Vier Monate auswärtiger Politik [1 und 2. Aufl. Reprint 2019] 9783111504612, 9783111137841

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Vier Monate auswärtiger Politik [1 und 2. Aufl. Reprint 2019]
 9783111504612, 9783111137841

Table of contents :
Der Kriegsminister
Das auswärtige Amt
Die Convention von Dlmütz
Hessen
Schleswig-Holstein
Dresden
Schluß
Anlagen

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Üier Monate

auswärtiger Politik.

Mit Urkunden.

Berlin. Verlag von Veit und Comp. 1851.

Aach langem Zwiespalt siegte am 2. November 1850 dir Ansicht des Herrn v. Manteuffel im preußischen Cabinet. Mit dem Programm: „Versöhnung und Bündniß mit Oester­ reich" trat der neue Minister des Auswärtigen in sein Amt. Wir wollen den Streit nicht erneuern, ob das Programm des Herrn v. Radowitz oder daS des Herrn v. Manteuffel das richtige gewesen ist. Wer wünschte nicht Frieden und Eintracht mit Oester­ reich! Aber Oesterreich hatte mit dem Vertrage von Bregenz daS Schwert erhoben. Trotzdem sprachen gewichtige Gründe dafür, den Krieg gegen Oesterreich, wenn irgend möglich, auch jetzt noch zu vermeiden. Die Aufgabe, in diesem Augenblick „Frieden und Versöh­ nung" herzustellen, war nicht leicht. ES handelte sich um ei­ nen Systemwechsel und zwar im Angesicht des FeindeS; man mußte eine Politik aufgeben, welche man seit anderthalb Jah­ ren verfolgt hatte. Eine Demüthigung war nicht zu vermeiden. Die Mei­ nung, daß Preußen gewichen sei, weil eS seine Kräfte dem Kriege gegen Oesterreich nicht gewachsen glaube, mußte sich bilden und war nicht zu widerlegen. Preußen mußte mithin bei diesem neuen Programm einen Stoß in der öffentlichen Meinung Europa-, in der Achtung der übrigen Mächte er1*

4 leiden.

Man war

genöthigt,

erprobte

Alliirte

aufzugeben

und seine Stellung in Deutschland dadurch auch für die Zu­ kunft zu schwächen. gefühl der Armee

ES war vorauszusehen, daß daS Selbst­ und

des Volkes, diese

so

wesentlichen

Stützen deö Throne- und Staates, durch ein solches Zurück­ weichen erschüttert werden würden. Die Schwierigkeit der Aufgabe, welche daS neue Pro­ gramm stellte, steigerte sich dadurch, daß Herr v. Manteuffel stch selbst dazu bestimmte, den Staat in diese neue Position hinüberzuführen. Da er an der Unionspolitik wesentlichen Antheil genom­ men,

so lag der Verdacht nahe, daß Furcht vor Oesterreich

seine Sinnesändemng

herbeigeführt habe, —

ein Verdacht,

welcher geeignet war, die Forderungen der Gegner höher zu steigern. Die Politik deö Herrn v. Manteuffel erschien durch die­ sen Wechsel alö eine unzuverlässige;

die Gegner durften sich

genöthigt glauben, von ihm stärkere Garantien zu verlangen alö von einem Manne, auswärtige Amt

der ohne

solche Antecedentien daö

in dem Moment des Systemwechsels über­

nahm. Die Gegner, welche nunmehr in den Vortheil kamen, konnten sich versucht fühlen, für den Unwillen und die Sor­ gen,

welche ihnen die Union-Politik verursacht hatte, deren

früheren Vertreter jetzt büßen zu lassen. Durch ein neueö Ministerium konnte allen diesen Uebel­ ständen begegnet werden.

Man hatte die Wahl,

dies auö

solchen Männern zu bilden, welche stets der Ansicht gewesen waren,

daß Preußen unter allen Umständen mit Oesterreich

und Rußland gehen müsse, Arnim-HeinrichSdorff.

wie Herr v. Rochow und Graf

Oder wenn man nicht so unfähige und

übermäßig reaktionäre Staatsmänner in einem so kritischen Zeit­ punkt an die Spitze stellen wollte, so besaß man in dem Gra­ fen Bernstorff und Herrn v. Usedom Diplomaten von

aner­

kannter Gewandtheit, Erfahrung und Humanität, wlche mit der Unionspvlitik immer im Widerspruch gewesen waren.

5 Ein solches Ministerium gab dem Wiener Cabinet so­ gleich die Garantie deS aufrichtigen Willens, eS trat in die neue Position Preußens ohne persönlichen Zwang ein und war dämm besser im Stande dieselbe zu vertheidigen, als dasjenige, welches diese erst auf einem langen Rückzüge er­ reicht hatte. In der That gewann eS einen Augenblick den Anschein, alS ob Herr v. Manteuffel dem Gewicht dieser Gründe für einen Personenwechsel nachgeben wolle. ES erging die Auf­ forderung an den Grafen Bemstorff in Wien, der Preußen dort unter den schwierigsten Umständen mit Würde und Fe­ stigkeit vertreten hatte, das Portefeuille deS Auswärtigen zu übemehmen. Graf Bernstorff erwiderte, daß er zwar im Au­ genblick krank aber doch bereit sei, trotz der schwierigen Lage der Dinge einzutreten. Inzwischen hatte Herr v. Manteuffel aber bereits daS Amt übernommen und zog es vor, die Durchfühmng des neuen Systems selbst in der Hand zu behalten. Wir können leider diese Angabe nicht für unbegründet halten, daß Herr v. Manteuffel die Führung deö auswärtigen Amts übernommen und behalten habe, weil die Herren v. Prokesch und Budberg es verlangten. Kein Staat hat eS in seiner Gewalt, mit dem an­ dern Frieden und Bündniß zu schließen, wenn der andere nicht will — eS sei denn, daß man die Absicht hätte, sich dem bisherigen Gegner auf Gnade und Ungnade zu ergeben. Freundschaftliche Gesinnungen durfte Herr v. Manteuffel bei dem Fürsten Schwarzenberg nicht voraussetzen, ebensowe­ nig wie Sympathien für Preußen in Oesterreich. Es gibt in Wien keine preußische, es giebt nur in Berlin eine öster­ reichische Partei. Weder die Regiemng noch das Volk von Oesterreich haben vergessen, daß es Preußen gewesen ist, welches ihm Schlesien und die Alleinherrschaft in Deutschland entrissen hat. In dem letzten Jahrzehnt war die Eifersucht Oesterreichs aufs Neue gespornt worden durch den Einfluß, welchen Preußen durch den Zollverein in Deutschland gewon-

6 tun. Und min hatte sich Preußen rasch Md ohne fremde Hülfe auS den Stürmen der Revolution erhoben, und durch die Besetzung von Baden und Frankfurt, von Rastatt, Ham­ burg und Schleswig, durch das Bündniß vom 26. Mai eine Stellung eingenommen, welche es feit Friedrich dem Großen, feit den Jahren des letzten großen Krieges nicht besessen hatte. Ueberall wurden die preußischen Truppen mit Freude gesehen und als Freunde behandelt; die Armee hatte in Deutschland Propaganda für Preußen gemacht. Oesterreichs Einfluß in Deutschland war eine Zeit lang so gut wie vernichtet. Aber Fürst Schwarzenberg war entschlossen, ihn wieder aufzurichten, ein Bündniß wurde geschlossen, welches die Theilnehmer verpflichtete, 200,000 Mann gegen Preußen ins Feld zu stellen, die deutschen Königreiche waren mit Oesterreich, Rußland unterstützte offen alle Schritte gegen Preußen und die österreichischen Armeen standen bereits in starker Anzahl an den preußischen Grenzen. ES verstand sich von selbst, daß Fürst Schwarzenberg so große Anstrengungen nicht vergeblich gemacht haben wollte. Aber gedachte er nur die Union zu vernichten oder wollte er die günstigste politische Conjunctur, welche Oesterreich seit dem siebenjährigen Kriege gegen Preußen zum ersten Mal wieder erlangt hatte, benutzen, um die Macht Preußens zu beugen und für immer zu brechen? Das Programm, welches Herr v. Manteuffel am 2. No­ vember aufstellte, hatte demnach nur dann einen Sinn, wenn rö die Bedingungen feststellte, unter welchem man im ge­ genwärtigen Augenblick Frieden und Freundschaft mit Oester­ reich schließen könne; und die Grenzen der Nachgiebigkeit präcistrte, bis zu welchen man gehen konnte, ohne Preußen in der öffentlichen Achtung und im Selbstgefühl seines Volkes zu vemichten. WaS man aber auch bieten, worüber man unterhandeln wollte, immer kam eS darauf an, welchen Nachdmck Herr v- Manteuffel feinen Unterhandlungen durch die Kriegsbereit­ schaft Preußens geben konnte.

7 Wenn feindliche Heere die Grenzen umringen, dann kön­ nen nur noch von der bereitstehenden Armee unterstützte Un­ terhandlungen den Gegner seine Forderungen mäßigen lassen und Erfolge versprechen. ES war klar, daß ein leidliches Abkommen nur noch zu treffen war, wenn man sich entschlos­ sen zeigte, den Krieg aufzunehmen. Nur in einem Falle hing der Friede von Herrn v. Manteuffel allein ab: wenn er ihn um jeden Preis wollte.

Der Kriegsminister. „Wenn Preußen int Laufe deS November überfallen worden wäre," sagt das Organ der Partei des Herrn v. Stock­ hausen, die Neue Preußische Zeitung (22. Februar), „so würde eine Mobilmachung gar nicht mehr möglich gewesen sein." — „ Wir konnten," fährt dieses Organ fort, „den Krieg nur mit Cadres und zusammengerafften Haufen führen. Wir hätten froh sein müssen, wenn wir einen Theil der Infanterie rette­ ten, Cavallerie und Artillerie mußten wir dahingeben." Zu weiterer Bewahrheitung dieser Angabe führt die Neue Preu­ ßische Zeitung den AuSspmch deS Feldmarschall Radetzky an: Militairisch betrachtet könne Oesterreich nie wie­ der so günstige Chancen haben, alö im Novem­ ber 1850. Wem verdankte Oesterreich diese militairischen Aussichten, wie war der preußische Staat in die Lage gekommen, im Falle des Angriffs überfallen zu werden und die Hälfte seiner Armee dem Untergange preisgeben zu müssen? General-Lieutenant v. Strotha, ein intelligenter Offizier und guter Administrator, hatte sein Amt niedergelegt, weil er, einst das entschlossenste Mitglied deS November-Ministeriums, mit der Vollendung der Revision der Verfassung und der Vollziehung deS EideS von Seiten des Königs auf dieselbe —

8 einem Ereigniß, zu welchem er selbst mit dem Grafen Bran­ denburg am meisten beigetragen hatte, die Aufgabe der No­ vember-Verwaltung für vollendet hielt und eS für deren Pflicht ansah, die Leitung des Staates anderen Händen zu überlassen. Gewisse über Personalfragen zwischen der Krone und dem Kriegsministerium eingetretene Differenzen waren für diesen Entschluß nur von untergeordneter Bedeutung ge­ wesen. Herr v. Stockhausen wurde sein Nachfolger. Er hatte im Sommer des Jahres 1848 als Chef des Stabes deS General v. Wränget in Schleswig ftmgirt. Es war vor­ nehmlich der Einfluß des Herrn v. Stockhausen gewesen, der den General Wrangel bestimmte, mit Bezugnahme auf seine Stellung und Verpflichtung zur provisorischen Centralgewalt die ersten von Preußen mit Dänemark getroffenen Malmö er Beredungen nicht zur Vollziehung kommen zu lassen. Nach Beendigung der Revolution bekannte sich Herr v. Stockhausen freilich zu ganz anderen Grundsätzen. Er schloß sich der Par­ tei der Neuen Preußischen Zeitung an; Mitglied der zweiten Kammer stimmte er stets mit der äußersten Rechten. In den Fragen der deutschen Union hielt er consequent zu dieser Frak­ tion gegen daö Ministerium. Diese politische Ueberzeugung hielt Herrn v. Stockhausen nach der konstitutionellen Prariö in Preußen indeß nicht ab, in eine Verwaltung zu treten, welche gerade die deutsche Frage durch den Abschluß des Bündnisses vom 26. Mai 1849, durch wiederholte amtliche und persönliche Verheißungen und durch ihr ganzes Auftreten in den Kammern zu ihrem eigentlichen Programm gemacht hatte. Uebernahm Herr v. Stockhausen mit der bestimmten Ab­ sicht sein neues Amt, durch seinen Eintritt die deutsche Poli­ tik deS Ministeriums zu vereiteln? Es wäre ehrenhafter gewe­ sen, dies offen zu sagen. Der erste Akt der Amtsfühmng deS Herrn v. Stockhau­ sen war die Entfernung deS Herrn v. Griesheim. Herr v. Grieöheim hatte unter schwierigen Umständen, während der

9 Anarchie deS Sommers 1848, während der Tage des ZeughauSsturmeS seinen Posten mit Energie behauptet, er hatte der Nationalversammlung eine erträgliche Redaction des BürgerwehrgesetzeS abgewonnen, er hatte sich als Preuße und als einsichtiger Militair der von Frankfurt aus beabsichtigten einheitlichen Organisirüng deS deutschen Heerwesens in einer scharfen Broschüre widersetzt, er hatte im Frühjahr 1849 die Rüstungen rasch und glücklich geleitet; die Ueberlegenheit seiner Capacität im Ministerium des Krieges, seine entschieden preußi­ sche — freilich nicht neupreußische Gesinnung waren an­ erkannt. Herr v. Stockhausen befahl Herrn v. Griesheim, als Commandant nach Cvblenz zu gehen. Er entfernte den fähigsten Mann aus seinem Ministerium, um sich im Voraus eines unbequemen Mitarbeiters zu entledigen. Herr v. Stockhausen hatte bald Gelegenheit zu zeigen, was er ohne Mitwirkung des Herrn v. Griesheim vermöchte. Alö im April und Mai der Abfall der beiden Hessen erfolgte, als Oesterreich und Rußland sich drohend vernehmen ließen, galt eS die Pläne der Gegner in ihrem Beginne zu durchkreuzen. Herr v. Stockhausen hatte, Dank den Bemü­ hungen seines Vorgängers, welcher bei seinem Rücktritt einen Credit von 18 Millionen Thalem von den Kammern erwirkt hatte, — die Mittel vorgefunden, um bei jeder Eventualität die preußische Armee dem Feinde vollkommen gerüstet entgegen­ stellen zu können. Herr v. Radowitz verlangte die Ausstel­ lung einer Armee von 60,000 Mann bei Erfurt. Eine Aufstellung von diesem Umfange hätte damals genügt, die beiden Hessen bei dem Bündnisse festzuhalten, Preußens ern­ sten Willen für die Union außer Zweifel zu stellen, und die­ sem seinen Willen eine solche Wirkung auf Frankfurt und Süddeutschland zu geben, die voraussichtlich das Zusammentteten deö Bundestages in Frankfurt verhindert haben würde. Aber die Herren v. Manteuffel und v. Stockhausen woll­ ten „keine Demonstrationen". Indessen reichte der Einfluß deö Herm v. Radowitz da-

10 mal» noch weit genug, daß wenigstens etwas geschehen mußte. Im Mai wurden die Festungen von Schlefien und Sachsen armirt und außer den bereits mobilen 6 bis 7 Batterien noch 36 Batterien nebst den dazu gehörigen Colonnen mit vollstän­ diger Bespannung versehend War man entschlossen, nöthigen Falls weiter zu gehen, so waren dies Einleitungen von großem Werth, wollte man dabei stehen bleiben, so hatte man sich unnützer Weise große Unkosten aufgeladen. Als Oesterreich im Juni die bekannten Anerbietungen zur Aussöhnung machte und für Preußen vortheilhafte Be­ dingungen bot, stimmte Herr v. Stockhausen mit Herrn v. Manteuffel gegen die Annahme dieser Vorschläge. Aber er that nichts, um diesem Beharren bei der Unionspolitik nun auch Nachdruck zu geben; er that nichts für die rechtzeitige Be­ waffnung des Staats. Unbewaffneter Trotz war gewiß der schlimmste Weg, den man gehen konnte. Herr v. Schleinitz sah nach der Abweisung der österrei­ chischen Vorschläge den Krieg voraus und drang wiederholt und ernstlich auf Rüstungen. Keinem Einsichtigen konnte eö entgehen, daß man nach dieser Wendung der Dinge den Frie­ den auf ehrenhafte Weise nur noch erhalten konnte, wenn man sich zum Kriege bereit zeigte. Herr v. Stockhausen ließ die Vorstellungen des Herm v. Schleinitz unbeachtet. Im Juli erklärten die Oesterreicher, nachdem die beiden ersten badischen Bataillone Mainz passirt hatten, daß sie jede weitere Vorbeifahrt badischer Truppen mit Gewalt hindern würden; Hannover verweigerte den Badensem den Durch­ marsch und der engere Rath deS Bundes trat in Frankfurt zusammen. Was that Herr v. Stockhausen diesen Schritten der Mißachtung gegen Preußen gegenüber? Die Herren v. Schleinitz und v. Radowitz verlangten Anfang August, daß daS 7te und Sie Armeecorps mobil gemacht würden. Herr v. Radowitz hatte den Plan einer graduellen Mobilisimng im genauen Verhältniß zum Fortschritt der feindlichen Rüstungen entworfen. Herr v. Stockhausen

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ließ zwei schwache Brigaden bei Kreuznach und Wetzlar zusammenziehen. Schon die geringe Anzahl dieser Truppen zeigte den Gegnern, wie wenig Ernst eS dem preußischen Gouvemement war. Diese Maßregel war schlimmer, als völlige- Zusehen — es war eine kraftlose und darum schäd­ liche Demonstration, die statt den Gegnern Bedenken zu erre­ gen, ihren Muth steigern mußte. Herr v. Schleinitz erklärte, daß eS ihm unter diesen Um­ ständen unmöglich sei, daS Amt deS Auswärtigen länger zu verwalten, da man ftüherhin die Unionspolitik nicht habe aufgeben und sich jetzt dennoch nicht zum Kriege, der un­ ausweichlich sei, bereit machen wolle. Er legte sein Amt nieder. — In der Sitzung de8 Bundestages vom 21. September brachte das Präsidium zur Kenntniß der Versammlung, „daß Baiem und Hannover dem an sie gestellten' Ersuchen der bereitzuhaltenden schleunigen Bundeshülfe für den Kurfürsten von Hessen bereits entsprochen hätten." Man wußte außer­ dem, daß in Baiern gerüstet wurde, ein CorpS war bei Aschaffenburg bereits zusammengezogen. Die Note des Gra­ fen Brandenburg vom 12. September und eine zweite deS Herrn v. Radowitz vom 26. September erklärten, daß Preu­ ßen die Beschlüsse deS sogenannten Bundestages in Betreff HeffenS nicht anerkenne und eine Intervention nicht zulassen werde, wogegen Fürst Schwarzenberg in der Note vom 27. September versicherte, „daß der Bundestag sich durch diesen unberechtigten Widerspruch nicht beirren lassen", und daß „die Bundesversammlung der kurhessischen Regiemng ausreichenden Schutz gewähren werde." Waö that Herr v. Stockhausen jenem Bundeöbeschluß und jenen Rüstungen, der immer drohenderen Verwickelung ge­ genüber, um den preußischen Erklärungen Nachdruck zu geben? Herr v. Stockhausen befahl, die ausgedienten Mannschaften der preußischen Armee am 1. October zu entlassen! Es war die gewohnte Praris deS tiefsten Friedens. Ein

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Drittheil der geübten Mannschaften, t>. h. der Armee, wurde entlassen. Herr v. Stockhausen begnügte sich nicht mit der Reduktion der Infanterie auf die Stärke von circa 500 Mann für jedes Bataillon. Er ordnete in derselben Weise auch den Verkauf der zur Ausrangimng kommenden Cavalleriepferde an. Jede Schwadron verlor dadurch 15 Pferde und da die dafür einzustellenden erst nach 4 bis 5 Monaten dienstfähig sind, — so hatte Herr v. Stockhausen den Stand der Schwa­ dronen von 140 Dienstpferden um mindestens 30, also auf einen Effectivstand von etwa 100 Pferden herabgesetzt. Da kein Ausfuhrverbot erlassen wurde, so hatten die Baiern und Oesterreicher Gelegenheit, für ihre zum Theil unberittene Cavallerie zweckmäßige Einkäufe zu machen. Eine officielle Denkschrift der preußischen Regierung drückt sich über diese Maßregeln in folgender Weise auS: „Beim Eintritt des gewöhnlichen HerbstentlassungSterminö glaubte daS Kriegsministerium, daß die damals etwas lichter ge­ wordenen politischen Verhältnisse nicht nur eine sofortige Verminderung deS TntppenbestandeS durch die Entlassung der ausgedienten Mannschaften gestatteten, sondern auch nach sechswöchentlicher Einübung der Rekruten eine wei­ tere Reduktion würde eintreten können." Herr v. Stockhausen hatte also noch weitergehende Ab­ sichten! Sie sind wie das, was wirklich ausgeführt wurde, charakteristisch, entweder für seine Fähigkeit oder für seinen guten Willen. Die Politik der Entwaffnung den ausgesprochenen feind­ seligen Absichten und Rüstungen des Auslandes gegenüber ist jedenfalls neu. Wenn ein Oesterreicher oder Sätet an der Spitze deS preußischen Kriegsministeriums gestanden hätte, er würde kaum vermocht haben, im Interesse seines Vaterlandes zweckmäßiger zu handeln, als Herr v. Stockhausen. Am 11. Oktober fand die Zusammenkunft der Monar­ chen von Oesterreich, Baiem und Würtemberg zu Bregenz statt. Die beiden Könige brachten öffentlich an der Tafel nicht dem Kaiser von Oesterreich, sondem dem Kaiser rin

13 Hoch. Der Kaiser von Oesterreich erwiderte, daß er und die Armee stolz darauf seien, mit so tapferen Kameraden vor den Feind zu gehen. Der Vertrag von Bregenz erklärte, daß der Bundestag zu Recht bestehe, daß er kraft der Bundesgesetze ebenso be­ rechtigt als verpflichtet sei, dem Aufruhr in Kurhessen ent­ gegenzutreten. Es wurde festgesetzt, daß der Bund auf Anrufen des Kurfürsten Hülfe leisten müsse, Oesterreich verpflichtete sich 150,000 Mann, Baiern 30,000 Magn, Würtemberg 20,000 Mann ins Feld zu stellen. Am 15. Oktober requirirte Herr Hassenpflug formell die Bundes­ hülfe. Ein weither angelegter Plan kam zum ausgesprochenen Ziele. Die Vernichtung der Reste der Union, welche bereits durch lange Intriguen aufgelockert war, daS Gegenstück der Besetzung Badens, die Restauration des Bundestages, die Er­ niedrigung und Bestrafung Preußens sollte mit 200,000 Mann durchgesetzt werden. Jetzt fielen doch Herrn von Stockhausen die Schuppen von den Augen? Jetzt sah er doch ein, daß es sich nicht um Hessen, sondern um Preußen handelte, jetzt begriff er doch endlich, daß nur die schleunigste Kriegsbereitschaft den Staat noch vor dem Kriege zu retten und einen ehrenvollen Frieden zu sichern vermöge? Der Moment zur Mobilmachung für Preußen war un­ widerruflich gekommen. Die Linie und Landwehr ersten Auf­ gebots mußten sofort auf den Kriegsfuß gebracht werden Und die strategisch gebotenen Stellungen einnehmen. In vier bis sechs Wochen, also in der Mitte oder gegen Ende November, war dann die Mobilmachung beendet und die Armee disponirt — jedenfalls vor dem 25. November, an welchem Hr. v. Prokesch das bekannte Ultimatum überreicht hat. Eine kriegslustige Armee von 300,000 Mann mußte den Unter­ handlungen einen großen Nachdruck geben, und wenn dann der Krieg unvermeidlich war, so hat der bekanntlich einen

14 großen Vortheil voraus, welcher zuerst auf dem Kampf­ plätze ist. Was that Herr v. Stockhausen dem Vertrage von Bre­ genz und jenen 200,000'Mann, die alsbald in Marsch gesetzt wurden, gegenüber? Herr v. Stockhausen zog eine Brigade bei Pader­ born und zwei andere bei Erfurt zusammen. Dank feinen vortrefflichen Anordnungen waren auch diese Truppen nicht auf dem Kriegsfuße, die Bataillone zählten die Hälfte der Kriegsstärke, die Cavallerieregimenter etwa 400 Pferde. Um nur ein einigermaßen ansehnliches Corps herzustellen, welches den beiden im Vorrücken begriffenen baierischen Divisionen (eine dritte kam von Bamberg) die Spitze bieten konnte, mußte General Bonin in den letzten Octobertagen mit der Brigade von Wetzlar schnell nach Eisenach hinüber marschiren. AIS die Baiem nun wirkich am 1. November die hessi­ sche Grenze überschritten, konnte ihnen Graf Groben bei Fulda auch nach seiner Vereinigung mit dem General Bonin nur mit 9 bis 10,000 Mann Infanterie, 16 bis 1800 Pfer­ den und 48 Geschützen entgegentreten. Es waren eilfertig zusammengeraffte Truppen, zum Theil von unzusammenhän­ gender Formation, deren Munition und Bagage durch Vor­ spann fortgeschafft werden mußte. Ebenso eilfertig wurden einige andere Abtheilungen nachgesendet. DaS sechste Cürassierregiment marschirte mit wenig mehr als 300 Pferden von Brandenburg aus, daS siebente Infanterieregiment wurde schleunigst auö Hamburg herbeigeschafft, noch ein Paar andere Bataillone wurden zum Nachrücken beordert, wodurch der Ge­ neral Groben- um etwa 3000 Mann verstärkt wurde. Kam eS zum Schlagen, so mußte fast allen diesen Trup­ pen die Reservemannschaft nachgeschickt und dieselben erst vor dem Feinde neu formirt werden. »Das Corps in Hessen be­ stand nur aus CadreS", sagt die Neue Preußische Zeitung. Gleichzeitig mit dem Einmarsch in Hessen kam Graf Brandenburg aus Warschau zurück. Die dortigen Besprechun­ gen hatten zu keinem Resultat als zu der Gewißheit geführt,

15 daß Oesterreich den Krieg wolle. Von Warschau auS hatte der Kaiser von Oesterreich weitere Befehle zum Vorrücken nach Böhmen gegeben, daS Corps deS Feldmarschall Legedicz war bereits über Augsburg hinaus. Begriff Herr v. Stockhausen auch jetzt die Lage des Staats noch nicht? Die Lage der Armee hätte er wenigstens kennen sollen. Wir wollen dieselbe nicht mit eigenen, sondern mit den Worten der Neuen Preußischen Zeitung schildern: „Von unserer Armee", sagt die N. Preuß. Zeitung, „waren 20,000 Mann in Hessen, 18,000 Mann in Baden, 3000 Mann in Hamburg. 5000 Mann waren in Kreuznach ton# centrirt, 2000 Mann um Frankfurt, 5000 Mann in Mainz. Die übrigen 150,000 Mann waren über die ganze Monarchie in einer Länge von 200 Meilen zersplittert, so daß nirgends als bei Berlin eine nennenSwerthe Zahl vereinigt war. Von der ganzen Armee war nur das Corps in Baden in der Ver­ fassung, dem Feinde entgegengeführt zu werden, die ganze Armee war so auseinander gesprengt, daß die Mobilmachung, wenn wir im Laufe deS November überfallen wurden, gar nicht mehr möglich war." — „Unö gegenüber standen völlig ge­ rüstete Armeen; nahe an 130,000 Mann konnten in zehn Tagen vor BreSlau und Berlin stehen, 20,000 Baiern stan­ den vor der Communication zwischen beiden Theilen deS Staats, 25,000 Oesterreichs standen zwischen Nördlingen und Augsburg, 20,000 Mann waren bereit aus Tyrol nachzu­ rücken." Und der Kriegsminister, der diese Lage der preußischen Armee — gegen die beständigen Mahnungen deS auswärtigen Amts — selbst herbeigeführt hatte, verweigerte die Mobil­ machung auch am 2. November! Er verweigerte fie nicht, weil eS überhaupt zu spät gewesen wäre (es standen am 2. November erst 70,000 Oesterreicher in Böhmen), er verwei­ gerte sie, um endlich den Sturz des Herrn v. Radowitz her­ beizuführen. In der ersten Kammer hat Herr v. Stockhausen nachher erklärt — die Nachwelt wird es nicht glauben — die Mo-

16 bilmachung wäre am 2. November ein brutaler Angriff gewesen. Der Kriegsminister des MilitairstaateS Preußen nannte einen Akt der Sicherung, welcher nach dreimonatlichen In­ sulten, nach einem gegen Preußen abgeschlossenen Kriegsbündniß, als die feindlichen Colonnen längst alle Straßen nach den preußischen Grenzen bedeckten, von ihm gefordert wurde, „einen brutalen Ang-riff auf das Ausland"! Vier Tage später, am 6. November entschloß sich Herr v. Stockhausen zur Rüstung; wir werden weiter unten sehen, auS welchen Gründen. Auch die elementarsten Vorbereitungen waren verab­ säumt; nicht einmal die Reserven der Linie waren inzwischen eingezogen worden. „Die ganze Armee war", wie die Neue Preußische Zeitung sagt, „auSeinandergerenkt." — „Die Regi­ menter standen nicht in ihren CantonS", ja eS fehlte sogar für die Kriegsstärke der Linie und Landwehr hier und dort an Material. Herr v. Stockhausen hatte eö unterlassen, von einem kleinen Theil jenes Credits von 18 Millionen Gebrauch zu machen, um das zu ergänzen, was 1848 und 49 bei einigen Truppenteilen verbraucht worden war. Wir wollen nicht sagen, wie viel Tage die Landwehr zweiten Auf­ gebots uneingekleidet blieb, wir wollen nicht angeben, an welchen Tagen die Pferde zur Mobilmachung der Garde-Cavallerie in Berlin eingetroffen sind, wie lange Zeit die Aus­ rüstung der Artillerie unter den Händen des Herrn v. Stock­ hausen erfordert hat. In jenen Tagen, welche die größte Beschleunigung er­ forderten, beschäftigte sich Herr v. Stockhausen damit, die alte Formation der Armee, den früheren Verband der Armee­ corps , der Divisionen und Brigaden wiederherzustellen, d. h. die Armee vor dem Feinde wieder umzuformen; eine Maß­ regel, welche sehr zweckmäßig gewesen wäre, wenn man ste acht Wochen früher angeordnet hätte; jetzt war sie absolut verderblich. Herr v. Stockhausen ging in dem Eifer für die alte

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Formation so weit, daß er das Unglaubliche wirklich aus­ führen ließ. DaS Armeecorps in Baden, welches allein kriegSfertig und als selbstständiges Ganze organisirt war, wurde im Angesicht des Feindes aufgelöst, und seine Bestandtheile wurden einzeln den Divisionen, welchen sie entnommen waren, wieder zugesendet. Man kann über die zweckmäßigste Verwendung dieser 20,000 Mann streiten — so viel ist sicher, daß man das ganze CorpS durch die baierische Pfalz auf Kreuznach marschiren lassen konnte; und die baierischen Behörden zitterten vor diesem Besuch — um dem baierischen Hochmuth in Hessen ein angemessenes Paroli zu geben. Die Auslösung war unter allen Umständen ein Fehler. Ein größerer Fehler freilich war der, daß auch Rastatt, ein sturmfreier Platz, der mit preußischem Blute gewonnen war, auf Befehl deS Herrn v. Stockhausen geräumt wurde. Rastatt war ein Stützpunkt für die preußische Politik im Süden Deutschlands, ein kostbares Unterpfand und Tauschmittel für 'die Unterhandlung. Kam es wirklich zum Kriege, so genügte •eine Besatzung von 8000 Mann, um mehr als die doppelte Lahl des Feindes, also etwa das ganze würtembergische Gon# ttingent, vor diesem Platze festzuhalten. Aber Herr v. Stockhausen hatte andere Dinge zu thun. Mm die Formationstabelle und die ordre de bataille aller (CorpS genau auszugleichen, war man eifrig mit der Errich# ttung zweier neuen Landwehr-Cavallerieregimenter für die Garde beschäftigt. Wir wollen die Mißgriffe des Herr v. Stockhausen bei ioer Ausführung der Mobilmachung nicht weiter verfolgen. Die Hauptsache war, daß er die Rüstung nur als Demon# fltration betrieb. Er, der den sogenannten Demonstrationen does Herrn v. Radowitz so eifrig opponirt hatte, demonstrirte irni Augenblick des letzten Ernstes. Ohne diese Annahme sind Wiele Maßregeln gar nicht zu erklären. Sehr schlimm war etS unter diesen Umständen freilich, daß keine scheinbare, son­ diern wirkliche Liefemngen übereilt und auf übertriebene Ent«

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18 frrnungen hin ausgeschrieben wurden, daß sie zudem ungleich­ mäßig wurden.

auf die

Kreise

und

zum

Ruin

einzelner

vertheilt

Die gelieferten Naturalien blieben wochenlang unter

freiem Himmel liegen, und verdarben zum Theil aus Mangel an Localen zu ihrer Unterbringung. Aber nicht genug, daß die eigenen Streitkräfte nicht rasch und nicht zweckmäßig genug entfaltet wurden, die feindliche Armee wurde auch durch verkehrte Maßregeln in ihrer mo­ ralischen Haltung verstärkt. Die österreichischen Truppen in Böhmen bestanden meist aus galizischen, ungarischen, italienischen und kroatischen Trup­ pen nebst den herbeigezogenen Grenzregimentern.

Die Jnfau-

terie war in gutem Zustand, die Cavallerie vortrefflich,

und

wie einst beim Beginn der schlesischen Kriege voll Verachtung der preußischen Reiter; die Artillerie war mangelhaft bespannt — die Zwölfpsünder sogar nur mit vier Pferden; die Colonnen wurden

zum

großem Theil durch

Nicht alle Truppen waren zuverlässig,

Vorspann

bewegt.

am meisten die galizi­

schen Regimenter; die ungarischen dagegen waren in der schlech­ testen Disposition.

Es war die allgemeine Stimmung bei die­

sen Truppen zu den Preußen überzugehen hier auf den sichersten Quellen.

— wir basiren

Erst als Herr v. Stockhau­

sen die Deserteure der Regimenter Roßbach und Wasa auS Schlesien zurückliefern ließ und diese nun in Ketten bei ihren Bataillonen wieder ankamen, begann die bisherige Zuneigung zu Preußen sich in Zorn und Abneigung zu verwandeln.

Na­

türlich, daß Herr v. Stockhausen keine revolutionairen Ueberläufer haben wollte.

Doch sprachen ungarische Offiziere auch

nach diesen Ereignissen noch davon, daß man im ersten Ge­ fecht die Truppen zu den Preußen überführen müsse. Der Militairstaat Preußen hat unter der Leitung deS Herrn v. Stockhausen einen gewaltigen Stoß erlitten.

Seit

den Zeiten des großen Kurfürsten stand Preußen zum ersten Mal dem gerüsteten Auslande mangelhaft gerüstet gegenüber.

zuerst gar nicht und dann Dieser Umstand hat die For­

derungen und die Kühnheit der Gegner gesteigert.

Wenn

19 eine rechtzeitige Rüstung wenigstens ein ehrenvolles Abkommen eintragen konnte, so hat die zu spät begonnene Rüstung dem Lande nichts als eine Unterwerfung um den Preis von 30 Millionen eingetragen. Diese Ereignisse haben die Meinung des Auslandes von der Kriegöfähigkeit des preußischen Staats, seine Achtung vor der Armee und den militärischen Institutionen Preußens er­ schüttert; habe doch der Kriegsminister, gewiß ein erfahrener Soldat und guter Patriot; so meinte man, in genauer Kenntniß der Armee, im besten Ueberblick über die militärischen Mittel Preußens, sich am entschiedensten der Kriegsführung widersetzt! Versucht man es, den Thatsachen, welche diese Ansicht deS Auslandes zn begründen scheinen, eine günstigere Deu­ tung zu geben, so hat Herr v. Stockhausen selbst im Voraus für deren Widerlegung gesorgt, indem er in der ersten Kam­ mer erklärte, daß er „seit dem Februar 1850 immer für den Frieden gewesen sei", daß er „aus militärischer Vernunft" für den Frieden sei. Nicht vortheilhafter als für den Staat ist die bisherige Amtsführung des Herrn v. Stockhausen für die Armee selbst gewesen. Er hat der Armee kein rechtes Vertrauen und we­ nig Empfindlichkeit für ihre Ehre gezeigt. Er hat nicht auf Genugthuung gedrungen für die Insulten und Quälereien, welche die Dänen an der preußischen Besatzung der Eckernförde ausgeübt haben, er hat nicht auf Genugthuung gedrungen für die Ercesse, welche sich die baierischen Soldaten ge­ gen die preußischen in Frankfurt am Main erlaubt haben, er hat den preußischen Soldaten den Rückzug, Angesichts des Feindens in Hessen, dreimal besohlen: von Fulda, von Hersfeld, endlich von den berühmten Etappenstraßen hinweg und ganz aus dem Lande hinaus. Herr v. Stockhausen hat den Pioniren der preußischen Garde befohlen, den Oesterrei­ chern eine Brücke über die Elbe zu bauen, um die Gebiete, für welche und auf welchen preußische Truppen siegreich ge­ fochten, den Oesterreichem zu überlassen. Er hat ein Batail­ lon nach Kassel geschickt, um den siegreichen Einzug der 2*

20

Salem mit anzusehen, und zwei andere nach Rendsburg, um der Ueb ergäbe deö KronwerkeS zu assistiren. Außer dieser passiven Assistenz bei den Triumphen der Gegner hat die Armee unter Herrn v. Stockhausen nur den Rückzug kennen gelernt: aus Schleswig und Baden, aus Hessen und Hamburg, überall hat Herr v. Stockhausen die Truppen nur zurückzu­ ziehen verstanden^ Herr v. Stockhausen scheint zu glauben, daß man an einer Armee, an der preußischen Armee Erperimente anstellen könne, tanquam in corpore vili. Die Vertheidigungen der Anhänger des Herrn v. Stock­ hausen sind eben so viele Anklagen gegen ihn. Man sagt, Herr v. Stockhausen habe sich der Majorität deö Ministeriums fügen müssen. Ein Ministerium ist keine Kammer und diese widersinnige Ausdehnung des Constitutionalismus ist am we­ nigsten Ernst im Munde der Partei deö Herrn v. Stockhau­ sen. Und Herr v. Stockhausen hat diese Majorität durch seine Stimme selbst mit hervorgebracht. Herr v. Stockhausen war verantwortlich für die Kriegsbereitschaft Preußen- und versetzte ihn wirklich das Ministerium in die Unmöglichkeit, diese rechtzeitig herzustellen, so war es seine Pflicht, sein Amt niederzulegen. — Wäre das Verfahren, welches Herr v. Stockhausen beob­ achtet hat, durch die Verhältnisse und Zustände Preußens ge­ boten, wir würden niemals ein Wort darüber gesagt, ja wir würden es für eine Pflicht des Patriotismus gehalten haben, die Maßregeln deö Herrn v. Stockhausen so viel an uns war zu verdecken und im günstigsten Lichte erscheinen zu lassen. Wir haben geschwiegen, so lange die Nachwirkung jener Ereignisse währte, und erst, als das Organ de- Herrn von Stockhausen mit der schonungslosesten Ausdeckung der Novem­ berzustände vorangegangen war, haben wir eö für Pflicht ge­ halten, auch die Ursachen derselben aufzudecken. Denn es ist Pflicht, dem Anlande wie dem Auslande gegenüber durch offene Darlegung der Thatsachen den schla­ genden Beweis zu führen, daß nicht in den Institutionen

21

und in den Mitteln Preußens, nicht in der Armee und kn den Offizieren, nicht in dem Geist und in dem Willen deS Landes die Ursachen liegen, daß Preußen sich schwach gezeigt hat, sondem allein in den Personen deS gegenwärti­ gen Ministeriums.

DaS auswärtige Amt. Die militairische Bereitschaft, welche den Unterhandlungen deS Herm v. Manteuffel einen sichern Erfolg verschaffen konnte, war in dem Augenblick, als er sein Amt antrat, nicht vorhanden. ES zeigte sich hier wie an allen anderen Punkten, daß die eigenen Antecedentien des Herrn v. Manteuffel ihm hem­ mend in den Weg traten, daß die Mittel, welche er ange­ wendet hatte, um an die Spitze des Ministeriums zu kom­ men, ihm die Führung desselben wesentlich erschwerten. Er selbst war es gewesen, der im Verein mit Herrn v. Stockhausen die Bewaffnung verhindert hatte, um Herm v. Radowitz die Durchführung der Union unmöglich zu machen und endlich dessen Sturz herbeizuführen. Da man unbewaffnet unterhandeln mußte, war eS dop­ pelt nöthig, die Unterhandlungen mit Umsicht und mit Ge­ schick zu führen. Herr v. Manteuffel konnte in solchem Augen­ blick nur mit einem festen, wohldurchdachten System an die Spitze der Angelegenheiten treten. Die Mittel des diplomati­ schen Widerstandes mußten für alle Fälle im Voraus calculirt sein; er mußte wohl erwogen haben, was zugestanden werden konnte, waS unter allen Umständen verweigert werden mußte. Die Lage der Dinge, als Herr v. Manteuffel das aus­ wärtige Amt übemahm, war folgende. Seit dem Juli versuchte Herr v. Radowitz, Oesterreich zur Unterhandlung über die Verfassung deö weiteren Bunde-

22 zu bewegen.

Oesterreich hielt an der Vorbedingung

daß die Union wenigstens suspendirt werden müsse.

fest, Der

Abfall der beiden Hessen, der Wunsch, Oesterreich einen Schritt entgegenzuthun,

um die Unterhandlung

möglich zu machen,

bewogen Herrn v. Radowitz, die Position vom 8. Oktober einzunehmen d. h. der Union die Stellung zu geben,, daß sie zwar ein geschlossener Körper blieb, andererseits aber die Ausführung der Unionsverfassung bis zum Abschluß der Verfassung des

weiteren

Bundes

suspendirt

weitere Bund sollte so construirt werden, verfassung darin Platz fand.

wurde.

Der

daß die Unions­

Zur Herstellung derselben for­

derte Herr v. Radowitz „freie Conserenzen", auf welchen einer­ seits Oesterreich und dessen Verbündete, auf der anderen Seite die Univnsstaaten vertreten sein sollten. Hieraus waren die Instructionen basirt, mit welchen Graf Brandenburg nach Warschau ging. Die dortigen Unterhandlungen scheiterten gleich an den Fragen der Form und an den Vorbedingungen. Oesterreich war geneigt, Conserenzen zuzugeben, aber in Wien.

Preußen verlangte dieselben in Dresden.

Oesterreich wollte nur „Ministerial-Conserenzen" nach Analogie der zu Wien

1820 gehaltenen —

langte „freie Conserenzen".

verständlich das Präsidium der Preußen behielt eine

Preußen ver­

Oesterreich verlangte alö selbst­ Ministerial - Conserenzen —

Einigung darüber

beim Beginn der

Conserenzen vor. Oesterreich bestand darauf, daß nach Analogie des bei der Wiener Schlußakte beobachteten Verfahrens die Resultate der neu zu eröffnenden Ministerial-Conserenzen

über die

Revision der Bundesakte durch einen feierlichen Bundes­ beschluß zu einem der Bundesakte an Kraft und Gültigkeit gleichen Grundgesetze erhoben würden. klärte sich damit einverstanden,

Graf Brandenburg er­

»unter der selbstverständlichen

Voraussetzung, daß dieser Bundeöbeschluß erst von dem aus den

freien

Berathungen

hervorgehenden

Centralorgan ausgehen könne."

neuen

23 Oesterreich verlangte endlich,

daß der Bund in seiner

gegenwärtigen Stellung nicht berührt und die bestehende Bun­ desversammlung unangefochten bleiben solle.

Graf Bran­

denburg erwiderte, „daß die Anerkennung der gegenwärtig in Frankfurt tagenden Versammlung nicht ausgesprochen werden könne, noch gemeint sei, daß Preußen dieselbe in ihrem Be­ stehen unangefochten lassen wolle." Oesterreich verlangte schließlich als erste und letzte Be­ dingung

„das

28. Mai".

vollständige Aufgeben

der

Graf Brandenburg erwiderte,

Verfassung „daß

vom

Preußen

nicht im Stande sei, einseitig den Wortlaut deS Protokolls der 35. Sitzung des Fürstencollegiums abzuändern." Man kam über keine Frage der Form und über keine der Vorbedingungen zur Verständigung.

Ebensowenig wurde

eine solche erreicht über die Basen, welche den Berathungen der Conferenz über die neue Verfassung des weiteren Bundes zu Grunde gelegt und als gemeinschaftliche Anträge von Preu­ ßen und Oesterreich sämmtlichen deutschen Regierungen vor­ gelegt werden sollten. Die Basis des Herrn v. Radowitz war folgende.

In­

dem er die Union und Oesterreich als gleichberechtigte Ganze gegenüberstellte, stellte er auf: 1) die Aufnahme der österrei­ chische Gesammtmonarchie in den deutschen Bund, 2) zunächst keine Volksvertretung am Bundesrathe, d. h. bei der centralen Behörde des weiteren Bundes, 3) Herstellung der 17 Stim­ men in der Form des Bundesrathes mit analogen Befugnis­ sen, wie sie die Bundesakte der Bundesversammlung beilegt. Das erste Zugeständniß folgte schon aus dem Gagernschen Programm und dem von Kremsier, das zweite auS dem System der parlamentarischen Union, Oesterreich und dessen Verbündeten gegenüber.

Beide waren nicht sowohl Zugeständ­

nisse Preußens an Oesterreich als Oesterreichs an Preußen, um diesem den Platz in Deutschland zu räumen und die parla­ mentarische Union möglich zu machen. Punkt weniger

ein Zugeständniß

Ebenso war der dritte

für Oesterreich,

als eine

Sicherung für Preußen: ausdrücklich hatte Graf Brandenburg

24 erläutert, „daß damit keine Anerkennung der in Frankfurt ta­ genden Bundesversammlung ausgesprochen sein solle." Die Stimmenvertheilung in der obersten Bundesbehörde sollte nicht ungewissen Chancen anheimgestellt werden. Preußen und die Unionsstaaten (mit Einschluß der beiden Hessen) wären durch 10 Stimmen in dieser neuen Bundesbehörde vertreten ge­ wesen. Dagegen verlangte Herr v. Radowitz von Oesterreich: 1) Anerkennung des Princips der freien Unimng für die­ jenigen Staaten, welche stch freiwillig hiezu verbinden wollen, unter der Bedingung, daß deren bundesstaatliche Union mit der Berfassung des Bundes nirgend in Widerspruch stehe; 2) Uebertragung der eigentlichen Erecutive an Oesterreich und Preußen; 3) Gleichstellung Oesterreichs und Preußens in der Präsidialfrage. Oesterreich verweigerte die drei Forderungen. Das Unirungsrecht wollte Fürst Schwarzenberg nur nach Ar­ tikel XI. der Bundesakte zugestehen, die Erecutive sollte nicht an Preußen und Oesterreich ausschließlich übergehen, vielmehr wollte Oesterreich nur „die Begründung einer kräf­ tigen Erecutive" den deutschen Negierungen vorschlagen, die Gleichstellung int Präsidium wurde verweigert, „es sollten dar­ über sämmtliche Bundeöglieder entscheiden." Damit war auch die Verhandlung über die Basen der Verfassungsrevision gescheitert. Noch weniger kam es zu einer Einigung über die augenblicklich drängenden Fragen in Hessen und Holstein. Oesterreich verlangte in Warschau in dieser Beziehung: 1) Preußen gestattet in Hessen die Intervention des Bun­ destages; 2) Wenn die Statthalterschaft in Holstein sich dem vom Bundestage erlassenen Inhibitorium zur Einstellung der Feindseligkeiten nicht fügt, so erfolgt die Bundeöerecution und Preußen verhält sich dabei passiv. Graf Brandenburg hatte diese, so wie alle übrigen For­ derungen Oesterreichs ad referendum entgegengenommen, keine zugegeben.

25 Indem Herr v. Manteuffel in dieser Lage der Dinge daS Programm der' Verständigung mit Oesterreich aufstellte, folgte daraus, daß die Positionen, welche Graf Brandenburg in Warschau trotz der ungünstigen Lage behauptet hatte, nicht mehr sämmtlich gehalten werden könnten. Der Streit zerfiel in zwei Theile: der eine drehte sich um die Union und die Verfassungsfrage Deutschlands, der andere um die unmittelbar praktische Intervention in Hessen und Holstein. In beiden Punkten zugleich, in den praktischen Fragen und den Verfassungsfragen konnte man die Negation nicht festhalten. Man mußte die eine Seite zugeben und die andere verweigern, wenn man sich versöhnen wollte, oder viel­ mehr, Dank dem Verfahren der Herren v. Manteuffel und Stockhausen, versöhnen mußte mit Oesterreich. Man hatte zu wählen, ob die Union aufgegeben oder die Intervention in Hessen und Holstein geduldet werden sollte? Keinem Staatsmanne von einiger Einsicht konnte die Wahl schwer fallen. Es handelte sich in Hessen und Holstein um die Aus­ führung von Bundeöbeschlüssen, welche mit voller Absicht ge­ gen Preußen gefaßt und zu dessen Demüthigung bestimmt waren. Die Truppen standen einander gegenüber. Wich man hier, so strich Preußen selbst die preußische Geschichte bis zu den Zeiten des großen Kurfürsten auS. Eine österreichische Intervention zwischen und hinter den preußischen Provinzen war gegen den politischen Anstand, eine in die Augen fallende Demüthigung Preußens vor ganz Europa, welche Preußen als Staat von selbstständigem Range und eigenem Willen vernichten mußte. Wich man hier, so gestattete man, daß Oesterreich seine Herrschaft auch im Norden Deutschlands thatsächlich geltend machte. Dazu kam, daß man im Norden zugleich erprobte Bun­ desgenossen preisgeben und der Rache Oesterreichs aussetzen mußte und dadurch Preußens Stellung auch für die Zukunft

26 schwächte.

Man war außerdem für Hessen durch feierliche

Erklärungen gebunden, für Schleswig-Holstein durch die bün­ digsten Verheißungen und außerdem durch einen Traktat mit dem Auslande, den die Ehre des-Staats ausrecht zu halten gebot.

Und sollte man in Hessen die Truppen vor dem Feinde,

und zwar vor den Baiern zurückziehen müssen? Viel eher konnte sich Herr v. Manteuffel, ja er mußte sich entschließen, die andere Seite des Streites aufzugeben. Die

Verfassungssrage

war

eine

im Augenblick

nicht

drängende, es war gewiß schmerzhaft einen Versuch aufzu­ geben, den man gemacht hatte, sich eine bessere Machtstellung in Deutschland zu verschaffen, aber Opfer mußten eben ge­ bracht werden. Außerdem konnte sich kaum jemand darüber verblenden, daß es höchst gefährlich blicke,

für Preußen sei, in einem Augen­

in welchem Oesterreich durch seine Waffenbereitschaft

in unzweifelhaftem Vortheil war,

über

eine

neue Anord­

nung der deutschen Verfassung unterhandeln zu müssen, oder ein solches Arrangement wirklich eintreten zu lassen. lieber der Verfassungsfrage war der «Streit entbrannt, mit einem Nachgeben in diesem Punkt konnte man am besten hoffen, ibn zu lösen. Was bedeutete überhaupt der Rücktritt des Herrn v. Radowitz, der Eintritt deS Herrn v. Manteuffel und feine frühere Opposition gegen die Union,

wenn man nicht gerade

hier nachgeben wollte? Man mußte einfach, indem man die Bestrebungen, mit dem Jahr 1848 zusammenhingen, aufgab wie

die

indem man,

Herr v. Manteuffel sich auszudrücken pflegt

„mit der

Revolution brach", zur alten Stellung Preußens zurückkehren — darin lag. denn selbstverstanden, daß Oesterreich in Nord­ deutschland nicht intervenirte. Es folgte mit Nothwendigkeit aus dem Personenwechsel, daß Herr v. Manteuffel auch mit dem System seines Vor­ gängers brach, daß die Union fallen, daß der ganze Apparat dkS Herrn v. Radowitz

„freie Conferenzen,

gleiches Prä«

27 sidialrecht, Eintritt GesammtösterreichS" u. f. w. sofort über Bord

geworfen

werden mußte,

daß

aber ebenso bestimmt

die alte Machtstellung Preußens behauptet werden mußte. Die Hoffnung von Oesterreich etwaS zu erlangen, war dann am größten, wenn man die neue Stellung mit einem festen staatsmännischen Griff so scharf wie möglich markirte. Man mußte sich das Aufgeben der Union nicht abdrin­ gen

lassen,

Vortheil Man

mußte

nem

Fall,

man dieses noch

mußte

eS

sofort

anbieten

Zugeständnisses weiter gehen,

während

man im

nicht

und

sich den

entgehen

lassen.

man durste sich in kei­

vollen

Rückzüge

war,

den

Chancen einer Umgestaltung der deutschen Verfassung aus­ setzen.

Indem man die Nachtheile der Restauration — daS

Aufgeben der Union über sch nahm,

mußte man

auch die

Vortheile der Restauration für sich geltend machen. Herr v. Manteussel mußte sofort den Bundes­ tag beschicken. Hiermit war der Systemwechsel in Preußen über allen Zweifel hinaus garantirt, auf einen Schlag war aller Gegen­ stand deö Streites beseitigt, und der Stoß Oesterreichs ging in die Luft.

Es

war

eine durchschlagende Concession für

Oesterreich und ein ungemeiner Vortheil für Preußen. Herr v. Radowitz hatte bereirs hiesür einen guten Fin­ gerzeig hinterlassen, indem er in Warschau in weiser Vor­ aussicht »die Herstellung der 17 Stimmen des engeren Raths" verlangte.

Das war

für Herrn v. Manteuffel das

einzig

brauchbare Stück der Hinterlassenschaft seines Vorgängers. Man entriß damit Oesterreich und seinen Verbündeten die Waffe des Rechtsbodens, die sie bisher so glücklich gegen Preußen gebraucht hatten, und zwang die auswärtigen Mächte nunmehr für Preußen Partei zu nehmen. Man setzte sich mit der Beschickung deö engeren Rathes in den Besitz einer Verfassung, welche durch ihre Stimmenvertheilung Preußen vor dem Uebergewicht Oesterreichs und der Königreiche sicherte. Anstandshalber konnte eine Revision vorbehalten werden.

28 Wollte Oesterreich über den alten Bund hinaus Preußen benachtheiligen, so stritten diese Forderungen gegen daö Prin­ cip der Restauration, welches Fürst Schwarzenberg so eben geltend gemacht hatte,

gegen die Stellung, welche er selbst

einnahm, und hatte die auswärtigen Mächte gegen sich. Durch die Beschickung des Bundestages erhielt die Jnterventionsfrage eine völlig neue Wendung.

Eine Concession

von diesem Umfange war einer Gegenconcession werth; man war berechtigt,

mit allem Nachdruck zu verlangen, daß das

Machtgebiet Preußens von einer Invasion verschont bliebe. Jedenfalls

erwarb damit Preußen den Anspruch,

daß

die Bundesversammlung, nunmehr vollständig besetzt, die früherhin ohne Preußen gefaßten Beschlüsse revidire. Oesterreich war nicht mehr in der Lage, die Erecution aus eigene Hand mit Baiern zu vollziehen.

Im schlimmsten

Fall erlangte man durch die Beschickung des Bundestages Auf­ schub, der für die Rüstungen Preußens von Werth war. Freilich

war auch die Rückkehr zum Bundestage nicht

ohne eine große Demüthigung.

Aber eine solche war nicht

zu vermeiden, wenn man einmal mit dem bewaffneten und drohenden Oesterreich Frieden schließen wollte. Nach dem Programm des Herrn

v. Manteuffel war

nur fraglich, auf welcher Seite die größere Demüthigung liege. Unzweifelhaft war dies die geringere, die Zulassung der In­ tervention in Hessen und Holstein die größere. Auf dem ersten Wege trat man nach einem gescheiterten Versuch in die frühere Stellung zurück mit gesicherten Rech­ ten für die Zukunft,

auf dem zweiten gestand man die fak­

tische Suprematie Oesterreichs in Deutschland zu und übergab Preußens Stellung in der deutschen Verfassung einer höchst unsicheren Zukunft. Bei namhaften preußischen Staatsmännern bestand die Ansicht, daß der Bundestag sofort beschickt werden müsse. Was that Herr v. Manteuffel?

Er bewies gleich mit

seinem ersten Schritt, daß er ohne jeden andern Gedanken und jeden andern Plan als den des Nachgebens

das auö-

29 wärtige Amt übernommen. Er dachte an keine Altemative und ging gegen die erste diplomatische Regel gerade auf den -Punkt zurück, wo er gedrängt wurde. Er versetzte dem Ansehen Preußens einen tödtlichen Stoß, indem er am 3. November dem Fürsten Schwarzenberg notificirte, daß „die Ausführung der Bundesbeschlüsse in Hessen und Holstein keinem Widerstand begegnen werde." General Groben erhielt Befehl, jeden Zusammenstoß in Hessen zu ver­ meiden. Am 5. November trafen die baierschen und preußi­ schen Truppen bei Fliedern zuerst aufeinander; die Preußen gingen zurück. Herr v. Manteuffel hatte dabei nur seine eigene Kurz­ sichtigkeit zu Rathe gezogen. Er bildete sich ein, mit diesem Zugeständnisse daS Gehässige der Intervention in Hessen und Holstein auf Oesterreich allein werfen zu können, ja er hat diese Ansicht auch später festgehalten, und noch in der Denk­ schrift vom 11. Februar ausgesprochen, „daß daS, was Oesterreich durch die Intervention in dem einen Augenblick an Ansehen gewin­ nen möchte, es dies doch im anderen Augenblick durch den Argwohn, den eö auf sich lade, und durch die Antipathie, die es erwerbe, reichlich wieder verlieren müßte", — obwohl er seitdem Zeit genug gehabt hätte, zu erfahren, daß die ganze Gehässigkeit in der That auf ihn gefallen ist, der nach seinem früheren Verfahren die heilige Pflicht hatte, das Einschreiten zu verhindern und dasselbe nun doch geschehen ließ. Die Note des Herrn v. Manteuffel vom 3. November forderte nichts als „freie Conferenzen" und Einstellung der Rüstungen Oesterreichs. Graf Brandenburg sorgte noch da­ für, waS Herr v. Manteuffel im Eifer der Versöhnung ver­ gessen hatte — daß die beiden preußischen Anerbietungen „Eintritt Gesamrntösterreichs" und „Wegfall der Volksvertre­ tung am Bunde", welche Preußen in Warschau gemacht hatte, zurückgenommen wurden. Fürst Schwarzenberg war in großer Verwunderung. Fast zu gleicher Zeit erhielt er diese Note und die Nachricht von dem Einrücken der Preußen in Hessen. Ein klarer Kopf ur-

30 theilte er richtig, daß die Vollziehung der Bundesbeschlüsse in Hessen und Holstein seinerseits, so lange man Preußennicht ganz sicher sei, „nicht ohne große Jnconvenienzen wäre." Er war mit seinen Rüstungen noch nicht ganz fertig — am 4. November standen erst 76,500 Mann in Böhmen; er war außerdem der Meinung, daß ein Warten auf Antwort eine weiter herabstimmende Wirkung auf Herm v. Manteuffel üben würde. Den Erfolg hatte indeß die Note des Herrn v. Man­ teuffel erreicht, daß dem Fürsten Thurn und Taris Befehl ertheilt wurde, ganz dreist weiter vorzurücken. Herr v. Manteuffel hatte erwartet, nach der Note vom 3. November von dem Fürsten mit offnen Armen empfangen zu werden. Am 6. November war man noch ohne alle Ant­ wort. Herr v. Manteuffel wurde an dem Fürsten irre; Herm v. Stockhausen begann das Gewissen zu schlagen. Hatte man sich wirklich des Aeußersten vom Fürsten Schwarzenberg zu versehen? Die öffentliche Stimmung war in großer Aufregung und die Worte des sterbenden Grafen Brandenburg waren nicht ohne Eindruck geblieben: „Mein Helm, mein Schwert! hattte er wiederholt gerufen. Führt mein Pferd vor! Es ist zu spät, sie sind schon in Breslau; o mein schönes Armee­ korps!" — Endlich fiel der Wille deö Prinzen von Preu­ ßen in die Wagschale. Die Mobilmachung wurde beschlossm. Herr v. Manteuffel, so lange eS galt Herrn v. Radowitz entgegenzutreten, so eifriger Gegner der Demonstra­ tionen, machte jetzt die Rüstung nur als Blendwerk. Sie konnte auf diese Weise in zwiefacher Richtung benutzt wer­ den: auf der einen Seite zur Beruhigung der öffentlichen Meinung, welche Krieg gegen Oesterreich verlangte; auf der andern Seite um die Truppen aus Baden und Ham­ burg zurückzuziehen, was eine neue Concession für Oester­ reich war. Vielleicht ließ der Fürst Schwarzenberg sich durch die Mobilmachung doch auch so weit imponiren, um die Unterwerfung vom 3. November anzunehmen; vielleicht ge-

31 wann man durch die Rüstung sogar eine Position, welche von diesen Anerbietungen etwas wieder zurückzukommen gestattete. Herr v. Stockhausen hat nachmals in der zweiten Kam­ mer erklärt, er habe am 6. November für die Mobilmachung gestimmt, weil die Antwort auf die Vorschläge, welche Preu­ ßen vor dem 2. November gemacht, an diesem Tag noch nicht eingegangen gewesen sei. Diese Angabe ist offenbar un­ richtig. Herr v. Radowitz hatte vor dem 2. November keine Vor­ schläge gemacht als die von Warschau. Auf diese hatte Graf Brandenburg die Antwort bereits zurückgebracht. Wollte Herr v. Stockhausen damit etwa, wie die Agenten des Herrn v. Manteuffel, die Zulassung der Intervention in Hessen und Holstein auf Rechnung des Herrn v. Radowitz setzen? Die Vortheile, welche die verspätete Demonstration der Rüstung etwa noch haben konnte, wußte Herr v. Manteuffel indeß sofort wieder aus der Hand zu geben. Noch am Abend des 6. November erklärte er persönlich dem Herrn v. Prokesch: „die Mobilmachung sei nur zur Beruhigung der öffentlichen Meinung beschlossen. Preußen bleibe bei den Anerbietungen vom 3. November." Herr v. Prokesch berichtete dies sofort nach Wien. An den verbündeten königlichen Höfen hatte die erste Kunde der preußischen Rüstung panischen Schrecken verbreitet; nach der Mittheilung des Herrn v. Prokesch beruhigte man sich wieder. Eine ähnliche Aufklärung über die Mobilmachung erging in einem Schreiben an den sächsischen Hof, welcher über den Zweck der Rüstungen Preußens angefragt hatte. In Sachsen wurden darauf die begonnenen Rüstungen theilweise wieder eingestellt. Graf v. d. Groben, der mit der Anzeige des Mobil­ machungsbeschlusses zugleich die Anweisung erhalten hatte, nicht weiter zurückzugehen und nur „nach militairischen Rück­ sichten zu verfahren", berichtete am folgenden Tage (7. No­ vember), daß Fürst Thurn und Taris den Kriegszustand acceptirt habe und am nächsten Morgen weiter vorrücken werde.

32 Aber Herr v. Manteuffel wollte keine Conflicte.

Hatte

man am Tage vorher den General angewiesen nur nach militairischen Rücksichten zu verfahren, so wurde ihm nunmehr befohlen, nach Hersfeld zurückzugehen und die Etappen­ straße besetzt zu halten. Diesen großen Gedanken hatte Herr v. Manteuffel ge­ funden. hatte,

Während er bisher keine anderen Waffen angewendet als das ihm völlig verderbliche Rüstzeug des Herrn

v. Radowitz und seine eigne Nachgiebigkeit, warf er nun eine neue Idee in den Gang der Dinge.

Da man sich einmal

die großen Kosten der Mobilmachung auferlegt hatte, so war es natürlich und richtig, daß Herr v. Manteuffel auch etwas dafür erlangen wollte. Die öffentliche Meinung wüthete gegen die Räumung Hessens, der Prinz v. Preußen war entschieden dagegen, die Kriegspartei drängte: in der Besetzung der Etap­ penstraße glaubte Herr v. Manteuffel nun eine mittlere Linie zu finden.

Man räumte Hessen nicht ganz und man hinderte

doch auch Oesterreich nicht ganz an der Besetzung des Landes. Man setzte sich nicht in direkten Widerspruch mit dem Aner­ bieten vom 3. November und man erhielt doch vielleicht hie­ durch Gelegenheit von jenem — wie Herr v. Manteuffel jetzt selbst einsah — übereilten Zugeständniß etwas zurückzuneh­ men.

Doch auch diese Schlauheit des Herrn v. Manteuffel

sollte sich als unzureichend erweisen. Am Morgen des 8. November gelangte die Weisung, von Fulda zurückzugehen und nur die Etappenstraße besetzt zu halten, an den Grafen Gröben.

Fürst Taris war wirklich

vorgerückt — die berühmte Schlacht von Bronzell wurde ab­ gebrochen.

Die Organe des Herrn v. Manteuffel haben die

Stirn gehabt, diesen Rückzug, den Herr v. Manteuffel aus politischen Rücksichten befohlen hatte, als aus strategischen Gründen geboten darzustellen.

General Gröben war an jenem

Tage nur um 3000 Mann schwächer als der Fürst Thurn und Taris und das Corps von Legedicz war noch weit ent­ fernt.

Außerdem kamen die Baiern ganz ruhig mit ungela-

33 denen Gewehren; der Fürst Taris kannte die Note des Herm v. Manteuffel vom 3. November. Sagen Sie in Berlin, äußerte General v. Bonin, als er den Rückzugsbefehl erhielt, gegen einen Adjutanten, der nach Berlin ging, daß ich wünschte, 10,000 Mann Stiern mehr vor mir und keinen Telegraphen hinter mir zu haben. Am 9. November kam die lang ersehnte Antwort deS Fürsten Schwarzenberg an. ES verstand sich von selbst, daß die inzwischen eingetretene Mobilmachung die Wirkung der Concessionen vom 3. November erheblich geschwächt hatte. Man freue sich, sagte der Fürst, endlich den Gesinnungen der Mäßigkeit und Gerechtigkeit in Berlin zu begegnen, und dürfe sich nunmehr der Hoffnung hingeben, den Frieden er­ halten zu sehen. Indeß müsse Oesterreich stärkere Garantien für Preußens Aufrichtigkeit haben, es sei deshalb nicht in der Lage, seine Rüstungen einstellen zu können. Oesterreich müsse auf dem definitiven Aufgeben der Union, und zwar nicht blos von Seiten Preußens, sondern durch einen form# lichen Beschluß im Fürstencollegium — auf der Anerkennung deS Bundestages so wie auf der Räumung von Hessen be­ stehen. Unter diesen Voraussetzungen sei Oesterreich bereit, Ministerial-Conferenzen nach dem Vorgang der 1819 zu Wien stattgefundenen Conferenzen zuzugestehen, mit dem Vor­ behalt der Ratification ihrer Beschlüsse durch den in Frank­ furt versammelten Bundestag. Verweigere Preußen die An­ nahme dieser Bedingungen, so habe Herr v. Prokesch sofort seine Pässe zu verlangen. Hatte man einmal unkluger Weise die Interventionen Hessen zugegeben, so war nun nichts übrig, als desto festerran der andern Seite der Frage, an der Union festzuhalten. Aber Herr v. Manteuffel bedachte sich nicht, Herm v. Prokesch auch die definitive Aufgebung der Union zuzugestehen; er versprach, einen Beschluß des Fürsten-Collegiums, wie der Fürst ihn verlange, so viel an Preußen sei, herbeizuführen; er verlange dagegen, daß die Ministerial-Conferenzen sobald als möglich zusammenträten, daß dies in Dresden und nicht in Wien ge3

34 schähe, und beharrte darauf, daß die Etappenstraßen in Hessen preußischer Seits besetzt bleiben müßten. Da Herr v. Manteuffel nicht alles zugestanden hatte, waö der Fürst gefordert, so verlangte Herr v. Prokesch noch am Abend Pässe.

des 9. November in beleidigender Weise seine

Erst eine Unterredung mit dem Könige, die

am fol­

genden Tage stattfand, konnte Herrn v. Prokesch bestimmen, sein Verlangen ein paar Tage aufzuschieben. An demselben Tage ging die preußische Note mit dem ausdrücklichen Verzicht auf die Union mit der Wiederholung, daß Preußen der Pacification Kurhessens und Holsteins keinen Widerstand entgegensetzen werde, aber bei der Besetzung der Etappenstraßen und bei der baldigen Eröffnung der Conferenzen auf neutralem Boden beharre, mit der Aufforderung gegenseitig die Rüstungen aufhören zu lassen, nach Wien ab. Die Anerkennung des

Bundestages

verweigerte diese Note

im Grunde nicht mehr, indem sie statt freier Conferenzen die Ministerial- Conferenzen acceptirte. Herr v. Manteuffel hatte noch nicht begriffen, daß er auf falschem Wege sei.

Noch immer kam er nicht auf den

so naheliegenden Gedanken, die Beschickung des Bundestages anzubieten.

Nur mit dem einen Gedanken des Nachgebenö

bewaffnet, ging er weiter.

Mit der für ihn völlig unbrauch­

baren Hinterlassenschaft des Herrn v. Radowitz suchte er fort­ zuleben, während er das für ihn einzig brauchbare Erbstück seines

Vorgängers

— den Bundesrath

mit

17 Stimmen

völlig unbeachtet ließ. Er concentrirte alle seine Anstrengungen, die „Conferen­ zen in Dresden" zu erlangen.

So lange die Union bestand,

so lange zwei politische Körper in Deutschland sich gegenüber standen, hatte es seine sehr wohl erwogene Bedeutung im System des Herrn v. Radowitz, das Verhältniß dieser beiden Körper zu einander durch eine freie Conserenz regeln zu lassen. Gab man die Union definitiv auf, so waren Conferenzen nicht bloö widersinnig, sondern sogar höchst gefährlich.

Im günstig-

35 sten Falle — das wußte Jedermann, der die deutschen Dinge auch nur oberflächlich kennt — kam nichts zu Stande.

Wenn

etwas zu Stande kam, so konnte das Resultat nur durch Oester­ reichs augenblickliches Uebergewicht dictirt werden, und wahr­ haftig nicht zu Gunsten Preußens ausfallen.

Um dies ver­

derbliche Zugeständniß vom Fürsten Schwarzenberg zu erlangen, gab Herr v. Manteuffel die preußische Machtstellung, gab er Hessen und Holstein ohne Widerstreben hin.

Er, der practische

Mann, der Gegner der Ideologie, blieb dabei, die nach seiner eigenen

Auffassung

zunächst

theoretische

Frage

von

der

neuen Gestaltung des Bundes für die Hauptsache, die prak­ tischen Fragen über Hessen und Holstein für die Nebensache zu halten.

Und dieser Mann rühmt

sich vor Allem kein

Doktrinär zu sein, er, der seiner Idee des „Brechens mit der Revolution", der dem Dogma von der „Solidarität des Kon­ servatismus", der abstrakten Forderung eines „durch die Ein­ tracht Oesterreichs und

Preußens herzustellenden mächtigen

Deutschlands" die reale Machtstellung und politische Selbst­ ständigkeit Preußens aufgeopfert hall Noch bevor die Antwort des Fürsten Schwarzenberg ein­ getroffen war, ließ Herr p. Manteuffel durch Herrn v. Bülow (Herr v. Sydow hatte sich geweigert, diese Mission zu über­ nehmen) in der Sitzung des Fürstencollegiums vom 15. No­ vember die Union förmlich und feierlich auflösen. „Die Verhandlungen über die Nru-Gestaltung des wei­ teren Bundes sind soweit vorgeschritten, — so lautete die Er­ öffnung der preußischen Regierung

— daß

Preußen und

Oesterreich sich darüber verständigt haben, ihre sämmtlichen Mitverbündeten im weiteren Bunde zu gemeinschaftlicher Re­ vision der bisherigen Verfassung desselben auf freien Ministerialconferenzen einzuladen,

waö unter näherer

Bezeichnung des dafür bestimmten OrteS sobald als möglich stattfinden wird." „Kaiserlich österreichischer Seits ist man dabei von der Voraussetzung

ausgegangen,

daß die Unionsverfassung,

deren jetzige Unanwendbarkeit von der preußischen Regierung 3*

36 brrrits am 8. Oktober ausgesprochen worden, definitiv auf­ gegeben sei." „Um nicht dem Zustandekommen der freien Ministerialconferenzen über die Neugestaltung des weiteren Bundes ein unübersteiglicheS Hinderniß entgegenzustellen, und um ihnen Erfolg zu sichern, hat die Königliche Regierung in der Erwartung, demnächst bei den übrigen Unionsstaaten eine richtige Würdigung deS ganzen Gewichts ihrer Motive zu finden, nicht Anstand genommen, dem Kaiserlich österreischen Cabinete ge­ genüber zu erklären, Preußen werde als Unionsvor­ stand die Verfassung vom 28. Mai 1849 nicht inö Leben führen, und betrachte dieselbe seinerseits als vollständig aufgehoben, während ein definitives Aufgeben dieser Verfassung durch einen feierlichen Act einsei­ tig nicht in ihren Befugnissen liege und nur mit Zustimmung der ihr verbündeten Regierungen geschehen könne." „Indem nunmehr die Königliche Regierung diese Zustimmung hiermit in Anspruch nimmt, erklärt sie ihre volle Bereitwilligkeit, auch unter den veränderten Ver­ hältnissen in der Union mit den dazu gehörigen Regierun­ gen zu immer festerer Verbrüderung der betheiligten Staaten verbunden zu bleiben." Dieser Theil der Eröffnung wurde Herrn v. Prokesch mitgetheilt. Im zweiten Theil wurde als Hauptaufgabe „der ferneren Verbindung" übereinstimmendes Handeln in Bezug auf die Umgestaltung des weiteren Bundes, und die Gewäh­ rung gegenseitigen Schutzes gegen innere und äußere Angriffe hervorgehoben. „Zu diesem letzten kann vielleicht schon die nächste Zukunft Veranlassung bieten, sagte Herr v. Manteuffel den Unionsstaaten weiter; „ungeachtet der wegen freier Ministerialconserenzen getroffenen Verständigung" — sie war noch nicht getroffen — „habe Oesterreich und die mit ihm verbündeten Regiemngen Truppenbewegungen in sol­ chem Maße und in solcher Richtung angeordnet, daß die Königliche Regierung, nachdem deren Einstellung vergeblich gefordert worden sei, sich genöthigt gesunden habe, sich auch

37 ihrerseits in Kriegsbereitschaft zu setzen. Die Mobilmachung des preußischen Heereö erfolge wie im besonderen Interesse Preußens, so auch im allgemeinen bet Union. Den an derselben festhaltenden Staaten werde im Fall deS Krie­ ges der Schutz nach dem Bündnißstatut vom 26. Mai 1849 auf alle thunliche Weise gewährt werden. Dagegen zähle Preußen darauf, daß diese Staaten auch ihre dazu disponiblen Truppenkontingente in voller Kriegsbereitschaft auf die erste Aufforderung zu den betreffenden Abtheilungen des preußischen Heereö stoßen zu lassen bereit seien." Herr v. Manteuffel löste daö Bündniß vom 26. Mai auf, indem er sich an die Grundlage und an die Zwecke dessel­ ben nicht mehr gebunden erklärte; und verlangte in demselben Augenblick, daß die verbündeten Staaten das Bündniß zu einem anderen völlig unbestimmten Zwecke festhalten, oder rich­ tiger ein neues abschließen sollten. Er gab endlich vor, daß die Rüstungen Preußens auch im Interesse der Union getrof­ fen würden und verlangte, daß die bisherigen Unionsregie­ rungen demselben Staate, welcher sich eben von seinen feier­ lichen Berpflichtungen lossagte, ihre Truppen zur Disposition stellen sollten. Die Vertreter der Unionsstaaten sprachen ihre höchste Ueberraschung aus. Preußen habe so oft die Unzulässigkeit eine- einseitigen Rücktritts von der Union ausgesprochen, nun­ mehr sage es sich selbst von ihr loS. Sie verwahrten die Rechte, welche ihre Staaten durch das Bündniß an Preu­ ßen erworben hätten. Sie könnten weder in die Auf­ lösung des alten Bündnisses willigen, noch seien sie be­ fugt, ein neues abzuschließen, was Preußen zu proponiren scheine. Sie würden berichten, aber eS sei ihre Pflicht, ihre Regierungen genau in Kenntniß der Sachlage zu setzen: man müsse wissen, wofür man erforderlichen Falls in den gemein­ samen Kampf eintreten solle. Es möge daher der preußischen Regierung gefallen, die Unterhandlungen mit Oesterreich voll­ ständig, genau und dem Wortlaute nach, wo möglich am fol­ genden Tage, vorzulegen.

38 Herr v. Bülow erklärte am folgenden Tage, daß die Preußische Regierung den Moment noch nicht für gekommen erachte, um die Vorlage machen zu können. ES blieb dabei, so oft auch die Vertreter der verbündeten Staaten darauf drangen. Erst die Olmützer Convention wurde, von der be­ kannten Denkschrift begleitet, mitgetheilt. Inzwischen erklärte Baden bereits am 23. November im Fürstencollegium, da Preußen als Unionsvorstand die Ver­ fassung seinerseits alö aufgehoben betrachte, so sei das Bündniß vom 26. Mai 1849 erloschen. Was den proponirten ge­ meinsamen Schutz gegen innere und äußere Feinde betreffe, so habe Preußen bereits seine Truppen auS Baden zurückgezogen; da dadurch die badischen im Lande nothwendig wären, könne man diese nicht zur Disposition Preußens stellen. Die­ ser Erklärung Badens folgte die beinahe gleichlautende von Mecklenburg-Schwerin. Die übrigen Regierungen vetlangten dringend Vorlage der Unterhandlungen mit Oestreich, bevor sie ihre Willensmeinung aussprächen. An demselben Tage, an welchem Herr v. Manteuffel sich von der Verfassung vom 26. Mai losgesagt und den Bei­ tritt der verbündeten Regierungen zu dieser Erklärung ver­ langt hatte, traf die Antwort des Fürsten Schwarzenberg auf die preußische Note vom 10. November ein. Daß der Fürst Schwarzenberg nach der Mobilisirung noch weniger als zuvor geneigt war, von dem Zugeständniß, daß die Bundesbeschlüsse in Holstein und Hessen österreichi­ scher Seits ausgeführt werden könnten, Gebrauch zu machen, ist leicht zu begreifen. DaS Object der Operation der öster­ reichischen Armee lag nicht in Hessen und Holstein, sondern in Berlin. Man hatte Hessen benutzt, um den Conflikt zum AuSbruch zu bringen. Eö wäre ein militairisches Wagstück gewesen, ein Seitencorps, durch 20,000 Baiern verstärkt, — einen verhältnißmäßig schwachen Truppenkörper — durch Hessen über die Elbe bis an die Eider vorzuschieben. Die Gefahr lag auf der Hand, daß eine solche Bewegung zwi­ schen den gerüsteten preußischen Heeresmassen leicht erdrückt wer-

39 den konnte.

Außerdem war Fürst Schwarzenberg durch das

Festhalten der Etappenftraßen mißtrauisch geworden. Seine Antwort erklärte sich befriedigt über die definitive Aufgabe der Union

und Oesterreichs Bereitschaft, bald mög­

lichst auf Ministerialconferenzen einzugehen, aber nur in der Weise, daß ihre Resultate durch Zustimmung des Bundesta­ ges Gesetzeskraft empfingen. nicht

auf Wien

als

Es war angedeutet,

daß man

den Ort der Zusammenkunft bestehen

werde; die Bestimmung von Zeit und Ort möge vorbehalten bleiben, man empfehle indeß Wien als einen sehr geeigneten Ort.

Aber Fürst Schwarzenberg bestand auf der Räumung

Kurhessens.

Preußen habe kein Recht, die Etappenstraßen

militairisch besetzt zu halten; die tractatmäßige Benutzung und Offenhaltung derselben für Preußen verstände sich dagegen von selbst.

Die Einstellung der Rüstungen liege Oesterreich

ebenso sehr am Herzen als Preußen,

indessen müsse eS sich

dan'iber mit seinen Bundesgenossen benehmen. Der Starke trat wiederum einen Schritt zurück.

Herr

v. Manteuffel erklärte sich bereit, unter gewissen Bedingungen auch die Etappenstraßen zu räumen;

Preußens

und geographische Lage verlange indeß,

daß

militairische

man vor der

Räumung derselben Garantien habe von Oesterreich, daß die in Hessen einrückenden Truppen ausschließlich zur Pacification deS Landes bestimmt seien,

daß keine größere Truppenmacht

als zu dieser Pacification nöthig sei, in Hessen einrücke, daß Oesterreich wie dessen Verbündete hierüber Sicherheit gäben. Ebenso

müsse von Oesterreich

wie von seinen Verbündeten

Garantie gegeben werden für die freie und ungehemmte Be­ nutzung der Etappenstraßen von Seiten Preußens. In dieser Lage waren die Dinge noch im Wesentlichen, als die Kammern am 21. November eröffnet wurden.

Die

Thronrede sprach den Standpunkt der preußischen Regierung richtig aber nicht überall ganz klar aus. und mehr

Sie war kräftiger

im Sinn des Herrn v. Ladenberg,

deS Herrn v. Manteuffel abgefaßt. geben sei, wurde angedeutet;

Daß

als

in dem

die Union aufge­

die freien Conferenzen

wurden

40 auch hier als die Hauptsache bezeichnet: „Leider war die Absicht, den deutschen Staaten eine ihren Bedürfnissen entsprechende Verfassung zu verschaffen, bisher nicht zu errei­ chen. Ich halte an dem Gedanken, der meinen bisheri­ gen Bestrebungen zu Grunde liegt, in Hoffnung auf die Zu­ kunft fest, werde aber dessen Verwirklichung auf neuen Grundlagen erst wieder aufnehmen, wenn über die künf­ tige Gestaltung des gesammten Bundes entschieden sein wird. Wir fordern eine Einrichtung des Gesammtvaterlandes, die unserer gegenwärtigen Stellung in Deutschland und in Eu­ ropa angemessen ist und der Summe der Rechte entspricht, welche Gott in unsre Hand gelegt hat. Wir haben ein gu­ tes Recht, daS wollen wir vertheidigen und so lange in kräf­ tiger Rüstung unter den Waffen bleiben, bis wir der Geltung desselben gewiß sind." Es war die Forderung der Parität Oesterreichs und Preußens in Deutschland gemeint, die nach erorbitanten praktischen Concessionen, nach faktischer Unterwer­ fung Herr v. Manteuffel auf dem Wege der Unterhandlung zu erreichen sich einbildete. Andererseits wurde die hessische Frage charakterisirt; „Ein von einer Seite gemachter Versuch, in diese Zerwürfnisse ein­ zugreifen, drohte die Rechte Preußens zu verletzen, und hat zu Mißverständnissen geführt, inwelche wirunmittelbar verwickelt sind. Unsere auf die Bedingungen un­ serer geographischen und militairischen Lage gegründeten Ein­ wendungen haben bei dem Landeöherrn und bei seinen Ver­ bündeten bisher nicht die gehörige Beachtung gefunden." Unter diesen Worten konnte sowohl die Zurückweisung der baierischen Okkupation, alö die Besetzthaltung der Etappen­ straßen, als die zuletzt von Oesterreich geforderten Garantien verstanden werden. Der festere, zuversichtlichere Ton, welcher in dieser Rede herrschte, theile durch Herrn v. Ladenberg, theils durch die Nothwendigkeit den Kammern gegenüber eine bestimmte Farbe zu zeigen, herbeigeführt, wirkte provocirend auf Oesterreich. Die von Herrn v. Manteuffel geforderte Erklärung, daß

41 Preußen daS Durchzugsrecht durch Hessen garantirt werde, war von Wien und Frankfurt bereits eingetroffen, aber von Berlin aus noch nicht beantwortet. Herr v. Prokesch, gewohnt, daß man bei diplomatischen Unterhandlungen Zwecke mit sei­ nen Schritten — sowohl mit dem Anhalten als mit der Be­ schleunigung derselben verbindet, faßte den bestimmten Verdacht, Alles sei nur darauf berechnet, um Zeit zu den Rüstungen zu gewinnen; jedenfalls sei es möglich, daß die Kammem die Regierung vorwärts drängten. Andererseits war Fürst Schwar­ zenberg mit den Vorbereitungen in Böhmen fertig; 130,000 Mann standen zum Einmarsch in Preußen diSponirt und des Befehls gewärtig. So erhielt Herr v. Prokesch am 25. November den Auf­ trag, unter nochmaliger Anerkennung des preußischen DurchzugsrechteS die Oeffnung der Etappenstraßen und die Räu­ mung Kurhessens binnen 24 Stunden zu verlangen. Herr v. Manteuffel entschloß sich, in dieser Bedrängniß beim Fürsten Schwarzenberg selbst Hülfe zu suchen. Er er­ suchte denselben „auf das dringendste um eine Zusammenkunft und ließ ihn wenige Stunden nach Empfang dieser Aufforde­ rung wissen, daß er auf den bestimmten Befehl des Königs nach Olmütz gehen werde, ohne des Fürsten Antwort abzu­ warten." Herr v. Manteuffel begab sich auf österreichischen Boden, um „ den Frieden und die Versöhnung mit Oesterreich herzustellen," ohne zu wissen, ob der Fürst Schwar­ zenberg sich überhaupt in Olmütz einfinden werde. Herr v. Prokesch wohl wissend, daß man dem flüchtenden Feinde goldene Brücken bauen müsse, war so gütig gewesen, aus die Mittheilung, daß Herr v. Manteuffel dem Fürsten Schwarzenberg in Olmütz aufwarten werde, den Räumungötermin um 48 Stunden zu verlängern. Die Versuche, welche die Agenten des Herrn v. Manteuffel gemacht haben, diese Thatsachen zu widerlegen, sind kläglich ausgefallen. Sie wa­ ren ohne faktische Unterlagen. Inzwischen versuchte Herr v. Ladenberg, in der Annahme, daß man in Olmütz nicht zum Abschluß kommen könne, wenn

42 Herr v. Manteuffrl seiner Instruction gemäß verführe, die Abwesenheit deS Herrn v. Manteuffrl zu benutzen, um den Schritt, welchen dieser am 15. November gethan, wieder rück­ gängig zu machen. Er wollte die Union wo möglich reconstruiren und Preußen durch die Streitkräfte der kleineren Staaten stärken. Er erklärte in einer Eröffnung an das vor­ malige Fürstencollegium*), daß Preußen sich von der Ver­ fassung vom 26. Mai losgesagt habe, sei eben nur Preußens Ansicht. Man möge zwischen der Unausführbarkeit und dem Aufgeben der Verfassung unterscheiden. DaS Bündniß vom 26. Mai bestehe unabhängig von der Verfassung, Preu­ ßen werde für das ungekränkte Fortbestehen der Unionsstaaten entschieden eintreten. Zugleich forderte er im Namen Preu­ ßens »als Vorstand der Union" die schleunige Mobil­ machung der Truppen aller Verbündeten. In der That gelang eS Herrn v. Ladenberg durch die­ sen Schritt, wenigstens einige Staaten bei Preußen festzuhal­ ten. Alle thüringischen und die anhaltischen Herzogthümer, die beiden Reuß, die beiden Schwarzburg erklärten sich unter diesen Umständen bereit, beim Bündniß vom 26. Mai aus­ zuharren, und begannen in bewundernswürdiger Treue und Anhänglichkeit die Ausrüstung ihrer Truppenkörper auf daS Schleunigste.

Die Convention von Dlmütz. Herr v. Manteuffrl hatte die Erlaubniß nach Olmütz zu gehen nur dadurch erhalten, daß er vorstellte, wie man jedenfalls weiter unterhandeln müsse, um Zeit zu gewinnen, da die preußischen Rüstungen noch nicht vollendet seien. Dies war allerdings richtig — aber wer trug die Schuld daran, daß die Rüstungen nicht vollendet waren? *) Anlage I.

43 Das Staatsministerium war bereit weiter nachzugeben; um jeden Preis.

aber es wollte doch Folgende

v. Manteuffel festgestellt:

Instruction

noch einen Schritt den Frieden nicht wurde

für Herrn

1) sofortige Eröffnung der freien

Conferenzen an einem neutralen Ort;

2) die Suspendirung

der Thätigkeit deS Bundestages während der Conferenzen; 3) das freie UnirungSrecht der Einzelstaaten, sobald die Re­ construction deS weiteren Bundes

erfolgt fei;

4) die ge­

meinsame Occupation Hessens durch Preußen und Oesterreich; 5) die

Erledigung

der

schleswig-holsteinischen Frage

auf

den freien Conferenzen. Man wollte die Frage nach der Anerkennung deS Bun­ destages umgehen, indem man eine zeitweilige SuSpendirung desselben verlangte,

man wollte Hessen nicht räumen, man

wollte aber auch die Gegner nicht länger hindern, sondern proponirte die Auskunft der gemeinsamen Besetzung, welche wenigstens den Schimpf ausschloß, daß Preußen das Land vor den Baiem habe verlassen müssen; man behielt die fchleSwig-holsteinifche Frage vor,

man beharrte dabei,

daß die

freien Conferenzen auf neutralem Boden abgehalten würden. Unbegreiflich genug war man noch immer nicht auf den so nahe liegenden Gedanken gekommen, den Stoß des Geg­ ners durch eine Seitenwendung zu pariren und den Bundes­ tag

zu beschicken.

Man

blieb

auf der geraden Linie deS

Rückzugs, auf welcher kein Halt zu finden war, außer indem man umwendete und Front machte, d. h. Krieg führte; — ohne zu bedenken,

welche Vortheile

eine Flankenstellung darbot.

Indeß — wurde eine Uebereinkunft auf den Basen der Instruction abgeschlossen, Preußen hätte wenigstens mit dersel­ ben bestehen können. Herr v. Manteuffel ließ sich wider zu einer ganz andern Convention herbei.

diese Instruction

Er wiederholte die

Unterwerfungsacte vom 3. Novbr., er gestand die Ausführung der Bundesbeschlüsse glaubte

in Hessen und Holstein

eine Concession darin zu

finden,

zu;

und

er

daß Preußen sich

an der Ausführung dieser Beschlüsse, also an der Ausführung

44 eines ihm fremden und durch bewaffnete Drohungen aufge­ zwungenen Willens betheiligen durfte. „Man kam in Olmütz überein, sagt Fürst Schwarzenberg in der Note vom 7. December, in der kurhesstschen und hol­ steinischen Angelegenheit gemeinschaftlich und in Gemäßheit der Bundesbeschlüsse zu verfahren." Herr v. Manteuffel gab zu, daß der „Action der vom Kurfürsten herbeigerufenen Truppen in Hessen kein Hinderniß mehr in den Weg gelegt werde", d. h. er gab nicht blos die Erecution des Bundes, sondern auch die Räumung Kur­ hessens zu, die denn auch seitens der preußischen Truppen alsbald ausgeführt wurde. Dagegen hatte Fürst Schwarzenberg weiter nichts zuge­ standen, als daß „Preußen und Oesterreich den Kurfürsten auffordern würden, seine Zustimmung dazu zu geben, daß ein Königlich preußisches Bataillon in Kassel ver­ bliebe." Die Verwendung Oesterreichs beim Kurfürsten für daS Verbleiben eines einzigen preußischen Bataillons in Kassel war die Gegenconcession Schwarzenbergs für die Einräumung des ganzen Landes an die Baiern! Wie Herr v. Manteuffel in der Denkschrift zur Olmützer Convention seine Zugeständnisse vom 3. November, „daß dir Dundesbeschlüsse in Hessen und Holstein keinem Widerstand begegnen würden", selbst verurtheilt, so verurtheilt er sich in derselben auch in Betreff des Zugeständnisses, welches er eben gemacht hatte. Die Denkschrift sagt: „Preußen- militairische Stellung fordert, daß weder zwischen den Theilen der Monarchie, noch im Rücken derselben eine fremde Truppen­ macht aufgestellt werde, ohne eine entsprechende Entfaltung seiner eigenen Truppenmacht an diesen Orten selbst. Wird ihm dies verweigert, so must eö Krieg machen." Der Fürst Schwarzenberg hatte es verweigert und Herr v. Manteuffel machte keinen Krieg. Herr v. Manteuffel konnte doch unmöglich die Aufstel­ lung eines Bataillons in Kassel, dessen Verbleiben außerdem von dem guten Willen des Kurfürsten abhängig war, für

45 eine entsprechende Entfaltung der preußischen Tmppenmacht 20,000 Söietn gegenüber halten? Ebenso hat sich Herr v. Manteuffel späterhin begnügt, den 20,000 Oesterreichern in Holstein gegenüber zwei Ba­ taillone in Rendsburg zu entfalten. Die Convention besagt zwar ferner, „Oesterreich habe in seinem Namen und in dem seiner Verbündeten die zur Siche­ rung der Interessen Preußens vom letzteren geforderten Ga­ rantien über die Occupation des KnrstaateS in vollem Maße gegeben", und die Denkschrift erläutert dies dahin, „daß Preu­ ßen der Durchzug ditrch die Etappenstraßen in Folge ausdrück­ licher Garantien gestattet fei und daß die Etappenstraßen selbst fortwährend von Preußen besetzt gehalten werden könn­ ten, so lange die Sicherung seiner militairischen Interessen dieö erfordere." Der Rest des Fürstencollegiums in Berlin erwartete und verlangte,wenigstens diese ausdrücklichen Garantien ein­ zusehen. Es war nur die Erklärung, welche Oesterreich und der Bundestag schon vor der Olmützer Convention abgegeben hatten, wiederholt worden, daß man nicht daran denke, Preu­ ßens tractatmäßigeS Durchzugsrecht zu verkürzen; und daS Versprechen hinzugefügt worden, „daß Fürst Schwarzenberg es über sich nehmen wolle, den Kurfürsten zu veran­ lassen, gegen den Aufenthalt preußischer Truppen in seinem Lande nicht ferner Einspruch zu erheben." Nicht durch das Recht und die Macht Preußens, sondern durch die Gnade Schwarzenbergs sollten preußische Truppen in Hessen verblei­ ben können! Diese von Herrn v. Manteuffel angenommene Verwendung Schwarzenbergs beim Kurfürsten für den fer­ neren Aufenthalt preußischer Truppen in Hessen — war offen­ bar schlimmer als die Räumung des Landes, eS war die schlimmste Demüthigung für Preußen in dem ganzen Ver­ trage! Von der ferneren Besetzung der Etappenstraßen durch preußische Truppen, welche die Denkschrift erwähnt, steht nichts in der Convention. Sie sind auch in demselben Verhältniß, wie

46 die Salem vorrückten, geräumt worden und die Verwendung Schwarzenbergs beim Kurfürsten scheint ohne Erfolg geblie­ ben zu sein. Hessens Räumung bis auf ein Bataillon war zugestan­ den. Ebenso gestattete Herr v. Manteuffel für Holstein die Ausführung des Bundesbeschlusses vom 25. Oktober. Er er­ klärte sich einverstanden, „daß die Forderung an die Statt­ halterschaft gestellt werde, die Feindseligkeiten einzustellen, die Truppen hinter die Eider zurückzuziehen, die Armee auf ein Drittheil der jetzt bestehenden Truppenstärke zu reduciren, un­ ter Androhung gemeinsamer Erecution im WeigenmgSfalle." Dies war genau der Inhalt jenes Bundesbeschlusses. Der Unterschied in der Ausführung war nur der, daß statt eines BundeScommissarS ein DundeScommissar und ein preußischer Commissar diese Forderungen stellten. „In Betreff Holsteins waren es die in Frankfurt gefaßten Beschlüsse, bei denen Preu­ ßen eine Mitwirkung im Namen deö Bundes übernahm", sagt Fürst Schwarzenberg. Auch dazu verstand sich Herr v. Manteuffel, obgleich die Frage im Augenblick nicht drängte, obwohl seine Instruction entgegenstand, obwohl das enorme Zugeständniß der Räumung Hessens auch wohl eine Concession von der andern Seite verlangte, obwohl Herr v. Manteuffel hier der ausdrücklichen Bestimmung eines FriedenstractatS entgegenhandelte, welchen er selbst im Aufträge deS deutschen Bundes abgeschlossen hatte, eines Vertrages, welchen Oesterreich und alle deusschen Re­ gierungen ratificirt hatten. Man hält eS sonst für eine Ehrensache jede- Staats, von ihm abgeschlossene Verträge auftecht zu halten. Herr v. Manteuffel konnte sich einfach darauf berufen, daß auch Oester­ reich und dessen Verbündeten wie er selbst an diesen Vertrag gebunden seien. Der Friede vom 2. Juli 1850 bestimmte im 4. Artikel, „daß der deutsche Bund nicht eher gegen Holstein einschreiten werde, bis der König von Dänemark seine Intentionen in Betreff der Pacification des Landes dem Bunde vorgelegt

47 habe." Herr v. Manteuffel dachte nicht daran, diese BafiS festzuhalten, sogar eine Stipulation mit einem fremden Staate wurde ohne Widerspruch von ihm aufgegeben. — Fürst Schwarzenberg hatte alle Ursache zu triumphiren; der 83ertrag von Bregenz, zur Ausführung der Bundesbe­ schlüsse in Hessen und Holstein 200,000 Mann aufzustellen, hatte sein Ziel erreicht. Dasselbe unglückliche System, welches Herr v. Manteuf­ fel von Anfang befolgt hatte in den praktischen Fragen, in der eigentlichen Machtfrage Preußens nachzugeben, um die Verfassungssrage durch freie Conferenzen ju retten, hielt er auch in Olmütz fest. Auch hier concentrirte er seine Anstren­ gungen gegen den Bundestag und für die freien Conferen­ zen. Aber trotz der enormen Zugeständnisse in Hessen und Holstein brachte er den Fürsten Schwarzenberg nicht dahin, „die Thätigkeit des Bundestags zu fuspendiren", oder „daUnirungörecht anzuerkennen." Um wenigstens die formelle und ausdrückliche Anerkennung deö Bundestags zu umgehen, bestand Herr v. Manteuffel darauf, daß die Bundestruppen in Kurhessen nicht mit diesem Namen, sondern als „vom Kur­ fürsten herbeigerufene Truppenmacht" bezeichnet wurden. Dies wurde zugestanden. Zu demselben Zweck erfand Herrn v. Man­ teuffel eine neue höchst scharfsinnige Distinktion. Freilich hatte er zugestanden, daß die Bundesbeschlüsse in Hessen und Hol­ stein ausgeführt würden. Cr erklärte diese AuSfühmng aber nur für die gegenwärtige und augenblickliche Erledi­ gung dieser Fragen, nur für „die Herstellung deS gesetzmä­ ßigen Zustandes": er unterschied von dieser die zukünftige Entscheidung; diese: „die endliche und definitive Reguli­ rung der kurhessischen und holsteinischen Angelegenheiten" soll­ ten nach §. 1. der Convention „durch die gemeinsame Ent­ scheidung aller deutschen Regierungen herbeigeführt werden." Fürst Schwarzenberg hielt sich an das Factum und an oie Gegenwart. Er wußte, daß die vorläufige Ausführung der Bundeöbeschlüsse für die „definitive Regulirung" nichtübrig lassen würde, und er hatte Recht. Für sehr praktische

48 und leider nur zu reale Zugeständnisse konnte er leicht ein allgemeines und nichtssagendes Versprechen für die Zukunft geben. Herrn v. Manteuffel beschäftigte außerdem noch eine Sorge in Olmütz, die den Fürsten Schwarzenberg durchaus nicht be­ unruhigte. Herr v. Manteuffel hatte die „thätige Theilnahme Preußens im Sinn der Bundesbeschlüffe zugesagt," er sollte sie mit ausführen, aber er wollte doch eben den Bundestag nicht anerkennen! Bei der Ausführung selbst mußten gemein­ same Maßregeln und Anordnungen nöthig werden, diese konn­ ten doch nicht von dem Bundestag ausgehen; welche Behörde sollte die Ausführung leiten? Da erinnerte sich Herr v. Man­ teuffel zum Glück, daß Herr v. Radowitz in früheren Zeiten immer vorgeschlagen hatte, die streitigen Fragen in Hessen und Holstein durch Commissionen zu lösen, welche von beiden Seiten beschickt werden sollten, in welchen Bundestag und Union als gleichberechtigte Gegner sich vereinbaren sollten. Diesen jetzt durchaus nicht mehr brauchbaren AuSweg nahm er auf. Er proponirte, daß „um die Cooperation der in Frankfurt vertretenen und der übrigen deutschen Regierun­ gen möglich zu machen, von Seiten jener Bundesglieder, so wie von Seiten Preußens und seiner Verbündeten je ein CommissariuS ernannt werde." Fürst Schwarzenberg gab dies bereitwillig zu. Herr v. Manteuffel glaubte hiermit erreicht zu haben, „daß der Anspruch deö Bundestages auf einseitige Entschei­ dung der deutschen Fragen thatsächlich aufgegeben sei," wie die Denkschrift sagt. Er hielt die niederzusetzende beiderseitige Commission, „in welche Preußen und seine Verbündeten alö eine anerkannt gleichberechtigte Gesammtheit eintreten würde," für „die einzig berechtigte höchste Bundesautorität." Herr v. Manteuffel hatte übersehen, welche Schwierig­ keiten diese Auskunft verbarg. Sie hätte einen Sinn gehabt, wenn er zugleich von der andern Seite das Zugeständniß erlangt hätte, daß der Bundestag ausgelöst oder wenigstens suSpendirt sei, wie seine Instruction verlangte. Run aber

49 stand Oesterreich und dessen Verbündete, durch den Bundes­ tag vereint, mit dem nicht aufgegebenen Anspruch der obersten rechtlichen Gewalt in Deutschland, und Herr v. Manteuffel hatte stch eben dieser Gewalt gefügt, indem er sich an der Ausführung ihrer Beschlüsse betheiligte. Auf der anderen Seite hatte Preußen keine Verbündeten mehr. Herr v. Manteuffel hatte am 15. November die Union selbst rechtlich aufgelöst, indem er sich von der Verfassung vom 26. Mai lossagte. Als er nach Olmütz abreiste, konnte er bereits wissen, daß die bedeutendsten Bundesgenossen, Baden und Mecklenburg-Schwe­ rin, auch factisch zurückgetreten seien, und daß sich Nassau die­ sen Staaten anzuschließen im Begriff stehe. Während also auf der einen Seite ein fester Körper auf legitimem RechtSboden stand, hatte Herr v. Manteuffel auf seiner Seite nur wenige unhaltbare Reste eines Bündnisses. Die Voraus­ setzung zweier gleichberechtigter und geschlossener Körper — die bundestägigen und die Unionsregierungen — von welcher Herr v. Radowitz früherhin mit Recht ausgegangen war, fehlte jetzt gänzlich — dennoch operirte Herr v. Manteuffel mit die­ sem Material weiter. Diese Commissionen waren daher nur eine Form, welche preußischer Seits gar nicht mehr hergestellt werden konnte, und wirklich hergestellt keine Entscheidung mehr zu geben vermochte, da die Entscheidung bereits durch den Bundestag gegeben war. Auch war Fürst Schwarzenberg sehr weit entfernt, diese Commissionen wie Herr v. Manteuffel für die „einzig be­ rechtigte höchste Bundesautorität" zu halten. Ihm war ein­ fach der bestehende Bundestag die höchste Autorität. Er sagt m der Rote vom 7. December: „Nachdem Herr v. Manteuffel Preußens thätige Theilnahme im Sinne der Bundesbeschlüffe angeboten hat, nachdem hiermit die verlangten positiven Ga­ rantien gegeben waren, daß Preußens Handeln im Einklang mit dem Ziel deö Bundestags sei, und da auch schon rtivaS früher die Unions-Verfassung aufgegeben war, so war eS vortheilhafter, denjenigen Mitgliedern des Bundes, welche nur noch durch Formschwierigkeiten von unS getrennt waren, 4

50 den Weg zur Theilnahme an den BündeSangelegenh eiten zu eröffnen." günstigte

Der Wortlaut des Vertrage- be­

unglücklicherweise

Schwarzenberg.

diese

Auffassung

des

Fürsten

Eö war im zweiten Artikel nur gesagt, daß

„von jeder Seite ein Commissar ernannt werden solle, um über die gemeinschaftlich zu treffenden Maßregeln in Ein­ vernehmen zu treten." Es war dort von einer „höchsten Bundesautvrität derselben" gar keine Rede, sondern höchstens von einer gemeinsamen Berathung und Fassung der AussührungSmaßregeln, welche die Bundesbeschlüffe erforderten. Gewiß war die Meinung deS Herrn v. Manteuffel eine andere,

dann mußte sie aber auch

im Tractat ausgedrückt

sein oder er mußte es verstehen, hinterher seiner Auffassung die gehörige Geltung zu verschaffen. Gegen die Räumung von Hessen und daS Zugeständniß der Intervention in Holstein war also Herrn v. Manteuffel nur die formelle Anerkennung deS Bundestages erspart worden. Fürst Schwarzenberg begnügte sich mit der factischen Aner­ kennung desselben,

eröffnete Herrn v. Manteuffel durch die

Commissionen den Weg zur Theilnahme an demselben und ge­ stattete

ihm,

sich

an der Ausführung

der Beschlüsse

des

Bundestages zu betheiligen. Herr v. Manteuffel sah in dieser Erlaubniß einen Vortheil — Fürst Schwarzenberg ebenfalls und wie wir glauben mit größerem Recht.

Er hielt diese

Betheiligung Preußens für die Beseitigung „einer großen Jnconvenienz" und für die Unterwerfung Preußens unter den Willen des Bundestages. Herr v. Manteuffel hatte nichts von dem erreicht, was seine Instruction ihm vorschrieb. nicht suspendirt. zugestanden.

1) Der Bundestag

war

2) Das freie Unirungörecht war nicht

3) Die gemeinsame Besetzung

war nicht zugestanden.

von Kurheffen

4) Die Erledigung der schleSwig-

holsteinischen Frage auf den freien Conferenzen war nicht zugestanden.

Aber einen Punkt der Instruction hatte er nun

endlich wirklich doch erreicht, daS höchst gefährliche und ver­ derbliche Zugeständniß der freien Conferenzen auf neuttalem

51 Boden, d. h. in Dresden.

Doch nein, es waren nicht freie

Conferenzen, es waren „Ministerial-Conferenzen nach Ana­ logie der in Wien 1819 abgehaltenen." Die Präsidialfrage aus denselben regte Herr v. Manteuffel nicht erst an.

Er war zufrieden, daß Fürst Schwar­

zenberg nicht darauf bestand, daß die Resultate der Confe­ renzen dem Plenum des Bundestags vorgelegt werden sollten, sondern sich begnügte, daß dieselben immerhin „nach den Be­ stimmungen des Artikels IV. der Wiener Schlußakte sämmt­ lichen Gliedern des Bundes zur Zustimmung vorgelegt wer­ den möchten." Bon der Alternative,

welche sich Herr v. Manteuffel

beim Antritte seines Amtes hatte die

Union

aufgeben —

oder

stellen

müssen:

entweder

die Intervention in Hessen

und Holstein zulassen; aber niemals beides zugleich, hatte er thörichter Weise zuerst die Interventionen zugegeben und zwar beide ohne zu theilen, dann hatte er die Union dazu aufge­ geben und endlich den Bundestag bestehen lassen. Der materielle Inhalt der österreichischen Forderungen war im

ganzen

Umfange

Punkt

für Punkt

zugestanden,

Herr v. Manteuffel hatte nichts erworben als — freie Con­ ferenzen, d. h. durch Oesterreichs Uebermacht unfreie Conferenzen.

Diesen Palmenzweig brachte Herr v. Man­

teuffel von Olmüh zurück. Wie traurig aber auch die Resultate von Olmüh für dapolitische Geschick und die preußische Gesinnung des Herm v. Manteuffel waren, seine Organe und Agenten sorgten durch die Art ihrer Vertheidigung dafür, den Charakter des Herrn v. Manteuffel in ein noch übleres Licht zu bringen. rend Herr v. Manteuffel sich nicht von dem

Wäh­

hinterlassenen

Material seines Vorgängers zu trennen vermochte und durch Mißanwendung desselben auf die verderblichsten Irrwege gerieth, verbreiteten beflissene Agenten die Nachricht, Herr v.Radowitz habe bereits die Erecution des Bundes in Hessen zuge­ geben und leider habe auch Graf Brandenburg in Warschau nicht die nöthige Festigkeit besessen,

um dieses Zugeständniß 4*

52 zu verhindern. Wir verlieren kein Wort zur Charakteristrung einer Absicht, welche einem gestürzten Vorgänger und einem todten Ehrenmanne die eigenen Sünden aufladen und jene dem Tadel der öffentlichen Meinung wehrlos bloßstellen sollte. Noch in den letzten Tagen hat ein Agent deö Herrn v. Manteuffel in einer besonderen Schrift die Stim gehabt zu behaupten, daß die Olmützer Punctation für Preußen weit günstiger sei, als das „Abkommen," in Warschau. AuS unserer früheren Darstellung geht hervor, daß in Warschau kein „Abkommen" stattgefunden hat. Der Graf Brandenburg hat in Warschau den preußischen Staat in keinem Punkte nur im Geringsten gebunden, trotzdem daß die Verhältnisse für den Unterhändler Preußens in War­ schau vielleicht noch schwieriger waren, als in Olmütz. Er hat nicht zugegeben: 1) die Aufhebung der Union; 2) das Fortbestehen des Bundestages; 3) die Intervention in Hes­ sen und Holstein. Er hat überhaupt keinen einzigen Punkt der österreichi­ schen Fordemngen zugestanden, außer einem, in welchem er nachgeben konnte: die Verwandlung deS Wortes „freie Kon­ ferenzen " in Ministerial-Conferenzen, denn er erklärte dabei: „eS fei selbstverständlich, daß die Bestätigung der Resultate derselben erst durch einen Beschluß deS aus der freien Bera­ thung der Conferenz hervorgehenden neuen Centralor­ gan eS deS deutschen Bundes herbeigeführt werden könne." Diese Concession war also nur eine deö Namenö, nicht der Sache. Herr v. Manteuffel hat nicht nur die Ministerial-Con­ ferenzen pure, er hat auch 1) die • Aufhebung der Union, 2) das Fortbestehen des Bundestages, 3) die Intervention in Hessen und Holstein —, kurz er hat in Olmütz alle strei­ tigen Punkte zugestanden. Bedürfte eö einer Bestätigung, daß Graf Brandenburg in Warschau in keinem Punkt nachgegeben hat, am wenigsten in der hessischen und holsteinischen Frage, so liegt dieselbe in den von dem General v. Radvwitz am 2. November in der letzten

53

Ministerialsitzung, welcher er beiwohnte, aufgestellten Grund­ sätzen für die preußische Politik in der damals herannahenden Krise. Dieselben lauten: „Preußen bleibt bei seiner Erklä­ rung unwandelbar stehen, daß eS zwar zur gemeinsamen Lö­ sung der kurhessischrn Frage bereit sei, die Occupation in Folge eines sogenannten BundeSbeschlusseö aber nicht dulde. Wenn baierische oder andere Truppen einrücken, so erfolgt in demselben Moment daS Einrücken der Preußen. Gehen die Baiern über Hanau hinaus, so hat der preußische Commandirende allein nach militairischen Erwägungen zu verfahren, um den Feind im gehörigen Augenblick zu verdrängen*)." Warum Graf Brandenburg an diesem Tage gegen Herrn v. Radowitz gestimmt hat, dürfen wir hier nicht untersuchen.

Hessen. Herr v. Manteuffel versucht in der Denkschrift vom 11. Febmar die Bestimmungen der Convention von Olmütz über Hessen und Holstein damit zu vertheidigen „daß eö sich in der neueren Politik als daö zweckmäßigste Mittel, den Gegner zu controliren und an der ausschließlichen Verfol­ gung gefährlicher Sonderinteressen zu hindern bewährt habe, daß man sich ihm zum Genossen gibt und auf diese Weise seine Pläne unschädlich macht." Wir wollen uns auf den Standpunkt dieser Schlauheit stellen. ES war allerdings möglich, die Gefahren und Nach­ theile, welche die Convention von Olmütz in sich trug, durch eine geschickte Ausführung zu vermindern. Der Vertrag ent­ hielt eine tiefe Demüthigung für Preußen, man konnte diese *) Anlag« 2.

54 durch die Art der Ausführung weniger schwer inS Gewicht fallen lassen. Herr v. Manteuffel glaubte in der Convention von Olmütz eine Commission stipulirt zu haben, welche „die Action reguliren, und die endliche rechtliche und definitive Entscheidung vorbereiten", welche „der Träger der höchsten BundeSautorität" sein sollte. Gleich die

Ernennung eines

Commissars für

Preu­

ßen und seine Verbündeten brachte Herrn v. Manteuffel in große Schwierigkeiten. Wir haben schon gesagt, daß Preu­ ßen rechtlich keine Verbündeten mehr hatte und nur noch in einem sehr losen Verbände mit einigen kleineren Staaten stand. Herr v. Manteuffel ließ den Mitgliedern des ehemali­ gen Fürstencvllegiums am 11. December anzeigen: „daß die Kgl. preuß. Regierung gewillt sei, zur Vorbereitung einer rechtlichen Entscheidung in dem Kurfürstenthum Hessen ihrer­ seits den Generalmajor von Peucker dorthin zu entsenden", und daß sie glaube gewiß sein zu dürfen, „daß auch die mit ihr verbündeten Regierungen zu der von ihr getroffenen Wahl ihre Zustimmung ausdrücken würden." So vorsichtig hiermit die Vollmacht für den General v. Peucker als Commissar Preußens und seiner Verbündeten gefordert wurde, — so fand diese Forderung doch sofort ent­ schiedenen Widerspruch. Der nassauische Bevollmächtigte er­ klärte, „daß die nassauische Regierung sich in keiner Weise bewogen finden könne, irgend einen, auch nur entfernten oder indirecten Antheil an den provisorischen Maßregeln zu neh­ men, deren Ausführung die Olmützer Punctation in ihren ersten drei Artikeln an Preußen und Oesterreich übertragen habe." Sachsen-Meiningen erklärte: „gegen die Person des General v. Peucker bestehe kein Bedenken bei ihr. Im übri­ gen sei es jedoch nicht die Absicht der Herzog!. Regierung, an der Commissionsertheilung dermalen Antheil zu nehmen". Die Großherzogl. weimarische Regierung erklärte, „daß sie so lange Anstand nehmen müsse, an der Bevollmäch­ tigung des General v. Peucker sich zu betheiligen, als sie sich

55 in Unkenntniß der Instruction befinde, welche demselben zu jenem Behufe ertheilt werden solle oder schon ertheilt wor­ den sei."

Es war keine Instruction mitgetheilt worden.

Auch

die oldenburgsche Regierung erklärte, „daß sie die Convention von Olmütz für sich nicht als maaßgebend betrachten könne und daher von jeder Theilnahme an den in jener Convention stipulirten Interventionen halten werde.

in Hessen und Holstein sich fern

Aehnlich sprachen sich noch andere Regierun­

gen auS. Bis zum 18. December war überhaupt die ganze Union aufgelöst, nicht blos so weit sie die Verfassung betraf, son­ dern auch als Bündniß

für

gemeinsamen

Schutz,

welche-

Herr v. Manteuffel davon hatte abtrennen wollen. - Bis zu jenem Tage waren nicht blos Baden und Mecklenburg-Schwe­ rin, sondern auch Nassau, Oldenburg, Braunschweig und die drei Hansestädte ausdrücklich ausgetreten, und erkannten kei­ nerlei vertragsmäßige Verpflichtung mehr an, weder für einen gemeinsamen Schutz, noch für gemeinsames Handeln in Hes­ sen und Holstein, noch endlich für die bevorstehenden Dresde­ ner Conferenzen. — Inzwischen hatte Graf v. d. Gröben am 5. December die Etappenstraßen geöffnet.

Seine Truppen gingen langsam

vor den Baiern theils auf der Eisenacher Straße über die Grenze, theils auf der Kasseler Straße durch Hessen zurück; während die Bundestruppen, 18000 Baiern und 1000 Oester­ reicher sich über das Land ausbreiteten. Am 16. December erschien General v. Peucker in Kassel. Er erklärte, daß er als Commissar Preußens und seiner Ver­ bündeten erscheine — er wußte nicht, daß er damit die Un­ wahrheit sagte — daß ihm von seiner Regierung der Graf Leiningen als Mitcommissar bezeichnet, beide somit als Or­ gane der Gesammtheit der deutschen Regierungen, „als Trä­ ger der höchsten Autorität deS Bundes" — nach der Auf­ fassung des Herrn v. Manteuffel — zu betrachten seien. Er zweifelte für seine Person am wenigsten, daß von

56 Bundesbeschlüssen in Hessen keine Rede mehr sein könne; er zweifelte nicht, daß der Bundestag und sein Commissar we­ nigstens für Hessen und Holstein durch die Convention von Olmüh vollständig beseitigt seien. ger, alö Herr v. Manteuffel

Er zweifelte um so weni­

ihm statt aller Instructionen

diese Convention zugeschickt hatte.

Er sollte bald eine- bes­

sern belehrt werden. Da Herr v. Peucker ohne bestimmte Instructionen war, versuchte er eine Art von Vermittelung einzuleiten, um daS weitere Vorrücken und

eine weitere Besetzung

des Landes

durch die Baiern zu verhindern, und damit zugleich sich selbst und der preußischen Regiemng in Hessen eine Stellung zu geben.

Er suchte die Behörden zur factischen Befolgung der

Septemberverordnungen „vorbehaltlich der definitiven Entschei­ dung des Rechtspunktes durch alle deutsche Regierungen" zu bewegen.

Er machte geltend: „daß mit der Convention von

Olmütz die Sachlage eine veränderte sei, daß es sich nicht mehr um die Ausfühmng der Septemberverordnungen des Herrn Haffenpflug,

provisorische

Anordnungen

der gesammten deutschen Regierungen handle,

sondern um

welche durch

ihn und Gras Leiningen vertreten seien, daß die Commissare nur die provisorische Steuerzahlung nach Maßgabe der Ver­ ordnung

vom 4. September

forderten

und daß nach

Er­

reichung dieses Zweckes die übrigen Verordnungen wegfielen." Er glaubte in diesem Falle die Einstellung der Erecution und die Räumung deö Landes bis auf die beiden für Kassel stipulirten Bataillone in Aussicht stellen zu können. Freilich verstand sich daS eigentlich

von selbst.

Nach

der Unterwerfung konnte von Erecution nicht mehr die Rede sein. Der ständische Ausschuß wies die Vorschläge des Herrn v. Peucker zurück, daS Appellationsgericht zeigte sich bereit­ williger.

Es sprach sich dem General Peucker gegenüber am

18. December dahin aus, daß die Veränderung der Sach­ lage dem Lande kundgegeben werden müsse, um jeden Zweifel zu beseitigen und daß dies,

so wie der Beweis der Legiti-

57 mation am besten geschehen würde durch eine gemeinschaftliche officielle Proclamation beider Commiffarien als Vertreter sämmtlicher deutscher Regierungen. Diese Proclamation möge dann die Steuererhebung anordnen und jedermann im Lande werde sich ohne Widerstand fügen. Herr v. Peucker war vollkommen einverstanden. Da Graf Leiningen, der eben an Stelle des Grafen Rechberg ernannte Commiffar deS Bundes, zu Rotenburg im Hauptquartier der Bundeserecutionstruppen verweilte, wo Herr v. Peucker ihn aufzusuchen Bedenken trug, so ging ein Courier an ihn ab. Graf Leiningen erklärte, daß er überhaupt nicht als Concommiffar des General v. Peucker, sondern nur als Commiffar des Bundestags, als Nachfolger des Grafen Rechberg Instructionen besitze. Eine Proclamation zu erlassen sei un­ zulässig, sich selbst aber als Commiffar des Bundes zu legitimiren, halte er für überflüssig. In gutem Glauben, mit dem Grafen Leiningen die höchste Bundesautorität in sich zu vereinigen, ^var General Peucker nach Kassel gegangen. Er war starr vor Erstaunen. Indessen hoffte er doch dem Lande Erleichterungen schaffen zu können und setzte darum die Unterhandlungen mit dem Appellationsgericht fort. ES war natürlich, daß nunmehr das Gericht den Legitimationspunkt schärfer ins Auge faßte und zwei Mitglieder abschickte, die Vollmacht des General Peucker einzusehen. Der General legte dieselbe vor. Sie war aus­ gestellt im Namen Preußens und seiner Verbünde­ ten und nahm zugleich Bezug auf den österreichischen Commissar. General v. Peucker wußte freilich nicht, daß er die Behörden von Kassel durch eine falsche Vollmacht täuschte und sie zu Unterhandlungen und Nachgiebigkeiten auf eine vorgegebene Voraussetzung hin verleitete.

Die Legitimation

wurde, wie dies nicht anders sein konnte, als genügend er­ kannt. Aber wie war es mit der Legitimation des Grafen Leiningen? Man nahm an, daß aus seinem notorischen Auf­ treten als Bundescommissar erhelle, daß er die übrigen deut­ schen Regierungen vertrete.

58 Daß außer Preußen keines -er UnionSmitglie-er ver­ treten sei, ahnte man nicht; eher durste man übersehen, -aß auch Frankfurt und Luremburg unvertreten waren. DaS AppellationSgericht beschloß am 19. December ein­ stimmig: -aß anzunehmen sei, wenn die bei-en Commis­ sare osficiell erklärten, ans den Gmnd -er Olmützer Conven­ tion in Vertretung -er sämmtlichen deutschen Regiemngen zu handeln, fie in dieser Hinsicht als Organe -eS GesammtwillenS der deutschen Regierungen zu betrachten seien. Ebenso einstimmig wurde beschlossen, gedachten Commissaren

daß die von den

ausgehenden Erlasse

hinsichtlich

der

vorläufigen Regulirung der kurhessischen Angelegenheit als rechtsverbindliche provisorische Normen anzusehen seien. Nachdem dann durch Stimmenmehrheit der Legitimations­ punkt der Commissare alö berichtigt erkannt worden war, erklärte der Gerichtshof, bis zur definitiven Regulirung der kurhessischen Angelegenheiten der Verordnung

vom 4. September Folge

leisten d. h. die Erhebung der Stempel und Steuem aner­ kennen zu wollen, mit dem protocollarischen Vermerken jedoch, daß durch die thatsächliche Befolgung dieser Verordnung auf Geheiß

der Commissare

rechtlich anerkannt,

die Verordnung selbst nicht

am wenigsten die richterliche Ent­

scheidung präjudicirt sein solle. Darauf trat das Obergericht und die Mehrzahl der Mit­ glieder der oberen Behörden dieser Erklärung bei. Zu gleicher Zeit forderte Herr v. Peucker die Bürger auf, ihre Waffen abzugeben — die Stadt werde dann um so ge­ wisser von der Erecution verschont bleiben.

Der Commandeur

und die Offiziere forderten die schriftliche Zusicherung, daß die Erecution nicht eintreten werde, Waffen niederlege.

falls die Bürgerwehr die

Herr v. Peucker erklärte, daß er die­

selbe nicht abzugeben vermöge. Die Erklärung des Appellationsgerichts schickte General Peucker durch einen Courier nach dem Hauptquartier der Bun« deötruppen zu Melsungen,

wo sich Graf Leiningen befand,

mit der Aufforderung, nunmehr ein weiteres Vorrücken der

59 BundeSerecutionStruppen nicht stattfinden zu lassen, da die Erecution in Kassel nicht mehr nöthig sei. Graf Leiningen sandte die Erklärung deS Appellationsgerichts sofort zurück und deSavouirte alle Zusicherungen des General Peucker. Er sei allein der Vertreter des deutschen Bundes, handle allein in dessen Namen und erkenne keinen Mitcommissar an. Trotzdem verließen die preußischen Truppen am 21. Dec. Kassel, bis auf das eine zu Olmütz stipulirte Bataillon, und in wenigen Tagen war der Kurstaat ganz von ihnen geräumt. Dagegen ruckten am 22. December Vormittags außer einem österreichischen Bataillon, welches die Convention in Ol­ mütz zuließ, noch 5000 Baiern ein. Herr v. Peucker erhob Einsprache, Graf Leiningen wie­ derholte die Erkärung von Melsungen, daß er als Civilcommissar des Bundes allein Anordnungen zu treffen habe. Erst später, als der noch übrige Widerstand der Behörden durch umfängliche Bequartierungen und andere Maßregeln gebrochen war, entschloß sich Gras Leiningen zwar nicht, die Baiern auö der Stadt zu schicken, wie das die Convention verlangte, aber dieselben doch bis auf ein Bataillon, zwei Jägercompagnien und drei Schwadronen zu vermindern. Während die baierischen Truppen die Herren in der Stadt spielten, mußte sich das preußische Bataillon bequemen, Schildwachen an einige kurfürstliche Schlössern zu stellen, ein Dienst, den früherhin die Bürgergarde geleistet hatte. Auch blieb eS in Kassel nicht unbemerkt, daß bei dem täglichen Exercitium die baierischen Truppen sich auf dem Platze weit ausbreiteten, während sich daS preußische Bataillon (vom 13. Regiment) mit einer Ecke begnügen mußte. WaS that Herr v. Manteuffel diesen Thaten des Grafen Leiningen gegenüber, welche dem, was er in Olmütz ftipulirt zu haben glaubte, direct widersprachen? Nicht blos, daß „von einer höchsten Autorität" der beiden Commissare nicht die Rede war, nicht nur, daß Oesterreich auch von einer Vorbereitung der rechtlichen Entscheidung durch die beiden Commissare nichts wissen wollte, Graf Leiningen versagte dem General v. Peucker

60 auch jede Theilnahme an der Ausführung der Bundröbeschlüsse. Herr v. Manteuffel erkannte zu spät, wie schlecht er die Olmüher Convention abgefaßt habe, wie nicht einmal die spär­ lichen Zugeständnisse, welche er erlangt zu haben glaubte, darin ausgedrückt seien. ES war zwar im zweiten Artikel gesagt: „um die Coope­ ration der in Frankfurt vertretenen und der übrigen deutschen Regierungen möglich zu machen, soll von beiden Selten je ein Commissar ernannt werden, welche über gemeinschaftlich zu treffende Maßregeln in Einvemehmen zu treten haben." Der Artikel über Holstein stipulirte aber dann in specie zwei Commissare, welche die Forderungen des Bundestages über­ bringen sollten, der Artikel über Hessen sagte nichts von Commissaren. Hierauf stützte sich Fürst Schwarzenberg. An die Stelle des ersten BundeöcommissarS, Grafen Rechberg, trat einfach ein zweiter, Graf Leiningen, um Herrn v. Manteuffel zu beweisen, daß der Bundestag keineSwegeS, wie die preußi­ sche Denkschrift versichert, „den Anspruch aus einseitige Ent­ scheidung deutscher Fragen thatsächlich aufgegeben habe." Als Fürst Schwarzenberg erklärte, daß der BundeScommiffar jedenfalls die „Action" so lange zu leiten habe, biS der „ge­ setzmäßige Zustand" deS Landes hergestellt sei, und daß wäh­ rend der Erecution von gemeinsamen Maßregeln und zwei gleichberechtigten Commissaren gar nicht die Rede sein könne, gab eS Herr v. Manteuffel auf, seine Auffassung der Con­ vention von Olmütz weiter geltend zu machen. Er überließ dem BundeScommissar daö Regiment und General Peucker wurde nur angewiesen, die Durchführung der Erecution zu beschleunigen, damit nach ihrer Vollendung daS gemeinschaft­ liche Regiment der beiden Commissare eintreten könne. Herr v. Peucker setzte demnach seine Bemühungen fort, so wenig Erfolg die ersten Versuche gehabt hatten — die Behörden zur Unterwerfung unter die Anordnungen deö Gra­ fen Leiningen zu stimmen, und dahin zn wirken, daß daö womöglich schon im Voraus geschähe, was Graf Lriningen etwa fordern könnte.

61 Der Stadtrath von Kassel war die Behörde, welche -noch widerstand, nachdem stch alle übrigen bereits dem BundeSKommiffar unterworfen hatten. Graf Leiningen hatte die Er­ klärung verlangt, daß der Stadtrath sich in die September­ verordnungen füge; der Stadtrath erwiderte, daß er nicht in der Lage fei, die Septemberverordnungen dienstlich anzuwen­ den. Graf Leiningen befahl, >em Oberbürgermeister Hartwig 35 Mann, jedem Stadtrath 10 Mann einzulegen. General v. Peucker beschwor den Stadtrath nachzugeben. Sobald derselbe als die letzte Behörde sich unterworfen habe, werde die Vollmacht deö Grafen Leiningen als Bundeöcommiffar er­ löschen, und daS ErrcutionSheer das Land verlassen. Er fei bereits über diese Punkte mit Graf Leiningen verständigt, und Preußen werde für die Erfüllung dieser Verständigung Sorge tragen, sobald der Stadttath sich unterworfen. Die Deutsche Reform erhielt am 7. Januar auf telegraphischem Wege die Nachricht von Kassel: „Sobald der Stadtrath die gewünschten Erklärungen abgegeben haben werde, würde die Thätigkeit deö Grafen Leiningen als BundeScommissar be­ endet fein, beide Kommissare würden sich dann der Vorberei­ tung der definitiven Entscheidung der hessischen Angelegenheit widmen dürfen." Der Stadtrath gab am 8. Januar nach. Graf Lei­ ningen antwortete darauf am 9. Januar mit der Einsetzung des permanenten Kriegsgerichts, welches er mit baierifchen und österreichischen Offizieren besetzte. Eö bestand auö drei Ab­ theilungen, einem obern Gericht, einem untern und einer Un­ tersuchungscommission. Er wies diesem Gericht die Bestra­ fung aller Widersetzlichkeiten gegen den BundeScommissar und dessen Anordnungen, alle Widersetzlichkeiten gegen die Bundeötruppen zu, endlich alle Fälle, in welchen gegen die Sep­ temberverordnungen deS Herrn Hassenpflug gehandelt worden fei. ES war der Gerichtshof, welchen Haffenpflug im Sep­ tember einzusetzen nicht im Stande gewesen war. Bis zum 2. September zurück war jeder Hesse diesem Gericht ver­ fallen.

62 General v. Peucker remonstrirte,

insofern diese Compe-

tenz, der Convention von Olmütz zuwider, der vorbehaltenen „endlichen definitiven und rechtlichen Enscheidung" der hessischen Sache durch alle deutschen Regierungen widerspräche; und er­ langte am 25. Januar, vor

dem

Einmarsch

„daß alle diejenigen Delikte, welche

der Bundestruppen

begangen

seien",

nicht vor das Forum des Kriegsgerichts gehören sollten. Graf Leiningen that einen Schritt zurück, doch nur, um ihn alsbald wieder mit besserem Schein des Rechts vorwärts zu thun.

Am 30. Januar errichtete er ein zweites Kriegs­

gericht, aus österreichischen und baierischen Offizieren, offizieren und Gemeinen bestehend, kurfürstlichen Ministeriums", (6. Febr.) bekannt machte, welche

dem

wie

dem Herr

Unter­

„auf Ersuchen des Hassenpflug

die Competenz

später

ertheilt wurde,

ersten auf einen Augenblick abgenommen war.

Die bereits von dem ersten verhafteten Bürgermeister Henkel und Polizeicommissar Hornstein richt übergeben.

wurden diesem zweiten Ge­

Dasselbe hat später den Oberbürgermeister

von Kassel, Hartwig, vor sein Forum gezogen, und die Mitglie­ der des ständischen Ausschusses, die Herren Henkel, Schwarzen­ berg, Gräfe und Bayrhoffer, in Untersuchungshaft bringen lassen. Nicht zufrieden, den Widerstand gebrochen, den Wohlstand des Landes vernichtet, die Offiziere und Beamten zur Entlas­ sung gezwungen zu haben, wollte Herr Hassenpflug Rache an den Personen; Graf Leiningen gewährte sie ihm und Herr v. Manteuffel war weit entfernt, ihn daran zu hindern.

Er­

klärte er doch — vermuthlich um die „endliche rechtliche und definitive Entscheidung" der hessischen Angelegenheit vorzube­ reiten und die Stellung deS Herrn v. Peucker in Kassel zu unterstützen — am 8. Januar in der ersten hessischen Beamten für Pantoffeln!"

„Revolutionärs

in

Kammer

die

Schlafrock und

Was konnten Hassenpflug und Graf Leiningen

besseres verlangen?

Freilich hatte Herr Hassenpflug wohl ge­

wußt, daß jene Beamten ihren Eid auf die Verfassung nicht brechen, sondern einen gesetzlichen Widerstand leisten würden. Um diesen Widerstand in Schlasrock und Pantoffeln (Barri-

63 caden wären ihm lieber gewesen)

zu provociren, hatte Herr

Haffenpstug die Verfassung in Hessen gebrochen, damit dann der Bund zur Unterdrückung desselben intet»eniren und Preu­ ßen für die Unionspolitik

gestraft werden könne.

Herrn v.

Manteuffelö Rache für diesen Streich des Herrn Haffenpftug war der „Schlafrock und die Pantoffeln." verzieh von diesem Augenblick

Herr Hassenpflug

an dem preußischen Premier­

minister die Novembererklärung, „daß er niemals ein Hassenpflug werden wolle", und behielt sich zur Erwiderung dieser Freundlichkeit nur vor, sich, falls er wieder einmal angeklagt werden sollte,

auf die Vollmachten der Generale v. Peucker

und v. Thümen zu beziehen. Graf Leiningen hat ungestört als Bundescommissar in Hes­ sen fortgeschaltet. sachen.

Wir erinnern nur noch an einige That­

Am 10. Februar ließ er den kurhessischen Officieren

eröffnen: er müsse sich überzeugen, ob und wie weit der mi­ litärische Gehorsam in der kurhessischen Armee wiederhergestellt sei.

Jeder Officier habe zu diesem Behufe innerhalb 24 Stun­

den durch schriftliche Eingabe an den Commandeur zu erklä­ ren, daß er alle an ihn ergehende Vorschriften, auch denen, welche die volle Ausführung der September-Verordnungen beträfen, nachkommen wolle.

Es wurde übrigens bemerkt, daß

mit der Abgabe dieser Erklärung das kriegsgerichtliche Einschrei­ ten wegen Verhaltens im Herbste nicht ausgeschlossen sei.

Die

noch im Dienst befindlichen hessischen Officiere erklärten, mit Ausnahme von 6 höheren Stabsofficieren — „sie würden den Anordnungen Folge leisten, welche im Namen des deutschen Bunde- erlassen würden." Graf Leiningen bestimmte, ob und welche kurfürstliche Trup­ pen in Kassel anwesend sein dürften, er verbot dem zweiten Hu­ sarenregiment den Durchmarsch durch Kassel und drohte die Garde wieder zu entfernen.

Er

ließ im Hostheater jeden

Beifall bei solchen Stellen, „welche nur irgend wie eine poli­ tische Auslegung zulassen," bei Strafe kriegsrechtlicher Behand­ lung „für Ruhestörer", untersagen, ohne nur einmal dem Lan­ desherrn Kenntniß zu geben, oder dessen Genehmigung einzu-

64 holen. Als „Bundescivilcommissar für die kurhessischen An­ gelegenheiten" verfügte er die „Suspension des landständischen Ausschusses". „In Erfüllung meiner Pflicht als Bundescommissar", so lautet diese Verfügung, „und fräst der mir ver­ liehenen Vollmachten, finde ich es angemessen, dem gedachten Ausschuß bis auf Weiteres den amtlichen Zusammentritt, sowie jede amtliche Thätigfeit überhaupt, zu untersagen. Der Un­ gehorsam gegen diesen meinen Befehl wird sofort auf eine dem bestehenden Kriegszustand entsprechende Weise geahndet werden." Am 2. März befahl er, daß die Wahlen und die Einberufung der Abgeordneten zum Landtage, nachdem der verfassungsmäßige Termin abgelaufen, bis auf Weiteres auf­ geschoben bleiben sollte. Herr v. Peucker ist ohne jeden Antheil an diesen Maß­ regeln gewesen. Er ist einziges Mitglied der zu Olmütz, wie Herr v. Manteuffel glaubte, stipulirten Commission geblieben; während Hessen als ein Opfer der antiunionistischen Politik fiel, und Graf Leiningens ganzes Verfahren auf die Verhöh­ nung Preußens berechnet war. General v. Peucker harrte in der Stellung aus, in welche Herr v. Manteuffel ihn versetzt hatte, und suchte die Schmach derselben dadurch zu mindern, daß er mit seinem persönlichen Ansehen und mit persönlicher Energie den Ausschreitungen brutalen Uebermuths bei der Ausführung der Anordnungen des Bundescommissars entgegentrat. Das hessische Volk zollte ihm Dankbarkeit, aber eS blickte auch auö seiner Erniedrigung zugleich mit Mitleiden auf die Rolle, zu welcher ein preußi­ scher General und preußische Soldaten durch Herrn v. Man­ teuffel verurtheilt waren. Bürger von Kassel haben Herrn v. Peucker wiederholt ihr Bedauem ausgesprochen, daß ein preußischer General zu einer solchen Aufgabe mißbraucht wer­ den könne. Endlich wurde Herm v. Peucker Mitte Februar ange­ zeigt, daß Herr Uhden, ein alter Freund des Herm Hassenpflug — an seine Stelle treten würde, „um mit umfassenden Instructionen aufzutreten". General Peucker hatte solche nie-

65 mals erhalten; sogar die Antworten auf seine dringendsten Anfragen waren in der Regel ausgeblieben.

Die Ausarbei­

tung jener umfassenden Instruction für Herrn Uhden hat denn auch mehr als vier Wochen Zeit erfordert,

während welcher

Herr v. Peucker noch in Kassel aushalten mußte. Herr v. Manteuffel kann sich nicht rühmen, daß er die Con­ vention von Olmütz in der Ausführung verbessert habe.

Er ist

nicht einmal im Stande gewesen, dieselbe nach seiner Auslegung überhaupt zur Ausfühmng zu bringen.

Oesterreich hat viel­

mehr durchgesetzt, daß dem Vertrage von Bregenz gemäß der Beschluß deS Bundestages einfach durch den Bundescommissar ausgeführt worden ist, eS hat erreicht, daß dieser noch heute, nachdem aller Widerstand längst besiegt ist, in Hessen regiert, und hat damit seine faktische Suprematie auch in Nord­ deutschland geltend gemacht.

Indem ein preußischer Commis-

sar und ein preußisches Bataillon diese Erfolge mit ansehen mußten, ist die Demüthigung Preußens nur um so augenfäl­ liger geworden. Der

Demüthigung

sind

Insulten

hinzugefügt worden

gegen das Bataillon, gegen Mitglieder deS preußischen Kö­ nigshauses. Wir können nicht glauben, daß Herr v. Manteuffel noch immer der Meinung ist — obwohl er es noch am 11. Fe­ bruar versichert hat —

die Pläne Oesterreichs in Hessen

„unschädlich gemacht zu haben, indem er sich ihnen zum Ge­ nossen gegeben".

So viel steht wenigstens fest, daß Oesterreich

sich durch diese Genossenschaft keinen Augenblick hat beirren lassen, und die Gefahr der österreichisch-baierischen Festsetzung in Hessen ist für Preußen durch die Anwesenheit deö Herrn v. Peucker durchaus nicht vermindert worden.

66

Schleswig -Holstein. Welche unnöthige und übereilte Zugeständnisse Herr v. Manteuffel in Olmütz für die Erledigung der fchleswigholsteinschen Frage gemacht hatte, — diese Konvention gab einem fähigen Minister des Auswärtigen immer noch Mittel an die Hand, die Angelegenheit der Herzogthümer, deren Sache Preußen so lange verfochten hatte, zu einem für Preußen ungefährlichen und für die Bevölkerung der Herzogthümer er­ träglichen Ausgang zu führen. Die Convention von Olmütz bestimmte: „Nach Holstein werden Oesterreich und Preußen, nach gepflogener Rück­ sprache mit ihren Verbündeten und zwar so schleunig als möglich gemeinsame Commissare schicken, welche im Na­ men deS Bundes von der Statthalterschaft die Einstellung der Feindseligkeiten, die Zurückziehung der Truppen hinter die Eider und die Reduktion der Armee aus ein Drittel der jetzt bestehenden Truppenstärke verlangen, unter Androhung gemeinsamer Erecution im Weigerungsfälle. Dagegen wer­ den beide Regierungen auf das König!, dänische Gouvernement dahin einwirken, daß dasselbe im Herzog­ thum Schleswig nicht mehr Truppen aufstelle, als zur Erhal­ tung der Ruhe und Ordnung erforderlich sind." Die Aufgabe des Hm. v. Manteuffel war, dafür zu sorgen, daß es nicht zur Ausführung der angedrohten gemein­ samen Erecution kam. Er durfte nicht zugeben, daß Nord­ deutschland den Oesterreichern noch weiter geöffnet werde, daß sie sich auch nur für kürzere Zeit in Hamburg, Rends­ burg und Lübeck festsetzen könnten. Hieraus folgte, daß Hr. v. Manteuffel versuchen mußte die Statthalterschaft zur Unterwerfung zu bringen, ehe ein Oesterreicher den Boden von Schleswig-Holstein betrat. Es war dies möglich, indem man erträgliche Bedingungen anbot.

67 Ob dies aber zu erreichen war oder nicht, jedenfalls mußte ein fähiger Minister in Preußen darauf Bedacht neh­ men, daß man deutscher Seits

in einen

gewissen Constict

mit Dänemark kam, daß die Oesterreicher nicht pure als Bun­ desgenossen der Dänen in Holstein einrücken konnten, um im dänischen Interesse dem Kriege ein Ende zu machen. Kamen die Oesterreicher nur, um den Dänen SchleswigHolstein zu unterwerfen, so lag die weitere Gefahr sehr nahe, daß der Fürst Schwarzenberg seine 20,000 Oesterreicher für ge­ wisse Fälle mit der dänischen Armee gegen Preußen vereinigte, und dadurch eine (Streitsrast von 60—70,000 Mann diesseits der Elbe im Rücken Preußens zur Verfügung erhielt. Herr v. Manteuffel mußte also die Bedingungen gegen Dänemark in der Ausführung der Convention voranstellen. Die Verminderung der dänischen Streitmacht in Schleswig mußte zuerst gefordert und Oesterreichs Mitwirkung dabei in Anspruch genommen werden.

Man konnte auf dieser Forde-

rung um so entschiedener bestehen, als die bisherige Stellung Preußens zu dieser Angelegenheit, schon aus Rücksichten deS politischen Anstands erforderte, daß man den Dänen wenig­ stens

irgend

eine

Concession abnahm, ehe

Preußen gegen

ein Land einschritt, für welches es zwei Mal Krieg geführt hatte. Weigerte sich Dänemark entschieden, so war man in der Lage, der ganzen Sache eine andere Wendung zu geben. Scheiterte Alles, so hatte sich Herr v. Manteuffel in Olmütz nur zu Androhung

gemeinsamer Erecution

in Holstein, nicht zur Ausführung derselben verpflichtet. Für eine geschickte Leitung der ganzen Frage gab außer­ dem die in Olmütz vorbehaltene Rücksprache

mit den Ver­

bündeten Spielraum und einen guten Stützpunkt. ohne die bisherigen Alliirten

Nichts

zu untemehmen forderte

daS

wohlverstandene preußische Interesse auch aus der Rücksicht, um für die höchst gefährlichen Dresdener Conferenzen mit der auseinandergesprengten Union wieder in ein besseres Einverständniß zu kommen.

68 Herr v. Manteuffel dachte weder an die Gefahren, welche Preußen bedrohten, noch an seine Verpflichtungen gegen dessen Verbündete, noch überhaupt an irgend eine Leitung dieser Sache. Er wollte Oesterreich zu Willen sein und „mit der Revolu­ tion brechen" — aber nicht mit der dänischen. Die Verpflichtung

den Herzogthümern

ein

wenigstens

erträgliches Schicksal zu verschaffen, war für Herm v. Man­ teuffel um so dringender als er, abgesehen von der frühern preußischen Politik und allen Verheißungen, welche von ihm selbst unterzeichnet waren, — die Statthalterschaft verhindert hatte, sich zu einer Zeit tritt dem reactivirten Bundestage in gutes Vernehmen zu

setzen,

als Oesterreich

an der Anerkennung

desselben auch durch die schleswig-holsteinsche Regierung viel gelegen war.

Damals hatte Hr. v. Manteuffel den Statt­

haltern wiederholt den Wunsch ausgesprochen, den Bundestag nicht anzuerkennen: man werde die Herzogthümer gegen dessen Beschlüsse zu schützen wissen, ja Herr v. Manteuffel war, wenn wir recht unterrichtet sind, soweit gegangen, sogar militairische Hülfe in Aussicht zu stellen. Statt sich mit den Verbündeten, wie die Olmützer Con­ vention

ausdrücklich

verhandelte

Herr

verlangte,

v.

in

Manteuffel

Verbindung in

zu

setzen,

Dresden und Berlin

mit Fürst Schwarzenberg und Herrn v. Prokesch über eine Proklamation, welche die beiden abzuschickenden Commissare „an die Bewohner von Holstein" erlassen sollten. Dieses von Herrn v. Manteuffel selbst entworfene Akten­ stück ist sehr merkwürdig.

Indem man die beiden Commissare

an die Statthalterschaft abschickte, um mit ihr zu unterhandeln und sie dadurch — abgesehen von allem andern, als recht­ mäßige

Regierung

anerkannte; forderte

diese Proklamation

zu gleicher Zeit ihre Unterthanen zum Widerstand gegen die Statthalterschaft auf. Der Aufruf*)

beginnt mit den gewöhnlichen Verspre­

chungen des Herm v. Manteuffel:

') Anlage 3.

„Der deutsche Bund sei

69 verpflichtet und bereit, die Rechte der Holsteiner zu wahren." Dies sei aber unmöglich, solange man „dem Landesherrn mit den Waffen in der Hand entgegenstehe." „Dieser Zustand", so fährt die Proclamation fort, „kann nach dem zwischen Deutschland und Dänemark geschloffenen Frieden nicht länger geduldet werden." Der Friede hatte gerade das Gegentheil stipulirt; er hatte dem Herzogthum Holstein ein Kriegsrecht beigelegt, und die Restitution des Königs von Dänemark in die Ausübung seiner legitimen Autorität von der Vorlage seiner Intentionen für die Pacification Holsteins beim deutschen Bunde abhän­ gig gemacht. Diese Vorlage war nicht gemacht, weder dem Bunde noch etwa Preußen oder Oesterreich. „Wir geben Euch die Versicherung", heißt es dann weiter, „daß Euer Landesherr ebenfalls die Truppen, mit denen er Euch zu be­ kämpfen genöthigt war, zurückziehen und vermindern wird." Am Schluffe sagt Herr v. Manteuffel: „Die Aufhe­ bung aller zur Fortsetzung des fruchtlosen Wider­ standes getroffenen Maßregeln ist angeordnet, die Einzahlung der Kriegssteuer unterbleibt." Ohne Zweifel stand es Herrn v. Manteuffel und dem Fürsten Schwarzenberg zu, im Namen des Bundes — wenn sie dazu Vollmacht hatten — die Statthalter zur Unterwer­ fung unter dessen Beschlüsse aufzufordern. Das Voll von Holstein zum Ungehorsam aufzufordern, die Armee zur In­ subordination, ja vielleicht zur Desertion, die Steuerpflichti­ gen zur Verweigerung der Steuern zu verlocken, also zur Re­ volution — stand am wenigsten dem preußischen Ministerprä­ sidenten, dem Mann der Polizei und der Ordnung, zu. Wir wollen es uns erlassen, diesen Aufruf weiter zu charakterisiren; wir begnügen uns, Herrn v. Manteuffel als Steuerverweigerer kennen gelernt zu haben. In den Verhandlungen mit Fürst Schwarzenberg und Herrn v. Prokesch, aus welchen diese Proclamation hervor­ ging, wurden auch die Instructionen für die beiden Commissare festgestellt. Hierbei bot sich noch einmal für Herrn v,

70 Manteuffel eine glänzende Gelegenheit, ohne sein Verdienst die Interessen Preußens und die der Herzogthümer wahrzu­ nehmen. Die Instruction des Bundestages, welche in der schleSwig-holsteinfchen Frage für die Mission des Herrn v. Ham­ merstein festgestellt worden war, verlangte zunächst das fak­ tische Zurückgehen der dänischen Truppen auS dem südlichen Schleswig hinter eine Demarcationslinie; sie bestimmte, daß das Kronenwerk wie die Außenwerke von Rendsburg von schleswig-holsteinischen Truppen besetzt bleiben sollten; sie forderte endlich ganz positiv die Herstellung des Status quo ante bellum und articulirte diese Herstellung in dreiundzwanzig Punkten, von denen wir nur die Ausschließung jeder Zolllinie zwischen den beiden Herzogthümer» und die Beibehaltung der administrativen Einheit besonders hervorheben. Baiern, Sachsen, Hannover, das Großherzogthum Hessen hatten diese Instruction gegen den Willen Oesterreichs durchgesetzt. Indem der Bundestag die Vollmacht des Herrn v. Ham­ merstein auf Oesterreich übertrug, begleitete er jene Instruction mit dem Wunsche, dieselbe ausgeführt zu sehen. WaS Herr v. Manteuffel dabei zu thun hatte, war klar. Da er keinen eigenen Gedanken in dieser Sache hatte, mußte er den deS Bundestages dankbar annehmen, das Interesse Preußens gebot, daß er ihn mit beiden Händen ergriff. Die Bundesinstruction gab ihm eine Gelegenheit, wie sie sich gar nicht besser wünschen ließ, ohne alle Anstrengung gegen Oesterreichs Absichten Position zu nehmen, eine Verbindung mit Hannover und Sachsen gegen Oesterreich anzuknüpfen, was auch für andere Fragen Konsequenzen haben konnte, mit den Königreichen vereint Oesterreich in dieser Frage zu iso­ liern, endlich Oesterreich in Conflict mit Dänemark zu bringen und aus Norddeutschland fern zu halten. Die wichtigsten Anhaltpunkte gegen Oesterreich waren ihm durch die Gunst der Umstände in die Hand gegeben. Hatte Baiern mit den Königreichen diese Instruction am

71 Bundestage

gegen Oesterreich dmchsetzen

können,

leichter mußte es Herm v. Manteuffel sein, bei derselben festzuhalten. Die Ueberlegenheit des

Fürsten

wie viel

Oesterreich jetzt

Schwarzenberg,

der

Mangel an allen persönlichen Ressourcen, die subalterne Auf­ fassung und Geschäftsbehandlung des Herrn v. Manteuffel brachten ihn auch um diese Stellung.

Er wich dem Impulse,

welchen der Fürst gab, ließ die Instruction des Bundestages fallen, und bereitete so den Herzogthümem ein viel schlech­ teres Schicksal, als ihnen der Bundestag im antipreußischen Interesse zugedacht hatte! Aber eS handelte sich im Grunde gar nicht um die Herzogthümer, sondern um Preußen.

Das politische Verständ­

niß deö Herrn v. Manteuffel reichte wohl nicht weit genug, um die Absichten des

Fürsten und die politische Situation

an der Niederelbe zu ermessen.

Oesterreich hatte die schleS-

wig-holsteinsche Sache wie die hessische einfach zu einer Po­ sition gegen Preußen benutzt und war in Begriff, dieselbe auszubeuten.

Hatte Herr v. Manteuffel nie davon gehört,

daß Oesterreich und Dänemark gemeinsame Interessen haben, daß sie diese sehr oft identificirt haben?

Seit dem Ende

deS vorigen Jahrhunderts hat Dänemark in Preußen seinen gefährlichsten Feind erkannt,

gegen dessen Ueberlegenheit zu

Land ihm keine Ressource bleibt, Rußland

oder

Oesterreich

zu

als die sich aus Frankreich, stützen.

Eben noch

1848

und 49 hatte Dänemark diese Ueberlegenheit Preußens, so wenig Ernst man in Berlin machte, übel genug empfinden müssen.

Oesterreichs Zuneigung hatte sich

Zwistigkeiten nicht verkennen

während dieser

lassen, sie hatte sich dann im

Protokoll von London, in der Garantie der Integrität Dä­ nemarks einen sehr bestimmten und für Dänemark erwünsch­ ten Ausdruck gegeben.

Oesterreich hat in seinem Gesammt-

staatöinteresse natürliche Sympathien

für den Gesammtstaat

Dänemark, beide Staaten haben das Interesse, dem Empor­ kommen Preußens entgegenzutreten.

Die dänische Halbinsel

steht zu Oesterreich gegen Preußen in demselben Verhältniß,

72

wie Preußen zur italienischen, d. h. zu Sardinien gegen Oesterreich. Nur daß Oesterreich stets dieser Stellung gemäß gehandelt hat, Preußen niemals, am wenigsten unter der Fühmng des Herm v. Manteuffel. Englands Vorstellungen und Rußlands Drohungen hatten nicht vermocht, die Politik Preußens gegen die Herzogthümer zu kehren, Fürst Schwarzenberg sehte dies in einigen Unter­ redungen mit Herrn v. Manteuffel durch. Herr v. Manteuffel gab zu, daß Dänemark dem Fürsten Schwarzenberg die Wie­ derherstellung seiner Herrschaft über die Herzogthümer zu ver­ danken habe. Eine zuerst von Preußen unterstützte, dann von den Herzogthümern allein geführte Bewegung, welche Dänemark trotz der größten Anstrengungen nicht hatte über­ wältigen können, wurde endlich durch die Dazwischenknnft deS Fürsten Schwarzenberg zu Gunsten Dänemarks beendigt. Herr v. Manteuffel willigte darein, daß dem preußischen Einfluß an der Ost- und Nordsee ein Ende gemacht — daß das Einverständniß Oesterreichs und Dänemarks gegen Preußen immer fester geschlossen wurde. Der Inhalt der nunmehr für die Commiffare fest­ gestellten Instructionen besagte, daß Schleswig, d. h. der Landestheil, um welchen gestritten wurde, einfach den Dänen übergeben werde, daß die landesherrliche Autorität in Hol­ stein hergestellt und die schleSwig-holsteinische Armee entwaff­ net werden solle. Diese Instructionen wurden nach Kopen­ hagen mitgetheilt. Fürst Schwarzenberg hatte dafür gesorgt, daß Schles­ wig bis zur Eider ausgedehnt, Friedrichsort, die Außenwerke und daö Kronenwerk von Rendsburg eingeschlossen wurden. Die dänische Revolution sollte ihr „Dänemark bis zur Eider" unverkürzt auf Kosten Preußens erhalten. Zum preußischen Commissar wurde der General v. Thümen ernannt, ein wackerer Mann, aber ohne jede Kenntniß der Verhältnisse. Herr v. Manteuffel hatte ihn ausgewählt, weil Herr v. Thümen dem Kaiser von Rußland persönlich bekannt und genehm war. Herr v. Manteuffel stellte ihm

73 folgende Vollmacht aus:

„Nachdem wir mit Sr. Majestät

dem Kaiser v. Oesterreich übereingekommen sind — so haben wir für Uns und Unsere Verbündete den General-Major v. Thümen zum Commissar ernannt*)". Herr v. Manteuffel hatte weder die Verbündeten Preu­ ßens — soweit von solchen die Rede sein konnte — befragt, noch ihre Zustimmung erhalten, am wenigsten eine Vollmacht von ihnen Besitz

eines

eingeholt.

Er befand sich außerdem bereits im

ausdrücklichen Protestes gegen eine solche auf

Grundlage der Olmützer Convention zu ertheilende Vollmacht von Seiten Braunschweigs, Nassaus und Oldenburgs. Dennoch scheute sich Herr v. Manteuffel nicht, diese Voll­ macht dem Könige zur Unterschrift vorzulegen.

Herr v. Man­

teuffel hat damit

General zum

einen

Lügner gemacht —

zweiten preußischen

freilich ohne dessen Schuld.

Späterhin versuchte er, als ihm das Gewissen durch be­ sondere Umstände erregt worden war, das was er unverant­ wortlich verabsäumt hatte, aus ungeschickte Weise wieder gut zu machen.

Es erging ein Circularschreiben an die ehemals

verbündeten Regierungen, daß man preußischer SeitS ange­ nommen habe, daß die verbündeten Staaten mit der Mission des Herrn v. Thümen einverstanden seien, da dieselben mit der Sendung des Herrn v. Peucker nach Kassel einverstanden gewesen wären. . Die Verbündeten waren erstaunt über das und die Illoyalität dieser Wendung.

Ungeschick

Man erhielt die Ant­

wort, da die Voraussetzung unrichtig sei, müsse auch der Schluß hinfällig werden. Die Unterhandlungen der Commissare mit den Statthal­ tern hatten begonnen. Schwierigkeiten.

Der Legitimationspunkt machte einige

Herr v. Thümen, durch Herrn v. Manteuf-

sel nicht recht unterrichtet, war in Verlegenheit,

die Verbün­

deten Preußens namhaft zu machen. Die Commissare ertheil­ ten endlich die Versicherung, daß ihre Vollmachten im

*) Anlage 4.

14 Namen sämmtlicher deutscher Regierungen ausge­ fertigt seien. Wie daS Appellationsgericht in Kassel nahm die schleSwig - holsteinsche Regierung nach den abgegebenen Erklä­ rungen und nach dem notorischen Auftreten der Commissare den Legitimationspunkt als berichtigt an. Die Commissare suchten die Statthalter zum Zurückzie­ hen der schleöwig-holsteinschen Armee hinter die Eider zu bewegen, indem sie bestimmt versicherten, daß auch die Dänen Südschleswig räumen würden; sie könnten allerdings nicht genau angeben, waS unter Südschleswig zu verstehen sei. Der Rückzug der Schleswig-Holsteiner hinter die Eider werde auch nicht ftüher verlangt, als die Dänen ihre Truppen aus Südschleswig zurückgezogen hätten. Im Nothfalle seien die im Anrücken begriffenen preußischen und österreichischen Tmppen zur Unterstützung der Herzogthümer bereit. Die Statthalterschaft hätte schon auS dem Umstande, daß im Widerspruch mit diesem Versprechen die Commissare erklär­ ten, die Dänen würden Friedrichsort nebst den Außenwerken von Rendsburg besetzen, abnehmen müssen, daß man nur vor­ habe sie zu täuschen — womit wir die Commissare, welche unzweifelhaft nach ihren Jnstmctionen handelten, keiner Hin­ terlist beschuldigen wollen. Auf die Remonstrationen gegen diese Forderung, daß die Festungswerke auf holsteinischem Boden lägen und von ungegemeiner Wichtigkeit seien, erklärte General v. Thümen, daß ihm diese Verhältnisse sowie die Bedeutung der Werke völlig unbekannt seien. Ein preußischer General mußte wissen, waö ein guter Brückenkopf jenseits der Eider zu bedeuten habe. Die Commissare erbaten nähere Auskunft und gaben, nachdem sie berichtet hatten, zu, daß Rendsburg so wie FriedrichSort mit ihren militairischen RayonS „vorläufig" von schleöwig-holsteinschen Truppen besetzt bleiben sollten. Man war zweifelhaft, ob dies Wort „vorläufig" in das Protocoll der Verhandlungen aufgenommen werden solle oder

75 nicht; man beschloß endlich mit allseitiger Zustimmung, das­ selbe wegzulassen, da der ganze Zustand des Landes, welchen die Kommissare etabliren sollten, nur ein vorläufiger sein, d. h. bis zur endlichen rechtlichen und definitiven Regulirung der schleöwig-holsteinschen Angelegenheit dauern sollte*). Als eS sich um Garantien für die Rechte des Landes, für die Herstellung der Verbindung beider Herzogthümer han­ delte, trug General v. Thümen kein Bedenken zu erklären, daß die Kommissare gekommen seien, die Rechte deS Landes zu wahren, und daß der Status quo ante bellum seitens deS deutschen Bundes wiederhergestellt werden sollte. Der Punkt, auf welchen die Statthalterschaft in den Un­ terhandlungen das entscheivende Gewicht gelegt zu haben scheint, war der, ob dem durch dreijährige Kriegs- und Einquartierungslastm hart mitgenommenen Herzogthum Holstein die Ernährung der angedrohten ErecutionSarmee von 50,000 Mann — so viel stellten die Kommissare könne oder nicht.

in Aussicht —

erspart werden

War dieses Unheil zu vermeiden, so konnte

man in manchem andern Punkte bedeutend nachgiebiger sein. Die Convention von Olmütz bestimmte nur Androhung der Erecution im Weigerungsfall; weiter konnte also auch der Auftrag der Kommissare selbstverstanden nicht gehen — endlich lag es in der Natur der Sache, daß ein entfernteres Mittel zum Zweck, ein zweiter Schritt wie die Ausführung der ange­ drohten Erecution war, wegfallen müsse, sobald man den Zweck durch den ersten erreicht hatte.

In diesem Sinne erklärten denn

auch die Kommissare gleich in ihrem Ankündigungsschreiben an die Regierung von Schleswig-Holstein „daß eine Erecution nur

im Weigerungsfälle

stattfinden werde," sie wiederholten

diese Versicherung in der ersten Konferenz dahin, daß ein Ein­ rücken der Kaiser!, österreichischen und König!, preußischen Trup­ pen

im Fall der Nachgiebigkeit der Herzogthümer gegen die

jetzt gestellten Forderungen nicht stattfinden werde." Am Schlüsse der Verhandlungen wurde diese Zusage zum ') Anlage 5.

76 dritten Mal und zwar nun nicht mehr bedingungsweise, son­ dern positiv dahin erneuert, „daß jetzt, nachdem den Forde­ rungen des deutschen Bundes nachgegeben sei und wenn kein Widerstand gegen die Ausführung derselben eintrete, die Kai­ serlich österreichischen und Königlich preußischen Truppen nicht in Holstein einrücken würden." Die Unterhandlung schloß endlich damit, daß die Statt­ halterschaft den Commissaren zwei Proclamationen, an das Volk und an die Arme, vorlegte, „mit deren Inhalt die Her­ ren Commiffare sich vollständig einverstanden erklärten, mit dem Hinzufügen, daß sie sich jetzt die am 6. d. M. überge­ bene Proklamation zurückerbäten, da dieselbe nunmehr nicht erlassen werden solle." *) Indem die Commiffare ihren eigenen Aufruf (wir haben denselben bereits oben näher charakterisirt) zurücknahmen, indem sie sich mit dem Inhalt der vorgelegten Proklamationen ein­ verstanden erklärten, erhoben sie dieselben zu Urkunden des abgeschlossenen Vertrages, welche die Hauptbedingungen, wie sie übereinstimmend von beiden Seiten formulirt und geprüft worden waren, enthielten. Es wurde in diesen Aktenstücken dem Volk und der Armee gesagt, daß der deutsche Bund die Rechte der Herzogthümer zu schützen übernommen habe. daß die dänische Armee aus Südschleswig sich zurückziehen, die schleswig-holsteinsche hinter die Eider zurückgehen und bis zu zwei Dritttheilen beurlaubt, aber Rendsburg und Friedrichsort mit ihren Rayons besetzt halten werde; endlich, daß keine srembe Truppen in Holstein einrücken würden. Dies ist der Vertrag, welchen die Commissare mit der Regierung der Herzogthümer am 11. Januar 1851 abgeschlos­ sen haben. Die Statthalterschaft mußte die Commissare nach Einsicht ihrer Vollmachten zu solchem Abschluß berechtigt hal­ ten. Die deS General v. Thümen lautet an der betreffenden ') Anlage 6.

77 Stelle: »Wir ertheilen demselben hierdurch Vollmacht, um mit dem von Seiten Sr. Majestät dem Kaiser von Oesterreich zu ernennenden Commissarius über die zur endlichen und definitiven Regulirung der holsteinschen Angelegenheit zu treffenden Maß­ regeln in Berathung zu treten, auch nach erfolgter Verstän­ digung darüber eine Uebereinkunft abzuschließen, indem wir auf unser Königliches Wort versprechen, dasjenige, waS unser genannter Commissarius auf Grund gegen­ wärtiger Vollmacht und in Gemäßheit der ihm er­ theilten Instruction verabredet und abgeschlossen haben wird, zu genehmigen." Der Abschluß dieses Vertrages war ein überaus günsti­ ges

Ereigniß

für Herrn v. Manteuffel.

Freilich

gab

er

Oesterreich in den Augen Dänemarks das Verdienst, ihm die Herzogthümer unterworfen zu haben, freilich vernichtete er den Einfluß Preußens an der Niederelbe, aber er ersparte doch Preußen die verhaßte Aufgabe, seine Waffen gegen die Sache und die Stämme zu wenden, für die es gefochten hatte, und nahm den Oesterreichern jeden Vorwand, ihre faktische Suprematie in Deutschland durch eine Truppenbewegung über die Elbe hinaus auszudehnen, so wie jede Möglichkeit fich selbst in jenen Gebieten festzusetzen, und in direkte Verbindung mit Dänemark zu treten. Fürst Schwarzenberg war wahrscheinlich erzürnt, daß die die Herzogthümer

sich

nicht

widersetzten.

Er befürchtete,

daß ihm die Gelegenheit entgangen sei, sich in Hamburg und Rendsburg festzusetzen.

Er tarnte Herrn v. Manteuffel im­

mer noch zu hoch. Herr v. Manteuffel wußte auch diese unerwartete Gunst der Umstände, welche die Statthalter noch dadurch erhöhten, daß sie den Vertrag sofort ausführten, ohne auf die stipulirten Gegenleistungen der Dänen zu warten, die Armee hinter die Eider führten und sogleich reduciren ließen, nicht zu benutzen. Der Durchmarsch des österreichischen Corps v. Legedicz durch Hessen ließ sich vielleicht nicht hindern.

Aber der Ver-

76 trag war abgeschlossen, alS jene Truppen die hannoverschen Grenzen erreichten; dem Cabinet von Hannover war der Be­ such nicht erwünscht.

Im Verein mit diesem Cabinet mußte

Herr v. Manteuffel sofort die Sistimng des weiteren Mar­ sches auf Grund des abgeschlossenen Vertrages verlangen. Der Feldmarschalllieutenant Legedicz hatte

es

versucht,

von Bamberg durch Meiningen nach Hessen zu marschiren. Der Herzog von Meiningen hatte sein Veto eingelegt und durchgesetzt.

Was der Herzog von Meiningen erlangte, ver­

mochte daö Preußen nicht mehr? Herr v. Manteuffel, der so lange die Unterhandlungen schwebten, wiederholt erklärt hatte, daß die Oesterreicher um­ kehren würden, sobald die Statthalter sick unterwürfen, schämte sich nicht,

einen

gültig

abgeschlossenenen

zu Gunsten Oesterreichs und

Vertrag

zu Ungunsten Preu­

ßens zu brechen. Wir wollen auf die elenden Ausflüchte, mit welchen die Organe des Herrn v. Manteuffel den dreifachen Vertrags­ bruch zu beschönigen suchten, nicht weiter eingehen.

Der Ein­

marsch geschah gegen den Frieden vom 2. Juli, d. h-, bevor der König von Dänemark seine Absichten dargelegt hatte, ge­ gen den Vertrag von Olmütz, denn die Statthalterschaft hatte sich gefügt, gegen die Stipulation der Commissare, zu welcher sie

Vollmacht

hatten.

Mit gewohnter Effronterie

sich jene Schreiber damit zu helfen, anging, d. h. bis die verbreiteten,

Thatsachen

die Truppen

zögen

suchten

daß sie, so lange eS zu grell widersprachen,

gegen

die

Dänen

nach

Holstein, und daß sie endlich, als auch dieser Vorwand durch Thatsachen widerlegt wurde, den Beweis der

Einheit

ihre Freude aussprachen über

und

österreichische Truppen nordwärts

Macht Deutschlands, der'Elbe

ständen!

daß Die

Schleswig-Holsteiner lernten in Schleswig wie in Holstein direct und indirect nicht die Macht Deutschlands, wohl aber die Dänemarks kennen, der sie allein unüberwunden Trotz ge­ boten hatten.

79

Die Ausflucht, welche der preußische Minister deö Aus­ wärtigen selbst brauchte, dürfen wir nicht übergehen. Er behauptete in der ersten Kammer, daß die Bundescommiffare die Protocolle, in welchen die Unterhandlung mit der Statthalterschaft niedergelegt worden war, nicht genehmigt hätten. Wußte er, daß er damit eine Unwahrheit sagte? Er zog sich mit dieser Behauptung dann auch sofort eine Zurecht­ weisung zu, in welcher ihm, dem Ministerpräsidenten Preußens, die Unrichtigkeit dieser Behauptung öffentlich' nachgewiesen wurde. Mit gewohnter Schlauheit hatte Herr v. Manteuffel geglaubt, mit dieser Behauptung durchzukommen, weil die Kommissare die Protocolle zwar nicht unterschrieben, wohl aber genehmigt hatten. Der Protokollführer jener Conserenzen, der Justizrath Schlei­ den, erklärte sofort in der Sächsischen Constitutionellen Zeitung, daß jene Erklärung deS Herrn Ministerpräsidenten v. Man­ teuffel nicht richtig sei. „Die Protocolle sind nach beendigter Sitzung jedesmal sofort laut verlesen und, nachdem einzelne Ausdrücke auf Verlangen geändert worden, von sämmtlichen Anwesenden, namentlich auch von den Herren Bundescommissairen als richtig anerkannt. Daß dies geschehen ist, auch in der zu allen Zeiten und bei allen Behörden den Herzogthümern üblichen Weise am Schluffe der Protocolle durch die Buchstaben „V. G." (d. h. vorgelesen und genehmigt) aus­ drücklich bemerkt und mit meiner Namensunterschrift beglaubigt. Demnächst ist unmittelbar nachher eine fidemirte Abschrift der resp. Protocolle den Herren Bundescommissarien officiell mit­ getheilt, ohne daß jemals von denselben nachträglich irgend eine Einwendung gegen die Richtigkeit der Protocolle erhoben worden." UeberdieS wußte aber Herr v. Manteuffel, daß, wie es auch mit jenen Protokollen sich verhalte, auf diese insofern gar nichts ankomme, als alle Punkte der Conferenz-Verhandlungen daneben noch im schriftlichen Verkehr behandelt wor­ den sind, und daß die von den Commissaren ausgegangenen

80 Schriftstücke dieselben Bedingungen und Zusagen enthielten wie die Protocolle. Herr v. Manteuffel begnügte sich nicht damit, den Ver­ trag vom 1t. Januar seinerseits gegen Oesterreich und gegen Holstein nicht aufrecht zuhalten, er machte auch dem Fürsten Schwarzenberg den Bruch desselben erst möglich. Das Corps von Legedicz war nicht in der Lage,

auf

dem Marsch nach Holstein die Elbe überschreiten zu können, am wenigsten in jenen Tagen des Januar, wo der Flusi mit Eis trieb. Herr v. Manteuffel beeilte sich, einen Brückentrain von Berlin zu schicken und den Oesterreichern dadurch bei Artlen­ burg den Uebergang über die Elbe möglich zu machen. Hatte Herr v. Stockhausen die Truppen im November ans Hamburg und Rastatt gezogen, Herr v. Manteuffel beeilte sich, die Oesterreicher in Rastatt, Hamburg und Rendsburg einziehen zu lassen.

Herr v. Manteuffel baute jene Brücke,

damit die Demüthigung Preußens, wie in Hessen, so auch in Holstein aller Welt klar gezeigt werde, um den Oesterreichern zu gestatten,

ihre Fahnen in Haniburg

und an der Eider

aufzupflanzen, um zu zeigen, daß die Festungen und Gebiete, welche Preußen stüher betteten und besetzt hatte,

nunmehr

den Oesterreichern zugänglich seien, um der Welt zu verkün­ den, daß Oesterreich Von Florenz bis Rendsburg, von Rastatt und Mainz bis Belgrad herrsche, das Preußen Nichts sei und Oesterreich Alles! Herr v. Manteuffel blieb auch bei diesen Resultaten nicht stehen.

Um die Dänen den Oesterreichern noch dankbarer zu

machen, beeilte sich Herr von Manteuffel, obwohl ihm Fürst Schwarzenberg mit klugem Vorbedacht nach dem Einrücken der Oesterreicher in Holstein, d. h. nach gelungener Machtent­ faltung Oesterreichs,

alle weiteren Arrangements überlassen

und den dänischen Unterhändler Grafen Sponneck an Herm v. Manteuffel gewiesen hatte: Friedrichsort, die Außenwerke von Rendsburg, endlich da- Kronenwerk dieser Festung, den Brückenkopf über die Eider, den Dänen zu überliefern.

81 Mit Recht ist gesagt worden, daß diese Ueberlieferung einer deutschen Grenzsestung schlimmer sei, als der Verrath Straßburgs an Frankreich durch jene drei bestochenen RathSherren.

Dort machten Private aus Eigennutz oder weil sie

den Kamps einer kleinen Bürgerschaft gegen Frankreich für Wahnsinn hielten, die Vertheidigung der Stadt unmöglich. — Hier öffnete die Großmacht Preußen, »das Schwert Deutsch­ lands", nicht zufrieden Schleswig-Holstein den Dänen wieder unterworfen zu haben, dem Landesseinde die Festung Deutsch­ lands.

War es die Aufopferung eines Märtyrers für Oester­

reich,

welche Herr v. Manteuffel mit dieser Schmach des

deutschen Namens über sich nahm?

Ein solcher hat wenig­

stens keinen Anspmch an der Spitze Preußens zu stehen. Wenn Herr v. Manteuffel die militairischen Gefahren, welche sein System für Preußen herbeiführte, nicht einsah; und dies scheint nicht der Fall gewesen zu sein, denn die Re­ form

sah mit patriotischem Stolz

die Oesterreicher an der

Eider, — so mußte ihm Herr v. Stockhausen über diesen Punkt die Augen öffnen, statt die Pioniere der Garde nach Artlenburg zu schicken

und österreichische Genietruppen zum CorpS des

General Legedicz durch Magdeburg marschiren zu lassen. Zunächst mußte Herr v. Stockhausen wissen, daß man mit dem Brückenköpfe und den Außenwerken von Rendsburg den Eiderübergang und damit die Möglichkeit jeder Offensive gegen die Dänen, ja jeder Drohung mit einer solchen aufgab. Noch

gefährlicher war die Stellung der Oesterreicher.

Zwar haben die Organe des Herrn v. Stockhausen diese Ge­ fahr-geleugnet, indem sie behaupten, das österreichische Corps in Holstein sei ja abgeschnitten. das ohne Zweifel besser.

Herr v. Stockhausen weiß

20,000 Oesterreicher und 40,000

Dänen mit Rendsburg und Friedrichsort, dem befestigten Fried­ richsstadt und Schleswig, mit Dänemark hinter sich, sind kei­ neswegs abgeschnitten.

Eine solche Armee auf dem rechten

Elbufer würde nicht blos Hannover und Mecklenburg von einem preußischen Bündniß zurückschrecken, sie würde Preußen selbst bis nach Magdeburg hin bedrohen und mindestens den

6

82 vierten Theil der preußischen disponiblen Feld-Armee gegen sich

in Anspruch nehmen.

Hatte Herr v. Manteuffel doch

das Gegengewicht der dänischen, welches sich in zwei Feldzü­ gen als vollkommen ausreichend

bewährt hatte,

die Armee

der Herzogthümer, selbst zerstört! Kannten etwa die Herren v. Manteuffel und von Stockhausen die Intentionen des Fürsten Schwarzenberg so genau? Rechtfertigte Zuttauen? und

seine Haltung im November

etwa ein großes

War man in Dresden schon mit der Verfassung

der Sicherung Preußens

in

derselben

fertig?

konnte dort überhaupt mit der Feder erreicht werden,

Was wenn

man sich auf dem Felde der Thatsachen überall geschlagen gab und nicht aufhörte, die preußischen Schlachtfelder in Baden, Hessen und Holstein den Oesterreichem zu überliefem? Die Herren v. Manteuffel und Stockhausen scheinen strilich nicht zu wissen, durch welches Mittel diplomatische Erfolge erreicht zu werden pflegen.

Herr v. Stockhausen glaubt frei»

lich nicht an kriegerische Möglichkeiten, weil er sie nicht will. Er

erspart dadurch dem Fürsten Schwarzenberg die Kosten

der Campagnen.

Denn allerdings ist es nicht die Absicht des

zu führen,

Fürsten Schwarzenberg mit Preußen Krieg son­ dern vielmehr Preußen in die Lage zu sehen, daß es lei­ nen Krieg führen kann. Preußen zu umgarnen, die Situation so zu stellen und die Dinge dahin zu bringen, in Preußen sagen müssen:

daß alle schwachen Gemüther

ja unter diesen Umständen kenn

man doch keinen Krieg führen; dies ist dem Fürsten Schvarzenberg, Dank der Weisheit und Vaterlandsliebe der Herren v. Manteuffel und Stockhausen, im November gelungen und wird

ihm wieder gelingen,

sobald er den Moment für ge­

kommen erachtet. Herr v. Manteuffel war indeß mit andern Sorgen be­ schäftigt.

Er mußte die Berichte der preußischen Polizeiazrn-

ten lesen, welche seit längerer Zeit in den Herzogthümem stationirt waren.

Der Agent Goldheim hatte die Herren Auge

und Klapka in Altona gesehen!

Der Aufenthalt in Alona

83 gefiel

Herrn

Goldheim

und

er

berichtete

deshalb

von

Bald

lie­

Zeit zu Zeit einige wunderbare Neuigkeiten. fen noch fürchterlichere Nachrichten ein.

Die Aufpasser, die von

Berlin auS in die holfteinfchen Bataillone geschickt waren, sagten au-, daß eine Militairrevolution bei Gelegenheit der Armeereduction ausbrechen werde, geleitet würde.

welche von Herrn Eavoie in Paris

Die Sache war so wichtig,

daß man eö

Herm v. Thümen nicht allein überließ, diese neue Revolution aufzusuchen.

Ein höherer Polizeiagent, Herr Hoffrichter, wurde

von Berlin aus zur Unterstützung des General v. Thümen abgeschickt. bald genug, Klapka,

Ein einsichtiger Polizeibeamter

gewahrte dieser

aus welchen Quellen die Berichte über Herrn

Herrn Rüge

und Herm Savoie geflossen waren,

und zog fich zurück, ehe er sich compromittirt hatte. Die Organe des Herrn v. Manteuffel behaupten, daß Herr v. Manteuffel als ein rettender Friedensengel in Schles­ wig-Holstein erschienen sei; denn die Lage der Herzogthümer sei hoffnungslos gewesen und Herr v. Manteuffel selbst hat sich wiederholt in den Kammem gerühmt, daß er dem Lande den Frieden zurückgegeben, dessen es nach so langem Kriege dringend bedurft hätte. Uns ist die Lage der Herzogthümer niemals hoffnungs­ voller erschienen, teuffel Winter

gut

als zu der Zeit,

schien,

war

sie

den

da es Herm v. Man­

Dänen

endlich im Anzuge,

die

preiszugeben. Ströme

und

Der Mo­

räste, hinter denen die Dänen ihre Stellung hatten, verloren eben ihre militairische Bedeutung, die Armee der Herzogthü­ mer war durch einen Feldzug und einen fortdauernden kleinen Krieg von sechs Monaten besser und abgehärteter als je, ihre Zahl war stärker geworden als die des dänischen Heeres, man hatte sich von einem unfähigen Feldherrn befreit, welcher nach einer gewonnenen Schlacht der Armee den Rückzug befohlen und darauf den Muth verloren hatte, einen energischen An­ griff zu wagen. Was den Frieden bekifft,

so sind nicht alle Leute so

6

* . Interessen Preu­ ßens wirklich am Herzen lagm. Jndessm hatte ein seit längerer Zeit fortgesetztes, ein konse­ quent geführtes und wohl organisirteS Verdächtigungssystem dm Kollegen deS Hrn. v. Manteuffel bereits in Miß­ credit gebracht. Gewisse Agentm hatten mit großer Thätig­ keit und einer besseren Sache würdigen Geschicklichkeit die Meinung zu verbreiten gewußt, daß Hr. v. Manteuffel vorzugsweise der Träger einer entschiedenen, ja die einzige Stütze der wahren preußischen Politik sei, während Hr. v. Ra­ dowitz in schwankender und phantastischer Weise sich bald hier­ hin, bald dorthin verirre. Die Wahrheit ist, daß der General Radowitz einem wohl angelegten Plane unterlag und Hr. v. Manteuffel, nachdem ihm der Gang der Ereignisse erlaubt hatte, wieder er selbst zu werdm von allen Grundsätzen, zu denen er sich bis dahin mit vielen Versicherungen von Ehrlichkeit und Festigkeit bekannt hatte, abfiel. Er suchte und fand seine neurn Stützpunkte in der sogenannten nmprmßischen, in der That völlig unpreußi­ schen Partei und der in Berlin den Ton angebenden fremden Diplomatie. Diese neupreußische Reaction, welche sich bisher in den Glanz der ruhmvollen schwarz-weißen Farben gekleidet hatte, war offen zu den schwarz-gelben übergegangen. Eine Ver­ söhnung mit dem absolutistischen Oesterreich, selbst auf Koftm der Untemerfung des Landes mtsprach ihrem Gedankm einer nunmehr wieder mit Sicherheit zu übmdm Tmdenzpolitik.

9

Die ersten Concesstonerr. Wenn die Patrioten mit Betrübniß der Politik entgegen­ sahen, welche Einer der früheren Vertreter einer herz- und geistlosen absolutistischen und büreaukratischen Richtung verfol­ gen werde, so dursten Alle, selbst die Parteigmossen deS Hrn. v. Manteuffel, wenn sie mit demselben über auswärtige Angelegmheiten auch nur flüchtig gesprochen hatten, mit vollstem Recht seine Fähigkeit für etwas Anderes als für innere Ver­ waltung bezweifeln. Die ersten Acte deS neuen auswärtigen Ministers recht­ fertigten vollkommen selbst die am Weitesten gehenden Be­ sorgnisse. ES wurde sogleich (noch am 2. oder 3. Novbr.) dem Wiener Cabinet erklärt, daß Preußen gegen ein einseitiges Vorschreiten Oesterreichs und seiner Verbündeten in Hessen und Holstein Nichts einzu­ wenden habe. Weshalb diese von freien Stücken ohne Unterhandlungen gemachte Concession? Der neue Minister deS Auswärtigen hoffte nicht nur Oesterreich durch einen Act der Unterwerfung sich geneigt zu machen, sondern meinte noch überdies, daß da­ mit Vortheil verbunden sein würde, Oesterreich werde sich noch unpopulärer machen, Preußen aber in der öffentlichen Meinung besser dastehen. Es ist eigenthümlich mit dem Factum dieser ersten Eon« cessionm ergangen. AlS dasselbe anfing bekannt zu werden, erhob sich, namentlich in Berlin, ein wahrer Sturm in der öffentlichm Meinung. Sofort leugneten denn auch die Blät­ ter des Ministerium und die Agenten des Hm. v. Manteuf­ fel die Eristmz dieser Concessionen ab. Ja eS wurde davon gesprochen, gegen diejenigen mit Ausweisungen vorzugehen, welche daS Factum behauptet hätten. In der Schrift „Weg mit Manteuffel", welche bekannt­ lich von einem der eifrigsten und vertrautesten Agenten des

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Ministers herrührt, wurde wie in vielm ministeriellen Correspondenzen das System der Verläumdung gegen den alten Collegen des Hrn. v. Manteuffel so weit getrieben, daß gradezu behauptet wurde, Hr- v. Rad »Witz habe in der In­ struction an den nach Warschau reisenden Grafen Branden­ burg zugestanden, daß "bie sogen. BundeSerecution in Kurhessm und Schleswig erfolgen sollte. Dies Gewebe, welches selbst einsichtigm Augen die Wahr­ heit verdeckte, ist dann endlich durch die Depesche des Fürsten Schwarzenberg vom 7. Decbr. zerrissen: »Wir erlangten gleich im Anfange des vorigen Monats, sagt derselbe, die feierliche Versicherung, daß die Vollstreckung der Bundesbeschlüsse in Kurheffen und Holstein auf ftinm Widerstand stoßen würde." Wenn Hr. v. Manteuffel eS mit Preußen gut meinte, und einige Fähigkeit besaß, so würde er versucht haben, da­ mals von Oesterreich gegen jene ungeheure Concession an­ dere Concessionen zu erlangen. Hr. v. Manteuffel unter­ handelte indessen nicht wegen dieses Gegenstandes, sondern er ertheilte jene feierliche Versicherung ohne Gegenconcessionen zu fordern. WaS jene Concessionen zu bedeuten hatten, brauchen wir nicht darzulegen. Sie warm tödtlich für die Ehre Preußens, aber zugleich für die Eristenz PrmßmS, die politische und mili­ tärische. ES wurde dem Feinde gestattet, in die Lücke zwischen den beiden Theilen der Monarchie einzudringen und zugleich im Rücken Preußens, da wo eS am Meipm von militärischen Schutzwehren entblößt ist, eine militärische Stellung einzunehmm. Da die Verfassung Deutschlands noch nicht festgestellt war, da fernere Verhandlungen über die Stellung Preußens erst noch entscheiden solltm, so war nunmehr für diese Verhandlungen Preußen gebunden an Oesterreich überliefert. Der Zufall hat eS gefügt, daß Hr. v. Manteuffel ohne es zu wollen, indirect selbst da- Verdammung-urtheil über seine Handlungen ausgesprochen hat.

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Er sagt in der Denkschrift, welche später die Olmützer Convention begleitete: „Preußen- politische Stellung fordert das Anerkenntniß, daß keine deutsche Frage ohne seine Theilnahme entschieden, daß also weder die kurhessische, noch die holsteinische Frage von den in Frankfurt versammelten Regierungen einseitig int Ra­ mm dkS Bundes definitiv erledigt tonten können, Preußens militärische Stellung fordert, daß weder zwischen beiden Theilen der Monarchie, noch im Rücken derselben eine fremde Truppmmacht aufgestellt werde, ohne eine entsprechende Entfaltung seiner eigmm Truppenmacht an diesm Orten selbst. Wird ihm Beides, oder auch nur eines von Beiden geweigert, so muß eS Krieg machen, und die Opfer eines solchen Krieges werden vor dem Lande, der Krieg selbst vor Europa gerecht­ fertigt sein." Die Olmützer Convention entspricht allerdings formell und scheinbar den hier aufgestellten beiden Grundbedingungm für die politische und militärische Wohlfahrt Preußens. Aber entsprechen ihr auch die Concessionen vom 2.und 3. November? Gerade im Gegentheil. Kraft dieser Concessionen sollte der Bundestag in seinem Sinn die beidm Fragen abmachm können und sollte jedenfalls in Holstein kein preußi­ sche- Truppencorps entfaltet werden. Es hat daher Hr. v. Manteuffel ohne es zu ahnen selbst erklärt, daß er Oesterreich etwa- freiwillig zugestanden, welche- PreußmS politische und militärische Stellung verletzte und dessentwegen, wenn eS von Oesterreich hartnäckig gefordert würde, Preußen einen Krieg machen müßte.

Die verhinderte» Concessionen. Wir müssm noch einer ferneren Concession erwähnen, welche Hr. v. Manteuffel damals machen wollte und welche er, soweit bekannt, später gemacht hat. Die Instructionen des Hrn. v. Radowitz für Warschau

12 gingen aus Einem Systeme hervor. In demselben war das UnirungSrecht die Hauptsache. Kraft desselben sollte Preußen einen Bundesstaat schaffen können, der daS politische Interesse und das politische Leben der Nation in sich aufnähme: Um dieS zu erreichen sollte der weitere völkerrechtliche Bund, in welchem Preußen mit Oesterreich gleiche Rechte haben sollte, möglichst wenig nationales und politisches Interesse gewährett. Kein besseres Mittel dafür, als wenn die italienischen, flavischen, polnischen, ungarischen Provinzen Oesterreichs in denselben eintraten, und wenn neben dem BundeSrath keine Volksvertretung eristirte. In diesem Systeme waren also der Eintritt der österrei­ chischen Gesammtmonarchie in den Bund und der Wegfall der Volksvertretung im Bunde vielmehr Concessionen Oesterreichs an Preußen, als Preußens an Oesterreich. Fiel indessen das Recht der bundesstaatlichen Unirung weg, so kehrte sich die Sache um und jene beiden Puncte wur­ den für Oesterreich Mittel, Preußen in eine vollkommene Ab­ hängigkeit zu bringen. In Warschau hatte Oesterreich jene beiden Punkte acceptirt, aber das UnirungSrecht so wie die Parität abgelehnt. Am 2-Novbr. war dann durch die Verwerfung des Radowitz'schen Programms, thatsächlich für Nachgiebigkeit gegen Oesterreich entschieden. ES verstand sich von selbst, daß man, wmn auch nicht die Parität, so doch jedenfalls das UnirungS­ recht, welches die eigentliche Ursache deS Streites war, aufge­ ben mußte. Dennoch ließ Herr v: Manteuffel in dem nach Men gerichteten Schreiben die in Warschau übereingekommenen Punkte bestehen. Der verstorbene Graf Brandenburg, damals schon den Tod im Herzen und gewiß ein ebenso ehrlicher Mann als er ohne staatSmännische Befähigung war, entdeckte daS —Verse­ hen. Er bewirkte noch zu rechter Zeit, daß dem nach Wien gehenden Schreiben noch jene Erklärung hinzugefügt wurde wodurch die in Warschau gemachten Zugeständnisse zurückge-

13 nommen wurden und dafür gesorgt wurde, daß die Sache wie­ der vollkommen auf den Standpunkt vor den Warschauer Con« ferenzen gestellt wurde. Wir zweifeln nicht an der Wahrheit der Nachricht, daß Hr. v. Manteuffel jetzt mit dem Fürsten Schwarzenberg vollkommen darüber einig ist, daß die österreichische GesammtMonarchie in den Bund eintrete, und daß am Bundestage keine Volksvertretung stattfinde. Daß das Recht auf eine bundes­ staatliche Union auch jetzt kaum mehr beansprucht wird, ergiebt sich von selbst.

Die Mobilmachung. Welchen Sinn hatte nach den Zugeständnissen vom 2. und 3. November die am 6. November stattfindende Mobilisirung? ES hat der Kriegsminister General v. Stockhausen am 4. December in der 2. Kammer als Grund der Mobilmachung angegeben: „weil die Rückantwort auf die von Preußen vor dem 2. November gemachten Vorschläge und Anerbietungen am 6. November noch nicht eingegangen gewesen sei." Wir müssen bekennen, daß wir dies nicht verstehen. Da es sich am 6. November um eine Rückantwort nicht auf ältere, sondern nur auf die am und seit dem 2. Novbr. gemachten Vor­ schläge und Anerbietungen handeln konnte, so müssen wir uns erlauben, an der Richtigkeit der Angabe sehr zu zweifeln. Da in derselben Rede dieser Kriegsminister, Angesichts der Thatsache, daß die österreichische Armee in voller Bewegung gegen die preußischen Gränzen war, sagt: am 2. November würde die Mobilmachung „ein brutaler Angriff" gewesen sein, so möchten wir fast annehmm, daß der Gen. Stockhausen die ganze Sache überhaupt nicht recht begriffen hat. Soweit wir zu ersehen vermögen, sollte die Mobilmachung eines Theils nur ein Mittel sein, um die öffentliche Meinung zu beruhigen, welche sich in einer bisher ungeahnten äugen-

14 blickllchen Aufwallung geltend machte, auf der andern Seite ein Mittel, um von dm freiwillig und übereilt gemachten ge» fährlichen Concessionm wieder etwa- herunterzukommen. In ersterer Beziehung sollte sie dm Ministem ihre Stel­ lung erhalten, in letzterer sollte sie die begangenen Fehler gut­ machen. DaS Volk aber hatte die etwa 30 Millionen zu be­ zahlen, welche die Mobilmachung kostete. Die Stellung Preu­ ßens mußte dadurch noch aggravirt werden, daß eS sich Gewehr im Arm vor Oesterreich und vor Baiern bmgteAllerdings durften selbst Anhänger deS Herm v. Man« teuffel die Mobilmachung einen „leichtsinnigen Streich" nen­ nen. Ilnd im Sinne des Herrn Ministers war sie es in der That. Die Mobilmachung verschlimmerte indessen auch die Lage deS Ministeriums Oesterreich gegenüber. Wenn auch die Per­ son „deS so entschiedenen Vertreters der FriedmSpartel in Preu­ ßen" dem Fürsten Schwarzmberg Garantien bot, so mußte ihm doch dieser Schritt, der dm eben gemachtm ungeheurm Con­ cessionen folgte, unbegreiflich erscheinen. Er soll später in Olmütz dem Hrn. v. Manteuffel offen bekannt habm, daß er nach der Mobilmachung geglaubt habe, Preußen habe durch jene Concessionen Zeit zu Rüstungm gewinnm wollen, wie denn dies auch in Berlin geflissentlich verbreitet wurde. Er konnte allerdings nicht wissen, daß „der so entschiedme Ver­ treter der FriedmSpartei" sich auf seinem Posten nur haltm konnte, wenn er dem Volke dm Glauben gab, daß er dm Krieg wolle. Oesterreich wurde gegen dm neuen Minister deS Auswärtigen im höchsten Grade mißtrauisch. Die Art, wie derselbe nun von den ersten Concessionm wieder herunterzukommen, die begangenen Fehler etwas zu ver­ bessern suchte, ist für die Fähigkeit desselben charakteristisch. Statt offen zu rrklärm: eS sei für daS Ministerium nicht möglich, eine militärische Intervention deS Bundestages in Hessen und Holstein zuzulassen, weil die Volksstimmung eS nicht erlaube und weil eS mit PreußmS Sicherheit und dm seit Jahrhundertm beobachteten Principien unverträglich sei, daß eine österreichische Macht in Preußens politisiern Rayon

15 Position fasse, meinte Hr. v. Manteuffel, man müsse alleGewicht auf die Etappenstraßen werfen. Er sah nicht, daß darin ein kleinlicher und einem Kniff sehr ähnlicher nicht RechtSgrund, sondern offenbar bloßer RechtSvorwand liege. Er sah nicht, daß die Etappmstraßen blos das Recht eines Durch­ marsches, aber nicht einer Occupation des Landes, das Recht zum Gehen, nicht zum Stehen gäben. Hr. v. Man­ teuffel glaubte sich einen besseren Politiker als Hr. v. Radowitz, wmn er statt eines politischen Grundes einen juri­ stischen vorbrachte. Die Folgen wurden bald ersichtlich. In der totalen Nich­ tigkeit des Verlangens, die Etappenstraßen stark besetzt zu hal­ ten, mußte der Fürst Schwarzenberg eine listige Absicht und nur noch mehr Ursache erkennm, gegen Preußen, welches den Krieg, aber zugleich eine momentane Verzögerung wünsche, vielleicht gar mit der Umschließung eines Theiles der öfter# reichischen Truppen den Krieg beginnm wolle, auf seiner Hut zu sein. Um dem langweiligen Advocatengezänk, welches sich entfponnm hatte, ein Ende zu machm, legte der Fürst Schwar­ zenberg endlich ein Ultimatum vor und verlangte dessm An­ nahme innerhalb, wenn wir nicht irren, 48 Stunden. So hatte denn Hr. v. Manteuffel die beidm ersten Stilübungen in der auSwärttgen Politik theuer bezahlt, nur schade, daß daS Land sie noch theurer bezahlm muß. Er hatte gerade das Gegmtheil von dem erreicht, was er wünschte, statt dm Krieg zu vermeiden, hatte er ihn scheinbar unvermeidlich gemacht.

O l m ü tz. Unvermeidlich, — wenn Herr v. Manteuffel da­ bewaffnete Preußen nicht durch daS eaudinische Joch schickm wollte. ES verstand sich von selbst, daß wmn der Krieg noch vermieden werdm sollte, man jetzt härtere Bedingungm unterzeichnm mußte, als am 2. November. An-

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dererseitS freilich war man, wenn man Krieg wollte, durch jenes brüske Ultimatum in eine günstige Lage gekommen. Denn eines Theils warf cS auf Oesterreich den Vorwurf der Aggression, und anderen Theils setzte eö Preußen in eine rein defensive Stellung. Hr. v. Manteuffel brachte eine Zusammenkunft mit dem Prinzen Schwarzenberg in Anregung. Da die früher wunderbar verzögerten Rüstungen erst in einigen Tagen beendigt werden konnten, war dagegen an sich Nichts einzuwenden. Wollte man aber den Frieden um jedm Preis, so lag schon in dem Verlangen nach einer Conferenz gegenüber einem stolzen Ultimatum eine Demüthigung. Sind wir genau unterrichtet (und wir glauben eS zu fein), so erlangte Hr. v. Manteuffel die Einwilligung Sr. Maj. des Königs und einiger Mitglieder des Staatsministeriums nur dadurch, daß er erklärte, durch die Zufammmkunst thun Auf­ schub zur völligen Vollendung der Rüstungen erlangen zu wollen. Hr. v. Manteuffel mußte sich überdies entschließen, feine Begierde, die Ehre Preußens zu wahren, durch etwas strengt Instructionen zügeln zu lassen. Ohne Zweifel wußte Hr. v. Manteuffel sehr gut, daß wenn er sich innerhalb dieser Instructionen hielt, an ein Uebereinkommen mit Oester­ reich nicht zu denken war. Großes staatSmännifcheS Talent gehörte wenigstens nicht dazu, dies zu sehen. Vielleicht war er von Anfang an entschlossen, sich an diese Instructionen nicht zu binden. Ueberschritt er sie, so war freilich klar, daß eS einen Conflict mit dem interimistischen Ministerpräsidenten ge­ ben werde, von den übrigen Ministern war Hr. v. Man­ teuffel gewiß, überzeugt, daß sie mit unerschütterlicher Charak­ terfestigkeit an ihren Plätzen festhalten würden. Wir sännen jetzt durch die Depesche deS Fürsten Schwar­ zenberg die Richtigkeit jenes und schon früher bekannten Fac­ tums beweisen, welches in den Annalen der Diplomatie wohl für immer einzig dastehen wird. Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten und gegen»

17 «Artiger Ministerpräsident des Königreichs Preußen tat den Fürsten Schwarzenberg nicht nur auf daö Dringendste um eine Unterredung, sondern benachrichtigte denselbm auch einige Stunden nach Empfang der Bitte, daß er nach Olmütz gehen würde, ohne des Fürsten Antwort abzuwarten- Er fand eS für gut, sich bei dieser letzteren Handlung auf einen posi­ tiven Befehl deS Königs von Preußen selbst zu beziehen, sei es, um der Bitte noch mehr Nachdruck zu geben, oder um die ihn persönlich drückmde Last leichter zu machen. Nicht ohne Gmnd erzählt der Fürst Schwarzenberg dies Factum umständlich feinen Gesandten zwei Mal und nimmt eS selbst zum Ausgangspunkt feiner zweiten Depesche. Diese Demüthigung der Monarchie Friedrichs deS Großen in der Person ihres Ministers mochte für dm Augmblick dem österreichischen Stolze gmug Ihuü, wie der Stolz deS mittel­ alterlichen Fürftm eine Gmugthuung darin fand, wenn der Feind in Sack und Asche mit dem Strick um den Hals um Friedm bat. 3rrot wir nicht, so ließ der Fürst Schwarzenberg in Olmütz dm Hm. v. Manteuffel noch durch eine sehr zweifcmtige Behandlung seine Meinung so lange empfindm, bis er alle Forderungen bewilligt hatte, Forderungen, die in direk­ tem Widerspmche mit den ertheilten Instructionen standen. Diese Forderungen.waren hart. Hatte am Anfange November Hr. v. Mänteuffel von freien Stücken sich erboten, die bundestägigen Maßregeln ge­ gen die Schützlinge PreußmS zuzulassen, so hatte seine Politik eS ganz ohne Noth am Ende November dahin gebracht, daß er jetzt gezwungen wurde, die Theilnahme Preußens an' der Intervention gegen seine Schützlinge zu versprechen. Hr. v. Manteuffel behauptet, das Zweite sei besser als das Erste. Ludwig XIV. gestand von halb Europa überwältigt die Entthronung feines Enkels, des Königs von Spanien durch fremde Waffen zu. Als von ihm die Theil­ nahme an diesem Act verlangt wurde, verwarf er den Frieden und erkämpfte ungeahnt bessere Bedingungen.

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Ist jmeS aber wirklich die Meinung des Hm. v. Manteuffel, so würden wir darin nur die Bestätigung unserer Ansichten über daS Ehrgefühl und die politische Befähigung desselbm finden. Der Fürst Schwarzenberg erklärt in seiner Depesche über den Olmützer Tractat, nachdem er mit großer Mäßigung ge­ sagt hat, er habe Preußen nicht erniedrigen wollen, daß eS auch andererseits kein Opfer habe bringen wollen, das nicht ohne Nachtheil für daS wesentliche Ziel der Politik Oe­ sterreichs hätte gebracht werden können. ES ist bekannt, waS Oesterreich seit einem Jahrhundert, seit Friedrich dem Großen, als daS Ziel seiner Politik ansieht. ES ist bekannt, waS Fürst Schwarzenberg einer deutschen Fürstin noch in diesem Jahre erklärte: „Die Stärke Preußens besteht nur in der Achtung, der eS sich in Deutschland zu erfreuen hat. Wenn man ihm diese Achtung entzieht, so beraubt man eS jeder Stärke. II saut Vavilir, et apr&s la demolir." Da- Erste ist unter dem Ministerium des Hm. v. Manteuffel rasch erfüllt worden; wir fürchten, daß wenn die we­ nig befähigte oder mißleitete Hand desselben ferner am Steuermder bleibt, auch daö Zweite in Erfüllung gehen werde.

Die Großmacht Preußen. Seit der französischen Revolution und der Theilung Polenö verlangt die große Politik noch dringender als zuvor eine Stärkung der Mitte Europa'- gegen die Uebermacht Frank­ reichs und die Uebermacht Rußlands. Eine selbständige Hal­ tung Preußen- zwischen diesen beiden Mächten, die wirkliche Großmacht Preußen ist ein europäisches Bedürfniß, wel­ che- um so tiefer empfundm werden muß, je näher Oesterreich sich an Rußland anzulehnen gemüßigt gesehen hat. Die Politik Friedrich- de- Großen hatte die Absicht, diese Großmacht in die Mitte Europa- zu schaffm und zu erhalte»

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erreicht. Friedrich erkannte, daß zur Vollendung derselben die Verbindung der kleinen deutschen Staaten mit Preußen gehöre, um Preußen den übrigen Großmächten gegenüber die verhältnißmäßig nothwendigen materiellen Kräfte hinzuzufügen: er schloß den Fürstenbund und führte Preußen in selbständiger entscheidender Haltung gegen Osten wie gegen Westen. Dies ist die einzig richtige Politik, welche Preußen auf England, mit welchem es die gleichen Interessen gegen Frank­ reich und Rußland theilt, gestützt, führen muß, wenn eS eine Großmacht bleibm, wenn es nicht zu der Stellung von Schwe­ den oder Baiern sich selbst herunterdrücken will. Alles Unheil, waS Preußen feit dem Tode Friedrichs des Großen getroffen, hat seinen Grund darin, daß dieser Staat von der Politik feines Gründers undankbar abgewichen ist. Die Abweichung liegt vor Allem darin, daß man seit dem Augenblicke, in welchem Kaiser Leopold dem Oberst von B i sch offSw erd er erklärte, Herhberg müsseabgesehtwerdenund König Friedrich Wilhelm II. diesem Verlangen nachgab, die Frage nach dem Einflüsse der Macht und der Stellung Preu, ßenS in Europa nicht mehr streng festhielt, sondern diSse erste natürliche und nothwendige Politik jedes Staats der Politik der Principien, den Tmdenzfragcn unterordnete. Indem man Frankreich angriff, um das monarchische Princip zu retten, brachte man dasselbe in Frankreich vollmdö zum Falle, man provocirte außerdem durch diese Offenssve die revolutionäre Machtcntfaltung und damit das entschiedene Uebergewicht dieses Staates. Auf der anderen Seite gründete man ebenfalls aus ten­ denziösen sogenannten antirevolutionären Interessen wie in ver­ kehrter Auffassung der Machtftage — welche keineSwegeS durch jedwede Territorialerweiterung gefördert wird — durch die Theilung Polens das Uebergewicht Rußlands im Osten. Man konnte sich hierbei nicht auf das Beispiel Friedrichs deS Großen berufen. Die erste Theilung Polens war keine Theilung, welche der Macht dieses Staates ein Ende machte, sondern eine Gebietsabtretung, welche dem Kerne des preußi2*

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schm Staates die nothwendige Territorialverbindung mit Ost­ preußen sicherte. In der offensiven Tendenzpolitik gegen Frankreich geschla­ gen, wagte man eS danach nicht mehr, das preußische Macht­ gebiet, daS nördliche Dmtschland, wie eS die Aufgabe eines jeden Staates, besonders einer Großmacht, am meisten Preu­ ßens ist, zu vertheidigen. Man scheute den VertheidigungSkneg gegen Frankreich, nachdem man sich zuvor leichtsinnig in dm Angriffskrieg gegen diesen Staat geworfen hatte, man sah der Besetzung Hannovers zu, man ließ sich endlich, nach­ dem Preußen auf den Tod verletzt war, zu Olmütz Hannover schmkm, um sich mit seinem natürlichen, mit seinem ältesten Alliirten, mit England, vollkommen zu überwerfen. ES war ein neuer fundamentaler Fehler der preußischen Politik, daß man 1815 eine Coalition, welche gegen die Su­ prematie Frankreichs geschlossen war, festhielt, nachdem man dm Zweck dieses Bündnisses glücklich erreicht hatte. Die Ten­ denzpolitik erfocht einen zweiten Sieg gegen die Machtpolitik, man verwandelte die Coalition gegen Frankreich in eine Allianz zum Besten deö monarchischen Princips, in eine Affecuranzgefellschast absoluter Krongewalt gegen die Natur des StaatslebmS in den westeuropäischen Staaten und gegen die Jnteres« sm der politischen Entfaltung. Die preußische Macht fand hierbei keinerlei Vortheil. Preußen erschien überall in zweiter Linie hinter Rußland und Oesterreich, ja Preußen verlernte in dieser freiwilligen Umerordnung die Führung einer selbständigen Politik, wovon und leider die Erfahrung der Jahre 1849 und 1850 jetzt belehrt kat. Preußen war von 1820 bis 1840 nicht in der Lage, die rite und natürliche Verbindung mit England festzuhalten und zu cultiviren, eS war nicht in der Lage, Belgien an sich heranjuziehen, mit Sardinien in Verbindung zu treten. Es ver­ mochte nicht, die polnische Bewegung zu seinem und Deutsch­ lands Vortheil zu benutzen, es mußte Krakau in Oesterräch einverleiben lassm und damit selbst den Handelsinterefm Schlesiens einen höchst gefährlichen Stoß geben. Ja sogar

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in Portugal und Spanien wurden die merkantilen Beziehun­ gen des preußischen Staates den Principien der Legitimität geopfert. Zu alledem nöthigte die heilige Allianz Preußen zu einer Politik in Deutschland, welche ihm die Heranziehung der klei­ nen Staaten unmöglich machte, und zwang im Innern Preu­ ßens selbst zu einer widernatürlichen Hemmung der Ent, Wicklung. Die großen nationalen Kräfte Preußens fanden weder nach Außen, noch im Innern Spielraum. Sie versuchten in naturnothwendigem Wege sich durch eine Erplosion Freiheit zu schaffen. Herr v. Manteuffel hat die großen Lehren dieser Er­ schütterung, welche alle Schäden einer falschen Staatsleitung in Preußen bloß gelegt hat, dazu benutzt, einen fundamenta­ len Fehler der preußischen Politik zu erneuern und Preußm in den Schooß der alten Abhängigkeit wieder zurückzuführen. Fehler verschlimmern sich, wenn sie wiederholt werden und dieselben Ursachen führen dieselben Wirkungen herbei. Aber diese Rückkehr hat außerdem mit erheblichen Opfern erkauft werden müssen, die nicht ohne die nachhaltigste Wirkung auf die Stellung Preußen- in Europa bleiben können. Die alte Allianz war ein Pakt, welcher unter selbständi­ gen Paciscenten geschlossen, welcher auS dem freien Willen Preußens hervorgegangen war. Jetzt aber hatte Preußen dm Versuch gemacht, sich dieser Abhängigkeit zu entreißen, seine natürliche Machtpolitik wieder aufzunehmen; Herr v. Man­ teuffel hat diesen Versuch scheitern machen und die Allianz ist wiederhergestellt durch eine förmliche Unterwerfung Preußens. Oder wäre eö keine förmliche Unterwerfung, wmn man in einem entscheidenden Falle bis zur Demüthigung nach­ gegeben hat? Politische Untemehmungen, welche scheitem, sind nicht geeignet, die Ehre und daS Ansehen des Staates, welcher die­ selben begonnen bat, zu erhöhen. Noch weniger ist daS mög­ lich, wenn man mit großen Worten begonnen und mit kleinen

22 oder gar keinen Thaten geendigt hat, am wenigsten, wenn die Führung einer solchen Unternehmung und ohne Fähigkeit war;

schwankend

am verderblichsten,

fehlerhaft

wenn man die

Flagge bereits vor den Rüstungen, Märschen und Drohungen der Gegner gestrichen hat. Am schlimmsten ist die Folge, wenn der Wechsel deS Sy­ stems nicht einmal von einem Wechsel der leitenden Personen getragen und motivirt erscheint. Die auswärtigen Mächte müssen sich sagen,

namentlich

England — und Lord John Russell hat es gesagt, — „die Leitung Preußens gewährt und keine Garantie für die Zuver­ lässigkeit und Festigkeit seiner Politik, betheiligen wir und an ihr, so laufen wir Gefahr,

von

der Hauptpartei, diesem

Staate selber im Stich gelassen zu werden." Die neuen Freunde rühmen sich unterdessen, die Demü­ thigung Preußens nicht soweit getrieben zu habm, als die Umstände es gestatteten.

Dazu kommt noch einS.

selbständig die preußische Politik seit 1820

So un­

gewesen ist, so

glaubte man in Europa doch an die Macht Preußens.

Man

glaubte Preußen fei im Stande, sobald eS wolle, eine eigene und selbständige Richtung verfolgen zu können. Der Vertrag von Olmütz und waS ihm gefolgt ist, hat auch diesen Glauben zerstört.

Preußen ist in einen funda­

mentalen Fehler zurückgefallen, nicht aus eigenem Willen, son­ dern den Gegnern nachgebend.

Mit dem Verlust der Achtung

deS Auslandes, mit der Aufopferung deS Glaubens an Preu­ ßens Befähigung und Macht hat Hr. v. Manteuffel den Staat in eine Lage geführt, welche unnatürlich, irrational, dem Wesen Preußens zuwider ist

und bereits die verderblichsten

Folgen herbeigeführt hat. Die Suprematie Rußlands in Europa ist durchs die Conferenz von Olmütz stärker geworden als zuvor.

Sie wird

in wenigen Jahren erdrückend sein. Mag immerhin die augmblickliche Rückströmung, welche in Folge der Eruption von 1848 eingetreten ist, Hm. v. Man­ teuffel erlauben, jene irrationalen Verhältnisse wiederherzu-

23 stellen, so viel ist sicher, Preußen kann eS nicht auf die Dauer ertragen, aus der Reihe der Großmächte gestrichen zu fein, und noch niemals hat eine Staatsleitung ungestraft die Interessen de- Landes, des Volkes, der Dynastie, die Fragen der Ehre, der Selbständigkeit, der Macht und der Würde dm politischen .Tendenzsragen und dm Doctrinen des inneren Staat-recht» untergeordnet.

Dke Hegemonie in Deutschland. Noch schlimmere Folgm wird die Politik von Olmütz sür die Lage Preußen- in Deutschland herbeistihren. Prmßm war durch die territoriale Gestaltung, welche e» 1815 angenommen hatte, noch bestimmter auf eine Verstär­ kung durch die flehten Staaten angewiesen als zuvor, insbe­ sondere auf eine sehr enge Verbindung mit den norddeutschm Ländern, welche zwischen seinen östlichen und westlichm Pro­ vinzen liegen. ES konnte nicht fehlen, sobald Preußm feinen in­ nerm Bedingungen, seinen eigenen Kräften Raum gab, sobald eS eine Volksvertretung schuf, deren Rechte äußerst beschränkt und knapp zugemessen sein konnten, daß Prmßm von selbst der Mittelpunkt der kleinen constitutionellen Staaten wurde, daß ihm die. Hegemonie derselben zufiel. Preußm hatte nur nöthig, seiner natürlichen Entwickelung im Jnnem Raum zu gebm, um seine Macht in Deutschland sehr erheblich zu er­ weitern. Statt deffm machte man sich zum Complicen einer Bundespolizei, derm Oesterreich allerdings, deren Preußm kr!« neöwegeS bedurfte. Die Versuche, welche Preußm seit 1840 für die Reform der Bundesverfassung machte, mußten natürlich am Widerspmch der Präsidialmacht scheitern. Die Revolution kam und drängte Preußm in die Bahn des ConstitutionaliSmuS, in welche man stüherhin weit ruhiger und sicherer hätte hinübergelangrn

24 können, und das deutsche Volk verlangte, daß Preußen die ihm gebührende Stellung in Deutschland einnähme. Man schien sich preußischer Seit- dieser Stellung nicht versagen zu wollen, man ließ eS wenigstens nicht an Versiche­ rungen deutscher Gesinnung, nicht an Verheißungen, nicht an Verpflichtungen für DmtschlandS Einheit und Größe zu sorgen, DmtschlandS Schwert und Schild sein zu wollen, fehlen. Wir erinnern an die Versprechungen vom 18ten, vom 21sten und 24sten März, an die verschiedenen Befehle an die preußische Armee. Wir müssen bestimmter auf die Verpflichtungen hinweisen, welche Herr v. Manteuffel persönlich übernommen hat. »Ich bin bereit," so 'ließ Herr v. Manteuffel den König Friedrich Wil­ helm IV. am 3. April 1849 sprechen, »durch die That zu beweisen, daß die Männer sich nicht geirrt haben, welche ihre Zuversicht auf meine Hingebung, auf meine Treue, auf meine Liebe zum gemeinsamen deutschen Vaterlande setzen. — Dessen möge Deutschland gewiß sein und daö, meine Herren, verkündigen Sie in allen seinen Gauen, bedarf eS des preußischen Schildes und Schwertes gegen äußere oder innere .Feinde, so werde ich, auch ohne Ruf nicht fehlen. Ich werde dann getrost den Weg meines Hauses und Volkes ge­ hen, den Weg der deutschen Treue". Am 28. April wurde an den Bevollmächtigten zu Frank­ furt geschrieben »daß Deutschland von seinen Fürsten jedes Opfer zu fordern habe, außer dem des Rechts, der Wahrheit und der Treue — daß eS vorzugsweise Preußens Beruf fei, auf die von der Nation geforderte Einheit, Freiheit und Macht Deutschlands hinzuwirken." Am 15. Mai 1849 erklärte Hr. von Manteuffel: »Meine Regierung hat mit den Bevollmächtigten der größeren deutschen Staaten, welche sich mir angeschlossen, das in Frank­ furt begonnene Werk der Verfassung wieder aufgmommm. Diese Verfassung soll in kürzester Frist der Nation gewährm, waS sie mit Recht verlangt und erwartet, ihre Einheit, dargestellt durch eine einheitliche Ereeutivgemalt,

25 tic nach Außen den Namen und die Interessen Deutschlandwürdig und kräftig vertritt, und ihre Freiheit gesichert durch eine Volksvertretung mit legislativer Befug« n iß. Deutschland vertraue hierin dem Patriotismus und dem Recht-gefühl der preußischen Regierung, sein Vertrauen wird nicht getäuscht werden. — Nur der Wahnsinn oder dis Lüge kann solchen Thatsachen gegenüber die Behauptung wagen, daß ich die Sache der deutschen Einheit aufgegeben, daß ich Meiner früheren Ueberzeugung und Meinen Zusicherungen un­ treu geworden." Wir übergehen die Verpflichtungen, welche der vierte Ar­ tikel des Bündnisses vom 26. Mai allen Genoffm auferlegte; den Erlaß wegen Errichtung eines provisorischen Bundes« Schiedsgericht-, damit künftig Recht und Gesetz statt einseitiger Willkür von oben oder unten in Deutschland zur Herrschaft kämen, wie ein solche- Gericht schon unter dem 18. März 1848 verheißen worden war, die Eröffnung der preußischen Kammem vom 7. August, die häufigen Versicherungm, an der Sache der Union festzuhalten, welche in verschiedenm Sitzun­ gen feierlich wiederholt wurden, die Eröffnungsbotschaft deErfurter Parlaments. Da- Parlament kam und ging. Aber noch am 9. Mai 1850 erklärte auch Hr. v. Manteuffel den Fürsten der Union: „Sollte die kaiserliche Regierung so weit gehen, Rechte, die au- dem von allen hier Anwesenden allseitig anerkannten Fortbestand de- deutschen Bunde- vermeintlich hervorgehen sollen , in Wahrheit aber darin keine Begründung finden, mit den Waffen in der Hand geltend zu machen, so würde der Souverän von Preußen wissen, was seine königliche Pflicht sei. — Einem solchen Bruche de- Landfriedens würde der König von Preußen mit aller Kraft der Waffen entgegenzutreten wissen." Der Fürstencongreß ging ebenso spurlos vor­ über als die Volksversammlung zu Erfurt. Werfen wir noch einen Blick auf die verschiedenm Roten, welche die Rechtsbeständigkeit des Bundestage- und sei­ ner Beschlüsse bestreiten, namentlich die vom 25. August 1850,

26 auf die wiederholten Erklärungen, daß man keine einseitige Intervention weder in Schleswig-Holstein, noch in Hessen zu» geben, daß man die Baiern mit Waffengewalt aus Hessen zurückweisen, daß man die Etappenstraßen nicht überschreiten lassen werde; erinnern wir uns endlich der Worte der Thron­ rede vom 21. November: „Ein von einer Seite gemachter Versuch» in die hesfischen Zerwürfnisse einzugreifen, drohte die Rechte Preußen- zu verletzen. Unsere auf die Bedingungen unserer geographischen und militärischen Lage gegründeten Einwendungen haben bei dem Landrsherrn und bei seinen Ver­ bündeten bisher nicht die gehörige Beachtung gefunden. Da habe auch ich daö lange Beanstandete nicht länger aufschie­ ben dürfen. Ich habe die volle Kriegskraft des Lande- auf­ gerufen. — Wir fordern eine Einrichtung de- Gesammtvaterlande», die unserer gegenwärtigen Stellung in Deutschland und Europa angemessen ist. — Wir haben ein gute- Recht, da» wollen wir vertheidigen" — so muß man zugestehen, daß da» Ende dieser langen Reihe von Verheißungen, Gelöbnisse» und verlorenen Positionen, — die von Hrn. v. Mavteuffel einseitig erzwungene Zusammenkunft in Olmütz und die am 2. wie am 28. November gemachten Concessionen — mit dem Anfang und der Mitte dieser Politik sehr übel zusammenhän­ gen. Hr. v. Mavteuffel hat weder vermocht die Union durchzuführen, noch um den Preis derselben die Hegemonie und die Herrschaft Preußen- in seinem natürlichen Machtgebiet in Norddeutschland zu erkaufen. Fürst Schwarzenberg hat seinen Plan vollständig erreicht: „Preußen in der öffentlichen Meinung Deutschlands zu erniedrigen." Die deutsche Politik des Hrn. v. Mavteuffel hat zu­ nächst mit einem großen moralischen Bankerott geschlossen; wir fürchten, daß der politische nicht geringer sein wird. Man kann eine verschiedene Ansicht oder vielmehr eine verschiedene Empfindung haben von der Ehre Preußen-, man kann sich selbst hoch oder niedrig anschlagen, man wird nicht leugnen können, daß die Achtung vor Preußen in Deutschland durch diesen Gang der Dinge, durch einen weit auSgesponne-

27 nett, in allen Stadien gescheiterten politischen Versuch» church ein Parlament ohne sichtbare Resultate und einen Fürsten« congreß ohne Erfolg auf das Aeußerste erschüttert worden ift. Man hat ferner der Versöhnung oder richtiger der Un­ terwerfung unter Oesterreich wegen seine Verbündeten auf­ gegeben und im Stich gelassen, welche zum Theil unter großen Schwierigkeiten gewiß mit seltener Ausdauer der preußischen Unionspolitik gefolgt sind. Auch dies Verfahren ist wenig geeignet» Vertrauen zu erwecken und eine schlechte Vorbereitung, in Zukunft wieder Bundesgenossen zu gewinnen. PreußenBundesgenossenschaft wird in Zukunft ebensosehr gefürchtet werden, als seine Feindschaft erwünscht sein wird. Man hat Baden und Rastatt aufgegeben, während die Baiern in Hessen stehen und die Oesterrei'cher Erlaubniß haben, sich in Holstein festzusetzen. Man hat Norddeutschland, das natürliche Machtgebiet Preußens, aufgegeben, ohne da» Schwert zu ziehen; man duldet an seinen Grenzen, zwischen seinen Provinzen, in seinem Rücken Interventionen und Erecutionen, und man will sich mit dem Glauben trösten, Oesterreich werde bei dem neuen Arrangement der deutschen Verfassung Preußen die ihm gebührende Stellung in Deutschland freundschaftlich zuweisen? Fürst Schwarzenberg weiß, „daß der so entschie­ dene Vertreter der Frieden-partei in Preußen an der Spitze steht; er weiß, daß Hr. v. Manteuffel seiner abso­ lutistischen Natur und seiner Parteistellung nach den Jtritg zwischen Preußen und Oesterreich verabscheut; er hat Rußland auf seiner Seite — wa» in aller Welt könnte ihn zu Eon, cessionen bestimmen! Fürst Schwarzenberg ist als Sieger nach Dresden gekommen. Er hat den Vertrag von Olmütz dictirt; der Bundestag besteht fort; die Bundestag-beschlüsse in Hessen und Holstein werden, wie die Note vom 7. December ver­ sichert und die Thatsachen bestätigen, ausgeführt; in Hessen ist an die Stelle de» einen BundeScommissarS ein anderer BundeScommissar getreten; Fürst Schwarzenberg hat die Con-

28 ferenzen in Dresden eröffnet; Hr. v. Manteuffel hat dm Widerspruch gegen die rechtliche Existenz deS Bundestages längst aufgegeben, er behauptet in seinem Einladungsschreiben nur noch, daß derselbe „thatsächlich außer Kraft getreten sei"; die Conferenzeu beschäftigen sich anerkanntermaßen nur mit der Revision der Bundesverfassung. Weit davon entfernt, „freie Conferenzen" zu sein, sind sie vielmehr nach dem eige­ nen Zugeständniß deS Hrn. v. Manteuffel in seinem Ein­ ladungsschreiben vom 15. December Ministerialconferenzen nach dem Muster der Carlsbader und Wiener Conferenzen, sie sind nach der Versicherung deS Fürsten Schwarzenberg vom 7. December nichts als das Mittel, „den Mitgliedem des deutschen Bundes, welche nur noch durch Form­ schwierigkeiten v'on uns getrennt waren, den Weg zur Theilnahme an den BundeSangelegenheiten zu eröffnen". Nnttr solchen Umständen kann nur politische Unfähigkeit Con­ cessionen von dem Sieger an die Person des Besiegten erwarten. Oe­ sterreich hat keinerlei Interesse, Preußen Zugeständnisse zumachen. Würde die Executive deS Bundes geographisch zwischen Preußen und Oesterreich im Norden und Süden getheilt, so würde Preußen alle, Oesterreich keinerlei Vortheile haben. Preußen hat daS Bedürfniß, seine Stellung im Norden durch die kleineren Staaten auszufüllen, seine Kräfte zu verstärken, sein Gebiet abzurunden und militärisch-haltbare Grenzen zu gewinnen; Oesterreichs Lage erfordert keinerlei Territorialzuwachs, eS ist überdies nicht von kleineren Staaten umgeben, sondern un­ mittelbar von Baiern und Sachsen begrenzt. In der deutschen Bundesverfassung hat es keine positiven Interessen der Gestal­ tung, sondern nur daS negative Interesse, jede Ge­ staltung deS deutschen Bundes, welches das Interesse der Gesammt-Monarchie Oesterreichs geniren und hemmen könnte, zu vrrhindem, besonders aber die preußische Macht und daS Emporkommen Preußens mittelst der Bundesverfassung nieder­ zuhalten. Dies kann Oesterreich durch eine konservative Hal­ tung, durch den Schutz der Mittelstaaten vor Opfern, welche

29

sie einer kräftigeren Gestaltung deS Bundes zu bringen hätten, vollkommen erreichen. Vortheil genug für Oesterreich, wenn Hr. v. Man­ te uffel den Eintritt Gesammt-Oesterreichs in den deutschen Bund zugegeben hat, ohne die entgegenstehende Forderung deS Hrn. v. Radowitz, das freie UnirungSrecht für Preußen und feine Verbündeten daneben festzuhalten. Oesterreich wird nie­ mals mit feiner Gefammtländermasse wirklich eintreten, aber mit so vielen, daß die preußische Seelen- und Quadratmeilen­ zahl überboten wird, um jeden Falls die erste Stelle im Bunde zu behaupten, daneben aber durch das Gewicht der außerhalb des Bundes stehenden Länder ebensosehr die volle Freiheit einer ungebundenen Großmacht sich zu bewahren. Die Herr­ schaft im Bunde neben der Freiheit von demselben sind Oesterreichs Zielpunkte. Vortheil genug für Oesterreich, daß Herr von Man­ te» ffel sich hat in die Lage versehen lassen, den Anträgen der napoleonischen Königreiche auf Volksvertretung am Bunde wi­ dersprechen zu müssen. Wenn Herr von Radowitz den wei­ tern Bund so lose als möglich und jeden Falls ohne Volks­ vertretung construiren wollte, so hatte daö seinen guten Grund, weil er die parlamentarische Union, den engeren Bund inner­ halb deö weitem Bundes festhielt. Herr von Manteuffel hat das Eine aufgegeben ohne das Andere zu erhalten. Nur Herr von Manteuffel konnte bis vor Kurzem hoffen, die Parität im Präsidium von Oesterreich zu erlangen, während daS Präsidialrecht Oesterreichs in den Wiener Ver­ trägen garantirt ist, während das Präsidialrecht für Oesterreich durchaus bleibend nothwendig ist, um die Bundesverfassung vor unbequemen Reformen» welche ein anderes Präsidium leicht herbeiführen könnte, zu bewahren. In der Tl)at ist denn auch dieser Anspruch preu­ ßischer SeitS in den letzten Tagen aufgegeben wor­ den. Und selbst wenn Oesterreich dem preußischm Staate die Erecution im Norden und den Antheil am Präsidium schenkte, ist es möglich, daß einem Staate wirkliche Macht geschenkt

30 werde, ohne daß er sie erworben hatte? Ist eine geschenkte Macht die deS Gebers oder die des Empfängers? Hr. v. Manteuffel sollte bei dieser gehofften Schenkung an daS Geschenk der Danaer und an daS Geschenk Hannovers, welches Napoleon einst so freundlich Preußen darreichte, sich erinnern. Aber Hr. v. Manteuffel kann sicher sein vor solchen Ge­ schenken. Die Note vom 7. December legt die Absichten deS Fürsten Schwarzenberg mit großer Offenheit dar. „Wir waren davon entfernt, sagt der Fürst, und der unermeßlichen Vortheile unserer Stellung zur Demüthigung Preußen- zu be­ dienen." „Wir suchten die Wohlthaten einer aufrichtigen Ver­ söhnung zu würdigen, so weit unsere Pflichten eS gestatteten. Aber daS kaiserliche Cabinet hat kein Opfer bringen wollen, daS nicht ohne Nachtheil für das wesentliche Ziel der Politik Oesterreichs und der ihren Pflichten treugebliebmen BundrSglieder hätte gebracht werden tonnen. Oesterreich ist auf den Kampfplatz getreten, um die vor den Verträgen geschaffene Bundesverfassung Deutschlands aufrecht zu erhalten. ES war unsere Pflicht, unser absolutes Recht in dieser Haupt, frage geltend zu machen" und „wir habm unö jedem Ansinnen auf eine Theilnahme an der Leitung der BundeSangelegenheiten außerhalb der gesetzlichen Formen widersetzt." Der alte Bundestag, zu welchem Preußen jetzt zurückkehren muß, ist so wenig der alte, als die heilige Allianz, der sich Preußen hat unterwerfen müssen, da- alte Verhältniß der Paciöcenten herstellt. Preußen schließt nicht wie 1815 auS freiem Willen den DundeSvertrag ab, eS muß von der öffentlichen Meinung, von seinen Bundesgenossen verlassen, nach einer großen Niederlage nothgedrungen zurücktreten. Es steht nicht mehr mit zwei Pro­ vinzen außerhalb deS Bundes, sondern mit allen Provinzen darin und geht damit einer völligm Mediatisirung entgegen. Ist eö wahr, daßHr. v. Manteuffel bereits zugegeben hat, daß die Stimmenzahl des engern Rathes vermindert werde, so ist daS ein neuer Beweis seines geringen Verständnisses der deutschen Angelegenheiten. Jede Stimme, die verloren geht,

31 ist eine der kleineren Staaten — sie geht für Preußen ver­ loren zum Vortheil Oesterreichs

und Preußens Stellung im

Bunde ist hierdurch wiederum verschlechtert. Die Verhandlungm werden sich lange genug hinausziehen und Jederman wird

zugeben

müssen,

daß nach allen vor­

liegenden Thatsachen Hr. v. Manteuffel nicht im Stande sein wird,

ihnen eine glückliche Wendung für Preußen zu

geben. Im letzten Moment wird dann Oesterreich da- entschei­ dende Wort sprechen: sic volo

sic jubeo!

Und der ent­

schiedene Vertreter der Friedenspartei in Preußen wird ihm ge­ genüberstehen. Statt der Hegemonie in Deutschland, wenigstens in Nord­ deutschland, wird Preußen eine viel schlechtere, eine völlig mediatisirte und der baierischen Situation sehr nahe verwandte Stellung in der erneuerten Bundesverfassung erhalten.

Damit

wird es zu gleicher Zeit von Oesterreich in die größtm inneren Schwierigkeiten verwickelt werden und dies ist der letzte Gedanke des Fürsten Schwarzenberg. Fürst Schwarzenberg wie das

österreichische Cabinet

sind nicht absolutistisch auS Princip wie Hr. v. Manteuffel, sondern durch die Natur ihres Staats gezwungm. In Oester­ reich herrscht der deutsche Stamm über fremde Nationen, alle Deutschen Oesterreichs theilen die Interessen dieser Herrschaft, und eine Majorität disparater Nationalitäten kann wenigstens in einem und in einem deutschen Staate nicht herrschen, wenn dieser Staat bestehen soll. Zum Besten dieser österreichischen Verhältnisse soll Preußen ebenfalls rractionär sein, soll es Oesterreich helfen, „daS absolutmonarchische Princip in Deutschland aufrecht halten" und sich dabei noch tiefer in der Achtung der Nation herabsetzen als bisher.

Die Absichten Oesterreichs gehen aber noch weiter.

Man sieht in Wim sehr deutlich voraus, welche innere Kämpfe in Prmßen auS der Rückkehr zur heiligen Allianz und zur Polizei des Bundestages hervorgehen werden. Man will diese Kämpfe herbeiführen nicht aus Vorliebe für daS monarchische Princip, son-

32 Lern um Preußen zu schwächen und in Abhängigkeit zu erhaltenES wird Hrn. v. Manteufsel trotz aller Keckheit nicht ge­ lingen, die preußischen Kammern zur Unterwerfung unter Oesterreich, zur Anerkennung des'reactivirten und verschlechter­ ten Bundestages zu bringen. Ein Kampf im Innern wird beginnen, der sehr zerstörend wirken und Preußens Auftreten nach Außen hemmen muß. Und Hr- v. Manteufsel läßt sich im angelernten Glau­ ben an die Solidarität des Absolutismus zum Besten Oester­ reichs und bei der festen Absicht des Gegners, Preußen durch diese Situation zu demoliren, in die inneren Conflicte hinein­ treiben! Ein tiefe- Herabsinken der preußischen Macht, ganz abgesehen von seiner deutschen Stellung — oder eine neue Revolution, welche früher oder später eintritt, werdm die un­ ausbleiblichen Folgen dieser wunderbar kurzsichtigen Politik des Hm. v. Manteufsel sein!

Die Execution in Hesse«. Die Frage, ob Krieg ob Frieden, hatte sich am 2. Nov. und später zunächst an die Frage geknüpft, ob die baierschen und österreichischen Truppen in Hessen vorrücken dürsten. Die bundeStägigen Staaten hatten zuerst gegen Hessen Beschlüsse gefaßt und standen im Begriff, dieselben auszuführen. Aber auch an sich hatte die hessische Frage eine hohe Be­ deutung für Preußen. Hessen ist dasjenige Land, welche- die beiden Theile der preußischen Monarchie trennt. Ueberdieö hatte in den Wirren Deutschlands die hessische Bevölkerung entschieden für Preußen Partei genommen. Diese Sympathien waren gerade der Grund, weshalb das Eberhardsche Ministerium entlassen und dann vom Kurfürsten der Versuch gemacht wurde, die Constitution umzustoßen. Auf der Tribüne und in einer StaatSschrist hat Herr

33 v. Manteufsel erklärt, daß die hessische Frage nicht wichtig genug gewesen sei, um ihretwillen den Krieg aufzunehmen. AuS den gedachten Gründen war sie schon an sich wich­ tig genug dazu, und übrigens war jene Frage zum bloßen äußeren Anlaß für die Entscheidung der Frage nach der Selb­ ständigkeit, der Ehre und der innern Freiheit Preußen- ge­ worden. Die Holländer haben sogar mit England über keine wichtigere Frage Krieg angefangen, als wegen der de- SchiffsgrussrS deS FlaggensenkenS. Es war das die Zeit der höch­ sten Macht und Ehre Hollands, und jene Frage war eben nur der Anlaß für die Entscheidung über die ganze Machtstellung. Der weisere Minister Preußens sah die Bedeutung der hessischen Frage nicht ein und mit dem Uebrigen gab er in Olmütz auch Hessen preis. Die Olmützer Convention ließ der Action der BundeStrüppen freien Lauf und behielt den Commissarrn beider Mächte die definitive Entscheidung vor. Der Sinn dieses Punktes der Convention ist durch die Depesche des Fürsten Schwarzenberg unverholen dargelegt. Man kam überein: „den Bundeöbefchlüssen gemäß in Kurhessen gemeinschaftlich zu handeln." Entweder hat Herr v. Manteufsel gewußt, daß er dies in Olmüh Oesterreich zugestand, oder er ist erst nach und nach von Oesterreich genöthigt worden, dies zu begreifen und er hat aufs Neue die Erfahrung gemacht, daß wenigstens er nicht im Stande ist, auch nur Etwas von demjenigen zu ret­ ten, was vielleicht noch zu retten wäre. Denn allerdings hat Herr v. Manteufsel die Olmützer Convention in einem günstigeren Sinne auslegen wollen, er ist aber von Oesterreich gezwungen, sie in dem vom Fürsten Schwarzenberg angegebenen auszulegen. Dazu, daß erst erequirt nnd dann abgeurtheilt werden sollte, hatte sich Hr. v. Manteufsel allerdings von Anfang an verstanden, indessen nahm er an, daß wenigstens die Func­ tionen des BundeötagScommiffarS auf die zu ernennenden

3

34 Kommissare übergehen würden, nicht jener die Erecution leiten werde. Die Convention gab vollen Grund zu dieser Annahme. Herr v. Manteuffel mag an seiner Befähigung zum Negoküren selbst irre geworden sein, Rücktritt des Grafen

als er erfuhr, daß nach dem

Rechberg der

pure in dessen Functionen eingetreten

Graf v. Leiningen fei.

Die Thatsachen

find folgende. Die von den hessischen Ministern herbeigerufene fremde Trup­ penmacht war in Folge der Olmützer Convention, nachdem sie den Rechtözustand im übrigen Lande gebeugt,

die Richter

von ihren Stellen vertrieben und die Verfassung thatsächlich umgestürzt hatte, unter Anführung der beigegebenen Commissare, namentlich dcö erwähnten Grafen Rechberg, an dessen Stelle dann der Graf Leiningen trat, bis vor die Thore von Kassel gerückt, um die Beschlüsse des sog. Bundestages auszufüh­ ren.

Die preußischen Truppen hatten diesen baierischen Trup­

pen die Straße

geöffnet,

zum Theil sich vor ihnen zurück­

gezogen. Die in Kassel befindlichen Staatsbehörden und Gerichte waren eben so wenig, als die in den Provinzialstädten geson­ nen, ihren Eid zu brechen und die verfassungswidrigen Ver­ ordnungen Hassenpflug'ö

und Haynau's

anzuerkennen.

Man erwartete auch hier den letzten Schlag der sog. BundeS-Gewalt gegen daö Recht, die Vollendung der „Action." Da

erschien

in Kassel der

General v. Peucker als

preußischer Commissar mit neuen wesentlich anderen Eröffnun­ gen.

Derselbe machte geltend, daß die Frage eine veränderte

sei, daß eS sich gar nicht mehr um die AuSfühmng der kur­ fürstlichen Septemberverordnungen, sondern lediglich um die von den Commissaren sämmtlicher deutschen Regie­ rungen

angeordnete provisorische Steuerzahlung nach Maß­

gabe der Verordnung vom 4. Sept. handle. Herr v. Peucker stellte überdies noch die Verschonung der Stadt von Einquartirung und Erecution, die Räumung des Landes von fremden Truppen, das Aufhörm der Schef-

35 fer'schen Gewaltmaßregeln,

die Reaetivirung der

durch die

Bundestagögewalt vom Amt vertriebenen verfassungSgetreuen Beamten in Aussicht und wollte dafür seine guten Dienste und seinen ganzen Einfluß verwenden. DaS Ober-Appellations-Gericht zog daS in der rechtlichen Auffassung der Frage eingetretene Novum in Erwägung, und prüfte vor Allem die Legitimation der beiden Commiffare zur Vertretung

sämmtlicher

deutschen

Regierungen.

Drei Tage berieth und verhandelte daS Gericht mit General v. Peucker. Die lange

vergeblich

gesuchte

Legitimation

der

Com­

miffare als Vertreter sämmtlicher deutschen Regierungen fand das Gericht endlich in dem factischen Auftreten deS GmeralS v. Peucker und in dessen entsprechender Versicherung, welcher bei der von ihnz eingenommenen Stellung als preußischer Commissar die Glaubwürdigkeit umsoweniger verweigert wurde, als er sich durch eine von der preußischen Regierung für sich und die UnionSregierungen ausgestellte Vollmacht legitimirte, und seiner SeitS den Grafen v. Leiningen für den Commissar der übrigbleibenden Gesammtheit der deutschen Regierungen erklärte. Es erklärte demnach das Ober-AppellationS-Gericht, den provisorischen Anordnungen der sämmtlichen deutschen Regie­ rungen als der Bundesgesammtheit sich fügen, und demge­ mäß,

vorbehaltlich der definitiven rechtlichen Entscheidung,

einstweilen die Verordnung

vom

4. September vollziehen,

d. h. die Anerkennung der Erhebung von Stempel und Steuem nicht länger verweigern zu wollen. Bald zeigte sich aber, daß jenes Novum in der rechtlichen Auffassung gar nicht vorhanden, daß die vermeintliche Legitimation durchaus illusorisch sei.

Graf v. Leiningen erkannte

dieselbe keineswegeS an, und eben so wenig daS Vertrags­ mäßige, welches nach den Verhandlungen mit Hm. v. Peucker in dem Beschluß des höchsten Gerichtshofes lag.

Vielmehr

forderte er als Civilcommissar des Frankfurter Bun­ destags die Anerkennung sämmtlicher Hassenpflug'scheu September-Verordnungen.

36 Es zeigte sich, daß Hr. v.' Manteufsel einen Commissar emannt und nach Kassel gesandt hatte entweder ohne zu wissen, daß Oesterreich

demselben kein Recht einräumen

werde, oder indem er wenigstens als möglich voraussetzte, daß dieser Commissar in Kassel Preußen und die Würde eines preußischen Generals

zu prostittliren genöthigt sein werde.

Jedenfalls hatte Hr. v. Manteufsel wieder etwas unter­ nommen,

was er wenigstens nicht durchführen konnte und

wobei denn doch noch eine andere Ehre auf dem Spiele stand als seine eigene. Aus dieser in der Geschichte der Diplomatie wohl un­ erhörten Prostituirung wurde Preußen wenigstens zur Hälfte nur noch durch die Güte deö hessischen Ministeriums befreit. Dasselbe erklärte auf Anftage, daß die Antwort deö OberAppellations-Gerichts ihm genüge. Ohne diese Erklämng wäre durchaus nichts Anderes übrig geblieben, als daß das OberAppellationS-Gericht seine Erklämng, als auf einer durch den preußischen General hervorgemfenen Täuschung bemhend, zu­ rücknahm und daß General v. Peucker einen Posten verließ, den er weder mit seiner persönlichen Würde noch mit der deS preußischen Staats vereinbar halten konnte. In einem Punkte aber blieb wie zum Hohne die verschrobene peinliche Stellung für die Gerichte und für den preußischen Commissar.

Beide

hatten ohne Zweifel gehofft, daß nun, wie von den Gerichten, so auch von den Administrativ-Beamten die Anerkennung und Befolgung der andem September-Gesetze nicht weiter werde gefordert werden.

Mit Nichten! Kaum hatte man beiden Ge­

richten wenigstens halb seinen Willen durchgesetzt, so wurde jn derselben Weise wie in den Provinzialstädten und mit derselben Strenge durch den Bundestags-Commissar, Grafen Leiningen, gegen die Verwaltungs-Beamten ver­ fahren.

Dies Verfahren dauert noch fort.

Die Erecutionen

steigen schnell von 10 zu 25, zu 50, zu 200 Mann, und so zwingt man durch ein seit den Zeiten Tilly's unerhörtes Ver­ fahren die würdigsten Männer deö hessischen Beamtenstandes zur Unterwerstmg unter die Gewalt, zum Eidbmch. zur Vrr-

37 jichtleistung auf ihr Amt und den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien. GrafLeiningen ist fortwährend CivilCommissardesBundestags,und Generalv.Peucker ist preußisches einziges Mitglied einer Commission, an welcher daS österreichische Mitglied sich weigert, Theil zu nehmen, bis es ihm gefällt, seine Geschäfte als Civil-Commissar deS Bundes­ tags für beendigt zu halten — Dank der ungeschickten Aus­ führung oder Abfassung der Olmützer Punctation, die nicht der kleinste Beweis bleiben wird, daß die Feder in der Hand des für die Aufgabe nicht Befähigten ein ebenso gefährliches Werkzeug ist, als das Schwert in der Hand deS Knaben. Zunächst ist es das hessische Volk, welches für jene Unfähig­ keit büßt. Die Beschlüsse des sogenannten Bundestages wer­ den, trotz des Entgegenkommens der Gerichte mit kalter Herz­ losigkeit, mit übermüthiger Herrschsucht, ohne eine Spur von Weisheit und Wohlwollen durch materielle Gewalt durchgeführt. Der preußische Commissar hat hinfort nichts Anderes zu thun, als amtlich zuzusehen, wie ein durck Geschichte und Institutionen, durch Bildung, durch alle geistigen und mate­ riellen Interessen mit Preußen eng verbundenes Volk zu Grunde gerichtet wird, welches Preußen, wenn auch nicht feierlich und formell, so doch materiell durch die Besetzung des Landes zur Abwehr der Bundestruppen zu schützen übernahm. Die Deutsche Reform, das Organ des Hrn. v. Manteuffel, nennt daS die „Vorbereitung zur definitiven Erledigung". Wir wären begierig, von Hrn. v. Manteuffel zu er­ fahren, worin nun noch diese definitive Erledigung bestehen soll, an welcher Oesterreich ihm gestatten will, sich zu bethei­ ligen. Kein Mensch vermag zu erkennen, was noch der Ge­ genstand der definitiven Erledigung sein könnte, nachdem der Wille Hassenpflug'S vollständig durchgesetzt ist. WaS aber auch ihr Gegenstand sein könnte, wir sind nach dem schon Erlebten fest überzeugt, daß, wenn Hr. v. Manteufsel dieselbe zu leiten haben wird, wir noch schlimmere Resultate als die bisherigen sehen werden.

38

Die Gxecution ist Schleswig-Holstein. Wie in der hessischen Frage versprach Hr. von Manteuffel zu Olmütz auch in Betreff Schleswig-Holsteins die Ausführung eines Beschlusses des reactivirten Bundestages, deS vom 25. Oktober. Der Inhalt desselben ist in die Olmützer Convention aufgenommen. Wie in der hessischen Frage ordnete der Bundesbeschluß an und gab Hr. v. Manteuffel zu, daß die Execution dem Spruche vorangehen solle, die neue Manier eines ebenso un­ moralischen als kurzsichtigen Systems. Wenn in Kurhessen dadurch jede definitive Entscheidung gegenstandslos wird, so wird durch dies Verfahren gegen die Herzogthümer das einzige Negotiationömittel beseitigt, wodurch die Dänen zur Nachgiebigkeit zu bringen wären — der un­ gebrochene Muth deS für die Aufnahme der Operationen nur auf den Eintritt deS FrostS wartenden schleSwig-holsteinischen HeereS. Aber das ist der Unterschied zwischen der schleSwig-hol­ steinischen und hessischen Frage: 1) Preußen machte sich in Olmütz anheischig, in Be­ zug auf Schleswig-Holstein den feierlichsten Versprechungen seines Königs und den Versicherungen aller seiner Ministerien zuwider zu handeln. Und alle diese Verheißungen von jenem Schreiben des Königs an den Herzog von Augustenburg hinunter waren nicht etwa blos dahin gerichtet, die Herzog­ thümer nicht zu unterdrücken, sondern sie gegen Dänemark po­ sitiv zu schützen, bis ihre Sache durchgeführt worden. 2) Hr v. Manteuffel verpflichtete sich gegen Hessen nur die fremde Action zuzulassen, gegen Schleswig-Holstein aber preußische Truppen marschirrn zu lassen, preußische Trup­ pen, welche für die Rechte der Herzogthümer selbst gekämpft, ihr Blut versprützt haben. Diejenigen Truppen, welche vor zwei Jahren die Grenze der Herzogthümer als Retter und

39 Freunde überschritten, überschreiten sie jetzt, vielleicht in den nächsten Tagm als Feinde.

Die Geschichte wird die- Factum

mit einem unauslöschlichen Brandmark zeichnen. Wir sagten Hr. v. Manteuffel verpflichtete sich dazu. Diese Verpflichtung ist in der Olmützer Convention nicht auSdrücklich übernommen.

Ein fähiger Minister und ein Minister,

der nicht der Freundschaft deS Auslandes gegen das Inland bedürfte, würde demnach nimmer zugegeben haben, daß sich preußische Truppen dabei betheiligten, und in der That nahm man in höchsten Kreisen an, daß Preußen dieser Erniedrigung entgehen werde.

ES wurden noch in Berlin dem Prinzen

Schwarzenberg Vorstellungen in dieser Hinsicht gemacht. Aber Hr. v. Manteuffel hatte in gewöhnlicher Weise schon Alles zugegeben.

Der Fürst erklärte, wie wir vernehmen: er

betrachte die Cooperation preußischer Truppen als eine Garantie der Aufrichtigkeit der Sinnesänderung Preußens! 3) In Hessen handelte es sich nur um innere Rechte eines Landes gegen seinen Fürsten, in Schleswig-Holstein um die Rechte eines deutschen Landes und Deutschlands gegen einen auswärtigen Feind.

Deutschland hat, wie jedes Land, nach

blutigen Kriegen dem Feinde Provinzen abtreten müssen, aber daß es gegen die Rechte seine eigenen Provinzen aufgetreten sei, um sie mit Waffengewalt zu zwingen sich dem Ausland zu unter­ werfen, das ist noch nicht gehört worden. Das Reue dieser Er­ findung

blieb Herrn v. Manteuffel vorbehalten.

Denn

nicht daS zum größer» Theil nicht zu Deutschland gehörige Oesterreich, sondern grade Preußen trifft diese Erniedrigung. Wir müssen aber auch noch in einigen andern Beziehun­ gen die jetzt von Hrn. v. Manteuffel gegen SchleswigHolstein eingeschlagene Politik bezeichnen. Der Friede vom 2. Juli in Verbindung mit der ihn be­ gleitenden Denkschrift setzte vertragsmäßig mit Dänemark fest, daß die Frage zwischen Deutschland und Dänemark vorläufig unentschieden bliebe, daß aber die Frage zwischen den Herzog« thümern und Dänemark zwischen ihnen allein erledigt werde.

40

Er gab, und dies erklärt die Denkschrift ausdrücklich, dem Her­ zogthum Holstein ein Kriegörecht für diesen Fall. Er gab dem König von Dänemark die Macht in Holstein einzurücken, aber nur nachdem er dem Bunde Vorlagen über seine Intentionen in Betreff der Pacification deS Landes gemacht habe. Er enthielt die Versicherung, daß der Bund Nichts gegen die Herzogthümer unternehmen werde, ehe und bevor jene Vorlagen gemacht und dieselben den Rechten deS Landes entsprechend befunden seien. Die dänische Armee ist notorisch nicht im Stande die Herzogthümer zu unterwerfen, hinter Gewässern, Mooren und Schanzen ist sie froh, wenn sie nicht angegriffen werden kann; sie kann nie die von Natur und durch eine starke Festung geschützte Eiderlinie forciren. Die Herzogthümer, wenn sie nicht besiegt werden können, sind aber Sieger. Und jetzt fallen deutsche Truppen ihnen in den Rücken, ehe und bevor noch irgend welche Vorlage seitens des Königs von Dänemark an den Bund oder auch nur an Oesterreich und Preußen gemacht worden sindDie Organe des Hrn. v. M anten ff el schämen sich nicht, dem Friedensvertrage jetzt eine entschieden falsche Aus­ legung zu geben, nicht etwa zu Gunsten Preußens und Deutsch­ lands — nein, zu Gunsten Dänemarks. Hr. v. Manteuffel selbst und seine Organe deuten darauf hin, daß ja leider, leider die Schleswig-Holsteiner gegen ihren Landesherrn in Waffen stehen. Es ist nun sehr wohl bekannt, daß dies nur scheinbar der Fall ist, daß vielmehr die Herzogthümer gegen eine demokratische, mit Rußland verbündete Partei ankämpfen, und daß sie nicht einmal irgend welchen Haß gegen ihren Landesherrn haben. Aber vor Allem characterisirt sich die Partei des Auslands durch Rechtsgründe, welche zum Verderben Deutschlands und im Interesse des Auslands auSgedacht sind. Die deutschen Staaten, welche ausländische Landesherren haben, haben sich bei Collisioncn zwischen dem deutschen Bund und dem ausländischen Staate ihrer Fürsten von Rechtswegen auf die Seite des Bundes zu stellen. So

41 nach unserer Ansicht. Dem AuSlande und der Tendenzpolitik des Inlandes gefällt natürlich das Entgegengesetzte beffer. Die Folgen der Wirksamkeit dieser Pattioten werden denn auch fiir unS selbst nicht ausbleiben. So rückt denn jetzt gegen die Elbe und Ostsee eine öfter« reichische Armee heran, sie hat schon jetzt Gegenden betreten, wo seit länger als zwei Jahrhunderten, seit dem ZugeWallensteln- keine österreichischm Truppen gesehm waren, sie rücken ein in Gebiete, die bisher dem preußischm Einflüsse ausschließ­ lich unterworfen waren. Eine preußische Armee zieht ihnm entgegen, aber — um ihnm die Schleppe zu tragen. Jene Zeiten WallensteinS wiederholen sich in ihren Hauptzügen, denn auch damals herrschte ein österreichischer Minister in Berlin über Fürsten und Volk, der Graf Schwarzenberg. Auch die weitere Entwicklung wird nicht fehlen. Fügen wir zur Characteristik des Hrn. v. Manteuffel noch ein gewichtiges Moment hinzu, welches dem Verfahren gegm die Herzogthümer den letzten Schein deö Recht- nimmt. Wenn die Gesammtheit der deutschen Fürsten jenen KainSzug beschlossen hätte, so würden wir ihn um Nichts wmiger für einen KainSzug halten, aber wir würden anerkmnen, daß die Herzogthümer die Pflicht hätten, den Aufforderungen der dort­ hin gesandten Eommissare nachzukommen. DieS ist auch die Meinung der Olmützer Convmtion ge­ wesen. Wenigsten- hat der Art. 3. ausdrücklich bestimmt, daß Oesterreich und Preußen „nach gepflogener Rücksprache mit ihren Verbündeten" gemeinsame Eommissare schicken werden, die dann dort „im Namen deS Bunde-" handeln sollenEs ist daS richtig, weil Preußen und Oesterreich allein, wenn sie auch die größten Bundesstaaten sind, doch gegenüber der Bundeöacte und der Wiener Schlußacte nicht mehr Recht haben, im Namen deö Bundes zu sprechen, als Lichtenstein und Waldeck. In der That hat auch Oesterreich von seinen Verbünde­ ten eine Vollmacht erbeten und ohne Zweifel erhalten. Eö ist

42 ein memorableS, bisher unbekannte- Factum — Preußen hat seine Verbündeten nicht einmal um eine Vollmacht angegangen. ES ergiebt sich daraus, daß der österreichische Commiffar nur im Namen einer geringen Anzahl Staaten, der preußische nur im Namen Preußens auftreten kann, daß aber beide nichtweniger als „im Namen deS Bundes" sprechen können, und wenn sie eS doch thun, die Unwahrheit sagen. ES ergiebt sich daraus, daß die schleSwig-holsteinische Statthalterschaft weder die Verpflichtung noch das Recht hat, die Forderungen der Commission zu erfüllen, wir sagen ausdrücklich daS Recht, denn waS von ihr, der von der Gesammtheit der Bundes eingeseh« ten Regierung verlangt wird, ist unter Anderem die thatsäch­ liche Anerkennung eines Princips, welches ebensosehr dem Rechte und Interesse ihres Landes als Deutschlands wider­ spricht, deS Princips der Trennbarkeit der beiden Hcrzogthümer. Vielleicht daß der Umstand der fehlenden Legitimation bei der scharfen Rechtsauffassung, welche in Kiel zu herrschen scheint, den Grund zu einem Widerstände Anlaß giebt, welcher daS Land mit unsäglichen Leiden erfüllen wird. Wir müssen noch einmal daS Factum hervorheben. Hr. v. Manteuffel hat mit den Verbündeten Preußens nicht die in Olmütz vorgeschriebene Rücksprache ge­ nommen. Wieder stehm wir hier vor einem jener unbegreiflichen Akte deS neuen preußischen Ministers der auSwärtigm Ange­ legenheiten und fragen vergeblich nach dem Warum? Sollte etwa in der Vollmacht des preußischen CommiffarS stehen, daß er im Namen auch der Preußen verbündeten Staaten bevollmächtigt fei? Soll etwa auch der General v. Thümen unbewußt eine Unwahrheit aussprechen? Soll auch dieser General die Würde Preußen- und die Ehre der preußischen General-uniform compromittiren? WaS eS auch sei, jene- Factum allein genügt unS als

43 ein neuer Beweis, wie unter der unglücklichen Hand dieses Ministers Alles verdorben wird. Noch haben wir nicht das vor unS liegen, waS in den Herzogthümern erst geschehen wird, aber Alles verspricht, daß eS Hessen weit hinter sich zurücklassen wird. Und dann die definitive Erledigung. Hrn. v. Man« teuffelS Organe behaupten mit einer Gottlob! früher nicht in Preußen bekannten Effronterie: die Olmützer Convention stelle die Herzogthümer bei Weitem besser. Vielleicht ein fähiger Minister hätte eS vermocht, Oester­ reich dahin zu bringen, waS Vernunft und Recht verlangten, daß von Dänemark die Anerkennung bestimmter Rechte der Herzogthümer, kurz die im Art. 4. deS FriedenStractatS ver­ tragsmäßig stipnlirte Vorlage verlangt werde. Waren be­ stimmte Rechte gesichert, so konnte mit einigem Schein die Be­ ruhigung der Herzogthümer gefordert, wenn auch ohne Schande nie erzwungen werden. DaS hätte ein fähiger Minister vielleicht vermocht. Hr. v. Manteuffel, davon sind wir überzeugt, hat auch nicht ein­ mal daran gedacht, diesen Weg einzuschlagen und so wird eS auch mit der definitiven Erledigung gehen wie in Hessen, die provisorische wird keinen Gegenstand mehr zur definitiven Er­ ledigung übrig lassen. Die Herzogthümer aber werden erfahren, waS e- mit preußischer Bundesgenossenschaft auf sich hat.

Schluß. Wir können dem Hm. v. Manteuffel es nicht zum Vor­ wurf machen, daß er bis vor nicht langer Zeit in den Büreaus der innern Verwaltung beschäftigt, seit 1848 alle Kraft seinem wichtigen Portefeuille widmend, ohne Kenntnisse der thatsächlichen Gmndlagen der auswärtigen Politik, ohne Ge­ schäftskunde und ohne diejenige Erfahrung ist, welche nur durch längere Beschäftigung mit einem Gegenstände erworben

44 wird. Eher würden wir, wenn Hr. v. Manteuffel nicht in seinem ursprünglichen Specialfache so Ausgezeichnetes zu lei­ sten im Stande wäre, es ihm zum Vorwurf machen, daß er nicht einmal diejenige allgemeine Bildung zu besitzen scheint, welche für einen

Minister

des

Auswärtigen unumgänglich

nothwendig ist. Aber daß er dennoch dies Ministerium übernommen hat, daß er die Wünsche, daß ein Besserer es führe, zu vereiteln gewußt hat, daß er endlich noch jetzt an seinem Platz festhält, obgleich

von seinen

ersten unseligen Concessionen an jeder

Tag ihm zeigen muß, daß er in Allem unglücklich ist, das machen wir ihm zum Vorwurf.

Denn er muß bei einiger

Aufmerksamkeit sehen, daß er sein Vaterland dem Verderben entgegenführt. Man kann es verstehen, den Kammern zu imponiren oder sie zu erniedrigen.

Man kann ausgezeichnet sein in Par­

teimanövers, in politischen Machinationen, in der Bearbei­ tung der

Presse durch täuschende

Nachrichten,

Schlauheit und eisernen Fleiß besitzen,

man

kann

aber ein guter Mi­

nister der auswärtigen Angelegenheiten ist man deshalb nicht. Und einen solchen bedarf Preußen in seiner gefährlich­ sten Lage. Herr v> Manteuffel hat und wir haben im Obigen gezeigt, ob mit oder ohne Schuld, dem Auölande Alle streiti­ gen Punkte Preis gegeben;

er hat sich entschlossen, wir hof­

fen aus uneigennütziger Vaterlandsliebe, Preußen vor dem Auslande zu erniedrigen.

DaS System der maßlosen Conces­

sionen auf preußischer, der maßlosen Forderungen auf österreichi­ scher Seite knüpft sich an seine Person.

Seine Antecedentirn

machen «S ihm unmöglich, Preußen für die nächste Zukunft auch nur das zu sein, was er ihm wenigstens nach seiner eigenen Meinung ohne diese Antecedentien hätte sein können. Gehörten wir zu den Freunden und Parteigenossen des Herm v. Manteuffel, so würden wir im Interesse Preußen- for­

ist, sol­ chen überlasse, welche ohne niederbeugende Antecedentien dieser dern, daß er die Rettung dessen, was noch zu retten

45 Art, welche wenigstens dem Auslande nicht als „so entschiedene Vertreter der Friedenspartei" bekannt sind. Wenn Hr. v. Manteuffel wie man erzählt aufdie Aeuße­ rung des österreichischen Gesandten, daß Preußen sich glücklich schätzen könne, daß eS den Krieg vermieden habe, weil die preußische Armee zerdrückt worden wäre, artig lächelnd über diese Rechtfertigung seiner Thaten, kein Wort für die Armee, hatte, wie könnte er je auf die militärische Kraft Preußendem AuSlande gegenüber Bezug nehmen? Wenn Herr v. Manteuffel immer und immer nach­ gegeben hat, wie kann er noch hoffen, daß die Feinde Preu­ ßens eine Grenze der Nachgiebigkeit bei ihm voraussetzen? Und dem Jnlande gegenüber — wie kann Herr v. Man­ teuffel noch hoffen, eine starke Politik zu machen, wenn er die Mehrheit deS eigenen Volkes gegen sich,

wenn er diese

Mehrheit in Mißtrauen gegen sich vereinigt hat? Die bis­ herige Politik des Herrn v. Manteuffel, dazu aber daGewebe von Täuschungen, womit die einzelnen Acte dersel­ ben

verdeckt werden

sollten,

das

System

von

Ausreden,

Entschuldigungen und Effronterien, welches die Agenten und Organe des Ministers betrieben haben und noch treiben, hat zu dem Mißtrauen gegen seine Fähigkeiten noch da- Mißtrauen gegen seinen Charakter gefügt.

Wir wollen schweigen von

dem, waö man ihm in Betreff der inneren Politik, in Betreff der Handhabung der Verfassung zutraut. Kann irgend Jemand zu einem Manne Vertrauen fas­ sen, der in allen Sätteln gerecht alle widersprechenden Phasen der preußischen Politik seit dem November 1848 durchgemacht hat, von dem diametral entgegenstehende öffentliche Erklärungen über

fundamentale Dinge vorliegen,

der

in demsel­

ben Augenblick Oesterreich Garantien für eine geänderte Po­ litik giebt und in der Kammer erklärt, daß der Starke einen Schritt zurücktrete, aber die Preußen gebührende Stellung in Deutschland behauptet werden solle, der endlich nur in Einem konsequent und unerschütterlich sein zu wollen scheint — in der Behauptung seines Platzes als Minister?

46 Herr v. Manteuffel kann, wenn er bleibt, Nichts Anderrö werden, als daö, was er bereits geworden ist, ein Werk­ zeug in der Hand Oesterreichs.

Die Leitung der auswärtigen

Angelegenheiten wird ihm Oesterreich schon erleichtern, aber an­ geschmiedet an die für die Erhaltung Oesterreichs nothwendige, zum Ruin Preußens führende Politik wird Herr v. Manteuffrl die Aufgabe erhalten, die inneren Zustände Preußens so einzurichten, wie eS Oesterreich und Rußland wünschen, damit Preußens Kraft in inneren Kämpfen aufgezehrt werde. Wir trauen

dem Herrn v. Manteuffel des

Vereinigten

Landtages die Fähigkeit zu, diese Aufgabe zu erfüllen. Schon um

sich

jetzt gegen die Kammern zu halten,

Mitteln schreiten, welche mindestens

wird er zu

mit einer parlamenta­

rischen Regierung nicht bestehen können und zu immer weite­ rem Vorschreiten auf einer abschüssigen Bahn zwingen werden. Die Folgen solcher Tendenzpolitik werden nicht ausblei­ ben.

Wir glauben nicht, daß

Preußen

auf irgend welche

Dauer auch nur zu einer Halbsouveränetät herabgedrückt, in Abhängigkeit vom Auslande erhalten werden könnte; am We­ nigsten aber, wenn zugleich die Verfassung in der bekannten Weife mißachtet oder umgestoßen werden sollte, wenn gegen die Wünsche der großen Mehrzahl der Nation regiert werden muß. Wir

werden

eine neue Revolution

erleben, wir wer­

den einen neuen aber voraussichtlich viel stärkeren und wil­ deren AuSbruch der VolkSwuch erleben und einen Sturm durch Deutschland rasen

sehen, welchem weder Preußen noch die

übrigen Staaten zu widerstehen im Stande sein werden.

Außer

den deutschen begünstigen die europäischen Verhältnisse die revo­ lutionären Elemente nur zu sehr.

Auf dem ganzen Continrnt

vom Faro biö zum Belt, von der Bidassoa bis zum Pruth und dem Bug kann schon jetzt, mit Ausnahme der Schweiz und der Niederlande, in keinem Lande die Regierung ohne Militärmacht bestehen. Soll auch Preußen in den Zersetzungsprozeß der mißregierten

Länder hineingrrissen werden?

Ist

eö unmöglich

noch im letzten Augenblick hier einen Wandel zu schaffen?

47 ES ist um Preußen zu retten weder nothwendig, daß eine entschieden liberale Richtung das Ruder des Staate- ergreift, noch ist eS nöthig, daß unbedingt zum Schwert gegriffen werde, wie wir schon oben angedeutet haben, aber eS ist unerläßlich, daß Männer, die dem Znlande und dem Auslande Achtung einflößen, an die Spitze der Regierung gestellt werden, Männer von preußischer und von keiner andern Gesinnung!

Inlagen.

.

1

Olmützer Punetation. Bei den am gestrigen und heutigen Tage zwischen den Unterzeich­ neten stattgefundenen vertraulichen Besprechungen haben fich folgende Propositionen als mögliche Ausgleichungspunkte der vorliegenden Diffe­ renzen und geeignete Mittel zur Verhinderung von Conflicten heraus­ gestellt, die der schließlichen Genehmigung der betreffenden hohen Regie­ rungen schleunigst unterbreitet werden. §. 1. Die Regierungen von Oesterreich und Preußen erklären, daß eS in ihrer Absicht liege, die endliche und desinitive Regulirung der kur­ hessischen und der holsteinischen Angelegenheit durch die gemeinsame Ent­ scheidung aller deutschen Regierungen herbeizuführen. §. 2. Um die Corporation der in Frankfurt vertretenen und der übrigen deutschen Regierungen möglich zu machen, sollen in kürzester Frist von Seiten der in Frankfurt vertretenen BundeSmitglieder, sowie von Seiten Preußens und seiner Verbündeten je ein CommiffariuS ernannt werden, welche über die gemeinschaftlich z» treffenden Maßregeln in Ein­ vernehmen zu treten haben. §. 3. Da es aber im allgemeinen Interesse liegt, daß sowohl in Kurhessen wie in Holstein ein gesetzmäßiger, den Grundgesetzen des Bun­ des entsprechender und die Erfüllung der Bundespflichten möglich machen­ der Zustand herbeigeführt werde, da ferner Oesterreich in seinem Namen und im Namen der ihm verbündeten Staaten die zur Sicherung der In­ teressen Preußens von letzterem geforderten Garantien über die Oceupation des Kurstaates in vollem Maße gegeben hat, so kommen die beiden Regierungen von Oesterreich und Preußen für die nächste Be­ handlung der Fragen und ohne Präjudiz für die künftige Entscheidung über Folgendes überein: a) Zn Kurhessen wird Preußen der Aetion der von dem Kur­ fürsten herbeigerufenen Truppen kein Hinderniß entgegenstellen und zu dem Ende die nöthigen Befehle an die dort kommandirenden Generale erlassen, um den Durchgang durch die von Preußen besetzten Etappen­ straßen zu gestatten. Die beiden Regierungen von Oesterreich und Preu­ ßen werden im Einverständniß mit ihren Verbündeten Se. königl. Höh. den Kurfürsten auffordern, Seine Zustimmung dazu zu geben, daß ein Bataillon der von der kursürstl. Regierung requirirten Truppenmacht und ein königl. preuß. Bataillon in Kassel verbleiben, um die Ruhe und Ordnung zu erhalten. b) Nach Holstein werden Oesterreich und Preußen nach gepflo­ gener Rücksprache mit ihren Verbündeten, und zwar so schleunig als möglich gemeinsame Commiffare schicken, welche im Namen des Bundes

50 von der Statthalterschaft die Einstellung der Feindseligkeiten, die Zurückzichung der Truppen hinter die Eider und die Reduktion der Armee auf ein Drittel der jetzt bestehenden Truppenstärke verlangen, unter Andro­ hung gemeinschaftlicher Erecntion im Weigerungsfälle. Dagegen werden beide Regierungen auf das königl. dänische Gouvernement dahin einwir­ ken, daß dasselbe im Herzogthum Schleswig nicht mehr Truppen auf­ stelle, als zur Erhaltung der Ruhe und Ordnung erforderlich sind. g. 4. Die Ministerial-Confcrenzen werden unverzüglich in Dresden stattfinden. Die Einladung dazu wird von Oesterreich und Preußen ge­ meinschaftlich ausgehen und zwar so erfolgen, daß die Conferenzen um die Mitte December eröffnet werden können. Olmütz, den 29. November 1850. lgez.) Manteuffel.

(gez.) Fürst Schwarzenberg.

2. Preußische Denkschrift zur Olmütz er Punctation. Berlin, den 3, December 1850. Der Gedanke, welcher der Olmützer Punctation auf preußischer Seite zu Grunde liegt, ist der: Preußens politische Stellung erfordert das Aaerkenntntß, daß keine deutsche Frage ohne seine Theilnahme entschieden, daß also weder die kurhessische noch die holsteinische Frage von den in Frankfurt ver­ sammelten Regierungen einseitig im Namen des Bundes definitiv erle­ digt werden können, Preußens militärische Stellung fordert, daß weder zwischen den beiden Theilen der Monarchie, noch im Rücken derselben eine fremde Truppenmacht aufgestellt werde, ohne eine entsprechende Ent­ faltung seiner eigenen Truppenmacht an diesen Orten selbst. Wird ihm beides, odcr auch nur eins von Beiden geweigert, so muß es Krieg machen, und die Opfer eines solchen Krieges werden vor dem Lande, der Krieg selbst vor Europa gerechtfertigt sein. Wird ihm dagegen Beides gewährt; wird jenes Anerkenntniß ihm nicht nur im Prinzipe, sondern thatsächlich verbürgt; wird die Zurück­ ziehung seiner Truppenmacht nicht gefordert; so liegt in dem augenblick­ lichen Gewährenlaffen einer von dem Landesherrn hereingenifenen fremden Truppenmacht in Hessen keine Concession mehr, welche PreußenEhre gefährdete, und keine Gefahr, welche einen Krieg vor dem Lande und vor Europa rechtfertigt. Dies ist durch die Olmützer Punctation erreicht. Der §. 1 enthält das prinzipielle Anerkenntniß. 3n diesem Paragraph wird dem gedachten Prinzipe sogleich die thatsächliche Anwendung gegeben, durch die Niedersetzung einer gemein­ schaftlichen Commission, in welcher Preußen mit seinen Verbündeten einerseits, den in Frankfurt versammelten Regierungen andererseits, ganz gleich berechtigt in voller Parität gegenübersteht. In §. 3 ist der Durchzug durch die Etappenstraße gestattet, in Folge ausdrücklicher Garantien von Oesterreich und seinen Verbündeten, und unter der Voraussetzung, daß die Etappenstraßen selbst von Preußen fort­ während besetzt gehalten werden, so lange die Sicherung seiner militäri­ schen Interessen die- erfordert. Dazu kommt die gemeinsame Besetzung

51 der Hauptstadt unter Zustimmung de- Landesherrn, ohne welche eine solche Maßregel eine direkte Verletzung seiner Souverainetät wäre. Dagegen concedirt Preußen, daß die von dem Landesherrn herbeigerufene Truppenmacht, für den Augenblick und ohne Präjudiz für die künftige Entscheidung, die Autorität desselben herstelle, welche, wie wohl schwerlich von irgend einer Seite mit Grund geleugnet werden kann, fak­ tisch vernichtet war. Sie wird faktisch hergestellt, und die rechtliche Ent­ scheidung vorbehalten. Diese rechtliche Entscheidung hatte bisher der sogenannte Bundes­ tag in Frankfurt in Anspruch genommen, und jede Mitwirkung Preußens anders, als unter bundestägigen Formen abgewiesen. Ebenso in der holsteinischen Frage, in welcher der Bundestag allein mit Dänemark unterhandeln und die Entscheidung über dessen Vorschläge im Namen des Bundes in Frankfurt aussprechen wollte. Preußen hatte dagegen gefordert, daß in beiden Fragen die Ent­ scheidung durch eine von beiden Seiten, von den Frankfurter Regierungen einerseits, und von Preußen und den Verbündeten andererseits zu er­ nennende Commission vorbereitet und durch die Genehmigung aller deut­ schen Regierungen rechtskräftig werden sollte. Es hatte dies in Bezug auf Kurheffen schon im September, in Bezug auf die Herzogtümer wie­ derholt und noch zuletzt am 17. Oktober förmlich vorgeschlagen. Damals wurde diese Forderung abgelehnt; jetzt ist sie im §. 2 der Olmützer Punetation zugestanden. Es ist also jetzt dasjenige erlangt, was im Septem­ ber und Oktober aefordert und verweigert wurde. Diesem Zugeständniß gegenüber handelte es sich um die Frage, ob um des augenblicklichen Vorgehens der vom Kurfürsten herbeigerufenen Truppen willen der Krieg entbrennen sollte? ein Krieg, dessen Folgen nicht zu berechnen waren, ein Krieg, der Deutsche gegen Deutsche in den Kampf führte — ein Krieg, der freilich im günstigen Falle Preußen an die Spitze Deutschlands führen konnte, der aber in jedem Falle Deutsch­ land schwächen und zerrütten, der auf deutschen Feldern geführt werden mußte, der das Aufgeben jeder Hoffnung auf eine friedliche Lösung der deutschen Verfaffungsftage in sich schloß, während eine solche friedliche Lösung eben in Aussicht stand. Die königl. preußische Regierung hat die Verantwortung für einen solchen Krieg, nachdem ihr jene Bürgschaften für ihre politische und mi­ litärische Stellung gegeben waren, nicht auf sich nehmen wollen; sie glaubt vielmehr, in dem Frieden Alles erhalten zu haben, was die Ehre und die Macht Preußens forderten. Die Lage der Dinge ist nunmehr folgende: 1) 3m Allgemeinen ist der Anspruch des Bundestage- auf einseitige Entscheidung deutscher Fragen thatsächlich aufgegeben, dieser vielmehr sämmtlichen deutschen Regierungen anheimgestellt, und die Vorbereitung derselben einer von beiden Seiten gleichberechtigten Commission über­ geben. In dieser Commission treten Preußen und seine Verbündeten als eine anerkannt gleichberechtigte Gesammtheit der Gesammtheit der übrigen Regierungen, welche bisher die Entscheidung für sich allein in Anspruch nahmen, gegenüber. Diese Entscheidung avird jetzt weder von den einen, noch von den anderen, sondern nur von allen zusammen aus­ gehen. Mehr hat Preußen nicht gefordert und mehr zu fordern hat es kein Recht. Wird die Commission, 4vie eS zu erwarten steht, aus eben so tüch­ tigen und bedeutenden, als besonnenen Männern zusammengesetzt, so wird, sie die glückliche Vermittelung für die Wahrung aller Rechte bilden.

82 Halten die Verbündeten Preußen- treu zu letzterem, so wird ihnen dadurch die Mitwirkung bei allen wichtigen Fragen gesickert sein. DaBündniß Preußen- mit ihnen ist von Preußen nickt aufgegeben, dessen Aufgeben auch von Oesterreich nicht gefordert, vielmehr da- Bestehen desselben zu gemeinsamem Handeln durch die Olmützer Punctation fak­ tisch anerkannt. 2) In Kurhessen werden zunächst die von dem Landesherrn her­ beigerufenen Truppen in der Ausführung der von letzterem nackgesuchten Hülfe nicht gehindert werden. Aber die endliche und rechtliche Entschei­ dung der ganzen Angelegenheit wird nun nicht mehr in den Händen des Bundestages liegen, sondern durch die niederzusetzende Commission der Gesammtheit der deutschen Regierungen, als der einzig berechtigten höch­ sten BundeS-Autorität, zugewiesen werden. 3) In Holstein wird nicht mehr ein Ccmmiffar des Bundestags dem Lande das Gesetz auflegen, sondern zunächst werden preußische und österreichische Commiffarien die Statthalterschaft zu der Einhaltung von Bedingungen auffordern, welche das Bundesgebiet gegen jeden Angriff zu sichern geeignet sind, und welcke in den Grundgesetzen des Bundes und in dem FriedenS-Tractat vom 2. Juli ihre volle Begründung finden. Es läßt sich völkerrechtlich nickt rechtfertigen, daß, während der Bund den Frieden mit Dänemark erklärt hat, eine vom Bunde eingesetzte Behörde außerhalb der Bundesgränzen Krieg führt. Auf diesem Grundsatz sind die Forderungen an die Statthalterschaft basirt. Die Reduktion der Armee liegt im Interesse des Landes und ist, wie dies früher oft von der Statthalterschaft erklärt ist, unbedenklich, wenn Dänemark ebenfalls reducirt, wozu alle Aussicht vorhanden ist. Weigert die Statthalterschaft die Annahme dieser billigen Forderun­ gen, so werden anstatt einer einseitigen Erecution Oesterreichs oder des Bundestages nur gemeinsame Maßregeln von Oesterreich und Preußen eintreten können, worüber die int §. 2 stipulirte Commission sich zu ver­ ständigen haben wird. Darin kann keine Gefahr für Preußen und für Holstein liegen. Die weitere Entscheidung der Frage wird ebenfalls nicht mehr von den in Frankfurt vertretenen Regierungen einseitig, sondern von sämmt­ lichen deutschen Regierungen ausgehen. Preußen und Oesterreich werden gemeinsam die Reckte des Bundes, wie die Rechte Holsteins wahr­ nehmen; und die niederzusetzende Commission wird, gleichsam als ein Dundes-Ausschuß sämmtlicher deutschen Regierungen, die Vorbereitungen und Verhandlungen dazu in die Hand nehmen. Zu diesem gemeinsamen Handeln Oesterreichs und Preußens dürfen die Herzogthümer ebensowohl wie die auswärtigen Mächte das volle Ver­ trauen fassen, daß kein wahrhaftes Reckt werde gekränkt werden. Preu­ ßen wird in dieser Vertheidigung der Sacke der Herzogthümer auch dem Auslande gegenüber nickt mehr allein stehen, und es ist das Mittel ge­ funden, die lange entbehrte Action des ganzen Bundes wieder eintreten zu lassen, ohne daß Preußen seinem Standpunkte etwas nackgäbe. Dies ist im Allgemeinen, wie in den beiden brennenden thatsäch­ lichen Fragen die Basis, auf welcker die Olmützer Punctation beruht. Auf dieser Basis glaubte die preußische Regierung den Frieden erhalten zu dürfen; und sie erachtet hierin die Anknüpfungspunkte gefunden, durch deren redlicke und von beiden Seiten wohlwollende Ausbildung 'dieser Frieden gesichert und eine heilsame Entwickelung der deutschen Verhält­ nisse möglich gemacht werden könne.

Für letzteren Zweck sind die freien Conferenzen bestimmt, welche in

53 kürzester Frist zusammentreten sollen, und zwar, dem Wunsche Preußengemäß, in Dresden. Es sind von vielen Seiten her Wünsche laut geworden, daß vor dem Zusammentritt derselben schon die Basen festgestellt werden müssen, auf welchen dort die Berathung über die deutsche Verfassungs-Revision sich zu bewegen habe. Daß dies nicht durch die Olmützer Punctation geschehen, wird von Manchen als ein Mangel derselben bezeichnet werden. Eine besonnene Erwägung der Verhältnisse wird lehren, wie unbe­ gründet dieser Vorwurf sein würde. Die Olmützer Zusammenkunft,.durch das Dringende des Augenblickauf wenige Stunden beschränkt, konnte der Natur der Sache nach nicht zum Zweck haben, Grundzüge für einen Verfassung festzustellen, an deren Entwerfung Deutschland seit zwei Jahren sich abmüht; sie konnte nur auf die Behandlung der brennenden, mit augenblicklichem Conflict dro­ henden Fragen, auf die Entscheidung: ob Krieg, ob Frieden? gerich­ tet sein.

3. Preußifckes Einladungsschreiben zu den Dresdener Conferenzen. Schon seit Jahrzehnten hat sich durch ganz Deutschland da- Bedürf­ niß und der Wunsch nach durchgreifenden Reformen der Verfassung dedeutschen Bunde- unzweideutig kundgegeben. Es war allseitig in weiten Kreisen erkannt, und e- wnrde von wahren, wohlmeinenden Freunden deVaterlandes am Peinlichsten empfunden, daß namentlich die durch die Bundes­ verfassung von 1815 geschaffene oberste Verwaltungsbehörde de- deutschen Bunde- nur in sehr geringem Maße den Ansprüchen entsprach, welche an ihre Wirksamkeit nach Innen und Außen gerichtet werden durften, daß sie die deutschen Staaten nicht innig genug verband, Edle- und Gemein­ nützige- im ganzen Umfange Deutschland- nicht kräftig förderte, und die Gesammtheit gegen das Ausland nicht so lebendig und entscheidend ver­ trat, als die Masse der in Deutschland vereinigten geistigen und materiellen Kräfte und die Erinnerungen an die Vorzeit mit vollem Rechte erheischten. Die einzelnen Regierungen de- deutschen Bunde- haben diese Mängel schmerzlich beklagt, und die auf eine Revision der Bundesverfassung ge­ richteten Wünsche lebhaft getheilt. Allein verschiedene Versuche, die Mängel de- Bestehenden zu heben, hatten bei der Größe und Vielseitigkeit der Auf­ gabe, neue und ausreichende Institutionen zu schaffen, immer nur einen wenig befriedigenden Erfolg. Der Grund hiervon lag theil- darin, daß die Bundesverfassung von 1815 nur eine sehr ungenügende Handhabe zu organischen Aenderungen darbot, theil- und hauptsächlich aber darin, daß die Folgen der Unzulänglichkeit dieser Verfassung sich noch nicht durch die Erfahrung in ihrer ganzen Schwere praktisch fühlbar gemacht hatten. Durch die Ereignisse de- Jahre- 1848 hat sich Letztere- auf da- Allerentschiedenste geändert. Es ist nicht nothwendig, hier nachzuweisen, wie wenig sich die Bundesverfassung damals geeignet zeigte, dem herannahenden Sturme zu widerstehen und den bedroheten Einzelstaaten Schutz zu gewäh­ ren; sie trat thatsächlich außer Kraft; die Grundlage de- Bunde- war erschüttert, und der zu jener Zeit begonnene Zustand der Zerrissenheit in

54 -em gestimmten Vaterlande dauert noch gegenwärtig sott. Die seitdem eingeschlagenen Wege zur Heilung dieser Zerrissenheit haben nicht zum Ziele geführt. Unter allen Erschütterungen und unter den mannigfachen Gestalten, welche die deutschen Angelegenheiten in den letzten Jahren angenommen haben, hat die Königliche Regierung an der Ueberzeugung festgehalten, daß die Reviston der Verfassung und Neugestaltung de- deutschen Bunde- au* gemeinsamer Einigung und freier Uebereinstimmung aller deutschen Negie­ rungen hervorgehen müsse. Von gleicher Ueberzeugung geleitet, hat die Kaiserlich österreichische Regierung sich mit un- vereinigt, sämmtliche Genossen de- Bunde- einzu­ laden, zu einer freien Berathung über diese hochwichtige Angelegenheit zu­ sammenzutreten. Al- ein geeignetes Mittel, um die nothwendige Einigung der deut­ schen Regierungen herbeizuführen, erscheinen gemeinsame Ministerial-Eonferenzen, wie fick solche schon in früheren ähnlichen Fällen bewährt haben. Wir richten daher, im Einverständniß mit dem Kaiserlich österreichi­ schen Gabinet, an sämmtliche deutsche Regierungen da- Ersuchen, ihre Be­ vollmächtigten bi- spätesten- zum 23. December d. I. mit ausreichenden Instructionen nach Dresden entsenden zu wollen, damit daselbst die Ver­ sammlung baldigst eröffnet, und unter Aufrechthaltung de- Grundsatzes, daß der deutsche Bund ein unauflöslicher fei, die Revision und Verbesserung seiner Grundsätze einer freien und gründlichen Berathung und allseitigen Erwägung unterzogen werde. Wir hegen die feste Zuversicht, daß auS dieser Berathung eine Der. einbarung hervorgehen werde, auf welcher den Interessen der Gesammtheit eine kräftige und umfassende Vertretung, der innern Wohlfahrt de- gemein­ samen Vaterlandes eine gedeihliche und heilsame Entwickelung, dem neu gefestigten Deutschland eine, seiner Bedeutung im europäischen Staaten, System entsprechende Stellung gesichert, und somit den gerechten Wünschen der Ration eine volle Befriedigung gewährt werden könne, ohne daß die freie und eigenthümliche Bewegung der einzelnen Bundesglieder nach eige­ nem Bedürfniß gehindert werde. Die Ergebnisse der Berathung werden alsdann durch die Zustimmung aller Vnndesglieder, denen in ihrer Gesammtheit die Ausbildung und Ent, Wickelung der Bundesverfassung zusteht, ihre feierliche Sanction erhalten, und von der neu zu kreirenden obersten Bundesbehörde als Bundesgruudgesetze veröffentlicht werden. Indem Seine Majestät der König, mein Allerguädigster Herr, mich beauftragt haben, die Einladung zu den oben gezeichneten Conferenzen in Allerhöchst Ihrem Namen an die ie. Regierungen gelangen zu lassen, wollen Allerhöchstdieselben zugleich gern die zuversichtliche Hoffnung aussprechen, daß die verbündeten deutschen Regierungen hierin den aufrichtigen Wunsch erkennen werden, die erschütterten Verhältnisse des deutschen Vaterlandes auf dem altgewohnten Wege gegenseitigen Vertrauens und friedlichen Ein­ verständnisses neu gegründet und für alle Zukunft gesetzlich befestigt zu sehen, und daß sämmtliche Genossen des Bundes in gleicher bundesfreundlicher Gesinnung hierzu bereitwillig die Hand bieten werden. Berlin, den 12. December 1850. (gez.) v. Manteuffel.

55 4. -vesterrelchlscheS Einladungsschreiben zu den Dresdener Conferenzen. DaS Dresdener Journal ist in den Stand gesetzt, das Circular seinem Wortlaute nach mittheilen zu können, welches von der k. k. öster­ reichischen Regierung an die deutschen Regierungen als Einladung zur Beschickung der Conferenzen in Dresden ergangen ist. Cs tautet folgen­ dermaßen : „Da- Bedürfniß einer zeit- und fachgemäßen Verstärkung der grund­ gesetzlichen Verfassung des deutschen Bundes im Wege der Revision ward in Deutschland gefühlt, lange ehe noch die Begebenheiten der letzten drei Jahre dessen Erfüllung zur Sache unausschieblicher Nothwendigkeit ge­ macht hatten. Schon damals waren alle denkenden Männer der Nation und alle Vaterlandsfteunde darüber einig, daß die Organisation der obersten Ver­ waltungsbehörde des Bundes eine mangelhafte fei; daß es an den Mit­ teln gebreche, das wahrhaft Gemeinnützige in geistiger wie in materieller Beziehung unter den Mitgliedern des Bundes in das Leben treten zu lassen; daß dem Auslande gegenüber die Vertretung Deutschlands nicht auf eine Weife bestellt sei und bestellt sein könne, wie sie der wirklichen Macht, den Hilfsquellen und der historischen Größe Deutschlands ange­ messen wäre. Die Ereignisse des Jahres 1848, die Leichtigkeit, mit welcher damals die Grundlage des Bundes erschüttert und dessen gesetzliche Thätigkeit außer Wirksamkeit gesetzt wurde, und der Zustand innerer Zerrissenheit, in welchem seitdem und bis zu dieser Stunde das gemeinsame Vaterland versetzt worden ist, haben nur zu sehr die Besorgnisse und Wünsche der­ jenigen gerechtfertiget, welche längst auf gründliche Revision der Verfas­ sung des Bundes gedrungen hatten. Verschiedene Wege find seit 1848 zur Erreichung dieses Zweckes ein­ geschlagen worden; keiner aber hat bis jetzt zum ersehnten Ziele geführt. Und dennoch muß man schnell an dasselbe gelangen, will man nicht die Bande, die gesetzlich und naturgemäß die deutschen Staaten aneinanderknüpfen, immer mehr sich lockern, will man nicht die deutschen Ver­ hältnisse einer völligen Auflösung entgegengehen und den Bund in der europäischen Staatenfamilie gänzlicher Machtlosigkeit zur traurigen Deute werden sehen. Unter solchen Umständen erscheint der durch frühere Erfahrungen als gut und zweckmäßig bewährte Weg gemeinsamer Ministerialconferenzen neuerdings angezeigt. Cs mögen daher in kürzester Frist die bevollmächtigten Vertreter sämmtlicher deutschen Regierungen an einem freigewählten Orte zusam­ mentreten. Daselbst sei ihre Aufgabe, — von dem Grundsätze ausgehend, daß der deutsche Bund ein unauflöslicher, und dessen Grundsätze bis jur er­ folgten Revision in unverbrüchlicher Giltigkeit bestehend seien, — bte Ver­ besserung eben jener Grundsätze in Berathung zu nehmen. Der leitende Gedanke bei dieser hochwichtigen Arbeit sei jener, daß die Interessen der Gesammtheit einer starken Vertretung sowohl im In­ nern als nach Außen hin bedürfen, um den Erfordernissen der Zeit, den

66 billigen Wünschen der Nation, und der Stellung, die Deutschland inmit, ten de- europäischen Staatensystems einzunehmen hat, zu genügen. Die Ergebnisse der Berathungen jener Versammlung mögen sodann, den Bestimmungen de- Art. IV. der Wiener Schlußacte gemäß, sämmtli­ chen Bnnde-gliedern vorgelegt, durch deren Zustimmung mit der erforder­ lichen Sanction versehen und durch die hierauf von Seite der zu bestel­ lenden obersten Bundesbehörde erfolgende Veröffentlichung zu BundeSGrundgefetzen erhoben werden. Se. Majestät der Kaiser, unser allergnädigster Herr, und Se. Maje­ stät der König von Preußen, von der Ueberzeugung geleitet, daß der an­ gegebene Weg endlich zum Ziele führen werde, und gleichmäßig von dem Wunsche beseelt, sobald als möglich wieder in Deutschland einen festen auf Recht und Gesetz ruhenden Zustand hergestellt zu sehen, sind sich in dem Entschlüsse begegnet, gegen Ihre Mitverbündeten den Wunsch auszusprecken, daß bis zum 23. d. M. sämmtliche deutsche Regierungen ihre Bevollmächtigten nach Dresden entsenden, damit daselbst alsbald nach der Analogie der Ministerialconferenzen des Jahres 1819 die Versamm­ lung eröffnet und in obbezeichneter Weise vorangegangen werden könne. Ew. re. sind beauftragt, die hierzu führende Einladung ohne Verzug Namens Sr. Majestät an die Regierung, bei welcher Sie beglaubigt zu sein die UThre haben, gelangen zu lassen. Allerhöchsttieselben zweifeln nicht, daß Ihre sämmtlichen Bundesge­ nossen mit Freuden die Aussicht begrüßen werden, die sich heute darbie­ tet, die erschütterten Verhältnisse des deutschen Vaterlandes auf dem alt­ gewohnten Wege gegenseitigen Vertrauens und friedlichen Einverständ­ nisses wieder geregelt und die hierdurch gesetzlich neu begründeten Zustände für alle Zukunft befestigt zu sehen. Empfangen dieselben ic."

5

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Depesche deS Fürsten Schwarzenberg an die wichtigsten europäischen Gesandtschaften Oesterreichs vom 7. Deebr. 1850. „Sie find durch meine Depesche vom 27. v. M. unterrichtet worden, daß der Baron Manteuffel mich auf's Dringendste zu einer Zusammen­ kunft aufgefordert hatte, und daß er mich wenige Stunden nach Empfang dieser Aufforderung durch den Telegraphen wissen ließ, daß er auf den bestimmten Befehl des Königs von Preußen nach Olmütz gehen werde, ohne meine Antwort abzuwarten. Se. Majestät der Kaiser betrachtete es als feine Pflicht, dem so be­ scheiden ausgedrückten Wunsche entgegenzukommen. Ich erhielt Befehl mich nach Olmütz zu begeben, wo ich mich am 27. und 29. v. M. mit dem Herrn Minister Manteuffel unterhalten habe. Es mußten große Schwierigkeiten überwunden werden, um den Ver­ such einer Verständigung in jenem Moment zu einem Resultate zu führen. Aber wir haben nicht einen Augenblick außer Augen verloren, wie viele Interessen bei der dermaligen Lage Europa'- auf dem Spiele standen, wenn man nicht einen Conflict zwischen Oesterreich und Preußen vermei­ den würde, und wir haben vollkommen erkannt, wie günstig das Zusam-

51 mentreffen der Umstände war, um uns bei dieser Gelegenheit den aufrichtigen Bestrebungen des so entschiedenen Repräsentanten der FriedensPartei in Preußen begegnen zu lassen. Unser aufrichtiger Wunsch war, diese Anstrengungen zu unterstützen und so viel als möglich beizutragen, daß ihnen der Sieg über Leidenschaften und verhängnißvolle Prätenfionen gesichert werde. Wir waren daher sehr geneigt, durch alle in unserer Macht stehenden Mittel zu beweisen, daß wir weit entfernt seien, uns der bedeutenden Vortheile unserer Stellung zu bedienen, um Preußen zu demüthigen oder ihm einen Theil des Einflusses zu rauben, der ihm von rechtswegen zukommt. Wir haben überdies gesucht, die Wohlthaten, welche aus einer aufrichtigen Versöhnung entstehen konnten, so hoch an­ zuschlagen, als unsere Pflichten eS uns gestatteten. Das beigefügte Protokoll enthält das Resultat der Olmützer Conferenzen. Dieses Protokoll hat die Billigung des Kaisers, unsers gnädig­ sten Herrn, erhalten, und wie uns eine Depesche aus Breslau anzeigt, auch die Sr. Ma>. des König- von Preußen. Wir haben es unseren Verbündeten empfohlen, damit auch sie ihm gleicher Weise ihre Zustim­ mung -eben. G- wird Ihrem Scharfsinn nicht entgehen, daß das kaiserliche Cabi­ net, indem es zustimmte, daß die isolirte Stellung Preußens in den An­ gelegenheiten des deutschen Bunde- aufhöre, keinerlei Opfer bringen wollte, da- nicht gebracht werden konnte, ohne dem wesentlichen Zwecke der Po­ litik Oesterreich- und der übrigen deutschen Regierungen, welche ihren Pflichten als Mitglieder des deutschen Bundes treu geblieben waren, zu präjudtciren. Um einzusehen, daß dem nicht ander- sein konnte, braucht man nur einen Blick auf die Stellung zu werfen, welche wir vor den Olmützer Conferenzeu einnahmen, und auf diejenige, welche wir im Stande find in Folge dieser Conferenzen einzunehmen. Oesterreich trat in die Schranken, um die Bundesverfassung Deutsch­ lands, die durch die Verträge geschaffen ist, aufrecht zu erhalten. Twar unsere Pflicht, unser absolute- Recht in dieser wesentlichen Frage, in der unsere- Trachten- selbst die fremden Mächte nicht ohne Gefahr vollfländig neutral bleiben können, geltend zu machen. Von Ansang an haben wir mit Vertrauen auf die moralische Kraft dieser Stellung ge­ handelt, und unter allgemeiner Zustimmung auf jeden Gedanken auch des geringsten Zwanges gegen dtejeniaen Mitglieder des Bundes verzichtet, welche sich der Anerkennung des legalen Bundes-Organes entziehen zu können glaubten. Als diese Bundesglieder auf diese Weise von ihrem Antheil an der Arbeit, gemeinschaftlich über die Angelegenheiten des Bun­ des zu wachen ausgeschlossen waren, mußten die TrecutionSmaßregeln sich darauf beschränken, die Angriffe zurückzuweisen, welche versucht werden könnten gegen die Aetion des Bundestages, die es kraft der Aufforderung, die ihm.von den ihn anerkennenden Staaten zukommen würden ausübt. Wir mußten derartige Angriffe zurückweisen und wir haben sie beschwören, indem tote seit Anfang de- vorigen Monat- von Preußen die feierliche Zusicherung erhalten haben, daß die Ausführung der Bundesbeschlüffe in Kurheffen und Holstein keinem Widerstand begegnen werde. Preußen hat diese Zusicherungen in Olmütz bekräftigt. Statt eineeinfachen Laisscz-faire, welche- nicht ohne große Jneonvenienzen war, hat es seine thätige Mitwirkung im Sinne der Bundesbeschlüffe angebo­ ten. Bel diesem Umstande muß man den großen Werth diese- neuen und glücklichen Umschwungs mit Beziehung auf die ernsten Fragen, welche den Bund angehen, schätzend anerkennen. Wir haben jede Anmaßung einer Theilnahme an der Leitung der

68 DundeSangelegenheiten außerhalb der gesetzlichen Formen zurückgewiesen, nnb so lange zurückgewiesen, als man fürchten konnte, daß eine Torrcesfion in dieser Beziehung in den Händen derer, die noch vor Kurze« un­ sere Gegner waren, zu einem Mittel «erden konnte, um die Grundlagen de- Bunde- und die Erfüllung seiner Pflichten in Frage zu ziehe« uud so da- Gleichgewicht und den Frieden Europa'- in Gefahr zu bringen. Wenn aber diese Furcht glücklich gehoben wurde, wenn positive Garan­ tien verlangt werden konnten, daß Preußen- Handeln in Eintracht mit dem Ziele de- Bunde- sei, so mußten wir un- die Frage vorlegen, ob es in diesem Fall für den BuodeSkörper, wie für ganz Europa nickt vorthetlhafter sein würde, in Erwartung einer vollständigen Reorganisation de- Bunde-, denjenigen Mitgliedern, die durch bloße Schwierigkeiten der Form nicht länger von un- getrennt waren, den Weg zur Theilnahme an den Angelegenheiten de- Bunde- zu eröffnen. Da- kaiserliche Eabinet konnte keinen Anstand nehmen, auf diese Frage Angesichts der von Preußen in Olmütz eingegangenen Verpflich­ tungen bejahend zu antworten. Auch war schon etwa- früher die Union-verfassung vom 28. Mai 1849 aufgegeben worden und folglich die Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß die gemeinsamen Berathungen über die Revision de- Bunde-vertrage- zu einem Ergebniß führen würden, da- die Billigung aller Mitglieder erhalten könnte. Au- diesen Gründen kam man in Olmütz überein, in der kurhessischen und holsteinische« Angelegenheit gemeinschaftlich und in Gemäßheit der Buode-beschlüffe zu verfahren. Bei diesem Stande der Dinge konnten wir e- über un- nehmen, den Kurfürsten zu veranlassen, daß er nicht ferner Einspruch erhebe gegen den Aufenthalt der preußischen Truppen in seinen Staaten, und daß er durch eine ausdrückliche an die preußische Regierung gerichtete Aufforderung dieser Regierung Gelegenheit gäbe, sich ohne eine Rechtsverletzung an den Maßregeln zur Paeificirung Le- Lan­ de- zu betheiligen. 3« Betreff Holstein- waren es die in Frankfurt gefaßten Beschlüsse, bei denen Preußen eine Mitwirkung im Namen de- Bunde- übernahm. ES gereicht uns zu großer Genugthuung, daß die von alle« Mächten, welche de« mit Dänemark geschloffenen Vertrag unterzeichneten, so sehr ersehnte Ausführung desselben einer der ersten Punkte ist, in dessen Er­ füllung sich die Dundesmitglieder von Neuem geeinigt haben."

6.

GrSfstmrrgS« Bortrag des t. f. Minister-Prä­ sidenten, Fürste« Schwarzenberg. (Gehalten zu Dresden am 23. December.) Ich hege das Vertrauen, meine Herren, daß nicht nur der gemein­ same uud große Zweck dieser Zusammenkunft uns hier vereinigt, sondern auch der Jede« von uns beseelende Wunsch, diesen Zweck möglichst, bald vollständig erreicht zu sehe« und hierzu nach Kräften beizutragen. Die danken-werthe Bereitwilligkeit, mit welcher Jmre hohe« Voll­ machtgeber der an dieselben ergangenen Einladung Oesterreich- und Preußen- entsprochen, und die Wahlen, welche .sie bei der Entsendung

59 ihrer Vertreter getroffen haben, find eine Bürgschaft,, daß wir im Geiste der Eintracht versammelt, da- Werk der Einigung mit Erfolg beginnen. Der deutsche Bund, hervorgegangen aus einem Bündnisse, za dessen Erkenntniß eine an weltgeschichtlichen Ereignissen reiche Zeit durch die un- von ihr dargebotenen Lehren geführt hat, ist während eine* Zeit­ raumes von 33 Jahren einer der Hüter des allgemeinen Frieden- ge­ wesen und hat wesentlich zur Erhaltung desselben beigetragen. Aber auch im Innern Deutschland- hat er de- Guten viel gestiftet, obwohl diesevon Manchen verkannt, und von Anderen nicht anerkannt worden ist, weil der Bund nicht in ihrem Sinne wirkte, oder weil derselbe nicht alle- Gute in- Leben rief, wozu weise Vorau-ficht die Keime in seine Verfassung gelegt hatte. Mag auch dieser letztere Vorwurf Wahre- enthalten, derselbe dürfte selbst dann noch durch die Erwägung gemildert werden, daß e- eben nichts Menschliche-, gebe, was durchaus vollkommen ist. Was der Bund aber jedenfalls Ersprießliche- geleistet, zeigt uu- ein Rückblick auf den reichen Segen, welcher fich unter seinem Schutze über Deutschland verbreitet hat, und ein Blick auf die Zustände der Gegen­ wart, deren Entwickelung wir einer Zeit verdanken, in der jener Schutz nicht mehr ausreichend wirksam sein konnte. Auch diese Zeit sollte lehrreich für un- werden und uns, wie es einstens der Fall war, auch diese- Mal ernstlich mahnen, die theuer er­ kauften Erfahrungen zu nützen. Dieselben haben gezeigt, daß Versuche, durchaus Neues zu schaffen, nicht zum Ziele führen, fie haben bewiesen, daß die Grundlagen, auf denen der Bund ruht, nicht nur gut und brauch­ bar, sondern selbst die einzigen seien, welche für ein Gebäude taugen, in dem eine Gemeinschaft von Staaten, wie Deutschland fie in fich be­ greift, in Eintracht und zur allseitigen Wohlfahrt zusammen zu leben vermag. Diese Erfahrungen haben aber auch zugleich die Mängel er­ kennen lassen, welche die bisherige Verfassung de- Bundes hatte, und die Lücken in derselben angedeutet, deren Ergänzung ein Bedürfniß ge­ worden. Tin solche- Bedürfniß ist vor Allem die Kräftigung de- ober­ sten Bunde-orgau- durch Einrichtungen, welche dasselbe firr die Zukunft befähigen, den Fluten der Revolution einen Damm zu setzen und damonarchiscke Princip gegen dieselben zu schützen. Die Erkenntniß dieser Wahrheiten muß un-, meine Herren,, noth­ wendig auch zur Erkenntniß der Aufgabe leiten, welche un- hier obliegt. Diese Aufgabe ist die Revifion der Buude-acte und der aus ihrer Entwickelung hervorgegangenen Gesetze. Nehmen wir die dem Bunde ursprünglich gegebene Verfassung zm Grundlage und zum Ausgangspunkte unserer Verhandlungen; — taffen wir e- uns angelegen sein, diese Verfassung mit Benutzung der Rath­ schläge der Erfahrung und mit Berücksichtigung alle- dessen zu ergänzen und zu verbessern, was Zeit und Umstände zur Wohlfahrt des Vater­ landes wirklich erheischen, schaffen wir eine oberste Bundesbehörde, stark genug, um durch den Schutz, welche fie den einzelnen Regierungen gegen die Feinde der Ordnung gewährt, die heiligsten Güter der Gesellschaft zu retten und vor neuen Gefahren zu sichern, so werden wir den An­ forderungen de- Rechtes, wie jenen der Billigkeit, den Eingebungen der Staatsklugheit und den Pflichten entsprechen, welche unsere hohen Voll­ machtgeber durch heilige Verträge für ihre gegenseitigen Beziehungen ein­ gegangen find, und welche die Vorsehung denselben, ihren Völkern gegen­ über, auferlegt hat. Es darf wohl nicht bezweifelt werden, meine Herren, daß Ihre hohe« Regierungen, wie Sie selbst, dieser Auffassung der Ver-

60 hältniffe beipflichten, zu deren Darlegung der kaiserliche Hof mich beauf­ tragt hat. Einig über den Ausgangspunkt, die Richtung und das Ziel werden wir dieses sicher und auch bald erreichen. Lassen Sie uns mit redlichem Willen, mit gegenseitigem Vertrauen, mit Gottes Segen und daher guten Muthes an das Werk gehen, damit es gelinge. Das Vaterland, dessen Wohlfahrt durch die Stürme der letztver­ flossenen Jahre erschüttert worden, und noch unter dem Drucke der Ver­ hältnisse der Gegenwart leidet, sieht mit Erwartung auf unsere Thätigkeit, und knüpft an deren Erfolge seine Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Nur mit diesen Erfolgen kann Ordnung, Gesetzlichkeit und Friede, daher wahre Freiheit und Wohlstand allen Theilen unseres herrlichen deutschen Vaterlandes wieder dauernd gesichert, und dessen Ansehen nach außen hin neuerdings befestigt werden. Wenn ich überzeugt bin, meine Herren, Ihren Ansichten begegnet zu sein, glaube ich auch Ihren Ge­ fühlen einen Ausdruck zu leihen, indem ich der königl. sächsischen Regie­ rung, und insbesondere dem edlen, als Mensch wie als Monarch so ver­ ehrungswürdigen Könige unseren und unserer hohen Vollmachtgeber Dank für die wohlwollende Aufnahme ausspreche, welche wir gefunden haben.

7.

Rede des königl. preuß. Ministerpräsidenten Freiherrn v. Manteuffel. Gestatten Sie, meine Herren, auch mir noch besonders meinen Dank für die Bereitwilligkeit auszusprechen, mit welcher der ergangenen Ein­ ladung zu den heute begonnenen Conferenzen Folge geleistet worden ist, so daß man nach länger als zwei Jahren, nach verschiedenen Spaltungen und traurigen Zwistigkeiten, die Bevollmächtigten sämmtlicher deutschen Staaten hier versammelt sieht, einmüthig entschlossen zum gedeihlichen Zusammenwirken. Ich darf hieran auch wohl noch ein Wort der Hoff­ nung und des Vertrauens knüpfen: wollen wir die Wiederkehr jener schlimmen Erfahrungen vermeiden, wohlan, meine Herren, zeigen wir den deutschen Stämmen, daß ihre Regierungen den Willen, die Einsicht und die Kraft haben, vorhandene Mängel zu beseitigen, Gutes, Wahres und Festes zu begründen.

8. Erstes Protokoll der Ministerialeonferenz, ge­ halten zu Dresden im Brühl'fchen Palais, am 23. December 1830. Der Einladung entsprechend, welche von Oesterreich und Preußen am 12. d. M. an sämmtliche Genossen des deutschen Bundes ergangen war, sich durch Entsendung von Bevollmächtigten an. einer, §tt Dresden

61 zu eröffnenden Ministerialeonferenz zu Beteiligen, — haben fich am heu­ tigen Tage im Brühl'schen Palais dahier versammelt: (ES folgen hier­ auf die Namen der Anwesenden.) Der Herr Fürst v. Schwarzenberg eröffnete die Sitzung durch Ver­ lesung eines Vortrages, welcher die Ansichten des kaiserlichen Hofes über den Zweck der zu pflegenden Verhandlungen, deren Grundlage und Aus­ gangspunkt entwickelte. Dieser Vortrag ist dem gegenwärtigen Protokolle als Beilage angefügt. Die Schlußworte der Rede des Herrn Fürsten v. Schwarzenberg gaben dem königlich sächsischen Bevollmächtigten, Herrn StaatSminister Freiherrn v. Beust, Veranlassung, nicht allein im Namen Sr. Majestät des Königvon Sachsen und Hochdessen Regierung für die bezeigte wohlwollende Gesinnung den tiefempfundenen Dank auszudrücken, sondern es auch aus­ zusprechen, wie hoch Sachsen und dessen Hauptstadt die Ehre zu schätzen wissen, die ihnen durch den Zusammentritt dieser hohen Versammlung zu Theil wird. Die sächsische Regierung fühle sich daher doppelt verpflichtet, das von den hohen Regierungen von Oesterreich und Preußen in so dan­ kenswerter Weise angebahnte Bundes- und Friedenswerk fördern zu hel­ fen, und sie betrete mit vollem Vertrauen den in der vernommenen Rede vorgezeichneten Weg. Sie erblicke aber auch zugleich in der Wahl Dres­ dens zum Sitze der Conferenzen eine glückliche Vorbedeutung, denn es erscheine ihr wie ein versöhnender Wink der Vorsehung, daß die Stadt, welche noch heute die Spuren jener unheilvollen Tage zeige, wo die Be­ geisterung für Deutschlands Einheit nur die Elemente der Zerstörung zu entfesseln wußte, zum Sammelplätze für die Männer ausersehen worden fei, die da berufen sind, jene vernichtende Elemente zu bannen und dem deutschen Vatertande Frieden und Eintracht zurückzugeben. Hierauf ergriff der königl. preußische Minister-Präsident, Herr Frei­ herr v. Manteuffel, das Wort, um auch seinen Dank für die Bereitwillig­ keit auszusprechen, mit welcher der ergangenen Einladung zu den heute begonnenen Conferenzen Folge geleistet worden ist, so daß man nach län­ ger als zwei Zähren, nach verschiedenen Spaltungen und traurigen Zwi­ stigkeiten, die Bevollmächtigten sämmtlicher deutschen Staaten hier ver­ sammelt sieht, einmütig entschlossen zum gedeihlichen Zusammenwirken. Mit diesem Danke sprach Herr Freiherr v. Manteuffel zugleich die Hoff­ nung und das Vertrauen aus: man werde der Wiederkehr jener schlim­ men Erfahrungen zu begegnen sich bestreben und zu diesem Ende den deutschen Stämmen zeigen, daß ihre Regierungen den Willen, die Ein­ sicht und die. Kraft haben, vorhandene Mängel zu beseitigen und Gutes, Wahres und Festes zu gründen. Endlich drückte noch der königl. baierische Minister-Präsident, Herr von der Pfordten, den lebhaften Dank aus, mit welchem die königl. Re­ gierung in der gemeinschaftlichen Einladung der hohen Regierungen von Oesterreich und Preußen einen erneuten Beweis ihrer bundesfreundlichen Gesinnungen und ihrer auf das Wohl des GesammtvaterlandeS gerichte­ ten Absichten erkannt habe und daher auch dieser Einladung mit Freu­ den gefolgt sei. Diese freudige Empfindung werde noch durch die Art erhöht, in welcher die Vertreter der genannten beiden hohen Regierun­ gen sich über den Zweck der Conferenzen ausgesprochen haben. Die kö­ niglich baierische Regierung glaube ihrerseits, daß man diese Berathungen mit dem Entschlüsse beginnen müsse, der Vergangenheit nur insofern ein­ gedenk zu sein, um aus ihr Lehren für die Zukunft zu ziehen, während man sie in jeder anderen Beziehung der Vergessenheit anheimzugeben habe, um in einträchtigem Zusammenwirken ein Werk zu gründen,, da- die

62 wahren Bedürfnisse der Gegenwart befriedige und so eine Zukunft der Wohlfahrt, de- Frieden- und der Macht für Deutschland zu begründen geeignet sei. Dazu würden zwar vor Allem demjenigen Principe, welcheallein unter un- der Träger der Ordnung zu sein vermag, dem monar­ chischen Principe, die Säulen seiner Kraft gefestiget, zugleich aber auch diejenigen Garantien bürgerlicher Freiheit gegeben werden müssen, welche der Bildung unserer Zeit entsprechen. In diesem Sinne möge die hohe Versammlung voll einträchtigen Geiste- und freudiger Hoffnung an ihr Werk gehen! Hierauf nahm der Herr Fürst v. Schwarzenberg da- Wort und äußerte: „E- wird Ihnen Allen, meine Herren, $ur Befriedigung gereicht haben, au- den eben vernommenen Vorträgen die Ueberzeugung zu schö­ pfen, welche Uebereinstimmung in unseren Gesinnungen herrscht. „Die Artikel III. und IV der Wiener Schlußakte erklären die Bunde-acte als den Grundvertrag und als das erste Grundgesetz des durch dieselben gestifteten Verein-, und behalten der Gesammtheit der Bundes­ glieder die Befugniß der Entwickelung und Ausbildung der Bande-acte vor, insofern die Erfüllung der darin aufgestellten Zwecke solche nothwen­ dig macht. „Nachdem e- sich also nur um die Ausbildung, Ergänzung und Ver­ besserung, mit einem Worte, um eine zeitgemäße Revision de- ersten Grund­ gesetzes, und der bereits aus ihm entwickelten Gesetze de- Bunde- han­ deln kann, werden dieselben, wie ich bereit- zu erwähnen die Ehre hatte, unseren Verhandlungen zur Grundlage und zum Ausgangspunkte zu die­ nen haben. „Was die Formen und den Geschäftsgang betrifft, welche bei diesen Verhandlungen zu beobachten sein dürften, empfehlen sich die bei den Ministerialconferenzen de- Jahre- 1820 beliebten, wo die Bevollmächtig­ ten sämmtlicher deutschen Regierungen, in derselben Absicht, welche unS hierher geführt hat, und zu denselben Zwecken, welche wir verfolgen, zu­ sammengetreten waren. „Ich erlaube mir demnach die Bildung von Sektionen vorzuschlagen, welchen die einzelnen, in innerem Zusammenhange stehenden Theile der Bundesverfassung zu dem Ende zuzuweisen wären, um der Plenarver­ sammlung über die etwa angemessen scheinenden Veränderungen oder Er­ gänzungen Vorschläge zu machen. „Was den bei der Bildung dieser Ausschüsse zu beobachtenden Vor­ gang betrifft, dürfte eine fteundschaftliche Verständigung der förmlichen Abstimmung und einem Scrutinium vorzuziehen sein. Es wäre daher vielleicht am angemessensten, wenn man den Bevollmächtigten von Oester­ reich und Preußen da- Vertrauen schenken wollte, einen gemeinsamen Entwurf für die Zusammensetzung dieser Ausschüsse zn verfassen, welcher der hohen Versammlung bei deren nächüer, unmittelbar nach den Weih­ nachtsfeiertagen stattfindender Zusammenkunft vorzulegen sein würde. „Außer den zur Ausarbeitung von Vorschlägen für die Revision der Bundesverfassung zu bestellenden Sektionen wäre dann zugleich auch eine Commission zu ernennen, welche die Führung de- Protokolls zu überneh­ men hätte. „Damit die Mitglieder derselben durch diese Aufgabe nicht zu sehr in Anspruch genommen, und von einer thätigen Theilnahme an den Ar­ beiten der zu bildenden Sektionen abgehalten werden mögen, glaube ich den Antrag stellen zu sollen, daß dieser Commission ein mit dem Geschäfte der Protokollführung vertrauter höherer Beamter zugetheilt werde, welchem

63 das Recht, den Sitzungen beizuwohnen, eingeräumt und die Verpflichtung auferlegt würde, sich der eigentlichen Redaction des Protokoll- zu unter­ ziehen. „Indem ich hierzu den kaiserlichen Hof- und Ministerialrath im De­ partement des Aeußeren und Referenten in Bundesangelegenheiten, Frei, Herrn v. Thierry, in Vorschlag bringe, hoffe ich allseitiger Zustimmung zu begegnen. „Was die Verifieation der bereits eingebrachten und noch einzubrin­ genden Vollmachten betrifft, dürfte es am zweckmäßigsten sein, den könig­ lich sächsischen Herrn Bevollmächtigten zu ersuchen, sich unter Zuziehung einiger Mitglieder dieser hohen Versammlung diesem Geschäfte unterzie­ hen und nach dessen Beendigung über das Ergebniß desselben Bericht erstatten zu wollen. „Es erübrigt mir nur noch, Sie, meine Herren, darauf aufmerksam zu machen, daß nicht nur die Würde dieser hohen Versammlung, sondern auch die Förderung der ihr gestellten wichtigen Aufgabe beeinträchtigt werden würde, wenn die unter uns stattfindenden Verhandlungen der Oeffentltchkett Preis gegeben und hierdurch zum Gegenstände der ZeituugSpolemik geworden, vor der Zeit, und wie dies unter solchen Umständen der Fall zu sein pflegt, auf entstellte Weise der Beurtheilung der Menge unterzogen werden sollten. „Diesem Nachtheile vermögen wir nur dadurch vorzubeugen, daß wir uns gegenseitig verpflichten, über Alles, was hier besprochen und verhan­ delt werden wird, persönlich das strengste Schweigen zu beobachten und bei unsern hohen Regierungen dieselbe Geheimhaltung zu bevorworten." Sämmtliche Anwesende waren mit diesen Anträgen einverstanden, worauf sich die Versammlung bis nach dem Weihnacht-feste vertagte. (Folgen die Unterschriften.)

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