Vicos Denkbild: Studien zur 'dipintura' der Scienza Nuova und der Lehre vom Ingenium 3050052090, 9783050052090

Mit seiner Scienza Nuova hat Giambattista Vico (1668-1744) nicht nur einen umfassenden Entwurf einer Kulturphilosophie v

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Vicos Denkbild: Studien zur 'dipintura' der Scienza Nuova und der Lehre vom Ingenium
 3050052090, 9783050052090

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Vicos Denkbild

B a n D I I1

ac t u s et I mago Berliner Schriften für Bildaktforschung und Verkörperungsphilosophie Herausgegeben von Horst Bredekamp Schriftleitung: Marion Lauschke

Thomas Gilbhard

Vicos Denkbild Studien zur Dipintura der Scienza Nuova und der Lehre vom Ingenium

Akademie Verlag

Einbandgestaltung unter Verwendung der Dipintura aus der Scienza Nuova, Napoli 1730

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Akademie Verlag GmbH, Berlin 2012 Ein Wissenschaftsverlag der Oldenbourg Gruppe www.akademie-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Reihengestaltung und Satz: Petra Florath, Berlin Druck und Bindung: DZA Druckerei zu Altenburg GmbH, Altenburg Dieses Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. ISBN 978-3-05-005209-0 eISBN 978-3-05-006248-8

J. M. K rois i n memor ia m

Inha ltsverzeichn is

Vorwort

E i n leit u ng I.

1. 2. 3.

Da s Problem ei ner E i n leit u ng i n d ie v ic h ia n isc he Ph i losoph ie: D ie „Idea del l’O p era“ a ls E xord iu m der Sc ie n z a Nu o v a Zur Editionsgeschichte der Scienza Nuova Das Exordium der Scienza Nuova: Dipintura und Spiegazione Elemente der Dipintura: „La donna con le tempie alate …“: die Metaphysik und ihre Bildtradition Fortuna – Providentia – Prudentia Ignota latebat: die Vignette auf dem Titelblatt Blick, Licht, und Reflexion

II. A l legor ie u nd p o e t isc he L og i k 1.

2.

Die vichianische Theorie einer „Logica poetica“ und ihre Corollarien Hieroglyphe – Imprese – Emblem Ekphrasis: Narration und Bildlichkeit Vicos Zivilisationsgeschichte Acconcezza Die allegorische Dimension

9 11

23 23 32 44

83 83 102

I I I. D ie L eh re vom I ngen iu m

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1. 2.

120 123

3.

Zur Vorgeschichte des vichianischen Ingenium-Begriffs Die Lehre vom Ingenium in Vicos Werk Vicos Liber Metaphysicus Die Digression in den Vici Vindiciae Die Trias von memoria – fantasia – ingegno Ingenium: eine Zusammenschau

Epi log

135 141

App end i x Bibl iog raph ie

147

A.

147

B. C.

Die Schriften von Giambattista Vico Vorbemerkung Sigla Kritische Werkausgabe Weitere Werkausgaben Einzelne Werke nebst Übersetzungen Bibliographien zu Vico Sekundärliteratur

150 150

Reg ister

167

Personenregister

167

Sachregister

171

VO RW O R T

„Wir mögen unsre Begriffe noch so hoch anlegen und dabei noch so sehr von der Sinnlichkeit abstrahiren, so hängen ihnen doch noch immer bildliche Vorstellungen an […]“ Das Dictum, mit welchem Immanuel Kant seine kleine Schrift Was heißt: Sich im Denken orientiren? von 1786 eröffnet, bezeichnet in prägnanter Weise das im vorliegenden Buch erörterte Problem. Was der Königsberger hier eher als defizitären Modus auf dem Weg zur reinen Vernunft konstatiert, hat der Neapolitanische Philosoph Giambattista Vico zu Beginn desselben Jahrhunderts als ein bildhaftes Denken zu inszenieren und fruchtbar zu machen versucht, dessen spätbarocke Züge nicht zu verleugnen sind. Die vorliegende Untersuchung versucht Grundzüge von Vicos bildhaftem Denken anhand seines programmatisch als neu sich ankündigenden Werkes, der Scienza Nuova, nachzuzeichnen. Die Arbeit stellt eine leicht überarbeitete Fassung einer Dissertation dar, welcher der Philosophischen Fakultät I der Humboldt-Universität zu Berlin im Sommersemester 2009 vorgelegen hat. Die Publikation bietet die willkommene Gelegenheit, im Vorwort jenen Personen publice Dank auszusprechen, welche an ihrem Zustandekommen beteiligt gewesen sind. Dank gebührt zuvörderst den Professoren John Michael Krois († Humboldt-Universität zu Berlin) und Jürgen Trabant (Freie Universität Berlin), welche die Arbeit betreut und auf vielfältige Weise gefördert haben. Das Kunsthistorische Institut in Florenz (Max-Planck-Institut) mit seinem Direktor Gerhard Wolf gewährte einen zweijährigen Aufenthalt in florierendem Ambiente, wofür ebenso Dank gesagt sei wie dem Istituto Italiano per gli Studi Filosofici und dem Centro di Studi Vichiani in Neapel, welche die wiederholten Besuche in Vicos Heimatstadt zu einer stets anregenden Inspiration werden ließen. In der Anfangsphase wurde die Untersuchung zudem durch ein Stipendium der Graduiertenförderung des Landes Berlin unterstützt. Neben dieser institutionellen

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Vorwort

Förderung sei auch den numina familiaria gedacht, insbesondere meinen Eltern und Patrizia, coniunx dilecta, die nicht nur in Phasen einer mitunter freischwebenden wissenschaftlichen Tätigkeit einen konstanten Rückhalt boten. Diejenige Person aber, welche die Arbeit von Anfang an mit nie nachlassendem Wohlwollen, intellektueller Ermunterung und großherziger Anteilnahme begleitet hat, vermag nun das gedruckte Werk leider nicht mehr zu erleben: Während der Vorbereitung der Drucklegung ist John Michael Krois verstorben. Seinem Angedenken sei das vorliegende Buch gewidmet. Berlin, im Juli 2011

Th. G.

EINLEIT U NG

Die Scienza Nuova beginnt mit einem Bild. Der Leser, der sich diesem Werk nähert, trifft zuerst auf die sogenannte „Dipintura“, einen in Kupferstich ausgeführtem Frontispiz mit einer zunächst rätselhaft anmutenden Darstellung. Seit der Auflage von 1730 ist diesem philosophischen opus magnum Vicos ein Frontispiz vorangestellt, für welches Domenico Antonio Vaccaro, seinerzeit einer der bekanntesten Künstler Neapels, den Entwurf geliefert hat, der von Antonio Baldi in Kupferstich ausgeführt wurde. Vico selbst hat diesem bildhaften Incipit seines Werkes große Bedeutung beigemessen. Wenn man der Bedeutung des Bildhaften in dieser „neuen Wissenschaft“ nachzugehen sucht, so dürfte es sinnvoll sein, einleitend zunächst Vicos Ansatz zu charakterisieren. Mit seiner Scienza Nuova hat Giambattista Vico den Entwurf einer umfassenden Kulturphilosophie vorgelegt. Der Blick auf die Kulturgeschichte lässt das Verstehen der Vergangenheit zu einem zentralen Anliegen werden und so kann man zu Recht sagen, Vico stehe mit seiner Scienza Nuova am Beginn eines hermeneutischen Zeitalters.1 Mit dem Begriff der Kultur gerät gerade das menschliche Schaffungsvermögen und insbesondere die Geschichtlichkeit der vom Menschen geschaffenen Welt in den Blick. Vico selbst macht freilich noch nicht von diesem 1

So hat Heinz Schlaffer: Poesie und Wissen. Die Entstehung des ästhetischen Bewußtseins und der philologischen Erkenntnis, Frankfurt a.M. 1990, p. 184 sq., treffend geschrieben, am Anfang des hermeneutischen Zeitalters „stehen die Axiome von Vicos Scienza nuova, daß die Menschen erkennen können, was sie selbst gemacht haben, und daß die Menschen ihre Geschichte selbst gemacht haben. Würde, wie die Religionen es annehmen, Gott die menschliche Geschichte lenken, so wäre sie unverständlich. Der Mensch muß, bewußt oder unbewußt, der Autor seiner Geschichte sein, damit alle Äußerungsformen der Kultur wie eine Schrift zu lesen sind. Kultur ist der Inbegriff des Verstehbaren. Vico hat das kulturelle Feld rein menschlicher Phänomene abgesteckt, auf dem die Philologie als hermeneutische Wissenschaft tätig wird.“

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Begriff der Kulturphilosophie oder dem italienischen Äquivalent einer filosofia della cultura Gebrauch; vielmehr findet sich bei ihm die Rede vom mondo civile, ein Terminus, der in einer paraphrasierenden Übersetzung wohl am ehesten als „gesellschaftlich-geschichtliche Welt“ wiedergegeben werden kann. Der mondo civile ist in der Tat ein Schlüsselbegriff: Vico betont in seiner Scienza Nuova, dass die Philosophen bisher die Welt nur in ihrer natürlichen Ordnung betrachtet haben, also den mondo naturale, und nicht den mondo civile, d.h. die menschliche Zivilisation, die Kultur in ihrem historischen Entstehungsprozess. Der mondo civile bildet hingegen den bevorzugten Erkenntnisgegenstand dieser neuen Wissenschaft.2 Innerhalb der Scienza Nuova nimmt die Theorie einer Kulturentwicklung weiten Raum ein. Aus der Beschreibung Vicos der Anfänge der menschlichen Kultur tritt die Phantasie oder das Vorstellungsvermögen besonders hervor. Demgemäß bezeichnet Vico als Hauptschlüssel zu seiner Scienza Nuova gerade die Entdeckung des „poetischen Charakters“, d.i. die Einsicht, dass die ersten Menschen natürlicherweise Poeten waren. Vico führt hierbei sein Konzept des carattere poetico – oder synonym dazu gebraucht den paradox anmutenden Ausdruck des universale fantastico, des phantasiegeschaffenen Allgemeinbegriffs – ein. Es ist dieses Konzept, das die Intelligibilität des Mythischen verbürgt und dabei zugleich die menschliche Erkenntnis anfänglich vor allem als anschauliche begreift. Insofern lässt sich verkürzt sagen: am Anfang steht das Bild – oder wenn man verstärkt Vicos Theorie der Gleichursprünglichkeit von lettere und lingue, von Schrift und Laut Rechnung zu tragen sucht, so könnte man sagen: am Anfang steht das Zeichen.3 Es ist in der bisherigen Literatur zum Thema immer wieder betont worden, wie das Bild der Schrift vorausgehe.4 Dass in der anfänglichen Phase der Kulturentwicklung das bildhafte Moment besonders präsent und wirksam ist, sollte einem Leser der vichianischen Zivilisationsgeschichte nicht verborgen bleiben. Das Bildhafte steht in der Kulturentwicklungslehre, wie sie von Vico in der Scienza Nuova vorgetragen wird, durchaus am Anfang. Ob sich 2 3

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Für eine Diskussion der kulturphilosophischen Relevanz Vicos sei nun auf das kürzlich erschienene Themenheft der Zeitschrift für Kulturphilosophie, IV, 2, 2010, verwiesen. Und diese Beobachtung hat ja in letzter Zeit verstärkt eine semiotische Vico-Lektüre florieren lassen. Exemplarisch mag auf das internationale Berliner Kolloquium von 1993 hingewiesen werden, dessen Akten publiziert vorliegen, herausgegeben von Jürgen Trabant: Vico und die Zeichen / Vico e i segni, Tübingen 1995. So beispielsweise Enrico Garulli: La tavola allegorica della Scienza Nuova Seconda, in: Giambattista Vico, Poesia, Logica, Religione, Brescia 1986, p. 228–241, hier p. 237: „C’è quindi una progressione, in quanto, come il parlare muto precede il parlare fonico, la primitiva rappresentazione pittografica precede la scrittura alfabetica e le lettere volgari.“

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durch diese Beobachtung auch die Voranstellung des bildhaften Frontispizes vor dem Text der Scienza Nuova erklären lässt, mag vorerst dahin gestellt bleiben. Bei der vorliegenden Untersuchung soll es nun allerdings weniger um die Rolle des Bildhaften im Kulturentwicklungsprozess gehen, vielmehr soll nach dem Bildhaften im oder am Werke selber gefragt werden, also gleichsam die Frage verfolgend, wie sich die Bildlichkeit ins Werk setzt – und das führt auf das Objekt Buch. Es heißt also zunächst das Buch als Gegenstand der Untersuchung anzusetzen. Das Buch als Imaginarium – so könnte man etwa einen Gedanken von Marc Fumaroli wieder aufnehmen, der in einer wegweisenden Studie über Frontispize in der Buchkultur des Barock die Aufmerksamkeit auf das Objekt Buch in seinen bildhaften und typographischen Konnotationen gelenkt und dabei die Idee des Frontispizes als Schwelle geltend gemacht hat. Seine Studie wird von den folgenden Worten eröffnet: „Il y a un imaginaire du livre […]“ – also das Buch als Imaginarium – „L’âge de l’humanisme, qui vit naître le livre imprimé, savait déjà les correspondances que cet objet exceptionnel, dépositaire de l’héritage et des conquêtes de l’esprit, suscite dans l’imagination des hommes cultivés […] Avant d’entrer dans le livre, il faut passer un seuil, traverser un péristyle, frapper à une porte, soulever un voile […] Le frontispice, comme les architectures éphémères […], balise l’espace orienté du livre en sont point le plus sensible: le seuil.“5 Nähert man sich mit dieser Art Schwellenkunde der Scienza Nuova, so ist es eben die sogenannte „Dipintura“, welche die Schwelle dieses Buches bezeichnet. Diese Dipintura bringt ja eine durchaus bewegte und zugleich rätselhaft anmutende Szenerie zur Darstellung (siehe Bild 1). Eine sonnenhaft leuchtende Erscheinung bricht sich am oberen linken Bildrand durch das dichte Gewölk des Hintergrundes seine Bahn, das leuchtende Kreisrund enthält ein Dreieck mit dem Auge der Providentia Divina. Von diesem Auge der göttlichen Vorsehung geht ein Lichtstrahl aus, der in einer blitzhaften ZickzackBewegung die Szenerie erfasst. Zuerst trifft dieser Lichtstrahl auf die Brust der Dame Metaphysica, welche in einem Akt ekstatischer Kontemplation zum sonnenhaften Symbol der göttlichen Vorsehung aufschaut; der Lichtstrahl bricht sich in einem konvexen Juwel auf der Brust der Metaphysik und wird von da aus auf die Statue eines bärtigen antiken Weisen reflektiert: es ist die Statue Homers, des Dichterfürsten des Altertums. Homer, genauer der Entdeckung des wahren Homer, ist ein eigenes Buch, das dritte der Scienza Nuova 5

Marc Fumaroli: Réflexions sur quelques frontispices gravés d’ouvrages de rhétorique et d’éloquence (1594–1641), in: Bulletin de la Société de l’Histoire de l’Art Français, 1975, p. 19–34; das Zitat hier p. 19.

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gewidmet: Della Discoverta del vero Omero. Homer ist der älteste und erste der Dichtertheologen, der „Poeti Teologi“, welche die Kunde von den frühesten Zeiten überliefern, ja diese Überlieferung allererst stiften. Die Figur Homers ist daher auch die Mittlerfigur zu den zahlreichen im unteren Vordergrund ausgebreiteten Gegenständen, die um einen im hinteren Bildmittelgrund stehenden Altar gruppiert sind, ein Altar, der als Fundament auch die Globuskugel und die sich darüber erhebende Figur der Metaphysik trägt. Auf den ersten Blick wird dem Betrachter die Bedeutung dieser Szenerie kaum klar verständlich sein. Doch steht das Bild mit seiner zunächst rätselhaft anmutenden Darstellung nicht allein da. Vico gibt selber eine ausführliche Erklärung dieses Bildes in dem nachfolgenden Text mit dem Titel „Spiegazione della Dipintura“, eben einer Erläuterung des Bildes, welche als Einführung in das Werk dient („Che serve per l’Introduzione dell’Opera“). Mit dieser Einführung durch eine Bilderklärung wird die Scienza Nuova also von einer Konstellation eröffnet, die sich durch eine elaborierte und komplexe Bild-Text-Beziehung auszeichnet. Vico konnte dabei zweifellos auf eine bereits seit längerem bestehende Tradition der Buchillustration zurückgreifen. Vor allem im Laufe des XVI. und XVII. Jh. ist es für die Buchgeschichte kennzeichnend, dass viele Editionen mit einem gestochenen Frontispiz erscheinen. Dabei macht sich eine Entwicklung bemerkbar, in welcher dem Titel und dessen typographischer Gestaltung zunehmend größere Aufmerksamkeit zukommt. Manchmal nimmt dabei der Titel eines Werkes eine immer weitschweifigere Form an, welche die gesamte Titelseite ausfüllt. Im Zuge einer solchen amplificatio führte dies mitunter zu einer Art Verdoppelung des Titels, nämlich der Ausbildung einer Titelseite, in welcher der eigentliche Sachtitel des Werkes sowie Autor, Verlag oder Drucker, Erscheinungsjahr etc. genannt werden, und eines diesem Titelblatt vorangehenden Kupfertitels oder eines Frontispizes, d.h. einer häufig in Kupferstich ausgeführten Seite, welche den Titel des Werkes in kürzerer Form antizipiert und diesen mit einem architektonischen Rahmenwerk oder einer anderen bildhaften Darstellung verbindet.6 Auch innerhalb der philosophischen Literatur gibt es bedeutsame Beispiele solcher Buchillustrationen, man denke etwa an den Kupfertitel der Instauratio magna von Francis Bacon, das Frontispitz des Leviathan von Thomas Hobbes, oder die Illustrationen in den

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Cf. die buchhistorischen Studien von Giuseppe Boffito: Frontespizi incisi nel libro italiano del Seicento, Firenze 1922, sowie Francesco Barberi: L’antiporta nei libri italiani del Seicento, in: Accademie e Biblioteche d’Italia, L, 1982, p. 347–354. Eine anregende Lektüre bietet auch das Werk von Henri-Jean Martin: Mise en page et mise en texte du livre français. La Naissance du livre moderne (XIVe–XVIIe siècles), Paris 2000.

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Bild 1

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Dipintura der Scienza Nuova, Napoli 1730

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Characteristicks von Shaftesbury und anderer auch weniger bekannter Autoren.7 Für das Verständnis der Bild-Text-Beziehung in der Scienza Nuova ist nun freilich die Einsicht bedeutsam, dass es sich bei Vico nicht um eine bloße Konzession an den modischen Zeitgeschmack handelt. Vico selbst hat der typographischen Gestaltung eine durchaus hohe Aufmerksamkeit zukommen lassen, aber gegenüber den zeitgenössischen Gepflogenheiten eines bloßen sich zur Schau stellenden Zierrats doch Distanz bewahrt. Seine kritische Einstellung gegenüber einem ausufernden Buchschmuck, der sich geistlos in der Ostentation von Luxus gefällt, hat Vico beispielsweise in einem Brief an Padre Edouard de Vitry formuliert, wo er seiner Abscheu über den überfeinerten Geschmack seiner Zeit („il gusto delicato, e nauseante del secolo“) zum Ausdruck bringt, die Bücher nun mit allerlei überflüssigen Zierrat in Kupfer zu drucken.8 Angesicht dieser Kritik an der selbstgefälligen Ausschmückung der Druckwerke ist zu bedenken, dass es sich im Falle von Vicos Scienza Nuova um eine philosophische Durchdringung des Bild-Text-Verhältnisses handelt. Hier ist die Intention des Autors deutlich, dem Leser eine bildliche Einführung in das Werk zu bieten, ein Werk, das sich durch die Komplexität philosophischer Gedankenführung auszeichnet. Die „Spiegazione“ zieht als eine vorangestellte Einleitung die Komplexität der Motive des vichianischen Denkgebäudes nochmals in sich zusammen. Die Untersuchung zu Vicos Scienza Nuova und deren typographische Gestaltung mag daher auch als ein eindringliches Exempel genommen werden für die Wichtigkeit des Umgangs mit den Originalen bei der exegetischen Arbeit. Die Auffächerung der wissenschaftlichen Arbeit in einzelne Disziplinen wie die Philosophie, die Kunstgeschichte, die Literaturwissenschaft, oder gar im heutigen Wissenschaftsbetrieb so randständige Disziplinen wie die Buchwissenschaft erschweren mitunter die Kenntnisnahme von Zusammenhängen. 7

8

Einen Überblick vermittelt Luisa Simonutti: La filosofia incisa: il segno del concettuale, in: Immagini per conoscere. Dal Rinascimento alla Rivoluzione scientifica. Atti della giornata di studio (Firenze, Palazzo Strozzi, 29 ottobre 1999), ed. Fabrizio Meroi / Claudio Pogliano, Firenze 2001, p. 81–112; speziell zu Illustrationen in philosophischen Werken der Frühaufklärung cf. Werner Schneiders: Hoffnung auf Vernunft. Aufklärungsphilosophie in Deutschland, Hamburg 1990, cap. II: Das Bild der Philosophie, p. 49–109. Cf. Giambattista Vico: Epistole, ed. Manuela Sanna, Napoli 1992, p. 132 [Epist. Nr. 47, v. 59 sq.]: „E in difetto anche di questi si fatti Autori, per non languire le stamperie, si sono ingegnati di allettar il gusto delicato, e nauseante del secolo ristampando Libri con un sommo lusso di rami, con le più vaghe delizie de’ bulini e con pompa sfoggiantissima di figure […].“

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Obgleich es, wie hier bereits angedeutet, die Konstellation von Bild und Text ist, die den Zugang zum Werk eröffnet, so hat diese Disposition nicht immer die notwendige und angemessene Beachtung erfahren unter den bisherigen Interpreten und Editoren. Entgegen Vicos eigenen Instruktionen wurde die Dipintura mitunter in den nachfolgenden Editionen ganz fortgelassen, oder wenn sie nicht ganz ausgelassen wurde, so doch meistens als eine Passage übergangen, die nicht eigens der Deutung würdig sei.9 Dies mag anhand einiger Beispiele aus der Editionsgeschichte verdeutlicht werden. In der ersten deutschen Übersetzung der Scienza Nuova von Wilhelm Ernst Weber aus dem Jahre 1822, der ersten Übersetzung dieses Werkes in eine andere Sprache überhaupt,10 wird das Frontispiz nicht reproduziert und der dazugehörige Text umformuliert. Weber gibt in dieser „Idee des Werkes“ eine durchaus neu formulierte und verkürzte Paraphrase der „Spiegazione“, bei der jeglicher Hinweis auf das Frontispiz getilgt ist.11 Während Webers Übersetzung eine nachhaltigere Wirkung versagt blieb, hat die fränzösische Ausgabe von Jules Michelet, welche erstmals 1827 unter dem Titel Principes de la philosophie de l’histoire publiziert wird, Vico im Laufe des XIX. Jh. eine größere Aufmerksamkeit im internationalen Rahmen garantiert. Michelets Ausgabe ist freilich eher eine freie Paraphrase, die auch die ursprüngliche Struktur der Scienza Nuova modifiziert. Von der einleitenden Bilderklärung schreibt er, sie sei das unverständlichste Stück des Werkes, das an den Anfang gesetzt scheint, um die Mehrzahl der Leser von der weiteren Lektüre abzuhalten: „L’explication de ce frontespice, en quarante pages, est le morceau le plus obscur de l’ouvrage, et semble mise tout exprès à l’entrée pour le fermer au plus grand nombre des lecteurs.“12 9

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Anlass für eine eigene Untersuchung würde die Betrachtung der diversen Nachstiche der Dipintura in den Vico-Editionen des XIX. Jh. bieten, angefangen etwa bei der Mailänder Ausgabe der Scienza Nuova von 1801 mit mehreren Neuauflagen, welche einen anonymen seitenverkehrten Nachstich der Dipintura aufweisen, bis etwa zur bekannten Werkausgabe von Giuseppe Ferrari, in der ein Nachstich in neoklassizistischer Manier geboten wird. Giambattista Vico: Grundzüge einer Neuen Wissenschaft über die gemeinschaftliche Natur der Völker, Aus dem Italienischen von Wilhelm Ernst Weber, Leipzig 1822. Der erste Satz dieser „Idee des Werkes“ lautet in der Fassung von Weber folgendermaßen (op. cit. p. 1): „Der Verfasser dieser Grundzüge einer neuen Wissenschaft über die gemeinschaftliche Natur der Völker, denkt seinen Weg zu machen an der Hand der Metaphysik, welche von ihrem bisherigen Standpuncte, der Betrachtung der göttlichen Vorsehung in der Welt der natürlichen Dinge, diesmal sich erhebt zu der Betrachtung derselben in der Welt des Menschengeistes, oder der bürgerthümlichen- und Völkerwelt.“ Jules Michelet: Oeuvres complètes, sous la direction de Paul Viallaneix, Paris 1971, vol. I, p. 616.

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Auch diejenige Ausgabe, die die deutsche Vico-Rezeption im XX. Jh. über weite Strecken geprägt hat, nämlich die erstmals 1924 erschienene Übersetzung von Erich Auerbach,13 widmet der Dipintura wenig Aufmerksamkeit. Auerbach übersetzt zwar im Gegensatz zu Weber den Text der „Idee des Werkes“ mit der Überschrift „Erklärung des gegenüberstehenden Gemäldes als Einleitung des Werkes“, aber von dem geringen Interesse an Vicos Konzeption einer bildlichen Einführung zeugt der Umstand, dass die durchaus umfangreiche „Vorrede des Übersetzers“ (p. 7–59) von Auerbach keinerlei Hinweis auf das vichianische Bilddenken bietet. Ähnliches kann für die neue deutsche Übersetzung von Vittorio Hösle und Christoph Jermann gesagt werden. Diese Ausgabe hat zwar das Verdienst, den Text der Scienza Nuova erstmals vollständig ins Deutsche zu übersetzen, d.h. einschließlich aller gelehrten Exkurse, Nebenbemerkungen und dergleichen, und insofern geht sie über die bis dahin die deutsche Vico-Rezeption prägende Edition von Auerbach, die ja nur eine wesentlich gestraffte Version des Werkes bietet, hinaus. Die Ausgabe von Hösle und Jermann bietet daher eine vollständige Übersetzung auch der einleitenden Bildbeschreibung sowie eine Reproduktion der Dipintura. Gleichwohl kann man den beiden Übersetzern weder eine besondere Aufmerksamkeit noch ein ausgeprägtes Verständnis für das vichianische Bilddenken attestieren. Das macht sich zum einen an der Qualität der Übersetzung eben jener Passagen bemerkbar, die sich direkt auf das Text-Bild-Verhältnis beziehen; andererseits geht die umfassende Einleitung von Hösle, die selber die Dimensionen einer eigenständigen buchlangen Abhandlung annimmt, kaum auf die Dipintura und ihre Bedeutung für den Aufbau des Werkes ein.14 Wenn ein Großteil der Interpreten Vicos und der modernen Editoren seiner Werke nur wenig Verständnis für die Dipintura und deren Bedeutung 13

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Giambattista Vico: Die neue Wissenschaft über die gemeinschaftliche Natur der Völker. Übersetzt von Erich Auerbach, München 1924; die zweite Auflage mit einem Nachwort von Wilhelm Schmidt-Biggemann, Berlin / New York 2001, welche einen photomechanischen Nachdruck der Ausgabe von 1924 darstellt, versäumt allerdings die Reproduktion der Dipintura, vermutlich aufgrund eines fehlerhaften Exemplars als Vorlage des Nachdrucks. Cf. zu diesem Nachdruck auch Thomas Gilbhard: La versión auerbachiana de la Scienza nuova en una reciente reimpresión, in: Cuadernos sobre Vico, n. 15–16, 2003, p. 359–360. So bemerkt Hösle in der genannten Einleitung: „Obwohl eine kommentierende Analyse der ‚Idea dell’opera‘ daher ein guter Einstieg in die SN sein könnte, ziehe ich es doch vor, im folgenden die wichtigsten Themen und Motive der SN in derjenigen Reihenfolge zu erörtern, die mir systematisch am fruchtbarsten scheint […]“ (G. B. Vico: Prinzipien einer neuen Wissenschaft über die gemeinsame Natur der Völker, Übersetzt von Vittorio Hösle und Christoph Jermann, Mit einer Einleitung „Vico und die Idee der Kulturwissenschaft“ von Vittorio Hösle, Hamburg 1990, p. XCI–XCII).

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gezeigt haben, so mag sich dies in jene Tendenz der Forschung einreihen, von der Lina Bolzoni eine gewisse Geringschätzung für die Bilder konstatiert hat.15 Noch Fausto Nicolini, der wohl wichtigste Herausgeber der Werke Vicos im XX. Jh., bezeichnet im Nachwort zu seiner Edition die Spiegazione als Meisterwerk der Unverständlichkeit, ein „capolavoro di sibillinità“.16 Freilich traf die Eröffnung des Werkes bereits bei Vicos Zeitgenossen auf einige Schwierigkeiten im Verständnis. Ein Beleg dafür ist beispielsweise der Briefwechsel Vicos mit Niccolò Concina. In seinem Brief vom Juni 1733 gibt dieser seiner Bewunderung für Vicos Werk Ausdruck, er schätze niemanden mehr als Vico, dessen Werke zu den originellsten und tiefsinnigsten zähle, die er je gelesen habe.17 Doch dann fährt Concina fort, indem er dem Autor bekennt, dass er Vieles nicht zu verstehen vermöge, und nennt dabei explizit die „Idea premessa alla sua Scienza Nuova“.18 Der Brief Concinas ist nur eines der zahlreichen Zeugnisse, welche das mangelnde Verständnis von Vicos Werk dokumentieren. Bekanntlich ist keiner der diversen Ausgaben der Scienza Nuova zu Vicos Zeiten ein großer Erfolg beschieden gewesen. Vielmehr ist es eine Art Aura der Unverständlichkeit, welche dieses Werk umgibt. Man könnte sagen, die Scienza Nuova hat von jeher als ein schwer zu entzifferndes und durchaus rätselhaftes Buch gegolten. Und dieser Ruf des Tiefsinnigen und Schwerverständlichen, welcher die Wirkungsgeschichte dieses Werkes von Anfang an begleitet, hat die Scienza Nuova erst spät zu einem Klassiker werden lassen. Vico war sich der wenig erfolgreichen Aufnahme seines Werkes seitens seiner Zeitgenossen durchaus bewusst. Sowohl seine Autobiographie wie auch seine Korrespondenz geben Auskunft über die unmittelbare Rezeptionsge15

16 17

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Cf. Lina Bolzoni: La stanza della memoria. Modelli letterari e iconografici nell’età della stampa, Torino 1995, p. XX: „C’è una lunga tradizione, dura a morire, di disprezzo per l’immagine, e per gli schemi visivi. Un ricco patrimonio di tavole, alberi, diagrammi, è stato così rimosso sia dal nostro patrimonio critico che, fisicamente, dalle pagine del libro; le moderne edizioni di testi cinquecenteschi di poetica e di retorica tendono infatti a riprodurre solo le parole.“ G. Vico: La Scienza nuova seconda. Giusta l’edizione del 1744 con le varianti dell’edizione del 1730 e di due redazioni intermedie inedite, ed. Fausto Nicolini, Bari 1942, vol. II, p. 349. Cf. Epistole, ed. M. Sanna, Napoli 1992, p. 171: „[…] di niuno io porto maggior stima che di lei: mentre giudico le opere sue per le più originali, per le più profonde, e per le più raggionate di quante mai ne abbia lette. Vostra Signoria dappertutto getta principj fondamentali ed inconcussi, e di fecondità meravigliosissima: l’erudizione che tocca ed accenna ella è immensa; ma l’uso e ’l raziocinio che sopra ne forma dee sorprendere gl’ ingegni più sublimi e più illuminati.“ Ibid.: „E le giuro, che niente più bramerei, che d’esserle vicino per potere essere istruito ed il(l)uminato sopra di molte cose che non arrivo ad intendere per debolezza del mio ingegno, e per mancanza di que’ requisiti accennati da V(ostra) S(ignoria) sul fine del(l)’Idea premessa al(l)a sua Scienza Nuova.“

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schichte der Scienza Nuova. Gleich nach Erscheinen der ersten Auflage schrieb Vico in einem Brief an Padre Giacco vom 25. Oktober 1725, er glaube sein Werk in die Wüste geschickt zu haben.19 In seinem Briefwechsel finden sich diverse Passagen, die auf die mangelnde Rezeption der Scienza Nuova Bezug nehmen und dabei dessen Erfolglosigkeit zu erklären versuchen. Eines der wiederkehrenden Momente in Vicos Argumentation ist dabei der „metaphysische“ Charakter seines Werkes, welcher in einem vom Cartesianismus beherrschten Zeitalter nicht angemessen gewürdigt wird. In einem Brief an Francesco Saverio Estevan vom Januar 1729 gibt Vico beispielsweise die folgende Selbstcharakterisierung: die Scienza Nuova sei ein Werk, in welchem die Metaphysik sich dazu erhebt, den Geist des Menschengeschlechts zu kontemplieren („un’opera meditata con una metafisica innalzata a contemplare la mente del Gener’Umano“), und folglich Gott in seinem Attribut der Vorsehung, denn durch dieses Attribut wird Gott von dem gesamten Menschengeschlecht betrachtet („e quindi IdDio per l’attributo della Provvedenza, per lo qual’attributo IdDio è contemplato da tutto il Gener’Umano“).20 Diese Äußerungen wirken bereits wie eine Vorwegnahme der Bildbeschreibung des Frontispizes der Scienza Nuova. Wiederholt beruft sich Vico auf die Metaphysik des menschlichen Geistes als eines zentralen Theorems seines Philosophierens. Auch in seiner Autobiographie gibt Vico eine Selbsteinschätzung, dass er „an sich schon von metaphysischer Geistesrichtung“ gewesen sei.21 In der historischen Selbstsituierung, die Vico in seiner Autobiographie bietet, fällt vor allem der Bezug zum Humanismus und Platonismus der Renaissance auf. Einer der wenigen affirmativen Bezüge, die Vico in seiner Autobiographie explizit erwähnt, sind eben die Platoniker der Renaissance. Nur vor diesem Hintergrund versteht sich das Lob auf die Blüte des Humanismus und der Metaphysik in der Renaissance, die Vico mit den folgenden Worten bedenkt:

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20 21

Cf. Epistole, ed. M. Sanna, p. 113 [Epist. Nr. 36, v. 5 sq.]. Der Passus aus diesem vielzitierten Brief lautet: „In questa Città sì io fo conto di averla mandata al Diserto; e sfuggo tutti i luoghi celebri, per non abbattermi in coloro, a’ quali l’ho io mandata: che se per necessità egli adivenga, di sfuggita li saluto: nel quale atto non dandomi essi nè pure un riscontro di averla ricevuta, mi confermano l’oppenione di averla io mandata al Diserto.“ Epistole, ed. M. Sanna, p. 147 [Epist. Nr. 57, v. 179–182]. Cf. Autobiographie, ed. Vinzenz Rüfner, Zürich / Bruxelles 1948, p. 18; Autobiografia, ed. Mario Fubini, Torino 1977, p. 9.

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EinlEitung

La metafisica, che nel Cinquecento aveva allogato nell’ordine più sublime della letteratura i Marsili Ficini, i Pici della Mirandola, amendue gli Augustini e Nifo e Steuchio, i Giacopi Mazzoni, gli Alessandri Piccolomini, i Mattei Acquavivi, i Franceschi Patrizi, ed avea tanto conferito alla poesia, alla storia, all’eloquenza, che tutta Grecia, nel tempo che fu più dotta e ben parlante, sembrava essere in Italia risurta […].22 Die Metaphysik, die im sechzehnten Jahrhundert im erhabensten Rang der Literatur einen Marsilio Ficino, einen Pico della Mirandola, sowohl Agostino Nifo wie Agostino Steuco, einen Jacopo Mazzoni, einen Alessandro Piccolomini, einen Francesco Patrizi beherbergt hat und soviel zur Poesie, zur Geschichte und zur Beredsamkeit beitrug, dass ganz Griechenland in seiner gebildesten und wohlsprechendsten Zeit in Italien wiederauferstanden zu sein schien […]. Die Betonung des metaphysischen Charakters der Scienza Nuova ist also ein durchgehendes Motiv der Selbsteinschätzung Vicos.23 Dieses Verständnis der Scienza Nuova als einer neuartigen Metaphysik ist auch für die ikonologische Analyse, welche sich die vorliegende Untersuchung im ersten Teil vornimmt, von Bedeutung. Es ist für das weitere Vorgehen der Untersuchung zunächst eine detailverbundene Betrachtung der Originaldrucke nötig. Der erste Teil umreißt daher erneut in Kürze die wesentlichen Etappen der Editionsgeschichte der Scienza Nuova, um sich dann einer ausführlicheren ikonologischen Analyse der Dipintura zu widmen. Im zweiten Teil soll sodann das allegorische Verfahren von Vicos Bildauslegung genauer in Betracht gezogen werden, der dritte Teil schließlich versucht mit der Exponierung von Vicos Theorie des Ingeniums auf die erkenntnistheoretischen Grundlagen solchen Bilddenkens aufmerksam zu machen.

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G. B. Vico: Opere V, ed. Fausto Nicolini, Bari 1929, p. 20–21; Autobiografia, ed. Mario Fubini, Torino 1977, p. 23–24. Für eine übersichtliche Darstellung der Grundzüge von Vicos Metaphysik sei verwiesen auf Santino Caramella: Metafisica vichiana, Palermo 1961.

i. DA S P R o B L E M E i N E R EiNLEiT U Ng iN DiE V ic H i A N iSc H E PH i LoSoPH i E: D i e „ i D e a D e l l’ O p e r a“ a l s e xO r D i u m D e r S c i e N z a N u o va

1. Zu r Ed it ionsgesc h ic hte der Sc ie n z a Nu o v a Bekanntlich hat die Scienza Nuova eine durchaus komplexe Editionsgeschich­ te. Vico hat sein Hauptwerk immer wieder neuen Überarbeitungen unterzo­ gen. Es ist auf jeden Fall ein Werk der Reife, an dem der über fünfzigjährige Autor Anfang der 1720er Jahre zu arbeiten beginnt.1 Unter dem Titel einer Scienza Nuova hat Vico insgesamt drei verschiedene Ausgaben zum Druck gegeben, außerdem sind eine Reihe von Entwürfen und Zwischenstufen erhalten. Die erste Ausgabe erschien 1725, die zweite wesentlich veränderte im Jahre 1730, schließlich die letzte noch von Vico selbst betreute unmittelbar nach seinem Tode im Jahre 1744. Da in den heutigen Studien, wenn von der Scienza Nuova die Rede ist, gewöhnlich stillschweigend nur auf diese dritte Auflage Bezug genommen wird ohne auf die innere Dynamik im Entste­ hungsprozess der Scienza Nuova einzugehen, sollen hier zunächst eingangs die wesentlichen Etappen der Editionsgeschichte in Erinnerung gerufen wer­ den. Vico selbst gibt in seiner Autobiographie einen Bericht über die Entwick­ lung der Scienza Nuova bis Anfang der dreißiger Jahre. Von der erstgenann­ ten Ausgabe heißt es gemäß der Auskunft seiner Autobiographie: E nel fine dell’anno 1725 diede fuori in Napoli dalle stampe di Felice Mosca un libro 12. di dodeci fogli non più in carattere di Testino con Titolo: Principj di una scienza nuova d’intorno alla Natura delle

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Angesichts der Rede von „Reife“ gilt es, sich die Ausführungen von Edgar Wind gewahr zu halten in seinem Buch Pagan Mysteries in the Renaissance, London 2 1968, cap. Vi: Ripeness is all.

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I. DIe „IDea Dell’Opera“ als exOrDIum Der Scienza nuova

Nazioni, per li quali si ritrovano altri Principj del Diritto naturale delle Genti: e con uno elogio l’indirizza alle università dell’europa.2 Und gegen Ende des Jahres 1725 gab er in Neapel aus der Druckerei von Felice Mosca ein Buch heraus im Duodezformat von nicht mehr als zwölf Bögen in kleingedruckten Lettern mit dem Titel: Prinzipien einer neuen Wissenschaft hinsichtlich der Natur der Nationen, worin wei­ tere Prinzipien eines natürlichen Rechts der Menschen aufgefunden werden: und mit einer an die universitäten europas gerichteten Wid­ mung versehen. Diese auch buchtechnisch detaillierte Beschreibung seitens des Autors macht bereits auf einen Aspekt aufmerksam: Vico vermochte seinem Werk in typo­ graphischer Hinsicht nicht die Form zu geben, die der Bedeutung seiner Schrift angemessen wäre. Dies hängt weniger von dem Willen des Autors ab als viel­ mehr von den äußeren Umständen, oder genauer gesagt, von der finanziellen Situation Vicos. Wie zu damaliger Zeit üblich, widmete der Autor sein Werk einer politisch einflussreichen Persönlichkeit, um im gegenzug Protektion und Mäzenatentum zu erwarten. Vico nun trug die Widmung der Scienza Nuova dem Kardinal Lorenzo corsini (dem späteren Papst clemens Xii) an; dieser akzeptierte zwar die Dedikation aber zog sich kurzerhand aus der mit der Dedikation üblicherweise verbundenen Übernahme der Druckkosten zurück,3 und so sah sich Vico unversehens mit dem Umstand konfrontiert, sein Buch auf eigene Kosten drucken zu lassen. Er musste dafür den Text nicht nur erneut überarbeiten und vor allem kürzen, sondern konnte das Werk nicht anders als „in carattere di Testino“, d. h. in einer kleingedruckten Type herauskommen lassen. Auch das kleine Duodezformat sowie generell die Druck­ qualität des Buches lassen es zunächst kaum als besonders bemerkenswertes Werk in Erscheinung treten. Man kann also durchaus zu Recht von einer Dis­ krepanz zwischen der typographischer Form und der geistesgeschichtlichen Bedeutung der Scienza Nuova sprechen.4 2 3 4

Vita di giambattista Vico scritta da se medesimo, in: Raccolta di opuscoli scientifici e filologici, tomo i, Venezia 1728, p. 240 (in der modernen Edition von giambattista Vico: Autobiografia, ed. Mario Fubini, Torino 1977, p. 56). Siehe dazu die Darstellung in der Autobiographie Vicos sowie den Briefwechsel zwischen Vico und corsini (Epistole, ed. Manuela Sanna, Napoli 1992, hier die Briefe Nr. 31–34; 39–41; 68). Eine solche Diskrepanz von typographischer Form und geistesgeschichtlichen Be­ deutung ist für Vicos Scienza Nuova zuletzt von Marco Paoli betont worden, cf. das Vorwort editoriale des von ihm herausgegeben Periodicums: Rara volumina, i, 1994, 1, p. 6 sowie idem: L’autore e l’editoria italiana del Settecento, in: Rara volu­ mina, ii, 1995, 2, p. 27, nun erweitert zugänglich in der Monographie: L’appannato specchio: l’autore e l’editoria italiana nel Settecento, Lucca 2004, passim.

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1. Zur eDItIOnsgeschIchte Der Scienza nuova

Für die interne Entwicklung von Vicos Hauptwerk ist vor allem der Übergang von der Scienza Nuova von 1725 zur Scienza Nuova von 1730 von Bedeutung. Zwischen der ersten publizierten Fassung von 1725 und der Form, die das Werk 1730 gefunden hat, besteht die wohl größte Differenz. in diesen fünf Jahren wurde die Scienza Nuova einer einschneidenden Revision unter­ zogen. Bereits kurz nach Erscheinen dieser ersten Auflage begann Vico sein Werk umzuarbeiten und im Laufe der Zeit schien diese ihm vor allem man­ gelhaft in Aufbau und Methode.5 Und so ging Vico bald auf Distanz zu der Fassung, in der sich sein opus magnum zunächst präsentierte. in seiner Auto­ biographie schreibt Vico von der geplanten Neuausgabe seines Werkes, wobei er auch durch äußere Umstände, insbesondere durch Querelen mit dem Dru­ cker, dazu veranlasst wurde, sein Werk umzuschreiben und dabei eine anders­ geartete Darstellung ersann: „E perché, per le testè narrate cagioni, l’opera non ritruovava stampatore né qui in Napoli né altrove che la stampasse a sue spese, il Vico si die’ a meditarne un’altra condotta, la qual è forse la propria che doveva ella avere, che senza questa necessità non arebbe altrimente pensato, che, col confronto del libro innanzi stampato, apertamente si scorge esser, dall’altra che aveva tenuto, a tutto cielo diversa.“6 in der Tat hat Vico in diesen Jahren seinem Werk eine ganz neue inne­ re Struktur verliehen. Erst mit der Scienza Nuova von 1730 erhält der struk­ turelle Aufbau jene Form, die bis zur letzten Ausgabe gültig bleiben wird: die Einteilung in fünf Bücher, wovon das erste axiomatisch die Prinzipien expo­ niert, das zweite der poetischen Weisheit und das dritte der Untersuchung des „wahren Homer“ gewidmet ist, das vierte und fünfte Buch schließlich corso und ricorso, also den Lauf der Dinge und deren Wiederkehr thematisieren. Dieses strukturelle Moment kündigt sich bereits im Titel der Ausgabe von 1730 an, der da lautet: ciNQUE LiBRi | Di giAMBATTiSTA Vico | DE’ PRiN­ ciPJ | D’ UNA SciENZA NUoVA | D’ iNtoRNo | ALLA coMUNE NATURA | DELLE NAZioNi | iN queSta SecoNDa iMPReSSioNe | con più propria

maniera condotti, | e di molto accresciuti. | […]. Bereits die Scienza Nuova

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6

So bemerken Benedetto croce und Fausto Nicolini, durchaus mit einem Anflug für das dem Erzählerischen eigenen Moment des Pittoresk­grottesken, in ihrer monu­ mentalen Bibliografia vichiana, Napoli 1947, i, p. 47: „E, invero, quanto sino a pochi giorni addietro la Scienza nuova prima gli era parsa perfetta, quasi altrettanto, ora che prese a guardarla con altro occhio, essa gli si mostrò diffettosa, specie per l’or­ dine e pel metodo.“ giambattista Vico: Autobiografia, ed. Mario Fubini, Torino 1977, p. 79–80.

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I. DIe „IDea Dell’Opera“ als exOrDIum Der Scienza nuova

von 1725 war in fünf „Bücher“ oder „Kapitel“ gegliedert.7 Diese Einteilung in fünf Bücher wird nun im Titel der Ausgabe von 1730 explizit und zwar gleich zu Anfang genannt: „cinque Libri de’ Principj d’una Scienza Nuova“. Die Disposition hat sich dabei wesentlich geändert – „con più propria maniera condotti“ – und so kann Vico an dem soeben zitierten Passus seiner Autobiogra­ phie behaupten, das Werk habe jene Darstellung oder Form – „condotta“ – ge­ funden, die ihm eben angemessen sei. Verglichen mit der ersten Fassung der Scienza Nuova zeige sich in der Ausgabe von 1730, das was vorher zerstreut und in vielen Anmerkungen dem Text folgte, nun in einen geistigen Zusam­ menhang gebracht und stichhaltig geordnet sei. Rückblickend gibt Vico in sei­ ner Autobiographie zu bedenken, dass er in der ersten Scienza Nuova, wenn auch nicht in der zu behandelnden Materie, so doch gewiss in der Anordnung irrte, insofern er die Prinzipien der ideen getrennt von den Prinzipien der Sprachen abhandelte, obgleich beide doch von Natur aus miteinander verbun­ den seien.8 Späterhin wird Vico in den folgenden Editionen betonen, dass aus seiner Sicht nur drei Stellen aus der ersten Scienza Nuova noch immer ihre gültigkeit bewahrt hätten. insgesamt berichtet er über diesen Prozess der Überarbeitung seines Werkes, dass er es in kürzester Zeit niedergeschrieben habe, wobei der Anfang des Werkes nochmals im letzten Moment geändert wurde, so dass alles unter einer geradezu schicksalhaften Eingebung („con un estro quasi fatale“) geschah.9 Für die Umarbeitung seines Werkes dürfte vor allem auch die Reak­ tionen und Anregungen, die Vico vonseiten einiger venezianischer gelehrter erfuhr, von entscheidender Bedeutung gewesen sein. Bekanntlich ist die Scien­ za Nuova ein Werk, welches zu seiner Zeit kaum eine angemessene Rezeption erfahren hat – und dies gilt für alle drei Auflagen. insofern bleibt die Scienza Nuova im wesentlichen ein zu Lebzeiten des Autors verkanntes Werk. Nen­ nenswert ist jedoch bereits beim Erscheinen der ersten Fassung im Jahre 1725 das interesse seitens einiger venezianischer gelehrter, namentlich Antonio 7 8

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in der Scienza Nuova von 1725 heißt es „capo“, während in der Ausgabe von 1730 für die Einteilung der Terminus „Libro“ Verwendung findet. giambattista Vico: Autobiografia, ed. Mario Fubini, Torino 1977, p. 81–82: „Nella Scienza nuova prima, se non nelle materie, errò certamente nell’ordine, perché trattò de’ princípi dell’idee divisamente da’ princípi delle lingue, ch’erano per natu­ ra tra lor uniti, e pur divisamente dagli uni e dagli altri ragionò del metodo con cui si conducessero le materie di questa Scienza, le quali, con altro metodo, dovevano fil filo uscire da entrambi i detti princípi: onde vi avvennero molti errori nell’ordi­ ne.“ Autobiografia, ed. cit., p. 82: „Tutto ciò fu nella Scienza nuova secondo emendato. Ma il brevissimo tempo, dentro il qual il Vico fu costretto di meditar e scrivere, quasi sotto il torchio, quest’opera, con un estro quasi fatale, il quale strascinò a sí prestamente meditarla ed a scrivere […]“.

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1. Zur eDItIOnsgeschIchte Der Scienza nuova

conti, Francesco carlo Lodoli und gian Artico Porcia.10 Diese traten mit Vico in einen anregenden Briefwechsel, in welchem sie Vico aufforderten, sein Werk in Venedig neu drucken zu lassen. So kam es schließlich zum Projekt einer venezianischen Neuauflage der Scienza Nuova, was aber nicht zum ge­ wünschten Ergebnis führte.11 Wenngleich sich diese Neuausgabe in Venedig, dem seinerzeit wohl wichtigsten Verlagsort in italien, letztendlich zerschlug und die zweite Auflage dann erneut bei Felice Mosca in Neapel herauskam, so dürfte dieses Projekt doch ein wichtiger weiterer Antrieb für Vico zur Umar­ beitung seines Werkes gewesen sein. in der Aufforderung zu einer Neuausga­ be wurde dem Autor auch frei anheimgestellt, dem Werk Verbesserungen und Ergänzungen hinzuzufügen.12 Dabei kam auch die Verbesserung der typogra­ phischen gestaltung zur Sprache. Antonio conti erwähnt, die Neuausgabe solle das Werk nicht nur allgemein zugänglicher machen, sondern auch mit einer besser lesbaren Type: „mà bisogna renderlo più universale con la stampa

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Antonio conti (1677–1749) ist sicherlich der bekannteste der drei genannten ge­ lehrten. Es mag genügen, an dieser Stelle auf die Monographie von Nicola Badalo­ ni: Antonio conti. Un abate libero pensatore tra Newton e Vico, Milano 1968, zu verweisen. Der Archtekturtheoretiker carlo Francesco Lodoli (1690–1761) war auch als Zensor für die Republik Venedig tätig; zum Einfluss Vicos auf ihn cf. Franco Bernabei: Mito ragione architettura: Vico e Lodoli, in: Vico e Venezia. Atti del congresso internazionale promosso dalla Fondazione giorgio cini e dall’insti­ tute for Vico Studies in occasione del 250° anniversario della pubblicazione, a Ve­ nezia, dell’Autobiografia di giambattista Vico (Venezia, isola di San giorgio Mag­ giore, 21–25 agosto 1978), ed. cesare De Michelis / gilberto Pizzamiglio, Firenze 1982, p. 223–243. Der graf gian Artico di Porcia (1682–1743) hingegen ist der idea­ tor des literarischen Projektes, die Viten einiger bedeutender italienischer gelehr­ ten zu sammeln und unter dem Titel Notizie d’alcuni Letterati viventi d’italia, e de’ loro Studj gemeinsam herauszugeben, was schließlich zur Publikation von Vi­ cos Autobiographie führte. cf. zu Porcia auch die Hinweise bei Pietro giuseppe gaspardo und gilberto Pizzamiglio: La pubblicazione dell’autobiografia vichiana nella corrispondenza di giovan Artico di Porcia con il Muratori e il Vallisnieri, in: Vico e Venezia, op. cit., p. 108 n. 3 sowie die Einleitung des Herausgebers Dario generali zu der Neuausgabe von giovan Artico di Porcia: Notizie della Vita, e degli Studi del Kavalier Antonio Vallisneri, Bologna 1986, p. 11 sq. Die Episode der geplanten venezianischen Edition wird von Vico in seiner Autobio­ graphie ausführlich geschildert. cf. dazu auch Vincenzo Placella: La mancata edi­ zione veneziana della Scienza Nuova, in: Vico e Venezia, op. cit., p. 143–182; idem: il resoconto di Vico su una mancata edizione della Scienza Nuova e i problemi ec­ dotici dell’Autobiografia, in: Annali dell’istituto Universitario orientale, sezione romana, XXViii, 1986, n. 1, p. 53–164. cf. die Briefe von Porcia an Vico vom 14. Dez. 1727: „se Vostra Signoria illustrissi­ ma volesse aggiungere qualche cosa, e all’opera de’ Pricincipj, e alla sua scrittura è in pienissima Libertà di farlo […]“ (Epistole, ed. Manuela Sanna, p. 135 [Epist. Nr. 50, v. 13 sq.]) und ähnlich auch im Brief von conti (ibid., p. 137 [Epist. Nr. 51, v. 14 sq.]) und von Lodoli (ibid. [Epist. Nr. 52, v. 11 sq.]).

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I. DIe „IDea Dell’Opera“ als exOrDIum Der Scienza nuova

e con la comodità del carattere“.13 in dem gleichen Brief spricht conti auch seine Empfehlung aus, dem Werk eine zusammenfassende Einleitung voran­ zustellen: „io la consiglierei à mettere alla testa del Libro una prefatione, ch’esponesse i vari principi delle varie materie, che tratta, e il sistema armoni­ co, che da essi risulta […].“14 Nicht zuletzt dieser Ratschlag mag auch zur Aus­ arbeitung der „idea dell’opera“ beigetragen haben, die eine der wesentlichs­ ten strukturellen Neuerungen der Scienza Nuova von 1730 darstellt. Ein großteil dieser Begebenheiten wird von Vico selber in der Scienza Nuova von 1730 referiert, in einem Abschnitt, dem er den Titel „occasione di meditarsi quest’opera“ gegeben hat. Dieser Text erscheint nur in der Ausgabe von 1730 und ist zwischen die Widmung und die „Spiegazione della Dipintu­ ra“ gestellt.15 in der späteren Auflage von 1744 ist dieser Bericht, der über die Entstehungsgeschichte des Werkes Auskunft gibt, dann fortgelassen worden. innerhalb der Entwicklungsgeschichte der Scienza Nuova ist es also diese Edition von 1730, welche die entscheidenden Neuerungen im struktu­ rellen Aufbau des Werkes bringt und daher den wesentlichen Schritt in der Herausbildung des vichianischen Denkens darstellt.16 Aber mit der Scienza Nuova von 1730 findet das Werk nicht nur jene Disposition, deren Form im weiteren auch aus der Sicht des Autors verbindlich bleiben soll, sondern es gibt insbesondere eine Neuerung, die im folgenden im Zentrum der Untersu­ chung stehen soll. Erstmals erscheint mit der Scienza Nuova von 1730 das gestochene Frontispiz, die sogenannte „Dipintura“, zusammen mit der nachfol­ genden Erklärung des Bildes am Anfang des Werkes. Die Scienza Nuova wird somit von einer kongenialen ouverture eröffnet, die eine elaborierte Bezie­ hung von Text und Bild ins Werk setzt. Von der bildlichen Darstellung, die das Werk eröffnet, wird Vico noch später sagen, sie sei dem Werk wesentlich;

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Epistole, ed. M. Sanna, p. 137 [Epist. Nr. 51, v. 13 sq.]. Ebenso auch im folgenden Brief vom 10. März 1728 (Epist. Nr. 53, v. 9–11, ibid. p. 138:) „Alcuni vogliono in­ traprendere la ristampa del medesimo Libro, ed imprimerlo con carattere più com­ modo, ed in forma più acconcia.“ ibid., Epist. Nr. 51, v. 17–19. SN 1730, p. iij–xij. Erst in jüngster Zeit hat die Scienza Nuova von 1730 eine erhöhte Aufmerksam­ keit erfahren, so dass man geradezu von einer Art Wiederentdeckung innerhalb der Vico­Forschung sprechen kann. cf. dazu exemplarisch die Beiträge diverser Autoren unter dem Titel Note sull’edizione critica della Scienza nuova 1730, in: Bollettino del centro di Studi Vichiani, XXXV, 2005, p. 141–175 (mit Beiträgen von Manuela Sanna, Andrea Battistini, giuseppe cacciatore, Jürgen Trabant, Paolo cristofolini). Angesichts der hier zur Diskussion stehenden editorischen initiati­ ven sei gestattet auf zwei Rezensionen unsererseits zu verweisen in: Philosophi­ scher Literaturanzeiger, LViii, 2005, p. 349–351, sowie in: Marginalien. Zeitschrift für Buchkunst und Bibliophilie, Heft 184, 2006, p. 75–77.

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1. Zur eDItIOnsgeschIchte Der Scienza nuova

in einer handschriftlichen Notiz zur Scienza Nuova steht zu lesen: „la Figura […] è d’essenza del Libro“.17 Diese Disposition von gestochenem Frontispiz und der nachfolgenden Bilderklärung findet sich auch mit nur geringfügigen Modifikationen in der letzten Ausgabe der Scienza Nuova von 1744 wieder. Während die beiden von Felice Mosca verlegten Ausgaben von 1725 und 1730 in einem kleingedruck­ ten Duodezformat erschienen waren, ist diese letzte vom Autor noch kurz vor seinem Tode besorgte Ausgabe von 1744 nun endlich in einem leserfreund­ licherem oktavformat gesetzt.18 Aufgrund des anderen Formats musste nun das gestochene Frontispiz neu gesetzt werden. Aus Vicos eigener Hand ist eine Anweisung für den Drucker erhalten, die heutzutage in der Handschriftenab­ teilung der Nationalbibliothek in Neapel aufbewahrt wird. Auf einem losen Blatt ist ein Druck der Dipintura von 1730 aufgeklebt, worunter Vico notierte, dass dieser Kupferstich im Quartformat vergrößert werden müsse und es not­ wendig sei ihn zu drucken, da sich die Einleitung des Werkes darauf beziehe: „Questo Rame deve ingrandirsi in quarto foglio, et è necessario stamparsi, perchè chiama l’introduzione dell’opera“.19 Der für die Neuauflage von 1744 notwendige Nachstich der Dipintura wurde von Francesco Sesone ausgeführt (siehe Bild 2). Es ist allerdings in der bisherigen Vico­Forschung kaum dem Umstand Beachtung geschenkt worden, dass es sich bei der Dipintura in der Auflage von 1744 um eine eher „unbeholfene Kopie“ derjenigen von 1730 handelt.20 Auch wenn die Differenzen zwischen beiden Auflagen vorwiegend 17

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So heißt es in einer buchtechnischen Anweisung in den späteren handschriftlichen Korrekturen, den sogenannten correzioni, Miglioramenti, ed aggiunte: „Porti l’anteprincipio ovvero l’occhio, e sia questo; SciENZA NUoVA. All’occhio siegua la Figura, la qual’ è d’essenza del Libro“ (La Scienza Nuova 1730, ed. Paolo cristo­ folini, Napoli 2004, p. 546). Der exakte Titel lautet: PRiNciPJ | Di | SciENZA NUoVA | Di | giAMBATTiSTA

Vico | D’iNToRNo ALLA coMUNE NATURA | DELLE NAZioNi | iN queSta teRza iMPReSSioNe | Dal medesimo Autore in un gran numero di luoghi | cor­ retta , Schiarita , e notabilmente Accresciuta . || iN NAPoLi MDccXLiV . | NELLA STAMPERiA MUZiANA | A spese di gaetano , e Steffano Elia . | coN LiceNza De’ SuPeRioRi . (siehe auch infra Bild 11).

Biblioteca Nazionale di Napoli, Ms. XiX.42 fasc. ii (10. Das Blatt misst ca. 275 × 200 mm. cf. auch den Hinweis in: onoranze a Vico nel iii centenario della nascita. Mostra bibliografica e documentaria, catalogo a cura di guerriera guerrieri, Na­ poli 1968, p. 20, Nr. 74. Entgegen den Anweisungen Vicos wurde die Ausgabe von 1744 dann nicht im Quartformat gesetzt, sondern in oktav. in der Rede von einer „unbeholfenen Kopie“ schließen wir uns an die Beobachtung von Anna Wessely an, der wohl als erste das Verdienst zukommt, auf die Unter­ schiede der beiden Stiche von 1730 und 1744 hingewiesen zu haben. cf. Anna Wes­ sely: Die philosophische Funktion von Bildrhetorik, in: idea. Jahrbuch der Hambur­ ger Kunsthalle, Viii, 1989, p. 7–13, wo es eingangs heißt: „Für die Philosophen stellt die letzte, 1744 erschienene Fassung der Scienza nuova den endgültigen, authenti­

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I. DIe „IDea Dell’Opera“ als exOrDIum Der Scienza nuova

Bild 2 Dipintura in der Ausgabe der Scienza Nuova, Napoli 1744

stilistischer Art sind, so ist doch zu beachten, dass für eine jede Beschäftigung mit dem Frontispiz der Scienza Nuova der Stich von Baldi heranzuziehen ist, da er derjenige ist, der unter direkter Supervision Vicos erstellt wurde, wäh­

schen Text dar: folglich übernehmen sie für jede Neuausgabe und Übersetzung des Buches den Stich Francesco Sesones, der jene Ausgabe begleitete. Dieser ist jedoch nur eine unbeholfene Kopie nach Antonio Baldis Stich von 1730, der nach der Zeichnung von Vaccaro gemacht wurde. Sesones Version hat sich nicht nur stili­ stisch weit entfernt von der expressiv­eleganten Linienführung seiner Vorlage. Nachlässig wurden auch einige inhaltlich bedeutungsvolle Details verändert.“

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1. Zur eDItIOnsgeschIchte Der Scienza nuova

Bild 3 Autorenporträt in der Scienza Nuova, Napoli 1744

rend der Autor den Nachstich von Sesone gar nicht mehr zu gesicht bekom­ men haben wird.21 Eine Neuerung in der Ausgabe von 1744 stellt schließlich noch die Bei­ gabe eines Autorenporträts dar, welches der Dipintura auf der linken Seite gegenübersteht (Bild 3). Für den Kupferstich mit der Effigie Vicos zeichnet wie­ 21

Das Problem, wie sich die Zusammenarbeit zwischen Autor, Verleger und Stecher gestaltet haben mag, wird von Rodney Palmer: i nomi di „chi le ha fatte“ sulle in­ cisioni nei libri stampati a Napoli intorno al 1700, in: Editoria e cultura a Napoli nel XViii secolo. Atti del convegno (Napoli 5–7 dicembre 1996), ed. Anna Maria Rao, Napoli 1998, p. 117–153, aufgeworfen; zum Verhältnis von Vico, Vaccaro, Baldi und Mosca cf. ibid. p. 145 sq.

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I. DIe „IDea Dell’Opera“ als exOrDIum Der Scienza nuova

derum Francesco Sesone verantwortlich. Dieses Bildnis Vicos verdient allein dadurch bereits Beachtung, als es das älteste erhaltene der authentisch ver­ bürgten Porträts darstellt.22 Vico ist hier in professoraler Toga in einem Brust­ bildnis in leichter Dreiviertelansicht dargestellt. Sein scharfsinniger Blick mit ernsthaftem und nachdenklichem Ausdruck ist direkt auf den Betrachter ge­ richtet. Trotz dieses frontal fixierenden Blickes ist der Darstellung durch das schulterlang gewellte Haar sowie durch den regen Faltenwurf der gewandung eine gewisse Bewegtheit verliehen. Die Linienführung der gewandfalten, ins­ besondere des Mantels resp. Umhangs, nimmt die Form des ovals, in welches die Effigie gleich einem Medaillon eingeschrieben ist, wieder auf. Durch dieses oval, welches auf einer Basis aufruht, inszeniert sich das Porträt gleichsam als eine Statue. Auf dem Sockel befindet sich das von Domenico Lodovico verfasste Distichon: vicus hic est: potuit vultum depingere Pictor; | o si quis mores posset, et ingenium! („Dies ist Vico: das gesicht vermochte der Maler abzumalen, oh könnte dies doch auch jemand mit den charaktereigenschaften und dem ingenium!“). Dieses Epigramm von Lodovico rekurriert auf die für die Porträtkunst der Neuzeit wohl topische Dialektik von Darstellbarkeit des äußeren Antlitzes und der Undarstellbarkeit der Seele, resp. des geistes einer Person. Wenn hier das nicht darstellbare ingenium des Autors angerufen wird, so ist damit scheinbar beiläufig ein Terminus benannt, der für Vicos Philosophie von eminenter Bedeutung ist.

2. Da s E xord iu m der Sc ie n z a Nu o v a: D ipi nt u ra u nd Spiega z ione Die wesentliche Neuerung der sogenannten Scienza Nuova Seconda, i.e. der zweiten Ausgabe seit 1730, liegt also in der völligen Neugestaltung der das Buch eröffnenden Partie. Der Leser, der das Buch der Scienza Nuova aufschlägt, stößt zuerst auf das gestochene Frontispiz, das was Vico die „Dipintura“ nennt. Doch steht dieser Kupferstich nicht isoliert im Werke da, vielmehr gibt Vico selber eine ausführliche Erklärung dieses Bildes. Auf dieses Frontispiz bezieht sich der nachfolgende Text, die sogenannte „Spiegazione“. Mit dieser Bilderklärung setzt also der Text der Scienza Nuova ein, der die ersten sechs­ undneunzig Druckseiten des Werkes ausmacht.23 Es ist diese sich aufeinander beziehende Konstellation von Bild und Text, die allererst den Zugang zum Werk eröffnet, gleichsam seinen brillanten Auftakt bildet. 22 23

cf. Fabrizio Lomonaco: Nuovo contributo all’iconografia di giambattista Vico (1744–1991), Napoli 1993 (Studi vichiani 21), insbes. p. 21–26. So in der Auflage von 1730: SN 1730, p. 1–96. in der Scienza Nuova von 1744 um­ fasst die Spiegazione aufgrund des veränderten Formats dann nur noch 36 Druck­ seiten (SN 1744, p. 1–36, cpv. 1–42).

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2. Das exOrDIum Der Scienza nuova

Bild 4

Spiegazione in der Scienza Nuova, Napoli 1730

Dieser einleitende Text der Bilderklärung ist mit folgendem Titel über­ schrieben: „Spiegazione della Dipintura Proposta al Frontespizio, che serve per l’introduzione dell’opera“ (Bild 4). Diese Formulierung ist freilich nicht ohne Komplikationen. Es geht bei der „Spiegazione“ ja zweifelsohne um eine Erläuterung des anfänglichen Bildes, „welche als Einführung in das Werk dient“, doch birgt die Formulierung bei genauerer Überlegung einige termi­ nologische Probleme. Bemerkenswert ist zunächst, dass Vico den Kupferstich als „Dipintura“ anspricht, was doch im eigentlichen Sinne ein gemälde be­ zeichnet. Diese terminologische Ungenauigkeit hinsichtlich der künstle­

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rischen gattung darf wohl vor allem als Versuch der rhetorischen Aufwer­ tung des Bildes zu verstehen sein und betont in buchtechnischer Hinsicht den durchaus autonomen Status des Bildes, insofern dieses von der Funktion, den Titel oder andere impressumsangaben zu tragen, gänzlich freigestellt bleibt. Zumal eine angemessene Wiedergabe im Deutschen sich schwierig gestaltet, scheint es ratsam, die Bezeichnung „Dipintura“ im originalen Wortlaut zu belassen und auf eine Eindeutschung zu verzichten und demgemäß wird in der vorliegenden Untersuchung durchgängig verfahren. Die Rede von der „Dipintura“ nimmt somit geradezu den Aspekt eines Terminus technicus an, der die Besonderheit und vom Autor intendierte Preziosität des damit bezeich­ neten Bildes nochmals unterstreicht. Aus einer buchhistorischen Perspektive muss freilich die Formulierung von der „Dipintura Proposta al Frontespizio“ als ein besonderes terminologisches Problem erscheinen. Denn es erhebt sich die Frage, was Vico genau meint, wenn er von „Frontespizio“ spricht, und welche Beziehung zwischen der „Dipintura“ und dem „Frontespizio“ durch das „Proposta al“ ausgedrückt wird. Mit dem Begriff des Frontispizes wird ja zunächst eine architekto­ nische Metaphorik in Anspruch genommen und dies fügt sich in die bereits erwähnte Vorstellung von der Schwelle des Buches und seinen Konnotatio­ nen.24 Der Ausdruck „Frontispiz“ als Derivat des lateinischen frontispicium ist aus der architektonischen Fachsprache entlehnt und von dort auf die Buch­ kunde übertragen, eben um die „frontale Ansicht“ des Buches, also die häufig ornamental ausgestattete erste Seite eines Buches zu charakterisieren.25 So bezeichnet der Begriff des Frontispizes als buchtechnischer Terminus allge­ mein eine bildliche Darstellung auf der Titelseite und eine solche Verwendung lässt sich in den verschiedenen europäischen Sprachen nachweisen, auch im älteren italienisch, wie etwa ein Blick in den vocabolario degli accademici della crusca (Venezia 1612) bestätigt. im Zuge der barocken Buchkultur gewinnt das Frontispiz als augenfällige Außenansicht des Buches eine immer größere Bedeutung, so wie der Buchtitel häufig eine weitschweifige Dimen­ sion annimmt, eine Entwicklung, die mitunter zur Ausbildung neuer Formen innerhalb der Titelei führt, eben zu einer eigenständigen meist in Kupferstich ausgeführten Seite, die als ganzseitiges Titelbild dem Titelblatt gegenüber­ steht. in den meisten heutigen Sprachgewohnheiten wird eine solche bildliche sich vom Haupttitel emanzipierende Seite als Frontispiz bezeichnet. Der heu­ tige italienische Sprachgebrauch macht von dem Wort „frontespizio“ hingegen 24 25

cf. supra, Einleitung, Anm. 5. Der Ausdruck frons libri ist bereits im humanistischen Sprachgebrauch, beispiels­ weise bei Poliziano, nachweisbar, cf. Sivia Rizzo: il lessico filologico degli umanisti, Roma 1973, p. 41.

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einen eher großzügigen gebrauch und versteht darunter im allgemeinen, was in anderen Sprachen (etwa im Deutschen, Englischen und Französischen) als Titelseite bezeichnet wird. in der buchhistorischen Fachterminologie findet zwar auch der Ausdruck „frontespizio inciso“ Verwendung, doch wird ein in Kupferstich ausgeführtes Blatt, das sich vom Haupttitelblatt verselbständigt hat, in der heutigen italienischen Fachsprache meist als „antiporta“ bezeich­ net.26 Diese terminologischen Differenzen lassen die Formulierung Vicos von der „Dipintura Proposta al Frontespizio“ als fragwürdig erscheinen und so mag diese Redeweise durchaus missverständlich sein und auch für italienische Leser ungewöhnlich anmuten. Der Herausgeber Fausto Nicolini sah sich we­ nigstens genötigt, die Ausdrucksweise „proposta al Frontespizio“ eigens zu erklären. Er verstand dabei das „proposta“ als ein „preposta“27 und interpre­ tierte die Redeweise Vicos somit dahingehend, dass die Dipintura dem Fronti­ spiz (im Sinne des Titelblatts) vorangestellt sei, eine interpretation also, die ganz dem heutigen italienischen Sprachgebrauch des Wortes „frontespizio“ folgt. Zwar ist diese Lösung nicht auszuschließen, allerdings wäre zu beden­ ken, ob nicht in dieser Erklärung des „proposta“ als „preposta“ eine unreflek­ tierte Übertragung des heutigen Sprachgebrauchs auf die komplizierte und geradezu barocke Diktion der vichianischen Sprache vorliegt. Zudem zeigt die Konsultation der Konkordanzen zur Scienza Nuova, dass es für ein solches Verständnis des „proposta“ als „preposta“ keinen weiteren Beleg im vichia­ nischen Sprachgebrauch gibt.28 Vielmehr verwendet Vico das Partizip „propo­ 26

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cf. dazu die Definition bei giuseppe Fumagalli: Vocabolario bibliografico, Firenze 1940, sub voce „frontespizio“, p. 190–191: „il frontespizio inciso può essere un ti­ tolo figurato che ripeta o no il frontespizio stampato ovvero una tavola posta in principio del libro, avanti al frontespizio stampato, e che contiene una composizio­ ne allegorica o un ritratto: nel primo e nell’ultimo caso, vale a dire in tutti i casi in cui esiste anche un frontespizio a stampa, il frontespizio inciso prende il nome di antiporta o antiporto.“ cf. zu den terminologischen Differenzen auch die Bemer­ kung bei Francesco Barberi: L’antiporta nei libri italiani del Seicento, in: Accademie e Biblioteche d’italia, L, 1982, p. 347–354, repr. in idem: il libro italiano del Seicen­ to, Roma 1985, p. 47: „L’antiporta è una tavola incisa in rame, che nei libri del Sei­ cento precede talvolta il frontespizio, nel recto della prima carta. Nelle lingue fran­ cese e inglese l’antiporta si chiama rispettivamente frontespice e frontespiece, mentre il frontespizio è page de titre e title page“. Eine Diskussion des Problems auch bei Lorenzo Baldacchini: Aspettando il frontespizio. Pagine bianche, occhietti e colophon nel libro antico, Milano 2004, cap. „Frontespizio o pagina del titolo?“, p. 26 sq. So etwa in der Anmerkung zur Stelle in giambattista Vico: opere, ed. Fausto Nico­ lini, Milano / Napoli 1953, p. 367. Dem folgt auch Andrea Battistini im Kommen­ tar in der von ihm herausgegeben Edition der opere, Milano 1990, ii, p. 1477. cf. Marco Veneziani: g. Vico, Principj di Scienza Nuova d’intorno alla comune Natura delle Nazioni, concordanze e indici di frequenza dell’edizione Napoli 1744, Firenze 1997 (Lessico intellettuale Europeo LXXi), ad vocem.

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sto“ in einem durchaus philosophischen Sinne, um die Setzung der Axiome zu bezeichnen. Im folgenden werden wir von der lectio difficilior Gebrauch machen und den Ausdruck von der „Spiegazione della Dipintura proposta al Frontespizio“ in dem Sinne auffassen, dass von einer „Erklärung des als Frontispiz vorangestellten Bildes“ die Rede ist, oder wenn man der topischen Metaphorik noch genauer Rechnung zu tragen sucht, von dem „an das Frontispiz gestellte Bild“. Diese Redeweise bezeichnet also buchtechnisch den Ort, an dem die Dipintura vorgestellt wird. Das bedeutet, dass die Dipintura nicht als dem Frontispiz vorangestellt, sondern selbst als Frontispiz der Scienza Nuova aufzufassen ist.29 Man mag die hier erörterte Frage durchaus als ein nur sekundäres Problem anzusehen geneigt sein, doch insofern die vorliegende Untersuchung sich auch als eine Arbeit am historischen Detail versteht, sollte es nicht unangemessen sein bei einer Frage zu verweilen, die das hermeneutische Problem berührt, welche Schwierigkeiten das sprachliche Verständnis eines alten Textes aus der historischen Distanz heraus stellen kann. Wie immer auch dieses terminologische Problem gelöst werden mag, es dürfte klar sein, dass erst diese elaborierte Konstellation von Text und Bild den Zugang zum Werk eröffnet, gleichsam die Schwelle bildet, welche der Leser zu passieren hat. * Mit dieser Konstellation von Frontispiz und seiner Erläuterung an der Schwelle des Werkes ist zugleich das Problem einer Einleitung gestellt. Jedes Werk steht vor dem Problem seines Anfangs. Wenn die Scienza Nuova von einer derart innigen Verflechtung von Text und Bild eröffnet wird, so sollte dies angesichts des Umstandes, dass Überlegungen zum Ursprung von Schrift und Imagination innerhalb der Scienza Nuova eine bedeutsame Rolle einnehmen, keineswegs als zufällig angesehen werden. Zwar ist die Beigabe eines gestochenen Frontispizes in der Buchkultur des Barock allenthalben üblich und insofern teilt Vico hier durchaus eine Usance der Zeit. Doch ist bereits der Umstand, dieses Frontispiz innerhalb des Werkes eigens zu thematisieren, 29

Eine solche Interpretation dieses Ausdrucks „Dipintura proposta al Frontespizio“ liegt auch einigen neueren Übersetzungen zugrunde, so z. B. wenn Bruno Pinchard in seiner Einleitung und Übersetzung der Spiegazione den genannten Passus als „Explication de l’image placée en frontispiece“ wiedergibt, cf. Idem: Introduction à la lecture de la Science nouvelle de Vico, in: L’art du comprendre, n° 7, 1998, p. 65–73; in gleicher Weise übersetzt Alain Pons in seiner neueren französischen Ausgabe folgendermaßen: „Explication de la gravure placée en frontespice“ (G. Vico: La Science nouvelle, traduit et présenté par Alain Pons, Paris 2001, p. 7). Ebenso spricht im Englischen Angus Fletscher: On the Syncretic Allegory of the New Science, in: New Vico Studies, IV, 1986, p. 25, von der „Explanation of the Picture Placed as Frontispiece to Serve as Introduction to the Work“.

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weniger üblich. Vico nun bietet mit der dem Bild folgenden „Spiegazione“ eine anspruchsvolle Autoexegese. Diese Spiegazione ist zunächst als eine Art dichter Bildbeschreibung angelegt, doch verbindet Vico darüber hinaus damit den Anspruch, eine Einführung in die Scienza Nuova, d. h. in ihr gesamtes Denkgebäude zu liefern. Dieses ineinander von Text und Bild bildet daher das eigentliche Exordium des Werkes und gemäß dieser Konstellation kann eine Erklärung nur im sinnvollen Bezug zwischen Bild und Text gelingen. gleich zu Beginn seiner Bilderklärung beruft sich Vico auf ein illustres Vorbild: die sogenannte tabula cebetis. Dieses antike Werk stellt ebenfalls eine Bildbeschreibung vor. Eingerahmt in einem erzählerischen Dialog be­ steht der Haupteil dieses Werkes aus einer moralisch­allegorisierenden Ekphra­ sis eines im Kronos­Tempel befindlichen gemäldes. Die neuere philologische Forschung hat in der tabula cebetis ein spätantikes eklektisches Werk er­ kannt und damit die Autorschaft des Kebes in Frage gezogen. Für Vico und seine Zeitgenossen dagegen dürfte sich diese Frage noch nicht gestellt haben. Die tabula cebetis genoss in der frühen Neuzeit vielmehr eine hohe Popula­ rität, wie sie auch durch die zahlreichen Editionen, Übersetzungen und Bear­ beitungen dokumentiert ist.30 Einen Markstein der exegetischen Tradition stellt die Schrift von Agostino Mascardi dar, die 1627 unter dem Titel Discor­ si morali su la tavola di cebete tebano in Venedig erschien und in den fol­ genden Jahrzehnten mehrere Auflagen erfuhr. Mascardi verbindet in seiner Schrift eine italienische Übersetzung des kurzen originaltexts mit einer um­ fangreichen Auslegung und es ist dieses Werk, welches auch die Anregung für Vico geliefert haben dürfte.31 Für Vico dürfte die tabula cebetis, insofern die Autorschaft des Kebes, der ja auch als gesprächspartner im platonischen Phaidon erwähnt wird, nicht in Frage gestanden hat, ein authentisches Bei­ spiel platonischer Bildphilosophie gebildet haben.32 30

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Umfassende Untersuchungen bieten die beiden Bücher von Reinhart Schleier: Ta­ bula cebetis oder Spiegel des Menschlichen Lebens / dariñ Tugent und untugent abgemalet ist. Studien zur Rezeption einer antiken Bildbeschreibung im 16. und 17. Jahrhundert, Berlin 1973, und Stefano Benedetti: itinerari di cebete. Tradizione e ricezione della Tabula in italia dal XV al XViii secolo, Roma 2001. in der konsultierten Ausgabe von Agostino Mascardi: Discorsi morali su la Tavola di cebete Tebano, Venezia 1674, ist die etwa zwanzigseitige Übersetzung an den Anfang gestellt und wird ausdrücklich Kebes als einem Schüler des Sokrates zuge­ schrieben (cf. p. 5: „La Tavola di cebete Filosofo Tebano Discepolo di Socrate. Vul­ garizata da Agostino Mascardi“), worauf die fast fünfhundert Seiten umfassenden Discorsi folgen, die wiederum mit den Notizen über den Autor anheben (cf. p. 27–29: „Dell’autor della Tavola, E della dottrina, ch’ei professò“). Die Bezugnahme Vicos auf die tabula cebetis verdient eine detailliertere Unter­ suchung, auf die im Rahmen der vorliegenden Arbeit verzichtet werden musste. Verwiesen sei auf die Aufsätze von Filomena Sforza: Vico e la tavola di cebete, in: Bollettino del centro di Studi Vichiani, XiV–XV, 1984–1985, p. 253–269, und Do­

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Der Hinweis auf die tabula cebetis im ersten Satz der Spiegazione verbindet sich mit einer Reihe wichtiger Motive, weswegen eine aufmerksame Relektüre dieses incipit lohnt. Quale cebete tebano fece delle Morali, tale noi qui diamo a vedere una tavola delle cose civili; la quale serva al Leggitore per concepir l’ idea di quest’ opera avanti di leggerla, e per ridurla più facilmente a memo­ ria con tal’ ajuto della fantasia dopo di averla letta.33 Also: So wie es der Thebaner Kebes mit den moralischen Dingen tat, so zei­ gen wir hier eine Tafel der gesellschaftlichen Dinge – una tavola delle cose civili – diese Tavola diene dem Leser dazu, die idee des Werkes zu erfassen, bevor er es gelesen habe, und sie nach der Lektüre mit Hilfe der Phantasie leichter im gedächtnis zu behalten. Dieser erste Satz der Spiegazione rückt das Bild in die bekannte Tradition ei­ ner ars memorativa, einer Mnemotechnik, welche mit Bildern, mit imagines, operiert, mithilfe derer bestimmte gedanken leichter im gedächtnis zu be­ halten sind. Wenn ein solcher Rekurs auf die gedächtniskunst auch ver­ gleichsweise konventionell erscheinen mag, so ist hingegen der erste Teil die­ ser Bestimmung weitaus anspruchsvoller, bei dem die Eminenz des Terminus „idea“ bemerkenswert ist: die Ansicht des Bildes soll es erlauben, die idee des Werkes zu erfassen, zu konzipieren, noch bevor man es überhaupt gelesen hat. in dem „zu sehen geben“, dem „diamo a vedere“, „per concepire l’ iDEA“, liegt ein unmittelbarer Bezug der idee auf das Sehen und die Anschaulichkeit. Man wird sich dabei vor allem gegenwärtig halten müssen, dass diese Verwendung des ideenbegriffes bei einem so eminent etymologischen Denker wie es Vico ist, kaum ein Zufall sein dürfte. Es ist nicht nur diese Beiordnung oder Eng­ führung von conceptus und idea, sondern eben gerade die Bedeutung der idee als dasjenige am intelligiblen, was gestalt, was Form annimmt. Mit dem Be­ griff der idee ist nicht nur ein traditionsreicher sondern geradezu schillernder Terminus in Anspruch genommen, der Anschauung und Denken, Entwurf und Bild, miteinander verbindet.34 Die Rede von der „idea di quest’ opera“ ist

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nald Phillip Verene: Vico’s Frontispiece and the Tablet of cebes, in: Man, god, and Nature in the Enlightenment, ed. Donald c. Mell Jr. et al., East Lansing (Mich.) 1988, p. 3–11. SN 1730, p. 1; cf. SN 1744, p. 1 (cpv. 1). Zum Begriff der idee bei Vico im allgemeinen cf. den Beitrag im begriffsgeschicht­ lichen Sammelband von gustavo costa: idea nella cultura italiana del Settecento: la posizione di Vico, in: idea. Vi colloquio internazionale del Lessico intellettuale

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daher in vielfacher Weise bemerkenswert. Sie mag zunächst einfach den ein­ leitenden Text, der als Zusammenfassung in sich die wesentlichen im Werk exponierten gedanken enthält, bezeichnen. Der Begriff der idee meint dabei so etwas wie den das Wesentliche charakterisierende grundzug der bezeich­ neten Sache. in diesem Sinne begegnet die Rede von einer „idea dell’opera“ auch in Vicos Briefwechsel. So etwa in einem vom November 1724 datierten Brief an Filippo Monti, in welchem Vico den Adressaten um die Vermittlung bemüht, die Dedikation der Scienza Nuova an den potentiellen Widmungs­ träger Lorenzo corsini anzutragen.35 in einem späteren Brief des Niccolò con­ cina an Vico, in welchem dieser dem Autor seine Schwierigkeiten beim Ver­ ständnis des Werkes mitteilt, findet die „idea premessa a la sua Scienza Nuova“ Erwähnung.36 Eine solche Verwendung der Bezeichnung „idee“ für eine das Wesentliche enthaltende Einleitung oder Zusammenfassung begegnet bei­ spielsweise auch mehrfach bei Buchtiteln in der frühen Neuzeit.37 Der ge­ brauch der Bezeichnung „idee“ ist also dabei keineswegs unüblich. Reinhard Brandt bemerkt dazu in dem Vico gewidmeten Teil seines Buches: „Die Be­ zeichnung ‚idee‘ für einen gedrängten Überblick eines Werkes, für die Prä­ sentierung des einheitlichen Leitgedankens ist in der Renaissance und im Ba­ rock allenthalben üblich. Noch Kant bedient sich des Ausdrucks der ‚idee im ganzen‘ in der Vorrede der zweiten Auflage der Kritik der reinen vernunft. Vico wird an eine neuplatonisch interpretierte idee denken und dabei die Dop­ pelung von reinem diskursiven Begriff und anzuschauender ‚idea‘ im Auge haben.“38 Es ist daher von Belang, diesen doppelten Aspekt der Bezeichnung „idea“ zu verstehen, von dem Reinhard Brandt in dem soeben angeführten Zitat spricht. Die idee bleibt so einerseits auf eine begriffliche Auslegung ver­ wiesen, zugleich meint die idee doch etwas auf Anschauliches drängendes, etwas, das sich nur einer Anschauung gewährt, in dem das Wesentliche sich gleichsam verkörpert. Die Rede von der „idea dell’opera“ mag also eine Art

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Europeo, ed. Marta Fattori / Massimo L. Bianchi, Roma 1990, p. 279–298, der sich eher auf die logischen Aspekte der Problematik konzentriert. Für die ästhetischen und kunsttheoretischen implikationen des Konzepts der idee sei auf die klassische Studie von Erwin Panofsky: idea. Ein Beitrag zur Begriffsgeschichte der älteren Kunsttheorie, Leipzig / Berlin 1924 (Studien der Bibliothek Warburg V) verwiesen. Epistole, ed. Manuela Sanna, Napoli 1992, p. 109 [Lettera n. 31, v. 18–22]: „Se final­ mente a Sua Eminenza venisse in talento di sapere l’idea dell’opera, accioche Vostra Signoria illustrissima possa dargliene un saggio, ella tratta de’ principj del diritto naturale, che si è andato dalle sue prime origini spiegando tratto tratto co i costumi delle nazioni.“ Epistole, ed. Manuela Sanna, Napoli 1992, p. 171 [Lettera n. 75, v. 27]. Man denke etwa an giulio camillo: L’idea del Theatro, Firenze 1550; giovanni Paolo Lomazzo: idea del Tempio della Pittura, Milano 1590, und Federico Zuccari: L’idea de’ pittori, scultori et architetti, Torino 1607. Reinhard Brandt: Philosophie in Bildern, Köln 2000, p. 333.

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gesamtschau des Werkes indizieren, einen Entwurf dergestalt, dass der lei­ tende gedanke als ganzes unmittelbar gegenwärtig ist.39 Die idee ist also nichts Abstraktes, sie ist den Sinnen nicht total entzogen, sondern durchaus sinnfällig. gerade in der Konzentration auf das Wesentliche bewahrt die idee den Bezug auf das Visuelle.40 So kann ein eindringlicher interpret Vicos von einem „plastischen Platonismus“ des vichianischen Denkens sprechen und dabei konstatieren: „il pensiero puro nella sua forma astratta si fa sempre, nella concretezza della sintesi, visione, idea, nel senso di modello e di emblema. È questo il plastico platonismo del pensiero vichiano.“41 Kehren wir vor diesem Hintergrund nochmals auf das terminologische Problem in buchtechnischer Hinsicht zurück, so fragt sich, inwieweit die Rede von einer „idea dell’opera“, die auch im Kolumnentitel als Überschrift über den Text läuft, sich eben nicht nur auf den einleitenden Text der Spiegazione bezieht, sondern gerade auf die Konstellation von Bild und Text.

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Diese Auffassung der idee als Entwurf erklärt auch die in der Kunsttheorie der frühen Neuzeit gängige Verbindung von „idea“ und „disegno“. Es wäre wohl wei­ terer Überlegung wert, inwieweit beide Begriffe auch bei Vico zusammenstimmen. Es sei daran erinnert, dass Vico gleich auf einer der ersten Seiten seiner Spiegazio­ ne davon spricht, dass hier die Philosophie die Philologie examiniert, wobei sie diese auf die Form einer Wissenschaft zurückführt, indem sie in ihr den Plan („Di­ segno“) einer ewigen idealen geschichte entdeckt, nach der die geschichte aller Nationen in der Zeit ablaufen: „qui la Filosofia si pone ad esaminare la Filologia […] e la riduce in forma di Scienza , col discovrirvi il Disegno di una Storia ideal’ eterna , sopra la quale corrono in tempo le Storie di tutte le Nazioni.“ (SN 1744, p. 6, cpv. 7). Zum gebrauch des Terminus „idea“ im zeitgenössischem Kontext cf. die Bemer­ kungen von Michele Rak, in: Lezioni dell’Accademia di Palazzo del duca di Medi­ naceli (Napoli 1698–1701), tomo V, ed. Michele Rak, Napoli 2005, p. 283–284: „il lettore passi ad un altro aspetto di questa cultura visiva: il termine idea sta, in questo lessico accademico, per immagine e ritratto.“ Enzo Paci: ingens sylva, Milano 1994, p. 105.

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Ty p og r aph i s c her i kon i smu s Zu dieser Wechselwirkung von Bild und Text – oder ihrer beidseitigen Ver­ schränkung – gesellt sich nicht zuletzt die typographische Ausdifferenzie­ rung des Textes selbst. Vico hat die Druckgestalt seiner Werke gewöhnlich mit besonderer Aufmerksamkeit begleitet und die typographische gestaltung mit Akribie durchdacht.42 Die Einsicht in die Bedeutsamkeit der typogra­ phischen gestaltung hat sich freilich erst langsam durchgesetzt und gerade im Bereich alter Drucke zu einem eigenen interessanten Forschungszweig entwickelt.43 Dass die Druckseite mit ihren gestalterischen Elementen über eine eigene Semantik verfügt, die von einer „énonciation typographique“ sprechen lässt, ist in der jüngeren buchhistorischen Forschung geltend ge­ macht worden.44 An diesem Punkt zeigt sich wiederum, wie unerlässlich die Konsultation der originaldrucke ist, da sich erst bei Ansicht der originalen Druckseiten ein Verständnis für typographische Details gewinnen lässt. Die Editionsgeschichte der Werke Vicos ist außerdem ein hervorragendes Beispiel, an dem sich die Veränderungen und Eingriffe in die Druckgestalt vonseiten der späteren Ausgaben studieren lässt. insbesondere die weithin als Standard­ ausgabe geltende Edition von Fausto Nicolini, der zweifellos große Verdienste zukommt, hat hinsichtlich der typographischen gestaltung des vichianischen Textes freilich einschneidende Veränderungen vorgenommen, derart, dass die reich artikulierte Druckseite der vichianischen Diktion nun durchgehend ver­ einheitlicht und vereinfacht wurde. Erst im Zuge der neuen kritischen Edition der Werke Vicos, die vom centro di Studi Vichiani betreut wird, hat sich eine

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Diese Eigenheit der typographischen gestaltung wurde unter anderem themati­ siert in einem wenig beachteten Aufsatz von giuseppe Aliprandi: il Vico e l’arte della stampa, in: La Bibliofilia, XLV, 1943, p. 69–83, hier p. 79: „La redazione accu­ rata del manoscritto, doveva avere la sua giustificazione anche per quello che con­ cerne la varietà dei caratteri tipografici da usare, tondo, corsivo, maiuscoletto, maiuscolo; il risalto tipografico doveva avere, probabilmente, un significato concet­ tuale, richiamo del lettore su una parola, esplicita dichiarazione di importanza di una frase, nel contesto del lungo periodo (È noto che nella edizione laterziana delle opere fu ,ridotto a una sola foggia di carattere il fastidioso alternarsi di caratteri‘ […]“. Zur Forschungslage generell cf. isabelle Pantin: Mise en page, mise en texte et construction du sens dans le livre moderne. où placer l’articulation entre l’histoire intellectuelle et celle de la disposition typographique?, in: Mélanges de l’École Française de Rome: italie et Méditerranée, cXX/2, 2008, p. 343–361. cf. Roger Laufer: L’énonciation typographique au 18e siècle, in: Trasmissione dei testi a stampa nel periodo moderno (i Seminario internazionale, Roma 23–26 mar­ zo 1983), ed. giovanni crapulli, Roma 1985 (Lessico intelluale Europeo XXXVi), p. 113–123.

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Diskussion über die angemessenen Editionskriterien entwickelt.45 in diesem Zusammenhang wurde auch nachdrücklich die Notwendigkeit hervorgeho­ ben, die graphischen und ikonischen Aspekte der originalen Druckseiten nicht zu vernachlässigen.46 Nun erhebt sich im Falle Vicos die Frage nach der besonderen Bedeutung dieser typographischen gestaltungselemente.47 Die typographische Ausdifferenzierung der originalen Druckseite lässt sich be­ sonders anschaulich am Text der Spiegazione aufzeigen (siehe Bild 5). im Text alternieren diverse Auszeichnungen zwischen Normalschrift, Kursive und Majuskeln. Während bestimmte Begriffe und Titel, oder concetti, vom fortlau­ fenden Text durch Kursive abgesetzt sind, werden diejenige Teile des Textes, die sich direkt auf die in der Dipintura dargestellten gegenstände beziehen, durch Majuskeln hervorgehoben. So entsteht eine Korrespondenz der in Kapitalis gesetzten Wörter zu der bildlichen Darstellung in der Dipintura, welcher der Ekphrasis einen eigentümlichen Nachdruck verleiht.48 Es handelt sich hierbei offensichtlich um eine durchdachte gestaltung der Schriftlichkeit, die sozusa­ gen die Aspekte der Schriftbildlichkeit reflektiert und bewusst in Anwendung bringt. Es ist dies wohl ein Aspekt der Bildlichkeit der Schrift, wie es vor allem für die Epigraphik kennzeichnend ist und dabei ist zu bedenken, dass

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cf. generell die Diskussion um eine neue Edition unter Beteiligung diverser Fach­ gelehrter in: Bollettino del centro di Studi Vichiani, iii, 1973, p. 5–66; sowie zum neueren Stand der Dinge die Beiträge diverser Autoren im Sammelband von giu­ seppe cacciatore / Alessandro Stile (ed.): L’edizione critica di Vico: bilanci e pro­ spettive, Napoli 1997 (Studi vichiani 26). cf. dazu Vincenzo Placella: Alcune proposte per la nuova edizione delle opere di Vico (in particolare di quelle filosofiche), in: Bollettino del centro di Studi Vichia­ ni, Viii, 1978, p. 47–81, hier insbesondere p. 50: „La fedeltà nel riprodurre i testi del Vico è richiesta, forse, da qualche motivo in più rispetto a casi di altri autori, e cioè dalla grande meticolosa attenzione che il filosofo metteva nel curare nei minimi particolari grafici, iconici, nella prospettiva della stampa, i manoscritti destinati al tipografo: nell’uso sapiente di titoletti marginali, nell’accuratezza delle raccoman­ dazioni al tipografo circa l’uso dei caratteri (tondo, maiuscolo, maiuscoletto, corsi­ vo, ecc.) spesso è riscontrabile un preciso intento didascalico, al fine, ad es., di colle­ gare a distanza, con l’uso di un particolare carattere, frammenti di un medesimo filo logico, oppure di dare evidenza a parole o a concetti­chiave. Un’orchestrazione complessa (se si vuole, al limite, barocca) per organizzare nella maniera più efficace possibile l’articolarsi di un arduo discorso.“ cf. dazu nun auch die innovative Studie von Stefania Sini: Figure vichiane. Reto­ rica e topica della Scienza nuova, Milano 2005, insbes. den zweiten Teil, der den „filosofo in tipografia“ vorführt. Stefania Sini hat in ihrer erwähnten Studie den intelligenten Einfall umgesetzt, die in Kapitalis gesetzten Wörter der Spiegazione nacheinander als fortlaufenden Text zusammen zu stellen und somit der vichianischen Bildbeschreibung eine neue Rhythmisierung und Evidenz zu verleihen, cf. op. cit., p. 278 sq.

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2. Das exOrDIum Der Scienza nuova

Bild 5

Textseite aus der Spiegazione, Scienza Nuova, Napoli 1730 (p. 2–3)

Vico eben auch selbst als Autor von inschriften tätig war.49 Diese elaborierte gestaltung hat interpreten wie etwa Andrea Battistini von einem „typogra­ phischen ikonismus“ Vicos sprechen lassen.50 Doch wenden wir uns nun nach den bisherigen Erörterungen direkt der Dipintura und des auf ihr Dargestellten zu.

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cf. zum Thema auch die klassische Studie von John Sparrow: Visible Words. A Study of inscriptions in and as Books and Works of Art, cambridge 1969. Hinsichtlich der Bedeutsamkeit der typographischen gestaltung für das Denken Vicos cf. Andrea Battistini: Teoria delle imprese e linguaggio iconico vichiano, in: Bollettino del centro di Studi Vichiani, XiV–XV, 1984–1985, p. 149–177, sowie idem: La funzione sinottica del frontespizio e la semantica dei corpi tipografici nel­ la Scienza nuova di g. Vico, in: i dintorni del testo. Approcci alle periferie del libro. Atti del convegno internationale (Roma, 15–17 novembre 2004, Bologna, 18– 19 novembre 2004), ed. Marco Santoro / Maria gioia Tavoni, Roma 2005, p. 467– 484.

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3. E lemente der D ipi nt u ra: „L a d o n n a c o n l e te m pie a l ate …“: d ie Me t aphysi k u nd i h re Bi ldt rad it ion Als die eigentliche Hauptfigur der Dipintura darf zweifelsohne die Dame Metafisica bezeichnet werden. Sie steht – wenn auch leicht versetzt – im Zentrum der Dipintura und von ihr wird in der Spiegazione der Ausgangspunkt der Bildbeschreibung genommen. Die Darstellung der Metaphysik ist doch im wesentlichen durch das Motiv des beflügelten Aufschwungs bestimmt, in der Tat werden in der Ekphrasis die beflügelten Schläfen als deren erstes Charakteristikum genannt: LA DONNA CON LE TEMPIE ALATE, CHE SOVRASTA AL GLOBO MONDANO, o sia al Mondo della Natura, è la Metafisica, che tanto suona il suo nome.51 Die Frau mit den geflügelten Schläfen, die sich über den Globus erhebt, oder über die Welt der Natur, ist die Metaphysik, denn derart lautet ihr Name. Die Metaphysik verfügt über keine so ausgeprägte eigene Bildtradition. In der allegorischen, zur Personifikation neigenden Kultur des Barock hat sich keine kanonisierte Darstellung der Metaphysik herausgebildet. Die Darstellung der Metafisica in der Dipintura der Scienza Nuova kann daher als eine Invention Vicos gelten, eine Invention, die Grundzüge seines Denkens sinnfällig zur Darstellung zu bringen sucht. Freilich sind einzelne Motive aus der Tradition herleitbar. Mit der Darstellung der Metaphysik als geflügelte Frau auf dem Globus sind verständlicherweise mannigfaltige Anleihen an die Tradition gemacht. Diese beiden Motive von Flügel und Globus mögen daher zunächst einer Diskussion unterzogen werden. Dass die Philosophie ein geflügeltes Wesen sei, findet sich bereits bei Boethius. In seinem Werk De consolatione philosophiae erscheint ja die Personifikation der Philosophie, welcher eine Beschreibung zuteil wird, die auf die nachfolgende bildliche Darstellung der Philosophia nachhaltigen Einfluss ausgeübt hat. In einem Passus aus dem vierten Buch der Consolatio sagt die Philosophie von sich selbst, dass ihr befiederte Schwingen eigen seien: „Sunt etenim pennae volucres mihi“. Die genannte Stelle lautet in ihrem Kontext ausführlicher zitiert folgendermaßen:

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SN 1730, p. 1–2 (ed. Cristofolini, p. 27).

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Sunt etenim pennae volucres mihi, Quae celsa conscendant poli. Quas sibi cum velox mens induit, Terras perosa despicit, Aeris inmensi superat globum, […]52 Nun hat Boethius’ Schrift auf die bildliche Darstellung der Philosophie nicht nur nachhaltigen Einfluss ausgeübt,53 sondern bemerkenswert ist für die hier zu leistende Exegese auch, dass dieses Motiv der Flügel gerade für die Agilität des Verstandes stehen: velox mens. Die Flügel mögen ja nicht nur der körper­ lichen Fortbewegung dienen, sondern können in einem metaphorischen Sinne gerade auch die geschwindigkeit des geistes bezeichnen. Bereits bei cicero zeichnet die geschwindigkeit gerade das ingenium aus. in seinen tusculanae Disputationes führt er aus, die Schnelligkeit des Körpers nenne man Behen­ digkeit (celeritas), doch rühme man diesen Vorzug auch an der Seele, insofern der geist in kurzer Zeit viele Dinge zu durchlaufen fähig sei: „Velocitas autem corporis celeritas appellatur, quae eadem ingeni etiam laus habetur propter animi multarum rerum breui tempore percursionem“.54 Dieses Motiv ist freilich auch Vico bekannt. in seinen Ausführungen zur antiken Mythologie erwähnt er beispielsweise Hymenaeus, Astrea, die Musen, Pegasus, Fama und Merkur, die allesamt geflügelt sind. Die Flügel sind dabei nicht nur zum Fliegen da, sondern mögen konventionellerweise auch die geisteskraft oder Schnelligkeit des ingeniums („speditezza d’ingegno“) bezeichnen; für Vico hingegen bedeuten sie im Rahmen seiner „poetischen Kosmographie“ insbesondere das heroischen Recht.55 Wenn also die Flügel traditionellerweise gerade auch die geschwindig­ keit des geistes denotieren, so ist damit der Darstellung insgesamt eine Dyna­ mik und Beweglichkeit verliehen. Bevor genauer verfolgt werden kann, wie

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Boethius: De consolatione philosophiae, iV, metr. 1. Die Übersetzung von Ernst gegenschatz und olof gigon (Zürich 1990, Neuaufl. 1999) lautet: „Flüchtige Schwingen sind mir zu eigen, / Sie tragen dich zum höchsten Pol; / Wenn hurtig der geist sich mit ihnen umgürtet, / Läßt er verachtend die Erde hier, / Dringt durch der Lüfte unmeßbare Zonen“. cf. dazu Pierre courcelle: La consolation de philosophie dans la tradition littéraire. Antécédents et postérité de Boèce, Paris 1967, insbes. cap. iii, 4: Les ailes et l’envol de l’âme, p. 197 sq. sowie Lucien Braun: iconographie et Philosophie, Strasbourg 1994–1996. M. T. cicero: Tusculanae Disputationes, iV, Xiii, 31. cf. SN 1744, p. 343 (cpv. 713).

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eine solche Dynamik in der Darstellung der vichianischen Dipintura sich aus­ wirkt, sei zunächst daran erinnert, dass den Hintergrund einer solchen Auf­ fassung der Philosophie als geflügeltes Wesen resp. der mit den Flügeln gene­ rell verbundenen Aufstiegsmetaphorik letztlich zwei platonische Mythen bilden. Es sind dies der Mythos von Eros und der Mythos vom Seelengefieder, die in der Philosophie Platons eine zentrale Rolle einnehmen.56 im plato­ nischen Symposium, welches sich als eine Abfolge von Reden über das Wesen des Eros gestaltet, wird dieser geflügelte Daimon zur zentralen gestalt. Der Eros wird hierbei vor allem in seiner Vermittlungsrolle zwischen göttlichem und Menschlichem aufgefasst.57 Die Flügel haben ebenso eine große Bedeu­ tung in dem Mythos vom Seelengefieder, wie es im platonischen Phaidros, in der dortigen Erzählung vom Flug zum überhimmlischen ort vorgetragen wird. Beiden Mythen ist somit eine Beweglichkeit, eine Dynamik als beson­ ders kennzeichnendes Motiv eigen. Es ist zu bedenken, dass der beflügelte Aufschwung als ein typisch pla­ tonisches Motiv gelten kann, welchem eine langanhaltende Tradition beschie­ den ist. Aus dieser reichhaltigen Tradition des Platonismus mögen hier nur zwei Beispiele angeführt werden. So heißt es etwa bei Plotin, dem eigent­ lichen Begründer des spätantiken Neuplatonismus, in der Enneade i 3, Über die Dialektik: „Wer aber von Anlage ein Philosoph ist, der ist schon bereit

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Zum Motiv der Flügel und seinen Quellen in der antiken Philosophie cf. Pierre courcelle: Tradition néo­platonicienne et tradition chrétienne des ailes de l’âme, in: Plotino e il Neoplatonismo in oriente e in occidente. Atti del convegno inter­ nazionale (Roma, 5­9 ottobre 1970), Roma 1974, p. 265–325. Man mag ohnehin zwischen der platonischen Konzeption des Eros und Vicos Dar­ stellung der Metaphysik eine gewisse Parallelität erblicken, die hier nur angedeu­ tet werden kann. Das platonische Symposium bietet eine Bestimmung des Eros, die sich durch das Moment des Mangels auszeichnet. Personifiziert als geflügelter Daimon steht Eros gemäß der Rede der Diotima (Symp. 202 b–e) wie alles Daimo­ nische auf der Mitte zwischen göttlichem und Sterblichen. Es ist dies das platoni­ sche lesan` t, die Zwischenstellung, welche das Problem der Vermittlung erst ei­ gentlich ins Bewußtsein rückt. Dadurch, dass Eros nicht selber besitzt, was er begehrt, gehört das Moment des Mangels zu seiner wesensmäßigen Bestimmung, und erst durch diesen Mangel wird die stete Bewegung des Strebens begründet. in einer ähnlichen Konstellation befindet sich die Figur der Metaphysik in der vichia­ nischen Dipintura: in einer Haltung des Aufschwungs bewegt sie sich gerade zwi­ schen der durch zahlreiche ausgestreute gegenstände bezeichneten menschlichen Welt, dem mondo civile, und der durch das göttliche Auge angedeuteten letztlich überweltlichen Sphäre; auch sie ist mithin eine Vermittlungsfigur zwischen dem Aspekt der göttlichen providentia und der Betrachtung der dem Lauf der ge­ schichte unterliegenden menschlichen Welt.

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und sozusagen geflügelt, […] er ist in Bewegung auf das obere hin“.58 Die Auf­ wärtsbewegung ist es auch, die bei Marsilio Ficino, dem wohl bedeutendsten Philosophen der Florentiner Renaissance, auf den sich ja auch Vico mehrfach nachdrücklich bezieht, wiederkehrt. „Die Flügel“ – so Ficino in seinem Phai­ droskommentar – seien „das emporhebende Vermögen, das dem intellekt und der Vernunft angeboren ist“ („Ala, id est virtus elevans intellectui rationique divinitus ingenita“).59 Allerdings lehrt ein Blick auf die hier kommentierte Quelle, den platonischen Phaidros, dass die Aufwärtsbewegung keineswegs ungebrochen sich darstellt. Die Stelle des Phaidros, an dem die Rede vom See­ lengefieder zur Behandlung des Wahnsinns, der Mania, übergeht, themati­ siert insbesondere den Vorrang der Seele des Philosophen, der die Wahrheit zu erblicken sucht. Dabei wird gerade die Aufwärtsbewegung hervorgeho­ ben.60 Wenn die Seele des Philosophen in dem Versuch, sein Haupt zum gött­ lichen emporzuheben, befiedert wird, so scheint doch gerade er in eine eigen­ tümliche Dialektik von Aufschwung und Unvermögen eingespannt zu sein. An der besagten Stelle des Phaidros, heißt es anlässlich der vierten Art des Wahnsinns: in Hinsicht auf welchen derjenige, der bei dem Anblicke der hiesigen Schönheit, jener wahren sich erinnernd, neubefiedert wird und mit wachsenden gefieder aufzufliegen zwar versucht, aber unvermögend ist, nur wie ein Vogel hinaufwärts schauend […].61 Dieser Passus verdient eine erhöhte Aufmerksamkeit, insofern er deutlich macht, dass bei der hinlänglich bekannten platonischen Aufstiegsmetaphorik die Anstrengung des Philosophen nicht vergesen werden sollte. Schließlich mag man die eigentümliche Dialektik von Aufschwung und Unvermögen auch in der Darstellung der vichianischen Dipintura in der prekären Figura­

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Zitiert nach der Übersetzung von Richard Harder (Plotins Schriften, Bd. i, Ham­ burg 1956, p. 353). Der von Plotin hier verwendete Terminus eÂpseqxl´emoY nimmt denjenigen des platonischen Mythos vom Seelengefieder im Phaidros 246 c wieder auf. Marsilii Ficini opera omnia, Basilae 1576, p. 1376 (in Phaedrum. commentum cum summis capitulorum, cap. XViii: Expeditio vel impedimentum aliarum ani­ ma); cf. Michael J. B. Allen: Marsilio Ficino and the Phaedran charioteer, Berkeley et al. 1981, p. 149. cf. Platon: Phaidros 249 b–c (in der Übersetzung von Friedrich Schleiermacher): „denn der Mensch muß nach gattungen Ausgedrücktes begreifen, indem er von vielen Wahrnehmungen zu einem durch Denken Zusammengebrachten fortgeht. Und dies ist Erinnerung an jenes, was einst unsere Seele gesehen, gott nachwan­ delnd und das übersehend, was wir jetzt als seiend bezeichnen, und zu dem wahr­ haft Seienden das Haupt erhebend.“ Platon: Phaidros 249 d–e (Übersetzung von Friedrich Schleiermacher).

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tion der Dame Metaphysica wiedererkennen, worauf an späterer Stelle noch genauer einzugehen sein wird. interessanterweise kommt Vico innerhalb seiner poetischen Logik selbst auf die Flügelmetapher zu sprechen. in einem Passus, der von dem Ursprung der heroischen Devisen und impresen handelt, führt er hinsichtlich der Me­ daillen mit der Darstellung von Altar und Augurenstab aus: „Hierher gehören auch die Flügel, die die griechen in ihren Mythen allen gegenständen beile­ gen, die ein heroisches, also auf Auspizien gegründetes Recht bedeuten.“62 Mit dem Hinweis auf die Auspizien bekommt die interpretation der Flügel­ metapher noch eine ganz neue Wendung. Die Auspizien sind als Himmelsschau mit der „Theorie“ in einem ur­ sprünglichen Sinne verbunden. Das griechische Wort hexqða meint ja zu­ nächst die Schau. Seine lateinischen Äquivalente sind contemplatio oder spe­ culatio. Bei Platon wird „Theoria“ zu einem Terminus technicus, bewahrt dabei gleichwohl die Bedeutung von „Anschauen“ und „Betrachtung“; inso­ fern ist bereits der platonischen Erkenntnislehre eine visuelle Metaphorik eigen. Wenn also das theorein als ein „erkennendes Schauen“ aufgefasst wird, so setzt Platon damit die vorphilosophische Tradition des Wortes „Theoria“ fort.63 Ähnlich bezeichnet auch Aristoteles die „erste Philosophie“, also jene die von den ersten Prinzipien handelt, als eine theoretische Wissenschaft  glg ´ hexqgsijg´).64 Es ist insofern interessant anzumerken, dass die (epirs Metaphysik als „erste Philosophie“, als einer Prinzipienwissenschaft, immer schon mit der Theorie in einem ursprünglichen Sinne verbunden ist. Wenn

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SN 1744, p. 204 (cpv. 487–488): „Quindi devon’ aver luce le tante medaglie antiche, ove si vede o un’ altare , o un’ lituo , ch’ era la verga degli Auguri , con cui prende­ van gli auspicj […]; della qual sorta di medaglie dovetter’ esser l’ ale , ch’ i Greci nelle loro Favole attacarono a tutti i corpi significanti ragioni d’ eroi fondate negli auspicj“. in seiner Studie über Die ausdrücke des Wissens in der vorplatonischen Philoso­ phie (Berlin 1924) hat Bruno Snell darauf hingewiesen, dass im griechischen die Mehrzahl der Begriffe, die das Wissen bezeichnen, aus der Sphäre des Sehens her­ vorgegangen sind. Ebenso konstatiert Hans Blumenberg resümierend in seinem Aufsatz Licht als Metapher der Wahrheit. im vorfeld der philosophischen Be­ griffsbildung (1957): „Für das griechische Denken war alle gewißheit in Sichtbar­ keit gegründet. Worauf der koÀcoY sich berief, war gestalthafter Anblick, war eüdoY. ‚Wissen‘ und ‚Wesen‘ (als Eidos) gehören schon etymologisch aufs engste zu ‚Se­ hen‘.“ (Hans Blumenberg: Ästhetische und metaphorologische Schriften, Frank­ furt a.M. 2001, p. 161) cf. die Ausführungen bei Aristoteles: Metaphysica, i, 2, 982 b7 sq., die gleichsam einen locus classicus für diesen Zusammenhang darstellen.

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der Nexus von Kontemplation – Schau – Theoria also ein inniger ist,65 so ist es nicht unangemessen für die Darstellung der Metaphysik, dass diese, als ge­ steigerte Theorie, sich der Betrachtung, der Schau, allzumal des göttlichen, hingibt. in diesem Sinne erweist sich die Kontemplation als die wesentliche Aktivität der Philosophie und diese Tradition kann auch für Vico noch als gültig angesehen werden. Es sei hier daran erinnert, dass die Aufwärtsbewegung der Metaphysik bei Vico im wesentlichen als ein Akt ekstatischer Kontemplation verstanden wird. Es heißt im Text der Spiegazione ja ausdrücklich, die Metaphysik kon­ templiere gott in einem Akt der Ekstase.66 Das Thema der contemplatio spielt für die Scienza Nuova ohnehin eine bedeutsame Rolle.67 Zum Ursprung der Kontemplation des Himmels führt Vico im zweiten Buch der Scienza Nuova aus: iii. terzo principal aspetto è una Storia d’umane idee, che , come testè si è veduto, incomiciarono da idee Divine con la contemplazione del cielo fatta con gli occhi del corpo; siccome nella Scienza augurale si disse da’ Romani contemplari, l’osservare le parti del cielo, donde ve­ nissero gli augurj, o si osservassero gli auspicj: le quali regioni descritte dagli auguri co’ loro litui si dicevano templa coeli; onde dovettero venir a’ Greci i primi hexqg ' lasa e lahgÀlasa, Divine, o sublimi cose da contemplarsi, che terminarono nelle cose astratte Metafisiche, e Matematiche […].68 iii. Dritter Hauptgesichtspunkt ist eine geschichte der menschlichen ideen, die, wie wir gerade gezeigt haben, von Vorstellungen über die gottheit ihren Anfang nahmen anlässlich der Betrachtung des Him­ mels mit den Augen des Körpers. So gebrauchten die Römer in der 65

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Zur ursprünglichen Bedeutungsgeschichte von „Theoria“ cf. Ernesto grassi: Die Macht der Phantasie. Zur geschichte abendländischen Denkens, Königstein 1979, p. 143 sq. sowie Hannelore Rausch: Theoria. Von ihrer sakralen zur philosophi­ schen Bedeutung, München 1982 (Humanistische Bibliothek i: 29). SN 1744, p. 1, cpv. 2: „[…] LA METAFiSicA iN ATTo Di ESTATicA iL coNTEM­ PLA […]“.

cf. Alessandro Stile: i luoghi della contemplazione, in: Bollettino del centro di Studi Vichiani, XXXi–XXXii, 2001–2002, p. 27–42, insbes. p. 39–40: „con la Scienza nuova 1744 l’elaborazione terminologica di Vico ha raggiunto il pieno compimento. La Spiegazione della dipintura sottolinea il senso forte della contem­ plazione quale strumento della filosofia; […] il mondo delle menti umane, il mondo metafisico, di cui Vico parla, unico oggetto della contemplazione, offre la cifra in­ terpretativa per il mondo civile; l’atto contemplativo è circolare, e il suo abbraccio comprende una metafisica che a sua volta illumina il mondo civile. Vico costella la dipintura di ogni sorta di simboli […]“. SN 1744, p. 148 (cpv. 391).

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Wissenschaft der Weissagung das Wort contemplari für das Beobach­ ten derjenigen Teile des Himmels, an denen sie die Zeichen erwarteten oder die Auspizien ablasen. Diese Himmelsgegenden, die von den Au­ guren mit ihren Krummstäben bezeichnet wurden, nannten sie die Tempel des Himmels. So mussten auch den griechen die ersten theo­ remata und mathemata aufgehen, die der Betrachtung würdigen gött­ lichen oder erhabenen Dinge, die schließlich bei den metaphysischen und mathematischen Abstraktionen endeten.69 Die Kontemplation des Himmels bildet also den Ursprung der Auspizien, der Blick nach oben gen Himmel ist somit die anfängliche Bewegung und geste, die den Anfang und Ursprung menschlichen Denkens kennzeichnet. Der himmelgerichtete Blick und die dadurch bewirkte Aufwärtsbewegung sind dabei in einer anthropologisch­kulturgeschichtlichen Perspektive seit der Antike mit dem Topos der aufrechten Statur, dem status erectus, des Men­ schen verbunden. in diesem Zusammenhang mag auf eine mögliche Quelle dieses Topos für Vicos Denken hingewiesen werden. Unter den Platonikern, auf die sich Vico mit euphorischen Worten in seiner Autobiographie bezieht, firmiert auch Jacopo Mazzoni, der durch seinen Beitrag zur Platon–Aristoteles Debat­ te im XVi. Jh. hervorgetreten ist.70 in seinem Werk in vniuersam Platonis, et aristotelis philosophiam praeludia, siue de comparatione Platonis, & aris­ totelis, verknüpft Mazzoni das Motiv der Kontemplation mit dem Topos der aufrechten Statur. So heißt es in der ersten Sektion, cap. iii (coMPENDiUM iNSPEcTioNiS PHiLoSoPHicAE, ET EiUS PRAESTANTiA inter actiones hu­ manas) als Kapitelüberschrift: „Homo erectae figurae, ut caelum intueri possit“.71 Und kurz darauf wird dazu ausgeführt, die antiken Philosophen hät­ ten bereits die Ansicht vertreten, dass dem Menschen die aufrechte Statur und der entsprechende gebrauch der Augen verliehen worden sei, damit er die Himmelskörper gleichsam wie ein Theater betrachten könne: 69 70

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Übersetzung nach der von Ferdinand Fellmann besorgten Ausgabe: g. Vico, Die neue Wissenschaft von der gemeinschaftlichen Natur der Nationen, Auswahl, Übersetzung, Einleitung, Frankfurt a.M. 1981, p. 60. Zu Jacopo Mazzoni (1548–1598), Professor der Philosophie an der Universität Pisa, cf. die Bemerkungen bei Eugenio garin: Storia della filosofia italiana, Torino 1966, 2 1978, vol. ii, p. 113 sq. Das Verdienst als erster innerhalb der Vico­Studien auf das Werk Mazzonis hingewiesen zu haben, gebührt wohl Mario Papini: Uomini di sterco e di nitro, in: Bollettino del centro di Studi Vichiani, XX, 1990, p. 9–76, hier insbes. p. 13 sq. Jacopo Mazzoni: in vniuersam Platonis, et Aristotelis philosophiam praeludia, siue de comparatione Platonis, & Aristotelis, liber primus, Venetiis 1597. Das Zitat hier p. 41.

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Hinc omnes veteres philosophantes dixerunt non ob aliam rem datam esse nobis erectam figuram, atque in ea oculorum usum, in eo situ collocatorum, quam ut ex hoc mundo, quasi ex theatro quodam, intue­ amur corpora coelestia.72 Dieser Topos von der aufrechten Figur und der Bedeutung des Blickes verbin­ det sich also mit der Aufwärtsbewegung und bildet somit eine Art anthropo­ logisch­kulturgeschichtlicher Hintergrund, der auch für die Darstellung der Metaphysik in der Dipintura mitschwingen mag. * Für eine angemessene Kontextualisierung der Darstellung der Metaphysik in Vicos Dipintura liegt es aber auch nahe, auf die ikonographische Traktatlite­ ratur der frühen Neuzeit einzugehen, insbesondere auf cesare Ripa, der mit seiner erstmals 1593 in Rom erschienenen iconologia ein wirkungsmächtiges Werk geschaffen hat. Die iconologia ist wie eine Art Handbuch aufgebaut und bietet ein Arsenal der bildlichen Darstellungen von Personifizierungen in alphabetischer Anordnung. Diese Personifikationen werden mit ihren jewei­ ligen Attributen meist sehr detailliert beschrieben. Auf Ripas iconologia las­ sen sich denn auch einzelne Elemente in der Darstellung der Dipintura zurückführen, welches bereits von diversen interpreten für die interpretation der vichianischen Dipintura geltend gemacht wurde.73 So findet sich in der iconologia ein eigener Eintrag für die Allegorie der Metafisica, der freilich durch die zahlreichen Auflagen stets ohne Abbildung geblieben ist. Die Meta­ fisica wird bei Ripa wie folgt beschrieben: „Donna, che sotto al piede sinistro tenga un globo, con la destra mano apoggiata alla guancia, & che stia pensosa, & con la sinistra mano stia in atto di accennare. Per la palla considera il mondo tutto, & le cose corrutibili, che soggiaciono, come vili a questa scienza, la quale s’inalza sola alle cose celesti, e divine.“74 Mit dem globus zu Füßen der Meta­ physik einerseits, andererseits die Erwähnung eines Überstiegs, respektive einer Aufwärtsbewegung zu den himmlischen und göttlichen Dingen, sind Elemente benannt, die eben auch auf der Darstellung der vichianischen Dipin­ tura wiederkehren. 72 73

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ibid. p. 43. cf. Paolo Rossi: Note alla Scienza Nuova: Sulla funzione delle immagini, in: idem, Le sterminate antichità. Studi vichiani, Pisa 1969, p. 181 sq., sowie ergänzend dazu Mario Papini: il geroglifico della storia. Significato e funzione della dipintura nella Scienza nuova di g.B. Vico, Bologna 1984, p. 76 sq. und p. 235–248. cesare Ripa: iconologia ovvero descrittione di diverse imagini cavate dall’antichità, & di propria inventione, Roma 1603 (Repr. with an introduction by Erna Mandow­ sky, Hildesheim / Zürich / New York 1984), p. 327.

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Neben dem globus ist die Metafisica bei Vico ja vor allem durch die beflügelten Schläfen gekennzeichnet. Während in der erwähnten Beschrei­ bung der Philosophie bei Boethius diese zwar geflügelt ist, aber nicht von be­ flügelten Schläfen die Rede ist, so findet sich dieses Motiv mehrfach in der iconologia Ripas. Blättert man in den Darstellungen der verschiedenen Perso­ nifikationen, so begegnet einem dieses Motiv der beflügelten Schläfen bei diversen Figuren, so etwa bei der MATEMATicA, von der es heißt: „Donna di mez’età, vestita di velo bianco e trasparenti, con l’ali alla testa […] L’ali alla testa insegnano, che ella col’ingegno s’inalza al volo della contemplatione del­ le cose astratte“.75 Hier sind die Flügel am Kopf also mit dem Motiv des Auf­ schwungs und der Kontemplation verbunden; ja die Flügel am Kopf der Personi­ fikation der Mathematik bedeuten gerade, dass diese sich mit ihrem ingenium zum Höhenflug der Kontemplation abstrakter Dinge erhebt. Die Bedeutung der Flügel hängt – wie bereits gesehen – mit der Fähigkeit des intellektes zu­ sammen, insbesondere dessen Auffassungsgabe, die in dessen Schnelligkeit zum Ausdruck kommt. Daher heißt es bei Ripa von der Figur des FURoRE PoETico, die Flügel bedeuten die Bereitschaft und Schnelligkeit des poetischen intellekts: „L’ali significano, la prestezza, & la velocità dell’intelletto Poetico“.76 Eine besondere Erwähnung verdient schließlich noch die Beschreibung der SciENZA, zu der Ripa ausführt: „Donna con l’ali al capo, nella destra mano tenghi uno specchio, & con la sinistra una palla sopra della quale sia un trian­ golo […] Si dipinge con l’ali, perche non è scienza dove l’intelletto non s’alza alla contemplatione.“77 Auch diese Figur trägt also Flügel am Kopf als Zeichen ihres kontemplativen charakters, denn wie Ripa erklärt, wird die Scienza mit Flü­ geln gemalt, weil es keine Wissenschaft wäre, wo sich der intellekt nicht zur Kontemplation erhebe. Zudem ist diese Figur dadurch ausgezeichnet, dass sie in der rechten Hand einen Spiegel und in der linken eine Kugel mit Dreieck hält. Diese Attribute finden sich schließlich auch bei Vico, worauf an späterer Stelle nochmals einzugehen sein wird. generell bleibt zu konstatieren, dass in diesem grundzug der Darstel­ lung einer geflügelten Frau mit globus die iconologia Ripas also zahlreiche Anhaltspunkte bietet. *

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op. cit., p. 307. op. cit., p. 178. op. cit., p. 444.

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Kehren wir nach diesem Excursus durch die Traktatliteratur wieder zu einer direkten Betrachtung der Dipintura zurück. Wenn sich der beflügelte Auf­ schwung als eines der offensichtlichsten Motive der Darstellung der Dipintu­ ra erweist, so ist doch zugleich eine Besonderheit bemerkbar. Bei Vico voll­ zieht sich der beflügelte Aufschwung der Metaphysik auf instabilem grund. Die aus Kugel und Quader gebildete Unterlage, auf der sich die Metaphysik erhebt, macht zweifellos einen höchst instabilen Eindruck. Die globuskugel wird ja nur auf einer Seite von dem darunter stehenden Fundament, dem Altar, gestützt. Nun gibt der Autor dazu eigens eine Erklärung. Vico schreibt: Perciò il gLoBo, o sia il Mondo Fisico, ovvero naturale solo iN UNA PARTE EgLi DELL’ALTARE ViEN SoSTENUTo; perchè i Filosofi infin’ ad ora, avendo contemplato la Divina Provvedenza per lo sol’ ordine naturale, ne hanno solamente dimostrato una parte;78 Deshalb wird der globus, d. h. die physische oder natürliche Welt, nur von einer Seite von dem Altar gestützt; denn bis jetzt haben die Philo­ sophen, indem sie die Vorsehung nur in Bezug auf die ordnung der Natur betrachteten, nur einen Teil von ihr gezeigt […]. Diese Besonderheit der Darstellung wird von Vico also mit einem grundle­ genden Thema seiner Neuen Wissenschaft verbunden. Die Ausdifferenzie­ rung der Erkenntnisgegenstände, d. h. von Naturerkenntnis einerseits und der Erkenntnis der vom Menschen geschaffenen Kultur, dem mondo civile ande­ rerseits, ist eine der wesentlichen Einsichten, weswegen Vico seine Wissen­ schaft als eine „neue“ zu deklarieren unternimmt. Die instabilität der Meta­ physik auf dieser vom Hinunterfallen bedrohten Konstellation des globus auf dem Quader wird also von Vico mit einer mangelnden Selbsterkenntnis der bisherigen metaphysischen Wissenschaft erklärt. gleichwohl mag diese Autoexegese des Autors die Konnotationen dieser bildlichen Darstellung noch nicht gänzlich ausschöpfen, so dass der aufmerksame Betrachter noch zu weiteren Reflexionen angeregt sein dürfte. Diese invenzione Vicos sei daher nochmals eingehender betrachtet. Die Me­ taphysica scheint in der Darstellung der Dipintura ja in einem komplizierten gleichgewichtsakt begriffen. in ihrer Ergriffenheit balanciert sie zugleich auf der Kugel, die wiederum auch in einer sehr prekären Lage auf dem Kubus, dem Altar als ein Fundamentum, aufliegt.

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SN 1744, p. 2 (cpv. 2).

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For t u n a – P r ov ide nt i a – P r ude nt i a gerade in dieser Beweglichkeit auf der globus­Kugel gemahnt die Metaphy­ sica an die bekannte Bildformel der Fortuna­occasio.79 Die Symbolik von Ku­ gel und Quader80 erschließt sich nur, wenn diese Darstellung der Metaphysik mit dieser Bildtradition der Fortuna konfrontiert wird. Um der Bedeutung von globus und Kubus nachzugehen, sei zunächst auf ein Bild rekurriert, das der Scienza Nuova Vicos über zweihundert Jahre vorausliegt, aber ebenso eine entscheidende Schwelle zwischen mittelalter­ lichem Fortuna­Verständnis und deren humanistischer Aneignung und Um­ formulierung markiert. gemeint ist der Titelholzschnitt aus carolus Bovillus’ Liber de Sapiente. in diesem um 1510 gedruckten Werk befindet sich als Fron­ tispiz der Holzstich eines unbekannten Künstlers mit der Darstellung von Fortuna und Sapientia (Bild 6).81 Kenntlich gemacht durch die tituli sitzt lin­ kerseits Fortuna mit verbundenen Augen, bekrönt und prächtig gekleidet, in ihrer Linken das glücksrad haltend – ihr gegenüber Sapientia, durch ein mo­ derateres Kleid ausgezeichnet. in ihrer Rechten hält sie einen Spiegel, spe­ 79

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Zur Bildprägung der Fortuna cf. Alfred Doren: Fortuna im Mittelalter und in der Renaissance, in: Vorträge der Bibliothek Warburg 1922–23, Teil i, Leipzig 1924, p. 71–144; Frederick Kiefer: The conflation of Fortuna and occasio in Renaissance Thought and iconography, in: Journal of Medieval and Renaissance Studies, iX, 1979, p. 1–27; Lucie galactéros de Boissier: images emblématique de la fortune. Eléments d’une typologie, in: L’Emblème à la Renaisance. Actes de la Journée d’Études du 10 mai 1980, publiés par Yves giraud, Paris 1982, p. 79–125; Klaus Reichert: Fortuna oder über die Beständigkeit des Wechsels, Frankfurt a.M. 1985; chiara Stefani: Note sull’iconografia della Fortuna alla fine del XVi secolo, in: Schede umanistiche, n.s., 1992, 2, p. 51–67; Hans Holländer: Die Kugel der Fortu­ na, in: Das Mittelalter, i, 1996, 1 (Providentia ­ Fatum ­ Fortuna), p. 149–167; En­ rico Parlato: Rotunda et quadrata sedes: antinomie umanistiche nell’iconografia di Fortuna e Virtù, in: il buon senso o la ragione. Miscellanea di studi in onore di giovanni crapulli, ed. Nadia Boccara / gaetano Platania, Viterbo 1997, p. 81–95; Philine Helas: Fortuna­occasio. Eine Bildprägung des Quattrocento zwischen ephemerer und ewiger Kunst, in: Städel­Jahrbuch, N.F. XVii, 1999, p. 101–124. Für eine weitere Kontextualisierung cf. gottfried Kircher: Fortuna in Dichtung und Emblematik des Barock. Tradition und Bedeutungswandel eines Motivs, Stuttgart 1970. Zur Bild­ und Bedeutungsgeschichte von Kubus und Kugel cf. auch William S. Heckscher: goethe im Banne der Sinnbilder. Ein Beitrag zur Emblematik (1962), in: idem, Art and Literature. Studies in Relationship, ed. Egon Verheyen, Baden­ Baden 1994, cap. 11, p. 217–236. Der Liber de Sapiente des carolus Bovillus, oder charles de Bovelles, verdankt seine Bekanntheit in der neueren philosophiehistorischen Forschung vor allem der Studie von Ernst cassirer über individuum und Kosmos in der Philosophie der Renaissance, Leipzig / Berlin 1927 (Studien der Bibliothek Warburg X), in dessem Anhang sich eine von Raymond Klibansky herausgegebene Edition des Textes samt der Holzschnitte findet.

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Bild 6

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Holzschnitt aus carolus Bovillus, Liber de Sapiente, Paris 1510

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culum sapientie, wie die darüberstehende inschrift lautet, in welchem die Planeten, Sonne, Mond, Sterne, erkennbar sind, im Zentrum aber sie selbst, ihr eigenes Antlitz. Dieser speculum sapientie hat also gleichsam eine kosmo­ logische Dimension – man könnte von einer kosmoskontemplierenden Sapi­ entia sprechen.82 Denn indem im Spiegel sowohl das Angesicht der darin sich Spiegelnden wie eben auch die kosmologischen Zeichen der Planeten etc. er­ scheinen, dürfte auf die Zusammengehörigkeit von Selbsterkenntnis und Welterkenntnis verwiesen sein.83 Das ist ein Motiv, welches freilich in ganz anderer bildlicher Umsetzung, aber in einem vergleichbaren denkerischem Ansatz, das Verständnis der vichianischen Metaphysik vorausnimmt. Für un­ seren Zusammenhang ist hingegen besonders bedeutsam die gegenüberstel­ lung von Kugel und Quader. Die Fortuna thront auf einer Kugel mit der in­ schrift SeDeS FoRtuNe RotuNDa; diese Kugel bezeichnet wohl einerseits die Welt im ganzen, den globus; sie ist aber zugleich als Unbeständigkeit und instabilität denotiert. So wie traditionellerweise das Bildformular des Rades, i.e. des glücksrades der Fortuna, die Wechselfälle von glück und Unglück be­ deutet, die vicissitudo rerum, hier jedoch das Rad nur noch als ein sehr kleines erscheint, das die Fortuna gleichsam wie ein Spielzeug in der Hand hält, also eigentlich nur noch wie ein Attribut mit sich führt, so bezeichnet die Kugel oder der globus als ganzes die Unbeständigkeit, die hier im Holzstich durch die aus abschüssigen Holzlatten bestehende Basis nochmals besonders hervor­ gehoben ist. Dagegen thront die Sapientia auf einem Quader, der durch die inschrift SeDeS viRtutiS quaDRata als solide stehender und beständiger Sitz der Tugend ausgewiesen ist. Die Beiordnung der Weltkugel für die Darstellung der Fortuna – und damit ihre Verschmelzung mit der Figur der occasio zu einer festen Bildprä­ gung – findet seit der Renaissance weite Verbreitung. Als eines der möglichen Beispiele, welches in der Komposition eine gewisse Ähnlichkeit mit der vichia­ nischen Metaphysik aufweist, sei hier die Darstellung aus Vincenzo cartari, Le imagini de i Dei de gli antichi, angeführt, bei der die Fortuna­occasio mit geflügelten Füßen auf der Weltkugel steht (Bild 7). Die gegenüberstellung von Kugel als Zeichen der Unbeständigkeit ei­ nerseits und Quader oder Kubus als Zeichen der Beständigkeit hat in der iko­ 82 83

So in Anlehnung an Peter­Klaus Schuster: Das Bild der Bilder. Zur Wirkungsge­ schichte von Dürers Melancholiekupferstich, in: idea. Jahrbuch der Hamburger Kunsthalle, i, 1982, p. 72–134, hier p. 77. Ebenso deutet Schuster die Darstellung der kosmosbetrachtenden Sapientia in Bo­ villus’ Titelblatt als Forderung nach „radikaler Welterforschung“ und führt dazu aus: „Denn der Mensch […] kann zum grund seiner Weisheit, zur Selbsterkennt­ nis nicht anders denn durch Welterkenntnis gelangen“ (Peter­Klaus Schuster: Me­ lencolia i. Dürers Denkbild, Berlin 1991, p. 308).

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Bild 7 Fortuna – occasio aus Vincenzo cartari, Le imagini de i Dei de gli antichi, Venetia 1587

nographie eine langanhaltende Tradition. in der Emblematik lässt sich eine Tradition der Fortuna­ikonographie nachverfolgen, die von einer Antithetik von Fortuna und Virtus geprägt ist – ein Thema, das bekanntlich vor allem durch Petrarca zu großer geltung gelangt ist84 –, bei der erstere für die insta­ bilität der Welt, letztere für die Beständigkeit der Tugend einsteht. Aus der Vielzahl möglicher Beispiele sei hier auf zwei Embleme verwiesen aus dem Nucleus emblematum von gabriel Rollenhagen (1611–1613). Das erste Emblem zeigt einen greif, der auf einem Kubus steht (Bild 8), an dem eine geflügelte Kugel als Symbol des wechselhaften Weltenlaufs hängt. Das Emblem trägt als Bildumschrift das ciceronianische Dictum virtute duce, comite Fortuna, welches auch in der Subscriptio wieder variierend aufgenommen wird und womit ein emblematisches Vokabular gebraucht wird, das bereits in der wohl Vico bekannten in Neapel erschienenen impresenlehre des giulio cesare capac­ cio begegnet und generell für die Druckersignets eine nachhaltige Wirkung 84

Vor allem ist an Petrarcas De remediis utriusque fortune zu denken; cf. dazu Klaus Heitmann: Fortuna und Virtus. Eine Studie zu Petrarcas Lebensweisheit, Köln / graz 1958 (Studi italiani namens des istituto italiano di cultura in Köln, Band 1).

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Bild 8 gabriel Rollenhagen, Selectorum emblematum centuria secunda, Ultraiecti 1613 (Emblem 5)

gezeitigt hat. Das zweite hier als Beispiel angeführte Emblem von Rollenhagen mit dem Titel „iN ViRTUTE ET FoRTUNA“ (Bild 9) arbeitet mit den gleichen kompositorischen Elementen, wobei die geflügelte Kugel auf dem Quader, wo­ rüber sich der Adler erhebt, unwillkürlich in ihrem Aufbau an die Dipintura der Scienza Nuova gemahnt. Direkte literarische Vorlage für die vichianische Darstellung dürfte freilich die tabula cebetis sein, auf die Vico ja gleich zu Beginn seiner Spie­ gazione sich direkt bezieht, denn in ihr begegnet genau diese gegenüberstel­ lung von der instabilen Kugel der Fortuna und dem soliden quadratischen Stein.85 85

cf. die Übersetzung bei Agostino Mascardi: Discorsi morali su la Tavola di cebete Tebano, Venezia 1674, p. 12–13. im gleichen Werk auch Mascardis Ausführungen, warum die Sapienza auf einem quadratischen Stein sitze, ibid. p. 461, 476. Zum Fortleben dieses Motivs von Kugel und Quader in Verbindung mit dem Festina lente–Motto cf. Francesca cappelletti: Festina lente: Fortuna, Prudenza e Fama nell’emblematica del cinquecento, in: Der antike Mythos und Europa. Texte und Bilder von der Antike bis ins 20. Jahrhundert, ed. Francesca cappelletti / gerlinde Huber­Rebenich, Berlin 1997 (ikonographische Repertorien zur Rezeption des an­ tiken Mythos in Europa, Beiheft ii), p. 74–82.

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Bild 9 gabriel Rollenhagen, Nucleus emblematum selectissimorum, coloniae 1611 (Emblem 89)

* Dieser kleine Exkurs in die Emblematik diente dazu aufzuweisen, wie in Vicos Frontispiz der Dame Metaphysica die Bildprägung der Fortuna gleichsam ein­ geschrieben ist; eine Beobachtung, die unter den bisherigen interpreten wei­ testgehend unbemerkt geblieben ist,86 wohl auch deshalb, weil die Fortuna in der vichianischen Bilderläuterung überhaupt nicht vorkommt. Es ist in der Tat bemerkenswert, dass Vico diesen Bezug zur Fortuna­ ikonographie mit keinem Wort erwähnt. Es erhebt sich daher die Frage, wie eine solche Beziehung von Metaphysik und Fortuna zu denken sei: offen­ sichtlich nicht anders denn als eine Überwindung. Wenngleich die Fortuna in Vicos Ausführungen keine explizite Rolle spielt, so dürfte ein damit zusam­ menhängendes Thema von Bedeutung sein. Wie Vico mehrfach in seinem

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Einer der wenigen, der den Bezug zur Fortuna bemerkt, ohne ihm allerdings eine eingehende Analyse zu widmen, ist Michael groblewski: imagination und Herme­ neutik. Frontispiz und Spiegazione der Scienza Nuova von giambattista Vico, in: idea. Jahrbuch der Hamburger Kunsthalle, Vi, 1987, p. 53–79; hier p. 64–65, wo er trefflich resümiert: „im Bildzusammenhang aber bedeutet das konkret, daß im Frontispiz der Scienza Nuova die Metaphysik die Stelle der Fortuna einnimmt.“

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Werk betont, versteht sich die Scienza Nuova gerade als Überwindung des klassischen gegensatzpaares von Fatum und casus. Dieser gegensatz von Fato und caso taucht an mehreren Stellen der Scienza Nuova auf und findet jeweils Entsprechung in der Entgegensetzung von Stoikern und Epikuräern. Scheinen erstere einen schicksalhaft determi­ nierten Verlauf der Ereignisse vorauszusetzen, so reduzieren letztere alles auf eine Anhäufung von Zufälligkeiten. gegen beide versucht sich die Scienza Nuova abzusetzen. Wie unzureichend dieses gegensatzpaar von Fatum und casus ist, wird gleich in einer der ersten Axiome im ersten Buch der Scienza Nuova ausgesprochen. im Folgesatz des fünften Axioms heißt es, dass dieser grundsatz sowohl die Stoiker wie die Epikuräer von der „Schule dieser Wis­ senschaft“ entferne, denn die Stoiker wollen die Abtötung der Sinne, während die Epikuräer die Sinne zur Regel erheben, aber beide leugnen die Vorsehung, jene indem sie sich vom Fatum fortreißen lassen, diese indem sie sich ganz dem Zufall überlassen: Questa Degnità allontana dalla Scuola di questa Scienza gli Stoici , i quali vogliono l’ ammortimento de’ sensi , e gli epicurei , che ne fanno regola ; ed entrambi niegano la Provvedenza , quelli faccendosi stra­ scinare dal Fato , questi abbandonandosi al caso ; […]87 Das gleiche Thema wird auch in der Spiegazione anlässlich des Motivs des sich auf der Brust der Metafisica brechenden Lichtstrahles angesprochen; dort heißt es: „Der Lichtstrahl der göttlichen Vorsehung, der einen konvexen Edel­ stein beleuchtet, mit dem die Metaphysik ihre Brust schmückt, deutet das klare und reine Herz an, das hier die Metaphysik haben muss – weder schmut­ zig noch befleckt von geistigem Hochmut oder der Niedrigkeit körperlicher Lüste; aus jenem lehrte Zenon das Fatum, aufgrund dieser Epikur den Zufall; und beide leugneten deshalb die göttliche Vorsehung.“88 Die vichianische Metaphysik versteht sich also als Überwindung dieses gegensatzpaares Fato – caso, und zwar gerade unter Berufung auf die „gött­ liche Vorsehung“, die „Provvedenza Divina“. Das Thema der göttlichen Vor­ sehung ist ja auch in der Dipintura präsent durch das im Symbol des Dreiecks

87 88

SN 1744, p. 74, Degnità V (cpv. 130). Man vergleiche dazu ebenso die resümierende conchiusione dell’opera, SN 1744, p. 524 (cpv. 1109). SN 1744, p. 4–5 (cpv. 5): „iL RAggio DELLA DiViNA PRoVVEDENZA, cH’ ALLU­ MA UN gioJELLo coNVESSo, Di cHE ADoRNA iL PETTo LA METAFiSicA , dinota il cuor terso, e puro, che qui la Metafisica dev’ avere , non lordo , nè spor­ cato da superbia di spirito, o da viltà di corporali piaceri ; col primo de’ quali ze­ none diede il Fato , col secondo epicuro diede il caso , & entrambi perciò niegaro­ no la Provvedenza Divina.“

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eingeschriebene Auge, das gemäß Vico gerade gott mit dem Blick seiner Vor­ sehung darstellt.89 Wie ist dieses Prinzip der göttlichen Vorsehung zu verstehen? Und wie ist das Verhältnis von Metaphysik und Providentia zu denken? Das Thema einer göttlichen Vorsehung betrifft freilich eines der Leitthemen in Vicos Ausführungen zum Verhältnis von Religion und Zivilisation.90 Es scheint je­ doch zunächst zwischen der Berufung auf die göttliche Vorsehung einerseits und dem fundamentalen Prinzip der Scienza Nuova, nämlich dem verum­ factum­Prinzip, ein Widerspruch zu klaffen. Wenn die grundlegende Einsicht der Scienza Nuova darin besteht, dass die Menschen ihre Welt, den mondo civile, selber machen, wie ist dann das Wirken einer göttlichen Vorsehung damit vereinbar? ist die geschichte ein Produkt des Menschen, wozu bedarf es dann für das Verständnis des geschichtsverlauf der Vorstellung einer gött­ lichen Vorsehung? Einen Hinweis für die Lösung dieses Problems gibt Vico zum Schluss des Werkes, wo er resümiert: „Denn zwar haben die Menschen selbst diese Welt der Nationen gemacht, welches das erste unanfechtbare Prinzip dieser Wissenschaft war, […]: dennoch ist sie, diese Welt, ohne Zwei­ fel aus einem geist hervorgegangen, der oft verschieden und mitunter entge­ gengesetzt, immer jedoch überlegen ist den besonderen Zwecken, welche die Menschen sich selber vorgesetzt hatten; jene beschränkten Zwecke hat er sei­ nen höheren dienstbar gemacht und sie stets verwandt, um das Menschenge­ schlecht auf dieser Erde zu erhalten.“91 Der hier erwähnte geist (Mente) gibt dem geschichtsverlauf eine Dimension, die über die einzelnen menschlichen Handlungen hinausweist, und genau dies ist auch bei Vico die Funktion des Prinzips der Vorsehung. Bereits in der ersten Ausgabe der Scienza Nuova wird die „Provveden­ za“ als das erste Prinzip der Nationen eingeführt;92 dort heißt es, sie sei die Architektin dieser Welt der Nationen: „la Divina Provvedenza ella è l’archi­ tetta di questo Mondo delle Nazioni.“93 Vico verfolgt in seiner Neuen Wis­ 89 90 91

92 93

cf. SN 1744, p. 1 (cpv. 2): „iL TRiANgoLo LUMiNoSo con ivi DENTRo un’ oc­ cHio VEgENTE, egli è iddio con l’aspetto della sua Provvedenza“.

Man denke hier an die Axiome XXXi sq. im ersten Buch der Scienza Nuova (cpv. 177 sq.). SN 1744, p. 523 (cpv. 1108): „Perchè pur gli uomini hanno essi fatto questo Mondo di Nazioni ; che fu il primo Principio incontrastato di questa Scienza […] : ma egli è questo Mondo senza dubbio uscito da una Mente , spesso diversa , ed alle volte tutta contraria, e sempre superiore ad essi fini particolari, ch’ essi uomini si ave­ van proposti ; de’ quali fini ristretti fatti mezzi per servire a fini più ampj gli ha sempre adoperati , per conservare l’umana Generazione in questa Terra.“ So lautet der Titel des ersten Kapitels des zweiten Buches „La Provvedenza è Primo Principio delle Nazioni“. SN 1725, p. 40 (cpv. 45).

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senschaft ja die gesellschaftsbildung in ihrem Entstehungsprozess, das heißt insbesondere die Frage, wie sich im geschichtlichen Verlauf ein gemeinwohl herausbildet. Vico geht dabei von der Beobachtung aus, dass die einzelnen Menschen tendenziell nur eigensinnig­beschränkte Ziele verfolgen, dennoch bildet sich insgesamt eine gesellschaftliche Struktur mit einem gemeinwohl im geschichtlichen Prozess heraus. Für das Verständnis dieser Kongruenz von individuellem und gemeinschaftlichem ist die „Provvedenza“ als „Architek­ tin“ dieser gesellschaftlichen Welt eine der konstruktiven Prinzipien. Die Übereinstimmung des individuellen mit dem gemeinwohl vollzieht sich ja gemäß Vico gerade obgleich die einzelnen individuen nur ihren jeweiligen affektgetriebenen Passionen folgen.94 Die providentia ist insofern eine instanz, die einen Blick auf die geschichte jenseits der einzelnen kontingenten und nur affektgeleiteten Handlungen der individuen erlaubt. So heißt es im siebenten Axiom der Scienza Nuova, dieser grundsatz beweise, dass es eine göttliche Vorsehung gebe und dass sie ein göttlicher gesetzgebender geist sei, der aus den Leidenschaften der Menschen, die alle nur an ihrem Privatnutzen hängen und dadurch wie wilde Bestien in Einsamkeit leben würden, eine politische ordnung hervorgebracht habe, durch welcher sie in menschlicher gesell­ schaft leben können: Questa Degnità pruova , esservi Provvedenza Divina ; e che ella sia una Divina Mente Legislatrice ; la quale delle passioni degli uomini tutti attenuti alle loro private utilità , per le quali viverebbono da fiere bestie dentro le solitudini , ne ha fatto gli ordini civili , per gli quali vivano in umana Società.95 Die zentrale Bedeutung der providentia geht auch aus dem Umstand hervor, dass Vico seine Neue Wissenschaft mit der paradox anmutenden Umschrei­ bung charakterisiert, sie sei eine „teologia civile Ragionata della Provve­ denza Divina“.96 Dieser Ausdruck ist kaum angemessen zu übersetzen: Eine „rationale politische Theologie der göttlichen Vorsehung“ (Hösle/Jermann) oder eine „vernünftgegründete Theologie der göttlichen Vorsehung“ (Auer­ bach) bleiben insofern unzureichend, als sie die gleichsam adverbiale Bedeu­ tung des Ausdrucks „civile ragionata“ kaum zu berücksichtigen vermögen, aber an diesem Punkte stößt die Möglichkeit einer einfachen Übersetzung 94

95 96

cf. zu diesem Mechanismus Maria goretti: L’eterogenesi dei fini nel pensiero vichiano. Premesse per un confronto di idee, in: Atti dell’Accademia di Scienze Morali e Politiche / Società Nazionale di Scienze, Lettere e Arti in Napoli, LXXX­ Vi, 1975, p. 303–317. SN 1744, p. 75 (cpv. 133). SN 1744, p. 120 (cpv. 342). Die gleiche Formulierung begegnet ebenso an promi­ nenter Stelle zu Beginn der Spiegazione, SN 1744, p. 2 (cpv. 2).

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ohnehin an ihre grenzen und umso mehr wird die Notwendigkeit einer Exe­ gese deutlich, die Philologie und Philosophie zu verbinden versteht. Für ein besseres Verständnis dieses Ausdrucks sei zunächst auf den Kommentar von Paolo cristofolini verwiesen, der die einzelnen Elemente der Termini mit den entsprechenden gegensätzen konfrontiert und auf diese Weise zu deren Erhel­ lung beiträgt. Die Theologie als Wissenschaft von gott und seinen Werken ist bei Vico eine „civile“, d. h. sie ist auf die vom Menschen geschaffene Welt, auf den „mondo civile“ gegründet; sie ist also keine offenbarungs­Theologie, we­ der einer natürlichen noch übernatürlichen offenbarung, sondern misst sich gerade an dem menschlichen Handeln und Wissen. Diese Theologie ist des weiteren „ragionata“, i.e. vernunftgegründet, und eben keine „poetische Theo­ logie“, jener auf der imagination der ersten Dichtertheologen basierenden mythologischen götterwelt, von der die Scienza Nuova ja ansonsten über weite Strecken handelt. Als einer vernunftgegründeten Theologie basiert sie gerade auf dem von Philosophen und Philologen in den Blick genommenen Verlauf der menschlichen geschichte.97 in der Sektion über die Methode (Del Metodo) führt Vico im Anschluss an diese Umschreibung der Scienza Nuova als rationale politische Theologie der göttlichen Vorsehung aus, daher solle diese Wissenschaft ein Beweis des historischen Faktums der Vorsehung sein: „Laonde cotale Scienza dee essere una dimostrazione, per così dire, di fatto istorico della Provvedenza“.98 Bereits diese Rede von dem historischen Faktum zielt vor allem auf den innerweltli­ chen Zusammenhang. Und zu Recht ist daher der Unterschied des vichianischen geschichtsverständnisses von der typischen Auffassung der Heilsgeschichte konstatiert worden, so dass der Vorsehungsgedanke bei Vico dahingehend interpretiert werden kann, dass „die Verwirklichung der Vorsehung in der geschichte quasi dem natürlichen Ablauf der geschichte selbst entspricht.“99 97

98 99

cf. Paolo cristofolini: La Scienza nuova di Vico. introduzione alla lettura, Roma 1995, p. 68–69: „Fra le definizioni che Vico dà della sua opera ve n’è una che contie­ ne esplicitamente il concetto, ed è una definizione cui l’autore tiene molto: ‘teologia civile ragionata della Provvedenza divina’. Teologia, ovvero scienza di Dio e delle sue opere; civile, ovvero fondata sul mondo civile fatto degli uomini, dunque non teologia rivelata, naturale o sovrannaturale che sia, ma unicamente misurata e co­ stituita sul fare e sul sapere umano; ragionata, ovvero non poetica, non basata sull’immaginazione che condusse i poeti teologi a fondare le nazioni, bensì sulla ragione che conduce i filosofi e i filologi a ravvisare il corso delle cose umane sulla base dei documenti e delle loro intelligibili concatenazioni.“ SN 1744, p. 121 (cpv. 342). Nicola Erny: Theorie und System der Neuen Wissenschaft von giambattista Vico. Eine Untersuchung zu Konzeption und Begründung, Würzburg 1994, p. 108. Ebendort führt Erny weiter aus: „Sehr deutlich kommt dies zum Ausdruck, wo Vico davon spricht, daß die Neue Wissenschaft ‚sozusagen ein Beweis der Vorse­ hung als geschichtliche Tatsache sein muß‘, wobei allein die Verwendung des Aus­

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in der Tat ist die providentia bei Vico niemals ein unerwarteter übernatür­ licher Eingriff in die Weltgeschichte, sondern wirkt vielmehr vermittelt durch die Handlungen der Menschen; sie ist dem geschichtsverlauf insofern in ge­ wisser Weise immanent.100 Freilich dürfte bereits aus diesen Zitaten erhellen, welch komplexe Konzeption der providentia dem vichianischen gedankengebäude zugrunde­ liegt. Die Rolle der providentia bei Vico ist daher in der Forschung eine durch­ aus vieldiskutierte Frage, welche gerade auch das Problem von orthodoxie oder Häresie der vichianischen gedanken betrifft.101 insofern Vicos wesent­ liche Einsicht gerade darin besteht, dass dieser mondo civile von den Menschen gemacht worden ist und deshalb von ihnen erkennbar sei, ist klar, dass die providentia keine deterministische Vorherbestimmung sein kann, eher ließe sich von einem garant historischer Erkenntnis reden. Man könnte anders­ herum vielleicht so sagen: ohne eine solche instanz droht das historische geschehen nur zu einer sinnlosen Anhäufung einer Mannigfaltigkeit von Fakten zu werden. Wenn die providentia also keine deterministische Vorherbestimmung sein kann, sondern vielmehr das Thema der historischen Erkenntnis betrifft, so macht dies deutlich, dass es sich hierbei um eine retrospektive Anschauung handelt. Erst im retrospektiven Blick auf den Verlauf der geschichte fügen sich die einzelnen Handlungen zu einem geordneten ganzen, lässt sich eine ordnung erkennen. * in der gleichen Sektion über die Methode, von der soeben ausführlich ge­ brauch gemacht wurde um das vichianische Verständnis der Providentia bes­ ser zu erhellen, findet sich auch die folgende Ausführung:

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drucks ‚Tatsache‘ (im italienischen ‚fatto‘, Partizip von ‚fare‘, also etwas ‚gemach­ tes‘) auf den innerweltlichen Zusammenhang verweist, der durch die Beifügung des Wortes ‚historisch‘ noch stärker akzentuiert wird. Mit dieser Position ist eine klare Abwendung von der geschichtstheologie vollzogen, nach der das Wirken der Vorsehung immer als übernatürliches Wirken begriffen wird, und demzufolge Vorsehung als ein über der geschichte stehender Plan gottes anzusehen ist, der jeder möglichen Historisierung von vornherein enthoben ist.“ Nicht umsonst gemahnt die vichianische Konzeption der Providentia in vielem an die Hegelsche „List der Vernunft“ – ein Thema, das in der Sekundärliteratur im­ mer wieder aufgegriffen worden ist. Siehe dazu auch das der provvidenza gewidmete Kapitel in Paolo cristofolini: La Scienza nuova di Vico. introduzione alla lettura, Roma 1995, p. 66 sq. sowie idem: La Providence comme universel fantastique, in: Présence de Vico. Actes du colloque giambattista Vico aujourd’hui, ed. Riccardo Pineri, Montpellier 1996, p. 183–197.

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Quindi regna in questa Scienza questa spezie di pruove, che tali DoVETTERo , DEBBoNo , e DoVRANNo andare le cose delle Nazi­ oni, quali da questa Scienza son ragionate […]102 Daher herrscht in dieser Wissenschaft diese Art von Beweisen: dass solcherart der gang der Nationen seinen Verlauf nehmen musste, muss und wird müssen, wie es in dieser Wissenschaft bedacht worden ist. Die Trias von „dovette, deve, dovrà“ findet in der Scienza Nuova noch des öfteren Erwähnung und die Betrachtung der drei Zeitstufen verleiht dieser Neuen Wissenschaft eine Dimension, welche auf eine Reflexion über den ge­ schichtlichen Verlauf abzielt. Diese Trias verweist zugleich in ikonologischer Tradition auf die Prudentia. Die Nennung der drei Zeitstufen kann doch un­ missverständlich auf die Darstellung der dreigesichtigen Prudentia bezogen werden. Wie vor allem Erwin Panofsky herausgearbeitet hat, ist diese dreige­ sichtige Prudentia, als Symbolisierung der drei Zeitformen von gegenwart, Vergangenheit und Zukunft, zu verstehen.103 Der Zusammenhang mit der Prudentia lässt dabei deutlich werden, dass es nicht um eine bloße Nennung der drei Zeitstufen geht, sondern um deren Unterordnung unter einer moral­ philosophischen Devise. Denn es ist ja die Aufgabe der Prudentia als einer moralphilosophischen Tugend, aus der Betrachtung der Vergangenheit zu ler­ nen, um die gegenwart angemessen zu erkennen und daraus für die Zukunft richtig zu handeln. in diesem Sinne findet die Darstellung der dreigesichtigen Prudentia auch in der Emblemliteratur vielfach Verwendung. Als eines der zahlreichen Beispiele mag hier nur auf die emblemata des Johannes Sambu­ cus verwiesen werden, der auf die prägnante Bildformel des Triciput zurück­ greift, um zu zeigen, wie die Prudentia den Launen der Fortuna widerstehen könne. Die Subscriptio erläutert, dass prudens derjenige zu Recht genannt werde könne, der das gegenwärtige erblicke, das Künftige (vorher)sehe und des Vergangenen eingedenk sei: „QVi praesentia conspicit, Prae ventura videt, praeteriti est memor, Prudentem merito vocant“ (siehe Bild 10).104 102 103

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SN 1744, p. 124 (cpv. 348). cf. vor allem das erste Kapitel von Erwin Panofsky: Hercules am Scheidewege und andere Bildstoffe in der neueren Kunst, Leipzig / Berlin 1930 (Studien der Biblio­ thek Warburg XViii); Neuauflage mit einem Nachwort von Dieter Wuttke, Berlin 1997. Ein einschlägiges Beispiel für die Darstellung der dreigesichtigen Prudentia stellt ein Florentiner Relief des späten Quattrocento dar, welches heutzutage im Victoria and Albert Museum in London aufbewahrt wird und worauf Panofsky Bezug nimmt (siehe die dortige Abb. 4). Johannes Sambucus: Emblemata et aliquot nummi antiqui operis, Facsimile Repr. der 2. Aufl. Antwerpen 1566 mit einem Nachwort von Wolfgang Harms und Ulla­ Britta Kuechen, Hildesheim 2002 (Emblematisches cabinet), p. 217. Auch in der bereits zitierten iconologia des cesare Ripa heißt es von der Prudentia: „L’eccelen­

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Bild 10 Johannes Sambucus, emblemata et aliquot nummi antiqui operis, Altera editio, Antverpiae 1566 (p. 217)

Während die Emblematik eher zu moralphilosophischen Sentenzen neigt, geht es bei Vico gerade um die Möglichkeit historischer Erkenntnis. in der Scienza Nuova wird die Prudentia zwar nicht explizit im Zusammenhang mit der Reflexion auf die geschichte genannt. Allerdings ist im zeitgenös­ sischen Kontext vor allem in der Historiographie die Rede von der „Historia oculus Prudentiae“ durchaus ein fester Topos.105 So lässt sich für die zweite

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za di questa virtu, e tanto importante, che per essa si rammentano le cose passate, si ordinano le presente & si prevedono le future“ (c. Ripa, op. cit., p. 416). cf. dazu Marion Kintzinger: chronos und Historia. Studien zur Titelblattikono­ graphie historiographischer Werke vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, Wiesbaden

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Hälfte des XVii. Jh. eine enge Verbindung zwischen „Historia“ und „Pruden­ tia“ konstatieren, wobei letzere zu einem Leitbegriff innerhalb der Historio­ graphie avanciert. Wenngleich also die Prudentia innerhalb der Scienza Nuova wenig­ stens explizit keine so große Rolle zu spielen scheint, so finden sich doch wei­ tere Ausführungen zu diesem Thema in Vicos Frühwerk. insbesondere in sei­ ner Schrift über die Studienmethode De nostri temporis Studiorum Ratione gibt Vico eine Verteidigung der Prudentia gegenüber der Dominanz eines rein scientifistischen ideals. im siebenten Kapitel dieser Abhandlung führt Vico aus, dass es durchaus ein Mangel unserer Studien sei, wenn sie sich ausschließ­ lich auf die exakten Wissenschaften richten und derart die moralischen Lehren vernachlässigen. Somit wird die Prudentia, vor allem in praktisch­moralphi­ losophischer Hinsicht, durchaus zu einem Leitbegriff von Vicos pädagogischer Konzeption.106 in dieser Frühschrift nimmt allerdings die Thematik der geschichte noch nicht die zentrale Rolle ein, wie dies in den späteren reifen Werken Vicos der Fall sein wird. gleichwohl wird im zehnten Kapitel von De nostri tempo­ ris Studiorum Ratione die geschichte oder genauer die historia als einer je­ ner Hilfsmittel oder artes genannt, welche die Prudentia betreffen.107 Mit der humanistischen Konzeption der geschichte teilt Vico die Auffassung, dass die historia aus einer Ansammlung von exempla besteht. Die geschichte bietet also eine Reihe von lehrreichen Beispielen, welche der Prudentia als Anhalts­ punkte dienen. Die Begriffe von Providentia und Prudentia verhalten sich bei Vico durchaus komplementär; beide sind auf das Problem des geschichtlichen Ver­ laufs und seiner Erkenntnis gerichtet. Die Prudentia ist ohnehin mit dem

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1995 (Wolfenbütteler Forschungen 60), p. 138 sq. Wollte man die von Kintzinger (ibid. p. 160 sq.) in diversen Darstellungen untersuchte Ambivalenz der Zeitauffas­ sung, oder besser die Dualität einer durch Prudentia geläuterten Historia und eines zerstörerisch­zeitfressenden chronos wieder aufnehmen und in Analogie für die Deutung der vichianischen Dipintura fruchtbar machen, so lässt sich dieses Ver­ hältnis am ehesten auf dasjenige von Metaphysica und Homer übertragen. Die Metaphysica ist in der vichianischen Dipintura eine dynamische und zugleich läu­ ternde Person; Homer dagegen als alternde Statue, an der sich unübersehbar die Spuren der Verwitterung bemerkbar machen. cf. De nostri temporis Studiorum Ratione, Dissertatio a Joh. Baptista Vico, Neapo­ li 1709, p. 45 sq. (photomechanischer Nachdruck durch Marco Veneziani: De nostri temporis Studiorum Ratione di giambatista Vico, Prima redazione inedita dal ms. Xiii B 55 della Bibl. Naz. di Napoli, indici e ristampa anastatica dell’edizione Napoli 1709, Firenze 2000 (Lessico intellettuale Europeo LXXXii), p. 399 sq.); lat.­ dt. Ausgabe, ed. Walter F. otto, godesberg 1947 (repr. Darmstadt 1984), p. 58 sq. cf. De nostri temporis Studiorum Ratione, Neapoli 1709, p. 69 (ed. M. Veneziani, cit., p. 411; ed. W. F. otto, cit., p. 87).

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Konzept der Providentia auf verschiedene Weise verbunden.108 Der oben an­ geführte Passus aus der Scienza Nuova besagt ja, dass diese Sequenz von „do­ vette, deve, dovrà“ zugleich die pruova, also der Beweis sei für die storia idea­ le eterna, die sich unter dem Aspekt der provvedenza divina vollzieht (cf. SN cpv. 348–349), und in diesem Kontext ist die Beziehung von Prudentia und Providentia zu sehen. Allein es bleibt zu fragen, wie diese Aspekte sich zu der Darstellung der Metaphysik fügen. Um dieser Frage weiter nachzugehen, sei zunächst der Blickkreis nochmals um ein weiteres Moment erweitert: denn wenn man im Buch der Scienza Nuova blättert, so stößt man auf eine weitere figürliche Darstellung.

ig no t a l ateb at: d ie Vig ne t te au f de m Titelbl at t in der Ausgabe von 1744 folgt direkt auf den Kupferstich der Dipintura das Titelblatt (Bild 11), welches in Kapitalis den Titel trägt: PRiNciPJ Di SciEN­ ZA NUoVA Di giAMBATTiSTA Vico […]; zwischen diesem Titel und der Angabe des Druckortes iN NAPoLi MDccXLiV befindet sich eine Art Vig­ nette. in ihr erscheint eine Figur (Bild 12), die unschwer erneut als Metaphy­ sik zu identifizieren ist. in der Vignette sitzt sie auf einer Kugel und lehnt rechterhand an einem Kubus; es sind die gleichen Elemente von Quader und Kugel, die als Altar und globus im Frontispiz begegnen. in der Vignette hält die Dame Metaphysica in der linken Hand einen Spiegel, in der rechten ein Dreieck. Dabei fällt ihr Blick, das geflügelte Haupt leicht geneigt, in den Spie­ gel. Das Kreisrund des Spiegels in ihrer Linken und das Dreieck in der Rech­ ten – letzteres mag als Nachwirkung an die Tradition des die Weltkugel ver­ messenden Deus artifex gemahnen – nehmen die Formelemente des Symbols der Providentia Divina in der Dipintura, in welches das göttliche Auge einge­ schrieben ist, wieder auf.109 Während die Metaphysica im Frontispiz in eksta­ tischer Haltung auf dem globus balancierend ergriffen war, ruht sie hier in beschaulich­reflektierender Position hingelagert. Von der kontemplativen Ener­ gie verrät jedoch das „bewegte Beiwerk“ – um einen von Aby Warburg ge­ 108

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cf. dazu Alain Pons: Prudence and Providence: The Pratica della Scienza nuova and the Problem of Theory and Practice, in: giambattista Vico’s Science of Humanity, ed. giorgio Tagliacozzo / Donald Phillip Verene, Baltimore 1976, p. 423–448; idem: Vico: De la prudence à la providence, in: De la prudence des Anciens comparée à celle des Modernes, ed. André Tosel, Besançon 1995, nun leichter zugänglich in dem Sammelband ausgewählter Aufsätze in italienischer Übersetzung in Alain Pons: Da Vico a Michelet. Saggi 1968–1995, tr. Paola cattani, Pisa 2004, cap. iii. Mit diesen Elementen von Spiegel sowie Dreieck und Kugel erinnert die Darstel­ lung in der Vignette auch an die bereits erwähnte Beschreibung der „Scienza“, welche Ripa in seiner iconologia gibt (cf. supra p. 52).

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Bild 11

Titelblatt der Scienza Nuova, Napoli 1744

prägten Begriff wieder aufzunehmen – das bewegte Beiwerk des flatternden gewandes. Die Konfrontation von Frontispiz und Titelblatt zeigt also die Darstel­ lung der Metaphysica im changieren zwischen ekstatischer Ergriffenheit und nahezu melancholischer Versunkenheit. Zugleich bestätigt sich in diesem Zu­ sammenwirken von Dipintura und Vignette, dass die Metafisica letztlich für die Scienza Nuova selber einsteht, eine Voraussetzung, die bisher nur mehr oder minder unausgesprochen mitgeführt wurde. Der Kubus in der Vignette trägt die inschrift, die als Motto dient: igNoTA LATEBAT, „unerkannt ver­ borgen“. Diese inschrift verlangt ja nach einem weiblichen Subjekt: Die Scien­ za Nuova ist als eine metaphysische Wissenschaft bisher unerkannt verbor­

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gen geblieben. insofern darf die Figur der Metaphysik als Personifikation mit der Scienza Nuova ineins gesetzt werden. Mit dieser inschrift im Bilde wird diese Vignette nicht nur zu einer Art imprese des gesamten Buches,110 zu­ gleich fügt sich dieses Motto in den impetus des Neuen, den die Scienza Nuova ja bereits im Titel trägt. Die Darstellung in der Vignette bereichert das Verständnis der vichia­ nischen Scienza Nuova aber noch um einen weiteren Aspekt. Es wurde ja bereits die beschaulich­hingelagerte Position der Figur betont: Versunkenheit gewiss, doch zugleich auch konzentrierte Anwesenheit. Eine Anwesenheit, die durch den konzentrierten Blick in den Spiegel zum Ausdruck kommt. Mit diesem Blick in den Spiegel erinnert die weibliche Figur in der Vignette zu­ gleich an die Darstellungen der Prudentia. Selbstreflexion im Spiegel ist ja die

Bild 12 Vignette aus dem Titelblatt der Scienza Nuova, Napoli 1744

ihr typische Attitüde. So heißt es beispielsweise auch in der bereits mehrfach erwähnten iconologia des cesare Ripa in dem entsprechenden Abschnitt über die „Prudenza“, sie halte in der Linken den Spiegel, in welchen sie blicke und sich selbst kontempliere: „Nella sinistra terrà lo specchio, nel quale mirando, contempla se stessa“.111

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cf. dazu Mario Papini: ignota latebat. L’impresa negletta della Scienza Nuova, in: Bollettino del centro di Studi Vichiani, XiV–XV, 1984–1985, p. 179–214. cesare Ripa: op. cit., p. 417.

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Mit dem Motiv des Spiegels wird Selbstreflexion thematisch112 – doch geht es zugleich um etwas über eine bloße Selbstreflexion Hinausgehendes.113 Aus der bildlichen Darstellung sollte nicht nur ersichtlich werden, wie der vichianischen Metaphysik die Bedeutungsschattierungen von Fortuna, Provi­ dentia und Prudentia inhärent sind, sondern diese Darstellung verweist auf die Konstruktionsprinzipien der Scienza Nuova. Es ist hier wohl unerlässlich auf einen Passus der Scienza Nuova zu rekurrieren, der zu den bekanntesten und meistzitierten gehört, zu Beginn der dritten Sektion des ersten Buches, überschrieben von den Prinzipien. Dort heißt es: Doch in solch dichter Nacht voller Finsternis, mit der das früheste von uns so weitentfernte Altertum bedeckt ist, erscheint dies ewige Licht, das nicht untergeht, von jener Wahrheit, die auf keine Weise in Zweifel gezogen werden kann: dass diese gesellschaftlich­geschichtliche Welt (Mondo civile) gewiß von den Menschen gemacht worden ist, und da­ her können (denn sie müssen) ihre Prinzipien innerhalb der Modifika­ tionen unseres eigenen menschlichen geistes aufgefunden werden (ri­ truovare i Principj dentro le modificazioni della nostra medesima Mente umana). Dieser Umstand muss jeden der ihn bedenkt, mit Er­ staunen erfüllen: wie alle Philosophen voll Ernst sich bemüht haben, die Wissenschaft von der Welt der Natur zu erlangen, von der doch, weil gott sie geschaffen hat, er allein Wissenschaft (Scienza) haben kann; und wie sie vernachlässigt haben, […] die gesellschaftlich­ge­ schichtliche Welt zu erforschen, von der, weil die Menschen sie ge­ schaffen haben, die Menschen auch Wissenschaft erlangen können. Diese merkwürdige Erscheinung geht hervor aus der in den Prinzipien erwähnten Misere des menschlichen geistes, der versenkt und begra­ ben im Körper natürlicherweise dazu neigt, die körperlichen Dinge wahrzunehmen und einer sehr großen Anstrengung und Mühe be­ darf, um sich selbst zu begreifen – so wie das körperliche Auge zwar alle gegenstände außer sich sieht, aber des Spiegels bedarf, um sich selber zu erblicken.114 112

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Für eine weitere Beschäftigung mit der Spiegelmetaphorik sei auf die Arbeiten von Ralf Konersmann: Spiegel und Bild. Zur Metaphorik neuzeitlicher Subjektivität, Würzburg 1988, und Andrea Tagliapietra: La metafora dello specchio. Lineamenti per una storia simbolica, Milano 1991, verwiesen. Man mag sich an dieser Stelle nochmals an die Darstellung der Sapientia in Bovil­ lus’ Liber de Sapiente erinnern sowie ohnehin zwischen der ikonographie von Sa­ pientia und Prudentia große Affinitäten bestehen. SN 1744, p. 113–114 (cpv. 331): „Ma in tal densa notte di tenebre , ond’è coverta la prima da noi lontanissima Antichità , apparisce questo lume eterno , che non tra­ monta , di questa Verità, la quale non si può a patto alcuno chiamar’ in dubbio; che

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Hier ist so etwas wie Selbstreflexion als kulturphilosophisches Prinzip for­ muliert. Dieser Passus ist für die methodische Reflexion der Scienza Nuova von entscheidender Bedeutung und zählt daher auch zu den meistzitierten.115 Zum einen wird die Thematik des sogenannten Vico­Axioms exponiert, also der Zusammenhang von der gewißheit der Erkenntnis, die aus der gewißheit des Selbstgemachten resultiert. Diese selbstreflexive gedankenfigur der Wis­ sensbegründung wird von Vico in den Rahmen einer geistmetaphysik, einer „metafisica della mente“, gestellt. Zugleich wird bei dieser erkenntnistheore­ tischen grundlegung, ebenso wie in der Dipintura, erneut die Lichtmetapho­ rik bemüht. Der genannte Passus wird ja durch eine dramatische gegenüber­ stellung von Licht und Dunkel eingeführt.116 Wenn hier die „tenebre“, die Dunkelheit, die das Altertum bedecken, von einem Lichtstrahl durchbrochen wird, so kommt dabei eine Formulierung zur Anwendung, welche nahezu wortgleich auch in der Bildbeschreibung der Dipintura wiederkehrt. in der Spiegazione ist es wiederum die Unwissenheit der Menschen um ihre eigene Vorzeit, welche mit der Finsternis verglichen wird. Dies ist eben die Bedeu­ tung der Finsternis, welche das Bild im Hintergrund zeigt („le DENSE TENE­ BRE , LE QUALi LA DiPiNTURA SPiEgA NEL FoNDo“) und aus dieser Fin­ sternis treten die erkannten Dinge ans Licht hervor, und zwar mithilfe des Lichtstrahls, der von der göttlichen providentia zur Metaphysik und von die­

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questo Mondo civile egli certamente è stato fatto dagli uomini : onde se ne posso­ no, perchè se ne debbono , ritruovare i Principj dentro le modificazioni della no­ stra medesima Mente umana . Lo che a chiunque vi rifletta , dee recar maraviglia; come tutti i Filosofi seriosamente si studiarono di conseguire la Scienza di questo Mondo Naturale ; del quale , perchè iddio egli il fece , esso solo ne ha la Scienza ; e traccurarono di meditare su questo Mondo delle Nazioni , o sia Mondo civile ; del quale , perchè l’avevano fatto gli uomini , ne potevano conseguire la Scienza gli uomini : il quale stravagante effetto è provenuto da quella miseria , la qual’avver­ timmo nelle Degnità , della Mente Umana ; la quale restata immersa, e seppellita nel corpo , è naturalmente inchinata a sentire le cose del corpo , e dee usare troppo sforzo , e fatiga per intendere se medesima ; come l’occhio corporale , che vede tut­ ti gli obbjetti fuori di se , ed ha dello specchio bisogno , per vedere se stesso.“ Exemplarisch sei hier der Kommentar von Erich Auerbach: Sprachliche Beiträge zur Erklärung der Scienza Nuova von g. B. Vico (1958), in: idem, gesammelte Aufsätze zur romanischen Philologie, Bern / München 1967, p. 251 sq. erwähnt. So bemerkt E. Auerbach, art. cit., p. 253: „Nacht und Licht sind in ihrem bildhaften gegensatz breit entwickelt und scharf gegeneinandergestellt, aus der tiefsten Nacht steigt erlösend ein helles Licht empor, und die Ausmalung geschieht jedes­ mal durch erregte Pleonasmen; dichte Nacht von Schatten, erstes, von uns entfern­ testes Altertum, ewiges Licht, das nicht untergeht, Wahrheit, die man nicht in Zweifel ziehen kann – bei dem letzten kommt noch das zugleich apodiktische und beteuernde a patto alcuno, unter keinem Vorwand, für keinen Preis, und das Feierlich­Bildhafte des Ausdrucks chiamar in dubbio hinzu; und überall stehen an Stelle der Artikel die ausmalenden und hinweisenden Pronomina tal, questo, questa.“

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ser auf die Statue Homers sich reflektiert.117 Die gesamte Szenerie der Dipin­ tura ist ja in eine komplexe Lichtmetaphorik eingebunden, welches die Frage nach dem Verhältnis von Blick, Licht und Reflexion stellen lässt.

Bl ic k , L ic ht u nd Re f le x ion Es ist bemerkenswert, dass mit dem Terminus „Reflexion“ zunächst ein op­ tisches Phänomen zur Kennzeichnung eines gedanklichen Vorgangs herange­ zogen wird. Das Thema der Reflexion ist freilich ein für die Philosophie grundlegendes Problem.118 Es ist auf besonders augenfällige Weise auch in der vichianischen Dipintura präsent. Ein dominierendes Motiv der Dipintura ist der Lichtstrahl, der sich vom göttlichen Auge zur Metaphysik und von ihr bis zu den gegenständen des mondo civile erstreckt. Diese komplexe Lichtfüh­ rung gestaltet sich als eine Art Lichtgefüge, das durch Brechung und Reflexi­ on des Lichtstrahles zwischen dem göttlichen Auge der Providentia und dem Juwel auf der Brust der Metaphysica gekennzeichnet ist. in seiner Bilderklä­ rung führt Vico dazu aus: Der Lichtstrahl der göttlichen Vorsehung, der einen konvexen Edel­ stein beleuchtet, mit dem die Metaphysik ihre Brust schmückt, deutet das klare und reine Herz an, das hier die Metaphysik haben muss […] Überdies deutet er an, dass die Erkenntnis gottes nicht in der Meta­ physik enden soll, damit diese sich auf private Weise mit den geistigen Dingen erleuchte und somit nur ihre eigene moralische Haltung regle, wie es bisher die Philosophen getan haben; das hätte man nämlich mit einem flachen Edelstein angezeigt. Aber er ist konvex, so dass der Lichtstrahl sich bricht und nach außen ausstrahlt, damit die Metaphy­ sik gott erkenne, wie seine Vorsehung die öffentlichen moralischen Verhältnisse oder die politischen Sitten bestimmt, durch die die Völker auf die Welt gekommen sind und sich erhalten. iL RAggio DELLA DiViNA PRoVVEDENZA, cH’ ALLUMA UN gio­ JELLo coNVESSo, Di cHE ADoRNA iL PETTo LA METAFiSicA, di­

nota il cuor terso, e puro, che qui la Metafisica dev’avere […]. oltracciò dinota che la cognizione di Dio non termini in essolei ; perch’Ella pri­ vatamente s’illumini dell’ intellettuali , e quindi regoli le sue sole mo­ 117 118

cf. SN 1744, p. 7 (cpv. 7). Laut dem historischen Wörterbuch der Philosophie (vol. 8, p. 396) ist Reflexion „ein Terminus aus der optik, der erst spät in den philosophischen Sprachgebrauch eingeht als grundbegriff einer Hauptrichtung der neuzeitlichen Philosophie, die nur im Rückgang auf die menschliche geistestätigkeit eine gesicherte Erkenntnis gewährleistet sieht“.

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rali cose, siccome finor’ han fatto i Filosofi ; lo che si sarebbe significato con un giojello piano ; ma coNVESSo ; oVE iL RAggio Si RiFRAN­ gE, E RiSPARgE AL Di FUoRi ; perchè la Metafisica conosca Dio Prov­ vedente nelle cose morali pubbliche , o sia ne’ costumi civili , co’ quali sono provenute al Mondo, e si conservan le Nazioni.119 Das Thema der Reflexion ist somit auf augenfällige Weise in der Dipintura ins Bild gesetzt. gleichwohl ist in terminologischer Hinsicht der Begriff der „Re­ flexion“ bei Vico zumeist nicht in einem eminenten Sinne bestimmt. Das Lemma „riflessione“ und seine Derivate finden sich bei Vico vielmehr in einem eher weiteren Sinne von „Überlegung“, „Erwägung“ und „Denken“ im allge­ meinen.120 in der Bildbeschreibung spricht Vico davon, dass der Lichtstrahl sich reflektiere („riflette“), sich bricht („si rifrange“) und erneut nach außen ausstrahlt und sich ausstreut („risparge al di fuori“).121 Die vichianische Dipintura setzt solcherart ein komplexes Beziehungs­ gefüge ins Bild. Betrachten wir zunächst die einzelnen Elemente dieses Bezie­ hungsgefüges. Der Lichtstrahl nimmt von dem göttlichen Auge seinen Aus­ gangspunkt. Die Darstellung der göttlichen Vorsehung, der providentia divina, durch ein isoliertes Auge am Himmel ist zunächst durchaus konventionell und kann auf eine lange Tradition zurückblicken.122 Die Korrelation von gott und Auge ist als Topos bereits in der Antike präsent. Für eine derartige Sym­ bolik kann auf die ägyptische Hieroglyphe des Auges verwiesen werden;123 in diesem Sinne begegnet der Topos auch in der Renaissance unter anderem in Albertis berühmten Architekturtraktat, in dem es heißt: „Aegyptii signis utebantur hunc in modum. Nam oculo deum“.124 Bei einem anderen Zeitge­ nossen, dem Florentiner Neuplatoniker Marsilio Ficino, auf den sich Vico ja wie bereits erwähnt mehrfach bezieht, wird der göttliche geist (mens divina) als unendliches Auge bezeichnet; in seinem Hauptwerk, der theologia Plato­

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SN 1744, p. 4–5 (cpv. 5). cf. Marco Veneziani: g. Vico, Principj di Scienza Nuova d’intorno alla comune Natura delle Nazioni, concordanze e indici di frequenza dell’edizione Napoli 1744, Firenze 1997 (Lessico intellettuale Europeo LXXi), sub voce. in der Fassung von 1744 heißt es am soeben zitierten Passus, der Lichtstrahl er­ leuchte den Juwel („iL RAggio […] cH’ ALLUMA UN gioJELLo“), während in der Fassung von 1730 explizit das Moment der Reflexion angesprochen wird: „iL RAg­ gio […] cHE RiFLETTE iN UN gioJELLo“ (SN 1730, p. 7; ed. cristofolini, p. 29). cf. dazu die umfangreiche Studie von Waldemar Deonna: Le symbolisme de l’oeil, Paris 1965, insbes. p. 96 sq. Antike Belegstellen u.a. bei Plutarch: De iside et osiride, 10; Macrobius: Saturna­ lia, 1, 21, 12. Leon Battista Alberti: De re aedificatoria, Viii, iv, ed. giovanni orlandi / Paolo Portoghesi, Milano 1966, p. 697.

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nica, referiert er, da der göttliche geist unendlich sei, werde er füglich von den orphikern ein unendliches Auge genannt: „Quapropter divina mens cum sit infinita, merito nominatur ab orphicis apeiqom Æ olla Æ id est, oculus infi­ 125 nitus“. An anderer Stelle dieses Werkes entfaltet Ficino eine beziehungs­ reiche Lichtmetaphorik, die in einem gewissen Sinne durchaus die Darstel­ lung der vichianischen Dipintura präludiert. Ficino vergleicht hier die mens mit der Sonne, die ratio mit dem Licht der Sonne, das idolum mit dem Strahl dieses Lichtes sowie die Natur mit dem Reflex des Lichtstrahles. Der Passus lautet im original: „Mentem nostram soli cuidam nostro, rationem solis huius lumini, idolum luminis huius radio, naturam radii reflexioni, id est spendori et, ut rectius loquar, umbrae Platonici comparant“.126 Die hier angesprochene Lichtmetaphorik ermöglicht freilich vielfache Bezüge zur philosophischen Tradition, wofür ein Denker wie Marsilio Ficino mit der ausgeprägten Metaphysik des Sehens und des Lichtes einen präg­ nanten Anhaltspunkt darstellt, so wie die Lichtmetaphysik ja ohnehin insbe­ sondere in der Tradition des Platonismus eine bedeutsame Rolle spielt. Der Vergleich von Seh­ und Denkakt ist ja bereits bei Platon formuliert. in diesem Zusammenhang begegnet in der philosophischen Tradition auch immer die Rede vom „Auge des geistes“, oculus mentis. Exemplarisch sei wiederum eine Stelle aus Ficinos theologia platonica angeführt. im sechsten Kapitel des er­ sten Buches expliziert Ficino hier das Analogieverhältnis von geist und Seele und Auge und Körper in Verbindung zur Lichtmetaphorik. Das Auge stehe zum Körper, wie der geist zur Seele. Der geist (mens) kann folglich als Auge der Seele (animae oculus) bezeichnet werden. Andererseits besteht das gleiche Verhältnis wie das Licht der Sonne zum körperlichen Auge, so das Licht der Wahrheit zum Auge der Seele. Und so wie das Auge des Körpers nicht selbst Licht ist, sondern vielmehr die Fähigkeit, Licht wahrzunehmen, so ist der geist als Auge der Seele nicht selbst die Wahrheit, sondern ihm ist es gegeben, die Wahrheit zu verstehen. Der Passus lautet im original: Praeterea, quemadmodum se habet tuus oculus ad corpus tuum, sic tua mens ad animam tuam. Est enim mens tuae animae oculus. Rursus, quemadmodum se habet lumen solis ad oculum corporis, sic veritatis lumen ad animae oculum. itaque sicut oculus corporis non est lumen,

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cf. Marslius Ficinus: Theologia Platonica, ii, x (opera omnia, Basileae 1576, p. 105). Marsilius Ficinus: Theologia Platonica, Xiii, ii (opera omnia, Basileae 1576, p. 290). Bezeichnenderweise ist an dieser Stelle nicht mehr von der mens divina die Rede. in dieser Analogiebeziehung zur Sonne wird die mens, gleich ob göttlicher oder menschlicher Provenienz, geradezu austauschbar.

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sed virtus luminis capax, ita mens quae est oculus animae, non est ve­ ritas, licet capiat veritatem.127 Auf diese Tradition rekurriert auch Vico. Nicht nur, dass bei ihm auch die Rede von dem „occhio della mente“ anzutreffen ist; in einem der Axiome der Scienza Nuova bestimmt er in diesem Kontext auch die Funktion der Reflexi­ on. in der Degnità LXii heißt es: Der menschliche geist neigt durch die Sinne natürlicherweise dazu, sich selbst außen, im Körper, zu sehen und nur mit großen Schwierig­ keiten mittels der Reflexion sich selbst zu begreifen. Dieser grundsatz gibt uns das allgemeine Prinzip der Etymologie aller Sprachen, in denen die Wörter von den Körpern und den Eigenschaften der Körper übertragen werden, um die Dinge des geistes und des ge­ mütes zu bezeichnen. La mente umana è inchinata naturalmente co’ sensi a vedersi fuori nel corpo ; e con molta difficultà per mezzo della riflessione ad intendere se medesima. Questa Degnità ne dà l’ universal Principio d’ etimologia in tutte le Lingue ; nelle qual’ i vocaboli sono trasportati da’ corpi , e dalle propi­ età de’ corpi a significare le cose della mente , e dell’ animo.128 Dieser gedanke wird in dem bereits zitierten für die methodologische Refle­ xion zentralen Passus wieder aufgenommen, der vom verum­factum Prinzip handelt. Nachdem dort die mangelnde Einsicht in die selbstgeschaffene Ver­ faßtheit der kulturellen Welt exponiert wurde, fährt der Passus folgenderma­ ßen fort: Diese merkwürdige Erscheinung geht hervor aus dem in den grund­ sätzen erwähnten Mißgeschick des menschlichen geistes, der versenkt und begraben im Körper, natürlicherweise dazu neigt, die körperlichen Dinge wahrzunehmen und einer sehr großen Anstrengung und Mühe bedarf, um sich selbst zu begreifen – so wie das körperliche Auge, das alle gegenstände außer sich sieht und doch den Spiegel braucht, um sich selbst zu erblicken. il quale stravagante effetto è provenuto da quella miseria , la qual’av­ vertimmo nelle Degnità , della Mente Umana ; la quale restata immer­ sa, e seppellita nel corpo , è naturalmente inchinata a sentire le cose del 127 128

Marsilius Ficinus: Theologia Platonica, i, Vi (opera omnia, Basileae 1576, p. 90). SN 1744, p. 93 (cpv. 236–237).

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corpo , e dee usare troppo sforzo , e fatiga per intendere se medesima ; come l’ occhio corporale , che vede tutti gli obbjetti fuori di se , ed ha dello specchio bisogno , per vedere se stesso.129 Der hier genannte Konnex mit dem Spiegelmotiv wird uns noch sogleich nä­ her beschäftigen, zunächst sei dem Problem der Blickbeziehungen nochmals eingehender Aufmerksamkeit geschenkt. in der Dipintura schaut die Metaphysik ja zum göttlichen Auge auf, zugleich scheint es so, dass dieses göttliche Auge auf die Metaphysik und den mondo civile zurückblickt. Die Beziehung von Sehen und gesehen­werden ist somit berührt, doch wie die Darstellung zeigt, lässt sich diese Beziehung nur in einer dialektischen Relation entfalten. Bereits beim Symbol des göttlichen Auges der Providentia ist eine Ambivalenz feststellbar.130 Das Auge, das doch zum Sehen da ist, dem zuvörderst eigen ist, selbst zu sehen, ist als göttliches Auge der Providentia, dasjenige, das den Lichtstrahl aussendet, i.e. die Szene­ rie beleuchtet und somit sehen lässt. An diesem Punkt sei erneut auf die Aus­ führungen in Ficinos theologia platonica hingewiesen, bei denen der Begriff gottes durch das Moment des absoluten Sich­Selbst­Erfassens charakterisiert wird, eine charakterisierung die anhand der Lichtsymbolik expliziert wird. gott ist demgemäß Licht, das sich selber sieht und ein Sehen, welches sich selber leuchtet, gleichsam „ein sich selbst durchleuchtendes, als reines Licht sich selbst darstellendes Sehen; als eine derartige ‚visio sui ipsius‘ sieht gott in sich selbst zugleich alles“. Die Pasage lautet ausführlich im originalen Wort­ laut Ficinos: „Est enim deus perspicacissima veritas et veritissima perspicacia sive perspectio, lux seipsa videns, visus seipso lucens, intellectualis perspicaci­ ae luminisque fons, cuius lumine et cuius lumen dumtaxat mentis perspicacia perspicit.“131 Eine ähnliche Bestimmung dieser dialektischen Relation von Licht und Auge findet sich später auch bei giordano Bruno, der in einem sei­ ner Dialoge, dem Spaccio de la Bestia trionfante, folgendes von Sophia, der personifizierten Weisheit, über die höchste Form der providentia vortragen lässt: „et questa è l’istessa providenza, medesima è luce et occhio, occhio che è la luce istessa, luce che è l’occhio istesso“ („und dies ist die Vorsehung bei der

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SN 1744, p. 114 (cpv. 331). Zu diesen Ambivalenzen cf. auch Mario Papini: il geroglifico della storia, op. cit., p. 69 sq. Marsilius Ficinus: Theologia Platonica, i, vi (opera omnia, Basileae 1576, p. 90). Zu diesem Passus cf. auch die Paraphrase bei Werner Beierwaltes: Denken des Einen. Studien zur neuplatonischen Philosophie und ihrer Wirkungsgeschichte, Frank­ furt a. M. 1985, p. 220 sq., auf die wir hierbei zurückgegriffen haben.

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Licht und Auge dasselbe sind; ein Auge, welches sich selber Licht ist, ein Licht welches sich selber Auge ist“).132 Zu der hier thematisierten Wechselwirkung von Licht und Auge er­ hebt Ficino trefflich in seinem Platon­Kommentar die Frage: Welches Auge würde wohl durch den himmlischen Lichtstrahl nicht hellsehend? – „Quis enim celesti radio aspirante non acutissime videat?“133, und die somit evozier­ te Beziehung gemahnt nicht zuletzt an den vielzitierten plotinischen gedan­ ken vom sonnenhaften Auge, in dessen Nachwirkung ja noch goethes be­ kanntes Dictum aus seiner Farbenlehre steht: „Wär nicht das Auge sonnenhaft, / Wie könnten wir das Licht erblicken? / Lebt nicht in uns des gottes eigne Kraft, / Wie könnt uns göttliches entzücken?“134 Diese vielfältigen Konnotationen des Sehens und gesehen­werden bil­ den einen geistesgeschichtlichen Hintergrund, der auch für die vichianische Dipintura von Bedeutung ist. Für ein genaueres Verständnis der dargestellten Konstellation der Dipintura ist es freilich notwendig sich bewußt zu machen, dass es hier keineswegs um eine mystische Schau gottes geht. Die Darstellung der Dipintura mag zwar zunächst den Eindruck erwecken, als ob die Metaphy­ sik hier ganz einer Anschauung gottes im Sinne einer visio facialis ergeben ist. Ein solches direktes Erblicken des gottes von Angesicht zu Angesicht gilt bekanntlich in der religiösen Vorstellungswelt als ein außerordentliches Er­ eignis, das nur wenigen vorbehalten bleibt. Nicht aber um eine Erkenntnis

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giordano Bruno: Spaccio de la bestia trionfante, Parigi 1584, p. 77 (opere italiane. Ristampa anastatica delle cinquecentine, ed. Eugenio canone, Firenze 1999, iii, p. 957). cf. auch die neuere Ausgabe: opere italiane. Testi critici e nota filologica di giovanni Aquilecchia, introduzione e coordinamento generale di Nuccio ordine, Torino 2002, ii, p. 257. offen bleiben muss hier die Frage, ob Vico von diesem Pas­ sus direkte Kenntnis gehabt hat, aber der genannte Passus mag für eine weitrei­ chende Tradition philosophischer Spekulation einstehen und diese derart auf den Punkt bringen, dass sie sich trefflich zum Verständnis des auf der Dipintura darge­ stellten Beziehungsgefüge anwenden lässt. Zu der historiographisch difficilen Fra­ ge eines Einflusses des Nolaners auf Vico cf. zuletzt giuseppe cacciatore: Vico e Bruno, in: idem, giordano Bruno e noi. Momenti della sua fortuna fra ‘700 e ‘900, Salerno 2003, p. 31–49. Marsilius Ficinus: commentarium in convivium Platonis de Amore, ii 6, ed. Pierre Laurens, Paris 2002, p. 39. Hier zitiert nach goethes Werke, Hamburger Ausgabe, Xiii, p. 323. Diese Speku­ lationen goethes über die Entsprechung von innerem und äußerem Licht sind be­ kanntlich von Plotins Metapher des sonnenhaften Auges inspiriert (cf. Plotin: Enneaden i 6, 9, und den dortigen Schlusspassus dieser Schrift über die „Anglei­ chung“). Zu dieser Beziehung siehe auch die Studie von Bernhard Buschendorf: goethes mythische Denkform, Frankfurt a.M. 1986, p. 233.

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gottes oder einer Art mystischer unio Dei ist es hier getan. Statt von einer Schau von Angesicht zu Angesicht in der Beziehung zwischen Metaphysik und gött­ lichem Auge ließe sich vielmehr von einer spiegelhaften Relation sprechen. Sehen als metaphorischer Akt der Selbstreflexion ist in der Dipintura vor allem für die Metaphysik geltend zu machen. in seiner Autoexegese macht Vico deutlich, dass es um die Erkenntnis der Metaphysik geht. Die Spiegazio­ ne spricht ja ausdrücklich davon, dass die Metaphysik gott kontempliert, dass also sie die eigentlich „agierende“ in diesem Bilde ist. Selbsterkenntnis und Welterkenntnis sind derart bei der Metaphysik miteinander verwoben. Diese Erkenntnisanstrengung der Metaphysik zwischen den Polen von Selbsterkenntnis und Welterkenntnis mag nochmals deutlich werden, wenn wir in einer gedanklichen gegenüberstellung die beiden Darstellungen in der Dipintura einerseits und der Vignette auf dem Titelblatt andererseits mitei­ nander konfrontieren. Während in der Vignette die Metaphysica in das eigene Spiegelbild versunken scheint, haben wir in der Dipintura das ekstatische Aufblicken der Metaphysik zum göttlichen Auge der Providentia. in dieser gedanklichen gegenüberstellung von Versunkenheit in das Spiegelbild einer­ seits und der komplexen Licht­ und Blickbeziehung in der Dipintura anderer­ seits ist bei letztgenannter vor allem ein Moment auffällig: Erst dieses Auf­ blicken der Metaphysik zum göttlichen Auge scheint der Figur selbst Halt zu geben. Vico charakterisiert die Figur der Metaphysik in der Dipintura ja als in einem Akt ekstatischer Kontemplation begriffen. Diese auf dem globus in einem gleichgewichtsakt gleichsam balancierende Metaphysik soll daher, wie wir gesehen haben, als Substitution der Fortuna verstanden werden. Wesent­ lich ist doch dabei, die scheinbar so instabile Figur der Metaphysik als eine Figur des Überstiegs zu verstehen. Eine Überwindung oder ein Überstieg, der sich durch das sich erhebende Aufblicken der Metaphysica vollzieht. Und an­ gesichts der prekären Situation von gleichgewicht und Ekstase bewährt sich, was Edgar Wind in geradezu denkspruchartiger Verdichtung und Kürze sagte: dass Transzendenz der Ursprung von Balance sei.135 Diese spiegelhafte Relation, in der Selbsterkenntnis und Welterkennt­ nis verwoben sind, gestaltet sich also durch eine Art Lichtgefüge, das durch Brechung und Reflexion des Lichtstrahles zwischen dem göttlichen Auge der Providentia und dem Juwel auf der Brust der Metaphysica gekennzeichnet ist. Angesichts dieser Lichtmetaphorik mag hierbei noch ein weiterer gedanke angefügt werden, der sich in Vicos früher Methodenschrift, in seinem Liber Metaphysicus findet. Hier thematisiert Vico die Reziprozität von klarem 135

cf. Edgar Wind: Pagan Mysteries in the Renaissance, London 21968, dt. Ausgabe: Heidnische Mysterien in der Renaissance, Mit einem Nachwort von Bernhard Buschendorf, Frankfurt a. M. 1981, p. 117.

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Licht und opakem Körper. Die Klarheit des metaphysisch Wahren wird dabei mit derjenigen des Lichtes verglichen, das wir allerdings nur deshalb zu er­ kennen vermögen, weil es sich vom opaken absetzt.136 Das Licht ist also nicht an sich erkennbar, sondern nur in seiner Beziehung auf einen opaken gegen­ stand, mithin in seiner Reflexivität auf das opake. Wenn man diesen gedan­ ken der Reziprozität von klarem Licht und opakem Körper für die Exegese der Darstellung der Metaphysik anzuwenden und fruchtbar zu machen sucht, so fällt die besondere Stellung von Juwel und Spiegel auf. Juwel und Spiegel ste­ hen gerade auf der Schwelle dieser beiden Pole von klarem Licht und opakem Körper: sie absorbieren nicht das Licht, sondern reflektieren es, beide sind so­ mit Momente des Übergangs – und damit ist Reflexion des Lichtes gerade als Erkenntnismetapher angesprochen. An gleicher Stelle dieser Schrift führt Vico gegen das cartesianische Konzept des distinkten Erkennens, der cognitio distincta, weiter aus, dass diese als Mangel nur die grenzbestimmungen der Dinge zu erfassen vermag. „Der göttliche geist (mens divina) sieht die Dinge in dem sonnenklaren Licht sei­ ner Wahrheit, d. h., im Akt des Erkennens eines bestimmten Dinges erkennt er zugleich dessen Zusammenhang mit unendlich vielen anderen Dingen. Der menschliche geist, wenn er distinkt erkennt (cum distincte rem cognoscit), sieht die Dinge gleichsam im Schatten der Nacht im Lichtkreis einer Laterne, und während er sie sieht, verliert er alles Umliegende aus seinem gesichts­ kreis.“137 Es kommt also gerade darauf an, wie Vico in dieser Konfrontation von göttlichem und menschlichem Erkennen verdeutlicht, die Zusammen­ hänge zu sehen.138 Bei dem Beziehungsgefüge in der Dipintura aus beobachtender Meta­ physik, Providentia divina und der historischen Bühne mit den Hieroglyphen des mondo civile, das durch die Blickbeziehungen zusammengehalten wird, ist die Metaphysik die eigentliche Protagonistin. Der Text der vichianischen Spiegazione wagt sich hier zu einem eigenen Verhältnis vor, das auch in den bisherigen interpretationen und Übersetzungen nicht in der nötigen Schärfe gesehen worden ist. Es ist explizit die Metaphysica, die in gott die Welt des menschlichen geistes kontempliert („contempla in Dio il Mondo delle menti umane“), um im Lichte der Provvedenza den mondo civile, die gesellschaft­ lich­geschichtliche Welt zu sehen. Lesen wir daher hier nochmals in extenso diesen komplexen Satz:

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Liber Metaphysicus, iV, ii. (LM p. 83 sq.). LM, p. 87 Für das Problem des Denkens der Übergänge mag auf die Arbeit von Attila Fáj: Vico, il filosofo della metabasi, in: Rivista critica di storia della filosofia, XXXi, 1976, p. 251–278, verwiesen werden.

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3. elemente Der DIpIntura

Das leuchtende Dreieck mit dem großen schauenden Auge, das ist gott mit dem Blick seiner Vorsehung, hinsichtlich dessen ihn die Metaphy­ sik betrachtet in ekstatischer Haltung über die ordnung der natür­ lichen Dinge hinweg; (eben die ordnung der natürlichen Dinge) um deren willen die Philosophen ihn bisher betrachtet haben: denn in die­ sem Werk hebt sie sich höher empor und betrachtet in gott die Welt des menschlichen geistes, welche die metaphysische Welt ist, um seine Vorsehung zu erweisen in der Welt des menschlichen Willens, welches die gesellschaftlich­geschichtliche Welt ist, und diese besteht, wie aus ihren Elementen, aus all jenen Dingen, die das Bild hier mit denjenigen Hieroglyphen darstellt, die es unten zur Schau stellt. iL TRiANgoLo LUMiNoSo coN iVi DENTRo UN gRAND’ occHio VEggENTE, egli è iddio con l’aspetto della sua Provvedenza; per lo qual’aspetto LA METAFiSicA iN ATTo Di ESTATicA iL coNTEMPLA

sopra l’ordine delle cose naturali, per lo quale fin’ora l’hanno contem­ plato i Filosofi: perché ella in quest’opera, più in suso innalzandosi, contempla in Dio il Mondo delle menti umane, ch’è il Mondo Meta­ fisico, per dimostrarne la Provvedenza nel Mondo degli animi umani nella loro società della vita, ch’è ‘l Mondo civile, o sia il Mondo delle Nazioni: il qual Mondo è formato, e costa, come da suoi elementi, da tutte quelle cose, le quali la DiPiNTURA qui rappresenta co’ gERogLi­ Fici, che spone in mostra al di sotto.139 Es ist also die Metaphysik, die den Ausgangspunkt des Blickes ausmacht; das göttliche Auge fungiert gleichsam spiegelhaft. Das leuchtende Dreieck mit dem göttlichen Auge der Vorsehung ist zwar die Lichtquelle, Ausgangspunkt des Blickes ist jedoch die Metaphysica selbst. Bei Vico ist wörtlich zu nehmen, dass die Metaphysik die Dinge des mondo civile, der gesellschaftlich­ge­ schichtlichen Welt, im Lichte der göttlichen Vorsehung betrachte. Was bedeutet es aber, die Metaphysik als wahren Ausgangspunkt des Blickes und damit letztlich als eigentliches agens der ganzen Szenerie zu er­ kennen? in dieser Blick­ und Lichtführung, mit dem sich auf der Brust der Metaphysik brechenden Lichtstrahl, der auf die cose civili fällt, wird das Prin­ zip der vichianischen Kulturphilosophie par excellence sinnfällig gemacht. Anfangs wurde bereits erwähnt, wie Vico in diesem Werk darauf insistiert, dass die Metaphysik hier den mondo civile, die Welt des menschlichen geistes und damit die gesellschaftlich­geschichtliche Welt betrachte und nicht, wie es bisher die Philosophen getan hätten, die Welt nur in der natürlichen ord­ nung. Die Metaphysik beschaut sich in der Dipintura ja gerade nicht narzisti­ 139

SN 1730, p. 2–3 (ed. cristofolini, p. 27); SN 1744, p. 1–2 (cpv. 2).

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I. DIe „IDea Dell’Opera“ als exOrDIum Der Scienza nuova

scherweise nur sich selbst, ist somit im vichianischen Verständnis gerade kei­ ne solipsistische Rückzugsbewegung, die, cartesianisch gesprochen, einen festen Halt und Punkt lediglich in einem leeren und abstrakten cogito zu fin­ den hofft und damit die Mannigfaltigkeit der Dinge als bloße res extensa aus der abstrakten Leere eines derart konzipierten geistes auszuschließen droht. Vielmehr ist ihr, der vichianischen Metaphysik, eine Zuwendung, ein Aus­ greifen auf die dingliche Fülle des mondo civile eigen. Das, was Vico also hier zu denken versucht, ist eine Metaphysik, wel­ che gerade in der Lage ist, der Fülle der geschichtlichen Welt gerecht zu wer­ den. Man könnte stichwortartig resümieren: statt Abstraktion vielmehr ein Ausgreifen auf die Fülle der geschichtlichen Welt. Diese Fülle, copia rerum, kommt in der Dipintura durch die Vielzahl der ausgestreuten gegenstände zur Darstellung. Sie sind die Elemente, aus denen diese geschichtliche Welt gebildet ist. Vom mondo civile schreibt Vico in der Spiegazione: „il quale, come da suoi elementi è formato da tutte quelle cose, le quali la DiPiNTURA qui rappresenta co’ gERogLiFici, che spone in mostra al di sotto“. Dieser Vielzahl ausgestreuter Dinge im Vordergrund des Bildes wid­ met Vico in seiner Bilderklärung eine eigene Erzählung, eine Art Ursprungs­ erzählung der Kultur. in dieser Zivilisationserzählung erweist sich Vico sel­ ber als ein Allegoriker, so dass zunächst dieses Moment einer allegorischen Verfahrensweise innerhalb der Scienza Nuova bedacht werden soll.

II. ALLEGOr IE U N D POET ISCHE LOGIK

1. D ie v ic h ia n isc he Theor ie ei ner „L og ic a p o e t ic a“ u nd i h re Corol la r ien Ein wesentlicher Part der Scienza Nuova ist dem Konzept einer poetischen Logik gewidmet, namentlich das zweite Buch, das an die hundertsiebzig Seiten in der Ausgabe von 1730, respektive zweihundertfünfzig Seiten in der Ausgabe von 1744 ausmacht. Es kann als das eigentliche Herzstück des Werkes angesehen werden. Bereits in der „Idea dell’Opera“ hatte Vico als den Hauptschlüssel seiner neuen Wissenschaft die Entdeckung des „poetischen Charakters“ gekennzeichnet. In dieser einleitenden Erläuterung legt Vico eines der zentralen Prinzipien dar, auf denen seine neue Wissenschaft beruht und betont zugleich, wieviel Mühe ihm diese Entdeckung gekostet habe: Principio di tal’Origini , e di Lingue , e di Lettere si truova essere stato , ch’ i primi popoli dell Gentilità per una dimostrata necessità di natura furono Poeti; i quali parlarono per Caratteri Poetici : la qual Discoverta , ch’è la chiave maestra di questa Scienza , ci ha costo la Ricerca ostinata di quasi tutta la nostra Vita Letteraria ;1 Als Prinzip dieser Ursprünge sowohl der Sprachen als auch der Buchstaben stellt sich der Umstand heraus, dass die ersten Völker des Heidentums aufgrund einer nachgewiesenen Naturnotwendigkeit Poeten waren, die in poetischen Charakteren sprachen; diese Entdeckung, die der Hauptschlüssel zur vorliegenden Wissenschaft ist, hat uns die beharrliche Forschungsarbeit fast unseres ganzen Gelehrtenlebens gekostet. 1

SN 1744, p. 29 (cpv. 34). Cf. den entsprechenden Passus in SN 1730, p. 70–71 (ed. Cristofolini, p. 50).

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II. AllegorIe und poetIsche logIk

Der hier so nachdrücklich eingeführte Begriff des „poetischen Charakters“ wird dann im folgenden von Vico noch mehrfach mit verschiedenen Formulierungen umschrieben. Unmittelbar an den zitierten Passus anknüpfend heißt es, diese Charaktere seien gewisse phantastische Gattungsbegriffe, oder Bilder, größtenteils von belebten Substanzen („Tali Caratteri si truovano essere stati certi Generi Fantastici, ovvero Immagini per lo più di sostanze ani­ mate“). An anderer Stelle spricht Vico von „universali fantastici“.2 Im Deutschen wäre wohl die Bezeichnung „phantasiegeschaffene Allgemeinbegriffe“ angemessen, insofern somit die wesentlichen Funktionen bezeichnet sind, nämlich dass es sich hierbei um Produkte der Phantasie oder Einbildungskraft handelt, die zugleich als Gattungsbegriffe fungieren. Diese Theorie der poetischen Charaktere oder phantasiegeschaffenen Allgemeinbegriffe hat in der bisherigen Forschung große Aufmerksamkeit erfahren. Insbesondere Donald Phillip Verene hat in seiner Studie über Vicos Wissenschaft der Imagination das Konzept des phantasiegeschaffenen Allgemeinbegriffs oder der imaginativen Universalien ins Zentrum der Interpretation des vichianischen Denkens gestellt.3 Für unseren Kontext ist interessant anzumerken, dass die poetischen Charaktere von Vico explizit als Bilder (Im­ magini) bezeichnet werden.4 „Die poetischen Charaktere des Anfangs sind also ganz eindeutig visuell-haptische Gebilde;“ – so betont jüngst nochmals Jürgen Trabant – „der Anfang der Semiosis ist ein ophthalmo-chiro-zentrisches Geschehen, etwas das mit Auge und Hand zu tun hat“.5 2 3

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Über das Prinzip der poetischen Charaktere wird im Axiom XLIX der Scienza Nuova gehandelt (SN 1744, p. 89, cpv. 209). Donald Phillip Verene: Vico’s Science of Imagination, Ithaca 1981; dt. Ausg.: Vicos Wissenschaft der Imagination, München 1987 (Humanistische Bibliothek I: 44), hier insbesondere das dritte Kapitel. Aus der umfangreichen und nahezu unüberschaubaren Literatur zum Thema sei hier wenigstens noch erwähnt: Günter Wohlfart: Denken der Sprache. Sprache und Kunst bei Vico, Hamann, Humboldt und Hegel, Freiburg / München 1984, p. 96 sq.; Jürgen Trabant: Neue Wissenschaft von alten Zeichen: Vicos Sematologie, Frankfurt a. M. 1994, passim; sowie die im zweiten Teil versammelten Beiträge des Berliner Vico-Kolloquiums, organisiert und herausgegeben von Jürgen Trabant: Vico und die Zeichen / Vico e i segni, Tübingen 1995. So in dem eingangs zitiertem Abschnitt 34 der Scienza Nuova. Verene bemerkt dazu: „Da das imaginative Universale letztlich eine Theorie des Bildes und keine Begriffstheorie in irgendeinem traditionellen Sinne beinhaltet, verursacht es einer philosophischen Standardinterpretation erhebliche Schwierigkeiten“ (op. cit. p. 60). Jürgen Trabant: Neue Wissenschaft von alten Zeichen: Vicos Sematologie, Frankfurt a. M. 1994, p. 49. Cf. auch ibid. p. 51: „Zum ‚graphischen‘ Wesen der poetischen Charaktere steht auch nicht im Widerspruch, daß Vico die Materialität der ersten Zeichen zunächst ganz zurückzunehmen scheint. Wenn Vico die poetischen Charaktere als ‚mentale‘ Größen bestimmt („nacque mentale“, 401), als ‚Ideen‘, ‚Formen‘, ‚Modelle‘ (429), so scheint dies jede Materialität zu negieren. Doch auch

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1. „logIcA poetIcA“ und Ihre corollArIen

Die anfängliche poetische redeweise („locuzione poetica“) ist durch eine besondere Bildhaftigkeit ausgezeichnet. Vico unterstreicht an mehreren Stellen der Scienza Nuova, dass diese „locuzione poetica“ mit Bildern, Ähnlichkeiten und Gleichnissen verfahre.6 Nicht zuletzt diese Prominenz der Theorie der poetischen Charaktere innerhalb von Vicos Werk mag die bisherigen Interpreten dazu veranlasst oder verleitet haben, diese unmittelbar mit der Deutung der Dipintura in Verbindung zu bringen. Exemplarisch mag hier der Aufsatz von Margherita Frankel über die Bedeutung der Dipintura innerhalb der Struktur der Scienza Nuova angeführt werden, in dem die Autorin die These vertritt, Vico habe mit dem Bild den Denkmechanismus der primitiven Menschen sowie die Abfolge der drei Sprachstufen gleichsam werkimmanent nochmals zu reproduzieren versucht.7 Der Einsatz des Bildes in der Scienza Nuova wäre demgemäß vor allem aus einer mimetischen Anstrengung erwachsen, die verschiedenen Kulturstufen nochmals im Aufbau des Werkes wiederzuspiegeln. Dagegen ist jedoch zu bedenken, dass von einer solch mimetischen Intention nicht nur Vico explizit nichts erwähnt, sondern dergleichen vielmehr seinen hermeneutischen Grundsätzen entgegenzustehen scheint.8 Die Ausführungen Vicos über die poetischen Charaktere und die damit verbundene Phantasie beziehen sich hingegen auf die Frühzeit der menschlichen Geschichte, ihnen sind also gleichsam ein historischer Index eigen. Vico betont ausdrücklich, dass es für uns Heutige, mit unserer entwickelteren rationalität, in der Tat unmöglich sei, sich in die archaische Mentalität hineinzuversetzen oder diese nachzufühlen, und nur mit großer Anstrengung ein Verstehen gelinge: „affatto impossibile immaginare, e a gran pena ci è permesso d’intendere“.9 In dieser Differenz von „immaginare“ und „intendere“ ist methodisch bereits eine Hermeneutik der historischen Dis-

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die ‚Ideen‘ sind insofern visuelle Größen, als sie innere Bilder sind – gr. eidos ist das Sehen, eidea ist zuvörderst die sichtbare Erscheinung (etymologisch mit lat. videre ‚sehen‘ verbunden) – beziehungsweise ‚Zeichnungen des Geistes‘, wie die Formel ‚ritratti ideali‘ (209) deutlich zum Ausdruck bringt.“ So etwa im Axiom LVII (cpv. 227): „la locuzion poetica per immagini, somiglianze, comparazioni“; cf. ebenso cpv. 438 und 832. Cf. Margherita Frankel: The Dipintura and the Structure of Vico’s New Science as a Mirror of the World, in: Vico: Past and Present, ed. Giorgio Tagliacozzo, Atlantic Highlands, N.J. 1981, vol. I, p. 43–51, hier heißt es beispielsweise, Vico benutze das Bild, „to duplicate in his own work the mechanism of thought and communication as it arose in primitive man and then evolved in subsequent ages. […] one of Vico’s purposes in adopting the dipintura was to reproduce these three languages in the introductory part of his work“ (p. 49). Zur Kritik an der von Frankel vorgetragenen Interpretation cf. vor allem Mario Papini: Il geroglifico della storia, op. cit., p. 64 sq. Diese Formulierung begegnet mehrfach in der Scienza Nuova; cf. SN 1744, cpv. 34, 338, 378, 399, 700.

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II. AllegorIe und poetIsche logIk

tanz angelegt. Offenbar hat das historische Verstehen für Vico weniger mit Einfühlung zu tun als es Aufgabe der historischen rekonstruktion ist.10 Historische Erkenntnis ist somit Teil eines konstruktiven Verfahrens und innerhalb einer solchen Methode der rekonstruktion ist für eine Einfühlungstheorie kaum Platz. Konkret gesprochen bedeutet dies für unser angedeutetes Problem: Diese ursprüngliche Kraft der Phantasie, eben das was Vico mitunter die „robustissima fantasia“ nennt, scheint eher den primitiven Menschen der Frühzeit vorbehalten und keineswegs so einfach auf heutige Zeiten übertragbar. Mithin scheint Vicos Theorie durch einen Antagonismus von Phantasie und rationalität geprägt, dergestalt dass in der Entwicklung der Menschheitsgeschichte eine zunehmende reflexivität einer nachlassenden Phantasie gegenübersteht. Ein solcher Antagonismus kommt exemplarisch im Axiom XXXVI der Scienza Nuova zum Ausdruck, an dem es heißt: „Die Phantasie ist um so kräftiger, je schwächer das Denkvemögen ist.“11 Vor diesem Hintergrund erscheint eine Interpretation der Dipintura als gleichsam poetischer Charakter der Scienza Nuova höchst problematisch. Entgegen den Versuchen, Vicos Insistenz auf der Bedeutungshaftigkeit der Dipintura mithilfe seiner Theorie des poetischen Charakters zu erklären, soll hier vielmehr der Versuch unternommen werden, in der Bild-Auslegung Vicos ein allegorisches Verfahren zu erkennen. Es dürfte jedenfalls deutlich sein, dass diese für uns Heutige nur schwerlich nachempfindbaren Phantasievorstellungen einer archaischen Mentalität kaum für die von Vico intendierte Deutung des Frontispizes von Belang sein dürfte, insofern letztere doch gerade mit der „Idee des Werkes“ zusammenhängt und damit Gegenstand elaborierter reflexionen bildet.12 Es stellt sich an diesem Punkte für den Interpreten die Aufgabe, diver10

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Dieses Verfahren historischer rekonstruktion umschreibt Vico in einem quasi archäologischen Sinne auch als ein Hinabsteigen, ein „discendere“. In dem Abschnitt über die Methode heißt es, um die Art und Weise („guisa“) des frühen menschlichen Denkens zu ermitteln, müsse man von unseren menschlich gesitteten Naturen zu jenen völlig wilden und ungeheuren hinabsteigen („discendere“), um sodann mit der soeben zitierten Wendung fortzufahren, dass „uns dies vorzustellen versagt ist und zu verstehen nur mit großer Mühe gelingen mag“. Cf. SN 1744, cpv. 338. SN 1744, p. 85 (cpv. 185): „XXXVI. La Fantasia tanto è più robusta, quanto è più debole il raziocinio.“ In der ersten Scienza Nuova von 1725 führt Vico dazu aus: „Finalmente il niuno, o poco uso del raziocinio, porta robustezza de’ sensi; la robustezza de’ sensi porta vivezza di fantasia; la vivida fantasia è l’ottima Dipintrice delle immagini, che imprimono gli oggetti ne’ sensi“ (SN 1725, p. 155 [cpv. 252]). Ähnlich hieß es zum Verhältnis von Philosophie und Poesie bereits im De constan­ tia iurisprudentis, II, cap. XII, xviii: „Philosophia invalescente, poesis infirmior“ (Giambattista Vico: Opere giuridiche, ed. Paolo Cristofolini, Firenze 1974, p. 465). Hinsichtlich der hier zur Frage stehenden Diskussion bemerkt auch trefflich Mario Papini: Il geroglifico della storia, op. cit., p. 65: „è evidente che la dipintura non può

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1. „logIcA poetIcA“ und Ihre corollArIen

gierende Bildkonzepte ausdifferenzieren zu müssen, eine Aufgabe, die sich um so schwieriger gestaltet, als hierbei kaum auf explizite Ausführungen Vicos zurückgegriffen werden kann.13 Während der poetische Charakter als die für die Frühzeit kennzeichnende Bildlichkeit ganz Ausdrucksfunktion ist, führt dagegen die elaborierte Bild-Text-Beziehung, wie sie sich im Verhältnis von der Dipintura zur Spiegazione zu Beginn der Scienza Nuova darstellt, auf ein Bildkonzept, dem es gerade um die Intelligibilität des Bildlichen geht. Daher ist es entscheidend einzusehen, dass die allegorische Methode, mit der Vico bei der Auslegung der Dipintura verfährt, nicht einfach auf dem gleichen Niveau der „sapienza poetica“ anzusetzen ist. Wenn den Ausführungen Vicos, wie gesehen, ein historischer Index eigen ist, so bedeutet dies freilich nicht, dass sich das Verhältnis von rationalität und Phantasie schlichtweg in eine geschichtsphilosophische Dichotomie überführen lässt. Die Scienza Nuova präsentiert mit ihrer „storia ideale eterna“ eine Beschreibung der Entwicklung der menschlichen Kultur, die sich nach scheinbar immer gleichen Strukturen abspielt, und insofern nimmt eine reflexion über die Geschichtlichkeit der kulturellen Welt eine zentrale rolle im Werk Vicos ein, allerdings sollte das vichianische Kulturmodell dabei keineswegs als schlichte Abfolge sich einander ablösender Stufen gedacht werden. Das kann exemplarisch an Vicos Sprachtheorie verdeutlicht werden. So ist in der bisherigen Forschung bereits bemerkt worden, dass Vico zwar einerseits ein Modell der drei Sprachstufen von göttlicher, heroischer und menschlicher Sprache einführt und damit eine chronologische Sukzession nahezulegen scheint, andererseits aber, wenn er konkret auf die Genese der Sprache zu sprechen kommt, die Perspektive zu ändern scheint.14 Es erhebt sich hierbei das Problem, wie sich die Betrachtung einer historisch-zeitlichen Sukzession zu einer funktional-genetischen Perspektive verhält.15

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aver lo scopo di portarci di fronte, noi esseri della ‚ragione spiegata‘, a un’incomprensibile reviviscenza di una remota età sepolta: un tentativo del genere, oltreché impossibile in sé, si rivelerebbe anche asurdo, dal momento che l’età della ragione spiegata (e dunque la nostra mente) non avrebbe alcuna possibilità di entrare in sintonia con un tipo di linguaggio oramai assolutamente inafferrabile. Inoltre, non si vede perché il Vico abbia affidato il nucleo fondamentale della sua dottrina al linguaggio tipico di una arcaica ‚ignoranza di cagioni‘.“ Dazu bemerkte bereits Franco Lanza: Saggi di poetica vichiana, Varese 1961, p. 89: „La compresenza nella Dipintura di due segni analoghi di opposta genesi conferma quanto poco il Vico curasse di dissipare gli equivoci di certe omonimie, imponendo poi agli interpreti la fatica di scioglierli.“ Cf. dazu vor allem Gianfranco Cantelli: Mente corpo linguaggio. Saggio sull’interpretazione vichiana del mito, Firenze 1986, p. 99. Dieses Problem ist auf nachhaltige Weise aufgeworfen worden in der Abhandlung von Antonino Pagliaro: La dottrina linguistica di G. B. Vico, in: Atti della Accademia Nazionale dei Lincei. Memorie. Classe di Scienze morali, storiche e filologiche,

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II. AllegorIe und poetIsche logIk

Entscheidend dürfte für den Ansatzpunkt Vicos sein, dass er bei einer Betrachtung des Geistesvermögens ansetzt. Mehrfach wird in der Scienza Nuova sowohl die Poesie als „facultà“ benannt,16 wie auch generell von den Geistesvermögen, „le facultà della mente“, gesprochen wird.17 Im Laufe der Menschheitsgeschichte dominieren zu diversen Zeiten jeweils unterschiedliche Vermögen. Während in der Frühzeit die affektgeladene Phantasie besonders mächtig ist, prägt sich im Laufe der Zeit die Fähigkeit zum abstrakten Denken immer mehr aus. Gleichwohl ist es immer ein Komplex diverser Momente dieser facultates, die zusammenwirken. Die Geistesvermögen sind daher sowohl diachronisch als auch synchronisch zu betrachten. Insofern ließe sich von einer andauernden Wirkung des poetischen Geistesvermögens auch in moderner Zeit sprechen. Und dieses Problem, wie das Spätere zum Früheren sich verhält, veranschaulicht Vico mithilfe der Metapher des Flusses. Für den Übergang von der poetischen redeweise der Frühzeit zur „volgar favella“, der prosaischen rede, hält die Scienza Nuova das Bild vom Süßwasser führenden Fluss, der sich ins Salzmeer ergießt, bereit.18 Der Fluss ist dabei nicht nur schlechthin Metapher der poiesis, sondern wie Donatella Di Cesare in einem neueren Beitrag treffend bemerkt,19 ist bereits in der Metapher von Fluss und Meer die Beständigkeit des Poetischen in der gemeinen Sprache angelegt. Die Metaphorik des Fließens, welcher sich Vico bedient, ist insofern bezeichnend, als es auf die Notwendigkeit verweist, die Übergänge zu denken.20 Die schwierige Frage nach dem Verhältnis von Poesie und Wissenschaft bei Vico wäre daher jedenfalls unzureichend beantwortet, würde man beide als unvermit-

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anno CCCLVI, serie VIII, volume VIII, fascicolo 6, 1959, p. 379–486. Zu dieser Diskussion siehe auch die zusammenfassenden Bemerkungen bei Jürgen Trabant: Neue Wissenschaft von alten Zeichen: Vicos Sematologie, Frankfurt a. M. 1994, cap. 3.1 „Sematogenese oder Semiose?“, p. 60 sq. Cf. SN 1744, p. 90 (cpv. 213): „In ogni Facultà uomini, i quali non vi hanno la na­ tura, vi riescono con ostinato studio dell’ arte : ma in Poesia è affatto niegato di riuscire con l’ arte, chiunque non v’ ha la natura.“; ibid. p. 138 (cpv. 375): „Questa fu la loro propia Poesia, la qual’ in essi fu una Facultà loro connaturale […]“; ibid. p. 395 (cpv. 821): „la Facultà Poetica dev’ immergere tutta la mente ne’ sensi ; […] la Facultà Poetica deve profondarsi dentro i particolari.“ Cf. e.g. SN 1744, p. 154 (cpv. 402); p. 158 (cpv. 407); p. 334 (cpv. 694); p. 394 (cpv. 819). Cf. SN 1744, p. 160 (cpv. 412): „La Favella Poetica , com’ abbiamo in forza di questa Logica Poetica meditato , scorse per così lungo tratto dentro il Tempo Istorico , come i grandi rapidi Fiumi si spargono molto dentro il mare , e serbano dolci l’ acque portatevi con la violenza del corso“. Cf. Donatella Di Cesare: I fiumi e il mare. La lingua poetica e i parlari volgari, in: Pensar para el nuevo siglo. Giambattista Vico y la cultura europea, ed. Emilio Hidalgo-Serna et al., Napoli 2001, vol. I, p. 137–153. Zu dieser Metaphorik cf. Paolo Cristofolini: La metafora del fiume e la metafisica, in: Studi sul De antiquissima Italorum sapientia di Vico, ed. Giovanni Matteucci, Macerata 2002, p. 13–19.

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1. „logIcA poetIcA“ und Ihre corollArIen

telbare Antagonismen setzen. Das Verhältnis von rationalität und Poesie ist durchaus kein einfaches sondern ein komplexes.21 Aus der Perspektive einer entwickelten rationalität – Vico spricht des öfteren von einer „ragion’ umana tutta spiegata“ – sind die wilden und lebhaften Phantasievorstellungen einer „robustissima fantasia“, wie sie die Frühzeit kennzeichnet, unwiederbringlich verloren, dennoch bewahrt sich die Kraft des Poetischen, so dass die „Evidenz poetischer Bilder“22 auch in Zeiten einer entwickelteren rationalität in Anspruch genommen werden kann. Andererseits ist es so, dass ein rationalismus, der sich der poetischen Ursprünge des Denkens nicht eingedenk bleibt, in eine „Barbarei der reflexion“ zu verfallen droht. Dass die Weisheit der Gelehrten, die „Sapienza riposta“, ihre Kraft aus ihren poetischen Ursprüngen bezieht, ist für Vico unleugbar. So heißt es an einem einschlägigen Passus in der ersten Scienza Nuova von der „Sapienza Riposta […] ella è nata della Volgare e per quella medesima vive“.23 Wie nun ist aber das Verhältnis von poetischer Logik und Allegorie zu denken? Im zweiten Buch der Scienza Nuova gestaltet sich die Untersuchung der „Logica poetica“ anhand einer reihe von Corollarien, von Zusätzen, die das Problem einer ursprünglichen Logik aufnehmen und weiterführen. Diese Folgesätze behandeln die poetische Logik in Bezug auf die rhetorischen Tropen und poetischen Verwandlungen („trasformazioni poetiche“), gehen den Ursprüngen von Sprache und Schrift („lingue e lettere“), der poetischen redeweise („locuzion poetica“) und dergleichen nach und enden mit den letzten Folgesätzen über die Logik der Gelehrten („Ultimi Corollarj d’intorno alla logica degli Addottrinati“). In der Perspektive einer solchen poetischen Logik ist die Allegorie zweifelsohne eine Spätgeburt. Vico selbst spricht von der Allegorie zunächst nur im rahmen seiner Mytheninterpretation und genauer im rahmen seiner Theorie des poetischen Charakters. Er bezeichnet die Allegorie dabei als ein diversiloquium. Im Axiom XLIX, welches vom Prinzip der poetischen Charaktere handelt, heißt es: „Und dieser letzte Grundsatz ist nach den vorhergehenden das Prinzip der wahren poetischen Allegorien, die den Mythen nicht analoge, sondern eindeutige Bedeutungen gaben, nämlich von verschiedenen Besonderheiten, die unter ihre poetischen Gattungsbegriffe zusammengefasst sind: diese wurden daher diversiloquia genannt, das heißt redeweisen, die in einem allgemeinen Begriff verschiedene Arten von Menschen, Taten oder Dingen zusammenfas-

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Cf. zu dieser Problematik Vincenzo Placella: Vico e la poesia, in: Giambattista Vico nel suo tempo e nel nostro, ed. Mario Agrimi, Napoli 1999, p. 415–435. Zur Evidenz poetischer Bilder cf. SN 1744, cpv. 212. SN 1725, p. 233 (cpv. 398).

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II. AllegorIe und poetIsche logIk

sen.“ 24 Wenn das Problem der Allegorie hier mit dem Mythos verbunden ist, so mag es gleichwohl verwundern, dass die Mythen laut Vico gerade nicht analoge sondern eindeutige Bedeutungen haben. Wie Cantelli bemerkt, kann die Allegorie nicht einfach als eine Übertragung eines abstrakten Begriffs in ein sinnliches Bild verstanden werden, derart dass die figurale redeweise nur eine zusätzliche Ausschmückung darstellen würde, auf die auch verzichtet werden kann.25 Daher insistiert Vico an der hier zitierten Stelle darauf, dass die poetischen Allegorien mit eindeutigen Bedeutungen verfahren. Vico versteht die Mythen als poetischen Ausdruck der wilden, ungestümen Ursprünge der Kultur, gleichsam als poetische Erzählungen der Historie. Damit betreibt Vico eine Art realgeschichtlicher Auflösung der Mythen mit ihren poetischen Allegorien. Diese poetischen Allegorien mit ihren eindeutigen Bedeutungen sind daher zu unterscheiden von der Methodik einer elaborierten Allegorese, für die kaum das Moment der Eindeutigkeit reklamiert werden kann.26 Vielmehr zeichnet sich die Allegorie gewöhnlich gerade durch eine Vieldeutigkeit der Bedeutungen oder besser der Bedeutungsbezüge aus. Dieses Moment der Polysemie resultiert nicht zuletzt aus einer doppelten Bewegung sowohl des sprachlichen Ausdrucks wie der Bedeutung (aliud verbis aliud sensu), die bereits in Quintilians bekannter 24

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SN 1744, p. 90 (cpv. 210): „E quest’ ultima Degnità in seguito dell’ antecedenti è ’l Principio delle vere Allegorie Poetiche ; che alle Favole davano significati univoci, non analoghi di diversi particolari compresi sotto i loro Generi Poetici : le quali perciò si dissero diversiloquia, cioè parlari comprendenti in un general concetto diverse spezie di uomini, o fatti, o cose.“ Gianfranco Cantelli: Mente corpo linguaggio. Saggio sull’interpretazione vichiana del mito, Firenze 1986, p. 43: „L’allegoria non è più il tradursi per analogia di un concetto astratto in un’immagine sensibile, un modo di dire figurato per esprimere ciò che figurato non è, l’esemplificazione nel particolare, nel sensibile, di un significato che l’intelletto ha ormai riconosciuto nel suo valore universale, indipendentemente da qualsiasi immagine. L’allegoria, che Vico scopre nel linguaggio originario dei miti, è qualcosa di profondamente diverso: è il trasferimento di un’immagine sensibile, più precisamente visiva, della sfera dell’espressione soggettiva, a un oggetto la cui realtà, diversa dal soggetto percipente, viene riconosciuta e interpretata come corrispondente all’immagine che su di esso è stata trasferita. L’immagine in tal caso non è l’esemplificazione di un concetto, ma il modello in base al quale si interpreta come oggetto reale una molteplicità di dati sensibili di cui si ha attuale esperienza o un vivo ricordo. L’allegoria presente nei miti non è quindi il trasferimento, per analogia, di una forma concettuale in una forma sensibile, ma un trasporto, per somiglianza, di un’immagine sensibile, come è vissuta dal soggetto, in un contesto di cose la cui realtà oggettiva si costituisce grazie all’immagine che è stata trasferita su di esse.“ So bemerkte bereits Franco Lanza: Saggi di poetica vichiana, Varese 1961, dass Vico „ammetteva accanto all’allegoria univoca e storica, propria degli universali fantastici, un’allegoria moderna di carattere analogico, dunque esornativa e didascalica“ (p. 81).

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1. „logIcA poetIcA“ und Ihre corollArIen

Definition alludiert. In der Institutio oratoria, VIII, 6, 44, heißt es, die Allegorie, die man im Lateinischen als inversio [Umkehrung] bezeichnet, stelle einen Wortlaut dar, der entweder einen anderen oder gar zuweilen den entgegengesetzten Sinn habe: „aÂkkgcoqi Àa, quam inversionem interpretantur, aut aliud verbis aliud sensu ostendit, aut etiam interim contrarium.“ Dieser Passus kann als locus classicus der rhetorischen Definition der Allegorie gelten. Im rahmen eines solch rhetorischen Verständnisses der Allegorie findet sich sowohl bei Quintilian wie auch bei anderen Autoren wie beispielsweise Cicero die Definition der Allegorie als fortgesetzte Metapher.27 Der Bezug auf eine „andere“ Bedeutung charakterisiert freilich die Allegorie im allgemeinen. Exemplarisch sei dazu die Definition in der mittelalterlichen Enzyklopädie bei Isodorus von Sevilla, Etymologiae, I 37, 22, angeführt: „Allegoria est alieniloquium. Aliud enim sonat, et aliud intellegitur.“ Wie gesehen tauchen diese Elemente auch bei Vicos Beschreibung der poetischen Allegorie wieder auf. Statt des üblichen Terminus alieniloquium verwendet Vico denjenigen des diversiloquium und damit ist eine Bestimmung wiederaufgenommen, die unter anderem bereits bei Gerhard Johann Voss referiert wird.28

27

28

So fährt Quintilian an der soeben herangezogenen Stelle Inst. orat. VIII, 6, 44, fort, die Allegorie entstehe meist durch fortgesetzte Übertragungen (continuatis tralationibus). Im nächsten Buch Inst. orat. IX, 2, 46, spricht Quintilian dann davon, dass eine fortgesetzte Metapher die Allegorie ausmache: „aÂkkgcoqi Àam facit continua lesauoqa À“. Zur reihung von Metaphern als blühendes und lichtvolles Ausdrucksmittel cf. Cicero: De Oratore, III, 41, 166–167, sowie Orator, 27, 94, wo die Abfolge mehrerer Übertragungen mit dem Genus der Allegorie bezeichnet wird: „Iam cum fluxerunt continuo plures translationes, alia plane fit oratio; itaque genus hoc Graeci appellant aÂkkgcoqi Àam“. Cf. Gerardi Ioannis Vossi Commentariorum Rhetoricum, sive Oratorium Institu­ tionum libri sex, Lugduni Batavorum 1630 (repr. Kronberg 1974), lib. IV, cap. XI: de allegoria. Die referenz auf das „diversiloquium“ ibid. p. 193. Insofern mangelt es den Ausführungen einer jüngst vorgetragenen Deutung des vichianischen Allegoriebegriffs an Kenntnis der historischen Quellen. Wenn David Kelman: Diversiloquium, Or, Vico’s Concept of Allegory in the New Science, in: New Vico Studies, XX, 2002, p. 1–12, bemerkt: „Who is the one who calls allegory diversiloquium? Current research has not found an explicable source for this translation of the Greek allegoria, which is usually translated into Latin as inversio“ (p. 7), so ließe sich dem entgegnen, dass die etymologische Herleitung der Allegorie bereits bei Dante (Epist. XIII, 20–22) mit dem Terminus diversum verbunden wird und sich schließlich, wie erwähnt, der Hinweis auf das diversiloquium wortgleich bei Vossius findet. Gerhard Johann Voss kann als einer der bedeutendsten Gelehrten des XVII. Jh. gelten und ist eine der wichtigsten Quellen für Vico, der sich in der Scien­ za Nuova mehrfach auf ihn bezieht (cf. SN 1744, cpv. 428, 641, 858). Zum Einfluss von Voss auf Vico cf. auch Andrea Battistini: La degnità della retorica. Studi su G.B. Vico, Pisa 1975, p. 124 sq.

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II. AllegorIe und poetIsche logIk

Wenn Vico mit seiner Konzeption einer „poetischen Allegorie“ in der Betonung der Eindeutigkeit sich gerade auf signifikante Weise von der herkömmlichen Tradition der Allegorese absetzt, so muss um so mehr für unsere Untersuchung die Unterscheidung zwischen einer philosophischen und einer poetischen Allegorie hervorgehoben werden. Hierbei wiederholt sich in gewisser Weise, was zu Beginn des Kapitels über die poetischen Charaktere ausgeführt wurde, dass nämlich die Kategorien, die Vico für das Verständnis der mythischen Frühzeit entwickelt, nicht unvermittelt und unreflektiert für Vicos eigenes Vorgehen Anwendung finden können. Eine explizite reflexion über die Methode philosophischer Allegorese findet in der Scienza Nuova nicht statt. In der barocken Kultur ist die Allegorie allerdings allenthalben präsent, insbesondere in Form von Personifikationen abstrakter Begriffe, wie etwa am Beispiel von Cesare ripas Iconologia bereits thematisiert worden ist. Auf diese zeitgenössische und geläufige Praxis scheint auch Vico zu rekurrieren, wenn er in dem Kapitel über die poetische Logik eine für unseren Kontext nicht unbedeutende Überlegung vorträgt. Dort führt Vico aus, nachdem er von dem „parlare fantastico“ der mythischen Dichter gesprochen hat: […] lo che noi pur tuttavia facciamo al contrario delle cose dello spirito, come delle facultà della mente umana, delle passioni, delle virtù, de’ vizj, delle scienze, dell’ arti; delle quali formiamo idee per lo piu di Donne; ed a quelle riduciamo tutte le cagioni, tutte le propietà, e ’n fine tutti gli effetti, ch’ a ciascuna appartengono: perchè ove vogliamo trarre fuori dall’ intendimento cose spirituali, dobbiamo essere soccorsi dalla Fantasia, per poterle spiegare, e come Pittori, fingerne umane immagini: ma essi Poeti Teologi non potendo far’ uso dell’ intendimento, con uno più sublime lavoro tutto contrario diedero sensi, e passio­ ni, come testè si è veduto […]29 Dasselbe tun auch wir noch, nur umgekehrt, mit den Dingen des Geistes, den Fähigkeiten des menschlichen Verstandes, den Leidenschaften, Tugenden, Lastern, Wissenschaften und Künsten; aus ihnen formen wir Bilder und zwar meistens von weiblichen Wesen, und führen auf sie alle Ursachen, Eigenschaften und Wirkungen zurück, die einer jeden zugehören; denn sobald wir geistige Dinge aus dem Verstand heraus zum Ausdruck bringen wollen, brauchen wir die Hilfe der Phantasie, um sie darzustellen, und machen daraus wie die Maler menschliche Bilder. Doch die Dichtertheologen, die keinen Gebrauch vom Verstand machen konnten, verliehen durch einen weit erhabeneren, ganz entge29

SN 1744, p. 154–155 (cpv. 402).

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1. „logIcA poetIcA“ und Ihre corollArIen

gengesetzten Akt, wie wir eben sahen, Sinne und Leidenschaften den Körpern […]30 Dieser Passus ist bedeutsam, denn er zeigt, dass auch in Zeiten einer entwickelteren rationalität, „in tempi addottrinati“, die Bilder ihre Funktion haben.31 Bemerkenswert scheint, dass Vico dieses Verfahren der bildlichen repräsentation als eine Umkehrung, als eine Inversion desjenigen der Dichtertheologen bezeichnet. So wie Quintilian die Allegorie bereits als eine Inversion bezeichnet hat, so könnte man vielleicht Vicos eigenes allegorisches Verfahren als eine Inversion der poetischen Allegorie kennzeichnen. Erst vor diesem Hintergrund werden die möglichen Bezüge Vicos zur barocken Poetik und zur Ausarbeitung einer eigentlichen Bildphilosophie verständlich.

H ier og ly phe – I mpr e s e – E mble m Das vichianische Bilddenken steht selbst in einer langen Tradition; eine Tradition, die von der antiken Parallelisierung der Künste, wie sie sich im horazischen Dictum des ut pictura poësis verdichtet,32 bis zu jener barocken Traktatliteratur reicht, die treffend als „letteratura delle immagini“ bezeichnet worden ist.33 Drei Begriffe mögen dabei zunächst extrapoliert werden: derjenige der Hieroglyphe, der Imprese und des Emblems. Letztgenannter hat allerdings, wie sofort zugestanden werden sollte, keinerlei terminologische Bedeutung im Werk Vicos. Gleichwohl macht die Frage nach einer emblematischen Struktur im Werke Vicos Sinn. Denn wenngleich Vico von dem Begriff des Emblems in keiner Weise Gebrauch macht, so ließe sich dennoch die Frage stellen, ob in der Scienza Nuova in dieser Disposition von Dipintura, Titelblatt und erläuternder Text eine emblematische Struktur wiederzuerkennen ist. Es ist schließlich zu bedenken, dass die Emblematik das bevorzugte Feld in 30 31 32

33

Übersetzung nach Erich Auerbach, op. cit., p. 169. Cf. zu dieser Stelle auch Franco Lanza: Saggi di poetica vichiana, Varese 1961, p. 81–82. Cf. Domenico Pietropaolo: Vico e la tradizione dell’ut pictura poësis, in: Letteratura italiana e arti figurative. Atti del XII convegno dell’Associazione Internazionale per gli Studi di Lingua e Letteratura Italiana (Toronto, Hamilton, Montreal, 6–10 maggio 1985), ed. Antonio Franceschetti, Firenze 1988, vol. II, p. 719–726. Zum Verhältnis Vicos zur barocken Traktatliteratur cf. auch generell die Ausführungen bei Mario Papini: Il geroglifico della storia, op. cit., passim. Konzise bemerkt auch Biagio De Giovanni: Vico barocco, in: il centauro, n. 6, 1982, p. 52–69: „Vico è ancora all’interno di questo sapere barocco dell’immagine“ (p. 63). So der Titel einer reichhaltigen Anthologie von Quellentexten von Gennaro Savarese / Andrea Gareffi: La letteratura delle immagini nel Cinquecento, roma 1980.

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II. AllegorIe und poetIsche logIk

der frühen Neuzeit darstellt, in dem ein elaboriertes Bild-Text Verhältnis zum Tragen kommt. Das Emblem kann im allgemeinen als eine jener Formen bestimmt werden, die sich durch eine Verbindung von Wort und Bild zu einem in sich geschlossenen (allegorischen) Gebilde auszeichnet. Gewöhnlich kommt diese Kombination eines symbolischen Bildes mit einem kurzen Text in der Dreiteilung von Motto, Bild und Epigramm oder inscriptio, pictura und sub­ scriptio zum Ausdruck.34 Freilich steht eine klassifikatorische Definition der Gattung aufgrund der im Laufe der Entwicklungsgeschichte zu beobachtenden Vielfalt der Erscheinungsformen vor erheblichen Schwierigkeiten. Wenn daher diese trinarische Struktur für eine Definition der Emblematik keineswegs hinreichend ist, so ist dazu häufig die Verbindung von Wort und Bild als für das Emblem konstitutiv angenommen worden. Es ist dabei interessant anzumerken, dass in der neueren Emblemforschung unterdessen eine „ideelle Priorität des Bildes“ konstatiert wurde.35 Demgemäß wäre es für das Verhältnis von Text und Bild im Emblem konstitutiv, dass das Abgebildete mehr bedeutet als es darstellt. Die res picta des Emblems besitzt verweisende Kraft, ist res significans. Die in der pictura beschlossene, über die res picta hinauswei-

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In dem Versuch der für unsere Zwecke nur verkürzt vorgetragenen Definition des Emblems lehnen wir uns an die einschlägige Literatur an, cf. vor allem: William S. Heckscher / Karl August Wirth: Emblem, Emblembuch, in: reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, vol. V, Stuttgart 1967, col. 85–228; Albrecht Schöne: Emblematik und Drama im Zeitalter des Barock, München 31993; Peter M. Daly: Sixteenth-Century Emblem and Imprese as Indicators of Cultural Change, in: Interpretation and Allegory: Antiquity to the Modern Period, ed. Jon Whitman, Leiden 2000, p. 383–420. Zu bedenken ist auch, was die Herausgeber Arthur Henkel und Albrecht Schöne in ihrer Vorbemerkung zu dem Standardwerk: Emblemata. Handbuch zur Sinnbildkunst des XVI. und XVII. Jahrhunderts, 2. Aufl., Stuttgart / Weimar 1996, zur Wirkung der emblematischen Struktur auf die angewandte Emblematik bemerken, dass nämlich die „dreiteilige Anlage [des Emblems], ihre Kombination abbildender und auslegender Formen, ihre Doppelfunktion der Darstellung und Deutung offenbar sehr bedeutende und weitreichende Anregungen gegeben [haben]. Das Publikum dieser Zeit aber war durch die Emblembücher dazu angeleitet oder darin bestätigt worden, die Gegenstände, Figuren, Geschehnisse dieser Welt als verweisungskräftig, bedeutungsmächtig zu verstehen, und hatte durch sie gelernt, die in einer solchen sinnbildlichen Auffassung der Dinge gründenden emblematischen Formen auch andernorts zu begreifen“ (p. XIX). Die rede von der „ideellen Priorität des Bildes“ begegnet in der vielzitierten Untersuchung von Albrecht Schöne: Emblematik und Drama im Zeitalter des Barock, München 31993, p. 26. Es mehren sich freilich in neuerer Zeit die kritischen Auseinandersetzungen mit diesem Standardwerk; zur Kritik an Schönes Idealtypologie cf. e.g. die Einleitung von Karl A. E. Enenkel in: Mundus Emblematicus. Studies in Neo-Latin Emblem Books, Turnhout 2003 (Imago Figurata, Studies vol. 4), insbes. p. iii–v, sowie Bernhard F. Scholz: Emblem und Emblempoetik. Historische und systematische Studien, Berlin 2002, passim.

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1. „logIcA poetIcA“ und Ihre corollArIen

sende significatio bedarf dann der Darlegung und Auslegung, welches der nachfolgende Text der subscriptio zu leisten hat. Das Emblem ist generell eng verwandt mit der Imprese, welche verbale und visuelle Elemente in einer zweiteiligen Form vereint und vor allem im italienischen Kulturraum bereits vor der Entstehung der eigentlichen Emblemliteratur weit verbreitet war.36 Über die „heroischen Impresen“ handelt schließlich auch die Scienza Nuova. Bereits in der ersten Auflage von 1725 war dem Ursprung der heroischen Impresen ein eigenes Kapitel gewidmet. Vico vermochte auf eine reichhaltige Traktatliteratur zur Imprese zurückzugreifen, die sich seit dem XVI. Jahrhundert in Italien entwickelt hat, angefangen von dem Dialogo dell’Imprese Militari et Amorose von Paolo Giovio (roma 1555), dem „arcimaestro“ seiner Zunft, bis zu den Werken der in Neapel wirkenden Gelehrten wie Scipione Ammirato (Il Rota o vero delle imprese, Napoli 1562) und Giulio Cesare Capaccio, Delle imprese (Napoli 1592) und vielen anderen mehr.37 Allerdings ist die Theorie vom Ursprung der Impresen, wie sie in der Scienza Nuova vorgetragen wird, eine ganz eigenartige. In der Scienza Nuo­ va Prima wird im Anschluss an die „Altri Principj di ragion Poetica“ von dem erneut aufgefundenem wahren Ursprung der heroischen Impresen gehandelt. In dem entsprechenden Kapitel mit der Überschrift „Si ritruova la vera Origine delle Imprese Eroiche“ führt Vico aus: Imperciocchè bisogna, che a tutti coloro, che hanno delle Imprese Inge­ gnose ragionato, ignari affatto delle cose di questa Nuova Scienza, la forza del vero avesse loro fatto cader dalla penna, che le chiamassero 36

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Zum Verhältnis Emblem – Imprese cf. Denis L. Drysdall: The Emblem according to the Italian Impresa Theorists, in: The Emblem in renaissance and Baroque Europe. Tradition and Variety. Selected Papers of the Glasgow International Emblem Conference, 13–17 August, 1990, ed. Alison Adams / Anthony J. Harper, Leiden 1992 (Symbola et Emblemata III), p. 22–32. Über die Austauschbarkeit der beiden Begriffe von Emblem und Imprese cf. robert J. Clements: Picta poiesis. Literary and Humanistic Theory in renaissance Emblem Books, roma 1960, p. 20 mit Bezug auf Gabriel rollenhagen, Nucleus Emblematum selectissimorum quae Itali vulgo Im­ presas vocant (1611–1613). Clements bemerkt dazu zusammenfassend ibid. p. 19: „Both [i.e. device and emblem] came to serve as a pretext (praetextum) for a poem or essay and as vehicles of thoughts and themes of some complexity.“ Cf. zum Einfluß der Impresen-Traktate auf Vico unter anderem Andrea Battistini: Teoria delle imprese e linguaggio iconico vichiano, in: Bollettino del Centro di Studi Vichiani, XIV–XV, 1984–1985, p. 149–177, nun wiederaufgenommen in idem: Vico tra antichi e moderni, Bologna 2004, cap. V, sowie Mario Papini: Il geroglifico della storia, op. cit., insbes. der zweite Teil: „Nella gran selva delle immagini“, p. 155 sq. Einen Überblick vermittelt außerdem Dieter Sulzer: Traktate zur Emblematik. Studien zu einer Geschichte der Emblemtheorien, St. Ingbert 1992, der nebenbei Vico kurz streifend bemerkt, auch dieser könne mit seiner Erklärung des Kupferstiches in einem weiteren Sinne zur Emblematik gerechnet werden (p. 239).

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II. AllegorIe und poetIsche logIk

Imprese Eroiche : le quali gli Egizi chiamarono Lingua Simbolica, o sia metafore, o immagini, o somiglianze ; la qual lingua anche essi riferiscono essersi parlata nel tempo de’ loro Eroi ; ma poi noi qui pruoviamo, essere stata comune di tutte le nazioni eroiche sparse per l’Universo.38 um sodann das Kapitel zu beschließen: Per le quali cose dette si dimostra ad evidenza, nell’ Imprese Eroiche contenersi tutta la Ragion Poetica ; la quale si riduce qua tutta: che la favola e l’espressione sieno una cosa stessa, cioè una Metafora comune a’ Poeti , ed a’ Pittori; sicchè un mutolo senza l’espressione possa dipingerla.39 Vico markiert an diesem Passus bereits seine Differenzen zu den bisherigen Theoretikern der Imprese. Diesen sollte in der Unkenntnis der in der Scienza Nuova ausgeführten Einsichten vielmehr die Feder aus der Hand fallen, wenn sie ihre Impresen als heroische bezeichneten. In deutlicher Absetzung von den bisherigen Theorien sind die „heroischen Impresen“ für Vico nicht ein gelehrtes Gedankenspiel sondern enthalten vielmehr den „poetischen Grund“ der allen frühen Völkern gemeinsam ist und somit auf die frühe Stufe der Kulturentwicklung verweist. Entsprechend diesem Ansatz wird in der späteren Scienza Nuova in einem der Corollarien zur poetischen Logik die Erfindung der Impresen aus dem Bedürfnis nach der Markierung des Grundeigentums erklärt (cf. SN 1744 cpv. 483 sq.). Vico gibt somit seiner Untersuchung über die „heroischen Impresen“ eine anthropologische respektive realgeschichtliche Wendung. Auch das nachfolgende Kapitel geht den weiteren Prinzipien einer solchen Wappenkunde nach, die als erste Sprache des natürlichen rechts aufgefasst wird. In diesem Kapitel mit dem Titel „Altri Principj della Scienza del Blasone“ wird sogleich das zweite Prinzip exponiert: „Il Secondo Princi­ pio è quello della Scienza del Blasone, che si truova essere la Prima Lingua del Diritto Naturale delle Genti, che noi sull’incominciare, dicemmo, bisognarvi, per ragionare con iscienzia de’ suoi Principj“.40 Von dieser „Scienza del Blasone“ wird Vico noch in der Spiegazione der dritten Ausgabe von 1744 sagen, es sei einer der drei Stellen in der ersten Scienza Nuova, mit denen er noch immer zufrieden sei.41 Aber abgesehen von 38 39 40 41

SN 1725, p. 192 (cpv. 318). SN 1725, p. 195 (cpv. 328). SN 1725, p. 195 (cpv. 329). SN 1744, p. 24 (cpv. 28): „onde poi nacque l’Origine dell’Imprese pubbliche, o sien’ Insegne de’ popoli ; […] e qui si danno altri Principj alla Scienza delle medaglie ; e quindi altri alla Scienza , che dicono , del Blasone : ch’ è uno degli tre luoghi, de’ quali ci truoviamo soddisfatti della Scienza Nuova la prima volta stampata.“

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1. „logIcA poetIcA“ und Ihre corollArIen

dieser eigenwilligen und originellen Theorie hinsichtlich des Ursprungs der Impresen, erhebt sich die Frage nach dem zugrundeliegenden Bildkonzept. Sowohl Emblem wie Imprese ist es gemeinsam, eine aus Bildlichem und Textlichem zusammengesetzte Darstellung zu sein, die ein concetto zum Ausdruck bringt. In diesem zum Ausdruck bringen, dieser Art der Darstellung, kommen zwei Bewegungen zueinander: einerseits wird das concetto sinnfällig in einem Bild zum Ausdruck gebracht, andererseits wird das Bild somit intelligibel, Träger einer Bedeutungshaftigkeit.42 Wie robert Klein in seiner exemplarischen Studie über die Theorie der figuralen Ausdrucksweise in den italienischen Traktaten zur Imprese gezeigt hat,43 geht es bei der Impresentheorie gerade um die Intelligibilität des Bildlichen. Das concetto wird somit zu einem Schlüsselbegriff der Impresentheorie.44 Aufgrund dieser besonderen Form der Bedeutungshaftigkeit, die sowohl Imprese wie auch Emblem kennzeichnen, stellt sich auch die Frage nach dem Verhältnis zur Allegorie. Das Emblem wird dabei mitunter gar als eine Miniaturform der Allegorie aufgefasst.45 Bereits in der klassischen Studie von Albrecht Schöne heißt es: „Insofern das Emblem nun als ein bildhaftes Zeichen kraft seiner Bedeutung auf ein bestimmtes, prinzipiell erkennbares Bezeichnetes weist, mit eindeutigem Sinnbezug über den gegenständlichen Befund

42 43

44 45

Cf. dazu Giancarlo Innocenti: L’immagine significante. Studio sull’emblematica cinquecentesca, Padova 1981, hier insbes. p. 27. robert Klein: La théorie de l’expression figurée dans les traités italiens sur les imprese, 1555–1612, in: Idem, La forme et l’intelligible. Écrits sur la renaissance et l’art moderne. Articles et essais réunis et présentés par André Chastel, Paris 1970, p. 125–150. Cf. robert Klein, op. cit., p. 129 sq. Interessanterweise findet sich hier en passant auch ein Hinweis auf Vico (p. 132). Cf. Peter M. Daly: Sixteenth-Century Emblem and Imprese as Indicators of Cultural Change, in: Interpretation and Allegory: Antiquity to the Modern Period, ed. Jon Whitman, Leiden 2000, p. 388: „Emblem is different from allegory when the latter is understood as an extended narrative allowing for different interpretations, because an emblem is essentially a single framed unit of text and graphic image, often consisting of no more than one page. However, the emblem may be regarded as a miniature form of allegory in the basic sense that the emblem contains a res picta that means more than it represents; it is a res significans, and it receives an interpretation and/or an application in the emblem itself. Thus the emblem can be regarded as a form of allegoresis, i.e., self-interpreting allegory. As a miniature form of allegory, the emblem communicates simultaneously through words and symbolic pictures. These two different symbol systems collaborate in the encoding of meaning. The reciprocal cross-referencing of text and image in the act of reading suggests that the picture is more than a mere illustration of the text. And the text does not always repeat the visual codes, which depend for their effect on the ability of the reader/viewer to identify picture content and recognise its inherent or assumed meaning.“

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II. AllegorIe und poetIsche logIk

des jeweiligen Besonderen hinausführt ins Allgemeine und Grundsätzliche, muß man die Emblematik als eine Spielart der Allegorie verstehen.“46 In dieses Verständnis eines ganz auf die Intelligibilität ausgerichteten Bildbegriffes fügt sich auch der dritte der hier erwähnten Termini, i.e. derjenige der Hieroglyphe. Der Terminus der Hieroglyphe ist im Vergleich zu demjenigen des Emblems oder der Imprese bei Vico besonders präsent. Vico verwendet dabei das Wort „Hieroglyphe“ in einem sehr allgemeinen Sinne, letztlich bezeichnet es generell ein visuelles Zeichen im Unterschied zu einem verbalen. Diese allgemeine Verwendung zeigt sich etwa im Axiom LVII der Scienza Nuova, wo das „Prinzip der Hieroglyphen“ benannt wird. Es heißt dort: I Mutoli si spiegano per atti , o per corpi , c’ hanno naturali rapporti all’ idee , ch’ essi vogliono significare. Questa Degnità è ’l Principio de’ geroglifici , co’ quali si truovano aver parlato tutte le Nazioni nella loro prima barbarie.47 Die Stummen machen sich verständlich durch Gebärden oder Körper, die eine natürliche Beziehung zu den Ideen haben, die sie ausdrücken wollen. Dieser Grundsatz ist das Prinzip der Hieroglyphen, mit deren Hilfe offenbar alle Völker in der Zeit ihrer ersten Barbarei gesprochen haben. Dem Terminus der Hieroglyphe kommt insgesamt durchaus eine Prominenz in der Scienza Nuova zu.48 In dem einleitenden Text der Spiegazione wird das Wort „geroglifico“ besonders häufig verwendet. Vico rekurriert hier mehrmals auf den Begriff des „geroglifico“ um damit gerade die Prinzipien des mondo civile zu bezeichnen. Dass die Hieroglyphen gerade die Prinzipien dieser gesellschaftlich-geschichtlichen Welt bedeuten, geht explizit aus der Bilderklärung hervor. An dem Punkt der Spiegazione, der vom Übergang der oberen Bildzone mit den Figuren der Metaphysik und Homers zur unteren Bildzone handelt, heißt es, hier treten alle Hieroglyphen ans Licht, die die Prinzipien dieser Welt der Nationen bedeuten („ESCONO ALLA LUCE TUTTI

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Albrecht Schöne: Emblematik und Drama im Zeitalter des Barock, München 31993, p. 32. SN 1744, p. 92 (cpv. 225–226). Zum Thema cf. Liselotte Dieckmann: Giambattista Vico’s Use of renaissance Hieroglyphics, in: Forum Italicum, II, 1968, p. 382–385, sowie neuerdings Jürgen Trabant: Geroglifici: Vicos wilde Wörter des Anfangs, in: Hieroglyphen. Stationen einer abendländischen Grammatologie, ed. Aleida und Jan Assmann, München 2003 (Archäologie der literarischen Kommunikation VIII), p. 245–259.

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1. „logIcA poetIcA“ und Ihre corollArIen

I GErOGLIFICI, che significano i Principj […] di questo Mondo di Nazioni“).49

Desgleichen heißt es gegen Ende der Spiegazione, an der Vico eine Art summa zieht, dass anhand der Hieroglyphen all jene ersten Elemente dieser Welt der Nationen zusammengesammelt werden („Ora per raccogliere tutti i primi Elementi di questo Mondo di Nazioni da’ GErOGLIFICI, che gli significano“), worauf eine lange Aufzählung folgt: der Krummstab, das Wasser und das Feuer auf dem Altar, die Ascheurne in den Wäldern, der Pflug, der sich an den Altar lehnt, und das Steuerruder zu Füßen des Altars, etc. („IL LITUO, L’ACQUA, L’UrNA, L’ArATrO e ’L TIMONE“50 etc.). Dieser rekurs auf den Begriff der Hieroglyphe ist zu auffällig, als dass er einfach kommentarlos übergangen werden könnte. Vico erweist sich generell als später Erbe des Humanismus und so beerbt er mit diesem Begriff der Hieroglyphe sicherlich auch, was Karl Giehlow trefflich als „Hieroglyphenkunde des Humanismus“ bezeichnet hat.51 War im Humanismus die Faszination für die Hieroglyphen meist mit dem Thema einer prisca theologia verbunden, so zeigt sich an diesem Punkte aber gerade auch die Differenz zur vichianischen Theorie. Vico weist kulturgeschichtlich ja gerade die Vorrangstellung Ägyptens zurück,52 ihm geht es daher in der rede vom Hieroglyphischen nicht um etwas spezifisch Ägyptisches, vielmehr ist mit dem Hieroglyphischen etwas Universelles im Sinne eines allgemeinen Zeichenbegriffes gemeint. Mit einer derartigen Verallgemeinerung des Hieroglyphenbegriffs vermag Vico allerdings an den humanistischen Sprachgebrauch der vorhergehenden Jahrhunderte anzuschließen, für den der Begriff der Hieroglyphe letztlich ein jedes figurales Zeichen meinen kann.53 Die renaissancehieroglyphik hat zweifellos eine besondere Bedeutung inne für die Ausbildung der Symbol- und Bildtheorie in der frühen Neuzeit und hat insbesondere auch auf die Entstehung der Emblematik gewirkt. Die Embleme können als Versuch verstanden werden, ein modernes Äquivalent der Hieroglyphen zu erdenken, wie insbesondere Ludwig Volkmann zu zei49 50 51 52 53

SN 1744, p. 7 (cpv. 7). SN 1744 p. 33 (cpv. 40). Cf. Karl Giehlow: Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der renaissance, in: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses, XXXII, 1915, p. 1–229. Cf. e.g. SN 1744, cpv. 435. Cf. Gennaro Savarese / Andrea Gareffi: La letteratura delle immagini nel Cinquecento, roma 1980, Introduzione, p. 13: „Non è un caso che nel corso del Cinquecento il termine ,geroglifico‘, dapprima usato con specifico riferimento agli ierogram­ mata egiziani, o supposti tali, si sia andato sempre più generalizzando, fino a designare qualsiasi segno figurativo, o immagine verbale traducibile in ,figura‘, che potesse farsi carico di significazioni più o meno recondite. Perfino il nucleo figurativo presente in ogni immagine poetica finisce per essere definito ,geroglifico‘ […]“.

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II. AllegorIe und poetIsche logIk

gen versucht hat.54 Wenn an dieser Stelle auf die komplexe Tradition humanistischer Hieroglyphenexegese nicht in extenso eingegangen werden kann,55 so soll vielmehr exemplarisch auf einen Passus Bezug genommen werden, der für die Ausbildung dieses allgemeinen Hieroglyphenbegriffs vorbildlich gewirkt hat, indem gerade die Überlegenheit des figuralen Zeichens über das diskursive behauptet wird. Gemeint ist ein einschlägiger Passus bei Plotin, dem spätantiken Neuplatoniker, der ncht zuletzt durch die lateinische Übersetzung des Marsilio Ficino weite Verbreitung in der frühen Neuzeit gefunden hat. Plotin führt in der Enneade V 8, Über das intelligible Schöne (PeqiÑ sotÛ mogsotÛ jaÀ kkotY) aus:56 die ägyptischen Weisen […] verwendeten zur Darlegung ihrer Weisheit nicht die Buchstabenschrift (stÀ poiY cqallaÀsxm), welche die Wörter und Prämissen nacheinander durchläuft und die Laute und das Ausprechen der Sätze nachahmt, vielmehr bedienten sie sich der Bilderschrift (aÆcaklasa cqaÀwamseY) bei der jedes Bild ein Ding bezeichnet […] so dass jedes Bild Wissenschaft und Weisheit ist, ein Zugrundeliegendes und Dichtgedrängtes, nicht ein diskursives Denken und Planen (xÃY aÆqa siY jañ eÒpirsg Àlg jañ rouða e×jarsoÐm eÒrsim aÆcakla jañ tÓpojeðlemom jañ a hqoÀom).57 In diesem Passus findet sich also die Überlegenheit des figuralen Zeichens über das diskursive ausgesprochen, mithin ein hieroglyphischer Bildbegriff, der für die neuplatonische Bildtheorie durchaus folgenreich ist. Nun geht es ja auch bei Vico in der rede vom Hieroglyphischen, wie bereits erwähnt, nicht um etwas spezifisch Ägyptisches, vielmehr ist mit dem Hieroglyphischen etwas Universelles gemeint, wofür die angeführte Stelle Plotins freilich wich54 55

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Cf. Ludwig Volkmann: Bilderschriften der renaissance: Hieroglyphik und Emblematik in ihren Beziehungen und Fortwirkungen, Leipzig 1923. Aus der umfangreichen Literatur im Anschluss an die genannten Arbeiten von Giehlow und Volkmann sei hier wenigstens genannt: Madeleine V. David: Le débat sur les écritures et l’hiéroglyphe aux XVIIe et XVIIIe siècles, Paris 1965; rudolf Wittkower: Hieroglyphics in the Early renaissance (1972), wieder in: Idem: Allegory and the Migration of Symbols, London 1977, cap. VIII; Charles Dempsey: renaissance Hieroglyphic Studies: An Overview, in: Interpretation and Allegory: Antiquity to the Modern Period, ed. Jon Whitman, Leiden 2000, p. 365–381. Der Passus findet sich in der maßgeblichen griechisch-lateinischen Edition inklusive der wirkmächtigen Kommentierung Ficinos in: Plotini Platonicorum facile coryphaei Operum philosophicorum omnium libri LIV. in sex Enneades distributi […], cum Latina Marsilii Ficini interpretatione & commentatione, Basileae 1580 [Facsimile Paris 2005], p. 547. Der deutsche Wortlaut in Anlehnung an die Edition von Plotins Schriften, übersetzt von richard Harder, Neubearbeitung von rudolf Beutler und Willy Theiler, Bd. IIIa, Hamburg 1964, p. 49.

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1. „logIcA poetIcA“ und Ihre corollArIen

tige Elemente bereitlegt. Bemerkenswert ist, wie Plotin hier den Ausdruck athróos, dichtgedrängt, für die Charakterisierung des Bildes verwendet. Gelegentlich der Interpretation der vichianischen Dipintura im vorigen Kapitel wurde ja auch wiederholt die Kategorie der Fülle in Anspruch genommen und in diesem Sinne könnte man wohl auch generell von einer Bedeutungsverdichtung sprechen, die dem Bildlichen eigen ist. Das Moment der Bedeutungsverdichtung sollte demgemäß auch als Kennzeichen des hieroglyphischen Bildbegriffs festgehalten werden. Plotin hatte in dem zitierten Passus zunächst das Figurale gegen das Diskursive gesetzt. Doch gerade durch das, was hier gegeneinander gesetzt wird, also figurales Zeichen versus diskursives, wird letztlich auf die Ambivalenz des hieroglyphischen Bildbegriffes insgesamt hingewiesen. Es sind die beiden Momente auf die auch Werner Beierwaltes in seiner magistralen Interpretation des neuplatonischen Bildbegriffes unter Bezug auf den zitierten Passus Plotins aufmerksam macht, nämlich einerseits ein Denken im Sinne „eines ‚diskursiven‘ (dieÐnodoY) Denkens, das die einzelnen ‚Gegenstände‘ durchläuft oder ‚durchdenkt‘ (diaÐmoia), sie im Begründen miteinander verbindet, das Verbundene oder scheinbar Verbundene analysiert und wieder synthetisiert, im (analytischen und) dialektischen Verfahren auf den Ermöglichungsgrund des Gedachten insgesamt zurückführt. Während das vom Geist gedachte für Plotin ‚Hieroglyphen‘ – einem im oder als Bild ‚Geschriebenen‘ oder ‚Dargestellten‘ – gleicht, dessen Sinn mit einem Blick als ganzer erfaßt werden kann, hat die Seele ihre in einer Buchstabenschrift verfaßten Gedanken konsequent zu ‚buchstabieren‘, d. h. deren Sinn ist erst im Durchlaufen ihres Nach- und Außereinanders evident zu machen.“58 Diese beiden Momente einer intuitiven Erfassung des Bildhaften sowie der Auseinanderfaltung und Durchbuchstabierung charakterisieren auch gerade das Verfahren der vichianischen Dipintura. Beide Momente sind freilich in der Dipintura miteinander verwoben in Form einer sukzessiven Lektüre der Bildgegenstände und deren Gleichzeitigkeit in der Präsenz des Bildes als Ganzes. Es sei an diesem Punkt nochmals an den ersten Satz der Spiegazione erinnert, der ja die Funktion des Bildes darin bestimmt, dem Leser das Erfassen der „Idee des Werkes“ zu ermöglichen, bevor er es überhaupt gelesen habe. Wenn dieser Hinweis Vicos das unmittelbare Erfassen des Sinnes in der Anschaulichkeit nahelegt, so ist die nachfolgende Spiegazione doch gerade einer Art Ausbuchstabierung im Durchlaufen der einzelnen Bildinhalte gewidmet. Bleibt zu konstatieren, dass die Hieroglyphen in der Dipintura für Vico vor allem der Durchbuchstabierung, der narrativen Entfaltung dienen. Wenn 58

Werner Beierwaltes: Denken des Einen. Sudien zur neuplatonischen Philosophie und ihrer Wirkungsgeschichte, Frankfurt a.M. 1985, p. 82.

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II. AllegorIe und poetIsche logIk

Vico schreibt, mit den Hieroglyphen im vorderen hell erleuchteten Teil der Dipintura werden jene Dinge exponiert, die die „cose civili“ bezeichnen,59 so ist damit bereits auf die enge Verwobenheit dieser Hieroglyphen mit der Zivilisationsgeschichte hingewiesen.

2. E k ph ra sis: Na r rat ion u nd Bi ld l ic h keit In der Sektion Del Metodo des ersten Buches der Scienza Nuova heißt es, dass diese Wissenschaft eine ewige ideale Geschichte beschreibe auf deren Grundlage in der Zeit die Geschichte der Nationen in ihrem Entstehen, ihren Fortschritten, Zuständen, Verfall und Ende ablaufen.60 Methodisch begegnet Vico nun diesem geschichtlichen Verlauf mit der Bemerkung, wer über diese Wissenschaft nachdenke, erzähle sich selber diese ewige ideale Geschichte („chi medita questa Scienza, egli narri a sè stesso questa Storia Ideal’ Eterna“). Schließlich wird in Nachwirkung des verum­factum-Axioms aus dem Prinzip, dass die Menschen die gesellschaftliche Welt gemacht haben, für die geschichtliche Erkenntnis gefolgert, dass dort, wo derjenige, der die Sache selbst gemacht habe, sie auch selbst erzähle, dort könne Geschichte am gewissensten statthaben („ove avvenga, che chi fa le cose, esso stesso le narri, ivi non può essere più certa l’Istoria“). Das Moment der narratio ist hier also an der Begründung geschichtlicher Gewissheit beteiligt, Narrativität damit gleichsam als philosophische Methode eingeführt.61 Diese Bestimmung der Narrativität, und ihr Zusammenhang mit dem Problem der Memoria und Historia bildet die methodische Voraussetzung für die eigenwillige Zivilisationsgeschichte, die Vico in seiner Ekphrase mit dem Bild verknüpft.

Vic o s Z iv i l i s at ion sge s c h ic hte An den im Vordergrund ausgebreiteten Dingen, den „Hieroglyphen des Mon­ do Civile“, entfaltet Vico seine Zivilisationsgeschichte, eine Erzählung von den Anfängen und Ursprüngen der menschlichen Zivilisation. Wenn hier auf den Begriff der Zivilsationsgeschichte rekurriert wird, so sollte das auch gerade bedeuten, der wilden Ursprünge und der anfänglichen Gewalt bewusst und gewahr zu bleiben; insbesondere spielt bei Vico das lukrezianische Motiv der 59 60 61

Cf. SN 1744, p. 19 (cpv. 24). Cf. SN 1744, p. 124 (cpv. 349). Für eine weitergehende Beschäftigung mit diesem Problem der Narrativität für die Philosophie Vicos sei verwiesen auf die Arbeiten von Donald Phillip Verene: The New Art of Narration: Vico and the Muses, in: New Vico Studies, I, 1983, p. 21–38, sowie Imaginative Universals and Narrative Truth, in: New Vico Studies, VI, 1988, p. 1–19.

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2. ekphrAsIs: nArrAtIon und BIldlIchkeIt

Gewaltdomestizierung durch Götterfurcht eine bedeutsame rolle. Diese Erzählung von den Anfängen und Entwicklungen der menschlichen Zivilisation wird von Vico in seiner Bilderklärung immer anhand und entlang der Gegenstände entfaltet, die auf der Dipintura ausgebreitet dem Beschauer dargeboten werden. Die ausgebreiteten Gegenstände lassen sich zunächst in drei Einheiten gruppieren. Die erste Gruppe besteht aus dem Altar und den auf ihm ruhenden Gegenständen wie Augurenstab und den Symbolen von Feuer und Wasser sowie der danebenstehenden Urne. Diese werden in der Spiegazione gemäß der Absatzeinteilung von Nicolini in den capoversi 8–13 behandelt. Eine zweite Gruppe wird aus Gegeständen gebildet, die direkt vor dem Altar positioniert sind, respektive an ihm angelehnt sind, wie der Pflug, das ruder und die Schrifttafel (cpv. 14–23). Die im vorderen Bildfeld ausgebreiteten Gegenstände wie rutenbündel, Schwert, Börse, Waage und Heroldstab lassen sich schließlich zur dritten Gruppe zusammenfassen, welche in den capoversi 24–30 behandelt werden. Der Altar im mittleren Hintergrund der Dipintura steht wie bereits erwähnt für die religion als dem Ursprung der Kultur. In seiner Bilderklärung führt Vico dazu aus, unter den Hieroglyphen, welche die Prinzipien bedeuten, tritt am deutlichsten der Altar in Erscheinung, da der mondo civile bei allen Völkern mit den religionen ihren Anfang nehme.62 Hierbei dürfte das Verständnis der religion als eine Art „rückbindung“ zum Tragen kommen, wie es Vico sicherlich durch eine etymologische Auslegung des Wortes religio bei diversen antiken Autoren bekannt war.63 Wenn also der Altar der symbolische Ausdruck für den religiösen Ursprung menschlichen Gemeinlebens darstellt, so fügt es sich, dass auf ihm jene Symbole Platz finden, welche die ursprünglichen Institutionen des menschlichen Zusammenlebens bezeichnen. Auf dem Altar lehnt der Lituus, der Krummstab der Auguren, der auf die erste Erkenntnis göttlicher Dinge verweist (contemplari als primordiale Tätigkeit). Ebenso ruhen auf dem Altar Fackel, Wasser und Feuer, die Opfer und Ehe als die ersten riten und Gebräuche der menschlichen Gesellschaft bezeichnen.64 Besondere Aufmerksamkeit widmet Vico der nebenste62 63 64

SN 1744, p. 7 (cpv. 8): „TrA QUESTI LA MAGGIOr COMPArSA VI FA UN’ ALTArE ; perchè ’l Mondo Civile cominciò appo tutti i popoli con le religioni“.

So etwa bei Lactantius: Institutiones divinae, IV, 28. Vico führt dazu in seiner Bilderklärung aus, die erste dieser Einrichtungen sei die Ehe gewesen, von der alle Staatstheoretiker übereinstimmend zugeben, sie sei die Pflanzstätte der Familie, so wie die Familie die Pflanzstätte der Staaten seien. Und um dies anzuzeigen, stehe die Fackel auf dem Altar zwischen Wasser und Feuer, so wie die alten römer die Hochzeit aqua et igni feierten (SN 1744, p. 9, cpv. 11). An diesem Punkte ist freilich eine Diskrepanz zwischen Vicos Beschreibung und der Darstellung auf der Dipintura bemerkbar, wo die Fackel nicht zwischen sondern

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II. AllegorIe und poetIsche logIk

henden Ascheurne als der Einrichtung der Bestattungen der Toten, erhellt für ihn doch auch sprachlich das lateinische humando, beerdigen, den Bezug zu humanitas (cf. cpv. 12).65 Diese Gegenstände symbolisieren also die drei „ewigen und allgemeinen Sitten“, die Vico als die drei ersten Prinzipien seiner Wissenschaft ansetzt: die religion, die Ehe und die Bestattung der Toten.66 Von diesen drei fundamentalen Prinzipien, ohne die für Vico keine menschliche Gesellschaft möglich ist, geht die Bilderklärung zur zweiten Gruppe der Hieroglyphen über. Deren erster Gegenstand ist das Aratrum, der Pflug, der auf die ursprüngliche Tätigkeit der Kultur, das Kultivieren der Felder, verweist. In der metaphorischen Textur der Beschreibung Vicos kann jedes Detail bedeutungsvoll werden; so führt Vico beispielsweise in der Assonanz von arate und altari in seiner Spiegazione aus: „Der Pflug lehnt mit einer gewissen Erhabenheit den Handgriff vorn an den Altar, um uns zu verstehen zu geben, dass die gepflügten Felder die ersten Altäre des Heidentums waren“ – „le terre arate furono i primi altari della Gentilità“.67 All die bisher genannten Gegenstände sind um den Altar herum versammelt. Es stellt sich dann heraus, dass die ersten Städte in der alten Welt des Heidentums „ArE“ genannt wurden (cpv. 17), also als Altäre verstanden wurden; und diese Altäre waren die ersten Asyle der Welt, zu denen sich die schwachen Menschen flüchteten, womit zugleich der Ursprung der Familien gegeben ist, ebenso wie die Ausdifferenzierung einer Klassengesellschaft. Neben dem Pflug liegt ebenfalls gegen den Altar gelehnt ein Steuerruder, das gemäß der Spiegazione den Ursprung der Völkerwanderung durch die Schiffahrt bedeutet („l’Origine della Trasmi­ grazione de’ popoli fatta per mezzo della navigazione“68). Dieses Moment zeigt, dass Vico nicht nur die Chronologie des kulturgeschichtlichen Ablaufes, sondern auch dessen räumliche Dimension im Blick hat; das reisen verweist schließlich auch auf die Konstitution der Kultur durch den Kontakt mit dem

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links von den Symbolen von Wasser und Feuer steht. Diese Diskrepanz lässt freilich rückschlüsse auf den Arbeitsprozess zu, von dem daher vermutet werden darf, dass Autor und Zeichner weitgehend separat ihren Part ausgeführt haben. Zu dieser Herleitung der Bestattungen und seiner Verbindung zur humanitas cf. auch SN 1744, p. 117 (cpv. 337): „onde a gran ragione le seppolture con quella espressione sublime FOEDErA GENErIS HUMANI ci furono diffinite“. Cf. SN 1744, p. 114–115 (cpv. 333): „Osserviamo tutte le Nazioni così barbare , come umane , quantunque per immensi spazj di luoghi , e tempi tra loro lontane divisamente fondate , custodire questi tre umani costumi : che tutte hanno qualche religione ; tutte contraggono matrimonj solenni ; tutte seppelliscono i loro morti […]. Perciò abbiamo presi questi tre costumi eterni, ed universali , per tre primi Principj di questa Scienza.“ SN 1744, p. 13 (cpv. 15). SN 1744, p. 26 (cpv. 17).

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2. ekphrAsIs: nArrAtIon und BIldlIchkeIt

Fremden.69 Es ist interessant zu beobachten, wie Vico immer wieder auf Details der räumlichen Anordnung der Gegenstände zu sprechen kommt. Ein Beispiel ist der Pflug, welches bereits erwähnt wurde; ebenso das soeben erwähnte Steuerruder. Von diesem betont Vico in der Bildbeschreibung, dass es zu Füßen des Altars liege: „IL TIMONE GIACE A PIEDI DELL’ ALTARE“ (cpv. 19), um diese untergeordnete Position sodann eigens mit der folgenden Erklärung zu versehen: Das Steuerruder liege zu Füßen des Altars, weil die Knechte (Famoli), gleichsam als gottlose Menschen, nicht mit den Adligen an der Gemeinschaft der göttlichen Dinge teilhatten („non avevano la comunione delle cose divine“), und folglich auch nicht an den menschlichen Einrichtungen, insbesondere nicht am recht der feierlichen Eheschließung. Hier zeigt die Lage der Gegenstände also eine sozialgeschichtlich begründete Hierarchie an. Ähnlich führt Vico im darauf folgenden Abschnitt (cpv. 20) die besondere Position des Steuerruders im Verhältnis zum Pflug an, nämlich die drohende Stellung des letzteren gegenüber dem ersteren. Diese Lage der Gegenstände wird von Vico wiederum mit allerlei sozialgeschichtlichen Ausführungen ausgemalt. Er schreibt dazu: „Schließlich ist das Steuerruder entfernt vom Pflug und beinahe versteckt es sich vor diesem, der vor dem Altar sich ihm feindlich zeigt und bedrohlich mit seiner Spitze; denn die Knechte (Famoli), da sie, wie gesagt, keinen Anteil am Eigentum der Ländereien hatten, welche ganz in den Händen der Adligen lagen, und überdrüssig immer ihren Herren dienen zu müssen, erhoben sie schließlich nach langer Zeit Anspruch auf diese Ländereien und revoltierten gegen die Heroen.“ An einem Detail der Darstellung entfaltet Vico also in seiner Ekphrasis einen Teil der Zivilisationsgeschichte, in diesem Fall an der drohenden Stellung des Pfluges gegenüber dem Steuerruder die Auseinandersetzungen um die Ländereien („contese Agra­ rie“). Ähnlich bedeutsam präsentiert Vico im darauf folgenden Abschnitt (cpv. 21–23) die Schrifttafel in ihrer räumlichen Anordnung und ihren stilistischen Details. Diese Schrifttafel „verweist auf den Ursprung der Sprachen und der Buchstaben, welche die gewöhnlichen heißen; diese sind offenbar lange Zeit nach der Gründung der Nationen enstanden, und zwar die Buchstaben wesentlich später als die Sprachen; um dies anzuzeigen, liegt die Tafel auf dem Bruchstück einer Säule korinthischen Stils, der unter den Stilen der Architektur recht modern ist.“70 Mit dem Sprachursprung ist gerade ein zentrales 69 70

Zur Bedeutung dieses Symbols cf. nun auch den Artikel von Josep Martinez Bisbal: Il timone. La trasmigrazione marittima dei famoli ribelli, in: Bollettino del Centro di Studi Vichiani, XXXV, 2005, p. 61–79. SN 1744, p. 18 (cpv. 21): „ESCE PIU’ IN FUOrI INNANZI L’ ArATrO UNA TAVOLA , CON ISCrITTOVI UN’ ALFABETO LATINO ANTICO , […] e PIU’ SOTTO L’ ALFABETO ULTIMO , CHE CI rESTO’. Egli denota l’Origine delle Lingue , e delle Lettere , che sono dette volgari ; che si truovano essere venute lunga stagione dopo

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II. AllegorIe und poetIsche logIk

Thema der Scienza Nuova angesprochen, insbesondere das Verhältnis von Laut- und Schriftsprache. Daher wird man zu recht sagen können, die Schrifttafel steht innerhalb der Dipintura auf einem Wendepunkt der vichianischen Geschichtserzählung.71 Zum einen betont Vico die Lage der Schrifttafel in Bezug auf den Pflug und das Steuerruder, genauer gesagt, die Nähe zum Pflug, um den Ursprung der einheimischen Sprachen („lingue natie“) anzudeuten, und die Entfernung zum Steuerruder, um auf den Unterschied hinzuweisen, der innerhalb der Prinzipien der Etymologie zwischen den einheimischen Wörtern und den Fremdwörtern besteht (cf. cpv. 22). Zum anderen weist Vico ausdrücklich auf die Lage der Schrifttafel in Bezug auf die Statue Homers hin: diese beiden stehen sich gegenüber und deuten so auf das Verhältnis der Dichtertheologen zur schriftlichen Überlieferung. Es ist bereits an diesen Beispielen aufschlussreich zu sehen, wie das Bild die Vorlage des Denkens bildet, den Anknüpfungspunkt, an dem sich eine ganze Zivilisationsgeschichte entfalten kann. Die Bildbetrachtung richtet sich dabei immer wieder auf Details. Den Beziehungen der Gegenstände untereinander kommt dabei erhöhte Bedeutsamkeit zu. Die vichianische Bildbeschreibung lädt den Leser und Betrachter ein, sich die diversen Gegenstände vorzustellen, sie regt dazu an, ein jedes Detail weiter auszumalen und mit Bedeutung zu versehen. Insofern ist die Ekphrasis eine phantasiegenerierende Bildbeschreibung: an jedem Detail vermag sich eine Assoziationskette zu entzünden. So mag der Betrachter noch nach der Bedeutungshaftigkeit vieler weiterer Details fragen. Auffällig präsentieren sich auf der Dipintura im vorderen Bildfeld noch eine reihe weiterer Gegenstände in parataktischer Anordnung. Mit diesen weiteren Gegenständen, von der Schrifttafel bis zu den im unmittelbaren Vordergrund exponierten Gegenständen, dem römischen rutenbündel, dem Schwert, dem Beutel, der Waage, dem Heroldstab Merkurs, wird die Erzählung zu den entwickelteren Zivilisationsstufen fortgeführt.

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fondate le Nazioni , ed assai più tardi quella delle Lettere , che delle lingue : e per ciò significare , LA TAVOLA GIACE SOPrA UN rOTTAME DI COLONNA D’ OrDINE COrINTIACO , assai moderno tra gli ordini dell’Architettura.“ Cf. die Beobachtung bei Carlo Sini: Passare il segno. Semiotica, cosmologia, tecnica, Milano 1981, p. 310: „Nella dipintura che apre la Scienza Nuova, ai piedi dell’altare che regge il globo terrestre, sotto il timone e l’aratro, si pongono in bella mostra le prime tre lettere dell’alfabeto incise su una tavola. Questa tavola campeggia e domina su tutti i disegni, o ‘geoglifici’ successivi; essa scandisce, proprio secondo l’intenzione di Vico, una svolta decisiva nella storia dell’uomo. […] La lingua è per Vico il luogo essenziale per scoprire la storia dell’uomo, sia perché egli si affida all’etimologia onde ricostruire il ‘vocabolario mentale’ dello spirito umano (tratto e strumento decisivo della sua strategia psicostorica), sia perché le lettere e le lingue non soltanto rispecchiano, ma si potrebbe dire promuovono il corso temporale degli uomini entro la storia ideal-eterna.“

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2. ekphrAsIs: nArrAtIon und BIldlIchkeIt

Diese „Hieroglyphen“ haben eine eher konventionelle Bedeutung.72 So deutet das Schwert an, dass das heroische recht ein recht der Gewalt war (cpv. 27), der Beutel bezeichnet den Handel mit Geld (cpv. 28), die Waage die entstehende rechtsgleichheit im Übergang von den aristokratisch-heroischen regierungen zu jenen menschlich-demokratischen (cpv. 29). Die letzte Hieroglyphe in dieser Aufzählung ist der Heroldstab („caduceo“), womit laut Vico auf den Umstand verwiesen wird, dass die ersten Völker in Zeiten des natürlichen Gewaltrechtes beständig in Feindschaft lagen und raubzüge unternahmen, ohne die Kriege anzusagen, während erst in Zeiten der humanen regierungsformen durch das Völkerrecht Herolde eingeführt wurden (cpv. 30). Es ist hinsichtlich der Text-Bild-Beziehung interessant anzumerken, dass der auf der Dipintura dargestellte Petasus, der Flügelhelm des Merkur, in der Bildbeschreibung überhaupt unerwähnt bleibt. Abgesehen von diesem Detail zeichnet sich diese Schlusspassage gerade durch eine besondere Aufmerksamkeit auf die räumliche Anordnung der Gegenstände aus. Am einschlägigen Passus der Spiegazione heißt es: Finalmente NEL PIANO PIù ILLUMINATO DI TUTTI, perché vi si espongono i GErOGLIFICI significanti le cose umane più conosciute, IN CAPrICIOSA ACCONCEZZA l’ ingegnoso Pittore fa comparire un FASCIO rOMANO, una SPADA, ed una BOrSA APPOGIATE AL FASCIO, una BILANCIA, e’l CADUCEO DI MErCUrIO.73

Ac c onc e z z a „IN CAPrICIOSA ACCONCEZZA“ – „in launischer Anordnung“ – diese Beobachtung zu der sonderbaren Disposition der Gegenstände, die ausgestreut vor den Augen des Betrachters darliegen, verdient noch eine weitere Ausführung. Denn es ist bemerkenswert, wie in dieser Ausstreuung der Dinge jeder Gegenstand an Bedeutung gewinnt. Es ist die Bedeutsamkeit des einzelnen Details, eine Bedeutungskonstitution anhand eines jeden Dinges, die hier auffällig erscheint. Ein solches Verfahren der Bedeutungskonstitution anhand eines jeden einzelnen Dinges in seiner parataktischen Anordnung lässt sich nicht anders denn als allegorisches kennzeichnen. In der Dipintura und seiner sonderbaren acconcezza erweist sich Vico als Allegoriker.

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73

So konstatiert auch Franco Lanza, op. cit., p. 111: „I geroglifici della parte inferiore della Dipintura intendono esprimere un tempo ormai storico […]. Qui il significato del simbolo è analogo e convenzionale […], non più un segno profondato nella storia poetica.“ SN 1744, p. 19 (cpv. 24).

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II. AllegorIe und poetIsche logIk

Wenn Vico hier von „acconcezza“ spricht, so rekurriert er damit auf einen eher seltenen Terminus, der sowohl die Anordnung und Disposition einer Sache bezeichnet, aber auch deren Eigentümlichkeit, Angemessenheit oder Schicklichkeit meinen kann. Versucht man sich die Herkunft dieses Terminus „acconcezza“ gegenwärtig zu halten, so ist zunächst auf die Verben „acconciare“ sowie „accionciarsi“ hinzuweisen, welche eine Bedeutungsspanne besitzen, die von „in Ordnung bringen“ und „aufräumen“ bis zum „ausschmücken“ und „frisieren“ reicht. Im Sprachgebrauch Vicos finden sich auch die Lemmata „accioncamente“ und „acconcio“.74 Betrachtet man die Vorkommnisse des Terminus „acconcezza“ in der Scienza Nuova, so fällt auf, dass es zunächst als eine Art stilistische Kategorie die Angemessenheit des Ausdrucks und der Interpretation bezeichnet, vor allem im Kontext der Mythologie. So schreibt Vico in seinen zusammenfassenden Bemerkungen zur poetischen Geschichte, dass Homer es verstehe, die Geschichte in „wunderbarer Kürze und Angemessenheit“ („acconcezza“) zu erzählen,75 im dritten Buch über die Entdeckung des wahren Homer heißt es, die poetischen Charaktere Homers seien in ihrer erhabenen „acconcezza“ unvergleichbar,76 und in einem einschlägigen Passus, der sich mit der Wildheit der Homerischen Erzählungen befasst, wird in Zweifel gezogen, dass es sich dabei um die Würde und philosophische Angemessenheit des Denkens handelt.77 In einem ähnlichen Kontext der Mytheninterpretation taucht die „acconcezza“ im zweiten Buch über die poetische Weisheit auf, wenn Vico schreibt, dass Platon in den Göttergeschichten die Übereinstimmung mit seinen Ideen gefunden habe, und im gleichen Abschnitt heißt es weiter, Platon habe aus Ganymed „con bella acconcezza“ einen Betrachter des Metaphysischen gemacht.78 Es ist deutlich, dass die „acconcezza“ hier im vichianischen Sprachgebrauch die Angemessenheit der Mytheninterpretation bezeichnet.

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Cf. Marco Veneziani: G. Vico, Principj di Scienza Nuova d’intorno alla comune Natura delle Nazioni, Concordanze e indici di frequenza dell’edizione Napoli 1744, Firenze 1997 (Lessico Intellettuale Europeo LXXI), ad vocem. SN 1744, p. 328 (cpv. 680): „Ma con maravigliosa brevità, ed acconcezza narra Omero questa medesima Istoria tutta ristretta nel geroglifico lasciatogli nello Scettro di Agamennone“ (gemeint ist hier der Mythos von Kadmos). SN 1744, p. 390 (cpv. 809): „perchè i di lui [scil. Homers] caratteri poetici, che in una sublime acconcezza sono incomparabili […]“. SN 1744, p. 383 (cpv. 786): „Per tacer’ affatto di quello, che non può intendersi, ch’avesse gravità, ed acconcezza di pensar da Filosofo, […]“. SN 1744, p. 218–219 (cpv. 515): „Per queste cagioni appunto Platone, qual Meneto fece de’ Geroglifici Egizj, egli avevo fatto delle Favole Greche ; osservandone da una parte la sconcezza di Dei con sì fatti costumi, e dall’altra l’ acconcezza con le sue idee […]“.

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2. ekphrAsIs: nArrAtIon und BIldlIchkeIt

Kehren wir nach diesem kurzen Überblick zu der Stelle der Spiegazione zurück, die den Ausgangspunkt der hiesigen Überlegungen darstellt. Wenn Vico in der Bildbeschreibung von einer „capriciosa acconcezza“ spricht, so ist dies eine Beobachtung, die sich auf die Anordnung und Disposition der Hieroglyphen im Bildraume bezieht und als Indiz der allegorischen Dimension des Bildes gelesen werden kann. Die „acconcezza“ ist ja zudem mit der Thematik des Ingeniums verbunden. An der soeben zitierten Stelle wird bezüglich der „acconcezza“ eben der ingegnoso Pittore angerufen. Die „acconcezza“ betrifft die räumliche Disposition und Anordnung der Dinge und genau dies fällt sozusagen in den Aufgabenbereich des Ingeniums. Gemäß Vicos Definition ist es gerade die Besonderheit des Ingeniums zwischen auseinanderliegenden Gegenständen Beziehungen ausfindig zu machen. Das Problem der räumlichen Anordnung oder genauer gesagt der Beziehung der räumlichen Gegenstände untereinander ist also die kennzeichnende Fähigkeit des Ingeniums.79

D ie a l legor i s c he D i me n sion Nicht zuletzt in dieser besonderen Aufmerksamkeit für jedes Detail und seine räumliche Anordnung zeigt sich, dass der gesamten Bildbeschreibung eine allegorische Dimension zukommt. Ein frappantes Exempel für eine allegorische Bedeutungszuweisung stellen die diversen Zusammenfassungen am Ende der Spiegazione dar. So rekapituliert Vico im Abschnitt 40 der Spiegazione nochmals die einzelnen dargestellten Dinge, die Hieroglyphen, um sie in einer erneuten Zusammenstellung als die „ersten Elemente“ dieser Welt der Nationen zu kennzeichnen. Der besagte Abschnitt hebt folgendermaßen an: Ora per raccogliere tutti i primi Elementi di questo Mondo di Nazioni da’ GErOGLIFICI, che gli significano […]80 Um nun alle ersten Elemente dieser Welt der Nationen anhand der Hieroglyphen, die sie bezeichnen, zusammenzulesen […]

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In einem einschlägigen Passus der Scienza Nuova wird das Ingenium direkt mit der „acconcezza“ in Verbindung gebracht, wenn als dessen Aufgabe bestimmt wird, die Dinge in einer angemessenen Anordnung und Zusammenhang zu bringen (cf. SN 1744, p. 394–395, cpv. 819). Auf die Bedeutung der vichianischen Ingeniumslehre wird der folgende dritte Teil der vorliegenden Untersuchung genauer eingehen. SN 1744, p. 33 (cpv. 40).

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II. AllegorIe und poetIsche logIk

um sodann mit einer Auflistung der einzelnen Hieroglyphen fortzufahren. In diesem „raccogliere“ werden die einzelnen Hieroglyphen zu je eigenen semantischen Einheiten gruppiert, denen jeweils eigene Bedeutungen zugewiesen werden. So bedeuten der Krummstab, das Wasser und das Feuer auf dem Altar, die Ascheurne etc. alles kulturelle Praktiken, die dem sogenannten Zeitalter der Götter zugeordnet werden können, während das rutenbündel die ersten heroischen republiken bedeutet, und so weiter. Auch hier ist wiederum Vicos besondere Aufmerksamkeit für die räumliche Anordnung der Dinge auffällig, wenn er beispielsweise bemerkt, die Tafel mit den Alphabeten habe ihren Platz in der Mitte zwischen den göttlichen und den menschlichen Hieroglyphen, weil die falschen religionen mit den Buchstaben zu verschwinden begannen, mit denen die Philosophen ihren Anfang nahmen. Doch nicht genug mit diesen vielfältigen Bedeutungszuordnungen, führt Vico im darauf folgenden Abschnitt (cpv. 41) eine ganz neue Zusammenfassung ein: Laonde tutta l’Idea di quest’Opera si può chiudere in questa somma. LE TENEBrE NEL FONDO DELLA DIPINTUrA sono la materia di que­ sta Scienza incerta, informe, oscura, che si propone nella Tavola Cro­ nologica, e nelle a lei scritte Annotazioni. IL rAGGIO, DEL QUALE LA DIVINA PrOVVEDENZA ALLUMA IL PETTO ALLA METAFISICA, sono le dignità, le diffinizioni, e i Postulati, che questa scienza si prende per elementi di ragionar i Principj, co’ quali si stabilisce, e’l Metodo, con cui si conduce; le quali cose tutte son contenute nel Libro Primo. IL rAGGIO, CHE DA PETTO ALLA METAFISICA SI rISPArGE NELLA STATUA D’OMErO è la luce propia, che si dà alla Sapienza Poetica nel

Libro secondo; dond’ è il Vero Omero schiarito nel Libro Terzo: dalla Discoverta del Vero Omero vengono poste in chiaro tutte le cose, che compongono questo Mondo di Nazioni. Dalle lor’ Origini progredono secondo l’ordine, col quale AL LUME DEL VErO OMErO N’ESCONO I GErOGLIFICI; ch’è ’l Corso delle Nazioni, che si ragiona nel Libro quarto: e pervenute finalmente A’ PIEDI DELLA STATUA D’OMErO, con lo stess’ ordine rincominciando, ricorrono, lo che si ragiona nel Quinto, ed Ultimo Libro.81 Vico ordnet hier gemäß der Symbolik von Dunkelheit und Helligkeit und dem Verlauf des Lichtstrahles auf der Dipintura folgend einzelnen Zonen des Bildraumes jeweils ein Buch der Scienza Nuova zu und stellt derart einen Bedeutungszusammenhang her zwischen dem Aufbau und der Einteilung des Werkes und den einzelnen Bildzonen der Dipintura. Schließlich setzt sich dieser furor allegoricus im letzten Abschnitt der Einleitung fort, in welchem 81

SN 1744, p. 35 (cpv. 41).

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2. ekphrAsIs: nArrAtIon und BIldlIchkeIt

Vico eine erneute Zusammenfassung (somma) inauguriert, die auch sprachlich in einer steten Steigerung zum Ausdruck kommt. Allerlei Steigerungsformen künden diese letzte Zusammenfassung an: „alla finfine“, „restrignere“, „somma brievissima“. Lassen wir erneut dem Autor in extenso das Wort: E alla finfine per restrignere l’Idea dell’ Opera in questa somma brievissima, TUTTA LA FIGUrA rappresenta gli tre Mondi secondo l’or­ dine, col quale le menti umane della Gentilità da Terra si sono al Cielo levate. TUTTI I GErOGLIFICI, CHE SI VEDONO IN TErrA dinotano il Mondo delle Nazioni; al quale prima di tutt’ altra cosa applicarono gli uomini: IL GLOBO, CH’ E’ IN MEZZO rappresenta il Mondo della Na­ tura; il quale poi osservarono i Fisici: I GErOGLIFICI, CHE VI SONO AL DI SOPrA significano il Mondo delle Menti, e di Dio; il quale finalmente contemplarono i Metafisici.82 Vico erweist hier gegen Ende der Spiegazione seine Gewandtheit in der Kunst der Variation. Im drittletzten Abschnitt (cpv. 40) rekapituliert er die Hieroglyphen und geht sie der reihe nach nochmals durch, um eine Zusammenfassung der Kulturentwicklung auf wenigen Zeilen zu präsentieren, bei der die Abfolge der Hieroglyphen mit den drei Zeitaltern des Göttlichen, Heroischen und Menschlichen in Verbindung gebracht wird. Der vorletzte Abschnitt (cpv. 41) fasst dann anhand der Lichtsymbolik die „Idee des Werkes“ in einer ganz neuen Art und Weise zusammen, indem die einzelnen Etappen des Lichtstrahles in einem Analogieverfahren den einzelnen Büchern der Scienza Nuova zugeordnet werden. Der letzte Abschnitt (cpv. 42) versucht dann die „Idee des Werkes“ nochmals in einer ganz neuen Zusammenfassung zusammenzuziehen, bei der die drei Welten der Nationen, der Natur und des Geistes die strukturbildenden Prinzipien bereit stellen und die Dipintura einer ganz neuen Leserichtung unterzogen wird. Nicht nur, was den Umfang dieser letzten Abschnitte anbelangt, sondern auch hinsichtlich der stets variierenden Deutungsansätze, ließe sich wohl von einer zunehmenden Verdichtung sprechen.83 Diese immer neuen Bedeutungsverweise, mit denen die Spiegazione schließt, können in der Tat nicht anders denn als allegorisches Verfahren bezeichnet werden. 82 83

SN 1744, p. 36 (cpv. 42). So umfasst der drittletzte Abschnitt (cpv. 40) insgesamt 53 Zeilen, der vorletzte (cpv. 41) 24 Zeilen und der letzte (cpv. 42) nur noch 12 Zeilen. Es verdient darüber hinaus erwähnt zu werden, dass hinsichtlich des Beschlusses der Spiegazione zwischen den Fassungen der Scienza Nuova von 1730 und 1744 erhebliche Unterschiede bestehen. Cf. dazu auch die kurze Notiz von Attila Faj: Due ripensamenti dell’ultimo Vico, in: All’ombra di Vico. Testimonianze e saggi vichiani in ricordo di Giorgio Tagliacozzo, ed. Franco ratto, ripatransone 1999, p. 255–257.

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II. AllegorIe und poetIsche logIk

Bedenkt man nochmals einige grundlegende Momente der allegorischen Bedeutungskonstituion, so fällt die Sinnverleihung eines jeden Gegenstandes auf. Dieses Verfahren einer allegorischen Bedeutungskonstitution lässt sich etwa exemplarisch auch an der erwähnten Iconologia des Cesare ripa nachverfolgen, die als vermutete Vorlage für einige Motive in der Darstellung der Personifikation der vichianischen Metaphysik bereits geltend gemacht wurde. Aber hier soll es nun um das allegorische Verfahren als solches gehen; ein Verfahren, bei dem das Bild aus einer Zusammensetzung einzelner dinglicher Bedeutungskomponenten besteht. Das Ganze des Bildes und dessen Sinn ersteht erst aus der Komposition, oder besser Konfiguration, dieser Bedeutungsbezüge. Dem Allegorischen ist dabei Verhaftetheit mit dem Dinglichen eigen. Dieses Moment, der Zusammenhang von Allegorie und Dinglichkeit, lässt die Dipintura Vicos letztlich auch in das Blickfeld einer gleichsam barocken Allegoriekonzeption treten, wie sie von Walter Benjamin eruiert wurde. Benjamin entfaltet seine Allegoriekonzeption ja bekanntlich in seinem Buch über den Ursprung des deutschen Trauerspiels (1928), welches für die Deutung der Allegorie eine Anhäufung der Dinge sowie eine erhöhte Bedeutung der profanen Dingwelt gewahrt.84 Und so könnte man sagen, dass von der saturnischen Treue zur Dingwelt sich eines der Leitmotive des Trauerspielbuches erschließt: Benjamins Buch ist nämlich auch ein Traktat über das Ding und die Dinglichkeit, die eben eine melancholische Verfasstheit beschreibt „in welcher jedes unscheinbarste Ding […] als Chiffer einer rätselhaften Weisheit auftritt“.85 Damit ist zugleich ein weiteres Moment gegeben: die Verräumlichung als Eigentümlichkeit des melancholischen Denkens. Wenn Benjamin in seinem Trauerspielbuch die dialektische Struktur barocker Geschichtsauffassung untersucht und dabei bemerkt, dass die „Daten des historischen Verlaufs in einer gleichsam räumlich auszumessenden […] Abfolge“ angeordnet werden, dann ist diese Beobachtung letztlich auch auf das Frontispiz Vicos beziehbar. Treue zur Dingwelt und Verräumlichung von Geschichte – dies sind beides Momente, die auch auf die vichianische Dipintura zutreffen. Diesem allegorischen Darstellungsmodus fügt sich, dass auf der vichianischen Dipintura die Gegenstände wie auf einer historischen Bühne dargeboten werden. Wie bereits gesehen, ist dabei die komplexe Lichtführung eines der wesentlichen Motive der Darstellung. In diesem Lichtgefüge mit dem sich

84 85

Cf. Walter Benjamin: Ursprung des deutschen Trauerspiels, Berlin 1928, p. 129 und 188 (Gesammelte Schriften, I, 1, ed. rolf Tiedemann / Hermann Schweppenhäuser, Frankfurt a.M. 1978, p. 312 und 364). Ibidem, p. 136–137 (Gesammelte Schriften, cit., p. 319).

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2. ekphrAsIs: nArrAtIon und BIldlIchkeIt

auf der Brust der Metaphysik brechenden Lichtstrahl, der auf die cose civili fällt, wird das Prinzip der vichianischen Kulturphilosophie par excellence sinnfällig gemacht. Nun weist die Lichtführung in der Dipintura allerdings eine Merkwürdigkeit auf, welche die bisherigen Interpreten noch nicht recht beachtet haben. Wenngleich die gesamte Szenerie der vichianischen Dipintura von dem in einem Zickzack verlaufenden Lichtstrahl dominiert ist, der vom oberen hell leuchtenden Dreieck ausgeht und dann auf der Brust der Metaphysik sich brechend die weiteren Gegenstände erfasst, so empfangen doch allerdings diese Gegenstände, wie sich allen voran an der Statue Homers erfahren lässt, von einer links außerhalb der Bildfläche liegenden Lichtquelle ihre Beleuchtung. Diese externe Quelle taucht die Darstellung in ein befremdliches Licht, wie ein Bühnenscheinwerfer exponiert es die einzelnen Gegenstände und bewirkt doch zugleich für die gesamte Szene eine Art von Verfremdungseffekt. Zweifelsohne verstärkt diese Beleuchtung den bereits erwähnten Bühneneffekt der Darstellung, der die Assoziation zu einem allegorisierenden „Theatrum Mundi“ nahelegt. Wie aber lässt sich dieses Licht erklären? Vico erwähnt in seiner ausführlichen Ekphrasis mit keinem Wort diese verfremdende Lichtquelle. Vielleicht können wir im Sinne der Theatermetaphorik sagen, es handle sich hier um das allegorisierende Licht, das allererst durch die Exegese ins Spiel kommt. Die Exegese, die sich allererst im Zusammenspiel von Bild und Text vollziehen kann, lässt die Frage nach der Funktion des Bildlichen und seiner allegorischen Auslegung erneut ins Blickfeld geraten. In diesem Zusammenspiel zeigt sich eine Bewegung, die zugleich eine des Denkens ist: eine Denkbewegung des Zusammenlesens. Wie bereits erwähnt, entfaltet Vico seine Zivilisationsgeschichte an den einzelnen in der Dipintura dargestellten Gegenständen. In diesem Zusammenspiel von Narration und bildlicher Darstellung folgt Vico einer Logik von Entfaltung und Einfaltung, explicatio und implicatio oder complicatio. Im rahmen einer solchen Logik von Entfaltung und Einfaltung praktiziert Vico eine Art Lektüre der Bildgegenstände und daraus erhellt der Zusammenhang der Bewegung des Denkens mit derjenigen des Zusammenlesens. Dieser Zusammenhang ist bereits etymologisch in der Begrifflichkeit des Denkens angelegt. In seinem Liber Metaphysicus führt Vico aus: Für die Lateiner sind die Begriffe des Wahren (verum) und des Geschaffenen (factum) miteinander vertauschbar, oder wie man sich gemeinhin im Sprachgebrauch der Scholastiker ausdrückt, konvertibel, und für sie sind auch einsehen (intelligere), vollständig zusammenlesen (perfecte legere) und deutlich erkennen (aperte cognoscere) miteinander identisch. Denken (cogitare) aber nannten sie, was wir in unserer

114

II. AllegorIe und poetIsche logIk

Muttersprache pensare (abwägen) und andar raccogliendo (zusammensuchen) nennen.86 Vico gibt hier in seinem Liber Metaphysicus einen Hinweis auf die ursprüngliche Bedeutung, welche das Wort „cogitare“ bei den alten Lateinern besaß. Dieser Hinweis mag in vielerlei Hinsicht als originell angesehen werden. Denn mit dem „cogitare“ ist natürlich ein Begriff benannt, der vor allem durch Descartes’ berühmte Formel vom „cogito ergo sum“ zu jener Zeit in voller Mode stand. So wie Vico mit seinem Liber Metaphysicus generell gegen den dominierenden Cartesianismus anschreibt, so durfte auch dieser Hinweis auf die geschichtlichen Ursprünge des Terminus „cogitare“ als eine Kritik an der Leere des cartesianischen „cogito“ gewertet werden. Denn während die bekannte Formel vom „cogito ergo sum“ bei Descartes den Ansetzungspunkt auf der vermeintlich voraussetzungslosen tabula rasa der menschlichen Erkenntnis bezeichnen soll, führt bei Vico dies „cogitare“ eher zu der Einsicht in den Zusammenhang der Bewegung des Denkens mit derjenigen des Zusammenlesens. Zugleich dürfte sich Vico hierbei als ausgezeichneter Leser des Augustinus hervortun. Die Confessiones des Augustinus sind bekanntlich ein nicht nur für die Theorie der memoria im abendländischen Denken grundlegender Text. Die Denkerfahrung des cogitare wird hier von Augustinus bestimmt als eines gesammelten Inneseins und damit einer Zusammenführung dessen, was im Gedächtnis noch ungeordnet bereitliegt. Im zehnten Buch der Confessiones heißt es von der Kenntnis der Gegenstände, es sei letztlich nichts anderes als das, was das Gedächtnis noch ungeordnet enthielt, denkend gleichsam einzusammeln und mit ganzer Aufmerksamkeit zu gewahren („ea quae passim atque indisposite memoria continebat, cogitando quasi colligere atque animadvertendo curare“). Im gleichen Abschnitt führt Augustinus zur Bedeutungsgeschichte von cogitare aus: „es muß gleichsam aus der Zerstreuung eingesammelt werden, weshalb dies cogitare, zusammenführen, genannt wird. Denn ‚ich zwinge zusammen‘ (cogo) und ‚ich denke‘ (cogito) verhalten sich so zueinander wie ‚ich bewege‘ (ago) und ‚ich treibe an‘ (agito) und ‚ich mache‘ (facio) zu ‚ich betreibe‘ (factito). Der Geist aber hat dies Verb ganz für sich beansprucht, so daß, was nicht anderwärts, sondern im Geiste gesammelt, d. h. zusammen-

86

De Antiquissima Italorum Sapientia, Neapoli 1710, cap. I, p. 14 (LM p. 35): „Latinis verum, & factum reciprocantur, seu, ut Scholarum vulgus loquitur, convertuntur; atque iisdem idem est intelligere, ac perfecte legere, & aperte cognoscere. Cogitare autem dicebant, quod nos vernacula lingua dicimus pensare, & andar raccoglien­ do.“

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2. ekphrAsIs: nArrAtIon und BIldlIchkeIt

geführt (cogitus) wird, im eigentlichen Sinne denken (cogitare) genannt wird.“87 Der hier von Augustinus vorgebrachte Nexus, der das „cogitare“ – auch in etymologischer Hinsicht – mit dem Moment des Zusammenführens resp. des Zusammenlesens in Verbindung setzt, wird von Vico mehrfach wieder aufgenommen. Vico illustriert diesen Zusammenhang anhand der Termini „cogitare“, „colligere“ und „intelligere“.88 An der soeben erwähnten Stelle im ersten Kapitel seines Liber Metaphysicus fährt Vico denn auch fort, nachdem er den Begriff des „cogitare“ bestimmt hatte: so wie die Worte Symbole und Zeichen der Ideen seien, so seien die Ideen Symbole und Zeichen der Dinge. Wie daher derjenige liest (legere), der die Elemente der Schrift sammelt (col­ ligit), aus denen die Wörter zusammengesetzt sind, so ist das Einsehen (intel­ ligere) ein solches Sammeln (colligere) aller Elemente eines Sachverhaltes, mit deren Hilfe dessen vollkommenste Idee zum Ausdruck gebracht werden kann.89 Diese Gedankengänge nimmt Vico später in seiner Scienza Nuova wieder auf, wenn er generell das Lesen als ein Zusammenlesen interpretiert. Im Axiom LXV, welches vom Prinzip der Etymologie handelt, führt Vico aus:

87

88 89

Der Passus aus Augustinus: Confessiones, X, xi, 18, sei nachfolgend in der neueren Übersetzung von Flasch und Mojsisch ausführlicher wiedergegeben: „Mein Gedächtnis trägt schon recht viele dieser Inhalte mit sich, die längst gefunden und, wie ich sagte, gewissermaßen zur Hand genommen sind: Das ist es, was wir ‚Lernen‘ und ‚Wissen‘ nennen. Versäume ich, sie in angemessenen Zeitabständen zu wiederholen, tauchen sie wieder unter und verschwinden in den hinteren Innenräumen, so daß sie von dort wie neu wieder herausgedacht werden müssen – denn eine andere Bleibe gibt es für sie nicht – und wieder zusammengetrieben werden müssen, um gewußt werden zu können, d. h. sie müssen wie aus der Zerstreuung zusammengelesen werden. Daher kommt auch das Wort für ‚denken‘ [cogitare]. Denn cogito (ich denke) ist die Wiederholungsform von cogo (ich treibe zusammen), wie agito (ich treibe an, bewege heftig) von ago (ich tue) und factito (ich tue oft, immer wieder) von facio (ich tue). Aber das Wort ‚denken‘ [cogitare] hat der Geist als sein Vorrecht in Anspruch genommen, so daß nur bei dem, was nicht irgendwo anders, sondern im Geist verknüpft und zusammengetrieben wird, in eigentlichem Sinne von Denken [cogitare] die rede sein kann.“ (Bekenntnisse, übers. von Kurt Flasch und Burkhard Mojsisch, Stuttgart 1989, p. 264) Zum intelligere cf. auch die Bemerkungen Vicos in seinem Brief an Francesco Saverio Estevan vom 12. Januar 1729 (Epistole, ed. Manuela Sanna, Nr. 57, p. 143). De Antiquissima Italorum Sapientia, Neapoli 1710, cap. I, p. 14–15 (LM p. 35): „Altrinsecus uti verba idearum, ita ideae symbola, & notae sunt rerum. Quare quemadmodum legere ejus est, qui colligit elementa scribendi, ex quibus verba componuntur; ita intelligere sit colligere omnia elementa rei, ex quibus perfectissima exprimatur idea.“

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II. AllegorIe und poetIsche logIk

finalmente il raccoglier lettere , e farne , com’ un fascio in ciascuna parola , fu detto legere.90 schließlich wurde das Sammeln von Buchstaben, so dass man aus ihnen in jedem Wort gleichsam ein Bündel machte, lesen genannt. In der rückführung der Denkbewegung auf diejenige des Lesens resp. des Zusammenlesens ist es die mens, die diese Daten zusammenzulesen vermag. Vico schreibt von der mens, dem menschlichen Geist, dass dieser den Intellekt benutze, um aus den wahrnehmbaren Gegenständen solche zusammenzulesen, die nicht unter die Sinne fallen, was eben der eigentlichen Bedeutung des lateinischen Wortes intelligere entspreche („la quale allora usa l’intelletto , quando da cosa , che sente, raccoglie cosa , che non cade sotto de’ sensi ; lo che propriamente a’ Latini vuol dir’ intelligere“).91 Wenn Vico also für die Bedeutungsgeschichte der Wörter „cogitare“ und „intelligere“ das Moment des Zusammenlesens geltend macht, so ist es für das Verständnis des Verfahrens seiner allegorisierenden Bildauslegung durchaus bedeutsam einzusehen, dass eben eine solche Denkbewegung des Zusammenlesens auch der Interpret des Bildes zu leisten hat. Diese Denkbewegung des Zusammenlesens, die der Interpret des Bildes zu vollziehen hat, muss als der zur Ausstreuung des Dinglichen korrespektive Akt verstanden werden. Erinnern wir uns nochmals des allerersten Satzes in der Spiegazione, so wird dort eine durchaus zirkuläre Bewegung beschrieben. Denn für Vico steht das Bild vor der Lektüre und nach der Lektüre. Wie dieser erste Satz der Spiegazione ausführt, dient das Bild dem Leser einerseits dazu, die Idee des Werkes vor der Lektüre zu erfassen, und andererseits sie nach der Lektüre mithilfe der Phantasie leichter im Gedächtnis zu behalten. Auffällig ist dabei, wie Memoria und Fantasia gleich zu Beginn der Spiegazione im ersten Satz genannt werden, womit zwei operative Schlüsselbegriffe in Vicos Denken angesprochen sind. Vico entwickelt freilich in der Scienza Nuova eine eigentümliche Doktrin des Zusammenwirkens dreier Geisteskräfte: memoria – fan­ tasia – ingegno. Diese Geisteskräfte oder facultates seien zwar ausdifferenzierbar, aber derart miteinander verbunden, dass sie letztlich nicht separierbar sind. An einer einschlägigen Stelle im dritten Buch der Scienza Nuova bemerkt Vico, das Gedächtnis (memoria) sei dasselbe wie die Phantasie (fanta­ sia) und diese werde wiederum für das Ingenium (ingegno) gebraucht. Von diesem Komplex an Geisteskräften könne man drei Aspekte ausdifferenzieren, nämlich dass es Gedächtnis sei, wenn er die Dinge erinnere („ch’è memo­ 90 91

SN 1744, p. 94 (cpv. 240). SN 1744, p. 129 (cpv. 363).

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2. ekphrAsIs: nArrAtIon und BIldlIchkeIt

ria, mentre rimembra le cose“), Phantasie, wenn er sie verändere und nachschafft („fantasia, mentre l’altera, e contrafà“), und Ingenium, wenn er all dies umfasse und in die rechte Disposition und Anordnung setze („ingegno, mentre le contorna, e pone in acconcezza, ed assettamento“).92 Das Ingenium ist hier wiederum mit dem Terminus der acconcezza verbunden, wie eben an der einzigen Stelle in der Spiegazione, wo auf den Künstler Bezug genommen wird, den ingegnoso Pittore. In der acconcezza, in der Anordnung, ist das Ingenium das zentrale Vermögen.

92

SN 1744, p. 394–395 (cpv. 819).

III. D I E L E H R E VO M I N G E N I U M

Auf der Suche nach den methodischen Grundlagen des vichianischen Bilddenkens führt der Weg zur Lehre vom Ingenium. An verschiedenen Stellen seines Œuvre kommt Vico auf das Ingenium zu sprechen und in der Zusammenschau dieser Bemerkungen formiert sich so etwas wie eine eigentümliche Doktrin. Für Vico ist das Ingenium eine zentrale Kategorie des Denkens, es ist die Fähigkeit, Ähnlichkeiten zu erkennen, zwischen verschiedenen und mitunter weit auseinanderliegenden Dingen Verbindungen zu sehen und ausfindig zu machen und somit die Fähigkeit, allererst Beziehungen zu setzen. Beziehungssetzung erweist sich als ein basales Problem der denkerischen Tätigkeit. Mit der Frage nach der Funktion des Ingeniums befinden wir uns im Zentrum der erkenntnistheoretischen Problematik. Freilich ist das Problem des Ingeniums meist verkannt geblieben. In den neueren Studien zur Philosophie- und Geistesgeschichte spielt es bisher eine kaum wahrnehmbare Rolle.1 Es ist zurecht bemängelt worden, dass das Ingenium meist lediglich als „psychologischer Begriff“ interpretiert worden ist und so seine Tragweite verkannt

1

Als Indiz für diese Vernachlässigung in der philosophiehistorischen Forschung mag hier die spärliche Behandlung des Terminus „Ingenium“ im Historischen Wörterbuch der Philosophie angeführt werden, einem Standardwerk, welches gewöhnlich mit großer begriffsgeschichtlicher Aufmerksamkeit vorgeht. Die Literatur zum Thema ist insgesamt eher als bescheiden zu bezeichnen; mit Nachdruck mag dagegen auf die Akten eines Internationalen Kongresses in Neapel hingewiesen werden, welche die Bedeutung des Ingeniums in der frühen Neuzeit, von Bruno, Huarte, Persio bis zu Wolff und Baumgarten, nachzuzeichnen unternehmen, wobei hierbei gerade Vico eine zentrale Stellung zukommt, cf. Stefano Gensini / Arturo Martone (ed.): Ingenium propria hominis natura, Atti del Convegno Internazionale di Studi (Napoli, 22–24 maggio 1997), Napoli 2002 (Quaderni del Dipartimento di Filosofia e Politica / Istituto Universitario Orientale 20).

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III. DIe Lehre vom IngenIum

wurde.2 Bevor wir daher ausführlicher auf die einschlägigen Texte Vicos eingehen, soll zunächst mit einem kurzen Überblick auf die Vico vorausliegende Tradition begonnen werden.

1. Zu r Vorgesc h ic hte des v ic h ia n isc hen I ngen iu m-Beg r i f f s Der Begriff des Ingeniums wird bereits in der antiken Rhetorik thematisiert. Er begegnet bei den beiden wichtigsten Autoren der lateinischen Rhetorik, Cicero und Quintilian. Im Rahmen der klassischen Ausformulierung des rhetorischen Systems in fünf Teile wird das Ingenium gewöhnlich innerhalb der inventio verhandelt. Gemäß der Rhetorica ad Herennium ist die inventio die erste und schwierigste Aufgabe des Redners (II, 1), sie wird als das Auffinden wahrer oder wahrscheinlicher Tatsachen (I, 3: „excogitatio rerum verarum aut veri similium“) definiert. In Ciceros De Oratore II, xxxV, 147–148, werden die grundlegenden Requisiten für die inventio benannt: als erstes der Scharfsinn (acumen), also jenes Moment, das mit dem Ingenium unmittelbar zusammenhängt, dann das methodische Vorgehen (ratio), als drittes schließlich die umsichtige Sorgfalt (diligentia).3 Für Quintilian bestehen die hervorragendsten Eigenschaften eines Redners gerade in dem, was nicht einfach nachzuahmen oder erlernbar ist, nämlich Ingenium, Erfindungskraft und Leichtigkeit der 2

3

So die Bemerkung von Emilio Hidalgo-Serna in der Einleitung zur Edition von Juan Luis Vives: Über die Gründe des Verfalls der Künste / De causis corruptarum artium, München 1990 (Humanistische Bibliothek II: 28), hier insbesondere p. 36. Hidalgo-Serna als einem der besten Kenner der Tradition des Ingeniums ist auch in seinem Vorschlag beizupflichten, den Terminus „Ingenium“ in Ermangelung einer adäquaten Übersetzung in seinem lateinischem Wortlaut zu belassen. Cf. ibid.: „Dieser Terminus erlaubt aber weder eine Übertragung ins Rationale, noch gibt es ein angemessenes deutsches Wort, um seine Bedeutung wiederzugeben. Die Erfahrung zeigt, daß jeder Versuch, ein Äquivalent auf Deutsch zu finden, zur Verwirrung führt und sogar oft zu einer gegenteiligen Bedeutung. Die zentrale Rolle dieses Begriffs gerade für Vives, aber auch später für Gracián und für Vico, verlangt die Wiedergabe des lateinischen Wortes […]“. Cicero: De Oratore, II, xxxV, 147–148. Der Passus lautet in extenso: „Und das ist das Ganze, sei es Wissenschaft (ars), sei es Beobachtung (animadversio) oder sei es Gewöhnung: Man muss die Gebiete kennen, in denen man jagen und das, was man sucht, aufspüren will. Sobald man dieses ganze Revier in Gedanken eingegrenzt hat, wird einem, wenn man nur durch die praktische Erfahrung schließlich klug geworden ist, nichts entgehen und alles, was zur Sache gehört, wird einem einfallen und in den Sinn kommen. Und da beim Reden zum Auffinden drei Dinge gehören, Scharfsinn, dann methodisches Vorgehen, das wir, wenn wir wollen, auch Wissenschaft nennen dürfen, und drittens Gewissenhaftigkeit, so kann ich nicht umhin, der Begabung (ingenium) den ersten Platz einzuräumen […]“ (Übersetzung von Theodor Nüßlein, Düsseldorf 2007, p. 199).

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1. Zur vorgeschIchte Des vIchIanIschen IngenIum-BegrIffs

Auffassungsgabe.4 Neben einem solchen eher technischem Verständnis im engeren Sinne ist der Terminus des Ingeniums bereits in der lateinischen Rhetorik insbesondere mit dem Bereich des Kunstschaffens verbunden.5 Die Bedeutung des Ingeniumsbegriffes umspannt dabei mehrere Aspekte wie eine natürliche Prädisposition, Begabung, Auffassungsgabe, schöpferische Veranlagung und Erfindungskraft. Dieses im Rahmen der Rhetorik entwickelte durchaus konventionelle Verständnis des Ingeniums findet sich auch in Vicos Frühschriften, insbesondere seinen akademischen Eröffnungsreden, den sogenannten Orazioni Inaugurali.6 Obgleich dem Begriff des Ingeniums innerhalb des rhetorischen Systems eine nicht unbedeutende Rolle zukommt, ist ihm im Verlaufe der Jahrhunderte keine kontinuierliche Wirkungsgeschichte beschieden. Die Entwicklungslinien der drei lateinischen Wörter spiritus, mens und ingenium hat Wido Hempel in einem Aufsatz nachzuzeichnen versucht.7 Dabei ist auffällig, dass insbesondere der Begriff des Ingeniums im Transformationsprozess von der klassischen Antike zur christlichen Kultur „eine entscheidende Einbuße an Wertschätzung erlitt“8 und seine positiven Konnotationen als eines produktiven, scharfsinnigen geistigen Vermögens sich im christlichen Sprachgebrauch geradezu in sein Gegenteil verkehrt. Erst durch die mit dem Humanismus einsetzende Rückbesinnung auf die klassische Kultur erfährt das Wort des Ingeniums eine Wiederbelebung. Als ein bedeutsames Beispiel kann dabei Dante genannt werden, der „das Wort ingenium in latinisierender Lautung ein zweites Mal in die italienische Sprache eingeführt und in seinem vollen semantischen Umfang rehabilitiert“ habe.9 Man denke etwa an die Musenanrufung zu Beginn des zweiten Gesanges des Inferno seiner Commedia: O muse, o alto ingegno, or m’aiutate; o mente che scrivesti ciò ch’io vidi, qui si parrà la tua nobilitate. (Inf. II, 7–9)

4 5 6 7 8 9

Quintilianus: Institutio oratoria, x, 2, 12: „[…] quae in oratore maxima sunt, imitabilia non sunt, ingenium, inventio, vis, facilitas et quidquid arte non traditur.“ Eine Übersicht über die antiken Quellentexte zum Ingenium bietet Jerome Jordan Pollitt: The Ancient View of Greek Art. Criticism, History, and, Terminology, New Haven / London 1974, p. 209–216. Cf. Marco Veneziani: Ingenium e ingegno nelle opere di Vico, in: Stefano Gensini / Arturo Martone (ed.): Ingenium propria hominis natura, Napoli 2002, p. 295–325, hier p. 298. Cf. Wido Hempel: Zur Geschichte von spiritus, mens und ingenium in den romanischen Sprachen, in: Romanistisches Jahrbuch, xVI, 1965, p. 21–33. W. Hempel, art. cit., p. 24. Ibid.

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III. DIe Lehre vom IngenIum

Mit dem alto ingegno gestaltet der Dichter hier einen Anruf an seinen eigenen Geist als eines schöpferischen Potentials. Dieser Nexus des Begriffs des Ingeniums zum Themenkomplex menschlicher Kreativität bleibt in der Folgezeit bestimmend. Von daher erklärt sich, dass das Ingenium zu einem Leitbegriff humanistischer Kunsttheorie avanciert.10 Im Laufe des xVI. und xVII. Jahrhunderts entwickelt sich dann innerhalb der Abhandlungen zur Rhetorik und Poetik eine Traktatliteratur, bei der der Begriff des Ingeniums eine immer bedeutsamere Stelle einnimmt. Ein bekanntes Werk stellt der Traktat von Baltasar Gracián, Agudeza y Arte de Ingenio (zuerst 1642, dann in erweiterter Form 1648 und öfters) dar, welches nicht nur die spanische Literaturästhetik nachhaltig beeinflusst. In Italien erscheinen ungefähr zur gleichen Zeit von Matteo Pellegrini, Delle Acutezze, che altrimenti Spiriti, Vivezze, eConcetti, volgarmente si appellano (1639)11 und Emanuele Tesauro, Il Cannocchiale Aristotelico (1655 und mehrere weitere Auflagen).12 Es kann davon ausgegangen werden, dass Vico mit diesen Werken vertraut war.13 In seinen Rhetorik-Vorlesungen, den Institutiones Oratoriae, beruft sich Vico beispielsweise explizit auf die Schrift Pellegrinis und dessen Definition des Ingeniums.14 Es ist dieser humanistische und barocke Kontext, der auch für Vico bestimmend ist. Allerdings ließe sich sagen, dass dieser Terminus des Ingeniums bei Vico aus einer eher spezifisch kunsttheoretischen oder poetologischen

10 11 12 13

14

Zu den Leitbegriffen humanistischer Kunsttheorie cf. Martin Kemp: From Mimesis to Fantasia: The Quattrocento Vocabulary of Creation, Inspiration and Genius in the Visual Arts, in: Viator, VIII, 1977, p. 347–398. Eine moderne Ausgabe liegt vor mit Matteo Pellegrini: Delle Acutezze, ed. Erminia Ardissino, Torino 1997 (Alethes. Collezione di retorica 4). Die Toriner Ausgabe von 1670 ist durch einen Faksimiledruck leicht zugänglich gemacht: Emanuele Tesauro: Il Cannocchiale Aristotelico, ed. August Buck, Bad Homburg / Berlin / Zürich 1968 (Ars poetica 5). Cf. dazu Donatella Di Cesare: La filosofia dell’ingegno e dell’acutezza di Matteo Pellegrini e il suo legame con la retorica di Giambattista Vico, in: Lia Formigari / Franco Lo Piparo (ed.): Prospettive di storia della linguistica, Roma 1988, p. 157– 173. Zum Thema ist außerdem hinzuweisen auf die klassisch zu nennende Studie von Benedetto Croce: I trattatisti italiani del Concettismo e Baltasar Gracián (1899), wieder in: Idem, Problemi di estetica e contributi alla storia dell’estetica italiana, Bari 51954, p. 313–348, sowie an deutschsprachiger Literatur die Monographie von Klaus-Peter Lange: Theoretiker des literarischen Manierismus. Tesauros und Pellegrinis Lehre von der acutezza oder von der Macht der Sprache, München 1968 (Humanistische Bibliothek I: 4). Giambattista Vico: Institutiones Oratoriae, ed. Giuliano Crifò, Napoli 1989, cap. 37: De sententiis, vulgo Del ben parlare in concetti, p. 282 sq. Hier heißt es: „Ingenii virtus, ut Matthaeus Peregrinius in aureo De acutis dictis libello disserit, consistit in mutuo diversarum rerum ligamine“ (p. 284).

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2. DIe Lehre vom IngenIum In vIcos Werk

Diskussion herausgeführt und letztlich im Rahmen einer allgemeineren erkenntnistheoretischen Fragestellung thematisiert wird.

2. D ie L eh re vom I ngen iu m i n Vic os Werk Bereits in Vicos Frühschriften, den Orationes sowie der Methodenschrift über die ratio studiorum zeigt sich die Aufwertung des kreativen Vermögens des Ingeniums gegenüber einem cartesianischen Konzept des geometrisch verfahrenden Geistes. In der Schrift über die Studienmethode seiner Zeit, De nostri temporis Studiorum Ratione, überdenkt Vico sowohl das Verhältnis von Topik und Kritik wie er auch Überlegungen vorträgt zur zentralen Rolle des Gemeinsinns (sensus communis), welcher der praktischen Klugheit (prudentia) und der Beredsamkeit (eloquentia) zum Leitfaden dient. In diesem vorwiegend pädagogischen Kontext gemahnt Vico auch daran, dass man die Geister (ingenia) nicht unempfänglich mache für die Künste, welche ihre Kraft aus der Phantasie, oder dem Gedächtnis, oder beiden zusammen schöpfen, wie Malerei, Dichtkunst, Redekunst, Jurisprudenz.15 An anderer Stelle des gleichen Werkes, genauer gesagt zu Beginn des siebenten Kapitels, handelt Vico von den Nachteilen, die unsere moderne Studienart der moralischen Lehre und Redegewandtheit bringt. Einen schweren Mangel sieht Vico darin, dass den naturkundlichen Studien (naturalibus doctrinis) große Aufmerksamkeit geschenkt werden, während dem moralischen Lehrgebiet nicht die gleiche Aufmerksamkeit zuteil wird. Insbesondere wird aber jener Teil vernachlässigt, der das menschliche Gemüt und den Geist sowie dessen Leidenschaften im Hinblick auf das gesellschaftliche Leben und den sprachlichen Austausch betrifft („eam potissimum partem, quae de humani animi ingenio, ejusque passionibus ad vitam civilem, & ad eloquentiam accommodate“).16 Gegen Ende desselben Kapitels kommt Vico erneut auf das Ingenium zu sprechen und diesmal in einem Kontext, der vor allem die Eloquenz be15

16

Giambattista Vico: De nostri temporis Studiorum Ratione, Neapoli 1709, p. 22 [reprogr. Nachdruck durch Marco Veneziani: De nostri temporis studiorum ratione di Giambattista Vico. Prima redazione inedita dal ms. xIII B 55 della Bibl. Naz. di Napoli. Indici e ristampa anastatica dell’edizione Napoli 1709, Firenze 2000 (Lessico Intellettuale Europeo, LxxxII)]: „[…] neque ingenia ad artes, quae phantasia, vel memoria, vel utraque valent, ut Pictura, Poëtica, Oratoria, Jurisprudentia, quicquam sunt hebetanda […]“ (cf. Gian Battista Vico: De nostri temporis studiorum ratione / Vom Wesen und Weg der geistigen Bildung, ed. Walter F. Otto, Godesberg 1947, p. 28–29). G. Vico: De nostri temporis Studiorum Ratione, Neapoli 1709, p. 45 (cf. ed. Walter F. Otto, p. 59).

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III. DIe Lehre vom IngenIum

trifft. Vico stellt hier einen Vergleich zwischen der italienischen und der französischen Sprache an, um deren jeweilige Ausdrucksmöglichkeiten gegenüberzustellen. Während das Französische nach Vicos Ansicht vorwiegend von Substantiven geprägt ist, aber dadurch eben unbeweglicher und kaum für eine vergleichende Rede geeignet sei, zeichne sich das Italienische durch seine Lebhaftigkeit und Ausdrucksstärke aus, die es zu einer Sprache macht, die beständig Bilder hervorruft („imagines semper excitat“). Diese Gegenüberstellung kulminiert gleichsam in der Beobachtung, dass es im Französischen kein Äquivalent zum Ausdruck „Ingenium“ gebe, sondern nur von „esprit“ geredet werden kann. Vico führt dazu aus, die Italiener nennen eben jene Fähigkeit des Verstandes, Auseinanderliegendes rasch, passend und trefflich zu vereinigen, das Ingenium („hanc mentis virtutem distracta celeriter, apte et feliciter uniendi, quae nobis ingenium dicitur“).17 Mit der Schnelligkeit der Auffassungsgabe einerseits und dem Moment der Verbindungssetzung andererseits sind Fähigkeiten benannt, die für die Definition des Ingeniums bei Vico gleichsam eine Konstante bilden. Des weiteren ist es eine grundsätzliche Bestimmung, nämlich die Verbindung des Ingeniums mit der Fähigkeit zur Invention, welche in De Ratione mit größter Klarheit ausgesprochen wird: „Nam nova invenire unius ingenii virtus est“.18 Neues zu erfinden ist also das Vorrecht des Ingeniums, einzig es hat die Kraft, neues Wissen zu erschließen. Wenn also der Zugewinn an Wissen eine Fähigkeit des Ingeniums darstellt, so deutet dies bereits auf dessen zentrale Rolle innerhalb der Wissenschaft hin. Aber nicht nur für einen disziplinübergreifenden Wissenschaftsbegriff spielt das Ingenium eine entscheidende Rolle, sondern auch innerhalb des Erkenntnisprozesses selbst. An dieser Stelle bemüht Vico auch erneut eine Metaphorik des Lesens: das Ingenium nämlich sorgt dafür, wie Vico am Beispiel der Geometrie erläutert, dass der menschliche Geist eine ungeheure Menge an Formen mit erstaunlicher Verstandesschnelle wie die Buchstaben des Alphabets zu durchlaufen versteht, um diejenigen auszulesen und zusammenzusetzen, die zur Lösung des gestellten Problems nötig sind: „Nam ingentem formarum vim iis objicit, ut mira mentis celeritate tanquam scribendi elementa percurrant; eaque legant, atque componant, quibus proposita dissolvat problemata.“19 Dem hier beispielhaft erwähnten Akt des Zusammenlesens kommt somit ein gewisser Modellcharakter für den Prozess des Erkennens im allgemeinen zu.

17 18 19

G. Vico: De nostri temporis Studiorum Ratione, Neapoli 1709, p. 57 (cf. ed. Walter F. Otto, p. 73). G. Vico: De nostri temporis Studiorum Ratione, Neapoli 1709, p. 36 (cf. ed. Walter F. Otto, p. 46/47). Ibid. p. 37.

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2. DIe Lehre vom IngenIum In vIcos Werk

Vic o s L i b e r Met a ph ys i c u s Die ausführlichste Behandlung erfährt das Thema des Ingeniums sicherlich in Vicos Schrift De Antiquissima Italorum Sapientia. Dieses Werk, das ursprünglich in drei Teilen geplant war, wovon aber nur der erste unter dem Titel Liber Metaphysicus ausgeführt wurde, erschien 1710 im Druck.20 Der Liber Metaphysicus ist zurecht als die Methodenschrift der vichianischen Philosophie bezeichnet worden. Im siebenten Kapitel dieser Schrift wird den Geistesvermögen eine eingehende Untersuchung zuteil. Als solche Geistesvermögen nennt Vico hier zunächst die Sinneswahrnehmung (sensus), die Vorstellungskraft (phantasia), das Gedächtnis (memoria) und den Intellekt (intellectus). Diese diversen Vermögen zeichnen sich allesamt durch einen gleichsam operativen Charakter aus, es ist ihnen allen eine „prontezza di operare“ eigen.21 Der Begriff des Vermögens (facultas) ist für Vico untrennbar mit dem „facere“, dem Machen oder Hervorbringen verbunden. Die genannten Vermögen sind folglich nicht recht verstanden, wenn sie nur als rezeptive oder passive Momente des Erkenntnisprozesses angesehen werden, sondern nur, wenn man ihres produktiven Charakters gewahr wird. In dem einleitenden Abschnitt des siebenten Kapitels führt Vico daher weiter aus, dass in der philosophischen Schultradition zutreffend die Sinne, die Phantasie, das Gedächtnis und der Intellekt als Vermögen der Seele (animae facultates) bezeichnet werden, allerdings würde die Angemessenheit dieser Redeweise wieder dadurch beeinträchtigt, wenn die Sinnesqualitäten wie etwa die Farben, Gerüche, Töne und Tasteindrücke so aufgefasst werden, als seien sie den Dingen selber eigen. Denn wenn die Sinne wirklich Vermögen sind, so lassen wir durch das Sehen die Farben, durch das Schmecken den Geschmack, durch das Hören die Töne und durch das Tasten Kaltes und Warmes allererst erstehen.22 Kurz darauf 20

21 22

De Antiquissima Italorum Sapientia ex Linguae Latinae Originibus eruenda. Libri tres Joh. Baptistae a Vico Neapolitani Regii Eloquentiae Professoris, Neapoli 1710; im folgenden zitiert nach Text und Paginierung der Erstausgabe, die durch einen Faksimiliedruck leicht zugänglich gemacht wurde von Giovanni Adamo: De Antiquissima Italorum Sapientia di Giambattista Vico. Indici e ristampa anastatica, Firenze 1998 (Lessico Intellettuale Europeo LxxIV). Deutsche Übersetzung nach der Ausgabe von Stephan Otto und Helmut Viechtbauer, München 1979 (abgekürzt mit der Sigle LM). Nota bene: in der Unterteilung der Kapitel dieser Schrift gibt es seit der von Nicolini eingeführten neuen Nummerierung (cf. G. Vico: Opere, vol. I, ed. Fausto Nicolini, Bari 1914, welcher auch LM folgt) eine Diskrepanz zwischen den modernen Ausgaben und dem Originaldruck. Wir folgen in der Einteilung letzterer. So formuliert Vico in seiner Risposta, cf. LM p. 170. Cf. De Antiquissima, VII, p. 102 (LM p. 118–119): „Quare satis eleganter Scholae loquiuntur, quum sensum, phantasiam, memoriam, intellectum animae facultates dicunt: sed elegantiam inquinant, quum colores, sapores, sonos, tactus in rebus

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III. DIe Lehre vom IngenIum

kommt Vico zu der zunächst überraschend anmutenden Feststellung, die Phantasie sei das Vermögen, dem am meisten Gewissheit zukomme, denn im schöpferischen Akt der Phantasie erschaffen wir uns die Sinnbilder der Dinge („Phantasia certissima facultas est, quia dum ea utimur rerum imagines fingimus“).23 Das siebente Kapitel des Liber Metaphysicus ist so aufgebaut, dass auf diesen einleitenden Abschnitt vier Paragraphen folgen, in welchen nacheinander mit zunehmender Ausführlichkeit die Sinnestätigkeit (§ I. De Sensu), Gedächtnis und Phantasie (§ II. De Memoria, & Phantasia), das Ingenium (§ III. De Ingenio) und schließlich das Vermögen sicheren Wissens (§ IV. De certa facultate sciendi) behandelt werden. Vicos Abhandlung der diversen Geistesvermögen kulminiert freilich im Ingenium, es ist, wie es in den Risposte heißt, die besondere Fähigkeit des Wissens („la particular facultà di sapere“). Verweilen wir einen Moment bei dieser sogenannten Risposta, einer Entgegnung auf eine Besprechung des Liber Metaphysicus, da Vico hier rückblickend eine Zusammenfassung über den Argumentationsgang seiner Schrift gibt. Im Anschluss an seine Darlegungen über den Geist habe sich ihm – so führt Vico hier aus – im siebenten Kapitel die Gelegenheit geboten, über die Fähigkeiten des menschlichen Geistes nachzudenken. Und da diese durch eine Bereitschaft zum Tätigwerden charakterisiert seien, ziehe er daraus den Schluss, dass der Geist mit jeder seiner Fähigkeiten sich seine eigenen Objekte gleichsam herstellt. In den Überlegungen zum Erinnerungsvermögen und zur Phantasie vertrete er die Ansicht, dass beide ein und dieselbe Geistesfähigkeit seien. Aus diesen Prinzipien geht die besondere Fähigkeit des Wissens hervor, die Vico als Ingenium bezeichnet. Mit seinem Ingenium nämlich bringt der Mensch die Dinge in einen Zusammenhang, Dinge, die aus der Sicht jener, die keinerlei Ingenium besitzen, in überhaupt keiner wechselseitigen Beziehung zu stehen scheinen.24

23

24

esse opinantur. Nam si sensus facultates sunt, videndo colores, sapores gustando, sonos audiendo, tangendo frigida, & calida rerum facimus.“ De Antiquissima, VII, p. 103; LM p. 118. Betrachtet man die hier formulierte Einsicht über den schöpferischen Akt der Phantasie im Kontext des verum-factumAxioms, so könnte man hierin bereits die Grundlagen für Vicos spätere in der Scienza Nuova vollzogene Wendung zum kulturgeschichtlichen Verlauf und der besonderen Rolle, welche die Phantasie in diesem Verlauf spielt, sehen. Die Risposte sind in der zitierten deutschen Ausgabe mitabgedruckt. Der hier paraphrasierte Passus findet sich LM p. 170: „Come appendici di queste cose mi si offeriscono le facultà dell’animo; ed essendo la facultà una prontezza di operare, ne raccolgo che l’animo con ciascuna facoltà si faccia il suo proprio soggetto […]. Ragiono della memoria e della fantasia, e fermo che sono una medesima facultà. Poi, derivando da sì fatti princípi la particular facultà del sapere, dico esser lo ingegno, perché con questa l’uomo compone le cose, le quali, a coloro che pregio d’ingegno non hanno, sembravano non aver tra loro nessun rapporto.“

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An diesem Punkt der retrospektiven Zusammenfassung des im Liber Metaphysicus vollzogenen Argumentationsganges sind wir an der grundlegenden Bestimmung des Ingeniumsbegriffes angelangt. Wenden wir uns von dieser Rückschau wieder direkt zum Text des Liber Metaphysicus zu, so begegnet uns genau diese Bestimmung des Ingeniums als Fähigkeit zur Beziehungssetzung. Der dritte Paragraph des siebenten Kapitels, welcher explizit dem Ingenium gewidmet ist (Cap. VII. De Facultate, § III. De Ingenio), hebt denn auch mit definitorischer Schärfe an: Das Ingenium ist das Vermögen, Getrenntes und Verschiedenes zu einer Einheit zu verbinden. Ingenium facultas est in unum dissita, diversa conjungendi.25 Nachdem Vico im folgenden den Unterschied von scharfen (acutum) und stumpfen (obtusum) Ingenium anhand des geometrischen Beispiels von scharfen und stumpfen Winkel erläutert, kommt er zu der Feststellung: „Weiterhin sind bei den Lateinern ingenium und natura dasselbe. Ist der Grund dafür, dass das Ingenium gleichsam die Natur des Menschen ausmacht (ingenium natura hominis sit)?“26 Das Ingenium scheint also dem Menschen durchaus natürlich zu sein. In dieser Betonung der Natürlichkeit des Ingeniums wird die Tendenz Vicos bemerkbar, die geistigen Fähigkeiten des Menschen in ihrer Bezüglichkeit zum Körperlichen zu thematisieren.27 Die hier von Vico vertretene Äquivalenz von ingenium und natura gewinnt allerdings vornehmlich an Profil vor dem Hintergrund damaliger zeitgenössischer Debatten um den Unterschied von Mensch und Tier. Denn während die Tiere nur auf das unmittelbar Gegebene zu reagieren vermögen, zeichnet es den Menschen mit seinen geistigen Fähigkeiten aus, eben auch aus der Distanz mitunter Weitauseinanderliegen-

25 26 27

De Antiquissima, VII, § iii, p. 107; LM p. 127. De Antiquissima, VII, § iii, p. 108; LM p. 126. Es sei daran erinnert, dass es diese Phrase ist, die dem bereits zu Beginn dieses Kapitels zitierten neapolitaner Kongress als Titel und Leitthema gedient hat. Cf. dazu Marco Veneziani, art. cit., p. 309–310: „L’attenzione di Vico si rivolge soprattutto alle articolazioni della mente che presentano nel massimo grado l’apertura alla varietà del corporeo: senso, memoria, fantasia. L’ingegno conserva una speciale e difficile posizione di confine.“ Generell ist Veneziani zuzustimmen in der Charakterisierung des vichianischen Ansatzes als „intento di trovare nuovi spazi speculativi per una nozione di mente capace di trovare nel collegamento col corpo un antidoto sia alla ipertrofia dell’intelletto sia a quella complementare del senso“ (ibid. p. 307).

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des verbinden zu können, eine Handlungsweise, die gerade typisch für das Ingenium ist.28 Die folgenden Ausführungen Vicos sind aber vor allem von der Frage nach der Funktion des Ingeniums bestimmt. Vico nennt hierbei zunächst das Zusammenmaß (commensus). Es kommt dem Ingenium zu, das Zusammenmaß der Dinge zu erblicken („ingenium est videre rerum commensus“). Die Rede vom Zusammenmaß legt es nahe, dass das menschliche Wissen sich durch das Erkennen der Kongruenz der Dinge vollzieht. Allein die hier zitierten Bestimmungen des Ingeniums werden in diesem dritten Abschnitt von Vico zumeist in Fragesätzen formuliert. So scheint es sinnvoll, dass sich die Diskussion des Ingeniums auch über den nächsten Abschnitt erstreckt. Der nachfolgende Abschnitt handelt über das mit Gewissheit verbundene Vermögen zum Wissen (§ IV. De certa facultate sciendi) und hebt folgendermaßen an: „Unsere Überlegungen haben uns bis zu dem Punkt geführt, wo wir erforschen müssen, welches jenes eigentümliche Vermögen des Menschen sei, mit dem er zum Wissen von Gegebenem kommt.“29 Vico differenziert dann zunächst drei mentale Operationen, nämlich Wahrnehmen (Perceptio), Urteilen (Judicium) und schlussfolgerndes Denken (Ratiocinatio). Diesen Vermögen entprechen wiederum je eigene Verfahrensweisen oder Kunstfertigkeiten (artes), so wird das Vermögen zur wahrnehmenden Erfahrung durch die Topik (Topica) gelenkt, das Vermögen der Urteilskraft durch die Kritik (Critica), schließlich das Vermögen zum schlussfolgernden Denken durch die Methode (Methodus). Nachdem Vico daraufhin das Verhältnis von Topik und Kritik diskutiert, kommt er zu der Beobachtung, dass man auch einen Schüler nicht geradewegs auf die Kritik hinführe, sondern vielmehr durch das oftmalige Vorsetzen anschaulicher Beispiele zunächst das Urteilsvermögen ausbilde. Dementsprechend sind für Vico Findungsvermögen (ars inveniendi) und Urteilsvermögen (ars iudicandi) eigentlich keine unvermittelte Gegensätze, sondern vielmehr miteinander korreliert. Denn weder ist eine Findung ohne Urteil möglich, noch kann ein Urteil ohne Findungsgabe als gewiss gelten („neque enim inventio sine iudicio, neque iudicium sine inventio certum esse potest“). Eine Entgegensetzung von iudicium und inventio kann nur entstehen, wenn man der Aufgabe des Ingeniums als verbindenden Moments nicht gewahr ist. Mit einem historischen Ausblick bemerkt Vico daher:

28 29

Cf. M. Veneziani, art. cit., p. 310, mit Verweis auf De Antiquissima, V, § i, p. 91 [LM, p. 107]. LM, p. 129; De Antiquissima, VII, § iv, p. 109: „Quae meditata disquirendi occasionem faciunt, quae sit propria homini facultas ad sciendum data.“

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Hoc dissidium inventionis, & judicii non aliunde inter Graecos ortum, nisi quod facultatem sciendi propriam non attenderunt. Ea enim ingenium est, quo homo est capax contemplandi, ac faciendi similia.30 Hier begegnet schließlich auch die Rede von der Phantasie als des Auges des Ingeniums, so wie das Urteil das Auge des Intellektes sei: Phantasia quae ita est ingenii oculus, ut judicium est oculus intellectus.31 Die von Vico in diesem Werk entfaltete Diskussion lässt die zentrale Stellung des Ingeniums im Erkenntnisprozess deutlich werden. Mit dem Liber Metaphysicus liegt die bedeutsamste Abhandlung über das Ingenium vor und so präsentiert diese Schrift die wesentliche Bestimmung dieses Themas, die auch nachfolgend ihre Gültigkeit bewahrt. Betrachtet man gleichwohl Vicos Denken unter dem Aspekt seiner Entwicklungslinien, so kann man im Einvernehmen etwa mit den Untersuchungen von Marco Veneziani darauf hinweisen, dass dieses Thema des Ingeniums durchaus einer gewissen Konjunktur unterliegt.32 Während das Ingenium in Vicos Liber Metaphysicus eine zentrale Rolle spielt, scheint diese nachfolgend in den Werken wie dem Diritto universale (1720–1722) oder auch der ersten Scienza Nuova (1725) zunächst zurück zu treten. Das mag zum einen daran liegen, dass Vico die im Liber Metaphysicus herausgearbeiteten Bestimmungen stillschweigend voraussetzt, zum anderen mag die zunehmende Beschäftigung mit dem Problem der Geschichtlichkeit innerhalb der Ökonomie seines Werkes zunächst eine Verlagerung der thematischen Schwerpunkte verursacht haben.33 Neben 30

31

32 33

De Antiquissima, VII, § iv, p. 116; LM p. 135: „Der Zwiespalt zwischen Finden und Urteilen ist bei den Griechen daraus entstanden, daß sie dem ingenium, als dem eigentlichen Erkenntnisvermögen des Menschen, keine Aufmerksamkeit schenkten. Das ingenium ist nämlich jenes Vernunftvermögen, das dem Menschen dazu befähigt, Ähnliches hervorzubringen und in seiner Ähnlichkeit zu bewerten.“ De Antiquissima, VII, § iv, p. 122; cf. LM p. 139. Später, in der Scienza Nuova, wird Vico diese Metaphorik des Auges modifiziert wieder aufgreifen und Geographie und Chronologie als Augen der Geschichte bezeichnen (cf. SN 1744, cpv. 17). Zum Topos von den Augen der Geschichte siehe auch Ferdinand Fellmann: Das VicoAxiom: Der Mensch macht die Geschichte, Freiburg / München 1976, p. 157 sq. sowie generell die Studie von Manuela Sanna: La fantasia, che è l’ occhio dell’ingegno. La questione della verità e della sua rappresentazione in Vico, Napoli 2001 (Studi vichiani 34). Cf. Marco Veneziani: Ingenium e ingegno nelle opere di Vico, in: Stefano Gensini / Arturo Martone (ed.): Ingenium propria hominis natura, Napoli 2002, p. 295–325. Cf. M. Veneziani: art. cit., hier insbes. p. 316: „Abbiamo esaminato qualche aspetto della metafisica di Vico nel 1710, una costruzione compiuta anche se non priva di tensioni interne. La scoperta della storia, come si può immaginare, ebbe conseguenze importanti, con riflessi anche sul piano puramente lessicale, ma per quanto riguarda specialmente la facultas sciendi si rilevò davvero catastrofico. Nel Diritto universale come nella Scienza nuova prima, mentre il ruolo dell’arte topica va

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III. DIe Lehre vom IngenIum

den vorstehend behandelten Ausführungen seines Liber Metaphysicus finden sich wichtige und zusammenhängende Bemerkungen zum Ingenium erst wieder in einer Gelegenheitsschrift Vicos aus den späten 1720er Jahren.

D ie D ig r e ssion i n de n V i c i V i n d i c i a e Nach Erscheinen der ersten Scienza Nuova im Jahre 1725 publizierte einer der wichtigsten damaligen Periodica der Gelehrtenrepublik, die Acta Eruditorum in Leipzig, eine Rezension. Diese kurze und anonyme Besprechung der Scienza Nuova ist eher als ein Verriss zu bezeichnen und empörte Vico derart, dass er eine Gegenschrift niederzuschreiben beschloss, um die zahlreichen Ungenauigkeiten und Verleumdungen zu widerlegen. Diese kleine Gelegenheitsschrift, die den Titel Vici Vindiciae trägt,34 enthält eine Digression über das Ingenium, die scharfsinnigen Redewendungen und das Lachen („De humano ingenio, acute arguteque dictis et de risu e re nata digressio“). Ausgangspunkt dieser Widerlegung war die Bemerkung des Rezensenten, das Werk Vicos sei mehr ingeniös als wahr, „magis ingenio indulgere quam veritati“. Dieser umgangssprachliche und unphilosophische Gebrauch des Ingeniumsbegriffs fordert Vico zu einer Entgegnung heraus.35 So beginnt er seinen Exkurs mit der Feststellung, dass alle Wissenszweige, von der Philosophie bis zur Geometrie und bis zur Philologie, deutlich die Absurdität dieser Auffassung zeigen, das Ingenium stehe der Wahrheit entgegen: Sed philosophia, geometria, philologia atque adeo omnia doctrinarum genera istam opinionem, ingenium cum veritate pugnare, absurdissimam esse manifesto convincunt.36

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35

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incontro a un’eclissi, la frequenza stessa dei termini che indicano la facoltà sintetica si riduce a molto e, per quanto riguarda le valenze semantiche, si ha l’impressione che l’ingegno torni a parlare quasi esclusivamente con la voce della natura.“ Der komplette Titel lautet Vici Vindiciae. Ioh. Baptistae Vici Notae in Acta Eruditorum Lipsiensia mensis Augusti a. MDCCXXVII ubi inter Nova Literaria unum extat de eius libro cui titolus Principii d’una Scienza Nuova dintorno alla Natura delle Nazioni, Neapoli 1729. Eine kritische Edition nun in Giambattista Vico: Varia. Il De Mente Heroica e gli scritti latini minori, ed. Gian Galeazzo Visconti, Napoli 1996 (Opere di Giambattista Vico, xII). Eine kongeniale Behandlung dieser Episode bei Jürgen Trabant: Vindizierte Vaterschaft oder Vicos Digression über das Ingenium und das Lachen, in: Bernhard Dotzler et al. (ed.): Cachaça: Fragmente zur Geschichte von Poesie und Imagination [Festschrift Karlheinz Barck], Berlin 1996, p. 138–143 (dort auch eine deutsche Übersetzung der „Digression“, von der im folgenden freier Gebrauch gemacht wird). G. Vico: Varia, ed. cit., p. 58.

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2. DIe Lehre vom IngenIum In vIcos Werk

Vico durchläuft dann in seiner Entgegnung diese hier genannten Disziplinen, um die Rolle des Ingeniums in ihnen hervorzuheben. Die besondere Rolle des Ingeniums gelte, so Vico, zunächst für die Philosophie. Et principio philosophia; namque non solum vulgo dicitur sed philosophis quosque probatur ingenium esse divinum omnium inventionum parentem.37 Und zuallererst die Philosophie, denn man sagt nicht nur im alltäglichen Sprachgebrauch, sondern es ist auch von den Philosophen bewiesen worden, daß das Ingenium der göttliche Erzeuger [parens] aller Erfindungen ist.38 Diese Bezeichnung als „göttlicher Erzeuger aller Erfindungen“ lässt die fundamentale Bedeutung des Ingeniums in Vicos Wissenschaftsauffassung nur allzu deutlich werden. In der Tat erstreckt sich die Funktion des Ingeniums auf die verschiedensten Gebiete der kulturellen Tätigkeit, auf mechanische und technische Erfindungen ebenso wie auf das synthetische Verfahren der Geometrie, welche mithilfe mental konstruierter Figuren das Wahre hervorbringt. Für das Gebiet technischer Erfindungen findet das Wirken des Ingeniums auch heutzutage noch eine sprachliche Bestätigung in der Berufsbezeichnung des Ingenieurs. So führt Vico dazu aus: „Und zu Recht werden diejenigen, die eine zu den Zwecken der Mechanik herabgelassene Geometrie zum Ausführen ziviler und militärischer Werke betreiben, bei uns Italienern, mit einem knappen und kenntnisreichen Wort, ingegnieri genannt.“39 Folgerichtig ist es dann Daedalus als Prototyp des Erfinders, der sich durch Ingenium auszeichnet.40 Gegen Ende seiner „Digression“ kommt Vico auf das Gebiet des Philologischen zu sprechen, wobei er in Anlehnung an die bereits bekannten Definitionen des Ingeniums als Moment der Bezugsetzung und Fähigkeit der Verbindung von Auseinanderliegendem ausführt: 37 38 39

40

Ibid. Übersetzung nach J. Trabant: Vindizierte Vaterschaft, art. cit., p. 140. Übersetzung erneut nach Trabant: Vindizierte Vaterschaft, art. cit., p. 140–141. Cf. den originalen Wortlaut in G. Vico: Varia, ed. cit., p. 60: „Et sane qui geometriam in mechanicae usus delapsam ad opera sive urbana sive militaria efficienda profitentur, apud nos Italos, momentoso et scientiae referto vocabulo, vocantur ingegnieri.“ Der gleiche Hinweis auf die „ingegnieri“ findet sich bereits in De Antiquissima, VII, § iii, p. 108–109; LM p. 127. Siehe dazu den Abschnitt über die „Politik der Heroen“ in der Scienza Nuova, wo es von der Kunst der Schiffahrt heißt: „vi bisognò fior d’ingegno, per ritruovarle ; tanto che Dedalo, che funne il Ritruovatore, restò a significar’esso ingegno“ (SN 1744, p. 302, [cpv. 634]).

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III. DIe Lehre vom IngenIum

Schließlich lehrt die Philologie in der Rhetorik, daß der Scharfsinn [acumen] des Ingeniums ohne Wahrheit nicht bestehen kann; Sachen, die gewöhnlicherweise außerordentlich weit verstreut und versprengt erscheinen, rückt er zusammen und spitzt er zu [acuit] auf einen gemeinsamen Grund versteckter Wahrheit, durch den etliche lange Überlegungen eingespart werden können, so daß diese Sachen sich als miteinander durch einen eleganten Nexus verknüpft und verbunden erweisen.41 Postremo philologia in rhetoricis docet ingenii acumen sine veritate stare non posse, quod res quae, distractae dissitaeque, quam longissime vulgo videbantur in aliquam latentis veri communem rationem stringit et acuit, in qua, complurium longarum ratiocinationum compendio facto, res illae concinno inter se nexu aptae colligataeque esse deteguntur.42 Vicos Ausführungen machen deutlich, dass sich die Funktion des Ingeniums auf die verschiedensten Wissenszweige und kulturellen Tätigkeiten erstreckt. Das Ingenium ist die eigentliche Produktivkraft menschlichen Schaffens. Für die erkenntnistheoretische Kontextualisierung beschreibt Trabant konzise die Situation mit den Worten: „Vicos Philosophie ist darauf aus, die altmodische Opposition zwischen den – mit dem Machen, dem poein, der ‚Poesie‘ im etymologischen Sinne verbundenen – ‚niederen‘ Geistesvermögen Gedächtnis, Phantasie und Ingenium und der vermeintlich ‚höheren‘ Ratio zu überwinden. […] Daß zwischen Ratio und Ingenium kein Gegensatz besteht, sondern daß das Ingenium der rationalen Wahrheit zugrunde liegt, ist der erkenntnistheoretische Grundgedanke, den Vico gegen den gängigen rationalistischen Diskurs seiner Zeit verteidigen muß.“43 Die Digression in der Gelegenheitsschrift der Vici Vindiciae stellt die letzte größere zusammenhängende Behandlung des Ingeniums in Vicos Werk dar. In der in diese Zeit fallende Neubearbeitung seines Hauptwerkes, der zweiten Fassung der Scienza Nuova, findet das Ingenium zwar wieder erneut Erwähnung, aber eine ausführliche Behandlung wird ihm dort nicht mehr zuteil. Das dürfte vor allem dadurch erklärbar sein, dass Vico die vorhergehende Abhandlung dieses Themas als bekannt voraussetzt. In der Scienza Nuova begegnet das Ingenium dann als Teil eines stets auf sich verweisenden Komplexes von Vermögen.

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Übersetzung wiederum nach Trabant: Vindizierte Vaterschaft, art. cit., p. 141. G. Vico: Varia, ed. cit., p. 62. J. Trabant: Vindizierte Vaterschaft, art. cit., p. 140.

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2. DIe Lehre vom IngenIum In vIcos Werk

D ie Tr i a s von m em o r i a – fa nt a s i a – i ngeg n o Wenn in der Scienza Nuova vom Ingenium gesprochen wird, so ist es als Teil eines umfassenderen Zusammenhangs thematisiert. Bereits in seinen frühen Schriften hatte Vico das Ingenium im Zusammenhang mit dem Gedächtnis und der Phantasie behandelt. In seinem Liber Metaphysicus ist das Ingenium eng an diese beiden Vermögen von Gedächtnis und Phantasie gerückt. Doch bereits in seiner früheren Schrift über die Studienmethode, De nostri temporis Studiorum Ratione, hatte Vico vorsichtig formuliert, dass sich das Gedächtnis mit der Phantasie wenn nicht ganz, so doch beinahe deckt.44 Im Liber Metaphysicus ist denn die Gleichsetzung von Gedächtnis und Phantasie in dem bereits erwähnten Abschnitt (Cap. VII, § II. De Memoria, & Phantasia) durchaus vollzogen, wenn Vico schreibt, Gedächtnis (memoria) sei bei den Lateinern das, was die Sinneswahrnehmungen aufbewahrt, und was auch Erinnerung (reminiscentia) heißt, sobald das im Gedächtnis Aufgehobene wieder hervorgeholt wird. Es bedeute jedoch auch dasjenige Vermögen, mit dessen Hilfe wir uns Vorstellungsbilder machen (imagines conformamus), und das bei den Griechen Phantasie, bei uns aber Imagination genannt wird; denn was wir im gewöhnlichen Sprachgebrauch unter sich vorstellen (imaginari) verstehen, bezeichnen die Lateiner mit der Redewendung „aus dem Gedächtnis hervorholen“: Memoria latinis, quae in sua penu per sensus percepta condit, quae Reminiscentia, dum promit, appellatur. Sed & facultatem, qua imagines conformamus, & phantasia Graecis, & nobis imaginativa dicta est, significabat: nam quod vulgo imaginari, Latini memorare dicunt.45

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45

Die hier bereits angesprochene Stelle aus der Universitätsrede De nostri temporis Studiorum Ratione lautet in extenso in ihrem pädagogischen Kontext: „Et memoriam, quae cum phantasia, nisi eadem, certe pene eadem est, in pueris, qui nulla alia mentis facultate praestant, excoli impense necesse est: necque ingenia ad artes, quae phantasia, vel memoria, vel utraque valent, ut Pictura, Poëtica, Oratoria, Jurisprudentia, quicquam sunt hebetanda“ (ed. 1709, p. 22). Die deutsche Übersetzung gemäß der Ausgabe von W. F. Otto, ed. cit., p. 29: „Auch das Gedächtnis, das sich mit der Phantasie wenn nicht ganz, so doch beinahe deckt, muß bei den Knaben, die in keiner anderen geistigen Fähigkeit so viel vermögen, mit Sorgfalt ausgebildet werden. Auch dürfen die Geister für die Künste, die ihre Kraft aus der Phantasie, dem Gedächtnis oder beiden zusammen schöpfen, wie Malerei, Dichtkunst, Redekunst, Jurisprudenz, ja nicht unempfänglich gemacht werden“. De Antiquissima, VII, § ii, p. 106 (LM p. 125). Deshalb schließt Vico auch den Abschnitt mit der Bemerkung, dass in den griechischen Mythen die Musen, welche Tugenden der Phantasie versinnlichen, Töchter des Gedächtnisses seien, cf. ibid. p. 107: „Quare musas Graeci, quae phantasiae virtutes sunt, memoriae filias esse suis fabulis tradiderunt.“

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III. DIe Lehre vom IngenIum

Mit den hier angeführten Passagen aus dem Frühwerk liegen die Elemente bereit für die Gleichsetzung von memoria, fantasia und ingegno, wie sie dann in der Scienza Nuova begegnet. Diese Trias wird in der Scienza Nuova scheinbar nur beiläufig an zwei Stellen erörtert. In den Philosophischen Beweisen für die Entdeckung des wahren Homer („Pruove filosofiche per la discovertà del vero Omero“) im dritten Buch heißt es: le quali facultà appartengono egli è vero alla mente ; ma mettono le loro radici nel corpo , e prendon vigore dal corpo : onde la memoria è la stessa, che la fantasia ; la quale perciò memoria dicesi da’ Latini […]; e fantasia altresì prendersi per l’ ingegno ; […] e prende tali tre differenze ; ch’ è memoria , mentre rimembra le cose ; fantasia , mentre l’ altera , e contrafà ; ingegno , mentre le contorna , e pone in acconcezza , ed assettamento : per le quali cagioni i Poeti Teologi chiamarono la Memoria madre delle Muse.46 Diese Vermögen gehören, das ist wahr, dem Geist, aber ihre Wurzeln stecken im Körper und aus ihm ziehen sie ihre Kraft. Daher ist das Gedächtnis dasselbe wie die Phantasie, die deshalb bei den Lateinern memoria genannt wird […]; und Phantasie ihrerseits wird für Ingenium gebraucht, […]. Und der Geist nimmt diese drei unterschiedliche Formen an, dass er Gedächtnis ist, wenn er die Dinge erinnert, Phantasie, wenn er sie verändert und nachschafft, Ingenium, wenn er sie umfasst und in Harmonie und Ordnung setzt. Aus diesen Gründen nannten die theologischen Dichter die Memoria Mutter der Musen. An anderer Stelle der Scienza Nuova, in dem Abschnitt des zweiten Buches über die „poetische Physik“ in welcher über die heroische Natur gehandelt wird, heißt es: Denn die Phantasie ist nichts anderes als ein Wiederhervorspringen von Erinnerungen, und das Ingenium nichts als eine Tätigkeit an den Dingen, deren man sich entsinnt. Ma la fantasia altro non è, che risalto di reminiscenze ; e l’ ingegno altro non è, che lavoro d’intorno a cose, che si ricordano.47 Mit dieser Trias von memoria, fantasia und ingegno wird also ein Komplex an Geisteskräften beschrieben, der zwar in sich ausdifferenziert ist, eben jene drei Aspekte annehmen kann („e prende tali tre differenze“), aber doch auf 46 47

SN 1744, p. 394–395 (cpv. 819). SN 1744, p. 336 (cpv. 699). Die deutsche Übersetzung hier in Anlehnung an die Ausgabe von Erich Auerbach, op. cit., p. 291.

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3. IngenIum: eIne Zusammenschau

eine Einheit bezogen bleibt, die eben der Geist (mente) ist.48 Mit memoria, fantasia und ingegno sind drei grundlegende operative Begriffe der vichianischen Philosophie benannt. Von dem Ingenium wird man freilich sagen dürfen, dass es den zentralen Begriff darstellt, der das, was das Gedächtnis erinnert und was durch die Phantasie wieder hervor gebracht und eventuell modifiziert wird, allererst in die rechte Anordnung bringt. Das Ingenium umfasst (contorna) daher eben jene Operationen für welche die anderen beiden Vermögen zuständig sind.

3. I ngen iu m: ei ne Zusa m mensc hau Die Doktrin vom Ingenium zieht sich wie gesehen konstant durch das gesamte Werk Vicos. Es ist in den einschlägigen Untersuchungen zum Thema bereits konstatiert worden, dass die wesentliche Definition des Ingeniums als eines scharfsinnigen Vermögens sich durchgängig auch in den verschiedenen Entwicklungsstufen des vichianischen Werkes auffinden lässt.49 Die synthetische Tätigkeit des Ingeniums als ein Verbinden von Verschiedenem, gemäß der bereits zitieren Definition aus De Antiquissima VII, iv, koinzidiert mit der facultas sciendi schlechthin. Das Vermögen sicheren Wissens stützt sich dabei auf die Topik, wie Vico mehrfach betont. Das topische Verfahren, welches eine Fülle von Gedanken durchläuft und somit eine Vielzahl möglicher Gesichtspunkte berücksichtigt, wird somit allererst zur Voraussetzung sicheren Wissens. Im Liber Metaphysicus formuliert Vico daher die Ansicht: Hingegen erst dann, wenn man in kritischer Intention alle topisch erhebbaren Hinsichten durchleuchtet hat, wird man auch Gewissheit haben, einen Sachverhalt deutlich und unterschieden zu wissen („clare et distincte nosse“). Man hat ja die zur Untersuchung stehende Sache im Hinblick auf alle nur möglichen Gesichtspunkte hin und her gewendet. Dass heißt: eine topische Untersuchungsweise, die alle nur möglichen Fragehinsichten durchlaufen hat, wird selber eine kritische Untersuchungsweise werden.50 48

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50

Für eine Diskussion dieser Stellen und ihres Kontextes sei verwiesen auf Jürgen Trabant: Neue Wissenschaft von alten Zeichen: Vicos Sematologie, op. cit., cap. 7, sowie neuerdings Stephan Otto: Die Wiederholung und die Bilder. Zur Philosophie des Erinnerungsbewußtseins, Hamburg 2007, cap. I, passim. Cf. Luigi Pareyson: La dottrina vichiana dell’ingegno, in: Idem, L’esperienza artistica. Saggi di storia dell’estetica, Milano 1974, p.39–75, hier p. 47: „La concezione dell’ingegno come facoltà dell’acuto è rimasta costante in tutto lo svolgimento del pensiero vichiano.“ Ähnlich auch M. Veneziani, art. cit., passim. De Antiquissima, VII, § iv, p. 115; LM p. 133: „At si Critica face locos Topicae omnes perlustret; tunc certus erit se rem clare & distincte nosse; quia per omnes quae-

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III. DIe Lehre vom IngenIum

Topik, wie sie hier von Vico konzipiert wird, verbindet sich mit einer Kritik der Erkenntnis. Sie geht daher über ein rhetorisches Verständnis der Topik als Argumentationsfindung für die Rede weit hinaus, vielmehr erhält sie bei Vico eine wichtige Funktion innerhalb des Erkenntnisprozesses zugewiesen.51 Die Topik wird damit selbst zu einer philosophischen Methode. Man könnte mit Karl Otto Apel sagen, die Topik wird für Vico zur Fähigkeit des Menschen schlechthin, „die Welt und seine Beziehung zu ihr in einem System von Bedeutungseinheiten auszulegen und aus diesem her jedes einzelne Ding ‚gut und vollständig‘ zu bestimmen“.52 In diesen Zusammenhang ist auch Vicos durchaus originelle Verhältnisbestimmung von Topik und Kritik zu verstehen, genauer gesagt, die Auffassung, dass die Topik der Kritik vorauszugehen habe. Dieser Gedanke, der bereits in der frühen Schrift über die Studienmethode diskutiert wird, findet sich schließlich auch in der Scienza Nuova wieder. Gegen Ende des Abschnitts über die poetische Logik, in den letzten Corollarien, die Logik der Gelehrten betreffend, resümiert Vico, die Vorsehung habe die menschlichen Angelegenheiten wohl gelenkt, indem sie im menschlichen Geist die Topik vor der Kritik entwickelt habe, denn das erste ist es, die Dinge zu erkennen, das spätere, sie zu beurteilen. Denn die Topik ist die Fähigkeit, den Geist ingeniös zu machen, so wie die Kritik ihn exakt macht. Schließlich sei das Erfinden Sache des Ingeniums: V. La Provvedenza ben consigliò alle cose umane, col promuovere nell’umane menti prima la Topica, che la Critica; siccome prima è conoscere, poi giudicar delle cose : perchè la Topica è la facultà di far le menti ingegnose, siccome la Critica è di farle esatte ; […] e ’l ritruovare è propietà dell’ Ingegno.53

51

52 53

stiones, quae de re proposita institui possunt, rem versavit: & per omnes versasse, Topica ipsa Critica erit.“ Zutreffend formuliert auch Davide Luglio: La science nuovelle ou l’extase de l’ordre. Connaissance, rhétorique et science dans l’oeuvre de G. B. Vico, Paris 2003, p. 38: „Cette topique va bien au-delà de la notion rhétorique galvaudée du même nom: elle se veut un instrument épistémologique.“ Und Sylvaine Leonie bemerkt in ihrem Aufsatz Les mots sous les mots: L’ingegno chez Vico, in: Création et Mémoire dans la culture italienne (xVe – xVIIIe siècles), Textes réunis et présentés par Sylvaine Leonie et Alfredo Perifano, Besançon 2001 (Annales Littéraires de l’Université de Franche-Comté), p. 149–170: „Pour Vico, ce qui constitue la topique semble donc être une démarche inductive unificatrice du réel plus que la somme des lieux communs légués par la tradition“ (p. 164). Cf. Karl Otto Apel: Die Idee der Sprache in der Tradition des Humanismus von Dante bis Vico, Bonn 1963 (Archiv für Begriffsgeschichte VIII), p. 345. SN 1744, p. 208 (cpv. 498).

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3. IngenIum: eIne Zusammenschau

Darüber hinaus ist die Topik für Vico mit der „primordialen Tätigkeit“ des Geistes verbunden. In dem gleichen Abschnitt zur Logik der Gelehrten heißt es unmittelbar bevor dem soeben zitierten Passus, dass man von diesem ersten Zeitalter der Welt in Wahrheit sagen könne, es sei mit der ersten Tätigkeit des menschlichen Geistes befasst gewesen, und zwar derart, dass man zuerst begann die Topik auszubilden, die eine Kunst ist, die erste Tätigkeit unseres Geistes gut zu regeln, indem sie die Orte lehrt, welche alle nacheinander zu durchlaufen sind, um alles zu erkennen an einem Ding, das man gut und vollständig erkennen will: III. Talche questa Prima Età del Mondo si può dire con verità ocupata d’ intorno alla prima operazione della Mente Umana. IV. E primieramente cominciò a dirozzare la Topica, ch’ è un Arte di ben regolare la prima operazione della nostra mente, insegnando i luoghi, che si devono scorrer tutti, per conoscer tutto, quanto vi è nella cosa, che si vuol bene, ovvero tutta conoscere.54 Die Topik ist also dasjenige Verfahren, welches den Geist ingeniös macht. In dieser Korrelation von Ingenium und Topik findet immer wieder eine Bestimmung Anwendung, nämlich das Moment des Durchlaufens der Fülle. Erst wenn man alle Aspekte einer Sache überblickt oder, wie Vico in seinem Liber Metaphysicus schreibt, alle Orte der Topik durchstreift hat (locos Topicae omnes perlustret), ist eine angemessene Erkenntnis einer Sache möglich.55 Diese Art der „Erörterung“ ist für die Methode der Topik durchaus in traditioneller Sicht kennzeichnend. Bereits in seiner Abhandlung über die Studienmethode beruft sich Vico auf die Ansicht, dass die Topik eine Rede reichhaltig (copiosus) mache. Denn wie könne man gewiss sein, alles gesehen zu haben (Sed qui certi esse possunt vidisse omnia)? Daher stammt ja jene höchste und so seltene Kraft der Rede, um derentwillen man sie voll nennt (unde illa summa et rara orationis virtus existit, qua plena dicitur). Die Topik ist eben die Kunst der reichhaltigen Rede und die in dieser Kunst Geübten verstehen sich darauf bei der Erörterung eines Themas alle Punkte, wo die Argumente liegen, wie die Buchstaben des Alphabets zu durchlaufen. Es ist eben hier das Moment des Durchlaufens (percurrere), auf das Vico wiederholt hinweist, so dass er im folgenden erneut schreiben kann, ein Redner, um die Gewissheit zu haben, alle Gemüter völlig erfasst zu haben, müsse alle Punkte, wo die Argumente liegen, durchlaufen haben.56 Dieses rhetorische praeceptum der topi54 55 56

SN 1744, p. 208 (cpv. 496–497). Cf. den in Anm. 50 zitierten Passus aus dem Liber Metaphysicus. De nostri temporis Studiorum Ratione, Neapoli 1709, p. 25: „Quare, ut orator omnium animos pertigisse certus fit, omnes argumentorum locos percurisse necesse est.” (cf. ed. W. F. Otto, p. 31–33).

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III. DIe Lehre vom IngenIum

schen Fülle, welches Vico auf die Erkenntnislehre anwendet und fruchtbar macht, erhält auf diese Weise eine neue und tiefere Bedeutung. Topik wird damit die Kunst, der Vielfalt der Dinge und der Verhältnisse gerecht zu werden, wie ein eindringlicher Interpret bereits trefflich konstatiert hat.57 In De Ratione machte Vico bereits – gegen die trockene Redeweise der Wissenschaft – geltend, dass es eine den Philosophen kennzeichnende Fähigkeit ist, bei weit auseinanderliegenden und verschiedenartigen Dingen die Analogien zu bemerken: „ut in rebus longe dissitis ac diversis similes videant rationes“.58 Und im Liber Metaphysicus führt er aus, das Verfahren des Ingeniums bestehe wie bereits dasjenige der antiken Dialektik in einer collatio similium, einer Zusammenstellung von Ähnlichkeitsbeziehungen.59 Bei diesem topischen Verfahren richtet sich das Ingenium auf die similitudines, eben jene Ähnlichkeitsbeziehungen, die zwischen den Dingen bestehen. Dass es „auch in der Philosophie ein Charakteristikum des Trefflichen sei, das Ähnliche in weit auseinanderliegenden Dingen zu sehen“, wie es in der Rhetorik des Aristoteles heißt,60 diesem aristotelischem Dictum würde auch Vico durchaus zustimmen. Die Fähigkeit solche Ähnlichkeitsbeziehungen zu erblicken ist ein metaphorischer Vorgang, bei dem die Bezugssetzung als der erkenntnistheoretische Urakt erscheint. Das Erblicken der Ähnlichkeiten kann als das primordiale Moment der Bezugssetzung bezeichnet werden und macht deutlich, dass der Erkenntnisprozess mithilfe von Ähnlichkeitsbeziehungen sich vollzieht. Mit den Worten des Nicolaus Cusanus lässt sich sagen, dass durch Ähnlichkeit Erkenntnis zustande komme: similitudine enim fit cognitio.61 Wenn das Erfassen der Ähnlichkeitsbeziehungen für den Erkenntnisprozess als konstitutiv angenommen wird, so resultiert daraus die führende Rolle des Ingeniums als eben jene Kraft des Geistes, die allererst befähigt, Ähnliches hervorzubringen, Getrenntes verbindet und das Zusammenmaß der Dinge, die collatio similium, zu erblicken versteht. Das Ingenium ist somit die synthetisierende Kraft schlechthin, insofern lässt sich sagen, dass die

57 58 59 60 61

So die Äußerung von Stephan Otto in der Einleitung zu der von ihm herausgegebenen Ausgabe, LM p. 9. De nostri temporis Studiorum Ratione, Neapoli 1709, p. 34 (cf. ed. W. F. Otto, p. 43). De Antiquissima, VII, § iv, p. 118 (LM p. 136). Cf. Aristoteles: Rhetorica III, 11, 1412a Nicolaus Cusanus: Idiota de mente, cap. III, 72 (ed. Renate Steiger, Hamburg 1995, p. 26/27; eine Edition dieses Werkes findet sich ebenso im Anhang von Ernst Cassirer: Individuum und Kosmos in der Philosophie der Renaissance, Leipzig / Berlin 1927 (Studien der Bibliothek Warburg x), herausgegeben von Joachim Ritter und übersetzt von Heinrich Cassirer, die genannte Stelle hier p. 222/223.)

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3. IngenIum: eIne Zusammenschau

„Idealform des menschlichen Geistes“ überhaupt nur in einem Vermögen zu Synthesisleistungen gelegen sein kann.62 Es ist eine reichhaltige Rede, die der Fülle der Dinge (copia rerum) und ihrer Beziehungen gerecht zu werden versucht, welche auch die Scienza Nuova kennzeichnet. Ein solches Durchlaufen der Fülle der Dinge kommt insbesondere in der Explikation des anfänglichen Bildes der Scienza Nuova zum Tragen. Wenn dabei das Ingenium als diejenige Fähigkeit bestimmt wird, zwischen den Dingen Verbindungen zu sehen, so ist diese Verbindungssetzung ein imaginativer Akt. Das Ingenium erweist sich als ein Synthesisvermögen welches auf Anschaulichkeit rekurriert. Der Versuch, ein Werk von einer so enzyklopädischen Struktur wie die Scienza Nuova einer Synthese – oder sagen wir Synopse – zu unterziehen, vermag sich nicht anders zu realisieren als mithilfe der Anschaulichkeit. Bei einer solchen Zusammenschau bedarf es des Ingeniums.

62

Cf. Stephan Otto: Giambattista Vico. Grundzüge seiner Philosophie, Stuttgart 1989, p. 45.

EPILOG

Wie die vorstehenden Untersuchungen gezeigt haben, kann die Scienza Nuova als ein Exempel spätbarocker Bildphilosophie gelten, dem nicht immer ausreichend Beachtung geschenkt worden ist. Vico setzt mit der Dipintura der Scienza Nuova und der nachfolgenden philosophischen Ekphrasis ein beziehungsreiches Geflecht ins Werk. Augenfällig bleibt hier durchaus eine Diskrepanz zwischen der Darstellung des Kupferstiches, welche prima facie als eher konventionell erscheinen mag, und dem allegorischen Interpretationsverfahren vonseiten Vicos. Es zeigt sich dabei jedenfalls, dass die Dipintura nicht ohne weiteres von selbst einsichtig ist, dass ihre adäquate Interpretation auf Vicos eigene Auslegung angewiesen bleibt. Von daher ist auch die Zirkularität der Bild-Text-Beziehung zu betonen. Dipintura und Spiegazione treten bei Vico in ein Verhältnis gegenseitiger Verwiesenheit, derart dass weder die Dipintura für sich isoliert hinlänglich verständlich sein dürfte, noch die aufwendige Spiegazione ohne die Dipintura Sinn macht. Angesichts dieser gegenseitigen Verwiesenheit könnte man vielleicht von einer Textbedürftigkeit des Bildes und andererseits von einer Bildbedürftigkeit des Textes sprechen. Absicht der vorliegenden Arbeit ist es, diese Konstellation einer erneuten Exegese zu unterziehen, d. h. einerseits dem auf der Dipintura Dargestellten eine ikonographische Analyse zu widmen, eingedenk der von Vico in der Spiegazione gebotenen Selbstauslegung, aber auch über diese hinausgehend, und sodann Vicos allegorisierendes Verfahren und deren Grundlage zu bedenken. Die im ersten Teil der Arbeit entfaltete ikonologische Analyse der Dipintura hat die zentrale Stellung der Metaphysik verdeutlicht, aber auch die Ambiguitäten ihrer Darstellung. Die Figur der Metaphysik scheint in der Dipintura ja zunächst in ihrer Ekstasis durch eine labile Situation gekennzeichnet. Wenn also die Darstellung den Zusammenhang von Ekstasis und labilem Gleichgewicht ins Bild setzt, so sollten die Bezüge – sowohl ikonologischer Natur wie auf der Ebene textinterner Referenzen – zu den Konzeptionen von Fortuna,

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epILog

Providentia und Prudentia hierbei einige Zusammenhänge erhellen. Die Figur der Metaphysik in ihrem Spannungsgefüge von Ekstasis und Labilität sollte dabei als eine dem vichianischen Verständnis der Metaphysik besonders angemessene Darstellung begriffen werden. Die Denkfigur der Metaphysik ist für Vico von fundamentaler Bedeutung. Vico steht in einer Tradition der Geistmetaphysik, einer Metaphysik der mens, welcher er im Kontext seiner als kulturphilosophisch zu bezeichnenden Reflexionen eine ganz neue Wendung verleiht. Eigenheit des vichianischen Verständnisses ist es gerade, eine der menschlichen Schwäche angemessene Metaphysik zu konzipieren. Dass dabei die Metaphysik, die mithin nicht selten als die abstrakteste der Wissenschaften gilt, bei Vico zu einer sinnlichen Erscheinungsweise kommt, die eben als anschauliche Verkörperung den Zugang zu seinem Werk säumt, mag die Originalität dieser neuen Wissenschaft bestärken. Für den Darstellungsmodus Vicos mag es folglich auch als zutreffend erscheinen, was Ernst Cassirer in seiner klassischen Studie über Individuum und Kosmos in der Philosophie der Renaissance hinsichtlich Giordano Bruno als typischen Exponenten der Renaissancephilosophie schrieb, dass nämlich „für die menschliche Erkenntnis sich die Idee nicht anders als in bildhafter Form darstellen und verkörpern lassen. Mag diese Darstellung dem ewigen transzendenten Gehalt der Ideen gegenüber noch so schattenhaft erscheinen: sie ist dennoch die unserem Denken und unserem Geist allein gemäße. Wie der Schatten nicht schlechthin Dunkelheit, sondern eine Mischung von Licht und Dunkel ist, so sind die Ideen, in menschliche Form gefaßt, nicht Trug und Schein, sondern die Wahrheit selbst, soweit sie einem begrenzten und endlichen Wesen faßbar ist. Für eine solche Denkart ist die Allegorie kein bloßes äußeres Beiwerk, keine zufällige Hülle, sondern sie wird zum Vehikel des Denkens selbst.“1 Als ein solches „Vehikel des Denkens“ darf auch die Dipintura gelten, deren prominente Position innerhalb der Scienza Nuova augenfällig ist. Die vorstehenden Analysen mögen daher auch nochmals die Frage nach der Rolle der „Idea dell’Opera“ im Aufbau der Scienza Nuova aufwerfen. Vicos neue Wissenschaft wurde eingangs als Entwurf einer Kulturphilosophie charakterisiert und als solcher widmet sie sich der Kulturgeschichte in ihrem Ablauf und vor allem ihren Prinzipien. Das erste Buch der Scienza Nuova hebt ja in der Tat mit einer Tavola cronologica, einem schematischen Plan oder Tafel an, die dann in reichhaltigen Annotationen expliziert wird. Innerhalb des Aufbaus der Scienza Nuova kommt der „Idea dell’Opera“, jene reziproke Verschränkung von Bild und Text, die Funktion einer vorangestellten Synthesis, einer Art Prolepsis der in diesem Werk ausgeführten Gedanken zu. Deswegen 1

Ernst Cassirer: Individuum und Kosmos in der Philosophie der Renaissance, Leipzig / Berlin 1927 (Studien der Bibliothek Warburg x), p. 78–79.

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epILog

ist mit der „Idea dell’Opera“ zugleich das Problem einer Einleitung, eines anfänglichen Ansatzpunktes in der Philosophie gestellt. Nach dieser „Idea dell’Opera“ hebt das erste Buch der Scienza Nuova mit der Grundlegung der Prinzipien an. Würde man diese anfängliche „Idea dell’Opera“ überspringen, so würde der Leser der Scienza Nuova direkt auf das erste Buch „Dello stabilmento de’ principj“ treffen, welches mit den Annotationen zur chronologischen Tafel anhebt. Die Scienza Nuova scheint hier den Annalen gleich sich in einer chronologischen Geschichtsschreibung zu vollziehen, deren Struktur sich ganz dem zeitlichen Ablauf anschmiegt. An anderer Stelle der Scienza Nuova nennt Vico die Chronologie und die Geographie die beiden „Augen der Geschichte“. Diese beiden Momente bezeichnen in der Tat die zeitliche und räumliche Abfolge resp. Ausdehnung. Die „Idea dell’Opera“ hingegen ist aus der Einsicht in die Notwendigkeit einer Überschreitung dieses rein chronologischen Prinzips im Sinne einer annalistischen Aufreihung geboren. Die „Idea dell’Opera“ folgt vielmehr einer Logik von Einfaltung und Entfaltung und damit einer zirkulären Struktur, die das Prinzip eines linearen Ablaufs außer Kraft setzt. Es sind dabei zwei Momente ausdifferenzierbar: die synthetische Kraft der Anschauung einerseits und das sukzessive Durchschreiten der einzelnen Bestimmungen, des Durchdenkens im Sinne einer dianoia andererseits; und zwischen diesen beiden Momenten ist wiederum eine zirkuläre Struktur festzustellen.2 Angesichts dieser zirkulären Struktur in der Bild-Text-Beziehung stellt sich auch generell die Frage, inwieweit eine detailverbundene Interpretation der mit der Dipintura verbundenen Aspekte einen Beitrag zum Gesamtverständnis der vichianischen Philosophie zu leisten vermag. Es ist schließlich Vicos eigener Anspruch, dass die Dipintura die gesamte Scienza Nuova visuell zusammenzufassen vermag. Die vorstehend ausgeführte Exegese hat vor allem auf der dem Bildlichen eigenen Intelligibilität insistiert und vor dem Hintergrund eines solchen Versuchs, die intelligible Struktur des Bildes offenzulegen, erweist sich die Dipintura der Scienza Nuova eben als ein Denkbild.

2

Cf. dazu die Bemerkungen von Umberto Galeazzi: Ermeneutica e storia in Vico. Morale, diritto e società nella Scienza Nuova, L’Aquila / Roma 1993, im cap. ii: „Visione sintetica e ricostruzione analitica“, p. 41 sq. mit Verweis auf das Thema einer Zirkularität des Verstehens in der gegenwärtigen Hermeneutik.

APPendix

BI BLIOGR A PH IE

A . D ie Sc h r i f ten von Gia mbat t ist a Vic o Vorb e merk u ng Im Zentrum der vorstehenden Untersuchung steht Vicos Hauptwerk, die Scienza Nuova. Angesichts der besonderen Bedeutung typographischer De­ tails galt es möglichst die Originaldrucke für die Untersuchung heranzuzie­ hen. Alle drei Ausgaben der Scienza Nuova von 1725, 1730 und 1744 werden daher nach der Paginierung der originalen Drucke zitiert und unter Berück­ sichtigung der typographischen Besonderheiten (wie etwa der Auszeichnung der Schrift in Kursive und Versalien, der Wahrung der Interpunktion sowie der mitunter ungewöhnlichen Spatien etc.). Für die beiden Ausgaben von 1725 und 1744 werden außerdem die Nachweise der von Fausto Nicolini eingeführ­ ten Abschnittzählung, den sogenannten capoversi (abgekürzt cpv.), hinzuge­ setzt, welche sich allgemeiner Verbreitung innerhalb der internationalen Vico­ Forschung erfreut. Die von Nicolini gemeinsam mit Benedetto Croce und Giovanni Gentile herausgegebene Werkausgabe der Schriften Vicos, die in acht Bänden in der ersten Hälfte des 20. Jh. erschien, hat lange Zeit als die Standardausgabe Vicos gegolten. Mittlerweile wird bereits seit einigen Jahr­ zehnten eine neue kritische Werkausgabe vom Centro di Studi Vichiani in Neapel herausgegeben, die allerdings noch nicht abgeschlossen ist. Wo immer möglich, wurde diese kritische Edition zugrundegelegt. Außerdem wurden von den einzelnen Werken Vicos möglichst die originalen Editionen sowie deren Faksimile­Ausgaben konsultiert. Von besonders häufig zitierten Schrif­ ten wird unter Verwendung von Siglen Gebrauch gemacht, welche durch das nachfolgende Verzeichnis aufgeschlüsselt werden.

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Appendix

Sig l a LM = Liber metaphysicus (De antiquissima Italorum sapientia liber primus) 1710, Risposte 1711 – 1712, Aus dem Lateinischen und Italienischen ins Deutsche übertragen von Stephan Otto und Helmut Viechtbauer, München 1979 (Die Geistesgeschichte und ihre Methoden 5/1). SN 1725 = Principj di una Scienza Nuova intorno alla Natura delle Nazioni per la quale si ritruovano i Principj di altro Sistema del Diritto Natura­ le delle Genti, Napoli 1725 [reprographischer Nachdruck durch Tullio Gregory, Roma 1979 (Lessico Intellettuale Europeo XVIII)]. SN 1730 = Cinque Libri [...] de’ Principj d’una Scienza Nuova d’intorno alla comune Natura delle Nazioni. In questa seconda impressione Con più propria maniera condotti, e di molto accresciuti, Napoli 1730 [repro­ graphischer Nachdruck des Handexemplars der Biblioteca Nazionale Napoli (ms. XIII H 59), cur. Fabrizio Lomonaco e Fulvio Tessitore con una nota di Manuela Sanna, Napoli 2002 (Fondazione Pietro Piovani per gli Studi Vichiani, Collectio Viciana, Serie Testi 2)]. SN 1744 = Principj di Scienza Nuova [...] d’intorno alla comune Natura delle Nazioni in questa terza impressione Dal medesimo Autore in un gran numero di luoghi Corretta, Schiarita, e notabilmente Accresciuta, Na­ poli 1744 [reprographischer Nachdruck durch Marco Veneziani, Firen­ ze 1994 (Lessico Intellettuale Europeo LXII)].

K r it i s c he Werk au sg ab e Opere di Giambattista Vico, [herausgegeben vom] Centro di Studi Vichiani, Napoli. Bisher erschienene Bände: I: Le Orazioni Inaugurali I­VI, ed. Gian Galeazzo Visconti, Bologna 1982. II/1: La congiura dei principi napoletani 1701, ed. Claudia Pandolfi, Napoli 1992. II/2: Le gesta di Antonio Carafa, ed. Manuela Sanna, Napoli 1997. II/3: Minora. Scritti latini storici e d’occasione, ed. Gian Galeazzo Visconti, Napoli 2000. VIII: La Scienza Nuova 1730, ed. Paolo Cristofolini, con la collaborazione di Manuela Sanna, Napoli 2004. XI: Epistole. Con aggiunte le epistole dei suoi corrispondenti, ed. Manuela Sanna, Napoli 1993. XII: Varia. Il De mente heroica e gli scritti latini minori, ed. Gian Galeazzo Visconti, Napoli 1996.

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PERSONENREGISTER

Adamo, Giovanni 125 Adams, Alison 95 Agrimi, Mario 89 Alberti, Leon Battista 74 Aliprandi, Giuseppe 41 Allen, Michael J. B. 47 Ammirato, Scipione 95 Apel, Karl Otto 136 Aquilecchia, Giovanni 78 Ardissino, Erminia 122 Aristoteles 48, 50, 138 Assmann, Aleida 98 Assmann, Jan 98 Auerbach, Erich 18, 62, 72, 93, 134 Augustinus, Aurelius 114, 115 Bacon, Francis 14 Badaloni, Nicola 27 Baldacchini, Lorenzo 35 Baldi, Antonio 11, 30, 31 Barberi, Francesco 14, 35 Barck, Karlheinz 130 Battistini, Andrea 28, 35, 43, 91, 95 Baumgarten, Alexander Gottlieb 119 Beierwaltes, Werner 77, 101 Benedetti, Stefano 37 Benjamin, Walter 112 Bernabei, Franco 27 Beutler, Rudolf 100 Bianchi, Massimo L., 39 Blumenberg, Hans 48 Boccara, Nadia 54 Boethius, Anicius Manlius Severinus 44, 45, 52 Boffito, Giuseppe 14 Bolzoni, Lina 19 Bovillus, Carolus (Bovelles, Charles de) 54, 55, 56, 71

Brandt, Reinhard 39, 40 Braun, Lucien 45 Bruno, Giordano 77, 78, 119, 142 Buck, August 122 Buschendorf, Bernhard 78, 79 Cacciatore, Giuseppe 28, 42, 78 Camillo, Giulio 39 Canone, Eugenio 78 Cantelli, Gianfranco 87, 90 Capaccio, Giulio Cesare 57, 95 Cappelletti, Francesca 58 Caramella, Santino 21 Cartari, Vincenzo 56 Cassirer, Ernst 54, 138, 142 Cassirer, Heinrich 138 Cattani, Paola 68 Chastel, André 97 Cicero, Marcus Tullius 45, 57, 91, 120 Clements, Robert J. 95 Concina, Niccolò 19, 39 Conti, Antonio 27, 28 Corsini, Lorenzo (Papst Clemens XII) 24, 39 Costa, Gustavo 39 Courcelle, Pierre 45, 46 Crapulli, Giovanni 41, 54 Crifò, Giuliano 122 Cristofolini, Paolo 28, 29, 44, 63, 64, 74, 81, 83, 86, 88 Croce, Benedetto 25, 122 Cusanus, Nicolaus 138 Daly, Peter M. 94, 97 Dante Alighieri 91, 121, 136 David, Madeleine V. 100 De Giovanni, Biagio 93 De Michelis, Cesare 27 Dempsey, Charles 100

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Appendix

Deonna, Waldemar 74 Descartes, René 114 Di Cesare, Donatella 88, 122 Dieckmann, Liselotte 98 Diotima 46 Doren, Alfred 54 Dotzler, Bernhard 130 Drysdall, Denis L. 36 Dürer, Albrecht 56 Enenkel, Karl A. E. 94 Epikur 60 Erny, Nicola 63 Estevan, Francesco Saverio 20, 115 Fáj, Attila 80, 111 Fattori, Marta 39 Fellmann, Ferdinand 50, 129 Ferrari, Giuseppe 17 Ficino, Marsilio 21, 47, 74, 75, 76, 77, 78, 100 Flasch, Kurt 115 Fletscher, Angus 36 Formigari, Lia 122 Franceschetti, Antonio 93 Frankel, Magherita 85 Fubini, Mario 20, 21, 24, 25, 26 Fumagalli, Giuseppe 35 Fumaroli, Marc 13 Galactéros de Boissier, Lucie 54 Galeazzi, Umberto 143 Gareffi, Andrea 93, 99 Garin, Eugenio 50 Garulli, Enrico 12 Gaspardo, Pietro Giuseppe 27 Gegenschatz, Ernst 45 Generali, Dario 27 Gensini, Stefano 119, 121, 129 Giacco, Bernardo Maria 20 Giehlow, Karl 99, 100 Gigon, Olof 45 Gilbhard, Thomas 18, 28 Giovio, Paolo 95 Giraud, Yves 54 Goethe, Johann Wolfgang von 54, 78 Goretti, Maria 62 Gracián, Baltasar 120, 122 Grassi, Ernesto 49 Groblewski, Michael 59 Guerrieri, Guerriera 29 Hamann, Johann Georg 84 Harder, Richard 47, 100 Harms, Wolfgang 65 Harper, Anthony J. 95

Heckscher, William S. 54, 94 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 64, 84 Heitmann, Klaus 57 Helas, Philine 54 Hempel, Wido 121 Henkel, Arthur 94 Hidalgo­Serna, Emilio 88, 120 Hobbes, Thomas 14 Hösle, Vittorio 18, 62 Holländer, Hans 54 Homer 13, 14, 25, 67, 108, 110, 113, 134 Huarte, Juan 119 Huber­Rebenich, Gerlinde 58 Humboldt, Wilhelm von 84 Innocenti, Giancarlo 97 Isodorus von Sevilla 91 Jermann, Christoph 18, 62 Kant, Immanuel 9, 37 Kebes 37, 38 Kelman, David 91 Kemp, Martin 122 Kiefer, Frederick 54 Kintzinger, Marion 66, 67 Kircher, Gottfried 54 Klein, Robert 97 Klibansky, Raymond 54 Konersmann, Ralf 71 Krois, John Michael 9, 10 Kuechen, Ulla­Britta 65 Lactantius, Lucius Caecilius Firmianus 103 Lange, Klaus­Peter 122 Lanza, Franco 87, 90, 93, 107 Laufer, Roger 41 Laurens, Pierre 78 Leonie, Sylvaine 136 Lo Piparo, Franco 122 Lodoli, Francesco Carlo 27 Lodovico, Domenico 32 Lomazzo, Giovanni Paolo 39 Lomonaco, Fabrizio 32 Luglio, Davide 136 Macrobius, Ambrosius Theodosius 74 Mandowsky, Erna 51 Martin, Henri­Jean 14 Martínez Bisbal, Josep 105 Martone, Arturo 119, 121, 129 Mascardi, Agostino 37, 58 Matteucci, Giovanni 88 Mazzoni, Jacopo 21, 50 Mell Jr., Donald C. 38 Meroi, Fabrizio 16

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personenregister

Michelet, Jules 17 Mojsisch, Burkhard 115 Monti, Filippo 39 Mosca, Felice 23, 24, 27, 29, 31 Muratori, Ludovico Antonio 27 Nicolini, Fausto 19, 21, 25, 35, 41, 103, 125 Nifo, Agostino 21 Nüßlein, Theodor 120 Ordine, Nuccio 78 Orlandi, Giovanni 74 Otto, Stephan 125, 135, 138, 139 Otto, Walter F. 67, 123, 124, 133, 137, 138 Paci, Enzo 40 Pagliaro, Antonino 87 Palmer, Rodney 31 Panofsky, Erwin 39, 65 Pantin, Isabelle 41 Paoli, Marco 24 Papini, Mario 50, 51, 70, 77, 85, 86, 93, 95 Pareyson, Luigi 135 Parlato, Enrico 54 Patrizi, Francesco 21 Pellegrini, Matteo 122 Perifano, Alfredo 136 Persio, Antonio 119 Petrarca, Francesco 57 Piccolomini, Alessandro 21 Pico della Mirandola, Giovanni 21 Pietropaolo, Domenico 93 Pinchard, Bruno 36 Pineri, Riccardo 64 Pizzamiglio, Gilberto 27 Placella, Vincenzo 27, 42, 89 Platania, Gaetano 54 Platon 46, 47, 48, 50, 75, 108 Plotin 46, 47, 78, 100, 101 Plutarch 74 Pogliano, Claudio 16 Poliziano, Angelo 34 Pollitt, Jerome Jordan 121 Pons, Alain 36, 68 Porcia, Gian Artico 27 Portoghesi, Paolo 74 Quintilianus, Marcus Fabius 90, 91, 93, 120, 121 Rak, Michele 40 Rao, Anna Maria 31 Ratto, Franco 111 Rausch, Hannelore 49 Reichert, Klaus 54 Ripa, Cesare 51, 52, 65, 66, 68, 70, 92, 112

Ritter, Joachim 138 Rizzo, Silvia 34 Rollenhagen, Gabriel 57, 58, 59, 95 Rossi, Paolo 51 Rüfner, Vinzenz 20 Sambucus, Johannes 65, 66 Sanna, Manuela 16, 19, 20, 24, 27, 28, 39, 115, 129 Santoro, Marco 43 Savarese, Gennaro 93, 99 Schlaffer, Heinz 11 Schleier, Reinhart 37 Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst 47 Schmidt­Biggemann, Wilhelm 18 Schneiders, Werner 16 Schöne, Albrecht 94, 97, 98 Scholz, Bernhard F. 94 Schuster, Peter­Klaus 56 Schweppenhäuser, Hermann 112 Sesone, Francesco 29, 30, 31, 32 Sforza, Filomena 38 Shaftesbury, Anthony Ashley Cooper III Earl of 16 Simonutti, Luisa 16 Sini, Carlo 106 Sini, Stefania 42 Snell, Bruno 48 Sokrates 37 Sparrow, John 43 Stefani, Chiara 54 Steiger, Renate 138 Stile, Alessandro 42, 49 Sulzer, Dieter 95 Tagliacozzo, Giorgio 68, 85, 111 Tagliapietra, Andrea 71 Tavoni, Maria Gioia 43 Tesauro, Emanuele 122 Theiler, Willy 100 Tiedemann, Rolf 112 Tosel, André 68 Trabant, Jürgen 9, 12, 28, 84, 88, 98, 130, 131, 132, 135 Vaccaro, Domenico Antonio 11, 30, 31 Vallisneri (auch Vallisnieri), Antonio 27 Veneziani, Marco 36, 67, 74, 108, 121, 123, 127, 128, 129, 135 Verene, Donald Phillip 38, 68, 84, 102 Verheyen, Egon 54 Viallaneix, Paul 17 Vico, Giambattista passim Viechtbauer, Helmut 125 Visconti, Gian Galeazzo 130

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Appendix

Vitry, Edouard de 16 Vives, Juan Luis 120 Volkmann, Ludwig 99, 100 Voss, Gerhard Johann 91 Warburg, Aby 68 Weber, Wilhelm Ernst 17 Wessely, Anna 29 Whitman, Jon 94, 97, 100 Wind, Edgar 23, 79

Wirth, Karl August 94 Wittkower, Rudolf 100 Wohlfart, Günter 84 Wolf, Gerhard 9 Wolff, Christian 119 Wuttke, Dieter 65 Zenon 60 Zuccari, Federico 39

S AC H R E G I S T E R

Acconcezza (Anordnung, Disposition) 107–109, 117, 134 Ähnlichkeit (similitudo), Ähnlichkeitsbe­ ziehungen 85, 119, 129, 138 Allegorie, allegorisches Verfahren 86, 89–93, 97–98, 107, 109, 111–113, 116, 141, 142 Altar 14, 48, 53, 68, 103–104, 110 Aratrum (Pflug) 104–106 Astrea 45 Aufschwung, Aufwärtsbewegung 44, 46, 47, 49–53 Auge 13, 46, 50–51, 61, 68, 71, 73–79, 81, 84, 129, 143 Auspizien 48–50 Autorenporträt 31 Blick, Erblicken 32, 50–51, 61, 68, 70, 73, 77–82, 101, 128, 138 Buchillustration 14–16 Carattere poetico (poetischer Charakter) 12, 83–87, 89, 92, 108 Cartesianismus 20, 114 Casus (Zufall) 60 Chronologie 87, 104, 129, 143 Cogitare 114–116 Commensus (Zusammenmaß) 128 Distanz, historische 85–86 Dreieck 52, 60, 68, 81, 113 Editionsgeschichte 17, 18, 23, 27, 41 Ekstase 49, 68–69, 79, 81, 141–142 Emblem, Emblematik 57–59, 65–66, 93–95, 97–98, 99–100 Epigraphik 42–43 Epikuräer 60 Eros 46 Facultà, facultas (Vermögen des Geistes) 88, 92, 116–117, 125–128, 135, 139

Fama 45, 58 Fatum (Schicksal) 60 Flügel 44–48, 52, 56, 57, 58, 68, 107 Fortuna 54–59, 65, 71, 79, 141 Frontispiz 11, 13, 14, 29, 32, 34–36 Fülle (copia rerum) 82, 101, 135, 137–139 Geist (mens, mente) 20, 45, 61–62, 71–72, 74–76, 80–82, 92, 101, 111, 114–115, 116, 121–122, 123, 124, 126, 134–139, 142 Geschichte, Historia 11, 21, 40, 61–64, 66–67, 85, 102, 108, 112 Globuskugel, Kugel 14, 44, 51–58, 68, 111 Hieroglyphe 93, 98–102, 107, 109–111 Humanitas 104 Hymenaeus 45 Idea, Idee 19, 28, 38–40, 86, 101, 111, 115, 116, 142–143 Imprese 48, 57, 70, 93, 95–98 Ingenium 32, 45, 52, 109, 116–117, 119–139 Intellekt (intellectus), intelligere 47, 52, 113–116, 125, 129 Juwel (Edelstein) 13, 60, 73–74, 79–80 Körper, Körperlichkeit 45, 49, 71, 75–76, 80, 93, 98, 127, 134 Kontemplation 13, 48–50, 52, 68, 70, 79, 80, 103, 111 Kritik (critica, ars iudicandi) 123, 128, 136 Kultur 11, 12, 53, 82, 87, 104 Kulturentwicklung 12, 13, 85, 142 Kulturphilosophie 11, 12, 72, 81, 142 Lektüre, Lesen, Zusammenlesen 113–116, 124 Leserichtung 111 Lichtstrahl 13, 60, 72, 73–81, 110–111, 113

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Appendix

Lituus (Krummstab der Auguren) 103, 110 Memoria (Gedächtnis) 38, 102, 114–117, 123, 125–126, 132, 133–135 Merkur 45, 106–107 Metapher 79–80, 91, 138 Metaphysik 20–21, 60–61, 79–82, 141–142, Figur und Darstellung der M. 13–14, 44–82, 98, 112, 141–142 Metaphysik des Geistes 20, 72, 142 Mnemotechnik (Gedächtniskunst) 38 Mondo civile 12, 46, 53, 61, 64, 71, 81–82, 102, 103 Musen 45, 121, 134 Mythologie 45, 63, 108 Mythos 89–90 Narration, Narrativität 102, 113 Occasio 54–57 Pegasus 45 Phantasie 12, 84, 86–89, 92–93, 116–117, 123, 125–126, 129, 132, 133–135 Platonismus 20, 40, 46, 75 Poesie 88–89, 132 Poeti Teologi (Dichtertheologen) 14, 63, 92–93, 106, 134 Providentia (Vorsehung) 13, 20, 46, 53, 60–64, 67–68, 71, 72, 73, 74, 77, 79, 80, 81, 110, 136, 142 Prudentia 65–68, 70–71, 123, 142 Quader 53–58, 68 Reflexion 13, 73–76, 79–81

Religion 61, 103–104, 110 Rezeption, Rezeptionsgeschichte 20, 26 Sapientia 54–56, 71 Sapienza poetica 87, 110 Sapienza riposta 89 Schrifttafel 105–106, 110 Seelengefieder 46–47 Selbstreflexion 70–72, 79 Sinne, Sinneswahrnehmung (sensus) 40, 76, 125–126, 133 Spiegel 52, 54–56, 68, 70, 71, 76–77, 79, 80, 81 Steuerruder 105–106 Stoiker 60 Synthesis 40, 135, 139, 142 Tabula Cebetis 37, 38, 58 Theologie 62–63 Theorie 48–49 Topik (topica, ars inveniendi) 123, 128, 135–138 Typographie, typographische Gestaltung 13, 14, 16, 24, 27, 41, 42, 43 Universale fantastico (phantasiegeschaf­ fener Allgemeinbegriff) 12, 84 Urne 103–104 Verum­factum­Prinzip 61, 76, 102, 113–114, 126 Vignette 68–70, 79 Wirkungsgeschichte 19 Zivilisationsgeschichte 12, 82, 102, 105–106, 113