelverfahren, das keine Risikoprüfung vor dem Angebot des Versicherungsnehmers vorsieht, läge darin eine Umgehung des gesetzlichen Leitbildes, wenn die Prüfung nicht nur ausnahmsweise wesentliche Auswirkungen auf den Vertragsinhalt hat. Dies ist jedenfalls bei der D&O-Versicherung anzunehmen, bei der die individuelle Lage der Gesellschaft die konkrete Vertragsgestaltung in ganz erheblichem Maß beeinflusst. Da ein regelmäßiges Abweichen vom gesetzlichen Leitbild zu einem Einschreiten der BaFin aufgrund eines Missstandes (§ 81 VAG), wettbewerbsrechtlichen Folgen und Unterlassungsklagen führen kann,168 ist die Risikoprüfung beim Abschluss eines D&O-Vertrags vorzunehmen, bevor eine bindende Vertragserklärung 166

Vgl. dazu schon die Nachw. in Fn. 152. Vgl. Schimikowski, r+s 2006, 441, 442; sich dem anschließend Meixner/Steinbeck, Das neue Versicherungsvertragsrecht, § 1 Rn. 67; ferner Marlow/Spuhl, VVG kompakt, S. 19. 168 Vgl. die Nachw. in Fn. 137. 167

§ 7 Risikoprüfung des Versicherers 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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abgegeben wurde. Die Beratungsphase endet regelmäßig mit einem unverbindlichen Deckungsvorschlag des Versicherers, auf dessen Grundlage der Versicherungsnehmer ein bindendes Angebot abgibt.169 In der Folgezeit ist dieser gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 VVG grundsätzlich nicht mehr dazu verpflichtet, gefahrerhebliche Umstände anzuzeigen. Eine „spontane Anzeigepflicht“ des Versicherungsnehmers nach Abgabe seines Angebots besteht nur noch, wenn ein Verschweigen von Umständen eine arglistige Täuschung darstellt.170 Deshalb ist der Versicherer vor seiner Vertragsannahme zu einer erneuten Risikoüberprüfung gehalten. Er kann die Anzeigepflicht durch Fragen in Textform auf die Zeitspanne zwischen der Abgabe des Angebots durch den Versicherungsnehmer und seiner Vertragsannahme erstrecken, § 19 Abs. 1 S. 2 VVG.171 Ergibt die erneute Prüfung keine Abweichungen von der ursprünglich zugrunde gelegten Situation, wird der Versicherer das Angebot annehmen, was in der Regel durch Zusendung einer Deckungsbestätigung erfolgt.172 2. Ignorieren der gesetzlichen Vorgaben Der Vertragsschluss nach dem Antragsmodell wird, insbesondere von Seiten der Versicherungswirtschaft, für nur bedingt praxistauglich und relativ aufwendig gehalten.173 Vor langer Zeit eingeführte Prozessabläufe bedürften einer grundlegenden Änderung.174 Schwierigkeiten ergäben sich zunächst daraus, dass die Vermittler und Außendienstmitarbeiter auf zahlreiche umfangreiche und aktuelle Druckstücke zugreifen müssten. Galt die Erfüllung dieser Aufgabe vor etwa einem Jahrzehnt noch als „Ding der Unmöglichkeit“,175 die den Vermittler dazu zwinge, sämtliche Bedingungswerke in seinen Geschäftsräumen zu lagern,176 dürfte sie mittlerweile dank fortgeschrittener EDV-Technik und einem möglichen Online-Abruf von Druckstücken lösbar sein. Weiter wird gegen das Antragsmodell vorgebracht, ein Vertragsschluss nach ihm bedürfe regelmäßig mehrerer Besuche beim Kunden. Ohne ein Vorgespräch sei es in der Regel nicht möglich, bei Antragstellung die notwendigen Unterlagen zur

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Honsel, VW 2007, 359, 361. s. zur arglistigen Täuschung ausf. § 8 II. Von einer weiter bestehenden Nachmeldeobliegenheit bei vorheriger Frage des Versicherers geht (ohne nähere Begründung) Terbille/ Kummer, § 12 Rn. 60 aus (für Ziff. 23.1 AHB). 171 RegE, BT-Drucks. 16/3945, S. 65; Reusch, VersR 2007, 1313. 172 Honsel, VW 2007, 359, 360. 173 So zB Gaul, VersR 2007, 21, 24; ferner Neuhaus/Kloth, Praxis des neuen VVG, S. 29; Stadler, VW 2006, 1339 ff. 174 Schimikowski, r+s 2006, 441, 443; ferner Stadler, VW 2006, 1339, 1340. 175 Büchner, Der Referentenentwurf eines Dritten Durchführungsgesetzes zum VAG, S. 14; vgl. auch Reiff, VersR 1997, 267, 271: „enorme finanzielle, personelle und technische Herausforderungen, mit denen die Versicherungswirtschaft … konfrontiert wird“. 176 Dazu Dohmen, Informations- und Beratungspflichten vor Abschluss des Versicherungsvertrags, S. 321 m.w.Nachw. 170

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4. Teil: Vorvertragliche Anzeigepflicht

Verfügung zu stellen.177 Tatsächlich hat der Gesetzgeber diese Folge mit der Neuregelung der Informationspflichten aber gerade intendiert. Der Versicherungsnehmer soll vor Vertragsschluss ausreichend beraten und informiert werden. Abschließend wird am Antragsmodell kritisiert, es führe zu unnützer Informationsübermittlung, weil diese zu einem Zeitpunkt erfolge, an dem sich der Kunde häufig noch nicht für den Vertragsschluss entschieden habe.178 Im Ergebnis blieben konstant höhere personelle, zeitliche und materielle Belastungen, die eine Verteuerung des Versicherungsschutzes zur Folge hätten.179 Diese praktischen Vorbehalte haben die Versicherungswirtschaft dazu veranlasst, über Lösungen nachzudenken, den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden, ohne die bisherige Vertragsabschlusspraxis einschneidend ändern zu müssen. Zu untersuchen ist, ob diese Lösungsvorschläge generell als Alternative zum Antragsmodell in Betracht kommen und, sofern dies bejaht werden kann, auch eine für die D&O-Versicherung bedenkenswerte Vertragsschlussmöglichkeit darstellen. Zunächst kam der Vorschlag auf, die gesetzlichen Informationspflichten zu ignorieren und das Policenmodell in seiner ursprünglichen Form weiterzuführen.180 Bei oberflächlicher Betrachtung ist mit einem solchen Vorgehen allein die Folge verbunden, dass die Widerrufsfrist nach § 8 VVG nicht zu laufen beginnt. Damit könnte sich der Versicherungsnehmer zwar, von einer möglichen Verwirkung abgesehen, auch nach Jahren noch vom Vertrag lösen.181 Allerdings dürften tatsächlich nur wenige von dieser Möglichkeit Gebrauch machen und selbst in diesen Fällen hätte der Versicherer allein ein Stornorisiko zu tragen. Ein solches Risiko bestand für ihn jedoch bereits bei Vertragsschlüssen nach dem Policenmodell zur überkommenen Rechtslage, sofern er nicht nachweisen konnte, dass der Versicherungsnehmer alle wesentlichen Unterlagen erhalten hatte.182 Trotz dieser auf den ersten Blick geringen Gefahren für den Versicherer stellt ein systematisches Ignorieren der gesetzlichen Vorgaben keine praxistaugliche Lösungsmöglichkeit dar: Außerhalb des unternehmerischen Bereichs würden die Versicherungsbedingungen regelmäßig nicht Vertragsbestandteil werden, da es an den Voraus177 Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/3; Gaul, VersR 2007, 21; ferner Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebers, § 7 VVG Rn. 13; Baumann, FS Adomeit, S. 41; ders., VW 2007, 1955; Schimikowski, r+s 2006, 441, 443 f. 178 Staudinger/Langheid, Vorträge Münsterischer Versicherungstag 2006, S. 23, 30: „Wobei in den Sternen steht, ob dieser [der informierte Verbraucher] jemals auch nur daran denkt, bei dem betroffenen Unternehmen einen Vertrag abzuschließen.“ 179 Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 3/94; Schimikowski, r+s 2006, 441, 443; ferner Neuhaus/Kloth, Praxis des neuen VVG, S. 44. 180 Kritisch Schimikowski, r+s 2006, 441, 443; vgl. ferner Meixner/Steinbeck, Das neue Versicherungsvertragsrecht, § 1 Rn. 75. 181 Zur Verwirkung etwa Bruck/Möller/Herrmann, § 7 Rn. 78; Bruck/Möller/Knops, § 8 Rn. 45 ff.; Palandt/Grüneberg, § 242 Rn. 87 ff. 182 Vgl. Meixner/Steinbeck, Das neue Versicherungsvertragsrecht, § 1 Rn. 75; Schimikowski, r+s 2006, 441, 443.

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setzungen des § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB fehlte.183 Eine § 5a VVG aF vergleichbare Sonderregelung, die gegenüber § 305 Abs. 2 BGB als lex specialis anzusehen war und die Einbeziehung der Versicherungsbedingungen bei einem Vorgehen nach dem Policenmodell ermöglichte, findet sich im reformierten VVG gerade nicht mehr. Der vorherige Erhalt des Produktinformationsblatts reicht nicht aus,184 weil § 305 Abs. 2 BGB eine Kenntnisnahmemöglichkeit vom vollständigen Inhalt der Bedingungen verlangt.185 Dieses Problem kann auch nicht über die in § 7 Abs. 1 S. 3 VVG normierte Verzichtsmöglichkeit gelöst werden: Diese erstreckt sich nicht auf die Voraussetzungen des § 305 Abs. 2 BGB.186 Die Gegenansicht, die § 7 Abs. 1 S. 3 VVG als Spezialregelung begreift,187 ist abzulehnen. Eine derartige Auslegung lässt sich weder mit dem Wortlaut der Vorschrift noch mit dem Willen des Gesetzgebers begründen, Regelungsgegenstand ist allein die vorvertragliche Information des Versicherungsnehmers.188 Der Behauptung, die Normierung einer Verzichtslösung sei sinnlos, würden die Versicherungsbedingungen von ihr nicht erfasst, ist zu widersprechen:189 Praktisch ist es durchaus möglich, eine für § 305 Abs. 2 BGB erforderliche Kenntnisnahmemöglichkeit mit einem Informationsverzicht zu kombinieren, sodass ein sinnvoller Anwendungsbereich der Verzichtsmöglichkeit verbleibt.190 Eine regelmäßige Einbeziehung der AVB über § 5 VVG, dessen Begriff „Versicherungsschein“ weit auszulegen ist und die Bedingungen umfasst,191 scheitert am Ausnahmecharakter der Vorschrift und stellt als Umgehung des gesetzlichen Leitbilds mit den oben beschriebenen Folgen keine taugliche Lösung dar. Entgegen abweichender Ansicht führte ein systematisches Einbeziehen der AVB über § 5 VVG aber nicht zur Unwirksamkeit der Klauseln nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.192 Denn ein Verstoß Allgemeiner Geschäftsbedingungen gegen die Inhaltskontrolle lässt sich, wie es der 183

Zutreffend Bruck/Möller/Beckmann, Einf. C Rn. 90 = Beckmann/Matusche-Beckmann, § 10 Rn. 90; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebers, § 7 VVG Rn. 51; Beckmann/MatuscheBeckmann/K. Johannsen, § 8 Rn. 20. 184 So aber Neuhaus/Kloth, Praxis des neuen VVG, S. 31. 185 Vgl. auch Halm/Engelbrecht/Krahe/Wandt, 1. Kap., Rn. 297. Grundsätzlich Wolf/ Lindacher/Pfeiffer, AGB-Gesetz, § 305 Rn. 85. 186 So auch Halm/Engelbrecht/Krahe/Wandt, 1. Kap., Rn. 298; ders., Versicherungsrecht, Rn. 292. 187 So MünchKommVVG/Armbrüster, § 7 Rn. 86; MünchKommVVG/Reiff, AVB Rn. 65; Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 3/78; Marlow/Spuhl, VVG kompakt, S. 14; Neuhaus/Kloth, Praxis des neuen VVG, S. 31; wohl auch Gaul, VersR 2007, 21, 24. 188 Vgl. Halm/Engelbrecht/Krahe/Wandt, 1. Kap., Rn. 298. 189 So aber MünchKommVVG/Armbrüster, § 7 Rn. 86; Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 3/78. 190 Zum grundsätzlichen Nebeneinander von § 305 Abs. 2 BGB und § 7 Abs. 1 VVG vgl. auch Bruck/Möller/Beckmann, Einf. C Rn. 90 = Beckmann/Matusche-Beckmann, § 10 Rn. 90. 191 Vgl. Bruck/Möller/Knops, § 5 Rn. 17; Looschelders/Pohlmann/C. Schneider, § 5 Rn. 5; Prölss/Martin/Prölss, § 5 Rn. 1; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Brömmelmeyer, § 5 Rn. 19; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebers, § 5 VVG Rn. 9; aA Bruck/Möller/Beckmann, Einf. C Rn. 94 = Beckmann/Matusche-Beckmann, § 10 Rn. 94. 192 So aber Schimikowski, r+s 2007, 309, 311.

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4. Teil: Vorvertragliche Anzeigepflicht

Wortlaut nahe legt, nur mit dem Inhalt der Klauseln, nicht mit dem System, nach dem sie in den Vertrag einbezogen werden, begründen. Auch die Annahme, §§ 7 VVG, 305 Abs. 2 BGB entfalteten eine Sperrwirkung gegenüber § 5 VVG,193 ist als zu weitgehend abzulehnen. Einer generellen Sperrwirkung des § 7 VVG gegenüber § 5 VVG steht entgegen, dass für letztgenannte Vorschrift dann ein Anwendungsbereich nur für die Fälle erhalten bliebe, in denen die Informationspflichten ausgeschlossen sind, was sowohl der Systematik als auch dem gesetzgeberischen Willen ersichtlich widerspricht. Für eine allein auf AVB beschränkte Sperrwirkung ist kein überzeugender Grund ersichtlich. Im Ergebnis wird der Versicherer die gesetzlichen Vorgaben regelmäßig jedenfalls schon deshalb nicht ignorieren, weil er die AVB auf diese Weise nicht – ohne erhebliche Folgen befürchten zu müssen – in den Vertrag einbeziehen kann. Im unternehmerischen Bereich, wie beim Abschluss eines D&O-Vertrags, ist § 305 Abs. 2 BGB gemäß § 310 Abs. 1 S. 1 BGB nicht anwendbar, womit zur Einbeziehung von AVB eine entsprechende Vereinbarung genügt.194 Dennoch ist es dem Versicherer auch hier nicht möglich, die gesetzlichen Vorgaben zu ignorieren. Schon aufgrund der weggefallenen Widerrufsmöglichkeit in § 5a VVG würden sich die Versicherungsnehmer – wie bereits erörtert195 – nicht damit einverstanden erklären, die Vertragsbedingungen und Informationen erst nach Abgabe ihrer VerACHTUNGREtragsACHTUNGREerklärung zu erhalten. Außerhalb von Großrisiken handelte es sich bei einem Verzicht auf vorvertragliche Informationen zudem wiederum um eine Umgehung des gesetzlichen Leitbilds und damit einen Missstand iSd § 81 VAG, gegen den die BaFin einschreiten könnte. Daneben wären auch hier eine Reaktion des Gesetzgebers, Unterlassungsklagen und wettbewerbsrechtliche Folgen,196 zudem Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung von Informationspflichten (§§ 280, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB) zu erwarten.197 3. Verzichtslösung Auch ein formularmäßig vereinbarter Verzicht auf vorvertragliche Informationen iSd § 7 Abs. 1 S. 3 VVG kommt selbst dann nicht in Betracht, wenn er als gesonderte Erklärung iSd Norm ausgestaltet ist.198 Dies gilt unabhängig von einer möglichen Ge193 So Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebers, § 5 VVG Rn. 8; wohl auch Bruck/Möller/ Knops, § 5 Rn. 17; eine Sperrwirkung dagegen (zutreffend) ablehnend Looschelders/Pohlmann/C. Schneider, § 5 Rn. 24; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Brömmelmeyer, § 5 Rn. 11. 194 Statt aller Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 305 BGB Rn. 169 f. 195 Vgl. unter 1. b). 196 Vgl. dazu bereits unter Fn. 137. 197 Vgl. Bruck/Möller/Herrmann, § 7 Rn. 82; Rüffer/Halbach/Schimikowski, § 7 Rn. 21; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebers, § 7 VVG Rn. 57 ff.; Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 3/79, 3/88 ff.; Franz, VersR 2008, 298, 303; Funck, VersR 2008, 163, 164; Stockmeier, VersR 2008, 717, 722 f. 198 Rüffer/Halbach/Schimikowski/Brömmelmeyer, § 1 Rn. 59. Ähnlich bereits Römer, VersR 2006, 740, 742.

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meinschaftsrechtswidrigkeit der Regelung,199 begründeten Zweifeln, ob Versicherungsnehmer eine solche Erklärung abgeben würden,200 sowie der Tatsache, dass der Verzicht die Einbeziehungsvoraussetzungen von AVB nicht erfasst.201 Denn eine systematische Verzichtslösung verstieße – mit denselben drohenden Folgen wie bei einem Ignorieren der gesetzlichen Vorgaben202 – einmal mehr gegen das gesetzliche Leitbild, nach dem die Versicherungsnehmer rechtzeitig zu informieren sind. Da § 7 Abs. 1 S. 3 VVG als Ausnahmevorschrift konzipiert ist, würde ein formularmäßiger Verzicht als Abweichung vom wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht standhalten.203 Die §§ 305 ff. BGB sind grundsätzlich auch auf sog. Vertragsabschlussklauseln anzuwenden.204 4. Bedingtes Antragsmodell Nach dem von Baumann entwickelten „Modell der bedingten Antragserklärung“ macht der Versicherungsnehmer die Bindung an seinen Antrag iSd § 158 Abs. 1 BGB davon abhängig, dass ihm innerhalb einer bestimmten Frist die erforderlichen Unterlagen vom Versicherer zur Verfügung gestellt werden und er seinen Antrag nicht innerhalb einer weiteren Frist widerruft.205 Die Bindungswirkung des Antrags entstehe

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Dazu ausf. Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebers, § 7 VVG Rn. 42; Dörner/Staudinger, WM 2006, 1710, 1712; Schimikowski, r+s 2007, 133, 136 f.; ferner Römer, VuR 2007, 94, 95. 200 Vgl. Baumann, FS Adomeit, S. 41, 43; aAwohl v. Bühren, ZAP 2007, Fach 10, 307, 311: Es sei zu befürchten, dass die nachträgliche Information nicht die Ausnahme, sondern der Regelfall sein werde. 201 Vgl. die Nachw. in Fn. 186. 202 Wie ein Einschreiten der BaFin nach § 81 VAG, Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung von Informationspflichten, Unterlassungsansprüche sowie wettbewerbsrechtliche Folgen, vgl. Rüffer/Halbach/Schimikowski, § 7 Rn. 18; ders., r+s 2006, 441, 443; ders., r+s 2007, 133, 136; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Brömmelmeyer, § 1 Rn. 59; Schwintowski/ Brömmelmeyer/Ebers, § 7 VVG Rn. 43; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schwintowski, § 18 Rn. 129 ff., 135; Halm/Engelbrecht/Krahe/Wandt, 1. Kap., Rn. 295; ders., Versicherungsrecht, Rn. 289; Terbille, § 2 Rn. 69; v. Bühren, § 1 Rn. 580; Meixner/Steinbeck, Das neue Versicherungsvertragsrecht, § 1 Rn. 72; Schimikowski/Höra, Das neue VVG, S. 112. 203 So auch Rüffer/Halbach/Schimikowski, § 7 Rn. 18; ders., r+s 2007, 133, 136; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebers, § 7 VVG Rn. 43; v. Bühren, § 1 Rn. 579 (die Nennung von § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist als Redaktionsversehen zu werten); Schimikowski/Höra, Das neue VVG, S. 112. Für § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB: Hinsch-Timm, VVG in der anwaltlichen Praxis, Rn. 41 f.; Meixner/Steinbeck, Das neue Versicherungsvertragsrecht, § 1 Rn. 71; in diese Richtung auch Beckmann/Matusche-Beckmann/K. Johannsen, § 8 Rn. 17, 20; Franz, VersR 2008, 298, 301 f.; ders., VersR 2008, 1565, 1569. AA Looschelders/Pohlmann, § 7 Rn. 31. 204 Vgl. BGHZ 104, 95, 98 f. = NJW 1988, 1908; Erman/Roloff, § 305 Rn. 5; MünchKommBGB/Kieninger, § 308 Nr. 1 Rn. 3; Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 305 Rn. 13; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Dammann, AGB-Gesetz, Anh. § 310 Rn. V 257, jeweils m.w.Nachw. 205 Vgl. Baumann, FS Adomeit, S. 41, 42 f.; ders., VW 2007, 1955 f., der das Modell als echte Alternative ansieht (vgl. die Überschrift des zweiten Beitrags: „Es gibt den dritten Weg“). Auch Bruck/Möller/Herrmann, § 7 Rn. 73 spricht sich, eine ausreichende Beratung voraus-

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damit erst aufschiebend mit dem Eintritt der Bedingungen.206 Da die bedingte Erklärung erst mit dem Zeitpunkt des Bedingungseintritts als Vertragserklärung iSd § 7 VVG anzusehen sei, werde der Versicherungsnehmer auch nach der Abgabe der bedingten Erklärung noch rechtzeitig informiert. Durch einen Vertragsschluss nach diesem Modell könne ein zweiter Besuch des Vermittlers vermieden werden; ferner müsse der Versicherungsnehmer auf diese Weise nur eine Erklärung abgeben.207 Zwar kann ein Rechtsgeschäft grundsätzlich in der Weise an eine Bedingung geknüpft werden, dass seine Rechtswirkungen erst mit dem Eintritt beliebiger objektiver Umstände entstehen.208 Dies gilt auch für ein Angebot, da keine Gründe für eine Bedingungsfeindlichkeit desselben erkennbar sind.209 Das „Modell der bedingten Antragserklärung“ ist aber mit den Voraussetzungen des § 7 VVG nicht vereinbar. Die Informationspflichten dienen dem Schutz des Versicherungsnehmers, der die Entscheidung über eine Vertragsbindung auf einer ausreichenden Informationsgrundlage treffen soll. Dieses gesetzgeberische Ziel würde bei einem Vertragsschluss nach dem „Modell der bedingten Antragserklärung“ umgangen, da die Bindungswirkung danach zwar nach hinten geschoben würde, aber selbständig einträte, ohne dass der Versicherungsnehmer nochmals aktiv werden müsste.210 Das genügt für den Schutz des Versicherungsnehmers nicht,211 dessen umfassende Information dadurch nicht gewährleistet wäre. Er bekäme zwar zusätzlich zum gesetzlichen (§ 8 VVG) ein vertragliches Widerrufsrecht. Die Möglichkeit des Widerrufs, die schon nach dem Policenmodell bestand, wurde aber vom Reformgesetzgeber zu Recht als nicht ausreichend bewertet. Eine solche Sichtweise wird durch die Tatsache unterstützt, dass bei einem Vertragsschluss nach dem bedingten Antragsmodell zwar der Versicherungsnehmer sein Angebot aufschiebend bedingt abgibt, eine derartige Gestaltung des Vertragsschlusses aber regelmäßig vom Versicherer ausgehen wird.212 Deshalb ist der Begriff der „Vertragserklärung“ in § 7 VVG so auszulegen, dass eine solche nicht erst mit dem Bedingungseintritt, sondern bereits mit der Erklärung des bedingten Antrags vorliegt, sodass das „Modell der bedingten Antragserklärung“ mit § 7 VVG nicht zu vereinbaren ist.213 gesetzt, für dieses Modell aus. Kritisch zur Praxistauglichkeit Stockmeier, VersR 2008, 717, 720. 206 So Baumann, FS Adomeit, S. 41, 43; ders., VW 2007, 1955; dagegen für eine auflösende Bedingung Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/115. 207 Baumann, FS Adomeit, S. 41, 43 f. 208 Statt vieler m.w.Nachw. MünchKommBGB/Westermann, § 158 Rn. 1, 8 f. 209 MünchKommBGB/Kramer, § 145 Rn. 9 m. Fn. 41; ferner Staudinger/Bork (2003), § 145 Rn. 29. 210 Dazu auch F. Baumann/Sandkühler, Das neue VVG, S. 50; kritisch auch Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/115. 211 So aber Baumann, FS Adomeit, S. 41, 44; ferner (bei ausreichender Belehrung des Versicherungsnehmers) Bruck/Möller/Herrmann, § 7 Rn. 73. 212 Das erkennt auch Baumann, FS Adomeit, S. 41, 43; ders., VW 2007, 1955. 213 So auch Looschelders/Pohlmann, § 7 Rn. 71.

§ 7 Risikoprüfung des Versicherers 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Dieser Kritik wird entgegnet, das bedingte Angebot sei nicht bindend und mit „Vertragserklärung“ nur eine bindende Erklärung gemeint. Dies ergebe sich auch aus der Gesetzesbegründung, worin der Gesetzgeber nicht ausreichend zum Ausdruck gebracht habe, ein anderes Anliegen als bei den Informationspflichten im Rahmen von Fernabsatzverträgen zu verfolgen. Diese richteten sich aber nach Art. 3 und 5 der Fernabsatzrichtlinie II,214 wo klar auf die Bindung des Versicherungsnehmers an sein Angebot abgestellt werde. Zudem habe das Policenmodell in der Praxis zu keinen Beanstandungen geführt.215 Die Einwände überzeugen nicht. Zunächst spielt es für die Zulässigkeit des bedingten Antragsmodells keine Rolle, ob sich das Policenmodell in der Praxis bewährt hat. Aber auch die Gesetzesbegründung kann die Einwände der Gegenansicht nicht stützen. So heißt es im Regierungsentwurf, Allgemeiner Teil der Begründung: „Der Entwurf sieht ausdrückliche Pflichten des Versicherers zur Aufklärung und Beratung (§ 6 VVG-E) vor, außerdem Pflichten zur Information (§ 7 Abs. 1 VVG-E), die zu erfüllen sind, bevor der Versicherungsnehmer seine Vertragserklärung, an die er nach § 145 BGB gebunden ist, abgibt (abweichend vom Vorschlag der VVG-Kommission, die auf die Bindung an die Vertragserklärung abgestellt hat). Dies geschieht zur Verbesserung des Verbraucherschutzes; dem Verbraucher wird Gelegenheit gegeben, sich vor Abgabe einer Vertragserklärung mit den Einzelheiten des Vertrags vertraut zu machen.“216

Aus diesen Ausführungen kann nicht gefolgert werden, eine bedingte Erklärung sei keine „Vertragserklärung“ iSd § 7 VVG. Vielmehr ist der Antragende auch an ein bedingtes Angebot „gebunden“.217 Entscheidend für den Schutz des Versicherungsnehmers ist, ob nach seiner Angebotsabgabe auf nicht ausreichender Informationsgrundlage ohne sein weiteres Zutun ein Vertrag zustande kommen kann.218 Da dies auch bei einem bedingten Angebot der Fall ist, kann es nicht als „minderwertig“ betrachtet werden. Die Regierungsbegründung unterstreicht dieses Verständnis insbesondere mit den Ausführungen in der Klammer: Die endgültige Bindung an die Vertragserklärung, die erst eintritt, wenn der Versicherungsnehmer die Annahme nicht mehr eigenmächtig verhindern kann, ist vom „Gebundensein“ iSd § 145 BGB zu unterscheiden. Letzteres tritt schon dann ein, wenn der Antragende selbst tätig werden muss, um eine spätere vertragliche Bindung sicher zu verhindern. Der Gesetzgeber hat im Hinblick auf die Informationspflichten des Versicherers – entgegen den Vorschlägen der Reformkommission – gerade nicht auf die endgültige Bin214

Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. 9. 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/ 619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG, ABl. L 271 vom 9. 10. 2002, S. 16. 215 So Baumann, FS Adomeit, S. 41, 45; ders., VW 2007, 1955, 1956. 216 RegE, BT-Drucks. 16/3945, S. 48. 217 So auch Looschelders/Pohlmann, § 7 Rn. 71. 218 Deshalb hält auch Beckmann/Matusche-Beckmann/K. Johannsen, § 8 Rn. 22 das „Bedingungsmodell“ für bedenklich, obwohl für sie die Auslegung des § 7 VVG durch Baumann ansonsten „logisch überzeugend“ ist.

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dungswirkung der Erklärung des Versicherungsnehmers abgestellt. Dieser gesetzgeberische Wille wird in der Begründung zu § 7 VVG bestätigt: „Maßgeblicher Zeitpunkt, zu dem die Informationen nach Satz 1 spätestens erteilt werden müssen, ist die Abgabe der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers, in der Regel sein Vertragsantrag. Diese Regelung übernimmt den Wortlaut des § 312c Abs. 1 BGB, mit dem Artikel 3 Abs. 1 und Artikel 5 Abs. 1 der Fernabsatzrichtlinie II umgesetzt worden sind. Er ist der Formulierung in § 48b Abs. 1 VVG vorzuziehen, da nach dieser Formulierung („rechtzeitig vor dessen Bindung“) der für die Information des Versicherungsnehmers maßgebliche Zeitpunkt nicht eindeutig bestimmt wird. Nunmehr ist klargestellt, dass die vorgeschriebenen Informationen nicht erst bei Vertragsschluss … erteilt werden dürfen …“.

Aus dieser Passage lässt sich eindeutig entnehmen, dass der Gesetzgeber in § 7 VVG nicht versehentlich auf das Wort „bindend“ verzichtet hat, sondern die Vorschrift zur Vermeidung von Missverständnissen bewusst formulierte. Die Fernabsatzrichtlinie II,219 deren Vorgaben zunächst durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen umgesetzt wurden,220 führt zu keiner anderen Bewertung. Der Gesetzgeber des reformierten Versicherungsrechts hat die Richtlinienvorgaben unabhängig von der Vertriebsform in § 7 VVG übernommen. Diese überschießende Umsetzung erfolgte, um Probleme bei der Abgrenzung, in welcher Form ein Vertrag zustande gekommen ist, zu vermeiden und weil der überwiegende Teil der Informationen für alle Versicherungsnehmer von Bedeutung sei.221 Da die Richtlinie gerade dem Verbraucherschutz dient, legt sie kein von den Vorstellungen des nationalen Gesetzgebers abweichendes Verständnis des Begriffs „Bindung“ nahe. Zudem wäre ein strengeres Verständnis zugunsten des Versicherungsnehmers auch in Fällen eines Fernabsatzvertrags europarechtlich zulässig, vgl. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie. Das Modell der bedingten Antragserklärung genügt mithin entgegen anderer Ansicht222 den Voraussetzungen des § 7 VVG nicht, weil der Versicherungsnehmer die relevanten Informationen nicht vor seiner „Vertragserklärung“ iSd Norm erhält. Diese Rechtsfolge könnte auch durch einen Analogieschluss zu § 7 Abs. 1 Abs. 3 VVG nicht verhindert werden, wenn die entsprechende Vereinbarung durch eine gesonderte schriftliche Erklärung erfolgte.223 Dafür fehlt es vor dem Hintergrund des Gesetzgebungsverfahrens schon an einer planwidrigen Regelungslücke, ferner liegt eine vergleichbare Interessenlage nicht vor. Auch vertraglich ist eine abweichende Vereinbarung des Begriffs der Vertragserklärung gemäß § 18 219

Vgl. dazu schon Fn. 214. Vom 2. 12. 2004, BGBl. I, S. 3102, in Kraft getreten am 8. 12. 2004. 221 RegE VVG, BT-Drucks. 16/3945, S. 48, S. 59; vgl. zur überschießenden Umsetzung des Gesetzgebers im reformierten Versicherungsrecht Staudinger/Langheid, Vorträge Münsterischer Versicherungstag 2006, S. 1, 9 f.; ferner Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebers, § 7 VVG Rn. 7. 222 So Baumann, VW 2007, 1955, 1956, der aber anerkennt, dass die Antragserklärung nach seinem Modell vor der Information erfolgt und nur deren Bindungswirkung herausgezögert wird, S. 1957. 223 So aber Baumann, FS Adomeit, S. 41, 46; ders., VW 2007, 1955, 1957. 220

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VVG unwirksam, da es sich dabei um eine für den Versicherungsnehmer nachteilige Modifikation des § 7 VVG handelt.224 Das „Modell der bedingten Vertragserklärung“ ist daher abzulehnen. 5. Invitatiomodell a) Zulässigkeit Aufgrund der Zweifel an den bisher erörterten Vertragsschlussverfahren wird als Alternative zum Antragsmodell vor allem das sog. Invitatiomodell erwogen,225 das auch als Anfrageverfahren bezeichnet wird.226 Dabei handelt es sich um keine neue Erfindung, sondern um die Wiederentdeckung eines bereits vor einem Jahrzehnt diskutierten Verfahrens, das damals einen papierarmen Vertrieb ermöglichen sollte.227 Das Vertragsangebot geht nach dem Invitatiomodell entgegen dem Antragsverfahren vom Versicherer aus. Typischerweise füllt der Versicherungsnehmer dabei nach einer ersten Beratung oder auch Selbstinformation ein vorgedrucktes Formular aus, das auch mit dem Risikofragebogen kombiniert werden kann und mit dem er Interesse an einem Vertragsschluss bekundet. Der Vordruck ist so formuliert, dass sich aus ihm noch kein Rechtsbindungswille ergibt, sodass es sich lediglich um eine invitatio ad offerendum handelt, was den Namen des Verfahrens erklärt.228 Nach positiver Prüfung der invitatio erstellt der Versicherer das Vertragsangebot, das er dem Versicherungsnehmer, regelmäßig zusammen mit dem Versicherungsschein und den notwendigen Informationen, zusendet. Die Vertragserklärung des Versicherungsnehmers iSd § 19 Abs. 1 S. 1 VVG ist erst dessen Annahme, der eine (weitere) Beratung vorausgehen kann.229 Die Annahme erfolgt regelmäßig durch die Rücksendung einer vorbereiteten Erklärung, kann aber auch durch schlüssiges Verhalten wie die Prämienzahlung eintreten.230 Durch das Invitatiomodell sollen die Vorteile

224

Diese Möglichkeit erkennt auch Stockmeier, VersR 2008, 717, 720; aA Baumann, VW 2007, 1955, 1956 f. 225 Vgl. dazu zB Terbille, § 2 Rn. 58; Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/42; Meixner/Steinbeck, Das neue Versicherungsvertragsrecht, § 1 Rn. 73 f.; Baumann, VW 2007, 1955; Franz, VersR 2008, 298, 302; Gaul, VersR 2007, 21, 24 ff.; Langheid, NJW 2007, 3665, 3666; Schimikowski, r+s 2006, 441, 443 f.; ders., VW 2007, 715 ff.; Stockmeier, VersR 2008, 717, 719. 226 So zB Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/42. 227 Vgl. Honsel, Papierarme Agenturführung, S. 13 ff.; Schimikowski, r+s 1997, 89 ff. 228 Vorschlag für einen entsprechenden Hinweis im Anfrageformular bei Marlow/Spuhl, VVG kompakt, S. 11. 229 Zu dieser „Zweitberatung“ Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/73. 230 Vgl. Beckmann/Matusche-Beckmann/Schwintowski, § 18 Rn. 28; F. Baumann/Beenken, Versicherungsvertragsrecht in der Praxis, S. 45; F. Baumann/Sandkühler, Das neue VVG, S. 52; Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/78; Meixner/Steinbeck, Das neue Versicherungsvertragsrecht, § 1 Rn. 73; Franz, VersR 2008, 298, 302; Langheid, NJW 2007, 3665, 3666; Schimikowski, VW 2007, 715, 716.

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des Policenmodells, das sich nach überwiegender Auffassung bewährt hatte,231 zumindest weitgehend erhalten bleiben.232 So genügt es, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer die nach § 7 VVG erforderlichen Informationen rechtzeitig vor dessen Vertragsannahme zukommen lässt, die erst dessen Vertragserklärung darstellt. Damit müssen beim Beratungsgespräch noch nicht sämtliche gesetzlich vorgeschriebenen Vertragsinformationen vorliegen233 und es ist weitgehend möglich, den vor der Reform üblichen Umfang der Kundenkontakte beizubehalten.234 Bedenken an der Zulässigkeit des Invitatiomodells könnten insbesondere vor dem Hintergrund aufkommen, dass ein Vertragsschluss nach diesem Verfahren in der Regel auf Initiative des Versicherers erfolgen wird: Der Versicherungsnehmer wird die invitatio ad offerendum gewöhnlich erst abgeben, nachdem er von Seiten des Versicherers dazu animiert wurde.235 Läge darin wiederum eine Umgehung des gesetzlichen Leitbilds, schiede das Invitatiomodell als taugliche Vertragsabschlussoption aus.236 Dafür scheint zu sprechen, dass neben vielen anderen Vorschriften des reformierten VVG, wie §§ 8 Abs. 2, 33 Abs. 1 VVG, vor allem die Regelungen zur vorvertraglichen Anzeigepflicht und die zugehörige Gesetzesbegründung derart formuliert sind, dass ihnen ersichtlich die Vorstellung eines Vertragsschlusses nach dem Antragsmodell zugrunde liegt.237 Schon aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 VVG ergibt sich allerdings, dass die Vorschrift Raum für Abschlussmodelle lässt, bei denen nicht der Versicherer, sondern der Versicherungsnehmer den Vertrag annimmt.238 Danach kommt es auf die „Vertragserklärung“, nicht auf den „Antrag“ des Versicherungsnehmers an. Dies entspricht der allgemeinen zivilrechtlichen Rechtslage, die – auch nach dem Willen des Gesetzgebers – grundsätzlich den versicherungsrechtlichen Vertragsschluss prägt.239 Zwar ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit des Invitatiomodells zumindest in seiner konkreten Ausgestaltung mitsamt seiner Folgefragen nicht näher bedacht

231 Vgl. Aden, VW 2006, 1218, 1219; Franz, VersR 2008, 298, 301; Gaul, VersR 2007, 21; Römer, VersR 2006, 740, 741; Schimikowski, r+s 2006, 441. Auch die VVG-Kommission wollte das Policenmodell erhalten, dazu Lorenz (Hrsg.), Abschlussbericht der Kommission, § 7 Abs. 1 S. 1 (S. 198). 232 Vgl. Meixner/Steinbeck, Das neue Versicherungsvertragsrecht, § 1 Rn. 74; Franz, VersR 2008, 298, 302. 233 Marlow/Spuhl, VVG kompakt, S. 11. 234 Hinsch-Timm, VVG in der anwaltlichen Praxis, Rn. 48. 235 Vgl. Hinsch-Timm, VVG in der anwaltlichen Praxis, Rn. 47 f.; Meixner/Steinbeck, Das neue Versicherungsvertragsrecht, § 1 Rn. 74. 236 In diese Richtung (zumindest Missstand iSd § 81 Abs. 2 VAG) Terbille, § 2 Rn. 58. 237 Vgl. Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/43; Franz, VersR 2008, 298, 302; Gaul, VersR 2007, 21, 26. 238 s. Franz, VersR 2008, 298, 302; Schimikowski, VW 2007, 715, 716. 239 RegE VVG, BT-Drucks. 16/3945, S. 48; vgl. auch Meixner/Steinbeck, Das neue Versicherungsvertragsrecht, § 1 Rn. 58; Niederleithinger, VersR 2006, 437, 440.

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hat.240 In der Gesetzesbegründung zu § 19 VVG kommt jedoch eindeutig zum Ausdruck, dass „Vertragserklärung“ iSd Vorschrift auch die Annahmeerklärung des Versicherungsnehmers sein kann, sofern der Versicherer das Angebot abgegeben hat.241 Dadurch wird bestätigt, dass die Möglichkeit des Versicherers, das bindende Angebot abzugeben, nicht verhindert werden sollte. Der Zweck des § 7 VVG steht dem Invitatiomodell ebenfalls nicht entgegen: Eine umfassende Information des Versicherungsnehmers vor Abgabe seiner „Vertragserklärung“ ist auch dann möglich, wenn es sich dabei um die Annahme des Vertrags handelt.242 Mit dem Invitatiomodell lassen sich sachgerechte Ergebnisse erzielen,243 der Schutzzweck der Informationspflichten bleibt gewahrt. Der Versicherungsnehmer wird die Informationen sogar gerade dann zur Kenntnis nehmen, wenn es für ihn am günstigsten ist, weil der Vertragsschluss unmittelbar bevorsteht.244 Daher ist die Invitatiolösung als zulässig anzusehen, eine „Sperrwirkung“ des Antragsmodells besteht nicht.245 b) Widerrufsfrist Die Aktiengesellschaft als Versicherungsnehmerin kann ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen widerrufen, § 8 Abs. 1 S. 1 VVG, sofern es sich nicht um die Versicherung eines Großrisikos handelt, § 8 Abs. 3 S. 4 VVG. Die Widerrufsfrist beginnt gemäß § 8 Abs. 2 VVG, eine ordnungsgemäße Belehrung vorausgesetzt, zu laufen, sobald dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein sowie die nach § 7 Abs. 1 und 2 VVG erforderlichen Informationen zugegangen sind.246 Der Fristbeginn erscheint unter bestimmten Voraussetzungen beim Antragsmodell, regelmäßig aber bei einem Vertragsschluss nach dem Invitatiomodell problematisch: Dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 VVG zufolge kommt es nicht darauf an, ob der Vertrag zum Zeitpunkt, an dem die Unterlagen zugehen, bereits zustande gekommen ist. Gibt der Versicherungsnehmer ein Vertragsangebot auf ausreichender Informationsgrundlage ab, könnte seine Widerrufsfrist daher schon vor der Annahme des Versicherers enden. Beim Invitatiomodell hätte eine wortlautgetreue Anwendung der Vor240

Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/43. RegE VVG, BT-Drucks. 16/3945, S. 65: „Bezüglich des Zeitpunktes für die Erfüllung der Anzeigepflicht stellt Absatz 1 Satz 1 … auf die auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung des Versicherungsnehmers ab. Dies ist in der Praxis meist der Antrag des Versicherungsnehmers, im bisher seltenen Fall der Antragstellung durch den Versicherer die Annahmeerklärung des Versicherungsnehmers.“ 242 Franz, VersR 2008, 298, 302. 243 Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/43. 244 Schimikowski, r+s 2006, 441, 444. 245 So auch MünchKommVVG/Armbrüster, § 7 Rn. 36, 40; Rüffer/Halbach/Schimikowski/ Brömmelmeyer, § 1 Rn. 54; Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/43; Schimikowski/Höra, Das neue VVG, S. 111; in diese Richtung auch Langheid, NJW 2007, 3665, 3666; Schimikowski, r+s 2006, 441, 444. 246 Zur Divergenz gegenüber der zur Grunde liegenden Richtlinie vgl. etwa Halm/Engelbrecht/Krahe/Wandt, 1. Kap., Rn. 310. 241

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schrift sogar zur Folge, dass die Widerrufsfrist regelmäßig vor der Annahme durch den Versicherungsnehmer abliefe, womit ein Widerruf mangels vorheriger Bindung faktisch unmöglich wäre. Deshalb wird, für das Invitatiomodell einhellig, angenommen, die Widerrufsfrist beginne frühestens mit der Einigung zwischen den Vertragsparteien.247 Die Entscheidungsfreiheit des Erklärenden sei nicht nur im Hinblick auf sein Angebot zu schützen, bei dessen Abgabe völlig offen sei, ob tatsächlich ein Vertrag geschlossen werde.248 Beim Invitatiomodell könne ferner schon deshalb nicht auf den Zugang von Police und Informationen beim Kunden abgestellt werden, weil dieser zum entsprechenden Zeitpunkt noch keine widerrufbare Erklärung abgegeben habe.249 Diese Auffassung ist im Hinblick auf den Wortlaut des § 8 VVG nicht zweifelsfrei. Außerdem hat der Gesetzgeber erkannt, dass der in § 8 Abs. 2 VVG festgelegte Zeitpunkt des Fristbeginns nach den möglichen Abschlussverfahren auch vor dem Vertragsbeginn liegen kann. So heißt es in der Gesetzesbegründung, es werde auch dann auf den Zugang des Versicherungsscheins abgestellt, wenn der Vertrag erst nachträglich zustande komme.250 Die Intention des Normgebers erfordert ebenfalls keine Korrektur der Widerrufsfrist: Entscheidend für den Schutz des Versicherungsnehmers ist demnach, dass die Frist erst dann zu laufen beginnt, wenn sämtliche nach § 7 VVG vorgeschriebenen Unterlagen und Informationen zugegangen sind, um sie vor einer endgültigen Bindung zu prüfen.251 Dieser Normzweck ist selbst dann gewahrt, wenn der Versicherungsnehmer bei einem Abschluss nach dem Invitatiomodell überhaupt keine Widerrufsmöglichkeit hat: Denn endgültig gebunden ist er in einem solchen Fall erst nach seiner Vertragsannahme. Dennoch ist der Ansicht, die Widerrufsfrist beginne frühestens mit dem Vertragsschluss zu laufen, im Ergebnis zuzustimmen. Entscheidend hierfür ist Art. 6 Abs. 1 der Fernabsatzrichtlinie II,252 die den Zeitpunkt des Fristbeginns insoweit regelt, dass dieser nur dann mit dem Erhalt der Informationen zusammenfallen darf, wenn er nach dem Vertragsschluss liegt. Ein Beginn der Widerrufsfrist vor dem Vertragsschluss verstieße deshalb gegen die Richtlinienvorgaben, sofern es sich beim Versicherungsvertrag um einen Fernabsatzver247 So Looschelders/Pohlmann/Heinig, § 8 Rn. 66; MünchKommVVG/Armbrüster, § 7 Rn. 42; MünchKommVVG/Eberhardt, § 8 Rn. 29; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebers, § 8 VVG Rn. 20; Halm/Engelbrecht/Krahe/Wandt, 1. Kap., Rn. 311; ders., Versicherungsrecht, Rn. 305; Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/42, 4/101, 4/108; Marlow/ Spuhl, VVG kompakt, S. 33; Schimikowski, Versicherungsvertragsrecht, Rn. 36; ders., VW 2007, 715, 716; Gaul, VersR 2007, 21, 25; Grote/Schneider, BB 2007, 2689, 2694; Stockmeier, VersR 2008, 717, 719. 248 So Bruck/Möller/Knops, § 8 Rn. 37. 249 Vgl. die Nachw. in Fn. 247. 250 RegE, BT-Drucks. 16/3945, S. 62. 251 RegE, BT-Drucks. 16/3945, S. 62. 252 Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. 9. 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/ 619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG, ABl. L 271 vom 9. 10. 2002, S. 16, 21. Vgl. auch Grote/Schneider, BB 2007, 2689, 2694.

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trag handelte. Der Gesetzgeber hatte ersichtlich das Ziel, die Richtlinienvorgaben korrekt umzusetzen. So heißt es in der Gesetzesbegründung ausdrücklich: „Die Regelung des Absatzes 2 über den Fristbeginn, die Belehrung und alle Formalien ist durch Artikel 6 Abs. 1 und 6 der Fernabsatzrichtlinie II vorgegeben … Die für beide Vertragsparteien unverzichtbare Einigkeit in diesem Punkt wird dadurch erreicht, dass auf den Zugang des Versicherungsscheins abgestellt wird. Dies ist im Regelfall auch der Zeitpunkt des Vertragsschlusses und entspricht somit der EU-Richtlinie.“253

Vor diesem Hintergrund ist § 8 Abs. 2 VVG richtlinienkonform so auszulegen, dass die Widerrufsfrist frühestens mit dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu laufen beginnt. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um einen Fernabsatzvertrag handelt. Der Gesetzgeber hat deutlich zum Ausdruck gebracht, die Richtlinienvorgaben in überschießender Weise, unabhängig davon, wie der Vertrag zustande kommt, umsetzen zu wollen.254 c) Abweichendes Angebot des Versicherers Problematisch ist bei einem Vertragsschluss nach dem Invitatiomodell ferner ein von den Wünschen des Versicherungsnehmers abweichendes Angebot des Versicherers. Zunächst kommt in Betracht, die Wirksamkeit eines solchen Angebots an den zusätzlichen Voraussetzungen des § 5 VVG zu messen. Allerdings passt die Vorschrift nicht, da eine invitatio ad offerendum keinen Antrag iSd Norm darstellt, von dem der Versicherungsschein abweichen könnte.255 Selbst wenn der Wortlaut des § 5 VVG an das Antragsmodell angelehnt ist und der Gesetzgeber beim Erlass der Vorschrift womöglich nicht an das Invitatiomodell gedacht hat, fehlt für einen Analogieschluss jedenfalls eine vergleichbare Interessenlage.256 Denn die Wirksamkeit einer abweichenden Annahme ist in § 5 VVG nur deshalb von besonderen Voraussetzungen abhängig, weil die Vorschrift eine Ausnahme des zivilrechtlichen Grundsatzes regelt, nach dem eine abweichende Annahme als neues Angebot anzusehen ist, § 150 Abs. 2 BGB. Danach muss der Antragende im Zivilrecht nicht damit rechnen, an einen von seinem Angebot abweichenden Vertrag gebunden zu sein, ohne zuvor erneut eine Willenserklärung abgegeben zu haben. Aufgrund der fehlenden Bindungswirkung der invitatio ad offerendum muss der Versicherungsnehmer bei ihrer Abgabe davon ausgehen, dass das Angebot des Versicherers womöglich von ihr abweichen wird. § 150 Abs. 2 BGB ist zu diesem Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht anwendbar, der Versicherungsnehmer ist noch keine Bindung eingegangen, von der er sich nach § 5 VVG durch einen Widerruf lösen müsste.257

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RegE, BT-Drucks. 16/3945, S. 61 f. Vgl. auch Halm/Engelbrecht/Krahe/Wandt, 1. Kap., Rn. 317, 345; ders., Versicherungsrecht, Rn. 311; Grote/Schneider, BB 2007, 2689, 2694. 255 Statt vieler Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebers, § 5 VVG Rn. 6. 256 Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/70. 257 Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/70. 254

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4. Teil: Vorvertragliche Anzeigepflicht

Bedenken, die Nichtanwendung des § 5 VVG in solchen Fällen widerspräche dessen Schutzzweck,258 überzeugen nicht. Der Versicherungsnehmer ist nicht gezwungen, das Angebot des Versicherers ungeprüft anzunehmen, gerade, weil er beim Invitatiomodell mit dem Angebot regelmäßig auch die Vertragsinformationen erhält. Er hat es selbst in der Hand, den Vertrag zustande zu bringen oder davon abzusehen. Zwar ist anzunehmen, dass er Abweichungen von seiner invitatio ad offerendum insbesondere bei umfangreichen Bedingungswerken nicht immer erkennen wird. Allerdings erfährt der Versicherungsnehmer ausreichenden Schutz durch die Regelungen zur Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag, etwa den vor überraschenden Klauseln schützenden § 305c BGB, sowie durch die Beratungsund Informationspflichten des Versicherers:259 So ist zumindest bei substantiellen Abweichungen des Angebots von der invitatio davon auszugehen, dass sie Hinweispflichten des Versicherers auslösen.260 Für eine Analogie zu § 5 VVG fehlt es mithin an einer vergleichbaren Interessenlage. Sie ist ferner auch deshalb abzulehnen, weil ihre konsequente Umsetzung zur Folge hätte, dass ein fehlender Widerruf des Versicherungsnehmers iSd § 5 VVG zu dessen fingierter Annahmeerklärung führte, was dem neuen System des Vertragsschlusses zuwiderliefe. Der Versicherer könnte dann mit abweichenden Angeboten darauf spekulieren, dass der Versicherungsnehmer nicht widerruft und der Vertrag auf dieser Grundlage zustande kommt.261 d) Annahme des Versicherungsnehmers Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich daraus, dass auch beim Invitatiomodell eine Annahme erforderlich ist, um den Vertrag zustande zu bringen. Vor dem Hintergrund, dass die für den Versicherungsnehmer wahrnehmbare Abwicklung des Vertragsschlusses der bisherigen Praxis des Policenmodells ähnelt,262 muss diesem klar sein, mit der invitatio ad offerendum noch keine verbindliche Erklärung abzugeben und nach Erhalt des Angebots noch einmal aktiv werden zu müssen.263 Auch bloße Nachlässigkeit kann dazu führen, dass die Annahme unterbleibt und damit kein Deckungsschutz entsteht.264 Zwar liegt in der Prämienzahlung regelmäßig eine konkludente Annahme, jedoch nicht im widerspruchslosen Dulden einer Lastschrift, dem äußere Anhaltspunkte auf eine entsprechende Willensbildung fehlen, weil der Versi258

So F. Baumann/Sandkühler, Das neue VVG, S. 52. Zu den Beratungspflichten Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebers, § 5 VVG Rn. 6. 260 Ausf. Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/71. 261 Vgl. auch Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/70. 262 F. Baumann/Sandkühler, Das neue VVG, S. 52. 263 Hinsch-Timm, VVG in der anwaltlichen Praxis, Rn. 48; Marlow/Spuhl, VVG kompakt, S. 11; ferner Baumann, FS Adomeit, S. 41, 42, der das Modell deshalb für nur bedingt praxistauglich hält. 264 Vgl. Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/42; ferner Meixner/ Steinbeck, Das neue Versicherungsvertragsrecht, § 1 Rn. 74; Niederleithinger, VersR 2006, 437, 441. 259

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cherungsnehmer eine solche Abbuchung möglicherweise gar nicht bemerkt.265 Bloßem Schweigen fehlt grundsätzlich ein Erklärungswert; es kann nur unter besonderen Umständen und Berücksichtigung von Treu und Glauben als Zustimmung verstanden werden.266 Gegen solche Umstände spricht beim Dulden einer Lastschrift auch, dass dem Versicherungsnehmer eine Widerspruchslast aufgebürdet würde, was dem Verfahren nach dem bewusst abgeschafften Policenmodell im Ergebnis sehr nahe käme.267 Auch die Vereinbarung einer Annahmefiktion, nach der der Vertrag als geschlossen gilt, wenn der Kunde nicht innerhalb einer bestimmten Frist nach Zugang der Police oder nach Durchführung des Lastschrifteinzugs widerspricht, kann dieses Problem entgegen anderer Ansicht nicht umfassend lösen.268 Ein solches Verfahren wurde zwar zur früheren Rechtslage diskutiert und konnte mit beachtlichen Argumenten vertreten werden,269 kann aber nur noch bei der Versicherung von Großrisiken aufrechterhalten werden. Eine solche Fiktion ist nicht als Vertragserklärung iSd § 7 VVG anzusehen, da sie das Verfahren des Policenmodells im Ergebnis nur leicht modifiziert, damit dem erklärten gesetzgeberischen Willen zuwiderläuft und gemäß § 18 VVG als unzulässige Benachteiligung des Versicherungsnehmers zu bewerten ist.270 Auch § 151 BGB eröffnet nicht die Möglichkeit, auf die Annahme zu verzichten, sondern macht lediglich deren Zugang obsolet.271 Für die Versicherung von Großrisiken ist eine Annahmefiktion jedoch grundsätzlich denkbar: Gemäß § 210 VVG gilt in diesem Bereich die Vertragsfreiheit auch für zwingende Normen des VVG, von denen ansonsten keine Abweichungen möglich sind, sofern ihr Kerngehalt nicht schon nach allgemeinen Grundsätzen der Parteidisposition entzogen ist.272 Fraglich ist, ob eine Annahmefiktion bei Großrisiken auch formularmäßig vereinbart werden könnte. Zu beachten ist nämlich, dass abweichende Vereinbarungen iSd § 210 VVG in solchen Fällen einer AGB-rechtlichen Kontrolle 265 So auch F. Baumann/Beenken, Versicherungsvertragsrecht in der Praxis, S. 45; F. Baumann/Sandkühler, Das neue VVG, S. 52; Leverenz, Vertragsschluss nach der VVGReform, Rn. 4/78 m.w.Nachw.; Franz, VersR 2008, 298, 302; Gaul, VersR 2007, 21, 24; Stockmeier, VersR 2008, 717, 719; in diese Richtung schon Honsel, Papierarme Agenturführung, S. 15; differenzierend Wandt, Versicherungsrecht, Rn. 254. 266 Vgl. MünchKommBGB/Kramer, Vor § 116 Rn. 24 f.; Palandt/Ellenberger, § 147 Rn. 3; Soergel/Hefermehl, Vor § 116 Rn. 32; Flume, BGB AT, Bd. II, § 5 2 (S. 64 ff.); Köhler, BGB AT, § 6 Rn. 5. 267 Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/78. 268 Für diese Möglichkeit Schimikowski, VW 2007, 715, 718 f., der sie als „fair“ bezeichnet. Vgl. auch ders., in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, § 7 Rn. 30. 269 Vgl. dazu die zahlreichen Nachw. bei Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/79. 270 Ähnlich Rüffer/Halbach/Schimikowski/Brömmelmeyer, § 1 Rn. 55; kritisch auch Beckmann/Matusche-Beckmann/Schwintowski, § 18 Rn. 28; aA Schimikowski, VW 2007, 715, 718 f. 271 Unklar Terbille, § 2 Rn. 58. 272 MünchKommVVG/Looschelders, § 210 Rn. 7.

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4. Teil: Vorvertragliche Anzeigepflicht

gemäß §§ 305 ff. BGB standhalten müssen.273 Grundsätzlich sind Vertragsabschlussklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unbeachtlich, wenn sie die Anforderungen der §§ 145 ff. BGB im Hinblick auf die Annahmeerklärung des Kunden modifizieren. Den Klauseln kann erst nach Abschluss des Vertrags, in den sie einbezogen werden, Wirkung zukommen.274 Vertritt man mit der Gegenauffassung, dass auch solche Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam vereinbart werden können, läge in ihnen aber regelmäßig ein Abweichen von einem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung und damit ein Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.275 Die neuen Regelungen des VVG, die das gesetzliche Leitbild definieren, können über § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB indirekt auch bei Großrisiken herangezogen werden.276 Den Versicherungsnehmer träfe eine Widerspruchslast, indem er aktiv tätig werden müsste, um einen Vertragsschluss zu verhindern. Diese Abweichung würde nicht durch eine regelmäßig längere Bedenkzeit aufgrund der Annahmefiktion aufgewogen,277 die deshalb auch bei der Versicherung eines Großrisikos nur individualvertraglich vereinbart werden kann. Aufgrund dessen birgt der Vertrieb nach dem Invitatiomodell die Gefahr, dass ein mangels wirksamer Annahmeerklärung nicht geschlossener Vertrag mit der Folge bereicherungsrechtlicher Rückforderungen vom potentiellen Versicherungsnehmer als wirksam betrachtet wird.278 Um Rechtsunsicherheiten und Schwebezustände zu vermeiden, sind gewisse Kontrollroutinen unerlässlich, mit denen sicherzustellen ist, vom Kunden eine Annahmeerklärung zu erlangen. Ferner ist der Versicherer dazu gehalten, diesem das Vertragsschlussverfahren verständlich zu machen und in ausreichender Weise klarzustellen, dass die zunächst abgegebene invitatio ad offerendum rechtlich unverbindlich ist, das Angebot mithin zwingend einer Annahme bedarf, um den Vertrag und damit den Versicherungsschutz zustande zu bringen.279 Kommt ein Vertrag nicht zustande, weil der Versicherer den Kunden nicht hinreichend aufgeklärt 273 BGH NJW-RR 2005, 394 ff.; MünchKommVVG/Looschelders, § 210 Rn. 9; Freitag, r+s 2008, 96, 98. 274 Vgl. Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 305 Rn. 163; Ulmer/Brandner/Hensen/ Schmidt, AGB-Recht, § 308 Nr. 5 BGB Rn. 6, jeweils m.w.Nachw.; ferner OLG Koblenz NJW 1989, 2950, 2951; Palandt/Grüneberg, § 308 Rn. 25; Marlow/Spuhl, VVG kompakt, S. 12; Franz, VersR 2008, 298, 302; aA OLG Düsseldorf NJW 2005, 1515; Schimikowski, VW 2007, 715, 718; offen lassend Gaul, VersR 2007, 21, 25. 275 So auch Marlow/Spuhl, VVG kompakt, S. 12 f.; in diese Richtung ferner Gaul, VersR 2007, 21, 25. 276 MünchKommVVG/Looschelders, § 210 Rn. 9; Franz, VersR 2008, 298, 311. 277 So aber Schimikowski, VW 2007, 715, 719, der im Hinblick auf die dem Kunden zur Verfügung stehende Bedenkzeit einen Verstoß gegen AGB-Vorschriften ablehnt. Zutreffend dagegen Marlow/Spuhl, VVG kompakt, S. 12 Fn. 43: „Auch eine noch so lange Bedenkzeit ändert jedoch nichts daran, dass der Versicherungsnehmer tätig werden müsste, wenn er das Zustandekommen des Vertrags verhindern will.“ 278 Dazu auch Hinsch-Timm, VVG in der anwaltlichen Praxis, Rn. 53. 279 Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/42, 4/46, 4/66 mit Vorschlägen zur Klarstellung.

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oder gebotene Kontrollroutinen unterlassen hat, läuft dieser Gefahr, wegen der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungs- oder Schutzpflichten aus § 6 Abs. 1, Abs. 5 VVG, §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden.280 e) Risikoprüfung nach dem Invitatiomodell Im Rahmen eines Vertragsschlusses nach dem Invitatiomodell beantwortet der Versicherungsnehmer die Fragen zu Gefahrumständen grundsätzlich vor oder mit Abgabe seiner invitatio ad offerendum,281 da die Antworten die Grundlage der sich anschließenden Risikoprüfung des Versicherers bilden, der nur auf diese Weise ein verbindliches Angebot erstellen kann.282 Nach Abgabe der invitatio, jedoch vor der Vertragsannahme eintretende oder bekannt werdende Gefahrumstände muss der Versicherungsnehmer dem Wortlaut des § 19 VVG gemäß dem Versicherer nachträglich anzeigen, da erst die Annahme seine Vertragserklärung darstellt. Die wortlautgetreue Anwendung des § 19 VVG auf das Invitatiomodell wird aber einhellig bezweifelt, häufig sogar abgelehnt.283 Der Versicherungsnehmer stünde ansonsten bei nach Abgabe der invitatio eintretenden Gefahrumständen schlechter, als wenn er gleich einen verbindlichen Antrag gestellt hätte.284 § 19 Abs. 1 S. 2 VVG belege, dass § 19 VVG insgesamt nicht auf das Invitatiomodell passe.285 Die der Vorschrift zugrunde liegende Intention, der Versicherungsnehmer solle, nachdem er Gefahrfragen beantwortet habe, nicht erneut von sich aus tätig werden müssen, werde ansonsten ausgehebelt und über das Invitatiomodell eine – nach dem neuen Recht gerade nicht mehr gewollte – Nachmeldeobliegenheit begründet.286 Deshalb sei die invitatio ad offerendum als Vertragserklärung iSd § 19 VVG anzusehen,287 zumindest aber nach dem Rechtsgedanken der Vorschrift wie eine Vertragserklärung zu behandeln, sodass der Versicherungsnehmer der vorvertraglichen Anzeigepflicht nur bis zu ihrer Abgabe nachkommen müsse. 280

Marlow/Spuhl, VVG kompakt, S. 12. Vgl. auch Halm/Engelbrecht/Krahe/Wandt, 1. Kap., Rn. 296. 282 Vgl. dazu auch die Übersicht von F. Baumann/Sandkühler, Das neue VVG, S. 51. 283 Vgl. Bruck/Möller/Rolfs, § 19 Rn. 69; MünchKommVVG/Armbrüster, § 7 Rn. 43; Schwintowski/Brömmelmeyer/Härle, § 19 VVG Rn. 100; Beckmann/Matusche-Beckmann/ Knappmann, § 14 Rn. 38; Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/89 ff.; Neuhaus/Kloth, Praxis des neuen VVG, S. 64 f.; Brand, VersR 2009, 715, 720; Gaul, VersR 2007, 21, 26; Neuhaus, r+s 2008, 45, 48; Schimikowski, VW 2007, 715, 717; ders., r+s 2009, 353, 354. 284 Gaul, VersR 2007, 21, 26. 285 Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/89; Neuhaus, r+s 2008, 45, 48; Schimikowski, VW 2007, 715, 717. 286 So Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/92; ähnlich Neuhaus, r+s 2008, 45, 48. 287 Vgl. Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/92, für den die Gegenansicht eine „formale Betrachtungsweise“ an den Tag legt; vgl. auch Neuhaus, r+s 2008, 45, 48. 281

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4. Teil: Vorvertragliche Anzeigepflicht

Durch neue oder wiederholte Fragen zwischen invitatio und Vertragsschluss könne der Versicherer aber, wie auch nach dem Antragsmodell, eine weitere Anzeigeobliegenheit des Versicherungsnehmers begründen.288 Um neue risikorelevante Umstände berücksichtigen zu können, wird den Versicherern teilweise auch vorgeschlagen, ihr Angebot unter die aufschiebende Bedingung iSd § 158 Abs. 1 BGB zu stellen, im Hinblick auf die Gefahrumstände habe sich bis zur Vertragsannahme keine Änderung ergeben.289 Zwar gehe das Risiko von Gefahränderungen im Zeitraum zwischen Abgabe der invitatio ad offerendum und Vertragsannahme durch eine solche Konstruktion vom Versicherer auf den Versicherungsnehmer über, doch sei eine Nachfrage des Versicherers kurz vor Vertragsschluss auch im Antragsverfahren nicht unüblich. Das bedingte Angebot trage berechtigten Interessen des Versicherers Rechnung, denen sich ein redlicher Versicherungsnehmer nicht entziehen werde.290 Tatsächlich ist § 19 VVG entsprechend seinem Wortlaut auch auf Vertragsschlüsse nach dem Invitatiomodell anzuwenden.291 Der Wille des Gesetzgebers steht dem nicht entgegen: Er hat zwar das Antragsmodell als gesetzliches Leitbild gewählt, wollte damit aber abweichende Vertragsschlussverfahren nicht ausschließen. Die Begründung zu § 19 VVG bringt darüber hinaus deutlich zum Ausdruck, dass auch die Annahmeerklärung des Versicherungsnehmers „Vertragserklärung“ iSd Vorschrift sein kann.292 Für eine Anzeigepflicht nach Abgabe der invitatio spricht ferner die gesetzliche Systematik: Nach § 23 VVG muss der Versicherungsnehmer nach Abgabe seiner Vertragserklärung Gefahrerhöhungen anzeigen, in die der Versicherer nicht eingewilligt hat. Die Regelung korrespondiert mit der vorvertraglichen Anzeigepflicht, deren Ende den Beginn der Pflichten aus § 23 VVG bedeutet.293 Um dieses austarierte System aufrecht zu erhalten, müssten die Vertreter der Gegenauffassung die invitatio nicht nur im Rahmen des § 19 VVG, sondern auch in dem des § 23 VVG als Vertragserklärung anerkennen. Ansonsten entstünde zwischen Abgabe der invitatio und der Vertragsannahme ein Zeitraum, in dem den Versicherungsnehmer weder die Pflichten aus § 19 VVG noch aus § 23 VVG träfen. Verstünde man die invitatio ad offerendum aber auch als Vertragserklärung iSd § 23 VVG, wäre die von der Gegenansicht intendierte Besserstellung des Versicherungsnehmers weitgehend aufgeho288 Vgl. Schwintowski/Brömmelmeyer/Härle, § 19 VVG Rn. 100; Beckmann/MatuscheBeckmann/Knappmann, § 14 Rn. 38; Marlow/Spuhl, VVG kompakt, S. 44; Brand, VersR 2009, 715, 720; Gaul, VersR 2007, 21, 26; ferner Bruck/Möller/Rolfs, § 19 Rn. 69, bei dem aber unklar bleibt, ob die Anzeigeobliegenheit bis zur invitatio oder bis zum Angebot des Versicherers andauern soll. 289 So Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/91; ferner Franz, VersR 2008, 298, 302, der allerdings Bedenken im Hinblick auf die Zulässigkeit des Modells erhebt. 290 Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/91. 291 In diese Richtung auch (eine vertragliche Korrektur empfehlend) Rüffer/Halbach/ Schimikowski, § 19 Rn. 24. 292 Vgl. den Nachw. in Fn. 241. 293 Zum Verhältnis der §§ 19 ff. VVG zu den §§ 23 ff. VVG vgl. nur Bruck/Möller/Matusche-Beckmann, Vor § 23 Rn. 5.

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ben: Er müsste wiederum von sich aus tätig werden, um die Gefahrerhöhungen anzuzeigen. Bei Licht betrachtet wäre seine Nachmeldeobliegenheit dann allein auf eine abweichende gesetzliche Grundlage gestellt. Die Modifikation des § 19 VVG bei Vertragsschlüssen nach dem Invitatiomodell ist daher mit der Regelung des § 23 VVG nicht sinnvoll zu vereinbaren. Auch die Regelung des § 19 Abs. 1 S. 2 VVG kann nicht erfolgreich dafür ins Feld geführt werden, den Versicherungsnehmer in solchen Fällen zu entlasten. Die Vorschrift stellt zwar ausdrücklich auf ein Angebot des Versicherungsnehmers ab, regelt aber einen Fall, der nach der gesetzlichen Regelung beim Invitatiomodell gar nicht eintreten kann, wo es einer erneuten Nachfrage des Versicherers schon deshalb nicht bedarf, weil die Vertragserklärung erst in der Annahme des Versicherungsnehmers liegt. Der fehlende Anwendungsbereich des § 19 Abs. 1 S. 2 VVG beim Invitatiomodell führt nicht automatisch dazu, dass auch Satz 1 des entsprechenden Absatzes nur auf das Antragsmodell anwendbar ist. Auch die Befürchtung, entgegen der Intention des § 19 Abs. 1 S. 2 VVG könne über das Invitatiomodell eine Nachmeldeobliegenheit begründet werden, kann eine abweichende Auffassung nicht stützen.294 Die Anzeigepflicht nach Abgabe der Vertragserklärung wurde vom Gesetzgeber davon abhängig gemacht, dass der Versicherer Fragen in diesem Zeitraum wiederholt oder erstmalig stellt, weil der durchschnittliche Versicherungsnehmer davon ausgehe, seiner Anzeigepflicht nachgekommen zu sein, wenn er die vorgelegten Fragen zum Zeitpunkt seiner Antragstellung zutreffend beantwortet habe.295 Der Versicherungsnehmer soll darauf vertrauen dürfen, nach seiner letzten zum Vertragsschluss führenden Aktion grundsätzlich nicht mehr von sich aus tätig werden zu müssen. Da seine Annahme nach dem Invitatiomodell aber unmittelbar zum Vertragsschluss führt, ist dieses Regelungsanliegen auch bei einer Anwendung des § 19 VVG gewahrt. Dem Versicherungsnehmer muss vor dem Hintergrund der bereits beantworteten Risikofragen bewusst sein, dass neue gefahrerhebliche Umstände für den Bestand des vom Versicherer vorgelegten Angebots relevant sind. Eine dem Antragsverfahren vergleichbare Situation liegt mithin nicht vor. Im Gegenteil überzeugt es nicht, dass Gefahränderungen nach Abgabe der invitatio ad offerendum stets zu Lasten des Versicherers gehen sollen. Vielmehr hat es der Versicherungsnehmer selbst in der Hand, durch eine zeitige Vertragsannahme den Versicherungsschutz zu begründen, bevor ein neuer gefahrerheblicher Umstand eintritt oder bekannt wird.296 Daraus, dass ihn im Rahmen des Antragsmodells eine Nachmeldeobliegenheit nur trifft, wenn er vom Versicherer erneut befragt wurde, kann daher nicht abgeleitet werden, dass auch beim Invitatiomodell Gefahränderun294

Zu dieser Befürchtung Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/92. RegE, BT-Drucks. 16/3945, S. 65. Auch Hinweise der Versicherer in den Antragsformularen zur Nachmeldepflicht konnten dieses Problem nur unvollkommen lösen, weil viele Versicherungsnehmer die Anträge nicht oder nicht sorgfältig studiert hatten, vgl. Reusch, VersR 2007, 1313, 1314. 296 So (allerdings als Argument für die Zulässigkeit eines bedingten Angebots des Versicherers) Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/91. 295

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4. Teil: Vorvertragliche Anzeigepflicht

gen nach Abgabe der invitatio allein dann mitzuteilen sind, wenn der Versicherer entsprechende Fragen, etwa in den Angebotsunterlagen, vorsieht.297 § 19 VVG ist wortlautgetreu anzuwenden; ein Verstoß gegen § 32 VVG liegt darin – entgegen anderer Ansicht298 – nicht, weil die gesetzlich vorgesehenen Pflichten nicht abbedungen werden, sondern vielmehr das Gesetz konsequent befolgt wird. Stellt der Versicherer also vor Abgabe der invitatio ad offerendum formgemäß Fragen zu gefahrerheblichen Umständen, ist der Versicherungsnehmer bis zum Vertragsschluss auch dann von sich aus zur Anzeige verpflichtet, wenn er die Fragen zunächst wahrheitsgemäß beantwortet hat und danach neue gefahrerhebliche Umstände entstehen oder bekannt werden. Ein solcher Fall ist von einem reinen Verschweigen zu unterscheiden, das dann vorliegt, wenn der Versicherungsnehmer Umstände nicht anzeigt, nach denen der Versicherer nicht oder nicht formgemäß gefragt hat. Bedenken, der Versicherungsnehmer könne bei einem Vertragsschluss nach dem Invitatiomodell neue Risikoangaben kurz vor seiner Vertragsannahme machen und damit den Vertrag trotz geänderter Risikosituation auf der ursprünglichen Kalkulationsgrundlage des vom Versicherer gemachten Angebots zustande bringen, überzeugen nicht.299 Teilt der Versicherungsnehmer nach Erhalt des Angebots dem Versicherer einen gefahrerheblichen Umstand mit und nimmt danach den Vertrag an, so widerspricht die Annahmeerklärung dem Angebot des Versicherers, das erkennbar auf einer Risikoprüfung auf abweichender Grundlage beruht. Die vermeintliche Annahme ist deshalb gemäß § 150 Abs. 2 BGB als neues Angebot anzusehen. Das gilt – entgegen anderer Ansicht300 – nicht nur, wenn der Versicherer zuvor erneut oder erstmals nach den Umständen gefragt hat. Es fehlt jeder Anhaltspunkt, weshalb die Anwendbarkeit des § 150 Abs. 2 BGB davon abhängen sollte, ob der Versicherungsnehmer aufgrund einer formgemäßen Nachfrage zu den neuen Risikoangaben verpflichtet war. Zählt man die Grundlagen der Risikoprüfung nicht zu den elementaren Vertragsbestandteilen, liegt jedenfalls ein offener Dissens vor, da es an einer Einigung über alle relevanten Umstände des Vertragsschlusses fehlt und keine Gründe erkennbar sind, von der Auslegungsvorschrift des § 154 Abs. 1 BGB abzuweichen.301 Selbst wenn entgegen § 154 BGB zumindest eine Partei irrigerweise von einem Vertragsschluss in beiderseitigem Konsens ausgeht, kommt der Vertrag nicht wirksam zustande. Denn es ist nicht anzunehmen, dass er auch ohne eine Bestimmung über diesen Punkt geschlossen sein würde, vgl. § 155 BGB. Damit kann durch eine Vertragsannahme kurz nach einer erheblichen Gefahranzeige kein Vertrag zu Bedingungen zu297 So aber Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/92; ähnlich Neuhaus, r+s 2008, 45, 48. 298 Etwa von Brand, VersR 2009, 715, 720. 299 So aber Looschelders/Pohlmann, § 7 Rn. 66; Leverenz, Vertragsschluss nach der VVGReform, Rn. 4/90, 4/96; Schimikowski, VW 2007, 715, 717; wohl auch Halm/Engelbrecht/ Krahe/Wandt, 1. Kap., Rn. 777; Franz, VersR 2008, 298, 302; Neuhaus, r+s 2008, 45, 48. 300 So Neuhaus, r+s 2008, 45, 48. 301 Zur Eigenschaft als Auslegungsregel statt vieler MünchKommBGB/Kramer, § 154 Rn. 1.

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stande kommen, die auf einer überholten Risikokalkulation beruhen. Ein einleuchtender Grund, weshalb der Versicherer abweichend von den allgemeinen zivilrechtlichen Grundlagen ein derartiges Risiko tragen soll, ist nicht ersichtlich. Der Versicherer ist in solchen Fällen zu einem neuen Angebot auf aktualisierter Risikogrundlage gehalten, dessen Annahme sich der Versicherungsnehmer erneut überlegen kann. Ein Vertrag kommt allerdings zustande, wenn für eine ordnungsgemäße Risikoprüfung erhebliche Umstände nachträglich eintreten, der Versicherungsnehmer dies dem Versicherer aber nicht mitteilt. Darin liegt eine Anzeigepflichtverletzung, die bestimmte Rechtsfolgen auslöst, einem Vertragsschluss aber grundsätzlich nicht entgegensteht. Da die Anzeigepflicht beim Invitatiomodell bis zum Vertragsschluss besteht und der Versicherungsnehmer das Vertragsangebot nach Eintritt eines neuen gefahrerheblichen Umstands nicht auf der ursprünglichen Kalkulationsgrundlage annehmen kann, ist das eingangs angesprochene Bedingungsmodell unnötig. Davon abgesehen muss der vorgeschlagenen Möglichkeit auch widersprochen werden. Schon ihre dogmatische Konstruktion, das Angebot mit einer aufschiebenden Bedingung des Inhalts zu verknüpfen, dass sich im Hinblick auf die Gefahrumstände keine Änderung ergeben habe,302 erweist sich als brüchig. Zwar kann ein Angebot so ausgestaltet werden, dass seine Rechtswirkungen erst mit dem Eintritt beliebiger objektiver Umstände entstehen.303 Das aufschiebend bedingte Vertragsangebot ist erst dann annahmefähig, wenn die Umstände der Bedingung eingetreten sind.304 Liegen diese aber darin, dass sich im Hinblick auf die Gefahrumstände bis zur Vertragsannahme des Versicherungsnehmers keine Änderungen ergeben, kann die Bedingung nicht vor der Vertragsannahme eintreten. Das Angebot könnte damit erst mit seiner Annahme rechtswirksam entstehen, was mit den allgemeinen Voraussetzungen des Vertragsschlusses nicht vereinbar ist. Der Vorschlag ist schon aus diesem Grund abzulehnen. Vereinzelt wird daneben erwogen, den Vertragsschluss allein für den Fall, dass neue Risikoangaben erfolgen, an die Bedingung zu knüpfen, dass der Versicherer daraufhin dem Versicherungsnehmer eine endgültige Mitteilung zukommen lässt.305 Zwar ist es grundsätzlich möglich, einen Vertragsschluss an die aufschiebende Bedingung einer Mitteilung des Versicherers zu knüpfen, die ihrerseits nur unter der auflösenden Bedingung erforderlich ist, dass neue Risikoangaben erfolgen.306 Allerdings besteht für eine derartige (doppelte) Bedingung keine Notwendigkeit: Sie soll verhindern, dass der Versicherungsnehmer den Vertrag auf Grundlage der ursprünglichen Risikoprüfung zustande bringt, obwohl sich inzwischen neue Gefahrumstände erge-

302 So aber Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/91; wohl auch Gaul, VersR 2007, 21, 26, der aber (unklar) von einer Bedingung im Sinne von §§ 162 ff. BGB ausgeht, obwohl dieser Normverweis auf die Bedingung nicht passt. 303 Vgl. die Nachw. in Fn. 289. 304 MünchKommBGB/Kramer, § 145 Rn. 9 m.w.Nachw. 305 So Neuhaus, r+s 2008, 45, 48; ferner Neuhaus/Kloth, Praxis des neuen VVG, S. 65. 306 Zur Zulässigkeit einer solchen Verbindung von auflösender und aufschiebender Bedingung MünchKommBGB/Westermann, § 158 Rn. 15 m.w.Nachw.

112 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

4. Teil: Vorvertragliche Anzeigepflicht

ben haben, die der Versicherer nicht berücksichtigen konnte. Diese Befürchtung besteht jedoch, wie gesehen, zu Unrecht. Begehbar erscheint zunächst der Weg eines auflösend bedingten Angebots des Versicherers, das mit dem Auftreten neuer Gefahrumstände vor der Vertragsannahme erlischt. Bei der auflösenden Bedingung tritt die Wirkung eines Rechtsgeschäfts sofort ein, aber mit dem Eintritt bestimmter Umstände wieder außer Kraft.307 Allerdings ist auch diese theoretisch denkbare Konstruktion zu verwerfen, weil durch ein derart bedingtes Angebot bei einem Vertragsschluss nach dem Invitatiomodell das gesamte Rechtsfolgensystem der §§ 19 ff. VVG zu Lasten des Versicherungsnehmers konterkariert würde. Unproblematisch ist es zwar, dass nach dieser Konstruktion der Versicherungsnehmer das Risiko einer Gefahränderung zwischen der invitatio ad offerendum und der Vertragsannahme trägt, weil sich diese Risikoverteilung nach zutreffender Ansicht bereits aus der gesetzlichen Regelung ergibt.308 Dennoch wird mit einer derartigen Bedingung gegen das gesetzliche Leitbild verstoßen, weil sie für den Versicherungsnehmer ungleich gefährlicher ist als die gesetzlichen Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtverletzung. Diese sind im reformierten VVG abhängig vom Verschuldensgrad abgestuft geregelt. Nähme der Versicherungsnehmer ein auflösend bedingtes Angebot an, nachdem er es zuvor unterlassen hätte, einen nach dessen Erhalt entstandenen oder bekannt gewordenen gefahrerheblichen Umstand anzuzeigen, wäre die Bedingung zum Zeitpunkt der Annahme bereits eingetreten und das Angebot mithin ex tunc unwirksam. Es könnte nicht mehr zu einem wirksamen Vertragsschluss kommen, der Versicherungsnehmer bliebe ohne Deckungsschutz. Die Parteien würden aber regelmäßig von einem zustande gekommenen Vertrag ausgehen und ihr Verhalten danach ausrichten. Würde der nicht angezeigte Umstand dann nachträglich bekannt, müsste der vermeintliche Vertrag nach bereicherungsrechtlichen Regeln abgewickelt werden. Demgegenüber ist nach den gesetzlichen Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtverletzung der Vertrag nur unter engen Voraussetzungen mit ex-tunc-Wirkung unwirksam. Deshalb ist das Argument für die Zulässigkeit eines bedingten Angebots, auch im Antragsverfahren könne der Versicherer nach Antragstellung erneut Fragen stellen, schon aufgrund der ganz unterschiedlichen Folgen für den Versicherungsnehmer nicht haltbar.309 Im Ergebnis stellt das auflösend bedingte Angebot für diesen eine benachteiligende Abweichung von den gesetzlichen Regelungen zur vorvertraglichen Anzeigepflicht dar, die nach § 32 VVG unzulässig ist. Eine formularmäßige Vereinbarung würde ferner an den Regelungen zur Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen scheitern,310 da iSd § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB von einem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abgewichen würde.311 307

MünchKommBGB/Westermann, § 158 Rn. 1, 8 f. Vgl. dazu die vorangehenden Ausführungen. 309 Mit diesem Argument aber Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/91. 310 Zur Anwendbarkeit der AGB-Regelungen auf sog. Vertragsabschlussklauseln vgl. bereits Fn. 204. 308

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Folgt man entgegen der hier vertretenen Ansicht der Auffassung, der Vertrag komme auf Grundlage der ursprünglichen Risikoprüfung zustande, wenn der Versicherungsnehmer vor oder mit der Annahme neue Risikoangaben mache, böte sich für den Versicherer an, einen Widerrufs- oder Rücktrittsvorbehalt zu vereinbaren.312 Die Rechtswirkungen dieser Gestaltungen treten im Gegensatz zur Bedingung nicht von selbst ein, sondern erfordern den Zugang einer entsprechenden Erklärung beim Versicherungsnehmer,313 sodass die Situation eines „fehlerhaften Versicherungsvertrags“ vermieden würde. Als zulässig ist dabei jedoch nur der Vorbehalt eines innerhalb angemessener Zeit nach dem Vertragsschluss zu erklärenden Widerrufs anzusehen. Dagegen verstößt der Rücktrittsvorbehalt gegen § 32 VVG und ist unzulässig, denn nach seiner Vereinbarung käme ein leistungsbefreiender Rücktritt des Versicherers auch nach Eintritt eines Versicherungsfalls in Betracht. Diese mögliche Folge ist mit dem abgestuften Regelungssystem der §§ 19 ff. VVG nicht zu vereinbaren und stellt einen Verstoß gegen das gesetzliche Leitbild dar. Eine entsprechende Formularklausel verstieße ferner gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, wobei die Wertung des § 308 Nr. 3 BGB zu berücksichtigen ist, auch wenn die Norm im unternehmerischen Rechtsverkehr nicht ihre volle Schutzwirkung entfaltet, § 310 Abs. 1 S. 2 Halbs. 1 BGB.314 Beim grundsätzlich zulässigen Widerrufsvorbehalt ist darauf zu achten, dass eine derartig vorformulierte Bedingung als überraschende Klausel iSd § 305c BGB verstanden werden kann,315 ferner darauf, dass § 308 Nr. 3 BGB, der auch auf Widerrufsvorbehalte anzuwenden ist,316 auf die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB ausstrahlt. Daher wäre eine Individualvereinbarung anzuraten. Nach der hier vertretenen Auffassung ist ein Widerrufsvorbehalt jedoch ohnehin unnötig.

6. Zusammenfassung Nach dem weitgehenden Wegfall des bisher verbreiteten Policenmodells bieten sich für den D&O-Versicherer zwei Vertragsschlussverfahren an: Das Antragssowie das Invitatiomodell. Die übrigen Vorschläge, die im Schrifttum aufgekommen sind, erweisen sich bei näherer Betrachtung als nicht weiterführend. Bei einem Vertragsschluss nach dem Antragsmodell, das nunmehr als gesetzliches Leitbild gilt, erfolgt die Risikoprüfung bereits in der Beratungsphase, die ihren Abschluss in einem verbindlichen Angebot des Versicherungsnehmers findet. Aufgrund der weggefallenen „Nachmeldeobliegenheit“ ist von Seiten des Versicherers darauf zu achten, vor der Vertragsannahme durch geeignete Fragen sicherzustellen, dass die Risikolage 311

Dies zieht auch Franz, VersR 2008, 298, 302 in Betracht. In diese Richtung auch Neuhaus, r+s 2008, 45, 48. 313 MünchKommBGB/Westermann, § 158 Rn. 57; Staudinger/Bork (2003), Vor §§ 158 – 163 Rn. 10. 314 MünchKommBGB/Kieninger, § 308 Rn. 6; Staudinger/Coester-Waltjen (2006), § 308 Nr. 3 Rn. 31. 315 Neuhaus, r+s 2008, 45, 48. 316 Staudinger/Coester-Waltjen (2006), § 308 Nr. 3 Rn. 2. 312

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4. Teil: Vorvertragliche Anzeigepflicht

keine erheblichen Änderungen erfahren hat. Handelt es sich um die Versicherung eines Großrisikos, entfallen die Informationspflichten aus § 7 VVG. Das Policenmodell kann in seiner ursprünglichen Form jedoch auch für solche Verträge nicht weitergeführt werden. Bei einem Vertragsschluss nach dem Invitatiomodell gibt der Versicherungsnehmer zunächst kein verbindliches Angebot, sondern eine bloße invitatio ad offerendum ab. Das Angebot, dem die Risikoprüfung voranzustellen ist, geht vom Versicherer aus. Dadurch genügt es, wenn der Versicherer die Informationspflichten aus § 7 VVG rechtzeitig vor der Vertragsannahme des Versicherungsnehmers erfüllt. Nach zutreffender Ansicht ist dieser bis zu seiner Annahme zur Anzeige gefahrerheblicher Umstände verpflichtet. Deshalb ist eine Nachfrage des Versicherers im Hinblick auf solche Umstände nach Abgabe des Angebots nur dann erforderlich, wenn eine Frage zuvor noch nicht gestellt wurde. Auch die Gefahr, dass der Versicherungsnehmer den Vertrag nach dem Invitatiomodell auf der Grundlage der ursprünglichen Risikoprüfung zustande bringt, obwohl er kurz vor seiner Vertragsannahme noch gefahrerhebliche Umstände nachgemeldet hat, besteht nicht, da eine solche Konstruktion mit den allgemeinen Grundprinzipien des Bürgerlichen Rechts nicht zu vereinbaren ist. Da im Schrifttum jedoch diese vermeintliche Gefahr dennoch gesehen und zudem auch verbreitet darauf abgestellt wird, die invitatio ad offerendum des Versicherungsnehmers sei als Vertragserklärung iSd § 19 VVG zu behandeln, ist dem Versicherer bis zu einer gerichtlichen Klärung der Rechtslage sicherheitshalber eine erneute Nachfrage, darüber hinaus die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts zu empfehlen.

§ 8 Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtverletzung I. Vom Verschuldensgrad abhängiges Rechtsfolgensystem 1. Kündigungsrecht Im Fall einer unverschuldeten oder einfach fahrlässigen Verletzung der Anzeigepflicht hat der Versicherer nach § 19 Abs. 2 und Abs. 3 VVG lediglich ein Kündigungsrecht, das zudem durch § 19 Abs. 4 und Abs. 5 VVG eingeschränkt ist. Mit diesen – zumindest auf den ersten Blick – milden Rechtsfolgen reagierte der Gesetzgeber auf erhebliche rechtspolitische Bedenken, die gegenüber der Vorgängerregelung (§ 16 VVG aF) geäußert wurden. Danach war die Rücktrittsmöglichkeit des Versicherers nur ausgeschlossen, wenn er den anzuzeigenden gefahrerheblichen Umstand kannte oder die Anzeige ohne jedes Verschulden des Versicherungsnehmers unterblieben war. Diese Sanktion wurde als zu weitreichend und insbesondere bei leicht fahrlässigen Obliegenheitsverletzungen als nicht angemessen betrachtet.317 Nach neuer Rechtslage hat der Versicherer bei einer einfach fahrlässigen Anzeigepflichtverletzung keine Rücktrittsmöglichkeit mehr, sondern ist auf die Kündigung be317

RegE VVG, BT-Drucks. 16/3945, S. 65.

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schränkt.318 Dieses Recht steht ihm auch nach einer unverschuldeten Verletzung der Anzeigeobliegenheit zu. Die Sanktionierung der schuldlosen Pflichtverletzung war nach altem Recht nicht vorgesehen und stellt eine der wenigen Verschlechterungen für den Versicherungsnehmer durch die Reform des Versicherungsvertragsrechts dar.319 Infolge einer Kündigung endet der Versicherungsvertrag mit Wirkung für die Zukunft, sodass die Leistungspflicht des Versicherers bis zum Zugang der KündiACHTUNGREgungsACHTUNGREerklärung fortdauert. Dem Versicherer steht dafür gemäß § 39 Abs. 1 S. 1 VVG die Prämie in Höhe des Anteils zu, der dem versicherten Zeitraum entspricht („pro rata temporis“).320 Die Beweislast, dass die Anzeigepflicht schuldlos oder einfach fahrlässig verletzt wurde, trägt der Versicherungsnehmer,321 da sich aus § 19 Abs. 3 S. 1 VVG eine Vorsatzvermutung ergibt.322 Die Vermutung ist angemessen, da der Versicherungsnehmer Leistungen verlangt, obwohl er zuvor gegen seine Vertragspflichten verstoßen hat.323 Die Beweislast für die Verletzung der Anzeigepflicht trägt dagegen der Versicherer.324 2. Rücktrittsrecht Verletzt der Versicherungsnehmer die vorvertragliche Anzeigepflicht grob fahrlässig oder vorsätzlich, kann der Versicherer gemäß § 19 Abs. 2 und Abs. 3 S. 1 VVG vom Vertrag zurücktreten. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt, indem er einfachste, nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und nicht beachtet, was jedem einleuchten muss.325 Dagegen wird Vorsatz mit dem Wissen und Wollen der objektiven Tatbestandsmerkmale definiert.326 Danach setzt vorsätzliches Handeln im Rahmen der Anzeigepflicht das Wollen der Obliegenheitsverletzung im Bewusstsein der Verhaltensnorm voraus. Der Vorsatz muss sich auch darauf erstrecken, dass der betreffende Gefahrumstand

318 Contra legem dagegen Hering, SVR 2008, 5, 7, der davon ausgeht, bei einer schuldlosen Anzeigepflichtverletzung bestehe auch kein Kündigungsrecht. 319 Grote/Schneider, BB 2007, 2689, 2692. 320 Zur damit verbundenen Abkehr vom sog. Grundsatz der Unteilbarkeit der Prämie vgl. statt vieler Bruck/Möller/Baumann, § 1 Rn. 196 m.w.Nachw. 321 RegE VVG, BT-Drucks. 16/3945, S. 65; vgl. auch Langheid, NJW 2007, 3665, 3667. 322 Hinsch-Timm, VVG in der anwaltlichen Praxis, Rn. 167; Marlow/Spuhl, VVG kompakt, S. 48; Lange, r+s 2008, 56, 59; Neuhaus, r+s 2008, 45, 54; Reusch, VersR 2007, 1313, 1315; Rixecker, zfs 2007, 369, 370. 323 Niederleithinger, Das neue VVG, A Rn. 95 (S. 35). 324 Vgl. dazu bereits § 6 I. 325 Statt vieler BGHZ 10, 14, 16; BGHZ 89, 153, 161 = NJW 1984, 789; BGH NJW 2005, 981, 982; Jauernig/Stadler, BGB, § 276 Rn. 33; MünchKommBGB/Grundmann, § 276 Rn. 94; Palandt/Grüneberg, § 277 Rn. 5; Prütting/Wegen/Weinreich/Schmidt-Kessel, § 276 Rn. 17. 326 Statt aller MünchKommBGB/Grundmann, § 276 Rn. 154 m.w.Nachw.

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4. Teil: Vorvertragliche Anzeigepflicht

für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich ist.327 Der Rücktritt hat zur Folge, dass für die Vergangenheit ein Rückgewährschuldverhältnis entsteht, dessen Wirkungen sich im Gegensatz zur Anfechtung nicht nur aus ungerechtfertigter Bereicherung ergeben:328 Die primären Leistungspflichten erlöschen und beide Vertragsparteien werden nach § 346 Abs. 1 BGB dazu verpflichtet, die empfangenen Leistungen zurückzugewähren.329 Der Vertrag wird durch einen Rücktritt nicht aufgehoben, sondern bleibt mit verändertem Inhalt bestehen.330 Der Rücktritt wirkt juristisch ex nunc, wirtschaftlich betrachtet allerdings ex tunc.331 Daher ist die Aussage in der Gesetzesbegründung unpräzise, der Vertrag werde „ex tunc beseitigt“.332 Für die Prämie ist auf § 39 Abs. 1 S. 2 VVG abzustellen, wonach sie der Versicherer bis zum Wirksamwerden der Rücktrittserklärung, das mit ihrem Zugang anzunehmen ist, verlangen kann.

3. Gestaltungserklärung a) Ausübungsfrist Kündigung und Rücktritt sind vom Versicherer binnen eines Monats schriftlich zu erklären, nachdem er von der Anzeigepflichtverletzung Kenntnis erlangt hat, § 21 Abs. 1 S. 1, 2 VVG, § 349 BGB. Dabei erfordert der Fristbeginn zuverlässige Kenntnis von der Obliegenheitsverletzung. Der Versicherer muss seine Gestaltungsrechte nicht auf Verdacht ausüben und darf eine angemessene Zeit das Ergebnis eigener Ermittlungen abwarten.333 Entgegen verbreiteter Ansicht334 und der Vorgängervorschrift, § 20 VVG aF, ist die Kenntnis der objektiven Anzeigepflichtverletzung nicht mehr ausreichend, einen Fristbeginn zu begründen. Zusätzlich erforderlich ist vielmehr, dass der Versicherer auch die Umstände kennt, aus denen sich auf 327

Schwintowski/Brömmelmeyer/Härle, § 19 VVG Rn. 112. Vgl. Bruck/Möller, 8. Aufl., § 20 Rn. 15. 329 Statt vieler MünchKommBGB/Gaier, Vor § 346 Rn. 3, 26, § 346 Rn. 15; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 830. 330 Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 529; Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, Rn. 425. 331 So zutreffend Bruck/Möller, 8. Aufl., § 20 Rn. 15; vgl. auch Hinsch-Timm, VVG in der anwaltlichen Praxis, Rn. 183; ferner Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 528. 332 RegE VVG, BT-Drucks. 16/3945, S. 65; unpräzise auch Schwintowski/Brömmelmeyer/ Härle, § 19 VVG Rn. 108; F. Baumann/Sandkühler, Das neue VVG, S. 59; Langheid/Goergen, VP 2007, 161, 164. 333 Vgl. (zum Teil für die Rücktrittserklärung) BGH VersR 1960, 1131; BGH NJW-RR 1991, 348, 350; BGH NJW-RR 2001, 234, 235; OLG Koblenz NVersZ 1999, 125 f.; Beckmann/ Matusche-Beckmann/K. Johannsen, § 8 Rn. 57; Terbille, § 2 Rn. 116; Knappmann, r+s 1996, 81, 83; Römer, r+s 1998, 45, 47. 334 Vgl. Bruck/Möller/Rolfs, § 21 Rn. 24; Rüffer/Halbach/Schimikowski, § 21 Rn. 4; ders., r+s 2009, 353, 357; Schwintowski/Brömmelmeyer/Härle, § 21 VVG Rn. 7, 9. 328

§ 8 Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtverletzung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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den Verschuldensgrad des Versicherungsnehmers schließen lässt.335 Dafür spricht schon der Wortlaut des § 21 VVG, der nunmehr auf die Kenntnis der Anzeigepflichtverletzung abstellt, „die das von ihm [dem Versicherer] geltend gemachte Recht begründet“.336 Diese Sichtweise wird vom telos der Regelung gestützt. Um zum Handeln angehalten zu sein, soll der Versicherer beurteilen können, welches Recht er berechtigterweise geltend machen darf. Der Schutz des Versicherungsnehmers ist über einen schon bisher anerkannten Grundsatz gesichert: Unterläuft der Versicherer den Fristbeginn, indem er trotz „ernstlichen Anlasses“ Rückfragen unterlässt, durch die er abschließende Klarheit über seine Rechte erlangen könnte, so gelten ihm die entsprechenden Umstände von dem Zeitpunkt an als bekannt, zu dem er sie bei ordnungsgemäßem Vorgehen erfahren hätte.337 Die Gegenauffassung lässt die Kenntnis der objektiven Anzeigepflichtverletzung für einen Fristbeginn genügen. Da sich der Versicherungsnehmer vom Vorwurf des Vorsatzes entlasten müsse, könne der Versicherer grundsätzlich von dieser Verschuldensform ausgehen.338 Tatsächlich bringt dem Versicherer, der ein bestimmtes Recht ausgeübt hat, ein solches Vorgehen aber wenig, wenn es dem Versicherungsnehmer im Anschluss gelingt, sich im Hinblick auf den vom Versicherer vermuteten Verschuldensgrad zu entlasten. Außerdem ist die materiell-rechtliche Frage des Fristbeginns von der prozessrechtlichen Beweislastverteilung zu trennen: Die Verschuldensvermutung zugunsten der Versicherer greift als Beweislastregel erst dann ein, wenn die freie Beweiswürdigung des Richters (§ 286 ZPO) nicht zu einer Klärung der strittigen Frage führt, mithin ein „non liquet“ vorliegt.339 Deshalb lässt sich aus der Vorsatzvermutung nicht der Schluss ziehen, der Versicherer könne seinen Handlungen schon im Vorfeld eines denkbaren Verfahrens einfach Vorsatz des Versicherungsnehmers zugrunde legen. Die Auffassung ist daher abzulehnen. Demgegenüber wird vereinzelt vertreten, die Ausübungsfrist beginne erst zu laufen, nachdem der Verschuldensgrad des Versicherungsnehmers rechtskräftig festgestellt sei. Dadurch werde verhindert, dass der Versicherer nach einer Anzeigepflichtverletzung überhaupt keine Rechte erfolgreich geltend machen könne, weil er seinem fristgerecht ausgeübten Recht einen Verschuldensgrad zugrunde gelegt habe, der sich später als unzutreffend erweise und im Hinblick auf das dem wirklichen Verschul335

Vgl. Lange, r+s 2008, 56, 58 (mit der zweifelhaften Bemerkung, dies sei „unstreitig“); ferner Marlow/Spuhl, VVG kompakt, S. 56; Langheid, NJW 2007, 3665, 3668; in diese Richtung auch Beckmann/Matusche-Beckmann/Knappmann, § 14 Rn. 87. 336 Diese Wortlautänderung verkennt augenscheinlich Rüffer/Halbach/Schimikowski, § 21 Rn. 4. 337 Vgl. BGHZ 108, 326, 328 f. = NJW 1990, 47; Beckmann/Matusche-Beckmann/ Knappmann, § 14 Rn. 88; ders., r+s 1996, 81, 83; Terbille/Kummer, § 12 Rn. 65; Römer, r+s 1998, 45, 47. 338 So Bruck/Möller/Rolfs, § 21 Rn. 24; Rüffer/Halbach/Schimikowski, § 21 Rn. 4; ders., r+s 2009, 353, 357. 339 Vgl. Engels, Anscheinsbeweis der Kausalität, S. 62; ferner MünchKommBGB/Oetker, § 249 Rn. 453; Greger, VersR 1980, 1091, 1102; Laumen, NJW 2002, 3739, 3743.

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4. Teil: Vorvertragliche Anzeigepflicht

densgrad entsprechende Recht die Ausübungsfrist abgelaufen sei. Da die Beweislast für den Verschuldensgrad beim Versicherungsnehmer liege und der Versicherer zunächst dessen Vorsatz vermuten dürfe, gehe es nicht an, dass eine Rechtsausübung auf Grundlage dieser Vermutung zu einem Verlust von Rechten führe. Stelle man nicht auf die rechtskräftige Feststellung des Verschuldensgrads ab, wäre die Rechtslage für den Versicherer häufig völlig undurchsichtig, weil die Verschuldenseinschätzung von Beurteilungsspielräumen abhängig sei.340 Auch diese Meinung legt ein Verständnis der Vorsatzvermutung zu Grunde, dem nicht gefolgt werden kann. Die Vermutung entscheidet über die Beweislastverteilung im Prozess und dient nicht dazu, im Vorfeld schutzwürdiges Vertrauen des Versicherers zu begründen. Die Versicherer sind daher gehalten, im Zweifel auch die den geringeren als dem angenommenen Verschuldensgrad entsprechenden Rechte auszuüben.341 So kann etwa ein Rücktritt mit einer hilfsweisen Kündigung für den Fall verbunden werden, dass das Verschulden des Versicherungsnehmers die Schwelle zur groben Fahrlässigkeit nicht mit Sicherheit überschreitet.342 Kommt in Betracht, dass ein Umstand lediglich zu einer Vertragsanpassung iSd § 19 Abs. 4 VVG berechtigt, ist an die vorsorgliche Erklärung einer solchen zu denken.343 Die hilfsweise Geltendmachung von Gestaltungsrechten ist in diesen Fällen zulässig, weil es nur um die rechtliche Bewertung von den Parteien bekannten Umständen geht.344 Grundsätzlich kommt außerdem eine Umdeutung in das Recht in Betracht, das dem tatsächlichen Verschuldensgrad entspricht, § 140 BGB. Allerdings erfordert dies, dass das Recht, in das umgedeutet werden soll, mit dem ursprünglich ausgeübten kongruent ist, es also über dessen Wirkungen nicht hinausgeht.345 Aus diesem Grund ist etwa die Umdeutung einer Anfechtung in einen Rücktritt nicht möglich; es handelt sich um inhaltlich zu unterschiedliche Regelungen.346 So trägt bei der Anfechtung der Versicherer die Beweislast, beim 340

So Lange, r+s 2008, 56, 58 f. Vgl. auch Reusch, VersR 2007, 1313, 1316; ferner Halm/Engelbrecht/Krahe/Wandt, 1. Kap., Rn. 794; ders., Versicherungsrecht, Rn. 813. 342 So schon Langheid, NJW 2006, 3317, 3318; vgl. auch Marlow/Spuhl, VVG kompakt, S. 57; Franz, VersR 2008, 298, 306; Langheid/Goergen, VP 2007, 161, 164; Reusch, VersR 2007, 1313, 1316 f. 343 Näher Reusch, VersR 2007, 1313, 1317; vgl. auch Marlow/Spuhl, VVG kompakt, S. 57. Zu § 19 Abs. 4 VVG ausf. unter 4. c). 344 Vgl. ausf. Reusch, VersR 2007, 1313, 1316 f., der zur Begründung den Regierungsentwurf zu § 24 VVG heranzieht; ferner Halm/Engelbrecht/Krahe/Wandt, 1. Kap., Rn. 794; ders., Versicherungsrecht, Rn. 813; Marlow/Spuhl, VVG kompakt, S. 57; Neuhaus, r+s 2008, 45, 51 f. 345 MünchKommBGB/Busche, § 140 Rn. 16 f.; Soergel/Hefermehl, § 140 Rn. 5; Staudinger/Roth (2003), § 140 Rn. 21 f.; Medicus, BGB AT, Rn. 519. 346 So auch OLG Köln r+s 1989, 410, 411; OLG Köln r+s 1992, 390; OLG Oldenburg VersR 1979, 269 m. ablehnender Anm. Martin; Beckmann/Matusche-Beckmann/Knappmann, § 14 Rn. 80; Barg, Vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers, S. 187 f.; Beyer, Rechtsvergleichung der vorvertraglichen Anzeigepflicht, S. 194; aA Erman/Palm, § 140 Rn. 8, 12; Palandt/Ellenberger, § 140 Rn. 6; Kruse, Vorvertragliche Anzeigepflicht in der Reform des VVG, S. 222 f.: Voraussetzungen und Folgen von Rücktritt und Anfechtung deckten sich. 341

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Rücktritt der Versicherungsnehmer.347 Demgegenüber bleiben die rechtlichen Wirkungen der Kündigung hinter denen des Rücktritts zurück, womit die Rücktrittserklärung in eine Kündigung umgedeutet werden kann.348 Der hilfsweisen Geltendmachung von Rechten wird entgegengehalten, es schaffe keine Klarheit, da bis zu einer rechtkräftigen Entscheidung über den Verschuldensgrad weder Versicherer noch Versicherungsnehmer wüssten, woran sie wären.349 Zutreffend ist, dass Fälle denkbar sind, in denen die Parteien erst nach gerichtlicher Klärung wissen, welches Recht dem Verschuldensgrad des Versicherungsnehmers tatsächlich entspricht und welche Folgen sich letztlich für den Versicherungsvertrag ergeben. Diesen Unsicherheiten würde aber nicht damit abgeholfen, die Ausübungsfrist an eine rechtskräftige Entscheidung zu knüpfen. Vielmehr kehrte auch dann erst im Moment dieser Entscheidung Sicherheit ein. Im Gegenteil zögerte sich der Zeitpunkt, an dem der Versicherungsnehmer Klarheit hätte, noch weiter hinaus, da dem Versicherer nach der Entscheidung noch die Ausübungsfrist zustünde. Auch vor der rechtskräftigen Klärung stünde der Versicherungsnehmer schlechter: Die auf ihn zukommenden Gestaltungsrechte richteten sich ganz nach der gerichtlichen Einschätzung seines Verschuldens. Stellt man sich dagegen auf den zutreffenden Standpunkt, eine rechtskräftige Entscheidung sei für den Beginn der Ausübungsfrist nicht erforderlich, kann sich der Versicherungsnehmer nach Fristablauf zumindest darauf einstellen, dass sich die bevorstehenden Rechtsfolgen aus den bis dahin ausgeübten Rechten des Versicherers ergeben werden. Dabei ist nicht zu befürchten, dass die Versicherer regelmäßig alle Gestaltungsrechte geltend machen, um erst vom Gericht auf das noch zulässige Recht beschränkt zu werden. Unabhängig von einem denkbaren Rechtsmissbrauch und der negativen Öffentlichkeitswirkung eines solchen Vorgehens würde eine Anhäufung hilfsweiser Erklärungen beim Vertragspartner den Eindruck der Unsicherheit erwecken.350 Den Versicherern wird daran gelegen sein, einen solchen Eindruck zu vermeiden, um den Versicherungsnehmer nicht zu einer juristischen Aufbereitung und umfassenden Verteidigung zu animieren. Die Auffassung, der Fristbeginn erfordere die rechtskräftige Feststellung des Verschuldensgrads, der dem Versicherungsnehmer zur Last falle, ist daher abzulehnen. Die Ausübungsfrist beginnt mit der zuverlässigen Kenntnis des Versicherers von den Umständen, aus denen sich die Anzeigepflichtverletzung und der Verschuldensgrad des Versicherungsnehmers ergeben. Deshalb sei sogar eine Umdeutung eines Rücktritts in eine Anfechtung möglich (S. 224); Uhlenbrock, Lösungsrechte des Versicherers, S. 180 ff. 347 Ausf. und m.w.Nachw. BGH NJW 2004, 3427, 3428; aus dem Schrifttum Beckmann/ Matusche-Beckmann/Knappmann, § 14 Rn. 80. 348 Vgl. KG r+s 2000, 122, 125; MünchKommVVG/Muschner, § 21 Rn. 31; Palandt/Ellenberger, § 140 Rn. 6; Römer/Langheid, §§ 16, 17 Rn. 70; Schwintowski/Brömmelmeyer/ Härle, § 19 VVG Rn. 107; Marlow/Spuhl, VVG kompakt, S. 50; Neuhaus, r+s 2008, 45, 51; aA Beckmann/Matusche-Beckmann/Knappmann, § 14 Rn. 81. 349 Lange, r+s 2008, 56, 59. 350 s. Neuhaus, r+s 2008, 45, 52.

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4. Teil: Vorvertragliche Anzeigepflicht

b) Begründung Kündigung und Rücktritt sind vom Versicherer zu begründen, § 21 Abs. 1 S. 3 VVG. Dabei darf sich die Begründung nicht auf formelhafte Wendungen beschränken, sondern muss Bezug auf eine konkrete Anzeigepflichtverletzung aufweisen.351 Eine „inhaltsleere Floskel“ würde dem Zweck der Vorschrift, dem Versicherungsnehmer Rechtsklarheit zu verschaffen, nicht gerecht.352 Die Gestaltungsrechte sind formal auch dann wirksam, wenn ihre Begründung sachlich fehlerhaft ist; allerdings steht dies einem Erfolg in der Sache entgegen.353 Innerhalb der Monatsfrist nach § 21 Abs. 1 S. 1 VVG, in der der Versicherer seine Rechte geltend machen muss, darf dieser auch Gründe nachschieben, § 21 Abs. 1 S. 3 VVG.354 Außerhalb der Frist (zB im Prozessverfahren) nachgeschobene Gründe sind unbeachtlich.355 Demgegenüber wird vertreten, über die Ausübungsfrist seiner Rechte hinaus dürfe der Versicherer einen Umstand innerhalb eines Monats nachschieben, nachdem er von diesem Kenntnis erlangt habe. Das Wort „diese“ in § 21 Abs. 1 S. 3 VVG und damit die Frist aus Satz 1 des Absatzes beziehe sich auf die „Umstände“, nicht auf die „Erklärung“.356 Diese Auffassung überzeugt aber nicht. Das Gesetz stellt eindeutig auf die Monatsfrist der Kündigungsausübung ab und regelt keine gesonderte Zusatzfrist, die nach der Kenntniserlangung weiterer Umstände eingreifen könnte.357 Dafür spricht sowohl der Satzbau des § 21 Abs. 1 S. 3 VVG als auch die Tatsache, dass das Gesetz wörtlich auf die „Frist nach Satz 1“ Bezug nimmt, dort aber gerade keine Frist für die Angabe von Umständen setzt.358 Auch in der Gesetzesbegründung sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Gesetzgeber von den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichen wollte, nach denen es schon bisher allein auf die Erklärungsfrist ankam.359 Können Gründe nicht mehr nachgeschoben 351 Vgl. Grote/Schneider, BB 2007, 2689, 2692; ferner auch Bruck/Möller/Rolfs, § 21 Rn. 17. 352 Marlow/Spuhl, VVG kompakt, S. 58; zum Regelungszweck vgl. RegE VVG, BTDrucks. 16/3945, S. 66. 353 Marlow/Spuhl, VVG kompakt, S. 58. 354 So schon vor der VVG-Reform die Rechtsprechung, vgl. zB BGH NJW-RR 1999, 173, 175. 355 Bruck/Möller/Rolfs, § 21 Rn. 21; Meixner/Steinbeck, Das neue Versicherungsvertragsrecht, § 1 Rn. 247; aA Langheid, NJW 2007, 3665, 3668: Der Versicherer dürfe alle Gründe nachschieben, die ihm nicht außerhalb der Monatsfrist zur Kenntnis gebracht worden seien. Diese Auffassung findet aber weder im Wortlaut noch in der Begründung des Gesetzes eine Stütze. 356 So MünchKommVVG/Muschner, § 21 Rn. 42 ff.; Marlow/Spuhl, VVG kompakt, S. 59; wohl auch Rixecker, zfs 2007, 369, 370; im Ergebnis auch Halm/Engelbrecht/Krahe/Wandt, 1. Kap., Rn. 796; ders., Versicherungsrecht, Rn. 816. 357 Vgl. Lange, r+s 2008, 56, 60; ferner Rüffer/Halbach/Schimikowski, § 21 Rn. 7; Neuhaus, r+s 2008, 45, 53; Reusch, VersR 2007, 1313, 1321 f. 358 Zutreffend Lange, r+s 2008, 56, 60. 359 Reusch, VersR 2007, 1313, 1321 f. m.Nachw. aus der Rechtsprechung.

§ 8 Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtverletzung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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werden, weil die Frist bereits abgelaufen ist, ist aber daran zu denken, dass sie als gefahrerhebliche Umstände die Grundlage einer erneuten, vom ursprünglich geltend gemachten Gestaltungsrecht zu trennenden Rechtsausübung sein können und in einem solchen Fall eine separate Ausübungsfrist nach § 21 Abs. 1 S. 1 VVG in Gang setzen.360 4. Ausschluss der Gestaltungsrechte a) Ausschlussfrist Kündigungs- und Rücktrittsrecht erlöschen fünf Jahre nach Abschluss des Versicherungsvertrags, § 21 Abs. 3 S. 1 VVG, sofern der Versicherungsfall nicht vor Fristablauf eingetreten ist. Durch die im Zuge der Reform des Versicherungsvertragsrechts neu eingeführte Ausschlussfrist soll dem Interesse des Versicherungsnehmers Rechnung getragen werden, nach einem angemessenen Zeitraum Sicherheit darüber zu haben, ob der Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt Bestand hat. Denn eine Rückabwicklung oder rückwirkende Anpassung kann für ihn, insbesondere nach mehreren Jahren, zu unzumutbaren Belastungen führen, denen nicht immer ausreichende schutzwürdige Interessen der Versicherer gegenüberstehen.361 Zwar wird zur Neuregelung der Ausschlussfrist teilweise kritisch angemerkt, sie stelle eine angemessene Sanktionierung von Pflichtverstößen nicht mehr sicher, zumal sich verschwiegene Umstände häufig nicht innerhalb von fünf Jahren manifestierten.362 Dem ist entgegenzuhalten, dass das Interesse des Kollektivs nicht notwendig Vorrang vor dem des einzelnen Versicherungsnehmers haben muss, der Interessenkonflikt mithin einer Abwägung bedarf. Dabei steht eine längere Frist als fünf Jahre zum Unwertgehalt fahrlässig falscher Angaben regelmäßig außer Verhältnis.363 Verletzt der Versicherungsnehmer die vorvertragliche Anzeigepflicht dagegen vorsätzlich oder arglistig, erhöht sich die Frist ohnehin auf zehn Jahre, § 21 Abs. 3 S. 2 VVG.364

360 Neuhaus/Kloth, Praxis des neuen VVG, S. 74 f.; Lange, r+s 2008, 56, 60; Reusch, VersR 2007, 1313, 1322. 361 RegE VVG, BT-Drucks. 16/3945, S. 66; vgl. dazu schon Römer, VersR 2006, 740, 744. 362 Thalmair, ZVersWiss 96 (2007), Supplement, S. 459, 470. 363 Vgl. Römer, VersR 2006, 740, 744 m.Nachw. aus der Rechtsprechung; in diese Richtung auch Franz, VersR 2008, 298, 306. 364 Auch diese Frist wird zum Teil als zu kurz kritisiert. Die Mitglieder des Versicherungskollektivs müssten nach Fristablauf die Kopfschäden tragen, die ein Versicherter verursacht habe, der sich durch vorsätzliches oder arglistiges Verhalten den Zugang zum Kollektiv erschlichen habe, vgl. Langheid, NJW 2006, 3317, 3319; ferner ders., in: Staudinger/Langheid, Vorträge Münsterischer Versicherungstag 2006, S. 23, 31: „… aus meiner Sicht letztlich unhaltbare Zustand, dass die Versichertengemeinschaft nach einer Verfallfrist von zehn Jahren auch diejenigen in ihre Reihen aufzunehmen hat, die bei der Antragstellung arglistig getäuscht haben.“

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4. Teil: Vorvertragliche Anzeigepflicht

b) Belehrungserfordernis Die Rechte sind ferner ausgeschlossen, wenn der Versicherer den nicht angezeigten Gefahrumstand oder die Unrichtigkeit der Anzeige kannte, § 19 Abs. 5 S. 2 VVG. Dabei steht der Kenntnis des Versicherers die des Versicherungsvertreters gleich, § 70 Abs. 1 S. 1 VVG. Mit dieser Vorschrift wurde die „Auge-und-Ohr-Rechtsprechung“365 gesetzlich verankert.366 Außerdem hat der Versicherer kein Recht, den Vertrag zu kündigen oder von ihm zurückzutreten, wenn er den Versicherungsnehmer nicht in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat, § 19 Abs. 5 S. 1 VVG.367 Die erforderliche Belehrung erfüllt eine Warn- und Hinweisfunktion;368 sie muss so rechtzeitig erfolgen, dass der Versicherungsnehmer seiner Anzeigepflicht nachkommen und seine Angaben gegebenenfalls ergänzen kann.369 Dabei erfordert der Hinweis eine „gesonderte Mitteilung“; dem Gesetzeswortlaut lässt sich nicht entnehmen, ob dafür ein separates Dokument notwendig ist.370 Nach einer Ansicht ergibt sich dieses Erfordernis aber aus der gesetzlichen Historie und Systematik:371 Der Gesetzgeber habe den bereits vor der Reform verwendeten Begriff der „besonderen Mitteilung“ im Gesetzgebungsverfahren verschärft, um den Verbraucherschutz herauszustellen.372 Bei der Auslegung des Begriffs der „gesonderten Mitteilung“ könne auf die Begründung zu § 7 VVG verwiesen werden, aus der deutlich werde, dass ein separates Schriftstück erforderlich sei.373 Außerdem habe der Gesetzgeber explizit angeordnet, wenn ihm statt eines gesonderten Dokuments ein ausdrücklicher Hinweis genüge, wie in §§ 37 Abs. 2, 51 Abs. 1, 52 Abs. 1 VVG.374

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Ständige Rechtsprechung, vgl. nur BGHZ 102, 194, 197 = NJW 1988, 973. Hinsch-Timm, VVG in der anwaltlichen Praxis, Rn. 178. 367 Zur Formulierung und zum Inhalt eines solchen Hinweises ausf. Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/15; vgl. auch Marlow/Spuhl, VVG kompakt, S. 54 f. 368 Neuhaus, r+s 2008, 45, 46. 369 Vgl. RegE VVG, BT-Drucks. 16/3945, S. 66; außerdem Marlow/Spuhl, VVG kompakt, S. 54; Niederleithinger, Das neue VVG, A Rn. 91 (S. 35); v. Bühren, ZAP 2007, Fach 10, 307, 314. 370 Ausf. Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/15; ders., VersR 2008, 709, 710; ferner Beckmann/Matusche-Beckmann/Knappmann, § 14 Rn. 8. 371 Vgl. Funck, VersR 2008, 163, 166, der eine feste Verbindung des „Extrablattes“ mit anderen Schriftstücken für zulässig erachtet; ferner auch Bruck/Möller/Rolfs, § 19 Rn. 115; Neuhaus/Kloth, Praxis des neuen VVG, S. 69; Neuhaus, r+s 2008, 45, 52; Reusch, VersR 2007, 1313, 1319 f. 372 Funck, VersR 2008, 163, 166; Reusch, VersR 2007, 1313, 1319; zur Verschärfung im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens vgl. Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/15; ders., VersR 2008, 709, 710, jeweils m.w.Nachw. 373 s. Funck, VersR 2008, 163, 166 und die Gesetzesbegründung zu § 7 VVG, BTDrucks. 16/3945, S. 60. 374 Neuhaus/Kloth, Praxis des neuen VVG, S. 69; Funck, VersR 2008, 163, 166; Neuhaus, r+s 2008, 45, 52. 366

§ 8 Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtverletzung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Diese Argumente reichen jedoch nicht aus, um ein entsprechendes Auslegungsergebnis überzeugend zu begründen. Sinn und Zweck des § 19 Abs. 5 VVG, den Versicherungsnehmer zu schützen, erfordern vielmehr, den Begriff der „gesonderten Mitteilung“ abweichend von § 7 VVG auszulegen.375 Die in den Vorschriften geregelten Fälle sind nicht vergleichbar: Anders als im Rahmen des § 7 Abs. 1 S. 3 VVG, wo es um den Verzicht des Versicherungsnehmers geht, entspricht es im Rahmen des § 19 Abs. 5 VVG gerade dessen Schutzbedürfnis, kein separates Schriftstück zu erhalten. Denn im Rahmen der Anzeigepflicht wird der Warn- und Hinweisfunktion der Belehrung besonders gedient, wenn der Versicherungsnehmer im unmittelbaren Zusammenhang mit der Beantwortung der Fragen darauf hingewiesen wird, welche Folgen aus einer Anzeigepflichtverletzung resultieren können.376 Dagegen besteht bei einer Belehrung auf einem gesonderten Blatt die Gefahr, dass sie in der Flut der Informationen untergeht.377 Es muss deshalb genügen, wenn sich der Hinweis nicht auf einem eigenen Schriftstück, sondern auf dem Fragebogen befindet, wenn er sich von den Antragsfragen deutlich absetzt und drucktechnisch hervorgehoben ist.378 c) Vorrang der Vertragsanpassung Gemäß § 19 Abs. 4 VVG sind Kündigung und Rücktritt ferner regelmäßig ausgeschlossen, falls der Versicherer den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, abgeschlossen hätte. Für den Rücktritt infolge einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung wäre der Ausschluss jedoch unbillig und ist nicht anzuwenden.379 Die abweichenden Bedingungen können einen die nicht angezeigte Gefahr beinhaltenden Risikoausschluss oder auch eine höhere Prämie beinhalten.380 Sie werden im Anschluss an eine einseitige Erklärung des Versicherers bei einer schuldlosen Anzeigepflichtverletzung rückwirkend ab der laufenden Versicherungsperiode Vertragsbestandteil, ansonsten ab Vertragsbeginn, § 19 Abs. 4 S. 2 VVG. Die rückwirkende Einbeziehung ist sachgerecht, weil der Versiche-

375 In diese Richtung auch Looschelders/Pohlmann, § 19 Rn. 66; Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/15. 376 Vgl. Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/15; ders., VersR 2008, 709, 712; Marlow/Spuhl, VVG kompakt, S. 54; Grote/Schneider, BB 2007, 2689, 2692; ferner Kruse, Vorvertragliche Anzeigepflicht in der Reform des VVG, S. 178 ff.; Schimikowski, r+s 2009, 353, 356 f. 377 So zutreffend Nugel, MDR 2009, 186, 187. 378 Vgl. Looschelders/Pohlmann, § 19 Rn. 66; MünchKommVVG/Langheid, § 19 Rn. 160; Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 4/15; ders., VersR 2008, 709, 710, 712; jeweils m. Vorschlägen zur Platzierung des Hinweises auf dem Fragebogen; Marlow/Spuhl, VVG kompakt, S. 54; Schimikowski/Höra, Das neue VVG, S. 125; Grote/Schneider, BB 2007, 2689, 2692; Nugel, MDR 2009, 186, 187; Rixecker, zfs 2007, 369, 370; wohl auch Rüffer/ Halbach/Schimikowski, § 19 Rn. 31; Knappmann, VRR 2007, 451. 379 RegE VVG, BT-Drucks. 16/3945, S. 65. 380 Langheid, NJW 2007, 3665, 3667 f.; Reusch, VersR 2007, 1313, 1314, 1316.

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4. Teil: Vorvertragliche Anzeigepflicht

rer für diese Zeiträume auch eintrittspflichtig ist.381 Er bekommt somit die Möglichkeit, das von Anfang an gestörte Äquivalenzverhältnis des Vertrags anzupassen.382 Dabei kann er den Vertrag allerdings nicht beliebig ändern, sondern darf ihn nur so fassen, wie er es mit Kenntnis des nicht angezeigten Umstands bei Vertragsschluss getan hätte.383 Die Umstände, in deren Kenntnis er den Vertrag zu anderen Bedingungen abgeschlossen hätte, werden als „vertragsändernd“ bezeichnet. Ihnen stehen die „vertragshindernden Umstände“ gegenüber, in deren Kenntnis der Versicherer auf einen Vertragsschluss mit dem Versicherungsnehmer ganz verzichtet hätte.384 Ob es sich bei Umständen um vertragshindernde oder vertragsändernde handelt, ist anhand einer Einzelfallbetrachtung zu bestimmen, die von den Versicherungsbedingungen und allgemeinen Geschäftsgrundsätzen des Versicherers zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ausgeht.385 Die Beweislast, dass der Vertragsschluss dennoch, wenn auch zu anderen Bedingungen erfolgt wäre, trägt der Versicherungsnehmer.386 Dabei kommt ihm allerdings eine Erleichterung zugute, weil er regelmäßig keine Kenntnis von den unternehmensinternen Annahmerichtlinien des Versicherers haben kann.387 Hierfür können die Rechtsprechungsgrundsätze entsprechend herangezogen werden, die es dem Versicherungsnehmer vor der Reform des Versicherungsvertragsrechts erleichterten, den seinerzeit von ihm zu erbringenden Beweis der fehlenden Gefahrerheblichkeit eines Umstands zu führen. Danach genügte er seiner Darlegungslast, indem er pauschal behauptete, der betreffende Umstand sei nicht gefahrerheblich, sofern das Gegenteil nicht auf der Hand lag. Infolge dieser Behauptung war es Sache des Versicherers, substantiiert vorzutragen, von welchen Grundsätzen er sich bei der Risikoprüfung hatte leiten lassen.388 Da der Versicherungsnehmer durch die Reform des Versicherungsvertragsrechts grundsätzlich nicht schlechter stehen soll als zuvor,389 sind diese Grundsätze im Rahmen des § 19 Abs. 4 VVG entsprechend anzuwenden. Deshalb genügt der Versicherungsnehmer seiner Darlegungslast zunächst bereits, indem er auf die Annahmerichtlinien des Versicherers Bezug nimmt und behauptet, der Ver-

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Meixner/Steinbeck, Das neue Versicherungsvertragsrecht, § 1 Rn. 253. So die Formulierung von Marlow/Spuhl, VVG kompakt, S. 51. 383 Lange, r+s 2008, 56, 60. 384 Diese Begriffe gehen zurück auf Reusch, VersR 2007, 1313, 1315. 385 Vgl. Kruse, Vorvertragliche Anzeigepflicht in der Reform des VVG, S. 96 ff.; Marlow/ Spuhl, VVG kompakt, S. 49; Knappmann, VRR 2007, 451, 452. 386 RegE VVG, BT-Drucks. 16/3945, S. 65. 387 Vgl. Marlow/Spuhl, VVG kompakt, S. 49; Schimikowski/Höra, Das neue VVG, S. 124; Langheid, NJW 2007, 3665, 3667; Reusch, VersR 2007, 1313, 1319; ferner Terbille/Kummer, § 12 Rn. 74; Neuhaus, r+s 2008, 45, 54. 388 Stetige Rechtsprechung, vgl. grundlegend BGH r+s 1984, 173, 174; ferner BGH NJWRR 1988, 1049 f.; BGH NJW-RR 2001, 234; dazu statt vieler Uhlenbrock, Lösungsrechte des Versicherers, S. 29 f. 389 Vgl. die Gründe der Neuregelung im RegE, BT-Drucks. 16/3945, S. 64. 382

§ 8 Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtverletzung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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trag sei hiernach trotz des nicht angezeigten Umstands abgeschlossen worden.390 Der Versicherer kann dieser Behauptung nicht mit bloßem Bestreiten entgegentreten.391 Vielmehr wird ihn das Gericht, sofern die Sachlage nicht offensichtlich ist, auffordern, seine Annahmerichtlinien detailliert vorzutragen und darzulegen, weshalb er den Vertrag auch zu anderen Bedingungen nicht abgeschlossen hätte.392 Hierfür muss der Versicherer etwa aufzeigen, dass das Bedingungswerk einen expliziten Risikoausschluss enthält oder der entsprechende Gefahrumstand von den Zeichnungsrichtlinien als nicht versicherbar qualifiziert wird.393 Daraus ergibt sich für ihn die Notwendigkeit, nachvollziehbar festzuhalten, von welchen Umständen er das Zustandekommen eines Vertrags gewöhnlich abhängig macht.394 Wird über § 19 Abs. 4 S. 2 VVG ein die nicht angezeigte Gefahr betreffender Risikoausschluss Vertragsbestandteil oder erhöht sich die Prämie um mehr als zehn Prozent, kann der Versicherungsnehmer den Vertrag innerhalb eines Monats fristlos kündigen, § 19 Abs. 6 VVG.395 Auf diese Möglichkeit ist er vom Versicherer in dessen Mitteilung über die Vertragsanpassung hinzuweisen, § 19 Abs. 6 S. 2 VVG. Da die Kündigung im Gegensatz zu einer Vertragsanpassung nur für die Zukunft wirkt, bleiben die sich aus dem geänderten Vertrag für die Vergangenheit ergebenden Verpflichtungen von ihr unberührt.396 Aus diesem Grund ist es möglich, dass der Versicherer rückwirkend einen Ausschluss zum Vertragsinhalt macht, der zu seiner Leistungsfreiheit führt, sofern der eingetretene Versicherungsfall auf dem nicht korrekt angezeigten Umstand beruht. Er kann sich seiner Leistungspflicht dadurch gewissermaßen „durch die Hintertür“ entziehen.397 Der Versicherungsnehmer hat dann zwar für die Zukunft fortlaufenden Versicherungsschutz, kann aber für den entsprechenden, bereits eingetretenen Versicherungsfall keine Deckung beanspruchen.398 Dies führt bei schuldlosen und leicht fahrlässigen Anzeigepflichtverletzungen zu einem Wertungswiderspruch: Hätte der Versicherer in diesen Fällen aufgrund der Erheblichkeit der Obliegenheitsverletzung den Vertrag nicht einmal zu geänderten Bedingungen abgeschlossen, bliebe ihm lediglich ein Kündigungsrecht, ohne den Vertrag rückwirkend anpassen zu können. Er wäre demnach bei den für ihn schwerer wiegenden Anzeigepflichtverletzungen weiterhin zur Leistung auf einen bereits eingetretenen Versicherungsfall verpflichtet, bei lediglich vertragsändernden Umständen jedoch unter

390 Meixner/Steinbeck, Das neue Versicherungsvertragsrecht, § 1 Rn. 250; Langheid, NJW 2007, 3665, 3667; Reusch, VersR 2007, 1313, 1319. 391 Kruse, Vorvertragliche Anzeigepflicht in der Reform des VVG, S. 102. 392 Meixner/Steinbeck, Das neue Versicherungsvertragsrecht, § 1 Rn. 250. 393 Reusch, VersR 2007, 1313, 1319. 394 Langheid/Goergen, VP 2007, 161, 164. 395 Die Kommission hat für die Kündigung noch einen Grenzwert von 20 % vorgeschlagen, vgl. Lorenz (Hrsg.), Abschlussbericht der Kommission, S. 205. 396 RegE VVG, BT-Drucks. 16/3945, S. 66. 397 Meixner/Steinbeck, Das neue Versicherungsvertragsrecht, § 1 Rn. 261. 398 Langheid, NJW 2007, 3665, 3668.

126 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

4. Teil: Vorvertragliche Anzeigepflicht

bestimmten Voraussetzungen leistungsfrei.399 Ob und wie dieser Widerspruch aufzulösen ist, wird unterschiedlich beurteilt. Nach einer Auffassung handelt es sich um eine bewusste Regelung der Gesetzgebers, die hinzunehmen sei.400 Die Gegenansicht, die eine Auflösung des Widerspruchs befürwortet, stützt sich hierfür zum Teil auf einen Analogieschluss zu § 21 Abs. 2 VVG,401 zu einem anderen Teil auf eine teleologische Reduktion des § 19 Abs. 4 S. 2 VVG.402 Der Wortlaut des § 19 Abs. 4 S. 2 VVG ist schon deshalb bedenklich und mit dem Regelungsanliegen des Reformgesetzgebers unvereinbar, weil danach eine schuldlose oder einfach fahrlässige Anzeigepflichtverletzung des Versicherungsnehmers zum Verlust seines Deckungsschutzes führen könnte. Für diesen würde damit, bezogen auf den Versicherungsfall, faktisch die gleiche Situation geschaffen, wie wenn der Versicherer vom Vertrag zurückgetreten wäre. Der Rücktritt wird vom Gesetzgeber aber bei einem die einfache Fahrlässigkeit nicht übersteigenden Verschuldensgrad als zu weitreichende und nicht gerechtfertigte Sanktion angesehen.403 Deshalb ist zu bezweifeln, dass er die rückwirkende Leistungsfreiheit über den Umweg des Vertragsanpassungsrechts in ihrem ganzen Ausmaß erkannt und akzeptiert hat.404 Blickt man auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift, werden diese Zweifel bestärkt: Die Regelung zur rückwirkenden Vertragsanpassung geht auf § 21 Abs. 4 des Kommissionsvorschlags zurück.405 Dabei hat die Kommission ersichtlich übersehen, dass eine mögliche Kündigung des Versicherungsnehmers nichts an der Leistungsfreiheit des Versicherers ändert. In der Begründung ihres Vorschlags wird mit keinem Wort erwähnt, dass der Versicherer rückwirkend leistungsfrei sein soll.406 Das Versehen der Reformkommission scheint das Gesetzgebungsverfahren überdauert zu haben. So wird die Abweichung von § 41 VVG aF in der Gesetzesbegründung nicht angesprochen, obwohl sie der Tendenz der Reform des Versicherungsvertrags399 Vgl. Rüffer/Halbach/Schimikowski, § 19 Rn. 30; ders., r+s 2009, 353, 354 f.; Marlow/ Spuhl, VVG kompakt, S. 52; Schimikowski/Höra, Das neue VVG, S. 125; ferner F. Baumann/ Beenken, Versicherungsvertragsrecht in der Praxis, S. 98; Nugel, MDR 2009, 186, 190. 400 Vgl. MünchKommVVG/Langheid, § 19 Rn. 145; MünchKommVVG/Muschner, § 21 Rn. 49; Halm/Engelbrecht/Krahe/Wandt, 1. Kap., Rn. 788; ders., Versicherungsrecht, Rn. 807; Neuhaus/Kloth, Praxis des neuen VVG; Neuhaus, r+s 2008, 45, 50; Nugel, MDR 2009, 186, 190. 401 Vgl. Lange, r+s 2008, 56, 61 (die Nennung von § 19 Abs. 2 VVG als Analogiegrundlage im Text ist offensichtlich ein Redaktionsversehen, was sich auch aus Fn. 53 ergibt); ferner Bruck/Möller/Rolfs, § 21 Rn. 32; Barg, Vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers, S. 139. 402 Looschelders/Pohlmann, § 19 Rn. 63; Schwintowski/Brömmelmeyer/Härle, § 19 VVG Rn. 127; F. Baumann/Beenken, Versicherungsvertragsrecht in der Praxis, S. 99; Marlow/Spuhl, VVG kompakt, S. 52; Schimikowski, r+s 2009, 353, 355 f. 403 Vgl. RegE VVG, BT-Drucks. 16/3945, S. 65; ferner Schimikowski, r+s 2009, 353, 354 f. 404 In diese Richtung auch Rüffer/Halbach/Schimikowski, § 19 Rn. 30; Beckmann/Matusche-Beckmann/Knappmann, § 14 Rn. 112; aA Neuhaus/Kloth, Praxis des neuen VVG; Neuhaus, r+s 2008, 45, 50. 405 Vgl. Lorenz (Hrsg.), Abschlussbericht der Kommission, S. 205. 406 Vgl. Lorenz (Hrsg.), Abschlussbericht der Kommission, zu § 21 Abs. 4 (S. 308 f.).

§ 8 Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtverletzung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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rechts widerspricht.407 Der Wille des Gesetzgebers, den nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig handelnden Versicherungsnehmer zu entlasten, gebietet es daher wie die Gerechtigkeit, § 19 Abs. 4 VVG nicht wortlautgetreu anzuwenden. Da eine an der Tendenz der Reform orientierte Auslegung die Wortlautgrenze überschreitet,408 wird zunächst ein Analogieschluss zu § 21 Abs. 2 VVG, dem sog. Kausalitätsgegenbeweis, erwogen.409 Nach dieser Vorschrift ist der Versicherer bei einem Rücktritt nach § 19 Abs. 2 VVG nicht leistungsfrei, wenn sich die Anzeigepflichtverletzung des Versicherungsnehmers auf einen Umstand bezieht, der weder für Eintritt oder Feststellung des Versicherungsfalls noch für Feststellung oder Umfang der Leistungspflicht des Versicherers kausal ist.410 Da der Rücktritt eine grob fahrlässige oder vorsätzliche Anzeigepflichtverletzung voraussetzt, sei eine Analogie angebracht. Es könne nicht sein, dass der Schutz eines Versicherungsnehmers, dem ein derart gesteigertes Verschulden vorzuwerfen sei, den Schutz eines schuldlos oder leicht fahrlässig Handelnden übersteige.411 Diese Begründung ist zwar überzeugend, die daraus gezogene Folge, § 21 Abs. 2 VVG analog anzuwenden, aber nicht ausreichend. Danach wäre die Leistungsfreiheit des Versicherers nur ausgeschlossen, wenn die Voraussetzungen des Kausalitätsgegenbeweises vorlägen, mithin auch durch einen – unterstellt möglichen – Rücktritt keine Leistungsfreiheit eintreten würde. Ansonsten bliebe der Versicherer leistungsfrei, was aber weder bei der schuldlosen noch der einfach fahrlässigen Anzeigepflichtverletzung überzeugt. Die weitgehende Rechtsfolge ist in diesen Fällen auch dann nicht angemessen, wenn Kausalität iSd § 21 Abs. 2 VVG vorliegt. Deshalb ist mit einer anderen Auffassung eine teleologische Reduktion des § 19 Abs. 4 S. 2 VVG zu befürworten.412 Dabei ist jedoch der pauschalen Aussage zu widersprechen, die Vorschrift sei insoweit teleologisch zu reduzieren, dass es nach Eintritt eines Versicherungsfalls stets unzulässig sei, durch einen vertragsändernden Risikoausschluss zur Leistungsfreiheit zu gelangen.413 Eine solche Einschränkung ist nur bei einer schuldlosen oder einfach fahrlässigen, nicht aber bei einer grob fahrlässigen Anzeigepflichtverletzung gerechtfertigt. Der Gesetzgeber wollte mit § 19 Abs. 4 VVG nicht grundsätzlich die Leistungsfreiheit des Versicherers ausschließen, sondern verfolgte im Interesse des Versicherungsnehmers das primäre Anliegen, den 407

s. Knappmann, VRR 2007, 451, 452; ferner Schimikowski, r+s 2009, 353, 355: Ein Redaktionsversehen liege nahe. 408 Eine solche Auslegung zieht aber Knappmann, VRR 2007, 451, 452 f. zumindest für die schuldlose Anzeigepflichtverletzung in Betracht. 409 Vgl. die Nachw. in Fn. 401. 410 Ausf. zu dieser Regelung noch im Folgenden unter 5. 411 Zutreffend Lange, r+s 2008, 56, 61; Schimikowski, r+s 2009, 353, 355 f. 412 Vgl. zu den Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion Bork, BGB AT, Rn. 142. 413 So aber F. Baumann/Beenken, Versicherungsvertragsrecht in der Praxis, S. 99: Einiges spreche dafür, dass der Versicherer die neuen Bedingungen zwar ab der laufenden Versicherungsperiode dem Vertrag zugrunde legen dürfe, dies seine Eintrittspflicht für den eingetretenen Versicherungsfall aber nicht berühre.

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4. Teil: Vorvertragliche Anzeigepflicht

Vertrag möglichst zu erhalten. Es wäre unbillig, den Versicherer in Fällen der groben Fahrlässigkeit nicht nur zum Festhalten am Vertrag zu zwingen, sondern ihm darüber hinaus die Leistungspflicht für den Versicherungsfall aufzuerlegen, zu dem es nicht gekommen wäre, wenn sich der Versicherungsnehmer ordnungsgemäß verhalten hätte und seiner Anzeigepflicht nachgekommen wäre.414 Aus diesem Grund ist zwar eine teleologische Reduktion des § 19 Abs. 4 S. 2 VVG zu befürworten, allerdings beschränkt auf die Fälle, in denen der Versicherungsnehmer höchstens einfach fahrlässig gehandelt hat.415 5. Kausalitätsgegenbeweis Die Rücktrittserklärung des Versicherers führt grundsätzlich dazu, dass er von der Leistungspflicht für alle bis dahin eingetretenen Versicherungsfälle befreit wird. Da diese Folge aber zu weitgehend erscheint, bestimmt § 21 Abs. 2 VVG, dass er insoweit eintrittspflichtig bleibt, als sich die Anzeigepflichtverletzung auf Umstände bezieht, die weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers kausal wurden. Der sog. Kausalitätsgegenbeweis ist vom Versicherungsnehmer zu führen.416 Das möglicherweise bestehende Recht des Versicherers, sich vom Vertrag zu lösen, wird durch ihn nicht berührt.417 Aus Gründen der Generalprävention entfällt das Kausalitätserfordernis bei einer arglistigen Anzeigepflichtverletzung, § 21 Abs. 2 S. 2 VVG.418 Der Anwendungsbereich der Ausnahme hängt davon ab, inwiefern sich eine arglistige von einer vorsätzlichen Anzeigepflichtverletzung unterscheidet. Diese Frage, die im Schrifttum zum neuen Versicherungsvertragsrecht weitgehend übergangen wird,419 stellt sich auch bei der Parallelvorschrift, § 28 Abs. 3 S. 2 VVG. Grundsätzlich ist trotz des missverständlichen Arglistbegriffs420 im Zivilrecht weitgehend anerkannt, dass er mit dem

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Meixner/Steinbeck, Das neue Versicherungsvertragsrecht, § 1 Rn. 261. So im Ergebnis auch Marlow/Spuhl, VVG kompakt, S. 52; Schwintowski/Brömmelmeyer/Härle, § 19 VVG Rn. 127; Schimikowski, r+s 2009, 353, 355 f. Beckmann/MatuscheBeckmann/Knappmann, § 14 Rn. 112 schließt den rückwirkenden Wegfall eines Leistungsanspruchs nur bei der schuldlosen Anzeigepflichtverletzung aus. 416 Vgl. BGH NJW-RR 2001, 234; Hinsch-Timm, VVG in der anwaltlichen Praxis, Rn. 187. 417 Die Regelung zum Kausalitätsgegenbeweis stimmt der Sache nach mit § 21 VVG aF überein, vgl. RegE VVG, BT-Drucks. 16/3945, S. 66. 418 RegE VVG, BT-Drucks. 16/3945, S. 66. 419 Dort wird regelmäßig entsprechend dem Gesetzeswortlaut die arglistige neben der vorsätzlichen Pflichtverletzung angesprochen, ohne auf Unterschiede zwischen beiden Handlungsweisen einzugehen, vgl. zB F. Baumann/Beenken, Versicherungsvertragsrecht in der Praxis, S. 100, 128 f.; Hinsch-Timm, VVG in der anwaltlichen Praxis, Rn. 168, 180, 186 f.; Meixner/Steinbeck, Das neue Versicherungsvertragsrecht, § 1 Rn. 201 f.; Langheid, NJW 2006, 3317, 3319; Neuhaus, r+s 2008, 45, 46. 420 Zur historischen Entwicklung des Begriffs ausf. v. Lübtow, FS Bartholomeyczik, S. 249, 261 ff. 415

§ 8 Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtverletzung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Begriff „vorsätzlich“ gleichzusetzen ist.421 Übernähme man diesen Standpunkt ins Versicherungsrecht, entfiele das Kausalitätserfordernis bei jeder vorsätzlichen Anzeigepflichtverletzung. Einer solchen Auslegung stehen jedoch die Systematik des Gesetzes sowie der gesetzgeberische Wille entgegen. Der Gesetzgeber hat in § 21 Abs. 3 S. 2 VVG ausdrücklich zwischen der vorsätzlichen und der arglistigen Pflichtverletzung unterschieden, woraus deutlich wird, dass er nicht von einem deckungsgleichen Inhalt beider Begriffe ausging. Diesem Willen ist Rechnung zu tragen. Das versicherungsrechtliche Schrifttum geht verbreitet davon aus, der Versicherungsnehmer handle arglistig, wenn ihm bewusst sei, sein Verhalten könne den Versicherer bei der Schadensregulierung beeinflussen.422 Damit sei die Arglist eine qualifizierte Form des Vorsatzes.423 Diese Definition, die auch der Gesetzgeber seiner Normsetzung ersichtlich zugrunde gelegt hat, ist unpräzise, weil sie nicht klar zwischen dem subjektiven Element der Arglist und ihren Bezugspunkten unterscheidet. Subjektiv sind „Arglist“ und „Vorsatz“ nach zutreffender Ansicht gleichwertig.424 Um die zivilrechtlichen Grundsätze nicht auszuhebeln und dem Willen des Gesetzgebers gerecht zu werden, der zwischen der „vorsätzlichen“ und der „arglistigen“Anzeigepflichtverletzung einen qualitativen Sprung angenommen hat, ist arglistiges Handeln im Kontext des reformierten VVG so zu verstehen, dass sich der Vorsatz des Versicherungsnehmers auf die objektiven Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung iSd § 123 BGB erstrecken muss. Richtigerweise ist es also trotz des missverständlichen Wortlauts nicht ausreichend, dass eine Anzeigepflichtverletzung arglistig erfolgt. Vielmehr muss der Versicherungsnehmer mit seiner Anzeigepflichtverletzung eine arglistige Täuschung intendieren. Dies steht auch der verbreiteten Auffassung entgegen, unter einer arglistigen Verletzung iSd § 21 Abs. 2 S. 2 VVG sei ein Handeln in betrügerischer Absicht zu verstehen.425 Zwar heißt es auch im Zwischenbericht der Reformkommission, bei fehlender Kausalität könne nur betrügerisches Verhalten zur Leistungsfreiheit des Versiche-

421

Vgl. Bamberger/Roth/Wendtland, § 123 Rn. 17; Erman/Palm, § 123 Rn. 27; MünchKommBGB/Kramer, § 123 Rn. 9; Palandt/Ellenberger, § 123 Rn. 11; Prütting/Wegen/Weinreich/Ahrens, § 123 Rn. 23; Bork, BGB AT, Rn. 874; Faust, BGB AT, § 22 Rn. 7; Reitemeier, Täuschungen vor Abschluß von Arbeitsverträgen, S. 18 f.; Rüthers/Stadler, BGB AT, § 25 Rn. 79; ausf. v. Lübtow, FS Bartholomeyczik, S. 249, 261 ff., insb. S. 269 f. Unzutreffend dagegen Bohnert, FS Schirmer, S. 43, 44: Zivilrechtlich setze Arglist einen Mangel voraus. 422 Vgl. v. Bühren, § 1 Rn. 357; ders., ZAP 2007, Fach 10, 307, 315; ferner Wrabetz, ZfV 1992, 147, 148. 423 Vgl. Keinert, Vorvertragliche Anzeigepflicht, S. 30; Wrabetz, ZfV 1992, 147, 148; ferner auch Bruck/Möller/Rolfs, § 21 Rn. 44; MünchKommVVG/Wandt, § 28 Rn. 302; Rüffer/ Halbach/Schimikowski/Felsch, § 28 Rn. 76. 424 Vgl. auch Schwarz, Alles-oder-Nichts-Prinzip im Versicherungsrecht, S. 30. 425 So aber F. Baumann/Sandkühler, Das neue Versicherungsvertragsgesetz, S. 21; Franz, VersR 2008, 298, 305; Maier, r+s 2007, 89; Schwintowski, ZRP 2006, 139; zur Parallelvorschrift § 28 Abs. 3 VVG Felsch, r+s 2007, 485; Marlow, VersR 2007, 43, 46.

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4. Teil: Vorvertragliche Anzeigepflicht

rers führen.426 Die strafrechtliche Anlehnung überzeugt allerdings nicht, weil es verfehlt ist, den Betrug (§ 263 StGB) mit der arglistigen Täuschung iSd § 123 BGB gleichzusetzen. Trotz ihrer Wesensverwandtschaft und der Tatsache, dass die dem Anfechtungsrecht wegen arglistiger Täuschung zugrunde liegenden partikularen Zivilgesetze sowie ein erster BGB-Entwurf, der der 1. Kommission vorgelegt wurde, das Täuschungsverhalten durchweg als „Betrug“ bezeichneten,427 stellt nicht jede arglistige Täuschung einen solchen im strafrechtlichen Sinne dar. So erfordert § 263 StGB im Gegensatz zu § 123 BGB eine irrtumsbedingte Vermögensverfügung und einen Vermögensschaden, auf die sich auch der Vorsatz beziehen muss.428 Darüber hinaus ist zu bezweifeln, dass die Begriffe der Täuschung und des Irrtums iSd § 123 BGB mit denen des § 263 StGB gleichgesetzt werden können. Die Normen entspringen verschiedenen Rechtsgebieten, was insbesondere im Hinblick auf den ultima-ratio-Grundsatz des Strafrechts einer einheitlichen Auslegung entgegenstehen könnte. Nach diesem darf ein Verhalten nur strafbewehrt sein, wenn es „über sein Verbotensein hinaus in besonderer Weise sozialschädlich und für das geordnete Zusammenleben der Menschen unerträglich, seine Verhinderung daher besonders dringlich ist“.429 Ferner haben die Normen auch unterschiedliche Funktionen: Das Anfechtungsrecht wegen arglistiger Täuschung bezweckt den Schutz der Willensfreiheit, während der Straftatbestand des Betrugs dem Vermögensschutz dient.430 Zugunsten der Rechtsklarheit sollte daher die Bezeichnung „betrügerisches Verhalten“ den Fällen vorbehalten bleiben, in denen ein Handeln subjektiv sämtliche objektiven Voraussetzungen des § 263 StGB umfasst. Im Schrifttum wird § 21 Abs. 2 S. 2 VVG teilweise kritisiert. Es sei nicht plausibel, dass ein Versicherungsnehmer den Deckungsschutz auch dann vollständig verliere, wenn er dem Versicherer und der Versichertengemeinschaft keinerlei Nachteile zugefügt habe. Die Sanktionsmechanismen des Strafrechts, die sowohl den Betrug als

426 Vgl. Zwischenbericht der Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 30. 5. 2002, S. 43 (nicht veröffentlicht). 427 Vgl. Reitemeier, Täuschungen vor Abschluß von Arbeitsverträgen, S. 65 ff.; v. Lübtow, FS Bartholomeyczik, S. 249; ferner HKK/Schermaier, §§ 116 – 124 Rn. 115; vgl. auch die Motive zum BGB, abgedruckt bei Mugdan, Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. I, S. 465 ff. 428 Staudinger/Singer/v. Finckenstein (2004), § 123 Rn. 6; Flume, BGB AT, Bd. II, § 29 2 (S. 543); Larenz/Wolf, BGB AT, § 37 Rn. 12. Vgl. zur Kritik am ursprünglichen Entwurf des BGB v. Lübtow, FS Bartholomeyczik, S. 249, 250 f. m.w.Nachw. 429 BVerfGE 88, 203, 258 = NJW 1993, 1751. 430 Vgl. Reitemeier, Täuschungen vor Abschluß von Arbeitsverträgen, S. 20, die aber im Ergebnis von einer weitgehenden partiellen Identität der Vorschriften auf Tatbestandebene ausgeht, vgl. S. 167 ff.; vgl. zum Schutzzweck des § 123 Abs. 1 Var. 1 BGB die Motive zum BGB, abgedruckt bei Mugdan, Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. I, S. 465; ferner RGZ 134, 43, 55; BGHZ 51, 141, 147; MünchKommBGB/Kramer, § 123 Rn. 1; Soergel/ Hefermehl, § 123 Rn. 1; Staudinger/Singer/v. Finckenstein (2004), § 123 Rn. 1; zu dem des § 263 BGB RGSt 74, 167, 168 f.; Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rn. 2; Schönke/Schröder/Cramer, § 263 Rn. 1.

§ 8 Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtverletzung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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auch den Versicherungsmissbrauch unter Strafe stellten, genügten zur Prävention.431 § 21 Abs. 2 S. 2 VVG verletze das Verhältnismäßigkeitsprinzip sowie das Verbot der Doppelbestrafung (Art. 103 Abs. 3 GG).432 Dabei wird zunächst übersehen, dass ein arglistig Handelnder den Schutz der Rechtsordnung nicht verdient.433 Arglistiges Verhalten ist nicht zu tolerieren; selbst wenn es nicht zum beabsichtigten Erfolg führt, sind strenge Sanktionen angemessen, um es von vornherein zu verhindern.434 Außerdem stellt, wie gesehen, nicht jede arglistige Täuschung auch einen Betrug dar, sodass die strafrechtlichen Sanktionen nicht immer eingreifen und vielmehr als ultima ratio zu betrachten sind. Insbesondere ist auch ein Verstoß gegen das Verbot der Doppelbestrafung („ne bis in idem“) iSd Art. 103 Abs. 3 GG abzulehnen. Dieser verfassungsmäßige Grundsatz verbietet zwar eine mehrmalige Bestrafung aufgrund derselben Tat, jedoch nur aufgrund allgemeiner Strafgesetze.435 Zivilrechtliche Sanktionen sind von Art. 103 Abs. 3 GG nicht umfasst, Straf- und Zivilrecht an dieser Stelle vielmehr strikt zu trennen. Etwas anderes wäre auch kaum nachvollziehbar: Stellt die arglistige Täuschung iSd § 123 BGB auch einen Betrug iSd § 263 StGB dar, muss beides nach den jeweiligen Vorschriften geahndet werden können. Ein versicherungsvertragliches Sonderrecht ist insoweit nicht anzuerkennen.436

II. Anfechtung wegen arglistiger Täuschung 1. Voraussetzungen des Anfechtungsrechts Wird der Versicherer vom Versicherungsnehmer über gefahrerhebliche Umstände arglistig getäuscht, kann er zunächst gemäß § 19 Abs. 2 und 3 VVG vom Vertrag zurücktreten, da die arglistige Täuschung einen Sonderfall der vorsätzlichen Anzeigepflichtverletzung darstellt. Nach seinem Rücktritt ist der Versicherer unabhängig von Kausalitätsüberlegungen nicht mehr zur Leistung auf einen eingetretenen Versicherungsfall verpflichtet, § 21 Abs. 2 S. 2 VVG. Daneben hat er jedoch die Möglichkeit, 431

Franz, VersR 2008, 298, 305; Schwintowski, ZRP 2006, 139 f. So Schwintowski, ZRP 2006, 139 f.; auf die Verhältnismäßigkeit stellt auch Franz, VersR 2008, 298, 305 ab. 433 In diese Richtung auch Staudinger/Langheid, Vorträge Münsterischer Versicherungstag 2006, S. 23, 34, der die Forderung Schwintowskis (Fn. 432), dem arglistig täuschenden Versicherungsnehmer bei fehlender Kausalität eine Leistung zukommen zu lassen, als „geradezu abwegig“ bezeichnet. Dieser drastischen Formulierung haben sich Günther/Spielmann, r+s 2008, 133, 135 angeschlossen. 434 Zutreffend Staudinger/Langheid, Vorträge Münsterischer Versicherungstag 2006, S. 23, 34, der weiter ausführt: „Wollte man dem arglistig Täuschenden eine Leistung zukommen lassen, nur weil seine Täuschung sich als unbrauchbarer Versuch herausgestellt hat, würde man wirklich die falschen Anreize setzen, indem man zum Täuschen geradezu anfeuert.“ Dem folgend Günther/Spielmann, r+s 2008, 133, 135. 435 Zu diesem Merkmal Epping, Grundrechte, Rn. 975; Hufen, Staatsrecht II, § 21 Rn. 65; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 1212 ff. 436 Günther/Spielmann, r+s 2008, 133, 135. 432

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4. Teil: Vorvertragliche Anzeigepflicht

den Vertrag nach § 123 BGB anzufechten, vgl. § 22 VVG. Die Anfechtung ist nach der Reform des Versicherungsvertragsrechts nicht mehr auf Täuschungen über gefahrerhebliche Umstände iSd § 19 VVG beschränkt.437 Sie führt zur Nichtigkeit des Vertrags mit ex-tunc-Wirkung, § 142 Abs. 1 BGB. Allerdings kann der Versicherer gemäß § 39 Abs. 1 S. 2 VVG die Prämie solange verlangen, bis die AnfechtungsACHTUNGREerklärung dem Versicherungsnehmer zugegangen ist. Voraussetzung des Anfechtungsrechts nach §§ 22 VVG, 123 BGB ist eine arglistige Täuschung. Eine Täuschung ist jedes Verhalten, durch das bei einem anderen bewusst eine unrichtige Vorstellung hervorgerufen, bestärkt oder unterhalten wird.438 Arglist ist mit Vorsatz gleichzusetzen,439 sodass sie bei Lichte betrachtet bereits ein Element der Täuschung ist.440 Die Arglist muss sich neben der Täuschung auch darauf beziehen, einen anderen zur Abgabe einer Willenserklärung zu bestimmen, vgl. § 123 Abs. 1 BGB. Im Rahmen der vorvertraglichen Anzeigepflicht liegt eine arglistige Täuschung vor, wenn der Versicherungsnehmer wissentlich falsche Angaben macht oder Tatsachen verschweigt und dabei zumindest billigend in Kauf nimmt, dass der Versicherer sich eine unzutreffende Vorstellung über das zu versichernde Risiko bildet und dadurch in seiner Entscheidung über den Vertragsschluss beeinflusst wird.441 Bei einem Vertragsschluss nach dem Antragsmodell muss sich der Versicherungsnehmer also bewusst sein, dass der Versicherer seinen Antrag möglicherweise nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annimmt, wenn er wahrheitsgemäße Angaben macht.442 Zu beweisen ist die Arglist im Gegensatz zu den sonstigen Verschuldensformen im Rahmen der vorvertraglichen Anzeigepflicht vom Versicherer.443 Aus § 123 BGB ergibt sich, dass die arglistige Täuschung für die auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung des Versicherers kausal gewesen sein muss. Vorausgesetzt wird dabei eine doppelte Kausalität: Die Täuschungshandlung muss zunächst zu einem Irrtum des Erklärenden führen, der wiederum ursächlich für dessen

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RegE VVG, BT-Drucks. 16/3945, S. 67: Die bisherige Beschränkung auf Gefahrumstände entspreche nicht Sinn und Zweck der Regelung. Allerdings dürfte die praktische Bedeutung der Änderung gering sein, vgl. Günther/Spielmann, r+s 2008, 133, 134; Reusch, VersR 2007, 1313, 1321. 438 Statt vieler Bork, BGB AT, Rn. 866; Rüthers/Stadler, BGB AT, § 25 Rn. 75. 439 Vgl. bereits unter I. 5. 440 Jauernig, BGB, § 123 Rn. 7; Rüthers/Stadler, BGB AT, § 25 Rn. 79; v. Lübtow, FS Bartholomeyczik, S. 249, 270. 441 BGH r+s 1985, 49 f.; BGH r+s 1987, 32; BGH NJW-RR 1991, 411, 412; BGH NJW 2004, 3427, 3429; OLG Saarbrücken NJW-RR 2006, 607; BK/Voit, § 22 Rn. 27; Prölss/Martin/ Prölss, § 22 Rn. 4; Schimikowski/Höra, Das neue VVG, S. 126. 442 OLG Frankfurt r+s 2003, 208; OLG Hamburg r+s 1994, 352; OLG Koblenz NVersZ 2001, 503; OLG Koblenz VersR 2004, 849, 850. 443 Ausf. BGH NJW 2004, 3427, 3428 m.w.Nachw.; vgl. ferner Bruck/Möller/Rolfs, § 22 Rn. 41 f.; v. Bühren, § 1 Rn. 358, 810; Terbille, § 2 Rn. 132, 418; Günther, Betrug in der Sachversicherung, 2006, S. 12; Müller-Frank/Scherff, VersR 1998, 1362, 1364; Römer, r+s 1998, 45, 49.

§ 8 Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtverletzung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Willenserklärung sein muss.444 Der Versicherer dürfte den Vertrag bei Kenntnis der wahren Sachlage also nicht oder nur zu anderen Konditionen geschlossen haben.445 Die Anfechtung unterliegt nicht der Monatsfrist des § 21 Abs. 1 VVG; sie kann innerhalb eines Jahres nach Kenntniserlangung von der Täuschung geltend gemacht werden, § 124 BGB. Dabei genügen Vermutungen nicht, um die Frist in Gang zu setzen.446 Das Anfechtungsrecht erlischt kenntnisunabhängig, wenn seit der Abgabe der täuschungsbedingten Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind, § 124 Abs. 3 BGB. § 21 Abs. 3 VVG, der nicht von der Abgabe der Willenserklärung, sondern vom Vertragsschluss ausgeht, ist nicht anzuwenden:447 Die Vorschrift verweist auf die Rechte des Versicherers nach § 19 Abs. 2 bis 4 VVG, wo nur das Kündigungsund Rücktrittsrecht, nicht aber das Anfechtungsrecht geregelt sind. Dem steht nicht entgegen, dass die Arglist in § 21 Abs. 3 VVG genannt wird, weil im Fall der arglistigen Täuschung für den Versicherer auch ein Rücktritt möglich ist. Die günstigeren Wirkungen der Anfechtung für diesen lassen aber erwarten, dass sie regelmäßig vorsorglich neben einem Rücktritt oder einer Kündigung erklärt werden wird, sofern ein Anfechtungsgrund nicht ausgeschlossen ist.448

2. Arglistiges Verschweigen nicht (formgemäß) erfragter Umstände Verschweigt der Versicherungsnehmer einen gefahrerheblichen Umstand, nach dem der Versicherer nicht oder nicht in Textform gefragt hat, greift § 19 Abs. 1 VVG nach seinem eindeutigen Wortlaut nicht ein, womit der Versicherer nicht vom Vertrag zurücktreten kann. Wird der Versicherer dabei aber arglistig getäuscht, kommt eine Anfechtung in Betracht, §§ 22 VVG, 123 BGB. Denn eine arglistige Täuschung kann nicht nur durch das positive Erregen eines Irrtums begangen werden, sondern auch, indem man bestimmte Tatsachen verschweigt.449 Ob in solchen Fällen tatsächlich eine Anfechtung des Vertrags möglich ist, wird unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird die Möglichkeit grundsätzlich bejaht,450 teilweise aber auch bezwei444

Statt vieler Bork, BGB AT, Rn. 871. Beyer, Rechtsvergleichung der vorvertraglichen Anzeigepflicht, S. 193. 446 Günther, Betrug in der Sachversicherung, S. 23 m.w.Nachw. 447 Unpräzise daher die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 16/3945, S. 67: Die Regelung in § 21 Abs. 3 S. 2 VVG entspreche § 124 Abs. 3 BGB. 448 Dazu auch Schubach, AnwBl 2008, 27, 29. 449 MünchKommBGB/Kramer, § 123 Rn. 16; Palandt/Ellenberger, § 123 Rn. 2, 5; Staudinger/Singer/v. Finckenstein (2004), § 123 Rn. 10; Flume, BGB AT, Bd. II, § 29 1 (S. 541); v. Lübtow, FS Bartholomeyczik, S. 249, 256. 450 Vgl. RegE VVG, BT-Drucks. 16/3945, S. 64; ferner Bruck/Möller/Rolfs, § 22 Rn. 5, 9 f.; Looschelders/Pohlmann, § 22 Rn. 7; MünchKommVVG/Langheid, § 19 Rn. 54; MünchKommVVG/Müller-Frank, § 22 Rn. 6 f.; Halm/Engelbrecht/Krahe/Wandt, 1. Kap., Rn. 774; ders., Versicherungsrecht, Rn. 792; Hinsch-Timm, VVG in der anwaltlichen Praxis, Rn. 165; Meixner/Steinbeck, Das neue Versicherungsvertragsrecht, § 1 Rn. 239, 241; Niederleithinger, 445

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4. Teil: Vorvertragliche Anzeigepflicht

felt,451 gänzlich452 und vereinzelt nur bei einer fehlenden, nicht aber bei einer formwidrigen Frage abgelehnt.453 Die Zweifel an der Anfechtungsmöglichkeit überzeugen nicht. Die Bedenken gründen in erster Linie darauf, dass eine Anzeigepflicht grundsätzlich nur noch bestehe, wenn der Versicherer ausdrücklich nachgefragt habe. Eine „spontane Anzeigepflicht“ solle es gerade nicht mehr geben. Im reformierten VVG fehle zudem eine § 21 Abs. 5 des Referentenentwurfs entsprechende Regelung, die das arglistige Verschweigen eines Umstands ausdrücklich sanktionierte.454 Nach zutreffender Ansicht lässt sich aus diesen Argumenten allerdings nicht ableiten, dass ein arglistiges Verhalten bei fehlender oder nicht formgerechter Nachfrage folgenlos bleiben soll. Vielmehr geht sowohl aus dem Wortlaut des § 22 VVG als auch aus der Gesetzesbegründung eindeutig hervor, dass das Recht des Versicherers, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, von den Voraussetzungen der §§ 19 ff. VVG unberührt bleibt. So heißt es in der Regierungsbegründung ausdrücklich: „Das Verschweigen eines gefahrerheblichen Umstands, den der Versicherer nicht oder nur mündlich nachgefragt hat, kann bei Arglist des Versicherungsnehmers ein Anfechtungsrecht des Versicherers nach § 123 BGB begründen (vgl. § 22 VVG-E).“455

Eine andere Auffassung ist auch mit dem Zweck des § 19 VVG nicht zu vereinbaren. Die Frageobliegenheit des Versicherers wurde eingeführt, um das Einschätzungsrisiko, ob ein Umstand gefahrerheblich ist, vom Versicherungsnehmer auf den Versicherer zu verlagern. Der arglistig täuschende Versicherungsnehmer sollte dadurch nicht besser gestellt werden; er ist aufgrund seines Verhaltens nicht schutzwürdig.456 Deshalb ist es – entgegen anderer Ansicht – auch gerechtfertigt, den arglistig täuschenden Versicherungsnehmer schlechter zu stellen als denjenigen, der seine Anzeigeobliegenheit zB nur fahrlässig verletzt hat. Dagegen wird zwar eingewendet, der arglistig schweigende Versicherungsnehmer halte sich an das Leitbild des Das neue VVG, A Rn. 87 (S. 34); Franz, VersR 2008, 298, 306; Grote/Schneider, BB 2007, 2689, 2693; Günther/Spielmann, r+s 2008, 133, 134 f.; Neuhaus, r+s 2008, 45, 46 f.; Reusch, VersR 2008, 1179, 1183. 451 So Schwintowski/Brömmelmeyer/Härle, § 19 VVG Rn. 23 f., § 22 VVG Rn. 6; Schimikowski/Höra, Das neue VVG, S. 123; offen gelassen auch von Langheid/Müller-Frank, NJW 2008, 337, 338 („entfallen könnte“). 452 So Beckmann/Matusche-Beckmann/Knappmann, § 14 Rn. 126; Hering, SVR 2008, 5, 7; Weiberle, VuR 2008, 170, 171. 453 So Marlow/Spuhl, VVG kompakt, S. 46 f. 454 So Marlow/Spuhl, VVG kompakt, S. 46 Fn. 126; ferner Barg, Vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers, S. 176; von einer Privilegierung des arglistig Täuschenden durch den Wegfall des § 21 Abs. 5 des Referentenentwurfs ging ferner schon Staudinger/ Langheid, Vorträge Münsterischer Versicherungstag 2006, S. 23, 32 aus. 455 RegE VVG, BT-Drucks. 16/3945, S. 64, vgl. dazu Günther/Spielmann, r+s 2008, 133, 135. Den Wortlaut des § 22 VVG verkennen Marlow/Spuhl, VVG kompakt, S. 46 f. und Hering, SVR 2008, 5, 7, die das Anfechtungsrecht verneinen, da es an einer Obliegenheitsverletzung fehle. 456 So auch Grote/Schneider, BB 2007, 2689, 2693.

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§ 19 Abs. 1 VVG.457 Die gesetzgeberische Wertung eines Verhaltens kann aber nur beurteilt werden, indem man die Gesamtregelung in den Blick nimmt und sich nicht auf eine Teilregelung beschränkt. Aus §§ 22 VVG, 123 BGB ergibt sich ausdrücklich, dass das legislatorische Leitbild eine arglistige Täuschung nicht toleriert, auch wenn ihre Rechtsfolgen nicht in § 19 Abs. 1 VVG geregelt sind. Auch einfache Gerechtigkeitsüberlegungen führen zum Schluss, dass es konsequent ist, den Versicherungsnehmer, dem der höhere Verschuldensgrad vorzuwerfen ist, mit den weiterreichenden Rechtsfolgen zu belasten. Die Gegenansicht verkennt den Unwertgehalt einer arglistigen Täuschung. Auch die Behauptung, der Versicherungsnehmer würde durch die Formulierung des § 19 VVG irregeführt, wenn Arglist bei Nichtangabe eines ungefragten Umstands eine Anfechtung begründen könnte, ist mithin nicht nachvollziehbar.458 § 21 Abs. 5 des Referentenentwurfs bezieht sich ferner ausdrücklich nur auf das in den Absätzen 2 bis 4 geregelte Rücktritts- und Kündigungsrecht des Versicherers, nicht auf sein möglicherweise bestehendes Anfechtungsrecht. Für eine arglistige Täuschung durch ein Verschweigen von Tatsachen ist es erforderlich, einen fremden Irrtum wissentlich zu dulden, indem man eine entsprechende Aufklärung unterlässt.459 Um rechtlich erheblich zu sein, setzt eine Täuschung durch Unterlassen eine Rechtspflicht zur Aufklärung voraus.460 Eine allgemeine Verpflichtung, den Vertragspartner hinsichtlich aller Einzelheiten und Umstände zu informieren, die seine Willensentscheidung beeinflussen könnten, besteht grundsätzlich nicht.461 Entscheidend ist vielmehr, ob der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte eine Aufklärung erwarten kann.462 Um dies anzunehmen, reicht ein Informationsvorsprung des Verhandlungspartners nicht aus.463 Teilweise wird aus der Frageobliegenheit des Versicherers geschlossen, er dürfe hinsichtlich der Umstände, nach denen er nicht gefragt habe, keine Aufklärung erwarten. Das Pflichtenprogramm sei in § 19 VVG abschließend benannt, so457 So Barg, Vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers, S. 176 f.; widersprüchlich ders. auf S. 191, wo er feststellt, dass § 22 VVG die Arglistanfechtung bewusst aus dem geschlossenen System von Anzeigepflichtverletzungssanktionen herausnimmt. 458 So aber Schimikowski/Höra, Das neue VVG, S. 123. 459 MünchKommBGB/Kramer, § 123 Rn. 16. 460 MünchKommBGB/Kramer, § 123 Rn. 16; Palandt/Ellenberger, § 123 Rn. 5; Palandt/ Grüneberg, § 242 Rn. 37; Soergel/Hefermehl, § 123 Rn. 6; Flume, BGB AT, Bd. II, § 29 1 (S. 541); Larenz/Wolf, BGB AT, § 37 Rn. 8; Medicus, BGB AT, Rn. 795; v. Lübtow, FS Bartholomeyczik, S. 249, 256. 461 Vgl. RGZ 62, 149, 150; RG JW 1912, 284; Palandt/Ellenberger, § 123 Rn. 5; Soergel/ Hefermehl, § 123 Rn. 6; Staudinger/Singer/v. Finckenstein (2004), § 123 Rn. 10. 462 Ausf. MünchKommBGB/Kramer, § 123 Rn. 17 ff.; Staudinger/Singer/v. Finckenstein (2004), § 123 Rn. 10 ff.; vgl. ferner Erman/Palm, § 123 Rn. 13; Jauernig, BGB, § 123 Rn. 5; Palandt/Ellenberger, § 123 Rn. 5; v. Lübtow, FS Bartholomeyczik, S. 249, 256; außerdem Flume, BGB AT, Bd. II, § 29 1 (S. 541): „… bestimmt sich nach den Anschauungen, welche für einen fairen Geschäftsverkehr bestehen, wobei es auf die Art des Geschäftstypus ankommt“ und Larenz/Wolf, BGB AT, § 37 Rn. 8. 463 Huber, Karlsruher Forum 2000, S. 5, 19.

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4. Teil: Vorvertragliche Anzeigepflicht

dass eine weitergehende Aufklärungspflicht abzulehnen sei.464 Diese Auffassung ist jedoch mit der Existenz des § 22 VVG nicht vereinbar. Tatsächlich geht die allgemeine Aufklärungspflicht des Versicherungsnehmers, die ihren Ursprung in § 242 BGB hat, weiter als die ausdrücklich in § 19 VVG geregelte Anzeigepflicht.465 Dem arglistig täuschenden Versicherungsnehmer soll ein unvollständiger Fragebogen nicht zugute kommen. So ist vorstellbar, dass der Versicherer bestimmte Fragen versehentlich vergisst oder bereits mündlich gestellte Fragen nicht mehr in Textform wiederholt, weil er auf die zutreffende Beantwortung vertraut.466 Dabei überzeugt es auch nicht, das Bestehen einer Aufklärungspflicht davon abhängig zu machen, ob es um einen Versicherungsvertrag im Alltagsgeschäft geht oder nicht.467 Eine solche Abgrenzung kann in vielen Fällen nicht trennscharf vorgenommen werden, sodass der Vorschlag zu Rechtsunsicherheit führen würde. Ferner ist eine entsprechende Differenzierung unnötig, da die Art des Versicherungsvertrags ohnehin in die Einzelfallbetrachtung im Rahmen des § 242 BGB einfließt. Dieser Sichtweise wird entgegengehalten, sie schaffe dem Versicherer einen Anreiz zur lückenhaften Fragestellung, weil eine solche für ihn im Ergebnis vorteilhaft wäre.468 Dem ist zu widersprechen, da eine von Fragen des Versicherers unabhängige Aufklärungspflicht nur in engen Grenzen besteht. Eine lückenhafte Fragestellung machte es dem Versicherer unmöglich, sich auf irgendwelche Rechtsfolgen zu berufen, sofern das Verhalten des Versicherungsnehmers die Schwelle zur arglistigen Täuschung nicht erreichte. Darüber hinaus dürfte es für den Versicherer häufig auch schwierig sein, eine arglistige Täuschung nachzuweisen.469 Dazu muss er darlegen, dass der Versicherungsnehmer die Bedeutung eines nicht korrekt erfragten Umstands für den Versicherer und seine Kausalität für den Vertragsschluss erkannt hat. Wird dem Versicherungsnehmer aber ein Fragebogen vorgelegt, ist grundsätzlich zu vermuten, dass er die Fragen im Hinblick auf die Relevanz für den Versicherer für vollständig hält. Es obliegt dem Versicherer, diese Vermutung zu widerlegen.470 Schließlich wird gegen ein Anfechtungsrecht in solchen Fällen eingewandt, es fehle dafür am von § 123 BGB geforderten Kausalzusammenhang zwischen Täu-

464 So Weiberle, VuR 2008, 170, 171; ferner Marlow/Spuhl, VVG kompakt, S. 46; wohl auch Barg, Vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers, S. 95 f.: Dem Versicherungsnehmer sei keine Arglist vorzuwerfen, da er nicht Träger einer Handlungspflicht sei. Dabei erscheint schon bedenklich, die objektive Aufklärungspflicht mit dem subjektiven Element der Arglist zu verknüpfen. 465 Vgl. auch Grote/Schneider, BB 2007, 2689, 2693. 466 Grote/Schneider, BB 2007, 2689, 2693. 467 So aber Brand, VersR 2009, 715, 721. 468 So Weiberle, VuR 2008, 170, 171. 469 So auch Reusch, VersR 2008, 1179, 1183; ferner Rüffer/Halbach/Schimikowski, § 19 Rn. 4; Schwintowski/Brömmelmeyer/Härle, § 19 VVG Rn. 6. 470 Vgl. Grote/Schneider, BB 2007, 2689, 2693; ferner Rüffer/Halbach/Schimikowski, § 19 Rn. 4; Mankowski, JZ 2004, 121, 123.

§ 8 Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtverletzung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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schung und Willenserklärung.471 § 19 VVG verpflichte den Versicherer, nach allen aus seiner Sicht gefahrerheblichen Umständen zu fragen. Damit könnten ungefragte Umstände den Versicherer auch nicht zum Vertragsschluss bestimmen. Auch diesem Ansatzpunkt kann nicht gefolgt werden. Zunächst verknüpft er den Regelungsgehalt der §§ 19 ff. VVG und des § 123 BGB, die jedoch selbständig nebeneinander stehen und an unterschiedliche Voraussetzungen geknüpft sind.472 Insbesondere ist nicht ersichtlich, weshalb eine fehlende Frage die Kausalität zwischen Täuschung und Willenserklärung ausschließen soll. Folgte man dieser Auffassung, könnte kein ungefragter Umstand mehr kausal für den Vertragsschluss des Versicherers sein. Tatsächlich hängt die Kausalität mit dessen Frageobliegenheit nicht zusammen. Es ist durchaus möglich, dass der Versicherer eine Frage vergisst, deren Beantwortung für den Vertragsschluss kausal gewesen wäre. Davon ist zu unterscheiden, ob die fehlende Anzeige eines solchen Umstands negative Rechtsfolgen für den Versicherungsnehmer auslösen kann. Dies hat der Gesetzgeber zutreffend in der Weise beantwortet, dass Rechtsfolgen in solchen Fällen ein arglistiges Handeln des Versicherungsnehmers voraussetzen. Ein anderes Ergebnis ließe sich höchstens mit einer unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB), nicht aber mit fehlender Kausalität begründen. Festzuhalten bleibt daher, dass eine Vertragsanfechtung durch den Versicherer vorbehaltlich der Voraussetzungen des § 123 BGB auch möglich ist, wenn der Versicherungsnehmer einen gefahrerheblichen Umstand verschweigt, nach dem der Versicherer nicht oder nicht formgerecht gefragt hat.473 § 19 Abs. 1 VVG ist keine abschließende Spezialregelung, die für eine allgemeine Aufklärungspflicht keinen Raum mehr ließe.474 Die „spontane Anzeigepflicht“ lebt insoweit fort. Ob im konkreten Fall eine Aufklärungspflicht besteht, ergibt sich aus einer Einzelfallbetrachtung, bei der zu beachten ist, dass bei Versicherungsverträgen die Grenzen erlaubten Verschweigens im Vergleich zu zB Kaufverträgen vergleichsweise eng zu ziehen sind, da sie in besonderem Maß von Treu und Glauben beherrscht werden.475 Die Anfechtungsmöglichkeit besteht unabhängig von einer weiteren Nachfrage des Versicherers auch für zwischen der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers und dem Vertragsschluss eingetretene gefahrerhebliche Umstände.

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Vgl. zum Folgenden Weiberle, VuR 2008, 170, 171. Grote/Schneider, BB 2007, 2689, 2693. 473 So auch das Ergebnis der Regierungsbegründung, BT-Drucks. 16/3945, S. 64; vgl. auch Hinsch-Timm, VVG in der anwaltlichen Praxis, Rn. 165; Kruse, Vorvertragliche Anzeigepflicht in der Reform des VVG, S. 13 f.; Niederleithinger, Das neue VVG, A Rn. 87 (S. 34); Franz, VersR 2008, 298, 306; Grote/Schneider, BB 2007, 2689, 2693; aA Hering, SVR 2008, 5, 7. 474 So aber Beckmann/Matusche-Beckmann/Knappmann, § 14 Rn. 126. 475 OLG Stuttgart Recht 1914 Nr. 1068; Soergel/Hefermehl, § 123 Rn. 19. 472

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4. Teil: Vorvertragliche Anzeigepflicht

III. Kritik an der Neuregelung Die durch das reformierte VVG erfolgte Neuregelung der Folgen einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung wird im Schrifttum teilweise sehr kritisch gesehen. Dem Versicherungsnehmer würden Anreize zur nachlässigen Beantwortung der Fragen zu den für den Versicherer dringend erforderlichen Risikodaten gesetzt.476 Es fehle an nachhaltigen Sanktionen: Der Versicherungsnehmer stehe bei einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung im Hinblick auf einen vertragsändernden Umstand im schlechtesten Fall so, wie wenn er von Anfang an zutreffende Angaben gemacht habe.477 Er hafte für fehlerhafte Angaben nur, wenn er das schlechthin Unentschuldbare tue, was im Anbahnungsstatus eines Vertrags im Bürgerlichen Recht ziemlich einmalig sei.478 Faktisch werde der Schutz des Einzelnen über den Schutz der Versichertengemeinschaft gestellt und der Zweck der Anzeigepflichten gefährdet.479 Es käme zu Gerechtigkeitslücken und einer Verteuerung der Produkte, die eine Risikoprüfung erforderten.480 Geht man davon aus, dass ein vorsätzliches Verhalten häufig nicht zu beweisen ist, scheint das Sanktionssystem der §§ 19 ff. VVG tatsächlich milde zu sein. Zu beachten ist aber, dass bei der Nichtanzeige bekannter Gefahrumstände, nach denen in Textform gefragt wurde, der Schluss auf Vorsatz häufig sehr nahe liegt.481 Außerdem ist die Einordnung eines Umstands als vertragsändernd oder -hindernd gerade von den Versicherern abhängig. Sie sind daher gehalten, ihre Annahmegrundsätze so restriktiv zu fassen, dass sie bei grob fahrlässigen Falschangaben regelmäßig nicht an den Vertrag gebunden bleiben.482 Außerdem kann durch eine genaue und klar strukturierte Fragestellung bei der Risikoprüfung das Risiko einer unzureichenden Antwort minimiert werden.483

476 Vgl. Grote/Schneider, BB 2007, 2689, 2693; Neuhaus, r+s 2008, 45, 55 f.: „Im ungünstigsten Fall wird der Ehrliche der Dumme sein und Schadensfälle der Unredlichen mitfinanzieren.“ 477 Vgl. Grote/Schneider, BB 2007, 2689, 2693; in diese Richtung auch Brand, VersR 2009, 715, 717; Reusch, VersR 2007, 1313, 1323. 478 Staudinger/Langheid, Vorträge Münsterischer Versicherungstag 2006, S. 23, 30 f. 479 Neuhaus, r+s 2008, 45, 51. 480 Thalmair, ZVersWiss 96 (2007), Supplement, S. 459, 469 f. 481 Vgl. Günther/Spielmann, r+s 2008, 133, 134; Schubach, AnwBl 2008, 27, 28. 482 Vgl. auch Grote/Schneider, BB 2007, 2689, 2693; in diese Richtung ferner Langheid, NJW 2007, 3665, 3668. 483 Neuhaus, r+s 2008, 45, 56.

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Fünfter Teil

Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung § 9 Anzeigepflichtverletzung der Aktiengesellschaft I. Kenntnis iSd § 19 VVG Gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 VVG besteht die Obliegenheit zur Anzeige nur für Umstände, die dem Versicherungsnehmer bekannt sind. Fehlt es an einer positiven Kenntnis, so ist der objektive Tatbestand des § 19 VVG nicht verwirklicht und eine Anzeigepflichtverletzung liegt nicht vor.1 Von der Kenntnis der Gefahrumstände, die der Versicherer als Bestandteil der objektiven Anzeigepflichtverletzung beweisen muss,2 ist die Kenntnis des Versicherungsnehmers von der Anzeigeobliegenheit selbst zu unterscheiden, die auf der Ebene des Verschuldens einzuordnen ist.3 Auch eine arglistige Täuschung iSd § 123 BGB setzt voraus, dass der Täuschende ihm bekannte Umstände verschweigt oder bewusst unrichtig übermittelt.4 Beim besonderen Fall der Angaben „ins Blaue hinein“ weiß er, einen Umstand nicht sicher beurteilen zu können, was ebenfalls eine Form der Kenntnis darstellt.5 Die Frage, welche Gefahrumstände der Aktiengesellschaft als Versicherungsnehmerin „bekannt“ sind, rückt komplexe Fragen der Wissenszurechnung ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Um zu Rechtsfolgen gegenüber dem Versicherungsnehmer zu gelangen ist ferner – von der Kündigung des Vertrags abgesehen – ein Verschulden erforderlich, das somit nach der Kenntnis der Aktiengesellschaft zu untersuchen ist. Die Tragweite der Frage, woraus sich Kenntnis und Verschulden der Aktiengesellschaft zusammensetzen, wird deutlich, wenn man sich im Anschluss die Rechtsfolgen der Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung vor Augen führt: Vorwegzunehmen ist an dieser Stelle, dass die Gestaltungsrechte des Versicherers grundsätzlich Gesamtwirkung gegenüber allen Mitversicherten entfalten, selbst wenn diese redlich sind.6 1 Vgl. BGH r+s 1982, 243 f.; BGH NJW-RR 1994, 666, 667; Beckmann/MatuscheBeckmann/Knappmann, § 14 Rn. 45; Barg, Vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers, S. 67; Römer, r+s 1998, 45, 46. 2 Statt vieler Terbille, § 2 Rn. 97; Knappmann, r+s 1996, 81. 3 Beckmann/Matusche-Beckmann/Marlow, § 13 Rn. 19. 4 Bruck/Möller/Rolfs, § 22 Rn. 21 f.; Erman/Palm, § 123 Rn. 28; Boecken, BGB AT, Rn. 524; Medicus, Karlsruher Forum 1994, S. 4, 5. 5 Zu dieser Form der arglistigen Täuschung Erman/Palm, § 123 Rn. 29; Boecken, BGB AT, Rn. 524; Rüthers/Stadler, BGB AT, § 25 Rn. 79. 6 Dazu unter § 10.

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5. Teil: Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung

Kenntnis iSd Gefahranzeigevorschriften ist das aktuell vorhandene, jederzeit aktualisierbare Wissen des Versicherungsnehmers.7 Ein in der Praxis häufig behauptetes „Vergessen“ steht einer Kenntnis nicht grundsätzlich entgegen:8 Denn für das Bewusstsein eines Umstands zum entscheidenden Zeitpunkt, der in der Abgabe der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers liegt, ist es nicht erforderlich, dass diesem der Umstand sogleich präsent ist. Vielmehr genügt es, wenn sich der Versicherungsnehmer der Umstände bei gehöriger Gedächtnisanstrengung bewusst werden kann.9 Dabei sind angemessene Bemühungen zu erwarten, die es beinhalten, alle zur Verfügung stehenden Unterlagen zu Rate zu ziehen. Die Angemessenheit beurteilt sich danach, wie wichtig der Anlass, für den es auf die Kenntnis ankommt, aus objektiver Sicht ist.10 Der Versicherungsnehmer kann daher auch nicht einwenden, er habe einen Umstand zwar gewusst, aber im entscheidenden Augenblick gerade nicht an ihn gedacht.11 Allerdings liegt im Hinblick auf Umstände, die der Versicherungsnehmer einmal gekannt hat, seinem Gedächtnis aber inzwischen wieder entfallen sind, keine Kenntnis mehr vor.12

II. Kenntnis der Aktiengesellschaft 1. Eigene Kenntnis der juristischen Person Da allein der Versicherungsnehmer Adressat der vorvertraglichen Anzeigepflicht ist,13 kommt es bei der D&O-Versicherung grundsätzlich auch nur auf die Kenntnis der Aktiengesellschaft an. Als Körperschaft ist sie zwar rechtsfähig, hat aber keine originäre Kenntnis, weil juristische Personen als solche weder handlungs- noch wissensfähig sind: Ohne eine physisch handelnde und wissende natürliche Person kann es auch kein Handeln und Wissen der juristischen Person geben.14 Diese handelt und 7 Beckmann/Matusche-Beckmann/Knappmann, § 14 Rn. 45; Terbille, § 2 Rn. 97; Günther, Betrug in der Sachversicherung, S. 12; Röhr, Die vorvertragliche Anzeigepflicht, S. 152; Knappmann, r+s 1996, 81, 82. 8 Hierzu und zum Folgenden Günther, Betrug in der Sachversicherung, S. 12. 9 Vgl. OLG Oldenburg NJW-RR 1991, 1185 f.; BK/Voit, § 16 Rn. 52; Bruck/Möller/Rolfs, § 19 Rn. 56; Prölss/Martin/Prölss, §§ 16, 17 Rn. 20; Beckmann/Matusche-Beckmann/ Knappmann, § 14 Rn. 45; Terbille, § 2 Rn. 97; Röhr, Die vorvertragliche Anzeigepflicht, S. 153. 10 Beckmann/Matusche-Beckmann/Knappmann, § 14 Rn. 45; ders., r+s 1996, 81, 82. 11 Vgl. OLG Oldenburg NJW-RR 1991, 1185 f.; Terbille, § 2 Rn. 97; Beyer, Rechtsvergleichung der vorvertraglichen Anzeigepflicht, S. 86; Röhr, Die vorvertragliche Anzeigepflicht, S. 152; ferner bereits Falke, Vorvertragliche Anzeigepflicht unter besonderer Berücksichtigung der Haftpflichtversicherung, S. 24. 12 s. OLG Oldenburg NJW-RR 1991, 1185 f.; Terbille, § 2 Rn. 97; Röhr, Die vorvertragliche Anzeigepflicht, S. 153; Zu Beweisproblemen vgl. Knappmann, r+s 1996, 81, 82. 13 s. bereits ausf. unter § 6 III. 14 GroßkommAktG/Habersack, § 78 Rn. 13; Leschke, Vertretungsmacht und Wissenszurechnung, S. 144 m. Fn. 559; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. I, § 4 II 3a (S. 212).

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weiß vielmehr durch ihre Organe, die ihr die fehlende Handlungsfähigkeit verleihen.15 Die fehlende originäre Kenntnis der juristischen Person lässt die Frage aufkommen, auf das Wissen welcher natürlichen Personen es im Rahmen der vorvertraglichen Anzeigepflicht ankommt. Bei der Antwort auf diese Frage darf nicht voreilig auf spezielle Zurechnungsvorschriften wie §§ 20, 47 VVG abgestellt werden. Durch eine solche Vorgehensweise würde verkannt, dass es nach zutreffender Ansicht auch bei der juristischen Person eine eigene Kenntnis gibt, auch wenn es sich dabei nicht um eine originäre Kenntnis handelt. Ausgangspunkt der Diskussion um das Wissen der Aktiengesellschaft ist der seit über einem Jahrhundert schwelende Streit um Begriff und Wesen der juristischen Person. Die römisch-rechtliche Fiktionstheorie16 v. Savignys ging davon aus, die juristische sei nur eine vorgestellte Person und müsse als Träger von Rechten und Pflichten fingiert werden.17 Das Handeln der Organisationsmitglieder könne sich nicht als unmittelbares Handeln der Organisation selbst darstellen, weil diese kein denkendes und handelndes Wesen sei.18 Vielmehr müsse der Widerspruch zwischen Rechtsfähigkeit und Handlungsunfähigkeit durch eine Vertretung aufgelöst werden.19 Die Fiktionstheorie wurde im Laufe der Jahre von verschiedener Seite fortentwickelt.20 Nach der auf ihr beruhenden Lehre von der Drittzurechnung kann das Organhandeln nur über eine Zurechnung für und gegen die Organisation wirken. Das Handeln, Wissen und Verschulden der Organe sei nicht als Eigenhandeln, -wissen und -verschulden der juristischen Person anzusehen, sondern bleibe Fremdhandeln, -wissen und -verschulden, das der juristischen Person „angerechnet“ werde.21 Als Gegenposition zur Fiktionslehre hat sich die sog. Organtheorie positioniert. Sie wird als Fortentwicklung der – vor allem – auf v. Gierke zurückgehenden Theorie von der realen Verbandspersönlichkeit angesehen, die die Wirklichkeit der Verbände hervorhob.22 Danach wurde die Körperschaft als reales „Mehr“ als die Summe ihrer Mitglieder nicht nur für rechtsfähig, sondern darüber hinaus auch für willens- und handlungsfähig gehalten.23 Die Handlung oder Unterlassung eines Körperschaftsor15

Vgl. die Nachw. unter § 6 Fn. 53. Kritisch zu diesem Begriff aber Flume, BGB AT, Bd. I/2, § 1 I 2 (S. 3 ff.). 17 v. Savigny, System II, S. 236 ff., 282 ff. Zur Lehre v. Savignys eingehend Flume, BGB AT, Bd. I/2, § 1 I (S. 1 ff.). 18 v. Savigny, System II, S. 282 f. 19 v. Savigny, System II, S. 282 f., 324 ff. 20 Vgl. dazu die Nachw. bei MünchKommBGB/Reuter, Vor § 21 Rn. 1. 21 So Flume, BGB AT, Bd. I/2, § 11 I (S. 377, 379). Vgl. dazu auch Kleindiek, Deliktshaftung, S. 168, 172. 22 Vgl. ders., Deutsches Privatrecht, Bd. I, S. 469 ff.; ders., Das Wesen der menschlichen Verbände, S. 9 ff., 25 ff.; vgl. auch dessen Kritik an der „romanistisch-kanonistischen Korporationstheorie“, ders., Deutsches Privatrecht, S. 459 ff.; ders., Das Wesen der menschlichen Verbände, S. 4 f. 23 Vgl. v. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. I, S. 472 f., 512 ff., 518 ff.; ders., Genossenschaftstheorie, S. 141 ff., 603 ff. 16

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5. Teil: Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung

gans sei eine Handlung der Körperschaft selbst, entsprechendes gelte für das Wissen und das Wollen.24 Eine juristische Person handle und wisse mithin im Sinne einer „Darstellung des Ganzen durch den Theil“ durch ihre Organe.25 Zum Teil wird die Organtheorie so verstanden, als seien nach ihr die Kenntnisse und das Handeln eines Organmitglieds automatisch auch als Kenntnisse und Handeln der juristischen Person anzusehen, weshalb es einer Zurechnung nicht mehr bedürfe. Nach zutreffender Auffassung ist jedoch auch nach der Organtheorie weder jede Handlung eines Organwalters eine solche der juristischen Person noch weiß eine Körperschaft all das, was ihre Organmitglieder wissen. Eine solche Sichtweise würde nicht nur zu weit führen; sie beruht auch auf einem Missverständnis: Tatsächlich ergibt sich schon aus den Ausführungen v. Gierkes, dass auch er davon ausging, das Eigenwissen und Eigenhandeln der juristischen Person könne nur über den Weg einer Zurechnung erreicht werden.26 v. Gierke wollte mit seiner bildhaften Sprache lediglich die besondere Qualität des Organhandelns im Vergleich zum Handeln „gewöhnlicher“ Hilfspersonen herausstellen, nicht das Erfordernis jeglicher Zurechnung ablehnen.27 Dem ist insoweit zuzustimmen: Auf eine Zurechnung kann weder nach der Organnoch nach der Vertretertheorie verzichtet werden.28 Denn bei der juristischen Person und ihren Organwaltern handelt es sich um voneinander zu unterscheidende Rechtssubjekte.29 Handeln und Wissen der juristischen Person setzen deshalb zwingend zugeordnetes Handeln oder Wissen einer natürlichen Person voraus. Verlangen demnach sowohl Vertreter- als auch Organtheorie nach richtigem Verständnis eine Zurechnung, ist dennoch, zumindest im Hinblick auf einen entscheidenden Grundsatz 24

v. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. I, S. 518 f. v. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. I, S. 472; ders., Genossenschaftstheorie, S. 624 f. 26 Vgl. ders., Genossenschaftstheorie, S. 622 f. m. Fn. 1: „Von einer ,Vertretung oder ,Repräsentation lässt sich ja freilich auch hier sprechen, da das Organ nicht die Körperschaft, sondern nur der in einer bestimmten Sphäre als Werkzeug der immanenten Einheit fungirende Bestandtheil des körperschaftslichen Organismus ist … Die Ausdrücke ,Vertretung und ,Repräsentation werden in der Gesetzessprache durchweg für die Darstellung der juristischen Person durch ihre Organe verwandt. Richtig verstanden, sind sie mit der vollen Durchführung des Organbegriffs vollkommen vereinbar …“. Vgl. auch die zutreffende Einordnung der Organtheorie von Schilken, Wissenszurechnung, S. 129, 134, 140 f.; Schürnbrand, Organschaft, S. 19; vgl. ferner Goldschmidt, Wissenszurechnung, S. 214 f.; Westerhoff, Organ und (gesetzlicher) Vertreter, S. 2. 27 Zutreffend Buck, Wissen und juristische Person, S. 217 f.; Goldschmidt, Wissenszurechnung, S. 215; Schilken, Wissenszurechnung, S. 134; K. Schmidt, GesR, § 10 I 2c (S. 252); vgl. auch Martinek, Repräsentantenhaftung, S. 31 f.; Baumann, ZGR 1973, 284, 289; ferner Römmer-Collmann, Wissenszurechnung, S. 49, der jedoch die Bildung eines eigenen Wissensbegriffs bei der juristischen Person für unnötig hält. Von einer Zurechnung des Organhandelns geht auch Roth/Altmeppen, § 35 Rn. 7 aus. 28 Vgl. Soergel/Leptien, § 166 Rn. 5; Buck, Wissen und juristische Person, S. 217 f., 220; Römmer-Collmann, Wissenszurechnung, S. 49; Schilken, Wissenszurechnung, S. 129, 134; K. Schmidt, GesR, § 10 I 2c (S. 252); Schürnbrand, Organschaft, S. 19; ferner auch Bork, BGB AT, Rn. 204; Goldschmidt, Wissenszurechnung, S. 208, 215; Westerhoff, Organ und (gesetzlicher) Vertreter, S. 2; Baumann, ZGR 1973, 284, 289. 29 Vgl. auch Bruns, Zurechnung von Wissen, S. 245. 25

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des Organhandelns, der Lehre v. Gierkes zu folgen.30 Nach zutreffender Ansicht wird das Organhandeln und -wissen der juristischen Person zwar zugerechnet, die Zurechnung erfolgt jedoch auf einer besonderen, im Vergleich zum Handeln und Wissen Bevollmächtigter und sonstiger Gehilfen höheren Ebene.31 Diese qualifizierte Zurechnung führt dann zu einem Eigenhandeln und Eigenwissen der Gesellschaft, ohne Eigenhandeln und -wissen im natürlichen Sinne zu sein.32 Die Einordnung der Zurechnung auf einer höheren Ebene ergibt sich daraus, dass das organschaftliche Handeln und Wissen eine besondere Qualität im Vergleich zu dem sonstiger Hilfspersonen hat.33 Die Gesellschaft selbst handelt durch ihre Organe, denen als unverzichtbare Zurechnungsträger eine Sonderstellung zukommt, die von der Vertretertheorie verkannt wird. So kann sich die juristische Person ihrer Organwalter nicht – wie etwa Bevollmächtigter – nach Belieben bedienen.34 Vielmehr sind die Organmitglieder der juristischen Person als unentbehrlicher Teil der Verbandsorganisation zugehörig und stehen ihr nicht als Fremde gegenüber.35 Aus diesem Grund ist es nicht überzeugend, sie als gewöhnliche Stellvertreter zu begreifen.36 Die Zurechnung ihrer Kenntnisse geht 30

Der Gesetzgeber wollte im Streit zwischen Organ- und Vertretertheorie keine Stellung beziehen, was an der offenen Formulierung des § 26 Abs. 2 S. 1 BGB deutlich wird, vgl. die Protokolle zum BGB, abgedruckt bei Mugdan, Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. I, Motive, S. 609; Kleindiek, Deliktshaftung, S. 125; Westerhoff, Organ und (gesetzlicher) Vertreter, S. 1. 31 Schilken, Wissenszurechnung, S. 134 spricht von einer „unmittelbaren“ Zurechnung. Vgl. ferner K. Schmidt, GesR, § 10 I 1b, II 4 (S. 248, 254). 32 Vgl. GroßkommGmbHG/Raiser, § 13 Rn. 25; MünchKommBGB/Reuter, Vor § 21 Rn. 49; MünchKommHGB/K. Schmidt, § 125 Rn. 13; ders., GesR, § 10 I 2c (S. 252); RGRK/ Steffen, Vor § 21 Rn. 10, § 26 Rn. 3, Vor § 164 Rn. 9, 19; Soergel/Hadding, § 26 Rn. 3; Soergel/ Leptien, § 166 Rn. 5; Bott, Wissenszurechnung, S. 78; Enneccerus/Nipperdey, BGB AT, Halbbd. I, S. 403; Goldschmidt, Wissenszurechnung, S. 208; Jacoby, Das private Amt, S. 270, 273 f.; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 8 Rn. 19; K. Schmidt, GesR, § 10 I 2c, I 4, II 1 (S. 252, 254 f.); ders., Karlsruher Forum 1993, S. 4, 10; Schürnbrand, Organschaft, S. 21; ferner Staudinger/Löwisch/Caspers (2009), § 278 Rn. 115; Marsch-Barner/Schäfer/Arnold, § 18 Rn. 30; Boecken, BGB AT, Rn. 119, 123; Bork, BGB AT, Rn. 204, 1668; in diese Richtung auch Soergel/Leptien, Vor § 164 Rn. 18, § 166 Rn. 5; Hüffer, Gesellschaftsrecht, § 5 Rn. 4; Beuthien, FS Zöllner, Bd. I, S. 87, 99 f.; ders., NJW 1999, 1142, 1144; aA Flume, BGB AT, Bd. I/2, § 11 I (S. 377, 379): nur Eigenhandeln der Organe. 33 Vgl. auch Goldschmidt, Wissenszurechnung, S. 208; Römmer-Collmann, Wissenszurechnung, S. 48, 94; K. Schmidt, GesR, § 10 I 1b, 2c, II 1, V 2 (S. 248, 252 f., 254 f., 287); in diese Richtung auch Bork, BGB AT, Rn. 204. 34 K. Schmidt, GesR, § 10 I 4 (S. 254); s. ferner Kleindiek, Deliktshaftung, S. 178. 35 Vgl. Flume, BGB AT, Bd. I/2, § 11 I (S. 379); Kleindiek, Deliktshaftung, S. 179; K. Schmidt, GesR, § 10 II 1 (S. 254 f.); ferner MünchKommBGB/Schramm, Vor § 164 Rn. 9; Soergel/Leptien, Vor § 164 Rn. 18; Hüffer, Gesellschaftsrecht, § 5 Rn. 4; Jacoby, Das private Amt, S. 197; K. Schmidt, GesR, § 10 I 1b (S. 248). 36 So aber Barg, Vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers, S. 27; v. Tuhr, BGB AT, Bd. I, S. 461 f.; Westerhoff, Organ und (gesetzlicher) Vertreter, S. 32. Im (insbesondere versicherungsrechtlichen) Schrifttum werden die Organwalter häufig auch – nicht überzeugend – als gesetzliche Vertreter behandelt, vgl. etwa KölnKomm/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 81; Prölss/Martin/Prölss, § 6 Rn. 44; Barg, Vorvertragliche Anzeigepflicht des Versiche-

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5. Teil: Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung

über die Zurechnung bei rechtsgeschäftlichen oder gesetzlichen Stellvertretern gemäß § 166 BGB hinaus.37 Deshalb kann diese Vorschrift, wie auch die versicherungsrechtliche Sonderregelung des § 20 VVG,38 für eine Wissenszurechnung im Rahmen der Organvertretung nicht unmittelbar herangezogen werden. Die Zurechnung des Organwissens an die juristische Person ist zwar allgemein anerkannt, ihr konkreter Umfang und ihre dogmatische Grundlage sind aber trotz zahlreicher Abhandlungen im Schrifttum noch weitgehend umstritten.39 Da eine unmittelbar anwendbare spezielle Vorschrift nicht existiert, werden von Rechtsprechung und Literatur die Rechtsgedanken verschiedener Normen bemüht oder Analogieschlüsse zu ihnen erwogen. Häufig wird im Grundsatz auf § 166 BGB40 oder § 31 BGB41 abgestellt, daneben finden sich aber zahlreiche Stimmen, die § 28 Abs. 2 BGB,42 § 242 BGB,43 § 164 Abs. 3 BGB,44 weitere Vorschriften45 oder eine Gesamtanalogie zu mehreren dieser Normen als Zurechnungsgrundlage heranziehen.46 Noch andere dogmatische Ansätze stellen auf allgemeine Prinzipien ab und lösen sich weitgehend von gesetzlichen Bestimmungen47 oder unterscheiden in der Begründung je

rungsnehmers, S. 27; Uhlenbrock, Lösungsrechte des Versicherers, S. 127 (mit der Folge der direkten Anwendung des § 166 BGB); Westerhoff, Organ und (gesetzlicher) Vertreter, S. 32. 37 Vgl. GroßkommAktG/Kort, § 76 Rn. 162; Spindler/Stilz/Fleischer, § 78 Rn. 46; Römmer-Collmann, Wissenszurechnung, S. 50. 38 So aber etwa Bruck/Möller/Rolfs, § 20 Rn. 8. 39 Vgl. Buck, Wissen und juristische Person, S. 152 ff. 40 So BGHZ 117, 104, 106 f. = NJW 1992, 1099; BGHZ 135, 202, 205 = NJW 1997, 1917; BGH NJW 2001, 2535, 2536; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 35 Rn. 58; Roth/Altmeppen, § 35 Rn. 99 f. (§ 166 Abs. 2 BGB); Baum, Wissenszurechnung, S. 49 ff., 127 ff., 349 ff. (§ 166 Abs. 1 BGB für die handlungsabhängige, § 166 Abs. 2 BGB [neben § 164 Abs. 3 BGB, vgl. S. 140 ff.] für die handlungsunabhängige Zurechnung); Bork, BGB AT, Rn. 1671 (§ 166 Abs. 2 BGB); Hüffer, Gesellschaftsrecht, § 5 Rn. 4; Römmer-Collmann, Wissenszurechnung, S. 79 ff., 97 ff.; Altmeppen, BB 1999, 749, 750 ff. (§ 166 Abs. 2 BGB); Baumann, ZGR 1973, 284, 290 ff.; Richardi, AcP 169 (1969), 385, 395 ff.; M. Schultz, NJW 1990, 477; W. Schultz, NJW 1996, 1392, 1393. 41 So Bürgers/Körber/Israel, § 78 Rn. 5; GroßkommAktG/Habersack, § 78 Rn. 23 f.; MünchKommHGB/K. Schmidt, § 125 Rn. 13; Spindler/Stilz/Fleischer, § 78 Rn. 46; MünchHdbGesR/Wiesner, Bd. 4, § 23 Rn. 24; Jacoby, Das private Amt, S. 277 f.; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 4 Rn. 60; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 8 Rn. 19; K. Schmidt, GesR, § 10 V 2b (S. 288); Schürnbrand, Organschaft, S. 27. 42 So Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 626 f. (Organebene). 43 Vgl. Taupitz, FS Lorenz, S. 673, 688 f. 44 So Bruns, Zurechnung von Wissen, S. 152 ff., 157 f.; dies., ZVersWiss 96 (2007), 485, 493. 45 Vgl. die Nachw. bei Bruns, Zurechnung von Wissen, S. 131 ff.; ders., ZVersWiss 96 (2007), 485, 488 ff.; vgl. außerdem Römmer-Collmann, Wissenszurechnung, S. 63 ff. 46 So etwa MünchKommAktG/Spindler, § 78 Rn. 87 (§§ 28 Abs. 2, 31 BGB bzw. § 78 Abs. 2 S. 2 AktG analog). 47 Vgl. Prölss/Martin/Prölss, § 6 Rn. 80; Bruns, Zurechnung von Wissen, S. 143 ff.; Schilken, Wissenszurechnung, S. 138; Westerhoff, Organ und (gesetzlicher) Vertreter, S. 75 ff.

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nach Rechtsfolge der betreffenden Wissensnorm.48 Im Rahmen dieser Arbeit kann die grundlegende Streitfrage, auf welcher dogmatischen Grundlage die Zurechnung von Organwissen basiert, nicht näher erörtert werden. Dies ist für die Diskussion der Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung auch nicht erforderlich: Für die Praxis ist entscheidend, dass das „Ob“ einer Zurechnung allgemein, insbesondere in der Rechtsprechung, anerkannt ist. Festzuhalten ist aber, dass die Kenntnisse der Organwalter der juristischen Person beim Vorliegen bestimmter Umstände auf einer besonderen, höheren Ebene zugerechnet werden. Es stellt sich die Folgefrage nach dem „Wie“ der Zurechnung, also danach, unter welchen Umständen eine qualifizierte Zurechnung als Eigenwissen der Gesellschaft erfolgen kann. Auch im Hinblick auf diese Frage besteht ein weites Meinungsspektrum, die Diskussion ist im Fluss und kann noch lange nicht als bewältigt angesehen werden. Aus diesem Grund steht die für die Praxis maßgebliche Linie der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Zentrum der nachfolgenden Ausführungen. Vereinzelt wird noch immer angenommen, juristischen Personen werde generell das Wissen all ihrer in der jeweiligen Angelegenheit vertretungsberechtigten Organmitglieder zugerechnet.49 Diese Annahme wurde früher auch von der Rechtsprechung vertreten,50 ist aber in ihrer Absolutheit zu weitgehend und führte zu unbilligen Ergebnissen.51 Deshalb hat der BGH die Grundsätze der „absoluten Wissenszurechnung“ ausgehend von der „Gemeinde-Entscheidung“ im Jahr 1989 modifiziert und eine wertende Betrachtung vorgenommen.52 Endgültig aufgegeben hat die Rechtsprechung die der Organstellung immanente Wissenszurechnung mit dem „Altlasten-Urteil“ aus dem Jahr 1996, in dem der BGH im Anschluss an einen Vortrag von Taupitz53 auf dem Karlsruher Forum 1994 auf eine Pflicht zur ordnungsgemäßen Organisation der Kommunikation abstellte.54 Die im „Altlasten-Urteil“ aufgestellten Grundsätze wurden in der

48 So Goldschmidt, Wissenszurechnung, S. 237: § 31 BGB unmittelbar bei der Rechtsfolge einer Schadensersatzhaftung, bei anderen Rechtsfolgen analog. Ähnlich Bott, Wissenszurechnung, S. 78 ff. 49 Vgl. etwa MünchKommAktG/Spindler, § 78 Rn. 87; Hartung, NZG 1999, 524, 526; in diese Richtung auch Langheid/Grote, VersR 2005, 1165, 1166; aus früherer Zeit etwa RGRK/ Steffen, Vor § 164 Rn. 9, 19, § 166 Rn. 5; Schilken, Wissenszurechnung, S. 135, 138. 50 So auch noch BGH NJW 1995, 2159, 2160; BGH NJW-RR 2006, 771, 772; ferner früher RG JW 1935, 2044; BGHZ 41, 282 = NJW 1964, 1367; BGH WM 1955, 830, 831; vgl. dazu GroßkommAktG/Kort, § 76 Rn. 162; ders., in: Vorstandsrecht, § 2 Rn. 102; MünchKommBGB/Schramm, § 166 Rn. 20. 51 Zur Kritik auch Buck, Wissen und juristische Person, S. 233 ff. m.w.Nachw. 52 BGHZ 109, 327, 330 ff. = NJW 1990, 975 (die Entscheidung ist auch als „SchlachthausFall“ bekannt); dazu Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 610 f. Zur Entwicklung der Rechtsprechung vgl. anschaulich Nobbe, Bankrechtstag 2002, S. 121, 126 ff.; ferner Hagen, DRiZ 1997, 157, 158 ff. (von 1989 bis 1996). 53 Vgl. ders., Karlsruher Forum 1994, S. 16, 25 ff. 54 BGHZ 132, 30, 36 f. = NJW 1996, 1339. Dazu Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 613 ff.; Nobbe, Bankrechtstag 2002, S. 121, 129 ff.

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5. Teil: Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung

Folgezeit von der Rechtsprechung verfestigt,55 die die in §§ 31, 166, 278, 831 BGB enthaltenen Wertungen rechtsfortbildend auf die Wissensaufspaltung in arbeitsteiligen Organisationen übertrug.56 Dabei war im Ausgangspunkt unstreitig, dass der juristischen Person das Wissen der Organwalter zuzurechnen ist, die beim konkreten Geschäft für die Gesellschaft aufgetreten sind.57 Eine auf die handelnden Organwalter begrenzte Wissenszurechnung wurde aber den Gegebenheiten des modernen Geschäftsverkehrs arbeitsteiliger Organisationen nicht mehr gerecht,58 der von einer immer stärkeren Aufgaben- und Zuständigkeitsteilung geprägt war.59 Als Grundlage einer über die beteiligten Organmitglieder hinausgehenden Zurechnung wurde deshalb die Erwägung herangezogen, arbeitsteilige Organisationen dürften aus der Aufspaltung von Wissen im Vergleich zu Einzelpersonen, die im Rechtsverkehr auftreten, keine ungerechtfertigten Vorteile genießen, sog. Gleichstellungsargument.60 Außerdem solle der außenstehende Dritte auf eine ordnungsgemäße Organisation der juristischen Person vertrauen dürfen. Dazu gehöre auch, dass Kenntnisse weitergeleitet und, sofern es die Umstände erforderten, archiviert würden.61 Die Ausgestaltung der Wissenszurechnung beruhe auf Gedanken des Verkehrsschutzes.62 Um diesen ausreichend zu gewährleisten, müsse auch das Wissen von am konkreten Geschäft unbeteiligten Organwaltern der Gesellschaft zugerechnet werden, sofern eine ordnungsgemäße Organisation des gesellschaftsinternen Informationsaustausches dafür spreche.63 Dabei geht es 55

Vgl. Nobbe, Bankrechtstag 2002, S. 121, 131. s. Rixecker, FS Schirmer, S. 517, 524. 57 Vgl. GroßkommGmbHG/Paefgen, § 35 Rn. 119; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 35 Rn. 60; Scholz/U.H. Schneider, § 35 Rn. 81 (für GmbH-Geschäftsführer); Römmer-Collmann, Wissenszurechnung, S. 119 ff.; Taupitz, Karlsruher Forum 1994, S. 16, 24 f. 58 s. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 35 Rn. 148. 59 Vgl. Leschke, Vertretungsmacht und Wissenszurechnung, S. 87. 60 Vgl. BGHZ 109, 327, 332 = NJW 1990, 975; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 35 Rn. 148; Canaris, Bankvertragsrecht, Rn. 106; Medicus, Karlsruher Forum 1994, S. 4, 11 f., 15 f.; Rixecker, FS Schirmer, S. 517, 524; ferner Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 35 Rn. 58; Römmer-Collmann, Wissenszurechnung, S. 170. 61 Vgl. Grunewald, FS Beusch, S. 301, 304 f. 62 Vgl. BGHZ 132, 30, 37 = NJW 1996, 1339; BGHZ 135, 202, 205 f. = NJW 1997, 1917; BGH NJW 2001, 2535, 2536; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 35 Rn. 150; GroßkommAktG/Habersack, § 78 Rn. 24; GroßkommAktG/Kort, § 76 Rn. 162; ders., in: Vorstandsrecht, § 2 Rn. 103; GroßkommGmbHG/Raiser, § 13 Rn. 26; Marsch-Barner/Schäfer/Arnold, § 18 Rn. 54; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 8 Rn. 19; Grunewald, FS Beusch, S. 301, 304 f., 311. 63 Grundlegend Grunewald, FS Beusch, S. 301, 304 ff.; Taupitz, Karlsruher Forum 1994, S. 16, 25 ff.; sich dem anschließend BGHZ 132, 30, 36 f. = NJW 1996, 1339. Vgl. außerdem BGHZ 135, 202, 206 f. = NJW 1997, 1917; BGHZ 140, 54, 61 f. = NJW 1999, 284; BGH NJW 2001, 359, 360; Baumbach/Hopt, (7) BankGesch A/16; Bürgers/Körber/Israel, § 78 Rn. 5; GroßkommAktG/Habersack, § 78 Rn. 24; GroßkommAktG/Kort, § 76 Rn. 162; ders., in: Vorstandsrecht, § 2 Rn. 103; Rowedder/Koppensteiner, § 35 Rn. 63; Nobbe, Bankrechtstag 2002, S. 121, 132; Rixecker, FS Schirmer, S. 517, 524; Taupitz, FS Lorenz, S. 673, 681 ff.; 56

§ 9 Anzeigepflichtverletzung der Aktiengesellschaft 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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im Kern um die Frage, ob und inwieweit innerhalb eines Unternehmens eine Organisationspflicht zur ordnungsgemäßen Kommunikation gegenüber dem jeweiligen Geschäftspartner besteht.64 Die Organisationspflicht gründet auf der Beherrschung eines selbsteröffneten Verkehrsbereichs und beinhaltet eine Informationsweiterleitungspflicht sowie eine Informationsabfragepflicht.65 Entscheidend ist im Hinblick auf die Weiterleitungspflicht, der eine Speicherungspflicht innewohnt, ob die entsprechenden Informationen typischerweise in Akten oder Dateien erfasst und verfügbar gehalten werden.66 Das ist dann anzunehmen, wenn im Zeitpunkt der Informationswahrnehmung aus Sicht eines objektiven Dritten eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Informationen später rechtserheblich werden könnten.67 Ersichtlich Wichtiges muss dabei länger, Unwichtiges weniger lang gespeichert werden. Diese Grenzen der Wissenszurechnung ergeben sich bereits aus dem Gleichstellungsargument, weil auch natürliche Personen weniger bedeutsame Tatsachen im Laufe der Zeit zu vergessen pflegen.68 Aus diesem Grund ist auch die Informationsabfragepflicht begrenzt: Da sich das menschliche Erinnerungsvermögen typischerweise nach der erkennbaren Wichtigkeit der Wahrnehmung bestimmt, ist eine Abfragepflicht nur dann zu verlangen, wenn für eine Abfrage ein erkennbarer Anlass besteht.69 Im Ergebnis wird die Zurechnung des Wissens der Organwalter an die juristische Person auf Grundlage der unternehmensinternen Organisationspflichten anhand einer Einzelfallbetrachtung vorgenommen und ist im Kern eine Wertungsfrage.70 Die Zurechnung entfällt nach zutrefferner Scholz/U.H. Schneider, § 35 Rn. 83a f. (für die GmbH); Marsch-Barner/Schäfer/Arnold, § 18 Rn. 54. 64 Vgl. BGHZ 140, 54, 61 f. = NJW 1999, 284; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 35 Rn. 150; Rixecker, FS Schirmer, S. 517, 524; Taupitz, Karlsruher Forum 1994, S. 16, 26; ders., FS Lorenz, S. 673, 681 ff.; ders., JZ 1996, 734 f.; ferner Bohrer, DNotZ 1991, 124, 129 f.; gegen das Abstellen auf Organisationspflichten Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 626 ff., 642 ff. 65 Vgl. BGHZ 132, 30, 37 = NJW 1996, 1339; BGH NJW 1999, 3777, 3778; BGH NJW 2001, 2535, 2536; GroßkommAktG/Habersack, § 78 Rn. 24; GroßkommAktG/Kort, § 76 Rn. 162; MünchHdbGesR/Wiesner, Bd. 4, § 23 Rn. 24. 66 Auf das „typischerweise aktenmäßig festgehaltene“ Wissen stellt der BGH bereits im sog. Schlachthaus-Fall ab, vgl. BGHZ 109, 327, 332 = NJW 1990, 975. Vgl. ferner BGH NJW 1999, 3777, 3778; BGH NJW 2001, 359, 360. 67 Vgl. bereits Medicus, Karlsruher Forum 1994, S. 4, 12; ferner BGHZ 132, 30, 38 = NJW 1996, 1339; GroßkommAktG/Habersack, § 78 Rn. 24; Spindler/Stilz/Fleischer, § 78 Rn. 47. 68 Vgl. MünchKommBGB/Schramm, § 166 Rn. 27; Bork, BGB AT, Rn. 1672; Medicus, Karlsruher Forum 1994, S. 4, 12. 69 Vgl. BGHZ 132, 30, 38 = NJW 1996, 1339; MünchKommBGB/Schramm, § 166 Rn. 27; Medicus, Karlsruher Forum 1994, S. 4, 15; ferner auch W. Schultz, NJW 1997, 2093, 2094. 70 s. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 35 Rn. 150; GroßkommAktG/Habersack, § 78 Rn. 24; MünchHdbGesR/Wiesner, Bd. 4, § 23 Rn. 24; Wellhöfer/Peltzer/Müller, § 4 Rn. 90; Leschke, Vertretungsmacht und Wissenszurechnung, S. 87; Schürnbrand, Organschaft, S. 27 f.; ferner auch Scholz/U.H. Schneider, § 35 Rn. 83 ff. (für die GmbH); aA (auf Organebene) MünchKommAktG/Spindler, § 78 Rn. 87.

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5. Teil: Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung

fender Ansicht nicht, wenn der entsprechende Organwalter aus der Gesellschaft ausscheidet, sofern sein Wissen zum aktenmäßig festzuhaltenden zu zählen ist.71 Uneinigkeit besteht darüber, inwieweit zu unterscheiden ist, ob die entsprechende Kenntnis privat oder im Zusammenhang zur konkreten Amtstätigkeit erlangt wurde.72 Konsequent ist die Frage zu stellen, ob sich die Organisationspflicht der Gesellschaft zur ordnungsgemäßen internen Kommunikation auf das private Wissen erstreckt,73 es sich also um typischerweise aktenmäßig festzuhaltendes Wissen handelt. Das ist etwa dann regelmäßig der Fall, wenn sich privat erlangtes Wissen auf ein konkretes Geschäft bezieht, an dem das entsprechende Organmitglied mitwirkt.74 Darüber hinaus ist privates Wissen typischerweise allerdings nur dann festzuhalten, wenn es offensichtlich erhebliche Relevanz für die Gesellschaft besitzt und seine Weiterleitung in einen Informationsspeicher dem Organwalter zumutbar ist. Im Ergebnis ist eine Organisationspflicht der Gesellschaft, die in den privaten Bereich hineinreicht, nur mit Zurückhaltung anzunehmen.75 Fraglich ist, inwieweit die Grundsätze zur Zurechnung von Organwissen auf den Unternehmensverbund übertragen werden können.76 Eine von der Reformkommission angeregte versicherungsrechtliche Sonderregelung zur Zurechnung von Kenntnissen eines anderen Versicherers ist vom Gesetzgeber nicht übernommen worden. Eine solche Regelung werfe erhebliche datenschutzrechtliche Probleme auf; die Frage der Zurechnung solle weiterhin der Rechtsprechung überlassen bleiben.77 Die dogmatische Verortung der Wissenszurechnung im Unternehmensverbund bereitet große Schwierigkeiten, da es sich bei Konzernunternehmen um rechtlich selbständige juristische Personen handelt. Aus diesem Grund ist bei der Zurechnung jedenfalls Zurückhaltung geboten.78 Da im Rahmen dieser Arbeit keine nähere Betrachtung dieses um71 Vgl. GroßkommAktG/Habersack, § 78 Rn. 27; GroßkommGmbHG/Paefgen, § 35 Rn. 123; Scholz/U.H. Schneider, § 35 Rn. 87; Marsch-Barner/Schäfer/Arnold, § 18 Rn. 54; MünchHdbGesR/Wiesner, Bd. 4, § 23 Rn. 25; Vorstandsrecht/Kort, § 2 Rn. 105; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 8 Rn. 20; weiter gehend (konsequent) MünchKommAktG/ Spindler, § 78 Rn. 90: auch bei nicht typischerweise aktenmäßig festgehaltenem Wissen. AA (keine Zurechnung): Bork, BGB AT, Rn. 1669; Buck, Wissen und juristische Person, S. 241 ff.; Goldschmidt, Wissenszurechnung, S. 242 ff. 72 Näher Spindler/Stilz/Fleischer, § 78 Rn. 49; Leschke, Vertretungsmacht und Wissenszurechnung, S. 184 ff., jeweils m.w.Nachw. zu den verschiedenen Auffassungen; ferner Vorstandsrecht/Kort, § 2 Rn. 105. 73 s. Palandt/Ellenberger, § 166 Rn. 6; Buck-Heeb, WM 2008, 281, 283; Staudinger/ Schilken (2009), § 166 Rn. 6, 32; Grunewald, FS Beusch, S. 301, 306 f. 74 Insoweit auch Spindler/Stilz/Fleischer, § 78 Rn. 49. 75 Vgl. auch GroßkommAktG/Habersack, § 78 Rn. 26; Buck-Heeb, WM 2008, 281, 283 ff.; Grunewald, FS Beusch, S. 301, 306 f.; Taupitz, Karlsruher Forum 1994, S. 16, 27. Generell auf nur dienstlich erlangtes Wissen abstellend BGHZ 173, 23, 28 f. (Rn. 14) = NJW 2007, 2989. 76 Grundsätzlich bejahend Rowedder/Koppensteiner, § 35 Rn. 63; kritisch Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 963 ff. 77 RegE VVG, BT-Drucks. 16/3945, S. 49 f. 78 Vgl. Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 964 f.

§ 9 Anzeigepflichtverletzung der Aktiengesellschaft 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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fassenden Problems erfolgen kann, sei allein auf zwei Entscheidungen hingewiesen, die der BGH im versicherungsrechtlichen Kontext getroffen hat: So hat er in einem Fall das Wissen einer Versicherungsgesellschaft ihrer Schwestergesellschaft zugerechnet. Dafür war ausschlaggebend, dass beide Gesellschaften auf eine gemeinsame Datenbank zurückgriffen und die Versicherungsnehmer einwilligten, dass ihre Daten in diesem System gespeichert und daraus abgerufen würden.79 Der BGH stellte allerdings ersichtlich auf die Besonderheiten des Einzelfalls ab, weshalb aus der Entscheidung keine allgemeinen Rechtsprechungsgrundsätze zur Wissenszurechnung im Konzern abgeleitet werden können.80 In einem späteren, ebenfalls versicherungsrechtlichen Urteil hat der BGH festgestellt, ein Versicherer könne sich der dokumentierten Kenntnis von bestehenden Verträgen nicht dadurch entziehen, dass er mehrere Verträge in verschiedenen Abteilungen so verwalte, als handle es sich bei diesen um jeweils selbstständige Unternehmen.81 Da es dabei allerdings um die interne Zurechnung innerhalb einer Gesellschaft ging, ist zu bezweifeln, dass der BGH diese Grundsätze auch auf den Unternehmensverbund übertragen wird. Die voranstehenden Grundsätze der Wissenszurechnung werden von der Rechtsprechung mittlerweile auch unterhalb der Organebene angewandt,82 da sich die Gesellschaft auch dort der Vorteile der Arbeitsteilung bediene. Das Risiko für den Rechtsverkehr, dass rechtlich relevante Informationen nicht ordnungsgemäß festgehalten und weitergegeben würden, bestünde nicht nur im Hinblick auf Organwalter und müsse der Gesellschaft aufgebürdet werden.83 Zu beachten ist allerdings, dass eine Wissenszurechnung von Hilfskräften unterhalb der Organebene zwar nach den gleichen Grundsätzen wie bei Organwaltern erfolgen, jedoch nicht zu einem Eigenwissen der juristischen Person, sondern lediglich zu zugerechnetem Fremdwissen führen kann.84 Nur bei Organwaltern erfolgt die Zurechnung auf „höherer Ebene“ als den ausdrücklichen gesetzlichen Zurechnungsnormen, weshalb unterhalb der Organebene auch die Spezialität dieser Vorschriften zu beachten ist. Denn die Grundsätze der Wissenszurechnung dienen in diesen Fällen allein dazu, die gesetzlichen Regelungen aus Wertungsgesichtspunkten zu ergänzen. Dagegen geht die Zurechnung des Organwissens als Eigenwissen der juristischen Person den gesetzlichen Zurechnungsvorschriften vor. Liegt bei der D&O-Versicherung eine „eigene Kenntnis“ der Aktiengesellschaft als Versicherungsnehmerin vor, treten die Rechtsfolgen der §§ 19 ff. VVG auch ohne weitere Zurechnung, wie nach §§ 20, 47 VVG, ein, sodass sich die Prüfung der Voraussetzungen dieser Vorschriften erübrigt. 79

BGHZ 123, 224, 229 = NJW 1993, 2807. Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 964. 81 BGH NJW-RR 2003, 1603 f. 82 s. BGH NJW 2001, 359, 360; BGH NJW 2001, 2535, 2536; dazu Lutter/Hommelhoff/ Kleindiek, § 35 Rn. 62. 83 Vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 35 Rn. 149 f.; GroßkommGmbHG/Paefgen, § 35 Rn. 122. 84 Zutreffend Goldschmidt, Wissenszurechnung, S. 250. Vgl. auch Buck, Wissen und juristische Person, S. 156: Nichtorgane könnten nicht Wissensträger iSd Organtheorie sein. 80

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5. Teil: Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung

Aus diesem Grund ist die Auffassung abzulehnen, die für die D&O-Versicherung als Versicherung für fremde Rechnung anzuwendende Zurechnungsregel des § 47 Abs. 1 VVG sei gegenüber den allgemeinen Regelungen der Wissenszurechnung bei der juristischen Person lex specialis.85 Die Gegenansicht argumentiert, § 47 VVG gehe in seinen Wirkungen über die allgemeinen zivilrechtlichen und versicherungsrechtlichen Wissens- und Verhaltenszurechnungsregeln hinaus. Die von der Rechtsprechung zur Wissenszurechnung bei juristischen Personen entwickelten Grundsätze gälten daher nicht, eine Zurechnung „typischerweise aktenmäßig festgehaltenen Wissens“ komme nicht in Betracht.86 Dieser Ausgangspunkt, dem für die Einschränkungsmöglichkeiten der Zurechnung entscheidende Bedeutung zukommt, überzeugt jedoch nur bei oberflächlicher Betrachtung, da er die Besonderheiten des Organwissens nicht hinreichend würdigt. Der Aussage, es dürfte nicht ernsthaft in Frage zu stellen sein, dass die Vorschrift des § 47 VVG den allgemeinen Grundsätzen der Wissenszurechnung vorgehe,87 ist deshalb entschieden zu widersprechen. Auf eine Zurechnung nach den gesetzlichen Vorschriften wie § 20 und § 47 VVG kommt es bei der D&O-Versicherung nur an, wenn das Wissen der betreffenden versicherten Person nicht schon infolge einer Zurechnung auf höherer Ebene als eigenes Wissen der juristischen Person anzusehen ist. 2. Wissenszurechnung nach § 20 VVG Kann eine Zurechnung als Eigenwissen nach den voranstehenden Grundsätzen nicht erfolgen, kommt in Betracht, die spezielle versicherungsrechtliche Zurechnungsvorschrift des § 20 VVG anzuwenden. In den von der Norm erfassten Fällen wird im Rahmen der Anwendung der § 19 Abs. 1 bis Abs. 4 VVG und § 21 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 2 VVG dem Versicherungsnehmer sein Vertreter gleichgestellt.88 Danach hat ein Vertragsschluss durch einen Vertreter abweichend von der sich nach § 166 BGB richtenden Lage im allgemeinen Zivilrecht zur Folge, dass sowohl die Kenntnis und Arglist des Vertreters als auch des Versicherungsnehmers zu berücksichtigen sind. § 20 VVG ist, entgegen der Rechtslage nach der Vorgängervorschrift, § 19 VVG aF, sowohl auf die gesetzliche als auch auf die rechtsgeschäftliche Vertretung anzuwenden.89 Die abweichende Ansicht, nach der die gesetzliche Vertretung noch immer vom Anwendungsbereich der Vorschrift ausgenommen ist,90 kann nicht überzeugen. 85

So R. Koch, WM 2007, 2173, 2181; Winterling/Harzenetter, VW 2007, 1792, 1794. R. Koch, WM 2007, 2173, 2181; R. Koch/Richartz, WuB IV A. § 123 BGB 1.07, 21, 22. 87 So Winterling/Harzenetter, VW 2007, 1792, 1794. 88 Zur Rechtsnatur als Zurechnungsvorschrift vgl. bereits § 6 III. 2. 89 So auch MünchKommVVG/Muschner, § 20 Rn. 3; Schwintowski/Brömmelmeyer/ Härle, § 20 VVG Rn. 4. 90 So etwa Bruck/Möller/Rolfs, § 20 Rn. 5, 8; Looschelders/Pohlmann, § 20 Rn. 1; Barg, Vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers, S. 33 ff. 86

§ 9 Anzeigepflichtverletzung der Aktiengesellschaft 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Vor der Reform war in § 19 VVG aF ausdrücklich von einem „Bevollmächtigten“ die Rede, sodass der Wortlaut der Vorschrift vor dem Hintergrund der Legaldefinition der „Vollmacht“ in § 166 Abs. 2 BGB darauf hindeutete, dass allein die rechtsgeschäftliche Vertretung erfasst sein sollte.91 Der Reformgesetzgeber hat § 20 VVG aber in der Weise geändert, dass nicht mehr auf einen „Bevollmächtigten“, sondern nur noch auf einen „Vertreter“ abgestellt wird. Nicht nur der Wortlaut, sondern auch dessen Änderung sprechen dafür, § 20 VVG auch auf den gesetzlichen Vertreter anzuwenden. Für eine abweichende Auslegung reicht es nicht aus, dass der Gesetzgeber an einer Stelle des Regierungsentwurfs angemerkt hat, der Sache nach stimme § 20 VVG mit § 19 VVG aF überein.92 Vielmehr erweckt diese Aussage in den Materialien den Anschein, der Gesetzgeber wollte allein klarstellen, dass die Vertreter ohne Vertretungsmacht trotz nunmehr fehlender ausdrücklicher Erwähnung im Wortlaut weiterhin von der Norm erfasst seien. Dass der gesetzliche Vertreter entgegen dem eindeutigen Wortlaut auch zukünftig nicht unter § 20 VVG fällt, kommt dagegen in der Begründung nicht hinreichend zum Ausdruck. Die verbleibenden Zweifel sind jedenfalls so stark, dass der Wortlaut die Auslegungsrichtung vorgeben muss, sofern sich aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift nichts anderes ergibt. Dies ist nicht der Fall: Der Schutz des Versicherers erfordert es nicht nur bei rechtsgeschäftlichen, sondern auch bei gesetzlichen Vertretern, deren Kenntnis und Arglist neben denen des Versicherungsnehmers zu berücksichtigen.93 Das Schutzbedürfnis wird durch die Tatsache unterstrichen, dass bereits § 19 VVG aF von einer verbreiteten Auffassung für einige Fälle der gesetzlichen Vertretung analog herangezogen wurde.94 Zu hinterfragen ist das Verhältnis des § 20 VVG zu § 166 Abs. 1 BGB. Auch nach § 166 Abs. 1 BGB muss sich der Versicherungsnehmer die Kenntnis seiner Stellvertreter iSd § 164 BGB zurechnen lassen; im Gegensatz zu § 20 VVG kommt es dabei aber grundsätzlich nicht zusätzlich auf seine eigene Kenntnis an. Da das VVG im Vergleich zum BGB das speziellere Gesetz ist, folgt aus einer systematischen Betrachtung, dass § 20 VVG innerhalb seines persönlichen und sachlichen Anwendungsbereichs lex specialis zu § 166 BGB ist. Ein Anwendungsbereich für § 166 Abs. 1 BGB beim Abschluss eines Versicherungsvertrags besteht noch im Rahmen einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB, bei der § 20 VVG nicht anzuwenden ist, weil die Vorschrift auf § 22 VVG keinen Bezug nimmt.95

91

Knappmann, r+s 1996, 81, 83. RegE, BT-Drucks. 16/3945, S. 66. 93 So auch Schwintowski/Brömmelmeyer/Härle, § 20 VVG Rn. 4. 94 Vgl. Barg, Vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers, S. 29 f. m.w.Nachw. 95 RegE VVG, BT-Drucks. 16/3945, S. 66; Looschelders/Pohlmann, § 22 Rn. 15; Rüffer/ Halbach/Schimikowski, § 20 Rn. 1; Schwintowski/Brömmelmeyer/Härle, § 22 VVG Rn. 26; aA Barg, Vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers, S. 181. 92

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5. Teil: Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung

3. Wissenszurechnung nach § 47 VVG Kann bei der D&O-Versicherung eine Wissenszurechnung weder als Eigenwissen der juristischen Person noch über § 20 VVG erfolgen, kommt schließlich eine Anwendung des § 47 VVG in Betracht. Diese Sondervorschrift für die Versicherung für fremde Rechnung stellt die Kenntnis und das Verhalten des Versicherungsnehmers und der versicherten Personen gleich, sofern Kenntnis und Verhalten von rechtlicher Bedeutung sind. § 47 VVG beinhaltet daher eine Wissenszurechnung von den Versicherten an den Versicherungsnehmer.96 Zweck der Regelung ist es vor allem, sicherzustellen, dass eine versicherte Person, die einen anderen mit dem Abschluss einer Versicherung in ihrem Interesse beauftragt oder zumindest von einer solchen Versicherung profitiert, diesem die Kenntnis über alle risikorelevanten Umstände verschafft. Damit soll eine Umgehung der Vorschriften über die vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung verhindert werden, die ansonsten ausgehebelt werden könnten, indem etwa ein anderer als Versicherungsnehmer vorgeschickt wird.97 Die Mitversicherten trifft bei der Versicherung für fremde Rechnung keine eigenständige Anzeigepflicht.98 Außerdem ging der Normgeber davon aus, dass eine Fremdversicherung häufig im Auftrag, jedenfalls aber mit Wissen der versicherten Person abgeschlossen werde. Dadurch finde regelmäßig schon im Vorfeld eine ausreichende Kommunikation zwischen der versicherten Person und dem Versicherungsnehmer statt. Sei die Kommunikation und damit der notwendige Informationstransfer gestört, solle dadurch nicht der Versicherer, der in das Innenverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem regelmäßig keinen Einblick habe, benachteiligt werden.99 § 47 Abs. 2 S. 1 VVG modifiziert den Grundsatz der weitgehenden Zurechnung des ersten Absatzes dahingehend, dass eine Wissenszurechnung nicht erfolgt, wenn der Versicherungsvertrag ohne das Wissen des Versicherten abgeschlossen worden ist oder dem Versicherten eine rechtzeitige Benachrichtigung des Versicherungsnehmers nicht möglich oder zumutbar war. Bei der D&O-Versicherung ist der Abschluss des Vertrags den versicherten Personen nicht immer bekannt.100 Allerdings hat die Zahl dieser Fälle in den letzten Jahren mit der Standardisierung des Produkts und dessen gewachsener Bedeutung bei der Rekrutierung von Führungskräften merklich abgenommen, da die meisten Mitglieder von Geschäftsführungsorganen mittlerweile vom Abschluss einer D&O-Versicherung wissen.101 Fehlt es dennoch an ihrer Kenntnis, so ist die Rückausnahmeregelung des § 47 Abs. 2 S. 2 VVG zu beachten: Der Versicherer muss den Einwand, der Vertrag sei ohne das Wissen der Versicherten geschlossen worden, nicht gegen sich gelten lassen, sofern der Vertragsschluss ohne 96

Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 54. Langheid/Grote, VersR 2005, 1165, 1167. 98 Dazu ausf. unter § 6 III. 1. 99 Langheid/Grote, VersR 2006, 1665, 1167. 100 Vgl. Lange, VersR 2006, 605, 607; Terbille/Sieg, § 17 Rn. 65; zur „Vertraulichkeit der Deckung“ ferner Haller, Organhaftung und Versicherung, Rn. 416. 101 R. Koch, WM 2007, 2173, 2181. 97

§ 9 Anzeigepflichtverletzung der Aktiengesellschaft 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Auftrag der Versicherten erfolgte und der Versicherungsnehmer dies bei Vertragsschluss dem Versicherer nicht angezeigt hat. Eine Zurechnung soll also nicht stattfinden, wenn es dem Versicherungsnehmer nicht möglich ist, den notwendigen Informationsfluss zum Versicherer sicherzustellen und er den Versicherer darüber rechtzeitig informiert, indem er anzeigt, ohne Auftrag der versicherten Personen zu handeln. In einem solchen Fall liegt es im Risikobereich des Versicherers, den Vertrag trotz dieser Umstände abzuschließen, davon Abstand zu nehmen oder weitere Fragen zu stellen.102 Praktisch kommt es aber beim Abschluss von D&O-Verträgen äußerst selten vor, dass der Versicherungsnehmer anzeigt, ohne Auftrag des Versicherten zu handeln.103 Eine solche Anzeige, die hinreichend individualisiert werden muss, wenn der Versicherungsnehmer nicht ohne Auftrag jeglicher Versicherter handelt,104 ist grundsätzlich beim Abschluss einer D&O-Versicherung auch nicht sinnvoll. Denn sie kann eine Zurechnung nur dann verhindern, wenn die entsprechenden Versicherten tatsächlich keine Kenntnis vom Vertragsschluss haben, was regelmäßig weder Versicherer noch Versicherungsnehmer mit ausreichender Sicherheit beurteilen können. Nur wenige Versicherer werden sich bereit erklären, den Vertrag ohne erhebliche Prämienaufschläge auf einer solch unsichereren Grundlage abzuschließen. Um die Wissenszurechnung wirksam einzuschränken, sind vertragliche Vereinbarungen vorzuziehen. Der Versicherungsnehmer muss sich daher grundsätzlich die Kenntnis aller versicherten Personen zurechnen lassen. Dafür ist nicht erforderlich, dass er vom Versicherer vor dem Vertragsschluss ausdrücklich auf die Systematik des § 47 VVG aufmerksam gemacht wird.105 Eine solche Pflicht ist weder Teil der Informationspflichten des Versicherers noch kann sie auf § 242 BGB gestützt werden. Die grundsätzliche Wissenszurechnung aller Versicherten spricht klar gegen die Behauptung, es genüge für den Versicherungsnehmer regelmäßig, wenn die vorgelegten Fragebögen von irgendeinem Vorstandsmitglied ausgefüllt und unterschrieben würden, sodass im Zweifel das dienstjüngste Mitglied, das von den risikorelevanten Vorgängen im Unternehmen am wenigsten Kenntnis habe, heranzuziehen sei.106

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s. Langheid/Grote, VersR 2006, 1665, 1167. Vgl. Terbille/Sieg, § 17 Rn. 65; Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 64; Lange, VersR 2006, 605, 607. Auch im Fall LG Düsseldorf, Urteil vom 26. 1. 2006, 11 O 591/04, S. 16 (nicht veröffentlicht) unterblieb eine solche Anzeige. 104 Näher Lange, VersR 2006, 605, 608. 105 In diese Richtung aber zur – § 47 VVG inhaltlich entsprechenden – Vorgängervorschrift (§ 79 VVG aF) Langheid/Grote, VersR 2006, 1665, 1167. 106 So aber anscheinend Hendricks im Rahmen der 661. Mitgliederversammlung des Versicherungswissenschaftlichen Vereins am 9. 12. 2004 in Hamburg, zitiert nach Schleif, ZfV 2005, 12, 13. 103

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5. Teil: Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung

4. Repräsentanten, Wissenserklärungs- und Wissensvertreter a) Repräsentant Die für die vorvertragliche Anzeigepflicht bei der D&O-Versicherung relevante Zurechnung geht aber über die Zurechnung des Wissens der Organwalter als Eigenwissen der juristischen Person, der Vertreter und der versicherten Personen hinaus. Die Rechtsprechung hat mit dem Repräsentanten, dem Wissenserklärungs- und dem Wissensvertreter Rechtsfiguren geschaffen, die dazu dienen sollen, dem Versicherungsnehmer im Rahmen der versicherungsrechtlichen Obliegenheiten die Kenntnis, das Verhalten und die Erklärungen seiner Hilfspersonen anzulasten. Die rechtsfortbildende Maßnahme wurde als notwendig erachtet, da dem Versicherungsnehmer, der nicht juristische Person ist, ansonsten grundsätzlich nur das Wissen seiner Vertreter zuzurechnen war, §§ 20 VVG (§ 19 VVG aF), 166 Abs. 1 BGB. § 278 BGB ist nach zutreffender und ganz herrschender Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum auf versicherungsrechtliche Obliegenheiten nicht anwendbar. Vielmehr setzt die Vorschrift eine echte Verbindlichkeit voraus.107 Die Anwendung des § 278 BGB auf Obliegenheiten würde ferner zu einer unangemessen Einschränkung des Deckungsschutzes für den Versicherungsnehmer führen.108 Im Folgenden soll in einem ersten Schritt auf die Figur des Repräsentanten, in einem zweiten auf die des Wissenserklärungsvertreters und abschließend auf den sog. Wissensvertreter eingegangen werden. Beim Repräsentanten des Versicherungsnehmers handelt es sich um eine von der versicherungsrechtlichen Rechtsprechung entwickelten Spezialfigur, die in den sonstigen Rechtsgebieten keine Parallelen aufweist, obwohl auch dort zum Teil mit dem Begriff „Repräsentant“ gearbeitet wird.109 Ausgangspunkt waren Entscheidungen des Reichsgerichts, in denen es einen allgemeinen Rechtsgedanken des Inhalts weiterentwickelte, einem Versicherungsnehmer das Wissen derjenigen Person zuzurechnen, die er mit der Wahrnehmung einer Anzeigeobliegenheit betraut hatte.110 Der BGH

107 Ständige Rechtsprechung, vgl. nur RGZ 97, 279, 281; BGHZ 11, 120, 122 f. = NJW 1954, 148 m.w.Nachw.; BGH NJW 1981, 1098; aus dem Schrifttum Palandt/Grüneberg, § 278 Rn. 24; Staudinger/Löwisch/Caspers (2009), § 278 Rn. 46; Behrens, Drittzurechnung im Privatversicherungsrecht, S. 69 ff. (auch gegen einen Analogieschluss); Buck, Wissen und juristische Person, S. 174; Rühl, Obliegenheiten im Versicherungsvertragsrecht, S. 207 m.w.Nachw.; Schirmer, Repräsentantenbegriff im Wandel, S. 5 f.; ders., r+s 1999, 1, 2; Knappmann, Drittwirkung von Versicherungsverträgen, S. 29, 31; Schimikowski, VW 1996, 626; anders noch die Vertreter der Auffassung, die Anzeigepflicht sei als echte Rechtspflicht einzuordnen, vgl. etwa Küpper-Fahrenberg, Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht durch Dritte, S. 16, 18, 23 ff.; zudem Prölss/Martin/Prölss, § 6 Rn. 48. 108 Staudinger/Löwisch/Caspers (2009), § 278 Rn. 46; Schirmer, Repräsentantenbegriff im Wandel, S. 6 ff. 109 Vgl. Schirmer, Repräsentantenbegriff im Wandel, S. 10. 110 Vgl. nur RGZ 97, 279, 281 f.; RGZ 101, 402, 403. Ausf. u. m.w.Nachw. zur Entwicklung des Rechtsinstituts in den Entscheidungen des Reichsgerichts Bruns, Zurechnung von Wissen,

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hat diese Entwicklung aufgegriffen und rechtsfortbildend weitergeführt,111 differenziert allerdings nicht ausnahmslos exakt zwischen Repräsentanten, Wissenserklärungs- und Wissensvertretern, sondern stellt bisweilen allgemein auf die „Repräsentanz“ ab.112 Bei den Repräsentanten im eigentlichen Sinn geht es um Personen, die den Umgang mit dem versicherten Risiko pflegen und damit ein tatsächliches Verhalten an den Tag legen.113 In stetiger Rechtsprechung ist anerkannt, dass sich der Versicherungsnehmer deren Verhalten und Wissen zurechnen lassen muss.114 Als Repräsentant in diesem Sinne gilt zum einen, wer im Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertretungs- oder sonstigen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist.115 Dies ist dann der Fall, wenn er die sog. Risikoverwaltung übernommen hat, was bedeutet, dass er befugt ist, selbständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang für den Versicherungsnehmer zu handeln.116 Ob eine Übernahme der Risikoverwaltung vorliegt, ist anhand einer Gesamtbetrachtung der Umstände festzustellen.117 Repräsentant kann jedoch darüber hinaus auch sein, wer nicht die Risiko-, sondern die Vertragsverwaltung übernommen und Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag wahrzunehmen hat.118 Um die Vertragsverwaltung zu übernehmen, muss ein Dritter zunächst aufgrund eines Vertretungs- oder ähnlichen Verhältnisses die Verwaltung eines Versicherungsvertrags eigenverantwortlich ausüben.119 Ferner muss die Übertragung von Rechten und Pflichten so umfassend sein, dass der Dritte gewissermaßen an die Stelle des VerS. 5 f.; Leonhardt, Repräsentationsdoktrin im Privatversicherungsrecht, S. 21 ff.; vgl. dazu ferner Beckmann/Matusche-Beckmann/Looschelders, § 17 Rn. 30. 111 Vgl. zur Entwicklung Bruns, Zurechnung von Wissen, S. 6 f.; ferner Beckmann/Matusche-Beckmann/Looschelders, § 17 Rn. 31; Leonhardt, Repräsentationsdoktrin im Privatversicherungsrecht, S. 25 ff., der sich auch ausf. mit der Legitimation der Repräsentantenhaftung auseinandersetzt (S. 131 ff.) und letztlich einen Analogieschluss zu § 278 BGB bejaht (S. 159 ff.). 112 Vgl. Wandt, Versicherungsrecht, Rn. 632. 113 Vgl. Halm/Engelbrecht/Krahe/Wandt, 1. Kap., Rn. 620. 114 Ständige Rechtsprechung, vgl. BGHZ 107, 229, 230 f. = NJW 1989, 1861 m.w.Nachw.; BGHZ 122, 250, 252 f. = NJW 1993, 1862; BGH NJW 1996, 2935; OLG Koblenz r+s 2001, 358, 359; OLG Koblenz r+s 2004, 279, 280. Ausf. zum Repräsentantenbegriff Schirmer, Repräsentantenbegriff im Wandel, S. 18 ff. 115 Vgl. die Rechtsprechungsnachweise in Fn. 114; ferner statt vieler aus dem Schrifttum Schwintowski/Brömmelmeyer, § 28 VVG Rn. 125; Terbille, § 2 Rn. 249; Rühl, Obliegenheiten im Versicherungsvertragsrecht, S. 207. 116 BGHZ 107, 229, 230 f. = NJW 1989, 1861; BGH NJW 1996, 2935; OLG Koblenz r+s 2001, 358, 359; OLG Koblenz r+s 2004, 279, 280; BK/Schwintowski, § 6 Rn. 209; Römer/ Langheid, § 6 Rn. 147. 117 Rüffer/Halbach/Schimikowski/Felsch, § 28 Rn. 103. 118 Vgl. Römer/Langheid, § 6 Rn. 148, 150 f. Gegen eine praktische Bedeutung dieser Rechtsfigur aber Beckmann/Matusche-Beckmann/Looschelders, § 17 Rn. 46. Kritisch auch Leonhardt, Repräsentationsdoktrin im Privatversicherungsrecht, S. 107 ff.; Schirmer, Repräsentantenbegriff im Wandel, S. 30 ff. 119 BGHZ 122, 250, 253 f. = NJW 1993, 1862; BGH NJW 1996, 2935; OLG Koblenz r+s 2001, 358, 359; OLG Koblenz r+s 2004, 279, 280.

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5. Teil: Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung

sicherungsnehmers tritt.120 Für die vorvertragliche Anzeigepflicht beim Vertragsschluss, die nicht den Umgang mit der konkreten Gefahr betrifft, kommt allein eine solche Repräsentantenstellung aufgrund einer Übernahme der Vertragsverwaltung in Betracht.121 b) Wissenserklärungsvertreter Auch außerhalb der Übernahme von Risiko- und Vertragsverwaltung besteht das Bedürfnis, den Versicherungsnehmer für dritte Personen einstehen zu lassen. Im Rahmen der Erfüllung von Anzeige- und Auskunftsobliegenheiten werden ihm deshalb, unabhängig von einem etwaigen tatsächlichen Umgang mit dem versicherten Risiko, die Kenntnisse und Erklärungen, ein Untätigbleiben sowie das Verschulden sog. Wissenserklärungsvertreter zugerechnet. Darunter sind Personen zu verstehen, die mit der Erfüllung von Obliegenheiten für den Versicherungsnehmer betraut sind und in dessen Einverständnis Wissenserklärungen abgeben, ohne jedoch Vertreter iSd §§ 164 ff. BGB zu sein.122 Wissenserklärungen zielen im Gegensatz zu Willenserklärungen nicht darauf ab, eine Rechtsfolge herbeizuführen.123 Die Eigenschaft als Wissenserklärungsvertreter beurteilt sich stets nach der konkret verletzten Obliegenheit.124 Ist sie zu bejahen, erfolgt eine Zurechnung der Erklärungen und Kenntnisse nach überwiegender Auffassung analog § 166 BGB.125 Bei der Wissenserklärungsvertretung handelt es sich um einen eigenen, unabhängigen Zurechnungsgrund, nicht um einen Unterfall der Repräsentantenhaftung.126

120 Vgl. BK/Schwintowski, § 6 Rn. 210; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Felsch, § 28 Rn. 108; Schwintowski/Brömmelmeyer, § 28 VVG Rn. 127; Römer/Langheid, § 6 Rn. 151. 121 Knappmann, r+s 1996, 81, 83. 122 BGHZ 122, 388 f. = NJW 1993, 2112; OLG Dresden VersR 2006, 1526; OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 756, 757; BK/Schwintowski, § 6 Rn. 238; Römer/Langheid, § 6 Rn. 159 f.; Schwintowski/Brömmelmeyer, § 28 VVG Rn. 129 f.; Schwintowski/Brömmelmeyer/Härle, § 19 VVG Rn. 16; Terbille, § 2 Rn. 250; ferner auch BGH VersR 1967, 343, 344; OLG Dresden VersR 2006, 1526. 123 Bruns, Zurechnung von Wissen, S. 29. 124 Beckmann/Matusche-Beckmann/Looschelders, § 17 Rn. 91. 125 s. BGHZ 122, 388, 389 = NJW 1993, 2112; BGH VersR 1967, 343, 344; OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 756, 757; Römer/Langheid, § 6 Rn. 160; Schwintowski/Brömmelmeyer, § 28 VVG Rn. 129 f.; Staudinger/Schilken (2009), Vor §§ 164 ff. Rn. 86; Behrens, Drittzurechnung im Privatversicherungsrecht, S. 29 ff.; Schirmer, Repräsentantenbegriff im Wandel, S. 4; Knappmann, NJW 1994, 3147, 3148; aA Bruns, Zurechnung von Wissen, S. 40, 66, die für Wissenserklärungen § 166 BGB als Analogiegrundlage für unpassend hält und eine Analogie zu § 164 Abs. 1 BGB befürwortet, s. aaO, S. 53 f., 70 f.; vgl. auch dies., ZVersWiss (96) 2007, 485, 490 f.; ebenso Beckmann/Matusche-Beckmann/Looschelders, § 17 Rn. 87. 126 BGHZ 122, 388, 389 = NJW 1993, 2112; BGH VersR 1967, 343, 344; BK/Schwintowski, § 6 Rn. 239; Römer/Langheid, § 6 Rn. 160; Leonhardt, Repräsentationsdoktrin im Privatversicherungsrecht, S. 31; Schirmer, Repräsentantenbegriff im Wandel, S. 11.

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c) Wissensvertreter Neben den Figuren des Repräsentanten und Wissenserklärungsvertreters begründet auch die des Wissensvertreters eine Zurechnung von Wissen eines Dritten an den Versicherungsnehmer. Dabei geht es um die Zurechnung der Kenntnisse Dritter bei eigenen Handlungen des Versicherungsnehmers, wobei der Wissensvertreter typischerweise nicht selbst gegenüber dem Versicherer auftritt.127 Auch der Begriff des Wissensvertreters wurde in Rechtsprechung und Lehre zum Versicherungsrecht entwickelt, um die Zurechnung von Wissen im Rahmen der Obliegenheiten zu regeln.128 Wissensvertreter des Versicherungsnehmers in diesem Sinn ist jeder, der von ihm dazu berufen wurde, für ihn im Rechtsverkehr bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei anfallenden Informationen zur Kenntnis zu nehmen und gegebenenfalls weiterzuleiten, ohne aber Vertretungsmacht zu haben.129 Die Kenntnis des Wissensvertreters wird dem Versicherungsnehmer nach überwiegender Ansicht analog § 166 BGB zugerechnet,130 sodass er dem Bevollmächtigten gleichgestellt ist.131 Zu beachten ist, dass der Wissenserklärungsvertreter zumeist auch Wissensvertreter ist.132 Die Figur des Wissensvertreters war Ausgangspunkt für die allgemeine Wissenszurechnung im Zivilrecht, ein Problem, das ihren Ursprung im Versicherungsrecht hat.133 Bei juristischen Personen geht es bei Licht betrachtet um nichts anderes als eine konkrete, versicherungsrechtliche Ausgestaltung der Kenntniszurechnung unterhalb der Organebene, die aber hinter die speziellen Vorschriften der §§ 20, 47 VVG, § 166 BGB zurücktritt. Für die Zurechnung von Organwissen bedarf es der Rechtsfigur des Wissensvertreters nicht. Die voranstehenden Zurechnungsgrundsätze wurden vom Reformgesetzgeber bewusst nicht kodifiziert; ihre Ausgestaltung sollte der Rechtsprechung überlassen bleiben: Durch eine gesetzliche Regelung könnte „den vielfältigen Kriterien des Einzelfalles, die für die Zuordnung zur Repräsentation des Versicherungsnehmers maßgeblich sein können, nicht entsprochen werden“.134 Auf eine Zurechnung fremden Wissens nach diesen Grundsätzen kommt es allerdings nur dann an, wenn weder eine eigene Kenntnis der juristischen Person infolge der Zurechnung von Organwissen noch 127

Terbille, § 2 Rn. 251. Vgl. Richardi, AcP 169 (1969), 385, 386. 129 s. BGHZ 117, 104, 106 f. = NJW 1992, 1099; Palandt/Ellenberger, § 166 Rn. 6; Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 3/13. 130 Vgl. BGHZ 117, 104, 106 f. = NJW 1992, 1099; Palandt/Ellenberger, § 166 Rn. 6; Behrens, Drittzurechnung im Privatversicherungsrecht, S. 44 ff.; Leverenz, Vertragsschluss nach der VVG-Reform, Rn. 3/13; ferner die Nachw. bei Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 634 f. 131 GroßkommAktG/Habersack, § 78 Rn. 23. 132 Vgl. Halm/Engelbrecht/Krahe/Wandt, 1. Kap., Rn. 628; ders., Versicherungsrecht, Rn. 642. 133 Vgl. Buck, Wissen und juristische Person, S. 155; Faßbender/Neuhaus, WM 2002, 1253, 1255; M. Schultz, NJW 1990, 477. 134 RegE VVG, BT-Drucks. 16/3945, S. 79. 128

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5. Teil: Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung

eine Zurechnung nach den speziellen Regelungen des geschriebenen Rechts der §§ 20, 47 VVG, § 166 BGB erfolgen kann.135 Deshalb stellen sich Qualifikationsfragen, ob eine Person Repräsentant, Wissenserklärungs- oder Wissensvertreter ist, für versicherte Personen bei der Versicherung für fremde Rechnung nicht.136 Vielmehr sind die Mitversicherten aufgrund des Vorrangs des § 47 VVG grundsätzlich nicht als Dritte iSd Terminologie der Rechtsprechung zur „Repräsentantenhaftung“ zu verstehen.137 Dies gilt auch dann, wenn die gesetzlichen Zurechnungsvorschriften vertraglich eingeschränkt werden. In einem solchen Fall ist eine Sperrwirkung der speziellen Zurechnungsvorschrift anzunehmen, sodass ihr vertraglicher Ausschluss nicht zur Anwendbarkeit der Rechtsprechungsgrundsätze führt.

III. Verschulden der Aktiengesellschaft Die Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtverletzung setzen neben der Kenntnis der gefahrerheblichen Umstände – vom Kündigungsrecht abgesehen – auch ein Verschulden des Versicherungsnehmers voraus. Nach Lange werden in der Praxis bisweilen „abenteuerliche Sachverhalte“ vorgetragen, um zu beweisen, dass die Versicherungsnehmerin die Anzeigepflichtverletzung nicht verschuldet habe. Diese Entschuldigungsversuche seien aber von vornherein zum Scheitern verurteilt, da die Kenntniszurechnung ausgehöhlt würde, wären die Folgen der Zurechnung davon abhängig, dass die Versicherungsnehmerin ein Verschulden an der Kommunikationsstörung zwischen ihr und dem Versicherten treffe. Jede Begründung dafür, warum die Versicherungsnehmerin tatsächlich keine Kenntnis vom Wissen eines Versicherten gehabt habe, müsse daher unerheblich sein.138 Diese Betrachtungsweise unterscheidet nicht hinreichend zwischen den Bezugspunkten des Verschuldens. Tatsächlich kommt es weder im Rahmen des § 47 VVG noch bei einer anderweitigen Wissenszurechnung an die juristische Person auf deren Verschulden an einer Kommunikationsstörung an. Schuldhaft muss jedoch die Anzeigepflichtverletzung selbst erfolgen, um zu anderen Rechtsfolgen als der Kündigung gelangen zu können. Da die Aktiengesellschaft nicht originär schuldhaft handeln kann, ist auch auf der Ebene des Verschuldens eine Zurechnung erforderlich. Eine solche kann zunächst – entsprechend der Kenntniszurechnung – auf besonderer, höherer Ebene erfolgen und damit zu einem zugerechneten Eigenverschulden der Aktiengesellschaft führen. Der juristischen Person werden Handeln und Verschulden ihrer Vorstandsmitglieder und anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter entsprechend § 31 BGB zugerechnet. 135 Die Aussage von Langheid/Goergen, VP 2007, 161, 162, die Versicherungsnehmerin müsse sich zunächst die Kenntnis ihrer Wissensvertreter zurechnen lassen, ist deshalb unglücklich gewählt. 136 Vgl. Halm/Engelbrecht/Krahe/Wandt, 1. Kap., Rn. 689; ders., Versicherungsrecht, Rn. 705. 137 Rüffer/Halbach/Schimikowski/Felsch, § 28 Rn. 99, 101. 138 Vgl. Lange, VersR 2006, 605, 608.

§ 9 Anzeigepflichtverletzung der Aktiengesellschaft 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Davon sind nach anerkannter Ansicht entgegen dem zu engen Wortlaut der Vorschrift auch die Organwalter erfasst, die zwar grundsätzlich nicht vertretungsbefugt sind, aber im Einzelfall rechtsgeschäftlich oder tatsächlich tätig werden.139 Deren Handeln und Verschulden werden der Aktiengesellschaft als Eigenhandeln und Eigenverschulden zugerechnet,140 die Zurechnung weist also wiederum eine besondere Qualität auf.141 § 31 BGB zieht insoweit nur die haftungsrechtliche Konsequenz aus der besonderen Funktion der Organe in der körperschaftlichen Organisationsverfassung.142 Voraussetzung der Zurechnung ist, dass die Handlung oder Unterlassung des betreffenden Organwalters objektiv innerhalb seines Wirkungskreises liegt – dabei ist entscheidend, dass ein innerer Zusammenhang zwischen der Handlung und der zugewiesenen Tätigkeit besteht, die Handlung also nicht erkennbar aus dem dienstlichen Bereich herausfällt.143 Allerdings hat die Rechtsprechung § 31 BGB in persönlicher Hinsicht über die vertretungsberechtigten Organwalter hinaus entsprechend angewandt und damit eine sog. Repräsentantenhaftung geschaffen. Die Wendung „verfassungsmäßig berufene Vertreter“ sei weit zu verstehen und umfasse all die Personen, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen seien.144 Diese Grundsätze werden im Hinblick auf die versicherungsrechtlichen Obliegenheiten durch die Rechtsprechungsgrundsätze zur Zurechnung von Verhalten und Verschulden von Repräsentanten und Wissenserklärungsvertretern im Versicherungsrecht ergänzt.145 Da eine Zurechnung unterhalb der Organebene jedoch weder entsprechend § 31 BGB noch nach den versicherungsrechtlichen Rechtsprechungsgrundsätzen ein Eigenhandeln und Eigenverschulden der Gesellschaft begründen kann, sind in solchen Fällen zunächst die speziellen geschriebenen Zurechnungsregelungen heranzuziehen. Denn die Rechtsprechungsgrundsätze dienen lediglich dazu, das geschriebene Recht zu ergänzen. So ist das über die einfache Fahrlässigkeit hinausgehende Verschulden der Vertreter der Aktiengesellschaft bei der D&O-Versicherung, sofern es nicht bereits als Ei139

Statt vieler Martinek, Repräsentantenhaftung, S. 146 m.w.Nachw. Vgl. auch GroßkommAktG/Habersack, § 78 Rn. 22; Jauernig, BGB, § 31 Rn. 1; Spindler/Stilz/Fleischer, § 78 Rn. 54; K. Schmidt, GesR, § 10 IV 1 (S. 273 f.). 141 s. K. Schmidt, GesR, § 10 IV 3 (S. 277). 142 Vgl. Boecken, BGB AT, Rn. 123. 143 s. BGH WM 1959, 80 f.; GroßkommAktG/Kort, § 76 Rn. 170; ders., in: Vorstandsrecht, § 2 Rn. 111; Staudinger/Weick (2005), § 31 Rn. 39 f. m.w.Nachw. aus der Rechtsprechung; Boecken, BGB AT, Rn. 126; Bork, BGB AT, Rn. 214; Larenz/Wolf, BGB AT, § 10 Rn. 90. 144 Vgl. BGHZ 49, 19, 20 f. = NJW 1968, 391 m.w.Nachw.; BGH NJW 1998, 1854, 1856; dazu Boecken, BGB AT, Rn. 124; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 3.314 f.; kritisch Schürnbrand, Organschaft, S. 99 f., 112 ff. Ausf. zu einer Repräsentantenhaftung Martinek, Repräsentantenhaftung, S. 196 ff., der das Rechtsinstitut mit einem Analogieschluss zu § 31 BGB begründet; ähnlich Kleindiek, Deliktshaftung, S. 346 ff. 145 Vgl. dazu die Ausführungen unter II. 4. 140

160 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

5. Teil: Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung

genverschulden der Gesellschaft eingeordnet werden kann, gemäß § 20 VVG mit dem der juristischen Person gleichgesetzt.146 Die Regelung findet keine Anwendung, wenn das Gesetz auf leichte Fahrlässigkeit oder schuldloses Verhalten abstellt – insoweit bleibt es bei den allgemeinen Bestimmungen.147 Dazu gehört insbesondere § 47 VVG, der eine Verschuldenszurechnung von den versicherten Personen an die Versicherungsnehmerin beinhaltet.148 Auch hierbei ist allerdings zu beachten, dass das Verschulden der Versicherten in vielen Fällen schon auf besonderer Ebene der Gesellschaft als Eigenverschulden zugerechnet wurde, sodass es auf § 47 VVG nicht ankommt.

IV. Sonderfall der arglistigen Täuschung Für eine arglistige Täuschung der Aktiengesellschaft ist es erforderlich, ihr neben der Kenntnis und dem Verschuldensbestandteil der Arglist auch das einer Täuschung immanente Verhalten einer Hilfsperson zuzurechnen. Zu beachten ist, dass eine klare Trennung der Begriffe „Arglist“ und „Täuschung“ nicht möglich ist, da der Arglistbegriff bei Licht betrachtet auch Bestandteil des Täuschungsbegriffs ist.149 Entgegen abweichender Ansicht150 kann das voluntative Element der Arglist noch nicht allein deshalb bejaht werden, weil ihr kognitives Element infolge einer Wissenszurechnung erfüllt ist. Ansonsten würde aus Gründen des Verkehrsschutzes auf eine dogmatisch nicht haltbare Konstruktion zurückgegriffen und faktisch auf den Wollensbestandteil der Arglist verzichtet. Da dies nicht zulässig ist, muss auch das voluntative Element der Arglist dem Versicherungsnehmer zugerechnet werden können, um eine vollständige arglistige Täuschung iSd § 123 BGB zuzurechnen. Ist insoweit eine Zurechnung auf höherer Ebene möglich, führt eine solche zu einer eigenen arglistigen Täuschung der Aktiengesellschaft. Kommt dagegen eine qualifizierte Zurechnung nicht in Betracht, kann eine arglistige Täuschung der juristischen Person gemäß den oben erörterten Grundsätzen zur Zurechnung von Wissen, Verschulden und Verhalten unterhalb der Organebene als Fremdtäuschung zugerechnet werden. Umstritten ist dabei, ob § 47 VVG bei einer arglistigen Täuschung von Versicherten als Zurechnungsgrundlage anwendbar ist. Von der herrschenden Auffassung in Rechtsprechung151 und Schrifttum152 wird diese Frage bejaht. Die Gegenansicht be146 147 148

Dazu Beckmann/Matusche-Beckmann/Looschelders, § 17 Rn. 8. Bruck/Möller/Rolfs, § 20 Rn. 17. Gegen eine Zurechnungsregel (zumindest) beim Verschulden Schimikowski, VW 1996,

626. 149

Vgl. bereits § 8 Fn. 438. So BGHZ 109, 327, 332 f. = NJW 1990, 975; Palandt/Ellenberger, § 166 Rn. 8; Prölss/ Martin/Prölss, § 6 Rn. 81. 151 Vgl. etwa BGH NJW-RR 1992, 161, 162. 152 Vgl. Looschelders/Pohlmann/R. Koch, § 47 Rn. 5; Prölss/Martin/Prölss, § 79 Rn. 1; Römer/Langheid, § 22 Rn. 15; Beckmann/Matusche-Beckmann/Armbrüster, § 6 Rn. 98; Terbille, § 2 Rn. 263; Terbille/Sieg, § 17 Rn. 65; Lange, ZIP 2006, 1680, 1682 f. 150

§ 9 Anzeigepflichtverletzung der Aktiengesellschaft 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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rief sich bis zur Reform des Versicherungsvertragsrechts auf den Wortlaut der Vorgängervorschrift des § 47 VVG, § 79 VVG aF. Dort heißt es: „Soweit nach den Vorschriften dieses Gesetzes die Kenntnis und das Verhalten des Versicherungsnehmers von rechtlicher Bedeutung ist …“. Demnach wurde argumentiert, §§ 123, 142 BGB seien nicht Vorschriften „dieses“, sondern eines anderen Gesetzes, was dazu führe, dass bei der arglistigen Täuschung die Voraussetzungen des § 79 VVG aF nicht vorlägen.153 Dem wurde bereits damals zutreffend entgegengehalten, § 123 BGB sei über die Verweisung in § 22 VVG als „Vorschrift dieses Gesetzes“ anzuerkennen.154 Im Zuge der Reform des Versicherungsvertragsrechts wurde der Wortlaut des § 47 VVG im Vergleich zu seiner Vorgängervorschrift in der Weise geändert, dass nunmehr nicht mehr auf eine „Vorschrift dieses Gesetzes“ abgestellt wird. Jetzt heißt es nur noch: „Soweit die Kenntnis und das Verhalten des Versicherungsnehmers von rechtlicher Bedeutung sind …“. Aus dieser Wortlautänderung ergibt sich, dass jedenfalls nach neuer Rechtslage § 47 VVG grundsätzlich auch auf die arglistige Täuschung angewandt werden kann.155 Tatsächlich ist es allerdings gar nicht nötig, § 47 VVG in solchen Fällen heranzuziehen. Denn eine arglistige Täuschung muss nur dann zugerechnet werden, wenn die Zurechnung zu einer Eigentäuschung der juristischen Person führt. Ansonsten kann der Versicherer den Vertrag bereits nach § 123 Abs. 1 iVm Abs. 2 BGB anfechten. Das Anfechtungsrecht infolge der arglistigen Täuschung eines Dritten besteht zwar gemäß § 123 Abs. 2 S. 1 BGB grundsätzlich nur dann, wenn der Versicherungsnehmer die Täuschung kannte oder kennen musste. § 123 Abs. 2 BGB verfolgt den Zweck, die Anfechtungsmöglichkeit des Getäuschten zu beschränken und das Täuschungsrisiko zwischen den verschiedenen Beteiligten angemessen zu verteilen, weil die Person des Täuschenden gemäß § 123 Abs. 1 BGB grundsätzlich unerheblich ist.156 Zu beachten ist aber, dass das Interesse des Getäuschten an der Vertragsaufhebung dem Interesse des Vertragspartners, selbst wenn dieser gutgläubig ist, nur dann nachstehen soll, wenn der Täuschende nicht auf dessen Seite am Zustandekommen des Vertrags mitgewirkt hat.157 Deshalb wird der Begriff des „Dritten“ iSd § 123 Abs. 2 S. 1 BGB restriktiv ausgelegt: Dritter iSd Norm ist nicht jede Person außer dem Erklärenden und dem Erklärungsgegner, sondern nur der am Geschäft Unbetei-

153

Vgl. BK/Hübsch, § 79 Rn. 1; nun auch Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch, § 47 VVG Rn. 2. 154 Prölss/Martin/Prölss, § 79 Rn. 1; Beckmann/Matusche-Beckmann/Armbrüster, 1. Aufl., § 6 Rn. 98. 155 AA aber Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch, § 47 VVG Rn. 2. 156 Vgl. MünchKommBGB/Kramer, § 123 Rn. 22; Staudinger/Singer/v. Finckenstein (2004), § 123 Rn. 45; Bork, BGB AT, Rn. 877. Eine „Zurechnung“ der Täuschung an den Erklärungsempfänger bedarf es damit auf dieser Ebene noch nicht, so aber wohl Boecken, BGB AT, Rn. 526. AA Martens, Durch Dritte verursachte Willensmängel, S. 335 ff., der in § 123 Abs. 2 S. 1 BGB keine Ausnahmeregelung von der grundsätzlich bestehenden Anfechtbarkeit, sondern einen eigenen Anfechtungstatbestand erblickt. 157 Lange, ZIP 2006, 1680, 1681.

162 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

5. Teil: Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung

ligte, der nicht im „Lager“ des Erklärungsempfängers steht.158 So gelten weder Organwalter oder Vertreter des Versicherungsnehmers noch sonstige Personen, deren Verhalten oder Kenntnis dem Versicherungsnehmer zugerechnet werden, als Dritte in diesem Sinne.159 Wird der Versicherer von einem „Nichtdritten“ unterhalb der OrACHTUNGREganACHTUNGREebene arglistig getäuscht, ist es daher nicht erforderlich, dies der Aktiengesellschaft zuzurechnen. Vielmehr führt bereits die arglistige Täuschung der dritten Person zu einer Anfechtungsmöglichkeit gegenüber der Aktiengesellschaft. Obwohl also in solchen Fällen keine Zurechnung der arglistigen Täuschung erforderlich ist, kann die Frage, ob eine Wissens- und Verhaltenszurechnung, etwa nach § 47 VVG, grundsätzlich möglich wäre, im Vorhinein relevant werden, wenn es darum geht, ob eine Person als Dritter oder „Nichtdritter“ iSd § 123 Abs. 2 BGB anzusehen ist. Zu beachten ist außerdem stets, dass § 123 Abs. 2 BGB nur heranzuziehen ist, wenn nicht bereits eine Zurechnung auf höherer Ebene erfolgen kann, die zu einer arglistigen Täuschung der juristischen Person selbst führt.160 Auf eine Wissenszurechnung an die Gesellschaft ist ferner dann abzustellen, wenn der Versicherer von einem Dritten iSd § 123 Abs. 2 S. 1 BGB getäuscht wurde, der nicht im „Lager“ des Versicherungsnehmers steht. Denn dann ist entscheidend, ob ein Anfechtungsrecht deshalb besteht, weil die Aktiengesellschaft die Täuschung kannte oder kennen musste.

§ 10 Rechtsfolgen der ausgeübten Gestaltungsrechte I. Gesamtwirkung gegenüber Versicherungsnehmer und Versicherten Die weitreichende Zurechnung von Wissen, Verschulden und Verhalten an den Versicherungsnehmer wird im Rahmen der vorvertraglichen Anzeigepflicht bei der D&O-Versicherung insbesondere deshalb zu einem Problem, weil sie die Grundlage der ebenfalls weitreichenden Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtverletzung darstellt. Da es sich bei der D&O-Versicherung um eine Fremdversicherung und einen Vertrag zugunsten Dritter iSd §§ 328 ff. BGB handelt, stehen dem Versicherer vorbehaltlich vertraglicher Modifikationen die Einwendungen aus dem Vertrag grund-

158 Ausf. MünchKommBGB/Kramer, § 123 Rn. 23; Soergel/Hefermehl, § 123 Rn. 32; ferner Larenz/Wolf, BGB AT, § 37 Rn. 17. 159 BGH NJW 1989, 2879, 2880; Erman/Palm, § 123 Rn. 34; Prütting/Wegen/Weinreich/ Ahrens, § 123 Rn. 26 f.; Schwintowski/Brömmelmeyer/Härle, § 22 Rn. 24; Beckmann/Matusche-Beckmann/Knappmann, § 14 Rn. 129; allgemein Staudinger/Singer/v. Finckenstein (2004), § 123 Rn. 48. 160 Dies kommt im Schrifttum nur unzureichend zum Ausdruck, indem häufig pauschal die Organwalter der juristischen Person als „Nichtdritte“ eingeordnet werden, vgl. etwa Erman/ Palm, § 123 Rn. 35.

§ 10 Rechtsfolgen der ausgeübten Gestaltungsrechte 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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sätzlich auch gegenüber den versicherten Dritten zu, § 334 BGB.161 Deshalb wirken sich die Gestaltungsrechte der Kündigung, des Rücktritts, der Vertragsanpassung sowie der Anfechtung und damit auch eine etwaige Leistungsfreiheit des Versicherers nicht nur gegenüber der Gesellschaft als Versicherungsnehmerin aus, sondern sie entfalten regelmäßig Gesamtwirkung auch zu Lasten aller Mitversicherten. Der Eintritt dieser Gesamtwirkung ist grundsätzlich unabhängig davon, ob die Versicherten redlich sind oder nicht.162 Im Schrifttum wird diese Folgerung vereinzelt bestritten,163 teilweise auch als ungeklärt angesehen.164 Dabei wird ersichtlich übersehen, dass die zitierten Fälle, die als Grundlage der Zweifel dienen sollen, anders gelagert sind, da in ihnen regelmäßig keine Fremdversicherung, sondern eine kombinierte Eigen- und Fremdversicherung vorliegt.165 Die hierzu geltenden Grundsätze zum Deckungsanspruch können auf die D&O-Versicherung als Versicherung für fremde Rechnung nicht übertragen werden.166 Denn bei der kombinierten Eigen- und Fremdversicherung kann der Versicherungsnehmer durch eine ihm anzulastende Obliegenheitsverletzung auch seinen eigenen Anspruch auf Versicherungsschutz verlieren. Bei der D&O-Versicherung als reine Fremdversicherung gibt es jedoch keinen eigenen Deckungsanspruch des Versicherungsnehmers, sondern allein Ansprüche der versicherten Dritten. In solchen Fällen überzeugt es nicht, der Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers keinerlei Auswirkungen auf die mit der Leistungspflicht des Versicherers korrespondierenden Ansprüche der Versicherten, die auch aus Sicht des Versicherungsnehmers den wesentlichen Vertragsinhalt darstellen, zuzuschreiben. Für eine solche Sichtweise spricht auch, dass es dem Versicherer bei der Versicherung für fremde Rechnung 161 Vgl. RGZ 161, 23, 27; BGH DB 1967, 635; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch, § 44 VVG Rn. 10; Staudinger/Jagmann (2009), § 334 Rn. 2; Nießen, Versicherung für fremde Rechnung, S. 95 ff.; R. Koch, GmbHR 2004, 160 f.; ders., WM 2007, 2173, 2181; ferner bereits Trautmann, Innenverhältnis bei der Versicherung für fremde Rechnung, S. 19. 162 Vgl. auch BK/Hübsch, § 75 Rn. 4; Beckmann/Matusche-Beckmann/Armbrüster, § 6 Rn. 100; Seibt/Saame, AG 2006, 901, 911. Zu einem weiten Verständnis des Begriffs „Einwendungen“ Bamberger/Roth/Janoschek, § 334 Rn. 2; Palandt/Grüneberg, § 334 Rn. 3; Staudinger/Jagmann (2009), § 334 Rn. 5, 7; Nießen, Versicherung für fremde Rechnung, S. 96; Schmitt, Organhaftung und D&O-Versicherung, S. 159; R. Koch, GmbHR 2004, 160, 161. 163 So Nießen, Versicherung für fremde Rechnung, S. 109. 164 Vgl. etwa Beckmann/Matusche-Beckmann, § 28 Rn. 156 m.Nachw. in Fn. 454. Unklar Kiethe, BB 2003, 537, 541 f., der (im Rahmen des § 2 VVG) zunächst von mehreren Versicherungsnehmern spricht, dann aber vom „Versicherungsschutz zu Gunsten mehrerer Personen“ und die Gesamtwirkung der Bösgläubigkeit davon abhängig machen möchte, ob ein gemeinschaftliches Interesse oder voneinander unabhängige Interessen versichert werden. Dabei verkennt er den Charakter der D&O-Versicherung als Fremdversicherung für fremde Rechnung. Offensichtlich von der D&O-Versicherung als kombinierte Eigen- und Fremdversicherung ausgehend auch MünchKommVVG/Müller-Frank, § 22 Rn. 12. 165 Vgl. Prölss/Martin/Voit/Knappmann, § 7 AHB Rn. 4; ferner auch BGHZ 49, 130, 133; OLG Schleswig r+s 1995, 84, 85 f. 166 s. auch Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 68; ferner Schmitt, Organhaftung und D&OVersicherung, S. 163.

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5. Teil: Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung

nicht zum Nachteil gereichen soll, sich zur Leistung an die Versicherten anstatt an den Versicherungsnehmer zu verpflichten.167 Die Versicherten erwerben ihre Rechte aus einem Vertrag, den sie nicht selbst zustande gebracht haben, sondern den die Gesellschaft mit dem Versicherer abgeschlossen hat. Aus diesem Grund erwerben sie die Rechte nur in der Gestalt, in der sie die Gesellschaft hat entstehen lassen.168 Ohnehin können die Versicherten, wenn im Innenverhältnis zur Gesellschaft keine abweichende Vereinbarung getroffen wurde, nicht in schutzwürdiger Weise auf fortwährenden Deckungsschutz vertrauen: Dem Versicherungsnehmer ist es als „Herr des Vertrags“ grundsätzlich möglich, diesen jederzeit zu beenden oder rückwirkend aufzuheben.169

II. Auswirkungen einer Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung 1. Schuldlose und einfach fahrlässige Anzeigepflichtverletzung Schuldlose und einfach fahrlässige Anzeigepflichtverletzungen führen, sofern bestimmte Umstände vorliegen, zu einem Kündigungsrecht des Versicherers.170 Kündigt der Versicherer ordnungsgemäß, so endet der Vertrag ab dem Zugang der Kündigungserklärung mit Wirkung für die Zukunft. Die Leistungspflichten für die Vergangenheit bleiben damit unberührt. Um weiterhin geschützt zu sein, werden die Vorstandsmitglieder als Vertreter der Aktiengesellschaft regelmäßig versuchen, einen neuen Versicherungsvertrag bei einem anderen Versicherer abzuschließen. Es liegt in ihrem eigenen Interesse, sich möglichst frühzeitig um eine Anschlussdeckung zu bemühen. Der Übergangszeitraum wird regelmäßig von den Nachdeckungsregelungen erfasst, sodass grundsätzlich keine Lücken im Versicherungsschutz zu erwarten sind.171 Kommt es zu einer Vertragsanpassung, weil die Kündigung nach § 19 Abs. 4 VVG ausgeschlossen ist, ist nach hier vertretener Auffassung zu beachten, dass die Vorschrift bei der schuldlosen und einfach fahrlässigen Anzeigepflichtverletzung teleologisch insoweit zu reduzieren ist, als eine Vertragsänderung durch Vereinbarung eines Risikoausschlusses nicht möglich ist, sofern sie die Leistungsfreiheit nach Eintritt eines Versicherungsfalls bewirkt.172

167 Palandt/Grüneberg, § 334 Rn. 1 (allgemein zum Vertrag zugunsten Dritter); Lange, ZIP 2006, 1680, 1682. 168 Vgl. schon zutreffend Lenn, Das Versicherungsgeschäft für fremde Rechnung, S. 122 f. 169 s. auch Terbille/Sieg, § 17 Rn. 154. 170 Dazu ausf. oben unter § 8 I. 171 Zu den Nachdeckungsregelungen vgl. bereits unter § 4 I. 172 Vgl. dazu schon die Ausführungen unter § 8 I. 4. c).

§ 10 Rechtsfolgen der ausgeübten Gestaltungsrechte 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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2. Grob fahrlässige und vorsätzliche Anzeigepflichtverletzung Ist eine Anzeigepflichtverletzung grob fahrlässig oder vorsätzlich erfolgt, kann der Versicherer regelmäßig vom Vertrag zurücktreten. Der wirksam ausgeübte Rücktritt verwandelt den Vertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis. Gemäß § 346 Abs. 1 BGB sind beide Vertragsparteien in der Folge dazu verpflichtet, die empfangenen Leistungen zurückzugewähren, während bestehende Leistungsansprüche grundsätzlich erlöschen. Aus dem Rücktritt des Versicherers ergibt sich für die Aktiengesellschaft als Versicherungsnehmerin kein unmittelbarer Nachteil, da sie keine eigenen Leistungsansprüche hat, die sie verlieren kann. Allerdings ist sie mittelbar betroffen, da die D&O-Versicherung überwiegend in ihrem eigenen Interesse abgeschlossen wird.173 Der Versicherer ist für eingetretene Versicherungsfälle jedoch nur dann leistungsfrei, wenn sich die Verletzung der Anzeigepflicht auf einen Umstand bezieht, der entweder für den Eintritt, die Feststellung des jeweiligen Versicherungsfalls oder für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers kausal ist, § 21 Abs. 2 VVG. Bei der grob fahrlässigen, nicht bei der vorsätzlichen Anzeigepflichtverletzung besteht zudem die Möglichkeit, dass der Rücktritt nach § 19 Abs. 4 VVG ausgeschlossen ist, der Versicherer den Vertrag dafür mit ex-tunc-Wirkung anpassen kann. Die Vertragsanpassung kann nach zutreffender Ansicht – anders als infolge einer schuldlosen oder einfach fahrlässigen Anzeigepflichtverletzung – zur rückwirkenden Leistungsfreiheit des Versicherers gegenüber allen Versicherten führen. 3. Arglistige Anzeigepflichtverletzung Im Fall einer arglistigen Täuschung der Aktiengesellschaft oder eines „Nichtdritten“ iSd § 123 Abs. 2 BGB beim Abschluss des Versicherungsvertrags wird dem Versicherer unabhängig von den §§ 19 ff. VVG und dem danach gegebenen Rücktrittsrecht eine Anfechtungsmöglichkeit eingeräumt, §§ 22 VVG, 123 Abs. 1 BGB. Infolge einer wirksamen Anfechtung wird der Versicherungsvertrag ex tunc nichtig, § 142 Abs. 1 BGB. Die Gesamtwirkung der Anfechtung, nach der der Deckungsschutz für alle versicherten Personen – auch rückwirkend – entfällt,174 ist unter anderem deshalb bedenklich, weil schon das bloße Verschweigen von aufklärungspflichtigen Umständen eine arglistige Täuschung darstellen kann, deren Rechtsfolgen ferner – im Gegensatz zu den sonstigen Gestaltungsrechten – keine vorangehende Fragestellung in Textform voraussetzen.175

173 174 175

Dazu ausf. unter § 5 III. Statt vieler Beckmann/Matusche-Beckmann/Armbrüster, § 6 Rn. 98. Dazu bereits ausf. unter § 8 II.

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5. Teil: Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung

III. Zentrale Problemlage bei der D&O-Versicherung Die Gesamtwirkung der Gestaltungsrechte führt in Verbindung mit der weitreichenden Zurechnung von Wissen, Verschulden und Verhalten an den Versicherungsnehmer zur zentralen Problemlage bei der D&O-Versicherung. Das Problem wurde im Rahmen der bisherigen Ausführungen zwar schon mehrfach am Rande erwähnt, soll an dieser Stelle aber noch einmal explizit dargestellt werden: Beim Versicherungsprodukt „D&O“ kann regelmäßig eine Vielzahl vom Versicherungsschutz umfasster Personen ihre Deckungsansprüche nur auf einen zwischen der Aktiengesellschaft und dem Versicherer geschlossenen Vertrag stützen. Das Schicksal des Vertrags und damit auch der einzelnen Ansprüche hängt nach der oben dargestellten Zurechnungssystematik, nach der der Gesellschaft als Versicherungsnehmerin grundsätzlich etwa die Kenntnisse aller Versicherten zugerechnet werden, von zahlreichen Faktoren ab, die von den einzelnen Versicherten häufig nicht beeinflusst werden können.176 Das Ausmaß des Problems wird bewusst, wenn man sich vor Augen hält, dass regelmäßig alle Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder, häufig auch die leitenden Angestellten der Aktiengesellschaft sowie die Organwalter ihrer Tochtergesellschaften versichert und damit relevante Wissensträger sind. Hinzu kommt, dass häufig auch die Kenntnis bereits ausgeschiedener Organmitglieder zugerechnet wird: Sei es als Eigenwissen, das typischerweise aktenmäßig festzuhalten war, sei es als Fremdwissen, das nach § 47 VVG zugerechnet wird, weil auch die ausgeschiedenen Organwalter regelmäßig noch vom Versicherungsschutz umfasst sind. So kommt es, dass etwa bei DAX-Unternehmen zum Teil mehrere Tausend Personen versichert und damit taugliche Zurechnungssubjekte sind, obwohl regelmäßig nur wenige von ihnen Einfluss auf die wahrheitsgemäße Beantwortung der Fragen gegenüber dem Versicherer haben.177 Ein Rücktritt mit Gesamtwirkung wäre daher auch dann möglich, wenn einer der Versicherten einen Umstand kannte, nach dem im Fragebogen gefragt wurde, ohne dass der Versicherte vom Abschluss des Vertrags, geschweige vom vorgelegten Fragebogen wusste. In solchen Fällen, in denen es an einem Verschulden des Wissensträgers fehlt, kommt ein Organisationsverschulden anderer Organwalter in Betracht, welches der Aktiengesellschaft als eigenes zuzurechnen ist, sodass es in der Folge zu einem Rücktritt vom Vertrag kommen kann. Die vorvertragliche Anzeigepflicht besteht aufgrund der weitgehenden Zurechnung für eine so große Zahl potentiell gefahrerheblicher Umstände, dass diese Umstände auch für die beim Vertragsschluss für die Versicherungsnehmerin Handelnden in einigen Fällen kaum zu überschauen sind. So dürfte es häufig beinahe unmöglich sein, bei einer Vielzahl an Personen nach Umständen zu forschen und darüber hinaus

176

Vgl. Winterling/Harzenetter, VW 2007, 1792, 1794 mit dem passenden Begriff der „Schicksalsgemeinschaft“. Diesen Begriff verwenden auch: Dreher, AG 2008, 429, 435, 437; Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 63, 66. 177 Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 63; Lange, VersR 2006, 605, 606.

§ 10 Rechtsfolgen der ausgeübten Gestaltungsrechte 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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deren Gefahrerheblichkeit richtig einzuschätzen.178 Selbst wenn eine organisatorisch schwierig zu bewerkstelligende Abfrage des Wissens aller zu versichernden Personen dadurch gelingt, dass die vom Versicherer gestellten Fragen entsprechend weitergereicht und die Antworten gesammelt werden, besteht die keineswegs entfernte Möglichkeit, dass die befragten Personen ihr Wissen falsch einordnen, es unzutreffend weitergeben oder schlicht vorsätzlich für sich behalten. Die Weite der Zurechnung von Kenntnissen, Verschulden und Verhalten sowie der Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtverletzung ist dazu prädestiniert, zu unbilligen Situationen zu führen, die mit allgemeinen Gerechtigkeitserwägungen nur schwer vereinbar sind. Das gilt insbesondere für Fälle, in denen die Leistungspflicht des Versicherers gegenüber sämtlichen Mitversicherten mit ex-tunc-Wirkung erlischt und Versicherte davon betroffen sind, die mit der Anzeigepflichtverletzung nichts zu tun hatten, die Obliegenheit darüber hinaus möglicherweise sogar weder kannten noch kennen konnten. In solchen Fällen wird der Versicherte mittelbar für ein Fehlverhalten zur Verantwortung gezogen, an dem er nicht beteiligt war.179 Das vereinzelt vorgetragene Argument, dem vom Geschädigten in Anspruch genommenen Organmitglied, das im Anschluss daran Versicherungsdeckung benötige, sei regelmäßig Kenntnis iSd § 19 VVG vorzuwerfen, weil seine schadensersatzrechtliche Inanspruchnahme Verschulden erfordere,180 ist nicht überzeugend. Dabei wird verkannt, dass die Anzeigepflichtverletzung mit der zum Schadensersatz führenden Handlung nicht unmittelbar zu tun haben muss. Das Kausalitätserfordernis in § 21 Abs. 2 VVG bezieht sich nicht auf die den Schadensersatz auslösende Handlung, sondern vielmehr alternativ auf den Versicherungsfall oder die Leistungspflicht des Versicherers. Ferner ist in Fällen der Arglist keine Kausalität erforderlich, § 21 Abs. 2 S. 2 VVG. Es ist befremdlich, dass es dem Versicherer etwa möglich sein soll, den Vertrag zum Nachteil aller Versicherten und der Versicherungsnehmerin mit Gesamtwirkung anzufechten, obwohl im Rahmen einer Konzernpolice nur ein Organmitglied oder leitender Angestellter einer in den Versicherungsvertrag einbezogenen Tochtergesellschaft bei Abgabe der Vertragserklärung einen gefahrerheblichen Umstand kannte und arglistig verheimlicht hat. Aufgrund solcher Konstellationen ist die Anfechtung „zum schärfsten Schwert“ des D&O-Versicherers geworden.181 Dass es sich dabei nicht nur um theoretische Konstruktionen, sondern um in der Praxis vorkommende Fälle handelt, hat eine Entscheidung des LG Düsseldorf,182 insbesondere aber das Aufsehen erregende Urteil des OLG Düsseldorf im Fall „Comroad“ verdeutlicht. Das Oberlandesgericht verweigerte einem redlichen Mitversicherten den Deckungsschutz, weil der Vorstandsvorsitzende bei der Beantwortung der Risikofragen den 178

Winterling/Harzenetter, VW 2007, 1792. Vgl. auch Langheid/Grote, VersR 2005, 1165, 1167 f. 180 So aber R. Koch, WM 2007, 2173, 2182. 181 Vgl. R. Koch, WM 2007, 2173, 2182; ferner Hendricks, Der Aufsichtsrat 2007, 98, 99: „worst case“. 182 LG Düsseldorf, Urteil vom 26. 1. 2006, 11 O 591/04 (nicht veröffentlicht). 179

168 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

5. Teil: Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung

Versicherer arglistig getäuscht hatte.183 Die Unbilligkeit gegenüber redlichen Personen, die in solchen Konstellationen keinen Versicherungsschutz beanspruchen können und damit unter Umständen in existenzvernichtender Höhe selbst haften müssen, wirft die Frage nach Möglichkeiten auf, die Problemlage zu entschärfen.184 Die Notwendigkeit einer Entschärfung kann nicht mit dem Argument verneint werden, es werde durch die Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtverletzung nicht in von den Versicherten selbst begründete Rechtspositionen eingegriffen.185 Der umfassende Deckungsschutz der Versicherten ist nicht nur wesentlicher Inhalt des Versicherungsprodukts „D&O“, sondern liegt auch im ureigenen Interesse der Versicherungsnehmer. Daher ist nach Möglichkeiten zu suchen, um die bestehenden Gerechtigkeitslücken, die vielen am D&O-Geschäft Beteiligten erst im Laufe der Zeit durch neue Gerichtsurteile oder Abhandlungen im Schrifttum offenbar werden, weitgehend zu schließen. Eine Vertragskonstruktion, nach der der Deckungsschutz für die versicherten Personen im Ergebnis weitgehend vom Zufall abhängt, wird sich auf dem Markt nur solange behaupten können, bis den Vertretern der Versicherungsnehmer dieser Missstand bewusst wird und es keine alternativen Angebote gibt. Die D&O-Versicherung erfüllt ihre Funktion nur dann zufriedenstellend, wenn ein sorgfältig austariertes System von Zurechnung und Rechtsfolgen dafür sorgt, dass die Interessen von Gesellschaft, Versicherten und dem Versicherer angemessen berücksichtigt werden. Allein durch eine solche Ausgestaltung ist die Versicherung zukunftsfähig. Aus diesem Grund ist zunächst die Frage zu beantworten, welche Interessen die an einer D&O-Versicherung beteiligten Parteien verfolgen. Dabei sind die versicherten Organwalter freilich an möglichst umfassender Versicherungsdeckung interessiert. Ihr Interesse deckt sich weitgehend mit dem der Aktiengesellschaft als Versicherungsnehmerin, die weitgehenden Schutz ihrer Organwalter zu einer möglichst günstigen Prämie begehrt. Dies gilt zum einen, weil die meisten D&O-Versicherungsfälle die Innenhaftung betreffen und damit ein unmittelbares Eigeninteresse der Gesellschaft besteht, ihre Ansprüche vollständig verwirklichen zu können. Zum anderen dient die Versicherungsdeckung der Organwalter auch dem Ziel, möglichst qualifizierte Führungskräfte zu rekrutieren, da fehlender Versicherungsschutz ein entscheidendes Kriterium sein kann, sich gegen eine angebotene Stelle zu entscheiden. Das Interesse der Versicherer ist nur scheinbar gegenläufig: Tatsächlich streben diese nicht danach, ihre Leistungspflicht so weit wie möglich zu reduzieren. Ein solches Streben führte nämlich dazu, dass das angebotene Versicherungsprodukt auf dem Markt in absehbarer Zeit nicht mehr zu verkaufen wäre. Im Mittelpunkt steht für die Versicherer ein möglichst hoher Gewinn, was es erfordert, die Vertragsbedingungen weder zu restriktiv noch zu permissiv zu gestalten, sondern vielmehr einen 183

OLG Düsseldorf ZIP 2006, 1677 ff. Ausf. zu dieser grundlegenden Entscheidung unter § 11 II. 3. a). 184 Dazu aus dem Schrifttum R. Koch, WM 2007, 2173, 2180 ff.; Lange, VersR 2006, 605 ff.; Langheid/Grote, VersR 2005, 1165 ff.; Winterling/Harzenetter, VW 2007, 1792 ff. 185 So aber Schmitt, Organhaftung und D&O-Versicherung, S. 158.

§ 11 Einschränkungen der Zurechnung und der Rechtsfolgen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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angemessenen Ausgleich zu finden. So wäre es für den Versicherer nicht hinnehmbar, würde sich seine Leistungsfreiheit grundsätzlich nicht auf die Mitversicherten erstrecken und eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung nur noch derjenigen versicherten Person schaden, von der die Verletzung der Obliegenheit ausgegangen ist, während die anderen Versicherten und der Versicherungsnehmer nicht betroffen wären. Denkbar ist sogar, dass gerade derjenige, der die Anzeigepflicht verletzt hat, keinen Versicherungsschutz benötigt. Die vorvertragliche Anzeigepflicht tangiert die Einschätzung des gesamten versicherten Risikos. Der pauschale Vorschlag, die Deckungsansprüche der beteiligten Versicherten durch eine vertragliche Regelung eigenständig zu behandeln,186 geht daher deutlich zu weit. Die Rollenaufspaltung bei der Versicherung für fremde Rechnung wirkte sich dann zu sehr zu Lasten des Versicherers aus,187 das Gleichgewicht des Versichertenkollektivs käme durcheinander, die Versicherungsprämien wären kaum noch bezahlbar. Für den Versicherer und die Versichertengemeinschaft ist unabdingbar, Missbräuche angemessen sanktionieren zu können, da eine solche Sanktion sowohl präventiv als auch kompensatorisch wirkt. Es ist also notwendig, einen angemessenen Mittelweg zu finden, der sowohl den Versicherungsnehmer und die Versicherten als auch den Versicherer ausreichend schützt, zu klaren Ergebnissen führt und somit auch der Rechtssicherheit dient.188 Dafür ist es jedenfalls erforderlich, sowohl die zu weitgehende Zurechnung an die Aktiengesellschaft als auch die Gesamtwirkung der Gestaltungsrechte einzuschränken. Bevor jedoch auf vertragliche Modifikationen eingegangen wird, ist zunächst zu untersuchen, ob sich nicht bereits aus dem Gesetz Einschränkungen ergeben.

§ 11 Einschränkungen der Zurechnung und der Rechtsfolgen I. Gesetzliche Einschränkungen 1. Rechtsfolgenbegrenzung durch die Reform des Versicherungsvertragsrechts Ausgangspunkt der Suche nach Einschränkungen soll daher sowohl auf der Zurechnungs- als auch auf der Rechtsfolgenebene das Gesetz sein. Dabei ist zunächst zu konstatieren, dass es für den Versicherer infolge der Reform des Versicherungsvertragsrechts schwieriger geworden ist, im Anschluss an eine Anzeigepflichtverletzung des Versicherungsnehmers zur Leistungsfreiheit gegenüber den Versicherten zu gelangen. Eine Erschwernis ist konkret in den Fällen zu verzeichnen, in denen der ACHTUNGREVerschuldensgrad des Versicherungsnehmers bei der Obliegenheitsverletzung die 186 Befürwortend (allerdings ohne Vorschläge für eine konkrete Ausgestaltung) Beckmann/ Matusche-Beckmann, § 28 Rn. 156. 187 Vgl. bereits Schirmer, FS Sieg, S. 451, 479 f. 188 Vgl. Winterling/Harzenetter, VW 2007, 1792, 1794.

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5. Teil: Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung

Schwelle der groben Fahrlässigkeit nicht erreicht hat. Dadurch ist der Versicherer, nachdem die Obliegenheit zur Anzeige gefahrerheblicher Umstände verletzt wurde, relativ gesehen seltener leistungsfrei als vor der Gesetzesänderung, was dazu führt, dass auch die oben erörterten Unbilligkeiten relativ gesehen weniger häufig auftreten. Dennoch sind noch zahlreiche Fallkonstellationen möglich, in denen der Versicherer leistungsfrei wird. Ein Problem ist ferner nicht allein dadurch gelöst, dass es seltener auftritt; den weiterhin betroffenen Versicherten ist dadurch nicht geholfen. 2. § 21 Abs. 2 VVG keine abschließende Problemlösung Vereinzelt wird im Kausalitätserfordernis des § 21 Abs. 2 VVG eine befriedigende und abschließende Lösung des Problems gesehen.189 Nach dieser Vorschrift tritt, sofern keine arglistige Anzeigepflichtverletzung vorliegt, infolge eines Rücktritts des Versicherers keine Leistungsfreiheit ein, wenn sich die Verletzung der Anzeigeobliegenheit auf einen Umstand bezieht, der weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers kausal wurde.190 Daraus ergebe sich eine sachgerechte Lösung in der Form, dass es, wenn sich der Versicherungsnehmer das Wissen einer versicherten Person zurechnen lassen müsse, zwar für den Versicherer weiterhin möglich sei, vom Vertrag zurückzutreten, die versicherten Personen aber geschützt blieben. Tatsächlich kann in der Regelung des § 21 Abs. 2 VVG keine abschließende Problemlösung gesehen werden.191 Zwar geht der Einwand fehl, § 21 VVG helfe praktisch nicht weiter, weil eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung regelmäßig erst im Kontext mit einem eingetretenen Versicherungsfall entdeckt würde, womit Kausalität vorliege und die Vorschrift nicht eingreife.192 Dabei wird übersehen, dass es nicht auf die Ursächlichkeit des Versicherungsfalls für die Entdeckung der Anzeigepflichtverletzung ankommt, sondern umgekehrt auf die der Anzeigepflichtverletzung für den Versicherungsfall. In vielen Fällen dürfte sich eine bestimmte Anzeigepflichtverletzung, die aufgrund der Recherchen im Anschluss an einen Versicherungsfall bekannt wird, auf diesen selbst nicht ausgewirkt haben, womit eine Kausalität zu verneinen wäre. Deshalb ist § 21 Abs. 2 VVG durchaus als praxisrelevante Regelung anzuerkennen. Als Lösung der hier erörterten Problemlage genügt die Vorschrift allerdings nicht. So ist den Versicherten namentlich dann nicht geholfen, wenn der verschwiegene oder 189 Vgl. Langheid/Grote, VersR 2005, 1165, 1169 (zu § 21 VVG aF, der der Sache nach mit § 21 VVG übereinstimmt, vgl. RegE VVG, BT-Drucks. 16/3945, S. 66); sich dem (über die D&O-Versicherung hinaus) anschließend Rüffer/Halbach/Schimikowski/Muschner, § 47 Rn. 8 f.; im Ergebnis zustimmend Schmitt, Organhaftung und D&O-Versicherung, S. 163 f. 190 Dazu bereits unter § 8 I. 5. 191 Kritisch auch Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 67; Winterling/Harzenetter, VW 2007, 1792, 1794. 192 So aber Winterling/Harzenetter, VW 2007, 1792, 1794.

§ 11 Einschränkungen der Zurechnung und der Rechtsfolgen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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unrichtig mitgeteilte Umstand doch für den Versicherungsfall kausal wurde. Solche Fälle sind nicht nur theoretischer Natur: Es ist durchaus vorstellbar, dass von einer anderen Person falsch angegebene oder verschwiegene Umstände für den von einem Versicherten verursachten Versicherungsfall oder die konkrete Leistungspflicht des Versicherers mitursächlich werden. Zu beachten ist außerdem, dass § 21 Abs. 2 VVG nur für vor der Rücktrittserklärung eingetretene Versicherungsfälle gilt. Das ergibt sich aus dem klaren Wortlaut der Vorschrift. Ist der Versicherungsvertrag also erst einmal beendet und treten in der Zukunft weitere Versicherungsfälle auf, ist der Versicherer für diese unabhängig von Kausalitätsüberlegungen leistungsfrei,193 sofern in den Nachdeckungsregelungen keine abweichende Vereinbarung getroffen wurde. Dadurch können erhebliche Deckungslücken entstehen, insbesondere, weil bei der D&O-Versicherung das Claims-Made-Prinzip gilt, nach dem der Versicherungsfall unter Umständen erst lange Zeit nach der ursächlichen Pflichtverletzung eintritt.194 Auch hilft § 21 Abs. 2 VVG in Fällen der arglistigen Anzeigepflichtverletzung nicht weiter, die ausdrücklich von seinem Anwendungsbereich ausgenommen sind. Die entgegenstehende Rechtsprechung des OLG Nürnberg, das entsprechende Kausalitätsüberlegungen auch bei der arglistigen Täuschung anstellte, hat sich zu Recht nicht durchsetzen können. Das Oberlandesgericht hatte entschieden, auch die Arglistanfechtung eines Versicherungsvertrags könne beim Vorliegen bestimmter Umstände dahingehend eingeschränkt sein, dass Leistungsfreiheit nur für die Zukunft, nicht aber für einen bereits abgeschlossenen Versicherungsfall eintrete.195 Wenn der Versicherungsfall mit den Umständen, in Ansehung derer die Täuschung erfolgt sei, nichts zu tun habe, stelle es eine unzulässige Rechtsausübung iSd § 242 BGB dar, sich auf eine Anfechtung des Versicherungsvertrags zu berufen. Das schutzwürdige Interesse der Versicherer sei in solchen Fällen ausreichend gewahrt, wenn die Nichtigkeit des Vertrags auf die Zeit nach der Anfechtungserklärung begrenzt werde.196 Diese Rechtsprechung hat das OLG Nürnberg später vertieft:197 Die Regelung der Rechtsfolgen nach der Anfechtung des Versicherungsvertrags wegen arglistiger Täuschung verstoße gegen das vertragliche Äquivalenzprinzip und sei zudem verfassungswidrig, die dadurch entstehende Lücke über eine verfassungskonforme Auslegung zu schließen. Die Verfassungswidrigkeit ergebe sich aus dem Umstand, dass der Versicherer trotz Wegfall des Versicherungsschutzes ex tunc seinen Prämienanspruch gemäß § 40 VVG aF behalte.198 Die rückwirkende Nichtig193 Vgl. BGH NJW-RR 2001, 1170; Lange, VersR 2006, 605, 609; Langheid/Müller-Frank, NJW 2002, 403, 407; Seibt/Saame, AG 2006, 901, 911 m. Fn. 75; Winterling/Harzenetter, VW 2007, 1792, 1794. 194 Lange, VersR 2006, 605, 609. 195 OLG Nürnberg NJW-RR 1998, 535 f. 196 OLG Nürnberg NJW-RR 1998, 535, 536. 197 OLG Nürnberg r+s 2000, 397 ff.; vgl. ferner OLG Nürnberg VersR 2001, 1368 m. Anm. Tecklenburg (S. 1369). 198 OLG Nürnberg r+s 2000, 397 ff.

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5. Teil: Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung

keit der Anfechtung sei bei einem vollzogenen Versicherungsvertrag auf eine exnunc-Wirkung ab dem Zeitpunkt der Anfechtungserklärung zu beschränken, wenn der Versicherungsfall mit den entsprechenden Gefahrumständen nicht im Zusammenhang stehe.199 Diese Auffassung erntete in der übrigen Rechtsprechung wie auch im Schrifttum zu Recht einhellig Kritik.200 Die „relative Nichtigkeit“ des Versicherungsvertrags liefe auf eine wortlaut- und systemwidrige Geltung des § 21 VVG in Fällen der Anfechtung hinaus.201 Dadurch würde die richterliche Gesetzesbindung missachtet, was auch nicht damit zu begründen ist, dass sich der Versicherer in Ausnahmefällen gemäß § 242 BGB nicht auf die Leistungsfreiheit berufen kann.202 Für einen Analogieschluss fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke.203 Insbesondere ist der Schluss aus der vermeintlichen Verfassungswidrigkeit des § 40 VVG aF auf eine contra-legem-Auslegung der gesetzlichen Rechtsfolgen einer Anfechtung nicht nachvollziehbar. Unter der Prämisse der Verfassungswidrigkeit des § 40 Abs. 1 VGG aF wäre die Norm nicht anzuwenden und damit der Prämienanspruch zu verneinen gewesen.204 Im Gegensatz zum Arbeits- und Gesellschaftsrecht bereitet die Rückabwicklung des Versicherungsvertrags auch keine gravierenden Probleme.205 Nach einem Urteil des BGH, in dem dieser die Verfassungsmäßigkeit des § 40 Abs. 1 VVG aF auch in der Alternative der Anfechtung des Versicherungsvertrags bestätigt hatte,206 gab das OLG Nürnberg seine bisherige Rechtsprechung ausdrücklich auf.207 Ohnehin kann der Versicherer nach der Reform des Versicherungsvertragsrechts gemäß § 39 Abs. 1 S. 2 VVG nF die Prämie bei der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nur noch bis zum Zugang der Anfechtungserklärung beim Versicherungsnehmer verlangen. Der Kausalitätsgegenbeweis entsprechend § 21 Abs. 2 VVG steht dem Versicherungsnehmer daher bei der Anfechtung wegen arglistiger

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OLG Nürnberg r+s 2000, 397, 399 f. Vgl. OLG Köln r+s 2001, 468, 471; OLG Saarbrücken NVersZ 2001, 350, 351; LG Berlin VersR 2001, 177 f.; Dreher, VersR 1998, 539 ff.: „versicherungsrechtliche Mitleidsrechtsprechung“ (S. 541); ferner Römer/Langheid, § 22 Rn. 19; Staudinger/Looschelders/ Olzen (2009), § 242 Rn. 434; Uhlenbrock, Lösungsrechte des Versicherers, S. 242 ff.; Langheid/Müller-Frank, NJW 1998, 3680, 3682; dies., NJW 2001, 111, 112 f.; Rixecker, zfs 2000, 256; Tecklenburg, VersR 2001, 1369. 201 Vgl. OLG Saarbrücken NVersZ 2001, 350, 351; LG Berlin VersR 2001, 177 f.; Römer/ Langheid, § 22 Rn. 19; Staudinger/Looschelders/Olzen (2009), § 242 Rn. 434; Langheid/ Müller-Frank, NJW 1998, 3680, 3682. 202 Vgl. Dreher, VersR 1998, 539 ff.; Langheid/Müller-Frank, NJW 1998, 3680, 3682; dies., NJW 2001, 111, 113. 203 LG Berlin VersR 2001, 177, 178. 204 OLG Saarbrücken NVersZ 2001, 350, 351; Römer/Langheid, § 22 Rn. 19; Langheid/ Müller-Frank, NJW 2001, 111, 113; Rixecker, zfs 2000, 256; Tecklenburg, VersR 2001, 1369. 205 Langheid/Müller-Frank, NJW 2001, 111, 113. 206 BGHZ 163, 148 ff. = NJW 2005, 2549. 207 OLG Nürnberg r+s 2006, 409, 410. 200

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Täuschung nicht offen.208 Im Ergebnis kann § 21 Abs. 2 VVG keine abschließende Problemlösung darstellen. 3. Keine Rechtsfolgenbegrenzung durch § 123 Abs. 1 VVG In Betracht kommt, § 123 Abs. 1 VVG auf die D&O-Versicherung anzuwenden und damit die Gesamtwirkung der Gestaltungsrechte einzuschränken. Die Vorschrift ordnet entgegen dem sich aus § 334 BGB ergebenden Regelfall eine getrennte Beurteilung der Leistungsfreiheit gegenüber dem Versicherungsnehmer und den Versicherten an. Danach kann ein Versicherer, der gegenüber dem Versicherungsnehmer leistungsfrei ist, diese Leistungsfreiheit einem Versicherten bei der Versicherung für fremde Rechnung nur dann entgegenhalten, wenn die zu Grunde liegenden Umstände in der Person des Versicherten vorliegen, diesem bekannt waren oder dessen Nichtkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruht. Die Regelung setzt nach ihrem eindeutigen Wortlaut ferner voraus, dass der Versicherte zur selbständigen Geltendmachung seiner Rechte aus dem Versicherungsvertrag befugt ist. Da er dabei gemäß § 44 VVG grundsätzlich auf die Mitwirkung des Versicherungsnehmers angewiesen ist, erfordert § 123 Abs. 1 VVG, dass der Versicherungsvertrag abweichend von der dispositiven gesetzlichen Regelung ausgestaltet ist. Dieses Erfordernis einer vom Gesetzesrecht abweichenden Rechtsposition des Versicherten war schon in der Vorgängervorschrift des § 123 VVG, § 158i VVG aF, enthalten und wurde bereits seinerzeit als Ungereimtheit kritisiert.209 Dennoch hat der Reformgesetzgeber die Vorschrift insoweit nicht geändert. Bei der D&O-Versicherung genügt allerdings auch eine entsprechende vertragliche Vereinbarung, nach der die Versicherten befugt sind, ihre Rechte aus dem Versicherungsvertrag selbständig geltend zu machen, nicht, um die Rechtsfolgen des § 123 Abs. 1 VVG auszulösen. Denn aus der systematischen Stellung der Vorschrift ergibt sich, dass sie lediglich für Verträge im Rahmen der Pflichtversicherung anwendbar ist. Um eine Pflichtversicherung handelt es sich bei der D&O-Versicherung aber gerade nicht.210 Vielmehr stellt die D&O-Versicherung eine freiwillige Versicherung für fremde Rechnung dar, für die es an einer entsprechenden Regelung, nach der vom Grundsatz der Gesamtwirkung der Gestaltungsrechte abgewichen werden kann, fehlt. 4. Keine Rechtsfolgenbegrenzung durch § 29 VVG Auch eine Anwendung von § 29 VVG kommt grundsätzlich nicht in Betracht, um die Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtverletzung gegenüber den Versicherten einzuschränken. Nach dieser Vorschrift ist der Versicherer infolge von Obliegenheitsverletzungen nur zum Teilrücktritt oder zur Teilkündigung berechtigt, sofern die Rück208 209 210

Vgl. Römer/Langheid, § 22 Rn. 19. Vgl. Schwintowski/Brömmelmeyer/Huber, § 123 VVG Rn. 7. So im Ergebnis auch Terbille/Sieg, § 17 Rn. 154.

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5. Teil: Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung

tritts- oder Kündigungsvoraussetzungen nur „bezüglich eines Teils der Gegenstände oder Personen“ vorliegen, „auf die sich die Versicherung bezieht“. Eine Vertragsanfechtung infolge einer arglistigen Täuschung ist dagegen von § 29 VVG nicht erfasst.211 Entgegen anderer Ansicht212 scheitert die Anwendung der Vorschrift bei einem Rücktritt oder einer Kündigung jedoch nicht schon daran, dass sie hinter § 47 VVG zurücktritt. § 47 VVG ist nicht als lex specialis anzusehen, weil die Norm einen anderen Regelungsbereich als § 29 VVG betrifft. Während § 47 VVG eine Zurechnung von Kenntnissen und Verhalten normiert, in deren Folge eine Anzeigepflichtverletzung des Versicherungsnehmers eintreten kann, modifiziert § 29 VVG die grundsätzlich eintretenden Rechtsfolgen nach einer solchen Obliegenheitsverletzung, sodass eine Spezialität abzulehnen ist.213 Allerdings gelangt § 29 VVG nur dann zur Anwendung, wenn die einzelnen Teile des Versicherungsvertrags, auf die sich ein Teilrücktritt oder eine Teilkündigung beziehen kann, voneinander unabhängig sind.214 Eine Anzeigepflichtverletzung des Versicherungsnehmers betrifft jedoch, selbst wenn sie erst durch zugerechnete Kenntnis der Versicherten eintritt, nicht nur einen selbständigen und abtrennbaren Teil des Versicherungsvertrags, sondern vielmehr das gesamte versicherte Risiko. Von der Anzeigepflichtverletzung ist also grundsätzlich der Gesamtvertrag berührt, nicht nur das sich auf denjenigen Versicherten beziehende Segment, dessen Kenntnis oder Verhalten für die Obliegenheitsverletzung ursächlich war.215 Aus diesem Grund ist § 29 VVG im Rahmen der D&O-Versicherung nicht anwendbar.216 Als Lösungsmöglichkeit scheidet es darüber hinaus – entgegen abweichender Auffassung217 – aus, die Vorschrift analog oder ihren Rechtsgedanken heranzuziehen: Schon eine vergleichbare Interessenlage läge nur dann vor, wenn der Versicherer den restlichen Vertragsteil auch bei Kenntnis des zum Rücktritt oder zur Kündigung berechtigenden Umstands zu unveränderten Bedingungen abgeschlossen hätte, der Umstand also allein für den betroffenen Vertragsteil bedeutend war.218 Das Vorliegen eines solchen Umstands, der sich nicht auf den Gesamtvertrag auswirkt, ist im Rahmen der D&O-Versicherung nur schwer vorstellbar. Jedenfalls fehlt es aber an einer planwid211 OLG Düsseldorf ZIP 2006, 1677, 1680; Looschelders/Pohlmann/Haehling v. Lanzenauer, Anhang C Rn. 64; MünchKommVVG/Wandt, § 29 Rn. 6; Beckmann/Matusche-Beckmann/Knappmann, § 14 Rn. 143. 212 Vgl. (zu § 79 VVG aF) Langheid/Grote, VersR 2005, 1165, 1168. 213 So bereits zutreffend Lange, VersR 2006, 605, 611 m. Fn. 68. 214 Vgl. BK/Harrer, § 30 Rn. 1. 215 Ähnlich Looschelders/Pohlmann/Haehling v. Lanzenauer, Anhang C Rn. 64; Lange, ZIP 2006, 1680, 1682 m. Fn. 14; mit abweichender Begründung allerdings ders., VersR 2006, 605, 611; ferner auch Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 68: § 29 Abs. 1 VVG betreffe nur den Fall, dass mehrere Versicherungsnehmer das gleiche Interesse versichert hätten. Ebenso Schmitt, Organhaftung und D&O-Versicherung, S. 162. Diese Lesart überzeugt allerdings nicht und wird auch durch den Verweis auf Prölss/Martin/Prölss, § 30 Rn. 1a nicht gestützt. 216 AA MünchKommVVG/Wandt, § 29 Rn. 14. 217 Langheid/Grote, VersR 2005, 1165, 1168. 218 Römer/Langheid, § 30 Rn. 5.

§ 11 Einschränkungen der Zurechnung und der Rechtsfolgen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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rigen Regelungslücke. Denn durch die Regelung des § 47 VVG hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, den Versicherer bei der Versicherung für fremde Rechnung auch insoweit vor einer unzutreffenden Einschätzung des zu versichernden Risikos schützen zu wollen, als das Risiko der Sphäre der einzelnen Versicherten entstammt. Dem stünde es entgegen, das Kündigungs- oder Rücktrittsrecht auf das Vertragssegment des Versicherten zu beschränken, der für die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht verantwortlich war.219 Aus diesem Grund ist § 29 VVG weder unmittelbar noch analog anzuwenden. 5. Keine Rechtsfolgenbegrenzung durch § 123 Abs. 2 S. 2 BGB Die Rechtsfolgen einer arglistigen Täuschung könnten für die Mitversicherten jedoch durch § 123 Abs. 2 S. 2 BGB eingeschränkt sein, sofern man der Vorschrift eine entsprechende Wirkung zugesteht. Nach § 123 Abs. 2 S. 2 BGB, der beim Vertrag zugunsten Dritter seinen zentralen Anwendungsbereich hat,220 ist die auf einen Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung gegenüber einem anderen als dem Erklärungsempfänger, der aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Eine Anwendung der Norm im Rahmen einer arglistigen Täuschung bei der D&O-Versicherung hätte nach vereinzelt vertretener Auffassung regelmäßig zur Folge, dass der Versicherer den Vertrag nur gegenüber den Versicherten anfechten könnte, die von der Täuschung des Versicherungsnehmers wussten oder grob fahrlässig nicht wussten. Da die Verfügungsbefugnis in D&O-Versicherungsverträgen typischerweise kraft vertraglicher Bestimmung den Versicherten zustehe, spreche der Wortlaut des § 123 Abs. 2 S. 2 BGB auch ohne weiteres dafür, die Vorschrift in solchen Fällen anzuwenden.221 Tatsächlich kommt es nicht darauf an, ob den Versicherten durch den Versicherungsvertrag eine über § 44 Abs. 2 VVG hinausgehende Verfügungsbefugnis eingeräumt wurde. Denn die Versicherten sind unabhängig davon über § 44 Abs. 1 VVG unmittelbare Inhaber der Versicherungsansprüche geworden, was einen Rechtserwerb iSd § 123 Abs. 2 S. 2 BGB darstellt. Dennoch kann die Gesamtwirkung der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nicht unter Berufung auf § 123 Abs. 2 S. 2 BGB verneint werden.222 Dabei ist schon der Ausgangsüberlegung der oben dargestellten Auffassung zur Folge der Normanwendung bei der D&O-Versicherung zu widersprechen: Der Vorschrift lässt sich nicht entnehmen, dass der Versicherer bei ihrem Eingreifen „nur“ gegenüber den betreffenden Versicherten anfechten kann, eine Anfechtung des gesamten Versicherungsvertrags gleichsam ausgeschlossen 219

Vgl. auch Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 68. Vgl. MünchKommBGB/Kramer, § 123 Rn. 26; Staudinger/Singer/v. Finckenstein (2004), § 123 Rn. 57; ferner bereits Börger, Anfechtung des Versicherungsvertrages, S. 13. 221 So Lange, ZIP 2006, 1680, 1681. 222 Eine Anwendung bejahend (allerdings mit dem Ziel, dem Versicherer eine Anfechtungsmöglichkeit einzuräumen) noch Anli, Versicherung für fremde Rechnung, S. 29; Lenn, Das Versicherungsgeschäft für fremde Rechnung, S. 116 ff. 220

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5. Teil: Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung

ist. Vielmehr wäre der Versicherte, wendete man § 123 Abs. 2 S. 2 BGB an, zusätzlicher Anfechtungsgegner neben dem Versicherungsnehmer. Dafür spricht neben dem Wortlaut, der keinen Hinweis auf eine Beschränkung des Anfechtungsrechts enthält, der Zweck der Vorschrift. Die Handlungsmöglichkeiten des Erklärenden sollen durch sie nicht eingeschränkt, sondern erweitert werden.223 Ein Vorgehen nach § 123 Abs. 2 S. 2 BGB führte daher dazu, dass bei der Frage nach den Auswirkungen der Anfechtung auf den Gesamtvertrag auf § 139 BGB abgestellt werden müsste.224 Darauf kommt es aber im Ergebnis nicht an. Wie auch die zu den Vorüberlegungen noch abweichende, oben dargestellte Ansicht zutreffend feststellt, ergibt sich schon aus der Systematik des § 123 Abs. 2 S. 2 BGB, dass die Vorschrift auf die Versicherten bei der D&O-Versicherung nicht anwendbar ist.225 Die Norm ist im Zusammenhang mit § 123 Abs. 2 S. 1 BGB zu betrachten, wo anerkannt ist, dass der Begriff des Dritten restriktiv ausgelegt werden muss.226 Diese restriktive Auslegung ist konsequent für den Begriff des „anderen“ in § 123 Abs. 2 S. 2 BGB zu übernehmen. Folgt man dem, so ist „ein anderer“ nur derjenige, der sich nicht dem „Lager“ der Aktiengesellschaft als Versicherungsnehmerin und Vertragspartnerin zurechnen lässt.227 Weil die Versicherten bei der D&O-Versicherung aber stets im „Lager“ der Versicherungsnehmerin stehen und damit „Nichtdritte“ iSd § 123 Abs. 2 S. 1 BGB sind, müssen sie im Wege einer teleologischen Reduktion des § 123 Abs. 2 S. 2 BGB auch als „Nichtandere“ gelten.228 § 123 Abs. 2 S. 2 BGB kann deshalb bei der D&O-Versicherung nicht herangezogen werden, um die Gesamtwirkung der Anfechtung infolge einer arglistigen Täuschung einzuschränken.229

6. Keine Rechtsfolgenbegrenzung durch § 139 BGB Infolge einer Anfechtung des Versicherungsvertrags kann auch nicht von einer Teilnichtigkeit iSd § 139 BGB ausgegangen werden. Nach dieser Vorschrift wird die Gesamtnichtigkeit eines Rechtsgeschäfts vermutet;230 eine Teilnichtigkeit kommt aber bei einheitlichen und teilbaren Rechtsgeschäften in Betracht, wenn der Anfechtungsgrund nur einen Ausschnitt des Rechtsgeschäfts erfasst.231 Der 223

MünchKommBGB/Kramer, § 123 Rn. 26. Soergel/Hefermehl, § 123 Rn. 36; Staudinger/Singer/v. Finckenstein (2004), § 123 Rn. 57. 225 Lange, ZIP 2006, 1680, 1681 f. 226 Dazu oben unter § 9 IV. 227 Palandt/Ellenberger, § 123 Rn. 12; ferner Bork, BGB AT, Rn. 883. 228 Palandt/Ellenberger, § 123 Rn. 12; Beckmann/Matusche-Beckmann/Armbrüster, § 6 Rn. 98; Lange, ZIP 2006, 1680, 1681 f. 229 Vgl. auch Prölss/Martin/Prölss, § 74 Rn. 7; Beckmann/Matusche-Beckmann/ArmACHTUNGREbrüster, § 6 Rn. 98; Lange, ZIP 2006, 1680, 1681 f. 230 Zur Einordnung des § 139 BGB als Vermutungsregelung vgl. Staudinger/Roth (2003), § 139 Rn. 2 m.w.Nachw. 231 MünchKommBGB/Busche, § 143 Rn. 11; Staudinger/Roth (2003), § 142 Rn. 26. 224

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Weg, über § 139 BGB das Problem der Gesamtwirkung bei der D&O-Versicherung in der Weise zu lösen, dass der Vertrag nach seiner Anfechtung gegenüber den gutgläubigen Versicherten weiterhin Wirksamkeit entfaltet, ist jedoch dogmatisch nicht gangbar.232 Zunächst setzt die Teilnichtigkeit eines Vertrags voraus, dass der von der Nichtigkeit nicht unmittelbar betroffene Geschäftsteil auch als selbständiges Rechtsgeschäft bestehen kann.233 Aus diesem Grund ist es nicht möglich, infolge einer Teilnichtigkeit zu der Situation zu gelangen, dass die Vertragssegmente mit den gutgläubigen Versicherten erhalten bleiben, der Restvertrag mit dem arglistig täuschenden Versicherten und dem Versicherungsnehmer aber entfällt. Denn damit fehlte es rückwirkend an der grundlegenden Vertragsbeziehung zwischen dem Versicherer und der Gesellschaft als Versicherungsnehmerin. Die Dritten sind bei Verträgen zu ihren Gunsten gerade keine Vertragspartner und auch nicht mit den vertraglichen Pflichten belastet, weil sich der Vertrag ansonsten in einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter verkehren würde. Offen bleiben kann demgegenüber, ob es möglich ist, den Grundvertrag mit dem Versicherungsnehmer mitsamt seiner Segmente mit den redlichen Versicherten bestehen zu lassen und nur das Vertragssegment mit dem arglistig täuschenden oder bösgläubigen Versicherten als nichtig zu betrachten. In einem solchen Fall wäre der nach der Anfechtung verbleibende Vertragsrest durchaus als selbständiges Rechtsgeschäft denkbar.234 Allerdings kann, da die Anzeigepflichtverletzung grundsätzlich zu einer Fehlbewertung des gesamten Vertragsrisikos führt, ohne einen vertraglichen Anhaltspunkt nicht angenommen werden, der Vertrag sei auch ohne den nichtigen Vertragsteil abgeschlossen worden. Mithin sind die Voraussetzungen einer Teilnichtigkeit nicht erfüllt. Ohne eine abweichende vertragliche Regelung erfasst die Nichtigkeitsfolge der Anfechtung bei der D&O-Versicherung daher den gesamten Vertrag, der durch die Risikoprüfung auf fehlerhafter oder unvollständiger Grundlage zustande gekommen ist. In der Geltendmachung der Gesamtnichtigkeit kann auch kein Verstoß gegen Treu und Glauben erblickt werden, § 242 BGB. Zwar wurden die Grundsätze von Treu und Glauben in der Rechtsprechung herangezogen, wenn die Täuschung nur einen geringen Teil des versicherten Schadens betraf und bei der Billigkeitsprüfung weitere Gesichtspunkte ins Gewicht fielen, die für den Versicherungsnehmer eine übermäßige Härte darstellten.235 Die Berufung auf Leistungsfreiheit dürfe sich nicht als unzulässige Rechtsausübung darstellen.236 Daher kann es einer Partei im Hinblick auf Treu und Glauben verwehrt sein, die Gesamtnichtigkeit eines Rechtsgeschäfts geltend zu machen. Um den Anwendungsbereich des § 242 BGB nicht unan232

(Nicht näher präzisierte) Bedenken melden auch Steinkühler/Kassing, VP 2009, 31, 32

an. 233

Vgl. MünchKommBGB/Busche, § 139 Rn. 24; Soergel/Hefermehl, § 139 Rn. 1, 23; Flume, BGB AT, Bd. II, § 32 2 c (S. 573). 234 Vgl. auch R. Koch, WM 2007, 2173, 2183. 235 BGHZ 96, 88, 92 f. = NJW 1986, 1100; BGH NJW-RR 1993, 91, 92; BGH r+s 2005, 420 f. 236 BGHZ 96, 88, 92 = NJW 1986, 1100; BGH NJW-RR 1993, 91, 92; BGH r+s 2005, 420.

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5. Teil: Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung

gemessen auszudehnen, muss aber vorausgesetzt werden, dass die Nichtigkeit zu Konsequenzen führt, die mit der Einzelfallgerechtigkeit unvereinbar erscheinen.237 Dafür fehlen bei einer infolge arglistiger Täuschung zustande gekommenen Versicherung für fremde Rechnung jegliche Anhaltspunkte. Eine gesetzliche Problemlösung über § 139 BGB scheidet mithin aus. 7. Keine Rechtsfolgenbegrenzung durch den Grundsatz vom betroffenen versicherten Interesse Vereinzelt wird, ausgehend vom unzutreffenden Grundgedanken, § 21 Abs. 2 VVG sei grundsätzlich eine ausreichende und zufriedenstellende Problemlösung,238 für den von der Vorschrift nicht erfassten Fall der arglistigen Täuschung in Betracht gezogen, aus Gerechtigkeitsgründen einen „Grundsatz vom betroffenen versicherten Interesse“ anzuwenden. Danach wirke sich im Fall einer arglistigen vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung, die auf das Wissen einer versicherten Person zurückgehe, das Anfechtungsrecht des Versicherers nur auf das Vertragssegment mit der entsprechenden Person aus.239 Nur deren Deckungsanspruch sei betroffen; die Ansprüche der übrigen Versicherten blieben unberührt. Der gesamte Vertrag wäre nur dann nichtig, wenn die Anzeigepflichtverletzung unmittelbar vom Versicherungsnehmer oder von dessen Repräsentanten ausgehe, da dann eine originäre Pflichtverletzung vorliege, für die es keiner Zurechnung über § 47 VVG bedürfe. Allerdings geben die Entwickler des Vorschlags bereits zu bedenken, dass es sich um einen Sonderweg handle, der die Zurechnungsregel des § 47 VVG zum Teil konterkariere.240 Der Sache nach unterscheidet sich der Vorschlag nicht vom oben erörterten, eine Teilnichtigkeit iSd § 139 BGB anzunehmen. Im Gegensatz dazu wurde hier aber gänzlich darauf verzichtet, eine dogmatische Grundlage zu präsentieren, auf die sich der „Grundsatz vom versicherten Interesse“ stützen könnte. Bei Licht betrachtet wird der Anwendungsbereich der §§ 19 ff. VVG und des § 123 BGB aus Wertungsgesichtspunkten, die auf den Besonderheiten bei der D&O-Versicherung aufbauen, teleologisch reduziert. Voraussetzung einer teleologischen Reduktion ist eine Regelungslücke des Gesetzes in der Form, dass einer Norm eine Einschränkung fehlt, die notwendig ist, um die Norm auf den ihr nach dem Regelungszweck und Sinnzusam-

237

Staudinger/Looschelders/Olzen (2009), § 242 Rn. 504. Dazu schon unter 2. 239 Vgl. Langheid/Grote, VersR 2005, 1165, 1169. Rüffer/Halbach/Schimikowski/Muschner, § 47 Rn. 11 hat sich dem, über die D&O-Versicherung hinausgehend, angeschlossen. Mit dem gleichen Ergebnis MünchKommVVG/Müller-Frank, § 22 Rn. 12, basierend auf der (fehlerhaften) Annahme, bei der D&O-Versicherung handle es sich um eine kombinierte Eigenund Fremdversicherung. 240 s. Langheid/Grote, VersR 2005, 1165, 1169 m. Fn. 27 (stets zu § 79 VVG aF, der aber der Sache nach mit § 47 VVG übereinstimmt). 238

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menhang des Gesetzes zukommenden Anwendungsbereich zurückzuführen.241 Eine derartige, sich aus dem telos der Vorschriften ergebende Einschränkungslücke ist aber vorliegend nicht zu erkennen. Die entsprechenden Normen dienen gerade dazu, den Versicherer zu schützen.242 Ihre Reduktion liefe seinem Interesse ersichtlich zuwider. Eine entsprechende Einschränkung muss daher vertraglichen Vereinbarungen vorbehalten bleiben.

8. Regelmäßig keine Rechtsfolgenbegrenzung durch § 242 BGB Ferner könnte daran gedacht werden, die Gesamtwirkung der Gestaltungsrechte dadurch zu begrenzen, dass man trotz deren Ausübung den redlichen Versicherungsnehmern einen Deckungsanspruch gemäß § 242 BGB zugesteht. Um einen solchen aus Treu und Glauben zu begründen, genügt es aber nicht, darauf zu verweisen, für den Versicherer liege häufig auf der Hand, dass der Versicherungsnehmer nicht alle versicherten Personen nach deckungsschädlichen Umständen gefragt habe. Sofern die Versicherten nichts vom Vertragsschluss wussten, genügte es für den Versicherungsnehmer in einem solchen Fall zwar gemäß § 47 Abs. 2 S. 2 VVG, dem Versicherer eine entsprechende Anzeige zu machen, damit die Kenntnis der Versicherten nicht berücksichtigt würde. Die Anzeige ist aber auch dann nicht entbehrlich, wenn der Versicherer weiß, dass die Voraussetzungen ihrer Vornahme vorliegen. Für die Vertragsgestaltung des Versicherers ist nämlich neben den tatsächlich mitgeteilten gefahrerheblichen Umständen erheblich, ob eine Zurechnung gemäß § 47 Abs. 1 VVG an den Versicherungsnehmer möglich oder infolge einer Anzeige iSd § 47 Abs. 2 S. 2 VVG ausgeschlossen ist. Hat die Aktiengesellschaft eine solche Anzeige vorgenommen, wird der Versicherer den Vertrag nicht zu denselben Bedingungen abschließen, wie wenn er von einer umfassenden Zurechnung ausgehen kann. Es ist also – entgegen anderer Auffassung243 – nicht „reine Förmelei“, deckungsschädliche Rechtsfolgen daraus abzuleiten, dass die auf der Hand liegende Unkenntnis der Versicherten vom Vertragsschluss dem Versicherer nicht erklärt wurde. Daher kann den Versicherten in solchen Fällen kein Deckungsanspruch aus § 242 BGB eingeräumt werden. Eine Anwendung von § 242 BGB mit dem Zweck, den Versicherungsschutz zu erhalten, kommt nur dann in Betracht, wenn besondere Umstände vorliegen. Die spezielle Konstellation bei der D&O-Versicherung vermag solche Umstände jedoch nicht zu begründen. Dies würde dem Interesse des Versicherers nicht gerecht, der damit weitgehend schutzlos gestellt wäre. Selbst wenn man aus § 242 BGB nur De241 Zu den Voraussetzungen der teleologischen Reduktion Larenz, Methodenlehre, S. 391 ff. 242 Vgl. auch Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 67 (nicht auf die arglistige Täuschung beschränkt). 243 So Schmitt, Organhaftung und D&O-Versicherung, S. 162, der die Anwendung des § 242 BGB aber im Ergebnis zutreffend, wenn auch auf zweifelhafter dogmatischer Grundlage („wertende Entscheidung“) ablehnt.

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5. Teil: Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung

ckungsansprüche der redlichen Versicherten herleitete, wäre dem Versicherer nicht in ausreichendem Maß gedient. Denn diese Ansprüche stellen einen erheblichen Teil seiner Leistungspflicht dar. Dagegen kann ein besonderer Umstand iSd § 242 BGB dann vorliegen, wenn der Versicherer im Vorfeld des Vertragsschlusses durch seine Werbeaussagen eine besondere Vertrauensgrundlage geschaffen hat. So hat das LG Düsseldorf dem Versicherer in einem Fall, in dem dieser in den Vertragsverhandlungen eine Klausel besonders herausgestellt hatte, nach der eine Zurechnung zwischen den versicherten Personen ausgeschlossen war,244 aufgrund widersprüchlichen Verhaltens verwehrt, sich auf den Wegfall des Versicherungsvertrags zu berufen.245 Zu beachten ist aber, dass bei der versicherten Person, die selbst nichts mit dem Vertragsschluss zu tun hatte, die Werbeaussagen eines Versicherers grundsätzlich auch kein schutzwürdiges Vertrauen hervorrufen konnten. Das bei der Gesellschaft als Vertragspartnerin entstandene Vertrauen ist hinreichend durch die Haftungsnormen der §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB geschützt, sodass es in dieser Hinsicht entgegen den Ausführungen des LG Düsseldorf eines Rückgriffs auf die Ausnahmevorschrift des § 242 BGB nicht bedarf. Handelt der Versicherungsnehmer selbst arglistig, kann § 242 BGB zu seinen Gunsten schon deshalb nicht angewandt werden, weil es in einem solchen Fall an einem schutzwürdigen Vertrauen fehlt. Infolge seines unredlichen Verhaltens lässt sich keine Billigkeit begründen, aufgrund derer der Versicherer für Werbeaussagen mit Erfüllungswirkung einstehen müsste.246 Die Rechtsfolgen der Anzeigepflichtverletzung können damit nur in absoluten Ausnahmefällen über den Kunstgriff der Anwendung von § 242 BGB umgangen werden. 9. Keine Deckungsansprüche der Versicherten aus culpa in contrahendo Ansprüche der Versicherten aus culpa in contrahendo, §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB, erfordern zunächst ein pflichtwidriges Verhalten des Versicherers und kommen somit jedenfalls nur in Ausnahmefällen als Lösung der diskutierten Problemlage in Betracht. Eine entsprechende Pflichtwidrigkeit im Vorfeld des Vertragsschlusses könnte etwa in unwahren Werbeaussagen liegen. Grundsätzlich bestünde ein solcher Anspruch aber allein für die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin. Der Anspruch würde jedoch nur in den wenigsten Fällen dazu führen, dass der Versicherer auch gegenüber den Versicherten zur Leistung verpflichtet bliebe: Nach § 249 Abs. 1 BGB wäre der Versicherungsnehmer so zu stellen, wie er ohne die pflichtwidrige Handlung des Versicherers stehen würde. Deckungsschutz für die Mitversicherten trotz der Anzeigepflichtverletzung dürfte er aber auch ohne die Pflichtwidrigkeit des Versicherers 244

Zu einer solchen sog. einfachen Severability-Klausel vgl. noch ausf. unter II. 3. Vgl. die Stellungnahme des OLG Düsseldorf zu den Ausführungen des Landgerichts in der Vorinstanz (LG Düsseldorf, Urteil vom 23. 3. 2004, 11 O 344/02), OLG Düsseldorf ZIP 2006, 1677, 1680; ferner die Ausführungen zum Urteil bei Sieg/Schramm, PHi 2005, 234. 246 Zutreffend OLG Düsseldorf ZIP 2006, 1677, 1680 (ausf. zu diesem grundlegenden Urteil unter II. 3.); anders die Vorinstanz, LG Düsseldorf, vgl. Fn. 245. 245

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nicht erlangt haben.247 Ansprüche aus culpa in contrahendo stellen keine taugliche Problemlösung dar. 10. Keine Zurechnungseinschränkung durch teleologische Reduktion des § 47 VVG Vereinzelt wurde, allerdings nur am Rande und ohne vertieft darauf einzugehen, in Betracht gezogen, § 47 VVG bei der D&O-Versicherung teleologisch zu reduzieren. Es sei denkbar, dass die Besonderheiten dieses Versicherungsprodukts die grundsätzlich geltende gesetzliche Systematik im Hinblick auf die Kenntniszurechnung ausschlössen.248 Der Gedanke wurde von anderer Seite aufgegriffen und auf abweichender methodischer Grundlage konkretisiert: Es sei daran zu denken, § 47 VVG insoweit einschränkend auszulegen, dass die arglistige Täuschung von seinem Anwendungsbereich nicht erfasst sei.249 Stattdessen wird, ausgehend von der Prämisse, § 47 VVG gehe den allgemeinen Regelungen zur Zurechnung von Organwissen bei der juristischen Person als spezielle Vorschrift vor,250 befürwortet, diese Zurechnungsregelungen bei einer arglistigen Täuschung anstatt des eingeschränkt ausgelegten § 47 VVG gewissermaßen als Ausgleich heranzuziehen. Dies führe dazu, dass der juristischen Person in diesen Fällen nur das Wissen ihrer vertretungsberechtigten Organmitglieder zuzurechnen sei.251 Ähnlich argumentiert eine weitere Auffassung, die ebenfalls von der Spezialität des § 47 VVG ausgeht: Die umfassende Wissenszurechnung über § 47 VVG sei mittels eines Rückgriffs auf die allgemeinen Grundsätze der Wissenszurechnung im Einzelfall wertungsmäßig zu korrigieren.252 Diese Auffassungen verkennen zunächst die Besonderheiten der körperschaftlichen Organisationsverfassung und damit des Organwissens, das der juristischen Person, sofern gewisse Voraussetzungen gegeben sind, bereits auf einer besonderen Ebene als Eigenwissen zugerechnet wird. Diese Zurechnung geht den gesetzlich normierten Zurechnungsvorschriften vor, sodass in solchen Fällen eine Spezialität des § 47 VVG nicht anzuerkennen ist.253 Eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 47 VVG könnte sich aus diesem Grund nur dann auswirken, wenn eine Zurechnung auf höherer Ebene nicht möglich ist, weil deren Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Das wäre etwa dann der Fall, wenn es um das Wissen von Personen unterhalb der Organebene ginge. Um dabei den Anwendungsbereich des § 47 VVG zu begrenzen, wäre aber des Weiteren eine einschränkende Auslegung der Vorschrift in der Weise, 247

OLG Düsseldorf ZIP 2006, 1677, 1680. Langheid/Grote, VersR 2005, 1165, 1167. 249 Vgl. R. Koch, WM 2007, 2173, 2184; ferner R. Koch/Richartz, WuB IV A. § 123 BGB 1.07, 21, 22. 250 R. Koch, WM 2007, 2173, 2181. 251 So R. Koch, WM 2007, 2173, 2184. 252 Winterling/Harzenetter, VW 2007, 1792, 1793 f. 253 Dazu bereits ausf. unter § 9 II. 1. 248

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dass sie nicht für arglistige Täuschungen gelten soll, methodisch nicht möglich. Eine entsprechende Auslegung scheitert bereits an einem fehlenden Merkmal des Normtextes, dessen Wortbedeutung eingeengt verstanden werden könnte.254 Als methodischer Ausgangspunkt kommt deshalb allein eine teleologische Reduktion in Betracht. Sinn und Zweck des § 47 VVG, den Versicherer bei der Versicherung für fremde Rechung vor einer unzutreffenden Risikoeinschätzung zu schützen, lassen eine dafür erforderliche Einschränkungslücke aber gerade nicht erkennen.255 Bei einer arglistigen Täuschung gilt das erst recht: Dem durch ein derartiges Verhalten zum Vertragsschluss bewegten Versicherer muss im Grundsatz die Möglichkeit offen stehen, sich vom geschlossenen Vertrag vollständig wieder zu lösen.256 In einem solchen Fall die Zurechnung an den Versicherungsnehmer als Vertragspartner auszuschließen, kann dem telos des § 47 VVG nicht entnommen werden, sondern steht diesem vielmehr diametral entgegen. Ferner verkennt die Ansicht, die § 47 VVG im Rahmen der arglistigen Täuschung einschränken möchte, dass der Versicherer der Vorschrift in diesen Fällen gar nicht bedarf: Die Versicherten sind „Nichtdritte“ iSd § 123 Abs. 2 BGB, womit sich der Versicherungsnehmer auch ihre Täuschungen entgegenhalten lassen muss, ohne dass dafür eine Zurechnung an ihn erforderlich wäre.257 Im Ergebnis ist sowohl eine einschränkende Auslegung als auch eine teleologische Reduktion des § 47 VVG abzulehnen.

II. Vertragliche Einschränkungen 1. Ausschluss des Anfechtungsrechts Da die gesetzlichen Einschränkungen jedenfalls nicht weit genug gehen, um redliche Mitversicherte ausreichend zu schützen, muss an vertragliche Modifikationen des Gesetzesrechts gedacht werden. In der Praxis wird vor allem auf Drängen der Versicherungsnehmer versucht, die Gesamtwirkung der Rechte des Versicherers durch entsprechende Gestaltungen des Versicherungsvertrags zu beschränken. Dies ist grundsätzlich möglich: § 19 VVG ist regelmäßig gemäß § 32 VVG nur zugunsten des Versicherungsnehmers zwingend,258 § 47 VVG sogar generell abdingbar.259 Auch von der Regelung des § 334 BGB kann nach übereinstimmender Auffassung

254 Zum Unterschied zwischen einschränkender Auslegung und teleologischer Reduktion vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 391. 255 Zur Einschränkungslücke als Voraussetzung einer teleologischen Reduktion vgl. bereits unter 7. 256 Vgl. auch Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 68. 257 Dazu schon unter § 9 IV. 258 Zur Ausnahme bei Großrisiken vgl. § 7 III. 5. d). 259 Vgl. etwa BK/Hübsch, § 79 Rn. 26; Looschelders/Pohlmann/R. Koch, § 47 Rn. 22.

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vertraglich abgewichen werden.260 Vereinzelt finden sich daher in den Versicherungsverträgen Vereinbarungen, nach denen der Versicherer zumindest in bestimmten Fällen auf seine Gestaltungsrechte verzichtet.261 Zunächst kommt ein Verzicht des Versicherers auf sein „schärfstes Schwert“, das Anfechtungsrecht nach § 123 BGB, in Betracht.262 Allerdings stellte der BGH klar, dass eine solche Möglichkeit nur eingeschränkt besteht, indem er zum Erwerb von Gesellschaftsanteilen entschieden hat, dass ein im Voraus vertraglich vereinbarter Ausschluss der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung zumindest dann unwirksam sei, wenn die Täuschung vom Geschäftspartner selbst oder von einer Person verübt werde, die nicht als „Dritter“ iSd § 123 Abs. 2 BGB eingestuft werden könne.263 Dies ergebe sich aus dem Wesen des § 123 BGB, der den Schutz der Selbstbestimmung bezwecke, den der Erklärende sonst weitgehend aufgebe und sich damit der Willkür seines Vertragspartners aussetze. Der arglistig Täuschende verdiene ferner nicht den Schutz der Rechtsordnung, um Vorteile aus seiner Täuschung zu ziehen, ohne eine Rückabwicklung des Vertrags befürchten zu müssen.264 Mit diesem Urteil, dem sowohl in der Begründung als auch im Ergebnis beizupflichten ist, hat sich der BGH einer verbreiteten Auffassung im Schrifttum angeschlossen.265 Vor diesem Hintergrund ist ein Anfechtungsausschluss in der D&O-Versicherung weitgehend sinnlos, denn die Mitversicherten sind grundsätzlich nicht als Dritte iSd § 123 Abs. 2 BGB anzusehen.266 Darüber hinaus ist ein Ausschluss des Anfechtungsrechts auch in den Fällen unwirksam, in denen die Täuschung zwar von einem Dritten iSd § 123 Abs. 2 BGB verübt wird, der Anfechtungsgegner aber von ihr weiß und deshalb nicht schutzwürdig ist.267 Das grundsätzliche Verbot, auf das Anfechtungsrecht zu verzichten, kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass der Versicherer das möglicherweise später anfechtbare Rechtsgeschäft vorab bestätigt.268 Die in § 144 BGB geregelte Bestätigung 260

Vgl. Bamberger/Roth/Janoschek, § 334 Rn. 4; Erman/Westermann, § 334 Rn. 3; MünchKommBGB/Gottwald, § 334 Rn. 2; Palandt/Grüneberg, § 334 Rn. 2; Staudinger/Jagmann (2009), § 334 Rn. 3. 261 Die entsprechenden Vereinbarungen werden als „non-rescindable policies“ bezeichnet, vgl. Winterling/Harzenetter, VW 2007, 1792, 1794. 262 Sieg/Schramm, PHi 2007, 172, 173. 263 BGH NJW 2007, 1058. Zur Person des „Dritten“ vgl. bereits oben unter § 9 IV. 264 BGH NJW 2007, 1058, 1059. 265 Vgl. Erman/Palm, § 123 Rn. 44; MünchKommBGB/Kramer, § 123 Rn. 28; Staudinger/ Singer/v. Finckenstein (2004), § 123 Rn. 87; Flume, BGB AT, Bd. II, § 19 (S. 401 f.). 266 Dazu bereits unter § 9 IV. 267 So auch MünchKommBGB/Kramer, § 123 Rn. 28; Flume, BGB AT, Bd. II, § 19 (S. 402); noch weitergehend Staudinger/Singer/v. Finckenstein (2004), § 123 Rn. 87: Unwirksamkeit des Ausschlusses auch dann, wenn der Geschäftspartner von der Täuschung nur „wissen musste“. 268 Diese Idee wird von Steinkühler/Kassing, VP 2009, 31, 32 aufgeworfen, aber im Ergebnis abgelehnt.

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5. Teil: Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung

liegt in der Hand des Versicherers, dem es darüber hinaus nach der Kenntnis seines Anfechtungsrechts möglich ist, dieses einfach nicht auszuüben und stattdessen am Vertrag festzuhalten. Allerdings ist eine „Vorausbestätigung“ im Vorfeld des Versicherungsfalls oder bereits bei Vertragsschluss nicht anzuerkennen. Sie stellt bei Licht betrachtet nichts anderes dar als einen unzulässigen Verzicht auf das Anfechtungsrecht und lässt sich zudem nicht in die Dogmatik des § 144 BGB einfügen. Es ist anerkannt, dass eine wirksame Bestätigung das Bewusstsein des Berechtigten von der Anfechtungsmöglichkeit voraussetzt.269 Ein abstrakt-generelles Bewusstsein genügt hierfür nicht.270 Auch wenn das Anfechtungsrecht deshalb im Rahmen der D&O-Versicherung nicht generell abbedungen werden kann, ist es möglich, die Auswirkungen der Rechtsausübung vertraglich abzumildern. So kann die Personengruppe, gegenüber der sich der Versicherer gemäß § 334 BGB auf die Wirkungen der Anfechtung berufen kann, modifiziert werden.271 Dem stehen das oben zitierte BGH-Urteil und die diesem zugrunde liegenden Gedanken des Schutzes der Selbstbestimmung des Erklärungsgegners und der fehlenden Schutzwürdigkeit des Täuschenden grundsätzlich nicht entgegen.272 Sichergestellt sein muss aber zum einen, dass die Gesellschaft als Vertragspartnerin die Folgen der Anfechtung zu tragen hat, wenn sie selbst infolge einer Zurechnung auf höherer Ebene oder eine Person in ihrem „Lager“, deren Täuschung der juristischen Person nicht schon als eigene zugerechnet werden kann, arglistig getäuscht hat. In einem solchen Fall ist erforderlich, dass zumindest der Grundvertrag zwischen Versicherungsnehmerin und Versicherer von der Anfechtung betroffen ist. Zum anderen darf eine vertragliche Modifikation der Anfechtungsfolgen nicht dazu führen, dass die täuschende natürliche Person ihren Deckungsanspruch behält. Möglich ist es deshalb, die Rechtsfolgen der Anfechtung im Rahmen der Versicherung für fremde Rechnung allein gegenüber den redlichen Mitversicherten einzuschränken. § 334 BGB kann insoweit modifiziert werden, dass sich der Versicherer auf die Einwendung der Anfechtung gegenüber Personen, die nicht für die Täuschung verantwortlich sind, nicht berufen kann.273 Wie eine solche Regelung ausgestaltet sein muss und ob sie als taugliche Lösungsmöglichkeit in Betracht kommt, soll im Folgenden erörtert werden. Zu beachten ist zunächst aber, dass es dem Interesse der Versicherten nicht genügen kann, wenn infolge einer entsprechenden Vertragsgestaltung die Wirkungen der Anfechtung beschränkt werden. Vielmehr kann der Versicherer auch durch einen Rücktritt vom Vertrag leistungsfrei werden, sodass auch diese Konstellationen zu berücksichtigen sind.

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MünchKommBGB/Busche, § 144 Rn. 7; Soergel/Hefermehl, § 144 Rn. 2. So dann auch Steinkühler/Kassing, VP 2009, 31, 32. 271 Vgl. dazu die folgenden Ausführungen unter 3. 272 Vgl. LG Düsseldorf BeckRS 2008, 04089 (Entscheidungsgründe B. I. 3); dazu Steinkühler/Kassing, VP 2009, 31, 32. 273 Zu dieser Möglichkeit auch LG Düsseldorf BeckRS 2008, 04089 (Entscheidungsgründe B. I. 3); ferner Steinkühler/Kassing, VP 2009, 31, 32. 270

§ 11 Einschränkungen der Zurechnung und der Rechtsfolgen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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2. Ausschluss des Rücktrittsrechts Im Gegensatz zur Rechtslage bei der Anfechtung wäre sogar ein vollständiger Ausschluss des Rücktrittsrechts des Versicherers versicherungsrechtlich möglich. Dennoch scheidet eine solche Vorgehensweise als praxisdienliche Möglichkeit aus, die Gesamtwirkung der Gestaltungsrechte in angemessener Weise einzuschränken.274 Der Versicherer wäre ansonsten in seinen Reaktionsmöglichkeiten auf eine Anzeigepflichtverletzung auf die Kündigung, die Vertragsanpassung und die Anfechtung beschränkt, wodurch sein Interesse an einer angemessenen Sanktion des Versicherungsmissbrauchs nicht befriedigt wäre.275 Denn gerade bei gravierenden Verletzungen der Anzeigeobliegenheit bliebe er in vielen Fällen weitgehend schutzlos, weil ihm ein hilfsweiser Rücktritt verwehrt wäre, sofern er den schwierigen Nachweis der Arglist nicht führen könnte. Aus diesem Grund widerspräche ein solcher Ausschluss auch den Interessen des Kollektivs der Versichertengemeinschaft. Allerdings ist beim Rücktritt – ebenso wie bei der Anfechtung – in Betracht zu ziehen, die Rechtsfolgen des Gestaltungsrechts partiell einzuschränken. Ziel einer entsprechenden vertraglichen Gestaltung sollte es im Grundsatz sein, den Versicherungsschutz für gutgläubige Versicherte („whitehats“) weitgehend aufrechtzuerhalten und die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung möglichst auf die Bösgläubigen („blackhats“) zu beschränken.276 3. Severability-Klauseln a) „Comroad-Urteil“ des OLG Düsseldorf Nach einer vor allem von Seiten der Versicherungsnehmer vertretenen Auffassung wird eine solche vertragliche Einschränkung der Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtverletzung durch sog. Severability-Klauseln („severability clauses“)277 erreicht. Dabei handelt es sich um Vertragsklauseln, die in den letzten Jahren in verschiedenen Abwandlungen vermehrt den Weg in die Vertragsbedingungen der D&O-Versicherer gefunden haben und zB folgenden Wortlaut haben: „Besondere persönliche Merkmale einer versicherten Person, insbesondere Kenntnis, Unkenntnis oder Vorsatz, werden anderen versicherten Personen deckungsrechtlich nicht zugerechnet.“278 274 So im Ergebnis auch Winterling/Harzenetter, VW 2007, 1792, 1794; außerdem Dreher/ Thomas, ZGR 2009, 31, 69. 275 Vgl. Winterling/Harzenetter, VW 2007, 1792, 1794; ferner Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 69. 276 Zur Bezeichnung „whitehats“ und „blackhats“ vgl. Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 70; Winterling/Harzenetter, VW 2007, 1792, 1794. 277 Von severability, zu Deutsch: Trennbarkeit. 278 Klausel V in den Bedingungen der „Hiscox-Manager 2006“, weitere Praxisbeispiele bei Olbrich, Die D&O-Versicherung, S. 61 m. Fn. 32; Lange, VersR 2006, 605, 608 f. m. Fn. 35. Die Severability-Klauseln sind im deutschen D&O-Markt nicht mehr auf Vorsatzausschlüsse beschränkt, anders noch Langheid/Grote, VersR 2005, 1165, 1168 (Fn. 16).

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5. Teil: Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung

Diese aus dem angelsächsischen Rechtsverkehr stammenden Klauseln sollen dieser Ansicht zufolge bewirken, dass sich deckungsschädliche Umstände allein auf die Personen auswirken, bei denen sie eingetreten sind.279 Die Frage nach den Wirkungen einer entsprechenden Vertragsbestimmung war auch in der für die Versicherungswirtschaft wegweisenden Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 28. August 2005 im Fall „Comroad“, dem ersten obergerichtlichen Urteil zur vorvertraglichen Anzeigepflicht und Wissenszurechnung in der D&O-Versicherung, von zentraler Bedeutung.280 Im zugrunde liegenden Sachverhalt hatte die seinerzeit am Neuen Markt notierte ComROAD AG,281 vertreten durch ihren damaligen Vorstandsvorsitzenden, für ihre Organmitglieder und leitenden Angestellten eine D&O-Versicherung abgeschlossen. Der Vorstandvorsitzende verschwieg jedoch im Fragebogen, der beim Vertragsschluss auszufüllen war, vorsätzlich haftungsrelevantes Vorwissen, indem er die Frage nach Umständen verneinte, die zu einem Versicherungsfall führen könnten. Tatsächlich hatte die ComROAD AG durch ihren Vorstandsvorsitzenden in den Jahren 1998 bis 2000 falsche Bilanzen und Ad-hoc-Mitteilungen veröffentlicht, um potentielle Anleger zu täuschen.282 Nachdem der Versicherer hiervon Kenntnis erlangt hatte, erklärte er die Anfechtung des Versicherungsvertrags wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB, hilfsweise den Rücktritt. Vertragsbestandteil war durch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen auch folgende, der oben festgehaltenen sehr ähnliche Klausel geworden: „Bei der Prüfung, ob Versicherungsschutz besteht, werden einer versicherten Person keine bei anderen versicherten Personen gegebenen Tatsachen zugeschrieben oder vorhandene Kenntnisse zugerechnet.“

Der Kläger, ehemaliger Aufsichtsratsvorsitzender der ComROAD AG, der von den deckungsschädlichen Umständen nichts wusste, erhob Klage auf Deckungsschutz gegen den Versicherer. Mit Urteil vom 23. März 2004 gab das LG Düsseldorf dieser Klage statt. Aufgrund der Klausel habe eine Wissenszurechnung zu unterbleiben, wenn die andere versicherte Person gleichzeitig Organ des Versicherungsnehmers sei. Eine etwaige Nichtigkeit des Versicherungsvertrags entfalte nach den Umständen des konkreten Falles und insbesondere nach der oben wiedergegebenen Vertragsklausel jedenfalls keine Wirkung gegenüber dem Kläger.283 Das Oberlandesgericht widersprach diesen Ausführungen in der Berufungsinstanz, hob das Urteil des Landgerichts auf und lehnte die Klage des ehemaligen Auf-

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Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 69; Langheid/Grote, VersR 2005, 1165, 1168. Vgl. dazu und zum Folgenden OLG Düsseldorf ZIP 2006, 1677 ff. 281 Bei der ComROAD AG handelte es sich um einen Telematik-Anbieter, der unter anderem Navigationscomputer für Fahrzeuge herstellte. Unter Telematik versteht man eine Technologie, die die Bereiche Telekommunikation und Informatik verknüpft. 282 Vgl. die Sachverhaltsschilderung bei Sieg/Schramm, PHi 2005, 234. 283 Vgl. die Ausführungen des Landgerichts im Urteil (11 O 344/02) bei Sieg/Schramm, PHi 2005, 234. 280

§ 11 Einschränkungen der Zurechnung und der Rechtsfolgen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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sichtsratsvorsitzenden ab.284 Das deckungsschädliche Vorwissen des Vorstandsvorsitzenden sei der ComROAD AG als Versicherungsnehmerin zuzurechnen, sodass der Versicherer den Vertrag wirksam gemäß §§ 22 VVG, 123, 142 Abs. 1 BGB angefochten habe. Dabei sei das Handeln des damaligen Vorstandsvorsitzenden nach § 164 Abs. 1 BGB, sein Wissen als Organvertreter nach § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen. Die sich aus § 142 Abs. 1 BGB ergebende ex-tunc-Wirkung der Anfechtung führe dazu, dass der Versicherer auch gegenüber redlichen Mitversicherten von seiner Leistungspflicht frei geworden sei.285 Daran ändere auch die verwendete Klausel nichts, da sie die Zurechnung an die Gesellschaft nicht tangiere. Schon aus ihrem Wortlaut ergebe sich, dass sie nicht dazu bestimmt sei, dem Schutz der Gesellschaft zu dienen: Abgestellt werde allein auf eine Zurechnung im Kreis der versicherten Personen, nicht auf eine Zurechnung an den Versicherungsnehmer. Ein abweichendes Verständnis ergebe sich auch nicht aus dem Willen der beteiligten Parteien: Ein Komplettausschluss der Zurechnung von Tatsachen und Kenntnissen an die Versicherungsnehmerin führe vielmehr dazu, dass die Gesellschaft schon beim Vertragsschluss nicht wirksam vertreten worden wäre, was die Vertragspartner ersichtlich nicht gewollt hätten. Dem Kläger nütze die verwendete Klausel nichts, weil sie die Frage, wie sich eine arglistige Täuschung durch den Versicherungsnehmer auf die versicherten Personen auswirke, nicht regele. Der Ausschluss der Wissenszurechnung im Kreis der versicherten Personen beinhalte nicht, dass der Versicherer verpflichtet sei, Vertragsleistungen an gutgläubige Mitversicherte zu erbringen, wenn er durch eine für den Versicherungsnehmer handelnde Person, die wegen ihrer Organstellung zugleich zu den versicherten Personen gehöre, arglistig getäuscht und so erst zum Vertragsschluss bestimmt worden sei. Die Gesellschaft mutiere aufgrund der Vertretung durch eine versicherte Person nicht selbst zu einer solchen, sodass die Nichtzurechnungsklausel schon ihrem Wortlaut nach nicht einschlägig sei. Auch die Auslegung der Vereinbarung aus Sicht eines objektiven Dritten ergebe keine Anhaltspunkte für einen Verzichtswillen des Versicherers in dem Umfang, dass er sich für den Fall einer zum Vertragsschluss führenden arglistigen Täuschung durch den Versicherungsnehmer des Rechts begeben wolle, dieses Verhalten den versicherten Personen entgegenzuhalten. Ansonsten wäre der Unredlichkeit auf Seiten des zukünftigen Versicherungsnehmers sanktionslos Tor und Tür geöffnet und es käme zu unvertretbaren Ergebnissen: Im Falle der Vertretung des Versicherungsnehmers durch eine täuschende versicherte Person bestünde infolge eines solchen Zurechnungsausschlusses weiterhin eine ACHTUNGRELeistungspflicht des Versicherers gegenüber den redlichen Mitversicherten, die ACHTUNGRETäuschung durch eine nicht versicherte Person im Rahmen rechtsgeschäftlicher Vertretung führte dagegen dazu, dass der Versicherer leistungsfrei bliebe. Denn nichts spreche aus dessen Sicht für einen Erst-recht-Schluss in der Weise, dass bei einer Täuschung durch eine nicht versicherte Person eine Zurechnung gegenüber einer unwis-

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OLG Düsseldorf ZIP 2006, 1677, 1678. OLG Düsseldorf ZIP 2006, 1677, 1678 f.

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5. Teil: Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung

senden versicherten Person ebenfalls unterbleiben müsse.286 Im Ergebnis sei die Klage daher abzuweisen. b) Reaktionen auf die Entscheidung Das „Comroad-Urteil“ des OLG Düsseldorf hat im Schrifttum unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Zum Teil ist es auf Zustimmung gestoßen: So kann an der Richtigkeit der Entscheidung nach Schmitt kein Zweifel bestehen, weil schließlich nur die ComROAD AG als juristische Person Vertragspartnerin des Versicherers geworden sei.287 Auch Sieg/Schramm halten es für zutreffend, dass die Anfechtung des Versicherungsvertrags zu Lasten aller versicherten Personen gewirkt habe. Für den Kläger habe sich ein Risiko verwirklicht, das der Versicherung für fremde Rechnung eigentümlich sei.288 Auch R. Koch und Richartz haben sich zum Urteil des OLG Düsseldorf geäußert. Der Entscheidung sei im Ergebnis und in weiten Teilen der Begründung zuzustimmen. Das Oberlandesgericht lasse allerdings unberücksichtigt, dass der Gesellschaft stets die Anfechtung des Vertrags durch den Versicherer wegen arglistiger Täuschung drohe, wenn man das Wissen jedes vertretungsberechtigten Mitglieds der Geschäftsleitung über Sachverhalte, die deren Haftung nach sich ziehen könnten, dem gesamten Organ und damit der Gesellschaft zurechnete.289 Es sei deshalb geboten, bei der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, die auf die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht gestützt werde, nur die Kenntnis desjenigen Vertreters der Gesellschaft zuzurechnen, der die Täuschung bei Abschluss des Versicherungsvertrags begangen habe. Insoweit sei der Anwendungsbereich des § 47 VVG einzuschränken.290 Kritisch setzte sich Lange mit dem „Comroad-Urteil“ auseinander.291 Dem Verständnis des Gerichts im Hinblick auf die Vertragsklausel, bei der es sich um eine sog. „einfache Severability-Klausel“ handle, könne nicht gefolgt werden. Die vertragliche Vereinbarung, dass zwischen den einzelnen Versicherten keine Zurechnung erfolge, schließe neben einer unmittelbaren auch eine mittelbare Zurechnung aus. Dies ergebe ein Erst-recht-Schluss: Müsse sich ein Mitversicherter haftungsrelevantes Wissen nicht direkt von anderen versicherten Personen zurechnen lassen, komme dies auch nicht mittelbar über den Umweg des Versicherungsnehmers in Betracht. Somit untersage die vertragliche Regelung einer einfachen Severability-Klausel, Wissen zunächst der Versicherungsnehmerin und dann in einem zweiten Schritt den Mitversicherten zuzurechnen. Deshalb hätte im Fall „Comroad“ eine Zurechnung 286

OLG Düsseldorf ZIP 2006, 1677, 1679 f. Schmitt, Organhaftung und D&O-Versicherung, S. 160. 288 Sieg/Schramm, PHi 2005, 234, 235. 289 R. Koch/Richartz, WuB IV A. § 123 BGB 1.07, 21, 22. 290 R. Koch, WM 2007, 2173, 2184; R. Koch/Richartz, WuB IV A. § 123 BGB 1.07, 21, 22 (zu § 79 VVG aF). Zur Einschränkung des § 47 VVG vgl. bereits oben unter I. 10. 291 Lange, ZIP 2006, 1680 ff. 287

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der Unredlichkeit des Vorstandsvorsitzenden über den Versicherungsnehmer an den Aufsichtsratsvorsitzenden nicht erfolgen dürfen.292 Im Ergebnis könne dem Urteil des Oberlandesgerichts dennoch gefolgt werden: Die Frage, ob eine Anfechtung Gesamtwirkung habe, sei nämlich keine Zurechnungs-, sondern eine Abwägungsfrage. Bei der Reichweite der Anfechtung gehe es nicht um Zurechnung, sondern darum, ob das Interesse des anfechtungsberechtigten Versicherers, sich vollständig vom Vertrag lösen zu können, oder das Interesse der Versicherten, nicht ohne eigenes Verschulden Versicherungsschutz zu verlieren, schutzwürdiger sei. Die streitgegenständliche einfache Severability-Klausel beziehe zu dieser Frage keine Stellung, was das OLG Düsseldorf zutreffend herausgearbeitet habe.293 In einem späteren Fall ist das LG Düsseldorf den Ausführungen des Oberlandesgerichts im Fall „Comroad“ gefolgt. Es hatte in einem Urteil über die Wirkung einer entsprechenden Vertragsklausel zu entscheiden.294 Das Landgericht führte aus, bei der streitgegenständlichen Klausel gehe es allein um eine Zurechung von Kenntnissen und Tatsachen im Verhältnis versicherte Person/andere versicherte Person und nicht im Verhältnis Versicherungsnehmerin/versicherte Person. Die Klausel solle insbesondere dann wirken, wenn mehrere versicherte Personen als Gesamtschuldner haften würden, aber nicht alle vorsätzlich oder wissentlich ihre Pflicht, die den Schadensersatzanspruch begründe, verletzt hätten. Es gehe aber nicht um die Zurechnung bei Vertragsschluss und der Verletzung der Anzeigeobliegenheit, was auch im Wortlaut der formularmäßigen Vereinbarung ihren Niederschlag gefunden habe, nach dem es um die Prüfung gehe, „ob Versicherungsschutz besteht“. Damit sei die Regelung für die Frage der Folgen einer Anzeigepflichtverletzung nicht anwendbar.295 c) Stellungnahme Den Ausführungen des Oberlandesgerichts im Fall „Comroad“ und des LG Düsseldorf in dessen nachfolgender Entscheidung ist im Ergebnis, aber auch in zentralen Passagen der Begründung zuzustimmen. Bei den streitgegenständlichen Vereinbarungen in den Versicherungsbedingungen handelte es sich um sog. einfache Severability-Klauseln, durch die eine Zurechnung von Kenntnissen und Verhalten von versicherten Personen an die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin nicht ausgeschlossen werden kann. § 47 VVG bleibt von einer solchen Vertragsgestaltung – wie auch eine Zurechnung als Eigenwissen und Eigenverhalten auf höherer Ebene – unberührt.296 Dieses Verständnis ergibt sich bereits aus dem für eine Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont entscheidenden, eindeutigen Wortlaut der Klau292

Lange, ZIP 2006, 1680 f. Lange, ZIP 2006, 1680, 1681. 294 LG Düsseldorf, Urteil vom 26. 1. 2006, 11 O 591/04, S. 16 (nicht veröffentlicht). 295 LG Düsseldorf, Urteil vom 26. 1. 2006, 11 O 591/04, S. 16 f. (nicht veröffentlicht). 296 Vgl. Lange, VersR 2006, 605, 610; ferner Seibt/Saame, AG 2006, 901, 911; Sieg/ Schramm, PHi 2005, 234, 235. 293

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5. Teil: Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung

sel, nach dem diese allein dazu dient, die Sphären der Versicherten voneinander zu trennen, aber nichts an einer Zurechnung im Verhältnis zwischen Versicherten und Versicherungsnehmer ändert. Damit kann eine entsprechende Vereinbarung entgegen der abweichenden Ansicht nicht verhindern, dass eine versicherte Person durch Handlungen und Kenntnisse anderer ihren Deckungsschutz verliert.297 Der ComROAD AG war somit das Wissen und das Verhalten ihres Vorstandsvorsitzenden zuzurechnen, mit der vom Oberlandesgericht ausgeführten Folge der Gesamtwirkung der Anfechtung auch gegenüber den redlichen Mitversicherten. Im Ergebnis nicht entscheidend ist, dass das OLG Düsseldorf für die Zurechnung – unzutreffend – auf §§ 164 Abs. 1, 166 Abs. 1 BGB anstatt auf eine Zurechnung als Eigenwissen und Eigenhandeln der Aktiengesellschaft auf höherer Ebene abgestellt hat. Die „einfache Severability-Klausel“ schließt allein eine Zurechnung im Verhältnis eines Versicherten zu anderen Versicherten aus. Eine solche Zurechnung von Kenntnissen oder Verhalten erfolgt allerdings im Rahmen der vorvertraglichen Anzeigepflicht grundsätzlich ohnehin nicht,298 auch nicht über den Versicherungsnehmer als „Zwischenstation“.299 Die Auffassung von Lange, eine entsprechende Vereinbarung schließe erst recht auch eine mittelbare Zurechnung aus, überzeugt nicht. Sie verkennt, dass die Gesamtwirkung der Gestaltungsrechte auch keine Zurechnung von der Aktiengesellschaft als Versicherungsnehmerin an die Versicherten erfordert. Vielmehr muss die Zurechnung an die Gesellschaft als Voraussetzung dafür, dass der Versicherer ein Gestaltungsrecht ausüben kann, deutlich von der Gesamtwirkung seiner Rechtsausübung unterschieden werden. Zudem bleibt innerhalb Langes Ausführungen unklar, auf welcher dogmatischen Grundlage bei der Frage nach der Reichweite der Anfechtung eine Abwägungsentscheidung erfolgen soll. Ein anderes Auslegungsergebnis lässt sich auch nicht mit dem Willen der Parteien begründen. Aus der „Severability-Klausel“ lässt sich zwar ablesen, dass die Vertragspartner die Folgen einer Pflichtverletzung in bestimmten Fällen, in denen der Deckungsschutz von persönlichen Umständen abhängig ist, auf den Versicherten begrenzen wollten, der die Verletzung begangen hat. Es fehlt jedoch an Anhaltspunkten dafür, dass eine solche Einschränkung – entgegen dem Wortlaut der Vereinbarung – auch im Bereich der vorvertraglichen Anzeigepflicht erfolgen sollte, wo die Rechtsfolgen nicht an eine Obliegenheitsverletzung der Versicherten, sondern der Versicherungsnehmerin anknüpfen und es auf eine Zurechnung von einem Versicherten an einen anderen gerade nicht ankommt. Ein Anwendungsbereich für die Klausel ist dagegen eröffnet, wenn es um eine Pflichtverletzung eines Versicherten geht, die zu 297 Vgl. Lange, VersR 2006, 605, 609 ff.; ferner Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 69; Seibt/ Saame, AG 2006, 901, 911. AA Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, S. 298 f. 298 s. auch Beckmann/Matusche-Beckmann, § 28 Rn. 156. Eine Zurechnung vom einen zum anderen Versicherten ist im Rahmen der vorvertraglichen Anzeigepflicht nur dann denkbar, wenn ein Versicherter Repräsentant, Wissensvertreter oder Wissenserklärungsvertreter eines anderen Versicherten ist, was nur in seltenen Ausnahmekonstellationen vorkommt. 299 Offensichtlich unzutreffend daher Schilling, D&O-Versicherung und Managerhaftung, S. 40.

§ 11 Einschränkungen der Zurechnung und der Rechtsfolgen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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einem Ersatzanspruch des Geschädigten auch gegenüber anderen Versicherten führt und der unmittelbare Schädiger Voraussetzungen erfüllt, die einen Deckungsausschluss des Versicherers begründen. Dies ist etwa, wie es das LG Düsseldorf bereits zutreffend angemerkt hat, bei einer Gesamtschuld denkbar. In solchen Fällen stellt eine entsprechende Vereinbarung klar, dass sich die Mitversicherten weiterhin auf Versicherungsschutz berufen können, sofern in ihrer Person nicht ebenfalls Ausschlussgründe vorliegen. Diese Konstellation ist mit der im Anschluss an eine Anzeigepflichtverletzung nicht vergleichbar. Zwar gehen die Bedenken des Oberlandesgerichts, ein Komplettausschluss der Zurechnung führe auch dazu, dass die Gesellschaft nicht wirksam vertreten worden wäre,300 zu weit. Um die Gesamtwirkung der Gestaltungsrechte zu begrenzen, wäre eine derart weitgehende, dem Parteiwillen ersichtlich entgegenstehende Auslegung der Klausel auch nicht erforderlich. Dennoch kann dem Willen der Parteien nicht entnommen werden, die Möglichkeiten des Versicherers infolge einer Anzeigepflichtverletzung in solch erheblichem Maß einzuschränken. Für eine derart weitreichende Folge ist eine Vereinbarung zu verlangen, aus deren Wortlaut sich ein entsprechender Parteiwille deutlich ablesen lässt. Daher hat eine „einfache Severability-Klausel“ im Bereich der vorvertraglichen Anzeigepflicht praktisch keinen Nutzen.301 d) Qualifizierte Severability-Klausel Aus diesem Grund wurde in der Praxis über andere Klauselgestaltungen nachgedacht, um die Auswirkungen der Gestaltungsrechte gegenüber den redlichen Mitversicherten sinnvoll einzuschränken. Die entsprechenden Vereinbarungen in den Versicherungsbedingungen, mit denen der Deckungsschutz der gutgläubigen Versicherten aufrechterhalten werden soll, werden als „qualifizierte Severability-Klauseln“ (oder „full severability clauses“) bezeichnet.302 Es wird vorgeschlagen, ihre Gestaltung an § 123 VVG zu orientieren, der für die Pflichtversicherung die soziale Risikoabsicherung der Versicherten regle.303 Demnach müsse eine entsprechende Klausel etwa folgenden Wortlaut haben: „Ist der Versicherer der Versicherungsnehmerin gegenüber von der Verpflichtung zur Leistung frei, kann er dies einem Versicherten nur entgegenhalten, wenn die der Leistungsfreiheit zugrunde liegenden Umstände dem Versicherten bekannt oder grob fahrlässig nicht bekannt waren.“304

In der Sache stellt eine solche Bestimmung einen Verzicht auf die Einwände der Anfechtung und des Rücktritts gegenüber den redlichen Versicherten dar. Fraglich ist, 300

OLG Düsseldorf ZIP 2006, 1677, 1679. So auch Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 69 f.; Lange, VersR 2006, 605, 610. 302 Dazu Lange, ZIP 2006, 1680, 1681; Seibt/Saame, AG 2006, 901, 911; Winterling/ Harzenetter, VW 2007, 1792, 1794 f. 303 Lange, ZIP 2006, 1680, 1681 (zur Vorgängervorschrift des § 123 VVG, § 158i VVG aF); in diese Richtung auch Seibt/Saame, AG 2006, 901, 911. 304 Lange, ZIP 2006, 1680, 1681. 301

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5. Teil: Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung

welches zeitliche Ausmaß dieser Verzicht annimmt.305 Denkbar ist zum einen, dass Anfechtung und Rücktritt gegenüber den gutgläubigen Versicherten abweichend von der gesetzlichen Regelung nur ex nunc wirken. Damit bliebe der Deckungsschutz der redlichen versicherten Personen für Versicherungsfälle bis zum Zeitpunkt der Gestaltungserklärung erhalten, entfiele aber für nachfolgende Fälle, sofern sich aus Nachdeckungsregelungen nichts anderes ergäbe. Zum anderen kommt in Betracht, den Versicherungsvertrag infolge der Vertragsklausel im Hinblick auf die Leistungspflicht des Versicherers bis zu seinem ursprünglichen Ende als wirksam zu fingieren. Die jeweilige Rechtslage folgt aus einer Auslegung der Vereinbarung nach dem objektiven Empfängerhorizont, §§ 133, 157 BGB: So ergeben sich aus dem Wortlaut der oben abgebildeten Klausel keine Anzeichen für ein vorzeitiges Ende der Leistungspflicht gegenüber den redlichen Versicherten. Da auch ein entsprechender Wille auf Seiten des Versicherungsnehmers aus objektiver Sicht nicht vorliegen wird, bliebe der Versicherer bis zum geplanten Vertragsende leistungspflichtig. Allerdings erhielte er für diesen Zeitraum keine Prämie mehr, da die Zahlungspflicht mit dem Zugang der Gestaltungserklärung endet, § 39 Abs. 1 S. 2 VVG. Aus diesem Grund ist ihm dringend anzuraten, die Vertragsklausel zu modifizieren und dabei den Zeitraum der Leistungspflicht ausdrücklich einzuschränken. Um auch die Interessen des Versicherungsnehmers und seiner Organmitglieder angemessen zu berücksichtigen, sollte beachtet werden, dass dieser regelmäßig eine gewisse Zeit benötigen wird, um eine Anschlussdeckung bei einem anderen Versicherer zu erlangen. Ist nicht schon an anderer Stelle der Versicherungsbedingungen eine entsprechende Nachdeckungsregelung vorhanden, kann ein solcher Übergangsschutz auch im Rahmen der „SeverabilityKlausel“ geregelt werden. Eine Klausel mit entsprechendem Zusatz könnte daher wie folgt lauten: „Ist der Versicherer der Versicherungsnehmerin gegenüber von der Verpflichtung zur Leistung frei, kann er dies einem Versicherten nur entgegenhalten, wenn die der Leistungsfreiheit zugrunde liegenden Umstände dem Versicherten bekannt oder grob fahrlässig nicht bekannt waren. Die danach bestehende Leistungspflicht gegenüber Versicherten ist für Versicherungsfälle ausgeschlossen, die nach Ablauf von drei Monaten, nachdem die Gestaltungserklärung wirksam wurde, eintreten.“

Eine solche Vertragsklausel läge zwar im Interesse des Versicherungsnehmers und der versicherten Personen und würde das Problem der Gesamtwirkung der Gestaltungsrechte aus deren Sicht zufriedenstellend lösen. Demgegenüber könnte das Interesse des Versicherers durch eine derartige Vereinbarung in den Versicherungsbedingungen nicht vollständig befriedigt werden. Für ihn stellte sich das grundlegende Problem, dass er regelmäßig auch nach einer gravierenden Anzeigepflichtverletzung im Hinblick auf gefahrerhebliche Umstände, sogar infolge einer arglistigen Täuschung, in Höhe des Gesamtschadens vollständig deckungspflichtig bliebe. Zu beachten ist nämlich, dass derjenige, der die Anzeigeobliegenheit verletzt hat oder die zugrunde 305 Diese Frage wird von Steinkühler/Kassing, VP 2009, 31, 32 am Rande indirekt aufgeworfen.

§ 11 Einschränkungen der Zurechnung und der Rechtsfolgen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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liegenden Umstände kannte oder kennen musste, häufig mit der Person, die in der Folge Versicherungsschutz benötigt, nicht identisch ist. Das gilt insbesondere auch deshalb, weil versicherte Personen regelmäßig gesamtschuldnerisch in Anspruch genommen werden.306 Darüber hinaus müsste der Versicherer auch dann mit der vollen Versicherungssumme leisten, wenn er einzelnen Versicherten ihre Bösgläubigkeit nicht nachweisen könnte.307 Daher würde eine solche Vereinbarung dem Schutzbedürfnis des Versicherers nicht hinreichend Rechung tragen.308 Um eine „qualifizierte Severability-Klausel“ für die Versicherer zu einer praxisdienlichen Möglichkeit der Vertragsgestaltung zu machen, ist daher daran zu denken, diesen dann, wenn sie einer gutgläubigen versicherten Person aufgrund der Klausel Deckungsschutz gewähren müssen, einen Regressanspruch gegen den Versicherungsnehmer einzuräumen. Vereinzelt wird behauptet, ein solcher Schadensersatzanspruch des Versicherers gegen den Versicherungsnehmer bestehe zumindest im Fall der arglistigen Anzeigepflichtverletzung unabhängig von einer entsprechenden Vereinbarung aus § 826 BGB iVm § 31 BGB bzw. § 166 BGB analog.309 Dem ist nicht zu folgen. Tatsächlich ist es dem Versicherer nicht möglich, infolge einer Anzeigepflichtverletzung des Versicherungsnehmers von diesem gemäß § 826 BGB oder den Regelungen der culpa in contrahendo Regress für den Schaden zu verlangen, der ihm entstanden ist, weil er aufgrund der „Severability-Klausel“ den Deckungsschutz gegenüber einem Versicherten nicht versagen konnte. Dies ergibt sich daraus, dass eine entsprechende Vereinbarung die Kausalkette zwischen Anzeigepflichtverletzung und eingetretenem Schaden unterbricht. Nicht die Anzeigepflichtverletzung, die grundsätzlich zu den in §§ 19 ff. VVG geregelten Folgen führen würde, ist kausal für den Schaden des Versicherers, sondern die zwischen diesem und dem Versicherungsnehmer vereinbarte Vertragsklausel. Diese Bestimmung hindert den Versicherer daran, den redlichen Versicherten entsprechend den gesetzlichen Regelungen den Deckungsschutz versagen zu können. Eine Regressmöglichkeit existiert für ihn nur dann, wenn sie ihm ausdrücklich eingeräumt wurde. Dies kann durch eine weitere Ergänzung der „qualifizierten Severability-Klausel“ geschehen, die in der Folge etwa folgende Gestalt hätte: „Ist der Versicherer der Versicherungsnehmerin gegenüber von der Verpflichtung zur Leistung frei, kann er dies einem Versicherten nur entgegenhalten, wenn die der Leistungsfreiheit zugrunde liegenden Umstände dem Versicherten bekannt oder grob fahrlässig nicht bekannt waren. Die danach bestehende Leistungspflicht gegenüber Versicherten ist für Versicherungsfälle ausgeschlossen, die nach Ablauf von drei Monaten, nachdem die Gestaltungser-

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Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 70. Vgl. Winterling/Harzenetter, VW 2007, 1792, 1794; zustimmend Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 70. 308 Vgl. Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 70. 309 So Winterling/Harzenetter, VW 2007, 1792, 1795. 307

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5. Teil: Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung

klärung wirksam wurde, eintreten. Soweit der Versicherer Leistungen nach Satz 1 gewährt, kann er gegen die Versicherungsnehmerin Rückgriff nehmen.“310

Mit einer derart ausgestalteten Vertragklausel, deren dritter Satz nicht dazu führt, dass Ansprüche aus § 826 BGB oder §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB wieder aufleben, sondern konstitutiv einen vertraglichen Ersatzanspruch des Versicherers begründet, ist sowohl dessen Interessen als auch denen der Versicherten in ausreichendem Maß gedient. Dennoch werden an einer entsprechenden Gestaltung Bedenken angemeldet, weil sie den Schutz der Gesellschaft nicht ausreichend gewährleiste.311 Tatsächlich sind die Folgen einer dem Versicherer eingeräumten Regressmöglichkeit für die Aktiengesellschaft als Versicherungsnehmerin erheblich. Zwar hätte diese in einigen Fällen eigene Regressansprüche aus § 93 Abs. 2 AktG gegen die für die Anzeigepflichtverletzung verantwortlichen Organwalter, die durch die unterbliebene Weiterleitung ihres Wissens innerhalb der Gesellschaft, die unzureichende Beantwortung des Risikofragebogens oder eine mangelhafte Organisation der Abfrage des Wissens der Versicherten häufig nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gehandelt gehabt hätten. Für diese Ansprüche bestünde für die betreffenden Organmitglieder regelmäßig auch keine Versicherungsdeckung, weil sie von den der Anzeigepflicht zugrunde liegenden Umständen zumindest gewusst haben müssten und deshalb vom persönlichen Schutzbereich der „Severability-Klausel“ gerade nicht umfasst wären. Allerdings führte eine entsprechende Regressvereinbarung jedenfalls dazu, dass die Gesellschaft im Ergebnis mit dem Insolvenzrisiko der verantwortlichen Organwalter belastet wäre. Im Ergebnis stünde sie schlechter als ohne eine „qualifizierte Severability-Klausel“, wodurch – außerhalb der Versicherung von Großrisiken, für die sich aber eine spezielle Vertragsgestaltung ohnehin nicht anbietet312 – gegen § 32 VVG verstoßen würde und die Bestimmung unzulässig wäre. Um eine entsprechende Vertragsklausel als sinnvolle Gestaltungsmöglichkeit für alle Beteiligten des D&O-Vertrags nutzen zu können, ist es daher erforderlich, die Versicherungsnehmerin an anderer Stelle des Vertrags zu entlasten, um einen angemessenen Ausgleich zur Regressmöglichkeit des Versicherers zu schaffen und im Ergebnis zu einer insgesamt überzeugenden und zulässigen Regelung zu gelangen.

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Den dritten Satz der Klausel enthält auch das von Lange, ZIP 2006, 1680, 1681 dargestellte Praxisbeispiel. 311 Vgl. Seibt/Saame, AG 2006, 901, 911. 312 Die Gestaltungsfreiräume bei der Versicherung eines Großrisikos fallen wieder weg, wenn auch die Eigenschaft als Großrisiko entfällt, ein Unternehmen also die erforderlichen Unternehmenskennzahlen nicht mehr erreicht. In einem solchen Fall würden dann die abbedungenen Pflichten des VVG wieder greifen, vgl. Neuhaus/Kloth, Praxis des neuen VVG, S. 168 f. Aus diesem Grund müsste bei jeder Vertragsverlängerung erneut geprüft werden, ob die entsprechenden Kennzahlen noch erfüllt sind, was einen großen Verwaltungsaufwand darstellte, vgl. Grote/Schneider, BB 2007, 2689; ferner Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 47 f.

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4. Einschränkung der Zurechnung a) Keine konkludente Modifikation der Zurechnungsregeln durch die Besonderheiten der D&O-Versicherung Dafür bietet es sich an, Einschränkungen auf der Zurechnungsebene vorzunehmen, die der Aktiengesellschaft als Versicherungsnehmerin zugute kommen. Wird die weite Zurechnung des Wissens, Verhaltens und Verschuldens aller versicherten Personen vertraglich begrenzt, führt dies dazu, dass es zu weniger Anzeigepflichtverletzungen der Gesellschaft kommt, der Versicherer gegenüber den Versicherten in weniger Fällen leistungsfrei wird und damit auch die Zahl der mit dem Eingreifen der „qualifizierten Severability-Klausel“ einhergehenden Regressansprüche des Versicherers gegen die juristische Person zurückgeht. Allerdings kann aus den Besonderheiten der D&O-Versicherung mit ihrer Vielzahl an wechselnden Mitversicherten noch keine konkludente Modifikation oder gar ein stillschweigendes Abbedingen der Zurechnungsregeln wie § 47 VVG hergeleitet werden.313 Die Annahme entsprechender korrespondierender Willenserklärungen ist eine bloße Fiktion, die allein aus Billigkeitsgesichtspunkten erfolgt und deshalb abzulehnen ist – ein wirklicher Geschäftswille wird insoweit nicht vorliegen. Ist den Parteien die Problemlage bewusst, bleibt es ihnen unbenommen, eine tatsächliche Übereinkunft zu erzielen. b) Vertraglich vereinbarte Adressatenstellung der Versicherten aa) Vereinbarung in den Bedingungen des Versicherungsvertrags Durch eine bloße vertragliche Einschränkung der Zurechnungsregeln als Ausgleich für die Regressmöglichkeit des Versicherers würden aber wiederum dessen Interessen missachtet. Eine praxisdienliche Gestaltungsmöglichkeit des Versicherungsvertrags könnte auf diese Weise nicht erreicht werden. Denn in der Folge wäre es für den Versicherer nicht gewährleistet, zumindest gegenüber denjenigen Personen leistungsfrei zu bleiben, deren Wissen und Verhalten der Gesellschaft aufgrund der vertraglichen Vereinbarung nicht zugerechnet werden kann, ohne Zurechnungseinschränkung aber eine Anzeigepflichtverletzung der juristischen Person begründet hätte. Da die Gesellschaft nach der gesetzlichen Regelung alleinige Adressatin der vorvertraglichen Anzeigepflicht ist, setzt eine Verletzung dieser Obliegenheit mit den in den §§ 19 ff. VVG normierten Folgen in einem ersten Schritt eine Zurechnung an die juristische Person voraus. Ist eine solche Zurechnung von der entscheidenden, für die Obliegenheitsverletzung (mit-)verantwortlichen Person ausgeschlossen, fehlt 313 So im Ergebnis auch Loritz, FS Rechberger, S. 327, 341 f. Vgl. aber Langheid/Grote, VersR 2005, 1165, 1167, die die Idee aufwerfen, bei der D&O-Versicherung könne möglicherweise davon auszugehen sein, § 47 Abs. 2 S. 2 VVG (§ 79 Abs. 3 VVG aF) sei stillschweigend abbedungen. Allerdings gehen sie auf diesen Ansatz nicht näher ein, geben lediglich zu Bedenken, dass eine Abbedingung jedenfalls dann nicht in Betracht komme, wenn die Verpflichtung zum Abschluss einer D&O-Versicherung im Anstellungsvertrag geregelt sei.

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5. Teil: Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung

es damit an einer Anzeigepflichtverletzung der Gesellschaft, was dazu führt, dass der Versicherer grundsätzlich auch allen Mitversicherten gegenüber weiterhin zur Gewährung des Deckungsschutzes verpflichtet bleibt. Etwas anderes gilt allein infolge einer arglistiger Täuschung: Eine Anfechtung des Versicherungsvertrags ist gemäß § 123 Abs. 2 S. 1 iVm Abs. 1 BGB auch dann möglich, wenn ein „Nichtdritter“ iSd Norm den Versicherer getäuscht hat, ohne dass es erforderlich wäre, die Täuschung der Gesellschaft zuzurechnen. Die Versicherten gelten bei der D&O-Versicherung als „Nichtdritte“ in diesem Sinne.314 Vom Fall des § 123 BGB abgesehen wäre der Versicherer allerdings, nachdem ein Zurechnungsausschluss eingegriffen hätte, auch gegenüber den Versicherten, deren Wissen aufgrund dieses Ausschlusses nicht zu einer Anzeigepflichtverletzung der Gesellschaft führen konnte, weiterhin zur Leistung verpflichtet, sofern deren Verlangen nach Versicherungsschutz nicht die Schwelle des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) überstiege. Um diese unbefriedigende Konsequenz zu verhindern, ist es erforderlich, die Versicherten, deren Eigenschaft als Zurechnungssubjekt durch eine vertragliche Vereinbarung ausgeschlossen werden soll, durch eine weitere vertragliche Vereinbarung zu eigenständigen Adressaten der vorvertraglichen Anzeigepflicht zu bestimmen. Eine solche Übereinkunft hätte zur Folge, dass ein Verschweigen oder die unrichtige Angabe gefahrerheblicher Umstände durch versicherte Personen zwar keine Anzeigepflichtverletzung der Gesellschaft, aber eine solche der verantwortlichen Versicherten selbst begründete. Zumindest diesen gegenüber könnte der Versicherer die Folgen der Obliegenheitsverletzung geltend machen, wodurch seine Interessen gestärkt wären. Die Bestimmung der Versicherten zu Adressaten der vorvertraglichen Anzeigepflicht könnte durch eine Vertragsklausel erfolgen, die bereits Eingang in die Bedingungen mehrerer Versicherer gefunden hat, dort häufig auch auf andere Obliegenheiten erstreckt wird und zB wie folgt lautet: „Die Anzeigepflichten und Obliegenheiten gelten sinngemäß für die versicherten Personen.“315

Wird die Wirksamkeit einer solchen Vertragsklausel unterstellt, handelt es sich nicht nur um eine deklaratorische, sondern um eine konstitutive Regelung, weil nach den gesetzlichen Vorschriften allein die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin Adressatin der vorvertraglichen Anzeigepflicht ist.316 Fraglich ist aber, ob es rechtlich möglich ist, die Versicherten zu Adressaten der Anzeigepflicht zu bestimmen. Nach einer Auffassung kann eine solche Bestimmung durch Klauseln wie der oben wiedergegebenen in den Versicherungsbedingungen erfolgen.317 Es stellt sich aber 314

Vgl. dazu unter § 9 IV. So die Klausel 8.3 der der GDV-Musterbedingungen 2008 (AVB-AVG), vgl. auch Lange, VersR 2006, 605, 609 m. Fn. 43. 316 Vgl. Lange, VersR 2006, 605, 609; ferner v. Bühren/Lenz, § 26 Rn. 125; zur alleinigen Adressatenstellung der Versicherungsnehmerin vgl. die Ausführungen unter § 6 III. 317 Lange, VersR 2006, 605, 609. Lenz hat sich dieser Prämisse weitgehend angeschlossen, vgl. ders., in: v. Bühren, § 26 Rn. 125 ff. 315

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die Frage, ob in den Bedingungen des Versicherungsvertrags tatsächlich eine vorvertragliche Obliegenheit der Versicherten vereinbart werden kann. Dafür wird angeführt, zum Zeitpunkt, in dem die vorvertragliche Anzeigepflicht durch die Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien entstehe, liege bereits ein vorvertragliches Schuldverhältnis vor, das gemäß § 311 Abs. 2 BGB ohne weiteres auch Pflichten begründen könne.318 Die Vereinbarung der Anzeigeobliegenheit konkretisiere daher lediglich die ohnehin bestehenden Pflichten aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis.319 Deshalb sei auch die Argumentation, der Versicherungsvertrag könne rückwirkend keine Verpflichtungen begründen,320 nicht haltbar. Tatsächlich kann ein vorvertragliches Schuldverhältnis iSd § 311 Abs. 2 BGB Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB begründen. Dazu gehören nicht nur Schutzpflichten im Sinne von Verkehrssicherungspflichten; vielmehr können sich aus § 241 Abs. 2 iVm § 311 Abs. 2 BGB all die Pflichten ergeben, die erforderlich sind, Gefahren zu begegnen, die sich aus den mit der Aufnahme von Vertragsverhandlungen eröffneten Einwirkungsmöglichkeiten einer Seite auf die Rechts- und Interessensphäre der anderen Seite ergeben.321 Davon sind insbesondere Aufklärungs- und Informationspflichten umfasst, die sogar den Kern des Rechtsinstituts der culpa in contrahendo ausmachen.322 Unproblematisch ist in diesem Zusammenhang, dass es sich bei der vorvertraglichen Anzeigepflicht um keine einklagbare Rechtspflicht, sondern lediglich um eine Obliegenheit handelt.323 Zwar kann deren Verletzung nur zu einem Rechtsverlust, nicht aber zu Schadensersatzansprüchen iSd §§ 280, 241 Abs. 2 BGB führen. Bestehen im vorvertraglichen Bereich in der Regel jedoch sogar echte Rechtspflichten, so kann diese gesetzlich vorgesehene Regelung grundsätzlich für einen Teilbereich wie den der vorvertraglichen Anzeigepflicht vertraglich einschränkend konkretisiert und zu einer bloßen Obliegenheit ausgestaltet werden. Ist es im vorvertraglichen Stadium möglich, echte Rechtspflichten zu begründen, muss dies erst recht für Obliegenheiten gelten. Dabei ist es grundsätzlich auch denkbar, ein vorvertragliches Rechtsverhältnis durch Allgemeine Geschäftsbedingungen zu begründen oder inhaltlich auszugestalten.324 Dennoch überzeugt die Auffassung nicht, Klauseln des Versicherungsvertrags wie die oben wiedergegebene führten zur Adressatenstellung der Versicherten im Hinblick auf die vorvertragliche Anzeigepflicht. Zunächst ist dagegen vorzubringen, dass schon der Gesetzgeber die Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtverletzung in 318

Lange, VersR 2006, 605, 609; dem folgend v. Bühren/Lenz, § 26 Rn. 126. Lange, VersR 2006, 605, 609. 320 So noch Beckmann/Matusche-Beckmann/Knappmann, 1. Aufl., § 14 Rn. 91. Der entsprechende Satz ist in der Neuauflage entfallen, vgl. Beckmann/Matusche-Beckmann/ Knappmann, § 14 Rn. 116. 321 MünchKommBGB/Emmerich, § 311 Rn. 78. 322 MünchKommBGB/Emmerich, § 311 Rn. 78, 96. 323 Zur Eigenschaft der Anzeigepflicht als Obliegenheit vgl. bereits unter § 6 I. 324 Vgl. BGHZ 133, 184, 188 = NJW 1996, 2574; LG Köln ZIP 1997, 1328; Ulmer/ Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 305 BGB Rn. 13; ferner auch Erman/Roloff, § 305 Rn. 5. 319

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5. Teil: Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung

den §§ 19 ff. VVG konkretisiert und gegenüber den Regelungen der culpa in contraA endo eingeschränkt hat. Diese Vorschriften regeln den Bereich der AnzeigepflichtCHTUNGREh verletzungen grundsätzlich abschließend; das Entstehen von Ansprüchen aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB ist daneben regelmäßig nicht möglich.325 Da darüber hinaus die Obliegenheit zur Anzeige gefahrerheblicher Umstände nach der gesetzlichen Regelung in den §§ 19 ff. VVG nur die Aktiengesellschaft als Versicherungsnehmerin, nicht aber die einzelnen Versicherten betrifft,326 kann bei der Begründung einer eigenständigen Anzeigepflicht der Versicherten nicht von einer bloßen Konkretisierung der sich aus §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB ergebenden Pflichten oder Obliegenheiten des vorvertraglichen Schuldverhältnisses gesprochen werden. Vielmehr begründet eine entsprechende Vereinbarung eine originäre Obliegenheit der Versicherten, wofür es einer Rechtsgrundlage bedarf. Als taugliche Rechtsgrundlage kommt der Versicherungsvertrag jedoch nicht in Betracht, weil es sich bei der vorvertraglichen Anzeigepflicht um eine Obliegenheit handelt, die bereits erfüllt werden muss, bevor der Vertrag zustande kommt.327 Auf eine solche Obliegenheit können sich erst vom Vertragsschluss an geltende Versicherungsbedingungen grundsätzlich nicht auswirken.328 Die Vereinbarung einer vorvertraglichen Anzeigepflicht der Versicherten erfordert vielmehr eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer als Vertragsparteien bereits im Vorfeld des Abschlusses des Versicherungsvertrags. Eine solche Übereinkunft begründet dann ihrerseits ein vertragliches Schuldverhältnis, das dem eigentlichen Versicherungsvertrag zeitlich vorgelagert ist, jedoch kein vorvertragliches Schuldverhältnis iSd § 311 Abs. 2 BGB darstellt. Auch wenn der Versicherungsvertrag als Rechtsgrundlage der Adressatenstellung der Versicherten nicht in Betracht kommt, kann eine entsprechende Vereinbarung mit seiner Hilfe getroffen werden. Erklärt sich der Versicherungsnehmer gegenüber dem Versicherer mit der Geltung einer in den Vertragsbedingungen enthaltenen Klausel schon vor dem Abschluss des Versicherungsvertrags eindeutig einverstanden, kann darin eine selbständige vertragliche Regelung liegen. In einem solchen Fall haben die Versicherungsbedingungen, getrennt nach verschiedenen Klauseln, auf zwei voneinander zu unterscheidende Schuldverhältnisse Auswirkungen: zum einen auf den eigentlichen Versicherungsvertrag, zum anderen auf ein diesem vorgelagertes vertragliches Schuldverhältnis, in dem die Adressatenstellung der Versicherten im Hinblick auf die vorvertragliche Anzeigepflicht geregelt wird. Die Adressatenstellung kann daher nicht durch eine „Klausel des Versicherungsvertrags“ begründet werden, sondern allein durch eine zusätzliche vertragliche Vereinbarung, die vor dem eigentlich geplanten Vertragsschluss erfolgt, sich aber auch auf eine Klausel des zukünftigen Versicherungsvertrags beziehen kann, die damit formu325

Vgl. bereits Bruck/Möller, 8. Aufl., § 16 Rn. 5; Keinert, Vorvertragliche Anzeigepflicht, S. 23; ferner Barg, Vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers, S. 15. 326 Vgl. dazu bereits § 6 III. 327 Vgl. schon Bruck/Möller, 8. Aufl., § 16 Rn. 5. 328 Vgl. bereits BGH VersR 1968, 293, 294; ferner BGH r+s 1989, 370, 371; Morisse, NVersZ 2000, 209.

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larmäßiger Bestandteil eines dem Versicherungsvertrag vorgelagerten Schuldverhältnisses wird. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass eine vorherige besondere Vereinbarung zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer notwendig ist, um die versicherten Personen zu Adressaten der vorvertraglichen Anzeigepflicht zu bestimmen. Eine solche Vereinbarung kann nicht durch eine bloße Klausel des eigentlichen Versicherungsvertrags ersetzt werden; vielmehr kann eine Klausel lediglich als Bezugspunkt der zusätzlichen Vereinbarung der Vertragsbeteiligten dienen. Die oben zitierte typische Vertragsklausel kann deshalb ohne über sie hinausgehende Absprachen entgegen abweichender Auffassung nur für solche Obliegenheiten originäre Wirkung entfalten, die dem Abschluss des Versicherungsvertrags zeitlich nachgelagert sind, nicht aber für die Obliegenheit der vorvertraglichen Anzeigepflicht, die bereits vor dem Vertragsschluss von ihren Adressaten erfüllt werden muss. bb) Kein Vertrag zu Lasten eines Dritten Aber auch die Frage, ob die Versicherten durch eine vertragliche Vereinbarung außerhalb des eigentlichen Versicherungsvertrags zu Adressaten der vorvertraglichen Anzeigepflicht bestimmt werden können, bedarf einer näheren Untersuchung. Dem steht zunächst nicht entgegen, dass der Versicherungsnehmer dabei eine Obliegenheit der Versicherten ohne deren Einverständnis, regelmäßig sogar ohne deren Wissen, vereinbart. Weil es sich bei Obliegenheiten nicht um echte, gerichtlich durchsetzbare Rechtspflichten handelt,329 können die Versicherten grundsätzlich vertraglich mit der vorvertraglichen Anzeigepflicht belastet werden, ohne dass dadurch aus dem Vertrag zugunsten Dritter ein unzulässiger Vertrag zu ihren Lasten würde.330 Die mögliche Sanktion gegenüber den Versicherten, ihren Versicherungsanspruch zu verlieren, nimmt diesen nur einen durch den Versicherungsvertrag zugewandten Vorteil, ohne ihnen eine zusätzliche Last aufzuerlegen.331 Die Versicherten stehen durch den Abschluss eines D&O-Versicherungsvertrags, auch wenn ihnen mit ihm eine eigenständige Anzeigepflicht aufgebürdet wird, besser, als wenn der Vertrag

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Vgl. zur Rechtnatur der Obliegenheiten bereits § 6 I. BK/Hübsch, § 79 Rn. 1; allgemein für Obliegenheiten BGHZ 101, 276, 284 f. = NJW 1987, 2586; Looschelders/Pohlmann/R. Koch, § 47 Rn. 4; Schwintowski/Brömmelmeyer/ Hübsch, § 47 VVG Rn. 2; Staudinger/Jagmann (2009), Vor §§ 328 ff. Rn. 49; Bayer, Vertrag zugunsten Dritter, S. 228; Krause, Begriff des versicherten Interesses, S. 24; Möller, Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers, S. 16; Nießen, Versicherung für fremde Rechnung, S. 43, 107; Ruscher, Besonderheiten des Versicherungsanspruchs, S. 133 f.; Schirmer, r+s 1999, 1, 2; Schmidt, Obliegenheiten, S. 280. 331 MünchKommBGB/Gottwald, § 328 Rn. 193, 197; Beckmann/Matusche-Beckmann/ Armbrüster, 1. Aufl., § 6 Rn. 99. 330

200 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

5. Teil: Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung

nicht abgeschlossen würde. Es handelt sich um eine Belastung der Versicherten, die sich nur als Einschränkung ihrer Begünstigung darstellt und deshalb zulässig ist.332 cc) Verstoß gegen § 32 VVG (1) Benachteiligung des Versicherungsnehmers Fraglich ist aber, ob § 32 VVG der vertraglichen Vereinbarung einer Obliegenheit der Versicherten vor dem Zustandekommen des Versicherungsvertrags – außerhalb der Versicherung von Großrisiken333 – entgegensteht. Diese Vorschrift erlaubt abweichende Vereinbarungen von den gesetzlichen Regelungen zur vorvertraglichen Anzeigepflicht in den §§ 19 ff. VVG nur dann, wenn sich die Änderungen nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers auswirken. Aus diesem Grund ist die Frage zu stellen, ob der Versicherungsnehmer schlechter gestellt wird, indem neben ihm auch die Versicherten von der Anzeigepflicht erfasst werden. Ein Nachteil in diesem Sinne ist sowohl dadurch denkbar, dass sich der Kreis der Personen vergrößert, deren Wissen und Verhalten mittelbare Auswirkungen auf den Versicherungsnehmer hat als auch durch eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass sich das Wissen und Verhalten Dritter auf den Versicherungsnehmer auswirkt. Um die Frage nach einem Nachteil zu Lasten des Versicherungsnehmers zutreffend beantworten zu können, muss zunächst beachtet werden, dass die Verletzung einer eigenständigen Anzeigepflicht der Versicherten grundsätzlich nicht zu unmittelbaren Rechtsfolgen gegenüber der Gesellschaft als Versicherungsnehmerin führt. Soweit sich diese Tatsache nicht bereits ausdrücklich aus der vertraglichen Vereinbarung der Parteien ergibt, führt jedenfalls die Auslegung einer Vereinbarung des Inhalts, die Anzeigepflichten erstreckten sich auch auf die versicherten Personen, zu diesem Ergebnis.334 Denn eine solche Vereinbarung begründet gerade keine Zurechnung einer Obliegenheitsverletzung an den Versicherungsnehmer.335 Erst eine Zurechnung auf höherer Ebene oder nach den gesetzlichen Zurechnungsvorschriften wie den §§ 47, 20 VVG führt unter bestimmten Voraussetzungen zu einer Anzeigepflichtverletzung des Versicherungsnehmers, die auf der Kenntnis und dem Verhalten der Versicherten beruht. Eine eigenständige Anzeigepflichtverletzung der Versicherten wirkt sich unmittelbar nur auf die zusätzlich zum Versicherungsnehmer Anzeigepflichtigen selbst aus, die sich in solchen Fällen nach einer Gestaltungserklärung des Versicherers, die ihnen gegenüber erfolgt, so behandeln lassen müssen, als habe der Versicherer das entsprechende Gestaltungsrecht bezogen auf den gesamten Versiche332 Vgl. Schirmer, FS Schmidt, S. 821, 840 f.; ders., r+s 1999, 1, 2; ferner Bruck/Möller/ Heiss, § 28 Rn. 48; MünchKommBGB/Gottwald, § 328 Rn. 193, 197; Bayer, Vertrag zugunsten Dritter, S. 228. 333 Zur erweiterten Dispositionsmöglichkeit bei Großrisiken gemäß § 210 VVG vgl. bereits § 7 II. 5. d). 334 Vgl. auch Lange, VersR 2006, 605, 611, ders., ZIP 2006, 1680, 1683, der im Zweifel auf eine ergänzende Vertragsauslegung abstellt. 335 Lange, VersR 2006, 605, 611.

§ 11 Einschränkungen der Zurechnung und der Rechtsfolgen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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rungsvertrag erklärt.336 Dieser Folge steht § 351 BGB nicht entgegen, der regelt, dass der Rücktritt vom Vertrag grundsätzlich unteilbar ist. Die Vorschrift ist abdingbar;337 zudem wird § 351 BGB im Versicherungsvertragsrecht ohnehin durch den spezielleren § 29 VVG verdrängt, der ausdrücklich die Möglichkeit eines Teilrücktritts vorsieht.338 Der Versicherer ist deshalb infolge einer Verletzung der eigenen Anzeigepflicht eines Versicherten unabhängig von Zurechnungsregelungen dazu berechtigt, die Kündigung, den Rücktritt oder die Anfechtung allein auf das Vertragssegment des obliegenheitsverletzenden Versicherten zu beziehen, wobei die §§ 19 ff. VVG entsprechend anzuwenden sind.339 Die Leistungspflicht gegenüber dem Versicherungsnehmer und den übrigen Versicherten bleibt von einem solchen Vorgehen unberührt.340 Auf diese Weise treffen die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung nur den Obliegenheitsbelasteten, nicht dagegen die anderen Versicherten.341 Unmittelbare Rechtfolgen gegenüber dem Versicherungsnehmer als Vertragspartner und damit infolge ihrer Gesamtwirkung mittelbar auch gegenüber den übrigen Mitversicherten kann der Versicherer nur unter den Voraussetzungen einer Zurechnung geltend machen. Allein in einem solchen Fall ist es dem Versicherer möglich, gestaltend auf den gesamten Versicherungsvertrag einzuwirken. Auch wenn die eigenständige Anzeigepflicht der Versicherten daher keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Versicherungsnehmer hat, könnten ihre mittelbaren Folgen für diesen dennoch nachteilig iSd § 32 VVG sein, sodass eine entsprechende Vereinbarung unwirksam wäre. Verliert ein Versicherter seinen Deckungsschutz, trifft dies in vielen Fällen mittelbar auch den Versicherungsnehmer, wenn dieser seine Innenhaftungsansprüche mangels ausreichender Solvenz der einzelnen versicherten Personen nicht oder nicht vollständig realisieren kann. Dem könnte man entgegenhalten, die eigenständige Anzeigepflichtverletzung schließe die Zurechnung auf höherer Ebene oder gemäß §§ 47, 20 VVG nicht aus, sodass der Versicherer ohnehin auch den gesamten Vertrag kündigen oder von ihm zurücktreten könne. Auch wäre es ihm infolge einer arglistigen Täuschung gemäß § 123 Abs. 2 iVm Abs. 1 BGB möglich, den Gesamtvertrag anzufechten. Da von einem solchen Vorgehen stets auch die Innenhaftungsansprüche betroffen sind, könnte eine Schlechterstellung des Versicherungsnehmers durch die Vereinbarung einer eigenständigen Anzeigepflicht der Versicherten abgelehnt werden.

336

Vgl. Lange, VersR 2006, 605, 611; ders., ZIP 2006, 1680, 1683. RGZ 153, 395, 398; Erman/Röthel, § 351 Rn. 4; MünchKommBGB/Gaier, § 351 Rn. 6; Palandt/Grüneberg, § 351 Rn. 2; Staudinger/Kaiser (2004), § 351 Rn. 13. 338 Lange, ZIP 2006, 1680, 1682. 339 Vgl. Lange, VersR 2006, 605, 611; ders., ZIP 2006, 1680, 1683; ferner (allerdings unter der Prämisse einer gesetzlich begründeten Adressatenstellung der Versicherten) BK/Hübsch, § 79 Rn. 7. 340 Lange, VersR 2006, 605, 612. 341 Vgl. Lange, VersR 2006, 605, 611. 337

202 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

5. Teil: Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung

Zu beachten ist aber, dass die Zurechnung bestimmten Voraussetzungen unterliegt und deshalb in einigen Fällen nicht erfolgen kann, in denen jedoch die eigenständige Anzeigepflicht der Versicherten mit ihren mittelbaren Auswirkungen auf den Versicherungsnehmer nicht ausgeschlossen ist. So besteht die vertragliche Anzeigeobliegenheit der Versicherten etwa unabhängig davon, ob der Versicherungsvertrag ohne das Wissen der Versicherten abgeschlossen wurde oder diesen eine rechtzeitige Benachrichtigung des Versicherungsnehmers nicht möglich oder zumutbar war. Eine Zurechnung an die juristische Person wäre in solchen Fällen unter bestimmten Umständen gemäß § 47 Abs. 2 S. 1 VVG ausgeschlossen. Ohne eine weitere vertragliche Regelung hätte die Gesellschaft daher in speziellen Fällen nach der Vereinbarung einer eigenständigen Anzeigepflicht der Versicherten das Risiko, ihre Innenhaftungsansprüche aufgrund fehlenden Deckungsschutzes des Schädigers nicht zu realisieren, obwohl eine Zurechnung nach der gesetzlichen Regelung nicht erfolgen könnte. Gegen eine sich daraus ergebende Benachteiligung des Versicherungsnehmers wurde vor der Reform des Versicherungsvertragsrechts eingewandt, die Nichtgeltung der Zurechnungsausnahme des § 79 Abs. 2 VVG aF (entspricht inhaltlich § 47 Abs. 2 VVG) werde durch das in den §§ 16 ff. VVG aF verankerte Verschuldenserfordernis für Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtverletzung kompensiert.342 Wisse der Versicherte vom Abschluss des Versicherungsvertrags iSd § 47 Abs. 2 VVG nichts, sei ihm auch ein Verschulden nicht vorzuwerfen, da er in einem solchen Fall keinen Anlass habe, dem Versicherungsnehmer gefahrerhebliche Umstände zu berichten. Daher werde die gesetzliche Regelung durch eine entsprechende vertragliche Vereinbarung nicht zuungunsten des Versicherungsnehmers erweitert.343 Gegen diese Ausführungen lässt sich zunächst einwenden, dass durchaus Fälle einer fahrlässigen Anzeigepflichtverletzung vorstellbar sind, in denen der Versicherte nicht weiß, dass eine D&O-Versicherung abgeschlossen werden soll. Es kommt zB in Betracht, dass der Versicherte die Augen vor dem Abschluss einer solchen Versicherung verschlossen hat, ohne von ihr positive Kenntnis zu haben. Aus der grob fahrlässigen Unkenntnis des Vertragsschlusses kann sich auch ein Fahrlässigkeitsvorwurf im Hinblick auf die Obliegenheitsverletzung ergeben. Deshalb wäre ein Verschuldenserfordernis schon nicht in der Lage, sämtliche Fälle des § 47 Abs. 2 VVG zu erfassen. Darüber hinaus ist aber nach der Reform des Versicherungsvertragsrechts überhaupt kein Verschulden mehr erforderlich, um nach einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht Rechtsfolgen auszulösen. Vielmehr ist sowohl eine Kündigung des Versicherungsvertrags nach § 19 Abs. 3 S. 2 VVG als auch eine Vertragsanpassung gemäß § 19 Abs. 4 VVG infolge einer unverschuldeten Anzeigepflichtverletzung möglich. Es bleibt festzuhalten, dass die vertragliche Vereinbarung einer Anzeigepflicht der Versicherten für sich betrachtet grundsätzlich eine Benachteiligung des Versicherungsnehmers iSd § 32 VVG darstellt und demgemäß unwirksam wäre. Der Nachteil würde nicht dadurch ausgeglichen, dass der Versicherer nun die Möglichkeit hätte, 342 343

Lange, VersR 2006, 605, 610; dem folgend v. Bühren/Lenz, 3. Aufl., § 27 Rn. 125. Lange, VersR 2006, 605, 611.

§ 11 Einschränkungen der Zurechnung und der Rechtsfolgen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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seine Gestaltungsrechte allein auf die verantwortlichen versicherten Personen zu beschränken, während ihm ansonsten keine Wahl bliebe und er die Rechte auf den gesamten Vertrag beziehen müsste. Diese Möglichkeit genügt grundsätzlich nicht, um die Benachteiligung des Versicherungsnehmers zu kompensieren. Allerdings ist eine Gesamtbetrachtung der vertraglichen Modifikationen vorzunehmen. § 32 VVG gebietet es, Vor- und Nachteile der Abweichungen von der gesetzlichen Regelung zu saldieren.344 Soll die Adressatenstellung der Versicherten innerhalb einer Vertragsgestaltung nur dazu dienen, dem Versicherer einen Ausgleich für eine eingeschränkte Zurechnung an den Versicherungsnehmer zu schaffen, kann eine Benachteiligung des Versicherungsnehmers jedenfalls dann abgelehnt werden, wenn die Adressatenstellung auf diejenigen Versicherten beschränkt wird, die infolge der vertraglichen Zurechnungseinschränkung nicht mehr als Zurechnungssubjekte in Betracht kommen. Aus diesem Grund ist die Vereinbarung einer eigenständigen Anzeigepflicht der Versicherten im hier diskutierten Regelungszusammenhang nicht als Nachteil des Versicherungsnehmers iSd § 32 VVG anzusehen. (2) Benachteiligung der Versicherten Neben einer möglichen Benachteiligung des Versicherungsnehmers könnte für die Wirksamkeit entsprechender Vertragsbestimmungen auch relevant sein, ob die Versicherten durch sie benachteiligt werden. Nach einer Auffassung, die von ihren Vertretern allerdings nicht begründet wird, kann bei der D&O-Versicherung von den §§ 19 ff. VVG durch eine vertragliche Vereinbarung nur abgewichen werden, sofern die Abweichung weder den Versicherungsnehmer noch den Versicherten benachteiligt.345 Die Frage, ob bei der Versicherung für fremde Rechnung als Sonderfall des Vertrags zugunsten Dritter im Rahmen des § 32 VVG generell auch auf eine Benachteiligung der Versicherten abzustellen ist, wurde – soweit ersichtlich – in Rechtsprechung und Schrifttum noch nicht explizit erörtert. Der Wortlaut der Vorschrift spricht von einem möglichen Nachteil des „Versicherungsnehmers“. Dies schließt eine Einbeziehung der Versicherten aber noch nicht zwingend aus. So war vor der Reform des Versicherungsvertragsrechts anerkannt, dass das VVG regelmäßig nur vom Versicherungsnehmer spreche, da es vom Normalfall einer Eigenversicherung ausgehe. Die einzelnen Vorschriften erfassten aber vielfach auch die Versicherten, ohne dass diese Folgerung ausdrücklich hervorgehoben werde.346 Dennoch ist im Rahmen des § 32 VVG, wie bereits bei der Frage nach dem Adressaten der vorvertraglichen Anzeigepflicht,347 eine weite Auslegung des Begriffs „Ver344 Bruck/Möller/Brömmelmeyer, § 32 Rn. 8 ff.; Prölss/Martin/Prölss, § 34a Rn. 1 (zur Vorgängervorschrift). 345 Lange, VersR 2006, 605, 609; dem folgend v. Bühren/Lenz, § 26 Rn. 125. Vgl. auch Osswald, D&O-Versicherung beim Unternehmenskauf, S. 155 f. 346 BGHZ 26, 133, 187; BGH NJW 1971, 459; BK/Hübsch, § 74 Rn. 15; vgl. nun auch ders., in: Schwintowski/Brömmelmeyer, Vor §§ 43 – 48 VVG Rn. 8. 347 Dazu ausf. unter § 6 III.

204 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

5. Teil: Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung

sicherungsnehmer“ abzulehnen. Der Reformgesetzgeber hat das Problem erkannt, dass das bisherige VVG grundsätzlich nur auf den Versicherungsnehmer abstellte, auch wenn der Versicherte von einer Vorschrift umfasst sein sollte. So hat er etwa in § 171 VVG ausdrücklich geregelt, dass von § 152 Abs. 1 und 2 und §§ 153 bis 155, 157, 158, 161 und 163 bis 170 VVG weder zum Nachteil des Versicherungsnehmers noch zum Nachteil der versicherten Person abgewichen werden könne. In § 191 VVG findet sich eine entsprechende Regelung, die ein Abweichen von § 178 Abs. 2 S. 2 und §§ 181, 186 und 188 VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers oder der versicherten Person nicht gestattet. Schließlich stellt auch § 208 VVG im Hinblick auf ein Abweichen von den §§ 195 bis 199 und 201 bis 207 VVG auf einen möglichen Nachteil des Versicherungsnehmers oder der versicherten Person ab. Bei anderen Vorschriften des Gesetzes ergibt sich zumindest aus der Begründung, dass entgegen dem Wortlaut der entsprechenden Norm auch Belange der Versicherten zu berücksichtigen sind.348 Dagegen ist sowohl im Wortlaut des § 32 VVG als auch in seiner Begründung nur von einem möglichen Nachteil des Versicherungsnehmers die Rede. Das spricht dafür, dass der Gesetzgeber die versicherten Personen bewusst außer Acht gelassen hat. Gegen eine weite Auslegung des § 32 VVG spricht außerdem, dass nach der gesetzlichen Regelung nur der Versicherungsnehmer Adressat der vorvertraglichen Anzeigepflicht ist. Es überzeugt nicht, das in den §§ 19 ff. VVG normierte Regelungsmodell als Vergleichsmaßstab für die Ausgestaltung einer vertraglich vereinbarten Adressatenstellung der Versicherten heranzuziehen, weil keine vergleichbare Situation vorliegt. Ferner ist auch kein Grund dafür ersichtlich, dem Versicherungsnehmer eine vertragliche Vereinbarung, die den Versicherten belastet, nicht zu gestatten, wenn diese Vereinbarung den Versicherungsnehmer selbst nicht benachteiligt. Darin läge eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Privatautonomie. Der Versicherungsnehmer schließt auch dann einen Vertrag zugunsten der versicherten Dritten ab, der diesen im Ergebnis einen Vorteil verschafft, wenn die Dritten mit Obliegenheiten wie der vorvertraglichen Anzeigepflicht belastet werden.349 Denn der Versicherte ist durch einen solchen Vertragsschluss im Ergebnis dennoch besser gestellt als zuvor, einklagbare Pflichten werden ihm nicht auferlegt. Es handelt sich bei der ihn treffenden Obliegenheit lediglich um eine Belastung, die sich als Einschränkung seiner Begünstigung darstellt und deshalb zulässig ist.350 § 32 VVG dient daher allein dem Schutz des Versicherungsnehmers. Eine Benachteiligung der Versicherten ist im Zusammenhang mit dieser Vorschrift richtigerweise nicht zu erörtern.351

348

Vgl. etwa § 164 VVG, dazu RegE, BT-Drucks. 16/3945, S. 100. Dazu bereits unter bb). 350 s. Schirmer, FS Schmidt, S. 821, 840 f.; ferner Bayer, Vertrag zugunsten Dritter, S. 228. 351 Vgl. aber zur Berücksichtigung des Dritten im Rahmen der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen noch unter ee). 349

§ 11 Einschränkungen der Zurechnung und der Rechtsfolgen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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(3) Zwischenergebnis Deshalb ist bei der vertraglichen Vereinbarung der Adressatenstellung der Versicherten allein darauf zu achten, dass sich aus ihr – sofern kein Großrisiko vorliegt – keine Benachteiligung des Versicherungsnehmers iSd § 32 VVG ergibt. Unzulässig wäre demnach etwa eine generelle und ausgleichslose Regelung, alle Versicherten träfe neben dem Versicherungsnehmer eine eigenständige Anzeigepflicht. Ein Nachteil iSd § 32 VVG ist hingegen abzulehnen, wenn, wie im Rahmen des hier diskutierten Regelungsmodells vorgesehen, nur diejenigen Versicherten zu Adressaten der Anzeigeobliegenheit bestimmt werden, deren Eigenschaft als Zurechnungsobjekt durch eine zusätzliche vertragliche Vereinbarung ausgeschlossen wird. Grundsätzlich unwirksam ist dagegen die vertragliche Vereinbarung einer Anzeigepflicht nicht versicherter Personen. Darunter fällt etwa eine Klausel, die Tochtergesellschaften des Versicherungsnehmers eine eigenständige Anzeigepflicht auferlegt.352 Denn die Auslegung einer solchen Vereinbarung ergibt, dass sich eine Anzeigepflichtverletzung der nicht versicherten Personen unmittelbar auf den gesamten Versicherungsvertrag auswirken soll. Die Rechtsfolgen könnten nicht auf die pflichtwidrig handelnden Personen beschränkt werden, da diesen schon kein Deckungsschutz zukäme, den sie verlieren könnten. Weil eine Zurechnung von Wissen und Verhalten nicht versicherter Personen aber grundsätzlich nicht stattfindet, würde eine solche Vereinbarung den Versicherungsnehmer iSd § 32 VVG in unzulässiger Weise benachteiligen. dd) Kein konkludentes Abbedingen des § 47 VVG Lange geht davon aus, § 47 VVG sei im Hinblick auf die Versicherten, die vertraglich zu Adressaten der vorvertraglichen Anzeigepflicht bestimmt würden, konkludent abbedungen.353 Ansonsten käme es zu einer Doppelverwertung der Kenntnisse der Versicherten, indem ihr Wissen zum einen über § 47 VVG dem Versicherungsnehmer zugerechnet würde, zum anderen Grundlage einer eigenen Anzeigepflichtverletzung der versicherten Personen sei. Diese Doppelverwertung stelle eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers sowie der Versicherten dar und werde vom Versicherer auch nicht bezweckt.354 Für diese Sichtweise ließe sich zudem ins Feld führen, dass die D&O-Versicherung zu einem großen Teil der Absicherung von Innenhaftungsansprüchen der juristischen Person diene. Würden die versicherten Personen nicht nur durch die Gesellschaft versichert, sondern in erster Linie, um sie vor deren Ansprüchen zu schützen, spreche im Fall, in dem den Versicherten vertraglich eine eigene Anzeigepflicht auferlegt werde, viel dafür, die zur Vermischung der Sphären führende Vorschrift des § 47 VVG als abbedungen anzu-

352

Lange, VersR 2006, 605, 610 m. Fn. 49. Vgl. Lange, VersR 2006, 605, 609; zustimmend Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 70; Seibt/Saame, AG 2006, 901, 911. 354 Lange, VersR 2006, 605, 610. 353

206 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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sehen.355 Damit werde die Anzeigeobliegenheit des Versicherungsnehmers selbst eingeschränkt, der in der Folge seltener von den Rechtsfolgen einer Verletzung betroffen sei. Verstoße ein Versicherter gegen seine vertraglich begründete Anzeigepflicht, führe eine vorhergehende Abbedingung des § 47 VVG dazu, dass der Versicherer nicht mehr zur Kündigung des gesamten Versicherungsvertrags oder zum Rücktritt von ihm berechtigt sei, da dem Versicherungsnehmer als Vertragspartner keine Pflichtverletzung vorgeworfen werden könne.356 Dem ist nicht zu folgen. Zunächst ist zu beachten, dass es nach zutreffender Ansicht auch dann, wenn § 47 VVG abbedungen wäre, noch zu einer Doppelverwertung der Kenntnisse und Handlungen der Versicherten kommen könnte: Die Zurechnung auf höherer Ebene als Eigenwissen und Eigenhandeln der juristischen Person ist von § 47 VVG nicht erfasst, ferner auch nicht die Zurechnung nach § 20 VVG.357 Außerdem ist zu beachten, dass ein Zurechnungsausschluss am Anfechtungsrecht des Versicherungsnehmers wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 Abs. 2 iVm Abs. 1 BGB nichts ändert, weil eine Anfechtung des Versicherungsvertrags eine vorhergehende Zurechnung an den Versicherungsnehmer nicht erfordert.358 R. Koch hält die Auffassung Langes insbesondere deshalb für nicht recht nachvollziehbar, weil aus ihr nicht klar werde, weshalb aus der vertraglichen Statuierung einer Anzeigepflicht der Versicherten oder einer ergänzenden Auslegung des Versicherungsvertrags bei einem redlichen Versicherungsnehmer zwar eine Beschränkung der Gestaltungsrechte auf die unredlichen Mitversicherten resultieren, dies aber im umgekehrten Fall des unredlichen Versicherungsnehmers und der redlichen Versicherten nicht gelte solle.359 Die Kritik ist zunächst etwas unpräzise. So folgt die Beschränkung der Gestaltungsrechte nach Lange nicht entweder durch die vertragliche Vereinbarung einer eigenständigen Anzeigepflicht der Versicherten oder durch eine ergänzende Auslegung des Versicherungsvertrags. Vielmehr setzt Lange die vertragliche Bestimmung der Adressatenstellung der Versicherten voraus und stellt auf eine ergänzende Vertragsauslegung nur im Hinblick auf die aus der eigenständigen Anzeigepflicht folgende Beschränkung der Gestaltungsrechte auf die jeweiligen Vertragssegmente ab, wenn diese Einschränkung nicht ausdrücklich geregelt worden sei.360 355 Lange, VersR 2006, 605, 610; vgl. aber ders., ZIP 2006, 1680, 1683, wonach die vertraglich vereinbarte Adressatenstellung mit der Vereinbarung verbunden sei, dass der Versicherer im Verletzungsfall nur zu einem Teilrücktritt und einer Teilanfechtung berechtigt sei. Dort (ZIP 2006, 1680, 1683) stellt Lange nicht explizit auf eine konkludente Abbedingung des § 79 VVG aF ab, sodass unklar bleibt, ob er noch weitergehend auch eine Zurechnung auf höherer Ebene ausschließen möchte. Für eine konkludente Abbedingung auch Seibt/Saame, AG 2006, 901, 911. 356 Vgl. Lange, VersR 2006, 605, 611. 357 Vgl. ausf. unter § 9 II. 1., 2. 358 Zur Anfechtungsmöglichkeit bei der Täuschung durch „Nichtdritte“ vgl. bereits unter § 9 IV., zur Unzulässigkeit des Ausschlusses des Anfechtungsrechts vgl. unter 1. 359 R. Koch, WM 2007, 2173, 2183. 360 Lange, ZIP 2006, 1680, 1683.

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Überdies ergibt sich der Grund für die Differenzierung zwischen unredlichem Versicherten und unredlichem Versicherungsnehmer bereits aus der Prämisse Langes, § 47 VVG sei durch eine entsprechende Vereinbarung der Adressatenstellung konkludent abbedungen.361 Danach könnte eine Zurechnung an den Versicherungsnehmer nur noch erfolgen, wenn es sich um eine besondere Zurechnungsvorschrift wie § 20 VVG für Vertreter oder eine Zurechnung auf höherer Ebene handelte. Mithin wäre die Wissens- und Verhaltenszurechnung von den unredlichen Versicherten an den redlichen Versicherungsnehmer in den übrigen Fällen ausgeschlossen, wodurch es zu keiner Anzeigepflichtverletzung der Gesellschaft als Versicherungsnehmerin kommen könnte. Läge kein Fall der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung vor, bliebe in diesen Fällen der Versicherungsvertrag als solcher und mit ihm mittelbar auch der Deckungsschutz der redlichen Mitversicherten bestehen. Demgegenüber wäre im umgekehrten Fall des unredlichen Versicherungsnehmers und der redlichen Versicherten eine abweichende Beurteilung zwingend, weil mit der Betroffenheit des Versicherungsnehmers als Vertragspartner auch der Versicherungsvertrag als solcher betroffen wäre. Das Schicksal des Versicherungsvertrags hängt grundsätzlich unmittelbar mit dem der Deckungsansprüche der Versicherten zusammen; dazu bedarf es keiner Zurechnung von Wissen oder Verhalten des Versicherungsnehmers an die Versicherten. Vor diesem Hintergrund ist die unterschiedliche Behandlung der beiden Fälle von Lange folgerichtig. Dennoch überzeugt dessen Auffassung, die vertragliche Vereinbarung der Adressatenstellung der Versicherten führe konkludent zu einer Abbedingung des § 47 VVG, nicht. Schon das Argument, die ansonsten erfolgende Doppelverwertung der Kenntnis Versicherter stelle eine unangemessene Benachteiligung von Versicherungsnehmer und Versicherten dar, ist nicht plausibel. Zunächst bleibt unklar, auf welcher methodischen Grundlage eine unangemessene Benachteiligung in diesem Zusammenhang angenommen wird. Aufgrund der Systematik der Ausführungen von Lange und dem Wortlaut der Vorschrift kommt hierfür am ehesten § 307 BGB in Betracht. Doch ungeachtet der Vereinbarkeit einer entsprechend vorformulierten Klausel mit dem AGB-Recht362 trägt die Argumentation nicht, eine konkludente Abbedingung des § 47 VVG ergebe sich daraus, dass die Klauselbestimmung ansonsten unzulässig wäre. Denn Gegenstand einer Inhaltskontrolle iSd § 307 BGB ist der Inhalt einer Vertragsklausel, der sich aus einer objektiven Auslegung ergibt.363 Dabei ist eine reduzierende Auslegung mit dem Ziel, eine Regelung zu „entschärfen“ und auf diese Weise dem Unwirksamkeitsverdikt des § 307 BGB zu entziehen, nicht zulässig.364 Die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB, nach der Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders gehen, führt vielmehr im Rahmen des § 307 BGB zum Grundsatz der „kundenfeindlichen 361 Lange, VersR 2006, 605, 610. In ZIP 2006, 1680, 1683 bringt Lange diese Prämisse aber unklar zum Ausdruck, vgl. bereits Fn. 355. 362 Vgl. dazu die ausf. Prüfung unter ee). 363 Erman/Roloff, § 307 Rn. 4. 364 So zutreffend Staudinger/Coester (2006), § 307 Rn. 28.

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Auslegung“, da eine solche die Unwirksamkeit der Klausel und die Geltung dispositiven Gesetzesrechts zur Folge hat und damit dem Vertragspartner im Ergebnis den größten Vorteil bringt.365 Schon deshalb ist die Argumentation, eine andere Auslegung der vertraglich vereinbarten Adressatenstellung sei als unangemessene Benachteiligung iSd § 307 BGB abzulehnen, nicht überzeugend. Bei objektiver Betrachtung kann der vertraglichen Vereinbarung der Adressatenstellung der Versicherten auch nicht der übereinstimmende Wille der Vertragsparteien entnommen werden, § 47 VVG sei konkludent abbedungen. Dem stehen die Interessen der Versicherer entgegen, deren Rechte im Anschluss an eine Anzeigepflichtverletzung durch eine solche Gestaltung erheblich eingeschränkt würden und denen deshalb ein entsprechender Geschäftswille nicht unterstellt werden darf.366 Um die Zurechnung an die juristische Person wirksam einzuschränken, ist daher eine entsprechende Vereinbarung zu verlangen; die Bestimmung der Versicherten zu Adressaten der vorvertraglichen Anzeigepflicht trägt diese zusätzliche Rechtsfolge nicht. ee) Formularmäßige Vereinbarung der Adressatenstellung Praxisrelevant ist, ob eine entsprechende Vereinbarung, mit der bestimmte Versicherte zu Adressaten der vorvertraglichen Anzeigepflicht bestimmt werden, auch durch eine vorformulierte Klausel erfolgen kann. Eine solche könnte gegen die §§ 305 ff. BGB verstoßen. Zu beachten ist zunächst, dass eine Klausel des eigentlichen Versicherungsvertrags die Adressatenstellung der Versicherten grundsätzlich nicht begründen kann.367 Daher ist auch ein Verstoß gegen § 305c BGB praktisch kaum denkbar. Demgegenüber könnte eine formularmäßig begründete Adressatenstellung der Versicherten gegen die in § 307 BGB normierte Inhaltskontrolle verstoßen. Nach Lange kann von einer unangemessenen Benachteiligung der Versicherten durch die mit Hilfe einer Vertragsklausel begründete Anzeigepflicht allerdings keine Rede sein. Dass die Zurechnungsausnahmen wie § 79 Abs. 2 VVG aF (entspricht inhaltlich § 47 Abs. 2 VVG) nicht gälten, wenn der Versicherer aufgrund einer eigenständigen Anzeigepflicht direkt gegen die Versicherten vorgehe, werde durch das in den §§ 16 ff. VVG aF (§§ 19 ff. VVG) verankerte Verschuldenserforder365 Vgl. BGH NJW 1992, 1097, 1099 (im Ergebnis aber offen gelassen); Erman/Roloff, § 305c Rn. 28; Jauernig/Stadler, BGB, § 305c Rn. 7; Looschelders/Pohlmann, Vorbemerkung B Rn. 30; MünchKommBGB/Basedow, § 305c Rn. 35; MünchKommVVG/Reiff, AVB Rn. 97 f.; Palandt/Grüneberg, § 305c Rn. 20; Prütting/Wegen/Weinreich/Berger, § 305c Rn. 18; Staudinger/Schlosser (2006), § 305c Rn. 108; Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 305c Rn. 91; Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Gesetz, § 305c Rn. 133; Beckmann/MatuscheBeckmann/Präve, 1. Aufl., § 10 Rn. 245; Boecken, BGB AT, Rn. 308; Faust, BGB AT, § 15 Rn. 14. 366 Zur Einschränkung der Handlungsmöglichkeiten des Versicherers infolge einer Einschränkung der Zurechnung vgl. bereits ausf. unter aa). 367 Vgl. dazu unter aa).

§ 11 Einschränkungen der Zurechnung und der Rechtsfolgen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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nis für einen Rücktritt vom Versicherungsvertrag kompensiert. Der Versicherte sei in solchen Fällen sogar besser gestellt, als wenn § 79 VVG aF (§ 47 VVG) angewandt würde, weil seine Rechtsstellung im Gegensatz dazu nicht vom Verhalten des Versicherungsnehmers, sondern nur vom eigenen Verschulden abhänge.368 Lenz verneinte vor der Reform des Versicherungsvertragsrechts eine Unangemessenheit im Ergebnis ebenfalls mit der Begründung, die Nichtgeltung der Zurechnungsausnahmen werde durch das §§ 16 ff. VVG aF immanente Verschuldenserfordernis aufgewogen.369 Diese Argumentation ist jedoch nur überzeugend, wenn man der – hier abgelehnten – Annahme Langes folgt, § 47 VVG sei dadurch, dass die Versicherten zu Adressaten der Anzeigepflicht bestimmt würden, konkludent abbedungen. Zwar stellt Lange diesen Zusammenhang nicht her und erörtert das Abbedingen des § 47 VVG unabhängig davon, ob eine selbständige Anzeigepflicht der Versicherten formularmäßig vereinbart werden kann. Tatsächlich sind seine Ausführungen zur fehlenden unangemessenen Benachteiligung der Versicherten, indem diese zu Adressaten der vorvertraglichen Anzeigepflicht bestimmt werden, aber nur plausibel, wenn man den vertraglichen Verzicht auf § 47 VVG voraussetzt: Dann wären die Versicherten zwar selbst anzeigepflichtig, in einigen Fällen jedoch keine Zurechnungssubjekte mehr. Sie könnten ihren Deckungsschutz nur noch durch eigene Obliegenheitsverletzungen oder infolge einer nicht auf § 47 VVG gestützten Zurechnung an die Gesellschaft verlieren. Dadurch wären sie im Ergebnis tatsächlich besser gestellt als nach der gesetzlichen Regelung, nach der sie zwar keine eigenständige Anzeigepflicht träfe, die Zurechnung aber regelmäßig zu einer Obliegenheitsverletzung der Gesellschaft führte, deren Wirkungen sich gemäß § 334 BGB auch auf die Versicherten erstreckten. Nimmt man die Annahme Langes, § 47 VVG sei durch eine vertraglich vereinbarte Adressatenstellung der versicherten Personen konkludent abbedungen, als Ausgangspunkt der AGB-Prüfung, so ist dessen Behauptung, von einer unangemessenen Benachteiligung der Versicherten könne nicht gesprochen werden, folgerichtig. Unklar bleiben allerdings die Ausführungen von Lenz, der eine unangemessene Benachteiligung der Versicherten – noch vor der Reform des VVG – mit derselben Begründung wie Lange ablehnte. Lenz ging dabei aber entgegen Lange nicht von einer grundsätzlichen Abbedingung des § 47 VVG durch eine vertraglich vereinbarte Adressatenstellung der Versicherten aus. Dieser „Kunstgriff“ sei regelmäßig nicht erforderlich, da die Zurechnung über § 79 VVG aF (§ 47 VVG) von den Umständen des Einzelfalls abhänge und für jeden Versicherten gesondert geprüft werden müsse.370 Den Parteien aber den Willen zu unterstellen, eine Abbedingung des § 47 VVG nur für den Fall seines Eingreifens im Einzelfall zu wollen, ist nicht überzeugend und führte zu keinem anderen Ergebnis, als die Vorschrift generell abzubedingen. Nach der Reform des Versicherungsvertragsrechts stellt Lenz nicht mehr auf eine Ein368 369 370

Lange, VersR 2006, 605, 610. v. Bühren/Lenz, 3. Aufl., § 27 Rn. 125. v. Bühren/Lenz, 3. Aufl., § 27 Rn. 126.

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5. Teil: Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung

zelfallprüfung ab, sondern hält Bedenken an der Wirksamkeit einer formularmäßigen Adressatenklausel deshalb für unbegründet, weil es selbst bei einer fehlenden Abbedingung des § 47 VVG nicht zwangsläufig zu einer „Verdoppelung der Pflichten“ komme.371 Weshalb diese Erkenntnis allerdings die Wirksamkeit entsprechender Vertragsklauseln begründen soll, bleibt unbeantwortet. Auch die weiteren Ausführungen von Lenz in diesem Zusammenhang sind nicht vollständig plausibel. Zwar lehnt er eine Unangemessenheit einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung im Ergebnis ab; an eine solche könne seiner Ansicht nach aber bei einer ersten Betrachtung der Regelung aus dem Grund gedacht werden, weil in der Praxis zumeist nicht alle Versicherten vom Abschluss einer D&O-Versicherung wüssten und damit im Zweifel auch keinen Einfluss auf die wahrheitsgemäße Beantwortung der vom Versicherer gestellten Fragen durch den Versicherungsnehmer hätten. Demjenigen, der keinen Einfluss auf die Umstände des Vertragsschlusses habe, könne aber nur schwer vermittelt werden, dass er im Versicherungsfall unter Umständen schutzlos sein solle. Dies gelte insbesondere dann, wenn ein anderer Mitversicherter dem Versicherungsnehmer wesentliche Kenntnis vorenthalten habe.372 Dabei übersieht Lenz, dass die von ihm beschriebene Problemlage eine eigenständige Anzeigepflicht der Versicherten nicht voraussetzt, sondern bereits nach der gesetzlichen Regelung vorliegt, nach der allein der Versicherungsnehmer zur Anzeige verpflichtet ist, diesem aber Kenntnis und Verhalten der Versicherten nach § 47 VVG, § 20 VVG oder auf höherer Ebene zugerechnet werden. Sowohl Lenz als auch Lange stellen bei ihrer Prüfung, ob eine „Adressatenklausel“ mit dem AGB-Recht vereinbar ist, ohne nähere Erläuterung allein auf eine mögliche Benachteiligung der Versicherten ab. Die Vorgehensweise entspricht einer Auffassung im Schrifttum, nach der bei der Zulässigkeitsprüfung von formularmäßigen Bedingungen eines Vertrags zugunsten Dritter nur auf die Interessen des Dritten und nicht auf die des Vertragspartners abzustellen sei.373 Allerdings werden die Versicherungsnehmer auf diese Weise entgegen des Wortlauts und des Zwecks von § 307 BGB übergangen, womit die Ansicht abzulehnen ist. Zu beachten ist jedoch, dass eine Vertragsvereinbarung im hier diskutierten Regelungszusammenhang, der auch die Einschränkung der Zurechnung an die juristische Person erfasst, keine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers iSd § 307 BGB darstellt. Dieses Ergebnis folgt schon aus der Tatsache, dass eine entsprechende Bedingung mit § 32 VVG vereinbar ist.374 Sowohl bei der Vereinbarkeit der Bestimmung mit § 32 VVG als auch mit der Inhaltskontrolle kommt es entscheidend auf eine Gesamtbetrachtung der das Gesetzesrecht modifizierenden Regelung an, wobei aber für eine „unangemessene Benachteiligung“ iSd § 307 BGB eine schwerer 371

v. Bühren/Lenz, § 26 Rn. 129. So Lenz sowohl vor als auch nach der Reform des Versicherungsvertragsrechts, vgl. ders., in: v. Bühren, 3. Aufl., § 27 Rn. 125, sowie in v. Bühren, 4. Aufl., § 26 Rn. 128. 373 So Staudinger/Coester (2006), § 307 Rn. 146. 374 Vgl. dazu bereits unter cc). 372

§ 11 Einschränkungen der Zurechnung und der Rechtsfolgen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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wiegende Beeinträchtigung erforderlich ist als für einen bloßen „Nachteil“ iSd § 32 VVG.375 Neben einer Benachteiligung des Versicherungsnehmers im Rahmen der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB könnte bei einer Versicherung für fremde Rechnung als Vertrag zugunsten Dritter iSd § 328 BGB aber auch eine mögliche Benachteiligung der versicherten Dritten relevant sein. Dagegen lässt sich der Wortlaut der Vorschrift („wenn sie den Vertragspartner … benachteiligen“) anführen, der dafür spricht, allein auf den Versicherungsnehmer als Vertragspartner des Versicherers abzustellen. Auch die europarechtliche Grundlage der Inhaltskontrolle, die Richtlinie 93/13/ EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen,376 gebietet keine andere Lesart: So ist in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie ebenfalls nur vom „Vertragspartner“ die Rede. Auch in Rechtsprechung und Schrifttum ist grundsätzlich anerkannt, dass die Beeinträchtigung von Interessen Dritter für einen Verstoß gegen die in § 307 BGB geregelte Inhaltskontrolle nur dann ausreicht, wenn sie sich derart auf den Vertragspartner auswirkt, dass von einer mittelbaren eigenen Benachteiligung auszugehen ist.377 Folgte man einer solchen Sichtweise, schiede eine unangemessene Benachteiligung iSd § 307 BGB durch eine formularmäßig vereinbarte „Adressatenklausel“ aus, wenn im Regelungszusammenhang die Zurechnung von den entsprechenden Versicherten auf die Versicherungsnehmerin ausgeschlossen würde. Allerdings wird die Rechtslage beim Vertrag zugunsten Dritter iSd § 328 BGB verbreitet abweichend beurteilt. In solchen Fällen sei im Rahmen der Inhaltskontrolle auch auf die Interessen der Berechtigten abzustellen.378 Mithin könne eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sein, ohne dass es auf eine Beeinträchtigung der Interessen des Vertragspartners des Verwenders ankäme.379 Auf welcher methodischen Grundlage der Dritte in den Schutzbereich des § 307 BGB einbezogen werden kann, wird indes regelmäßig nicht näher erläutert. Genügen dürfte bereits eine weite Auslegung des Begriffs „Vertragspartner“.380 Da der Dritte im Rahmen des Vertrags zu seinen Gunsten aus diesem auch unmittelbar berechtigt ist, wäre 375

Prölss/Martin/Prölss, § 34a Rn. 1. Vom 5. 4. 1993, ABl. L 095 vom 21. 4. 1993, S. 29. 377 Vgl. BGH NJW 1982, 178, 180; Erman/Roloff, § 307 Rn. 10; MünchKommBGB/KieACHTUNGREninger, § 307 Rn. 48; Staudinger/Coester (2006), § 307 Rn. 145; Wolf, FS Baur, S. 147, 154 f. 378 Vgl. BGHZ 108, 52, 57 f. = NJW 1989, 2750; BGHZ 120, 216, 223 f. = NJW 1993, 2442; Erman/Roloff, § 307 Rn. 10; Staudinger/Coester (2006), § 307 Rn. 146; Staudinger/ Jagmann (2009), § 328 Rn. 23; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, AGB-Recht, § 307 BGB Rn. 133; Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Gesetz, § 307 Rn. 166 f.; Habersack, Vertragsfreiheit und Drittinteressen, S. 189; Präve, Versicherungsbedingungen und AGB-Gesetz, Rn. 422; Teichmann, JZ 1989, 1008, 1009; wohl auch Stoffels, AGB-Recht, Rn. 469. 379 Staudinger/Jagmann (2009), § 328 Rn. 23; Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Gesetz, § 307 Rn. 167. 380 Für einen Analogieschluss dagegen Habersack, Vertragsfreiheit und Drittinteressen, S. 174 f. 376

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5. Teil: Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung

eine solche Auslegung noch mit dem Wortlaut der Vorschrift zu vereinbaren und ein Analogieschluss daher nicht erforderlich. Es stellt sich allerdings die Frage, ob der Sinn und Zweck des § 307 BGB solch eine weite Auslegung des Vertragspartnerbegriffs wirklich erfordert. Dafür wird hervorgebracht, aufgrund ihrer unmittelbaren Rechtbeziehung zum Verwender stünden die Berechtigten beim Vertrag zugunsten Dritter dem direkten Vertragspartner gleich.381 Diese Argumentation vermag nicht vollständig zu überzeugen. Zwar erwirbt der Berechtigte beim Vertrag zugunsten Dritter einen eigenen Leistungsanspruch iSd § 241 Abs. 1 S. 1 BGB.382 Der Erwerb dieses Anspruchs macht ihn jedoch nicht zum Vertragspartner, sodass auch eine Gleichstellung mit diesem nicht einleuchtet. Insbesondere ist auch zu beachten, dass der Dritte durch einen Vertrag zu seinen Gunsten iSd § 328 BGB im Ergebnis auf jeden Fall besser gestellt wird als ohne den Vertragsschluss. Eine unmittelbare vertragliche Verpflichtung kann ihn ohne seine Mitwirkung nicht treffen, da der Vertrag ansonsten zu seinen Lasten ginge und mithin unzulässig wäre. Zulässig sind allein solche Belastungen, die sich als Einschränkung der dem Dritten zukommenden Begünstigung darstellen und zu denen auch die versicherungsrechtlichen Obliegenheiten zählen.383 Aufgrund dieser Ausgangssituation erscheint der begünstigte Dritte beim Abschluss eines Vertrags zu seinen Gunsten weit weniger schutzwürdig als der Vertragspartner selbst. Das spricht dafür, im Rahmen des § 307 BGB beim Vertrag zugunsten Dritter allein auf eine Benachteiligung des Vertragspartners abzustellen. Dennoch ist im Hinblick auf die übliche Praxis der Rechtsprechung zu prüfen, ob eine entsprechende Vertragsklausel vor Gericht Bestand hätte, was dann bejaht werden könnte, wenn auch die Versicherten durch sie nicht unangemessen benachteiligt würden. Die vertraglich vereinbarte Adressatenstellung der Versicherten im hier diskutierten Regelungszusammenhang führt dazu, dass diese eine eigenständige Anzeigepflicht trifft. Das geschieht allerdings nur in den Fällen, in denen eine Zurechnung ihrer Kenntnisse und ihres Verhaltens an den Versicherungsnehmer ausgeschlossen ist. Aus diesem Grund steht der Versicherte durch eine entsprechende Regelung besser als nach den gesetzlichen Vorschriften: Ist er selbst für eine Anzeigepflichtverletzung verantwortlich, kann der Versicherer zwar die Gestaltungsrechte infolge einer vertraglich vereinbarten „Adressatenstellung“ allein auf das Vertragssegment des Versicherten beziehen. Allerdings träfen diesen über § 334 BGB auch nach der ACHTUNGREgesetzlichen Regelung regelmäßig die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung des Versicherungsnehmers, die auf der Zurechnung von Wissen und Verhalten des Versicherten beruhte. Dass die Zurechnungsausnahmen wie § 47 Abs. 2 VVG bei der vertraglich vereinbarten eigenständigen Anzeigepflicht nicht gelten und daher in 381 Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, AGB-Recht, § 307 BGB Rn. 133; Wolf/Lindacher/ Pfeiffer, AGB-Gesetz, § 307 Rn. 166. 382 Vgl. MünchKommBGB/Gottwald, § 328 Rn. 1. 383 BK/Hübsch, § 79 Rn. 1; MünchKommBGB/Gottwald, § 328 Rn. 188, 193; Nießen, Versicherung für fremde Rechnung, S. 43, 107; Schirmer, FS Schmidt, S. 821, 840 f.; ders., r+s 1999, 1, 2.

§ 11 Einschränkungen der Zurechnung und der Rechtsfolgen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Ausnahmefällen in der Person des Versicherten eine Anzeigepflichtverletzung Rechtsfolgen auslösen kann, die dem Versicherungsnehmer nicht als Obliegenheitsverletzung zugerechnet werden könnte, wird überkompensiert: So gilt für gravierende Rechtsfolgen wie den Rücktritt das in § 19 VVG normierte Verschuldenserfordernis. Griffe daher eine Zurechnungsausnahme ein, könnte der Versicherer auch im direkten Verhältnis zum Versicherten regelmäßig keine erheblichen Rechtsfolgen geltend machen. Darüber hinaus ist aber insbesondere zu beachten, dass der Versicherte infolge einer entsprechenden Vertragsgestaltung für fremde Anzeigepflichtverletzungen nur noch eingeschränkt einstehen muss. Er kann seinen Deckungsanspruch im Gegensatz zur Rechtslage nach den gesetzlichen Vorschriften nur noch verlieren, wenn er selbst seine eigene vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt oder wenn Personen für eine Anzeigepflichtverletzung der Gesellschaft verantwortlich sind, die von der Zurechnungseinschränkung nicht erfasst werden. Außerdem ist festzustellen, dass ein dadurch eintretender Nachteil für die Versicherten jedenfalls nicht als unangemessen iSd § 307 BGB betrachtet werden kann. Deshalb ist nicht zu befürchten, dass eine entsprechende vertragliche Regelung, die formularmäßig vereinbart wurde, vor Gericht keinen Bestand hätte. Ein Verstoß gegen § 307 BGB ist mithin abzulehnen. c) Ausgestaltung der Zurechnungseinschränkung Abschließend ist die Frage zu stellen, welche konkrete Ausgestaltung eine Zurechnungseinschränkung aufweisen sollte, um die Interessen der Beteiligten in möglichst angemessener Weise zu berücksichtigen. Dabei kommt zunächst in Betracht, die Anwendbarkeit des § 47 VVG – der nach abweichender Auffassung bereits durch die vertragliche Vereinbarung einer eigenständigen Anzeigepflicht der Versicherten konkludent abbedungen sein soll384 – ausdrücklich auszuschließen. Das führte dazu, dass eine Zurechnung von Kenntnissen und Verhalten der versicherten Personen an den Versicherungsnehmer nur noch gemäß § 20 VVG oder auf höherer Ebene als Eigenwissen und Eigenhandeln der juristischen Person möglich wäre und es nur infolge einer solchen Zurechnung zu einer Anzeigepflichtverletzung der Gesellschaft selbst kommen könnte. Darüber hinaus wäre die Zurechnung an die Gesellschaft ausgeschlossen; der Versicherer könnte – von Fällen der arglistigen Täuschung abgesehen – aufgrund der vertraglich vereinbarten eigenständigen Anzeigeobliegenheit der Versicherten allein gegen die verantwortlichen Personen vorgehen. Dennoch wäre der Schutz der Versicherungsnehmerin infolge einer solchen Gestaltung lückenhaft und mithin auf einem für sie nicht ausreichenden Niveau. Denn da im Rahmen einer D&O-Versicherung ganz überwiegend die Organwalter der juristischen Person versichert sind, könnte in vielen Fällen eine Zurechnung als Eigenwissen und Eigenhandeln der Gesellschaft auf einer höheren Ebene erfolgen, die von der Abbedingung des § 47 VVG nicht betroffen wäre. Auch die „qualifizierte Severability-Klausel“ würde der Aktiengesellschaft nichts nützen: Selbst 384

Vgl. dazu unter dd).

214 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

5. Teil: Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung

wenn dadurch die Versicherungsschutz benötigende Organperson weiterhin zur Deckungsforderung berechtigt bliebe, wäre die juristische Person dem Versicherer gegenüber nach dem hier vorgeschlagenen Regelungskonzept zum Regress verpflichtet. Die „Severability-Klausel“ dient demnach allein dem Schutz der redlichen versicherten Personen. Aufgrund dieser Rechtslage kann es nicht genügen, lediglich die Zurechnungsregelung des § 47 VVG abzubedingen. Dadurch würde auch die Regressvereinbarung im Rahmen der „qualifizierten Severability-Klausel“ zu Lasten der Versicherungsnehmerin nicht aufgewogen, weshalb die Klausel außerhalb der Versicherung von Großrisiken gegen § 32 VVG verstieße und selbst bei Großrisiken eine formularmäßige Einbeziehung in den Vertrag an § 307 BGB zu scheitern drohte. Einem generellen Ausschluss von § 47 VVG sind deshalb sog. Repräsentantenklauseln vorzuziehen, die am Versicherungsmarkt entwickelt wurden, um das für eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht relevante Wissen der Aktiengesellschaft zu reduzieren. Durch eine solche Klausel wird konkret festgelegt, welche Personen als Wissensträger der Versicherungsnehmerin relevant sind und welche nicht.385 Schädlich für den Versicherungsvertrag als solchen sind demnach nur die Kenntnisse und das Verhalten der Versicherten, die in der Vertragsvereinbarung als Repräsentanten der Gesellschaft bestimmt werden. Deren Wissen und Handlungen werden der Gesellschaft weiterhin gemäß §§ 20, 47 VVG oder auf höherer Ebene als Eigenwissen und Eigenhandeln zugerechnet – darüber hinaus ist die Zurechnung ausgeschlossen. Auf diese Weise kann die Zurechnung an die Gesellschaft erheblich eingeschränkt und das Risiko einer Anzeigepflichtverletzung herabgesetzt werden. Die Auswahl der Personen, die als Repräsentanten gelten, kann je nach der Unternehmens- und Risikostruktur des Versicherungsnehmers angepasst werden. So bietet es sich etwa bei Konzernpolicen an, auch einzelne Organwalter der Tochtergesellschaften als Repräsentanten zu definieren.386 Durch eine entsprechende Vertragsklausel wird es der Versicherungsnehmerin in beachtlicher Weise erleichtert, das Vorliegen von Umstandswissen iSd § 19 VVG im Unternehmen zu überprüfen.387 In der Versicherungspraxis finden sich Repräsentantenklauseln, die zB folgenden Wortlaut haben: „Soweit die Kenntnis und das Verhalten der Versicherungsnehmerin von rechtlicher Bedeutung sind, werden – in Abweichung von § 47 Abs. 1 VVG – nur die Kenntnis und das Verhalten folgender versicherter Personen berücksichtigt: Vorsitzender des Aufsichtsrates, Vorsitzender des Vorstands bzw. der Geschäftsführung, Finanzvorstand bzw. Geschäftsführer Ressort Finanzen und Leiter der Rechts- und/oder Versicherungsabteilung.“388

385

Dazu Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 71; Seibt/Saame, AG 2006, 901, 911; Winterling/ Harzenetter, VW 2007, 1792, 1795; ferner Hirschmann/Romeike/English, S. 219. 386 Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 72. 387 Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 71. 388 Klauselbeispiel zitiert nach Halm/Engelbrecht/Krahe/Held, 33. Kap., Rn. 20 (§ 13 Nr. 2).

§ 11 Einschränkungen der Zurechnung und der Rechtsfolgen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Durch einen solchen Wortlaut werden die Besonderheiten der körperschaftlichen Organisationsverfassung jedoch nicht hinreichend berücksichtigt. Um ihren Zweck zu erfüllen, muss die Repräsentantenklausel auch die Zurechnung auf höherer Ebene beschränken, die zu Eigenwissen und Eigenhandeln der Aktiengesellschaft führt. Auch wenn es seltsam anmutet, „Eigenwissen“ und „Eigenhandeln“ zu beschränken, ist die Möglichkeit dazu jedenfalls bei der juristischen Person als Folge der Privatautonomie zu bejahen. Allerdings ist bei der oben zitierten Klausel fraglich, ob sie die Zurechnung von Organwissen erfasst. Um den Inhalt der Regelung zu ermitteln, ist sie nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen, §§ 133, 157 BGB. Indem die Klausel ausdrücklich darauf abstellt, von § 47 Abs. 1 VVG abzuweichen, könnte man sich auf die Auffassung stützen, eine Zurechnung nach anderen Regelungen und auf höherer Ebene sei durch sie nicht ausgeschlossen. Daher ist von einer entsprechenden Klauselformulierung abzuraten. Vorzuziehen ist demgegenüber eine Formulierung, die auch eine Zurechnung auf höherer Ebene ausdrücklich in die einschränkende Regelung einbezieht. Außerdem sollten auch die für die Versicherungsnehmerin beim Abschluss des Versicherungsvertrags handelnden Personen in den Kreis der Repräsentanten aufgenommen werden. Eine entsprechend modifizierte Klausel könnte daher wie folgt lauten: „Soweit die Kenntnis und das Verhalten der Versicherungsnehmerin von rechtlicher Bedeutung sind, werden neben der Kenntnis und dem Verhalten der Vertreter der Versicherungsnehmerin beim Abschluss des Versicherungsvertrags nur die Kenntnis und das Verhalten folgender versicherter Personen berücksichtigt: Vorsitzender des Aufsichtsrats, Vorsitzender des Vorstands bzw. der Geschäftsführung, Finanzvorstand bzw. Geschäftsführer Ressort Finanzen und Leiter der Rechts- und/oder Versicherungsabteilung. Auch eine Zurechnung von Organwissen und -verhalten als Eigenwissen und Eigenhandeln der Versicherungsnehmerin ist ausgeschlossen, sofern der Organwalter dem genannten Personenkreis nicht angehört.“

Zu beachten ist, dass sich ein Abbedingen des § 47 VVG nicht auf die Möglichkeit des Versicherers auswirken kann, den Vertrag infolge einer arglistigen Täuschung gegenüber der Versicherungsnehmerin anzufechten, sofern es sich bei der täuschenden Person um einen „Nichtdritten“ iSd § 123 Abs. 2 BGB handelt. Die Anfechtung nach dieser Vorschrift setzt eine Zurechnung der Täuschung an die Gesellschaft nicht voraus.389 Vielmehr wäre ein Anfechtungsausschluss in einem solchen Fall – im Anschluss an die höchstrichterliche Rechtsprechung – unzulässig.390 Den redlichen Versicherten ist aber im Anschluss an eine arglistige Täuschung eines anderen Versicherten nach dem hier vorgeschlagenen Regelungsmodell durch die ebenfalls vereinbarte „qualifizierte Severability-Klausel“ geholfen.

389 390

Vgl. dazu bereits unter § 9 IV. Vgl. dazu die Ausführungen unter 1.

216 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

5. Teil: Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung

III. Zusammenfassung Die weitreichende Zurechnung von Verhalten und Kenntnissen der versicherten Personen an die Aktiengesellschaft als Versicherungsnehmerin in Kombination mit der Gesamtwirkung der Gestaltungsrechte bei der D&O-Versicherung führt nach der gesetzlichen Regelung zu unbefriedigenden und mit allgemeinen Gerechtigkeitserwägungen nicht mehr zu vereinbarenden Konstellationen, die sogar die intendierte Funktionsweise des Versicherungsprodukts „D&O“ gefährden. Mithin bedarf es einer vertraglichen Modifizierung, deren Ziel es sein muss, ein Regelungssystem zu schaffen, das den Interessen aller Beteiligter in angemessener Weise Rechnung trägt. Dazu bietet es sich an, eine sog. Repräsentantenklausel mit einer „qualifizierten Severability-Klausel“ zu verbinden, die dem Versicherer eine Regressmöglichkeit gegen die versicherungsnehmende Gesellschaft einräumt. Nach der Repräsentantenklausel werden der Aktiengesellschaft nur die Kenntnisse und das Verhalten der Personen zugerechnet, denen im Unternehmen eine zentrale Stellung zukommt oder die unmittelbar am Abschluss des Versicherungsvertrags beteiligt waren. Kommt es infolge einer Zurechnung des Wissens oder Handelns der Unternehmensrepräsentanten zu einer Anzeigepflichtverletzung der Versicherungsnehmerin oder liegt ein Fall der arglistigen Täuschung vor, für den es auf einen möglichen Zurechnungsausschluss nicht ankommt, kann der Versicherer seine Gestaltungsrechte auf den gesamten Versicherungsvertrag beziehen. Nach dem hier vorgeschlagenen Regelungsmodell kann er sie den redlichen Versicherten allerdings nicht entgegenhalten, weil diese durch die neben der Repräsentantenklausel vereinbarte „qualifizierte Severability-Klausel“ geschützt sind. Bleibt der Versicherer aufgrund der „Severability-Klausel“ zur Leistung verpflichtet, kann er jedoch gegenüber der Gesellschaft Regress nehmen, die in der Folge regelmäßig ihrerseits gegenüber dem verantwortlichen Organwalter aus § 93 Abs. 2 AktG vorgehen kann. Eine solche Gestaltung verstieße nicht gegen § 32 VVG und könnte auch ohne Konflikt zu § 307 BGB formularmäßig vereinbart werden, weil die Versicherungsnehmerin insgesamt besser gestellt würde als nach der gesetzlichen Regelung. Werden gefahrerhebliche Umstände von versicherten Personen verschwiegen oder unrichtig weitergegeben, die nicht zum Kreis der Repräsentanten zählen, ist der Versicherer nach der hier vorgeschlagenen Lösung ebenfalls nicht schutzlos gestellt: Die entsprechenden Versicherten sind dann aufgrund vertraglicher Vereinbarung eigenständige Adressaten der vorvertraglichen Anzeigepflicht, womit es dem Versicherer zumindest möglich ist, gegen die Verantwortlichen vorzugehen. Dieses Regelungssystem dürfte eine sorgfältig austarierte Lösung darstellen, die den Interessen der beteiligten Parteien entspricht, rechtlich zulässig ist und dazu dient, den grundsätzlichen Fortbestand der D&O-Versicherung sicherzustellen.

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Sechster Teil

Untersuchungsergebnisse Das Risiko von Managern, für Schäden persönlich in Anspruch genommen zu werden, ist beträchtlich. Es ist nicht zu erwarten, dass die Haftung der Organwalter wieder in einen Dornröschenschlaf versinken wird; im Gegenteil verläuft die Entwicklung ihrer Verantwortlichkeit, angetrieben von einer medial beeinflussten Stimmung in der Gesellschaft, dynamisch in Richtung einer stetig zunehmenden Verschärfung. Die D&O-Versicherung ist infolge der erheblichen Haftungsgefahren der Organtätigkeit zu einem wesentlichen Bestandteil der Unternehmenskultur geworden. Aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen kann der Schutz der Führungskräfte eines Unternehmens und dadurch mittelbar auch der Schutz des Unternehmens selbst jedoch nicht allumfassend sein; eine grenzenlose „Vollkasko-Versicherung“ der Manager existiert allein in der subjektiven Wahrnehmung von Teilen der Öffentlichkeit. Es kann daher nur davor gewarnt werden, sich im Hinblick auf eine abgeschlossene D&O-Versicherung vollständig in Sicherheit zu wiegen. Mag der Wunsch der Organmitglieder nach einer umfassenden Absicherung auch verständlich sein, kann und darf ein „Rundumschutz“ von einer D&O-Versicherung nicht geleistet werden. Der dennoch vorhandene Gestaltungsspielraum beim Abschluss eines D&O-Vertrags sollte von den Vertragsparteien dafür genutzt werden, eine für alle Beteiligten interessengerechte Regelung zu finden, damit die Versicherung ihre Bedeutung auch in Zukunft behalten kann. Für eine treffende Vertragsgestaltung ist ein grundlegendes Verständnis des Produkts erforderlich. Die Ausführungen der vorliegenden Arbeit nahmen ihren Anfang in der Zielsetzung, dieses Verständnis zu fördern, indem zur Aufklärung noch offener Fragen beigetragen werden sollte. Die wesentlichen Erkenntnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:

I. Entwicklung der D&O-Versicherung 1. Auch wenn die Bedeutung der Außenhaftung insbesondere unter CorporateGovernance-Gesichtspunkten gestiegen ist, bestehen die größten Haftungsgefahren sowohl für die Vorstands- als auch die Aufsichtsratsmitglieder der Aktiengesellschaften im Innenverhältnis gegenüber der Gesellschaft. Die richterrechtlich entwickelten Grundsätze zur Haftungserleichterung von Arbeitnehmern gelten für die Organwalter nicht. 2. Ausgehend von den USA hat sich die D&O-Versicherung weit verbreitet. In Deutschland wurde sie im Jahr 1986 das erste Mal angeboten und hat sich mittlerweile

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6. Teil: Untersuchungsergebnisse

zu einem Standardprodukt entwickelt: Ihre Bedeutung wuchs parallel zu einer stetigen Verschärfung der Organhaftung infolge dynamischer Entwicklungen in der Wirtschaft, der öffentlichen Wahrnehmung des Managerhandelns und der Reaktionen von Gesetzgebung und Rechtsprechung. Aufgrund der scharfen Organhaftung ist Versicherungsschutz für die Führungskräfte von Unternehmen ein zentrales Anliegen.

II. Grundlagen der D&O-Versicherung 3. Bei der D&O-Versicherung handelt es sich um eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung für fremde Rechnung und einen speziellen Fall des Vertrags zugunsten Dritter iSd § 328 BGB. Sie wird von der Gesellschaft für ihre Führungskräfte abgeschlossen und umfasst häufig auch leitende Angestellte und die Organwalter der Tochtergesellschaften mit ihrem Versicherungsschutz. 4. Im Versicherungsfall schuldet der Versicherer die Abwehr unbegründeter sowie die Befriedigung begründeter Schadensersatzansprüche gegen die versicherten Personen. Dabei steht ihm ein Wahlrecht zu, ob er zunächst Rechtsschutz gewähren oder den Schädiger freistellen möchte. Das Deckungsverhältnis zwischen dem Versicherer und dem versicherten Schädiger ist nach dem bei der Haftpflichtversicherung geltenden Trennungsprinzip streng vom Haftpflichtverhältnis zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten zu unterscheiden. 5. Die Rechte aus dem Versicherungsvertrag sind materiell den Versicherten zugewiesen. Die Gesellschaft kann aber im Rahmen einer Prozessstandschaft grundsätzlich über sie verfügen. Aufgrund des Trennungsprinzips und des Wahlrechts des Versicherers hat die Gesellschaft auch in Innenhaftungsfällen keinen unmittelbaren Zahlungsanspruch gegen den Versicherer. 6. Die D&O-Versicherung wird im überwiegenden Eigeninteresse der Gesellschaft abgeschlossen. Die versicherungsrechtliche Einordnung als Versicherung für fremde Rechnung steht dem nicht entgegen, weil das Interesse im versicherungsrechtlichen Sinn nicht mit dem tatsächlichen Interesse als Beweggrund des Vertragsschlusses übereinstimmen muss. 7. Nach der üblichen Ausgestaltung eines D&O-Versicherungsvertrags liegt der Versicherungsfall in der erstmaligen Geltendmachung des Schadens (sog. Claimsmade-Prinzip). Dadurch kommt es zu einer Rückwärtsdeckung für vor dem Versicherungszeitraum begangene Pflichtverletzungen. Um Versicherungslücken zu vermeiden, wird ferner häufig eine Nachdeckungsvereinbarung getroffen. 8. Der Deckungsschutz ist durch eine Jahreshöchstsumme und durch verschiedene Ausschlüsse begrenzt: Insbesondere tritt die Versicherung nicht für Schäden ein, die von den Versicherten vorsätzlich oder infolge einer wissentlichen Pflichtverletzung verursacht wurden. Der Ausschluss der wissentlichen Pflichtverletzung ist gegenüber dem Ausschluss der vorsätzlichen Pflichtverletzung die für die Versicherten vorteilhafte Klauselvariante.

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9. Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung ist es beim Abschluss einer D&O-Versicherung zwingend erforderlich, einen Selbstbehalt zu Lasten der Vorstandsmitglieder zu vereinbaren. Für Aufsichtsratsmitglieder besteht eine solche Verpflichtung nicht. 10. Beim Abschluss eines D&O-Versicherungsvertrags handelt es sich um eine Geschäftsführungsentscheidung, da die Prämien weder als Bestandteil der Vorstandsbezüge noch der Aufsichtsratsvergütung, sondern als betrieblich veranlasste Aufwendungen anzusehen sind. Deshalb liegt die Kompetenz für den Vertragsschluss beim Vorstand, der die Versicherung ohne Beteiligung des Aufsichtsrats und der Hauptversammlung selbständig abschließen kann. 11. Eine Pflicht zum Abschluss eines D&O-Vertrags besteht grundsätzlich weder für den Vorstand aus der Interessenlage der Gesellschaft noch für die Gesellschaft selbst aus den Treue- und Fürsorgepflichten gegenüber ihren Organwaltern.

III. Vorvertragliche Anzeigepflicht 12. Um einen D&O-Versicherungsvertrag zu angemessenen Bedingungen und einer risikogerechten Prämie abschließen zu können, ist eine Risikoprüfung durch den Versicherer erforderlich. Weil die notwendigen Informationen regelmäßig in der Risikosphäre des Versicherungsnehmers liegen, hat der Gesetzgeber diesem eine vorvertragliche Anzeigepflicht auferlegt. Die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Obliegenheit beurteilen sich nach dem Verschuldensgrad. 13. Adressat der vorvertraglichen Anzeigepflicht ist nach der gesetzlichen Regelung allein die Aktiengesellschaft als Versicherungsnehmerin. Aus § 47 VVG lässt sich keine eigenständige Obliegenheit der Versicherten ableiten, da es sich dabei lediglich um eine Zurechnungsvorschrift handelt. Gleiches gilt für § 20 VVG und § 166 BGB, sodass auch die Vertreter der Aktiengesellschaft keine eigenständige Anzeigepflicht trifft. Eine solche ist darüber hinaus für die Organwalter der juristischen Person abzulehnen. 14. Der Versicherer muss die Fragen für seine Risikoprüfung klar, präzise und in Textform formulieren. Pauschale Fragen nach Umstandswissen, die sich nicht auf einen eng begrenzten Bereich beziehen, widersprechen dem Regelungsanliegen des Reformgesetzgebers und sind mithin unzulässig, sofern auf sie nicht nur gefahrerhebliche Umstände als Antwortmöglichkeiten in Betracht kommen. 15. Im Zuge der Reform des Versicherungsvertragsrechts hat der Gesetzgeber das Antragsmodell zum Leitbild des Vertragsschlusses erklärt. Das Policenmodell wurde weitgehend abgeschafft. Bei der Versicherung eines Großrisikos gelten zwar die sich aus § 7 VVG ergebenden Informationspflichten nicht. Dennoch kann auch dort das Policenmodell in seiner ursprünglichen Form nicht beibehalten werden; eine mögliche Modifikation ist darüber hinaus nicht zweckmäßig.

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16. Zur Ausfüllung des unbestimmten Begriffs der Rechtzeitigkeit iSd § 7 VVG ist es grundsätzlich erforderlich, den Einzelfall zu betrachten. Eine rechtzeitige Information liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer von den Unterlagen Kenntnis nehmen und sie bewerten kann. Dafür ist bei der D&O-Versicherung regelmäßig eine Frist von mindestens drei Tagen zu verlangen. Der Versicherungsnehmer kann jedoch auf seine Überlegungsfrist verzichten, wofür analog § 7 Abs. 1 S. 3 VVG eine gesonderte Erklärung in Textform erforderlich ist. 17. Nach dem weitgehenden Wegfall des Policenmodells bieten sich als Vertragsschlussverfahren das Antrags- sowie das Invitatiomodell an. Entgegen mancher Stimmen im Schrifttum besteht dagegen weder darin, die gesetzlichen Vorgaben zu ignorieren, noch in der sog. Verzichtslösung oder im „Modell der bedingten Antragserklärung“ eine taugliche Möglichkeit, die Vorteile des Policenmodells in zulässiger Weise zu erhalten. 18. Bei einem Vertragsschluss nach dem Antragsmodell erfolgt die Risikoprüfung zweckmäßig im Rahmen der Beratungsphase, bevor der Versicherungsnehmer sein Angebot abgibt. Der Versicherer ist gehalten, vor seiner Annahme durch erneute Fragen sicherzustellen, dass die Grundlage der Risikoprüfung noch aktuell ist, da den Versicherungsnehmer grundsätzlich keine Nachmeldeobliegenheit trifft. 19. Erfolgt der Vertragsschluss nach dem Invitatiomodell, beginnt die Widerspruchsfrist für den Versicherungsnehmer erst mit dem Zustandekommen des Vertrags. Die Risikoprüfung erfolgt im Rahmen der Angebotserstellung durch den Versicherer. Entgegen verbreiteter Ansicht trifft den Versicherungsnehmer die Anzeigeobliegenheit bis zum Vertragsschluss mit seiner Annahmeerklärung. Darüber hinaus besteht keine Gefahr, dass der Versicherungsnehmer den Vertrag auf der Grundlage der ursprünglichen Risikoprüfung zustande bringt, indem er einen zwischenzeitlich eingetretenen gefahrerheblichen Umstand erst kurz vor der Vertragsannahme anzeigt. 20. Hat der Versicherer infolge einer Anzeigepflichtverletzung das Recht, den Vertrag zu kündigen oder von ihm zurückzutreten, beginnt die Frist zur Ausübung der Gestaltungserklärung, sobald er zuverlässige Kenntnis von der Obliegenheitsverletzung und den Umständen erlangt hat, aus denen sich auf den Verschuldensgrad des Versicherungsnehmers schließen lässt. 21. Eine „gesonderte Mitteilung“ iSd § 19 Abs. 5 S. 1 VVG erfordert kein separates Dokument. Es genügt, wenn sich der entsprechende Hinweis von den Antragsfragen deutlich absetzt und drucktechnisch hervorgehoben ist. 22. Bei schuldlosen und einfach fahrlässigen Anzeigepflichtverletzungen ist das Vertragsanpassungsrecht des Versicherers aus § 19 Abs. 4 S. 2 VVG teleologisch zu reduzieren. Die Möglichkeit, durch einen Risikoausschluss für einen eingetretenen Versicherungsfall leistungsfrei zu werden, ist in solchen Fällen ausgeschlossen. 23. Unter einer „arglistigen Anzeigepflichtverletzung“ ist im versicherungsrechtlichen Kontext eine Anzeigepflichtverletzung zu verstehen, bei der sich der Vorsatz des Versicherungsnehmers auf die objektiven Voraussetzungen einer arglistigen Täu-

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schung iSd § 123 BGB erstreckt. Auf die Bezeichnung „betrügerisches Verhalten“ sollte in diesem Zusammenhang verzichtet werden. 24. Verschweigt der Versicherungsnehmer einen gefahrerheblichen Umstand und begeht dadurch eine arglistige Täuschung, steht dem Versicherer unabhängig davon, ob er die Umstände zuvor formgemäß erfragt hat, ein Anfechtungsrecht zu. Die „spontane Anzeigepflicht“ lebt insoweit fort.

IV. Anzeigepflichtverletzung bei der D&O-Versicherung 25. Zwar hat die Aktiengesellschaft als juristische Person keine originäre Kenntnis. Das Wissen ihrer Organwalter wird ihr jedoch beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen auf einer besonderen, im Vergleich zu sonstigen Hilfspersonen höheren Ebene als Eigenwissen zugerechnet. Wann eine solche qualifizierte Zurechnung erfolgen kann, ergibt sich aus einer wertenden Einzelfallbetrachtung. Dabei ist darauf abzustellen, ob das entsprechende Wissen bei einer ordnungsgemäßen Organisation der gesellschaftsinternen Kommunikation weitergeleitet und später abgefragt würde. 26. Unterhalb der Organebene kann keine Zurechnung als Eigen-, sondern lediglich als Fremdwissen erfolgen. Dabei sind die speziellen gesetzlichen Zurechnungsregelungen der §§ 20, 47 VVG, § 166 BGB, ferner die Rechtsprechungsgrundsätze zu Repräsentanten, Wissenserklärungs- und Wissensvertretern zu beachten. 27. Das Verschulden der Organwalter wird der Aktiengesellschaft entsprechend § 31 BGB auf besonderer Ebene als Eigenverschulden zugerechnet, sofern ein innerer Zusammenhang zwischen der Handlung oder Unterlassung des Organmitglieds und seinem dienstlichen Wirkungskreis besteht. 28. Unterhalb der Organebene ist § 31 BGB entsprechend auf Personen anwendbar, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind. Diese Grundsätze werden durch die Rechtsprechungsgrundsätze zum Repräsentanten, Wissenserklärungs- und Wissensvertreter ergänzt, sind aber wie diese erst anwendbar, wenn keine spezielle Zurechnungsregelung, wie § 20 VVG oder § 47 VVG, eingreift. Die Zurechnung unterhalb der Organebene begründet kein Eigenverschulden der Gesellschaft. 29. Eine eigene arglistige Täuschung der juristischen Person kann infolge einer Zurechnung von Wissen, Verschulden und Verhalten ihrer Organwalter auf höherer Ebene eintreten. Sind die Voraussetzungen einer solchen Zurechnung nicht erfüllt, ist auch bei der arglistigen Täuschung § 47 VVG als Zurechnungsgrundlage anwendbar. Allerdings ist es in solchen Fällen nicht nötig, die Vorschrift heranzuziehen. Gemäß § 123 Abs. 2 S. 1 BGB führt bereits die Täuschung einer anderen Person zu einer Anfechtungsmöglichkeit gegenüber der Gesellschaft, sofern es sich um einen „Nichtdritten“ handelt. Darunter fallen jedenfalls die Versicherten bei der Versicherung für fremde Rechnung.

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30. Die Gestaltungsrechte, die dem Versicherer infolge einer Anzeigepflichtverletzung zustehen, haben grundsätzlich Gesamtwirkung und können daher auch allen Versicherten entgegengehalten werden. Dadurch kann es bei der D&O-Versicherung insbesondere in Verbindung mit der weitgehenden Zurechnung an die Gesellschaft zu unbilligen Situationen kommen, die die Funktion der Versicherung insgesamt gefährden. So verliert etwa ein redlicher Versicherter grundsätzlich rückwirkend seinen Versicherungsschutz, wenn sich nach dem Eintritt des Versicherungsfalls herausstellt, dass ein anderer Versicherter einen gefahrerheblichen Umstand vor dem Vertragsschluss arglistig für sich behalten hat und der Versicherer den Vertrag in der Folge wirksam anficht. 31. Es bestehen keine gesetzlichen Regelungen, die geeignet sind, die sich aus der Gesamtwirkung der Gestaltungsrechte ergebenden Gerechtigkeitslücken zufriedenstellend zu schließen. Daher ist nach vertraglichen Lösungen zu suchen, die das System von Zurechnung und Rechtsfolgen sorgfältig austarieren und die Interessen der Beteiligten angemessen berücksichtigen. 32. Es ist vertraglich möglich, die Auswirkungen der Ausübung von Anfechtung und Rücktritt gegenüber den gutgläubigen Mitversicherten einzuschränken. Eine „einfache Severability-Klausel“ ist allerdings ein untaugliches Mittel, um dieses Ziel zu erreichen, da sie sich nicht auf die Zurechnung an die Gesellschaft auswirkt. 33. Die Gesamtwirkung der Gestaltungsrechte kann aber mit Hilfe einer sog. qualifizierten Severability-Klausel eingeschränkt werden. Für den Versicherer ist eine solche Vertragsgestaltung nur dann interessengerecht, wenn seine Leistungspflicht zeitlich beschränkt und ihm eine Regressmöglichkeit gegen die Gesellschaft eingeräumt wird. 34. Um auch die Gesellschaft in angemessenem Maß zu schützen, muss neben der Vereinbarung einer „qualifizierten Severability-Klausel“ mit Regressmöglichkeit des Versicherers die Zurechnung von Kenntnissen und Verhalten an die Versicherungsnehmerin beschränkt werden. Um auch den Schutz des Versicherers zu gewährleisten, ist es dabei jedoch notwendig, diejenigen Personen, deren Eigenschaft als Zurechnungssubjekt ausgeschlossen wird, vertraglich zu Adressaten der vorvertraglichen Anzeigepflicht zu bestimmen. 35. Eine solche Vereinbarung erfordert eine zusätzliche Übereinkunft außerhalb der Bedingungen des Versicherungsvertrags. Sie macht aus der Versicherung für fremde Rechnung keinen Vertrag zu Lasten Dritter, verstößt im hier diskutierten Regelungszusammenhang nicht gegen § 32 VVG und kann auch formularmäßig vereinbart werden, ohne gegen die in § 307 BGB geregelte Inhaltskontrolle zu verstoßen. 36. Durch die vertragliche Vereinbarung einer eigenständigen Anzeigepflicht der Versicherten ist § 47 VVG nicht konkludent abbedungen. Auch ein ausdrückliches Abbedingen genügt nicht, um die Versicherungsnehmerin ausreichend zu schützen. Um die Zurechnung an diese in sinnvoller Weise einzuschränken, sind sog. Repräsentantenklauseln vorzuziehen. Zu beachten ist, dass in Fällen der Anzeigepflichtverlet-

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zung durch eine arglistige Täuschung eine Zurechnungsbeschränkung die Anfechtungsmöglichkeit gegenüber dem Versicherungsnehmer nicht einschränken kann. 37. Eine angemessene vertragliche Modifikation der gesetzlichen Regelungen zu den Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtverletzung wird durch eine Kombination einer „qualifizierten Severability-Klausel“, die dem Versicherer eine Regressmöglichkeit einräumt, mit einer Repräsentantenklausel erreicht, die die Zurechnung an die Gesellschaft einschränkt. Als Ausgleich sind diejenigen Personen, deren Wissen und Verhalten der Gesellschaft nach der Repräsentantenklausel nicht zugerechnet werden kann, vertraglich als eigenständige Adressaten der Anzeigepflicht zu bestimmen.

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Stichwortverzeichnis Abschaffung des Policenmodells 81 ff. Abschlusskompetenz 56 ff. Abtretungsverbot 45 f. Adressat der Anzeigepflicht 67 ff., 195 ff. – Adressatenstellung der Versicherten 67 ff. – Adressatenstellung von Organwaltern 71 f. – Adressatenstellung von Vertretern 71 – vertragliche Modifikation 195 ff. Affären 35 ff. aktienrechtliche Zulässigkeit 54 ff. Aktionärsklage 26 f. Altlasten-Urteil 145 f. Anfechtung 67, 131 ff., 165, 182 ff. Anfechtungsausschluss 182 ff. Annahmefiktion 105 f. Anpassung des Vertrags 67, 70, 123 ff., 164 f. Anspruchsdurchsetzung 26 ff., 48 – Innenhaftungsansprüche gegen Aufsichtsratsmitglieder 28 f., 48 – Innenhaftungsansprüche gegen Vorstandsmitglieder 26 f., 48 Anspruchserhebungsprinzip 50 ff. Antragsmodell 65 f., 81 ff., 112 ff. Anzeigeobliegenheit des § 19 Abs. 1 VVG 63 ff. ARAG/Garmenbeck-Entscheidung 24, 28 f., 34 f., 48 Arbeitnehmerhaftungsgrundsätze 25 ff. arglistige Anzeigepflichtverletzung 128 ff., 165, 171 ff. arglistige Täuschung 67, 79 ff., 91, 131 ff., 160 ff., 175 f., 181 ff., 192 f., 196, 201, 206 arglistiges Verschweigen von Umständen 133 ff. Arglistzurechnung nach § 20 VVG 71 Aufklärungspflicht 135 f. Aufsichtsratsvergütung 56 ff. Aufwendungen 59 Ausgestaltung der D&O-Versicherung 50 ff.

Ausschluss der vorsätzlichen Schadensverursachung 52 Ausschluss des Anfechtungsrechts 182 ff. Ausschluss des Rücktrittrechts 185 Ausschlussfrist bei Gestaltungsrechten 121 Ausschlusstatbestände 52 ff. Außenhaftung 29 ff. – Aufsichtsratsmitglieder 31 f. – Vorstandsmitglieder gegenüber Aktionären 29 f. – Vorstandsmitglieder gegenüber außenstehenden Dritten 30 f. bedingtes Antragsmodell 95 ff. Begründung der Gestaltungsrechte 120 f. Belehrungserfordernis 122 f. Bestätigung iSd § 144 BGB 183 f. betrieblich veranlasste Tätigkeit 25 ff. betrügerisches Verhalten 129 f. Beweislast 25, 66, 115, 117, 124 f., 128 ff., 132 f. – Arglist 132 f. – im Rahmen des § 93 AktG 25 – Kausalitätsgegenbeweis 128 ff. – Verletzung der Anzeigepflicht 66 – Verschuldensgrad der Anzeigepflichtverletzung 115, 117 – Vertragsanpassungsrecht 124 f. – Voraussetzungen der Business Judgment Rule 25 Bezüge des Vorstands 56 ff. Bindungswirkung des Haftpflichtprozesses 42 Business Judgment Rule (§ 93 Abs. 1 S. 2 AktG) 24 f., 62 Claims-made-Prinzip 50 ff. „Comroad-Urteil“ 167 f., 185 ff. Corporate Governance 22, 34 ff. culpa in contrahendo 66 f., 180 f., 197 f.

Stichwortverzeichnis 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

Deckungsausschlüsse 52 ff. Deckungsverhältnis 41 f. Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK) 36 direkter Zahlungsanspruch der Gesellschaft 43 ff. Dissens 110 f. Doppelfunktion des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG 24 Dritter iSd § 123 Abs. 2 BGB 161 f., 165, 175 f., 183, 196 Eigenhandeln der juristischen Person 140 ff. Eigenschadenklausel 53 Eigenschadenversicherung 44 Eigenverschulden der juristischen Person 140 f., 158 ff. Eigenwissen der juristischen Person 140 ff. einfache Severability-Klausel 185 ff. Einschränkung der Gesamtwirkung der Gestaltungsrechte 169 ff. Einschränkung der Innenverhältnisdeckung 23 Entwicklung der D&O-Versicherung 32 ff. – in den Vereinigten Staaten 32 f. – in Deutschland 33 ff. Erlöschen der Gestaltungsrechte 121 Ermessensspielraum der Organwalter 24 f., 28 f., 34 f., 48 – ARAG-Garmenbeck-Entscheidung 24, 28 f., 34 f., 48 Erstrecken der Anzeigepflicht 65 f. Fiktionstheorie 141 ff. Finanzkrise 37 f., 54 Form 74 f. Formulierung des Fragebogens 74 ff. Fragebogen 74 ff., 90, 99, 123, 136, 153, 166, 186, 194 Frageobliegenheit des Versicherers 70, 76 f., 134 ff. Fragestellung 73 ff., 136, 138, 165 Fremdversicherung 40 ff. freundliche Inanspruchnahme 44 f. Gefahrerheblichkeit 64 Gemeinde-Entscheidung 145 Gesamtwirkung der Gestaltungsrechte 70, 166 ff.

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Geschäftsleiterermessen 24 f., 62 Geschichte der D&O-Versicherung 32 ff. Gesellschaftsinteresse an D&O-Versicherung 23, 44, 46 ff., 58 ff., 70 Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) 20, 38, 54 ff., 61 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) 34 ff. Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) 24 ff., 37 gesetzliche Einschränkungen der Gesamtwirkung der Gestaltungsrechte 169 ff. gesetzliche Regelung der Anzeigepflicht 63 ff. gesonderte Mitteilung 122 f. Gestaltungserklärung 116 ff. Gleichstellungsargument 146 f. Globalisierung 34 f. Großrisiko 84 ff., 94, 101, 105 f., 194, 200, 205, 214 Grundsatz vom betroffenen versicherten Interesse 178 f. Grundsätze der eingeschränkten Arbeitnehmerhaftung 25 ff. Haftpflichtverhältnis 41 f. Haftpflichtversicherung 40 ff. Haftung der Aufsichtsratsmitglieder 27 ff., 31 f. – Außenhaftung 31 f. – Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft 27 ff. Haftung der Organwalter 22 ff. Haftung der Vorstandsmitglieder 24 ff., 29 ff. – Außenhaftung gegenüber Aktionären 29 f. – Außenhaftung gegenüber außenstehenden Dritten 30 f. – Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft 24 ff. hilfsweise Geltendmachung von Rechten 118 f. Historie der D&O-Versicherung 32 ff. Ignorieren der gesetzlichen Vorgaben 91 ff. Informationsabfragepflicht bei der juristischen Person 147 f.

250 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

Stichwortverzeichnis

Informationspflichten des Versicherers 81 ff., 86 ff., 93 f. – Empfänger 86 f. – Erfüllung 86 ff. – Verzicht 89 f., 93 f. Informationsspeicherungspflicht bei der juristischen Person 147 f. Informationsweiterleitungspflicht bei der juristischen Person 147 f. Innenhaftung 22 ff., 41, 48 f. – Aufsichtsratsmitglieder 27 ff. – Deckung durch D&O-Versicherung 23 – Einschränkung der Innenverhältnisdeckung 23 – Relevanz 22 f., 41, 48 f. – Vorstandsmitglieder 24 ff. Innenverhältnisdeckung 23 Interesse an D&O-Versicherung 23, 44, 46 ff., 58 ff., 70 Invitatiomodell 99 ff. – abweichendes Angebot 103 f. – Annahme 104 ff. – bedingtes Angebot 108 ff. – Risikoprüfung 107 ff. – Widerrufsfrist 101 ff. – Zulässigkeit 99 ff. Jahresdeckungssumme 52 Kausalitätsgegenbeweis 128 ff., 170 ff. Kenntnis 52 f., 68 ff., 139 ff., 181 f., 195 ff., 205 ff. – eigene Kenntnis der juristischen Person 140 ff. – Kenntnis iSd § 19 VVG 139 f. – Kenntniszurechnung 68 ff., 139 ff. – Organwissen 140 ff. – private Kenntnis 148 – Repräsentanten 154 ff. – typischerweise aktenmäßig festgehaltene 147 f. – Wissenserklärungsvertretung 72, 156 – Wissensvertretung 72, 157 f. – wissentliche Pflichtverletzung 52 f. – Zurechnung bei der juristischen Person auf höherer Ebene 141 ff. – Zurechnung im Unternehmensverbund 148 f.

– Zurechnung nach § 166 BGB 71 f., 143 f. – Zurechnung nach § 20 VVG 71 f., 150 f. – Zurechnung nach § 47 VVG 68 ff., 152 f., 160 ff., 181 f., 205 ff. – Zurechnungseinschränkung durch Besonderheiten der D&O-Versicherung 195 – Zurechnungseinschränkung durch vertragliche Vereinbarung 195 ff. Klageerzwingungsverfahren 26 f., 29, 35 Klagezulassungsverfahren (§ 148 AktG) 27 kombinierte Eigen- und Fremdversicherung 163 Kompetenz zum Vertragsschluss 56 ff. KonTraG 34 ff. Kündigungsrecht 67, 114 ff., 164 – Erklärung 116 ff. Mannesmann-Übernahme 36 f. Modell der bedingten Antragserklärung 95 ff. Nachdeckungsregelung 51 f., 164, 171, 192 Nachfrageobliegenheit 70, 79 f. Nachmeldeobliegenheit 65 f., 79, 107 ff. Nachschieben von Gründen 120 f. Nichtdritter iSd § 123 Abs. 2 BGB 161 f., 165, 175 f., 183, 196 Obliegenheit des Versicherers zur Fragestellung 70, 76 f., 134 ff. offene (pauschale) Fragen 75 ff. öffentliche Wahrnehmung des Managerhandelns 35 ff. Organhandeln 140 ff. Organisationspflicht zur ordnungsgemäßen Kommunikation 146 ff. Organtheorie 141 ff. Organwissen 140 ff. pauschale Fragen 75 ff. Pflicht zum Vertragsschluss 61 f. Policenmodell 81 ff., 92 f., 96 f. Prämien 56 ff. – als Bezugs-/Vergütungsbestandteil 56 ff. Präventionswirkung der Organhaftung 56

Stichwortverzeichnis 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

Produktinformationsblatt 83 f., 93 Prozessklausel 53 f. qualifizierte Severability-Klausel 191 ff. – Deckungszeitraum 191 f. – Regressmöglichkeit 193 f. rechtliche Einordnung der D&O-Versicherung 40 ff. Rechtsbeziehungen 41 ff. Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtverletzung 66 f., 114 ff., 162 ff. Rechtsnatur 40 ff. Rechtsschutzfunktion 41 Rechtzeitigkeitsbegriff 87 ff. Regierungskommission Corporate Governance 36, 59 Rekrutierungserleichterung 48 f. Repräsentant 154 ff. Repräsentantenhaftung 159 Repräsentantenklausel 214 ff. Risikoaversion 49 Risikofrüherkennungssystem 35, 61 Risikomanagement 35, 61 Risikoprüfung 63 ff., 74 ff., 90 f., 107 ff. – Fragestellung 74 ff. – nach dem Antragsmodell 90 f. – nach dem Invitatiomodell 107 ff. – Zweck 63 Risikoprüfungsobliegenheit 78 ff. Rücktrittsausschluss 185 Rücktrittsrecht 67, 115 ff., 165 f., 185 – Ausschluss 185 – Erklärung 116 ff. Rücktrittsvorbehalt 113 Rückwärtsdeckung 51 safe harbour 25 Schadensausgleichfunktion 41 Schlachthaus-Fall 145 Selbstbehaltspflicht 54 ff. – für Aufsichtsratsmitglieder 55 f. – für Vorstandsmitglieder 54 f. Serienschadensklausel 53 Severability-Klauseln 185 ff. – einfache Severability-Klausel 185 ff. – qualifizierte Severability-Klausel 191 ff. Skandale 34 ff.

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Sorgfaltsmaßstab des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG 24 Spezialität der §§ 19 ff. VVG 66 f. Standardprodukt D&O-Versicherung 33, 38 f. steuerrechtliche Behandlung der Versicherungsprämien 59 f. Steuerungswirkung der Organhaftung 56 Subsidiaritätsklausel 53 tatsächliches Interesse an der D&O-Versicherung 46 ff. Teilkündigung 173 ff. Teilnichtigkeit 176 ff. Teilrücktritt 173 ff. teleologische Reduktion des § 47 VVG 181 f. Textform 74 f. Theorie von der realen Verbandspersönlichkeit 141 f. Transparenz- und Publizitätsgesetz (TransACHTUNGREPuG) 36 f. Trennungsklausel 53 f. Trennungsprinzip 41 ff. Überwachungspflicht des Aufsichtsrats 27 f. UMAG 24 ff., 37 Umdeutung 118 f. Umstandswissen 75 ff. unmittelbarer Zahlungsanspruch der Gesellschaft 43 ff. Unteilbarkeit der Prämie 67 Vergütung des Aufsichtsrats 56 ff. Vergütungsbestandteil 56 ff. Verhaltenspflichten der Vorstandsmitglieder 24 Verhaltenssteuerung durch die Organhaftung 56 Verhaltenszurechnung nach § 47 VVG 68 ff. Vermögensschaden 40 Verschulden 154 ff., 158 ff., 195 ff., 205 ff. – Eigenverschulden der juristischen Person 158 ff. – Repräsentanten 154 ff., 158 ff. – Wissenserklärungsvertreter 156 – zugerechnetes Fremdverschulden 159 f. – Zurechnung nach § 20 VVG 159 f. – Zurechnung nach § 47 VVG 160, 205 ff.

252 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

Stichwortverzeichnis

– Zurechnungseinschränkung durch Besonderheiten der D&O-Versicherung 195 – Zurechnungseinschränkung durch vertragliche Vereinbarung 195 ff. Verschweigen von Umständen 133 ff. versicherte Personen 40 f. Versicherung für fremde Rechnung 40 ff. Versicherungsprämien 56 ff. – als Bezugs-/Vergütungsbestandteil 56 ff. Versicherungssumme 52 Verstoßprinzip 50 Vertrag zugunsten Dritter 41 Vertragsanpassungsrecht 67, 70, 123 ff., 164 f. Vertragserklärung 65, 82 f., 96 ff., 105, 107 ff. Vertragsschlussverfahren 81 ff. Verzichtslösung 94 f. Verzichtsmöglichkeit 89 f., 93 f. Voraussetzungen des § 93 Abs. 2 AktG 24 ff. vorsätzliche Pflichtverletzung 52 f. vorsätzliche Schadensverursachung 52 VorstAG 20, 38, 54 ff., 61 Vorstandsbezüge 56 ff. vorvertragliche Anzeigepflicht 63 ff. Wahlrecht des Versicherers 41, 43 Wegfall des Policenmodells 81 ff. weite Fragen 75 ff. Widerrufsfrist 101 ff. Widerrufsvorbehalt 113 Widerspruchslösung 85 wirtschaftliches Interesse an der D&O-Versicherung 46 ff. Wirtschaftskrise 37 f., 54 Wissen 52 f., 68 ff., 139 ff., 181 f., 195 ff., 205 ff. – Eigenwissen der juristischen Person 140 ff. – Kenntnis iSd § 19 VVG 139 f. – Organwissen 140 ff. – privates Wissen 148

– Repräsentanten 154 ff. – typischerweise aktenmäßig festgehaltenes 147 f. – Wissenserklärungsvertreter 72, 156 – Wissensvertreter 72, 157 f. – Wissenszurechnung 68 ff., 139 ff. – wissentliche Pflichtverletzung 52 f. – Zurechnung bei der juristischen Person auf höherer Ebene 141 ff. – Zurechnung im Unternehmensverbund 148 f. – Zurechnung nach § 166 BGB 71 f., 143 f. – Zurechnung nach § 20 VVG 71 f., 150 f. – Zurechnung nach § 47 VVG 68 ff., 152 f., 160 ff., 181 f., 205 ff. – Zurechnungseinschränkung durch Besonderheiten der D&O-Versicherung 195 – Zurechnungseinschränkung durch vertragliche Vereinbarung 195 ff.

Zahlungsanspruch der Gesellschaft 43 ff. zeitlicher Umfang der Vertragsdeckung 50 ff. Zeitraum der Anzeigepflicht 65 f., 107 ff. Zulässigkeit 54 ff. Zurechnung 68 ff., 140 ff., 181 f., 195 ff., 205 ff. – Einschränkung durch Besonderheiten der D&O-Versicherung 195 – Einschränkung durch vertragliche Vereinbarung 195 ff. – von Organhandeln und -wissen 72, 140 ff. – von Verhalten und Wissen der Repräsentanten 154 ff. – von Verhalten und Wissen nach § 47 VVG 68 ff., 152 f., 160 ff., 181 f., 205 ff. – von Wissen nach § 166 BGB 71 f., 143 f. – von Wissen und Arglist nach § 20 VVG 71 f., 150 f. – Wissenserklärungsvertreter 72, 156 – Wissensvertreter 72, 157 f.