Verwaltungsgesetze des Reiches und Preußens [Reprint 2019 ed.]
 9783111648880, 9783111265490

Table of contents :
Vorwort
Zur Beachtung
Inhaltsübersicht
I. Aufbau der Staatsverwaltung
1. Verfassungsbestimmungen
2. Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung
3. Gesetz über die Zuständigkeit der Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsbehörden
4. Gesetz, betreffend die Verfassung der Verwaltungsgerichte und das Verwaltungsstreitverfahren
5. Gesetz über die Vertretung vor den Verwaltungsgerichten
6. Gesetz über die Zulässigkeit des Rechtsweges in Beziehung auf polizeiliche Verfügungen
7. Gesetz, betreffend die Erweiterung des Rechtsweges
8. Verordnung, betreffend die Kompetenzkonflikte zwischen den Gerichten und den Verwaltungsbehörden
9. Verordnung, betreffend das Verwaltungszwangsverfahren wegen Beitreibung von Geldbeträgen
10. Gesetz überstaatliche Verwaltungsgebühren
10a. Gesetz über das Flaggen von Körperschaften des öffentlichen Rechts
10b. Verordnung über das öffentliche Flaggen
II. Kommunalverwaltungsrecht
1. Städterecht
11. Städteordnung für die östlichen Provinzen und Westfälische Städteordnung
12. Städteordnung für die Rheinprovinz
2. Landgemeinderecht
13. Landgemeindeordnung für die sieben östlichen Provinzen der Monarchie
3. Allgemeine Kommunalgesetze
14. Gesetz über die Regelung verschiedener Punkte des Gemeindeverfassungsrechts
15. Gemeindewahlgesetze
16 a. Gesetz über die kommunale Neugliederung des rheinisch-westfälischen Industriegebiets
16b. Einführungsgesetz zu dem Gesetz über die kommunale Neugliederung des rheinischwestfälischen Industriegebiets
17. Gesetz, betreffend Verbandsordnung für den Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk
18. Zweckverbandsgesetz
19. Kommunalabgabengesetz
4. Kreise und Provinzen
20. Östliche Kreisordnung (1872)
21. Provinzialordnung für die Provinzen Ostpreußen, Grenzmark Posen-Westpreutzen, Brandenburg, Pommern, Niederschlesien, Oberschlesien und Sachsen
22. Kreis- und Provinzial-Abgabengesetz
III. Polizeirecht
23. Aus dem Allgemeinen Landrecht für die preußischen Staaten von 1794
24. Aus dem preußischen Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch
25. Gesetz zum Schutze der Persönlichen Freiheit
26. Gesetz über die Polizei-Verwaltung
27. Polizeikostengesetz
28. Gesetz gegen die Verunstaltung von Ortschaften und landschaftlich hervorragenden Gegenden
29. Reichsgesetz über Schußwaffen und Munition
30. Reichsgesetz zur Bewahrung der Jugend vor Schund- und Schmutzschristen
31. Reichs-Lichtspielgesetz
32. Reichsvereinsgesetz
33. Feld- und Forstpolizeigesetz
IV. Verkehrsrecht
34a. Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen
34b. Gesetz über Kraftfahrlinien (Kraftfahrliniengesetz)
35. Gesetz über Kleinbahnen und privatanschlutzbahnen
36. (Reichs-)Telegraphenwegegesetz
V. Gesundheitsrecht
37. Reichs-Impfgesetz
38. (Reichs-)Seuchengesetz (1900)
39. Gesetz, betreffend die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten [Landesseuchengesetz]
40. Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten
41. Reichs-Viehseuchengesetz
VI. Bau-, Wohnungs- und Enteignungsrecht
42. Gesetz, betreffend die Anlegung und "Veränderung von Straßen und Plätzen in Städten und ländlichen Ortschaften (Fluchtliniengesetz)
43. Preußisches Wohnungsgesetz
44 a. Gesetz über die Enteignung von Grundeigentum
44 b. Gesetz über ein vereinfachtes Enteignungsverfahren
VII. Jagd-, Wasser-, Fischerei- und Wegerecht
45. Jagdordnung
46. Wassergesetz
47 a. Fischereigesetz
47 b. Gesetz über die Sicherung der Bewirtschaftung von Fischgewässern
48. Gesetz über die Reinigung öffentlicher Wege
VIII. Beamtenrecht
49. Gesetz, betr. die Anstellung und Versorgung der Kommunalbeamten
50. Beamtenhaftungsvorschriften
IX. Fürsorgerecht
51a. Reichs- Verordnung über die Fürsorgepflicht
51b. Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Matz der öffentlichen Fürsorge
51c. [Preutzischel] Ausführungsverordnung zur Verordnung über die Fürsorgepflicht vom 13. Februar 1924 (Reichsgesehbl. 1 S. 100)
Sachregister
Nachweis wichtiger Gesetzesausgaben
Inhaltsübersicht
I. Allgemeines, Sammelwerke
II. Bürgerliches Recht
III. Grenzgebiete des Bürgerlichen Rechts
IV. Zivilprozeß
V. Strafrecht und Strafprozeß
VI. Öffentliches Recht
VII. Entscheidungs-Sammlungen und Zeitschriften

Citation preview

3] Lehrausgaben Deutscher Gesetze [3 herauögegeben von

Professor Dr. O. Bühler, Münster i. W.

Verwaltungsgesetze des Reiches und Preußens Textausgabe mit einstfllhrenden Bemerkungen, paragrophenllberschriften und Sachregister von

Dr. Ottmar Bühler 0.5. v. Professor der Rechte an der Universität Münster i. W.

Berlin und Leipzig 1931

Walter de Gruyter & C o. vormals G. I. Göschen'sche DerlagShandlung — I. Guttentag, DerlagSbuchandlung — Georg Retmer — Karl I. Trübner — Veit & Lomp.

Vorwort. Für die Auswahl und die Redigierung der in diese Sammlung aufgenourmenen Gesetze waren, wie für die Lehrausgaben über­ haupt, in erster Linie die Bedürfnisse deS akademischen RechtsunterrichtS maßgebend; mein Ziel lvar, ein Textbuch von einem so mäßigen Umfang zu bieten, daß es von unseren Nechtsbeflissenen auch wirklich gelesen und studiert wird. Ta ich trotzdem nicht nur die Preußischell Gesetze bringen, sondern auch die immer wichtiger werdenden Verwaltungsgesetze des Reichs mitberück­ sichtigen wollte, so machte das sehr scharfe Auswahl unter den für den Unterricht in Betracht kommenden Gesetzen und zuweilen auch (vgl. namentlich das Wasscrgcsetz) innerhalb der Gesetze nötig; jedoch ist, ivo ein Gesetz nur in: Auszug gebracht wird, der Inhalt der weggelassenen Bestimmungen immer wenigstens angedeutet. Sicher habe ich es mit dieser Auswahl und diesen Kürzungen nicht allen recht machen können, aber ich glaube doch, daß den durch­ schnittlichen Bedürfnissen des akademischen Unterrichts und auch des Unterrichts an den Vcrwaltungsschulen das entspricht, was ich hier geboten habe, weil es sich auf Grund von mehr als zehn­ jähriger Erfahrung bei der Verwaltungsrechtsvorlesung, bei Übungen für Anfänger und für Fortgeschrittene mir als besonders

nötig ergab. Auf Lernende also ist das Buch in erster Linie berechnet. Daß die Praktiker des Verwaltungsrechts in den städtischen Büros, bei den Regierungen, in den Ministerien usw. mit dieser Auswahl vielfach nicht auskommen, daß sie nach wie vor zu einer der be­ währten größeren Ausgaben solcher öffentlich-rechtlichen Ge­ setze werden greifen müssen, möchte ich, um Enttäuschungen in diesen Kreisen vorzubeugen, selbst ausdrücklich betonen. Aber Bühler, verwaltungsgesetze. II

Vorwort

Lernende sind nicht nur die Schüler an den Hochschulen und Fach­

schulen, sondern nicht zum wenigsten auch der gar nicht kleine Kreis von Laien, die zu Stadtverordneten oder in die Kreisaus­ schüsse oder Bezirksausschüsse usw. gewählt werden und die nun hier gleich wirksam mitarbeiten sollen. Ich verdanke sogar die erste Anregung zu dieser Ausgabe einer amtseifrigen Stadt­ verordneten, die mir kurz nach Antritt ihrer Funktion schilderte, wie schwer es für sie und so viele ihrer Kolleginnen und Kollegen sei, sich die zur Erfüllung ihrer Aufgaben nötige Gesetzeskenntnis anzueignen. Ich hoffe, das; die Sammlung auch in diesen Kreisen Dienste tut und so zu ihrem bescheidenen Teil dazu beiträgt, daß aus dem Zerrbild der Selbstverlvaltung, das wir jetzt so vielfach sehen, eine echte, auch von Gesetzeskenntnis der Mitglieder ihrer Vertretungskörper getragene Selbstverlvaltung werde. Münster (Wests.), Oktober 1930. Dechaneistraße 19.

Ottmar Buhler.

Zur Beachtung: Gesetze, die die Überschrift nicht ausdrücklich als '„Reichs"Gesetze kennzeichnet, sind preußische Gesetze.

Paragraphenübcrschristen in eckigen Klammern stammen vom Herausgeber, solche in runden Klammern auS dem amtlichen Text.

Inhaltsübersicht. A. Geordnet nach Eachgegenstänben (zugleich nach der Folge der Nummern). I. Aufbau her Staatsverwaltung. 1. Verfassungsbeslimmungen a) AuS der Reichsoersassung (1919) b) Aus der Preußischen Verfassung (1920)................. 2. Landesverwaltungsgesetz (1883) 3. Zuständigleitsgesetz (1883) 4. Verwaltungsgcrichtsgesetz (1875) 5. Vertretung Dor den Verwnltungsgerichten (1926) . . 6a. Rechtsweg gegen polizeiliche Verfügungen (1842) . . 6b. Erweiterung des Rechtswegs (1861) 7. Kompetenzlonsliktsverordnung (1879) 8. VerwaltungSzwangsvcrfahrcn (1899) S. Verwaltungsgebührengeseh (1923) 10a. Flaggengesctz (1929) 10b. Flaggenverordnung (1929)

II. .üommunalverwaltungsrecht. 1. Städterecht: 11. Östliche Städteordnung mit Westfälischer (1853/56) 12. Rheinische Städteordnung (1856) 2. Landgemeinderecht: 13. östliche Landgemeiildeordnung (1891)

.

3. Allgemeine jrommunalgesetze: 14. Gemeindeverfassungsnovelle (1927) 15. Gemeindewahlgesetze a. Gemeindewahlgesetz von 1923 b. Ergänzungsgesetz zum Gemeindewahlgesetz (1924) . . c. Gesetz über die Festsetzung der Gemeindcwahlen (1928) — V —

(Seite

1— 1 1—2 2—4 4—53 53—96 96—100 101—102 102—104 104—107 107—113 113—135 135—137 137—138 138—141

142—167 168—186

186—215 215—221 221—231 221—227 227—229 229—231 II*

Inhaltsübersicht. 16a. Ruhrumgemeindungsgesetz (1929) (Auszug) ..... 16b. Einführungsgesetz zum Ruhrumgemeindungsgesetz (1929) (Auszug) 17. Ruhrsiedlungsverbandsgesctz (1920) (Auszug) . . . . 18. Zweckverbandsgesetz (1911) 19. Kommunalabgabengesctz (1893)

Seite 231—234 235—253 253—264 264—274 274—301

4. Kreise und Provinzen: 20. 21. 22.

Östliche Kreisordnung (1872) Östliche Provinzialordnung (1875) Kreis- und Provinzialabgabengesetz (1906)

301—333 333—352 352—364

III. Polizcirecht.

23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33.

Landrechtsnormen (1794) Preußisches Ausführungsgesek zum BGB. (Auszug) (1899) Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit (1850) . Polizeiverwaltungsgcsetz (1850) Polizeikostengesetz (1929) Verunstaltungsgesehe ([1902 it.] 1907) (Rcichs-)Schußwaffengesetz (1928) (Reichs-)Gesetz gegen Schund und Schmutz (1926) . . (Neichs-)Lichtspielgesetz (1920) (Neichs-)Vereinsgcsetz (1908) Feld- und Forstpolizeigeseh (Auszug) (1926)

365—366

367— 368 368— 369 369— 374 374—380 380—383 383—392 393—396 396—401 401—408 408—416

IV. BerkehrSrecht.

34a. (Reichs-)Kraftfahrzeugverkehrsgesetz (Auszug) (1909) . 34b. (Reichs-)Kraftfahrliniengesetz (mit Auszug aus der -Ver­ ordnung) (1925) 35. Kleinbahngesetz (1892) 36. (Neichs-)Telegraphenwegegesetz (1899)

417—420

420—423 424—439 440—447

V. Gesundheitsrecht.

37. 38. 39. 40. 41.

(Reichs-)Jmpfgesetz (1874) (Reichs-)Seuchengesetz (1900) Preußisches Seuchengesetz (Auszug) (1905) (Reichs-)Geschlcch skrankengeseh (1927) (Reichs-) Viehseuche ngesetz (1909)

448—452 452—465 465—472 472—479 479—497

VI. Bau-, Wohnungs- und!(knteignungsrecht. 42. 43.

Fluchtliniengesetz (1875) Preußisches Wohnungsgesetz (1918)

498—507 507—515

Inhaltsübersicht. Seite

44. Enteignungsrecht: a. Gesetz von 1874 b. Vereinfachtes Entcignungsvcrfahren (1922)

VII. Jagd-, Wasser-, Fischerei- und Wcgcrecht. 45. Jagdordnung (Auszug) (1907) 46. Wassergesetz (Auszug) (1913) 47. Fischereirecht: a. Fischereigesetz (Auszug) (1916) b. Gesetz über die Sicherung der Bewirtschaftung von Fischgewässern (1919) 48. Gesetz über die Reinigung öffentlicher Wege (1912) . VIII. Beamtenrecht. 49. Kommunalbeamtengesctz (1899) 50. Beamtenhaftungsvorschrifien a. Reichsverfassung, Art. 131 (1919)................................. b. Reichsbcamtenhaftungsgesetz (191«)) c. Preußisches BeamtenhaftungsgescN (1909)

516—536 536—538

539—556 557—591 591—611

611—612 613—616

617—625 626—630

626 626—628 628—630

IX. Fürsorgerecht. 51a. Reichsfürsorgepslichtverordnung (1924) b. Reichsgrundsätze (1921) e. Preußische Fürsorgcpfllchtvcrordnnng (1909)

631—645 645—656 657—671

Sachregister

672—682

Inhaltsübersicht.

B. Geordnet nach der Zeitfolge.

Jahr

Monat und Tag

1791

a. Febr.

1842

11. Mai

1850 1850 1853

12. Febr. 11. März 30. Mai

1856

19. März

1856

15. Mai

1861

24. Mai

1872

13. Dez.

1874 1874 1875

8. April 11. Juni 29. Juni

1875

2. Juli

1875

3. Juli

1879

1. Aug.

1883

30. Juli

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Überschrift des Gesetzes

Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten (ALR.) ............................................ Gesetz über die Zulässigkeit des Rechtwcgs in Beziehung auf polizeiliche Verfügungen . . Gesetz aum Schuhe der persönlichen Freiheit. Gesetz über die Polizeiverwaltung................ Städteordnung für die sechs östlichen Provinzen (Ostl.Stiidteordnnng).................................... Städtcordnung für die Provinz Westfalen (West­ fälische Städteordnung)................................ Städteordnung für die Nheinprovinz (Rheinische Städteordnung)................................................ Gesetz, betreffend die Erweiterung des Rechts­ wegs ................................................................ Kreisordnung für die Provinzen Oft- und West­ preußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen (vstl. Kreiöordnnng)................ Reichs-Jmpfgesetz................................................ Gesetz über die (Enteignung von Grundeigentum Provinzialordnung für die Provinzen Ost- und Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Schle­ sien und Sachsen (Ostl. Provinzialordnung) . Gesetz über die Anlegung und Veränderung von Straßen und Plätzen in Städten und länd­ lichen Ortschaften (Fluchtliniengeseh) . . . Gesetz, betreffend die Verfassung der Verwaltungsgcrichte und das Verwaltungsstreitverfahren (VerwaltungsgerichtSgeseh) .... Verordnung, betreffend die Kompetenzkonflikte zwischen den Gerichten und Verwaltungsbehörden ........................................................ Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung

3

£ Z 19

365 102 368 369 142 142

168 104

301 448 516

333

498

96

107

I

4

Jahr

Monat und Tao

1883

i. Aua.

1891

3. Juli

1892

23. Juli

1893 1899 1899 1899

14.-31111 30. 3ult 20. Sept. 15. Nov.

1899 1900

18. Tcz. 30. Juni

1902

2. Juni

1905

28. Aug.

1906 1907

23. April 15. Juli

1907 1908 1909

15. Juli 19. April 3. Mai

1909 1909

26. Juni 1. Aug.

1910

22. Mai

1911 1912 1913

19. Juli I.Juli 7. April

Überschrift des Gesetzes

. Gesetz über die Zuständigkeit der Verwaltungsund Verwaltungsgerichtsbehörden (Zustündlgkeitögesetz)......................................................... Landgemeindeordnuug für die sieben östlichen Provinzen (CftL Landgemeindeordnung) - • Gesetz über Kleinbahnen und PrivatanschluiV bahnen (.Kleinbahngesetz)............................. Kommnnalabgabengesetz.................................... Kommnnalbeamtengesetz..................................... Preus;. Ausführungsgesetz zum BGB................ Verordnung, betreffend das VerwaltungsZwangsverfahren wegen Beitreibung von Geldbeträgen..................................................... fReichs^Telegraphenwegegesetz........................ Reichsgesctz, betreffend die Bekämpfung gemein­ gefährlicher Krankheiten (Reichsseuchengesetz) Gesetz gegen die Verunstaltung landschaftlich hervorragender Gegenden............................. Preust. Gesetz, betreffend die Bekämpfung über­ tragbarer Krankheiten (Landesseuchengesetz) Kreis- und Provinzialabgabengesetz .... Gesetz gegen die Verunstaltung von Ortschaften und landschaftlich hervorragenden Gegenden Jagdordnung......................................................... fNeichs-^Bereinsgesetz......................................... Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen Meichs-^Kraftfahrzeugverkehrsgefetz) . - . fReichs)-Viehfeuchengesetz................................. Gesetz über die Haftung des Staates und anderer Verbände für Amtspflichtverletzungen von Beamten bei Ausübung der öffentlichen Gewalt (Pr. Beamtenhaftungsgesetz)................. Neichsgeseh über die Haftung des Reichs für seine Beamten (Reichsbeamtenhaftungsgesetz) . . Zweckverbandsgesetz............................................. Gesetz über die Reinigung öffentlicher Wege . Wassergesetz..........................................................

Seite der Sammlung

Inhaltsübersicht.

53 186

421 274 617 367

113 440

452 382 465 352 380 539 401

417 479

628 626 264 613 557

Jahr

Monat und Tag

1916 1918 1919

11. Mai 28. März 18. Juli

1919 1920

11. Aug. 5. Mai

1920 1920

12. Mai 30. Nov.

1922

26. Juli

1923

9. April

1923 1924 1924

29. Sept. 13. Febr. 17. April

1924

14. Juni

1924

4. Dez.

1925

26. Aug.

1926 1926

21. Jan. 25. Mai

1926

18. Dez.

1927

18. Febr.

1927

27. Dez.

1928

12. April

Überschrift des Gesetzes

Seite der S am m lung

Inhaltsübersicht.

591 Fischereigesetz ....................................................... 507 Wohnuugsgesetz................................................... Gesetz über die Sicherung der Bewirtschaftung 611 von Fischgewässern.......................................... Neichsverfassnng................................................... 1,626 Gesetz, betreffend die Verbandsordnung für den 253 Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk . . . 396 Reichs-Lichtspielgefetz.......................................... Verfassung des Freistaats Preußen (Pr. Ver2 fassung)................................................................ Gesetz über ein vereinfachtes Enteignungsver536 fahren .................................................................... Gesetz über die vorläufige Regelung der Ge221 meindewahlen (Gemeindewahlgesetz) - • • 135 Gesetz über staatliche Verwaltnngsgebühren 631 fReichs-) Verordnung über die Fürsorgepflicht. Preuß. Ausführungsverordnung zur Verordnung 657 über die Fürsorgepflicht.................................. Gesetz zur Ergänzung desGemeindewahlgefetzes 227 von 1923 ............................................................ Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und 645 Mag der öffentlichen Fürsorge...................... Gesetz über Kraftfahrlinien (Kraftfahrlinien420 gesetz) ................................................................ 408 Feld- und Forstpolizeigesetz.............................. Gesetz über die Vertretung vor den Berwaltungs101 geeichten............................................................... Relchsgesetz zur Bewahrung der Jugend vor Schund- und Schmutzschriften (Schund- und 393 Schmutzschriftengesetz)...................................... Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrank­ 472 heiten .................................................................... Gesetz über die Regelung verschiedener Punkte des Gemeindeverfassungsrechts (Gemeinde215 verfasfungsnovette)........................................... Reichsgesetz über Schußwaffen und Munition 383 (sReichs-)Schußwaffengesetz)..............................

Inhaltsübersicht.

Jahr

Monat und Tag

1928 1929

18. April 17. März

1929

29. Juni

1929

29. Juli

1929

29. Juli

1929

2. Aug.

Überschrift des Gesetzes

M S Jo Z 2 £

'Z £

M) « 19

Gesetz über die Festsetzung der Gemeindewahlen Gesetz über das Flaggen von Körperschaften des öffentlichen Rechts lFlaggennesetz) .... Verordnung über das öffentliche Flaggen lFlagaenverordnnng)....................................... Gesetz über die kommunale Neugliederung des rheinisch-westfälischen Industriegebiets (RuhrumgemeindungSgesetr)....................................... Einführungsgesetz zum Gesetz über die kommunale Neugliederung des rheinisch-westfälischen Industriegcbicts (EinführungSgesetz zum Ruhr« umgemeindungSgesetz)...................................... Polizeikostengeseh...................................................

- Xl -

229 137 138

231

23a 374

I. Aufbau der Staatsverwaltung. 1. Aus der Reichsverfassung vom 11. August 1919 (RGBl. S 1383)

und der preußischen Verfassung vom 30. November 1920 (GS. 6.543).

(Verwalt unflsrechtlich wichtige Bestimmungen.) a) Aus der

Reichsoerfastung:

Art. 5. Die Staatsgewalt wird in Reichsangelegenheiten durch die Organe des Reichs auf Grund der Reichsverfassung, in Landes­ angelegenheiten durch die Organe der Länder auf Grund der Landesverfassungen ausgeübt.

,Ausübung der Staatsgewalt,

Art. 77. Die zur Ausführung der Reichsgesehe erforderlichen all­ gemeinen Verwaltungsvorschriften erläßt, soweit die Gesetze nichts anderes bestimmen, die Reichsregierung. Sie bedarf dazu der Zustimmung des Reichsrats, wenn die Ausfüh­ rung der Reichsgesetze den Landesbehörden zusteht.

lAusführungsverordnungtn,

Art. 97. (1) Aufgabe des Reichs ist es, die dem allgemeinen Verkehre dienenden Wasserstraßen in sein Eigentum und seine Verwaltung zu übernehmen. (2) Rach der Übernahme können dem allgemeinen Verkehre dienende Wasserstraßen nur noch vom Reiche oder mit seiner Zustimmung angelegt oder ausgebaut werden. (3) Bei der Verwaltung, dem Ausbau oder dem Reubdu von Wasserstraßen stnd die Bedürfnisse der Landeskultur und der Wasserwirtschaft im Einvernehmen mit den Ländern zu wahren. Auch ist auf deren Förderung Rücksicht zu nehmen. (4) Jede Wasterstraßenverwaltung hat sich den Anschluß an­ derer Binnenwasserstraßen auf Kosten der Unternehmer gefallen zu lasten. Die gleiche Verpflichtung besteht für die Herstellung einer Verbindung zwischen Binnenwasserstraßen und Eisenbahnen. vühler, VerwaltungSgesehe. 1

,Pkrwaltung der Wasserstraßen,

1. Bersassungsbkstimmnngen.

1]

(5) Mit dem Übergänge der Wasserstraßen erhält das Reich die Enteignungsbefugnis, die Tarifhoheit sowie die Strom- und Schiffahrtspolizei. (6) Die Aufgaben der Strombauverbände in bezug auf den Ausbau natürlicher Wasserstraßen im Rhein-, Weser- und Elbgebiet sind auf das Reich zu übernehmen. ^Berwaltungsgerichtel

Art. 107.

Im Reiche und in den Ländern müssen nach Maßgabe der Gesetze Verwaltungsgerichte zum Schutze der einzelnen gegen Anordnungen und Verfügungen der Verwaltungsbehörden bestehen. lGleichheit vor dem Gesetz! Art. 109. (1) Alle Deutschen sind vor dem Gesetze gleich. (2) Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben staats­ bürgerlichen Rechte und Pflichten. (3) üffentlichrechtliche Vorrechte oder Nachteile der Geburt oder des Standes sind aufzuheben. Adelsbezeichnungen gelten nur als Teil des Namens und dürfen nicht mehr verliehen werden. (4) Titel dürfen nur verliehen werden, wenn sie ein Amt oder einen Beruf bezeichnen; akademische Grade sind hierdurch nicht betroffen. (5) Orden und Ehrenzeichen dürfen vom Staat nicht ver­ liehen werden. (6) Kein Deutscher darf von einer ausländischen Negierung Titel oder Orden annehmen. lRecht der Selbstverwaltung! Art. 127. Gemeinden und Gemeindeverbände haben das Recht der Selbstverwaltung innerhalb der Schranken der Gesetze.

b) Aus der Preußischen Verfassung: lAufgaben des Landtagöl Art. 29. (1) Der Landtag beschließt über die Gesetze nach Maßgabe dieser Verfassung; er genehmigt den Haushaltsplan in Einnahme und Ausgabe; er stellt die Grundsätze für die Ver­ waltung der Staatsangelegenheiten auf und überwacht ihre Ausführung. Staatsverträge bedürfen seiner Genehmigung, wenn sie sich auf Gegenstände der Gesetz­ gebung beziehen. (2) Der Landtag gibt sich seine Geschäftsordnung im Rahmen dieser Verfassung.

1. BersassllngSbkstimmungen.

[1

[Ser StaatSrntI Art. 31. Zur Vertretung der Provinzen bei der Gesetzgebung undVerwaltungdes Staates wird ein Staatsrat gebildet.

[Recht der Selbstverwaltung! Art. 70. Den politischen Gemeinden und Eemeindeverbänden wird das Recht der Selbstverwaltung ihrer Angelegenheiten unter der gesetzlich geregelten Aufsicht des Staates gewährleistet. lAkrwaltungSclnttilunal Art. 71. (1) Der Staat gliedert sich in Provinzen. (2) Die Gliederung der Provinzen in Kreise, Städte, Land­ gemeinden und andere Gemeindeverbände sowie die Verfassung, die Rechte und die Pflichten der Gemeindeverbände werden durch Gesetz geregelt. jArsgaben der Provin;cnl Art. 72. (1) Die Provinzen verwalten nach Maßgabe des Gesetzes durch ihre eigenen Organe: a) selbständig die ihnen gesetzlich obliegenden oder freiwillig von ihnen übernommenen eigenen Angelegenheiten (Selb st Verwaltungsangelegenheiten)' b) als ausführende Organe des Staates die ihnen über­ tragenen staatlichen Angelegenheiten (Auftragsan­ gelegenheiten). (2) Das Gesetz wird den Kreis der den Provinzen überwusenen Selbstverwaltungsangelegenheiten erweitern und ihnen Auftragsangelegenheiten übertragen. lMilderheitSfprachenI Art. 73. Die Provinziallandtage können durch Provinzialgesetz neben der deutschen Sprache zulassen: a) eine andere Unterrichtssprache für fremdsprachige Volks­ teile, wobei für den Schutz deutscher Minderheiten zu sorgen ist; 5) eine andere Amtssprache in gemischtsprachigen Landes­ teilen.

IKonmunalwahlrechtj Art. 74. Die Grundsätze für die Wahlen zur Volksvertretung gelten auä für die Wahlen zu den Provinzial-, Kreis- und Eemeindeveriretungen. Bei den Wahlen zu den Gemeindevertretungen kam jedoch durch Gesetz die Wahlberechtigung von einer bestinmten Dauer des Aufenthalts in der Gemeinde abhängig gemacht werden.

2. LandesverwaltungSgesch (1883).

2]

[stein Urlaub bei Mandaten)

Akt. 75.

Beamte, Angestellte und Arbeiter des Staates und der Körperschaften des öffentlichen Rechts bedürfen zur Ausübung der Tätigkeit als Mitglieder einer Provinzial-, Kreis- und Ge­ meindevertretung keines Urlaubs. (2) Gehalt und Lohn find weiterzuzahlen. (1)

[stirchenauötritt)

Art. 76.

(1) Wer aus einer Religionsgemeinschaft öffentlichen Rechtes mit bürgerlicher Wirkung austreten will, hat den Austritt bei Gericht zu erklären oder als Einzelerklärung in öffentlich be­ glaubigter Form einzureichen. Die Steuerpflicht des Aus­ getretenen erlischt frühestens mit Ende des Steuerjahrs, in dem die Austrittserklärung abgegeben worden ist. (2) Das Nähere wird durch Gesetz bestimmt. [Beamtenbesähigungj

Art. 77.

(1) Zu Staatsbeamten können alte Reichsangehörigen ohne Rücksicht auf Geschlecht und bisherigen Berus bestellt werden, wenn sie die Befähigung für das Amt besitzen. (2) Die für die einzelnen Ämter erforderliche Befähigung schreibt das Gesetz vor. [Gntennung des Oberpräs, usw.j

Art. 86.

Bis nach Durchführung der im Artikel 72 vorgesehenen Ge­ setzgebung sind die Ooerpräsidenten, die Regierungspräsidenten und die Vorsitzenden des Provinzialschulkollegiums und des Landeskulturamts im Einvernehmen mit dem Provinzialausschusse zu ernennen.

2. Gesetz über die allgemeine LanöeSverwaltung'). Dom 30. Juli 1883 (SS. S. 195).

Inhalt. Erster Titel. Grundlagen der Organisation ... Zweiter Titel. Verwaltungsbehörden. I. Abschnitt. Provinzialbehörden

§8 Ibis?. 88 8 bis 16.

i) Die Änderungen des Kriegsgesetzes zur Vereinfachung der Ver­ waltung, vom 13. Mai 1918 (GS. S. 53) find als solche kenntlich ge-

2. LandtövrrvaHungögtflh (1883).

[2

II. Abschnitt. Bezirksbehördcn 17 bis 35. III. „ Mrciybcfiörbcii §§ 36 bis 40. IV. „ Behörden für den Stadtkreis Berlin §§ 41 bis 47. V. „ Stellung der Behörden §§48 und 49. Dritter Titel. Berfahren. I. Abschnitt. Allgemeine Vorschriften §§ 50 bis 60II. „ Verwaltungsstreitversahren .... §§61 bis 114. III. Beschlußoer ahrcn 115 bis 126. Vierter Titel. Rechtsmittel neuen polizeiliche Berfünunnen §§ 127 bis 131. Münster Titel. Zwaugsbefugnisse §§ 132 bis 135. Sechster Titel. Polizeiverordnungsrecht .... §§ 136 bis 145. Siebenter Titel. Übergangs- und Schlußbestimmungcn §§ 146 bis 159.

Erster Titel. IVerwallungseinttilung)

Grundlagen der Organisation. § 1.

Die Verwaltungseinteilung des Staatsgebiets in Provinzen, Regierungsbezirke und Kreise bleibt mit der Maßgabe bestehen, daß die Stadt Berlins aus der Provinz Brandenburg aus­ scheidet und einen Verwaltungsbezirk für sich bildet, «lacht. Dieses Gesetz war nach mehrfachen Verlängerungen am 11. 11. 1927 außer Kraft getreten, wurde dann aber durch Gesetz vom 3.1.1928 (GS. S. 1) bis auf weiteres wieder in Kraft gesetzt. Das letztere Gesetz lautet: § 1 Das Kriegsgesetz zur Vereinfachung der Verwaltung vom 13. Mai 1918 (Gesetzsamml. S. 53) wird mit Rückwirkung vom 11. November 1927 ab bis auf weiteres wieder in Kraft gesetzt.

§ 2. (1) Für die Zeit zwischen dem 11. November 1927 und dem In­ krafttreten dieses Gesetzes gilt folgendes: (2) Soweit Entscheidungen und Verfügungen (Bescheide, Beschlüsse) der Behörden und Gerichte den Vorschriften des Kriegsgesetzes zur Vereinfachung der Verwaltung vom 13. Mai 1918 (Gesetzsamml. S. 53) entsprechen, werden sie durch dieses Gesetz rückwirkend rechtswirksam. Soweit sie den vor Erlaß des Kriegsgesetzes zur Vereinfachung der Ver­ waltung geltenden gesetzlichen Vorschriften entsprechen, wird ihre Aechtswirksamkeit durch die Rückwirkung dieses Gesetzes nicht berührt. 8 3. Dieses Gesetz tritt mit dem Tage der Verkündung in Kraft.

9 Vgl. das Groß-Berlin-Gesetz vom 27. 4. 1920 (GS. S. 123).

2]

2. Landeöverwaltungsgeseh (1883).

§2. (1) In der Provinz Hannover bleiben die Landdrosteibezirkc als Regierungsbezirke bestehen. (2) Die Abänderung der Kreis- und Amtscintcilung der Provinz Hannover erfolgt mittels besonderen Gesetzes.

[Verwaltungsbehörden^ § 3. (1) Die Geschäfte der allgemeinen Landesverwaltung werden, soweit sie nicht anderen Behörden überwiesen sind, unter Oberleitung der Minister in den Provinzen von den OberPräsidenten, in den Regierunasbezirken von den Regie­ rungspräsidenten und den Regierungen, in den Kreisen von den Landräten geführt. (2) Die Obervräsidentcn, die Regierungspräsidenten und die Landräte handeln innerhalb ihres Geschäftskreises selbständig unter voller persönlicher Verantwortlichkeit, vorbehaltlich der kollegialischen Behandlung der durch die Gesetze bezeichneten An­ gelegenheiten. lAuSschüsikl § 4. (1) Zur Mitwirkung bei den Geschäften der allgemeinen Landesverwaltung nach näherer Vorschrift der Gesetze bestehen für die Provinz am Amtssitze des Obervräsidenten der Prov i n z i a l r a t, für den Regierungsbezirk am Amtssitze des Re­ gierungspräsidenten der Bezirksausschuß. für oen Kreis am Amtssitze des Landrats der Kreisausschuk. (2) An oie Stelle des Kreisausschusses tritt in den durch die Gesetze vorgesehenen Fällen in den Stadtkreisen, in welchen ein Kreisausschutz nicht besteht, der Stadtausschutz, in den einem Landkreise angehörigen Städten mit mehr als 10 000 Einwoh­ nern der Magistrat (kollegialische Eemeindevorstand). (3) In Staotaemeinden, in welchen der Bürgermeister allein den Gemeindevorstand bildet, treten für die in dem zweiten Ab­ sätze bezeichneten Fälle an die Stelle des Magistrats oer Bürger­ meister und die Beigeordneten als Kollegium.

§5. In den Hohenzollernschen Landen tritt, soweit nicht die Gesetze anderes bestimmen, an die Stelle des Oberpräsidenten und deS Provinzialrats der zuständige Minister, an die Stelle des Kreises der Ober­ amtsbezirk, an die Stelle des Landrats der Oberamtmann, an die Stelle des Kreisausschusses der Amtsausschuß. [teere Vorschriften) § 6. In bezug auf die amtliche Stellung, die Befugnisse, die Zu­ ständigkeit und das Verfahren der Verwaltungsbehörden bleiben

2. Landeöverwaltungsgesetz (1883).

[2

die bestehenden Vorschriften in Kraft, soweit dieselben nicht durch das gegenwärtige Gesetz abgeändert werden.

lBerwaltungsgerichte)

§ 7.

(1) Die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Entscheidung im Ver-

waltungsstreitverfahren) wird durch die Kreis-(Stadt-) Ausschüsse und die Bezirksausschüsse als Verwal­ tungsgerichte, sowie durch das in Berlin für den ganzen Um­ fang Iber Monarchie! des Staates bestehende Oberverwal­ tungsgericht ausgeübt. Die Entscheidungen ergehen unbe­ schadet aller privatrechtlichen Verhältnisse. (2) Die sachliche Zuständigkeit dieser Behörden zur Entschei­ dung in erster Instanz wird durch besondere gesetzliche Bestim­ mungen geregelt. (3) Die Bezirksausschüsse treten überall an die Stelle der Deputa­ tionen für das Heimatwesen.

(4) Wo in besonderen Gesetzen das Verwaltungsgericht ge­ nannt wird, ist darunter im Zweifel der Bezirksausschuß zu ver­ stehen.

Zweiter Titel. Verwaltungsbehörden. I. Abschnitt. Provinzialbehörden. 1. Oberpräsident.

lOberprästdentl

§ 8.

An der Spitze der Verwaltung der Provinz steht der Ober­ präsident. Demselben wird ein Vizepräsident des Oberpräsibiums1) und die erforderliche Anzahl von Räten und Hilfsarbei­ tern beigegeben, welche die Geschäfte nach seinen Anweisungen bearbeiten. Auch ist der Oberpräsident befugt, die Mitglieder der an seinem Amtssitz befindlichen Regierung, sowie die dem Regierungspräsidenten daselbst beigegebenen Beamten (§ 19 Absatz 1) zur Bearbeitung der ihm übertragenen Geschäfte her­ anzuziehen.

lStellverttetungl

§ 9.

Die Stellvertretung des Oberpräsidenten in Fällen der Be­ hinderung erfolgt, soweit sie nicht für einzelne Geschäftszweige durch besondere Vorschriften geordnet ist, durch den Vizepräsi­ denten des Oberpräsidiums'). Die zuständigen Minister sind be­ fugt, in besonderen Fällen eine andere Stellvertretung anzu­ ordnen.

*) Früher „Oberpräsidialrat" genannt, s. G. v. 13. 5. 1924 (GS. S. 487) Anlage 1 zu § 1.

2]

2. LandkSverwaltungSgeseh (1883).

2. Provinzialrat. [Zusammensetzung] § 10. (1) Der Provinzialrat besteht aus dem Oberpräsidenten be­

ziehungsweise dessen Stellvertreter als Vorsitzenden, aus einem von dem Minister des Innern auf die Dauer seines Haupt­ amtes am Sitze des Oberpräsidenten ernannten höheren Ver­ waltungsbeamten beziehungsweise dessen Stellvertreter und aus fünf Mitgliedern, welche vom Prooinzialausschusse aus der Zahl der zum Provinziallandtage wählbaren Provinzialangehörigen gewählt werden. [Sür die letzteren werden in gleicher Werse fünf Stellvertreter gewählt.)*) (2) Von der Wählbarkeit ausgeschlossen sind der Oberpräsi­ dent, die Reyierungspräsidenten, die Vorsteher (Königlicher] staat­

licher Polizeibehörden, die Landräte und die Beamten des Pro­ vinzialverbandes. [lauer der Wahl] § 11. (1) Die Wahl der Mitglieder des Provinzialrats und deren

Stellvertreter erfolgt auf v i e r2) Jahre. (2) Jede Wahl verliert ihre Wirkung mit dem Aufhören einer der für die Wählbarkeit vorgeschriebenen Bedingungen. Der Provinzialausschutz bat darüber zu beschließen, ob dieser Fall eingetreten ist. Gegen den Beschluß des Provinzialausschusses findet innerhalb zwei Wochen die Klage bei dem Oberverwal­ tungsgerichte statt. Die Klage steht auch dem Vorsitzenden des Provinzialrats zu. Dieselbe hat reine aufschiebende Wirkung; jedoch dürfen bis zur Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (Ersatzwahlen] Neuwahlen nicht stattfinden.

§12. sDer Gegenstand des § 12 ist durch das Gesetz zur Ergänzung und Abänderung der Wahlvorschriften für die Provinzialräte, Bezirksaus­ schüsse und andere Berwaltungsbeschlutz- und -streitbehörden, vom 25. Juli 1922 (GS. S. 195) neu geregelt. Die §§ 3, 4 und 6 dieses Gesetzes lauten:]

x) Jetzt je 2 Stellvertreter, s. G. zur Ergänzung und Abänderung der Wahlvorschrift für die Provinzialräte, Bezirksausschüsse und andere Berwaltungsbeschluß- und -streitbehörden, v. 25. 7. 1922 (GS. S. 195) § 1 Abs. 1: Für jedes zu wählende Mitglied des Provinzialrats und des Bezirksausschusses werden fortan im gleichen Wahlgange zwei Stell­ vertreter gewählt. -) Früher sechs, s. G. v. 25. 7. 1922 (GS. S. 195) § 6 unten b. § 12.

2. Landksvkrwliltungsgeskh (1883).

[SteOörrtrrter)

[2

§ 3.

(1) Scheidet ein Mitglied des Provinzialrats (Bezirksaus­ schusses) endgültig aus, so tritt an seiner Stelle als Mitglied sein erster Stellvertreter in die Behörde ein, an dessen Stelle der zweite Stellvertreter als erster, und für ihn als zweiter Stellvertreter derjenige Ersatzmann, der hinter dem an letzter Stelle zum Stellvertreter gewählten als nächstberufener Be­ werber auf dem Wahlvorschlage steht. Entsprechend regelt sich das Nachrücken, wenn ein Stellvertreter ausscheidet. (2) Dem Ausscheiden eines Mitglieds oder Stellvertreters steht die Ablehnung der Wahl oder, im Falle der Berufung dazu, des Nachrückens gleich. (3) über das Ausscheiden im Falle der Amtsniederlegung, der Ablehnung der Wahl oder des Nachrückens und über das Nachrücken in diesen Fällen sowie im Falle des Todes eines Mitglieds oder Stellvertreters beschließt der Provinzialrat (Bezirksausschuß) endgültig.

(Neuwahl!

§ 4.

(1) Ist für eine frei gewordene Mitgliedstelle kein Stell­ vertreter und auf dem Wahlvorschlage kein Ersatzmann mehr vorhanden, so kann der Minister des Innern die Vornahme einer Neuwahl für die Stelle anordnen und die zu dem Zwecke erforderlichen näheren Bestimmungen erlassen. Er kann insbesondere bestimmen, daß der neu'zu Wählende der Wähleraruppe anzugehören hat, auf deren Wahlvorschlag der Ausgesmiedene gewählt war. (2) Die Neuwahl gilt nur für den Rest der Wahlzeit.

IT an er der Wahlj

§ 6.

Die zu wählenden Mitglieder des Provinüalrats, des Be­ zirksausschusses und des Stadtausschusses werden unmittelbar nach jeder Neuwahl ihres Wahlkörpers neu gewählt*). Sie üben ihr Amt bis zum Eintritt ihrer Nachfolger aus.

§13. (Die Bestimmung des § 13 ist infolge des G. v. 25. 7. 1922 weggefallen.j lTiszi-linarrechtj § 14. (1) Die gewählten Mitglieder und stellvertretenden Mitglie­ der des Provinzialrats werden von dem Oberpräsidenten ver­ eidigt und in ihre Stellen eingeführt.

*) D. i. alle 4 Jahre, vgl. § 6 des G. v. 7. 10. 1925 (GS. S. 123) (bezüglich des Provinzialrats u. d. Bezirksausschusses), § 2 d. G. v. 18. 4. 1928, unten Nr. 15c (bezüglich d. Stadtausschusses).

2]

2. LandeSverwaltungSgesetz (1883).

(2) Sie können aus Gründen, welche die Entfernung eines Beamten aus seinem Amte rechtfertigen (§ 2 des Gesetzes vom 21. Juli 1852, betreffend die Dienstvergehen der nichtrichter­ lichen Beamten, Eesetzsamml. S. 465), im Wege des Disziplinar­ verfahrens ihrer Stellen enthoben werden. (3) Für das Disziplinarverfahren gelten die Vorschriften des genannten Gesetzes mit folgenden Maßgaben: (4) Die Einleitung des Verfahrens, sowie die Ernennung des Untersuchungskommissars und des Vertreters der Staats­ anwaltschaft erfolgt durch den Minister des Innern. (5) Disziplinargericht ist der Erste oder der Neunte Senats des Oberverwaltungsgerichts.

§ 15.

[Sefdjiufjfaffunnl

Der Prooinzialrat ist beschlußfähig, wenn mit Einschluß des Vorsitzenden fünf Mitglieder anwesend sind. Die Beschlüsse werden nach Stimmenmehrheit gefaßt. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlags.

3. Generalkommisiionen.

§16. (Bedeutungslos. Generalkommisiionen gibt es seit G. v. 3. 6. 1919 (GS. S. 101) bett. Landeskulturbehörden (Kultnrämter, Landeskulturämter (früher Generalkommisiionen) und Oberlandeskulturamt) nicht mehr.)

II. Abschnitt.

Bezirksbehörden.

1. Regierungspräsident und Bezirksregierung. (Regierungspräsidentl

§ 17.

An die Spitze der Bezirksregierung am Sitze des Oberpräsi­ denten tritt unter Wegfall des Regierungsvizepräsidenten**) ein Regierungspräsident. Der Oberpräsi­ dent ist fortan nicht mehr Präsident dieser Regierung. IKeine RegierungSabteilung des Innern mehrs

§ 18.

Die Regierungsabteilung des Innern wird aufgehoben. Die Geschäfte derselben werden, soweit nicht durch das gegenwärtige !) Früher 1918 (GS. S. *) Anders §§ 33, 40). ’) Dieser

Plenum, s. G. v. 8. 5. 1889 (GS. S. 107) und v. 13. 5. 53) in Verb, mit d. G. v. 12. 7. 1929 (GS. S. 85). beim Bezirks- und Kreis- bzw. Stadtausschuß (unten

lebte 1924 wieder aus, s. § 19.

2. Landesverwaltnugsgeseh (1883).

[2

Gesetz vbweichende Bestimmungen getroffen sind, von dem Re­ gierungspräsidenten mit den der Regierung zustehenden Befug­ nissen verwaltet. svilfskräftes

§ 19.

(1) Dem Regierungspräsidenten wird für die ihm persönlich übertragenen Angelegenheiten ein Regier ungsvizepräsident^) und die erforderliche Anzahl von Räten und Hilfs­ arbeitern, von denen mindestens einer die Befähigung zum Richteramte haben mutz, beigegeben, welche die Geschäfte nach seinen Anweisungen bearbeiten. (2) Diese Beamten können zugleich bei der Regierung be­ schäftigt werden und nehmen an den Plenarberatungen derselben nach Maßgabe der für die Negierungsmitglieder bestehenden Vorschriften teil. (3) Die Mitglieder der Negierung können von dem Regie­ rungspräsidenten zur Bearbeitung der ihm übertragenen Ge­ schäfte herangezogen werden. lStellvertretunfll

§ 20.

Die Stellvertretung des Regierungspräsidenten in Fällen der Behinderung erfolgt durch den ihm beigegebenen Regierunysvizepräsidenten^ und, wenn auch dieser behin­ dert ist, durch einen Oberregierungsrat der Bezirksregierung. Die zuständigen Minister sind befugt, in besonderen Fällen eine andere Stellvertretung anzuordnen.

§21. (1) Die Geschäfte der Regierungen zu Stralsund — diese, abgesehen von der bei ihr gebildeten Abteilung für direkte Steuern, Domänen und Forsten^) — und zu Sigmaringen, soweit sie zur Zuständigkeit der Regie­ rungsabteilungen des Innern gehören, werden nach Maßgabe des § 18 von den Regierungspräsidenten verwaltet. Die Mitglieder der Regierung bearbeiten diese Geschäfte nach den Anweisungen des Präsidenten. (2) Die Stellvertretung des Präsidenten in Fällen der Behinderung erfolgt durch ein von den zuständigen Ministern beauftragtes Mitglied der Regierung.

§22. Bei den Regierungen zu [DanjigJ Erfurt, Münster, Minden, Arns­ berg, Koblenz, Köln, Aachen und Trier tritt an die Stelle der Abteilung

i) Früher „Oberregierungsrat" genannt, s. G. v. 13. 5. 1924 (GS. S. 487). a) Zwischensatz eingefügt durch BO. v. 22. 4. 1892 (GS. S. 96).

[2

2. LandeSverwaltungögeseh (1SS3).

des Innern für die bisher von derselben bearbeiteten Kirchen- und Schulsachen eine Abteilung für Kirchen- und Schulwesens.

§23. (1) Die landwirtschaftlichen Abteilungen der Negierungen zu Königsberg und Marienwerder, sowie die bei den Regierungen der Provinzen Ost- und Westpreußen und zu Schleswig bestehenden Spruch­ kollegien für die landwirtschaftlichen Angelegenheiten werden aufgehoben. Die Zuständigkeiten dieser Behörden, sowie diejenigen der Abteilungen des Innern der Regierungen zu (Gumbinnen, sDanzig! und Schleswig als Attscinandersctzungsbehördcn gehen auf Generalkommissionen (§ 16)'-) über. sAbs. 2 aufgehoben durch G. v. 21. 3. 1887 (GS. S. 61), betraf die Auseinandersetzungsbchörde für den Regierungsbezirk Wiesbaden. Zu­ ständig ist jetzt das Landcskulturamt in Kassel.]

IBefugnisse des RegierungSpräs.s

§ 24.

(1) Der Regierungspräsident ist befugt, Beschlüsse der Regierung oder einer Abteilung derselben, mit welchen er nicht einverstanden ist, außer Kraft zu setzen und, so­ fern er den Aufenthalt in der Sache für nachteilig erachtet, auf seine Verantwortung anzuordnen, daß nach seiner Ansicht ver­ fahren werde. Andernfalls ist höhere Entscheidung einzuholen. (2) Auch ist der Regierungspräsident befugt, in den zur Zu­ ständigkeit der Regierung gehörigen Angelegenheiten an Stelle des Kollegiums unter persönlicher Verantwortlichkeit Verfügun­ gen zu treffen, wenn er die Sache für eilbedürftig oder, im Falle seiner Anwesenheit an Ort und Stelle, eine sofortige An­ ordnung für erforderlich erachtet.

§25. (1) In der Provinz Hannover treten an die Stelle der Landdrosteien und der Finanzdirektion sechs Regierungspräsidenten und Regierungen, welche, gleich dem Oberpräsidenten, die Verwaltung mit den Befugnissen und nach den Vorschriften führen, welche dafür in den übrigen Provinzen gelten beziehungsweise in dem gegenwärtigen Gesetz gegeben sind. (2) Welche der vorbezeichneten Regierungen nach dem Vorbild der Regierung zu Stralsund zu organisieren sind, bleibt sKöniglicher Ver­ ordnung! der Verordnung des Staatsministeriums3*)* Vorbehalten. (3) Für die Angelegenheiten der direkten Steuern, Domänen und Forsten ist bei der Regierung zu Osnabrück und für die der direkten *) Wegen der anderen Regierungen s. § 18. a) S. aber oben zu § 16. 3) Gemäß Art. 82 Abs. 1 PrV. v. 30. 11. 1920.

2. LandeSvkrwaltungsgeseh (1883). •Steuern und Domänen bei der Regierung zu Aurich je eine Abteilung qcbilbct1).

§26. (1) Tie Zuständigkeiten der Konsistorialbehörden in der Provinz Hannover in betreff des Schulwesens, sowie die kirchlichen Angelegen­ heiten, welche bisher zum Geschäftskreise der katholischen Konsistorien zu Hildesheim und Osnabrück gehörten, werden den Abteilungen für Erchen- und Schulwesen der betreffenden Regierungen überwiesen2).3 * 5 (2) Tie genannten katholischen Konsistorien werden aufgehoben.

§27. Ten evangelischen Konsistorialbehörden in der Provinz Hannover verbleiben bis zur anderweitigen gesetzlichen Siegelung in Kirchensachen ihre bisherigen Zuständigkeiten-).

2. Bezirksausschuß.

(Zusammensetzung!

§ 28-).

(1) Der Bezirksausschuß besteht aus dem Regierungspräsi­ denten als Vorsitzenden und aus sechs Mitgliedern. (2) Zwei dieser Mitglieder, von denen eins zum Richter­ amte, eins zur Bekleidung von höheren Verwaltungsämtern befähigt sein muß, werden vom sKöniges Staatsministerium*) auf Lebenszeit ernannt. Aus der Zahl dieser Mit­ glieder ernennt sder Königs das Staatsministerium*) gleichzeitig den Stellvertreter des Regierungspräsidenten im Vorsitze mit dem Titel Verwaltungsgerichtsdirektor. Zur son­ stigen Stellvertretung des Regierungspräsidenten im Bezirks­ ausschüsse und zur Stellvertretung jedes der beiden auf Lebens­ zeit ernannten Mitglieder ernennt [ber Königs das Staatsministe­ rium*) ferner aus der Zahl der am Sitze des Bezirksausschusses ein richterliches oder ein höheres Verwaltungsamt bekleidenden Beamten einen Stellvertreter. Die Ernennung der Stellvertreter erfolgt auf die Dauer ihres Hauptamts am Sitze des Bezirks­ ausschusses. (3) Die vier anderen Mitglieder des Bezirksausschusses werden aus den Einwohnern seines Sprengels d u r cy den Provinzialausschutz gewählt-). Zn gleicher Weise wählt 1) Abs. 3 angefügt durch BO. v. 22. 4. 1892 (GS. S. 96). 2) Vgl. des näheren für die cvangel. Landeskirchen DO. v. 4. 8. 1924 (GS. S. 594), für die kath. Kirche BO. v. 24.10.1924 (GS. S. 731). 3) Für Berlin f. § 43. *) Gemäß Art. 82 Abs. 1 PrB. v. 30. 11. 1920. 5) Wegen der Amtsdauer dieser Mitglieder s. oben Anm. 1 auf S. 9.

2]

2. LandesoerwaltungSgesetz (1883).

letzterer acht*) Stellvertreter, über deren Einberufung das Eeschäftsregulativ bestimmt. (4) Wählbar ist mit Ausnahme des Oberpräsidenten, der Regierungspräsidenten, der Vorsteher [Königlicher) staatlicher Polizeibehörden, der Landräte und der Beamten des Provinzial­ verbandes ieder zum Provinziallandtage wählbare Angehörige des Deutschen Reichs. Mitglieder des Provinzialrats können nicht Mitglieder des Bezirksausschusses sein. (5) Im übrigen finden auf die Wahlen beziehungsweise die gewählten Mitgiieder die Bestimmungen der §§ 11, [12 und 13]*2)3 sinngemäße Anwendung. (Abteilungen)

§ 29.

Wo der Eeschäftsumfang es erfordert, können durch [König­ liche) Verordnung des S1aatsministeriums°) Abteilungen des Bezirksausschusses für Teile des Regierungsbezirks gebildet werden. In solchen Fällen gehören der Vorsitzende und, sofern nicht für die verschiedenen Abteilungen besondere Ernennungen erfolgen, die ernannten Mitglieder allen Abteilungen an. Die gewählten Mitglieder und deren Stellvertreter müssen für jede Abteilung gesondert bestellt werden. Im übrigen gelten die für den Bezirksausschuß gegebenen Vorschriften sinngemäß für jede Abteilung. |3teilt)ertretung im Vorsitz)

§ 30.

Der Vorsitz im Bezirksausschüsse geht in Behinderungsfällen von dem Regierungspräsidenten beziehungsweise dem Verwal­ tungsgerichtsdirektor auf das zweite ernannte Mitglied, sodann auf den Stellvertreter des Verwaltungsgerichtsdirektors über. Der Regierungspräsident gilt als behindert in allen Fällen, in welchen über eine Beschwerde gegen dieVerfügung eines Re­ gierungspräsidenten verhandelt wird. [Nebenbeschäftigung) § 31. [Den ernannten Mitgliedern darf eine Vertretung des Regierungspräsidenten oder eine Hilfsleistung in den diesem persönlich überwiesenen Geschäften nicht aufgetragen werden*)). Beide nehmen

an den Plenarberatungen der Regierung nach Maßgabe der fiit die Regierungsmitglieder bestehenden Vorschriften teil. Im übrigen ist ihnen die Führung eines anderen Amtes nur ge­ il Früher vier, s. G. v. 25. 7. 1922 (GS. S. 195) § 1 Abs. 1, s. oben Anm. 1 zu § 10. 2) Jetzt die an deren Stelle getretenen Bestimmungen. 3) Gemäß Art. 82 Pr2. *) Gestrichen durch das KriegsG. v. 13. 5. 1918 (GS. S. 53).

2. LandesverwaltungSgesetz (1883).

[2

stattet, wenn dasselbe ein richterliches ist oder ohne Vergütung geführt wird. (Disziplinarrechts

§ 32.

(1) Die gewählten Mitglieder und stellvertretenden Mitglie­

der werden durch den Vorsitzenden vereidigt. Alle Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder unterliegen in dieser ihrer Eigenschaft den Vorschriften des Gesetzes, betreffend die Dienst­ vergehen der Richter usw., vom 7. Mai 1851 (Gesetzsamml. S. 218), beziehungsweise des Gesetzes vom 26. März 1856 (Ge­ setzsamml. S. 201). (2) Disziplinargericht ist der Erste oder der Neunte Senats des Oberverwaltungsgerichts; der Vertreter der Staatsanwaltschaft wird von dem Präsidenten des Oberverwal­ tungsgerichts ernannt. ^Beschlußfassung)

§ 33.

(1) Der Bezirksausschuß ist bei Anwesenheit von fünf Mit­

gliedern, in Streitsachen unter Fürsorgeverbänden3*)* bei An­ wesenheit von drei Mitgliedern beschlußfähig, unter denen sich in allen Fällen mit Einschluß oes Vorsitzenden min­ destens zwei ernannte, [barunter ein zum Richteramte befähigtes,]3) und ein gewähltes Mitglied befinden muh. (2) Die Beschlüsse werden nach Stimmenmehrheit gefaßt. Bei gerader Strmmenzahl scheidet, wenn außer dem Vorsitzenden zwei ernannte Mitglieder anwesend sind, das dem Dienstalter nach jüngste ernannte, wenn außer dem Vorsitzenden nur ein ernanntes Mitglied anwesend ist, das dem Lebensalter nach jüngste gewählte Mitglied mit der Maßgabe aus, daß das Stimmrecht vorzugsweise [1. unter den ernannten Mitgliedern einem zum Richteramte be­ fähigten, sofern es dessen zur Beschlußfähigkeit bedarf, 2. im übrigen]4)5 dem Berichterstatter

verbleibt^). lKosten]

§ 34.

(1) Die gewählten Mitglieder und deren Stellvertreter er-

1) 2) 3) 4) 5) zialrat

S. Anm. 1 zu § 14. Früher Armenverbände, s. unten bei § 39 ZustG. Gestrichen durch das Kriegsgesetz v. 13. 5. 1918. Weggefallen infolge der Streichung in Abs. 1. Wie beim Kreis- (Stadt-) Ausschuß (§ 40). Anders beim Provin­ (§ 15).

2]

2. Landeöverwaltungögkskh (18S3).

halten Tagegelder und Reisekosten nach den für Staatsbeamte sder vierten Nangklasse^) bestehenden gesetzlichen Bestimmungen. (2) Alle Einnahmen des Bezirksausschusses fließen zur Staatskasse. Derselben fallen auch alle Ausgaben zur Last.

§35. In den Hohenzollernschen Landen kommen in betreff des Bezirks­ ausschusses die Bestimmungen der §§ 28, 30, 32, 33, 31 mit der Maß­ gabe zur Anwendung, daß die zu wählenden Mitglieder von dem Landes­ ausschusse aus der Zahl der zum Kommunallandlage wählbaren An­ gehörigen des Landeskommunalverbandes gewählt werden. Der Negiecungspräsident, die Obcramtmänner und die Beamten des Landeskommunalverbandes sind von der Wählbarkeit ausgeschlossen.

III. Abschnitt. Kreisbehörden. § 36.

ILandrat und ttreisauöschußl

An der Spitze der Verwaltung des Kreises steht der Landrat. Derselbe führt den Vorsitz im Kreisausschuste. Im übrigen wird die Zusammensetzung des Kreisausschusses durch die Kreisord­ nungen geregelt. lLtadtausfchuß b. MagistratSverf.I

§ 37.

(1) Der Stadtausschuß besteht aus dem Bürgermeister be­

ziehungsweise dessen gesetzlichem Stellvertreter als Vorsitzendem und vier Mitgliedern, welche vom Magistrate (kollegialischen Eemeindevorstande) aus seiner Mitte [für die Dauer ihres Hauptamtesl-) gewählt werden. (2) Für Fälle der Behinderung sowohl des Bürgermeisters wie seines gesetzlichen Stellvertreters wählt der Stadtausschuß den Vorsitzenden aus seiner Mitte. Derselbe bedarf der Bestäti­ gung des Regierungspräsidenten, in dem Stadtkreise Berlin des Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg. (3) Der Vorsitzende oder ein Mitglied des Stadtausschusses mutz zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst be­ fähigt fein. ILtadtauSschutz b. Bür-ermristereiverf.I

§ 38.

(1) Zn Stadtkreisen, in denen der Bürgermeister allein den Demeindevorstand bildet, werden die außer dem Vorsitzenden zu i) Rangklassen gibt es nicht mehr, s. G. v. 3. 1. 1923 (GS. S. 3). Vom M. d. I. ist mangels gesetzlicher Regelung «Stufe III das. für anwendbar erklärt worden — Vers. v. 6. 3. 1924, I A 126 II —. -) S. jetzt § 6 d. G. v. 25. 7. 1922, oben bei § 12. — IG

2. LandesverwaltungSgefetz (1883).

[2

bestellenden Mitglieder von der Gemeindevertretung aus der Zahl der Gemeindebüraer gewählt. [2lbf. 2—4 betr. die Dauer der Wahl überholt durch § 6 d. G. v. 25. 7. 1922, s. oben bei § 12. In Abs. 6 sind dadurch die Worte: „der Wahl" weggefallen.s (5) Für die im Laufe der Wahlperiode ausscheidenden Mit­

glieder haben Ersatzwahlen stattzufinden. Die Ersatzmänner bleiben nur bis zum Ende desjenigen Zeitraums in Tätigkeit, für welchen die Ausgeschiedenen gewählt worden. (6) Im übrigen gelten in betreff der Wählbarkeit, sder Wahl,^ der Einführung und der Vereidigung der Mitglieder, sowie des Verlustes ihrer Stellen unter einstweiliger Enthebung von denselben, die für unbesoldete Magrstratsmitglieder be­ stehenden gesetzlichen Vorschriften. (Disziplinarverfahren!

§ 39.

(1) Die

gewählten Mitglieder des Kreis- (Stadt-) Aus­ schusses können aus Gründen, welche die Entfernung eines Be­ amten aus seinem Amte rechtfertigen (§ 2 des Gesetzes vom 21. Juli 1852, betreffend die Dienstvergehen der nichtrichterlichen Beamten), im Wege des Disziplinarverfahrens ihrer Stellen enthoben werden. (2) Für das Disziplinarverfahren gelten die Vorschriften des genannten Gesetzes mit folgenden Maßgaben: (3) Die Einleitung des Verfahrens, sowie die Ernennung des Untersuchungskommissars erfolgt durch den Regierungs­ präsidenten. (4) Die entscheidende Behörde erster Instanz ist der Bezirks­ ausschuß, die entscheidende Behörde zweiter Instanz der Erste oder der Neunte Senats des Oberverwaltungsgerichts. (5) Der Vertreter der Staatsanwaltschaft wird für die erste Instanz von dem Regierungspräsidenten, für die zweite Instanz von dem Minister des Innern ernannt. IBefchluhsassung!

§ 40.

Der Kreis- (Stadt-) Ausschuß ist beschlußfähig, wenn mit Einschluß des Vorsitzenden drei Mitglieder anwesend sind. Die Beschlüsse werden nach Stimmenmehrheit gefaßt. Ist eine gerade Zahl von Mitgliedern anwesend, so nimmt das dem Lebens­ alter nach jüngste gewählte Mitglied an der Abstimmung nicht teil. Dem Berichterstatter steht jedoch in allen Fällen Stimm­ recht zu. i) S. Anm. 1 zu § 14. Bühler, Berwaltungsgesetze.

2. LandeövkrwaltungSgesetz (1883).

2]

IV. Abschnitt. [Cberpräjibcnt]

Behörden für den Stadtkreis Berlin. § 41.

(1) Der Oberpräsident der Provinz Brandenburg ist zugleich Oberpräsident von Berlin. (2) Jngleichen fungieren das Provinzialschulkollegium, [ba5 Mcbizinalkollegium^), die Generalkommission2)] und die Direktion der Rentenbant für die Provinz Brandenburg auch für den Stadt­ kreis Berlin.

lRegierungSpriisidentj § 42. (1) An Stelle des Regierungspräsidenten führt der Ober­ präsident die Aufsicht des Staats über die Verwaltung der Eemeindeangelegenyeiten der Stadt Berlin. Auf welche Behörden die sonstigen Zuständigkeiten der Regierungsabteilungen des Innern zu Potsdam in betreff Berlins übergehen, wird durch ^Königliche) Verordnung des Staatsministeriums^) bestimmt. (2) Im übrigen, und soweit nicht sonst die Gesetze anderes bestimmen, tritt für den Stadtkreis Berlin an die Stelle des Regierungspräsidenten der Polizeipräsident von Berlin.

sProvinzialrat u. Bezirksanssch.j

§ 43.

(1) An die Stelle des Provinzialrats tritt in den Fällen, in welchen derselbe in erster Instanz beschließt, der Oberpräsident, in den übrigen Fällen der zuständige Minister. (2) Für den Stadtkreis Berlin besteht ein besonderer Be­ zirksausschuß. Auf denselben finden die Bestimmungen der §§ 28, 30 Satz 1, 31 Satz 3, 32, 33, 34 mit folgenden Maßgaben An­ wendung: 1. An Stelle des Regierungspräsidenten tritt ein vom Staatsministerium*) ernannter Präsident. Die Er­ nennung dieses Beamten kann im Nebenamte auf die Dauer seines Hauptamtes in Berlin erfolgen. Beamte des Polizeipräsidiums sind von dieser Ernennung aus­ geschlossen. 2. [toegen Zisf. 2 s. § 39 d. Groß-Berlin-Gesetzes v. 27. 4. 1920

(GS. S. 123).] (3) Zur Zuständigkeit des Bezirksausschusses für den Stadt­ kreis Berlin gehören die im Verwaltungsstreitverfahren zu be­ handelnden Angelegenheiten und diejenigen im Beschlußverfahren zu behandelnden Angelegenheiten, welche im einzelnen

*) Heute gerichtsärztliche Ausschüsse für die Provinz, Beschluß deS Staatsministeriums v. 30. 4. 1921 (GS. S. 372). 2) S. oben bei § 16. 3) Gemäß Art. 82 Abs. 1 PrB.

2. LandkSverwaltungsgeseh (1883).

[2

durch die Gesetze seiner Zuständigkeit überwiesen werden; in betreff der übrigen im Beschlutzverfahren zu behandelnden An­ gelegenheiten tritt für den Stadtkreis Berlin der Oberpräsident an die Stelle des Bezirksausschusses, soweit nicht in den Gesetzen ein anderes bestimmt ist.

(Kirchliche Verwaltung)

§ 44.

(1) In Angelegenheiten der kirchlichen Verwaltung tritt für den Stadtkreis Berlin an die Stelle oer Regierungsabteilung für Kirchen- und Schulwesen der Polizeipräsident. (2) Bezüglich der Verwaltung sdcs landesherrlichen Patronats ltiibii) des Schulwesens verbleibt es bei den bestehenden Be­ stimmungen.

§ 45. (Aufgehoben durch Gesetz Dom, 15. 11. 1919, GS. S. 1920.] §46. sAufgehoben, s. § 41 Abs. 2 d. G. v. 24. 6. 1891, GS. S. 175.] (Disziplinarverfahren) § 47. Für diejenigen Kategorien der in Berlin anbestellten Be­ amten. bezüglich deren nicht die Zuständigkeit einer anderen Behörde in Disziplinarsachen begründet ist, behält es bei den Bestimmungen des § 25 des Gesetzes vom 21. Juli 1852 mit der Maßgabe sein Bewenden, daß die Einleitung des Disziplinar­ verfahrens, sowie die Ernennung des Untersuchungskommissars und des Vertreters des Staatsanwalts für die erste Instanz dem Oberpräsidenten von Berlin zusteht.

V. A b f ch n i t t. Stellung der Behörden. (Dienstaufsicht) § 48. (1) Die dienstliche Aufsicht über die Geschäftsführung des Kreis- (Stadt-) Ausschusses wird von dem Regierungspräsidenten, in Berlin von dem Oberpräsidenten, die Aufsicht üoer die Ge­ schäftsführung des Bezirksausschusses von dem Oberpräsidenten, die Aufsicht über die Geschäftsführung des Provinzralrats von dem Minister des Innern geführt. (2) Vorstellungen gegen die geschäftlichen Aufstchtsverfügun)en des Regierungspräsidenten unterliegen der endgültigen Bechlußfasfung des Oberpräsidenten, Vorstellungen gegen die Aufichtsverfügungen des Oberpräsidenten der endgültigen Befchlugasiuna des Ministers des Innern. (3) Die Aufsichtsbehörden sind zur Vornahme allgemeiner Geschäftsrevisionen befugt.

i) überholt.

2]

2. LandeöverroaltungSgkjeh (1883).

lSiechtshilse, AnweisungSrechst

§ 49.

Die im § 48 bezeichneten Behörden haben sich gegenseitig Rechtshilfe zu leisten. Sie haben den geschäftlichen Aufträgen und Anweisungen der ihnen im Instanzenzuge vorgesetzten Be­ hörden Folge zu leisten.

Dritter Titel.

I. Abschnitt.

(Rechtsmittel)

Verfahren.

Allgemeine Vorschriften.

§ 50.

(1) Das Gesetz bestimmt, in welcher Weise Verfügungen (Be­ scheide, Beschlüsse) in Verwaltungssachen angefochten werden können. Zur ersten Anfechtung dienen in der Regel die Be­ schwerde oder die Klage tm Verwaltungsstreitverfahren. (2) Die Beschwerde ist ausgeschlossen, soweit das Verwal­ tungsstreitverfahren zugelassen ist, vorbehaltlich abweichender besonderer Bestimmungen des Gesetzes. (3) Unberührt bleibt in allen Fällen die Befugnis der staat­ lichen Aufsichtsbehörden, innerhalb ihrer gesetzlichen Zuständig­ keit Verfügungen und Anordnungen der Nachgeordneten Behörden außer Kraft zu setzen, oder diese Behörden mit Anweisungen zu versehen.

fristen)

§ 51.

Wo die Gesetze für die Anbringung der Beschwerde gegen Beschlüsse des Kreis- (Stadt-) Ausschusses, des Bezirksausschusses oder des Provinzialrats, oder der Klage beziehungsweise des Antrags auf mündliche Verhandlung im Verwaltungsstreitverfahren eine andere als eine zweiwöchentliche Frist vorschreiben, beträgt die Frist fortan zwei Wochen. Das gleiche gilt von [ben] der tm § 11 des Gesetzes vorn 14. August 1876, betreffend die Verwaltung der den Gemeinden und öffentlichen Anstalten ge­ hörigen Holzungen in den Provinzen Preußen. Brandenburg, Pommern, [$ofen,] Schlesien und Sachsen (Gefetzsamml. ,S. 373),

[unb im 8 91 des Gesetzes vom 1. April 1879, betreffend die Bildung von Wassergenossenschaften, (Gefetzsamml. S. 297)]i) vorgeschriebenen Fristsen].

lFristenbe-inn u. -laust

§ 52.

(1) Die Fristen für die Anbringung der Beschwerde und der Klage beziehungsweise des Antrags auf mündliche Verhandlung

*) Das G. v. 1. 4.1879 ist aufgehoben durch § 399 Ziff. 1 des Wasser­ gesetzes v. 7. 4. 1913 (GS. S. 53), unten Nr. 46.

2. LnndtSvtrwaltungsgejth (1883).

[2

im Verwaltungsstreitverfahren, sowie alle Fristen im Verwal­ tungsstreitverfahren sind präklusivisch und beginnen, sofern nicht die 'Gesetze anderes vorschreiben, mit der Zustellung. Für die Bereckmung der Fristen sind die bürgerlichen Prozctzgesetze*) maßgebend. (2) Bezüglich der Beschwerde kann die angerusene Behörde in Fällen unverschuldeter Fristversäumung Wiederein­ setzung in den vorigen Stand gewahren. (3) Für eine im Verwaltungsstreitverfahren zu gewährende Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind lediglich die für das Verwaltungsstreitverfahren besonders getroffenen Bestimmungen matzgebend (§ 112). § 53.

l-lusschiebende Wirkung)

Die Anbringung der Beschwerde, sowie der Klage beziehungs­ weise des Antrags auf mündliche Verhandlung im Verwaltungsstreitverfahren hat, sofern nicht die Gesetze anderes vorschreiben, aufschiebende Wirkung. Verfügungen, Bescheide und Beschlüsse können jedoch, auch wenn dieselben' mit der Beschwerde oder mit der Klage beziehungsweise dem Antrag auf mündliche Verhand­ lung im Verwaltungsstreitverfahren angefochten sind, zur Aus­ führung gebracht werden, sofern letztere nach dem Ermessen der Behörde ohne Nachteil für das Gemeinwesen nicht ausgesetzt bleiben kann, vorbehaltlich der Bestimmung im § 133 Absatz 3 dieses Gesetzes. lDerw.streitverfahren und BeschlutzverfahrenI

§ 54.

(1) Das Verfahren des Kreis- (Stadt-) Ausschusses und des

Bezirksausschusses in Angelegenheiten der allgemeinen Landes­ verwaltung ist entweder das Verwaltungsstreitverfahren oder das Beschlutzverfahren. (2) Das Verwaltungsstreitverfahren tritt in allen Angelegenheiten ein, in welchen die Gesetze von der Ent­ scheidung in streitigen Verwaltungssachen oder von der Erledi­ gung der Angelegenheit im Streitverfahren oder durch Endurteil oder von der Klage bei dem Kreisausschusse, dem Bezirksaus­ schüsse oder einem Verwaltungsgerichte sprechen, und wo sonst dieses Verfahren gesetzlich vorgeschrieben ist. (3) In allen anderen Angelegenheiten ist das Verfahren des Kreis- (Stadt-) Ausschusses und des Bezirksausschusses das B e schlutzverfahren. 0 Jetzt BGB.

186-193.

2]

2. LandeSverwaltungSgeseh (1883).

(4) Das Oberverwaltungsgericht verfährt in den durch fcc* sondere gesetzliche Vorschriften bezeichneten Angelegenheiten im Veschlußversahren, sonst im Verwaltungsstreitverfahren*); der Provinzialrat nur im Veschlußversahren.

(Ausgaben drS Vorsitzenden!

§ 55.

Der Vorsitzende des Kreis- (Stadt-) Ausschusses, des Bezirks­ ausschusses und des Provinzialrats beruft das Kollegium, leitet und beaufsichtigt den Geschäftsgang und sorgt für die prompte Erledigung der Geschäfte. Er bereitet die Beschlüsse der Behörde vor und trägt für deren Ausführung Sorge. Er vertritt die Behörde nach außen, verhandelt namens derselben mit anderen Behörden und mit Privatpersonen, führt den Schriftwechsel und zeichnet alle Schriftstücke namens der Behörde.

lRegulativej

§ 56.

Soweit Geschäftsgang und Verfahren des Kreis- (Stadt-) Ausschusses, des Bezirksausschusses und des Provinzialrats nicht durch die nachstehenden oder durch besondere gesetzliche Bestim­ mungen geregelt sind, werden dieselben durch Regulative-) ge­ ordnet, welche der Minister des Innern erläßt.

LÖrtL Zuständigkeit! § 57. (1) Die örtliche Zuständigkeit für das Verwaltungsstreit- und

Beschlußverfahren bestimmt sich, wie folgt: (2) Zuständig in erster Instanz ist: 1. in Angelegenheiten, welche sich auf Grundstücke beziehen, die Behörde der belegenen Sache,' 2. in allen sonstigen Fällen die Behörde desjenigen Bezirks (Kreis, Regierungsbezirk, Provinz), in welchem die Per­ son w o h n t oder die Korporation beziehungsweise öffent­ liche Behörde ihren Sitz hat, welche im Verwaltungsstrertversahren in Anspruch genommen wird oder auf deren Angelegenheit sich die Beschlußfassung bezieht. Wenn die Korporation oder öffentliche Behörde ihren Sitz außerhalb ihres räumlichen Bezirks hat, ist diejenige Be­ hörde zuständig, welcher dieser Bezirk angehört.

*) Früher nur im Verwaltungsstreitverfahren, s. VO. v. 12. 3. 1924 (GS. S. 132). -) Erlassen am 28. 2. 1884 (MBliV. S. 35, 37, 41).

2. LandkövkrwaltrmgSgtskh (1883).

[2

Bezüglich des Kommunalverbandes der Provinz Brandenburg ist der Bezirksausschuß zu Potsdam zu­ ständig. (Zweifelsfälle)

§ 58.

(1) Sind die Grundstücke in mehreren Bezirken belegen, oder ist es zweifelhaft, zu welchem Bezirke sie gehören, so wird die zuständige Behörde 1. für das Berwaltungsstreitverfahren durch den Bezirksausschuß und, wenn die Grundstücke in verschiedenen Regierungsbezirken liegen, durch das Oberverwaltungsgericht, 2. sür daS Bcschlußverfahrcn durch den Regierungspräsidenten, den Oberpräsidenten oder den Minister des Innern, je nachdem die betreffenden Bezirke demselben Regierungsbezirke, derselben Pro­ vinz, aber verschiedenen Regierungsbezirken, oder verschiedenen Provinzen angehörcn, endgültig bestimmt. (2) Dasselbe findet statt, wenn die Personen oder Korporationen, deren Angelegenheit den Gegenstand der Entscheidung oder Beschluß­ fassung bildet, in mehreren Bezirken wohnen oder ihren Sitz haben.

(Ausnahmen) § 59. Ist bei einer Angelegenheit, welche zur Zuständigkeit des Kreis- (Stadt-) Ausschusses gehört, die betreffende Kreiskorporation (Stadtgemeinde) als solche beteiligt, so wird 1. für das Berwaltungsstreitverfahren von dem Bezirksaus­ schüsse und, wenn ein Stadtkreis beteiligt ist, von dem Oberverwaltungsgerichte, 2. für das Beschluhverfahren von dem Regierungspräsi­ denten, für Berlin von dem Oberprästdenten ein anderer Kreis- oder Stadtausschutz mit der Entscheidung oder Beschlußfassung beauftragt. (Vollstreckung) § 60. (1) Die Vollstreckung im Berwaltungsstreitverfahren und im Beschlußverfahren erfolgt im Wege des Verwaltungszwangs­ verfahrens. Die Vollstreckung wird namens der Behörde, welche in der ersten Instanz entschieden beziehungsweise be­ schlossen hatte, von deren Vorsitzendem verfügt. Über Beschwer­ den gegen die Verfügungen des Vorsitzenden entscheidet die Be­ hörde. Gegen die Entscheidung der Behörde findet innerhalb zwei Wochen die Beschwerde an die im Jnstanzenzuge zunächst höhere Behörde statt. (2) Die Entscheidung der letzteren ist endgültig.

2]

2. LandeeverwaltungSgeskl; (1RS3).

II. Abschnitt.

Berwaltungsstreitverfahren.

1. Bon der Ausschließung und Ablehnung der Eerichtspersonen. [©riinbe] § 61. (1) Die Bestimmungen der bürgerlichen Prozeßgesetze^) über Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen finden für das Berwaltungsstreitverfahren sinngemäße Anwendung. (2) Aus der innerhalb seiner Zuständigkeit geübten amtlichen Tätigkeit des Landrats beziehungsweise des Regierungspräsi­ denten darf kein Grund zur Ablehnung desselben wegen Besorg­ nis der Befangenheit entnommen werden. sAblehnungSbefchlußs

§ 62.

(1) über das Ablchnungsgesuch beschließt das Gericht, welchem der Abgelehnte angehört, und wenn der Vorsitzende des Kreis- (Stadt-) öder Bezirksausschusses abgelehnt werden soll, das nächst höhere Gericht. (2) Der Beschluß, durch welchen das Gesuch für begründet er­ klärt wird, ist endgültig. Wird das Gesuch für unbegründet er­ klärt, so steht der mit demselben zurückgewiesenen Partei inner­ halb zwei Wochen die Beschwerde an das im Jnstanzenzuge zu­ nächst höhere Gericht zu. Das letztere entscheidet endgültig. Die Verhandlung über die Ablehnung erfolgt in nicht öffentlicher Sitzung. (3) Das im Jnstanzenzuge zunächst vorgesetzte Gericht ent­ scheidet desgleichen endgültig und bestimmt das zuständige Ge­ richt, wenn das Gericht, dem das ausgeschlossene ober abgelehnte Mitglied angehört, bei dessen Ausscheiden beschlußunfähig wird.

2. Bon dem Verfahren in erster Instanz. § 63. Die Klage ist bei dem zuständigen Gericht schriftlich einzu-

sEinreichung der Klage!

9 Die hier maßgebenden 88 41—49 ZPO. enthalten folgende Ausschließungsgründe: Beteiligung am Rechtsstreit (als Mitberechtigter, Mit- oder Regreßverpflichtetcr); nahe Verwandtschaft mit einer Partei (Heirat, Verwandtschaft oder Schwägerschaft in gerader Linie, Adoption, Verwandtschaft (Schwägerschast) bis zum 3. (2.) Grade der Seitenlinie); Prozeßvollmacht, Beistandschaft, gesetzliche Vertretungs­ macht (auch frühere) für einen Beteiligten; Mitwirkung im selben Ver­ fahren als Vorderrichter (auch Schiedsrichter), Zeuge oder Sachver­ ständiger; Ablehnungsgründe: Ausschließungsgründe und Besorgnis der Be­ fangenheit (wegen des letzteren s. aber auch § 61 Abs. 2 LVG.).

2. Landesverwaltungsgeskh (1SS3).

[2

reichen. Die Klage beim Kreisausschusse kann zu Protokoll ererklärt werden. In der Klage ist ein bestimmter Antrag zu stellen und sind die Person des Beklagten, der Gegenstand des Anspruchs, sowie die den Antrag begründenden Tatsachen genau zu bezeichnen. sBescheidl

§ 64.

(1) Stellt sich der erhobene Anspruch sofort als recht­ lich unzulässig oder unbegründet heraus, so kann die Klage ohne weiteres durch einen mit Gründen versehe­ nen Bescheid zurückgewiesen werden. (2) Scheint der erhobene Anspruch dagegen rechtlich be­ gründet, so kann dem Beklagten ohne weiteres durch einen mit Gründen versehenen Bescheid die Klaglos st ellung des Klägers aufgegeben werden. (3) Namens des Kreisausschusses und namens des Bezirks­ ausschusses steht auch dem Vorsitzenden der Erlaß eines solchen Bescheides au1)(4) In dem Bescheide ist den Parteien zu eröffnen, daß sie befugt seien, innerhalb zwei Wochen, vom Tage der Zustellung ab, entweder die Anberaumung der mündlichen Verhandlung zu beantragen oder dasjenige Rechtsmittel einzulegen, welches zu­ lässig wäre, wenn der Bescheid als Entscheidung des Kollegiums ergangen wäre. (*">) Wird mündliche Verhandlung beantragt, so muß dieselbe zunächst stattfinden. (G) Hat einer der Beteiligten mündliche Verhandlung be­ antragt, ein anderer das Rechtsmittel eingelegt, so wird nur dem Antrag auf mündliche Verhandlung stattgegeben. (7) Wird weder mündliche Verhandlung beantragt, noch das Rechtsmittel eingelegt, so gilt der Bescheid als endgültiges Urteil. lGegenerklärnngl

§ K5.

(1) Wird ein Bescheid nach den Bestimmungen des § 64 nicht erlassen, so ist die Klage dem Beklagten mit Der Aufforderung zuzufertigen, seine Gegenerklärung innerhalb einer bestimmten, von einer bis zu vier Wochen zu bemessenden Frist schriftlich ein­ zureichen. Wenn das Verfahren bei dem Kreisausschusse an­ hängig ist, so kann die Gegenerklärung auch zu Protokoll erklärt werden. 1) Abs. 3 i. d. F. d. &. v. 13. 5. 1918 (GS. S. 53) Art. 1 zu 3. Früher bedurfte der Bors. d. Bezirksaussch. der Zustimmung der er­ nannten Mitglieder.

2. Landesverwaltungsgesetz (1883).

2]

(2) Die Arist kann in nicht schleunigen Sachen der Regel nach nicht über zwei Wochen verlängert werden. Die Gegen­ erklärung des Beklagten wird dem Kläger zugefertigt. )Anlagen, Abschriften)

§ 66.

(1) Allen Schriftstücken sind die als Beweismittel in bezug genommenen Urkunden im Original oder in Abschrift beizu­ fügen. Bon allen Schriftstücken und deren Anlagen sind Dupli­ kate einzureichen. (2) Das Gericht kann geeignetenfalls gestatten, datz statt der Einreichung von Duplikaten die Anlagen selbst zur Einsicht der Beteiligten in seinem Geschäftslokale osfengelegt werden. lBescheid nach Schriftwechsel)

§ 67.

Erscheint durch die Erklärung der Parteien das Sach- und Rechtsverhältnis genügend geklärt, so kann auf Grund dieser Erklärungen das Gericht oder namens desselben der Vorsitzende auch ohne mündliche Verhandlung seine Entscheidung in der Form eines mit Gründen versehenen Bescheids fällen. Dabei gelten die Bestimmungen des § 64*). Mündliche Verhandlung)

§ 68.

(1) Hat dagegen auch nur eine Partei die Anberaumung der mündlichen Verhandlung gefordert oder erachtet das Gericht eine solche für erforderlich, so werden die Parteien zur münd­ lichen Verhandlung unter der Verwarnung geladen, datz beim Ausbleiben nach Lage der Verhandlungen werde entschieden werden. (2) Das Gericht kann zur Aufklärung des Sachverhältnisies das versönliche Erscheinen einer Partei anordnen. (3) Den Härteren steht es frei, ihre Erklärungen, auch ohne dazu besonders aufgefordert zu sein, vor dem Termine schriftlich einzureichen und zu ergänzen. Das Duplikat solcher Erklä­ rungen ist der Gegenpartei zuzufertigen. Kann dies nicht mehr vor dem Termine zur mündlichen Verhandlung bewirkt werden, so ist der wesentliche Inhalt der Erklärungen in dieser Verhand­ lung mitzuteilen. )Antr. aus mündl. Verh. statt Klage)

§ 69.

(1) Wo die Gesetze zur Einleitung des Verwaltungsstreit­ verfahrens statt der Klage den Antrag auf mündliche Verhand­ lung im Verwaltungsstreitverfahren geben, erfolgt auf den An­ trag ohne weiteres die Vorladung der Parteien zur mündlichen Verhandlung. i) I. d. F. d. KriegsG. o. 13. 5. 1918 (GS. S. 53) Art. 1 zu 4.

2. Landesverwaltungögesth (1883).

[2

(2) Der Antrag muh alles enthalten, was nach § 63 für den Klageantrag erfordert wird, soweit dasselbe nicht aus den Vor­ verhandlungen bei der Behörde sich ergibt.

sBelladungl § 70. Das Gericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die Beiladung Dritter, deren Interesse durch die zu erlassende EntSReibung berührt wird, verfügen. Die Entscheidung ist in resem Falle auch den Veigeladenen gegenüber gültig.

siegeln s. d. miinbl. Verhandlung) § 71. (1) In der mündlichen Verhandlung sind die Parteien oder ihre mit Vollmacht versehenen Vertreter zu hören. (2) Dieselben können ihre tatsächlichen oder rechtlicken An­ führungen ergänzen oder berichtigen und die Klage aoändern, insofern durch die Abänderung nach dem Ermessen des Gerichts das Verteidigungsrecht der Gegenpartei nicht geschmälert oder eine erhebliche Verzögerung des Verfahrens nicht herbeigeführt wird. Sie haben sämtliche Beweismittel anzugeben und, soweit dies nicht bereits geschehen, die schriftlichen ihnen zu Gebote stehenden Beweismittel vorzulegen,- auch können von ihnen Zeugen zur Vernehmung vorgefuhrt werden. (3) Der Vorsitzende des Gerichts hat dahin au wirten, daß der Sachverhalt vollständig aufgeklärt und die sachdienlichen An­ träge von den Parteien gestellt werden. (4) Er kann einem Mitgliede des Gerichts gestatten, das Fragerecht auszuüben. (5) Eine Frage ist zu stellen, wenn das Gericht diese für an­ gemessen erachtet. lÖffentlichkeit, Sitzungspolizei) § 72. (1) Die mündliche Verhandlung erfolgt in öffentlicher Sitzung des Gerichts. (2) Die Öffentlichkeit kann durch einen öffentlich zu verkün­ digenden Beschluß ausgeschlossen werden, wenn das Gericht dies aus Gründen des öffentlichen Wohls oder der Sittlichkeit für angemessen erachtet. (3) Der Vorsitzende kann aus der öffentlichen Sitzung jeden Zuhörer entfernen lassen, der Zeichen des Beifalls oder des Mißfallens gibt oder Störung irgendeiner Art verursacht. (4) Parteien, Zeugen, Sachverständige, welche den zur Auf­ rechthaltung der Ordnung erlassenen Befehlen oes Vorsitzenden nicht gehorchen, können auf Beschluß des Gerichts aus dem Sitzungszimmer entfernt werden. Gegen die bei der Verhand­ lung beteiligten Personen wird sodann in gleicher Weise ver­ fahren, wie wenn sie sich freiwillig entfernt hätten.

2]

2. Landrsverwaltungsgesetz (18S3).

lProzetzbevollmächtigtel

§ 73.

(1) Die Parteien sind in der Wahl der von ihnen zu be­ stellenden Bevollmächtigten nicht beschränkt. (2) Das Gericht kann Vertreter, welche, ohne Verwal­ tungsrechtsräte ober1) Rechtsanwälte zu jein, die Vertretung vor dem Gerichte geschäftsmäßig betreiben, zurück­ weifen. Eine Anfechtung dieser Anordnung findet nicht statt. (3) Gemeindevorsteher, welche als solche legitimiert sind, be­ dürfen zur Vertretung ihrer Gemeinden einer besonderen Voll­ macht nicht.

sBehördl. Kommissar]

§ 74.

(1) Liegt einer öffentlichen Behörde als Partei die Wahr­ nehmung des öffentlichen Interesses ob, so kann auf deren An­ trag der Regierungspräsident für die mündliche Verhandlung vor dem Bezirksausschüsse und der Ressortminister für die mündliche Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgerichte einen Kommissar zur Vertretung der Behörde bestellen. (2) Der Regierungspräsident beziehungsweise der Ressort­ minister kann m geeigneten Fällen auch ohne Antrag einer Partei einen besonderen Kommissar zur Wahrnehmung des öffentlichen Interesses für die mündliche Verhandlung bestellen. Der Kommissar ist vor Erlaß des Endurteils mit seinen Aus­ führungen und Anträgen zu hören, zur Einlegung von Rechts­ mitteln aber nicht befugt. (3) Der Vorsitzende des Kreis- (Stadt-) Ausschusses be­ ziehungsweise des Bezirksausschusses und der Ressortminister hat oehufs der erforderlichen Wahrnehmung des öffentlichen Inter­ esses einen Kommissar zu bestellen, wenn das Gesetz die öffent­ liche Behörde, welche die Rolle des Klägers oder des Beklagten wahrzunehmen hat, nicht bezeichnet.

IRiederschrist]

§ 75.

Über die mündliche Verhandlung ist entweder von einem vereidigten Protokollführer oder einem Mitgliede des Gerichts­ hofs eine Niederschrift zu verfassen-).

IBeweiSausnahrne]

§ 76.

Das Gericht oder namens desselben der Vorsitzende ist be­ fugt, geeignetenfalls schon vor Anberaumung der mündlichen Verhandlung Untersuchungen an Ort und Stelle zu veranlassen,

i) (Eingefügt durch tz 12 Zisf. 1 d. G- v. 25. 5. 1926, unter Nr. 5. -) § 75 i. d. F. d. G. v. 13. 5. 1918 (GS. S. 53). Früher stets besonderer' Protokollführer notwendig.

2. LandeöverwaltungSgrfeh (1883).

2]

Zeugen und Sachverständige zu laden und eidlich zu vernehmen, überhaupt den angetretenen oder für erforderlich erachteten Be­ weis in vollem Umfange zu erhebens. fBeauftragter Richter, ersuchte Beh.) §

77.

(1) Das Gericht kann die Beweiserhebung durch eines [einer Mitglieder oder erforderlichenfalls durch eine zu dem Ende zu ersuchende sonstige Behörde bewirken lassen. Es kann verord­ nen, daß dle Beweiserhebung in der mündlichen Verhandlung stattfinden soll. (2) Die Beweisverhandlungen sind unter Zuziehung eines vereidigten oder von der betreffenden Behörde durch Handschlag zu verpflichtenden Protokollführers aufzunehmen,' die Parteien sind zu denselben zu laden. |3eugen — Sachverständige)

§ 78.

(1) Hinsichtlich der Verpflichtung, sich als Zeuge oder Sach­ verständiger vernehmen zu lassen, sowie hinsichtlich der im Falle des Ungehorsams zu verhängenden Strafen kommen die Bestim­ mungen der bürgerlichen Prozeßgesetze-j mit der Maßgabe zur Anwendung, daß im Falle des Ungehorsams die zu erkennende Geldbuße den Betrag von eintausend3*)* Mark nicht über­ steigen darf. (2) Gegen die eine Strafe oder die Nichtverpflichtung des Zeugen oder Sachverständigen aussprechende Entscheidung steht den Beteiligten innerhalb zwei Wochen die Beschwerde an das im Jnstanzenzuge zunächst vorgesetzte Gericht, ßegen die in zweiter Instanz ergangene Entscheidung des Bezirksausschusses öle weitere Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu. IBewelSwiirdignng)

§ 79.

Das Gericht hat nach-seiner freien, aus dem ganzen In­ begriffe der Verhandlungen und Beweise geschöpften Überzeu­ gung zu entscheiden. Beim Ausbleiben der betreffenden Partei oder in Ermangelung einer Erklärung derselben können die von der Gegenpartei vor^ebrachten Tatsachen für zugestanden erachtet werden. Die Entscheidungen dürfen nur die zum Streitverfahren voryeladenen Parteien und die in demselben erhobenen An­ sprüche betreffen. (Verzicht auf mündl. Verh.)

§ 80.

Die Entscheidung kann ohne vorgängige Anberaumung einer *) § 76 i. d. F. b. G. v. 13. 5. 1918 (GS. S. 53). -) §8 376, 380-385, 390, 407—409 ZPO. 3) Früher einhunderlfünfzig, s. VO. v. 6. 2. 1924 (RGBl. I S. 44).

2]

2. LandeSverwaltungSgefetz (1883).

mündlichen Verhandlung erlassen werden, wenn beide Teile auf eine solche ausdrücklich verzichtet haben. lentfdjdbung]

§ 81.

Die Verkündigung der Entscheidung erfolgt der Regel nach in öffentlicher Sitzung des Gerichts. Eine mit Gründen versehene Ausfertigung der Entscheidung ist den Parteien und, sofern ein besonderer Kommissar zur Wahrnehmung des öffentlichen Inter­ esses bestellt war (§ 74 Absatz 2), gleichzeitig auch diesem zuzu­ stellen. Die Zustellung genügt, wenn die Verkündigung in öffentlicher Sitzung nicht erfolgt ist.

3. Von dem Verfahren in den weiteren Instanzen und von der Wiederaufnahme des Verfahrens. (Berufung an den Bez.AuSsch.j

§ 82.

(1) Gegen die in streitigen Verwaltungssachen ergangenen Endurteile der Kreisausschüsse und gegen die Bescheide in den Fällen der §§ 64 und 67 steht, soweit nicht gemäß besonderer geseßlicher Vorschrift diese Urteile endgültig oder die gegen die­ selben stattfindenden Rechtsmittel in abweichender Weise ge­ regelt sind, den Parteien und aus Gründen des öffentlichen In­ teresses dem Vorsitzenden des Kreisausschusses die Berufung an den Bezirksausschuß zu. (2) Will der Vorsitzende des Kreisausschusies gegen eine Entscheidung des letzteren die Berufung einleaen, so hat er dies sofort zu erklären. Die Verkündigung der Entscheidung bleibt in diesem Falle einstweilen, jedoch längstens drei Tage ausgesetzt. Sie erfolgt mit der Eröffnung, daß im öffentlichen Interesse die Berufung eingelegt worden sei. Ist die Verkündigung obne diese Eröffnung erfolgt, so findet die Berufung im öffentlichen Interesie nicht mehr statt. Die Gründe der Berufung sind den Parteien zur schriftlichen Erklärung innerhalb der im § 86 ge­ dachten Frist mitzuteilen. Nach Ablauf der Frist sind Die Ver­ handlungen dem Bezirksausschüsse einzureichen und die Par­ teien hiervon zu benachrichtigen. (Berufung an ODG.(

§ 83.

(1) Gegen die in streitigen Derwaltungssachen in erster In­ stanz ergangenen Endurteile der Bezirksausschüße und gegen die Bescheide in den Fällen der 83 64 und 67 steht, soweit nicht gemäß besonderer gesetzlicher Vorschrift diese Urteile endgültig oder die gegen dieselben stattfindenoen Rechtsmittel in ab­ weichender Weise geregelt sind, den Parteien und aus Gründen

2. LandesverwaltungSgefetz (1883).

[2

des öffentlichen Interesses dem Vorsitzenden des Bezirksaus­ schusses die Berufung an das Oberverwaltungsgericht zu. (2) Das Recht der Berufung des Vorsitzenden findet in den Formen statt, welche in § 82 Absatz 2 vorgeschrieben sind. [Vertretung der Beruf, d. Bors.)

§ 84.

Die Vertretung der aus Gründen des öffentlichen Jnteresies von dem Vorsitzenden des Kreisausschusses ober des BezirksausKs eingelegten Berufung erfolgt vor dem Bezirksausfchusie den von dem Regierungspräsidenten, vor dem Oberver­ waltungsgerichte durch den von dem Ressortminister zu bestellen­ den Kommissars. [Stift]

§ 85.

Die Frist zur Einlegung der Berufung betrügt vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 82 Absatz 2, 83 Absatz 2 und 157 dieses Gesetzes zwei Wochen. (Einlegung, Begründung)

§ 86.

(1) Innerhalb der in § 85 gedachten Frist ist, bei Verlust des Rechtsmittels, die Berufung oei dem Gerichte, gegen dessen Entscheidung dieselbe gerichtet ist, schriftlich anzumelden und zu rechtfertigen. (2) Das Gericht prüft, ob die Anmeldung rechtzeitig erfolgt ist. Ist dies der Fall, so wird die Berufungsschrift mit ihren Anlagen der Gegenpartei zur schriftlichen Gegenerklärung inner­ halb einer bestimmten, von einer bis zu vier Wochen zu be­ messenden Frist zugefertigt. (3) Zur Rechtfertigung der Berufung, sowie zur Gegen­ erklärung kann in nicht schleunigen Sachen eine angemesiene, der Regel nach nicht über zwei Wochen zu erstreckende Nachfrist ge­ währt werden. (4) Ist die Frist versäumt, so ist die Berufung ohne weiteres durch einen mit Gründen versehenen Bescheid zurückzuweisen. Namens des Kreisausschusses steht auch dem Vorsitzenden, namens des Bezirksausschusses dem Vorsitzenden im Einverständ­ nis mit den ernannten Mitgliedern der Erlah eines solchen Bescheides zu. Zn demselben ist dem Berufungskläger zu er­ öffnen, daß ihm innerhalb zwei Wochen vom Tage der Zustellung ab die Beschwerde an bas Berufungsgericht zustehe, widrigenfalls es bei dem Bescheide verbleibe. 9 Dgl. § 91.

2]

2. LandeSverwaltungögesch (1S83).

lAnIchlutzberufungl

§ 87.

Der Berufungsbeklagte kann sich der Berufung anschließen, selbst wenn die Berufungsfrist verstrichen ist.

Fortgang d. Sers.]

§ 88.

Nach Ablauf der Frist sind die Verhandlungen dem BerufunASgerichte einzureichen. Die Parteien sind hiervon unter abschriftlicher Mitteilung der eingegangenen Gegenerklärungen zu benachrichtigen.

IBescheid nach Schriftwechsel!

§ 89.

(1) Bezüglich der von einer Partei eingelegten Berufung findet die Bestimmung des § 67 für das Berufungsgericht entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, daß gegen den Bescheio nur der Antrag aus mündliche Verhandlung zulässig ist. (2) Die Abänderung der durch Berufung angefochtenen Ent­ scheidung findet nur nach vorgängiger Anberaumung der münd­ lichen Verhandlung statt.

[Cabung]

§ 90.

(1) Die Ladung der Parteien zur mündlichen Verhandlung erfolgt unter der Verwarnung, daß beim Ausbleiben nach Lage der Verhandlungen werde entschieden werden. In gleicher Weise erfolgt in den Fällen der Berufung aus Gründen des öffentlichen Interesses die Ladung des zur Vertretung desselben bestellten Kommissars. (2) Das Gericht kann zur Aufklärung des Sachverhältnisses das persönliche Erscheinen einer Partei anordnen.

[öff.Snkrtfr]

§ 91.

Ist die Berufung von dem Vorsitzenden des Kreisausschulles oder des Bezirksausschusses aus Gründen des öffentlichen Interesses eingelegt, so entscheidet das Berufungs­ gericht zunächst über die Vorfrage, ob das öffentliche Interesse für beteiligt zu erachten ist. Wird die Vorfrage verneint, so weist das Berufungsgericht, ohne im übrigen in die Sache selbst einzutreten, die Berufung als unstatthaft zurück.

fBersahren-regelnI

§ 92.

(1) Die £§ 66, 70, 71 — mit Ausschluß der Bestimmungen über die Abänderung der Klage — §§ 72 und 81 sind auch für das Verfahren in der Berufungsinstanz maßgebend. (2) Die Zufertigung der Entscheidung erfolgt durch Vermitt-

2. Landtövkrwalklngsgesth (1883). lung desjenigen Gerichts, gegen dessen Entscheidung die Berufung eingelegt worden war.

jRrvifionI

8 93.

(1) Gegen die von den Bezirksausschüssen in zweiter Instanz erlassenen Endurteile steht, soweit nicht gemäß besonderer gesetz­ licher Vorschrift diese Urteile endgültig oder die gegen dieselben stattfindenden Rechtsmittel in abweichender Weise geregelt sind, oen Parteien das Rechtsmittel der Revision an das Oberverwaltungsgericht zu. (2) In Streitigkeiten über Geldleistungen, die für Zwecke der Gemeinden und anderer öfsentlichrechtlicher Körperschaften oder Verbände entweder in der Form von Zuschlägen zu staatlichen oder staatlich veranlagten Steuern oder auf Grund besonderer Steuerordnungen, Abgabentarife, Gebührentaxen, Statuten und sonstiger eine Heranziehung allgemeiner Art in sich schließender Gesetze, Observanzen oder Beschlüsse angefordert werden, ist die Zulässigkeit der Revision durch einen 100 Mark übersteigenden Beschwerdegegenstand bedingt*). (3) Die Beschränkung des Abs. 2 findet auf die Revision des Vorsitzenden keine Anwendung). (4) Soweit das Rechtsmittel der Revision überhaupt zugelasien ist, steht dasselbe aus Gründen des öffentlichen Jnteresses auch dem Vorsitzenden des Vezirksausschusies zu.

IRevistonSgriindej

§ 94.

Die Revision kann nur darauf gestützt werden: 1. daß die angefochtene Entscheidung auf der Nichtanwendung oder auf oer unrichtigen Anwendung des bestehenden Rechts, insbesondere auch der von den Behörden innerhalb ihrer Zuständigkeit erlassenen Verordnungen beruhe,2. daß das Verfahren an wesentlichen Mängeln leides. (BersahrenSregelnj

§95.

(1) Die Bestimmungen des § 66, des § 71 — mit Ausschluß der Bestimmungen über die Abänderung der Klage — sowie der §§ 72 bis 75, 80 und 81, 82 Absatz 2, 84 bis 90 sind auch für die Frist zur Einlegung und Rechtfertigung der Revision, sowie für das Verfahren in der Revistonsinstanz maßgebend, (2) Die Anmeldung und Rechtfertigung der Revision hat b e i demjenigen Gerichte zu erfolgen, welches in erster Instanz entschieden hat. x) Abs. 2 und 3 eingefügt durch KriegsG. v. 13. 5.1918 (GS. S. 53). ’) Dgl. § 551 ZPO. Bühler, BerwallungLgcsehe.

3

2]

2. LandköverwattungSgeskh (1883).

(RevistonSschrift)

§ 96.

In der Revisionsschrift ist anzugeben, worin die behauptete Nichtanwendung oder unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts oder worin die behaupteten Mängel des Verfahrens ge­ funden werden. Inrrcie recht!. Würdigung)

§ 97.

Das Oberverwaltungsgericht ist bei seiner Entscheidung an diejenigen Gründe nicht gebunden, welche zur Rechtfertigung der gestellten Anträge geltend gemacht worden sind. strntscheidung)

§ 98.

Erachtet das Oberverwaltungsgericht die Revision für be­ gründet, so hebt es die angefochtene Entscheidung auf und ent­ scheidet in der Sache selbst, wenn diese spruchreif erscheint. Die Zufertigung der Entscheidung erfolgt durch Vermittlung des­ jenigen Gerichts, welches in erster Instanz entschieden hat. (Zurückverweisung)

§ 99.

Ist die Sache nicht spruchreif, so weist das Oberverwaltungs­ gericht dieselbe zur anderweitigen Entscheidung an die dazu nach der Sachlage geeignete Instanz zurück und verordnet die Wieder­ holung oder Ergänzung des Verfahrens, soweit es nach seinem Ermessen mit einem wesentlichen Mangel behaftet ist. lWiederaufnahmef

§ 100.

Gegen die im Verwaltungsstreitverfahren ergangenen, rechts­ kräftig gewordenen Endurteile findet die Klage auf Wiederaufnabme des Verfahrens unter denselben Voraussetzungen, in demseloen Umfange und innerhalb derselben Fristen statt, wie nach den bürgerlichen Prozetzgesetzen') die Nichtigkeitsklage beziehungs­ weise die Restitutionsklage. Zuständig ist ausschließlich das Oberverwaltungsgericht. Erachtet das Oberverwal­ tungsgericht die Klage für begründet, so hebt es die angefochtene Entscheidung auf, verweist die Sache zur anderweitigen Entschei­ dung an die da^u nach der Sachlage geeignete Instanz und ver­ ordnet die Wiederholung oder Ergänzung des Verfahrens, so­ weit dasselbe von dem Änfechtungsgrunde betroffen wrrd. (Bindung)

§ 101.

Das Gericht, an welches die Sache in den Fällen der 88 99, 100 gewiesen wird, hat bei dem weiteren Verfahren und bei der von ihm anderweitig zu treffenden Entscheidung die in dem i) §§ 578-591 ZPO.

2. Landesverwaltungsgrsetz (1883).

[2

Aufhebungsbeschlusse des Oberverwaltungsgerichts ausgestellten Grundsätze, sowie in den Fällen des § 100 die dem Aushebungs­ beschlüsse zugrunde gelegten tatsächlichen Feststellungen als maß­ gebend zu betrachten.

4. Bon den Kosten des Berwaltungsstreitverfahrens. lLtempelfreiheitj*) § 102. Das Verwaltungsstreitverfahren ist stempelfrei.

(Üoftenpflicht d. Unterliegenden)

§ 103.

(1) Dem unterliegenden Teile sind die Kosten und die baren Auslagen des Verfahrens, sowie die erforderlichen baren Aus­ lagen des obsiegenden Teils zur Last zu legen. Die Gebühren eines Verwaltungsrechtsrats2) oder Rechtsan­ walts des obsiegenden Teils hat der unterliegende Teil nur insoweit zu erstatten, als dieselben für Wahrnehmung der münd­ lichen Verhandlung vor dem Bezirksausschüsse oder dem Oberverwaltungsgerichte zu zahlen sind. An baren Auslagen für die persönliche Wahrnehmung der mündlichen Verhandlung vor dem Bezirksausschüsse und dem Oberverwaltungsgerichte kann die obsiegende Partei nicht mehr in Anspruch nehmen, als die gesetzlichen Gebühren eines sie vertretenden, am Orte des Gerichts wohnenden Verwaltungsrechtsrats2) oder Rechts­ anwalts betragen haben würden, es sei denn, daß ihr persön­ liches Erscheinen von dem Gerichte angeordnet war. (2) Im Endurteile ist der Wert des Streitobjektes fest­ zusehen. (3) Die Gebühren bestimmen sich nach den für die Rechtsanroälte3) bei den ordentlichen Gerichten geltenden Vorschriften.

(Koftenpflicht b. Obsiegenden)

§ 104.

Die Kosten und baren Auslagen bleiben dem obsiegenden Teile jur Last, soweit sie durch sein eigenes Ver­ schulden entstanden sind.

lAnsechtung d. Kost.Entsch.)

§ 105.

Die Entscheidung über den Kostenpunkt (§§ 103, 104) kann

1) S. auch § 2 des deutschen GKG., Fass. v. 21. 12. 1922 (RGBl. I 1923 S. 12). 2) Fassung nach § 12 Ziff. 2 und 3 des Ges. v. 25. 5. 1926, unten Nr. 5. 3) Gebührenordnung für Rechtsanwälte, Fass. v. 5. 7.1927 (RGBl. I S. 162).

2. Landesverwaltungsgesetz (1883).

2]

nur gleichzeitig mit der Entscheidung in der Hauptsache durch Berufung oder Revision angefochten werden^).

(Pauschquantum, Gebührens

§ 106.

An Kosten kommt ein Pauschquantum zur Hebung-). Für die Gebühren der Zeugen und Sachverständigen gelten die in Zivilprozessen zur Anwendung kommenden Vorschriften^), für die Berechnung des Pauschquantums kann von den Ministern der Finanzen und des Innern ein Tarif aufgestellt werden.

lKostensreiheits

§ 107.

Die Erhebung des Pauschquantums findet nicht statt: 1. wenn der unterliegende Teil eine öffentliche Be­ hörde ist, insoweit die angefochtene Verfügung oder Entscheidung derselben nicht lediglich die Wahrung der Haushaltsinteressen eines von der Behörde vertretenen Kommunalverbandes zum Gegenstände hatte,' die baren Auslagen des Verfahrens und oes obsiegenden Teils fallen demjenigen zur Last, der nach gesetzlicher Bestimmung die Amtsunkosten der Behörde zu tragen hat; [2. wenn die Entscheidung ohne borgängige mündliche Verhandlung erfolgt ist;]4*)* 3 6 3. sZiff. 3 gegenstandslos, da §§ 60—62 d. G. v. 8. 3. 1871 (GS S. 130) durch BO. v. 13. 2.1924 (RGBl. I S. 100) aufgehoben sind.]

4. bei dem Bezirksausschüsse und bei dem Oberverwaltungs­ gerichte, soweit die Berufung oder die Revision von dem Vorsitzenden des Kreisausschusses beziehungsweise des Be­ zirksausschusses eingelegt worden war; 5. von denjenigen Personen, mit Ausnahme jedoch der Gemein­ den in den die Verwaltung der Armenpflege betreffenden Angelegenheiten°), denen nach den Reichs- oder Landesgesetzen

1) Vgl. § 99 ZPO. 2) Der nicht abgedruckte 2. Halbsatz von § 106 S. 1 setzte Höchst­ beträge fest. Diese sind durch die Inflation überholt und neue nicht fest­ gesetzt worden. Der durch die im Text genannten Minister aufgestellte jetzt gültige Tarif v. 24. 12. 1926 (MBliV. 1927 S. 3) kennt keine Höchst­ beträge mehr. 3) Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige, Fass. v. 21. 12. 1925 (RGBl. I S. 471). 4) Gemäß § 15 d. VO. v. 18. 1. 1924 (GS. S. 40) beseitigt durch Lit. B der Verf. d. Min. d. Innern u. d. Finanzen v. 7. 2. 1924 (MBliV. S. 133). Jetzt wird die Hälfte der Gebühr erhoben gemäß Ziff. II des in Anm. 1 genannten Tarifs. 6) Für die Gemeinden: %—i/io, s. Ziff. IV des in Anm. 1 er­ wähnten Tarifs.

2. LllndtsverwattungSgeseh (1883).

[2

Gebührensreiheit in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zusteht. Itioftciifeftfcljung] § 108. (1) Die Kosten und baren Auslagen des Verfahrens werden für jede Instanz von dem Vorsitzenden des Gerichts festgesetzt, bei dem die Sache selbst anhängig gewesen ist. (~) Die von der obsiegenden Partei zur Erstattung seitens des unterliegenden Teils liquidierten Auslagen werden für alle Instanzen von dem Vorsitzenden desjenigen Gerichts festgesetzt, bei dem die Sache in erster Instanz anhängig gewesen ist. (3) Gegen den Festsetzungsbeschluß des Vorsitzenden des Kreisausschusses findet innerhalb zwei Wochen die Beschwerde an den Bezirksausschuß, gegen den in erster Instanz ergangenen Festsetzungsbeschluß des Vorsitzenden des Bezirksausschusses findet innerhalb gleicher Frist die Beschwerde an das Oberverwaltungs­ gericht statt1). (Erlaß, Stundung) § 109. Dem unterliegenden Teile kann im Falle des bescheinigten Unvermögens nach Maßgabe der Bestimmungen des § 30 des Ausführungsgesetzes zum Deutschen Gerichtskostengesehe vom 10. März 1879 (Eesetzsamml. S. 145), oder wenn sonst ein besonderer Anlaß dazu vorliegt, gänzliche oder teilweise Kosten­ freiheit beziehungsweise Stundung bewilligt werden. Gegen den das Gesuch ablehnenden Beschluß des Kreisausschusses finoet innerhalb zwei Wochen die Beschwerde an den Bezirksausschuß, gegen den in erster Instanz ergangenen ablehnenden Beschluß des Bezirksausschusses innerhalb zwei Wochen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht statt. 5. Schlußbeftimmungen für das Berwaltungsftreitverfahren. (Verfahrensbeschwerden)

§ 110.

Auf Beschwerden, welche die Leitung des Verfahrens bei den Kreis- und Bezirksausschüssen zum Gegenstände haben, entscheidet das im Jnstanzenzuge zunächst höhere Gericht endgültig.

(Einlegung, Vers. b. Beschwerden)

§111.

(1) Alle Beschwerden sind innerhalb der für dieselben vor­ geschriebenen Frist bei dem Gerichte, gegen dessen Entscheidung sie gerichtet sind, einzulegen. *) Fassung d. § 108 nach G. v. 13. 5. 1918 (GS. S. 53) Art. 1 zu 8. Früher wurden die Kosten und baren Auslagen des Verfahrens, sowie die Auslagen der obsiegenden Partei vom Gericht — nicht wie jetzt vom Vorsitzenden — festgesetzt.

2]

2. LandeSverwaltungSgrsch (1883).

(2) Das Gericht verfährt bei Versäumung der vorgeschriebe­ nen Frist nach Bestimmung des Schlutzabsatzes des § 86. (3) Für das angerufene Gericht kommt 8 64 zur Anwendung; an die Stelle des Antrags auf Anberaumung der mündlichen Verhandlung beziehungsweise der Einlegung des Nechtsmittels tritt der Antrag auf Entscheidung durch das Gericht. (4) Wird die Beschwerde der Vorschrift des ersten Absatzes zuwider innerhalb der gesetzlichen Frist bei demjenigen Gericht angebracht, welches zur Entscheidung darüber zuständig ist, so gilt die Frist als gewahrt. Die Beschwerde ist in solchen Fällen von dem angerufenen Gerichte zur weiteren Veranlassung an dasjenige Gericht abzugeben, gegen dessen Beschluß sie gerichtet ist.

IWitdereinsehungj

§ 112.

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann beantragen, wer durch Naturereignisse oder andere unabweisbare Zufälle verhindert worden ist, die in dem gegenwärtigen Gesetze oder die in den Gesetzen für Anstellung der Klage beziehungsweise für den Antrag auf mündliche Verhandlung im Verwaltungsstreit­ verfahren voraeschriebenen Fristen einzuhalten. Als unabwend­ barer Zufall ist es anzuseben, wenn der Antragsteller von einer Zustellung ohne sein Verschulden keine Kenntnis erlangt hat. Über den Antrag entscheidet das Gericht, dem die Entscheidung über die versäumte Streithandlung zusteht. Die versäumte Streitbandlung ist unter Anführung der Tatsachen, mittels deren der Antrag auf Wiedereinsetzung begründet werden soll, sowie der Beweismittel innerhalb zwei Wochen nachzuholen; der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Ablauf des Tages, mit welchem das Hindernis gehoben ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, findet die Nachholung der versäumten Streithandlung beziehungsweise der Antrag auf Wiedereinsetzung nicht mehr statt. Die durch Er­ örterung des Antrags auf Wiedereinsetzung entstehenden baren Auslagen trägt in allen Fällen der Antragsteller.

sKompetenzkonfliktl

§ 113.

(1) Die Zentral- und die Provinzialverwaltungsbehörden sind auch für die im Verwaltungsstreitverfahren zu verhandeln­ den Angelegenheiten zur Erhebung des Kompetenzkonflikts') befuat. (2) Die Erhebung des Kompetenzkonflikts auf Grund der Behauptung, daß in einer im Verwaltungsstreitverfahren an-

i) Im. Sinne der VO. v. 1. 8. 1879 (unten Nr. 7) — also Kompetenzkonslikt zwischen ordentlichen Gerichten und Verwaltung.

2. LandtSverwaltungsgeseh (1883).

[2

hängig gemachten Sache eine andere Verwaltungsbehörde zustänoig sei, findet nicht statt1). (3) Die m Entscheidung im Verwaltungsstreitversahren be­ rufenen Behörden haben ihre Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen. (4) Wird von einer Partei in erster Instanz die Einrede der Unzuständigkeit erhoben, so kann über dieselbe vorab entschieden werden.

(„Kompetenzkonflikt" zwischen Dcrwaltungsgcrichtcn und Verwaltungsbehörden] (5) Haben sich in derselben Sache die zur Entscheidung im Verwaltungsstreitverfahren berufene Behörde und eine andere Verwaltungsbehörde für zuständig erklärt, so entscheidet auf Grund der schriftlichen Erklärungen der über ihre Kompetenz streitenden Behörden und nach Anhörung der Parteien in münd­ licher Verhandlung das Oberverwaltungsgericht. Das gleiche gilt in dem Falle, wenn beide Teile sich in der Sache für unzu­ ständig erklärt haben. In beiden Fällen werden weder ein Kostenpauschquantum noch bare Auslagen erhoben. Ebensowenig findet eine Erstattung der den Parteien erwachsenden Kosten statt.

§114. (Bedeutungslos wegen § 1 b. 6. v. 16.11.1920 (GS. S. 1921 S. 65).]

III. Abschnitt. Beschlußverfahren. § 115.

^Ausscheidung]

Betrifft der Gegenstand der Verhandlung einzelne Mitglieder der Behörde oder deren Verwandte und Verschwägerte rn aufund absteigender Linie oder bis zum dritten Grade der Seiten­ linie, so dürfen dieselben an der Beratung und Abstimmung nicht teilnehmen. Ebensowenig darf ein Mitglied bei der Bexatung und Beschlußfassung über solche Angelegenheiten mit­ wirken, in welchen es in anderer als öffentlicher Eigenschaft ein Gutachten abgegeben hat, oder als Geschäftsführer, Beauftragter oder in anderer als öffentlicher Stellung tätig gewesen ist.

lBeschlubunsähigkeitl

§ 116.

(1) Wird infolge des gleichzeitigen Ausscheidens mehrerer Mitglieder gemäß ß 115 die Behörde beschlußunfähig, und kann die Beschlußfähigkeit auch nicht durch Einberufung unbeteiligter Stellvertreter hergestellt werden, so wird von dem Regierungsi) Vgl. aber Abs. 5.

2]

2. LandeSverwaltungSgesetz (1883).

Präsidenten beziehungsweise Oberpräsidenten oder Minister des Innern, je nachdem es sich um einen Kreis- (Stadt-) Ausschuß, Bezirksausschuß oder Provinzialrat handelt, ein anderer Kreis­ oder Stadtausschuß, Bezirksausschuß oder Provinzialrat mit der Beschlußfassung beauftragt. (2) Für den Stadtkreis Berlin steht die Beauftragung an Stelle des Regierungspräsidenten dem Oberpäsidenten zu.

lVersüg.u. Bescheide d.BorsitzendenI § 117. (1) Der Vorsitzende des Kreis- (Stadt-) Ausschusses ist befugt, in Fällen, welche keinen Ausschub zulassen, oder in welchen das Sack- und Rechtsverhältnis klarliegt und die Zustimmung des Kollegiums nicht im Gesek ausdrücklich als erforderlich bezeichnet ist, namens der Behörde Verfügungen zu erlassen und Bescheide zu erteilen. (2) Die gleiche Befugnis steht dem Vorsitzenden des Bezirks­ ausschusses und des Provinzralrats mit der Maßgabe zu, daß eine Abänderung der durch Beschwerde angefochtenen Beschlüsse des Kreis- (Stadt-) Ausschusses beziehungsweise des Bezirksaus­ schusses nur unter Zuziehung des Kollegiums erfolgen darf. (3) Zn den auf Grund der vorstehenden Bestimmungen er­ lassenen Verfügungen und Bescheiden ist den Beteiligten, sofern deren Anträgen nicht stattgeaeben wird, zu erösfnen, daß sie befugt seien, innerhalb zwei Wochen auf Beschlußfassung durch das Kollegium anzutragen oder dasjenige Rechtsmittel einzu­ legen, welches zulässig wäre, wenn die Verfügung beziehungs­ weise der Bescheid auf Beschluß des Kollegiums erfolgt wäre. (4) Wird auf Beschlußfassung angetragen, so muß solche zu­ nächst erfolgen. Hat einer der Beteiligten auf Beschlußfassung angetragen, ein anderer das Rechtsmittel eingelegt, so wird nur dem Antrag auf Beschlußfassung stattgegeben. Wird weder auf Beschlußfassung angetragen, noch das Rechtsmittel eingelegt, so gilt die Verfügung beziehungsweise der Bescheid als endgültiger Beschluß. Für den Antrag auf Beschlußfassung des Kollegiums finden die nach den §5 52 und 53 für die Beschwerde geltenden Bestimmungen Anwendung. (5) Der Vorsitzende hat dem Kollegium von allen im Namen desselben erlassenen Verfügungen und erteilten Bescheiden nach­ träglich Mitteilung zu machen.

sTechn. Beamte m. berat. Stimmt) § 118. An den Verhandlungen der Behörde können unter Zustim­ mung des Kollegiums technische Staats- und Kommunalbeamte mit beratender Stimme teilnehmen.

2. Landksverwaltungsgksetz (1883).

[2

(Beschlußfassung, mündl. Dcrh.) § 119. (1) Die Behörden fassen ihre Beschlüsse auf Grund der ver­ handelten Akten, sofern nicht das Gesetz ausdrücklich mündliche Verhandlung vorschreibt. (2) Die Behörden sind befugt, auch in anderen als in den im Gesetze ausdrücklich bezeichneten Angelegenheiten die Be­ teiligten beziehungsweise deren mit Vollmacht versehene Ver­ treter behufs Aufklärung des Sachverhalts zur mündlichen Ver­ handlung vorzuladen. (3) In betreff der mündlichen Verhandlung finden im übrigen die Vorschriften der §§ 68, 71, 72, 73 und 75 sinngemäße Anwendung.

(Beweiserhebung usw.( § 120. Für die Erhebung und Würdigung des Beweises kommen die Vorschriften der §§ 76 bis 79 sinngemäß und mit der Maß­ gabe zur Anwendung, daß gegen den eine Strafe oder die Nicht­ verpflichtung eines Zeugen oder Sachverständigen aussprechen­ den Beschlug des Kreis- (Stadt-) Ausschusses den Beteiligten die Beschwerde an den Bezirksausschuß, gegen den in erster oder zweiter Instanz ergangenen Beschluß des letzteren oder des Vrovinzialrats innerhalb gleicher Frist die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zusteht. (Beschwerde! § 121. (1) Gegen die Beschlüsse des Kreis- (Stadt-) Ausschusses findet innerhalb zwei Wochen die Beschwerde an den Bezirksausschuß, gegen die in erster Instanz ergehenden Beschlüsse des Bezirks­ ausschusses innerhalb gleicher Frist die Beschwerde an den Pro­ vinzialrat statt, sofern nicht nach ausdrücklicher Vorschrift des Gesetzes 1. die Beschlüsse endgültig sind, 2. die Beschlußfassung über die Beschwerde anderen Behörden übertragen ist. (2) Die aus Beschwerden gefaßten Beschlüsse des Bezirksaus­ schusses und die Beschlüsse des Prooinzialrats sind endgültig, sofern nicht das Gesetz im einzelnen anders bestimmt. (3) Die vorstehenden Bestimmungen finden auf die nach Maßgabe der Gesetze von dem Landrate unter Zustimmung des Kreisausschusies, von dem Regierungspräsidenten unter Zu­ stimmung des Bezirksausschußes, von dem Oberpräsidenten unter Zustimmung des Provinzialrats gefaßten Beschlüße entsprechende Anwendung.

2]

2. Landtöverwaltuiigsgesttz (1SS3).

sbinlegung, Verfahren!

§ 122.

(1) Die Beschwerde ist in den Fällen des § 121 be i derjenigen Behörde, gegen deren Beschluß sie gerichtet ist, anzubringen. Der Vorsitzende prüft, ob das Rechtsmittel rechtzeitig angebracht ist. (2) Ist die Frist versäumt, so weist der Vorsitzende das Rechtsmittel ohne weiteres durch einen mit Gründen versehenen Bescheid zurück. In demselben ist dem Beschwerdeführer zu er­ öffnen, daß ihm innerhalb zwei Wochen die Beschwerde an die­ jenige Behörde zustehe, welche zur Beschlußfassung in der Sache berufen ist, widrigenfalls es bei dem Bescheide verbleibe. (3) Ist die Frist gewahrt, und ist eine Gegenpartei vorhan­ den, so wird die Beschwerdeschrift mit ihren Anlagen zunächst dieser zur schriftlichen Gegenerklärung innerhalb zwei Wochen gefertigt. Die Gegenpartei kann sich dem Rechtsmittel an­ liehen, selbst wenn die Frist verstrichen ist. (4) Abschrift der eingegangenen Gegenerklärung erhält der Beschwerdeführer. Zur näheren Begrünoung der Beschwerde, so­ wie zur Gegenerklärung kann in nicht schleunigen Sachen eine angemessene, der Regel nach nicht über zwei Wochen zu er­ streckende Nachfrist gewährt werden. Hierauf werden die Ver­ handlungen mittels Berichts derjenigen Behörde eingereicht, welcher die Beschlußfassung über die Beschwerde zusteht. (5) Wird die Beschwerde der Vorschrift des ersten Absatzes zuwider innerhalb der gesetzlichen Frist bei berjcnigen Behörde angebracht, welche zur Beschluhfassung darüber zuständig ist, so gilt die Frist als gewahrt. Die Beschwerde ist in solchen Fällen von der anaerufenen Behörde zur weiteren Veranlassung an diejenige Behörde abzugeben, gegen deren Beschluß sie gerichtet ist.

K

lBeschwerde des Vorsitzenden!

§ 123.

(1) Die Einlegung der Beschwerde steht in den Fällen des § 121 aus Gründen oes öffentlichen Interesses auch den Vor­ sitzenden der Behörden ju1). (2) Will der Vorsitzende von dieser Befugnis Gebrauch machen, so hat er dies dem Kollegium sofort mitzuteilen. (3) Die Zustellung des Beschlusses bleibt in diesem Falle einstweilen, jedoch längstens drer Tage, ausgesetzt. Sie erfolgt mit der Eröffnung, daß im öffentlichen Interesse die Beschwerde eingelegt worden sei. Ist die Zustellung ohne diese Eröffnung erfolgt, so gilt die Beschwerde als zurückgenommen. i) Wie in §§ 82, 83 die Berufung, im H 93 Llbs. 4 die Revision im Berwaltungsstreitverfahren.

2. Landesverwaltungsgefetz (1883).

[2

(4) Die Gründe der Beschwerde sind den Beteiligten zur schriftlichen Erklärung innerhalb zwei Wochen mitzuteilen. (5) Nach Ablauf dieser Frist sind die Verhandlungen der Be­ hörde einzureichen, welcher die Beschlußfassung über die Be­ schwerde zusteht. (6) Eine vorläufige Vollstreckung des mit der Beschwerde an­ gefochtenen Beschlusses (§ 53) ist in diesen Fällen ausgeschlossen.

[Rosten] § 1241). (1) In dem Beschlußverfahren wird ein Kostenpauschquantum nicht erhoben, ebensowenig haben die Beteiligten ein Recht, den Ersatz ihrer baren Auslagen zu fordern. (2) Jedoch können die durch Anträge und unbegründete Ein­ wendungen erwachsenden Gebühren für Zeugen und Sachver­ ständige demjenigen zur Last gelegt werden, welcher den Antrag gestellt beziehungsweise den Einwand erhoben hat. (3) Die sonstigen Kosten und baren Auslagen des Verfahrens fallen demjenigen zur Last, der nach gesetzlicher Bestimmung die Amtsunkosten der Behörde zu tragen hat. (4) Bei den Vorschriften der Gewerbeordnung behält es sein Bewenden. ILeitungS', Kostenbeschwerdtnl § 125. Uber Beschwerden, welche die Leitung des Verfahrens und die Kosten betreffen, beschließt endgültig oie in der Hauptsache zunächst höhere Instanz.

sUnsechtungsklage deS OP. ufw.| § 126. (1) Der Oberpräsident kann endgültige Beschlüsse des Pro­ vinzialrats, der Regierungspräsident endgültige Beschlüsse des Bezirksausschusses und der Landrat beziehungsweise der. Vor­ sitzende des Kreis- (Stadt-) Ausschusses endgültige Beschlüsse dieser Behörde mit aufschiebender Wirkung anfechten, wenn die Beschlüsse die Befugnisse der Behörde überschreiten oder das be­ stehende Recht, insbesondere auch die von den Behörden inner­ halb ihrer Zuständigkeit erlassenen Verordnungen, verletzen. Die Anfechtung erfolgt mittels Klage beim Oberverwaltunasgericht. (2) Die Behörde, deren Beschluß angefochten wird, ist befugt, zur Wahrnehmung ihrer Rechte tn dem Verfahren vor dem Ober­ verwaltungsgericht einen besonderen Vertreter zu wählen. *) Vgl. § 8 des Verwaltungsgebührengesetzes, unten Nr. 9.

2]

2. LandeSderwaltun-Sgeleh (1883).

Vierter Titel. Rechtsmittel gegen polizeiliche Verfügungen. IBcfchwerde, LchluMgel § 127. (1) Geyen polizeiliche Verfügungen der Orts- und Kreis­ polizeibehörden findet, soweit das Gesetz nicht ausdrücklich ande­ res bestimmt, die Beschwerde statt, und zwar: a) aegen die Verfügungen der Ortspolizeibehörden auf dem Lande oder einer zu einem Landkreise gehörigen Stadt, deren Einwohnerzahl bis zu 10 000 Einwohnern beträgt, an den Landrat und gegen dessen Bescheid an den Regie­ rungspräsidenten; b) gegen die Verfügungen der Ortspolizeibehörden eines Stadtkreises, mit Ausnahme von Berlin, einer zu einem Landkreise gehörigen Stadt mit mehr als 10 000 Einwoh­ nern oder des Landrats an den Regierungspräsidenten, und gegen dessen Bescheid an den Oberpräsidenten; c) gegen ortspolizeiliche Verfügungen in Berlin an den Oberpräsidenten. (2) Gegen den in letzter Instanz ergangenen Bescheid des Regierungspräsidenten beziehungsweise des Oberpräsidenten findet die Klage bei dem Oberverwaltungsge ­ richte statt. sKlagegründel

(3) Die Klage kann nur daraus gestützt werden, 1. daß der angefochtene Bescheid durch Nichtanwen­ dung oder unrichtige Anwendung des be­ stehenden Rechts, insbesondere auch der von den Behörden innerhalb ihrer Zuständigkeit erlassenen Verord­ nungen den Klägerin seinen Rechten verletze; 2. daß die tatsächlichen Voraussetzungen nicht vorhanden seien, welche die Polizeibehöroe zum Erlasse der Verfügung oerechtigt haben würden. (4) Die Prüfung der Gesetzmäßigkeit der angefochtenen poli­ zeilichen Verfügung erstreckt sich auch auf diejenigen Fälle, in welchen bisher nach § 2 des Gesetzes vom 11. Mai 1842 (Eesetzsamml. S. 192) der ordentliche Rechtsweg zulässig war. (5) Die Entscheidung ist endgültig, unbeschadet aller privat­ rechtlichen Verhältnisse. IWahlklagej

§ 128.

(1) An Stelle der Beschwerde in allen Fällen des § 127 findet die Klage statt und zwar:

2. LandeSverwaltnngSgeseh (1883).

[2

a) gegen die Verfügungen der Ortsvolizeibehörden auf dem Lande oder einer zu einem Landkreise gehörigen Stadt, deren Einwohnerzahl bis zu 10 000 Einwohnern beträgt, bei dem Kreisausschusse,' b) gegen die Verfügungen des Landrats oder der Ortspolizeibehörden eines Stadtkreises oder einer zu einem Land­ kreise gehörigen Stadt mit mehr als 10 000 Einwohnern bei dem Bezirksausschüsse. (2) Die Klage kann nur auf die gleichen Behauptungen ge­ stützt werden, wie die Klage bei dem Oberverwaltungsgerichte (§127 Absatz 3 und 4). [Ghiltfl. d. Aechtömittcll

§ 129.

(1) Die Beschwerde im Falle des § 127 Absatz 1 und die Klage im Falle des § 128 sind bei derjenigen Behörde anzubringen, gegen deren Verfügung sie ge­ richtet sind. (2) Die Behörde, bei welcher die Beschwerde oder Klage an­ gebracht ist, hat dieselbe an diejenige Behörde abzugeben, welche darüber zu beschrieben oder zu entscheiden bat. Der Beschwerde­ führer beziehungsweise Kläger ist hiervon in Kenntnis zu setzen. (3) Die Frist zur Einlegung der Beschwerde und zur An­ bringung der Klage gegen die polizeiliche Verfügung, sowie gegen den auf Beschwerde ergangenen Bescheid beträgt zwei Wochen. (4) Die Anbringung des einen Rechtsmittels schließt das andere aus. Ist die Schrift, mittels deren das Rechtsmittel an­ gebracht wird, nicht als Klage bezeichnet oder enthält dieselbe nicht ausdrücklich den Antrag auf Entscheidung im Verwaltungs­ streitverfahren, Jo gilt dieseloe als Beschwerde. Bei gleichzeitiger Anbringung beider Rechtsmittel ist nur der Beschwerde Fort­ gang zu geben. Das hiernach unzulässigerweise angebrachte Rechtsmittel ist durch Verfügung der im Absatz 1 bezeichneten Behörde zurückzuweisen. Gegen die zurückweisende Verfügung rdet innerhalb zwei Wochen die Beschwerde an die zur Enteidung auf die Klage berufene Behörde statt. (5) Wird die Beschwerde oder Klage der Vorschrift des ersten Absatzes zuwider innerhalb der gesetzlichen Frist bei derjenigen Behörde angebracht, welche zur Beschlußfassung oder Entscheidung darüber zuständig ist, so gilt die Frist als gewahrt. Die Be­ schwerde oder Klage ist in solchen Fällen von der angerufenen Behörde zur weiteren Veranlassung an diejenige Behörde abzu­ geben, gegen deren Beschluß sie gerichtet ist.

S

2. Landtsverwaltungsgeseh (1883).

2]

(Poli)eiverf. b. Reg.Priif.)

§ 130.

(1) Gegen polizeiliche Verfügungen des Regierungspräsiden­ ten findet innerhalb zwei Wochen die Beschwerde an den OberRräsidenten und gegen den vom Oberpräsidenten auf die Behwerde erlassenen Bescheid innerhalb gleicher Frist die Klage bei dem Oberverwaltungsgerichte nach Maßgabe der Bestimmun­ gen des § 127 Absatz 3 und 4 statt. (2) Gegen polizeiliche Verfügungen des Regierungspräsiden­ ten in Sigmaringen findet innerhalb zwei Wochen unmittelbar die Klage bei dem Obcrverwaltungsgerichte statt. (3) Gegen die Landesverweisung steht Personen, welche nicht Reichsangehörige sind, die Klage nicht zu.

§ 181. sDer § 6 des Gesetzes vom 11. Mai 1842 (Gcsctz-Tamml. S. 192) findet auch Anwendung, wenn eine polizeiliche Verfügung im Verwaltungsstrcilverfahren durch rechtskräftiges Endurteil aufgehoben worden ist1)].

Fünfter Titel. Zwangsbefugnisse, (verwaltungszwangt § 132. Der Regierungspräsident, der Landrat, die Ortspolizei­ behörde und der Gemeinde- (Guts-) Vorsteher (-Vorstand) sind berechtigt, die von ihnen in Ausübung der obrigkeitlichen Gewalt getroffenen, durch ihre gesetzlichen Befugnisse gerechtfertigten An­ ordnungen durch Anwendung folgender Zwangsmittel durch­ zusetzen:

lErsatzvornahmel 1. Die Behörde hat, sofern es tunlich ist, die zu erzwingende Handlung durch einen Dritten ausfüyren zu lassen uno den vorläufig zu bestimmenden Kostenbetrag im Zwangswege von den Verpflichteten einzuziehen.

lUngehorsamSflrafel 2. Kann die zu erzwingende Handlung nickt durch einen Dritten geleistet werden, — oder steht es fest, daß der Ver­ pflichtete nicht imstande ist, die aus der Ausführung durch einen Dritten entstehenden Kosten zu tragen, — oder soll eine Unterlassung erzwungen werden, so sind die Behörden

*) § 6 a. a. O. ist verfassungswidrig (Art. 131 9193.), Beschluß d. RG. v. 20. 2. 1923 (RGBl. I S. 292).

2. Landesverwaltungögeseh (1883).

[2

berechtigt, Geldstrafen anzudrohen und festzusetzen, und zwar von 1 — 1000 RM?). Gleichzeitig ist nach Maß­ gabe der 88 28, 29 des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich die Dauer der Haft festzusetzen, welche für den Fall des Unvermögens an die Stelle der Geldstrafe treten soll. [Ter folgende Safe ist überholt*2).]

Der Ausführung durch einen Dritten (Nr. 1), sowie der Festsetzung einer Strafe (Nr. 2) muß immer eine schrift­ liche Androhung vorhergehend in dieser ist, sofern eine Handlung erzwungen werden soll, die Frist zu bestimmen, innerhalb welcher die Ausführung gefordert wird. [Unmittelbarer Zwang]

3. Unmittelbarer Zwang darf nur angewendet werden, wenn die Anordnung ohne einen solchen unausführbar ist. [Rechtsmittel!

§ 133.

Gegen die Androhung eines Zwangsmittels finden die­ selben Rechtsmittel statt, wie gegen die Anordnungen, um deren Durchsetzung es sich handelt. Die Rechtsmittel erstrecken sich zu­ gleich auf diese Anordnungen, sofern dieselben nicht bereits Gegenstand eines besonderen Beschwerde- oder Verwaltungs­ streitverfahrens geworden sind. (2) Gegen die Festsetzung und Ausführung eines Zwangs­ mittels findet in allen Fällen nur die Beschwerde im Aufsichts­ wege innerhalb zwei Wochen statt. (3) Haftstrafen, welche an Stelle einer Geldstrafe nach § 132 Nr. 2 festgesetzt sind, dürfen vor ergangener endgültiger Beschluß­ fassung oder rechtskräftiger Entscheidung aus das eingelegte Rechtsmittel beziehungsweise vor Ablauf der zur Einlegung desselben bestimmten Frist nicht vollstreckt werden. (1)

§134. [Abs. 1 aufgehoben durch tz 133 Abs. 2 des Fischerciges. v. 11. 5.1916, GS. S. 90.] [Abs. 2 aufgehoben durch G. v. 25. 7. 1911, GS. S. 149.]

§135. (Aufgehoben durch Art. 6 d. G. v. 29. 4. 1887 (GS. S. 127).] ') So jetzt auf Grund von Art. II d. BO. v. 23. 11. 1923 (RGBl. I S. 1117). Früher war die Strafbefugnis für Ortspolizeibehörden, Landräte, Regierungspräsidenten verschieden bemessen. 2) Die Haft kann 1 Tag bis 6 Wochen betragen, § 29 Abs. 2 RStrGB.

2]

2. Uandeöverwaltungsgesetz (1883).

Sechster Xitel, Minister!

polizeiverorbnungsrecht. § 136.

(1) Soweit die Gesetze ausdrücklich auf den Erlab besonderer polizeilicher Vorschriften (Verordnungen, Anordnungen, Regle­ ments usw.) durch die Zentralbehörden verweisen, sind die Mi­ nister befugt, innerhalb ihres Ressorts dergleichen Vorschriften für den ganzen Umfang [bet Monarchie) des Staates oder für ein­ zelne Teile [derselben) desselben zu erlassen und gegen die Richt­ befolgung dieser Vorschriften Geldstrafen bis zum Betrage von einhundertfünszig Reichsmark*) anzudrohen. [Abs. 2 Ziff. 1 gegenstandslos, Varl. VerwO. v. 26. 4. 1920, RGBl. 1920 S. 797. Abs. 2 Zisf. 2 durch § 318 WassG. (unten Nr. 46) ersetzt.)

(3) Zum Erlasse der im § 367 Nr. 5 des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich gedachten Verordnungen sind auch die zustän­ digen Minister befugt. (Oberpräs., Regierungspräs.(

§ 137.

(1) Der Oberpräsident ist befugt, gemäß §§ 6, 12 und 15 des Gesetzes über die Polizeiverwaltung vom 11. März 1850 (Eesetzsamml. S. 265) beziehungsweise der §§ 6, 12 und 13 der Ver­ ordnung vom 20. September 1867 (Eesetzsamml. S. 1529) und des Lauenburgischen Gesetzes vom 7. Januar 1870 (Offizielles Wochenblatt S. 13) für mehrere Kreise, sofern dieselben verschie­ denen Regierungsbezirken angehören, für mehr als einen Regie­ rungsbezirk oder für den Umfang der ganzen Provinz gültige Polizeivorschriften zu erlassen und gegen die Nichtbefolgung der­ selben Geldstrafen bis zum Betrage von einhundertfünfzig Reichsmark*) anzudrohen. (2) Die gleiche Befugnis steht dem Regierungspräsidenten für mehrere Kreise oder für den Umfang des ganzen Regierungs­ bezirks zu. (3) Die Befugnis der Regierung zum Erlasse von Polizei­ vorschriften wird aufgehoben. (Strom*, Schiffahrts«, Hafenpol.j § 138. [Abs. 1 und 2 erseht durch § 348 WassG.. unten Nr. 46.)

(3) Bei den Vorschriften des Gesetzes vom 9. Mai 1853, be­ treffend die Erleichterung des Lotsenzwanges in den Häfen und Binnengewässern der Provinzen Preußen und Pommern (Gesetz-

!) BO. v. 6. 2. 1924 (RGBl. I S. 44).

2. Landeöverwaltungsgesttz (1883).

[2

sammt. S. 216), behält es mit der Maßgabe sein Bewenden, daß an die Stelle der Bezirksregierung der Negierungspräsident tritt. (Zustimmung b. Beschl. bth.)

§ 139.

Die gemäß SS 137, 138 von dem Oberpräsidenten zu erlassen­ den Polizeivorschristen bedürfen der Zustimmung des Provinzialrats, die von dem Regierungspräsidenten zu erlassenden Polizeivorschristen der Zustimmung des Be­ zirksausschusses. In Fällen, welche keinen Aufschub zu­ lassen, ist der Oberpräsident sowie der Regierungspräsident be­ fugt, die Polizeivorschrift vor Einholung der Zustimmung des Provinzialrats beziehungsweise des Bezirksausschusses zu er­ laßen. Wird diese Zustimmung nicht innerhalb drei Monaten nach dem Tage der Publikation der Polizeivorschrift erteilt, so hat der Oberpräsident beziehungsweise der Regierungspräsident die Vorschrift außer Kraft zu setzen. (Bekanntmachung!

§ 140.

Polizeivorschristen der in den §§ 136, 137 und 138 bezeich­ neten Art sind unter der Bezeichnung „Polizeiverordnung" und unter Bezugnahme auf die Bestimmungen des § 136 beziehungs­ weise der 137 oder 138, sowie in den Fällen des § 137 auf die in demselben angezogenen gesetzlichen Bestimmungen durch die Amtsblätter derjenigen Bezirke bekanntzumachen, in welchen dieselben Geltung erlangen sollen. (Inkrafttreten!

§ 141.

Ist in einer gemäß § 140 verkündeten Polizeiverordnung der Zeitpunkt bestimmt, mit welchem dieselbe in Kraft treten soll, so ist der Anfang ihrer Wirksamkeit nach dieser Bestimmung zu beurteilen, enthält aber die verkündete Polizeiverordnung eine solche Zeitbestimmung nicht, so beginnt die Wirksamkeit derselben mit dem achten Tage nach dem Ablaufe desjenigen Tages, an welkem das betreffende Stück des Amtsblatts, welches die Po­ lizeiverordnung verkündet, ausgegeben worden ist. (Landrat!

§ 142.

Der Landrat ist befugt, unter Zustimmung des Kreisausschusses nach Maßgabe der Vorschriften oes Ge­ setzes über die Polizeiverwaltung vom 11. März 1850 be­ ziehungsweise der Verordnung vom 20. September 1867 und des Lauenburgischen Gesetzes vom 7. Januar 1870 für mehrere Ortspolizeibezirke oder für den ganzen Umfang des Kreises gültige Polizeivorschristen zu erlassen und gegen die Nichtbefolgung derBühler, Berwallungsgesehe. 4

2]

2. LalldtöverwaltuttgSgesktz (1883).

selben Geldstrafen bis zum Betrage von einhundertfünf­ zig Reichsmark*) anzudrohen. (Lrtöpolijei in Städten)

§ 143.

(1) Ortspolizeiliche Vorschriften 5 ff. des Gesetzes vom 11. März 1850 beziehungsweise der Verordnung vom 20. Sep­ tember 1867 und des Lauenburgischen Gesetzes vom 7. Januar 1870), soweit sie nicht zum Gebiete der Sicherheitspolizei gehören, bedürfen in Städten der Zustimmung des Gemeinde­ vorstandes. Versagt der Gemeindevorstand die Zustimmung, so kann dieselbe auf 'Antrag der Behörde durch Beschluß des Be­ zirksausschusses ergänzt werden. (2) In Fällen, welche keinen Aufschub zulassen, ist die Orts­ polizeibehörde befugt, die Polizeivorschrift vor Einholung der Zustimmung des Gemeindevorstandes zu erlassen. Wird diese Zustimmung nicht innerhalb vier Wochen nach dem Tage der Publikation der Polizeivorschrist erteilt, so hat die Behörde die Vorschrift außer Kraft zu setzen. |5orm u. Bekanntmachung) § 144. f(l) In Stadtkreisen ist die Ortspolizeibehörde befugt, gegen die Nichtbefolgung der von ihr erlassenen polizeilichen Vorschriften Geld­ strafen bi» zum Betrage von dreißig Mark anzudrohen. Im übrigen steht die Erteilung der Genehmigung zum Erlasse ortspolizeilicher Vor­ schriften mit einer Strafandrohung bis zum Betrage von dreißig Mark gemäß § 5 der im § 137 angezogcnen Gesetze dem Negierungspräsi ­ denten 3U*2).]

(2) Ungleichen hat der Regierungspräsident über die Art der Verkündigung orts- und kreispolizeilicher Vorschriften, sowie über die Form, von deren Beobachtung die Gültigkeit derselben abhängt, zu bestimmen. lAußerkraftsthenI

§ 145.

(1) Die Befugnis, orts- oder kreispolizeiliche Vorschriften außer Kraft zu fetzen, steht dem Regierungspräsidenten zu. Mit Ausnahme von Fallen, welche keinen Aufschub zulassen, darf diese Befugnis nur unter Zustimmung des Bezirksausschusses aus­ geübt werden. (2) Bei der Befugnis des Ministers des Innern, jede (orts-, kreis-, bezirks- oder provinzial-) polizeiliche Vorschrift, soweit Gesetze nicht entgegenstehen, außer Kraft zu setzen (§ 16 des Ee1) BO. v. 6. 2. 1924 (RGBl. I S. 44). 2) Jetzt überall bis 150 'M ((. vor. Sinnt.), daher Abs. 1 be­ deutungslos.

2. LaiidköverwaltungSgefeh (1883).

[2

setzes vom 11. März 1850, § 14 der Verordnung vom 20. Sep­ tember 1867 beziehungsweise des Lauenburgiichen Gesetzes vom 7. Januar 1870), behält es mit der Matzgaoe sein Bewenden, daß diese Befugnis hinsichtlich der Strom-, Schisfahrts- und Hafenpolizeivorschriften (§ 138) auf den Minister für Handel und Gewerbe übergeht»).

Siebenter Titel. Übergangs- und Schlutzbestimmungen. §§ 146, 147, 148. (Inzwischen bcbcutunn-jloS geworden.) ITirnftrinf. b. abgeb. Beamten)

§ 149.

(1) Die zur Verfügung der Minister verbleibenden Bcaniten erbaltcn während des im § 147 bezeichneten fünfjährigen Zeitraumes, auch wenn sie während desselben dienstunfähig werden, unverkürzt ihr bis­ heriges Ticnsteinkommcn und den Wohnnngsgeldzuschuß in dem bis­ herigen Betrage. (2) Als Verkürzung im Einkommen ist cs nicht anzusehen, wenn die Gelegenheit zur Verwaltung von Nebenämtern entzogen wird oder die Beziehung der für die Tienstunkosten besonders ausgesetzten Einnahmen mit diesen Unkosten selbst wegfällt. (3) An Stelle einer etatsmäßig gewährten freien Dienstwohnung tritt eine Mietsentschädigung nach der Scrvisklasse des Orts der letzten Anstellung.

IPkNfi.nl

§ 150.

Die nach Ablauf'des fünfjährigen Zeitraumes gemäß § 147 Absatz 2 in den Ruhestand tretenden Beamten erhalten eine Pension in der gesetz­ mäßigen Höhe mit der Maßgabe, daß die Pension ohne Rücksicht auf die Dauer der Dienstzeit auf 45/eo des Diensteinkommens zu bemessen ist.

(Wartegeld) § 151. Den Verwaltungsbeamten, welche zu den im § 2 des Gesetzes vom 27. März 1872 (Gesetzsamml. S. 268) bezeichneten Beamten gehören, kann ein Wartegeld bis auf Höhe des gesetzmäßigen Pensionsbetrages gewährt werden.

88 152,153. sJnzwischen durchgeführt.)

i) Aufrechterhalten durch § 348 Abs. 3 Satz 2 WassG.

2]

2. Landköverwaltungögeseh (1883).

|3ntrafttreten| § 154. (1) Das gegenwärtige Gesetz tritt mit dem 1. April 1884, jedoch nur gleichzeitig mit dem Gesetze über die Zuständigkeit der Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsbehörden, in Kraft, vorbehaltlich der Bestimmungen des § 155. (2) Gleichzeitig treten das Gesetz über die Organisation der allge­ meinen Landesverwaltung vom 26. Juli 1880 (Gesetzsamml. S. 291) und die §§ 1 bis 16a, 31 bis 87a und 89 des Gesetzes, betreffend die Verfassung der Verwaltungsgerichte und das Verwaltungsstreitverfahren

vom

(Gcsctzsamml. 1880 S. 328), ausser Straft.

(3) Auf die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes bereits anhängig ge­ machten Sachen finden in Beziehung aus die Zuständigkeit der Behörden, das Verfahren und die Zulässigkeit der Rechtsmittel die Bestimmungen der früheren Gesetze, jedoch mit der Maßgabe Anwendung, daß an Stelle des Bezirksrats und des Bezirksverwaltungsgerichts der Bezirks­ ausschuß tritt.

ISonderbestimmungl § 155. (1) In den Provinzen sPosen,) Schleswig-Holstein, Hannover, HessenNassau, Westfalen und in der Rheinprovinz tritt das gegenwärtige Ge­ setz erst in Kraft, je nachdem für dieselben aus Grund besonderer Gesetze neue Kreis- und Provinzialordnungen erlassen sein werden. Der be­ treffende Zeitpunkt wird für jede Provinz durch Königliche Verordnung bekanntgemacht. (2) Die Geltung der Bestimmungen des § 16 und des § 23 Absatz 1 wird jedoch hierdurch nicht berührt. (3) Inwieweit die Bestimmungen der §§ 127 und 128 auf die selb ständigen Städte in der Provinz Hannover Anwendung finden, bleibt der Kreisordnung für diese Provinz Vorbehalten. [SejirMauSföüfleJ § 156. In jeder Provinz ist noch vor dem Zeitpunkte des Inkrafttretens dieses Gesetzes zur Bildung des Bezirksausschusses in Gemäßheit der Vorschriften des gegenwärtigen Gesetzes zu schreiten. [filtere Strförlften] § 157. Durch das gegenwärtige Gesetz werden nicht berührt: 1. die Bestimmungen der §§ 20, 21 der Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869 (Bundes-Gesetzbl. S. 245); 2. die Bestimmungen des Gesetzes vom 21. Juli 1852, betreffend die Dienstvergehen der nicht richterlichen Beamten usw. (Gesetzsamml. S. 463); dieselben finden jedoch für das Verwaltungsstreitverfahren mit folgenden Maßgaben Anwendung: die Entscheidung erfolgt auf Grund mündlicher Verhandlung; das Gutachten des Disziplinar-

[3

3. Zuständigkeitsgrsrh (1883).

Hoss ist nicht cinzuholen; das Disziplinarverfahren kann mit Rück­ sicht auf den Ausfall der Voruntersuchung durch Beschluß der in erster Instanz zuständigen Behörde eingestellt werden; die Er­ hebung eines Kostcnpauschquantums findet nicht statt; 3. die Bestimmungen des Reichsgesetzes über den Unterstützungs­ wohnsitz vom 6. Juni 1870 (Bundcs-Gesetzbl. S. 360)1).

§158. Aufgehoben sind: 1. die §§ -10 bis 48, 50 bis 56 des (Gesetzes vom 8. Marz 1871, be­ treffend die Ausführung des Bundesgesetzes über den Unter» stützungswohnsitz (Gcsctzsamml. S. 130); 2. die §§ 141 bis 163, 165 der Kreisordnung vom 13. Dezember 1872 (Gcsetzsamml. S. 661), soweit sie das Verfahren in streitigen Berwaltungssacheu zum (Gegenstände haben, sowie die §§ 187 bis 198 derselben Kreisordnung; 3. der fünfte Abschnitt des zweiten Titels, sowie die §§ 2 Absatz 2 und 126 der Provinzialordnung vom 29. Juni 1875 (Gesetzsamml. S. 335) und die Titel I bis IV, sowie die §§ 168, 169, 170 Nr. 2, 4 und 5 und der § 174 des Gesetzes vom 26. Juli 1876, betreffend die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden und der Verwaltungs­ gerichtsbehörden usw. (Gcsetzsamml. S. 297).

§159. Mit dem Tage des Inkrafttretens des gegenwärtigen Gesetzes treten alle mit demselben im Widersprüche stehenden Bestimmungen außer Kraft.

3. Gesetz über die Zuständigkeit der Verwaltung^- und Verwaltungs­ gerichtsbehörden. Dom 1. August 1883 (GS. S. 237). (Das Gesetz regelt die in seinem Titel angegebenen Zuständigkeiten in der Weise, daß es in 25 Titeln Angelegenheiten erst (Titel 1—5) nach dem Verband — Provinzen, Kreise, Amtsverbände, Stadtnnd Landgemeinden — dann (Titel 6—25) nach Materien geordnet auf­ zählt und für jede den Weg der Erledigung aufzeigt. In einer Reihe von Titeln ist das Gesetz durch spätere Spezialgesetze, namentlich das Kommunalabgabengesetz, das Wassergesetz, das Fischereigesetz usw. überholt.)

*) Vgl. § 29 Reichs-Fürsorgepflichtverordnung sowie §§ 39—44 ZustG.

(unten

Nr.

51a),

3]

3. ZuftändltkkitS-eletz (1883).

Inhalt. [I. Titel.

Angelegenheiten der Provinzen — nicht nu'hr gültig............................................................. § L]

Angelegenheiten der Kreise Angelegenheiten der Amtsverbänoe . . Angelegenheiten der Stadtgcineindcn . Angelegenheiten dcrLandgcmcitlden und der selbstüttdigen Gutsbezirke .... Angelegenheiten der öffentlichen Fürsorge Schulangelegeitheiten Einquarticrungsangelegenheiten . . . Sparkassenangelegenheiten Spnagogengemeindeangelegenheiten . . Wegepolizei

§§ 24 §§ 39 §§ 45 §§ 50 §§52 § 54. §§ 55

[XII. Titel. [XIII. „ [XIV. „

Wasserpolizei — nicht mehr gültig .... Teichangelegenheitcn — nicht in ehr gültig . . Fischcrcipolizci — nicht mehr gültig ....

§§ G5 bis 95.) §§ 96 unb 97.) §§ 98 bis 102.)

XV. Titel. XVI.

Iagdpolizei Gcwerbepolizci A. Gewerbliche Anlagen . . D. Gewerbliche Konzessionen C. Ortsstatuten D. Innungen

II. Titel. III. „ IV. V. „ VI. VII. VIII. IX. X. XI.

„ „ „ „



XVIII. XIX. XX. XXI. XXII. XXIII.

„ „ „ „ „ „

Märkte §§ 127 Öffentliche Schlachthäuser . § 131. Kehrbezirke § 132. Ablösung gewerblicher Be­ rechtigungen ...... § 133. Handelskammern, kaufmännische Korpo­ rationen, Börsen Feuerlöschwesen Hilfskassen Baupolizei Dismembrations- und Ansiedlungssachen Enteignungssachen Personenstand und Staatsangehörigkeit

[XXIV. Titel. XXV. „

Steuerangelegenheitcn — nicht mehr gültig . . Ergänzende, Übergangs- und Schluvbcsnmmungen

I. Titel.

bis 38. bis 44. bid 49. und 51. und 53. bid 61.

§§ 103 bid 108. §§ 109 bis 133. . §§ 109 bis 113. . §§ 114 bid 121. § 122. *§§ 123 bid 126.

E. F. G. H.

XVII.

§§ 2 bid 4. §§ 5 und 6. §§ 7 bis 23.

bid 130.

§§ 134 §§ 139 §§ 141 §§ 143 §§ 147 §§ 150 §§ 154 § 156.)

bid 138. und 140. und 142. bid 146. bid 149. bid 153. und 155.

§§ 157 bis 164.

Angelegenheiten der Provinzen. §1.

fErsetzt durch §§ 28, 30, 31 des Kreis- und Provinzialabgabengesetzcs vom 23. April 1906 (GS. S. 159), unten Nr. 22.]

3. Zuständigkcitsgrsch (1883).

[3

Angelegenheiten der Kreise. § 2. In den Fällen der Veränderung der Kreisgrenzen und der Bildung neuer Kreise, sowie des Ausscheidens großer Städte aus dem Kreisverbande beschließt der Bezirksausschuß über die Aus­ einandersetzung der beteiligten Kreise, vorbehaltlich der den letz­ teren gegeneinander innerhalb zwei Wochen zustehenden Klage bei dem Bezirksausschüsse. §». II. Titel.

|®rcn|änberung|

[5. jetzt

11, 13—16 des zu § 1 zit. Gesetzes. >

lRechtsmittel b. Zwangsetatisierung! § 4. (1) Ter zweite Absatz bey § ISO der Krcisordnung für die Provinzen O st p r e u s; c n , G r e u z m a r k P o s e u - W e st p r c u s> c n , B r a n . b c !i b n r n , P o m nr crn , N i c d c r s ch l c s i c n , O b c r s cd l e s i e n und S a ch s e ii vom 13. Dezember 1872 (Gesctzsamml. 1881 3. 179)') wird dahin geändert: (2) Gegen die Verfügung des Regierungspräsidenten steht dem Greise innerhalb zwei Wochen die Klage bei dem Oberverwaltungs­ gerichte zu. (3) Zur Ausführung der Rechte des Greises kann der Kreistag einen besonderen Vertreter bestellen.

III. Titel.

Angelegenheiten der AmtsverLände.

I«u,sicht, § 5. (1) Ter erste Absatz des § 55c der Kreisordnung für die Provinzen Ostpreußen, G r e n z m a r k P o s c n - W e st p r c u ß c n , Bran­ denburg, Pommern, Niedcrschlesien, Obcrschlesien und Sachsen vom 13. Dezember 1872 (Gesctzsamml. 1881 S. 179)0 wird dahin abgcändcrt: (2) Die Aussicht des Staates über die Verwaltung der Angelegen­ heiten der Amtsverbände wird unbeschadet der vorstehenden Bestimmun­ gen in erster Instanz von dem Landrat als Vorsitzenden des Kreisausschusses, in höherer und letzter Instanz von dem Regierungspräsidenten geübt.

lGrenzänderungl

§ 6.

Im Geltungsbereiche der Kreisordnung für die Provinzen O st p r e u ß e n , Grenzmark P o s c n - W e st p r e u ß e n , Bran­ denburg, Pommern, Nicderschlesien, Oberschlesien und Sachsen vom 13. Dezember 1872 (Gesetzsamml. 1881 S. 179)0 erfolgt fortan die Revision, endgültige Feststellung und Abänderung der

i) S. unten Nr. 20.

3]

3. ZuftändigkeitSgeseh (1883).

Amtsbezirke (§ 49 Absatz 2 der Kreisordnung), die Vereinigung ländlicher Gemeinde- und Gutsbezirke bezüglich der Verwaltung der Polizei mit dem Bezirke einer Stadt (§ 49a Absatz 1 a. a. £).), sowie die Ausscheidung der ersteren aus dem Amtsbezirk (§ 49a Absatz 3 a. a. £).), durch den Minister des Innern im Einvernehmen mit dem Bezirksausschüsse nach vorheriger Anhörung der Beteiligten und des Kreistages.

IV. Titel. lAuIflcht,

Angelegenheiten der Stadtgemeinden. § 7.

(1) Die Aufsicht des Staates über die Verwaltung der städti­ schen Gemeindeangelegenheiten wird in erster Instanz von dem Regierungspräsidenten, in höherer und letzter Instanz von dem Oberpräsidenten geübt, unbeschadet der in den Gesetzen geord­ neten Mitwirkung des Bezirksausschusses und des Provin­ zialrats. (2) Für die Stadt Berlin tritt an die Stelle des Regierungs­ präsidenten der Oberpräsident, an die Stelle des Oberpräsi­ denten der Minister des Innern, [für die Hohenzolleruschen Lande tritt an die Stelle oes Oberpräsidenten der Minister des Innern^). (3) Beschwerden bei den Aufsichtsbehörden in städtischen Ee­

meindeangelegenheiten sind in allen Instanzen innerhalb zwei Wochen anzubringen. sl-renjänderungs

8 8.

(1) Der Bezirksausschuh beschließt, soweit die Beschlußfassung

nach den Gemeindeverfassungsgesetzen der Aufsichtsbehörde zu­ steht, über die Veränderung oer Grenzen der Stadtbezirke. (2) Der Bezirksausschuß beschließt über die infolge einer Veränderung der Grenzen der Stadtbezirke notwendig werdende Auseinandersetzung zwischen den beteiligten Gemeinden, vorbe­ haltlich der den letzteren gegeneinander zustehenden Klage im Verwaltungsstreitverfahren. § 9. (1) Streitigkeiten über die bestehenden Grenzen der Stadt­ bezirke unterliegen der Entscheidung im Verwaltungsstreit­ verfahren. (2) über die Festsetzung streitiger Grenzen beschließt vor­ läufig, sofern es das öffentliche Interesse erheischt, der Bezirks­ ausschuß. Bei dem Beschlusse behält es bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Verwaltungsstreitverfahren sein Bewenden.

sSrenzstreitigkeitenl

1) Bzgl. Hohenzollern s. jetzt die GemO. s. d. Hohenzoll. Lande v. 2. Juli 1900 (GS. S. 189).

3. Zuständigkeitsgesch (18S3). IZuständigkeit der ©tnuinbebertr].

[8

§ 10.

(1) Die Gemeindevertretung beschließt: 1. auf Beschwerden und Einsprüche, betreffend den Besitz oder den Verlust des Bürgerrechts, insbesondere des Rechts zur Teilnahme an den Wahlen zur Gemeindever­ tretung, sowie des Rechts zur Bekleidung einer den Besitz des Bürgerrechts voraussetzenden Stelle in der Gemeinde­ verwaltung oder Gemeindevertretung, [bic Verpflichtung zum Erwerbe ober zur Verleihung bei Bürgerrechts, beziehungsweise zur Zahlung von Bürgergewiuugelbcrn (Ausfertigungsgebühren) unb zur Leistung bes Bürgereibes, bic Zugehörigkeit zu einer be­ stimmten Bürgerklasse,]*) die Richtigkeit der Gemeinde­

wählerliste; 2. über die Gültigkeit der Wahlen zur Gemeindevertretung; 3. über die Berechtigung zur Ablehnung oder Niederlegung von Ämtern und Stellen in der Gemeindeverwaltung oder Vertretung, über die Nachteile, welche gegen Mit­ glieder der Stadtgemeinde wegen Nichterfüllung der ihnen nach den Gemeindeverfassungsgefetzen obliegenden Pflich­ ten, sowie über die Strafen, welche gegen Mitglieder der Gemeindevertretung wegen Zuwiderhandlungen gegen die Geschäftsordnung nach Maßgabe der Gemeindeverfassungsgesetze zu verhängen sind. (2) Einsprüche gegen die Richtigkeit der Wählerliste sind während der Dauer der Auslegung der letzteren, Einsprüche gegen die Gültigkeit der Wahlen zur Gemeindevertretung inner­ halb zwei Wochen nach Bekanntmachung des Wahlergebnisses und in allen Fällen bei dem Eemeindevorstande zu erheben. fAbs. 3 ersetzt durch § 3 Abs. 2 Satz 2 ff- d. Gemein dewahlgesetzes, unten Nr. 15a.] ^Rechtsmittel im Falle von § 10]

§ 11.

(1) Der Beschluß der Gemeindevertretung (§ 10) bedarf keiner Genehmigung oder Bestätigung von feiten des Gemeinde­ vorstandes oder der Aufsichtsbehörde. Gegen den Beschluß der Gemeindevertretung findet die Klage im Verwaltungsstreitver­ fahren statt. Die Klage steht in den Fällen des § 10 auch dem Eemeindevorstande zu. (2) Die Klage hat in den Fällen des § 10 unter 1 und 2 keine aufschiebende Wirkung; jedoch dürfen Ersatzwahlen vor er­ gangener rechtskräftiger Entscheidung nicht vorgenommen werden. *) Gegenstandslos, s. VO. v. 24. Jan. 1919 (GS. S. 13).

3]

3. ZuständigkeitSgesrl; (1883).

IZuständigkeit deS BezAuSsch.)

§ 12.

Der Bezirksausschuß beschließt, soweit die Beschlußfassung nach den Eemeindeverfassungsgesehen der Aufsichtsbehörde zusteht, 1. über die Zahl der aus jeder einzelnen Ortschaft einer Stadtgemeinde zu wählenden Mitglieder der Gemeinde­ vertretung, 2. über die Vornahme außergewöhnlicher Ersatzwahlen zur Gemeindevertretung oder in den Gemeindevorstand. lBestütigung von Wählens

§ 13.

. (1) Soweit die Bestätigung der Wahlen von Gemeindebeamten nach Maßgabe der Gemeindeverfassungsgesetze den Aufsichtsbehörden zusteht, erfolgt dieselbe durch den Regie­ rungspräsidenten. (2) Die Bestätigung kann nur unter Zustimmung des Be­ zirksausschusses versagt' werden. Lehnt der Bezirksausschuß die Zustimmung ab, so kann dieselbe auf den Antrag des Regie­ rungspräsidenten durch den Minister des Innern ergänzt werden. (3) Wird die Bestätigung vom Regierungspräsidenten unter Zustimmung des Bezirksausschusses versagt, so kann dieselbe auf Antrag des Eemeindevorstandes oder der Gemeindevertretung von dem Minister des Innern erteilt werden. fGültigkeit von Wahlen!

§ 14.

Über die Gültigkeit von Wahlen solcher Gemeinde­ beamten, welche der Bestätigung nicht bedürfen, beschließt, soweit die Beschlußfassung der Aufsichtsbehörde zusteht, der Be­ zirksausschuß. lBeanstandungl

§ 15.

(1) Beschlüsse der Gemeindevertretung oder des kollegialischen Eemeindevorstandes, welche deren Befugnisse über­ schreiten oder die Gesetze verletzen, hat der Eemeindevorstand, beziehungsweise der Bürgermeister, entstekendenfalls auf Anweisung der Aufsichtsbehörde, mit aufschieoender Wirkung unter Angabe der Gründe zu beanstanden. Gegen die Verfügung des Eemeindevorstandes (Bürgermeisters) steht der Gemeindevertretung beziehungsweise dem kollegialischen Ge­ meindevorstande die Kmge im Verwaltungsstreitoerfahren zu. (2) Die in den Eemeindeverfassungsgesetzen begründete Be­ fugnis der Aufsichtsbehörde, aus anderen als den vorstehend an­ gegebenen Gründen eine Beanstandung der Beschlüsse der Ee-

3. Luständigktilsgtsch (1SS3).

[3

meindevertretung oder des kollegialischen Gemeindevorstandes herbeizuführen, wird aufgehoben. fBeräußerung von ttunstbesitz usw., Ortsstatuten usw.s

§ 16.

(1) Gemeindebeschlüsse über die Veräußerung oder wesent­ liche Veränderung von Sachen, welche einen besonderen wissen­ schaftlichen, historischen oder Kunstwert haben, insbesondere von Archiven oder Teilen derselben, unterliegen der Genehmi­ gung des Regierungspräsidenten. (w) Hinsichtlich der Verwaltung der Gemcindewaldungen be­ wendet es bei den bestehenden Bestimmungen. (3) Im übrigen beschließt der Bezirksausschuß über die in den Gemeindeverfassungsgesetzen der Aufsichtsbehörde vorbehal­ tene Bestätigung (Genehmigung) von Ortsstatuten und sonstigen die städtischen Gemeindeangelegenheiten betreffenden Gemeinde­ beschlüssen. [Statt Abs. 4 imb 5 s. jetzt K o m m n it a I a b g a b c n g c f c und 78, unten Ar. 19.] lBezirksauöschutz al- Aufsichtsbeh.l

77

§ 17.

(1) Der Bezirksausschuß beschließt, soweit die Beschlußfassung nach den Gemeindeverfassungsgesetzen der Aufsichtsbehörde zusteht, 1. abgesehen von den Fällen des § 15 über die zwischen dem Gemeindevorstande und der Gemeindevertretung be­ ziehungsweise dem Bürgermeister und dem kollegialischen Gemeindevorstande entstehenden Meinungsver­ schiedenheiten, wenn von einem Teile auf Ent­ scheidung angetragen wird und zugleich die Angelegenheit nicht aus sich beruhen bleiben kann, 2. an Stelle der Gemeindebehörden im Falle ihrer durch widersprechende Interessen herbeigeführten Beschlußunfähigkeit, 3. an Stelle der nach Maßgabe der Eemeindeverfassungsgesetze aufgelösten Gemeindevertretung. (2) Der Bezirksausschuß beschließt ferner an Stelle der Auf­ sichtsbehörde: 4. über die Art der gerichtlichen Zwangsvollst r e ck u n g wegen Eeldforoerungen gegen Stadtgemeinoen (§ 15 zu 41) des Einführungsgesetzes zur Deutschen Zivilprozeßordnung vom 30. Januar 1877, Reichsgesetzbl. S. 244), *) Jetzt § 15 zu 3 das. (G. v. 17. Mai 1898, NGBl. S. 332). Die Be­ stimmung lautet:

3]

3. ZuständigkeitSgesetz (1883). 5. Über die Feststellung und den Ersatz der Defekte der Eemeindebeamten nach Maßgabe der Verordnung vom 24. Januar 1844 (Gesetzsamml. S. 52j; der Beschluß ist vorbehaltlich des ordentlichen Rechtsweges endgültig.

lZuständigkeit b. Gemeindevorst.f § 18. (1) Auf Beschwerden und Einsprüche, betreffend: 1. das Recht zur Mitbenutzung der öffentlichen Gemeinde­ anstalten, sowie zur Teilnahme an den Nutzungen und Er­ trägen des Eemeindevermimens, 2. die Heranziehung oder die Veranlagung zu den Gemeinde­ lasten, beschließt der Eemeindevorstand. (2) Gegen den Beschlug findet die Klage im Verwaltungs­ streitverfahren statt. (3) Der Entscheidung im Verwaltungsstreitverfahren unter­ liegen desgleichen Streitigkeiten zwischen Beteiligten über ihre in dem öffentlichen Rechte begründete Berechtigung oder Ver­ pflichtung zu den im Absatz 1 bezeichneten Nutzungen beziehungs­ weise Lasten. [Statt Abs. 4 s. jetzt § 69 Abs. 3 des Kommunalabgaben­ gesetzes, unten Nr. 19.] (5) Die Beschwerden und die Einsprüche, sowie die Klage haben keine aufschiebende Wirkung. fZwangSetatisierungf § 19. (1) Unterläßt oder verweigert eine Stadtaemeinde, die ihr gesetzlich obliegenden, von der Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Zuständigkeit festgestellten Leistungen auf den Haushaltsetat zu bringen oder außerordentlich zu genehmigen, so verfügt der Regierungspräsident unter Anführung der Gründe die Ein­ tragung in den Etat beziehungsweise die Feststellung der außer­ ordentlichen Ausgabe. (2) Gegen die Verfügung des Regierungspräsidenten steht der Gemeinde die Klage bei dem Oberverwaltungsgerichte zu. § 15. Unberührt bleiben 1. . . . 2. . . . 3. die landesgesetzlichen Vorschriften über die Zwangsvollstreckung wegen Geldsorderungen gegen den Fiskus, eine Körperschaft, Stif­ tung oder Anstalt des öffentlichen Rechts oder eine unter der Ver­ waltung einer öffentlichen Behörde stehende Körperschaft oder Stiftung, soweit nicht dingliche Rechte verfolgt werden; 4. usw.

3. Zuständigkeitsgesetz (1883).

[8

(3) Eine Feststellung des Stadtetats durch die Aufsichts­ behörde findet fortan nicht statt; auch in den Städten von Neu­ vorpommern und Rügen ist jedoch eine Abschrift des Etats gleich nach seiner Feststellung durch die städtischen Behörden der Auf­ sichtsbehörde einzureichen. fDisziplinarverfahrenj

§ 20.

(1) Bezüglich der Dienstvergehen der Bürgermeister, Bei­ geordneten, Magistratsmitglieder und sonstigen Gemeinde­ beamten kommen die Bestimmungen des Gesetzes vom 21. Juli 1852 mit folgenden Maßgaben zur Anwendung: 1. Gegen die Bürgermeister, Beigeordneten und Magistrats­ mitglieder, sowie gegen die sonstigen Eemeindebeamten kann an Stelle der Bezirksregierung und innerhalb des derselben bisher zustehenden Ordnungsstrafrechts der Re­ gierungspräsident Ordnungsstrafen festsetzen. Gegen die Strafverfügungen des Regierungspräsidenten findet inner­ halb zwei Wochen die Beschwerde an den Oberpräsidenten, gegen den auf die Beschwerde ergehenden Beschluß des Oberpräsidenten findet innerhalb zwei Wochen die Klage bei dem Oberverwaltungsgerichte statt, In Berlin findet gegen die Strafverfügungen des Oberpräsidenten, in den Hohenzollernschen Landen findet geqen die Strafverfügungen des Regierungspräsidenten^) innerhalb zwei Wochen unmittelbar

die Klage bei dem Oberverwaltungsgerichte statt. 2. Gegen die Strafverfügungen des Bürgermeisters findet innerhalb zwei Wochen die Beschwerde an den Regie­ rungspräsidenten, und gegen den auf die Beschwerde er­ gehenden Beschluß des Regierungspräsidenten innerhalb zwei Wochen die Klage bei dem Oberverwaltungsgerichte statt. 3. In dem Verfahren auf Entfernung aus dem Amte wird die Einleitung des Verfahrens von dem Regierungspräsi­ denten beziehungsweise dem Minister des Innern verfügt und von demselben der Untersuchungskommissar ernannt; an die Stelle der Vezirksregrerung beziehunysweise des Disziplinarhofes tritt als entscheidende Disziplinarbehörde erster Instanz der Bezirksausschuß; an die Stelle des Staatsministeriums tritt das Oberverwaltungsgericht; den Vertreter der Staatsanwaltschaft ernennt bei dem Bezirksausschüsse der Regierungspräsident, bei dem Ober­ verwaltungsgerichte der Minister des Innern. l) S. jetzt den (inhaltlich übereinstimmenden) § 107 der GemO. f. Hohenzollern vom 2. Juli 1900 (GS. S. 189).

3]

3. Austiindigkeitsgrseh (1883).

(2) In dem vorstehend bezüglich der Entfernung aus dem Amte vorgesehenen Verfahren ist entstehendenfalls auch über die Tatsache der Dienstunfähigkeit der Bürgermeister, Beigeord­ neten, Magistratsmitglieder und sonstigen Eemeindebcamten Entscheidung zu treffen. (3) Gegen Mitglieder der Gemeindevertretung findet ein Disziplinarverfahren nicht statt.

[Statt Abs. 4 s. jetzt tz 7 Abs. 1, § 25 des AI o m m u n a l b c a m t c n = Gesetzes, unten Nr. 49.] fLerwaltungSgericht 1. Instanz) § 21.

(1) Zuständig in erster Instanz ist im Vcrwaltungsstreitverfahren für die in diesem Titel vorgesehenen Fälle, sofern nicht im einzelnen anders bestimmt ist, der Bezirksausschuß, für den Stadtkreis Berlin in den Fällen des 8 8 Absatz 2, § 9 und § 15 das Oberverwaltungsgericht. Die Frist zur Anstellung der Klage beträgt in allen Fällen zwei Wochen. (2) Die Gemeindevertretung beziehungsweise der kollegialische Eemeindevorstand können zur Wahrnehmung ihrer Reckte im Verwaltungsstreitverfahren einen besonderen Vertreter oestellen. (3) Gegen die Entscheidung des Bezirksausschusses in den Fällen des § 18 unter 2 ist nur das Rechtsmittel der Revision zulässig. I.Flecken-) § 22. (1) Die Bestimmungen dieses Abschnitts kommen zur Anwen­ dung im Geltungsbereiche der Städteordnung für die sechs östlichen Provinzen vom 30. Mai 1853 (Gesetzsamml. S. 261) auch auf die 8 1 Absatz 2 daselbst erwähnten Ortschaften (Flecken), in der Provinz Schleswig-Holstein auch auf die 88 94 ff. des Gesetzes vom 14. April 1869 (Gesetzsamml. S. 589) erwähnten Flecken. [Der letzte Teil von

22 Abs. 1, sowie § 22 Abs. 2 und

§23 sind ersetzt durch die LGO. f. Hessen-Nassau v. 4. August 1897 (GS. S. 301) und d. G e m O. f. H o h e n z o l l e r n v. 2. Juli 1900 (GS. S. 189).] V. Xitel.

Angelegenheiten der Landgemeinden und der fel-ständigen Eutsbezirke. lAussichi, § 24. (1) Die Aufsicht des Staates über die Verwaltung der Ange­ legenheiten der Landgemeinden, der Ämter in der Provinz West-

3. Zttständigkeitögeseh (1883).

[3

falen und der yiiracrmciiicrcicn1) in der Rheinprovinz, sowie der Gutsbezirke wird, unbeschadet der Vorschriften der Kreisord­ nungen und der in den Gesetzen geordneten Mitwirkung des Kreisausschusses und des Bezirksausschusses, in erster Instanz von dem Landrate als Vorsitzenden des Kreisausschusses, in höherer und letzter Instanz von dem Regierungspräsidenten geübt. (2) Beschwerden bei den Aufsichtsbehörden in den vorbezeich­ neten Angelegenheiten sind in.allen Instanzen innerhalb zwei Wochen anzubringen. [®ren)änbtrungj (1) Der Kreisausschuß

§ 25.

beschließt, soweit die Beschlußfassung nach den Gemeindeverfajsungsgesetzen der Aufsichtsbehörde zu­ steht, über die Veränderung der Grenzen der ländlichen Ge­ meindebezirke und der Gutsbezirke. pJlbf. 2 aufgehoben, j. § 2 2 der rhei n. und der w c st f. K r c i » o r d n u n g. Die dadurch in Abs. 3 u. 4 erforderlichen Streichun­ gen sind durch Kleindruck kenntlich gemacht.]

(3) In den im Absatz 1 bezeichneten Fällen findet neben der Beschlußfassung des Kreisausschusses die in den Eemeindeverfassungsgesetzen vorgeschriebene Anhörung des Kreistages nicht mehr statt. An die Stelle der sonst für kommunale Bezirksver­ änderungen, einschließlich der Fälle des zweiten Absatzes, in den Eemeindeverfassunqsgesetzen vorgeschriebenen Anhörung des Kreis­ tages tritt die Anhörung des Kreisausschusses. (4) über die infolge einer Veränderung der Grenzen der Landgemeinden und Gutsbezirke, sowie der m Absatz 2 erwähnten Ämter und Bürgermeistcrcient) notwendig werdende Auseinander­ setzung zwischen den Beteiligten beschließt der Kreisausschuß, vorbehaltlich der den letzteren gegeneinander zustehenden Klage im Verwaltungsstreitverfahren.

lGrenzstreitigkeitenI

§26.

(1) Streitigkeiten über die bestehenden Grenzen der länd­ lichen Gemeinde- und Gutsbezirke, sowie über die Eigenschaft einer Ortschaft als Gemeinde oder eines Guts als Gutsbezirks unterliegen der Entscheidung im Verwaltungsstreitverfahren. (2) über die im ersten Absätze bezeichneten Angelegenheiten beschließt vorläufig, sofern es das öffentliche Interesse erheischt, der Kreisausschuß. Bei dem Beschluß behält es bis zur rechts­ kräftigen Entscheidung im Verwaltungsstreitverfahren fein Be­ wenden. *) Auch diese führen jetzt den Namen Ämter, s. § 2 d. G. v. 27. Dez. 1927, unten Nr. 14.

3]

3. Zuständigkeitögeseh (1883).

lZuständigkeit der (Bemehibeufrlr.J §27. (1) Die Gemeindevertretung, wo eine solche nicht besteht, der Eemeindevorstand, beschlicht: 1. auf Beschwerden und Einsprüche, betreffend den Besitz oder den Verlust der Eemeindemitgliedschaft, sowie des Gemeindebürgerrechts^ des Stimmrechts in der Gemeinde­ versammlung, des Nechts zur Teilnahme an den Gemeindewahlen*), die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Klasse von Stimmberechtigten, die Wählbarkeit zu einer Stelle in der Gemeindeverwaltung oder Gemeindever­ tretung, die Ausübung des Stimmrechts durch einen Dritten, sowie über die Nichtigkeit der Gemeindewähler­ liste; 2. über die Gültigkeit der Wahlen zur Gemeindevertretung; 3. über die Berechtigung zur Ablehnung oder Niederlegung einer Stelle in der Gemeindeverwaltung oder Gemeinde­ vertretung, über die Nachteile, welche gegen Angehörige (Mitglieder) der Gemeinde wegen Nichterfüllung der ihnen nach den Eemeindeverfassungsgesetzen obliegenden Pflichten, ^owie über die Strafen, welche gegen Mitglie­ der der Gemeindevertretung wegen Zuwiderhandlungen gegen die Geschäftsordnung' oder wegen unentschuldigten Ausbleibens nach Matzgabe der Eemeindeverfassungsgesetze zu verhängen find. (2) Einsprüche gegen die Nichtigkeit der Wählerliste sind während der Dauer der Auslegung der letzteren, Einsprüche egen die Gültigkeit der Wahlen zur Gemeindevertretung inner» alb zwei Wochen nach Bekanntmachung des Wahlergebnisses, und in allen Fällen bei dem Gemeindevorstande anzubringen.

S

(3) (In dem Geltungsbereiche der Kurhessischen Gemeindeordnung finden die Vorschriften des § 10 Absatz 3 des gegenwärtigen Gesetzes entsprechende Anwendung)2). IRechtSmittel im Falle von K 271

§ 28.

(1) Die Beschlüsse der Gemeindevertretung beziehungsweise des Eemeindevorstandes in den Fällen des § 27 beoürfen keiner Genehmigung oder Bestätigung von feiten des Eemeindevor­ standes oder oer Aufsichtsbehörde. (2) Gegen die Beschlüsse findet die Klage im Verwaltungs­ streitverfahren statt. Die Klage steht in den Fällen des § 27, wenn der Beschluß von der Gemeindevertretung gesagt ist, auch

1) S. hierzu auch die Gemcindewahlgesetze, unten Nr. 15. 2) S. jetzt die oben zu § 10 Abs. 3 zit. Bestimmung.

3. Zilftändigteitsgkjetz (1883).

[3

dem Eemeindevorstande, sowie in der Provinz Westfalen dem Bürgermeisters zu. (3) Die Klage hat in den Fällen des § 27 unter 1 und 2 keine aufschiebende Wirkung; jedoch dürfen Neuwahlen vor er­ gangener rechtskräftiger Entscheidung nicht vorgenommen werden.

(Beanstandung!

§ 29.

(1) Beschlüsse der Gemeindeversammlung, der Gemeindever­ tretung oder des kollegialischen Eemeindevorstandes, welche deren Befugnisse überschreiten oder die Gesetze ver­ letzen, hat der Gemeindevorsteher, in der Provinz Westfalen auch der Bürgermeisters, entstehendenfalls auf Anweisung der Aufsichtsbehörde, mit aufschiebender Wirkung unter Angabe der Gründe zu beanstanden. Gegen die Verfügung des Gemeinde­ vorstehers beziehungsweise Bürgermeisters') steht der Gemeinde­ versammlung, Gemeindevertretung beziehungsweise dem kollegia­ lischen Gemeindevorstande die Klage im Verwaltungsstreitver­ fahren zu. (2) Die in den Gemeindeverfassungsgesetzen begründete Be­ fugnis der Aufsichtsbehörde, aus anderen als den vorstehend an­ gegebenen Gründen eine Beanstandung von Beschlüssen der Ge­ meindevertretung oder des kollegialischen Eemeindevorstandes herbeizusühren, wird aufgehoben.

(Veräußerung von ttunstbesih usw.) § 30. (1) Gemeindebeschlüsse über die Veräußerung oder wesent­ liche Veränderung von Sachen, welche einen besonderen wissen­ schaftlichen, historischen oder Kunstwert haben, insbesondere von Archiven oder von Teilen derselben, unterliegen der Genehmi­ gung des Regierungspräsidenten. (2) Hinsichtlich der Verwaltung der Eemeindewaldungen be­ wendet es ber den bestehenden Bestimmungen.

(Ortsstatuten usw.)

§ 31.

(1) Im übrigen beschließt der Kreisausschuß, soweit die Beschlußfassung in den Eemeindeverfassungsgesetzen der Aufsichts­ behörde [ober — in der Provinz Hessen-Nassau — dem Amtsbezirksrate?) zusteht, über die Bestätigung (Genehmigung) von Ortsstatuten und sonstigen, die ländlichen Gemeindeangelegenheiten betreffenden Gemerndebeschlüsien, sowie über die Herbeiführung und erforder­ lichenfalls Anordnung einer Ergänzung oder Abänderung der

Früher „Amtmann", f. § 2 b. G. v. 27. Dez. 1927, unten Nr. 14. 2) Amtsbezirksräte gibt es feit ber LGO. vom 4. Aug. 1897 nicht mehr. Bühler, Berwaltungsgesehe. 5

3. ZuständigkeitSgeseh (1883).

3]

in Ansehung [bet Gemeindelasten ober]i) des Eemeindestimmrechts') bestehenden Ortsverfassung. (2) In den vorstehend bezeichneten Fällen findet neben der Beschlußfassung des Kreisausschusses die in den Gemeindeverfassunasgesetzen vorgeschriebene Anhörung des Kreistages nicht mehr statt. fAbs. 3 u. 4 ersetzt durch § § 7 7 und 78 des Kommunalabgabengesetzes, unten Nr. 19.]

(5) Die §§ 33 und 34 Titel 7 Teil II des Allgemeinen Landrechts, die Kabinettsorder vom 25. Januar 1831, betreffend die Erwerbung von Nittergütern durch Dorfgemeinden oder deren Mitglieder (Gesetzsamml. S. 5), und der § 4 des Anhangs zur Allgemeinen Gerichtsordnung sind ausgehoben.

(ttreiSauSschuß als Aufsichtsbkh.j

§ 32.

(1) Der Kreisausschuß beschließt, soweit die Beschlußfassung nach den Eemeindeverfasiungsgesetzen der Aufsichtsbehörde zusteht: 1. über die Zahl der aus jeder einzelnen Ortschaft einer Ge­ meinde zu wählenden Mitglieder der Gemeindevertretung, 2. über die Vornahme außergewöhnlicher Ersatzwahlen zur Gemeindevertretung oder in den Gemeindevorstand, 3. über die Vermehrung der Zahl der Mitglieder des Ge­ meindevorstandes, der Schössen und der Ortsvorsteher, so­ wie über Die Bestellung besonderer Ortsvorsteher für ver­ schiedene Ortschaften eines Gemeindebezirks, 4. über die Festsetzung der Besoldungen, der Dienstunkostenentschädigungen und der baren Auslagen der Mitglieder des Gemeindevorst'andcs, der Schöffen, der sonstigen Gemeindebeamten,

der kommissarischen Gemeindevorstehers, Eutsvorsteher und sonstiger kommissarisch bestellten Beamten. (2) Der Kreisausschuß beschließt ferner: 5. an Stelle der Aufsichtsbehörde über die Feststellung und den Ersatz der bei Kassen und anderen Verwaltungen der Landgemeinden vorkommenden Defekte nach Maßgabe der Verordnung vom 24. Januar 1844 (Gesetzsamml. S. 52). Der Beschluß ist vorbehaltlich des ordentlichen Rechts­ weges endgültig. sowie

*) S. jetzt § 77 des Kommunalabgabengesetzes. 2) Vgl. dazu die neuen Gemeindewahlgesetze. s) Nur noch in Geltung für einige Beamten in Rheinland und Westfalen, s. § 19 Zisf. 1 des Kommunalbeamtengesetzes, unten Nr. 49.

3. Zuständigktitögefttz (1883).

(Fortsetzung)

[3

§ 33.

(1) Der Kreisausschuß beschließt, soweit die Beschlußfassung nach den Eemeindeverfassungsqesetzen der Aufsichtsbehörde zusteht: 1. abgesehen von den Fällen des § 29 üoer die zwischen dem Eemeindevorstande und der Gemeindevertretung oder zwischen dem Gemeindevorsteher und dem kollegialischen Eemeindevorstande entstandenen Meinungsverschieden­ heiten, 2. an Stelle der Gemeindebehörden im Falle ihrer durch widersprechende Interessen herbeigeführten Beschlußunfähigteit oder im Falle wiederholter Beschlußunfähigkeit, 3. an Stelle der nach Maßgabe der Eemeindeverfassungsgesetze aufgelösten Gemeindevertretung. (2) Der Kreisausschuß beschließt ferner an Stelle der Bezirtsregierung: 4. über die Art der gerichtlichen Zwangsvollstreckungen wegen Geldsorderungen gegen Landgemeinden (§ 15 zu 41) des Einsührungsgesetzes zur Deutschen Zivilprozeßordnung vom 30. Januar 1877, Reichsgesetzbl. S. 244).

§34. (Zuständigkeit des GemeindevorstandeS) (1) Auf Beschwerden und Einsprüche, betreffend

1. das Recht zur Mitbenutzung der öffentlichen Gemeinde­ anstalten, sowie zur Teilnahme an den Nutzungen und Er­ trägen des Eemeindevermöaens, 2. die Heranziehung oder die Veranlagung zu den Gemeinde­ lasten, 3. die besonderen Rechte oder Verpflichtungen einzelner ört­ licher Teile des Eemeindebezirks oder einzelner Klassen der Eemeindeangehörigen in Ansehung der zu Nr. 1 und 2 erwähnten Ansprüche und Verbindlichkeiten, beschließt der Eemeindevorstand. (2) Eeaen den Beschluß findet die Klage im Verwaltungs­ streitverfahren statt. (3) Der Entscheidung im Verwaltungsstreitverfahren unter­ liegen desgleichen Streitigkeiten zwischen Beteiligten über ihre in dem öffentlichen Rechte begründete Berechtigung oder Ver­ pflichtung zu den im Absatz 1 bezeichneten Nutzungen beziehungs­ weise Lasten.

sAbs. 4 und 6 aufgehoben durch § 69 Abs. 3 und 4 des Kommunal­ abgabengesetzes unten Nr. 19.]

t) S. Anm. 1 zu 8 17.

3]

3. Husliindigkeitsgesetj (1883).

(5) Die Beschwerden und die Einsprüche, sowie die Klage haben keine ausschiebende Wirkung. sZwangöttalisikrungs § 35. (1) Unterläßt oder verweigert eine Landgemeinde (Amt, Bürgermeisterei*)) oder ein Eutsbezirk, die ihnen gesetzlich ob­

liegenden, von der Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Zu­ ständigkeit festgestellten Leistungen auf den Haushaltsetat zu bringen oder außerordentlich zu genehmigen beziehungsweise zu erfüllen, so verfügt der Landrat unter Anführung der Gründe die Eintragung in den Etat beziehungsweise die Feststellung der außerordentlichen Ausgabe. (2) Gegen die Verfügung des Landrats steht der Gemeinde beziehungsweise dem Besitzer des Guts die Klage bei dem Be­ zirksausschüsse zu. (Tisjiplinarverfahrenl

§ 36.

(1) Bezüglich der Dienstvergehen der Gemeindevorsteher, Schöffen, Mitglieder des Gemeindevorstandes und sonstigen Ge­ meindebeamten, sowie der Gutsvorsteher kommen die Bestim­ mungen des Gesetzes vom 21. Juli 1852 mit folgenden Maßgaben zur Anwendung: 1. Die Befugnis, gegen die Gemeindevorsteher (Amtmänner^ in Westfalen, Bürgermeister in der Nheinprovinz), Schöffen, Mitglieder des kollegialischen Gemeindevorstan­ des und sonstige Gemeindebeamten, sowie gegen Guts­ vorsteher Ordnungsstrafen zu verhängen, steht dem Land­ rate und, im Umfange des den Provinzialbehörden bei­ gelegten Ordnungsstrafrechts, dem Regierungspräsiden­ ten zu. Gegen die Strafverfügungen des Landrats findet innerhalb zwei Wochen die Beschwerde an den Regie­ rungspräsidenten, gegen die Strafverfügungen des Re­ gierungspräsidenten innerhalb gleicher Frist die Beschwerde an den Oberpräsidenten statt. 2. Gegen die von dem Amtmanns in Westfalen oder von dem Bürgermeister in der Rheinyrovirn auf Grund des 8 83 der Westfälischen Landgemeindeoronung vom 19. März 1856, beziehungsweise der §§ 83 und 104 der Rheinischen Gemeindeordnung vom 23. Juli 1845 gegen Unterbeamte der Gemeinden, Ämter oder Bürgermeistereien*) erlassenen Strafverfügungen findet innerhalb zwei Wochen die Be*) S. Anm. 1 zu § 24. 2) S. Anm. 1 zu § 28.

3. Zuständigkeitsgesetz (1883).

[3

schwerde an den Landrat und gegen den auf die Be­ schwerde ergehenden Beschluß des Landrats innerhalb zwei Wochen die Beschwerde an den Regierungspräsiden­ ten statt. 3. Gegen den auf die Beschwerde in den Fällen zu 1 und 2 in letzter Instanz ergehenden Beschluß des Regierungs­ präsidenten bezichungsweise des Oberpräsidenten findet innerhalb zwei Wochen die Klage bei dem Oberverwal­ tungsgerichte statt. (In den Hohenzollernschen Landen findet gegen die Straf­ verfügungen des Regierungspräsidenten innerhalb zwei Wochen unmittelbar die Klage bei dem Oberverwaltungsgerichte statt.st)

4. In dem Verfahren auf Entfernung aus dem Amte wird die Einleitung des Verfahrens von dem Landrate oder von dem Regierungspräsidenten verfügt und von den­ selben der Untersuchungskommissar und der Vertreter der Staatsanwaltschaft ernannt. Als entscheidende Diszipli­ narbehörde erster Instanz tritt an die Stelle der Bezirks­ regierung der Kreisausschuß- an die Stelle des Staats­ ministeriums tritt das Oberverwaltungsgericht. Der Ver­ treter der Staatsanwaltschaft bei dem Oberverwaltungs­ gerichte wird von dem Minister des Innern ernannt. (2) In dem vorstehend zu 4 vorgesehenen Verfahren ist entstehendenfalls auch über die Tatsache der Dienstunfähigkeit der ländlichen Gemeindebeamten Entscheidung zu treffen. sAbs. 3 aufgehoben durch § 7 des Kommunalbeamten g e s e tz e s , unten Nr. 49.]

(Berwaltungsgericht 1. Instanz) § 37. (1) Zuständig in erster Instanz ist im Verwaltungsstreitver­

fahren für die in diesem Titel vorgesehenen Fälle, sofern nicht im einzelnen anders bestimmt ist, der Kreisausschuß. Die Frist zur Anstellung der Klage beträgt in allen Fällen zwei Wochen. (2) Die Gemeindeversammlung, die Gemeindevertretung be­ ziehungsweise der kollegialische Gemeindevorstand können zur Wahrnehmung ihrer Rechte im Verwaltungsstreitverfahren einen besonderen Vertreter bestellen.

§38. sFortgefallen, s. § 118 der L G O. f. Hessen-Nassau v. 4. Aug. 1897 (GS. S. 301) u. § 10 9 der Hohenzollernschen GemO. v. 2. Juli 1900 (GS. S. 189).] r) Aufgehoben durch § 109 Abs. 2 der GemO. f. Hohenzollern vom 2. Juli 1900 (GS. S. 189).

3]

3. Zuständigkcitögtsktz (1883).

VI. Titel. Angelegenheiten der öffentlichen Fürsorge. (Durch § 32 der Ausführungsverordnung zur Verordnung über die Fürsorgepflicht vom 13. Fcbr. 1924 (RGBl. I S. 100), vom 17. April 1924 (GS. S. 210), i. f. als AB. zitiert, unten Nr. 51c, wurden die Überschrift des VI. Titels (früher „Armcnangelcgcnhcitcn") und die §§ 39, 40, 42, 44, 161 ZG. geändert und die §8 41, 43 gestrichen. Im folgenden die Fassung der 2123.]

§ 39. (1) Streitigkeiten zwischen Fürsorgeverbänden wegen öffent­ licher Fürsorge für Hilfsbedürftige werden im Verwaltungs­ streitverfahren entschieden. (2) Zuständig in erster Instanz ist der Bezirksaus ­ schuß. Dieser entscheidet endgültig, soweit die Organisation oder die örtliche Abgrenzung der einzelnen Fürsorgeverbände Gegenstand des Streites ist. Im übrigen findet gegen dessen Entscheidung unter Ausschluß aller sonstiger Rechtsmittel die Berufung an das Bundesamt für das Heimatwesen statt und behält es bei den Bestimmungen des Reichsgesetzes über den Unterstützungswohnsitz in der Fassung vom 30. Mai 1908 (Reichsgesetzbl. S. 381) sein Bewenden.

IFiirsorgestreitigkeitenl

[Statuten] § 40. (1) Der Bezirksausschuß beschließt endgültig über die Be­ stätigung der in dem § 8l) des Gesetzes, betreffend die Aus­ führung des Bundesgesetzes über den Unterstützungswohnsitz, vom 8. März 1871 (Gesetzsamml. S. 130) und des betreffenden Lauenburgischen Gesetzes vom 24. Juni 1871 (Offizielles Wochen­ blatt S. 183) gedachten Statuten zur Regelung der Armenpflege in den nicht ausschließlich im Eigentum des Gutsbesitzers stehen­ den Eutsbezirken. (2) Soweit die Feststellung der Statuten bisher dem Kreis­ tage oblag, erfolgt dieselbe fortan durch den Kreisausschuß. (3) Ist den Statuten die Bestätigung wiederholt versagt worden, so stellt der Bezirksausschuß dieselben endgültig fest. J) Findet nur noch entsprechende Anwendung gemäß § 33 Abs. 1 AV. zur Fürsorgepflichtverordnung: „Die §§ 6, 8, 38, 57, 58 und 59 des Gesetzes, betreffend die Ausführung des Bundesgesetzes über den Unter­ stützungswohnsitz, vom 8. Mär; 1871 (Gesetzsamml. S. 130) in der Fassung des Gesetzes vom 11. Juli 1891 (Gesetzsamml. S. 300) und des Gesetzes vom 23. Juli 1912 (Gesetzsamml. S. 195), das im übri­ gen ausgehoben wird, finden entsprechende Anwen­ dung."

3. ZusliindigkeitSgtfttz (1883).

lAnträge auf Fürsorge! sGestrichcn, jetzt § 20

[3

§ 41. AB.] §42.

IBeschwerden der Verbände!

Beschwerden von Bezirksfürsorgeverbänden gegen Ver­ fügungen der Landesfürsorgeverbände darüber, ob, in welcher Höhe und in welcher Weise Beihilfen zu gewähren sind (§ 13 der Ausführungsverordnung vom 17. April 1924 zur Verordnung über die Fürsorgepflicht vom 13. Februar 1924 — Reichsgesetzbl. I S. 100 —), unterliegen der endgültigen Beschlußfassung des Provinzialrats. lErfatzpflichtlge! (Gestrichen, jetzt § 30

§ 43*).

AB.]

IBtschwerdtn in ©utdbcnrfcn]

§ 44 2).

(1) Auf Beschwerden und Einsprüche, betreffend die Ver­ pflichtung zur Teilnahme an den Lasten der Armenpflege in Gutsbezirken (§ 83) des Gesetzes vom 8. März 1871), beschließt der Eutsvorsteher. Gegen oen Beschluß findet innerhalb zwei Wochen die Klage im Verwaltungsstreitverfahren statt. Zustän­ dig ist in erster Instanz der Kreisausschuß. (2) Einsprüche gegen Zuschläge zu den direkten Staatssteuern, welche sich gegen den Prinzipalsatz der letzteren richten, sind unzulässig*).

(3) Die Beschwerden und die Einsprüche, sowie die Klage haben keine aufschiebende Wirkung. VII. Titel. Schulangelegenheiten. (Anrechnung auf das Tiensteint.I

§ 45.

(Aufgehoben, ersetzt zuletzt durch §17Abs. 4bis6desVolk8schullehrerdiensteinkommengesetzes b. 18. Febr. 1925 (GS. S. 17):] „(4) Uber die Anrechnung der Diensteinkünfte an Geld und Naturalleistungen mit Ausschluß der Dienstwohnung werden vom *) § 43 Abs. 1 Zisf. 1 bezog sich auf die durch die Fürsorgepflichtverordnung vom 13. Febr. 1924 (unten Nr. 51a), § 29, aufgehobenen Bestim­ mungen des Unterstützungswohnsitzgesetzes (Fass. b. 30. Mai 1908, RGBl. S. 381), und des preuß. Aussührungsgesetzes dazu (s. § 83 AB., oben Anm. 1 zu § 40). § 30 AB. regelt nur den Gegenstand des § 43 Abs. 1 Zisf. 2, Abs. 2 des ZustGes. ’) § 44 neugefaßt durch die AB., s. Anm. vor § 39 d. G. 3) S. Anm. 1 zu § 40. •) Veraltet.

3]

3. Zuständigkkitsgejrh (1883). Unterrichtsminister in Gemeinschaft mit dem Finanzminister all» gemeine V o r s ch r i f t e n^) erlassen, die für die Beschlußbehörden bindend sind. Im übrigen beschließt bei amtlicher Festsetzung der Diensteinkünfte über die Anrechnung dieser Bezüge im einzelnen Falle auf Anrufen von Beteiligten der Kreisausschuß und, sofern es sich um Stadtschulen handelt, der Bezirksausschuß. Ter Beschluß des Bezirksausschusses in erster oder zweiter Instanz ist endgültig. (5) Eine anderweite Festsetzung ist bei erheblicher Änderung der ihr zugrunde liegenden tatsächlichen Verhältnisse zulässig. (6) Für die Festsetzung des Ruhegehalts kommt das Dienstein­ kommen als solches, nicht der Anrechnungswcrt seiner einzelnen Be­ standteile, in Betracht."

(Schulabgaben, Schulgeld! § 46. (1) Auf Beschwerde« und Einsprüche, bctressend die Heran­ ziehung zu Abgaben und sonstigen nach öffentlichem Rechte zu fordernden Leistungen für Schulen, welche der allgemeinen Schul­ pflicht dienen, beschließt, vorbehaltlich der nstanz der Kreisausschuß und, sofern es sich um Stadtschulen andelt, der Bezirksausschuß.

?

IZwangöetatisierungl

§ 48.

(1) Unterläßt oder verweigert ein Schulverband (Schulge­ meinde, Schulsozietät, Schulkommune usw.) bei Schulen, welche der allgemeinen Schulpflicht dienen, in anderen als den im 8 47 Absatz 1 bezeichneten Fällen die ihm nach öffentlichem Rechte obliegenden, von der Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Zu­ ständigkeit festgestellten Leistungen auf den Haushaltsetat zu bringen oder außerordentlich zu genehmigen beziehungsweise zu erfüllen, so verfügt der Landrat und, sofern es sich um Stadt-

3]

3. Zuständigkeitögesetz (1883).

schulen handelt, der Regierungspräsident die Eintragung in den Etat beziehungsweise die Feststellung der außerordentlichen Ausgabe. (2) Gegen die Verfügung des Landrats steht dem Schulverbande die Klage bei dem Bezirksausschüße, gegen die Verfügung des Regierungspräsidenten die Klage bei dem Oberverwaltungs­ gerichte zu. Dabei finden die Bestimmungen des § 47 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 4 sinngemäße Anwendung.

ISchulbauten, AnsstchtSbeh.]

§ 49. (1) Die Vorschriften des § 47 finden auch Anwendung, wenn die Schule mit der Küsterei verbunden ist. (2) Für die im Derwaltungsstreitverfahren nach § 47 zu treffenden Entscheidungen sind die von den Schulaufsichtsbehörden innerhalb ihrer gesetzlichen Zuständigkeit getroffenen allgemeinen Anordnungen über die Ausführung von Schulbauten maßgebend. (3) Die der Schulaufsichtsbehörde nach Maßgabe des Gesetzes zustehende Befugnis zur Einrichtung neuer oder Teilung vor­ handener Schulsozietäten bleibt unberührt.

VIII. Titel. Einquartierungsangelegenheiten.

(Bestätig. d.BerteilungSbeschl. usw.] §50. (1) über die Bestätigung von Eemeindebeschlüsien oder Orts­ statuten wegen Verteilung der Quartierleistungen und sonstigen Naturalleistungen (Vorspann, Naturalverpflegung, Furage), (ß 7 Absatz 3 bis 5 des Gesetzes vom 25. Juni 1868, betreffend die Quartierleistungen für oie bewaffnete Macht während des Friedenszustandes, Bundes-Gesetzbl. S. 5231), und § 7 Absatz 2 des Gesetzes über die Naturalleistungen für die bewaffnete Macht im Frieden vom 13. Februar 1875, Reichsgesetzbl. S. 52)1) be­ schließt der Kreisausschuß, in Städten der Bezirksausschuß-). (2) Der Kreisausschuß beschließt über die Festsetzung des Umfanßs der Quartierleistung für solche Eutsbezirke, welche eine Vereinigung mit einer Gemeinde nicht abgeschlossen haben (§ 7 letzter Absatz des Gesetzes vom 25. Juni 1868)*).

lEinwendungen gegen Kataster]

§51. (1) Werden gegen die für die Verteilung der Quartierleistun­ gen aufgestellten Kataster (§ 6 Absatz 4 des Gesetzes vom 25. Juni

*) Das QuartierleistungSgesetz und das Naturalleistungsgesetz gelten jetzt in der Fassung deS Ges. v. 9. Juli 1924 (RGBl. I S. 665). 2) An der Zuständigkeitsbestimmung ist durch §§ 18, 77 des KommunalabgabengefetzeS (unten Nr. 19) nichts geändert.

3. Zuständigktitsgkseh (1883).

[8

1868)1) innerhalb der gesetzlich bestimmten Frist von 21 Tagen Einwendungen erhoben, so hat hierüber in betreff der Städte oer Gemeindevorstand, in betreff der übrigen Ortschaften der Kreis­ ausschuß zu beschließen. (2) Gegen den Beschluß findet innerhalb zwei Wochen die Beschwerde an den Bezirksausschuß statt. (3) Der Beschluß des Bezirksausschusses ist endgültig. IX. Titel. Sparkassenangelegenheiten2).

sGtNkhmigltngs § 52. (1) Die Errichtung von Sparkassen durch Kreise, Stadt- und Landgemeinden und andere, über den Umfang eines Kreises nicht hinausgehende kommunale Verbünde bedarf der staatlichen Ge­ nehmigung auch in denjenigen Landesteilen, in welchen eine solche bisher nicht vorgeschrieben war. (2) Diese Genehmigung, sowie die Bestätigung der bezüg­ lichen Statute,: fiept dem Oberpräsidenten zu. Die Ge­ nehmigung (Bestätigung) darf nur unter Zustimmung des Pro­ vinzialrats versagt werden. Ungleichen bedarf es der Zustim­ mung des Provinzialrats zu Statutenänderungen und zur Auf­ lösung von Sparkassen, soweit solche der Oberpräsident nach bestehenoem Rechte gegen den Willen der Kreise, Gemeinden oder sonstigen Verbände vorzunehmen ermächtigt ist.

§ 53.

s Aufsicht!

(1) Die Aussicht über die Verwaltung der int § 52 bezeich­ neten Sparkassen wird durch die geordneten Kommunalaussichtsbehörden geübt. (2) Wo bezüglich dieser Verwaltung in bestehenden Gesetzen oder in den Statuten eine ausdrückliche staatliche Genehmigung vorgeschrieben ist, erteilt dieselbe der Regierungspräsident, in Berlin der Oberpräsident. Die Versagung der Genehmigung darf nur unter Zustimmung des Bezirksausschusses erfolgen.

X. Titel. Synagogengemeindeangelegenheiten.

fKlage gegen den Vorstand der Synagogengemeinde)

§ 54.

Der Bezirksausschuß entscheidet auf Klagen einzelner wegen der ihnen als Mitgliedern einer Synagogengemeinde oder auf Grund des Gesetzes vom 28. Juli 1876, betreffend den Austritt *) S. Anm. 1 zu H 50. 2) S. auch das Reglement bett, die Einrichtung des Sparkassen­ wesens, v. 12. Dez. 1838 (GS. 1839 S. 5), und die Mustersatzung v. 26. Juli 1927 (MBliD. S. 760).

3]

3. ZuständigktitSgkselj (1KS3).

aus den jüdischen Synagogengemeinden (Gesetzsamml. S. 353), zustehenden Rechte und obliegenden Verpflichtungen zu Abgaben und Leistungen. XI. T i t e l. Wegepolizei. jAufstcht, Verfahren, Derwaltungszwangf § 55. Die Aufsicht über die öffentlichen Wege und deren Zubehörunaen,^owie die Sorge dafür, daß den Bedürfnissen des öffentlichen Verkehrs in bezug auf das Wegewesen Genüge ge­ schieht, verbleibt in dem bisherigen Umfange den für die Wahr­ nehmung der Wegepolizei zuständigen Behörden. Sind dazu Leistungen erforderlich, so hat die Wegepolizcibehörde den Pflichtigen zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit binnen einer angemessenen Frist aufzusordern und, wenn die Verbindlichkeit nicht bestritten wird, erforderlichenfalls mit den gesetzlichen Zwangsmitteln anzuhalten. Auch ist die zuständige Wegepolizei­ behörde befugt, das zur Erhaltung des gefährdeten oder zur Wiederherstellung des unterbrochenen Verkehrs Notwendige, auch ohne vorgängige Aufforderung des Verpflichteten, für Rech­ nung desselben in Ausführung bringen zu lassen, wenn der­ gestalt Gefahr im Verzüge ist, daß die Ausführung der vorzu­ nehmenden Arbeit durch den Verpflichteten nicht abgewartet werden kann.

lEinspruch, filslge] § 58. (1) Gegen die Anordnungen der Wegepolizeibehörde, welche den Bau und die U n t e r h a l t u n g der öffentlichen Wege oder die Aufbringung und Verteilung der dazu erforderlichen Kosten oder die Inanspruchnahme von Wegen für den öffentlichen Verkehr vetreffen, findet als Rechtsmittel innerhalb zwei Wochen der Einspruch an die Wegepolizei­ behörde statt. (2) Wird der Einspruch der Vorschrift des ersten Absatzes zu­ wider innerhalb der gesetzlichen Frist bei denjenigen Behörden erhoben, welche zur Beschlußfassung oder Entscheidung auf Be­ schwerden gegen Beschlüsse oder Verfügungen der Wegepolizei­ behörde zuständig sind, so gilt die Frist als gewahrt. (3) Der Einspruch ist in solchen Fällen von den angerufenen Behörden an die Wegepolizeibehöroe zur Beschlußfassung ab­ zugeben. (4) über den Einspruch hat die Wegepolizeibehörde zu be­ schließen. Gegen den Beschluß findet die Klage im Verrvaltungsstreitverfahren statt. Dieselbe ist, soweit der in Anspruch Genommene zu der ihm angesonnenen Leistung aus Gründen des

3. Zuständigkeitsgeseh (1883).

[3

öffentlichen Rechts statt seiner einen anderen für verpflichtet er­ achtet, zugleich gegen diesen zu richten. In dem Verwaltungsstreitversahren ist entstehendenfalls auch darüber zu entscheiden, ob der Weg für einen öffentlichen zu erachten ist. (а) Auch im übrigen unterliegen Streitigkeiten der Be­ teiligten darüber, wem von ihnen die öffentlichrechtliche Verpflichtuna zur Anlegung oder Unterhaltung eines öffentlichen Weges obliegt, der Entscheidung im Verwaltungsstreitverfahren. (б) Die Klage ist in den Fällen des vierten Absatzes inner­ halb z w e i W o ch e n anzubringen. Die zuständige Behörde kann zur Vervollständigung der Klage eine angemessene Nachfrist ge­ währen. Durch den Ablauf dieser Fristen wird jedoch die Klage im Verwaltungsstreitversabren auf Erstattung des Geleisteten gegen einen aus Gründen des öffentlichen Rechts verpflichteten Dritten nicht ausgeschlossen. (7) Zuständig im Verwaltungsstreitverfahren ist in erster Instanz der Kreisausschuß, in Stadtkreisen, in Städten mit mehr als 10 000 Einwohnern und, sofern es sich um Chausseen handelt oder ein Prooinzialverband, Landeskommunal- oder Kreiskommunalverband als solcher, oder — in der Provinz Hannover — ein Wegeverband beteiligt ist, oder wenn die Klage gegen Beschlüsse des Landrats gerichtet ist, der Bezirksausschuß. (8) Wird ein Weg im Verwaltungsstreilverfahren für einen öffentlichen erklärt, $o bleibt demjenigen, welcher privatrecht­ liche Ansprüche auf den Weg geltend macht, der Antrag auf Ent­ schädigung gegen den Wegebauverpflichteten im ordentlichen Rechtswege nach Maßgabe des §4 des Gesetzes vom 11. Mai 1842 (Gesetzsamml. S. 192)1) vorbehalten.

lEinzlehung und Verlegung!

§ 57.

(1) Über Einziehung oder Verlegung öffentlicher Wege be­ schließt — vorbehaltlich der in den §§ 58 und 60 für die Pro­ vinzen Schleswig-Holstein und Hannover im Anschluß an die dortige Wegegesetzgebung getroffenen besonderen Bestimmungen — die Wegepolizeibehörde, nachdem das Vorhaben mit der Aufforderung, Einsprüche binnen vier Wochen zur Ver­ meidung des Ausschlusses geltend zu machen, in ortsüblicher Weise, sowie durch das Kreisblatt und das Amtsblatt veröffent­ licht worden ist. Gegen den Beschluß der Wegepolizeibehörde Kt den mit dem Einsprüche Jurückgewiesenen innerhalb zwei chen die Klage bei dem Krelsausschusse beziehungsweise oem Bezirksausschüsse nach Maßgabe der Vorschrift tn § 56 Absatz 7 zu. (2) Wird die beantragte Verlegung oder Einziehung eines öffentlichen Weges von der Wegepolizeibehörde von vornherein

*) Unten Nr. 6a.

3. Zustiindigkeitsgesth (1883).

3]

oder nach dem Einspruchs- (Ausstblietzungs-) Verfahren abgeleKnt, so ist dem Antragsteller nur das Anrufen der Aufsichts­ behörde gestattet. (3) Ter Artikel IV des Gesetzes, betreffend die Abänderung von Be­ stimmungen der Kreisordnung für die Provinzen Preußen, Branden­ burg, Pommern, Posen, Schlesien und Sachsen vom 13. Dezember 1872 und die Ergänzung derselben vom 19. März 1881 (Gesetzsamml. S. 155) wird aufgehoben.

ISondervorschriften für Schleswig-Holstein)

§ 58.

In der Provinz Schleswig-Holstein unterliegt der Beschlußfassung des Kreisausschusses, in Stadtkreisen des Bezirksausschusses:

1. die Bestätigung von Bestimmungen der Gemeinden in betreff der Anlegung, Verlegung oder Einziehung von Nebenwegen, öffent­ lichen Fußsteigen oder Landwegen nach §§ 226, 234 Absatz 1, 235 der Wegeverordnnng für die Herzogtümer Schleswig und Holstein vom 1. März 1842 (Sammlung der Verordnungen S. 191) und § 7 Absatz 1 der Wcgeordnung für das Herzogtum Lauenburg vom 7. Februar 1876 (Offizielles Wochenblatt S. 27); 2. die Anordnung der Verlegung von Nebenwegen nach § 226 Satz 1 der Wegeordnung vom 1. März 1842, sowie die Anordnung der Anlegung neuer Landwege oder der Verlegung oder besseren Ein­ richtung bestehender Landwege im Kreise Herzogtum Lauenburg nach § 7 Absatz 2 der Wegcordnung vom 7. Februar 1876; 3. die Genehmigung des Zusammentretens von Gemeinden und Gutsbezirken zu einem Verbände behufs gemeinsamer Herstellung und Unterhaltung von Nebenwegen nach § 13 des Gesetzes vom 26. Februar 1879, betreffend die Abänderung der Wegegesetzgebung für die Provinz Schleswig-Holstein usw. (Gesetzsamml. S. 94); 4. die Anordnung der im Interesse der Sicherheit der Wegebenutzung nach § 14 der Wegcverordnung vom 1. März 1842 zulässigen Be­ schränkungen der Benutzung von Grundstücken in der Nähe öffentlicher Wege.

§59. In der Provinz Schleswig-Holstein beschließt der Bezirksausschuß: 1. über die Zulassung einzelner Ausnahmen von den Regeln hin­ sichtlich der Breite und der Herstellungsart der Nebenwege nach § 221 der Wegeverordnung vom 1. März 1842; 2. über die Herstellungsart derjenigen neu auszubauenden Neben­ landstraßen, hinsichtlich welcher die Kreise aus Provinzialmitteln eine Unterstützung nicht erhalten, nach § 146 der Wegeverordnung vom 1. März 1842 und § 7 Absatz 3 des Gesetzes vom 26. Fe­ bruar 1879.

3. ZuftändigkeitSgesetz (1883). IL,nt>krv»rIchristen für öitmtot>cr|

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§60.

In der Provinz Hannover beschließt: 1. in Landkreisen der Kreisausschuß, in Stadtkreisen sowie in den bezüglich der Verwaltung der allgemeinen Landesangelegenheiten selbständigen Städten der Bezirksausschuß: a) über Beschwerden Beteiligter gegen Bestimmungen der Ge­ meinden darüber, welche Wege als Gemeindewege anzulegen, aufzugcbcn oder für solche zu erklären sind (§ 11 des Hanno­ verschen Gesetzes von: 8. Juli 1851 über Gemcindewege und Landstraßen — Hannoversche Gcsctzsamml. S. 141); b) über Beschränkungen des Gebrauchs von Gemeindcwegen auf bestimmte Zwecke des Verkehrs oder hinsichtlich einzelner Arten der Beförderungsmittel (§ 17 a. a. £).); c) über Beschwerden Beteiligter gegen die Anordnung der gesetz­ lichen Gemeindevertretung in betreff der Teilung eines Gemcindebezirks in Unterbezirke zur abgesonderten Anlegung oder Unterhaltung von Gemeindcwegen (§ 24 Absatz 2 Nr. 2 und Absatz 4 a. a. O.); 2. dec Bezirksausschuß über zeitweilige Beschränkungen des Ge­ brauchs von Landstraßen hinsichtlich der Zwecke des Verkehrs oder der Beförderungsmittel (§ 18 a. a. O.). 3. Uber die Verbindung mehrerer benachbarter Ortsgemeindcn zur gemeinschaftlichen Anlegung und Unterhaltung der für sie alle wichtigen Gemeindewege innerhalb des einen oder anderen Be­ zirks (§ 24 Absatz 2 Nr. 1 und Absatz 3 a. a. O.) beschließt a) der Krcisausschuß, wenn die beteiligten Gemeinden demselben Kreise angehören; b) der Bezirksausschuß, wenn ein Stadtkreis oder eine bezüglich der Verwaltung der allgemeinen Landesangelegenheiten selb­ ständige Stadt beteiligt ist, oder die Gemeinden verschiedenen Kreisen, aber demselben Regierungsbezirke angehören; c) der Provinzialrat, wenn die Gemeinden verschiedenen Re­ gierungsbezirken angehören.

§61. sAufgehoben, f. § 10 des Ges. betr. die Landwege im Re­ gierungsbezirk Kassel, vom 25. August 1909 (GS. S. 741).]

sSondervorschristen für Nassaus §62. (1) Für den Umfang des vormaligen Herzogtums Nassau beschließt der Bezirksausschuß über die Feststellung des Beitrages der Gemeinden zu den Kosten der Herstellung chauffierter Verbindungsstraßen nach Maß­ gabe der §§ 5 und 6 des Nassauischen Gesetzes, betreffend die Erbauung

3]

3. Zuständigkeitsgeseh (1883).

haussierter Verbindungsstraßen, vom 2. Oktober 1862 (Verordnungs­ blatt S. 176). (2) Die im § 7 a. a. O. dem Amtsbezirksrate vorbehaltene Beschlußfassung steht dem Kreisausschusse zu. Gegen diesen Beschluß steht der Chausseebauverwaltung und den beteiligten Gemeinden binnen zwei Wochen die Beschwerde an den Bezirksausschuß offen. §63.

sBetraf vormals Grotzherzoglich Hessische Landcsteile, ist aufgehoben teils durch die neueren Stadt- und ^andgemeindcordnungen s. HessenNassau, teils durch § 10 der zu § 61 zit. Ges., teils durch das Zweckv e r b a n d S g e s e h v. 19. Juli 1911 (unten Nr. 18).] §64. lBctraf Hannover, Lauenburg nut) Kassel, gegenstandslos seit Ges. v. 18. August 1902 (GS. S. 315), BO. v. 25. November 1923 (GS. S. 540).)

XII. Titel. Wasserpolizei. §§ 65-95. sSind durch 399 Zisf. 14 des Wassergesetzes vom 7. April 1913 (GS. S. 53) aufgehoben; in Geltung sind noch für den Kreis Siegen die §§ 67—80 (§ 387 des WassGes.) und die das ehemalige Herzogtum Nassau betr. § 87 Ziff. 2, § 89 Ziff. 1 (§ 388 a. a. O.).]

XIII. Titel. Deichangelegenheiten. §§ 96, 97.

sGegenstandslos, s. jetzt §§ 284—329 des Wassergesetzcs vom 7. April 1913 (GS. S. 53).]

XIV. Titel. Fischereipolizei. §§ 98—102.

sAufgehoben durch § 133 Abs. 2 Ziff. 4 des Fischereigesetzes vom 11. Mai 1916 (GS. S. 55).]

XV. Titel. Iagdpolizei. ^Beschlüsse b. Ortspolizeibeh.I § 103. (1) In Jagdpolizeisachen beschließt, soweit die Beschlußfassung

nach bestehendem Rechte den Verwaltungsbehörden zusteht, unbe­ schadet der nachfolgenden Bestimmungen der Landrat, in Stadt­ kreisen die Ortsvolizeibehörde. (2) Gegen Beschlüsse dieser Behörden, durch welche Anord­ nungen wegen Abminderung des Wildstandes getroffen oder

[3

3. Zuständigkritsgrsetz (1883).

Anträge auf Anordnung oder Gestattung solcher Abminderung abgelehnt werden, findet statt der allgemeinen Rechtsmittel innerhalb zwei Wochen die Beschwerde an den Bezirksausschuß statt. Der Beschluß des Bezirksausschusses ist endgültig. §104. [§§ 104, 105 Abs. 1 Ziff. 2 u. 3, 106 aufgehoben durch die Jagd­ ordnung v. 15. Juli 1907 (unten Nr. 45), § 86 Ziff. 21. § 105 Abs. 1 Ziff. 2 u. 3, £ 106 gelten aber noch in Hannover und Hohcnzollcrn.j

§ 105. (1) Streitigkeiten der Beteiligten über ihre in dem öffent­ lichen Rechte begründeten Berechtigungen und Verpflichtungen hinsichtlich der Ausübung der Jagd, insbesondere über 1. Beschränkungen in der Ausübung des Jagdrechts auf eigenem Grund und Boden

lÄagdstreitigkeitenl

[2. und 3. aufgehoben, f. zu > 104]

unterliegen der Entscheidung im Verwaltungsstreitoersahren. (2) Zuständig im Verwaltungsstreitverfahren ist in erster Instanz der Kreisausschuß, in Stadtkreisen der Bezirksausschuß. §106. (Aufgehoben, s. zu § 104.]

lSchsnzritl

§ 107*).

Der Bezirksausschuß beschließt über die Verlängerung, Verkürzung oder Aufhebung der gesetzlichen Schonzeit, soweit darüber nach bestehen­ dem Rechte im Verwaltungswege Bestimmung getroffen werden kann. Der Beschluß ist endgültig.

lVogtlkojens

§ 108.

Der Bezirksausschuß beschließt über die Erneuerung der auf den Schleswigschen Westseeinseln bestehenden Konzessionen zur Errichtung von Vogelkojen, sowie über die Erteilung neuer Konzessionen (§ 6 des Gesetzes vom 1. März 1873, Gesetzsamml. S. 27).

XVI. Titel. Eewerbepolizei. Gewerbliche Anlagen. ISenehmigungen n.tz lv GewO.) §109.

(1) Der Kreis-(Stadt-) Ausschuß, in den einem Landkreise angehörigen Städten mit mehr als 10 000 Ein*) Gilt nur noch in Hannover und Helgoland, s. im übrigen jetzt § 40 der Jagdordnung.

Bühler, Verwaltung-gesetze.

6

3]

3. Zuständigkeitsgesetz (1883).

wohnern der Magistrat (kollegialische Gemeindevorstand), beschließt über Anträge auf Genehmigung zur Errichtung oder Veränderung gewerblicher Anlagen (§§ 16 bis 25 der Reichs­ gewerbeordnung vom 21. Juni 1869)1), 2 3soweit konzessionspflichtige Anlagen der nachbczeichneten Art in Frage stehen-): Easbereitungs- und Gasbewahrungsanstalten, Anstalten zur Destillation von Erdöl, Asphaltkochereien und Pechsiede­ reien, Glas- und Rußhütten, Kalk-, Ziegel- und Eipsöfen, Metallgießereien, Hammerwerke, Firnissiedereien, Stärke­ sirupfabriken, Wachstuch-, Dachpappen- und Dachfilzfabriken, Darmzubereitungsanstalten, Tranund Seifensiedereien, Knochenbrennereien, Hopfenschwefeldarren, Talgschmelzen, Schlächtereien, Fabriken, in welchen Dampfkessel oder andere Blechgefäße durch Vernieten hergestellt werden, Anstalten zum Imprägnieren von Holz mit erhitzten Teerölen, Kunstwollefabriten und Dsgrasfaoriken, endlich Dampfkessel mit Ausnabme der für den Gebrauch auf Eisenbahnen bestimmten Lokomotiven und der zum Betriebe auf Bergwerken und Auf­ bereitungsanstalten bestimmten Dampfkessel. (2) Im Falle fernerer Ergänzung des Verzeichnisses der tonzessionspflichtigen Anlagen gemäß § 16 letzter Absatz der Reichsgewerbeordnung bleibt die Bestimmung darüber, für welche der in das Verzeichnis nachträglich aufgenommenen An­ lagen der Kreisausschuß (Stadtausschuß, Magistrat) zuständig ist, (Königlicher) Verordnung des Staatsministeriums') Vorbe­ halten. lGenehmigung in § 109 nicht genannter Anlagen) § 110. (1) Der Bezirksausschuß beschließt über Anträge auf Genehmigung zur Errichtung oder Veränderung gewerblicher Anlagen, soweit die Beschlußnahme darüber nicht nach § 109 dem Kreis- (Stadt-) Ausschüsse (Magistrat) überwiesen ist. (2) über die Zulässigkeit von Wassertriebwerken, welche ;um Betriebe von Bergwerken, Ausbereitungsanstalten oder Schürf­ arbeiten dienen (§ 59 Abs. 3 des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865 — GS. S. 705 — in der Fassung des Gesetzes vom 18. Juni 1907 — GS. S. 119 —) beschließt der Bezirksaus­ schuß im Einvernehmen mit dem zuständigen Oberbergamte*). 1) Neufassung v. 26. Juli 1900 (NGBl. S. 871). 2) Die folgende Aufzählung unter Weglassung der Fälle, die durch § 1 des Ges. v. 14. Juli 1914 (GS. S. 149) und durch § 386 Ziff. 1 des Wassergesetzes v. 7. April 1913 gestrichen sind. 3) Gemäß Art. 82 Abs. 1 PrB. «) Abs. 2 i. d. F. des § 386 Ziff. 2 WassGes.

3. ZuständigkcitSgesetz (1883).

[8

(Btrsagung nach § 27 GctoC.) § 111. Der Bezirksausschuß beschließt auf Antrag der Ortspolizei­ behörde darüber, ob die Ausübung eines Gewerbes in Anlagen, deren Betrieb mit ungewöhnlichem Geräusch ver­ bunden ist, an der gewählten Vetriebsstätte zu untersagen oder nur unter Bedingungen zu gestatten ist (§ 27 oer Reichsgewerbe­ ordnung). (Versagung nach § 51 GewO.) §112. Die Befugnis, gemäß § 51 der Reichsgewerbeordnuna die fernere Benutzung einer gewerblichen Anlage wegen üoerwiegender Nachteile und Gefahren für das Gemein­ wohl zu untersagen, steht dem Bezirksausschüsse zu. lBefchwerde) § 113. Zn den Fällen der §§ 109 bis 112 findet die Beschwerde an den Minister für Handel und Gewerbe statt. So­ fern bei Stauanlagen Landeskulturinteressen in Betracht kommen, ist der Minister für Landwirtschaft zuzuziehen.

B. Gewerbliche Konzessionen.

l88 33, 34 GtwO.I § 114. (1) über Anträge aus Erteilung der Erlaubnis zum Betriebe der Gastwirtschaft oder Schankwirtschaft, zum Kleinhandel mit Branntwein oder Spiritus, sowie zum Betriebe des Pfandleihgewerbes und zum H a n d e l m i t E i f t e n (§§ 33, 34 ber Reichsgewerbeordnung) beschließt der Kreis- (Stadt-) Ausschuß. (2) Wird die Erlaubnis versagt, so steht dem Antragsteller innerhalb zwei Wochen der Antrag auf mündliche Verhandlung im Verwaltungsstreitverfahren vor dem Kreis- (Stadt-) Aus­ schüsse zu. (3) über Anträge auf Erteilung der Erlaubnis zum Betriebe der Gastwirtschaft, zum Ausschenken von Branntwein oder von Wein, Bier oder anderen geistigen Getränken, sowie zum Klein­ handel mit Branntwein oder Spiritus, ist zunächst die Eemeindeund die Ortspolizeibehörde zu hören. Wird von einer dieser Behörden Widerspruch erhoben, so darf die Erteilung der Er­ laubnis nur auf Grund mündlicher Verhandlung im Verwal­ tungsstreitverfahren erfolgen. (4) Die Entscheidung des Bezirksausschusses ist endgültig. (5) In den zu einem Landkreise gehörigen Städten mit mehr als 10 000 Einwohnern tritt an die Stelle des Kreisausschusses der Magistrat (kollegialische Gemeindevorstand).

3]

3. Zuständigkeitsgeseh (1883).

[§ 30 Ads. 1, § 32 GtwL.I

§ 115.

(1) über die Anträge auf Erteilung: a) der Konzession zu Privatkranten-, Privatent b i n d u n g s - und Privat i r r e n a n st a l i e n (§ 30 Absatz 1 der Reichsgewerbeordnung), b) der Erlaubnis zu Schauspiel Unternehmungen (§ 32 a. a. O.). beschließt der Bezirksausschuß. (2) Gegen den die Konzession (Erlaubnis) versagenden Be­ schluß findet innerhalb zwei Wochen der Antrag aus mündliche Verhandlung im Verwaltungsstreitverfahrcn statt. (3) Für die im Verwaltungsstreitverfahren in den Fällen zu a zu treffenden Entscheidungen sind die von den Medizinal­ aufsichtsbehörden innerhalb ihrer gesetzlichen Zuständigkeit ge­ troffenen allgemeinen Anordnungen über die gesundheitspolizei­ lichen Anforderungen, welche an die baulichen und sonstigen technischen Einrichtungen der unter a bezeichneten Anstalten zu stellen sind, maßgebend. [§ 43 GewO., 8 5 Pretzgcs.I

§ 116.

Gegen Verfügungen der Ortspolizeibehörde, durch welche die Erlaubnis zum gewerbsmäßigen öffentlichen Verbreiten von Druckschriften (§ 43 der Reichsgewerbeordnung) versagt, oder die nicht gewerbsmäßige öffentliche Verbreitung von Druck­ schriften (§ 5 des Reichsgesetzes über die Presse vom 7. Mai 1874,. Reichsgesetzbl. 6. 65) verboten worden ist, findet innerhalb zwei Wochen die Klage bei dem Kreisausschusie, in Stadtkreisen und in den zu einem Landkreise gehörigen Städten mit mehr als 10 000 Einwohnern bei dem Bezirksausschüsse statt. sLegitimationskarten, Wandergewcrbeschelnl

§ 117').

(1) Gegen Verfügungen der unteren Verwaltungsbehörden, durch welche Reichsangehörigen [ber Legitimaiionsscheinj d i c Legitimationskarte 1. zum Ankauf von Waren oder zum Aufsuchen von Waren­ bestellungen (§§ 44( 44a der Reichsgewerbeordnung) oder [2. zum Gewerbebetrieb im Umherziehen (§ 58 Nr. 1 und 2 der Reichsgewerbeordnung)!

versagt worden ist, findet innerhalb zwei Wochen die Klage bei dem Bezirksausschüsse statt. Über Anträge wegen Erteilung von *) Die Neufassung entspricht den Änderungen der Gewerbeordnung zu den §§ 44, 44a das. durch das Gcs. v. 1. Juli 1883 (RGBl. S. 159).

3. ZuständigkritSgeseh (1883).

[3

[ßcgitimationstocirtcn] Wandergewerbescheinen für alle (anderen) Arten des Gewerbebetriebes im Umherziehen beschließt

der Bezirksausschuß. Gegen den versagenden Beschluß findet innerhalb zwei Wochen der Antrag auf mündliche Verhandlung im Derwaltungsstreitoerfahren statt. (Revision!

§ 118.

In den Fällen der §§ 115, 116 und 117 ist gegen die End­ urteile des Bezirksausschußes nur das Rechtsmittel der Revision zulässig. |§§ 35, 37, 53 öctüC.l

§ 119.

Der Kreisausschuß, in Stadtkreisen und in den zu einem Landkreise gehörigen Städten mit mehr als 10 000 Ein­ wohnern der Bezirksausschuß, entscheidet auf Klage der zuständigen Behörde: 1. über die Untersagung des Betriebes der im § 35 der Reichsgewerbeordnung und der im § 37 a. a. O. gedachten Gewerbe; 2. über die Zurücknahme von Konzessionen zum Betriebe der Gast- und Schankwirtschaft, zum Kleinhandel mit Branntwein und Spiritus, sowie zum Betriebe des Pfandleihgewerbes und zum Handel mit Giften (§ 53 a. a. O.). IZurücknahme v. Approbat. usw.)

§ 120.

Der Bezirksausschuß entscheidet auf Klage der zuständigen Behörde über die Zurücknahme: 1. der im vorstehenden § 119 Nr. 2 nicht gedachten, im § 53 der Reichsgewerbeordnunq aufgesührten Approbationen, Genehmigungen und Bestallungen, mit Ausnahme der Konzessionen der Markscheider; [2. der Konzessionen der Versicherungsunternehmer, sowie der Aus­ wanderungsunternehmer und Agentenrp) [3. der Konzessionen der Handelsmatter;)*2)

4. der Patente der Stromschiffer (8 31 Absatz 3 der Reichs­ gewerbeordnung); 5. der Prüfungszeugnisse der Hebammen (§ 30 Absatz 2 a. a. O). ’) Gegenstandslos seit den Gesetzen über die privaten Versicherungs­ unternehmungen, v. 12. Mai 1901 (RGBl. S. 139), und über das AusWanderungsWesen, v. 9. Juni 1897 (RGBl. S. 463). 2) Tie Handelsmakler sind heute freie Gewerbetreibende, s. Art. 13 Abs. 3 pr. AusfG. z. BGB., v. 20. Sept. 1899 (GS. S. 177).

8]

3. Zuständigkeitsgeseh (1883).

(Neue Zuständigfeiten)

§121.

Insofern durch Reichsgesetz bestimmt wird, daß außer den in §§ 114 bis 120 aufgeführten Gewerbetreibenden noch andere einer Konzession (Approbation, Genehmigung, Bestallung) zum Gewerbebetriebe bedürfen oder noch anderen Gewerbetreibenden der Gewerbebetrieb untersagt oder die ihnen erteilte Konzession zurückgenommen werden kann, so wird die zur Erteilung der Konzession, Untersagung des Gewerbebetriebes, beziehungsweise Zurücknahme der Konzession zuständige Behörde durch sKönigliches Verordnung des Staatsmini st eriums') bestimmt).

C. O r t s sta t u te n.

§122. Der Bezirksausschuß beschließt über die Genehmi­ gung von Ortsstatuten, betreffend gewerbliche Angelegenheiten (§ 142 der Reichsgewerbeordnuna und § 57 Nr. 2 der Verord­ nung vom 9. Februar 1849, Eesetzsamml. S. 93). D. Innungen.

§123. sWeggefallen infolge der späteren Änderungen der GewO.) )3nnungSstatutcn) § 1243). (1) Der Bezirksausschuß beschließt

über die Genehmigung von Innungsstatuten und deren Abänderung (§ 84 der Reichs­ gewerbeordnung). (2) Gegen den die Genehmigung versagenden Beschluß findet innerhalb aroet Wochen der Antrag auf mündliche Verhandlung im Verwaltungsstrertverfahren statt. (3) Gegen die Entscheidung oes Bezirksausschusses ist nur das Rechtsmittel der Revision zulässig.

)Auflösung, Aussicht)

§ 125.

(1) Der Entscheidung des Bezirksausschusses unterliegen Streitigkeiten zwischen Ortsgemeinden und Innungen infolge der Auflösung der letzteren gemäß § 98a der Reichsgewerbe­ ordnung. r) Gemäß Art. 82 Abs. 1 der preuß. Vers. -) S. die BO. 31. Dez. 1883 (GS. 1884 S. 7), v. 20. Aug. 1894 (GS. S. 161), v. 30. Juli 1900 (GS. S. 161). s) Die Hinweise in §§ 124 ff. entsprechen den späteren Änderungen der GewO.

3. ZnständigkeitSgesttz (1883).

[3

(2) Ingleichen findet in den Fällen des § 96 Absatz 7, § 101 Absatz 4 der Neichsgewerbeordnung innerhalb oer gesetzlichen Frist von vier Wochen gegen die dort erwähnten Entscheioungen der Aufsichtsbehörde die Klage bei dem Bezirksausschüsse statt.

lLchlietzungl

§ 126.

(1) Der Bezirksausschuß entscheidet auf Klage der Aufsichts­ behörde über die Schließung einer Innung oder eines gemein­ samen Jnnungsausschusses (§§ 97, 102 der Reichsgewerbe­ ordnung). (2) Der Bezirksausschuß kann vor Erlaß des Endurteils nach Anhörung des Jnnungsvorstandes oder des gemeinsamen Jn­ nungsausschusses die vorläufige Schließung der Innung oder des gemeinsamen Innungsausschußes anordnen, welche alsdann bis zum Erlaß des Endurteils fortdauert.

E. Märkte. (Kram- und Dichmärltej § 127. (1) Der Provinzialrat beschließt über die Zahl, Zeit und Dauer der Kram- und Viehmärkte. (2) Gegen den Beschluß findet die Minister für Handel und Gewerbe statt.

Beschwerde

an

den

IWochenmärkte) § 128. (1) Der Bezirksausschuß beschließt über die Zahl, Zeit und

Dauer der Warenmärkte, über die fernere Gestattung des her­ kömmlichen Wochenmarktverkehrs mit gewissen Handwerkerwaren von feiten der einheimischen Verkäufer (§ 64 der Reichs­ gewerbeordnung), sowie darüber, welche Gegenstände außer den im § 66 a. a. O. aufgeführten nach Ortsgewohnyeit und Bedürf­ nis rm Regierungsbezirke überhaupt oder an gewissen Orten zu den Wochenmarktsartikeln gehören. (2) Die Festsetzung über Zahl, Zeit und Dauer der Wochen­ märkte erfolgen unter Zustimmung der Gemeindebehörden des Marktortes.

lSntschädiaungSansprüchel

§ 129.

Sofern bei Aufhebung von Märkten der in den 88 127 und 128 bezeichneten Art Entschädigungsansprüche von Marktberech­ tigten in Frage kommen, bedürfen die bezüglichen Beschlüsse der Zustimmung des Ministers für Handel und Gewerbe.

IMarktstandsgeldkr)

§ 130.

(1) Der Bezirksausschuß beschließt über die Einführung neuer, sowie über die Erhöhung oder Ermäßigung oder ander-

3]

3. ZllstandigrtitSgesktz (1SR3).

weite Regulierung bestehender Marktstandsgelder (Gesetz vom 26. April 1872, betreffend die Erhebung von Marktstandsgeldern, Gesetzsamml. S. 513). (2) Bei der Bestimmung des § 5 Absatz 2 des Gesetzes vom 26. April 1872 behält es sein Bewenden. Öffentliche Schlachthäuser.

§ 131. (1) Der Bezirksausschuß beschließt: 1. über die Genehmigung der auf Grund der §§ 1 bis 4 des Gesetzes vom 18. Mär) 1868'), betreffend dre Errichtung öffentlicher, ausschließlich zu benutzender Schlachthäuser (Gesetzsamml. S. 227), gefaßten Gemeindebeschlüsse, so­ wie über die Bestätigung von Verträgen zwischen einer Gemeinde und einem Unternehmer in betreff der Er­ richtung eines öffentlichen Schlachthauses (§ 12 a. a. O.); 2. über Entschädigungsansprüche der Eigentümer und Nutzungsberechtigten von Privatfchlachtanstalten wegen des ihnen durch die Errichtung öffentlicher, ausschließlich zu benutzender Schlachthäuser zugefügten Schadens (§§ 9 bis 11 a. a. £).). (2) Zn den Fällen zu 1 findet die Beschwerde an den Minister für Hansel und Gewerbe, in den Fällen zu 2 nur der ordentliche Rechtsweg gemäß § 11 a. a. O. statt.

0. Kehrbezirke.

§132. Der Bezirksausschuß beschließt über die Einrichtung, Aus­ hebung oder Veränderung der Kehrbezirke für Schornsteinfeger (§ 39 oer Reichsgewerbeordnung). H. Ablösung gewerblicher Berechtigungen. § 133. (1) Der Bezirksausschuß entscheidet über Anträge auf Ab­ lösung von Gewerbeberechtigungen und auf Entschädigung für aufgehobene Gewerbeberechtigungen. (2) Gegen die Endurteile des Bezirksausschusses findet unter Ausschluß anderer Rechtsmittel nur die Berufung an das Ober­ verwaltungsgericht statt. *) Geändert zuletzt durch Ges. v. 26. Aug. 1921 (GS. S. 495) § 11.

3. AnstiindigkeitSgeseh (1RR3).

[3

XVII. Titel. Handelskammern, kaufmännische Korporationen, Börsen. §§ 134, 135. (Ersetzt durch das Handelskammergesetz vom 19. Aug. 1897 (GS. S. 355), ferner G. v. 2. Juni 1902 (GS. S. 161), v. 14. Jan. 1921 (GS. S. 223), VO. v. 31. Okt. 1923 (GS. S. 501) und v. 1. April 1924 (GS. S. 194).]

§ 136. Gegen Beschlüsse des Vorstandes einer kaufmännischen Kor­ poration über die Aufnahme, die Suspension oder die Ausschliehung von Mitgliedern, die Gültigkeit der Vorstandswahlen, die Rechte und Pflichten der Mitglieder und die Verhängung von Ordnungsstrafen gegen Mitglieder findet, soweit nach dem Statut gegen dergleichen Beschlüsse der Rekurs an eine Behörde zulässig ist, an Stelle desselben innerhalb zwei Wochen die Klage bei dem Bezirksausschüsse statt.

sKaufm. Korporationen!

§ 137. Gegen Beschlüsse der Handelskammer oder des Vorstandes einer kaufmännischen Korporation, durch welche die Erlaubnis zum Besuche der der Aussicht der Handelskammer oder kauf­ männischen Korporation unterstellten Börse versagt, auf Zeit oder für immer entzogen, eine Beschwerde über unrichtige EinSung zu den Vörsenbeiträgen zurückgewiesen, oder über einen elsmakler eine Ordnungsstrafe verhängt wird, findet, so­ weit nach der Börsen- oder Maklerordnung gegen dergleichen Beschlüsse der Rekurs an eine Behörde zulässig ist, an Stelle des­ selben innerhalb zwei Wochen die Klage bei oem Bezirksausschusie statt.

lB'örsens

§ 138. Gegen die Endurteile des Bezirksausschusses in den Fällen der §§ 135 bis 137 ist nur das Rechtsmittel der Revision zulässig.

sRevisions

XVIII. Titel. Feuerlöschwesen. § 139. (1) Der Kreisausschutz beschließt, soweit die Vorschriften über das Feuerlöschwesen nicht entgegenstehen, über die Genehmigung und erforderlichenfalls über die Anordnung zur Bildung, Ver­ änderung und Aufhebung von Verbänden mehrerer Landgemein­ den oder Eutsbezirke behufs gemeinschaftlicher Anschaffung und Unterhaltung von Feuerspritzen (Spritzenverbänden).

lLprltzenverbündes

3]

3. ZuständigkeitSgtsetz (1 SS3>•

(2) über die yemeinsckaftlichen Angelegenheiten jedes Spritzenverbandes, insbesondere über die Aufbringungsweise und die Verteilung der Kosten, sind, soweit dies notwendig ist, die erforderlichen Festsetzungen durch ein unter den Beteiligten zu vereinbarendes Statut, welches der Bestätigung des Kreis­ ausschusses bedarf, zu treffen. Kommt eine Vereinbarung über das Statut binnen einer von dem Kreisausschusse zu bemessenden Frist nickt zustande, oder wird dem Statute die Bestätigung wiederholt versagt, so stellt der Kreisausschuh das Statut fest.

§ 140.

lAuseinandtrsetzungl

(1) über die infolge Veränderung oder Aushebung eines Spritzenverbandes notwendig werdende Auseinandersetzung zwischen den Beteiligten beschlicht der Kreisausschuh. (2) Gegen den Beschluß findet innerhalb zwei Wochen der Antrag auf mündliche Verhandlung im Verwaltungsstreitversahren statt. (3) Streitigkeiten zwischen den beteiligten Gemeinden oder Gutsbezirten über ihre Berechtigung oder Verpflichtung zur Teilnahme an den Nutzungen beziehungsweise Lasten des Spritzenverbandes unterliegen der Entscheidung des Kreisaus­ schusses im Verwaltungsstreitverfahren. XIX.

Titel. Hilsskassen. 88 141,142.

fFortgefallen. Seit Aufhcbungdes Hilfskasse ngesetzes (Ges. v. 20. Dez. 1911, NGBl. S. 139) unterstehen die Hilfskassen dem Ges. über d. priv. Bersicherungsunternchmungen v. 15. Mai 1901 (RGBl. S. 139).)

XX. Idrftier« u. baupol. üBorftfjr.]

Titel. Baupolizei. § 143.

Der Bezirksausschuß beschließt über die Anwendung der in den Städten geltenden feuer- und baupolizeilichen Vor­ schriften bei Gebäuden auf solchen zum platten Lande gehörigen Grundstücken, welche innerhalb der Städte oder im Gemenge mit Städtischen bebauten Grundstücken liegen, gemäß den Vorschriften )er Verordnung vom 17. Zuli 1846 (Gesetzsamml. S. 399). lEisenbahnhandarbeiters

§ 144.

Über die Anwendung der Bestimmungen der Verordnung vom 21. Dezember 1846, betreffend die bei dem Bau von Eisen­ bahnen beschäftigten Handarbeiter (Gesetzsamml. 1847 S. 21),

3. Zuständigkeits-efetz (1883).

[8

auf andere öffentliche Bauausführungen (Kanal- und Tbaussee­ bauten usw.) gemäß § 26 der gedachten Verordnung beschließt: 1. insoweit es sich um Bauten der Kreise, Amts-, Wegever­ bände oder Gemeinden handelt, der Regierungspräsident unter Zustimmung des Bezirksausschusses: 2. insoweit es sich um Bauten des Provinzialverbandes handelt, der Overpräsident unter Zustimmung des Pro­ vinzialrats,' 3. für den Stadtkreis Berlin der Oberpräsident. sBaudispens)

§ 145.

(1) Uber Dispense von Bestimmungen der Baupolizeiord­ nungen beschließt nach Maßgabe dieser Ordnungen der Kreis­ ausschuß, in Stadtkreisen und in den zu einem Landkreise ge­ hörigen Städten von mehr als 10 000 Einwohnern der Bezirks­ ausschuß, soweit die Angelegenheit nicht nach diesen Ordnungen zur Zuständigkeit anderer Organe gehört. Verfügungen der letzteren unterliegen der Anfechtung nur im Wege der Be­ schwerde an die Aufsichtsbehörde. (2) Der Bezirksausschuß tritt in betreff der Zuständigkeit zur Erteilung von Dispensen in allen Fällen an die Stelle der Bezirksregierung. (3) Zur Einlegung der Beschwerde gegen den Beschluß ist auch die zur Erteilung der Bauerlaubnis zuständige Behörde befugt, welcher der Beschluß zuzustellen ist. (4) Gegen die Beschlüsse des Bezirksausschusses in erster In­ stanz und des gemäß Abs. 1 entscheidenden Regierungspräsidenten findet binnen zwei Wochen die Beschwerde an den Ober­ präsidenten statt, der endgültig entscheidet). lFluchtliniengefetzl § 146. (1) Die 88 17 und 18 des Gesetzes, betreffend die Anlegung

und Veränderung von Straßen und Plätzen in Städten und ländlichen Ortschaften, vom 2. Juli 1875 (Gesetzsamml. S. 561) werden aufgehoben. (2) Die Wahrnehmung der in den 88 5, 8, 9 a.a.O. dem Kreisausschusse beigelegten Funktionen liegt für den Stadtkreis Berlin dem Minister der öffentlichen Arbeiten, für die übrigen Stadtkreise, sowie für die zu einem Landkreise gehörigen Staate mit mehr als 10 000 Einwohnern dem Bezirksausschüsse ob. Die Bestätigung der Statuten nach den 88 12 und 15 a. a. O. erfolgt für den Stadtkreis Berlin durch den Minister des Innern. x) Abs. 4 neugefaßt durch Art. 4 § 5 des WohnGes. v. 28. März 1918 (GS. S. 23).

3]

8. Zustand!,kti»,tsetz (1883).

XXI. Titel. Dismembration», und Anfiedelungssachen. ]GrundstückSteilungen usw.] §147. Die §§ 22 und 23 des Gesetzes vom 25. August 1876, betreffend die Verteilung der öffentlichen Lasten bei Grundstücksteilungen und die Gründung neuer Ansiedelungen in den Provinzen Preußen, Braudenburg, Pommern, Posen, Schlesien, Sachsen und W e st f a l e n (Gesetzsamml. S. 405), treten außer Kraft. ]Neusledlungen] § 148. (1) Die in den §§ 1 bis 4 des Lauenburgischen Gesetzes vom 4. No­ vember 1874, betreffend die Gründung neuer Ansiedelungen im Herzog­ tum Lauenburg (Offizielles Wochenbl. S. 291), dem Landrate zu­ gewiesene Entscheidung über die Gestattung neuer Ansiedelungen ist von der Ortspolizeibehörde zu treffen. (2) Gegen den Bescheid, welcher mit Gründen zu versehen und dem Antragsteller sowie denjenigen, welche Widerspruch erhoben haben, zu eröffnen ist, steht den Beteiligten innerhalb zwei Wochen die Klage im Verwaltungsstreitverfahren bei dem Kreisausschusse zu.

lZerstückrlungen] § 149. Im Geltungsbereiche des Lauenburgischen Gesetzes vom 22. Januar 1876, betresfend die Verteilung der öffentlichen Lasten bei Grundstückszerstückelungen (Offizielles Wochenblatt S. 11), tritt 1. an die Stelle der im § 12 Absatz 2 den Beteiligten und der Pa­ tronatsbehörde offen gehaltenen Beschwerde gegen die Lastenver­ teilung, innerhalb der dort bestimmten Frist von zwei Wochen, die Klage beim Kreisausschusse im Verwaltungsstreitverfahren und 2. an die Stelle der vorläufigen Festsetzung des Landrats über die Lastenverteilung (§ 16 a. a. O.) die vorläufige Festsetzung durch Beschluß des Kreisausschusses, gegen welchen eine Beschwerde nicht stattfindet.

XXII. Titel. Enteignungssachen. §150. ^Befugnisse der „Btzirksregierung", Verfahren]

(1) Die Befugnisse und Obliegenheiten, welche in dem Gesetze vom 11. Sunt 1874 über die Enteignung von Grundeigentum (Eesetz-Samml. 6. 221) den Bezirksregierungen (Landrosteien) beigelegt worden sind, werden in den Fällen der §§ 15,18 bis 20, 24 und 27 von dem Regierungspräsidenten, in oen Fällen der §§ 3, 4, 5, 14, 21, 29, 32 bis 35 und 53 Absatz 2 von dem Bezirks­ ausschüsse im Beschlutzverfahren, in dem Stadtkreise Berlin von der ersten Abteilung oes Polizeipräsidiums, wahrgenommen.

3. Zuständigkeitsgesetz (1883).

[8

(2) Auch gehen auf den Bezirksausschuß beziehungsweise die erste Abteilung des Polizeipräsidiums in Berlin die nach den 88 142 ff. des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865 (Gesemamml. S. 705) der Bezirksregierung zustehenden Befugnisie über. (3) Gegen die in erster Instanz gefaßten Beschlüsse des Be­ zirksausschusses beziehungswerse der ersten Abteilung des Polizei­ präsidiums findet, soweit nicht der ordentliche Rechtsweg zulässig ist, innerhalb Hw ei Wochen die Beschwerde an den Minister für Handel uno Gewerbe') statt. (4) Bei der für die Erhebung der Beschwerde in 8 34 des Gesetzes vom 11. Juni 1874 bestimmten Frist von drei Tagen behält es sein Bewenden. lWegebaumaterialirn) § 151. (1) Die nach 8 53 Absatz 1 des Gesetzes vom 11. Juni 1874 dem Landrate (in Hannover der betreffenden Obrigkeit) zu­ gewiesene Entscheidung ist durch Beschluß des Kreis- (Stadt-) Ausschusses zu treffen. (2) Der 8 56 des gedachten Gesetzes tritt außer Kraft. ISnteign. z. Landeskultur)

§ 152. Soweit nach den für Enteignungen im Znteresie der Landes­ kultur im 8 54 Nr. 1 des Gesetzes vom 11. Juni 1874 aufrecht­ erhaltenen Gesetzen, in Verbindung mit dem Gesetze über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883, der Regie­ rungspräsident über die Enteignung Entscheidung zu treffen haben würde, beschließt der Bezirksausschuß, jedoch — unbeschadet der Vorschriften im 8 97 des gegenwärtigen Gesetzes — mit Aus­ nahme der Enteignungen für die Zwecke von Deichen, welche einem Deichverbande anaehören, und für die Zwecke der Siel­ anstalten in den Verbandsbezirken.

^Entschädig. i. FtstungsrayonI

§153. Der Bezirksausschuß beschließt endgültig vorbehaltlich des ordentlichen Rechtsweges über die Feststellung der Entschädigung in den Fällen der 88 39 ff. des Reichsgesetzes vom 21.T)ezember 1871, betreffend die Beschränkungen des Grundeigentums in der Umgebung von Festungen (Reichsgesetzbl. S. 459). XXIII. Titel. Personenstand und Staatsangehörigkeit. §154. (1) Die staatliche Aussicht über die Amtsführung der Standes­ beamten wird in den Landgemeinden und Eutsbezirken von dem

sStandeSbeamtenI

*) Seit G. v. 15. Aug. 1921 (GS. S. 487) Abf. le.

3. ZuständigkeitSgesrh (1883).

3]

Landrat als Vorsitzenden des Kreisausschusses, in höherer In­ stanz von dem Regierungspräsidenten und dem Minister oes Innern, in den Stadtgemeinden von dem Regierungspräsidenten, in höherer Instanz von dem Oberpräsidenten und dem Minister des Innern, im Stadtkreise Berlin von dem Oberpräsidenten und in höherer Instanz von dem Minister des Innern geführt. (Abs. 2 gestrichen durch Art. 132 des preußFGV.]

(3) Die Festsetzung der Entschädigung für die Wahrnehmung der Geschäfte des Standesbeamten in den Fällen des § 7 Absatz 2 des Reichsgesetzes vom 6. Februar 1875 (§ 5 Absatz 1 des Gesetzes vom 8. März 1874) erfolgt in den Stadtgemeinden durch oie Gemeindevertretung, für die Landgemeinden durch Beschluß des Kreisausschusses. Beschwerden über die Festsetzung sind in beiden Fällen innerhalb zwei Wochen bei dem Bezirksausschüsse anzu­ bringen. Der Beschluß des Bezirksausschusses ist endgültig. § 155. Gegen den Bescheid der höheren Verwaltungsbehörde, durch den der Antrag auf Aufnahme, auf Einbürgerung und auf Ent­ lassung in den im § 40 Ws. 1 des Reichs- und Staatsangehörig­ keitsgesetzes vom 22. Juli 1913 (Reichsgesetzbl. S. 583) aufge­ führten Fällen abgelehnt worden ist, findet innerhalb zwei Wochen die Klage bei dem Oberverwaltungsgerichte statt1).

(Staatsangehörigkeit)

XXIV. Titel.

Steuerangelegenheiten. §156.

(Beseitigt schon durch § 85 des EinkStG. vom 24. Juni 1891.]

XXV. Titel. Ergänzende, Übergangs- und Schlutzbestimmungen. § 157.

(Mitwirkung anderer Minister]

Durch den in dem gegenwärtigen Gesetze vorgeschriebenen Beschwerdezug an einen bestimmten Minister wird die in den bestehenden Vorschriften begründete Mitwirkung anderer Minister bei Erledigung der Beschwerde nicht berührt.

lEisenbahnangelegenheiten)

§ 158.

Durch die den Behörden in diesem Gesetze beigelegten Befugnisse zur Entscheidung beziehungsweise Beschlußfassung in Wegebausachen und in wasserpolizeilichen Angelegenheiten werden die der Landespolizei­ behörde und dem Minister für Handel und Gewerbe^) nach §§ 4 und 14 des Gesetzes über die Eisenbahnunternehmungen vom

*) Fass, nach G. v. 18. Juni 1914 (GS. S. 118). r) Nach dem in Anm. 1 zu § 150 Abs. 3 erwähnten Gesetz.

3. Zustiinbigkeitsgkseh (1883).

[8

3. November 1838 (Gesetzsamml. S. 505) und nach § 7 des Gesetzes vom 1. Mai 1865 (Gesetzsamml. S. 317) zustehendcn Befugnisse in Eisenbahn­ angelegenheiten nicht berührt.

sEisenbahnnntern., Tarif)

§ 159.

(1) Die in den §§ 7 und 22 des Gesetzes über die Eisenbahnunter­ nehmungen vonr 3. November 1838 und nach § 9 des Gesetzes vom 1. Mai 1865 (Gesetzsamml. S. 317) der Bezirksrcgierung beigelegten Befugnisse gchen aus den Minister für Handel und Gewerbe *) über. (2) In Streitsachen zwischen Eisenbahngesellschaften und Privat­ personen wegen Anwendung des Bahngeld- und des Frachttarifs (§ 35 des ersteren Gesetzes) entscheidet fortan der ordentliche Richter.

sBefchreitung deö Rechtswegs)

§160.

(1) In den Fällen der §§ 1, 18, 34, 44, 46, 47, 54 und 140 des gegenwärtigen Gesetzes, (sowie des § 53 des Gesetzes, betreffend die Bil­ dung von Wassergenossenschaften, vom 1. April 1879 (Gesetzsamml. S. 297)]*2) ist die Zuständigkeit des Kreis- (Stadt-) Ausschusses, des Be­ zirksausschusses und des Oberverwaltungsgerichts auch insoweit begrün­ det, als bisher durch § 79 Titel 14 Teil II Allgemeinen Landrechts, be­ ziehungsweise §§ 9, 10 des Gesetzes über die Erweiterung des RechtsWeges vom 24. Mai 1861 (Gesetzsamml. S. 241) oder sonstige bestehende Vorschriften der ordentliche Rechtsweg für zulässig erklärt war. (2) Der Grundsatz, daß die Entscheidungen unbeschadet aller privat­ rechtlichen Verhältnisse ergehen (§ 7 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883), bleibt hierbei unberührt. lVorschristen für Berlin) § 161. (1) Für den Stadtkreis Berlin ist der Bezirksausschuß auch in den Fällen der §§ 14, 17 Nr. 2 und 5, 110, 111, 112, 123, 128, 130, 132, 145 und 154 Absatz 3 dieses Gesetzes zuständig, desgleichen in den Fällen der §§ 20 Abs. 4, 21 Abs. 1, 23 der Ausführungsverordnung vom 17. April 1924 (Gesetzsamml. S. 210) zur Verordnung über die Fürsorgepflicht vom 13. Februar 1924 (Neichsgesetzbl. I S. 100) in der Fassung des Gesetzes vom 17. Februar 1926 (Gesetzsamml. S. 79?). (2) In den Fällen der §§ 115, 117, 124 fund 141]«) beschließt für den Stadtkreis Berlin an Stelle des Bezirksausschusses der Polizeipräsi-

1) Nach dem in Anm. 1 zu § 150 Abs. 3 erwähnten Gesetz. 2) Durch das Wassergesetz beseitigt (§ 399 Abs. 1 das.). 8) Fass, des Abs. 1 nach den VO. v. 12. April 1924 (GS. S. 210), v. 20. Juni 1924 (GS. S. 557) und dem Ges. v. 29. März 1927 (GS. S. 33). «) § 141 aufgehoben, s. Anm. bei § 141.

4. DerwaltnngSgerichtsgesetz (1876/1880).

4]

bent; gegen den versagenden Beschluß desselben sinket innerhalb zwei Wochen die Klage bei dem Bezirksausschüsse statt.

§ 162.

(Einwohnerzahl)

Maßgebend für die Berechnung der Einwohnerzahl einer Stadt ist in betreff der Bestimmungen dieses Gesetzes die durch die jedesmalige letzte Volkszählung ermittelte Zahl der ortsanwcscndcn Zivilbevölkerung.

§ 163.

(Inkrafttreten)

(1) Das gegenwärtige Gesetz tritt gleichzeitig mit dem Gesetze über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 in Kraft. (2) Bezüglich der vor diesem Zeitpunkte anhängig gemachten Sachen sind die Vorschriften des § 154 Absatz 3 des letzteren Gesetzes maßgebend.

(Beseitigte Borschristrn)

§ 164.

(1) Mit dem Tage des Inkrafttretens des gegenwärtigen Gesetzes kommt das Gesetz, betreffend die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden und der Berwaltungsgerichtsbehörden usw., vom 26. Juni 1876 (Gesetzsammt S. 297), in allen seinen Teilen in Wegfall. (2) Jngleichen treten mit dem gedachten Zeitpunkte alle mit den Vorschriften des gegenwärtigen Gesetzes in Widerspruch stehenden Be­ stimmungen außer Kraft.

4. Gesetz, betreffend die Verfassung der Verwaltungsgerichte und das Verwaltungsstreitverfahren. Vom 3. Juli 1875 ((96. 6. 375) und 2. August 1880 ((96. 6. 315). (Der Inhalt des Gesetzes ist jetzt größtenteils in das LandesBerw.Ges. ausgenommen; die §§ 1—IGa, 31—87a, 89 sind durch § 154 des Lan­ desverwaltungsgesetzes gestrichen, gültig sind nur noch die nachstehenden Bestimmungen über das Oberverwaltungsgericht.)

Titel IV. Bon dem Oberverwaltungsgerichte.

(Zusammensetzung)

§ 17. (1) Das Oberverwaltungsgericht besteht aus einem Präsiden­ ten, den Senatspräsidenten (§ 26) und der erforderlichen Anzahl

4. BerwaltungSgerichtSgesetz (1875/1880).

[4

von Räten. Die eine Hälfte der Mitglieder des Oberverwaltunasgerichts mutz zum Richteramte, die andere Hälfte zur Be­ kleidung von höheren Verwaltungsämtern befähigt fein. (2) Zum Mitglieds des Oberverwaltungsgerichts kann nur ernannt werden, wer das 30. Lebensjahr vollendet hat. [Ernennung]

§ 18.

Die Mitglieder des Oberoerwaltungsgerichts werden [auf den Vorschlag des Staatsministcriums vom Könige) vom Staatsministerium*) ernannt. Die Ernennung erfolgt auf Lebenszeit. (Nebenamt) § 19. Die Mitglieder des Oberverwaltungsgerichts können ein besoldetes Nebenamt nur in den Fällen bekleiden, in denen das Gesetz die Über­ tragung eines solchen Amtes an etatsmäßig angestellte Richter gestattet. (Disziplinarverfahren) § 20. Die Mitglieder des Oberverwaltungsgerichts unterliegen, vorbehalt­ lich der Bestimmungen der §§ 21 ff., keinem Disziplinarverfahren.

(AmtSverlust) § 21. Ist ein Mitglied zu einer Strafe wegen einer entehrenden Hand­ lung oder zu einer Freiheitsstrafe von längerer als einjähriger Dauer rechtskräftig verurteilt, so kann es durch Plenarbeschluß des Oberver­ waltungsgerichts feines Amtes und seines Gehalts für verlustig erklärt werden. (Borl. Enthebung) § 22. (1) Ist wegen eines Verbrechens oder Vergehens das Hauptverfah­ ren gegen ein Mitglied eröffnet, so kann die vorläufige Enthebung des­ selben von seinem Amte durch Plenarbeschluß des Oberverwaltung^ gerichts ausgesprochen werden. (2) Wird gegen ein Mitglied die Untersuchungshaft verhängt, so tritt für die Dauer derselben die vorläufige Enthebung von Rechts wegen ein. (3) Durch die vorläufige Enthebung wird das Recht auf den Genuß des Gehalts nicht berührt.

IRuhestand, § 23. Wenn ein Mitglied durch ein körperliches Gebrechen oder durch Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zur Erfüllung seiner Amtspflichten dauernd unfähig wird, so tritt seine Versetzung in den Ruhestand gegen Gewährung eines Ruhegehalts ein. *) Gemäß Art. 82 Abs. 1 PrB. Bühler, Verwaltung-gesetze.

7

4]

4. verwaltnngSgerichtsgesetz (1875/lNXO).

IZwangSvers. i. d. Ruhestand!

§ 24.

Wird die Versetzung eines Mitgliedes in den Ruhestand nicht be­ antragt, obgleich die Voraussetzungen derselben vorliegen, so hat der Präsident an das Mitglied die Aufforderung zu erlassen, binnen einer bestimmten Frist den Antrag zu stellen. Wird dieser Aufforderung nicht Folge geleistet, so ist die Versetzung in den Ruhestand durch Plenar­ beschluss des Obcrverwaltungsgerichts auszusprcchen.

[Verfahren!

§ 25.

Für das nach Maßgabe der 83 21, 22 Absatz 1 und 8 24 leitende Verfahren gelten die folgenden Bestimmungen:

einzu­

1. Ter Präsident ernennt aus der Zahl der Mitglieder des Ober­ verwaltungsgerichts einen Kommissar. Ter Kommissar Hal die das Verfahren begründenden Tatsachen zu erörtern, erforderlichenfalls den Beweis unter Vorladung des beteiligten Mitgliedes zu erheben und darüber Bericht zu erstatten. Ter Bericht ist dem beteiligten Mitglicdc zuzufcrtigcn. 2. Vor der Beschlußfassung findet eine mündliche Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgerichte statt. In derselben kann die münd­ liche Vernehmung von Zeugen und sachverständigen erfolgen. Das beteiligte Mitglied beziehungsweise sein Kurator ist zu hören. 3. Das beteiligte Mitglied kann sich des Beistandes oder der Ver­ tretung eines Rechtsanwaltes bedienen, jedoch ist das Obcrverwaltungsgericht befugt, das persönliche Erscheinen des Mitgliedes unter der Warnung anzuordnen, daß bei seinem Ausbleiben ein Vertreter desselben nicht werde zugelassen werden. 4. Tie Einleitung des Verfahrens gegen den Präsidenten erfolgt durch den Stellvertreter desselben auf (Ärund eines sPlenarbeschlusses des Oberverwaltungsgerichtsj.

[Senate, Präsidium! § 26. (1) Das Oberverwaltungsgericht kann

auf Beschluß des Staatsministeriums in Senate eingeteilt werden. (2) Das Präsidium bezeichnet bei Beginn jedes Geschäftsiahres und mindestens auf die Dauer desselben für jeden Senat Die ständigen Mitglieder und für den Fall ihrer Verhinderung die erforderlichen Vertreter. (3) In gleicher Weise erfolgt nach Maßgabe des hierfür er­ lassenen Regulativs (§ 30) die Verteilung der Geschäfte unter die Senate. (4) Das Präsidium besteht aus dem Präsidenten, den Senats­ präsidenten und dem dem Dienstalter nach, bei gleichem Dienst-

4. ÜvkNvaltullgögerichtsgkseh (1875/1880).

[4

alter dem der Geburt nach ältesten Mitgliede. Das Präsidium entscheidet nach Stimmenmehrheit,- im Falle der Stimmengleich­ heit gibt die Stimme des Präsidenten den Ausschlag.

lPriisidentj

§ 27.

(1) Dem Präsidenten gebührt der Vorstti im Plenum und in demjenigen Senate, welchem er sich anschließt,- in den anderen Senaten führt ein Senatspräsident den Vorsitz. (-) Im Falle der Verhinderung des ordentlichen Vorsitzenden führt den Vorsitz im Plenum derjenige Senatspräsident und in den Senaten derjenige Nat des Senats, welcher das gedachte Amt am längsten bekleidet, und bei gleichem Dienstalter der­ jenige, welcher der Geburt nach der Älteste ist.

IBeschluhfassnngj

§ 28.

(1) Zur Fassung gültiger Beschlüsse des Oberverwaltungs­ gerichts ist die Teilnahme von wenigstens fünf Mitgliedern er­ forderlich. (2) Die Zahl der Mitglieder, welche bei Fassung eines Be­ schlusses eine entscheidende Stimme führen, mutz in allen Fällen eine ungerade sein. Ist die Zahl der anwesenden Mitglieder eine gerade, so hat der zuletzt ernannte Rat und bei gleichem Dienstalter der der Geburt nach jüngere Rat kein Stimmrecht. Dem Berichterstatter steht jedoch in allen Fällen Stimmrecht zu.

IPlenarentscheidungl

§ 29.

(1) Will ein Senat des Oberverwaltungsgerichts in einer Rechtsfrage von einer früheren Entscheidung eines anderen Se­ nats oder des Plenums abweichen, so ist über die streitige Rechtsfrage die Entscheidung des Plenums des Gerichtshofes einzuholen. Dieselbe erfolgt in allen Fällen ohne vorgängige mündliche Verhandlung. Vor der Entscheidung des Plenums ist jedoch den von den Ressortministern zur Wahrnehmung des öffentlichen Interesses bestellten Kommissarien Gelegenheit zu geben, sich schriftlich über die zur Entscheidung stehende Rechts­ frage zu äußern. (2) Die Entscheidung der Rechtsfrage durch das Plenum ist in der zur Entscheidung stehenden Sache bindend. (3) Soweit die Entscheidung der Sache eine vorgängige mündliche Verhandlung erfordert, erfolgt dieselbe durch den er­ kennenden Senat auf Grund einer erneuten mündlichen Ver-

4]

4. Verwaltungögerichtsgrseh (1875/1880).

Handlung, zu welcher die Parteien unter Mitteilung der ergan­ genen Entscheidung der Rechtsfrage zu laden sind'l. (4) Zur Fassung von Plenarentscheidungen ist die Teilnahme von wenigstens zwei Dritteln aller Mitglieder erforderlich. IRegnlativ]-) § 30. (1) Im übrigen wird der Geschäftsgang und die Verteilung der Ge­ schäfte unter die Senate durch ein Regulativ geordnet, welches das Ple­ num des Oberverwaltungsgerichts zu entwerfen und dem Staatsministe­ rium zur Bestätigung einzureichen hat. (2) Die Ernennung der erforderlichen Subaltern- und Unter­ beamten bei dem Oberverwaltungsgerichte erfolgt, insoweit sie nicht durch das Geschästsregulativ dem Präsidenten überwiesen wird, durch das Staatsministerium. (Disziplinarverf. d. Unterbeamten) § 30a. Die Disziplin über die bei dem Oberverwaltungsgerichte angestellten Subaltern- und Unterbeamten übt der Präsident mit denjenigen Befug­ nissen, welche nach dem Gesetze betreffend die Dienstvergehen der nicht richterlichen Beamten usw., vom 21. Juli 1852, den Ministern in An­ sehung der ihnen untergeordneten Beamten zustehcn. Die Einleitung des Disziplinarverfahrens auf Entfernung aus dem Amte, die Ernennung des Uniersuchungskommissars und des Vertreters der Staatsanwaltschaft erfolgt durch den Präsidenten; entscheidende Behörde erster und letzter Instanz ist das Oberverwaltungsgericht.

88 31-87 a. sGestrichen, s. vor § 17.] Hauptamt!. Tätigkeit]

§ 88.

Die Stelle eines Mitgliedes des Oberverwaltungsgerichts darf als Nebenamt fortan nicht mehr verliehen werden.

§89. (Gestrichen, s. vor § 17.]

') Abs. 1—3 (früher Abs. 1) i. d. F. d. G. v. 27. Mai 1888 (GS. S. 226) Art. 1. 2) Vom 22. Febr. 1892 (MBliD. S. 133), Nachtrag dazu vom 15. Oh. 1893 (MBliV. S. 123).

5. Vertretung vor den Verwaltungsgerichten (1926).

[5

5. Gesetz über die Vertretung vor den Verwaltungsgerichten. (Auszug.)

Vom 25. Mai 1926 (SS. S. 163). lDas Gesetz regelt die Zulassung besonderer Anwälte vor den Vcrwaltungsgerichten, denen cs die Bezeichnung Berwaltungsrechtsrat bei­ legt; die Vertretungsbefugnis der Rechtsanwälte auch in öffentlichrecht­ lichen Dingen wird dadurch nicht berührt.]

§ 1. Zur berufsmäßigen Rechtsvertretung vor den Verwaltungs­ gerichten (advokatorischen Praxis im Sinne des § 6 der Reichs­ gewerbeordnung) mutz zugelassen werden, wer die Befähigung zum preußischen höheren Verwaltungsdienst oder zum Richter­ amt erlangt hat, danach 2 Jahre in der Verwaltung des Preu­ ßischen Staates, preußischer Gemeinden oder Eemeindeverbände oder in einer Kirchenverwaltung oder als preußischer Verwal­ tungsrichter tätig gewesen und in einer beim Oberverwaltungs­ gerichte zu führenden Liste der Verwaltungsrechtsräte ein­ getragen ist. (Lifte der Vcrwaltungörechtsräte) § 2. über die Eintragung in die Lifte entscheidet der Vorsitzende eines Senats des Oberverwaltungsgerichts. Zur Versagung der Eintragung bedarf er der Zustimmung des Senats. (Versagung der Eintragung) § 3. (1) Die Eintragung i st zu versagen, wenn der Antragsteller 1. durch strafgerichtliches Urteil die Fähigkeit zur Bekleidung öffent­ licher Ämter dauernd verloren hat oder zur Zeit nicht besitzt, 2. auf Grund des § 7 Nr. 3 in der Liste der Verwaltungsrechtsräte gestrichen ist, 3. durch gerichtliche Anordnung in der Verfügung über sein Ver­ mögen beschränkt ist, 4. ein Amt bekleidet oder eine Beschäftigung betreibt, die mit der berufsmäßigen Rechtsvertretung nicht vereinbar sind, 5. durch körperliche Gebrechen oder wegen eingetretener Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zur Erfüllung seiner Pflichten dauernd unfähig ist, 6. sich eines Verhaltens schuldig gemacht hat, das ihn der berufs­ mäßigen Nechtsvertretung unwürdig erscheinen läßt. (2) Die Befugnis der Rechtsanwälte zum Auftreten vor den Ver­ waltungsgerichten bleibt unberührt. Eine besondere Eintragung von Rechtsanwälten in die Liste findet nicht statt.

6]

6. Rkchtewk« ßtgtn p»Ii,kiliche Versügungkn (1842).

8 4. Tic Eintragung kann versagt werden, wenn der Antrag­ steller durch strafgcrichtlichcs Urteil die Fähigkeit zur Bekleidung öffent­ licher Ämter auf Zeit verloren hatte.

sBegründung deö Beschlusses! § 5. Ter Beschlug, der die Eintragung versagt, muß begründet werden.

sBcrcidigung! § 6. (1) Nach der Eintragung hat der V c r w a l t u n g s r c ch t s r a t in einer öffentlichen Sitzung eines Bcrwaltungsgcrichts folgenden Eid zu leisten: „Ich schwöre, daß ich die Pflichten eines Vcrwaltungsrechtsrats gewissenhaft erfüllen werde." (2) Tic Beifügung einer religiösen Beteuerung ist zulässig.

^Streichung der Eintragung! § 7. (1) Die Eintragung ist zu streichen: 1. wenn sich nach der Eintragung ergibt, daß sie nach § 3 hätte ver­ sagt werden müssen; 2. wenn nach der Eintragung eine der Voraussetzungen des § 3 eintritt; 3. wenn der Verwaltungsrechtsrat die ihm obliegenden Pflichten gröblich verletzt. (2) Wird ein Berwaltungsrechtsrat zur Rechtsanwaltschaft zuge­ lassen, so ist er in der Liste der Verwaltungsrechtsräte von Amts wegen zu löschen.

88 8-14. sBetreffen das Verfahren bei Streichung der Eintragung und die Abänderung anderer Gesetzes

6. Gesetz über die Zulässigkeit des Rechtsweges in Beziehung auf polizeiliche Verfügungen. Dom 11. Mai 1842 (GS. S. 192). fTas Gesetz bedeutete seinerzeit eine Einschränkung des Rechtswegs gegenüber der Polizei; ob die stark verklausulierten Bestimmungen der §§ 1 und 2 heute noch praktische Bedeutung haben können, ist zweifel­ haft; das gleiche muß von § 5 gesagt werden; § 6 gilt sicher nicht mehr; die §§ 3 und 4 gelten der Sache nach noch, haben aber andere Grundlagen.j

6. Rechtsweg gegen polizeiliche Verfügungen (1842).

[6

(Beschwerde und Rechtswegs § 1. (1) Beschwerden über polizeiliche Verfügungen jeder Art, sie mögen die Gesetzmäßigkeit, Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit derselben betreffen, gehören vor die vorgesetzte Dienstbehörde'). (2) Der Rechtsweg ist in Beziehung auf solche Verfügungen nur dann zulässig, wenn die Verletzung eines zum Privateigentum gehörenden Rechts behauptet wird, und nur unter den nachfolgenden näheren Bestimmungen.

(Rechtsweg wegen Privilegien!

§ 2.

Wenn derjenige, welchem durch eine polizeiliche Verfügung eine Verpflichtung auferlegt wird, die Befreiung von der­ selben auf den Grund einer besonderen gesetzlichen Vorschrift oder eines speziellen Rechtstitels be­ hauptet, so ist die richterliche Entscheidung sowohl über das Recht zu dieser Befreiung, als auch über dessen Wirkungen zulässig.

(Reine Suspensivwirkung (§ 2)]

§ 3.

Die Verfügung (§ 2) kann jedoch, des Widerspruchs unge­ achtet, zu Ausführung gebracht werden, wenn solches nach dem Ermessen der Polizeibehörde ohne Nachteil für das Allgemeine nicht ausgesetzt bleiben kann. Nack ergangenem rechtskräftigen Erkenntnisse muß die Polizeibehörde dessen Bestimmungen bei ihren weiteren Anordnungen beachten.

(Rechtsweg wegen Entschädigung^) § 4. (1) Steht einer polizeilichen Verfügung ein besonderes Recht auf Befreiung (§ 2) nicht entgegen, es wird aber behauptet, daß durch dieselbe ein solcher Eingriff in Privatrechte geschehen sei, Siir welchen nach den gesetzlichen Vorschriften über Aufopferungen ict Rechte und Vorteile des Einzelnen im Interesse des Allge­ meinen Entschädigung gewährt werden mu&2), so findet der Rechtsweg darüber statt: ob ein Eingriff dieser Art vorhanden sei und zu welchem Betrage dafür Entschädigung geleistet wer­ den müsse. (2) Eine Wiederherstellung des früheren Zustandes kann in diesem Falle niemals verlangt werden, wenn solche nach dem Ermessen der Polizeibehörde unzulässig ist').

‘) 2) 3) ZustG.

Vgl. jetzt §§ 127 (128) und 130 LVG., oben Nr. 2. Vgl. §§ 74, 75 der Einl. z. ALR., unten Nr. 23. S. einen weiteren Fall der Anwendung des § 4 in § 56 Abs. 8 (oben Nr. 3).

[7

7. Erweiterung des Rechtsweges (1861).

sVorl.Nnordn?) u. Abbiirdungskl?)) § 5. Gebührt der Polizeibehörde nur die Befugnis zu einer vor­ läufigen Anordnung mit Vorbehalt der Rechte der Beteiligten, oder behauptet denenige, welchem durch eine polizeiliche Veraung eine Verpflichtung auferlegt worden ist. datz diese Ver­ achtung ganz oder teilweise einem anderen obliege, so ist zur Feststellung der Rechte unter den Beteiligten und über die zu leistende Entschädigung die richterliche Entscheidung zulässig.

sBeamtenhastpflicht) § 6. (Wird eine polizeiliche Verfügung im Wege der Beschwerde als ge­ setzwidrig oder unzulässig aufgehoben, so bleiben dem Beteiligten seine Gerechtsame nach den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen über die Vertretungsverbindlichkeit der Beamten Vorbehalten^).)

(Aushebung älterer Dorschr.j

§ 7.

Sämtliche, sowohl allgemeine als besondere Vorschriften über Gegenstände dieses Gesetzes und namentlich die Vorschriften der Verordnung vom 26. Dezember 1808 §§ 38 bis 40 werden hierdurch aufgehoben.

7. Gesetz, betreffend die Erweiterung des Rechtsweges. Dom 24. Mai 1861 (SS. 6.241). sDaS Gesetz stellte seinerzeit eine wichtige Erweiterung deS Rechts­ weges vor den ordentlichen Gerichten dar. Es ist, wie zu den einzelnen Bestimmungen vermerkt, in den meisten Beziehungen jetzt überholt, hat aber in Einzelheiten noch eine, allerdings umstrittene Bedeutung.) *) S. jedoch jetzt auch § 75 Feld- u. ForstpolG. vom 21. Jan. 1926 (GS. S. 83) (unten Nr. 33) und §§ 51 ff. der Jagdordnung vom 15. Juli 1907 (unten Nr. 45). 2) Wegen dieser ist in vielen Fällen durch jüngere Gesetze das Berwaltungsstreitverfahren eingeführt: s. insbesondere ZG. § 46 Ms. 3 und § 56 Abs. 5. s) Diese Bestimmung wirkte, da sie die Aufhebung einer polizei­ lichen Verfügung zur Voraussetzung der Geltendmachung eines Schaden­ ersatzanspruchs wegen ihr machte, als Erschwerung des in Art. 131 RV. gewährten Rechtswegs bei Inanspruchnahme der Haftung des Staats für seine Beamten; sie ist daher jetzt nicht mehr gültig (vgl. Beschluß des Reichsgerichts v. 20. Febr. 1925, RGBl. I S. 292).

7. Erweiterung des Rechtsweges (1861).

[7

Giftet Abschnitt. In Beziehung aus die Ansprüche der Staatsbeamten wegen ihrer Dlensteinkünste.

iguiWdt] § 1. Über vermöaensrechtliche Ansprüche der Staatsbeamten aus ihrem Dienstverhältnis, insbesondere über Ansprüche auf Besol­ dung, Pension oder Wartegeld, findet mit folgenden Maßgaben der Rechtsweg statt.

(Vorentscheidung) *) § 2. Die Entscheidung des Verwaltungschefs muß mit Ausnahme des Falles, wo ein Beamter durch eine von der Oberrechnungs­ kammer aetroffene Festsetzung verkürzt zu sein glaubt, der Klage vorhergehen, und letztere sodann [bei Verlust des Klagercchts innerhalb sechs Monaten^), nachdem dem Beamten die Entscheidung des Verwaltungschefs oder die Festsetzung der Oberrechnungskammer bekanntgemacht worden, angebracht werden. (Beklagte Behörde)

§ 3.

(1) Die Klage ist gegen diejenige Provinzialbehörde des be­ treffenden Verwaltungsressorts und in Ermangelung einer sol­ chen, sowie seitens der Justizbeamten im Bezirke des sApellationsgerichtshofes) Oberlandesgerichtes zu Köln, gegen diejenige Bezirksregierung zu richten, in deren Amtsbezirk oer Beamte zu der Zeit, wo der streitige Anspruch entstanden ist, vermöge seines dienstlichen Wohnsitzes seinen versönlichen Gerichtsstand gehabt hat. Der Stadtbezirk von Berlin wird in dieser Beziehung zum Bezirk der Regierung zu Potsdam gerechnet. (2) Für Prozesse von Beamten in den Hohenzollernschen Landen ist die Regierung in Sigmaringen zur Vertretung des Fiskus befugt. (Zuständigkeit) § 4. sDurch die Zivilprozeßordnung beseitigt. Zuständig in 1. Instanz ist das Landgericht, § 71 III GerVersG., § 39 preuß. AusfG.) (Borentsch. d.DerwaltungSbeh. ufto.]1)

§ 5.

Die Entscheidungen der Disziplinar- und Verwaltungs­ behörden darüber, ob und von welchem Zeitpunkt ab ein Be*) Inwieweit angesichts RB. Art. 129 Abs. 1 S. 3 diese Bestimmun­ gen noch gelten, ist streitig. Nicht vereinbar mit Art. 129 a. a. O. ist jedenfalls die Ausschlußfrist des § 2.

7]

7. Erweiterung des Nechtsweges (lSßl).

amter aus seinem Amte zu entfernen, einstweilen oder definitiv in den Ruhestand zu versehen oder zu suspendieren sei, über die Verhängung von Ordnungsstrafen, sowie darüber, ob und wie weit eine geforderte Vergütung in Ermangelung eines vorher bestimmten Betrages oder Maßstabes derselben mit der be­ treffenden Leistung im Verhältnis stehe, sind für die Beurteilung der vor den Gerichten geltend gemachten vermögensrechtlichen Ansprüche maßgebend. § 6. Jngleichen sind bei der richterlichen Beurteilung, nächst den dem Beamten besonders erteilten Zusicherungen und den Be­ stimmungen der allgemeinen Landesgesehe, die zur Zeit der Ent­ stehung des streitigen Anspruchs in Krast gewesenen (Königlichen] Anordnungen, sowie die seitens der Zentralbehörden ergangenen, den Provinzialbehörden mitgeteilten und die mit Genehmigung der Zentralbehörden von den Provinzialbehörden erlassenen all­ gemeinen Verfügungen, soweit solche nicht den Gesetzen oder IKöniglichenI Anordnungen zuwiderlaufen, zum Grunde zu legen.

sAnordnungcn, Allgemcinverfüg-I

88

i,

8.

(Enthielten UbcrgangSvorschriften, die erledigt fint).]

Zweiter Abschnitt.

In Beziehung aus öffentliche Abgaben im allgemeinen. lSlückforderung von Abgaben!

§§ 9, 10.

(Erfolgt jetzt im Verwaltungsstreitverfahren, s. § 160 ZG. (oben Nr. 3), § 69 KommAbgG. (unten Nr. 19). Vgl. auch (für Reichssteuern) 8 227 RAbgO. v. 13. Dez. 1920.)

Dritter Abschnitt. In Beziehung auf die Stempelsteuer. 8811-13. (Jetzt ersetzt durch § 26 des Stcmpelstcuergcsctzcs, Fass. v. 27. Okt. 1924 (GL. S. 627).]

814. (Durch § 6 EG. z. StPO, aufgehoben; jetzt gilt 8 262 StPO, analog. Anders im Reichssteuerrecht (8 433 RAbgO.)]

8. Kompetenzkonflitte (1879).

[8

Vierter Abschnitt. Zn Beziehung aus Kirchen-, Psarr- und Schulabgaben'). ^Rechtliches Gkhörs

§ 15.

Das rechtliche Gehör ist in Beziehung auf die in Nummer 1 der Allerhöchsten Order vom 19. Juni 1836 (Gesetzsammlung Seite 198) aufgeführtcn Abgaben und Leistungen*2), welche für Kirchen und öffent­ liche Schulen ober für deren Beamte auf Grund einer notorischen Orts­ oder Bezirksverfassung erhoben werden, desgleichen in Beziehung auf Forderungen öffentlicher Schul- und Erziehungsanstalten an Schul- und Pensionsgcld fortan unbedingt gestattet. In Beziehung auf solche Ab­ gaben und Leistungen, welche auf einer allgemeinen geschlichen Verbind­ lichkeit, bezüglich auf einer, von der aufsichtführenden Negierung in Gemäßheit gesetzlicher Bestimmung angeordnctcn oder exckutorisch er­ klärten Umlage beruhen, findet der Nechtswcg aber nur insoweit statt, als dies bei öffentlichen Abgaben der Fall ist.

(Übergangsbestimmung)

§ 16.

Die Bestimmung in der Nummer 3 der Allerhöchsten Order vom 19. Juni 1836 wird aufgehoben.

8. Verordnung, betreffend die KompetenzkonflMe zwischen den Gerichten und den Verwaltungsbehörden. Dom 1. August 1879 (GS. S. 533). sTie Verordnung, die erlassen ist auf Grund des § 17 Abs. 2 EG. z. GVG., regelt das Verfahren bei positiven und negativen Kompetenz­ konflikten zwischen Preußischen Verwaltungsbehörden (einschl. der Verwaltungsgerichte) und ordentlichen Gerichten, nicht auch bei solchen zwischen Verwaltungsgerichten und Verwaltungsbehörden (dar­ über vgl. § 113 Abs. 5 LandBerwG. — zuständig das OVG. —), auch nicht solchen zwischen Reichsverwaltungsbehörden und ordentlichen Ge­ richten (dafür noch keine gesetzliche Regelung vorhanden).) J) Wegen der Kirchensteuern s. jetzt auch die besonderen Kirchen­ steuergesetze, wegen der Schullasten §§ 46, 47, 160 ZG. (oben Nr. 3). 2) „Alle beständigen dinglichen oder persönlichen Abgaben und Lei­ stungen", so hieß es in Nr. 1 dieser Order von 1836.

8]

lGerichtShofl

8. Aompetkn;k»nflikte (1879).

§ 1.

Die Entscheidung von Streitigkeiten über die Zulässigkeit des Rechtswegs erfolgt in den durch diese Verordnung be­ stimmten Fällen durch den Gerichtshof zur Entscheidung der Kompetenzronflikte.

Mitglieder!

§ 2.

(1) Der Gerichtshof besteht aus elf Mitgliedern, von denen sechs dem Oberlandesgericht zu Berlins angehören müssen. Die anderen fünf Mitglieder müssen für den höheren Verwaltungs­ dienst oder zum Richteramt befähigt sein. Zum Mitgliede kann nur ernannt werden, wer das fünfunddreitzigste Lebensjahr vollendet hat. (2) Die Mitglieder werden für die Dauer des zur Zeit ihrer Ernennung von ihnen bekleideten Amtes oder, falls sie zu dieser Zeit ein Amt nicht bekleiden, auf Lebenszeit ernannt. Eine Ent­ hebung vom Amte kann nur unter denselben Voraussetzungen wie bei den Mitgliedern des Reichsgerichts stattfinden. (3) Der Vorsitzende und die übrigen Mitglieder werden vom sKönige auf den Vorschlag des Staatsministeriums) Staatsministerium3*)2 ernannt.

IBtsttzung, Gesch.Ordn.I

§ 3.

(1) Der Gerichtshof entscheidet in der Besetzung von sieben Mitgliedern. (2) Die Geschäftsordnung, insbesondere die Befugnisse des Vorsitzenden und die Reihenfolge, in welcher die Mitglieder an den einzelnen Sitzungen teilzuneymen Haven, werden durch ein Regulativ geordnet, welches der Gerichtshof zu entwerfen und dem Staatsministerium zur Bestätigung ernzureichen hat.

IPosit. Kompetenzkonfliktl

§ 4.

(1) Der Gerichtshof entscheidet, wenn die Verwaltungs­ behörden den Rechtsweg in einem bei den Gerichten anhängigen bürgerlichen Rechtsstreite für unzulässig erachten und deshalb der Kompetenzkonflikt erhoben wird. (2) Der Kompetenzkonflikt kann nicht erhoben werden, wenn die Zulässigkeit des Rechtswegs in der vache durch rechtskräftiges Urteil des Gerichts festjteht. Das gleiche gilt, wenn ein mit oer Revision anfechtbares Urteil des Gerichts ergangen ist3). Kammergericht. 2) Gemäß Art. 82 prcuß. Verf. 3) Abs. 2 Satz 2 eingefügt durch Ges. v. 22. Mai 1902 (GS. S. 145) Art. 1. Hierzu ergänzend Art. 2 dieses Gesetzes: Hat in einer Sache der Gerichtshof zur Entscheidung der Kom-

8. llompetenzkonflikte (1879).

[8

(Zuständige Behörde! § 5. (1) Zur Erhebung des Kompetenzkonflikts ist nur die Zen­ tral- und die Provinzialverwaltungsbehörde befugt). (2) Dieselben können den Kompetenzkonflikt auch dann er­ heben, wenn die Zuständigkeit zur Entscheidung der Sache für die Verwaltungsberichte in Anspruch genommen wird. (3) Hat die Provinzialbehörde mehrere Abteilungen, so steht die Erhebung des Kompetenzkonflikts dem Plenum zu. (Erhebung des fiompetcnjfoiifliftd] § 6. (1) Die Erhebung des Kompetenzkonflikts erfolgt Lei dem Gerichte, bei welchem die Sache anhängig ist, durch die schriftliche Erklärung der Verwaltungsbehörde, daß der Rechtsweg für unzu­ lässig erachtet werde. (2) Der Erklärung soll eine Begründung beigefügt werden. (3) Wird die Erklärung bei einem Gerichte, bei welchem die Sache nicht anhängig ist, abgegeben, so hat dieses die Erklärung an das zuständige Gericht zu übersenden.

(Wirkung: Unterbrechung) § 7. (1) Das Prozeßverfahren wird durch die Erhebung des Komvetenzkonflikts für die Dauer des denselben betreffenden Ver­ fahrens unterbrochen (§ 249 der Zivilprozeßordnung). Durch die nach dem Schlüsse einer mündlichen Verhandlung eintretende Unterbrechung wird auch die Verkündung einer Entscheidung gehindert. (2) Das Gericht hat die Verwaltungsbehörde von dem Ein­ gänge der Erklärung und die Parteien von der Erhebung des Kompetenzkonflikts von Amts wegen zu benachrichtigen. (3) Den Parteien ist zugleich eine Abschrift der Erklärung zu übersenden. (Berufungs-bezw. Revisionögericht( § 8. Ist die Sache bei einem Gericht höherer Instanz anhängig, so sind die Prozeßakten, unter Beifügung der Erklärung der Verwaltungsbehörde und der Zustellungsurkunden über die Benachrichtigung der Parteien, dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle^ des Gerichts erster Instanz zurückzusenden. petenzkonslikte auf Grund des § 4 oder des § 21 der Verordnung vom 1. August 1879 den Rechtsweg für zulässig erklärt, so ist die Zuständig­ keit der Verwaltungsbehörden oder der Verwaltungsgerichte aus­ geschlossen. *) Entsprechend § 113 Abs. 1 LVG. (oben Nr. 2). -) Nach d. G. v. 9. Juli 1927 (RGBl. I S. 175). Bisher „Gerichtsschreiber".

8] lSchriftwechsel)

8.

Kompetenzkonflikte (1879).

§ 9.

(1) Innerhalb der Frist eines Monats, die mit der Zustellung der Benachrichtigung beginnt, können die Parteien bei dem Gericht erster Instanz einen Schriftsatz über den Kompctenzkonslikt einreichcn. (2) Ter Schriftsatz mutz von einem Rechtsanwalt unterzeichnet fein. Öffentliche Behörden, sowie Personen, welche zum Richteramt befähigt sind, können den Schriftsatz ohne Zuziehung eines Rechtsanwalts ein­ reichen. (3) Das Gericht hat der Verwaltungsbehörde und der Gegenpartei den Schriftsatz in Abschrift mitzuteilen. Die erforderliche Zahl von Ab­ schriften ist von der Partei einzureichcn. (4) Sind innerhalb der Frist Schriftsätze nicht eingegangen, so hat das Gericht der Verwaltungsbehörde davon Anzeige zu machen. (Fortgang des Verfahrens) § 10. (1) Rach Eingang der Schriftsätze der Parteien ober, wenn Schrift­ sätze nicht eingegangen sind, nach Ablanf der im § 9 bestimmten Frist sendet das Gericht die Akten mittels gutachtlichen Berichts an das Ober­ landesgericht, welches ihn unter Beifügung seines Gutachtens dem Justiz­ minister überreicht. (2) Der Justizminister sendet die Akten und die Gutachten der Ge­ richte an den Gerichtshof zur Entscheidung der Kompetenzkonfliktc und fetzt davon den beteiligten Verwaltungschef in Kenntnis. (Verwaltungsches, Zurückn. b. stf.) § 11. (1) Tie Provinzialverwaltungsbehörden haben an den beteiligten Verwaltungsches Anzeige von der Erhebung des Kompetenzkonflikts zu erstatten und unter Vorlegung der Erklärungen der Parteien gutachtlich zu berichten. (2) Der Verwaltungsches kann dem Gerichtshof eine schriftliche Er­ klärung über den Kompetenzkonflikt mitteilcn. (3) Er ist befugt, den Kompetenzkonslikt zurückzunehmen. In diesem Falle werden die Akten von dem Gerichtshof an den Justizminister und von diesem an das Gericht, bei welchem die Sache anhängig war, zu­ rückgesandt. Das Gericht hat den Parteien die Zurücknahme des Kompetenzkonslikts von Amts wegen anzuzcigen. (Mündl. Verhandlung)

§ 12.

Die Entscheidung des Gerichtshofes über den Kompeterukonflikt erfolat auf Grund mündlicher Verhandlung in öffentlicher Sitzung. Die Vorschriften der §§ 169 bis 183 des Eerichtsverfassungsgesetzes über Öffentlichkeit und Sitzungspolizei, sowie die Vorschriften der §§ 159 ff. der Zivilprozeßordnung über die Auf­ nahme eines Protokolls finden entsprechende Anwendung.

8. Kompetenzkonflikte (1879).

[8

(Ladung, Prozetzvertretung usw.) § 13. (1) Der Termin zur mündlichen Verhandlung wird von dem Vor­ sitzenden von Amts wegen bestimmt. (2) Tie Parteien sind zu dem Termin von Amts wegen zu laden. Das Erscheinen der Parteien oder eines Vertreters ist nicht erforderlich. (3) Tie Parteien müssen sich, wenn sie in dem Termin verhandeln wollen, durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Diese Vorschrift findet auf öffentliche Behörden und auf Personen, welche zum Richteraml befähigt sind, keine Anwendung. (4) Tie Bestimmung des Termins ist dem beteiligten Verwaltungs­ chef anzuzcigcn. Derselbe kann einen Beamten mit seiner Vertretung beauftragen. (Berichterstattung, Verfahren) § 14. In dem Termin zur mündlichen Verhandlung gibt ein von dem Vorsitzenden beauftragtes Mitglied des Gerichtshofes eine Darstellung der bisher stattgefundencn Verhandlungen. Sodann werden die Vertreter der Parteien nnd der von dem Verwaltungschcf abgcordnctc Beamte gehört.

(Urteil] § 15. (1) Das Urteil kann nur von denjenigen Mitgliedern gefällt werden, welche der dem Urteil zugrunde liegenden Verhandlung beigcwohnt haben. (2) Tie Verkündung des Urteils erfolgt in dem Termin, in welchem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, oder in einem sofort anzu­ beraumenden Termin, welcher nicht über eine Woche hinaus angesetzt werden soll. (3) In dem Urteil sind die Namen der Mitglieder, welche bei der Entscheidung mitgewirkt haben, anzugcben. (Ausfertigungen der Urteile) § 16. Die Ausfertigungen der Urteile sind von dem Vorsitzenden zu unter­ schreiben und mit dem Gerichtssiegel zu versehen. (Zustellung des Urteils) § 17. (1) Eine Ausfertigung des Urteils ist dem Verwaltungschcf, eine andere mit den gerichtlichen Akten dem Justizminister mitzuteilen. (2) Der Justizminister übersendet die Ausfertigung des Urteils mit den Akten an das Gericht, bei welchem die Sache anhängig war. Das Gericht hat den Parteien das Urteil von Amts wegen zustellen zu lassen. (Gcrichtskost. b. Unzul. b. Rechten».)

§ 18.

Ist der Rechtsweg für unzulässig erkannt, so werden Gerichtskosten nicht erhoben und die bereits erhobenen zurückgezahlt; eine Erstattung der den Parteien erwachsenen Kosten findet nicht statt.

8]

8. Kompetenzkonflikte (1879).

(Cinstellung der Zwangövollstr.) § 19. (1) Ist zur Zeit der Erhebung des Kompetenzkonflikts ein in dem Rechtsstreit erlassenes Urteil vorläufig vollstreckbar, so hat das Gericht, bei welchem die Sache anhängig ist, die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung von Amts wegen anzuordnen. Gegen diese Ent« scheidung findet kein Rechtsmittel statt. (2) Wird der Rechtsweg für zulässig erkannt oder der Kompetenz­ konflikt zurückgenommen, so ist die Entscheidung von Amts wegen wieder aufzuheben. IGebührenfreiheit, Kostens § 20. Das durch die Erhebung eines Kompetenzkonflikts veranlaßte Ver­ fahren ist gebühren- und stempelfrei. Bare Auslagen werden nicht in Ansatz gebracht. Eine Erstattung der den Parteien erwachsenen Kosten findet nicht statt.

lNegat. Kompeten;konflikts

§ 21.

(1) Haben in einer Sache einerseits die Gerichte und anderer­ seits die Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichte ihre Unzuständigkeit endgültig ausgesprochen, weil von den Gerichten die Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichte und von diesen die Gerichte für zuständig erachtet sind, so entscheidet der Gerichtshof über den Kompetenzkonflirt aus Antrag einer bei der Sache beteiligten Partei. (2) Der Antrag ist bei dem Gericht anzubringen, bei welchem die Sache in erster Instanz anhängig war. Der Antrag ist der Gegenpartei von Amts wegen zuHustellen. Diese kann innerhalb der Frist eines Monats einen Schriftsatz über den Kompetenz­ konflikt einreichen. (3) Im übrigen finden die Vorschriften der §§ 9 bis 17, 20 dieses Gesetzes entsprechende Anwendung. (4) Der Gerichtshof hat in seinem Urteil die demselben entgeaenstehenden Entscheidungen aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an die betreffende Instanz zu verweisen. (5) Diese Vorschriften finden keine Anwendung, wenn die Unzuständigkeit der Gerichte von dem Reichsgericht ausge­ sprochen ist1). Hierzu Art. 3 d. G. v. 22. Mai 1902 (GS. S. 145):]

(1) Hat in einer Sache das Reichsgericht die Unzulässigkeit des Rechtswegs ausgesprochen, so können die Verwaltungs*) § 21 Abs. 5 eingefügt durch G. v. 22. Mai 1902 (GS. S. 145), f. im übrigen auch oben Anm. 3 zu,§ 4.

s9

9. KerwaltungSjwan-Sversahren (1890).

behörden oder Verwaltungsgerichte sich nicht deshalb für unzu­ ständig erklären, weil ste den Rechtsweg für zulässig erachten. (2) Hatten vor der Entscheidung des Reichsgerichts die Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsyerichte sich aus dem bezeichneten Grunde endgültig für unzuständig, erklärt, so hat auf Antrag einer bei der Sache beteiligten Partei diejenige Instanz, von welcher die Unzuständigkeit endgültig ausge­ sprochen worden ist, die frühere Entscheidung aufzuheben und nach Matzgabe der Vorschrift des Abs. 1 anderweitige Entschei­ dung zu treffen- die Sache kann zur anderweitigen Entschei­ dung an eine Vorinstanz zurückverwiesen werden. lAuöeinandersetzungSbeh'ördenI §22. Bei Anwendung der Vorschriften dieser Verordnung gelten die Auseinandersetzungvbehörden als Verwaltungsbehörden. (Übergang-vorschrift^ § 23. Auf die Erledigung der vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung anhängig gewordenen Kompetenzkonflikte finden die bisherigen Bestim­ mungen über das Verfahren Anwendung.

[3nfrafttreten] § 24. Diese Verordnung tritt gleichzeitig mit dem Gerichtsverfassungs­ gesetze in Kraft.

9. Verordnung, betreffend bas Verwaltungszwangsverfahren wegen Beitreibung von Geldbeträgen. Dom 15. November 1899 (GS. S. 545)*). (Als öffentlichrechtliches Gegenstück zu den Zwangsvollstreckungs­ bestimmungen der Zivilprozeßordnung regelt die Verordnung die Zwangs­ beitreibung von Geldbeträgen (nicht Erzwingung anderer Leistungen, wegen dieser vgl. § 132 LandBerwG.), die nach Verwaltungsgesetzen oder Landessteuergesetzen geschuldet werden, während die Zwangsvollstreckung wegen Reichssteuern in der Reichsabgabenordnung geregelt ist.)

*) Die Verordnung ist in der Folge mehrfach geändert worden: zu §§ 54—67 durch VO. v. 16. Mai 1923 (GS. S. 271) (wodurch auch der Gebührentarif gestrichen wurde), VO. v. 12. April 1924 (GS. S. 209), VO. v. 28. November 1924 (GS. S. 741), VO. v. 31. Oktober 1925 (GS. S. 153); zu §§ 46, 47 durch BO. v. 16. März 1926 (GS. S. 103).

Bühler, Verwaltung-gesetze.

8

9]

S. BerwaltungSzwattgSversahren (1899).

)AnwendungSgebiet)

I. Allgemeine Bestimmungen. § 1.

Die Zwangsvollstreckung wegen aller derjenigen Abgaben, Gefälle und sonstigen Geldbeträge, welche nach den bestehenden Vorschriften der Beitreibung im Verwaltungszwangsverfahren unterliegen, erfolgt ausschließlich nach den Vorschriften dieser Verordnung. (Rechtsweg, Rechtsmittel)

§ 2.

(1) Inwieweit über die Verbindlichkeit zur Entrichtung der geforderten Geldbeträge der Rechtsweg stattfindet, richtet sich nach den hierüber bestehenden Vorschriften. (2) Wegen vermeintlicher Mängel des Zwangsverfahrens, dieselben mögen die Form der Anordnung oder die der Aus­ führung oder die Frage betreffen, ob die gepfändeten Sachen zu den pfändbaren gehören, ist dagegen, unbeschadet der besonderen Vorschriften über die Rechtsmittel im Falle der zwangsweisen Ausführung polizeilicher Verfügungen, nur die Beschwerde bei der vorgesetzten Dienstbehörde des Beamten zulässig, dessen Ver­ fahren angefochten wird.

IZwangSverfahren gegen Tritte)

§ 3.

(1) Soweit nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes Dritte, insbesondere Erben, Ehegatten, Eltern oder Nießbraucher, kraft Gesetzes zu der Leistung oder zur Duldung der Zwangsvollstreckung verpflichtet sind, kann das Zwangsverfahren auch gegen diese Personen angeordnet werden. Die Vorschriften der §§ 735 bis 749, 778, 779, 781 bis 784, 786 der Zivilprozeßordnung finden mit der Maßgabe entsprechende Anwen­ dung, daß die Anordnung des Zwangsverfahrens an die Stelle des nach den §§ 735 bis 749 zur Zulässigkeit der gerichtlichen Zwangsvollstreckung erforderlichen oder genügenden vollstreckbaren Titels tritt. (2) Durch die Geltendmachung der dem Erben nach den §§ 2014, 2015 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zustehenden Einreden wird die Zwangsvollstreckung in den Nachlaß nicht gehemmt, wenn der beizu­ treibenden Forderung das im § 61 Nr. 2 oder 3 der Konkursordnung bezeichnete Vorrecht zusteht. (3) Wird seitens einer der im Abs. 1 benannten Personen die Ver­ pflichtung zu der Leistung oder zur Duldung der Zwangsvollstreckung bestritten oder werden aus Grund der §§ 781 bis 784, 786 der Zivil­ prozeßordnung Einwendungen erhoben, so entscheidet hierüber derjenige, für dessen Rechnung die Zwangsvollstreckung stattsindet. Gegen die den Widerspruch oder die erhobene Einwendung zurückweisende Entscheidung steht entweder die Beschwerde bei der vorgesetzten Aufsichtsbehörde oder innerhalb einer Ausschlußsrist von einem Monate nach der Zustellung die

9. BerwaltungszwangSverfahren (1899).



gerichtliche Klage zu. Die Anbringung des einen Rechtsmittels schließt das andere aus. Die Klage ist gegen denjenigen, für dessen Rechnung die Zwangsvollstreckung stattsindet, zu richten. Aus die Einstellung der Zwangsvollstreckung und die Aufhebung bereits erfolgter Vollstreckungs­ maßregeln finden die Vorschriften der 7G9, 770 der Zivilprozeßord­ nung entsprechende Anwendung.

IBollstreckungsbthörde)

§ 4.

(1) Diejenigen Behörden oder Beamten, welchen die Ein­

ziehung der der Beitreibung im Verwaltungszwangsverfahren unterliegenden Geldbeträge zusteht, bilden die zur Anordnung und Leitung des Zwangsverfahrens zuständigen Vollstreckungs­ behörden. Auf die Beamten der Korporationen, welche nach den bisherigen Vorschriften zur eigenen Zwangsvollstreckung nicht berechtigt sind, findet diese Bestimmung nicht Anwendung. (2) Die Behörde, welcher die Einziehung einer gerichtlich erkannten Geldstrafe obliegt, ist zugleich Vollstreckungsbehörde für die mit der Einziehung der Strafe verbundene Beitreibung der Kosten. Diese Beitreibung erfolgt nach den für die Bei­ treibung der Strafe geltenden Vorschriften. (3) Fehlt es an einer nach den vorstehenden Vorschriften zuständigen Vollstreckungsbehörde, so hat die Bezirksregierung (Polizeipräsidium in Berlin) eine solche zu bestimmen. (4) Den zuständigen Höheren Verwaltungs- und den Auf­ sichtsbehörden ist es gestattet, die Funktionen der Vollstreckungs­ behörde selbst zu übernehmen. (Ersuchte Behörde! § 5. Muß eine Vollstreckungsmaßregel außerhalb des Geschäftsbczirkes der Bollstreckungsbehörde zur Ausführung gebracht werden, so hat die entsprechende Behörde desjenigen Bezirkes, in welchem die Ausführung erfolgen sott, auf Ersuchen der Vollstreckungsbehörde das Zwangsver­ fahren auszuführen. Insoweit von der ersuchten Behörde die Pfändung körperlicher Sachen und deren Versteigerung ausgeführt wird, tritt diese an die Stelle der Bollstreckungsbehörde. (Vollzirhungsbeamte!

§ 6.

(1) Die Vollstreckungsbehörde hat das Zwangsverfahren durch die ihr beigegebenen Vollziehungsbeamten oder durch die­ jenigen Beamten, deren sie sich als solcher zu bedienen hat, aus­ zuführen. (2) Fehlt es derselben an solchen Beamten, so kann die Bezirksregrerung (Polizeipräsidium in Berlin) eine andere Doll­ streckungsbehörde bestimmen.

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v. verwaltungSzwangSversahrrn (1890).

(3) Die Bollziehungsbeamten müssen eidlich verpflichtet werden. (4) Die Ausführung der Zwangsvollstreckung wegen der in Angelegenheiten der Justizverwaltung beizutreibenden Geld­ beträge findet durch die Gerichtsvollzieher statt- den Gerichts­ vollziehern kann die Ausführung einer Zwangsvollstreckung auch in anderen Fällen übertragen werden. Die Gerichtsvollzieher haben an Stelle der Vorschriften der §§ 9, 10, 14, 15, 22 bis 31 die für den Zivilprozetz geltenden Vorschriften zu beobachten.

§ 7.

IMahnungl

Der Zwangsvollstreckung soll in der Regel eine Mahnung desjenigen, gegen welchen die Zwangsvollstreckung vorzunehmen ist, mit dreitägiger Zahlungsfrist vorhergehen. In betreff der Eerichtskosten vertritt oie Mitteilung der Kostenrechnung die Stelle der Mahnung. lMitttärperfonenj § 8. (1) Gegen eine dem aktiven Heere oder der aktiven Marine an­ gehörende Militärperson darf die Zwangsvollstreckung erst beginnen, nachdem von derselben die vorgesetzte Militärbehörde Anzeige erhalten hat. Der Bollstreckungsbehörde ist auf Verlangen der Empfang der An­ zeige zu bescheinigen. (2) Soll die Zwangsvollstreckung gegen eine dem aktiven Heere oder der aktiven Marine angehörende Person des Soldatenstandes in Kasernen und anderen militärischen Dienstgebäuden oder auf KriegSfahrzeugen erfolgen, so hat die Bollstreckungsbehörde die zuständige Militär­ behörde um die Zwangsvollstreckung zu ersuchen. Die gepfändeten Ge­ genstände sind dem von der Vollstreckungsbehörde bezeichneten Beamten zu übergeben. lZustkllungenI

§ 9.

Auf die Zustellungen finden die Vorschriften der Zivilprozeßordnung') über Zustellungen, die von Amts wegen erfolgen, mit folgenden Maß­ gaben entsprechende Anwendung. lForm

btt

Zustellung!

§ 10.

(1) Die Beglaubigung einer bei der Zustellung zu übergebenden Ab­ schrift (§ 210 der Zivilprozeßordnung) ist nicht erforderlich. (2) Die für Zustellungen zur Nachtzeit und an Sonntagen und allgemeinen Feiertagen notwendige Erlaubnis (§ 188 a. a. O.) wird von der Bollstreckungsbehörde erteilt. Die Niederlegung des Schriftstücks im

') ZPO. §§ 208 (166—207) bis 213.

9. BerwaltungSzwangSverfahren (1899).

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Falle des § 182 a. a. O. findet bei der Ortsbehörde oder der Postanstalt des Zustellungsorts statt. (3) Die dem Gerichtsschreiber und Gerichtsdiener obliegenden Geschäste werden von den dazu bestimmten Beamten wahrgenommcn. (Ausland, Exterritoriale usw.) §11. (1) In den Fällen der §§ 199 bis 201 der Zivilprozeßordnung er­ folgt die Zustellung in der dort vorgeschriebenen Weise. (2) Eine in einem anderen deutschen Staate zu bewirkende Zustel­ lung erfolgt mittels Ersuchen der zuständigen Behörde desselben. (3) Tie Zustellung wird durch das schriftliche Zeugnis der ersuchten Behörden oder Beamten, daß die Zustellung erfolgt sei, nachgcwicsen. [öffentüdjt Zustellung) § 12. (1) Ist der Aufenthalt des Schuldners unbekannt, so kann die Zu­ stellung an denselben durch Anheftung des zuzustellenden Schriftstücks an der zu Aushängen der Aollstreckungsbehörde bestimmten Stelle er­ folgen. Die Zustellung gilt als bewirkt, wenn seit der Anheftung zwei Wochen verstrichen sind. Auf die Gültigkeit der Zustellung hat es keinen Einfluß, wenn das Schriftstück von dem Orte der Anheftung zu früh entfernt wird. (2) Diese Art der Zustellung ist auch dann zulässig, wenn bei einer im Auslande zu bewirkenden Zustellung die Befolgung der für diese be­ stehenden Vorschriften unausführbar ist oder keinen Erfolg verspricht oder wenn die Zustellung aus dem Grunde nicht bewirkt werden kann, weil die Wohnung einer nach den §§ 18, 19 des Gerichtsverfassungs­ gesetzes der Gerichtsbarkeit nicht unterworfenen Person der Ort der Zu­ stellung ist.'

(Legitimation des LollzBeamten)

§13.

Dem Schuldner und Dritten gegenüber wird der Voll­ ziehungsbeamte zur Vornahme der Zwangsvollstreckung durch den ihm erteilten und auf Verlangen einer beteiligten Person vorzineigenden schriftlichen Auftrag der Vollstreckungsbehöroe ermächtigt. (Durchsuch., Widerstand, Protokoll)

§ 14.

(1) Der Vollziehungsbeamte hat die im § 758, mit Aus­ nahme des Schlußsatzes'), sowie in den §§ 7592), 762°) der ') Durchsuchung: Öffnung verschlossener Türen usw., notfalls An­ wendung von Gewalt, gegebenenfalls mit polizeilicher (nicht mili­ tärischer) Hilfe. s) Bei Widerstand oder bei Abwesenheit des Schuldners und sämt­ licher zu seinem Hausstande gehörigen erwachsenen Personen muß der

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v. Berwaltungszwangöverfahren (18Ü9).

Zivilprozeßordnung dem Gerichtsvollzieher beigelegten Rechte und Pflichten. ^Vollstreckung zur Nachtzeit uftoj (2) Die Bestimmungen des § 761') a. a. O. finden mit der Maßgabe Anwendung, daß die Ortspolizeibehörde für die Er­ teilung der Erlaubnis zur Vornahme einer Vollstreckungshandlung zuständig ist. sAusforderungcn, Mitteilungen! §15. (1) Tie Aufforderungen und sonstigen Mitteilungen, welche zu den Bollstreckungshandlungen gehören, sind von dem Vollziehungsbeamten mündlich zu erlassen und vollständig in das Protokoll aufzunehmen. (2) Kann die mündliche Ausführung nicht erfolgen, so hat die Vollstreckungsbehörde demjenigen, an welchen die Aufforderung oder Mittei­ lung zu richten ist, eine Abschrift des Protokolls zu übersenden.

Kostens

§ 16.

Die Kosten der Mahnung und der Zwangsvollstreckung fallen dem Schuldner zur Last,- sie sind zugleich mit dem zur Zwangsvollstreckung stehenden Ansprüche beizutreiben. II. Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen. A. Allgemeine Bestimmungen. lPfändungs § 17. (1) Die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen erfolgt durch Pfändung. Sie darf nicht weiter ausgedehnt werden, als zur Deckung der beizutreibenden Geldbeträge und der Kosten der Zwangs­ vollstreckung erforderlich ist. (2) Die Pfändung hat zu unterbleiben, wenn sich von der Ver­ wertung der zu pfändenden Gegenstände ein Überschuh über die Kosten der Zwangsvollstreckung nicht erwarten läßt. Vollziehungsbcamtc zwei erwachsene Personen oder einen Gemeinde­ oder Polizeibeamten als Zeugen zuziehen. 3) Uber jede Vollstrcckungshandlung muß der Vollz.Beamte ein Pro­ tokoll aufnehmen, das den wesentlichen Hergang beurkundet, Namen und — soweit möglich — Unterschrift der Beteiligten enthält und von ihm unterschrieben ist. i) Bei Nachtzeit, d. i. vom 1. April bis 30. September die Zeit von 21.00—4.00 Uhr, vom 1. Oktober bis 31. März die Zeit von 21.00 bis 6.00 Uhr, an Sonntagen und an allgemeinen (nicht nur ge­ setzlichen) Feiertagen darf der Bollziehungsbeamte nur mit Erlaubnis der in §14 Abs. 2 bezeichneten Behörde vollstrecken.

9. Derwaltungszwangsverfahren (1899).

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(Lchuh gegen die Pfändung) § 18. (1) Gegen die Pfändung kann sich der Schuldner nur schützen, wenn derselbe entweder eine Fristbcwilligung vorzeigt oder die vollständige Be­ richtigung des bcizutrcibcndcn Geldbetrags durch Quittung oder durch Vorlegung eines Postscheins nachweist, aus welchem sich ergibt, daß der beizutreibende Geldbetrag an die für die Einziehung zuständige Stelle cingezahlt ist. (2) Zur Empfangnahme von Geldbeträgen ist der Vollziehungs­ beamte nur nach Maßgabe des ihm erteilten schriftlichen Auftrags er­ mächtigt.

IWiderspruchSttagk) § 19. (1) Behauptet ein Dritter, daß ihm an dem gepfändeten Gegenstand ein die Veräußerung hinderndes Recht zustchci) oder werden nach Maß­ gabe der 88 7722), 7733)* oder 5 7741) der Zivilprozeßordnung Einwendungen erhoben, so ist der Widerspruch gegen die Pfändung erforderlichenfalls im Wege der Klage geltend zu machen. (2) Auf die Einstellung weiterer und die Aushebung bereits er­ folgter Vollstrcckungsmaßregcln finden die Vorschriften der §§ 769, 770-'dcr Zivilprozeßordnung Anwendung. (3) Der Pfändung einer Sache kann ein Dritter, welcher sich nicht int Besitze der Sache befindet, auf Grund eines Pfand- oder Vorzugs­ rechts nicht widersprechen; er kann jedoch seinen Anspruch auf vorzugs­ weise Befriedigung aus dem Erlös im Wege der Klage geltend machen, ohne Rücksicht darauf, ob seine Forderung fällig ist oder nicht.

1) Vgl. § 771 ZPO. 2) Wenn aus dem Gegenstand ein (relatives) gesetzliches oder ge­ richtliches Veräußerungsverbot lastet (§8 135, 136 BGB.). 3) Bei Vollstreckungen in eine Vorerbschaft kann der Nachcrbc Widerspruch erheben, wenn sein Recht dadurch gefährdet oder vereitelt wird (§ 2115 BGB.). ♦) Bei Vollstreckungen gegen die ein selbständiges Erwerbsgeschäfi betreibende Ehefrau in das Gesamtgut oder das eingebrachte Gut kann der Mann Widerspruch erheben, wenn sein Einspruch gegen den Betrieb des Erwerbsgeschäftes oder der Widerruf seiner Einwilligung dazu recht­ zeitig in das Güterrcchtsrcgistcr eingetragen worden ist (§ 741 ZPO.). 5) Das Prozeßgericht, d. i. das Gericht, vor dem die Widerspruchs­ klage erhoben ist, und in dringenden Fällen (vorläufig) das Vollstreckungs­ gericht, d. i. das Amts gericht, in dessen Bezirk das Zwangsverfahren stattfindet, können auf Antrag die Einstellung oder Aufhebung von Voll­ streckungsmaßnahmen anordnen (§ 769 ZPO.). Auch im Urteil des Prozeßgerichts über die Widerspruchsklage kann über die Maßnahmen des § 769 ZPO. entschieden werden (§ 770 ZPO.).

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9. verwattungszwangSverfahren (1899).

(4) In den im Abs. 1 und 3 bezeichneten Fällen ist die Klage aus­ schließlich bei dem Gerichte zu erheben, in dessen Bezirke die Pfändung erfolgt ist. Wird die Klage gegen denjenigen, für dessen Rechnung die Zwangsvollstreckung stattfindet, und den Schuldner gerichtet, so sind diese als Streitgenossen anzusehen.

lGewährltistungSansprüchel §20. Wird ein Gegenstand auf Grund der Pfändung veräußert, so steht dem Erwerber wegen eines Mangels im Rechte oder wegen eines Man­ gels der veräußerten Sache ein Anspruch auf Gewährleistung nicht zu. ILffenbarungskidj § 21. (1) Hat die Pfändung zu einer vollständigen Deckung der beizu­ treibenden Geldbeträge nicht geführt oder wird glaubhaft gemacht, daß durch Pfändung eine vollständige Deckung nicht zu erlangen sei, so ist der Schuldner auf Antrag der für die Einziehung des Geldbetrags zustän­ digen Stelle verpflichtet, ein Verzeichnis seines Vermögens vorzulegen, in betreff seiner Forderungen den Grund und die Beweismittel zu bezeichnen, sowie den Osfcnbarungseid dahin zu leisten: daß er nach bestem Wissen sein Vermögen so vollständig ange­ geben habe, als er dazu imstande sei. (2) Für die Abnahme des Ofsenbarungseids ist das Amtsgericht zu­ ständig, in dessen Bezirke der Schuldner seinen Wohnsitz oder in Er­ mangelung eines solchen seinen Aufenthaltsort hat; für das Verfahren gelten die Vorschriften der §§ 900 bis 915 der Zivilprozeßordnung; jedoch ist die Vorauszahlung der Verpflegungskosten nicht erforderlich, wenn die Leistung des Offenbarungseids wegen solcher Geldbeträge beantragt ist, welche an den Staat zu entrichten sind.

6. Zwangsvollstreckung in körperliche Sachen. lBornahme der Pfändnngl § 22. (1) Die Pfändung der im Gewahrsame des Schuldners befindlichen körperlichen Sachen wird dadurch bewirkt, daß der Vollziehungsbeamte dieselben in Besitz nimmt. (2) Andere Sachen als Geld, Kostbarkeiten und Wertpapiere sind im Gewahrsame des Schuldners zu belassen, sofern nicht hierdurch die Be­ friedigung des Gläubigers gefährdet wird. Werden die Sachen im Ge­ wahrsame des Schuldners belassen, so ist die Wirksamkeit der Pfändung dadurch bedingt, daß durch Anlegung von Siegeln oder auf sonstige Weise die Pfändung ersichtlich gemacht ist. (3) Der Vollziehungsbeamte hat den Schuldner von der geschehenen Pfändung in Kenntnis zu setzen.

9. BerwaltungSiwangsverfahren (1899).

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IGewahrsam eines Tritten! §23. Die vorstehenden Bestimmungen finden entsprechende Anwendung auf die Pfändung von Sachen, welche sich im Gewahrsam eines zur Herausgabe bereiten Dritten befinden. fFrüchte auf dem Halm) § 24. (1) Früchte, die von dem Boden noch nicht getrennt sind, können gepfändet werden, solange nicht ihre Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen erfolgt ist. Die Pfändung darf nicht früher als einen Monat vor der gewöhnlichen Zeit der Reife erfolgen. (2) Ein Gläubiger, der ein Recht auf Befriedigung aus dem Grund­ stücke hat, kann der Pfändung nad) Maßgabe des § 19 Abs. 1 dieser Verordnung widersprechen, sofern nicht die Pfändung für einen im Falle der Zwangsvollstreckung in das Grundstück vorgehendcn Anspruch erfolgt ist. (Nicht pfändbare Sachen) § 25. (1) Die in dem § 811 der Zivilprozeßordnung bezeichneten Sachen sind der Pfändung nicht unterworfen*). (2) Die Vorschriften der §§ 8122) und 8133) der Zivilprozeßordnung finden entsprechende Anwendung. Öffentliche Versteigerung usw.) § 26. Die gepfändeten Sachen sind aus schristliche Anordnung der Boll­ streckungsbehörde und zwar in der Regel durch den Dollziehungs2) Nicht gepfändet werden dürfen: Die zur ange­ messenen Lebenshaltung erforderlichen Gegenstände (Betten, Kleider, Kücheund Nahrungs-, Feuerungs- und Beleuchtungsmittel auf vier Wochen bzw. daS Geld dafür auf zwei Wochen, alle für den Beruf oder die anderweitr (persönliche) Erwerbstätigkeit des Schuldners erforderlichen Gegen­ stände (auch anständige Kleidung, soweit sie dazu gehört), ferner bei Offizieren, Beamten, Ärzten ein gewisser Geldbetrag (§ 811 Ziss. 8), das zum Betrieb einer Apotheke Erforderliche, für den täglichen Gebrauch bestimmte religiöse, Schul- oder Lehrbücher; ferner, soweit sie in Ge­ brauch genommen oder zur unmittelbaren Verwendung bestimmt sind, Familienbücher, Trauringe, Orden und Ehrenzeichen, künstliche Glied­ maßen, Brillen und dgl., Bestattungsgegenstände. 2) Hausratsgegenstände, die einen unverhältnismäßig geringen Er­ lös erwarten lassen, sollen nicht gepfändet werden. 3) Bei Pfändungen gegen einen Landwirt ist unter bestimmten Vor­ aussetzungen nach § 813 ZPO. ein landwirtschaftlicher Sachverständiger zuzuziehen.

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9. Verwaltungszwangsvrrfahren (1899).

beamten öffentlich zu versteigern; Kostbarkeiten sind vor der Versteige­ rung durch einen Sachverständigen abzuschätzen. Gepfändetes Geld hat der Vollziehungsbeamte an die Vollstreckungsbchörde abzuliefern; die Wegnahme des Geldes durch den Vollziehungsbeamtcn gilt als Zahlung von feiten des Schuldners. IZeit und Ort der Versteigerung) § 27. (1) Die Versteigerung der gepfändeten Sachen darf nicht vor Ab­ lauf einer Woche seit dem Tage der Pfändung geschehen, sofern nicht der Schuldner sich mit einer früheren Versteigerung einverstanden erklärt oder dieselbe erforderlich ist, um die Gefahr einer beträchtlichen Wert­ verringerung der zu versteigernden Sache abzuwcndcn oder um unverhältnismäßige Kosten einer längeren Aufbewahrung zu vermeiden. (2) Die Versteigerung erfolgt in der Gemeinde, in welcher die Pfändung geschehen ist. Zeit und Ort der Versteigerung sind unter all­ gemeiner Bezeichnung der zu versteigernden Sachen öffentlich bekanntzu­ machen. Auf Ersuchen der Vollstreckungsbehörde ist der Ortsvorsteher verpflichtet, der Versteigerung beizuwohncn oder einen Gemeinde- oder Polizeibcamten mit der Beiwohnung zu beauftragen. (3) Die Vorschriften des § 18 finden auf die Versteigerung ent­ sprechende Anwendung.

(Verfahrrnl § 28. (1) Bei der Versteigerung ist nach den Vorschriften der §§ 816 Abs. 4, 817 Abs. 1 bis 3, 818 der Zivilprozeßordnung zu verfahre,!. (2) Die Empfangnahme des Erlöses durch den versteigernden Be­ amten gilt als Zahlung von feiten des Schuldners. l@elb. und eilberjadjtn) § 29. Gold- und Silbersachen dürfen nicht unter ihrem Gold- oder Silber­ werte zugeschlagen werden. Wird ein den Zuschlag gestattendes Gebot nicht abgegeben, so kann der Verkauf aus freier Hand zu dem Preise bewirkt werden, welcher den Gold- oder Silberwert erreicht.

^Wertpapiere! § 30. Gepfändete Wertpapiere sind, wenn sie einen Börsen- oder Markt­ preis haben, aus freier Hand zum Tageskurse zu verkaufen und, wenn sie einen solchen Preis nicht haben, nach den allgemeinen Bestimmungen zu versteigern. IFnichte auf dem Halm (g 24)1 § 31. Die Versteigerung gepfändeter, von dem Boden noch nicht getrenn­ ter Früchte ist erst nach der Reife zulässig. Sie kann vor oder nach der Trennung der Früchte erfolgen; im letzteren Falle hat der Vollziehungs­ beamte die Aberntung bewirken zu lassen.

0. Berwaltungszwangsverfahren (1890).

INamenspapier)

M

§ 32.

Lautet ein gepfändetes Wertpapicr auf Namen, so ist die Voll­ streckungsbehörde berechtigt, die Umschreibung auf den Namen des Käu­ fers oder, wenn cs sich um ein auf Namen umgeschriebcnes Inhaber­ papier handelt, die Rückverwandlung in ein Jnhaberpapier zu erwirken und die hierzu erforderlichen Erklärungen an Stelle des Schuldners ab­ zugeben.

lMweich. Anordn. b. BollstrBkh-I

§ 33.

Aus Antrag des Schuldners oder aus besonderen Zweckmäßigkeits­ gründen kann die Vollstrccknngsbehörde anordnen, daß die Verwertung einer gepfändeten Sache in anderer Weise oder an einem anderen Orte, als in den vorstehenden Paragraphen bestimmt ist, stattzufinden habe oder daß die Versteigerung durch eine andere Person als den Vollziehungsbcamtcn vorzunchmcn sei. fAnschlußPfändung)

§ 34.

(1) Zur Pfändung bereits gepfändeter Sachen genügt die in das Protokoll aufzunchmcndc Erklärung des Vollzichungsbeamten, daß er die Sachen zur Deckung der ihrer Art und Höhe nach zu bezeichnenden Geldbeträge pfände. Der Schuldner ist von der weiteren Pfändung in Kenntnis zu setzen. (2) Ist die erste Pfändung im Auftrag einer anderen Vollstreckungs­ behörde oder durch einen Gerichtsvollzieher erfolgt, so ist dieser Boll­ streckungsbehörde beziehungsweise dem Gerichtsvollzieher eine Abschrift des Protokolls zuzustellen. (3) Eine entsprechende Verpflichtung hat der Gerichtsvollzieher, welcher im Wege der gerichtlichen Zwangsvollstreckung eine bereits int Auftrag einer Vollstreckungsbehörde gepfändete Sache pfändet.

lBersteig. bei Anschlußpfändungf

§ 35.

(1) Wenn eine mehrfache Pfändung desselben Gegenstandes im Auf­ trage verschiedener Vollstreckungsbehörden oder im Auftrag einer Voll­ streckungsbehörde und durch Gerichtsvollzieher stattgefunden hat, so be­ gründet ausschließlich die erste Pfändung die Zuständigkeit zur Ausfüh­ rung der Versteigerung. (2) Die Versteigerung erfolgt für alle beteiligten Gläubiger auf Be­ treiben eines jeden derselben. (3) Die Verteilung des Erlöses erfolgt nach der Reihenfolge der Pfändungen oder, falls die sämtlichen Beteiligten über die Verteilung einverstanden sind, nach der getroffenen Vereinbarung. (4) Ist der Erlös zur Deckung der Forderungen nicht ausreichend und verlangt der Gläubiger, für welchen die zweite oder eine spätere Pfändung erfolgt ist, ohne Zustimmung der übrigen beteiligten Gläubiger

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S. LerwaltungszwangSverfahren (1899).

eine andere Verteilung als nach der Reihenfolge der Pfändungen, so ist die Sachlage unter Hinterlegung des Erlöses demjenigen Amtsgericht, in dessen Bezirke die Pfändung stattgefunden hat, anzuzeigen. Dieser An­ zeige sind die aus das Verfahren sich beziehenden Schriftstücke beizufügen. Die Verteilung erfolgt nach Maßgabe der Vorschriften der §§ 873 bis 882 der Zivilprozeßordnung. (5) In gleicher Weise ist zu verfahren, wenn die Pfändung für mehrere Gläubiger gleichzeitig bewirkt ist.

0. Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte. lSeldforderungens § 36. (1) Soll eine Geldfordcrung gepfändet werden, so hat die Voll­ streckungsbehörde durch schriftliche Verfügung dem Drittschuldner zu ver­ bieten, an den Schuldner zu zahlen. (2) Zugleich hat die Vollstrcckungsbehörde an den Schuldner durch schriftliche Verfügung das Gebot zu erlassen, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere der Einziehung derselben, zu enthalten. (3) Mit der Zustellung der Verfügung an den Drittschuldner ist die Pfändung als bewirkt anzusehen. Von dieser Zustellung ist der Schuld­ ner in Kenntnis zu setzen.

sHypothektnforderungl § 37. Zur Pfändung einer Forderung, für welche eine Hypothek besteht, ist außer dem Pfändungsbeschlusse die Aushändigung des Hypotheken < briefs an die Vollstreckungsbehörde erforderlich. Tie Vorschriften des § 830 der Zivilprozeßordnung finden entsprechende Anwendung. IWechsel, indoss. Papierei § 38. Die Pfändung von Forderungen aus Wechseln und anderen Papie­ ren, welche durch Indossament übertragen werden könnet), wird dadurch bewirkt, daß der Vollziehungsbeamte diese Papiere in Besitz nimmt, süderweisungl § 39. Die gepfändete Geldforderung ist demjenigen, für dessen Rechnung die Zwangsvollstreckung erfolgt, durch die Vollstreckungsbehörde zur Ein­ ziehung zu überweisen; dieselbe hat beglaubigte Abschriften der Verfü­ gung dem Schuldner und dem Drittschuldner zustellcn zu lassen.

sWirkung der Überweisung! § 40. (1) Die Überweisung ersetzt die förmlichen Erklärungen des Schuld­ ners, von welchen nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes die Be*) Z. B. § 363 HGD.

der

Namensscheck

und

die

sieben

Wertpapiere

des

v. BerwaltungSzwangSverfahren (1899).

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rechtigung zur Einziehung der Forderung abhängig ist. Bei Überwei­ sung einer Forderung, für welche eine Hypothek besteht, findet der § 837 der Zivilprozeßordnung entsprechende Anwendung. (2) Der Uberweisungsbeschluß gilt, auch wenn er mit Unrecht er­ lassen ist, zugunsten des Drittschuldners dem Schuldner gegenüber so lange als rechtsbeständig, bis. er aufgehoben wird und die Aushebung zur Kenntnis des Drittschuldners gelangt. (3) Der Schuldner ist verpflichtet, die zur Geltendmachung der For­ derung nötige Auskunft zu erteilen und die über die Forderung vor­ handenen Urkunden hcrauszugebcn. Im Weigerungsfälle sind die Ur­ kunden auf Anordnung der Vollstreckungsbehörde dem Schuldner durch den Bollziehuugsbeamten wegzunehmen. (4) Werden die herauszugebendcn Urkunden nicht vorgefunden, so kann von dem Schuldner die Ableistung des Offenbarungseids dahin. daß er die Urkunden nicht besitze, auch nicht wisse, wo dieselben sich befinden, gefordert werden. (5) Das Gericht kann eine der Lage der Sache entsprechende Ände­ rung der vorstehenden Eidcsnorm beschließen.

(6) Für die Zuständigkeit des Gerichts und das Verfahren finden die Vorschriften des § 21 entsprechende Anwendung. (7) Befindet sich eine herauszugebende Urkunde im Gewahrsam eines Dritten, so ist demjenigen, für dessen Rechnung die Zwangsvollstreckung erfolgt, der Anspruch des Schuldners aus Herausgabe derselben nach Maßgabe des § 39 zu überweisen. fkrNärungen des Drittschuldners

§ 41.

(1) Auf Verlangen des Gläubigers hat der Drittschuldner binnen zwei Wochen, von der Zustellung der im § 36 Abs. 1 bezeichneten Ver­ fügung an gerechnet, dem Gläubiger zu erklären: 1. ob und inwieweit er die Forderung als begründet anerkenne und Zahlung zu leisten bereit sei; 2. ob und welche Ansprüche andere Personen an die Forderung machen; 3. ob und wegen welcher Ansprüche die Forderung bereits für andere Gläubiger gepfändet sei. (2) Die Aufforderung zur Abgabe dieser Erklärung kann in die vor­ gedachte Verfügung ausgenommen werden. Der Drittschuldner haftet dem Gläubiger für den aus der Nichterfüllung seiner Verpflichtung ent­ stehenden Schaden. (3) Die Bestimmungen der §§ 841 bis 843 der Zivilprozeßordnung finden Anwendung.

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9. BerwaltungszwangSversahren (1899).

[Sor^fänbung]1) § 42. (1) Schon vor der Pfändung kann die für die Einziehung zu­ ständige Stelle durch die Vollstreckungsbehörde dem Drittschuldner und dem Schuldner die Benachrichtigung, daß die Pfändung bevorstehe, zu­ stellen lassen mit der Aufforderung an den Drittschuldner, nicht an den Schuldner zu zahlen, und mit der Aufforderung an den Schuldner, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere der Einziehung der­ selben, zu enthalten. (2) Tie Benachrichtigung an den Drittschuldner hat die Wirkung eines Arrestes (§ 930 der Zivilprozeßordnung), sofern die Pfändung der For­ derung innerhalb drei Wochen bewirkt wird. Die Frist beginnt mit dem Tage, an welchem die Benachrichtigung zugestellt ist.

(Andere Ansprüche) § 43. Die Zwangsvollstreckung in Ansprüche, welche die Herausgabe oder Leistung körperlicher Sachen zum Gegenstände haben, erfolgt nach den Vorschriften der §§ 36 bis 42 unter Berücksichtigung der nachstehenden Bestimmungen.

(Herausgabe beweglicher Sachen) § 44. (1) Bei der Pfändung eines Anspruchs, welcher eine bewegliche kör­ perliche Sache betrifft, hat die Vollstreckungsbehörde anzuordnen, daß die Sache an den zu bezeichnenden Vollziehungsbeamten herauszugeben sei. (2) Auf die Verwertung der Sache finden die Vorschriften über die Verwertung gepfändeter Sachen Anwendung. (Herausgabe unbewegt. Sachen) §45. (1) Bei Pfändung eines Anspruchs, welcher eine unbewegliche Sache betrifft, hat die Vollstreckungsbehörde anzuordnen, daß die Sache an einen auf ihren Antrag vom Amtsgerichte der belegenen Sache zu be­ stellenden Sequester herauszugeben sei. (2) Ist der Anspruch auf Übertragung des Eigentums gerichtet, so hat die Auflassung an den Sequester als Vertreter des Schuldners zu er­ folgen. Mit dem Übergänge des Eigentums auf den Schuldner erlangt derjenige, für dessen Rechnung die Zwangsvollstreckung erfolgt, eine Sicherungshypothek für seine Forderung. Der Sequester hat die Ein­ tragung der Sicherungshypothek zu bewilligen. (3) Die Zwangsvollstreckung in die herausgegebene Sache wird nach den für die Zwangsvollstreckung in unbewegliche Sachen gellenden Vor­ schriften bewirkt.

(Nicht pfändbare Forderungen)

8 462).

(1) Die Verbote und Beschränkungen, die für die Pfändung von Forderungen und Ansprüchen nach der Zivilprozeßordnung 1) Das Gegenstück zu § 845 ZPO. 2) § 46 i. d. F. d. VO. v. 16. März 1926 (GS. S. 103) Art. I Ziss. 1.

9. BerwaltungSzwangSverfahren (1899).

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(§§ 850—852) 9 und anderen reichsrechtlichen Vorschriften be­ stehen, gelten auch für das Verroaltungszwangsverfahren. (2) Bei der Einziehung von Disziplinarstrafen und von solchen Zwangsstrafen, welche durch die Vorgesetzte Dienstbehörde festgesetzt sind, unterliegt die Pfändung des Diensteinkommens und der Pension der Zivilbeamten, der Geistlichen sowie der Arzte und Lehrer an öffentlichen Anstalten keinen Beschrän­ kungen. Die zur Bestreitung eines Dienstaufwandes bestimmten Einkünfte sind auch in diesem Falle der Pfändung nicht unter­ worfen.

§47. [(Gestrichen durch Art. I Zisf. 2 der BO. b. 16. März 1926 ((GS. S, 103).] (Verfahren b. Anschluhpfändungj § 48. (1) Ist eine Forderung auf Anordnung mehrerer Vollstreckungs­ behörden oder auf Anordnung einer Vollstreckungsbehörde und eines *) S. hierzu das (Gesetz, betr. die Beschlagnahme des Arbeits- oder Dienstlohnes, vom 21. Juni 1869 (Bundesgesetzbl. S. 242) (letzte Ände­ rung vom 17. Mai 1898) und vor allem die Lohnpfändungs­ verordnung in der Fassung des Gesetzes vom 2 7. Februar 1 9 2 8 (RGBl. I 2. 45), insbes. § 1 das. Danach sind vom Arbeitsoder Dien st loh n (nicht vom Beamtengehalt, s. dar. unten!) 7,50 täglich, 45 ÄW wöchentlich, 195 Dl monat­ lich sowie ein Drittel des Mehrbetrages unpfändbar (§. 1 Abs. 1 a. a. O.). Bei gesetzlicher Unterhaltspflicht (auch für uneheliche Kinder) erhöht sich unter gewissen Voraussetzungen diese Unpfändbarkeitsgrenze (§ 1 Abs. 2 und 3 a. a. £).). Das Beamtengehalt bzw. Pension (auch der Soldaten) ist nur pfändbar in Höhe eines Drittels von dem 195 ÄW monatlich über­ steigenden Betrag (§ 850 Abs. 1 Ziff. 7-9, Abs. 2 ZPO.). (Eine — das Verwaltungszwangsverfahren nicht berührende — Ausnahme ent­ hält 8 850 Abs. 4 ZPO.). Ferner sind (völlig) unpfändbar die Forderungen aus der Sozial­ versicherung u. ä. (§ 850 Ziff. 3—5), Soldatengehalt im Felde und auf in Dienst gestellten Kriegsschiffen (§ 850 Ziff. 6), Alimentensorderungen (§ 850 Ziff. 2). Im übrigen sind Forderungen nur pfändbar, soweit sie übertragbar sind (§ 851 ZPO., Ausn. Abs. 2 das.). Ein Pflichtteilsanspruch (§§ 2303 ff. BGB.) sowie der Rückforderungs­ anspruch des Schenkers (§ 528 BGB.) ist nur dann pfändbar, wenn er vertraglich anerkannt oder rechtshängig geworden ist (§ 852 ZPO.).

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S. Brrwaltungszwangsvrrfahren (1899).

Gerichts gepfändet, so finden die Vorschriften der §§ 853 bis 856 der Zivilprozeßordnung entsprechende Anwendung. (2) In Ermangelung eines nach §§ 853, 854 zuständigen Amts' gerichts findet die Hinterlegung bei der Hinterlegungsstelle desjenigen Amtsgerichts statt, in dessen Bezirke die Vollstreckungsbehörde, deren Pfändungsverfügung dem Drittschuldner zuerst zugestellt worden, ihren Sih hat. (Andere Vermögensrechte) § 49. (1) Auf die Zwangsvollstreckung in andere Vermögensrechte, welche nicht Gegen st and der Zwangsvoll st reckung in das unbewegliche Vermögen sind, finden die vorstehen­ den Bestimmungen entsprechende Anwendung. (2) Ist ein Drittschuldner nicht vorhanden, so ist die Pfändung mit dem Zeitpunkt als bewirkt anzusehen, in welchem dem Schuldner das Gebot, sich jeder Verfügung über das Recht zu enthalten, zugestellt ist. (3) Ein unveräußerliches Recht ist in Ermangelung besonderer Vor­ schriften der Pfändung insoweit unterworfen, als die Ausübung einem anderen überlassen werden kann. (4) Die Vollstreckungsbehörde kann bei der Zwangsvollstreckung in unveräußerliche Rechte, deren Ausübung einem anderen überlassen werden kann, besondere Anordnungen erlassen. Sie kann insbesondere bei der Zwangsvollstreckung in Nutzungsrechte eine Verwaltung an­ ordnen. In diesem Falle wird die Pfändung durch Übergabe der zu benutzenden Sache an den Verwalter bewirkt, sofern sie nicht durch Zu­ stellung der Pfändungsverfügung bereits vorher bewirkt ist. (5) Ist die Veräußerung des Rechtes selbst zulässig, so kann auch diese Veräußerung unter der gleichen Voraussetzung von der Doll­ streckungsbehörde angeordnet werden. (6) Auf die Zwangsvollstreckung in eine R e a l l a st, eine Grundschuld oder eine Rentenschuld finden die Vorschriften über die Zwangsvollstreckung in eine Forderung, für welche eine Hypothek besteht, entsprechende Anwendung. (7) Bezüglich der Zwangsverwaltung und Wiederverpachtung ver­ pachteter Grundstücke und Gerechtsame behält es bei den besonderen Be­ stimmungen des § 42 der Verordnung vom 26. Dezember 1808 (Gesetzsamml. von 1806 bis 1810 S. 464) und der Allerhöchsten Order vom 31. Dezember 18,25 (Gesetzsamml. für 1826 S. 5) fein Bewenden**). (Einzelbestimmungen) § 50. Die Bestimmungen der §§ 858 bis 863 der Zivilprozeßordnung-) finden entsprechende Anwendung. *) § 49 Abs. 7 betrifft die Zwangsvollstreckung wegen Pachtgeldforderungen für verpachtete fiskalische (und diesen gleichgestellte) Grundstücke. *) Schiffspart, Gesellschaftsanteile (§ 705 BGB.) können gepfändet

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0. VerwaltungsstvangSverfahrkn (1899).

Ersuchte Behörde, s. auch § 5) § 50 a*1). (1) Um die Ausführung von Maßregeln der Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte kann die Bollstreckungs­ behörde die entsprechende Behörde desjenigen Bezirks, in welchem der Schuldner seinen Wohnsitz oder Aufenthaltsort hat, ersuchen. (2) In diesem Falle tritt die ersuchte Behörde, soweit von ihr die Zwangsvollstreckung ausgesührt wird, an die Stelle der Bollstreckungsbehörde.

III. Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen. sRügemeineSs § 51. (1) Tic Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen erfolgt nach den für gerichtliche Zwangsvollstreckungen bestehenden Vorschriften-). Tie erforderlichen Anträge sind durch die Vollslrcckungsbchördc zu stellen. (2) Anträge auf Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung sind nur zulässig, sobald feststehl, daß durch Pfändung die Beitreibung des Geldbetrags nicht erfolgen kann. (3) Tie Vollstreckbarkeit der Forderung und die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung nach Maßgabe des Abs. 2 unterliegen nicht der Be­ urteilung des Gerichts oder Grundbuchamts. (4) In den besonderen Rechten der bestehenden Kreditverbände bei der Zwangsversteigerung oder Zwangsvcrwaltung der zu ihnen ge­ hörigen oder von ihnen beliehcncn Güter wird durch die Bestimmungen dieser Verordnung nichts geändert. (Rechtsnachfolger b.Licherungshyp.s § 52. Ist eine Sicherungshypothek eingetragen, so ist im Falle der Ver­ äußerung des belasteten Grundstücks die Zwangsvollstreckung in An­ sehung des Grundstücks gegen den Rechtsnachfolger zulässig. Tie Vor­ schriften des § 3 Abs. 3 finden Anwendung.

IV. Arrest. 8 SS. Soweit ein Arrest zur Sicherung der Zwangsvollstreckung wegen einer im Verwaltungszwangsverfahren beizutreibenden Geldforderung

werden; Anteil am Gesamtgut, Recht der Verwaltung und Nutznießung, Recht der elterlichen Nutznießung sind überhaupt nicht, die Früchte des eingebrachten Gutes und die Nutzungen der Vorerbschaft nur beschränk! pfändbar. 1) § 50a eingefügt durch BO. v. 18. März 1904 (GS. S. 36). 2) §§ 864 bis 871 ZPO. (Sicherungshypothek) und das Zwangsversteigerungsgesetz vom 24. März 1897 (Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung). Bühler, BerwaltungSgesetze.

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9. BerwaltungSzwangSverfahren (1899).

zulässig ist, erfolgt die Vollziehung desselben unter entsprechender An­ wendung der Vorschriften dieser Verordnung. Die Vorschriften der Zollund Steuergesetze über die Beschlagnahme zoll- oder steuerpflichtiger Ge­ genstände werden hierdurch nicht berührt.

V. Kosten der Zwangsvollstreckung. IMahngtbührj § 54*). (1) Für die Mahnung (§ 7) wird eine Gebühr erhoben (Mahn­ gebühr). (2) Die Mahngebühr beträgt von dem Betrage (§ 60) bis zu 100 Reichsmark einschließlich 1 vom Hundert, von dem Mehrbeträge % vom Hundert, mindestens jedoch 20 Reichspfennig?). (3) Tie Gcbührcnschuld entsteht, sobald der Mahnzettel zur Post gegeben oder dem mit der Behändigung Beauftragten übergeben wird oder sobald Auftrag zur mündlichen Mahnung erteilt wird. (4) Die Mahngebühr wird nicht erhoben, wenn der Auftrag zur Mahnung zurückgenommen wird, bevor der Beauftragte Schritte zur Ausführung des Auftrags unternommen hat. (5) Erfolgt die Mahnung durch öffentliche Bekanntmachung, so wird keine Mahngebühr erhoben.

IGrbiihrenpfl. Akte i. »»UftrTerf.) § 55. Im Vollstreckungsverfahren werden Gebühren erhoben: 1. für die Pfändung von Sachen, für die Wegnahme der vom Schuldner herauszugebenden Urkunden sowie für die Pfändung von Forderungen oder anderen Vermögensrechten (Pfän­ dungsgebühr, § 56); 2. für die Versteigerung und für den freihändigen Verkauf von Gegenständen (Versteigerungsgebühr, § 57); 3. für die Abschrift einer Niederschrift (Schreibgebühr, § 58).

IPfändungSgebührs § 56. (1) Die Pfändungsgebühr (§ 55 Nr. 1) beträgt von dem Betrage (§ 60) bis zu 100 Reichsmark einschließlich V/2 vom Hundert, von dem Mehrbeträge % vom Hundert, mindestens jedoch 60 Reichspfennig-). r) An die Stelle des früheren § 54 sind durch BO. v. 16. Mai 1923 (GS. S. 271) die §§ 54—65 getreten und dadurch §§ 55, 56 zu §§ 66, 67 geworden. -) § 54 Abs. 2 und § 56 Abs. 1 i. d. F. d. VO. v. 31. Oktober 1925 (GS. S. 153).

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9. Derwaltungöjwangsverfahren (1899).

(.2) Die Gcbührenschuld entsteht: 1. sobald der Auftrag zur Pfändung von Sachen oder zur Weg­ nahme von Urkunden dem Vollzichungsbeamten zugeht; 2. sobald die Vollstreckungsbchörde die Verfügung, durch die eine Forderung oder ein anderes Vermögensrecht gepfändet wird, unterzeichnet hat. (3) Die Pfändungsgcbühr wird nicht erhoben: 1. wenn die Vollstrcckungsbehörde den Vollstreckungsauftrag zurück­ nimmt, bevor der Vollziehungsbeamte Schritte zur Ausführung des Auftrags unternommen hat; 2. wenn die Vollstrecknngsbehördc von der Zustellung der Ver­ fügung, durch die eine Forderung oder ein anderes Vermögens­ recht gepfändet wird, Abstand nimmt. (4) Wird die Pfändung von Sachen abgewendet (§ 18), so ist 1. die volle Pfändungsgebühr zu entrichten, wenn an den Vollzichungsbcamten, nachdem er sich zur Vornahme der Pfändung an Ort und Stelle begeben hat, gezahlt wird; 2. die halbe Pfändungsgcbühr, mindestens aber das Dreifache der Briefgebühr (§ 59), zu entrichten, wenn an den Vollziehungs­ beamten gezahlt wird, bevor er sich an Ort und Stelle begeben hat, oder wenn die Pfändung in anderer Weise als durch Zahlung abgewcndct wird, nachdem der Vollzichungsbeamte an Ort und Stelle erschienen ist; 3. keine Psändungsgebühr zu entrichten, wenn die Pfändung in anderer Weise als durch Zahlung abgewendet wird, bevor sich der Vollziehungsbeamte an Ort und Stelle begeben hat. (5) Wird die Pfändung als Anschlußpfändung (§ 34) ausgeführt, so wird dadurch die Gcbührenschuld nicht berührt. Tas gleiche gilt, wenn ein Pfändungsvcrsuch erfolglos bleibt, weil pfändbare Sachen nicht vor­ gefunden werden oder weil die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 vorliegen. (6) Werden wegen desselben Anspruchs mehrere Forderungen oder andere Vermögensrechte gepfändet, so wird die Psändungsgebühr nur einmal erhoben.

sBersteigerungsgebühr) § 57. (1) Die Versteigerungsgebühr (§ 55 Nr. 2) beträgt von dem Betrage (§ CO) bis zu 100 Reichsmark einschließlich 2 vom Hundert, von dem Mehrbeträge 1 vom Hundert, mindestens jedoch 60 Neichspsennig*). (2) Die Gebührenschuld entsteht, sobald der Auftrag zur Versteige­ rung oder zum freihändigen Verkaufe dem Vollziehungsbeamten oder dem sonstigen Beauftragten zugeht. ’) Abs. 1 i. d. F. d. VO. v. 31. Oktober 1925 (GS. S. 153).

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s. Berwaltungszwangsverfahren (1899).

(3) Die Versteigerungsgebühr wird nicht erhoben, wenn die Voll­ streckungsbehörde den Auftrag zur Versteigerung oder zum freihändigen Verkauf zurücknimmt, bevor der Beauftragte Schritte zur Ausführung des Auftrags unternommen hat. (4) Wird die Versteigerung oder der freihändige Verkauf abgewendet (tz 27 Abs. 3), so finden die Bestimmungen des § 56 Abs. 4 mit der Maß­ gabe entsprechende Anwendung, daß auch im Falle des § 56 Abs. 4 Nr. 1 nur die halbe Versteigerungsgebühr, mindestens aber das Dreifache der Briefgebühr (§ 59), zu entrichten ist. lSchreibgebühr) § 58. (1) Die Schreibgebühr (tz 55 Nr. 3) beträgt das Doppelte der Brief­ gebühr (§ 59). Umfaßt die Abschrift mehr als zwei Seiten, so ist für jede weitere angefangene Seite ebenfalls das Doppelte der Briefgebühr (§ 59) zu entrichten. (2) Die Gebührenschuld entsteht, sobald die Erklärung, durch die die Abschrift bestellt wird, dem Vollziehungsbeamten oder der Vollstreckungs­ behörde zugehl. (3) Die Schreibgebühr wird nicht erhoben, wenn die Bestellung zu­ rückgenommen wird, bevor mit der Anfertigung der Abschrift begonnen worden ist.

IBriefgebühr als Mahstab, § 59. Briefgebühr im Sinne dieser Verordnung ist der Betrag, der an dem Tage, an dem die Gebührenschuld entsteht, für die Beförderung eines Briefes bis zu zwanzig Gramm im Fernverkehre zu entrichten ist.

lBerechnung) § 60. (1) Der Berechnung der Gebühren wird der Gesamtgoldwert der Beträge zugrunde gelegt, derentwegen gemahnt oder vollstreckt toitb1). Bei Feststellung des Betrags, von dem die Gebühren berechnet werden, werden Zinsen und Kosten nicht berücksichtigt, wenn sie als Neben­ schulden zusammen mit einer Hauptschuld gellend gemacht werden. Bei Ausführung einer Versteigerung oder bei einem Verkauf aus freier Hand wird die Versteigerungsgebühr von dem Erlöse berechnet, soweit er nicht die Summe der beizutreibenden Beträge übersteigt. (2) Zur Berechnung der Gebühren wird der nach Abs. 1 maßgebende Betrag auf den nächsten durch zehn teilbaren Reichsmarkbetrag, die Ge­ bühren selbst werden auf den nächsten durch fünf teilbaren Reichs­ pfennigbetrag nach unten abgerundet2).

!) § 60 Abs. 1 i. d. F. d. BO. v. 12. April 1924 (GS. S. 209). 2) § 60 Abs. 2 i. d. F. d. VO. v. 28. November 1924 (GS. S. 741).

9. VrrwaltungSzwangSvrrsahren (1899). (Pollstr. gegen Gesamtschuldner!

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§ 61.

(1) Wird gegen Eheleute wegen eines Anspruchs vollstreckt, für den die Eheleute als Gesamtschuldner haften, so werden Pfändungs- und Verslcigerungsgebührcn nur einmal erhoben. Für die Gebühren haften die Eheleute als Gesamtschuldner. (2) Wird in anderen Fällen gegen mehrere Schuldner vollstreckt, so sind die Gebühren, auch wenn der Vollziehungsbeamtc mehrere Vollstrcckungsmaßnahmcu bei derselben Gelegenheit vornimmt, von jedem Bollstreckungsschuldner besonders zu entrichten.

(Ikrroriibitng brr Mahngebühr!

§62.

Tie im Mahnverfahren entstehenden baren Auslagen sind ans der Mahngebühr zu decken.

(Mufingen]

§ 63.

(1) ^m Vollstrcckungsverfahren sind die Reise- und ZchrungSkoslcn des Vollzichungsbcamtcn von dem Vollstrcckungsschuldncr nicht zu erstatten. (2) Tie übrigen baren Auslagen, die im Vollstreckungsvcrfahrcn ent­ stehen, bat der Vollstrcckungsschuldncr zu erstatten. Zu den Auslagen gehören insbesondere: 1. die Post-, Fcrnsprcch- und Telcgrammgcbührcn; 2. die Kosten, die durch öffentliche Bekanntmachung, insbesondere durch Einrücken in öffentliche Blätter, entstehen; hierzu gehören auch die nach den Vorschriften des Gerichtskostengesehcs zu berech­ nenden Schreibgebührcn für Schriftstücke, die zum Aushange be­ stimmt sind, dagegen nicht die durch öffentliche Bekanntmachung der Mahnung entstehenden Auslagen; 3. die Beträge, die den zum Offnen von Türen oder Behältnissen zugezogenen Personen zu zahlen sind, ferner die Kosten der Be­ förderung, Verwahrung und Beaufsichtigung gepfändeter Sachen, die Kosten der Aberntung gepfändeter Früchte und der Erhaltung gepfändeter Tiere; 4. die an Zeugen und Sachverständige zu zahlenden Beträge (§ 64); 5. die Gerichtskosten und in den Fällen des § 35 etwaige Gebühren und Auslagen des Gerichtsvollziehers. (3) Die Pflicht zur Erstattung solcher Auslagen, die bei Ausführung einer Vollstrcckungsmaßnahme erwachsen, entsteht, sobald der Auftrag zu der Vollstrcckungsmatznahme dem Bollziehungsbeamten oder dem sonstigen Beauftragten zugeht oder sobald die Vollstreckungsbehördc die Verfügung, durch die eine Forderung oder ein anderes Vermögensrecht gepfändet wird, unterzeichnet. (4) Findet zur Versteigerung oder zum freihändigen Verkaufe von Sachen, die bei mehreren Vollstreckungsschuldnern gepfändet worden find,

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S. BerwaltungßzwangSverfahren (1899).

ein einheitliches Verfahren statt, so werden die Auslagen, die in diesem Verfahren entstehen, auf die beteiligten Vollstreckungsschuldner verteilt. Dabei ist auf die besonderen Umstände des einzelnen Falles, insbesondere auf Wert, Umfang und Gewicht der Gegenstände, billige Rücksicht zu nehmen.

sZtugengeldcr usw.)

§ 64.

(1) Zeugen und Sachverständigen ist auf Antrag eine Entschädigung zu gewähren. (2) Die Entschädigung darf die Gebühr einschließlich des Teuerungs­ zuschlags nicht übersteigen, die in bürgerlichen Rechtsstreitigkciteu auf Grund der Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige (in der jeweils geltenden Fassung)*) gewährt werden kann.

Illmrrchn.v.RM.i.SM., ?(britnb.) § 64 a2). (1) Auf die Umrechnung eines Reichsmarkbetrags in einen Goldmarkbetrag und umgekehrt finden die Vorschriften der Goldabgabenverordnung vom 18. Januar 1924 (Gesetzsamml. S. 40) Anwendung. (2) Ter Gesamtbetrag der Kosten (Gebühren und Auslagen), der von einem Schuldner zu entrichten ist, wird auf den nächsten durch fünf teilbaren Goldpfennigbetrag nach unten abgerundet.

lAuönahme für Gerichtsvollzieher)

§ 65.

Für Zwangsvollstreckungen, die durch Gerichtsvollzieher ausgeführt werden, gellen die Bestimmungen der §§ 54 bis 64 nicht. lAuszahlungl

§66.

(1) Die Gebühren des Vollziehungsbeamten und alle anderen Kosten der Zwangsvollstreckung werden von der Vollstreckungsbehörde aus den eingegangenen Geldern entnommen. (2) Bei Unzulänglichkeit dieser Gelder werden, soweit für den ein­ zelnen Fall nicht anderweite Bestimmungen maßgebend sind, zunächst die in Ansatz gebrachten Gebühren des Vollziehungsbeamten, sodann die übrigen Kosten der Zwangsvollstreckung berichtigt; soweit die letzteren aus den eingegangenen Geldern nicht gedeckt werden, sind dieselben unbe­ schadet der bestehenden anderweiten Vorschriften von demjenigen zu tragen, für dessen Rechnung die Zwangsvollstreckung erfolgt. 1) Die zurzeit geltende Fassung ist vom 21. Dezember 1925 (RGBl. I S. 471). -) § 64a eingefügt durch VO. v. 12. April 1924 (GS. S. 209), Art. I Ziff. 7.

10. Dcrwaltungsgebiihrengtsetz (1923).

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ISntrnfttrrten, AuösBkst.s § 67. (1) Diese Verordnung tritt gleichzeitig mit dem Bürgerlichen Gesetz­ buch in Kraft. (2) Tie zur Ausführung derselben erforderlichen Anordnungen*) haben die beteiligten Ministerien gemeinschaftlich zu erlassen?).

lO.Gesetz überstaatliche DerwaltungSgebühren. Dom 29. September 1923 (GS. S. 455). fGebührenpflicht, Gtbührtnsreiheits

§ 1.

einzelne auf Veranlassung der Beteiligten vor­ genommene Amtshandlungen staatlicher Organe, die im wesent­ lichen im Interesse einzelner erfolgen, werden Verwaltungs­ gebühren für die Staatskasse erhooen. Die Erhebung erfolgt aus Grund von Gebührenordnungen (§ 4). (2) Gebührenfrei sind solche Amtshandlungen, die über­ wiegend im öffentlichen Interesse erfolgen, und der mündliche Verkehr. Gebühren werden nicht erhoben beim Verkehre der Behörden untereinander, es sei denn, dah sie einem Dritten als Veranlasser zur Last zu legen sind. (1) Für

sAmtShandl. nichtstaatl. Crgmit]

§ 2.

Die Bestimmung des § 1 gilt auch für die kraft staatlichen Auftrags vorgenommenen Amtshandlungen von nichtstaatlichen Organen. Fünfzig vom Hundert der hierfür erhobenen Gebühren fliesten in oie Kasse derjenigen Stelle, deren Organ die gebühren­ pflichtige Amtshandlung vorgenommen hat. [Reine Gebührenpflicht nach anderen Gesetzen^

§ 3.

(1) Soweit auf Grund dieses Gesetzes die Erhebung einer Gebühr oder Eebührenfreiheit vorgeschrieben ist, wird die Er­ hebung von anderweitigen Gebühren ausgeschlossen, insbesondere i) Erlassen als „Anweisung vom 28. November 1899 zur Ausführung der Verordnung vom 15. November 1899, betreffend das Verwaltungs­ zwangsverfahren wegen Beitreibung von Geldbeträgen" (ZBlAB. 1900 S. 44), ergänzt durch Anweisungen v. 4. Juli 1904 (ZBlAB. S. 246) und 20. Juli 1912 (JMBl. S. 355). ?) Der (hier früher folgende) Gebührentarif ist durch Art. 2 der BO. v. 16. Mai 1923 (GS. S. 271) beseitigt worden.

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10. Derrvaltungögebührengesetz (1923).

auch die Erhebung von Gebühren nach § 6 des Kommunal­ abgabengesetzes vom 14. Juli 1893 (Eesemamml. S. 152) und §§ 4 und 24 des Kreis- und Provinzialabgabengesetzes vom 23. April 1906 (Gesetzsamml. S. 159), beide in der Fasiung des Gesetzes vom 26. August 1921 (Gesetzsamml. S. 495), sowie die Erhebung von Sporteln und ähnlichen Abgaben, gleichviel ob sie auf Gesetz, Verordnung oder Herkommen beruhen. (2) Das entsprechende gilt für die Erhebung der Stempel­ steuer. Inwieweit bie Erhebung einer Stempelsteuer neben der Gebühr ganz oder teilweise ausgeschlossen wird, wird durch die vom Staatsministerium oder von den zuständigen Ministern gemäß 8 4 zu erlassenden Gebührenordnungen bestimmt. (3) Werden bei der Vornahme einer Amtshandlung be­ sondere bare Auslagen notwendig, so kann deren Erstattung auch neben der Zahlung einer Gebühr verlangt werden. Dies gilt auch beim Verkehre der Behörden untereinander. (Gebührenordnungen]

§ 4.

(1) Die Gebührenordnungen (§ 1) erlägt das Staatsminiftciium1). In denjenigen Anaeleyenheiten, die eine gleichmäßige Regelung für alle Geschäftsbereiche nicht erfordern, übt diese Befugnis jeder Minister für seinen Geschäftsbereich aus. Eine Übertragung der Befugnis auf Nachgeordnete Stellen in beson­ deren Fällen ist zulässig. Soweit nicht hiernach der Finanz­ minister selbst zuständig ist, ist sein Einverständnis erforderlich. (2) Die Gebühren sollen unter Berücksichtigung der Kosten des betreffenden Verwaltungszweiges festgesetzt werden. (3) Dre Gebührenordnungen sind nach näherer Anordnung des Staatsministeriums zu veröffentlichen. (4) Jede Gebührenordnung ist dem Landtage zur Kenntnis­ nahme vorzulegen und muß auf dessen Verlangen wieder auf­ gehoben werden. (Befreiungen]

§ 5.

Die Minister sind befugt, innerhalb ihrer Zuständigkeit von der Erhebung von Gebühren im Einzelfalle oder für Fälle bestimmter Art aus sachlichen oder persönlichen Billigkeits­ gründen ganz oder zum Teil abzusehen und diese Befugnis auf Nachgeordnete Stellen zu übertragen; soweit es sich nicht um einen Gebührenerlaß im Einzelfalle handelt, ist das Einver­ ständnis des Finanzministers erforderlich. *) Gegenwärtig gilt die vom 30. Dezember 1926 (GS. S. 327) i. d. F. der Verordnung vom 24. Juli 1930 (GS. S. 206).

10a. Flaggen von öff.-rechtl. Uörprrfchaften (1929). [Gebührenmarken)

[10 ft

§ 6.

Die Entrichtung der Gebühren kann nach näherer Anord­ nung des Finanzmlnisters durch Verwendung von Gebühren­ marken erfolgen. [Beschwerde, Bkrsahren)

§ 7.

Gegen die Erhebung einer Gebühr findet die Beschwerde im Aufsichtswege statt, sofern nicht gesetzlich eine andere Regelung getroffen ist. Die näheren Verfahrensvorschriften erläßt erfor­ derlichenfalls das Staatsministerium. [Lchluh- ii. ÜbergangSdestimm.)

§ 8.

(1) Dieses Gesetz findet auch Anwendung im Falle des § 124 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltnng vom 30. Juli 1883 (Eesetzsamml. S. 195), des § 45 des Verwaltungsstrafgesetzes vom 26. Juli 1897 (Gesetzsamml. S. 237) und des § 43 Abs. 1 und 4 des Gesetzes über die Enteignung von Grundeigentum vom 11. Juni 1874 (Gesetzsamml. S. 221). (2) Der 8 140 des Preußischen Eerichtskostengesetzes vom 28. Oktober 1922 (Eesetzsamml. S. 363) in der Fassung des Ge­ setzes vom 12. April 1923 (Gesetzsamml. S. 107) erhält folgende Fassung: Die Erhebung von Gebühren in Angelegenheiten der Justizverwaltung erfolgt aus Grund des Gesetzes über staatliche Verwaltungsgebühren vom 29. September 1923 (Eesetzsamml. S. 455). Den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Vorschrift bestimmt der Justizminister im Einverständnisse mit dem Finanzminister. (3) Im übrigen können die Vorschriften dieses Gesetzes in Abweichung von sonstigen Bestimmungen über Gebühren, insbe­ sondere auch von solchen, durch die Gebührenfreiheit bisher ange­ ordnet war, Anwendung finden. Dies gilt auch für das Verroaltungsstreitverfahren').

10s. Gesetz über das Flaggen von Körperschaften des öffentlichen Rechts. Dom 17. März 1Y29 (GS. S. 23). fTas Gesetz und die Verordnung sind ergangen, nachdem in einem hartnäckigen Streit um die kommunalen Pflichten in Beziehung auf Be­ flaggung das Ministerium des Innern vor dem OVG. (vgl. Entsch.

!)§8 Abs. 3 i. d. F. d. G. v. 18. Januar 1924 (GS. S. 40).

10b]

10b. Verordnung über das öffentliche Flaggen (1920).

Vd. 82 S. 82) Unrecht bekommen hatte. Tas Gesetz ist außer durch das, was es unmittelbar regelt, auch allgemein wichtig für die Frage nach der Abgrenzung des Staates von der Kommunalverwaltung.j

Einziger Artikel. (1) Die Beflaggung der Dienstgebäude, der zum öffentlichen Gebrauche bestimmten Gebäude und sonstigen Einrichtungen oer Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der öffentlichen Stratzen und Plätze als solcher gehört als Angelegenheit der Landeshoheit zu den örtlichen Geschäften der allgemeinen Landesverwaltung. Das gleiche gilt für dre Gebäude der nicht vom Staate allein unterhaltenen öffentlichen Schulen. Auch das Flaggen durch die übrigen Körperschaften des öffentlichen Rechts unterliegt der Bestimmung durch das Staatsministerium. (2) Für die Religionsgesellschaften besteht keine Verpflich­ tung zur Beflaggung. Unberührt bleibt ihr Recht, selbständig darüber zu bestimmen, ob und wann ihre eigenen Flaggen entweder allein oder neben anderen vom Staatsministerrum zu­ gelassenen Flaggen zu zeigen sind. Für Schulgebäude, an denen Religionsgesellschaften teilhaben, verbleibt es bei der Bestim­ mung des Abs. 1 Satz 2.

10 b. Verordnung über das öffentliche Flaggen. Dom 29. 2uni 1929 (GS. S. 79). Auf Grund der Artikel 7, 51 der Preußischen Verfassung wird zu­ gleich in Ausführung des Gesetzes über das Flaggen durch Körperschaften des öffentlichen Rechtes vom 17. März 1929 (Gesetzsamml. S. 23) fol­ gendes verordnet: fZugrlaffene Flaggens

§ 1.

(1) Die Beflaggung der staatlichen und kommunalen Dienst­ gebäude sowie der Gebäude der öffentlichen Schulen erfolgt tn den Reichsfarben Schwarz-Rot-Eold und in den Landesfarben Schwarz-Weitz. (2) Soweit auf Grund des 5 2a und b geflaggt wird, können Gemeinden (Eemeindeverbände), die bisher Flagaen in eigenen Farben (z. B. in den Stadt- und Provinzfarben) führen, diele neben den Reichs- und Landesfarben zeigen. Im übrigen bleibt ihre Befugnis zum Zeigen eigener Flaggen unberührt.

10b. Verordnung über das öffentliche Flaggen (1929).

[10b

(3) Neue oder geänderte Flaggen der Gemeinden (Gemeinde­ verbände) dürfen nur mit Zustimmung des Staatsministeriums gezeigt werden. (4) Zu den Gebäuden der öffentlichen Schulen im Sinne dieser Verordnung gehören auch solche, an denen Religions­ gesellschaften teilhaben.

[Anlässe zum Flaggen) § 2. (1) Die staatlichen und kommunalen Dienstgebäude sowie die Gebäude der öffentlichen Schulen sind zu beflaggen: a) am Verfassungstag (11. August) ohne besondere Anord­ nungb) aus besonderen Anlässen, die für das ganze Land oder einzelne seiner Teile von allgemeiner politischer Bedeu­ tung sind, auf Anordnung des Staatsministeriums,' c) aus örtlichen Anlässen von nicht politischer Bedeutung auf Anordnung der örtlich zuständigen Dienststellen. Gegebe­ nenfalls entscheidet der Oberpräsident. (2) In allen anderen Fällen ist von einer Beflaggung der staatlichen Dienstgebäude Tomic der Gebäude der öffentlichen Schulen abzusehen, über Ausnahmefälle entscheidet der Ober­ präsident.

[Dienst- u. staatseigene Gebäude) (1) Zu beflaggen sind:

§ 3.

a) staatliche und kommunale Dienstgebäude ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse, insbesondere also auch ange­ mietete oder anderweitig zu dienstlichen Zwecken über­ lassene Gebäudeb) vom Staat und von den Gemeinden (Gemeindeverbänden) angemietete oder ihnen anderweitig zu dienstlichen Zwecken überlassene einzelne Räume, soweit sie dem Verkehre mit dem Publikum dienen, auch wenn sie sich in Gebäuden be­ finden, die nicht ausschließlich für dienstliche Zwecke be­ stimmt sind; c) staatliche und kommunale Dienstwohnyebäude nach näherer Bestimmung der zuständigen Fachminister; d) alle anderen staatseigenen Gebäude. Soweit sie vermietet, verpachtet oder aus einem anderen Rechtsgrunde Dritten überlasten sind, ist zur Sicherstellung ihrer Beflaggung 1. bei schon bestehenden Verträgen deren entsprechende Ergänzung anzustreben,2. der Abschluß neuer Verträge von der Innehaltung dieser Bestimmungen abhängig zu machen.

10 b]

10 b. Verordnung über das öffentliche -loggen (1029).

(2) Für Gemeinden (Gemeindeverbände) mit mehreren kom­ munalen Dienstgebäuden oder Diensträumen (Abs. la und b) bestimmt im Zweifelsfalle die zuständige Kommunalaufsichts­ behörde, welche Dienstgebäude (-räume) neben dem Hauptverwaltungsgebäude zu beflaggen sind. (3) Drese Bestimmungen finden keine Anwendung aus: a) Nebengebäude von untergeordneter Bedeutung, wenn das Hauptgebäude beflaggt wird,b) Räume, die zur Beflaggung nicht geeignet sindc) Räume, die regelmäßig dem Privatgebrauche dienen, in denen aber gleichzeitig Dienstgeschäfte verrichtet werden. (Tienstwohnungen)

§ 4.

(1) Inhaber von Dienstwohnungen, die sich in staatlichen oder kommunalen Dienstgebäuden befinden, dürfen von ihren Woh­ nungen aus nur dann, wenn das Dienstgebäude selbst beflaggt wird, und nur in den hierfür zugelassenen Farben flaggen. (2) Dienstwohnungen, die sich nicht in Dienstgebäuden befin­ den, dürfen gleichfalls nur in den bezeichneten Farben beflaggt werden. (Mietwohnungen in Dienst. und staatseigenen Gebäuden)

§ 5.

(1) Für Mietwohnungen in staatlichen oder kommunalen Dienstgebäuden gilt die Borschrift des § 4 Abs. 1. Gehört der Mieter nicht zu den Staats- oder Kommunalbeamten, -ange­ stellten oder -arbeitern, so ist zur Durchführung dieser Vorschrift entsprechend § 3 Abs. Id zu verfahren. (2) Mietwohnungen, die sich in anderen Gebäuden befinden, die im Eigentums des Staates stehen, sind grundsätzlich nur in den bezeichneten Farben zu beflaggen. Zur Erreichung dieses Zweckes ist entsprechend § 3 Abs. Id zu verfahren. (Art der Beflaggung)

§ 6.

Für die Art der Beflaggung der staatlichen und kommunalen Dienstaebäude in den Reichs- und Landesfarben gelten folgende Grundsätze: a) Ist nur ein Flaggenmast vorhanden, so ist an ihm stets die Reichsflagge zu hissen. Die preußische Flagge ist in diesem Falle, soweit sich nicht ein zweiter Flaggenmast anbrinaen läßt, an einer bevorzugten Stelle der Straßenfront des Hauses mittels eines besonderen Flaggenstocks als hän­ gende Flagge anzubringen. b) Ist mehr als ein Flaggenmast vorhanden, so sind bei einer geraden Zahl die Reichs- und Landesfaroen gleichmäßig,

10 b. Verordnung über das öffentliche Flaggen (1929).

[10b

bei einer ungeraden Zahl die Reichsfarben auch an dem überzähligen Flaggenmaste zu hissen. Bei kommunalen Dienstgebäuden können überzählige Flaggenmasten auch zur Hifsung der im § 1 Abs. 2 bezeichneten Flaggen ver­ wendet werden. c) Ist kein Flaggenmast vorhanden, so sind je eine hängende Reichs- und eine Landesflagge von angemessener gleicher Größe mittels besonderer Flaggenstöcke an der Straßen­ front des Hauses in gleichwertiger Anordnung anzu­ bringen. (I) Die Beflaggung beginnt morgens um 7 Uhr und endet bei Eintritt der Dunkelheit.

[Lchulgebäudej § 7. Die Bestimmungen der §§ 3 bis 6 gelten sinngemäß auch für die Gebäude der öffentlichen Schulen. Im Zweifelsfalle ent­ scheidet die Schulaufsichtsbehörde.

[And. öffenll.-rechtl.Körperschaften) § 8. (1) Die vorstehenden Bestimmungen finden auf das Flaggen durch die übrigen Körperschaften des öffentlichen Rechtes ent­ sprechende Anwendung. (2) Unberührt bleibt das Recht der Religionsgesellschaften zum Zeigen eigener Kirchenflaggen. Insoweit finden die Be­ stimmungen der §§ 1 bis 3, 6 keine Anwendung. Reben oder an Stelle der Kirchenflaggen dürfen nur die im 8 1 zugelassenen Flaggen gezeigt werden.

iBrslag-ung v. Ttrahen u. Plätzen) § 9. Soweit eine Beflaggung der öffentlichen Straßen und Plätze sowie der zum öffentlichen Gebrauche bestimmten Gebäude und sonstigen öffentlichen Einrichtungen des Staates und der Eememden (Gemeindeverbände) in Frage kommt, dürfen nur die im § 1 bezeichneten Farben zur Verwendung gelangen. [Lchluhbestimmungen)

§10.

(1) Alle früheren Einzelbestimmungen über den Gegenstand dieser Verordnung treten außer Kraft. (2) Die zur Durchführung dieser Verordnung erforderlichen Anordnungen erläßt jeder Fachminister innerhalb seines Ge­ schäftsbereichs.

11]

11. östliche Städteordnung mit westfälischer (1853/1856).

II. Kommunalverwaltungsrecht. 1. Slädterecht.

11. Städteordnung für die östlichen Provinzen und Westfälische Städteordnung. 1. Städteordnung für die sechs') östlichen Provinzen der Preuhischen Monarchie. Dom 30. Mai 1853 (GS. S. 261). (Unter dem Strich sind die entsprechenden Paragraphen der West­ fälischen Städteordnung angeführt.)

Inhalt. Titel „ „ „

„ „





„ „

I. Von den Grundlagen der städtischen Verfassung II. Bon der Zusammensetzung und Wahl der Stadtverordnetenversammlung III. Von der Zusammensetzung und Wahl des Magistrats IV. Von den Versammlungen und Geschäften der Stadtverordneten V. Von den Geschäften deS Magistrats . . . . VI. Von den Gehältern uiib Pensionen . . . . VII. Von den: Gemeindehaushalte VIII. Von der Einrichtung der städtischen Verfassung ohne kollegialischen Gemetndevorstand für Städte, welche nicht mehr als 2500 Ein­ wohner haben IX. Von der Verpflichtung zur Annahme voll Stellen und von dem Ausscheiden aus denselben wegen Verlustes des Bürgerrechts X. Von der Oberaufsicht über die Stadtverwaltung XI. AusführungS- und Übergangsbestimmungen

2 bis 11. 12 bis 28. 29 bis 34.

35 56 64 66

bis bis und bis

55. 63. 65. 71.

72 und 73.

74 ulld 75. 76 bis 80. 81 bis 85.

lGeltungögebiet) § 1. (1) Die gegenwärtige Städteordnung soll in den sbisher auf dem Provinziallandtage, im Stande der Stäote vertretenen^) Städten

der

Provinzen

Ostpreußen,

Grenzmark Posen-Westpreußen*),

*) Geändert entsprechend der jetzigen Einteilung Preußens. Vgl. G. v. 21. Juli 1922 (GS. S. 171). 2) Es gibt seit der Provinzialordnung vom 29. Juni 1875 (unten Nr. 21) keinen Stand der Städte mehr.

11. östliche «tädteordnung mit westfälischer (1853/1856).

[11

Brandenburg, Pommern, Niederschlesien, Oberschlesien und Sachen zur Anwendung kommen, desgleichen in den [im Stande der Städte nicht vertretenen?) Ortschaften dieser Provinzen, in welchen bisher eine der beiden Städteordnungen vom 19. Novemoer 1808 und vom 17. März 1831 gegolten hat. (2) In Ansehung derjenigen [im Stande der Städte auf den Pro­ vinziallandtagen nicht Dcitictcncii]1)2 Ortschaften 3 (Flecken), wo bisher weder eine dieser Städteordnungen gegolten, noch die ländliche Gemeindeverfassung bestanden hat, bleibt die nähere Festsetzung ihrer Gemeindeverhältnisse mit Berücksichtigung der Vorschriften im Titel VIII der gegenwärtigen Städteordnung der Bestimmung des Staatsministeriums') nach Anhörung des Provinzialland­ tages vorbehalten. (3) Wegen der Städte in Neuvorpommern und Nügen ergeht ein besonderes Gesetzt).

2. Städteordnung für die Provinz Westfalen. Dom 19. Mürz 1856 (ES. S. 237).

§1. (1) Die gegenwärtige Städteordnung findet nur auf diejenigen Städte in der Provinz Westfalen Anwendung, in denen bei Verkün­ digung der Gemeindeordnung vom 11. März 1850 die revidierte Städte­ ordnung vom 17. März 1831 galt, oder in denen gegenwärtig der Titel II der Gemeindeordnung vom 11. März 1850 gilt, auf letztere jedoch nur dann, wenn sie — bei Einführung jener Gemeindeordnung an Stelle der daselbst geltend gewesenen Landgemeindeordnung vom 31. Oktober 1841 — aus dem Amts- (Samtgemeinde-) Verbände ausgeschieden sind, in welchem sie bis dahin mit den ländlichen Gemeinden gestanden haben. (2) In eine solche Stadt kann jedoch, wenn die Vertretung der Stadtgemeindc durch einen nach zweimaliger, mit einem Zwischenräume von mindestens acht Tagen vorgeuommeuen Beratung gefaßten Beschluk darauf anträgt, nach Vernehmung des Kreistages durch Verordnung des Staatsministeriums die Landgemeindeordnung mit denjenigen Modifi­ kationen eingeführt werden, welche für diesen Fall in der Landgemeinde­ ordnung für die Provinz Westfalen vom heutigen Tage angeordnet werden.

*) S. Anm. 2 zu § 1. 2) Gemäß Art. 82 preuß. Vers. 3) G. v. 31. Mai 1853 (GS. S- 291), hier nicht abgedruckt.

11]

11. Östliche Ctädteordmmg mit westfälischer (1853/1856). TitelI. Bon den Grundlagen der städtischen Berfassung.

ILtadtbezirkl

§ 2.

(1) Den städtischen Gemeindebezirk (Stadtbezirk) bilden alle diejenigen Grundstücke, welche demselben bisher angehört haben. (2) Grundstücke, welche bisher noch keinem Gemeinde- oder selbständigen Eutsbezirke angehört haben, können nach Ver­ nehmung der Beteiligten und nach Anhörung des Kreistages durch Beschluß des Bezirksausschusses') mit dem Stadtbezirk vereinigt werden.

(Abs. 3—5 überholt, jetzt § 1 bed G. vom 27. Dezember 1927, unten Nr. 14.1 lAbs. 6, 7 überholt, siche jetzt £ 3 Abs. 1 und 2 der LaudgOrdmmst, unten Nr. 13.] (8) Privatrechtliche Verhältnisse dürfen durch dergleichen Veränderungen niemals gestört werden. (9) Eine jede solche Veränderung ist durch das Negierungs­ amtsblatt bekanntzumachen. Veränderungen, welche bei Gelegen­ heit einer Gemeinheitsteilung vorkommen, unterliegen diesen Bestimmungen nicht. 8 2 WestsStO.: (1) Den städtischen Gemeindebezirk (Stadtbezirk) bilden alle diejenigen Grundstücke, welche demselben bisher angehört haben. (2) Grundstücke, welche bisher noch keinem Eemeindebezirke oder keinem selbständigen Eutsbezirke (§ 3 der Landgemeinde­ ordnung) angehört haben, können nach Vernehmung der Be­ teiligten und nach Anhörung des Kreistages durch Beschluß des Bezirksausschusses') mit dem Stadtbezirke vereinigt werden.

sWegeu der Absätze 3—6 s. im Text Amu. zu § 2 Abs. 3—5, totsten Abs. 6 and) § 8 Abs. 2 ZustG.] lAbs. 7 fällt fort, ZustG. £§ 8, 21, oben Nr. 3.] (8) Privatrechtliche Verhältnisse dürfen durch dergleichen Veränderungen niemals gestört werden. (9) Eine jede solche Veränderung ist durch das Regierungs­ amtsblatt bekanntzumachen. Veränderungen, welche bei Gelegen­ heit einer Gemeinheitsteilung vorkommen, unterliegen diesen Bestimmungen nicht.

') Vgl. ZustG. § 8 Abs. 1.

11. Östliche Städteordnung mit westfälischer (1853/1856).

[Einwohner]

[11

§ 3.

(1) Alle Einwohner des Stadtbezirks [, mit Ausnahme der ser­ visberechtigten Militärpersonen des aktiven Dienststandes^) gehören zur

Stadtaemeinde. (2) Als Einwohner werden diejenigen betrachtet, welche in dem Stadtbezirk nach den Bestimmungen der Gesetze ihren Wohnsitz haben. [Rechte u. Pflichtens

§ 4.

(1) Alle Einwohner des Stadtbezirks sind zur Mitbenutzung der öffentlichen Gemeindeanstalten der Stadt berechtigt und zur Teilnahme an den städtischen Gemeindelasten nach den Vor­ schriften des Kommunalabgabengesetzes verpflichtet. (2) Die Bestimmungen besonderer Stiftungen, welche mit dergleichen städtischen Eemeindeanstalten verbunden sind, sowie die hinsichtlich solcher Anstalten auf besonderen Titeln beruhen­ den Drwatrechte werden hierdurch nicht berührt. [Abs. 3—15 sind durch das Kommunalabgabengesetz aufgehoben.] [Bürgerrecht!

§ 5.

(1) Das Bürgerrecht besteht in dem Rechte zur Teilnahme an den Wahlen sowie in der Befähigung zur Übernahme unbe­ soldeter Ämter in der Gemeindeverwaltung und zur Gemeinde­ vertretung. [Abs. 2—6 aufgehoben durch § 4 der VO. vom 24. Januar 1919 (GS. S. 13), § 1 de§ G. vom 15. Juli 1919 (GS. S. 113), § 2 GWG., unten Nr. 15a.]

[Shreubürgerrecht]

§ 6.

[Wegen Abs. 1—2 f. § 5 Abs. 2-6.] (3) Der Magistrat ist, int Einverständnis mit der Stadtver­ ordnetenversammlung, befugt, Männern und Frauen, welche llch um die Stadt verdient gemacht haben, ohne Rücksicht auf die oben gedachten besonderen Erfordernisse, das Ehrenbürgerrecht zu erteilen, wodurch keine städtischen Verpflichtungen entstehen. [Verlust d. Bürgerrechts]

§ 7.

(1) Wer infolge rechtskräftigen Erkenntnisies der bürger­ lichen Ehrenrechte verlustig geworden (§§ 32—36 des Reichs-

88 3 «. 4 WestfStO. — §§ 3 u. 4 ÖstlStO. i) Gibt es nicht mehr.

Bühler, DerwaltungSgesede.

Vgl. Anm. 1 zu § 7 OstlLGO.

10

11. östliche «tädteordnilng mit westfälischer (1853/1856).

11]

strafgesetzbuches), verliert dadurch für die im Urteile bestimmte Zeit auch das Bürgerrecht und die Befähigung, dasselbe zu erwerben.

[$(bf. 2, 3 veraltet.)

(4) Das Bürgerrecht geht verloren, sobald eines der zur Erlangung desselben vorgeschriebenen Erfordernisse bei dem bis dahin dazu Berechtigten nicht mehr zutrisft.

Ms. 5 veraltet.)

ISorenfcitl § 8. [Überholt, Forcnsen gibt cs nicht mehrt).)

[Selbstverwaltung!

§ 8.

Die Stadtgemeindensind Korporationen des öffentlichen Rechts- denselben stehtdie Selbstverwaltung ihrer Angelegen­ heiten nach näherer Vorschrift dieses Gesetzes zu').

(Magistrat u. Stadtverordnete!

§ 10*

In den Städten wird ein Magistrat (kollegialischer Eemeinoevorstand) und eine Stadtverordnetenversammlung ge­ bildet, welche nach näherer Vorschrift dieses Gesetzes dieselben vertreten. Der Magistrat ist die Obrigkeit der vtadt und ver­ waltet die städtischen Eemeindeangelegenheiten. Die Aus­ nahmen bestimmt Titel VIII.

[Statuten]

§ 11.

(1) Jede Stadt ist befugt, besondere statutarische Anord­ nungen zu treffen: 1. über solche Angelegenheiten der Stadtgemeinden sowie über solche Rechte und Pflichten ihrer Mitglieder, hin­ sichtlich deren das gegenwärtige Gesetz Verschiedenheiten gestattet oder keine ausdrücklichen ^Bestimmungen enthält,' 2. über sonstige eigentümliche Verhältnisse und Einrich­ tungen'). (2) Dergleichen Anordnungen bedürfen der Bestätigung des Bezirksausschusses, wenn sie die Bildung oder Zusammensetzung der städtischen Körperschaften betreffen. Insoweit die Anord-

88 5-11 WestsStO.--88 5-11 LstlStO.

i) S. §§ 2, 3 GemWahlGes. (unten Nr. 15a). -) S. Art. 70 ff. PrVerf., Art. 127 RVerf. 8) Zisf. 2 in der infolge der Bestimmungen des Kommunalabgaben­ gesetzes notwendig gewordenen Fassung.

11. östliche Städteordnung mit westfälischer (1853/1856).

[11

nungen sich auf Gegenstände beziehen, hinsichtlich deren die Genehmigung von Gemeindebeschlüssen in anderen Gesetzen vor­ geschrieben ist, behält es dabei sein Bewenden*). Titel II. Bon der Zusammensetzung und Wahl der Stadtverordneten­ versammlung.

§§ 12—27. fErsetzt durch das Gemerndewahlgeseh (unten Nr. 15a) und §§ 18 bis '21 des G. Dom 18. Juli 1919 (ßZ. S. US).]

((Einführung der Gewählten]

§ 28.

sWegen Abs. 1 s. Anm. zu

12—27.]

(2) Der Magistrat hat die Einführung der Gewählten und deren Verpflichtung durch Handschlag an Eides Statt anzuordnen. Titel III.

Bon der Zusammensetzung und Mahl des Magistrats.

IZusammtnsetz. b. Magistrats]

§ 29. (1) Der Magistrat besteht aus dem Bürgermeister, einem Beigeordneten oder zweiten Bürgermeister als dessen Stellver­ treter, einer Anzahl von Schöffen (Stadträten, Ratsherren, Ratsmännern) und, wo das Bedürfnis es erfordert, noch aus einem oder mehreren besoldeten Mitgliedern (Syndikus. KämKäm­ merer, Schulrat, Baurat usw.). Es gehören zum Magistrat in Stadtgemeinden von weniger als 2 500 Einwohnern 2 Schöffen, 4 2 501 bis 10 000 6 10 001 30 000 60 000 8 30 001 60 001 » :100 000 10 (2) Bei mehrmals 100 000 Einwohnern treten für jede wei­ teren 50 000 Einwohner zwei Schöffen hinzu.

88 12—27 WestfStO. ebenso weggefallen und ersetzt wie 88 12-27 ÖstlStO. 8 28 WestfStO. = §28 ÖstlStO.

i) Abs. 2 i. d. F. des G. D. 13. Mai 1918 (GS. S. 53). Die § 21 Abs. 4 der StO. betr. Vorschrift ist mit dessen Beseitigung weggefallen. S. im Text Anm. zu §§ 12—27.

11]

11. östliche Städteordnung mit westfälischer (1853/1856).

(3) Wo die Zahl der Mitglieder des Magistrats bisher eine andere gewesen ist, verbleibt es bei dieser Zahl, bis durch sta­ tutarische Anordnung, welcher überhaupt abweichende Fest­ setzungen über die Zahl der Magistratsmilglieder vorbehalten werden, eine Änderung getroffen ist. fBürgermeisters §30. sAbs. 1—4 ersetzt durch die neue Geineindewahlgcsetzgebunq.] (5) Personen, welche die in dem Gesetze vom 7. Februar 1835 (GS. S. 18) bezeichneten Gewerbe betreiben, können nicht Bürgermeister sein.

IWahlzeit) § 81. sDer Beigeordnete und die Schöffen (§ 29) werden aus sechs Jahre,p) der Bürgermeister und die übrigen besoldeten Magi­ stratsmitglieder werden auf zwölf Jahre von der Stadtverord­ netenversammlung gewählt. Auch können Beigeordnete mit Be­ soldung angestellt werden, und erfolgt in diesem Falle deren Wahl gleichfalls auf zwölf Jahre.

sWegen Abs. 2 s. § 30 Abs. 1-4.] 8 29 WestfStO.: (1) Der Magistrat besteht aus dem Bürgermeister, einem Beigeordneten oder zweiten Bürgermeister als dessen Stellver-, treter, einer Anzahl von Schöffen (Stadträten, Ratsherren, Ratsmännern) und, wo das Bedürfnis es erfordert, noch aus einem oder mehreren besoldeten Mitgliedern (Syndikus. Käm­ merer, Schulrat, Baurat usw.). Es gehören zum Magistrat in Stadtgemeinden von weniger als 2 500 Einwohnern 2 Schöffen, 2 501 bis 10 000 „ 4 „ , 10 001 „ 30 000 „ 6 „ . (2) Bei mehr als 30 000 Einwohnern treten für jede weite­ ren 20 000 Einwohner zwei Schöffen hinzu. (3) Wo die Zahl der Mitglieder des Magistrats bisher eine andere gewesen ist, verbleibt es bei dieser Zahl, bis durch sta­ tutarische Anordnung, welcher überhaupt abweichende Fest­ setzungen über die Zahl der Magistratsmitglieder vorbehalten werden, eine Änderung getroffen ist. 88 30—33 WestfStO. = 88 30—33 LstlStO.

r) S. jetzt § 9 des GemWG., unten Nr. 15a.

11. östliche Ltädteordnung mit westfälischer (1853/1856)* lAbstimmnng) [8. § 30 Abs. 1-4.]

§ 32.

(Bestätigung)

§ 33.

[11

(1) Die gewählten Bürgermeister, Beigeordneten, Schöffen und besoldeten Magistratsmitglieder bedürfen der Bestätigung. Die Bestätigung steht zu: 1. dem [Könige] Staatsministerium*) hinsichtlich der Bürger­ meister und Beigeordneten in Städten von mehr als 10 000 Einwohnern,' 2. dem Regierungspräsidenten-) hinsichtlich der Bürger­ meister uni) Beigeordneten in Städten, welche nicht über 10 000 Einwohner haben, sowie hinsichtlich der Schöffen und der besoldeten Magijtratsmitglieder in allen Städten, ohne Unterschied ihrer tröste. (2) Wird die Bestätigung-) versagt, so schreitet die Stadt­ verordnetenversammlung zu einer neuen Wahl. Wird auch diese Wahl nicht bestätigt, so ist der Regierungspräsident berechtigt, die Stelle einstweilen auf Kosten der Stadt kommissarisch ver­ walten zu lassen. (3) Dasselbe findet statt, wenn die Stadtverordneten die Wahl verweigern oder den nach der ersten Wahl nicht Bestätig­ ten wieder erwählen sollten. (4) Die kommissarische Verwaltung dauert so lange, Lis die Wahl der Stadtverordnetenversammlung, deren wiederholte Vornahme ihr jederzeit zusteht, die Bestätigung des Staats­ ministeriums beziehungsweise des Regierungspräsidenten er­ langt hat.

^Vereidigung)

§ 34.

(1) Die Mitglieder des Magistrats werden vor ihrem Amts­ antritt durch den Bürgermeister in öffentlicher Sitzung der Stadtverordnetenversammlung in Eid und Pflicht genommen; der Bürgermeister wird vom Regierungspräsidenten oder einem von diesem zu ernennenden Kommissar in öffentlicher Sitzung der Stadtverordnetenversammlung vereidet. (2) Magistratsmitgliedern, welche ihr Amt mindestens neun Jahre mit Eyren bekleidet haben, kann in Übereinstimmung mit der Stadtverordnetenversammlung von dem Magistrat das Prä­ dikat „Stadtältester" verliehen werden.

§ 34 WestfStO. = §34 Abs. 1 ÖstlStO. Gemäß Art. 82 PrV. 2) S. § 13 ZustG., oben Nr. 3.

11]

11. östliche Städteordnung mit westfälischer (1853/1856). Titel IV.

Bon den Versammlungen und Geschäften der Stadtverordneten. (Zuständigkeit]

§ 35.

(1) Die Stadtverordnetenversammlung bat über alle Eemeindeangelegenheiten zu beschließen, soweit Dieselben nicht aus­ schließlich dem Magistrate überwiesen sind. Sie gibt ihr Gut­ achten über alle Gegenstände ab, welche ihr zu diesem Zwecke durch die Aufsichtsbehörden vorgelegt werden, über andere als Eemeindeangelegenheiten dürfen die Stadtverordneten nur dann beraten, wenn solche durch besondere Gesetze oder in einzelnen Fällen durch Aufträge der Aufsichtsbehörde an sie gewiesen sind. (2) Die Stadtverordneten sind an keinerlei Instruktion oder Aufträge der Wähler loder der Wahlbezirkes) gebunden.

§ 36. Die Beschlüsse der Stadtverordneten bedürfen, wenn sie solche Angelegenheiten betreffen, welche durch das Gesetz dem Magistrat zur Ausführung überwiesen sind, der Zustimmung des letzteren. Versagt dieser die Zustimmung, so hat er die Gründe dieser Versagung der Stadtverordnetenversammlung mirzuteilen. Erfolgt hierauf keine Verständigung, ju deren Herbeiführung sowohl von dem Magistrate als den Stadtverord­ neten die Einsetzung einer gemeinschaftlichen Kommission ver­ langt werden kann^ [so ist die Entscheidung der Negierung herbeizuhoien?). — Die Stadtverordnetenversammlung darf ihre Be­ schlüsse in keinem Falle selbst zur Ausführung bringen.

(Zustimmung d. Magistrats]

§ 37. Die Stadtverordnetenversammlung kontrolliert die Verwal­ tung. Sie ist daher berechtigt, sich von der Ausführung ihrer Beschlüsse und der Verwendung aller Eemeindeeinnahmen Über­ zeugung zu verschaffen. Sie kann zu diesem Zwecke von dem Magistrat die Einsicht der Akten verlangen und Ausschüsse aus ihrer Mitte ernennen, zu welchen der Bürgermeister ein Mit­ glied des Magistrats abzuordnen befugt ist.

(Berwaltungskontrolle]

88 35-46 WeftfStO.-88 35-46 ÖstlStO. 1) Wahlbezirke gibt es nicht mehr, § 5 GemWG., unten Nr. 15a. 2) S. jetzt § 17 Nr. 1 ZustG. Vgl. auch § 15 ZustG. (Bean­ standung).

11. Östliche Städteordnung mit westfälischer (1853/1856).

[11

(Stadtverordnetenvorsteher) §38. (1) Die Stadtverordnetenversammlung wählt jährlich einen Borsitzenden sowie einen Stellvertreter desselben und einen Schriftführer sowie einen Stellvertreter desselben aus ihrer gjlitte; doch kann auch die Stelle des Schriftführers ein von den Stadtverordneten nicht aus ihrer Mitte gewählter, in öffent­ licher Sitzung hierzu von dem Bürgermeister vereideter Proto­ kollführer vertreten. (Diese Wahlen erfolgen in dem im § 32 vorge­ schriebenen Verfahrens.) Durch die Geschäftsordnung (§ 48) können über die Stellvertretung des Vorsitzenden und des Schriftführers und über ihre Wahl abweichende Bestimmungen getroffen werden-). (2) Die Stadtverordneten versammeln sich, so oft es ihre Geschäfte erfordern. (3) Der Magistrat wird zu allen Versammlungen eingeladen und kann sich durch Abgeordnete vertreten lassen. Die Stadt­ verordneten können verlangen, daß Abgeordnete des Magistrats dabei anwesend sind. Der Magistrat mutz gehört werden, so oft er es verlangt.

|x3nfammentreten]

§ 39.

Die Zusammenberufung der Stadtverordneten geschieht durch den Vorsitzenden,' sie mutz erfolgen, sobald es von einem Viertel der Mitglieder oder von dem Magistrat verlangt wird.

(Einberufung)

§ 40.

(1) Die Art und Weise der Zusammenberufung wird ein für allemal von der Stadtverordnetenversammlung sestgestellt. (2) Die Zusammenberufung erfolgt unter Angabe der Eegen-

(Rtgelm. Sihungstage)

§ 41.

Durch Beschluß der Stadtverordneten können auch regel­ mäßige Sitzungstage festgesetzt, es müssen jedoch auch dann die Gegenstände der Verhandlung mit Ausnahme dringender Fälle mindestens zwei freie Tage vorher den Stadtverordneten und dem Magistrat angezeigt werden.

fBeschlubfühigkeit)

§ 42.

Die Stadtverordnetenversammlung kann nur beschließen, wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder zugegen ist. Durch

1) S. oben im Text zu § 32. 2) Abs. 1 Satz 3 angefügt durch G. v. 13. Mai 1918 (GS. S. 53) Art. 2 Ztfs. 2.

11]

11. Östliche Städteordnung mit westfälischer (1853/1866).

Eemeindebeschluß kann bestimmt werden, daß die Versammlung auch beschlußfähig ist. wenn mehr als ein Drittel der Mitglieder zugegen ist1). Die Versammlung ist stets beschlußfähig1), wenn die Stadtverordneten, zum zweiten Male zur Verhandlung; über denselben Gegenstand zusammenberufen, dennoch nicht in genü­ gender Anzahl erschienen sind. Bei der zweiten Zusannmenoerufung muß auf diese Bestimmung ausdrücklich Hingerwiesen werden.

(Beschlußfassung]

§ 43.

Die Beschlüsse werden nach Stimmenmehrheit gefaßt. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden.. Wer nicht mitstimmt, wird zwar als anwesend betrachtet, die Stim­ menmehrheit wird aber lediglich nach der Zahl der Stimmenden festgestellt.

lAusschließung]

§ 44.

(1) An Verhandlungen über Rechte und Verpflichtungen der Stadtgemeinde darf derjenige nicht teilnehmen, dessen Interesse mit dem der Gemeinde in Widerspruch steht. Kann wegen dieser Ausschließung eine beschlußfähige Versammlung nicht gehalten werden, so hat der Magistrat, oder wenn auch dieser aus dem vorgedachten Grunde einen gültigen Beschluß zu fassen nicht be­ fugt ist, der Bezirksausschuß-) für die Wahrung des Eemeindeinteresfes zu sorgen und nötigenfalls einen besonderen Vertreter für dre Stadtgemeinde zu bestellen. (2) Sollte ein Prozeß der Stadtgemeinde gegen alle oder mehrere Mitglieder des Magistrats aus Veranlassung ihrer Amtsführung notwendig werden, so hat der Regierungs­ präsident) auf Antrag der Stadtverordnetenversammlung zur Führung des Prozesses einen Anwalt zu bestellen.

]Ösfentlichkeit]

§ 45.

Die Sitzungen der Stadtverordneten sind öffentlich. Für einzelne Gegenstände kann durch besonderen Beschluß, welcher in geheimer Sitzung gefaßt wird, die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Die Sitzungen dürfen nicht in Wirtshäusern und Schenken gehalten werden.

x) Art. 2 2) 8)

§ 42 Satz 2 und die veränderte Fassung von Satz 3 beruhen auf des G. vom 13. Mai 1918 (GS. S. 63). Gemäß §§ 17 Nr. 2 (für Berlin), 161 ZustG. (oben Nr. 3). § 7 ZG. (Berlin: Oberpräsident).

11. Östliche Ltädteordnung mit westfälischer (1853/1856). >LihungspoIi;ei)

[11

§ 46.

Der Vorsitzende leitet die Verhandlungen, eröffnet und schließt die Sitzungen und handhabt die Ordnung in der Ver­ sammlung. Er kann jeden Zuhörer aus dem Sitzungszimmer entfernen lassen, welcher öffentliche Zeichen des Beifalls oder des Mißfallens gibt oder Unruhe irgendeiner Art 1^01^^).

IBeschlntzbuchl

§ 47.

(1) Die Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung und die Namen der dabei anwesend gewesenen Mitglieder sind in ein besonderes Buch einzutragen. Sie werden von dem Vorsitzenden und wenigstens drei Mitgliedern unterzeichnet. (2) Dem Magistrat müssen alle Beschlüsse der Stadtverord­ neten, auch diejenigen, welche ihm durch das Gesetz zur Ausfüh­ rung nicht überwiesen sind, mitgeteilt werden.

fSkschäftsordnungs

§ 48.

(1) Den Stadtverordnetenversammlungen bleibt überlassen, unter Zustimmung des Magistrats eine Geschäftsordnung abzu­ fassen und darin Zuwiderhandlungen der Mitglieder gegen die zur Aufrechterhaltung der Ordnung gegebenen Vorschriften mit Strafen $11 belegen,- diese Strafen können nur in Geldbußen bis zu 15 Reichsmark und bei mehrmals wiederholten Zuwiderhand­ lungen in der auf eine gewisse Zeit oder für die Dauer der Wahlperiode zu verhängenden Ausschließung aus der Versamm­ lung bestehen. (2) Versagt der Magistrat seine Zustimmung, so tritt das in 8 36 vorgeschriebene Verfahren ein2).

lGemeindevermögen)

§ 49.

(1) Die Stadtverordneten beschließen über die Benutzung des Eemeindevermögens,- die Deklaration vom 26. Juli 1847 (ES. S. 327) bleibt dabei maßgebend. (2) Über das Eememdevermögen, welches nicht der Eemeindekorporation in ihrer Gesamtheit gehört, kann die Stadt­ tz 47 Abs. 1 und 2 WestfStO. = §47 ÖstlStO. § 47 Abs. 3 WestfStO. = §48 ÖstlStO. (meinem Absatz), tztz 48, 49 WestfStO. = §§ 49, 50 ÖstlStO.

Die Befugnisse des Vorsitzenden sind erweitert durch § 21 des G. v. 18. Juli 1919 (GS. S. 118). 2) Als Ergänzung hierzu s. § 10 Ziff. 3, § 11 und § 17 (Anfech­ tung) ZG.

11. östliche Ltädteordnung mit westfälischer (1853/1856).

11]

Verordnetenversammlung nur insofern beschließen, als sie dazu durch den Willen der Beteiligten oder durch sonstige Rechtstitel berufen ist. (3) Auf das Vermögen der Korporationen und Stiftungen haben die zur Stadtgemeinde gehörenden Einwohner (§ 3) als solche und auf dasjenige Vermögen, welches bloß den Haus­ besitzern oder anderen Klassen der Einwohner gehört, haben andere Personen keinen Anspruch. (4) In Ansehung der Verwaltung und Verwendung des Vermögens der Stiftungen bewendet es bei den stiftungsmäßigen Bestimmungen. Soweit es hierbei auf den Begriff des Bürgers ankommt, sind die Bestimmungen des gegenwärtigen Gesetzes (§ 5) an sich selbst nicht maßgebend.

sKunstbesih usw., Anleihen]

§50.

Die Genehmigung des Bezirksausschusses*), im Falle der Nummer 2 des Regierungspräsidenten*), ist erforderlich:

sZiff. 1 und 4 gestrichen durch Art. 2 Zlff. 4 des Ö. u. 13. Mai 1918, GS. S. 53.]

2. zur Veräußerung oder wesentlichen Veränderung von Sachen, welche einen besonderen wissenschaftlichen, histo­ rischen oder Kunftwert haben, namentlich von Archiven oder Teilen derselben,' 3. au Anleihen, durch welche die Gemeinde mit einem Schuldenbestande belastet, oder der bereits vorhandene ver­ größert wird.

sZiff. 4 gestrichen, s. Zisf. 1.] sl-emeindewaldungen] fHierzu s. § 16 Abs. 2 ZustG.: Hinsichtlich der Veräußerung der Gemeindewal­ dungen bewendet es bei den bestehenden Bestim­ mungen.)

sbrlös auö Grundstücksverk.]

§ 51.

Der Erlös veräußerter Grundstücke und grundstücksgleicher Rechte ist nicht zur Deckung laufender Ausgaben zu verwenden-). § § Abs.7 §

50 Abs.l WestfStO.^8 51 LstlStO. 50 Abs. 2—6 WestsStO. aufgehoben, s. deshalb und wegen unten §47RheinStO. 51 Abs. 1-5 WestsStO.--8 52 Abs. 1—5 ÖstlStO. Abs.6 — § 48 Abs.8 RheinStO.

*) Nach § 16 Abs. 1 und 3 ZG. ’) Fass, gemäß Art. 2 Zisf. 5 d. G. v. 13. Mai 1918 (GS. C. 53).

11. östliche Ltädteordnung mit westfälischer (1853/1856). (Gemeindenuhungen)

[11

§ 52.

sAbs. 1, 2 und 5 durch die Beseitigung der Einzugs- und Eintritts­ gelder (G. v. 2. März 1867, GS. S. 361) weggefallen.]

(3) Die Teilnahme an den Gemeindcnutzungen (§ 50 Nr. 4) kann außerdem von der Entrichtung einer jährlichen Abgabe und anstatt oder neben derselben von Entrichtung eines Einkaufs­ geldes abhängig gemacht werden, durch deren Entrichtung aber die Ausübung des Bürgerrechts niemals bedingt wird. (4) Alle derartigen Beschlüsse bedürfen der Genehmigung des Bezirksausschusses'). Die mit dem Besitze einzelner Grundstücke verbundenen oder auf sonstigen besonderen Recktstiteln be­ ruhenden Nutzungsrechte sind den Bestimmungen dieses Para­ graphen nicht unterworfen. l'Abs. 5 weggefallen, s. oben zu Abs. 1 und 2.]

88 53, 54. sDurch das Kommunalabgabengesctz (unten Nr. 19) überholt bzw. aufgehoben (s. insbesondere dessen §§ 1, 2, 68).]

lPartik.Grselzel

§ 55.

Die in bezug auf die Behandlung der G e m e i n d e w a l düngen für die einzelnen Landesteile erlassenen Gesetze und Bestimmungen bleiben in Kraft, bis ihre Abänderung im ge­ setzlichen Wege erfolgt sein wird. 88 52, 53 WestsStO.--8S 53, 54 ÖstlStO. 88 54, 55, 56 WestsStO.: [Qkmeinbetoalbungen] § 54 Bei Verwaltung der Eemeindewaldungen sind die Verord­ nung vom 24. Dezember 1816 und die in Gemäßheit derselben erlassenen und zu erlassenden Reglements zu beachten.

sGemelnbeeinnehmer] § 55. Der Gemeindeeinnehmer wird von den Stadtverordneten gewählt, welche auch die von demselben, sowie von anderen Gemeindebeamten zu leistenden Kautionen zu bestimmen haben. sZustanbigkeit] 8 56. Der Magistrat hat als Ortsobrigkeit und Eemeindeverwaltungsbehörde insbesondere folgende Geschäfte: 1. (f. ÖstlStO. Ziffer 1); 2. (s. ÖstlStO. Ziffer 2);

l) Nach § 16 Abs. 3 ZG.

11]

11. Östliche Stübteorbnung mit westfälischer (1853/1856).

Titel V. Von den Geschäften des Magistrats.

Der Magistrat hat als Ortsobriakeit und Gemeindeverwaltungsbehörde insbesondere folgende Geschäfte: 1. die Gesetze und Verordnungen sowie die Verfügungen der ihm vorgesetzten Behörden auszuführen; 2. die Beschlüsse der Stadtverordnetenver ­ sammlung vorzubereiten und, sofern er sich mit denselben einverstanden erklärt, zur Ausführung zu bringen. Der Magistrat ist verpflichtet, die Zustimmung und Ausführung zu versagen, wenn von den Stadtverordneten ein Beschluß gefaßt ist, welcher deren Befugnisse über­ schreitet, gesetz- oder rechtswidrig ist, das Staatswohl oder das Eemeindeinteresse verletzt. In Fällen dieser Art ist nach den Bestimmungen im § 36l) zu verfahren: 3. die städtischen Eemeindean st alten zu verwalten und diejenigen, für welche besondere Verwaltungen ein­ gesetzt sind, zu beaufsichtigen; 4. die Einkünfte der Stadtgemeinde zu ver­ walten, die auf dem Etat oder besonderen Beschlüssen der Stadtverordneten beruhenden Einnahmen und Aus­ gaben anzuweisen und das Rechnungs- und Kastenwesen zu überwachen. Von jeder regelmäßigen Kastenrevmon ist der Stadtverordnetenversammlung Kenntnis zu geben, damit sie ein Mitglied oder mebrere abordnen könne, um diesem Geschäfte beizuwohnen; oei außerordentlichen Kas­ senrevisionen ist der Vorsitzende oder ein von demselben ein für allemal bezeichnetes Mitglied der Stadtverord­ netenversammlung zuzuziehen; 5. das Eigentum der Stadtgemeinde zu ver­ walten und ihre Rechte zu wahren; Dasselbe gilt für den Fall, wenn der Bürgermeister die Ernennung des gewählten Einnehmers (§ 55) beanstanden

i) S. auch §§ 15, 17, 21 ZustG. Samml. Nr. 3.

11. Östliche Städteordnung mit westfälischer (1853/1856).

[11

6. di e Eemeindebeamten, nachdem die Stadtverord­ neten darüber vernommen worden, anzustellen und zu beaufsichtigen. Die Anstellung erfolgt nach Maßgabe des Kommunalbeamtengesetzes vom 30. Juli 1899 (GS. S. 141). Die von den Eemeindebeamten zu leistenden Kautionen bestimmt der Magistrat nach Anhörung der Stadtverordnetenversammlung. In Städten bis zu 10 000 Einwohnern (§ 30 Ziffer 2) können die Geschäfte des Gemeindeeinnehmers nach Vernehmung der Stadt­ verordnetenversammlung und mit Zustimmung des Bezirksausschusses*) dem Kämmerer übertragen werden; 7. die Urkunden und Akten der Stadtgemeinde aufzu­ bewahren;

I Vertretung; zweite Unterschrift) 8. die Stadtgemeinde nach außen zu vertreten und namens derselben mit Behörden und Privatpersonen zu verhan­ deln, den Schriftwechsel zu führen und die Gemeinde­ urkunden in der Urschrift zu vollziehen. Die Ausferti­ gungen der Urkunden werden namens der Stadtgemeinde von dem Bürgermeister oder seinem Stellvertreter gültig unterzeichnet; werden in denselben Verpflichtungen der Stadtgemeinde übernommen, so muß noch die Unterschrift eines Magistratsmitgliedes hinzukommen; in Fällen, wo die Genehmigung der Aufsichtsbehörde erforderlich ist, muß dieselbe in beglaubigter Form der gedachten Ausfertigung beigefügt werden; 9. die städtischen Gemeindeabgaben und Dienste nach

6. die Eemeindebeamten, nachdem die Stadtverordneten dar­ über vernommen worden, anzustellen und dieselben, ein­ schließlich des Gemeindeeinnehmers (§ 55), zu beaufsich­ tigen; die Anstellung erfolgt nach Maßgabe des Kommunalbeamtengesetzes; 7. (s. ÖstlCtO. Ziffer 7); 8. lf ÖstlStO. Ziffer 8); 9. die städtischen Gemeindeabgaben und Dienste nach den Gesetzen und Beschlüssen auf die Verpflichteten zu ver­ teilen, die Hebelisten (Rollen) aufzustellen und, nachdem sie vom Bürgermeister vollstreckbar erklärt sind, die Bei­ treibung zu verfügen. Die Hebelisten müssen, bevor die­ selben vollstreckbar erklärt werden, vierzehn Tage offen­ gelegt sein.

*) S. Sinnt. 1 zu tz 60.

11]

11. Östliche Städteordnung mit westfälischer (1853/1856).

den Gesetzen und Beschlüssen auf die Verpflichteten zu ver­ teilen und die Beitreibung zu bewirken.

IBtschlntzsasiun,!

§ 57.

(1) Der Magistrat kann nur beschließen, wenn mindestens ein Drittel seiner Mitglieder zugegen ist1). (2) Die Beschlüsse werden nach Stimmenmehrheit ge­ faßt. Bei Stimmengleichheit ist die Stimme des Vorsitzenden entscheidend. Den Vorsitz führt der Bürgermeister oder sein Stellvertreter. Der Vorsitzende ist verpflichtet, wenn ein Beschluß des Magistrats dessen Befugnisse überschreitet, gesetz- oder rechts­ widrig ist, das Staatswohl oder das Gemeindeinteresse verletzt, die Ausführung eines solchen Beschlusses zu beanstanden und biv Entscheidung der Regierung ehijubolen2). Der Beigeordnete nimmt auch außer dem Falle der Stellvertretung an den Verhandlungen und Beschlüssen teil. (3) Bei Beratungen über solche Gegenstände, welche das Privatinteresse eines Mitgliedes des Magistrats oder seiner An­ gehörigen berühren, muß dasselbe sich oer Teilnahme an der Beratung und Abstimmung enthalten, auch sich während der Beratung aus dem Sitzungszimmer entfernen. lBefugniffe des Biirgerm.]

§ 58.

(1) Der Bürgermeister leitet und beaufsichtigt den ganzen Geschäftsgang der städtischen Verwaltung. (2) In allen Fällen, wo die vorherige Beschlußnahme durch den Magistrat einen nachteiligen Zeitverlust verursachen würde, muß der Bürgermeister die dem Magistrat obliegenden Geschäfte vorläufig allein besorgen, jedoch dem letzteren in der nächsten Sitzung behufs der Bestätigung oder anderweitigen Beschluß­ nahme Bericht erstatten. (3) Zur Erhaltung der nötigen Disziplin steht dem Bürger­ meister das Recht zu, den Eemeindebeamten Geldbußen bis zu neun Reichsmark) aufzulegen (§§ 15, 19 des Gesetzes vom 21. Juli 1852, ES. S. 465)'). 88 57—59 WeftfStO. - §§ 57-59 ÖstlStO. 1) Abf. 1 i. d. Fassung d. G. v. 13. Mai 1918 (GS. S. 53). 2) Das Verfahren richtet sich beute nach §§ 15, 17 Ziff. 1 ZustG. -) Abf. 3 in der durch VO. v. *2. Juli 1926 (GS. S. 192) und durch den Wegfall der Arreststrafe (G. v. 25. März 1917, GS. S. 49) gebotenen Fassung.

11. östliche Städteordnung mit westfälischer (1853/1856). (TeputationenI

[11

§59.

(1) Zur dauernden Verwaltung oder Beaufsichtigung ein­ zelner Geschäftszweige, sowie zur Erledigung vorübergehender Aufträge können besondere Deputationen entweder bloß aus Mitgliedern des Magistrats oder aus Mitgliedern beider Ge­ meindebehörden oder aus letzteren und stimmfähigen Bürgern gewählt werden. Zur Bildung gemischterDeputationen aus beiden Stadtbehörden ist der übereinstimmende Beschluß beider erforderlich. (2) Zu diesen Deputationen und Kommissionen, welche übrigens in allen Beziehungen dem Magistrate untergeordnet sind, werden die Stadtverordneten und stimmfähigen Bürger von der Stadtverordnetenversammlung gewählt, die Magistratsmit­ glieder dagegen von dem Bürgermeister ernannt, welcher auch unter letzteren den Vorsitzenden zu bezeichnen hat. (3) Durch statutarische Anordnungen können nach den eiyentümlichen örtlichen Verhältnissen besondere Festsetzungen über die Zusammensetzung der bleibenden Verwaltungsoeputationen getroffen werden. |Crtäbf)ktel

§ 60.

(1) Städte von größerem Umfange oder von zahlreicherer Bevölkerung werden von dem Magistrat nach Anhörung der Stadtverordneten in Ortsbezirke geteilt. (2) Jedem Bezirk wird ein Bezirksvorsteher vor­ gesetzt, welcher von den Stadtverordneten aus den stimmfähigen Bürgern des Bezirks auf sechs Jahre erwählt und vom Magi­ strat bestätigt wird, In gleicher Weise wird für den Fall der Verhinderung des Vezrrksvorstehers ein Stellvertreter desselben angestellt. (3) Die Vezirksvorsteher sind Organe des Magistrats und verpflichtet, seinen Anordnungen Folge zu leisten, ihn nament­ lich in den örtlichen Geschäften des Bezirks zu unterstützen. IMagistratSbkrichtl

§ 61.

Jedes Jahr, bevor sich die Stadtverordnetenversammlung mit dem Haushaltsetat beschäftigt, hat der Magistrat in öffent­ licher Sitzung derselben über die Verwaltung und den Stand

8 60 Abs.l WestfStO.: Alle Stadtgememden von großem Umfange oder von zahl­ reicher Bevölkerung werden von dem Magistrate nach Anhörung der Stadtverordneten in Ortsbezirke eingeteilt. Abs. 2 u. 3 = § 60 Abs. 2 u. 3 ÖstlStO.

11]

11. Östliche Städteordnung mit westfälischer (1853/1856).

der Eemeindeangelegenheiten einen vollständigen Bericht zu er­ statten. Tag und Stunde werden wenigstens zwei freie Tage vorher in der Gemeinde Lekanntgemacht. lAufgaben d. Bürgens

§62.

Der Bürgermeister hat nach näherer Bestimmung der Gesetze folgende Geschäfte zu besorgen: I. wenn die Handhabung der Ortspolizei nicht fKöniglichen) staatlichen Behörden übertragen ist: 1. die Handhabung der Drtepoluei; 2. die Verrichtungen eines Hilfsbeamten der fgerichtlichen Polizei) Staatsanwaltschaft**); 3. die Verrichtungen eines fPolizeianwalts) Amtsan walt s2), vorbehaltlich der Befugnis der Behörden, in den Fällen 2 und 3 andere Beamten mit diesen Geschäften zu beauftragen. Dem Bürgermeister am Sitz eines Gerichts kann die Vertretung der fPolizeianwaltschast) Amtsanwalt­ schaft2) bei dem Gericht auch für die übrigen Gemein­ den des Eerichtsbeztrks gegen angemessene Entschädigung übertragen werden, in deren Hinsicht nähere Bestimmun­ gen voroehalten bleiben. • II. Alle örtlichen Geschäfte der Kreis-, Bezirks-, Provinzialund allgemeinen Staatsverwaltung, namentlich auch das Führen der ^Personenstandsregister] Standesregistets), sofern nicht andere Behörden dazu bestimmt sind. (2) Einzelne dieser unter I. und II. erwähnten Geschäfte können mit Genehmigung des Regierungspräsidenten*) einem anderen Magistratsmitgliede übertragen werden. (1)

lOrtSpolizeiverordnungenI

§63.

Zn betreff der Befugnis der Stadtbehörden, ortsvolizeiliche Verordnungen zu erlassen, kommen die darauf bezüglichen Gesetze zur Anwendung^).

88 61—62 WestfStO. = §§ 61—62 üstlStO. § 152 GVG. r) § 142 GVG., §§ 64, 65 preuß. AG.GVG. vom 24. April 1878 (GS. S. 230). s) §§ 4 ff, Personenstandsgesetz vom 6. Febr. 1875. *) § 7 ZustG. °) §§ 5 ff. deS PolVerwG. (unten Nr. 26) und §§ 136 ff. LBG. (oben Nr. 2).

11. Östliche Ltitdteordnung mit westfälischer (1853/1856).

[11

Titel VI. Don den Gehältern und Pensionen.

§ 64.

(Gehalt und Entschädigung)

(1) Der Normaletat aller Besoldungen wird von dem Magi­ strat entworfen und von den Stadtverordneten festgesetzt. (2) Ist ein Normalbesoldungsetat überhaupt nicht oder nur für einzelne Teile der Verwaltung festgestellt, so werden die in solcher Weise nicht vorgesehenen Besoldungen vor der Wahl festgesetzt. (ö) Hinsichtlich der Bürgermeister und der besoldeten Magi­ stratsmitglieder unterliegt die Festsetzung der Besoldungen in allen Fällen der Genehmigung des Bezirksausschusses^). Der Regierungspräsident?) ist ebenso befugt als verpflichtet, zu ver­ langen, daß ihnen die zu einer zweckmäßigen Verwaltung an­ gemessenen Desoldungsbeträge bewilligt werden. (4) Den Beigeordneten, insofern ihnen nicht eine Besoldung besonders beigelegt ist (§ 31), können mit Genehmigung des Bezirksausschusses^) feste Entschädigungsbeträge bewilligt werden. sAbs. 4 S. 2 weggefallen, s. jetzt § 4 b. DO. v. 31. Januar 1919,

GS. S. 15:] Durch Eemeindebeschluß kann für die Mitglieder der Gemeindevertretungen eine angemessene Entschädigung für die Teilnahme an Sitzungen der Gemeindevertretungen (Deputationen. Kommissionen) festgesetzt werden; im all­ gemeinen ist dann aber nur eine Vergütung festzusetzen, welche dem entgangenen Arbeitsverdienst entspricht.

§ 65.

(Pension)

Den Bürgermeistern und den besoldeten Mitgliedern des Magistrats sind, fofctn nicht mit Genehmigung des Bezirks­ ausschusses^) eine Vereinbarung wegen der Pension getroffen ist, bei eintretender Dienstunfähigkeit, oder wenn sie nach ab­ gelaufener Wahlperiode nicht wiedergewählt werden, folgende Pensionen zu gewähren: yi des Gehalts nach 6 jähriger Dienstzeit,

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88 63-64 WeftfStO. = §§ 63-64 OstlStO. § 65 WestsStO. = 8 65 OstlStO. (mit dens. Abänderungen). i) § 16 ZustG. -) § 7 ZustG. ’) Ersetzt durch § 14 Abs. 1 d. KommunalbeamtenG. (Sammt. Bühler, BerwaltungSgefetze. 11

11]

11. Östliche Ltädtcordnung mit westfälischer (1853/1856).

[315f. 2 beseitigt durch das Gleichstellungsgesetz vom 8. Juli 1920 (GS. S. 383), dieses wiederum teilweise überholt durch § 43 des Preutz. Besold«, vom 17. Dezember 1927 (GS. S. 223). [Abs. 3 durch § 7 des Kommunalbeamtengesehes erseht, mit der Maßgabe, daß der Rechtsweg gemäß Art. 129 Abs. 1 S. 4 RV. offen steht.] (4) Die Pension fällt fort oder ruht insoweit, als der Pen­ sionierte durch anderweitige Anstellung im Staats- oder Eemeindedienste ein Einkommen oder eine neue Pension erwirbt, welche mit Zurechnung der ersten Pension sein früheres Ein­ kommen übersteigen^)*2).3 Titel VII. Bon dem Eemeindehaushalte.

§ 66. (1) Uber alle Ausgaben, Einnahmen und Dienste, welche sich im voraus bestimmen lassen, entwrrft der Magistrat [spätestens im Oktobers), einen Haushaltsetat. [Mit Zustimmung der Stadtver­ ordneten kann die Etatsperiode bis auf drei Jahre verlängert toetben4).] (2) Der Entwurf wird acht Tage lang, nach vorheriger Ver­

ICHflti

kündigung, in einem oder mehreren von dem Magistrat zu be­ stimmenden Lokalen zur Einsicht aller Einwohner der Stadt vffengelegt und alsdann von den Stadtverordneten festgestellt. Eine Abschrift des Etats wird sofort der Aufsichtsbehörde ein­ gereicht.

[Haushaltsführung]

§ 67.

(1) Der Magistrat hat dafür zu sorgen, daß der Haushalt nach dem Etat geführt werde. 88 66—67 WestfStO. = §§ 66-67 ÜstlStO.

Nr. 49). Diese Vorschrift wiederum ist beseitigt durch § 1 deS G. v. 8. Juli 1920 (GS. S. 383) und § 43 d. Preuß. Besold«, v. 17. Dezember 1927 (GS. S. 223). Höchstsatz jetzt nach 29 Dienstjahren ^/ioo (wie bei unmittelbaren Staatsbeamten). 1) Abs. 4 ist noch in Geltung, da der (übrigens inhaltlich gleich­ lautende) § 13 des KommunalbeamtenG. auf Magistratsmitglieder nicht anwendbar ist. 2) Siehe zu §§ 64, 65 das Kommunalbeamtengesetz, unten Nr. 49. 3) Muß jetzt, § 95 Abs. 1 KommunalabgabenG. entsprechend, Ja­ nuar heißen (früher Rechnungsjahr = Kalenderjahr), ist aber im Text nicht geändert worden. 4) Durch § 95 KommunalabgabenG. (§ 96 Abs. 5 das.) beseitigt, unten Nr. 19.

11. östliche Ltäbteordnung mit westfälischer (1853/1856).

[11

(2) Ausgaben, welche außer bcm Etat geleistet werden sollen, bedürfen der Genehmigung der Stadtverordneten.

Einziehung!

§ 68T).

Die Eemeindeabgaben und die Geldbeträge der Dienste sS 54), sowie die Abgaben für die Teilnahme an den Nutzungen (9 52) und die sonstigen Gemeindegefälle werden von den Saulnigen im SLeuerexekutionswege beigetrieben.

IZahresrechnungj

§ 69.

Die Iahresrechnung ist von dem Einnehmer vor dem 1. Mai?) des folgenden Jahres zu legen und dem Magistrat einzureichen. Dieser hat die Rechnung zu revidieren und solche mit seinen Erinnerungen und Bemerkungen den Stadtverordneten zur Prüfung, Feststellung und Entlastung vorzulegen.

HVcftft. b. Äahrkörcchuttug!

§ 70.

(1) Die Feststellung der Rechnung mutz vor dem 1. (Oktober?) bewirkt sein. (2) Der Magistrat hat der Aufsichtsbehörde sofort eine Ab­ schrift des Feststellungsoeschlusses vorzulegen. (3) Durch statutarische Anordnungen können auch andere Fristen, als vorstehend für die Legung und Feststellung der Rech­ nung bestimmt sind, festgesetzt werden.

ILagerbuch!

§ 71.

Uber alle Teile des Vermögens der Stadtgemeinde hat der Magistrat ein Lagerbuch zu führen. Die darin vorkommenden

8 68 WestfStO. -- 8 68 ÖstlStO., aber statt „(8 54)" „(8 53)" und statt „(8 52)" „(§ 51)" (s. auch Anm. zu 8 68 ÖstlStO.). 8 69 Abs. 1 WestfStO. = 8 69 ÖstlStO. Abs. 2: sOfsenlegungs

(2) Nach erfolgter Festsetzung der Rechnung wird dieselbe während vierzehn Tage zur Einsicht der Gemeindeglieder offen­ gelegt. 8 70 WestfStO. =-870 ÖstlStO. 8 71 WestfStO. - 8 71 ÖstlStO.

1) Nicht beseitigt durch § 90 KommunalabgabenG., da welterreichend als dieser.. 2) Muß jetzt August heißen (f. Anm. 3 zu §' 66).

11]

11. Östliche Städteordnung mit westfälischer (1853/185G).

Veränderungen werden den Stadtverordneten bei. der Rechnungsabnahme zur Erklärung vorgelegt.

Titel VIII. Bon der Einrichtung der städtischen Berfassung ohne kollegialischen Eemeindevorstand für Städte, welche nicht mehr als 2500 Einwohner haben.

lPorausskhungen]

§ 72.

In Städten von nicht mehr als 2500 Einwohnern kann auf Antrag der Gemeindevertretung unter Genehmigung [ber Negierung) des Bezirksausschusses^) die Einrichtung getroffen werden, daß 1. die Zahl der Stadtverordneten bis auf llechs?) vermindert und 2. statt des Magistrats nur ein Bürgermeister, welcher den Vorsitz in der Stadtverordnetenversammlung mit Stimmrecht zu führen hat, und zwei oder drei Schöffen, welche den Bürgermeister zu unterstützen und in Verhinderungsfällen zu vertreten haben, gewählt werden.

lStellung b. Bürgerin.]

§ 73.

Wird eine Einrichtung nach Maßgabe der Bestimmung unter 2 in 8 72 getroffen, so gehen alle Rechte und Pflichten,

(Titelüberschrift: Bon der Einrichtung der städtischen Verfassung ohne kollegialischen Gemeindevorstand.) sBoraussetzungen] § 72 WestfStO. In Städten, wo die Gemeindevertretung durch einen nach zweimal, mit einem Zwischenraum von minoestens acht Tagen vorgenommener Beratung zu fassenden Beschluß darauf anträgt, kann mit Genehmigung ves Bezirksausschusses die Einrichtung getroffen werden, daß statt des Magistrats nur ein Bürger­ meister, welcher auch den Vorsitz in oer Stadtverordnetenver­ sammlung mit Stimmrecht zu führen hat, und zwei oder drei Schöffen resp, ein Beigeordneter, welche den Bürgermeister zu unterstützen und in Verhinderungsfällen zu vertreten haben, gewählt werden. sFrüher hieß es: Genehmigung der Regierung, s. deshalb Anm. 1 zu § 72 OstlStO.] x) Gemäß § 16 Abs. 3 ZustG. ’) Die Mindestzahl der Stadtverordneten beträgt nach § 4 GemWG. (unten Nr. 15a) jetzt 11.

11. östliche Ltädteordnung mit westfälischer (1853/1856).

[11

welche in den Vorschriften der Titel I bis VII dem Magistrat beigelegt sind, auf den Bürgermeister mit denjenigen Modifika­ tionen über, welche sich als notwendig daraus eraeben, daß der Bürgermeister zugleich stimmberechtigter Vorsitzender der Stadt­ verordnetenversammlung ist. Demselben steyt insonderheit ein Recht der Zustimmung zu den Beschlüssen der Stadtverordneten nicht du; er ist aber in den im zweiten öatze unter 2 des § 56 be­ zeichneten Fällen die Ausführung der Beschlüsse der Stadtver­ ordnetenversammlung zu beanstanden und, wenn diese bei noch­ maliger Beratung bei ihrem Beschlusse beharrt, die Beschlutzsassung des Bezirksausschusses*) einzuholen verpflichtet). — Im übrigen finden Lei den Städten, welche die vorgedachte Einrich­ tung angenommen haben, die Vorschriften der Titel I bis VII gleichfalls, jedoch mit der Maßgabe Anwendung, daß die Schöffen zugleich SLadtverordnete^ein können, und daß es ge­ nügt, wenn die Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung (§ 47) nur von dem Vorsitzenden und einem Mitglieds unter­ zeichnet werden. T i t e l IX. Bon der Verpflichtung zur Annahme von Stellen und von dem Ausscheiden aus denselben wegen Verlustes des Bürgerrechts.

sAnnahmepflicht, MlehnnngSgr.) § 74. (1) Ein jeder stimmfähigst) Bürger ist verpflichtet, eine unbesoldete Stelle in der Gemeindeverwaltung oder Vertre­ tung anzunehmen, sowie eine angenommene Stelle mindestens drei Jahre lang zu versehen.. (2) Zur Ablehnung oder zur früheren Niederlegung einer solchen Stelle berechtigen nur folgende Entschuldigungsgründe: 1. anhaltende Krankheit; 2. Geschäfte, die eine häufige oder lange dauernde Abwesen­ heit mit sich bringen; 3. ein Alter über sechzig Jahre; 4. die früher stattgehabte Verwaltung einer unbesoldeten Stelle für die nächsten drei Jahre; 5. die Verwaltung eines anderen öffentlichen Amtes; 6. ärztliche oder wundärztliche Praxis; § 73 WestfStO.-8 73 ÖstlStO.

i) Gemäß § 16 Abs. 3 ZustG. ’) Verfahren: §§ 15 oder 17 ZustG. ’) § 2 GemWG. (unter Nr. 15a).

11]

11. Östliche Städteordnung mit westfälischer (1853/1856).

7. sonstige besondere Verhältnisse, welche nach dem Ermessen der Stadtverordnetenversammlung eine gültige Entschul­ digung begründen. (3) Wer sich ohne einen dieser Entschuldigungsgründe weigert, eine unbesoldete Stelle in der Gemeindeverwaltung oder Vertretung anzunehmen oder die noch nicht drei Jahre lang versehene Stelle ferner zu versehen, sowie betjenige, welcher sich der Verwaltung solcher Stellen tatsächlich entzieht, kann durch Beschluß der Stadtverordneten auf drei bis sechs Jahre der Ausübung des Bürgerrechts verlustig erklärt und um ein Achtel bis ein Viertel stärker zu den direkten Gemeindeabgaben yerangezogen werdens. lAuöfchridenf § 75. (1) Wer eine das Bürgerrecht voraussetzende Stelle in der Ver­ waltung oder Vertretung der Stadtgemeinde bekleidet, scheidet aus der­ selben aus, wenn er des Bürgerrechts verlustig geht?). (2) Die zu den bleibenden Berwaltungsdeputationen gewählten stimmfähigen Bürger (§ 59) und anderen von der Stadtverordneten­ versammlung aus eine bestimmte Zeit gewählten unbesoldeten Gemeinde­ beamten, zu denen jedoch die Schöffen nicht zu rechnen sind, können durch einen übereinstimmenden Beschluß des Magistrats und der Stadtver­ ordneten auch vor Ablauf ihrer Wahlperiode von ihrem Amte ent­ bunden werden.

T i t e l X. Bon der Oberaufsicht über die Stadtverwaltung. 88 76-78. (Ersetzt in der Hauptsache durch §§ 7, 15, 21, 19 ZustG. (Aufsichts­ behörden, Beanstandung, Verwaltungsstreitverfahren dafür, ZwangSetat).>

(Auflösung d. StadtparlamentS)

§79.

(1) Durch ^Königliche) Verordnung sauf Antrag) des Staats­

ministeriums^) gelöst werden.

kann eine Stadtverordnetenversammlung auf­

88 74, 75 WestsStO. = 88 74, 75 ÖstlStO.

§§ 76—80 WestsStO. wie §§ 76-78 OstlStO., s. hierzu oben.

1) Ein weiterer Satz ist hier weggefallen, da eine Bestätigung des Beschlusses gemäß § 11 ZustG. nicht mehr erforderlich ist. 2) § 75 Abs. 1 letzter Halbsatz betraf das „Ruhen" der Ausübung des Bürgerrechts, § 7 Abs. 2 und 3. Diese Bestimmungen sind jetzt weg­ gefallen, s. oben au § 7 Abs. 2 und 3. 8) Gemäß Art. 82 Abs. 2 pr. Verf.

11. östliche Ltädteordnung mit westfälischer (1853/1856).

[11

(2) Es ist sodann eine Neuwahl derselben anzuordnen und mutz diese binnen sechs Monaten vom Tage der Auflösungs­ verordnung an erfolgen. Vis zur Einführung der neugewählten Stadtverordneten sind deren Verrichtungen durch den Bezirksausschuh als Veschluhbehörde^) zu besorgen.

§ 80. In betreff der Dienstvergehen der Bürgermeister, der Mitalieder des Vorstandes und der sonstigen Eemeindebeamten kommen die darauf bezüglichen Gesetze zur Anwendung.

lTiszi-linarrrchts

T i t e l XI. Aussührungs- und Übergangsbestimmungen. (dlttsfiihrttngSbestimmungenI § 81. Die zur Ausführung dieses Gesetzes erforderlichen Bestimmungen werden von dem Minister des Innern getroffen.

§§ 82-85. (Enthalten gegenstandslos gewordene Übergangsbestimmungen.)

§ 81 WestfStO. 8 79 8 82 WestfStO. - § 80 § 83 WestfStO.-tz 81 §§ 84—87 WestfStO. wie

ÖstlStO. ÖtlStO. ÖstlStO. §§ 82—85 ÖstlStO., s. hierzu oben.

i) Gemäß § 17 Ziff. 3 ZustG. minister bestellte „Kommissorien".

Früher besondere, vom Innen-

12. Städteordnung für die Rheinprovinz (1856).

12]

12. Städteordnung für die Rheinprovlnz. Dom 15. Mai 1856 (GS. S. 406). Inhalt. Titel „

„ „

„ „ „ „ „

„ „

I. Bon den Grundlagen der städtischen Berfassung §§ 2 bis II. Bon der Zusammensetzung und Wahl der Stadtverordnetenversammlung 11 bis III. Bon der Wahl des Bürgermeisters und der Beigeordneten (Magistratspersonen) . . . §§ 28 bis IV. Bon den Geschäften der Stadtverordneten­ versammlung .........................................34 bis V. Bon den Geschäften des Bürgermeisters . . §§ 53 bis VI. Bon den Gehältern und Pensionen ....§§ 58 und VII. Bon dem Gemeindehaushalte §§ 60 bis VIII. Bon der Einrichtung der Verfassung mit lollegialischem Magistrat 66 bis IX. Bon der Verpflichtung zur Annahme von Stellen und von dem Ausscheiden aus denselben wegen Verlustes des Bürgerrechts §§ 79 und X. Von der Oberaufsicht über die Stadtververwaltung 81 bis XI. Ausführungs- und Übergangsbestimmungen . §§ 88 bis

10.

27. 33. 52. 57. 59. 65.

78.

80.

87. 94.

(Bei gleichlautenden Bestimmungen ist auf die entsprechenden §§ der OstlStO. (oben Nr. 11) verwiesen. Unbedeutende Abweichungen in der Fassung sind dabei nicht berücksichtigt.) (Anwendungsgebiet) § 1. (1) Die gegenwärtige Städteordnung kommt für die sauf dem Provinziallanotage im Stande der Städte vertretenen)*) Gemeinden von mehr als 10 000 Einwohnern zur Anwendung, sowie für diejenigen Städte von geringerer Einwohnerzahl, in denen zur Zeit der Verkündigung der Gemeindeordnung vom 11. März 1850 die revidierte Städteordnung vom 17. März 1831 galt. (2) Durch Verordnung des Staatsministeriums-) kann nach Anhörung des Provinziallandtages die gegenwärtige Städte­ ordnung auch anderen Gemeinden der Rheinprovinz auf ihren Antrag verliehen werdens.

*) Seit der Provinzialordnung vom 29. Juni 1875 gibt es keinen Stand der Städte mehr. -) Gemäß Art. 82 Abs. 1 PrVerf. 3) Abs. 2 mit Rücksicht auf § 21 Abs. 2 der RheinKrO. vom 30. Mai 1887 (GS. S. 209) und den Wegfall des Städtestandes neugefaßt.

12. Städteordnung für die Rheinprovin; (1856).

[12

Titel T. Bon den Grundlagen der städtischen Berfassung. lStadtbezirks

§ 2.

(1) Zu dem städtischen Gemeindebezirke (Stadtbezirke) ge­ hören alle innerhalb dessen Grenzen gelegenen Grundstücke. sAbs. 2 überholt durch das G. v. 27. Dezember 1927, unten Nr. 14. Die infolge der Ein- bzw. Umgemeindung entstehenden Auscinandersctzunqsstreitigkcitcn entscheidet der Bezirksausschuß (§ 8 Abs. 2 ZustG.).] Abs. 3 = vstlStO. § 2 Abs. 8. Abs. 4 = OstlStO. § 2 Abs. 9 Satz 1.

((Einwohners Wie § 3 ÖstlStO.

§ 3.

(Aechte u. Pflichten, Gemeindclasttns § 4. Abs. 1 und 21) = LstlStO. § 4 Abs. 1 und 2. sJm übrigen ist § 4 wie die entsprechenden Vorschriften oer OsLlStO. durch das Komnninalabgabengesetz beseitigt bis auf Abs. 8:)

(8) Denjenigen Staatswaldungen, welche seither von den nach dem Erundjteuerfuste verteilten Eemeindelasten befreit worden sind, verbleibt fernerhin diese Befreiung, dagegen bleibt auch das Regulativ wegen Heranziehung der Staatswaldungen zum Wegebau vom 17. November 1841 (GS. S. 405) fort­ bestehen. (Bürgerrechts § 5. lFortgefallen, f. vstlSIO. § 5.) (Khrenbürgerrechts § 6. sAbs. 1 fortgefallen durch § 4 b. VO. v. 24. Januar 1919, GS. S. 13.] (2) Die Stadtverordnetenversammluna ist im Einverständ­

nisse mit dem Bürgermeister befugt, Männern und Frauen-), welche sich um die Stadt verdient gemacht haben (, ohne Rücksicht auf die oben gedachten besonderen Erfordernisse), das Ehrenbürgerreckt zu erteilen, wodurch keine städtischen Verpflichtungen ent­ stehen. (Verlust des Bürgerrechts] Wie LstlStO. § 7.

§ 7.

1) § 4 Abs. 2 Satz 2 RheinStO. (Armenverwaltung) ist weggefallen. S. jetzt die Fürsorgegesetzgebung, unten Nr. 51a—c. ’) § 1 des G. v. 15. Juli 1919 (GS. S. 113).

12. Ctädteordnung für die Rhein-rovinz (1850).

12]

[Selbstverwaltung! Wie LstlStO. § S. [Vertretung der Stadt)

§ 8. § 9.

Der Bürgermeister und die Stadtverordnetenversammlung haben nach näherer Bestimmung dieses Gesetzes die Stadt­ gemeinde zu vertreten. Der Bürgermeister ist bte Obrigkeit der Stadt und verwaltet die städtischen Gemeindeangelegenheiten. (Die Ausnahmen bestimmt Titel VIII.)

[Statuten! Wie vsllSIO. § 11.

§ 10.

Titel II. Bon der Zusammensetzung und Wahl der Stadtverordneten­ versammlung.

§§ H-26. Wie §§ 12—27 OstlStO. beseitigt durch die neue Gemeindewahlgesetzgebung.] [Einführung u. Verpflichtung) § 27. sAbs. 1 weggefallen wie §§ 11—26.] (2) Der Bürgermeister hat die Einführung der Gewählten und deren Verpflichtung durch Handschlag an Eides Statt zu be­ wirken.

Titel III. Bon der Wahl des Bürgermeisters und der Beigeordneten (Magistratspersonen).

[Beigeordnete!

§ 28.

Neben dem Bürgermeister sind zwei, oder wo es das Be­ dürfnis erfordert, mehrere Beigeordnete zu wählen. Die Bei­ geordneten sind bestimmt, einzelne Amtsgeschäste, welche der Bürgermeister ihnen aufträgt, au besorgen, und diesen in Ver­ hinderungsfällen und während oer Erlängung des Amtes nach der mit Genehmigung des Bezirksausschusses') von der Stadtverordnetenversammlung festzusetzenden Reihenfolge zu vertreten.

§29. [^Beseitigt wie § 30 OstlStO.]

') Gemäß § 16 Abs. 3 ZustG.

12, etübttorbming siir bit Rheinprovinj (1856).

lWahlzeitl

[12

§ 30.

(1) Der Bürgermeister wird auf zwölf Jahre [, die Beigeord­ neten dagegen werden auf sechs Jahres) von der Stadtverordneten­

versammlung gewählt. Auch können Beigeordnete durch Be­ schluß der Stadtverordnetenversammlung mit Besoldung ange­ stellt werden. Ihre Wahl erfolgt in diesem Falle auch auf zwölf Jahre. sAbs. 2 durch § 14 d. GemWA. beseitigt. Lebenszeit nicht mehr möglich.]

Danach ist Wahl auf

§31. (Beseitigt wie § 32 OstlStO.s lBestiitigungl

§ 32").

(1) Die gewählten Bürgermeister und Beigeordneten be­ dürfen der Bestätigung. Die Bestätigung steht zu: 1. dem Staatsministeriunr') in' Städten von mehr als 10 000 Einwohnern; 2. dem Regierungspräsidenten') in Städten, welche nicht über 10 000 Einwohner haben. (2) Wird die Bestätigung versagt, so schreitet die Stadtver­ ordnetenversammlung zu einer neuen Wahl. Wird auch diese Wahl nicht bestätigt, so steht dem Staatsministerium^) be­ ziehungsweise dem Regierungspräsidenten') die Ernennung auf höchstens zwölf Jahre zu. (3) Dasselbe findet statt, wenn die Stadtverordneten die Wahl verweigern oder den nach der ersten Wahl nicht Bestätig­ ten wieder wählen sollten.

lBereidigungl

§ 33.

Die Beigeordneten werden vor ihrem Amtsantritte durch den Bürgermeister in öffentlicher Sitzung der Stadtverordneten­ versammlung in Eid uno Pflicht genommen; der Bürgermeister wird vom Regierungspräsidenten oder einem von diesem zu ernennenden Kommissar in öffentlicher Sitzung der Stadtver­ ordnetenversammlung vereidigt. 1) Nach §§ 9, 14 Abs. 2 des GemWG. (unten Nr. 15a) endet das Amt der Beigeordneten jetzt mit Ablauf der Wahlzeit der Stadtverord­ neten, von denen sie gewählt sind. 2) S. wegen der Versagung der Bestätigung § 13 Abs. 2 und 3 ZustG. (oben Nr. 3). 3) Art.. 82 Abs. 1 Pr. V. *) Gemäß § 13 Abs. 1 ZustG.

12]

12. Etüdteordnung für die Rhein-rovin; (1856).

Titel IV. Von den Geschäften der Stadtverordnetenversammlung. (Zuständigkeit) § 34. Wie vstlStO. § 35, wobei aber an die Stelle des Magistrats der Bürgermeister tritt.

(Keine Exekutionsgewalt. nur Verwaltungskontrolle)

§ 35. Die Stadtverordnetenversammlung darf ihre Beschlüsse in keinem Falle selbst ausführen. Sie kontrolliert die Verwaltung und ist daher berechtigt, sich von der Ausführung ihrer Beschlüsse und der Verwendung aller Gemeinde-Einnahmen Überzeugung zu verschaffen. Sie kann zu diesem Zwecke die Akten einsehen und Ausschüsse aus ihrer Mitte ernennen, zu denen der Bürger­ meister, wenn er nicht selbst hinzutreten will, einen Beigeord­ neten abzuordnen befugt ist.

(Beschlußfassung, Vorsitz)

§ 36.

(1) Die Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung werden nach Stimmenmehrheit gefaßt. (2) Den Vorsitz in der Stadtverordnetenversammlung führt der Bürgermeister und bei dessen Verhinderung der nellvertretende Beigeordnete mit vollem Stimmrechte und bei Stim­ mengleichheit mit entscheidender Stimme. (3) Wer in der Stadtverordnetenversammlung nicht mit­ stimmt, wird zwar als anwesend betrachtet, die Stimmenmehr­ heit wird aber lediglich nach der Zahl der Stimmenden fest­ gestellt. (Einberufung)

§ 37.

Die Stadtverordneten versammeln sich, so oft es die Ge­ schäfte erfordern. Die Zusammenberufuna derselben geschieht durch den Vorsitzenden; sie mutz erfolgen, sobald es von einem Viertel der Mitglieder verlangt wird. .Tagesordnung) Wie LstlStO. 8 40.

§38.

(Regel«. Sitzung) Wie LftlStO. § 41.

§39.

(Beschlußfähigkeit)

§40.

Wie vstlStO. § 42.

12. Etiidteordnung für die Rheinprovinz (1850).

[12

(Ausschließung, Prozeß geg. Mag.j § 41. (1) An Verhandlungen über Rechte und Verpflichtungen der Stadtgemeinde darf derjenige nicht teilnehmen, dessen Interesse mit dem der Gemeinde in Widerspruch steht. Kann wegen dieser Ausschließung eine beschlußfähige Versammlung nicht gehalten werden, so hat der Bürgermeister für die Wahrung oes Eemeipdeinteresses zu sorgen und nötigenfalls einen besonderen Vertreter für die Stadtgemeinde zu bestellen. Wenn auch der Bürgermeister aus dem vorgedachten Grunde an dem Beschlusse teilzunehmen nicht befugt ist, beschließt an Stelle der Stadtver­ ordnetenversammlung der Bezirksausschuß*). (2) Sollte ein Prozeß der Stadtgemeinde gegen Magistrats­ personen, aus Veranlassung ihrer Amtsführung notwendig werden, so hat der Regierungspräsident-) auf Antrag der Stadt­ verordnetenversammlung einen Vertreter der Gemeinde zur Führung des Prozesses zu bezeichnen,' jeder Vertreter hat den von der Stadtverordnetenversammlung vorgeschlagenen Anwalt zu bestellen. l^ffentlichkeit) Wie vstlStO. 8 45.

(rihungspolizei) Wie vstlStO. § 46.

§ 42. § 43.

IBefchlutzbuchj § 44. (1) Die Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung sind mit Anführung der dabei gegenwärtig gewesenen Mitglieder in ein besonderes Buch einzutragen, und sowohl von dem Vorsitzen­ den als von wenigstens drei Mitgliedern zu unterschreiben.

I Geschäftsordnung) (2) Der Stadtverordnetenversammlung bleibt überlassen, eine Geschäftsordnung abzufassen, und darin Zuwiderhandlungen der Mitglieder gegen die zur Aufrechterhaltung der Ordnung gegebenen Vorschriften mit Strafen zu belegen; die Strafen rönnen nur in Geldbußen bis zu fünfzehn Reichsmark und bei mehrmals wiederholten Zuwiderhandlungen in der auf eine ge­ wisse Zeit oder für die Dauer der Wahlperiode zu verhängenden Ausschließung aus der Versammlung bestehen*).

*) Gemäß § 17 Abs. 2 ZustG. *) Gemäß § 7 ZustG. 3) Wegen der Zuständigkeit der Stadtverordnetenversammlung zur Verhängung der Ordnungsstrafen im Einzelfall s. § 10 Abs. 1 Ziff. 3 ZustG., wegen des weiteren Verfahrens § 11 Abs. 1, § 21 ZustG.

12]

12. Städteordnung für die Rheinprovinj (1850).

(Gemeindevermögen)

§ 45,

(1) Die Stadtverordnetenversammlung beschließt über die Benutzung des Eemeindevermögens; die Deklaration vom 26. Juli 1847 (ES. S. 327) bleibt für die betreffenden Landes­ teile maßgebend. fAbs. 2 ersetzt durch § 18 ZustG.) (3) Uber das Vermögen, welches nicht der Eemeindekorpo-

ration in ihrer Gesamtheit gehört, kann die Stadtverordneten­ versammlung nur insofern beschließen, als sie dazu durch den Willen der Beteiligten oder durch sonstige Rechtstitel berufen ist. (4) Auf das Vermögen der Korporationen und Stiftungen sowie auf dasjenige, welches einzelnen Klassen von Einwohnern angehört, haben die Mitglieder der Gemeinde als solche keinen Anspruch. (5) In Ansehung der Verwaltung und Verwendung des Vermögens der Stiftungen bewendet es bei den stiftungs­ mäßigen Bestimmungen. (Genehm, b. Aufsichtsbehörde!

§ 46,

Abs. 1 Ziff. 1—4 wie vstlStO. § 50. 5. zur Anstellung von Prozessen über Berechtigungen der

Stadtgemeinde, oder über die Substanz des Gemeinde­ vermögens, oder zu Vergleichen über Gegenstände dieser Art; 6. au einseitigen Verzichtleistungen und zu Schenkungen seitens der Stadtgemernde. (2) In Prozessen gegen den Fiskus und zu Regreßklagen gegen Mitglieder der Staatsbehörden ist eine Genehmigung des Regierungspräsidenten*) nicht erforderlich. (Grundstücks!

§ 47.

Abs. 1 wie vstlStO. § 51. fJm übrigen ist § 47 RheinStO. durch Art. 2 Ziff. 5 des Kriegs­ vereinfachungsgesetzes v. 13. Mai 1918 (GS. S. 53) aufgehoben. Wegen dex Gültigkeit des Abs. 7 besteht Streit, da sich eine „entsprechende Be­ stimmung" in der OstlStO. nicht findet.) (7) Verpachtungen von Grundstücken und Gerechtsamen der Stadt­ gemeinden müssen öffentlich an den Meistbietenden geschehen; Aus­ nahmen hiervon sind nur mit Genehmigung des Bezirksausschusses gestattet. *) Nach § 7 ZustG.

12. Städteordnung für die Rheinprovin; (1856).

[12

lEinkaufsgeld, jährt. Abgabe) § 48. (Abs. 1 (bctr. Einzugsgeld) aufgehoben durch G. v. 2. März 1867, GS. S. 361.] (Abs. 2 (bctr. Lausstandsgeld) aufgehoben durch § 4 b. VO. v. 24. Januar 1919, GS. S. 13.] (3) Die Teilnahme an den Eemeindenutzungen (§ 46 Nr. 4) kann sautzerdem] von der Entrichtung einer jährlichen Abgabe und

anstatt oder neben derselben von Entrichtung eines Einkaufs­ geldes abhängig gemacht werden, (durch deren Entrichtung aber Die Ausübung des Bürgerrechts niemals bedingt ist]1).* Die Verpflichtung zur Zahlung des Einkaufsgeldes, sowie der demselben ent­ sprechenden lährlichen Abgabe ruht, solange auf die Teilnahme an den Gemeindenutzungen verzichtet wird"). (4) Alle derartigen Beschlüge bedürfen der Genehmigung des Bezirksausschusses3). (Aos. 5 aufgehoben wie Abs. 2.]

(6) Die mit dem Besitze einzelner Grundstücke verbundenen oder auf sonstigen besonderen Rechtstiteln beruhenden Nutzungs­ rechte find den Bestimmungen dieses Paragraphen nicht unter­ worfen.

88 49, 50. (Wie §§ 53, 54 OstlStO. aufgehoben bzw. überholt durch das Komluunalabgabengesetz (unten Nr. 19), s. insbesondere dessen §§ 1, 2, 68.]

lGemeindewaldungen]

§ 51.

Bei Verwaltung der Gcmeindewaldungen sind die Verord­ nung vom 24. Dezember 1816 und die in Gemäßheit derselben erlassenen Reglements zu beachtens. lGemeindeeinnehmerj

§ 52.

(1) Der Eemeindeeinnehmer wird von der Stadtverordneten­ versammlung gewählt, welche auch die von demselben sowie von anderen Gemeindebeamten zu leistenden Kautionen zu be­ stimmen hat. *) Durch den Wegfall der Abs. 1 und 2 bedeutungslos. -) Abs. 3 Sah 2 nach § 8 d. G. v. 14. Mai 1860 (GS. S. 237). 3) Gemäß § 16 Abs. 3 ZustG. *) § 51 und die VO. vom 24. Dezember 1816 — Ausführungs­ instruktion dazu vom 30. September 1819 — gilt nur in den damals preußischen Teilen der jetzigen Rheinprovinz (Cleve, Berg und N i e d e r r h e i n). Im übrigen siehe § 16 Abs. 2 ZustG.

12. Ctädteordnung für die Rhelnprovinz (185V).

12]

(2) Die Wahl, sowie die Bestimmung der Kaution des Ge­ meindeeinnehmers, bedarf der Genehmigung des Regierungspräsidenten*). T i t e l V. Bon den Geschäften des Bürgermeisters.

(Zuständigkeit)

§ 53.

Der Bürgermeister hat als Ortsobrigkeit und Eemeindeverwaltungsbehörde insbesondere folgende Geschäfte: 1. die Gesetze und Verordnungen, sowie die Verfügungen der ihm vorgesetzten Behörden auszuführen und den gan­ zen Geschäftsgang bei der städtischen Verwaltung zu leiten und zu beaufsichtigen,' 2. die Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung vorzu­ bereiten und, sofern er dieselben nicht förmlich beanstan­ det, zur Ausführung zu bringen. Wenn von der Stadt­ verordnetenversammlung ein Beschluß gefaßt ist, welcher

[bereit Befugnisse überschreitet, gesetz- oder rechtswidrig ist]2) das

Staatswohl oder das Eemeindeinteresse verletzt, so ist der Bürgermeister verpflichtet, die Ausführung des Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung zu beanstanden, und wenn diese bei nockmaliger Beratung Lei ihrem Beschlusse beharrt, die Entscheidung des Bezirksausschusses8) einzu­ holen. Dasselbe gilt für den frall, wenn der Bürger­ meister die Ernennung des gewählten Einnehmers (§ 52) beanstanden zu müssen glaubt' 3. die städtischen Eemeindeanstalten zu verwalten und die­ jenigen, für welche besondere Verwaltungen eingesetzt sind, zu beaufsichtigen,' 4. die Einkünfte der Stadtgemeinde zu verwalten, die auf dem Etat oder besonderen Beschlüssen der Stadtverord­ netenversammlung beruhenden Einnahmen und Ausgaben anzuweisen und das Rechnungs- und Kastenwesen zu überwacken. Von jeder regelmäßigen Kastenrevision ist den Stadtverordneten Kenntnis zu geben, damit sie ein Mit­ glied oder mehrere abordnen können, um diesem Geschäfte beizuwohnen. Bei außerordentlichen Kastenrevistonen kann ein Mitglied der Stadtverordnetenversammlung zuge­ zogen werden,'

1) Gemäß § 13 ZustG. 2) In diesen Fällen findet die Beanstandung nach § 15 ZustG. (mit aufschiebender Wirkung) und gegebenenfalls das Verwaltungsstreit­ verfahren statt. 8) S. im einzelnen § 17 Zisf. 1 ZustG.

12. Städteordnung für die Rheinprovinz (1856).

[12

5. das Eigentum der Stadtgemeinde zu verwalten, die Ge­ meinde in Prozessen zu vertreten und ihre Rechte zu wahren; 6. die GemeindeLeamten, nachdem die Stadtverordneten dar­ über vernommen und hinsichtlich der Polizeibeamten die nach § 4 des Gesetzes über die Polizeiverwaltung vom 11. März 1850 erforderliche Bestätigung der Aufsichts­ behörde eingeholt worden ist, anzustellen und dieselben, einschließlich des Eemeindeelnnehmers (§ 52), zu beauf­ sichtigen. Die Anstellung kann, soweit es sich nicht um vor­ übergehende Dienstleistungen handelt, auf Lebenszeit erund Akten der Stadtgemeinde aufzube­ wahren ; 8.. die Stadtgemeinde nach außen zu vertreten und namens derselben mit Behörden und Privatpersonen zu verhan­ deln, den Schriftwechsel zu führen und die Gemeinde­ urkunden in der Urschrift zu vollziehen. Die Ausferti­ gungen der Urkunden werden namens der Stadtgemeinde von dem Bürgermeister oder seinem Stellvertreter gültig unterzeichnet; in Fällen, wo die Genehmigung der Auf­ sichtsbehörde erforderlich ist, muß dieselbe in beglaubigter Form der gedachten Ausfertigung beigefügt werden; 9. die städtischen Eemeindeabgaben und Dienste nach den Ge­ setzen und Beschlüsien auf oie Verpflichteten zu verteilen, die Hebelisten (Rotten) aufzustellen, vollstreckbar zu er­ klären und die Beitreibung zu verfügen. Die Hebelisten müssen, bevor dieselben vollstreckbar erklärt werden, vier­ zehn Tage offengelegt fein2). 7.

(Leputattonen)

§ 54.

(1) Zur dauernden Verwaltung oder Beaufsichtigung ein­ zelner Geschäftszweige sowie zur Erledigung vorübergehender Aufträge können besondere Deputationen entweder bloß aus Stadtverordneten oder aus letzteren und aus stimmfähigen Bürgern gebildet werden. (2) In diesen Deputationen und Kommissionen, welche übri­ gens in allen Beziehungen dem Bürgermeister untergeordnet sind, werden die Stadtverordneten und stimmfähigen Bürger von der Stadtverordnetenversammlung gewählt. Den Vorsitz

i) Sie muß jetzt grundsätzlich auf Lebenszeit erfolgen, § 8 KommDG. (unten Nr. 49). Ausnahmen sind nur nach §§ 9, 10 das. zulässig. ’) S. daL Nähere im KommAG., unten Nr. 19. Bühler, DerwaltungSgesehe.

12

12]

12. Städteordnung für die Rheinprovin; (1856).

führt der Bürgermeister oder der von ihm hierzu beauftragte Beigeordnete. (3) Durch statutarische Anordnungen können nach den eigen­ tümlichen örtlichen Verhältnissen besondere Festsetzungen über die Zusammensetzung der bleibenden Berwaltungsdeputationen getroffen werden. |Crt36ejkfe]

§ 55.

(1) Alle Stadtgemeinden von großem Umfange oder von zahlreicher Bevölkerung werden von dem Bürgermeister, nach­ dem die Stadtverordneten darüber vernommen worden sind, in Ortsbezirke eingeteilt. (2) Jedem Bezirk wird ein Bezirksvorsteher vorgesetzt, wel­ cher von der Stadtverordnetenversammlung aus den stimmfähi­ gen Bürgern des Bezirks auf sechs Jahre gewählt und vom Bürgermeister bestätigt wird. In gleicher Weise wird für den Fall der Verhinderung des Bezirksvorstehers ein Stellvertreter desselben angestellt. (3) Die Bezirksvorsteher sind Organe des Bürgermeisters und verpflichtet, seinen Anordnungen Folge zu leisten, ihn namentlich in den örtlichen Geschäften des Bezirks zu unter­ stützen. IBericht des Bürgermeisters!

§66.

Jedes Jahr, bevor sich die Stadtverordnetenversammlung mit dem Haushaltsetat beschäftigt, hat der Bürgermeister in öffentlicher Sitzung derselben über die Verwaltung und den Stand der Eemeinoeangelegenheiten einen vollständigen Bericht zu erstatten. Tag und Stunde werden wenigstens zwei freie Tage vorher in der Gemeinde bekanntgemacht. [58ef. Ausgaben d. Bürgerm.I

§ 57.

(1) Der Bürgermeister bat nach näherer Bestimmung der Gesetze auch noch folgende Geschäfte zu besorgen: I. wenn die Handhabung der Ortspolizei nicht IKöniglichen) staatlichen Behörden übertragen ist: 1. die Handhabung der Ortspolizei; 2. die Verrichtung eines Hilfsbeamten der lgerichllichen Po­ lizei! Staatsanwaltschaft*); 3. die Verrichtungen eines fPolizeianwaliss Amtsanwalts-) vorbehaltlich der Befugnis der Behörde in den Fällen x) § 152 GVG. -) § 142 GVG.

12. Stadteordnung für die Rheinprovinz (1856).

[12

2 und 3 andere Beamten mit diesen Geschäften zu be-

ürgermeister am Sitze eines Gerichts kann die Vertretung der Amtsanwaltschaft bei dem Gerichte auch für die übrigen Gemeinden des Eerichtsbezirkes übertragen werben1). fZiff. 3 Abf. 3 weggefallen, wegen der Entschädigung siehe jetzt § 65 d. in Anm. 3 genannten Gesetzes.)

IT. alle örtlichen Geschäfte der Kreis-, Bezirks-, Provinzial- und allgemeinen Staatsverwaltung, namentlich auch das Fübren der [Personenstandsregister) Standesregister2),* 4sofern nicht andere Behörden dazu bestimmt sind. (2) Mit der Führung der [Personenstandsregister) Standes­ register können durch die Behörden auch andere Gemeinde­ beamte beauftragt werben2). Titel VI.

Bon den Gehältern und Pensionen. fGehalt u. Entschädigung) § 58. (1) Der Normaletat aller Besoldungen wird von dem Bür­ germeister entworfen und von der Stadtverordnetenversamm­ lung festgesetzt. (2) Jtt em Normalbesoldungsetat überhaupt nicht oder nur für einzelne Teile der Verwaltung festgestellt, so werden die in solcher Weise nicht vorgesehenen Besoldungen vor der Wahl der Bürgermeister und der besoldeten Bei­ geordneten unterliegt die Festsetzung der Besoldungen in allen Fällen der Genehmigung des Bezirksausschusses2). Der Regie­ rungspräsident) ist ebenso befugt als verpflichtet, zu verlangen, daß ihnen die zu einer zweckmäßigen Verwaltung angemessenen Besoldungsbeträge bewilligt werden. (4) Den Beigeordneten, sofern ihnen nicht eine Besoldung besonders beigelegt ist (§ 30), können mit Genehmigung des Bezirksausschusses2) feste Entschädigungsbeträge bewilligt werden. [Statt Abs. 4 Satz 2 f. jetzt § 4 b. VO. v. 31. Januar 1919, GS. S. 15, oben zu § 64 OstlStO.)

1) §§ 64, 65 PreutzAGGVG. vom 24. April 1878 (GS. S. 230). 2) Siehe darüber jetzt §§ 4 ff. deS Personenstandsgesetzes vom 6. Fe« bruar 1875. 2) § 16 Abs. 3 ZustG. 4) § 7 ZustG.

12]

12. Städteordnung für die Rheinprovinz (1856).

§ 59.

(Pension]

Den Inicht auf Lebenszeit angestelltenst) Bürgermeistern und besoldeten Beigeordneten sind, sofern nicht mit Genehmigung des Bezirksausschusses") eine Vereinbarung wegen der Pension getroffen ist, bei eintretender Dienstunfähigkeit oder wenn sie nach abgelaufener Dienstperiode nicht wieder bestellt werden, folgende Pensionen zu gewähren: ein Viertel des Gehalts nach sechsjähriger Dienstzeit, die Hälfte des Gehalts nach zwölfjähriger Dienstzeit, (1)

(zwei Drittel des Gehalts nach vierundzwanzigjähriger Dienstzeit)8* ).* * Wegen Abs. 2-4 s. OstlStO. § 65 Abs. 2-4 und die Anmer­ kungen dazu.)

Titel VII. Bon dem Gemeindehaushalte. sDie Verweisungen in diesem Titel aus die entsprechenden Bestim­ mungen des Titels VII der OstlStO. gelten mit der Maßgabe, daß an die Stelle des Magistrats der OstlStO. der Bürgermeister tritt. Beachte vor allem auch die Anmerkungen in der OstlStO.)

§ 60.

IGtat]

Abs. 1 = OstlStO. § 66 Abs. 1 Satz 1. Abs. 2 = OstlStO. § 66 «bs. 2. Haushaltsführung]

§61.

Wie OstlStO. 8 67. Einziehung der Abgaben]

§ 62*).

Die Eemeindeabgaben fund die Geldbeträge der Dienste (§ 50)]5) sowie die lEingangs-, Eintritts- unb]°) Einkaufsgelder (§ 48) und die sonstigen Eemeindegefälle werden von den Säumigen im Steuerexekutionswege beigetrieben. *) Anstellung auf Lebenszeit gibt es nicht mehr, §§ 9, 14 GemWG., unten Nr. 15a. -) § 16 Abs. 3 ZustG. 8) S. Anm. 2 zu der entsprechenden Stelle in § 65 OstlStO. ♦) Nicht beseitigt durch § 90 KommAbgG. (unten Nr. 19), da weiter­ reichend als dieser. 6) Ersetzt durch § 68 des KommAbgG., s. oben zu § 50 und zu § 54 OstlStO. ®) S. oben zu § 48.

12. Ltädteordnuna für die Rheinprovlnz (1856).

Dahrtörechnung)

[12

§ 63,

(1) Die Jahresrechnung ist von dem Einnehmer vor dem 1. [Quni]1) des folgenden Jahres zu legen und dem Bürgermeister einzureichen. Ab. 1 Satz 2 = OstlStO. § 69 Abs. 1 Satz 2. Abs. 2 = WestsStO. § 69 Abs. 2, s. bei § 69 OstlStO.

(Feststellung b. Jahresrechnungs

§ 64,

Wie OstlStO. 8 70. sLagerbuchs Wie OstlStO. § 71.

§ 65.

Titel VIII. Bon der Einrichtung der städtischen Berfassung mit kollegialischem Magistrat. iDorauösthungens

§ 66.

In Städten, wo die Gemeindevertretung durch einen, nach zweimal, mit einem Zwischenraum von mindestens acht Tagen, vorgenommener Beratung zu fassenden Beschluß daraus anträgt, kann unter Genehmigung oes Bezirksausschusses2) die städtische Verfassung mit kollegialischem Magistrat, welcher die Obrigkeit der Stadt ist, die städtischen Eemeindeangelegenheiten verwaltet und an der Vertretung der Stadtgemeinde teilnimmt, ein­ gerichtet werden. i^inrichtungs

§ 67.

Wird eine Einrichtung dieser Art getroffen, so finden die Vorschriften der Titel I bis VII mit folgenden Modifikationen Anwendung: lMagistratsmitgliedkrs

§ 68.

, (1) Der Magistrat besteht aus dem Bürgermeister, einem Beigeordneten oder zweiten Bürgermeister als dessen Stellver­ treter, einer Anzahl von Schöffen (Stadträte, Ratsherren, Rats­ männer) und, wo das Bedürfnis es erfordert, noch aus einem oder mehreren besoldeten Mitgliedern (Syndikus, Kämmerer, Schulrat, Baurat usw.). 1) Muß jetzt, § 95 Abs. 1 KommAbgG. entsprechend, September heißen. 2) Gemäß § 16 Abs. 3 ZustG.

12. Städteordnung für die Rheinprovinz (1856).

12]

(2) Es gehören zum Magistrat: in Stadtgemeinden von weniger als 10000 Einwohnern 2 ScSchöffen in „ „ 10 000 bis 20000 „ 4 „ und in „ „ 20 000 und mehr „ 6 „ (3) Durch statutarische Anordnungen können abweveichend Festsetzungen über die Zahl der Magistratsmitglieder gegetroffei werden.

§69. (Aufgehoben durch § 10 des Ges. vom 18. Juli 1919 (GS. E S. 118). sWahlzeits

§ 70.

(1) Anher dem Bürgermeister werden die übrigen besoldeten Magistratsmitglieder ebenfalls auf zwölf Jahre [bagegen di die unbe soldeten Beigeordneten und die Schöffen auf sechs Jahres), v von der Stadtverordnetenversammlung gewählt.

(Abs. 1 Satz 2 weggefallen infolge § 14 GemWG.j (Abs. 2 weggefallen infolge §§ 9, 14 GcmWG., s. jetzt das.is.j

sBestätigungs

§ 71.

Die Wahlen aller Magistratsmitglieder bedürfen dlder Be­ stätigung, wobei die im § 32 hinsichtlich der Bürgermeistster und Beigeordneten enthaltenen Vorschriften auch hier Anwerendung finden, jedoch in bezug auf die übrigen besoldeten Magiftstratsmitglieder und die Schöffen mit der Maßgabe, dah dereen Be­ stätigung beziehungsweise Ernennung in allen Städtenn ohne Unterschied der Gröhe dem Regierungspräsidenten-) zusteLht.

sStadtverordnetenvorftthers

§ 72.

(1) Die Stadtverordnetenversammlung wählt jährlichh einen Vorsitzenden, sowie einen Stellvertreter desselben, aus- ihrer Mitte. Doch kann auch die Stelle des Schriftführers erin von der Stadtverordnetenversammlung nicht aus ihrer Mittte ge­ wählter, in öffentlicher Sitzung hierzu von dem Bürgerrmeister vereideter Protokollführer vertreten.

(2) (Diese Wahl erfolgt in dem im § 31 vorgeschriebeneen Ver­ fahrens). Abs. 2 Satz 2 wie LstlStO. § 38 Abs. 1 Satz 3. Abs. 3 und 4 wie vstlStO. § 38 Abs. 3.

*) Deren Wahlzeit richtet sich jetzt nach §§ 9, 14 GemWG.,, unten Nr. 15a. s) Gemäß § 13 ZustG. s) S. deshalb oben zu dem mit § 31 gleichlautenden und totic dieser beseitigten § 32 OstlStO.

12. Ltädteordnung für die Rhcin-rovin; (1856). (Mittetl. v. b. Stadtv.Beschl.)

[12

§ 73.

Dem Magistrat müssen alle Beschlüsse der Stadtverordneten­ versammlung mitgeteilt werden. [Rechte u. Pflichten d. Magistrats

§ 74.

(1) Die in KZ 6. 41, 53, 55, 56, 60, 61, 63, 64 und 80 bezeich­ neten Rechte und Pflichten des Bürgermeisters gehen unter der Geschäftsleitung seitens des letzteren auf den Magistrat über, mit der Matzgabe, datz Alinea 2 Nr. 2 8 53 in Wegfall kommt, datz auch hier die Ausfertigungen der Urkunden (Nr. 8 § 53) namens der Stadtgemeinde von dem Bürgermeister oder seinem Stellvertreter gültig unterschrieben werden, ferner, datz die Be­ schlüsse der Stadtverordnetenversammlung in allen Angelegen­ heiten, bei denen nach dem Gesetz dem Magistrat die Ausfüh­ rung zukommt, der Zustimmung des letzteren bedürfen. Dieser Zustimmung bedürfen auch die von der Stadtverordnetenver­ sammlung nach [§ 19 unb]1)2 § 44 gesahten Beschlüsse [wegen Fest­ stellung der Liste der stimmfähigen Bürger unb]1) wegen Abfassung der Geschäftsordnung. (2) Versagt Der Magistrat die Zustimmung, so hat er die Gründe der Versagung der Stadtverordnetenversammlung mit­ zuteilen. — Erfolgt hierauf keine Verständigung, zu deren Her­ beiführung sowohl von dem Magistrat als der Stadtverordneten­ versammlung die Einsetzung einer gemeinschaftlichen Kommission verlangt werden kann, so ist die Entscheidung des Bezirksaus­ schusses einzuholen?). Der Magistrat ist verpflichtet, die Zu­ stimmung und Ausführung zu versagen, wenn von der Stadt­ verordnetenversammlung ein Beschlutz gefaßt ist, welcher [beten Befugnisse überschreitet, gesetz- oder rechtswidrig ist]3)* das * 6 Staatswohl oder das Gemeindeinteresse verletzt. (3) Einzelne der im 8 57 unter I und II erwähnten Geschäfte des Bürgermeisters können mit Genehmigung des Regierungspräsidenten') einem anderen Magistratsmitgliede übertragen werden. [Beschlußfassung d. Magistrats!

§ 75.

(1) Der Magistrat kann nur beschließen, wenn mehr als ein Dritte?) seiner Mitglieder zugegen ist. *) § 19 ist weggefallen, s. das. 2) S. int einzelnen § 17 Zisf. 1 ZustG. 3) Für diese Fälle siehe § 15 ZustG. Vgl. die entsprechende Regelung oben in § 53 Zisf. 2. *) Gemäh § 7 ZustG. 6) Früher die Hälfte. Die Änderung folgt Wohl aus Art. 2 Ziff. 6 des G. vom 13. Mai 1918 (GS. S. 53). S. § 57 Abs. 1 OstlStO.

12. Ltiidteordnung für die Rheinprovinz (1856).

12]

(2) Die Beschlüsse werden nach Stimmenmehrheit gefaßt. Bei Stimmengleichbeit ist die Stimme des Vorsitzenden entscheidend. Den Vorsitz führt der Bürgermeister oder sein Stellvertreter. — Der Vorsitzende ist verpflichtet, wenn ein Beschluß des Magistrats [beficn Befugnisse überschreitet, gesetz- oder rechtswidrig ist)1) das Staatswohl oder das Eemeindeinteresse verletzt, die Ausführung eines solchen Beschlusses zu beanstanden und die Entscheidung des Bezirksausschußes^) einzuholen. (3) Der Beigeordnete nimmt auch außer dem Falle der Stell­ vertretung an den Verhandlungen und Beschlüssen teil. Bei Be­ ratung über solche Gegenstände, welche das Privatinteresse eines Mitglieds bet; Magistrats oder seiner Angehörigen berühren, muß dasselbe sich der Teilnahme an der Beratung und Abstim­ mung enthalten, auch sich während der Beratung aus dem Sitzungszimmer entfernen.

(Vorentfcheid.durch d. Burgtrmftr.f §76. In allen Fällen, wo die vorherige Veschlußnahme durch den Magistrat einen nachteiligen Zeitverlust verursachen würde, muß der Bürgermeister die Dem Magistrat obliegenden Geschäfte vorläufig allein besorgen, jedoch dem letzteren in der nächsten Sitzung, behufs der Bestätigung oder anderweiten Beschluß­ nahme, Bericht erstatten.

sTeputationrnI

§77.

(1) Zur dauernden Verwaltung oder Beaufsichtigung ein­ zelner Geschäftszweige, sowie zur Erledigung vorübergehender Aufträge können besondere Deputationen entweder bloß aus Mitgliedern des Magistrats, oder aus Mitgliedern beider Stadt­ behörden, oder aus letzteren und aus stimmfähigen Bürgern gebildet werden. Zur Bildung gemischter Deputationen aus eiden Stadtbchärden ist ein übereinstimmender Beschluß beider erforderlich. (2) Zu diesen Deputationen und Kommissionen, welche übrigens in allen Beziehungen dem Magistrate untergeordnet sind, werden die Stadtverordneten und stimmfähigen Bürger von der Stadtverordnetenversammlung gewählt, die Magistratsmit­ glieder dagegen von dem Bürgermeister ernannt, welcher auch unter den letzteren den Vorsitzenden zu bezeichnen hat.

*) S. Anm. 3 zu § 74. ’) Gemäß § 17 Ziss. 1 ZustG.

12. Städteordnung für die Rheinprovin; (1856). Entschädigung, Gehalt, Pension)

[12

§78.

[Statt Abs. 1 s. jetzt § 4 b. BO. vom 31. Januar 1919, GS. S. 15, oben zu § 64 OstlStO.s

(2) Die Bestimmungen in §§ 58 und 59 und hinsichtlich der Gehalter und Pensionen der Bürgermeister und besoldeten Bei­ geordneten finden auch auf die übrigen besoldeten Mitglieder des Magistrats Anwendung. T i t e l IX. Von der Verpflichtung zur Annahme von Stellen und von dem Ausscheiden aus denselben wegen Verlustes des Bürgerrechts. )Annahmrpflicht, Ablehnnngsgr.) § 79. Wie OstlStO. § 74. lAbs. 3 = «bf. 3 Satz 1 vstlStO. Abs. 4 weggefallen wie Abs. 3 Satz 2 OstlStO.s [Ausscheiden) § 80. Abs. 1 = vstlStO. § 75 Abs. 1.

(2) Die zu den bleibenden Verwaltungsdeputationen ge­ wählten stimmfähigen Bürger und anderen von der Stadtver­ ordnetenversammlung aus eine bestimmte Zeit gewählten unbe­ soldeten Eemeindebeamten können von dem Bürgermeister in Übereinstimmung mit der Stadtverordnetenversammlung auch vor Ablauf ihrer Wahlperiode von ihrem Amte entbunden werden. T i t e l X. Von der Oberaufsicht über die Stadtverwaltung. §§ 81-85. lErsetzt wie §§ 76-78 OstlStO. durch §§ 7, 15, 21, 19 ZustG. (Aufsichtsbehörden, Beanstandung, Berwaltungsstreitverfahren dagegen, Zwangsetatj.j [Auslösung d. Stadtparlamentö)

§ 86.

Wie östl. StO. § 79. sSatz 1 = Abs. 1 OstlStO., Satz 2 u. 3 [Disziplinarrechtl

Abs. 2 OstlStO.s

§ 87.

In betreff der Dienstvergehen der Bürgermeister und der sonstigen Gemeindebeamten kommen die darauf bezüglichen Ge­ setze zur Anwendung.

13]

13. östliche Landgtmeindeordnung (1801).

Titel XL Ausführungs- und Übergangsbestimmungen. (Nusführungsbestimmungen)

§88.

Die zur Ausführung dieses Gesetzes erforderlichen Bestim­ mungen werden von dem Minister des Innern getroffen').

§§ 89-94. sEnthallen gegenstandslos gewordene Übergangsbestimmungen.)

2. Lonbgemeinberecht.

13. Lanbgeme'mdeorbmrng für die sieben östlichen Provinzen der Monarchie. Dom 3. Süll 1891 (SG. S. 233). Inhalt. Erster Titel. Allgemeine Bestimmungen.......................88 1 bis 4. Zweiter Titel. Landgemeinden........................................ 88 5 bis 121. Erster Abschnitt. Rechtliche Stellung der Land­ gemeinden ................................................................... §§ 5 und 6. Zweiter Abschnitt. Gemeindeangehörige, deren Rechte und Pflichten.......................................................... §§ 7 bid 38. Dritter Abschnitt. Gemeindeglieder, deren Rechte und Pflichten............................................................................ 39 bis 48. Vierter Abschnitt. Gemeindevertretung..................... 88 49 bis 67. Fünfter Abschnitt. Gemeindevermögen..................... 88 68 bis 73. Sechster Abschnitt.Verwaltung der Landgemeinden 88 74 bis 91. Siebenter Abschnitt. Aufhebung der mit dem Besitze gewisser Grundstücke verbundenen Berechtigung und Verpflichtung zur Verwaltung des Schulzen­ amtes ............................................................................ 88 92 bis 101. Achter Abschnitt. Geschäfte der Gemeindeversammlung und Gemeindevertretung........................................ 88 102 bis 116. Neunter Abschnitt. Besoldete Gemeindebeamte, deren Gehälter und Pensionen........................................ §§117 und 118. Zehnter Abschnitt. Gemeindehaushalt.......................88 H9 bis 121. Dritter Titel. Selbständige Gutsbezirke....................... 88 122 bis 127.

1) S. die Instruktion vom 18. Juni 1865 (MBliB. S. 161).

13. östliche Landgkmeindeordnung (1891).

(13

Vierter Titel. §§ 128 bis 138 fortgeiallen, fünfter Titel. Aufsicht des Staates §§ 139 bis 145. Sechster Titel. Aussührungs- u. Ubcrgaugsbestiminungen §§ 146 bis 149.

Erster Titel. l Anwendungsgebiet)

Allgemeine Bestimmungen. § 1.

(1) Die gegenwärtige Landgemeindeordnung findet in den Provinzen Ostpreußen, 'Grenzmark Posen-Westpreußen^i, Bran_ denbura, Pommern, Niederschlesien, Ooerschlesien') und Sachsen hinsichtlich der Landgemeinden und selbständigen Gutsbezirke?) Änwe-ndung. (2) Landgemeinden kann die Annahme der Städteordnung, und Stadtaemeinden die Annahme der Landgemeindeordnung auf ihren Antrag nach Anhörung des Kreistages und Provinziattandtages durch [ftömglidjc] Verordnung des Staatsministeriums^j gestattet werden. (©rtiuänbtrung)4*)2 * ** *

§ 2.

Die zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes vorhandenen Land­ gemeinden und Gutsbezirke bleiben in ihrer bisherigen Begrenzung unter den nachfolgenden Maßgaben bestehen: 1. Grundstücke, welche noch keinem Gemeinde- oder Gutsbezirke an­ gehören, sind, sofern nicht ihre Eingemeindung in einen Stadt­ bezirk geeignet erscheint, nach Vernehmung der Beteiligten durch Beschluß des Kreisausschusscs mit einer Landgemeinde oder einem Gutsbezirke zu vereinigen. Aus solchen Grundstücken kann, soweit dies nach ihrem Umfange und ihrer Leistungsfähigkeit angezeigt erscheint, mit sKoniglichers Genehmigung des Staatsministeriums8) ein besonderer Gemeinde- [ober Guis-j8) Bezirk gebildet werden. *) In der durch die Gebietsändcrungen infolge des Weltkrieges notwendig gewordenen Fassung, s. dazu die Gesetze vom 21. Juli 1922 (GS. S. 171) und vom 14. Oktober 1919 (ÄS. S. 169). 2) Die Gutsbezirke sind noch immer nicht restlos aufgelöst, s. dazu § 11 Abs. 5 des G. vom 27. Dezember 1927, unten Nr. 14. 8) Gemäß Art. 82 Pr. Vers. 4) § 2 hat in der Hauptsache Bedeutung nur für die Einverleibung sog. kommunalfreier Grundstücke (Ziff. 1). Im übrigen gilt, ab­ gesehen von §§ 3, 4 dieses Gesetzes, für das Ein- und Umgemeindungsrecht das Gesetz über die Regelung verschiedener Punkte des GemeindeVerfassungsrechts vom 27. Dezember 1927 (GS. S. 211), unten Nr. 14. B) Gutsbezirke können seit dem G. vom 27. Dezember 1927 nicht mehr neu gebildet werden.

13]

13. östliche Landgemeindeordnung (1891).

2.i) Landgemeinden und Gutsbezirke, welche ihre öfsentlichrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen außerstande sind, können durch sKönigliche] Anordnung des Staatsministeriumsr) aufgelöst wer' den. Die Regelung der kommunalen Verhältnisse der Grundstücke derselben erfolgt nach Maßgabe der Vorschriften in Nr. 1. sZisf. 3—6 beseitigt durch das Gesetz vom 27. Dezember 1927, Sammt. Nr. 14.] 7. In den vorstehend bezeichneten, der sKöniglichen] Genehmigung des Staatsministeriumsr unterliegenden Fällen ist vor deren Er­ wirkung der Beschluß des Kreisausschusses, des Bezirksausschusses oder des Provinzialrats, sowie das Gutachten des Kreistages den Beteiligten mitzuteileni). 8. Jede Bezirksveränderung ist durch das Regierungsamtsblatt zu veröffentlichen. ^Auseinandersetzung^ § 3. (1) Uber die infolge einer Veränderung der Grenzen der Land­ gemeinden und Gutsbezirke notwendig werdende Auseinandersetzung zwischen den Beteiligten beschließt der Kreisausschuß, soweit aber hier­ bei Stadtgemeinden in Betracht kommen, der Bezirksausschuß, Vorbehaltlich der den Beteiligten gegeneinander zustehenden Klage im Verwal­ tungsstreitverfahren bei diesen Behörden. (2) Bei dieser Auseinandersetzung sind erforderlichenfalls Bestim­ mungen zur Ausgleichung der öffentlichrechtlichen Interessen der Be­ teiligten zu treffen. Insbesondere können einzelne Beteiligte im Ver­ hältnis zu anderen Beteiligten, welche für gewisse kommunale Zwecke bereits vor der Vereinigung für sich allein Fürsorge getroffen haben, oder solche Beteiligte, welche vorwiegend Lasten in die neue Gemeinschaft bringen, zu Vorausleistungen verpflichtet werden. Auch kann, wenn eine Gemeinde oder der Besitzer eines Gutsbezirks durch die Abtrennung von Grundstücken eine Erleichterung in öffentlichrechtlichen Verpflich­ tungen erfährt, der Gemeinde, welcher, oder dem Gutsbezirke, welchem jene Grundstücke einverleibt werden, ferner der neuen Gemeinde oder dem neuen Gutsbezirke, welche aus letzteren gebildet werden, eine Bei­ hilfe zu den ihnen durch die Bezirksveränderung erwachsenden Ausgaben bis zur Höhe des der anderen Gemeinde oder dem Gutsbesitzer dadurch entstehenden Vorteils zugebilligt werden. Im Falle der Ver­ einigung von Gemeinden geht das Vermögen derselben auf die neu gebildete Gemeinde über. sGrenzstreitigkeitenl § 4. (1) Streitigkeiten über die bestehenden Grenzen der Eemeinde-

und Gutsbezirke, sowie über die Eigenschaft einer Ortschaft als

i) Ob und inwieweit § 2 Ziff. 2 und 7 durch das G. vom 27. De­ zember 1927 beseitigt sind, ist streitig. ’) Gemäß Art. 82 Pr. Vers.

18. Östliche Landgemeindeordnung (1891).

[18

Landgemeinde oder eines Gutes als selbständigen Gutsbezirks unterliegen der Entscheidung des Kreisausschusses, so­ weit hierbei Stadtgemeinden in Betracht kommen, des Bezirksausschusies. (2/ Diese Behörden beschließen vorläufig über die im ersten Absätze bezeichneten Angelegenheiten, sofern das öffentliche Inter­ esse es erheischt. Bei dem Beschlusse behält es bis zur rechts­ kräftigen Entscheidung im Verwaltungsstreitverfahr e n sein Bewenden.

Zweiter Titel.

Landgemeinden.

E r st e r Abschnitt. Rechtliche Stellung der Landgemeinden. (Rechtsfähigkeit, Selbstverwaltung) § 5. Landgemeinden sind öffentliche Körperschaften; es steht ihnen das Recht der Selbstverwaltung ihrer Angelegenheiten nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu.

sOrtsstatut) § 6. (1) Die Landgemeinden sind zum Erlasse besonderer statu­ tarischer Anordnungen über solche Angelegenheiten der Ge­ meinde, hinsichtlich deren das Gesetz Verschiedenheiten gestattet oder auf ortsstatutarische Regelung verweist, sowie über solche Angelegenheiten, deren Gegenstand nicht durch Gesetz geregelt ist, befuat. (2) Die statutarischen Anordnungen bedürfen der Genehmi­ gung des Kreisausschusses. Zweiter Abschnitt. Gemeindeangehörige, deren Rechte und Pflichten. [Xefinitwn] § 7. (1) Angehörige der Landgemeinden sind [mit Ausnahme der nicht angesessenen servisbercchtigten Militärpersonen des aktiven Dienst­ standes)^ diejenigen, welche innerhalb des Eemeindebezirks einen Wohnsitz haben.

1) Gibt es nicht mehr. An sich würde die Vorschrift anwendbar sein auf Soldaten und Militärbeamte der Reichswehr und Marine. Jedoch folgt negativ aus § 36 Abs. 3 des WehrgesetzeS vom 23. März 1921 (RGBl. S.329), wonach ihr Wahlrecht ruht, daß sie grundsätzlich als Gemeindeangehörige gelten. Entsprechendes gilt wegen der Kreis- und Provinzzugehörigkeit gemäß § 7 Abs. 3 des Wahlgesetzes für die Pro­ vinziallandtage und Kreistage vom 7. Oktober 1925 (GS. S. 123).

13]

13. Östliche Landgemeindeordnung (1891).

(2) Einen Wohnsitz im Sinne dieses Gesetzes hat jemand an dem Orte, an welchem er eine Wohnung unter Umständen inne­ hat, die auf die Absicht dauernder Beibehaltung einer solchen schließen lassen.

§ 8.

(Rechte und Pflichtens

Die Eemeindeangehörigen sind zur Mitbenutzung der öffent­ lichen Einrichtungen und Anstalten der Gemeinde nach Maß­ gabe der für dieselben bestehenden Bestimmungen berechtigt und zur Teilnahme an den Gemeindeabgaben und Lasten nach den Vorschriften dieses Gesetzes*) verpflichtet.

§ 9.

(Verfahren)

(1) Auf Beschwerden und Einsprüche, betreffend das Recht der Mitbenutzung der öffentlichen Eemeindeanstalten, beschließt der Gemeindevorsteher (Eemeindevorstand). (2) Gegen den Beschluß findet die Klage im Derwaltungsstreitverfahren statt. Die Beschwerden und oie Einsprüche sowie die Klage haben keine aufschiebende Wirkung.

88 10—27. (Beseitigt durch das Kommuualabgabengesetz v. 14. Juli 1893 (GS. S. 152).] (Abgabenpflicht f. „wüste Hufen")

8 28.

Besitzer selbständiger Güter, welche für ursprünglich bäuer­ liche, zu ihren Gütern eingezogene, der örtlichen Lage nach aber gegenwärtig nicht mehr erkennbare Grundstücke (wüste Hufen) der Eemeindeabgabenpflicht in einer Landgemeinde unterliegen, haben die von ihnen bisher entrichteten Gemeinde­ abgaben und Lasten in dem Betrage, wie derselbe sich in dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre vor dem Inkrafttreten des gegenwärtigen Gesetzes unter Weglassung des höchsten und des niedrigsten Jahresbetrages berechnet, entweder fortzuleisten oder durch Zahlung des zwanzigfachen Jahreswertes dieses Betrages abzulösen. Im Falle des Streites ist zum Zwecke einer billigen Ausgleichung wie im § 3 311 verfahren.

88 29-35. . (Beseitigt durch das Kommunalabgabengesetz.]

(Zwangsverfahren)

8 36.

(1) Die baren Eemeindeabgaben und die Gebühren unter­ liegen im Falle nicht rechtzeitiger Entrichtung der Beitreibung *) Und — infolge des Wegfalls der §§ 10-27, 20-35, 86 Abs. 2, 37, 38 — des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 1893, unten Nr. 19.

13. östliche Landgtmeindeordnung (1891).

[13

im Verwaltungszwangsverfahren gemäß der Verordnung vom 15. November 1899 (GS. S. 545)1). [§ 36 Abs. 2 und

88 37, 38 beseitigt durch das Kommunalabgabengesctz.]

Dritter Abschnitt. Gemeindeglieder, deren Rechte und Pflichten. Wrgtiff]

§ 39.

(1) Gemeindeglieder sind alle Eemeindeangehörigen, welchen das Gemeinderecht zusteht. [Vlbf. 2 ersetzt durch £ 3 des Gcmeindewahlgesetzcs, Sammt. Nr. 15a.]

[©fmeiiibert^t]

8 40.

Das Gemeinderecht umfaßt: 1. das Recht zur Teilnahme an dem Stimmrechte in der Ge­ meindeversammlung oder, wo die letztere durch eine ge­ wählte Gemeindevertretung ersetzt ist, zur Teilnahme an den Eemeindewahlen, 2. das Recht zur Bekleidung unbesoldeter Ämter in der Ver­ waltung und Vertretung der Gemeinde. [BorauSsetz. b. Gemeinberechtsl §§ 41, 42. [Veraltet. S. jetzt die neue Gemeindewahlgesehgebung, insbesondere §§ l2), 18-21 d. Ges. v. 18. Juli 1919 (GS. S. 113), § 2 Abs. 1, § 9 Abs. 2 des Gemcrndewahlgesctzes (unten Nr. 15a).] [Verlust b. Gemkinberechtsl

§ 43.

Das Eemeinderecht und die unbesoldeten Gemeinde­ ämter gehen verloren, sobald [eines der im § 41 unter Nr. 1 und 6 vorgeschriebenen Erfordernisse nicht mehr zutrifft oder?) der Wohn­ sitz in dem Eemeindebezirke aufgegeben wird. (2) Wer durch rechtskräftiges Erkenntnis der bürgerlichen Ehrenrechte verlustig gegangen ist, verliert dadurch dauernd die bisher von ihm bekleideten Ämter in der Gemeindeverwaltung und der Gemeindevertretung und für die im Urteile bestimmte Zeit das Gemeindeftimm- und wahlrecht sowie die Fähigkeit, dasselbe zu erwerben und Gemeindeämter zu bekleiden. (1)

1) Oben Nr. 8. Früher galt die Verordnung vom 7. Sept. 1879, GS. S. 591. 2) § 1 ö. a. O. betrifft die Gleichstellung der Frauen gemäß Art. 109II RB. 8) S. oben zu §§ 41 und 42.

18]

18. Östliche Landgemeindeordnung (1891).

(3) Die rechtskräftig erfolgte Aberkennung der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter hat den dauernden Verlust der bisher bekleideten Ämter in der Gemeindeverwaltung und Ge­ meindevertretung sowie für die im Urteile bestimmte Zeit die Unfähigkeit zur Bekleidung solcher Ämter zur Folge. (4) Die Verurteilung zur Zuchtbausstrafe hat den Verlust der Gemeindeämter und die dauernde Unfähigkeit zur Ve'leidung solcher Ämter zur Folge.

88 44-48. (Veraltet, s. oben zu §§ 41, 42.]

Vierter Abschnitt. Gemeindevertretung. lBorauSietzungenj (1) In denjenigen

§ 49.

Landgemeinden, in welchen die Zahl der Stimmberechtigten mehr als 40 beträgt, tritt mit dem Zeit­ punkte, wo die Liste der Stimmberechtigten diese Zahl nachveist (§ 39 Abs. 2)4), an die Stelle der Gemeindeversammlung eine Ge­ meindevertretung. (2) Die Landgemeinden sind berechtigt und, falls der K:eisausfchutz auf Antrag Beteiligter oder im öffentlichen Intaesse dies beschließt, verpflichtet, auch bei einer geringeren Aizahl von Stimmberechtigten eine Gemeindevertretung im Wege rrtsstatutarischer Anordnung einzufübren. (3) Die Gemeindevertretung oesteht aus dem Eemeindvorsteher und den Schöffen, sowie den gewählten Gemeindeve ordneten, deren Zahl mindestens das Dreifache der zuerst Gemnnten betragen mutz. Diese Zahl kann durch Ortsstatut auf 1!, 15, 18 oder höchstens 144’) erhöht werden’).

88 50-64. (Veraltet, siehe oben zu §§ 41, 42.]

i) Jetzt § 3 des Gemeindewahlgesetzes, Samml. Nr. 15a. ’) Gemäß § 5 der BO. v. 31. Jan. 1919, GS. S. 15. Frühr 24. Bei den Stadtverordneten beträgt die Höchstzahl 100 (§ 4 des 0cm.» Wahlges., unten Nr. 15a). ’) Dazu jetzt § 4 der BO. v. 81. Januar 1919 (GS. S. 15): Durch Gemeindebeschluß kann für die Mitglieder de Ge­ meindevertretungen eine angemessene Entschädigung str die Teilnahme an Sitzungen der Gemeindevertretungen (Deputatonen, Kommissionen) festgesetzt werden; im allgemeinen ist dann aber nur eine Vergütung festzusetzen, welche dem entgangenen Aveitsverdienst entspricht.

[13

13. östliche Landgemeindeordnung (1891).

lEhrenämterl § 65. (1) Die Eemeindeglieder sind verpflichtet, unbesoldete Ämter in der Verwaltung und der Vertretung der Gemeinde zu über­ nehmen, sowie ein angenommenes Amt mindestens drei Jahre lang 3ii versehen. (Ä Zur Ablehnung oder früheren Niederlegung solcher Ämter berechtigen folgende Entschuldigungsgründe: 1. anhaltende Krankheit, 2. Geschäfte, welche eine häufige oder lange dauernde Ab­ wesenheit vom Wohnorte mit sich bringen, 3. das Alter von sechzig Jahren, 4. die Verwaltung eines unmittelbaren Staatsamtes, 5. sonstige besondere Verhältnisse, welche nach dem Ermesien der Gemeindevertretung oder, wo eine solche nicht besteht, des Gemeindevorstehers eine gültige Entschuldigung be­ gründen. (3) Wer ein unbesoldetes Amt in der Verwaltung oder in der Vertretung der Gemeinde während der vorgeschriebenen regelmäßigen Amtsdauer versehen hat, kann die Übernahme des­ selben ober eines gleichartigen für die nächsten drei Jahre ab­ lehnen. (4) Wer sich ohne einen der vorbezeichneten Entschuldigungs­ gründe weiaert, em unbesoldetes Amt in der Verwaltung oder Vertretung der Gemeinde zu übernehmen oder das übernommene Amt drei Jahre hindurch zu versehen, sowie derjenige, welcher sich der Verwaltung solcher Ämter tatsächlich entzieht, kann für einen Zeitraum von drei bis sechs Jahren der Ausübung seines Rechts auf Teilnahme an der Verwaltung und Vertretung der Gemeinde für verlustig erklärt und um ein Achtel bis ein Viertel stärker als die übrigen Eemyindeangehörigen zu den Gemeindeabgaben herangezogen werden. lBefchlüffe b. ©cmeüibmrtr.] § 66, Die Gemeindevertretung, wo eine solche nicht besteht, der Gemeindevorsteher, beschließt 1. auf Beschwerden und Einsprüche, betreffend den Besitz oder den Verlust des Gemeinderechts, [bie Zugehörigkeit zu einer bestimmten Klasse von Stimmberechtigten,p) die Wähl­ barkeit zu einer Stelle in der Gemeindeverwaltung oder Gemeindevertretung, [bie Ausübung bes Stimmrechts burch einen Drittens) sowie über die Richtigkeit der Gemeinde­ wählerliste,

i Veraltet. Büller, BerwaltungSgesehe.

13

13]

13. östliche LandgtMtindeordnung (1801).

2. über die Gültigkeit der Wahlen zur Gemeindevertre­ tung^), 3. über die Berechtigung der Ablehnung oder Niederlegung einer Stelle in der Gemeindeverwaltung oder Gemeinde­ vertretung, sowie über die Nachteile, welche gegen Eemeindeglieder wegen Nichterfüllung der ihnen nach diesem Gesetze obliegenden Pflichten zu verhängen sind. [Rechtsmittel]

§ 67.

(1) Die Beschlüsse der Gemeindevertretung und des Ge­ meindevorstehers in den Fällen des § 66 bedürfen keiner Geneh­ migung oder Bestätigung von feiten des Gemeindevorstehers oder der Aufsichtsbehörde. (2) Eeaen die Beschlüsse findet die Klage im Verwaltunasstreitverfahren statt, welche, wenn der Beschluß von der Ge­ meindevertretung gefaßt ist, auch dem Gemeindevorsteher zusteht. (3) Die Klage hat in den Fällen des § 66 unter 1 und 2 keine aufschiebende Wirkung, sjedoch dürfen Neuwahlen zum Ersah für solche Wahlen, welche durch Beschluß der Gemeindevertretung oder des Gemeindevorstehers für ungültig erklärt worden sind, vor ergange­ ner rechtskräftiger Entscheidung nicht vorgenommen toeiben*2).]

Fünfter Abschnitt. Gemeindevermögen. [Begriff, Arten]

§ 68.

(1) 3m Eigentum der Landgemeinden stehen sowohl die­ jenigen Bestandteile des Eemeindevermögens, deren Erträge für die Zwecke des Eemeindehaushalts bestimmt sind (Gemeindevermögen im engeren Sinne), wie auch diejenigen Vermögensgegenstände, deren Nutzungen den Gemeindeangehö­ rigen oder einzelnen derselben vermöge dieser' ihrer Eigenschaft zukommen (Eemeindegliedervermögen, Allmenden, Gemeinheiten). (2) Im weiteren kommen die Bestimmungen der Deklara­ tion einiger Vorschriften des Allgemeinen Landrechts und der Gemeinheitsteilungsordnung vom 7. Juni 1821, betreffend das nutzbare Gemeindevermögen, vom 26. Juli 1847 (Gesetzsamml. S. 327) zur Anwendung. *) S. dazu § 6 Abs. 4—6, § 7 d. GcmWahlGes., unten Nr. 15a. 2) Bei Streit um die Gültigkeit der Wahlen greift jetzt § 6 des GemWahlGes. ein.

[13

13. Östliche Landgemeindeordnung (1891). [Umnmnblung]

§ 69.

(1) Das den Zwecken des Gemeindehaushalts gewidmete Vermögen darf nur dann in Gemeindegliedervermögen umge­ wandelt werden, wenn die Gemeinde schuldenfrei ist und durch eine solche Veränderung weder die Einführung neuer Gemeinde­ abgaben, noch auch die Erhöhung bestehender für absehbare Zeit erforderlich wird. (2) Hinsichtlich der Verwaltung der Gemeindewaldungen be­ wendet es bei den bestehenden Bestimmungen, im besonderen dem Gesetze vom 14. August 1876 (Eesetzsamml. S. 373). (3) Gemeindegliedervermögen kann unter hinzutretender Ge­ nehmigung des Kreisausschusses in Gemeindevermöyen im enge­ ren Sinne umgewandelt werden, jedoch mit der Einschränkung, daß Nutzungsrechte, welche nicht den sämtlichen, sondern nur einzelnen Gemeindegliedern oder Einwohnern als solchen zu­ stehen, durch Gemeinoebeschluß den letzteren wider ihren Willen nicht entzogen oder geschmälert werden dürfen. (Gemeindenutzungen)

§ 70.

Zur Teilnahme an den Gemeindenutzungen sind die Ge­ meindeangehörigen unter den aus den Verleihungsurkunden, vertragsmäßigen Festsetzungen und hergebrachter Gewohnheit sich ergebenden Bedingungen und Einschränkungen berechtigt. Soweit hiernach der Maßstab für die Teilnahme an diesen Nutzungen nicht feststeht, erfolgt die Verteilung nach dem Ver­ hältnisse, in welchem die Gemeindeangehörigen zu den kommu­ nalen Lasten beitragen. (Verfahren)

§ 711).

(1) Auf Beschwerden und Einsprüche, betreffend 1. das Recht zur Teilnahme an den Nutzungen und Erträgen des Gemeindevermögens, 2. die besonderen Rechte einzelner örtlicher Teile des Ge­ meindebezirks oder einzelner Klassen der Gemeindeange­ hörigen in Ansehung der zu Nr. 1 erwähnten Ansprüche, beschließt der Gemeindevorsteher (Gemeindevorstand). (2) Gegen den Beschluß findet die Klage im Derwaltungsstreitverfahren statt. (3) Der Entscheidung im Verwaltungsstreitverfahren unter­ liegen desgleichen Streitigkeiten zwischen Beteiligten über ihre in dem öffentlichen Rechte begründete Berechtigung zu den im Abs. 1 bezeichneten Nutzungen. Vgl. hierzu den teilweise gleichlautenden § 34 ZustG.

13*

18]

13. östliche Landgemeindeordllung (1891).

(4) Die Beschwerden und die Einsprüche sowie die Klage haben keine aufschiebende Wirkung.

sSinlaufsgeld, Abgaben)

§ 72.

(1) Die Landgemeinden sind befugt, auf Grund von Eemeindebeschlüssen, welche der Genehmigung des Kreisausschusses unterliegen, für die Teilnahme an den Eemeindenutzungen die Entrichtung eines zu deren Werte in einem angemessenen Ver­ hältnisse siebenden Einkaufsgeldes anstatt oder neben einer jährlichen Angabe anzuordnen. (2) Durch die Entrichtung des Einkaufsgeldes wird die Aus­ übung des Eemeinderechtes nicht bedingt. (3) Die Verpflichtung zur Zahlung des Einkaufsgeldes sowie der Abgabe für die Teilnahme an den Eemeindenutzungen ruht, so lange auf diese Teilnahme verzichtet wird.

[Sers, wegen Sinkaufsgelder usw.] §73. Hinsichtlich der Beitreibung der Einkaufsgelder und der jährlichen Abgaben für die Teilnahme an den Gemeinde­ nutzungen im Verwaltungszwangsverfabren, der Einsprüche und Beschwerden sowie der Klage in betreff der Heranziehung oder der Veranlagung zu diesen Abgaben, etwaiger Nachforderung derselben und der Verjährung der Rückstände finden die im § 30 l—38p) enthaltenen Bestimmungen sinngemäße Anwendung, jedoch mit der Maßgabe, daß die nicht zur Hebung gestellten Einkaufsgelder erst in zwei Jahren nach Ablauf desjenigen Jahres, in welchem die Zahlungsverbindlichkeit entstanden ist, verjähren. Sech st er Abschnitt. Verwaltung der Landgemeinden.

lSemeindevorsteher, Schöffen]

§ 74.

(1) An der Spitze der Verwaltung der Landgemeinde steht der Gemeindevorsteher (Schulze, Scholze, Richter, Dorfrichter). (2) Dem Gemeindevorsteher stehen zwei Schöffen (Schöppen, Eerichtsmänner, Gerichts- oder Dorfgeschworene) zur Seite, welche ihn in den Amtsgeschäften zu unterstützen und in Behin­ derungsfällen zu vertreten haben. (3) Durch Gemeindebeschluß kann die Zahl der Schöffen aus höchstens sechs vermehrt werden').

x) S. oben zu §§ 36 (Abs. 2) bis 38. 2) § 74 Abs. 3 in der Fassung des Kriegkgesetzes vom 13. Mai 1918 (GS. S. 53), Art. 3 Ziff. 1. Vgl. zu diesem Gesetz die Anm. vor § 1 des Landesverwaltungsgesetzes (oben S. 2).

13. Östliche Landgemeindeordnung (1891).

[13

(4) Wo Vie Zahl der Schöffen nach der bisherigen Ortsver­ fassung eine größere als zwei gewesen ist, aber die Zahl sechs nicht übersteigt, verbleibt es hierbei bis zu anderweiter Festf Wo dem Gemeindevorsteher nur zwei Schöffen zur Seite

stehen, ist ein Stellvertreter Ku wählen, welcher in Behinderungs­ fällen eines der beiden Schöffen für diesen eintritt. (6) In größeren Gemeinden kann durch Ortsstatut ein aus dem Gemeindevorsteher und den Schöffen bestehender kollegialischer Gemeindevorstand eingeführt werden. (Wahl, Anstellung)

§ 75.

(1) Der Gemeindevorsteher und die Schöffen werden von den wahlberechtigten Mitgliedern der Gemeindeversammlung (von den gewählten Gemerndeverordneten) aus der Zahl der Eemeindeglieder [auf sechs Jahres) gewählt?). (2) In Gemeinden mit mehr als 3000 Einwohnern kann die Gemeindevertretung die Anstellung eines besoldeten Gemeinde­ vorstehers beschließen. Die Wahl desselben erfolgt auf die Dauer von zwölf Jahren und ist nicht beschränkt auf die Ge­ meindeglieder. (3) In größeren Gemeinden kann, sofern der Umfang oder die Eigenart der Gemeindeverwaltungsgeschäfte es erfordert, mit Zustimmung des Ministers des Innern durch Ortsstatut vorge­ schrieben werden, daß die Anstellung eines oder mehrerer m, jedoch höchstens eines Drittels ihrer Gesamtzahl, gegen ung geschehen soll. Die Wahl dieser Schöffen erfolgt auf die Dauer von zwölf Jahren und ist nicht auf Gemeindeglieder beschränkt^).

a

[Abs. 4 gestrichen durch § 9 des G. v. 18. Juli 1919 (GS. S. 118).]

88 76—83. Enthielten Wahlvorschriften, die infolge der neuen Gemeindewahl­ gesetze veraltet sind. (Bestätigung)

§ 84.

(1) Die gewählten Gemeindevorsteher und Schöffen bedürfen der Bestätigung durch den L a n d r a t. 1) Jetzt vier Jahre gemäß § 9 des Gemeindewahlgesetzes in Verbin­ dung mit § 2 d. G. v. 1. November 1928 (GS. S. 207). 2) § 75 Abs. 1 S. 2 beseitigt durch § 9 des GemWahlGes und § 1 des Ges. v. 14. Juni 1924 (GS. S. 551). 3) § 75 Abs. 3 eingeschoben durch G. v. 20. Mai 1902 (GS. S. 143).

18]

13. östliche Landgemeindeordnung (1891).

(2) Dor der Bestätigung ist der Amtsvorsteher (Distriktskommissariusj mit seinem Gutachten zu hören. (3) Die Bestätigung kann nur unter Zustimmung des Kreis­ ausschusses versagt werden. Dieser Zustimmung bedarf es auch dann, wenn der Wahl die Bestätigung wegen formaler Mängel des Verfahrens versagt wird. (4) Wird die Bestätigung versagt, so ist eine Neuwahl anzu­ ordnen. Erhält auch diese die Bestätigung nicht, so ernennt der Landrat unter Zustimmung des Kreisausschusses einen Stellver­ treter auf so lange, bis eine erneuerte Wahl die Bestätigung er­ langt hat. (5) Dasselbe findet statt, wenn keine Wahl zustandekommt. (6) Die Bestimmungen dieses Paragraphen finden auch auf andere gewählte Gemeindebeamte Anwendung, deren Wahl der Bestätigung oedarf.

[Sertibiguitg]

§85.

Die Gemeindevorsteher und die Schöffen werden vor ihrem Amtsantritte von dem Landrat oder in seinem Auftrage von dem Amtsvorsteher, in der Provinz Posens von dem Distriktskommissarius, vereidigt.

(Entschädigung)

§ 86.

(1) Die Gemeindevorsteher haben den Ersatz ihrer baren Auslagen und die Gewährung einer mit ihrer amtlichen Mühewaltuna in billigem Verhältnisse stehenden Entschädigung zu be­ anspruchen. (2) Die Aufbringung derselben liegt der Gemeinde ob. (3) Alle fortlaufenden Geld- und Naturalbeiträge des Guts­ herrn zur Remuneration des Gemeindevorstehers fallen fort. (4) Landdotationen, welche für die Verwaltung des Schul­ zenamts ausgewiesen stnd, können aus Grund des gegenwärtigen Gesetzes nicht zurückgefordert werden. Sind solche Landdotatio­ nen allein oder in Verbindung mit Geld- und Naturalbeiträgen von dem Gutsherrn gewährt, so ist derselbe berechtigt, hierfür von dem Gemeindevorsteher auch ferner die Wahrnehmung der Geschäfte des Eutsvorstehers oder die Vertretung hierbei in dem bisherigen Umfange (§ 124 Abs. 2) zu fordern. (5) Der Gutsherr wie die Gemeinde kann die Lösung eines derartigen Verhältnißes geaen Fortfall der Geld- und Natural­ beiträge und gegen Entschädigung für die Landdotationen ver-

*) D. s. jetzt die früher zur Provinz Posen gehörigen Teile der Grenzmark Posen-Westpreutzen, G. v. 21. Juli 1922 (GS. S. 171).

13. Östliche Landgemeindeordnung (1891).

[13

langen. Der Gemeinde steht dabei das Recht zu, statt der Ge­ währung einer Entschädigung die Landdotation herauszugeben. (6) In betreff der Auseinandersetzungen kommen die Vor­ schriften der 88 97 bis 101 mit der Maßgabe zur Anwendung, daß zu den im ersten Absätze des 8 101 erwähnten Kosten auch die Gutsherren nichts beizutragen haben. (7) Die Schöffen haben ihr Amt in der Regel unentgeltlich zu verwalten und nur den Ersatz barer Auslagen zu bean­ spruchen. (Festsetzung d. Entschädigung!

§ 87.

Über die Festsetzung der baren Auslagen und der Entschädi­ gung der Gemeindevorsteher und der kommissarischen Gemeinde­ vorsteher sowie über die varen Auslagen der Schöffen beschließt der Kreisausschuß auf Antrag der Beteiligten. (Aufgaben d. Semeindevorst.!

§88.

(1) Der Gemeindevorsteher ist die Obrigkeit der Land­ gemeinde und führt deren Verwaltung. (2) Der Gemeindevorsteher führt in der Gemeindever­ sammlung (Gemeindevertretung) den Vorsitz mit vol­ lem Stimmrechte. (3) Hat die Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) einen Beschluß gefaßt, welcher nach der Ansicht des Gemeinde­ vorstehers das Gemeinwohl oder das Gemeindeinteresse verletzt, so ist der Gemeindevorsteher verpflichtet, die Ausführung des Beschlusses auszusetzen und, wenn die Gemeinde­ versammlung (Gemeindevertretung) bei nochmaliger Beratung bei ihrem Beschluß beharrt, innerhalb zwei Wochen die Entschei­ dung des Kreisausschusses einzuholen. (4) Insbesondere liegen oem Gemeindevorsteher folgende Geschäfte ob: 1. die Gesetze und Verordnungen sowie die Verfügungen der ihm vorgesetzten Behörden auszuführen, 2. die Beschlüsse der Gemeindeversammlung (Gemeinde­ vertretung) vorzubereiten, 3. die Beschlüsse der Gemeindeversammlung (Gemeinde­ vertretung), sofern er dieselben nicht beanstandet (8140) oder deren Ausführung aussetzt (Abs. 3), — diejenigen über die Benutzung des Gemeindevermögens (8 113) nach Beratung mit den Schöffen —, zur Ausführung zu bringen und demgemäß die laufende Ver­ waltung bezüglich des Vermögens und der Einkünfte der Gemeinde sowie der Gemeindeanstalten, für welche eine besondere Verwaltung nicht besteht, zu führen, und

13]

13. Östliche Landgemeindeordnung (1891). diejenigen Eemeindeanstalten, für welche besondere Ver­ waltungen eingesetzt sind, zu beaufsichtigen, 4. die auf dem Eemeindevoranschlage oder auf Beschlüssen der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) be­ ruhenden Einnahmen und Ausgaben anzu­ weisen und das Rechnungs- und Kassenwesen, soweit er es nicht selbst führt, zu beaufsichtigen, 5. die Gemeinoebeamten, nachdem die Gemeinde­ versammlung (Gemeindevertretung) darüber beschlos­ sen hat, a n z u st e l l e n und zu beaufsichtigen, 6. die Urkunden und Akten der Gemeinde aufzubewahren,

[Vertretung; 2 Unterschriften.! 7. die Gemeinde nach außen zu vertreten und namens derselben mit Behörden und Privatpersonen zu verhandeln. Urkunden über Rechtsgeschäfte, welche die Gemeinde gegen Dritte verbinden sollen, ingleichen Vollmachten, müssen unter Anführung des betreffenden Gemeinde­ beschlusses und der dazu etwa erforderlichen Genehmigung oder Entschließung der zuständigen Aufsichtsbehör)e im Namen der Gemeinde von dem Gemeindevorsteher und einem der Schöffen unterschrieben und mit dem Gemeinde­ siegel versehen sein. Eine den vorstehenden Bestimmungen gemäh ausgestellte Vollmacht ist auch dann ausreichend, wenn die Gesetze sonst eine gerichtliche oder Notcriatsvollmacht erfordern. Zu dem Nachweise, daß von einer Gemeinde fei der Erwerbung oder Veräußerung von Grundstücken oder den!:lben gleichstehenden Gerechtsamen die den Gemeinten gechlich vorgeschriebenen besonderen Formen bewachtet nd, genügt eine Bescheinigung des Landrats afe Vortzenden des Kreisausschusses; ie Gemeindeabaaben und Dienste nach bet Ge­ setzen und den Beschlüssen der Eemeindeversammlun; (Ge­ meindevertretung) aus die Verpflichteten zu verteilet und wegen deren Einziehung oder Ausführung die erdrderlichen Anordnungen zu treffen.

(Kolleg. Gemelndevorftand) § 89. (1) Wo ein kollegialischer Gemeindevorstand eingeführt ist (§ 74 Abs. 6), können demselben die in den §§ 9, [51,P) 71, 88 Nr. 2 bis 4 und 8, 119 und 120 erwähnten Befugnisse durch das Ortsstatut übctragen werden. *) § 51 ist weggefallen, s. oben zu §§ 41, 42.

13. östliche Landgemeindeordnung (1801).

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(2) Die Beschlüsse des Gemeindevorstandes werden nach Stimmen­ mehrheit und unter Teilnahme von mindestens drei Mitgliedern gefaßt. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Den Vorsitz führt der Gemeindevorsteher, über dessen Vertretung in Behin­ derungsfällen hat das Ortsstatut Bestimmungen zu treffen. (3) Betrifft der Gegenstand der Verhandlung einzelne Mitglieder des Gemeindevorstandes oder deren Verwandte und Verschwägerte in auf- oder absteigender Linie oder bis zum dritten Grade der Seitenlinie, so dürfen dieselben an der Beratung und Entscheidung nicht teilnehmen. Wird hierdurch der Gcmeindcvorstand beschlußunfähig, so entscheidet der Gemeindevorsteher allein. (4) Tritt die Beschlußunfähigkeit aus anderen Gründen ein, so hat der Gemeindevorsteher eine zweite Sitzung anzuberaumen; ergibt sich auch in dieser keine Beschlußfähigkeit, so hat der Gemeindevorsteher allein hinsichtlich der auf der Tagesordnung stehenden Gegenstände An­ ordnung zu treffen.

(Polizei)

§ 90.

(1) Der Gemeindevorsteher ist, sofern er nicht zu­ gleich selbst das Amtsvorsteheramt bekleidet, das Organ oes Amtsvorstehers für die Polizei Verwaltung. (2) In dem gleichen Verhältnisse steht der Gemeindevorsteher in der Provinz Posens zu dem Dlstrlttskommissarius. (3) Der Gemeindevorsteber hat vermöge dessen das Recht und die Pflicht, da, wo die Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Ord­ nung und Sicherheit ein sofortiges polizeiliches Einschreiten not­ wendig macht, das dazu Erforderliche vorläufig anzuordnen und ausführen zu lassen. (Einzelne Aufgaben)

§ 91.

Der Gemeindevorsteher hat insbesondere das Recht und die Pflicht: 1. der vorläufigen Fe st nähme und Verwahrung einer Person nach den Vorschriften des § 127 der vtrafprozehordnung für das Deutsche Reich vom 1. Februar 1877 (Reichsgesetzbl. S. 258)2) und des § 6 des Gesetzes zum Schutze oer persönlichen Freiheit vom 12. Februar 1850 (Gesetzsamml. S. 45); 2. die unter Polizeiaufsicht stehenden Personen zu beaufsichtigen; 3. die ihm von dem Amtsvorsteher (Distrittskommissarius). *) S. oben Anm. 1 zu 8 85. ’) Die zurzeit geltende Fassung ist vom 22. März 1924 (RGBl. I S. 299).

13]

13. östliche Landgemeindeordnung (1801).

der Staats- oder Amtsanwaltschaft aufgetragenen p o l i zeilichen Maßregeln auszuführen und Ver­ handlungen aufzunebmen,' 4. die in den §§ 8 ff. des Gesetzes über die Aufnahme neu anziehender Personen vom 31. Dezember 1842 (Eesetzsamml. 1843 S. 5) vorgeschriebene Meldung entgegenzu­ nehmen. Siebenter Abschnitts. Aushebung der mit dem Besitze gewisier Grundstücke verbundenen Berechtigung und Verpflichtung zur Verwaltung des Schulzenamtes. st^rbfchulze) § 92. Die mit dem Besitze gewisser Grundstücke verbundene Berechtigung und Verpflichtung zur Verwaltung des Schulzen- (Richter-) Amtes ist von dem Zeitpunkte des Inkrafttretens dieses Gesetzes ab auch in der Pro­ vinz Posen aufgehoben.

lLehN', Erbschulzengüter.) § 93. Infolge der Aufhebung der im § 92 gedachten Berechtigung und Verpflichtung treten auch diejenigen Festsetzungen außer Kraft, welche infolge der Zerstückelung von Lehn- und Erbschulzcngütern nach § 16 des Gesetzes vom 3. Jan,rar 1845 (Gesetzsamml. S. 25) über die Verbindung der Verwaltung des Schulzenamtes mit dem Besitze eines der Teile des zerstückelten Grundstückes oder die Ausweisung eines auskömmlichen Schul­ zengehaltes in Grundstücken oder in Geld und die Verteilung des Geld­ beitrages auf die einzelnen Trennstücksbesitzer getroffen worden sind.

^Grundstücke usw.) § 94. Grundstücke, Gerechtigkeiten und Einkünfte, welche den Schulzen­ gutsbesitzern erweislich von der Gemeinde selbst für die Amtsverwaltung verliehen sind, fallen an die Gemeinde zurück. ^Vorrechte, Befreiungen) § 95. (1) Ebenso hören diejenigen Vorrechte und Befreiungen auf, welche dem Schulzengutsbesitzer für die Verwaltung des Schulzenamtes in Be­ ziehung auf die aus dem Kommunalverbande oder aus anderen Ver­ bänden, z. B. dem Kirchen- und Schulverbande, entspringenden Dienste und Abgaben der Gemeinde oder deren Mitgliedern gegenüber bisher zu­ standen. (2) Aus weitere Vergütungen hat die Gemeinde keinen Anspruch.

i) §§ 92—101 kommen nur in Einzelfällcn noch zur Anwendung, soweit die mit der Beseitigung des Erbschulzcnamts verbundenen Ausein­ andersetzungen noch nicht durchgeführt sind.

13. östliche Landgemeindeordnung (1891).

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(Beziehungen zu Tritten] § 96. (1) Die Beziehungen zwischen dem Besitzer des Schulzengutes und dritten Personen werden von den Vorschriften dieses Gesetzes nicht be­ rührt.

(2) In keinem Falle können jedoch Grundstücke, Gerechtigkeiten oder Befreiungen, welche dem Schulzcngutc, wenngleich mit Beziehung aus die dem Besitzer zustehende Verwaltung des Schulzenamtes, von Dritten, insbesondere von dem Landesherrn oder von Gerichts- oder Gutsherren, sei es bei der Fundation des Schulzengutcs oder später, ohne ausdrücklichen Vorbehalt des Widerrufs verliehen worden sind, sowie die etwa an Stelle der verliehenen Gerechtigkeiten und Freiheiten getretenen Land­ abfindungen oder sonstigen Entschädigungen von den Verleihern oder deren Rechtsnachfolgern in Anspruch genommen und zurückgefordert werden. Dieselben verbleiben vielmehr dem Schulzcngutsbesitzcr auch nach Aushebung der mit dem Schulzengutc verbundenen Amisverwaltung.

(Auseinandersetzung, Rezeh] § 97. (1) Die nach den §§ 94 und 95 etwa erforderliche Auseinander­ setzung zwischen der Gemeinde und dem Schnlzengntsbesiher wird durch einen von dem Kreisausschusse zu ernennenden Kommissarius bewirkt. (2) Der über die Auseinandersetzung aufzunehmende Rezch unter­ liegt der Prüfung und Bestätigung des Kreisausschusses. (Verfahren bei Streitigk.] §98. (1) Entstehen bei dem Auseinandersetzungsverfahren (§ 97) Streitig­ keiten darüber, ob mit einem Grundstücke die Verpflichtung zur Verwal­ tung des Schulzenamtes verbunden ist, oder ob und welche Grundstücke, Gerechtigkeiten, Vorrechte oder Befreiungen der in den §§ 94 und 95 ge­ dachten Art zurückzugewähren oder aufzuhebcn sind, oder wird die Voll­ ziehung des Rezesses von den Beteiligten verweigert, oder die Bestäti­ gung (§ 97 Abs. 2) von dem Kreisausschusse versagt, so sind die Ver­ handlungen zum weiteren Verfahren und zur Entscheidung an die betref­ fende Auseinandersetzungsbehörde (Landeskulluramt)*) abzugeben. (2) Gegen die Entscheidung des Landeskulturamts*) findet die Be­ rufung an das Oberlandeskulturamt*2) statt, welches endgültig entscheidet. (3) Dor der Entscheidung in erster und zweiter Instanz ist das Gutachten des Kreisausschusies einzuholen und den Beteiligten zur Er­ klärung mitzuteilen. *) Früher Generalkommission, s. oben zu § 16 des Landesverwaltungsgesetzes, oben Nr. 2. 2) Früher Oberlandeskulturgericht, s. Anm. 1.

18]

13. Östliche Landgemeindeordnung (1891).

(Rezeß im Falle des § 98] § 99. Ist das Auseinandersetzungsverfahren zufolge § 98 auf die Ausein­ andersetzungsbehörde übergegangen, so steht dieser Behörde auch die Auf­ nahme, Prüfung und Bestätigung des Rezesses zu.

§ 100.

(Verfahrensvorfchr.]

In betreff des Verfahrens (§§ 97 bis 99) sowie der Wirkung und Ausführung der Rezesse gellen die hinsichtlich der Ablösung der Real­ lasten und der Regulierung der gutsherrlichen Verhältnisse bestehenden Vorschriften. [ftoften] § 101. (1) Zu den Kosten, welche die Ausführung der in diesem Gesetze den Kreisausschüssen und deren Kommissarien übertragenen Geschäfte ver­ ursacht, haben die Gemeinden und die Schulzengutsbesitzer nichts bei­ zutragen. (2) Für das Verfahren bei den Auseinandersetzungsbehörden gelten die für dieselben bestehenden Kostenbestimmungen.

Achter Abschnitt. Geschäfte der Gemeindeversammlung und Gemeindevertretung. (Zuständigkeit]

§ 102.

(1) Die Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) hat über alle Gemeindeangelegenbeiten au beschließen, soweit diese nicht durch das Gesetz dem Gemeindevorsteher (Gemeindevor­ stand) ausschließlich überwiesen stnd. Über andere Angelegen­ heiten darf die Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) nur dann beraten, wenn solche durch besondere Gesetze oder in einzelnen Fällen durch Aufträge der Aufsichtsbehörde an sie ge­ wiesen stnd. (2) Wo eine Gemeindevertretung besteht, sind die Gemeinde­ verordneten an keinerlei Instruktionen oder Aufträge der Wäh­ ler gebunden. (Auffichtsrecht, keine Exekut.Gew.]

§ 103.

Die Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) über­ wacht die Verwaltung; sie ist berechtigt, sich von der Ausführung chrer Beschlüsse, von dem Eingänge und der Verwendung aller Einnahmen der Gemeindekasse sowie von der gehörigen Ausfüh­ rung der Gemeindearbeiten Überzeugung zu verschaffen; sie darf jedoch ihre Beschlüsse niemals selbst zur Ausführung bringen.

13. östliche Landgemeindeordnung (1891). [Einberufung u|to.)

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§ 104.

(1) Die Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) ist zu­ sammenzuberufen, so oft ihre Geschäfte es erfordern. (2) Die Zusammenberufung erfolgt unter Angabe der Gegen­ stände der Beratung durch den Gemeindevorsteher; sie muh er­ folgen, wenn es von einem Viertel der Mitglieder verlangt wird. (3- Die -Art und Weise der Zusammenberufung wird durch die Ortsverfassung bestimmt. Mit Ausnahme dringender Fälle müssen zwischen der Zusammenberufung und dem Verhandlungs­ termine mindestens zwei Tage frei bleiben. (4) Die Versammlungen sollen in der Regel nicht in Wirts­ häusern oder Schenken abgehalten werden.

[Ärgelm. Sitzungen)

§ 105.

Für die Gemeindevertretung können durch Veschluh der­ selben regelmäßige Sitzungstage festgesetzt werden; es müssen je­ doch auch dann die Gegenstände der Beratung, und zwar mit Ausnahme dringender Fälle mindestens zwei Tage vorher den Mitgliedern der Versammlung angezeigt werden.

lBeschlutzfähigkeit)

§ 106.

(1) Die Gemeindeversammlung ist beschlußfähig, wenn mehr als ein Drittel der stimmberechtigten Gemeindemitglieder an­ wesend ist. (2) Für die Gemeindevertretung bedarf es der Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Mitglieder derselben. Durch Gemeindebeschluh kann bestimmt werden, dah die Anwesenheit von mehr als einem Drittel der Mitglieder genügt'). (3) In beiden Fällen bedarf es bei der Vorladung des Hin­ weises darauf, dah die Nichtanwesenden sich den gesahten Be­ schlüssen zu unterwerfen haben. (4) Wird die Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) aum zweiten Male zur Beratung über denselben Gegenstand zu­ sammenberufen, so sind die erschienenen Mitglieder ohne Rück­ sicht auf ihre Anzahl beschlußfähig. Bei der zweiten Zusammen­ berufung muh auf diese Bestimmung ausdrücklich hingewiesen werden.

sBeschlutzfassung)

§ 107.

Die Beschlüsse werden nach Stimmenmehrheit gefaßt. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Die

*) Abs. 2 Satz 2 eingefügt durch das Kriegsgesetz v. 13. Mai 1918 (GS. S. 53), Art. 3 Ziff. 2.

13. Östliche Landgemeindeordnung (1891).

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der Stimmabgabe sich enthaltenden Mitglieder werden zwar als anwesend betrachtet, die Stimmenmehrheit wird jedoch lediglich nach der Zahl der abgegebenen Stimmen festgestellt. lAuSschlietznng)

§ 108.

An Verhandlungen über Rechte und Verpflichtungen der Ge­ meinde darf derjenige nicht teilnehmen, dessen Interesse mit dem der Gemeinde im Widerspruche steht. Kann wegen dieser Aus­ schließung ein gültiger Beschluß nicht gefaßt werden, so beschließt an Stelle der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) der Kreisausschuß. lÖffentlichkeit) [Sah 1—3 erseht durch siehe dessen

§ 109. Ges. v. 18. Juli 1919 (G2.

S. 118),

8 20. Die Sitzungen der Gemeindeversammlung (Gemeinde­ vertretung, Gemeindeausschuß, Eemeinderat) [oct Bürgermeisterciversammlungsi) und der Amtsversammlung sind öffentlich. Für einzelne Gegenstände kann durch besonde­ ren Beschluß, welcher in geheimer Sitzung gefaßt wird, die Öffentlichkeit ausgeschlosien werden. §109 Satz 4:] Das Ortsstatut kann Bestimmung darüber treffen, daß die Sitzungen mit Angabe der Tagesordnung in ortsüblicher Weise vorher oekanntzumachen sind. (SitzungSpollzei)

§ 110.

(1) Der Vorsitzende leitet die Verhandlung, eröffnet und schließt die Sitzungen und handhabt die Ordnung in der Ver­ sammlung. [Abs. 2 beseitigt und ersetzt durch das G. v. 18. Juli 1919 (GS S. 118), siehe dessen

§21. Die Zuhörer haben den Anordnungen des Vorsitzenden zur Erhaltuna der Ruhe und Ordnung Folge zu leisten. Der Vorsitzende kann jeden Zuhörer, welcher Störung irgendwelcher Art verursacht, aus dem Sitzungssaals ent­ fernen lasten.) lBefchlnhbuch, Unterschriften)

§ 111.

Die Beschlüsse der Gemeindeversammlung (Gemeindever­ tretung) sind in ein besonderes Buch einzutragen und von dem *) Für die Nheinprovinz. Seit dem G. v. 27. Dezember 1927 (unten Nr. 14) § 2 allgemein: Amtsversammlung.

13. östliche Landgemeindeordnung (1891).

(LrdnnngSstraskn)

[13

§ 112.

Durch Ortsstatut kann bestimmt werden, daß unentschuldig­ tes Ausbleiben aus den Versammlungen der Gemeindevertre­ tung sowie ordnungswidriges Benehmen in diesen Versammlun­ gen oder in der Gemeindeversammlung für das betreffende Mit­ glied eine in die Gemeindekasse fließende Geldstrafe von 1 bis 3 Reichsmark nach sich ziehen, und daß im Wiederholungsfälle, nach Lage der Sache, Ausschließung aus oer Versammlung auf eine gewisse Zeit, bis auf die Dauer eines Jahres, verhängt werde. Über die Verhängung dieser Strafen beschließt die Gemeindever­ tretung (Gemeindeversammlung). Gegen den Beschluß findet die Klage im Verwaltungsstreitverfahren statt. Die Klage steht auch dem Gemeindevorsteher zu. [®emeinbct) mutigen]

§113.

Die Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) beschließt über die Verwaltung und Benutzung des Eemeindevermögens. (88 68 ff.) sVeräutzerung v. Unnstbcsitz usw.)

§ 114.

(1) Zur Veräußerung oder wesentlichen Veränderung von Sachen, welche einen besonderen wissenschaftlichen, historischen oder Kunstwert haben, ist die Genehmigung des Regie­ rungspräsidenten erforderlich. (Grundstücke, Anleihen usw.]

Zur Veräußerung von Grundstücken oder solchen Gerech­ tigkeiten, welche den Grundstücken gesetzlich gleich­ gestellt sind, zu einseitigen Verzichtleistungen und Schenkunyen, zu Anleihen, durch welche die Gemeinde mit einem Schuldenstande belastet oder der vorhandene vergrößert wird*), zur neuen Belastung der Eemeindeangehörigen ohne ge­ setzliche Verpflichtung, zu Veränderungen im Genusse der Eemeindenutzungen bedarf es der Genehmigung des Kreisausschusses. (2)

(Veräußerung v. Grundstücken)

§ 115.

(1) Die Veräußerung von Grundstücken darf der Regel nach nur im Wege des öffentlichen Meistgebotes stattfinden. Ji Wegen Ausländsanleihen s. Ges. v. 9. Juli 1925 (GS. S. 89). — 207 —

13. Östliche Landgemeindeordnung (1891).

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(2) Zur Gültigkeit einer solchen Veräußerung gehört: 1. die Vorlegung eines beglaubigten Auszuges aus der Erundsteuermutterrolle, 2. eine ortsübliche Bekanntmachung, 3. die einmalige Bekanntmachung durch das für die amt­ lichen Bekanntmachungen des Landrats bestimmte Blatt (Kreisblatt), 4. eine Frist von vier Wochen von der Bekanntmachung bis zum Verkaufstermine, 5. die Abhaltung der Verkaufsverhandlung durch den Ge­ meindevorsteher oder einen Justizbeamten. (3) Der im Abs. 2 unter Nr. 3 vorgeschriebenen Bekannt­ machung bedarf es nicht, wenn der Erundsteuerreinertrag des Grundstücks 6 Reichsmark nicht übersteigt. (4) Liegt diese Voraussetzung (Abs. 3) vor, oder erachtet der Kreisausschuß den Vorteil der Gemeinde für gewahrt, so kann ein Verkauf aus freier Hand oder ein Tausch stattsinden. (5) Das Ergebnis des Verkaufes ist in allen Fällen der Ge­ meindeversammlung (Gemeindevertretung) mitzuteilen; der Zu­ schlag kann nur mit deren Genehmigung erteilt werden. (6) Die vorstehenden Bedingungen finden auch auf Verkäufe von Realberechtigungen Anwendung, wobei außerdem die Auf­ nahme einer Taxe in allen Fällen notwendig ist. (7) Für die Eintragung im Grundbuchs genügt zum Nach­ weise. daß der Vorschrift dieses Paragraphen genügt worden ist, die Bestätigung des Vertrages durch den Kreisausichuß. (Verpachtung v. Grundstücken]

§ 116. Die Verpachtung von Grundstücken und Gerechtsamen der Gemeinden muß im Wege des öffentlichen Meistgebotes ge­ schehen. Ausnahmen hiervon können durch den Kreisausschuß gestattet werden. Neunter Abschnitt. Besoldete Gemeindebeamte, deren Gehälter und Pensionen.

(Anstellung]

§ 117. Die Landgemeinden sind befugt, die Anstellung besoldeter Eemeindebeamten für einzelne Dienstzweige oder Dienstoerrich­ tungen zu beschließen.

(Gehalt, Pension] § 118. (Beseitigt durch das Kommunalbeamtengesetz vom 30. Juli 1899, unten Nr. 49. S. das. insbesondere §§ 1—7, 18, 23—26.]

[18

13. Östliche Landgrmrindeordmmg (1891). Zehnter Abschnitt. Gemeindehaushalt.

(Voranschlags § 119. (1) Uber alle Einnahmen und Ausgaben, welche sich im vor­ aus veranschlagen lassen, entwirft der Gemeindevorsteher (Eemeindevorstand) für das Rechnungsjahr oder für eine längere, von der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) fenzu­ setzende Rechnungsperiode, welche jedoch die Dauer von drei Jah­ ren nicht übersteigen darf, einen Voranschlag. (2) Der Entwurf ist während zwei Wochen nach vorheriger Bekanntmachung in einem von der Gemeindeversammlung (Ge­ meindevertretung) zu bestimmenden Raume zur Einsicht aller Gemeindeangehorigen auszulegen. (3) Nach Ablauf dieser Frist erfolgt die Feststellung des Vor­ anschlages durch die Gemeindeversammlung (Gemeindevertre'""Ä> Diese Feststellung ist vor Beginn des neuen Rechnungs­

jahres oder der neuen Rechnungsperiode zu bewirken. Der Ge­ meindevorsteher hat eine Abschrift des festgesetzten Voranschlages dem Vorsitzenden des Kreisausschusses emzureichen. (5) Der Eemeindehausbalt ist nach dem Voranschlags zu fübren. Alle Eemeindeeinkünfte müssen zur Eemeinderasse gebracht werden. Ausgaben, welche außerhalb des Voranschlages ge­ leistet werden sollen, oder über deren Verwendung besondere Veßlußfassung vorbehalten ist, sowie Überschreitungen oes Voranlages bedürfen der vorherigen Genehmigung der Gemeinde­ versammlung (Gemeindevertretung). (6) Durch Beschluß des Kreisausschusies kann einzelnen Ge­ meinden die Festsetzung eines Voranschlages nachgelassen werden, wenn deren Verhältnisse dies unbedenklich erscheinen lassen. lSemeinderechnungSbnch) § 120. (1)Über alle Einnahmen und Ausgaben der Gemeinde muß ein nach Vorschrift angelegtes Gemeinderechnungsbuch geführt werden. (2) Die Eemeinderechnung ist binnen drei Monaten nach dem Schlüsse des Rechnungsjahres*) der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) zur Prüfung, Feststellung und Entlastung vorzuleaen. (3) Wo ein besonderer Eemeindeeinnehmer bestellt ist, erfolgt die Einreichung der Rechnung zunächst an den Gemeindevorsteher

*) Das Rechnungsjahr läuft vom 1. April bis zum 31. März, § 95 des ÄommunalabgabengesetzeS (unten Nr. 19). Bühler, Berwaltungsgesetze.

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13. östliche Landgemeindeordnung (1801).

(Eemeindevorstand), welcher sie einer Vorprüfung zu unterziehen und, mit seinen Erinnerungen versehen, der Gemeindeversamm­ lung (Gemeindevertretung) vorzulegen hat. (4) Die Feststellung der Rechnung mutz innerhalb drei Mo­ naten nach Vorlegung der Eemeinderechnung bewirkt sein. (5) Rach erfolgter Feststellung ist die Rechnung während eines Zeitraumes von zwei Wochen zur Einsicht der Gemeinde­ angehörigen auszulegen. (6) Dem Vorsitzenden des Kreisausschusses ist eine Abschrift des Feststellungso§schlusses sofort einzureichen. (7) Dem Kreisausschuste liegt die Revision der Gemeinde­ rechnungen ob,.welche alljährlich bei mehreren Gemeinden des Kreises zu erfolgen hat. (Defekte, Zwangsvollstreckung gegen Landgemeinden) §121. Der Kreisausschuß beschließt: 1. an Stelle der Aufsichtsbehörde über die Feststellung und den Ersatz der bei Kasten und anderen Verwaltungen der Landgemeinden vorkommenden Defekte nach Maßgabe der Verordnung vom 24. Januar 1844 (ES. S. 52). Der Beschluß ist vorbehaltlich des ordentlichen Rechts­ weges endgültig: 2. über die Art der gerichtlichen Zwangsvollstreckungen wegen Eeldforderungen gegen Landgemeinden (§ 15 zu 31) des Einführungsgesetzes zur Deutschen Zivilprozeß­ ordnung vom 30. Januar 1877, Reichsgesetzbl. S. 244). DritterTitel. Selbständige Eutsbezirke'). (Gutsbesitzer) § 122. (1) Für den Bereich eines selbständigen Gutsbezirkes ist der Be­ sitzer des Gutes zu den Pflichten und Leistungen, welche den Gemeinden für den Bereich ihres Gemeindebezirkes im öffentlichen Interesse gesetzlich obliegen, mit den hinsichtlich einzelner dieser Leistungen aus den Ge­ setzen folgenden Maßgaben verbunden2).3

*) Gemäß der Neufassung des § 15 a. a. O. durch G. v. 17. Mai 1898 (GS. S. 332). 2) Uber die Auflösung und die — ausnahmsweise vorgesehene — Aufrechterhaltung der Gutsbezirke siehe §§ 11—13 des G. v. 27. Dezember 1927 unten Nr. 14. Im Laufe des Jahres 1928 wurden ton 11894 Gutsbezirken in Preußen alle bis auf etwa 200 aufgelöst; diese, größten­ teils sorstfiskalische, aber auch einige von früheren Standesherrschasten (!), sollen erhalten bleiben. 3) Inhaltlich gleichlautend § 13 Zisf. 2 d. G. v. 27. Dezember 1927.

13. östliche Landgemeindeordnung (1891).

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(Abs. 2 weggefallen durch §§ 69 ff. des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 1893, GS. S. 152.] [Gutsvorsteher) § 123. (Abs. 1 und 2 weggefallen. Der Gutsbesitzer ist nicht mehr von Ge­ burt Gutsvorsteher, dieser wird vielmehr vom Kreisausschuß bestellt, § 13 Ziff. 3 und 4 des Ges. vom 27. Dezember 1927, unten Nr. 14. Es gibt daher auch keinen „Stellvertreter" mehr. §§ 124, 125 Abs. 1, 126 und 127 sind dadurch ebenfalls weggefallen.] (3) (Ehefrauen werden rücksichtlich der angeführten Rechte und Pflichten durch ihren Ehemann,]i) Kinder unter väterlicher Gewalt durch ihren Vater und bevormundete Personen durch ihren Vormund oder Pfleger vertretens.

§ 124. (Betraf den „Stellvertreter", s. darüber zu § 123 Abs. 1 und 2.]

§ 125. (Abs. 1 weggefallen, s. zu § 123 Abs. 1 und 2.]

[Vereidigung) (2) Der Gutsvorsteher wird vor seinem Amtsantritte von dem Landrate oder in dessen Auftrage von dem Amisvorsteher (Distriktskommissarius) vereidigt.

§126. (Weggefallen, s. zu § 123 Abs. 1 und 2.]

§127. (Weggefallen, s. zu § 123 Abs. 1 und 2. Wegen der Vergütung des Gutsvorstehers s. § 13 Ziff. 5 des G. v. 27. Dezember 1927, unten Nr. 14.]

Vierter Titel. Verbindung nachbarlich belegener Gemeinden und selbständiger Gutsbezirke behufs gemeinsamer Wahrnehmung kommunaler Angelegenheiten.

88 128—138. (Aufgehoben durch § 25 des Zweckverbandsgesetzes vom 19. Juli 1911, unten Nr. 18.]

Fünfter Titel. [Aufsichtsbehörden)

Aufficht des Staates.

8 139.

(1) Die Aufsicht des Staates über die Verwaltung der An­ gelegenheiten der Landgemeinden, Gutsbezirke und ZweckverBeseitigt mit Rücksicht auf Art. 109 Abs. 2 RB., s. das (ältere!" preuß. G. v. 15. Juli 1919 (GS. S. 113) § 1. 2) Abs. 3 gehört heute sinngemäß zu § 122.

13. Östliche Landgemeindeordmmg (1891).

13]

bände*) wird unbeschadet der in den Gesetzen geordneten Mit­ wirkung des Kreisausschusses und des Bezirksausschusses in erster Instanz von dem Landrate als Vorsitzenden des Kreisausschusses, in höherer und letzter Instanz von oem Negierungspräsidenten geübt. (2) Beschwerden bei den Aufsichtsbehörden in den vorbrzeichneten Angelegenheiten sind in allen Instanzen innerhalb zwei Wochen anzubringen.

(Beanstandung)

§ 140.

(1) Beschlüsse der Gemeindeversammlung, der Gemeindever­ tretung oder der Zweckverbände*), welche deren Befugnisse über­ schreiten oder die Gesetze verletzen, hat der Gemeinde- oder Verbandsvorsteher, entstehendenfälls auf Anweisung der Auf­ sichtsbehörde, mit aufschiebender Wirkung unter Angab: der Gründe zu beanstanden. Gegen die Verfügung des Gemünde(Verbands-) Vorstehers steht der Gemeindeversammlung (der Gemeindevertretung, dem Verbandsausschuß)-) die Klare im Verwaltungsstreitverfahren zu. (4) Die Aufsichtsbehörde ist nicht befugt, aus anderen a s den vorstehend angegebenen Gründen eine Beanstandung vor Be­ schlüssen der Gemeindeversammlung, der Gemeindevertretung oder des Zweckoerbandes*) herbeizuführen.

lZwangSetat)

§ 141.

(1) Unterläßt oder verweigert eine Landgemeinde, ein Guts­ bezirk oder ein Zweckverband*) die ihnen gesetzlich obliegnden, von der Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Zuständigket fest­ gestellten Leistungen auf den Voranschlag zu bringen oder außer­ ordentlich zu genehmigen, so verfügt der Landrat unter Lnführuna der Gründe die Eintragung in den Voranschlag obr die Feststellung der außerordentlichen Ausgabe. (2) Gegen die Verfügung des Lanorats steht der Eeneinde, dem Besitzer des Gutes sowie dem Verbände die Klage bä dem Bezirksausschusie zu.

lAuflösung d. Gem.Vertr.)

§ 142.

Durch (Königliches Verordnung des Staatsministerilms') kann eine Gemeindevertretung aufgelöst werden. Es ist sidann binnen sechs Wochen, vom Tage der Äuflösungsverordnmg ab gerechnet, eine Neuwahl anzuordnen. Bis zur Einführmg der

*) Gemäß § 25 Abs. 2 des Zweckverbandsgesetzes (unten Nr. B). 2) § 25 Abs. 2, § 11 ZwVG. ’) Gemäß Art. 82 Pr. Verf.

13. Östliche Landgemeindeordnung (1891).

[13

neu gewählten Gemeindeverordneten beschließt an Stelle der Gemeindevertretung der Kreisausschuß. [Disziplinarverfahren)

§ 143.

Bezüglich der Dienstvergehen der Gemeindevorsteher, der Schöffen, der Gutsvorsteher und der Verbandsvorsteher sowie der sonstigen Beamten der Landgemeinden, Gutsbezirke und Zweck­ verbände^) kommen die Bestimmungen des Gesetzes vom 21.3uli 1852 (Gesetzsamml. S. 463) mit folgenden Maßgaben zur An­ wendung: 1. Die Befugnis, gegen diese Beamten Ordnungsstrafen zu verhängen, steht dem Landrate, und im Umfange des den Provinzialbehörden beigelegten Ordnungsstrafrechts dem Negierungspräsidenten zu. Gegen die Strafverfügungen des Landrats findet innerhalb zwei Wochen die Beschwerde an den Regie­ rungspräsidenten, gegen die Strafverfügungen des Regie­ rungspräsidenten innerhalb gleicher Frist die Beschwerde an den Oberpräsidenten statt. 2. Gegen den auf die Beschwerde in den Fällen zu 1 in letzter Instanz ergehenden Beschluß des Regierungspräsidenten oder des Oberpräsidenten findet die Klage bei dem Ober­ verwaltungsgerichte statt. 3. In dem Verfahren auf Entfernung aus dem Amte wird die Einleitung des Verfahrens von dem Landrate oder von dem Regierungspräsidenten verfügt und von denselben der Untersuchungskommissar und der Vertreter der Staats­ anwaltschaft ernannt. Als entscheidende Disziplinar­ behörde erster Anstanz tritt an die Stelle der Bezirks­ regierung der Kreisausschuß; an die Stelle des Staats­ ministeriums tritt das Oberverwaltungsgericht. Der Ver­ treter der Staatsanwaltschaft bei dem Oberverwaltungs­ gericht wird von dem Minister des Innern ernannt. In dem vorstehend zu 3 vorgesehenen Verfahren ist entstehendenfalls auch über die Tatsache der Dienstunfähig­ keit der ländlichen Eemeindebeamten Entscheidung zu treffen. [Berwaltungsstreitversahren)

§144.

(1) Zuständig in erster Instanz ist im Verwaltungsstreitversahren für die in diesem Gesetze vorgesehenen Fälle, sofern nicht tm einzelnen ein anderes bestimmt ist, der Kreisausschuß. Die *) S. Anm. 1 zu § 139.

13]

13. östliche Landgemeindeordnung (1891).

Frist zur Anstellung der Klage beträgt in allen Fällen zwei Wochen. (2) Die Gemeindeversammlung, die Gemeindevertretung, der Eemeindevorstand und der Zwectverband^) können zur Wahr­ nehmung ihrer Rechte im Verwaltungsstreitverfahren einen be­ sonderen Vertreter bestellen. lZweckverbiinde] § 145. (Gegenstandslos, s. jetzt § 22 des Zweckverbandsgesetzes, unten Nr. 18, und oben zu Titel IV.] Sechster Titel. Ausführungs- und Übergangsbestimmungen. (Inkrafttreten usw.] § 146. (1) Das gegenwärtige Gesetz tritt mit dem 1. April 1892 in Kraft. (2) Mit diesem Zeitpunkte treten alle entgcgenstehenden Bestim­ mungen, insbesondere die §§ 18 bis 78 Teil II Titel 7 des Allgemeinen Landrechts, das Gesetz, betresfend die Landgemeindeverfassungen in den sechs östlichen Provinzen der Preußischen Monarchie, vom 14. April 1856, die §§ 22 bis 45 sowie der § 53 der Kreisordnung vom 13. Dezember 1872 in der Fassung vom 19. März 1881 und die §§ 24 bis 37 des Ge­ setzes über die Zuständigkeit der Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsbehörden vom 1. August 1883 für die im § 1 genannten Provinzen außer Kraft. Die Bestimmungen der §§ 51, 51a und 55a Abs. 2 der Kreisord­ nung bleiben auch fernerhin in Kraft. (3) Rechte und Pflichten, welche aus besonderen Titeln des öffent­ lichen Rechts beruhen, bleiben insoweit in Kraft, als biefe Titel von den bisherigen allgemeinen und besonderen gesetzlichen Vorschriften, Ord­ nungen, Gewohnheitsrechten und Observanzen abweichende Bestimmungen enthalten. Eine solche Abweichung wird nicht vermutet.

(Ortsstatuten] § 147. (1) Die bei Verkündigung dieses Gesetzes bereits bestehenden Orts­ statuten, allgemeinen Gewohnheitsrechte und Observanzen bleiben, soweit dieses Gesetz ortsstatutarische Regelung zuläßt, (unbeschadet der Be­ stimmung in Absatz 2]*2), einstweilen, längstens auf drei Jahre, in Kraft. (Abs. 2 durch das Kommunalabgabengesetz gegenstandslos geworden.]

(Volksschulen] § 148. Soweit den Volksschulen die Eigenschaft von Gemeindear.stalten beiwohnt, kommen in Ansehung derselben die Bestimmungen dieses

*) S. Anm. 1 zu § 139. 2) S. zu Abs. 2.

14. Gemeindeverfafsungsnovelle (1927).

[14

Gesetzes nur unter den aus den besonderen Gesetzen über die Volks­ schule sich ergebenden Einschränkungen zur Anwendung. [Aussührungsbkstimmungtn) §149. (1) Der Minister des Innern erläßt die zur Ausführung dieses Ge­ setzes erforderlichen Bestimmungen. (2) Wegen der Vorbereitungen für die notwendig werdenden Neu­ wahlen ist alsbald nach der Verkündigung des Gesetzes Anordnung zu treffen. Die Vollmacht der bisherigen Mitglieder der bestehenden Ge­ meindevertretungen erlischt mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes; doch bleiben dieselben bis zur Einführung der neugewählten Gemeindeverordnetcn im Amte. (3) Die zur Zeit des Inkrafttretens des Gesetzes im Amte befind­ lichen Gemeindevorsteher, Schöffen und sonstigen gewählten Gemeinde­ beamten verbleiben in demselben bis zum Ablauf ihrer Wahlperiode. Inglcichcn verbleiben im Amte die besoldeten Gcmcindebcamten nach Maßgabe ihres Anstellungsvertragcs. sAbs. 4 und 5 gegenstandslos geworden durch die neue Gemeindewahlgcsetzgebung.)

3. Allgemeine Kommunalgesetze.

14. Gesetz über die Regelung verschiedener Punkte des Gemeindeverfassungörechis. Vom 27. Dezember 1927 (GS. S. 211). sDas Gesetz bringt neben der Auflösung der Gutsbezirke wichtige Änderungen des Verfassungsrechts der Landgemeinden in Rheinland und Westfalen. Es bringt ferner (in § 1) Bestimmungen über die Eingemein­ dungen, die aber nicht erschöpfend sind; Bedenken gegen diese Bestim­ mungen, die Zwangseingemeindungen ermöglichen, waren auf Grund von Art. 127 RB. und Art. 70 der Preuß. Vers, erhoben worden, sie sind aber vom Staatsgerichtshof in der Entsch. v. 10./11. Dezember 1929 (RGZ. 126 Anh. S. 14) für unbegründet erklärt worden.)

Anhalt Ein- und Umgemeindungen..................................................... § 1. Änderungen der Rheinischen Gemeinde- und Westfälischen Landgemeindeordnung......................................................2 bis 10. Auflösung der Gutsbezirke und der fürstlichen Gemeinden im Regierungsbezirk Koblenz........................................ 11 bis 14. Schlußvorschriften........................................................................... § 15.

14]

14. KemrindrverfassungSnovelle (1927).

[ein- und Nmgemeindungen]

§ 1.

(1) Veränderungen der Grenzen einer Stadt- oder Land­ gemeinde können aus Gründen des öffentlichen Wohles erfolgen und bedürfen: 1. eines Gesetzes, wenn ------- Ähierdurch .......................................... 2“- Stadt­ die Grenzen eines oder Landkreises verändert werden oder wenn eine Stadt durch die Erweiterung des Stadtgebietes die für das Ausscheiden aus dem Kreise matzgebende Einwohnerzahl erreicht; 2. eines Beschlusses des Staatsministeriums, wenn hierdurch eine Gemeinde ganz aufgelöst oder eine neue Gemeinde geschaffen wird; übrigen Fällen. 3. einesBeschlussesderBeschlußbehördeinallen ( , , v , (2) . ) Vor der Grenzänderung sind die Vertretungskörper­ schaften der beteiligten Stadt- und Landgemeinden und Ämter, Die Kreisausschüsse der beteiligten Kreise und, wenn mehrere Provinzen beteiligt sind, auch die Provinzialausschüsse zu hören. Als beteiligt gelten die Provinzen nur dann, wenn ihre Grenzen verändert werden würden. (3) Am Falle des Abs. 1 Nr. 3 steht binnen zwei Wochen aus Gründen des gemeinen Wohles nach Maßgabe des § 123 des Landesverwaltungsgesetzes ~ u " 1 gegen "den " 23e|'hluß der Beschlußbebörde auch ihrem Vorsitzenden die Beschwer _ , , >e an die Be mlutzbevörde zweiter Instanz und geaen den Beschluß der Bescylutzbehörde zweiter Instanz , v dem Vorsitzenden dieser Behörde die weitere lete Beschwerde an 'das Staatsmmisterium zu. (4) Bei Eingemeindungsverhandlungen mit kreisangehörigen Stadt- und Landgemeinden ist die Kreisverwaltung von vorn­ herein zu beteiligen. (5) Kreisangehörige Stadt- und Landgemeinden dürfen über die Vereinigung der vtadt- oder Landgemeinde oder von Teilen der Stadt- oder Landgemeinde mit anderen Gemeinden oder Eemeindeteilen, insbesondere über den Abschluß von Eingemein­ dungsverträgen erst Beschluß fassen, nachdem Der Kreisverwal­ tung Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben ist.

und „Biirgtrmeister"]

§ 2.

Die Landbürgermeisterei in der Rheinprovinz führt hin­ fort die Bezeichnung „Amt". Der Amtmann in der Provinz Westfalen führt hinfort die Amtsbezeichnung „Bürgermeister". lGem.vorsteher als (tzem.vorstand]

§ 3.

Gemeindevorstand ist auch in der Rheinprorinz, der Gemeindevorsteher. Er beruft die Gemeindevertretung und führt den Vorsitz mit vollem Stimmrecht.

14. KcmtindtverflissitNflSnovelle (1927).

fWahl der UnüDcrorbnetrn]

[14

§ 4.

(1) 8iii die Wahl der zu wählenden Amtsverordneten bildet das Amt encn Wahlbezirk. (2) Aul die Wahl der Amtsverordneten finden die Vor­ schriften de> Gemeindewahlaesetzes über die Wahl der Gemeinde­ verordneter entsprechende Anwendung.

[Sürgmneiflr]

§ 5.

(1) Der Bürgermeister ist in der Regel ehrenamtlich zu be­ stellen. Auh die Beigeordneten sind in der Regel ehrenamtlich zu bestellen (-) Im Falle eines besonderen Bedürfnisses können durch Amtsbeschlrh einzelne der im Abs. 1 genannten Stellen als be­ soldete eingerichtet werden. (3) Del Bürgermeister ist zu den Sitzungen der Gemeinde­ vertretung einzuladen. (4) Die Beschlüsse der Gemeindevertretung sind dem Bürgermeister möglichst vor der Ausführung schriftlich mitzuteilen.

(Wahl u. Befätigttng bcä Bnrgtr> Meisters, de SBcigtorbnctcn]1)

§ 6.

(1) Der Bürgermeister und die Beigeordneten werden von der Amtsvrtretung gewählt, und zwar der besoldete Bürger­ meister uni die besoldeten Beigeordneten auf 12 Jahre, die Ehrenbürgameister auf 6 Jahre, die unbesoldeten Beigeordneten nach jeder Neuwahl der Amtsvertretung. (2) Die gewählten Bürgermeister und Beigeordneten be­ dürfen der Bestätigung durch die Aufsichtsbehörde. Wegen der Zugehörigkit des Gewählten zu einer politischen Partei darf die Bestätigung nicht versagt werden. Die Bestätigung kann von der Aufsichvbehörde nur unter Zustimmung der Beschluhbebörde versagt weden. Der Beschlug, durch den die Beschlußbeyörde die Bestätigung versagt, ist mit Gründen zu versehen. Lehnt die Beschluhbelvrde die Zustimmung ab, so kann auf Antrag der Ausstchtsbelörde der Regierungspräsident sie ergänzen. Versagt die Aufsicht-behörde unter Zustimmung der Beschlußbehörde die Bestätigung, so kann auf Antrag des Bürgermeisters oder der Amtsvertreung der Regierungspräsident sie erteilen. Gegen die Entschidung des Regierungspräsidenten findet die Be­ schwerde ai das Staatsministerium statt. Vor Versagung der Bestätigung ist in allen Fällen dem Gewählten Gelegenheit zur Äußerung z: geben. *) Frühr Vorschlag und Ernennung.

14]

14. Kemeirrdeverfassungönovelle (1927).

^Befähigung, Wählbarkeit]

§ 7.

Der Bürgermeister und die besoldeten Beigeerdneten müssen die zur Verwaltung des Amtes erforderliche Befähigung besitzen. Wählbar zum Bürgermeister und Beigeordneten ist jeder, der nach dem Gemeindewahlgesetze wählbar ist, mit der Maßgabe, daß für den besoldeten Bürgermeister und die be­ soldeten Beigeordneten der Wohnsitz nicht Voraussetzrng der Wählbarkeit ist. Der Bürgermeister darf nicht gleichzeitig Bei­ geordneter sein.

[Äommtffar. Bürgermeister]

§ 8.

(1) Bei Erledigung einer Bürgermeisterstelle kann mit Zu­ stimmung der Amtsvertretung die vorläufige Verwaltung einem Kommissar übertragen werden, den der Oberpräsident ernennt. (2) Vor der kommissarischen Bestellung eines Bürgermeisters muß die Amtsvertretung gehört werden. Eie hat das Recht, von sich aus dem Oberprästdenten Vorschläge zu machen. D'.efer soll nur in äußerst dringenden Fällen von den Vorschlägen ab­ weichen. (3) Die kommissarische Verwaltung darf in der Regel die Dauer eines Jahres nicht überschreiten.

lAmt als fiommuniilt)ertaub]

§ 9.

(1) Selbstverwaltungsangelegenheiten der Gemeinden können durch Beschluß der Amtsvertretung für das ganze Gebiet oder Siir Teile des Amtes mit der Wirkung übernommen werden, «aß sie damit den zu dem Amte gehörigen Landgemeinden gegenüber gesetzlich dem Amte vorbehalten werden. Das gleiche gilt von solchen Angelegenheiten, die von Zweckverbänden über­ nommen sind, die aus Landgemeinden innerhalb des Amtes bestehen. (2) Gegen den Beschluß steht jeder Gemeinde des Amtes oder dem Zweckverbande binnen zwei Wochen der Einspruch zu. Über den Einspruch beschließt die Beschlußoehörde. In dem Be­ schluß ist gegebenenfalls auch die Verpflichtung des Antes zur Übernahme der den gleichen Aufgaben dienenden Einrihtungen der einzelnen Gemeinden oder des Zweckverbandes sowie zur Leistung einer angemessenen Entschädigung für diejenigen Auf­ wendungen festzustellen, welche die einzelnen Gemeinten oder der Zweckverband für die übernommenen Einrichtungen ge­ macht haben. (3) Wird eine Selbstverwaltungsangelegenheit nur für Teile des Gebietes des Amtes auf das Ämt übernommen, so sind die­ jenigen Gemeinden, auf welche sich die Übernahme nicht erstreckt,

14. Gemeindeverfassungsnovellk (1927).

[14

von den Kosten, die durch Übernahme dieser Angelegenheit er­ wachsen, freizulassen. [Mitwirkung des Bürgermeistern bei der Fmanzverw. d. 6cm.]

§10.

Durch Amtssatzung kann eine Mitwirkung des BürgermeisLers bei der Aufstellung des Haushaltsplanes und der Jahresrechnung sowie bei der Verwaltung und Beaufsichtigung des Rechnungs- und Kassenwesens der einzelnen Landgemeinden in d«m Umfange beibehalten oder eingeführt werden, wie sie

[Auslösung der Kutöbczirke]

§ 11.

Cl) Die bestehenden selbständigen Gutsbezirke sind auf­ zulösen. (2) Sie sind entweder mit Landgemeinden oder Stadtgemein­ den zu vereinigen oder mit arideren Eutsbezirten zu einer neuen Landgemeinde oder Stadtgemeinde zusammenzulegen oder allein für sich im ganzen oder in Teilen in Landgemeinden oder Stadt­ gemeinden umzuwandeln. (3) Bei dieser Regelung ist in erster Linie auf die Schaffung leistungsfähiger Gemeinden sowie darauf Rücksicht zu nehmen, daß einheitlich bewirtschafteter Grundbesitz einer und derselben Gemeinde zugelegt wird. (4) über die Art der Auflösung (Abs. 2) beschließt das Staatsministerium. In jedem Kreise ist binnen einer vom Staatsministerium zu bestimmenden durch den Kreisausschuß nach Anhörung der oeteiligten Gemeinden und Gutsbesitzer ein Plan auHustellen. Wird der Plan innerhalb dieser Frist nicht aufgestellt, so entscheidet das Staatsministerium von Amts wegen. (5) Dabei soll von der Auslösung eines Eutsbezirkes Ab­ stand genommen werden, wenn seine Vereinigung mit anderen Gemeinden oder seine Zusammenlegung mit anderen Guts­ bezirken zu einer neuen Gemeinde nach Lage der Verhältnisse ausgeschlossen und seine Umwandlung in eine selbständige Ge­ meinde nicht möglich ist, weil sich etn eigenes Eemeindeleben wegen geringer Einwohnerzahl oder räumlicher Trennung der Wohnstätten nicht entwickeln kann. [Auseinandersetzung wegen der Auflösung der Gutsbeprkt]

§ 12.

(1) Über die infolge dieser Regelung notwendig werdenden Auseinandersetzungen zwischen den beteiligten Gemeinden und Gutsbesitzern beschließt die Beschlußbehörde.

14]

14. Gemeinden ersafsungSnovelle (1927).

(2) Bei der Auseinandersetzung können Grundstücke, Gerech­ tigkeiten, Anlagen und Einrichtungen, die im Privateizentume des Gutsbesitzers stehen, aber dem Eemeingebrauche dienen, der Gemeinde übereignet werden. (3) Bei der Auseinandersetzung ist die Mehr- oder Mnderbelastung, die der Gutsbesitzer infolge der Auflösung des Guts­ bezirkes im ganzen erfährt, in billiger Weife zu berücksichtigen. Die Übereignung (Abi. 2) ist nur gegen vollständige Entschädi­ gung zulässig. Wegen oer Höhe der Entschädigung steht den Be­ teiligten gegen den endgültigen Beschlug der Beschlutzbehörde binnen einem Monate die Klage im ordentlichen Rechtswege zu. (4) Die Beschlußbehörde ist befugt, Unschädlichkeitsatteste gemäß Artikel 20 oes Ausführungsgesetzes zur Grundbuchmronung vom 26. September 1899 auszustellen. lübergangSregelungl

§ 13.

Bis zur Auflösung des einzelnen Gutsbezirkes gilt folgendes: 1. Auf die Gutsbezirke finden die für Landgemeinden gelten­ den Vorschriften entsprechende Anwendung, soweit sie nicht das Bestehen einer Gemeindevertretung (Gemeindever­ sammlung) zur Voraussetzung Laben. 2. Für den Bereich eines selbständigen Gutsbezirkes ist der Besitzer des Gutes Träger der öffentlich-rechtlichem Rechte und Pflichten, deren Träger für den Bereich eines Gemeindebezrrkes die Gemeinde ist, mit den hinsichtlich ein­ zelner dieser Rechte und Pflichten aus den Gesetzer. folgen­ den Maßgaben. 3. Die obrigkeitlichen Geschäfte übt für den Eutsbezirk der Gutsvorsteher aus. 4. Der Eutsvorsteher wird vom Kreisausfchuß bestellt. Der Kreisausschutz kann als solchen entweder eine im Guts­ bezirke wohnende geeignete Persönlichkeit oder, wrnn eine solche nicht vorhanden ist, einen benachbarten Gemeinde­ vorsteher oder eine andere geeignete Persönlichkeit be­ stellen. Für einzelne Teile des Gutsbezirkes können be­ sondere Eutsvorsteher bestellt werden. 5. Der Gutsbesitzer hat dem Eutsvorsteher auf Antrag eine angemessene Vergütung für die Besorgung der obrigkeit­ lichen Geschäfte zu zahlen, über die Vergütung beschließt im Streitfälle der Kreisausfchuß endgültig. lFürstliche Gemeinden im Rtg.-Bez. Koblenz

§ 14.

Auf die sogenannten fürstlichen Gemeinden in den Kreisen Wetzlar und Neuwied (Reg.-Bez. Koblenz) finden die §§ 11 bis 13 entsprechende Anwendung.

15. Gemeindewahlgesehe. [Inkrafttreten, AuSführungsanweisungen^

[15a

§15.

(1) Dieses Gesetz tritt mit dem auf die Verkündung folgen­

den Tage in Kraft. (2) Mit demselben Zeitpunkte treten die entgegenstehenden Vorschriften der geltenden Gemeindeverfassungsgesetze außer Kraft. (3) Der Minister des Innern erläßt die zur Ausführung dieses Gesetzes nötigen Anweisungen*).

15. Gemembewahlgesetze. sDie durch die RV. Art. 17 nötig gewordene Neuordnung des Gemeindewahlrechts ist in eigenartiger Weise aus Anlaß von Neuwahlen in den nachstehenden Gesetzen und Verordnungen erfolgt]

a) Gesetz über die vorläufige Regelung der Gemeindewahlen (Gemeindewahlgesetz). Vom 9. April 1923 (GS. S. 83) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Februar 1924 (GS. S. 97). lWahheitj

8 1.

Die Gemeindevertretungen der Städte und Landgemeinden sind neu zu wählen. Zum Wahltage wird der 4. Mai 1924 bestimmt. Über

die Dauer der Mahlzeit?) wird in den neuen Gemeindeverfas­ sungsgesetzen Bestimmung getroffen werden. [Wahlberechtigung, Wählbarkeit^

§ 2.

(1) Wahlberechtigt sind alle über 20 Jahre alten reichsdeut­ schen Männer und Frauen, die seit ununterbrochen 6 Monaten ihren Wohnsitz im Gemeindeyebiete haben. Wählbar sind die­ jenigen Wahlberechtigten, die das 25. Lebensiahr vollendet haben. Voraussetzung der Wahlberechtigung ist die Eintragung in die Bürgerliste (§ 3 Abs. 2) oder der Besitz eines Wahlscheins *) Ergangen sind: 1. Vorläufige erste Ausführungsanweisung vom 28. Dezember 1927 (MBliV. S. 1171 ff.), als endgültige erste AusfAnw. datiert vom 31. Januar 1928 (MBliV. S. 96); 2. Zweite AusfAnw. vom 25. Februar 1928 (MBliV. S. 199); 3. Dritte AusfAnw. vom 24. Januar 1929 (MBliV. S. 95). 2) Vier Jahre, § 2 d. G. v. 18. April 1928, unten Nr. 15c.

15a]

15. Gemeindewahlgesetze.

(§ 3 Abs. 3); für die Voraussetzung der Wählbarkeit ist der Wahltag maßgebend. (2) Wahlberechtigt und wählbar ist nicht: 1. wer entmündigt ist oder unter vorläufiger Vormundschaft oder wegen geistiger Gebrechen unter Pflegschaft steht,' 2. wer die bürgerlichen Ehrenrechte nicht besitzt. (3) Die Ausübung der Wahlberechtigung ruht für die Sol­ daten während der Dauer der Zugehörigkeit zur Wehrmacht. (4) Behindert in der Ausübung ihres Wahlrechts sind Per­ sonen, die wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche in einer Heil- oder Pflegeanstalt untergebracht sind, ferner Straf- und Untersuchungsgefangene sowie Personen, die infolge gerichtlicher oder polizeilicher Anordnung in Verwahrung gehalten werden. Ausgenommen sind Personen, die sich aus politischen Gründen in Schutzhaft befinden. (5) Wahlberechtigung und Wählbarkeit gehen verloren, wenn eine ihrer Voraussetzungen wegfällt. (6) Die durch feindliche Maßnahmen aus den besetzten Ge­ bieten verdrängten wählbaren und wahlberechtigten Personen sind unbeschadet ihrer Wahlberechtigung und Wählbarkeit an ihrem Wohnsitz auch da wahlberechtigt, wo ste sich am Wahltag aufhalten. sBürgerliste, Wahlschein] § 3. (1) Zur Ausübung der Wahlberechtigung ist die Eintragung in die rechtsgültig festgestellte Bürgerliste oder die Erteilung eines Wahlscheins erforderlich. (2) In die Bürgerliste ist einzutragen, wer am Wahltage gemäß 8 2 wahlberechtigt ist. Die Bürgerliste ist spätestens fünf Wochen vor dem Wahltage zwei Wochen lang öffentlich auszulegen. Der Eemeindevorstand gibt Ort und Zert öffentlich bekannt und weist auf die Einspruchsfrist hin. Einsprüche sind bis zum Ablaufe der Auslegungsfrist bei dem Eemeindevorstand anzubringen,' erachtet er einen Einspruch nicht für begründet, so hat er ihn unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche nach Ablauf der Auslegungsfrist, der Beschlußbehörde vorzulegen, welche darüber binnen zwei Wochen endgültig beschließt. Hier­ auf wird die Vürgerliste geschlossen. (3) Einen Wahlschein erhalten auf Antrag: 1. die im 8 2 Abs. 6 genannten Personen; 2. Wahlberechtigte, die nicht in die Vürgerliste eingetragen sind, wenn ihrem Einspruch erst nach Schluß der Bürgerliste stattgegeben ist; 3. Wahlberechtigte, die wegen Ruhens der Wahlberechtigung (8 2 Abs. 3) oder wegen Behinderung in der Ausübung

15. Gemeindewahlgesetze.

[16 a

(§ 2 Abs. 4) in die Bürgerliste nicht eingetragen oder ge­ strichen waren, wenn der Grund hierfür nach Ablauf oer Einspruchsfrist weggefallen ist. (4) Für die Rechtsgültigkeit der Stimmabgabe ist allein die Eintragung in die Bürgerliste oder der Besitz eines Wahlscheins maßgebend. [Zahl der Stadtverordneten)

§ 4.

Die Zahl der Stadtverordneten mutz mindestens elf be­ tragen. Diese Grundzahl kann durch Ortssatzung erhöht werden bis zu 15 000 Einwohnern für jede angefangenen 1000, bei mehr als 15 000 bis zu 30 000 Einwohnern für jede ange­ fangenen weiteren 2000 bei mehr als 30 000 bis zu 60 000 Einwohnern für jede ange­ fangenen weiteren 3000 bei mehr als 60 000 bis zu 300 000 Einwohnern für jede ange­ fangenen weiteren 10 000 bei mehr als 300 000 Einwohnern für jede angefangenen weite­ ren 15 000 um je einen Stadtverordneten, aber nicht über hundert hinaus. [Wahlverfahrens

§ 5.

Die Wahl ist unmittelbar und geheim. Jeder Wähler hat eine Stimme. Die Wahl erfolgt nach den Grundsätzen des Ver­ hältniswahlrechts nach Maßgabe einer von dem Minister des Innern zu erlassenden Wahlordnung^). Die Verbindung von Wahlvorschlägen und die Bildung von Wahlbezirken ist unzu­ lässig; zulässig bleibt die Bildung von Abstimmungsbezirken. [Wahlergebnis, Einspruch gegen die Gültigkeit)

§ 6.

Das Wahlergebnis ist von dem Eemeindevorstande fest­ zustellen und öffentlich bekanntzumachen. (2) Die nach §4 zu verteilenden Sitze sind auf die Wahlvor­ schläge nach der Reihenfolge der Höchstzahlen zu verteilen, die sich ourch Vollrechnung, Halbteilung, Drittelung, Viertelung usw. der auf die Wahlvorschläge entfallenden Stimmenzahlen ergeben, über die Zuteilung des letzten Sitzes entscheidet bei gleichen Höchstzahlen das Los. (3) Gegen die Gültigkeit der Wahl kann jeder Wahlberech­ tigte binnen zwei Wochen nach der Bekanntmachung oei dem Gemeindevorstand Einspruch erheben. (1)

1) Ergangen am 13. Februar 1924 (MBliB. S. 153). geltende Fassung ist vom 25. Juli 1929 (MBliB. S. 640).

Die zurzeit

15a]

15. Gemeindewahlgesehe.

(4) Die neue Gemeindevertretung hat über die Einsprüche sowie über die Gültigkeit der Wahl von Amts wegen in fol­ gender Weise zu beschließen: 1. wird die Wahl eines oder mehrerer Gewählten wegen Mangels der Wählbarkeit für ungültig erachtet, so ist nur Die Wahl dieser Personen für ungültig zu erklären,' 2. wird für festgestellt erachtet, daß bei der Vorbereitung der Wahl oder bei der Wahlhandlung Unregelmäßigkeiten vorgekommen sind, die auf das Wahlergebnis von Ein­ fluß gewesen sein können, so ist die ganze Wahl für ungültig zu erklären,' 3. wird die Feststellung des Wahlergebnisses für unrichtig erachtet, so ist die Feststellung aufzuheben und eine neue Feststellung des Wahlergebnisses anzuordnen. (5) Geben den Beschluß der Gemeindevertretung steht dem, der den Einspruch erhoben hat, und dem, dessen Wahl für un­ gültig erklärt ist, die Klage im Verwaltungsstreitverfahren zu. Eine Klage, die infolge Zurückweisung des Einspruchs erhoben wird, darf mit dem Klageantrage nicht über den Einspruchs­ antrag hinauszehen. Die Klage hat aufschiebende Wirkung außer in den Fällen, in denen die Wahl für gültig oder nur ge­ mäß Abs. 4 Nr. 1 für ungültig erklärt worden ist. In letztem Falle tritt der Ersatzmann gemäß § 8 Satz 1 nicht eher ein, als oer Beschluß unanfechtbar beworben oder im Verwaltungsstreit­ verfahren rechtskräftig bestätigt ist. (6) Ist die ganze Wahl endgültig für ungültig erklärt, so hat binnen längstens drei Monaten eine Neuwahl stattzufinden. (7) Ist die Feststellung des Wahlergebnisses endgültig aufbeboben. so hat der Gemeindevorstand das Wahlergebnis neu festzustellen. Er ist hierbei an die Grundsätze der endgültigen Entscheidung gebunden. (8) Auf"die Bekanntmachung und die Nachprüfung des be­ richtigten Wahlergebnisses (Abs. 7) finden die Vorschriften der Abs. 1 bis 5 und 7 Anwendung.

lAusscheiden aus d. Gem.vertr.]

§ 7.

Fällt eine Voraussetzung der Wählbarkeit während der Wahlzeit fort, so scheidet der Gemeindevertreter aus der Ge­ meindevertretung aus. Darüber, ob dieser Fall vorliegt, be­ schließt im Streitfälle die Gemeindevertretung. Gegen den Beschluß steht dem Eemeindevertreter binnen zwei Wochen die Klage im Verwaltungsstreitverfahren zu. Die Klage hat keine aufschiebende Wirkung, jedoch tritt der Ersatzmann gemäß § 8 nicht vor rechtskräftiger Entscheidung ein.

15. HtMtindtwalilgtjeht. [Nachrücken)

[15 a

§ 8.

Wenn ein Eemeindeoertreter die Wahl ablehnt oder vor Ablauf der Wahlzeit ausscheidet, oder wenn die Wahl eines einzelnen Eemeindevertreters für ungültig erklärt ijt, so tritt an seine Stelle der Bewerber, der in demselben Vorschläge hinter den Gewählten an erster Stelle berufen ist. Die Reihenfolge, in der die Bewerber zu berufen sind, kann durch die Mehrheit der noch wahlberechtigten Unterzeichner des Wahlvorschlages ge­ ändert werden. Die Änderung mutz dem Eemeindevorstande bis zum Ablaufe von zwei Wochen nach Erledigung der Stelle mit­ geteilt werden. Die Feststellung des Ersatzmannes erfolgt durch den Gemeindevorstand. Auf die Bekanntmachung und die Nachvrüfuna der Feststellung finden die Vorschriften des § 6 Abs. 8 Anwendung. Ist ein weiterer Bewerber in demselben Wahl­ vorschlage nicht vorhairdcn, so bleibt der Gemeindevertretersitz unbesetzt. sNeuwuhl d. uubtsold. Beigcordn., Gemrindevorstchkr, Srfjöncn]

§ 9.

(1) Gleichzeitig mit der Wablzeit der jetzigen Gemeindever­

tretungen endigt "die Wahlzeit oer im Amte befindlichen, auch der aus Lebenszeit gewählten unbesoldeten Magistratsmitglieder (Beigeordneten), unbesoldeten Gemeinde- (Kirchspiels-, Dorf- und Bauernschasts-) Vorsteher sowie unbesoldeten Schöffen. Die Neuwahlen haben alsbald nach der Neuwahl der Gemeindever­ tretungen stattzufinden,- die Ausscheidenden bleiben bis zur Ein­ führung der Neugewählten im Amte. Die Wahlzeit der Neu­ gewählten endigt gleichzeitig mit der Wahlzeit der neuen Ge­ meindevertretung,- die Ausscheidenden bleiben bis zur Einfüh­ rung der Neugewählten im Amte. § 8 Satz 1 bis 5 finden ent­ sprechende Anwendung. Ist ein Bewerber auf dem Wahlvor­ schlage nicht mehr vorhanden, so wird der Ersatzmann durch die Mehrheit der Unterzeichner des Wahlvorschlags und, soweit sie nicht mehr Eemeindeoertreter sind, ihrer Ersatzmänner bestimmt. (2) Wählbar zu unbesoldeten Magistratsmitgliedern (Bei­ geordneten), unbesoldeten Gemeinde- (Kirchspiels-, Dorf- und Bauernschafts-) Vorstehern sowie unbesoldeten Schöffen sind die zur Gemeindevertretung nach § 2 wählbaren Personen. [Neuwahl d. Amtsvcrtretungcnj

§ 10,

(1) Gleichzeitig mit der Wahlzeit der Gemeindevertretungen endigt die Wahlzeit der Amtsvertretunaen*) in der Rheinpro­ vinz und der Amtsvertretungen in der Provinz Westfalen. Die

1) Vgl. § 2 des Gesetzes vom 27. Dezember 1927, oben Nr. 14. Bühler, Derwaltungsgesetze. 15

15 a]

15. Gemeindewahlgesetze.

ausscheidenden Mitglieder bleiben bis zur Einführung der Neu­ gewählten in Tätigkeit. (2) Die gewählten Abgeordneten der Amtsvertretungen*) in der Rheinprovinz und die gewählten Amtsverordneten der Amtsvertretungen in der Provinz Westfalen werden gleich­ zeitig mit den Gemeindevertretungen neu gewählt. Die Zahl der für jede Bürgermeisterei- oder Amtsvertretungi) zu wählen­ den Abgeordneten oder Amtsverordneten bestimmt sich nach dem zurzeit geltenden Kreisausschußbeschluß oder Amtsstatute. Auf die Wahl finden die 88 2 bis 8 mit der Maßgabe Anwendung, daß an die Stelle des Wohnsitzes im Gemeindegebiete der Wohn­ sitz im Bezirke der Landbürgermeisterei oder*) des Amtes tritt und daß grundsätzlich jede Gemeinde einen besonderen Wahlbezirk bildet. Gemeinden, welche nur einen Abgeordneten oder Amts­ verordneten zu wählen baben, sind zu Wahlbezirken zu vereini­ gen, die durch Beschluß des Kreisausschusses so festzusetzen sind, daß jeder Wahlbezirk mindestens zwei Abgeordnete oder Amts­ verordnete zu wählen hat. (3) Abs. 1 und 2 finden auf die Wahl der zu wählenden Ge­ meindeverordneten der Kirchsprelslandaemeinden in den Kreisen Husum, Norderdithmarschen und Süoerdithmarschen mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß die Zahl der für jede Kirchspielslandgemeinde zu wählenden Gemeindeverordneten sich nach dem zurzeit geltenden Gemeindestatute bestimmt.

§11. (Enthielt eine einmalige llbergangsvorschrift.s lFreigewordene Stellen besoldeter Bürgermeister usw.]

§ 12.

Die Stellen der besoldeten Bürgermeister,Magistratsmitglieder (Beigeordneten), Gemeindevorsteher und Schöffen dürfen von den bisherigen Ge­ meindevertretungen nur besetzt werden, wenn die Wahl eine Mebrheit von mindestens % der tatsächlich vorhandenen Mit­ glieder der Gemeindevertretung ergeben hat. (2) Soweit die im Abs. 1 genannten Personen auf Grund einer Präsentation der Gemeindevertretung durch die Bürger­ schaft gewählt werden, findet auf die Präsentation durch die Gemeindevertretung Abs. 1 Anwendung; die Wahl durch die Bürgerschaft erfolgt geheim durch verdeckte Stimmzettel. (1)

§13. ((Geändert durch Gesetz vom 31. Dezember 1926, GS. S. 367) ent­ hielt inzwischen bedeutungslos gewordene Ubergangsvorschriften.s *) Vgl. § 2 des Ges. v. 27. Dezember 1927, oben Nr. 14.

15.Gemeindewahlgesehe.

[15b

§ 14.

[Wahlzeit d.besold. Bürgerm. usw-!

(1) Soweit die in den §§ 12 [unb 13] genannten Personen bisher auf Lebenszeit gewählt werden können oder müssen oder bisher auf Lebenszeit ernannt werden, wird die Wahl- oder Amtszeit auf 1 2 I a h r e beschränkt. (2) Soweit die im § 9 genannten Personen bisher auf Lebenszeit gewählt werden können und müssen, endigt in Zu­ kunft ihre Wahlzeit gleichzeitig mit derjenigen der Gemeinde­ vertretung, die sie gewählt hat.

88 15-17. (Enthielten einmalige Ubergangsvorschrifteu.j

§ 18.

[Aenwahlenz

Auf Neuwahlen von Vertretungskörperschaften, die in Städten, Landgemeinden, Landbürgermeistereien, Ämtern und Kirchspielslandgemeinden im Einzelfalle vor dem Inkrafttreten der neuen Städte- und Landgemeindeordnung stattsmden, finden die Vorschriften der § 1 Cat; 3, 2 bis 10, 14 Anwendung.

[Berlins

§ 19.

Auf die Siadtgemeiude Berlin findet dieses Gesetz keine Anwendung.

[Helgoland! § 20. Auf die Gemeinde Helgoland finden die Vorschriften dieses Gesetzes keine Anwendung. Der Zeitpunkt der Neuwahl der Gemeindevertretung in Helgoland wird durch die neue Landgemeindeordnung bestimmt.

[Übergangsvorschrist! § 21. Die entgegenstehenden Vorschriften der Gemeindeverfassungsgesetze und der sonstigen Gesetze werden aufgehoben. [Aussührungsbkstimmnngen! § 22. Der Minister des Innern erläßt die Bestimmungen zur Ausführung dieses Gesetzes.

b) Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die vorläufige Rege­ lung der Gemeindewahlen (Eemeindewahlgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Februar 1924 (GS. S. 99). Vom 14. Juni 1924 (GS. S. 551) in der Fassung des Gesetzes vom 24. Juli 1924 (GS. S. 591). [Wahl b. Gemeindevorsteher, Bei« geordneten, Schöffen inLandgem.!

§ 1.

(1) Die Gemeinde- (Vauernschafts-, Dorf-) Vorsteher, Bei­ geordneten, Stellvertreter und Schöffen in Landgemeinden wer15*

15b]

15. Gemtindewahlgesetzk.

den, soweit die Wahl durch die Gemeindevertretung (Gemeinde­ rat, Eemeindeausschutz) geschieht, nurvonden gewählten Eemeindeverordneten gewählt. (2) Bei der in den Kreisen Norderdithmarschen, Süderdithmarschen und Husum von den Kirchspiclslandgemeindevertretungen vorzunehmen­ den Wahl der Gemeindevorsteher und Stellvertreter sind die Bauern­ schafts- (Torf-) Vorsteher als Mitglieder der Gemeindevertretung nur dann stimmberechtigt, wenn sie gemäß § 9 oder § 16 des Gemeindewahl­ gesetzes vom 12. Februar 1924 neu gewählt sind und wenn bei ihrer Wahl die Vorschrift des Abs. 1 Anwendung gefunden hat; der Kirchspielslandgemeindcvorsteher und sein Stellvertreter sowie im Kreise Husum die Koogsvorsteher sind nicht stimmberechtigt. lWahlrecht]

§ 2.

sAbs. 1 enthielt eine einmalige Mergangsvorschrift.s

(2) Für die Wahlberechtigung in den Gemeindeversamm­ lungen gelten die Vorschriften der 88 2 und. 3 des Gemeinde­ wahlgesetzes. lWahl d.Bürgerm.usw. in Städten] § 3.

Die Bürgermeister und sonstigen Magistratsmitglieder in Städten mit Magistratsverfassung werden, soweit bis­ her ihre Wahl in anderer Weise als durch die Bürgerschaft oder Gemeindevertretung (Stadtverordnetenversammlung, bürgerschaftliches Kollegium) allein stattfindet, fortan nurvonden gewählten Mitgliedern der Gemeindevertretung ge­ wählt. (Verfahren]

§ 4.

(1) Die Wahlen werden, wenn niemand widerspricht, durch Zuruf, sonst durch Abgabe von Stimmzetteln vollzogen. Bei der Zettelwahl wird, wenn mehrerealeichartige unbesoldete Wahl!teilen zu besetzen sind, in einem Wahlgange nach den Grundsätzen )er Verhältniswahl, wenn nur eine unbesoldete Wahlstelle, oder wenn mehrere ungleichartige unbesoldete oder wenn besoldete Wahlstellen zu besetzen sind, für jede Stelle in besonderem Wahl­ gange nach Stimmenmehrheit gestimmt. (2) Wird nach den Grundsätzen der Verhältniswahl abge­ stimmt, so sind die Wahlstellen auf die Wahlvorschläge nach der Reihenfolge der Höchstzahlen zu verteilen, die sich durch Voll­ rechnung, Halbteilung, fünftelund Viertelung usw. der auf die Wahlvorschläge entfallenden Strmmzahlen ergeben, über die Zuteilung der letzten Wahlstelle entscheidet bei gleichen Höchst­ zahlen das Los. (3) Wird nach Stimmenmehrheit abgestimmt, so ist derjenige gewählt, für den mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen

15. Ktmcindtwlihlgesthe.

[15 c

abgegeben sind. Wird dies Ergebnis im ersten Wahlgange nicht erreicht, so findet zwischen denjenigen Personen, welche die meisten Stimmen erhalten haben, eine engere Wahl statt, die, wenn aus mehr als vier Personen Stimmen gefallen sind, aus diejenigen vier zu beschränken ist, die im ersten Wahlgange die meisten Stimmen erhalten haben. Werden auch im zweiten Wahlgange nicht mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen für eine Person abgegeben, so findet unter den zwei Personen, oie bei der zweiten Abstimmung die meisten Stimmen erhalten haben, eine engere Wahl statt. Bei Stimmengleichheit entscheidet das vom Vorsitzenden zu ziehende Los, wer in die engere Wahl zu bringen oder im dritten Wahlgange gewählt ist. [Präsentation! § 5. Soweit eine Präsentation von Magistratsmitgliedern stattsindet, steht das Necht der Präsentation der Stadtverordnetenversammlung zu. § 4 findet entsprechende Anwendung.

[Wahl b. die Gemeindeangchörigen!

§ 6.

(1) Die Vorschrift des S 2 Abs. 2 findet auch in den Fällen Anwendung, in denen die Wahlen von sämtlichen Wahlberech­ tigten einer Gemeinde vorzunehmen sind. (2) Wenn die letzte Wahl zur Gemeindevertretung nicht länger als sechs Monate hinter dem Wahltage zurücklieat, kann durch Gemeindebeschlutz bestimmt werden, daß den Wahlen die Bürgerlisten zugrunde zu legen sind, auf Grund deren die Wahl zur Gemeindevertretung stattgefunden hat. [Inkrafttretens

§ 7.

(1) Dieses Gesetz tritt mit dem Tage seiner Verkündung in Kraft. sAbs. 2 und 3 enthielten einmalige übergangsvorschriften.s

[Auöführungöbestimmungenj

§ 8.

Der Minister des Innern erläßt die Bestimmungen zur Aus­ führung dieses Gesetzes.

c) Gesetz über die Festsetzung der Gemeindewahlen. Vom 18. April 1928 (GS. S. 99) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. November 1928 (GS. S. 207), geändert durch Gesetz vom 26. Februar 1929 (GS. S. 7).

[Zeitpunkt der Neuwahl! § 1. Die Gemeindevertretungen der Städte und Landgemeinden sowie die Amtsverlretungen in der Rheinprovinz und der Provinz Westfalen sind

15 c]

15. Ecmeindewahlgesthk.

bis zum 31. Dezember 1929 neu zu wählen. Die Wahlen dürfen nicht vor dem 30. September stattfinden.

lWahljkit]

§ 2.

(1) Die Dauer der Wahlzeit beträgt für sämtliche Gemeinde­

vertretungen, Amtsvertretungen und Vertretungen der Kirchspielslandgemeinden vier Jahre. Einzelne Neuwahlen, die aus besonderem Anlasi während der laufenden Wahlzeit erfolgen, gelten nur bis zum Ablaufe der allgemeinen Wahlzeit. Finoen sie innerhalb zwölf Monaten vor Ablauf der allgemeinen Wahlzeit statt, so endet die Wahlzeit erst gleichzeitig mit der nächsten allgemeinen Wahlzeit. (2) Das Staatsministerium. wird ermächtigt, für die allge­ meinen Neuwahlen (§ 1 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 1) den Wahltag zu bestimmen. ^Neuwahl der Deputationen usw.]

§ 3.

Nach jeder Neuwahl der Gemeindevertretungen sind die ge­ wählten Mitglieder aller Eemeindedeputationen und -kommissionen neu zu wählen. ISchleSwigHolstein] § 4. Im Geltungsbereiche der Städteordnung für die Provinz Schles­ wig-Holstein werden fortan die unbesoldeten Magistratsmitglieder nur von den gewählten Mitgliedern der Gemeindevertretung gewählt. (Freigewordene Stellen]

§ 5.

(1) §§ 12 und 20 des Eemeindewahlgesetzes vom 9. April 1923 in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Februar 1924 (ES. S. 99) finden Anwendung. (2) 1) § 12 des Eemeindewahlgesetzes vom 9. April 1923 in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Februar 1924 (GS. S. 99) findet keine Anwendung auf die Stellen der besoldeten Bürgermeister, Magistratsmitglieder (Beigeordneten), Ge­ meindevorsteher und Schöffen solcher Gemeinden, deren Ge­ meindevertretungen nach dem 1. März 1928 neugewählt worden sind. (3) i) In allen anderen Gemeinden kann die Wahlzeit der besol­ deten Bürgermeister, Magistratsmitglieder (Beigeordneten), Gemeinde­ vorsteher und Schöffen, die vor dem Zusammentritt der durch die allge­ meinen Neuwahlen (§ 1, § 2 Abs. 2) neugewählten Gemeindevertretun*) Abs. 2 und 3 angesügt durch das Gesetz vom 26. Februar 1929.

— 230 —

16il 9hiljnimgcmchibungdflrfct$ (1920).

[16a

gen abläuft, durch die Gemeindevertretung biy zum 31. März 1930 ver­ längert werden, wenn der Stellinnnhaber zustimmt.

[Inkrafttretens § 6. Dieses Gesetz tritt mit dem aus die Verkündung folgenden Tage in Kraft. [Ausführnngsanweisungenf § 7. Der Minister des Innern erläßt die zur Ansführring dieses Gesetzes nötigen Anweisungen*).

16 a. Gesetz über die kommunale Neugliederung des rheinisch-westfälischen Industriegebiets. (A u s a u (i.) Dom 29. Juli 1929 (GS. S. 91). [Nachdem die Frage der kominnnalen Gliederung des rheinisch-west» fälischen Industriegebietes in Eingemeindungsgesetzen vom 26. Februar 1926 (GS. S. 53) betr. namentlich Gelsenkirchen und Recklinghausen und vom 22. März 1928 (GS. S. 17) betr. namentlich Dortmund Teil­ regelungen erfahren hatte, erging ant 29. Juli 1929 ein Gesetz, das für den ganzen übrigen Teil des hier sehr weit gezogenen Industriegebietes die seit langem angestrebte Gesamtregelung brachte. An Bestimmungen von allgemeiner und dauernder Bedeutung, die hier allein wiederzugeben waren, enthielt dieses Eingemeindungsgesetz von 1929 selbst nur die über die zwischengemeindlichen Arbeitsgemein­ schaften (§ 61); von den übrigen Bestimmungen, welche den Umfang der Umgemeindung im einzelnen umschreiben, bringen wir mit den zZ 1—4 nur sozusagen einige Proben; angefügt ist die eigenartige Übergangs­ lösung für Krefeld in § 7. Das dem Eingemeindungsgesetz von 1929 beigegebene Einfüh­ rungsgesetz ist von allgemeiner Bedeutung einmal durch die Rege­ lung der Einwirkung der Umgcmeindungeu auf das Orts- und Kreis­ recht, die Polizeiverordnnngen und die Beamtenverhältnisse, weiter durch die Aufhebung der Bestimmungen über das Ausscheiden von Stadt- und Landkreisen für ganz Preußen und wird insoweit wiedergegeben.f i) Runderlasse des M. d. I. vom 31. März 1928 (MBliV. S. 369), vom 18. November 1928 (MBliV. S. 1118) und vom 13. Dezember 1928 (MBliV. S. 1188).

16 a]

16 a. Ruhrurngemeindungsgesetz (1929).

Teil I.

Regierungsbezirk Düsseldorf.

A. LinkeS Nheinufer.

Abschnitt I : Auflösung von Landkreisen.

81. Die Landkreise Krefeld, Kempen, Gladbach, Grevenbroich und Neuß werden aufgelöst.

Abschnitt II: Stadtgemeinde Gladbach-Rheydt.

8 2. (1) Die Stadtgemeinden und Stadtkreise M.-Gladbach und Rheydt werden unter Grenzberichtigungen gegenüber der Stadt­ gemeinde Viersen und der Landgemeinde Neersen gemäß den Grenzbeschreibungen der Anlage A dieses Gesetzes unter I ju einer Stadtgemeinde und einem Stadtkreis Gladbach-Rheydt zusammengeschlossen. (2) An diese Stadtgemeinde werden eingegliedert: 1. die Stadtgemeinoe Odenkirchen des Landkreises Gladbach; 2. die Landgemeinden Giesenkirchen, Schelsen und Hardt des Landkreises Gladbach.

8 3. Die Ämter Hardt und Schelsen werden aufgelöst.

Abschnitt III: Stadtgemeinde Krefeld-Uerdingen a. Rh.

8 4. In die Stadtgemeinde und den Stadtkreis Krefeld werden eingegliedert 1. aus dem Landkreis Krefeld: a) die Landgemeinde Gellep-Stratum, [ufto.J 2. aus dem Landkreise Kempen.Teile der Landgemeinden Hüls, [ufto.] lübergangsregelung]

§ 7.

(1) Die Stadtgemeinden Krefeld (§ 4) und Uerdingen (§ 6) werden zu einer Stadtgemeinoe und einem Stadt­ kreis „Krefeld-Uerdingen a. Rh." vereinigt, wobei für eine längere Übergangszeit nur bestimmte Verwal­ tungszweige in die gemeinsame Verwaltung

16a. RuhrumfltMtindunqSgesch (1929).

[16a

übergehen, d i e übrigen aber von beiden Stadtteilen unter entsprechender Anwendung der Vorschriften der Städte­ ordnung für die Rheinprovinz vöm 15. Mai 1856 (Eesetzsamml. S. IW)*) getrennt und selbständig verwaltet werden. Das Nähere bestimmt eine von den gemeinschaftlichen Organen der neuen Stadtgemeinde mit Zustimmung der Or­ gane der beiden Stadtteile zu erlassende Ortssatzung, die der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedarf. Kommt die Orts­ satzung innerhalb eines Jahres nicht zustande, so wird sie von der Aufsichtsbehörde erlagen. Sowohl die Stadtgemeinde Krefeld-Ueroingen a. Rh. als auch die Stadtteile Krefeld und Uerdingen sind Körperschaften des öffentlichen Rechtes. (2) Die Stadtteile Krefeld und Uerdingen bilden für die kommunalen Wahlen je einen eigenen Wahlbezirk. (3) Für die Dauer der Übergangszeit gelten die Stadtteile Krefeld und Uerdingen im Sinne des kommunalen Abgaben­ rechts und des preußischen Ausführungsgesetzes zum Finanzausgleichsgefetz als Gemeinden, soweit nicht Die Eigenschaft als Stadtkreis Voraussetzung der sich aus diesen Vorschriften er­ gebenden Zuständigkeiten, Berechtigungen oder Verpflichtungen ist. Der § 52 der Eewerbesteuerverordnung findet im Verhält­ nis der beiden Stadtteile zueinander keine Anwendung. sEntsprechend diesen des Beispiels halber angeführten Bestimmungen werden in den §§ 8—60 die übrigen Veränderungen zunächst im Regie­ rungsbezirk Düsseldorf (namentlich bezüglich Duisburg-Hamborn, Ober­ hausen, Essen, Düsseldorf, Solingen, Barmen-Elberfeld), dann die im Regierungsbezirk Münster (Stadt- und Landkreis Recklinghausen), end­ lich die im Regierungsbezirk Arnsberg (Dortmund, Bochum, Watten­ scheid, Witten, Hagen, Iserlohn) im einzelnen umschrieben.)

T e i l IV. Bildung zwischengemeindlicher Arbeitsgemeinschaften.

§61. (1) Zur Förderung zwischengemeindlicher Zusammenarbeit (§ 41 des Einführungsgesetzes zu dem Gesetz über die kommu­ nale Neugliederung des rheinisch-westfälischen Industriegebiets) werden zu Arbeitsgemeinschaften ^usammengeschlosten: 1. die Stadtgemeinde Gladbach-Rheydt und der Landkreis Grevenbroich-Neuß; 2. die Stadtaemeinoen Duisburg-Hamborn, Oberhausen, Bottrop, Mülheim, Esten und der Landkreis Dinslaken; *) Oben Nr. 12.

16 a]

16 a. Ruhrumgemeilldunllsgeseh (1929).

3. die Stadtgemeinden Barmen-Elberfeld, Remscheid, So­ lingen und der Landkreis Solingen-Lennep,' 4. die Stadtgemeinden Gelsenkirchen-Buer, Bochum, Watten­ scheid, Wanne-Eickel, Herne, Castrop-Rauxel, Dortmund; 5. die Stadtgemeinden Recklinghausen, Gelsenkirchen-Buer. Gladbeck. Bottrop und der Landkreis Recklinghausen; 6. die Staotgemeinde Hagen und die Landkreise EnnepeRuhrkreis und Iserlohn. (2) Wünschen Stadt- oder Landkreise, die den ArbeitsgemeinÖen des Abs. 1 nicht angeschlossen sind, einer Arbeitsgemein­ beizutreten, so kann der Beitritt erfolgen, wenn sämtliche in der Arbeitsgemeinschaft bisher zusammengeschlossenen Ge­ meinwesen zustimmen.

T e i l V. Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk. [Die durch §§ 62—64 gebrachten Änderungen am Gesetz über den Ruhrsiedlungsverband sind bei diesem (s. unten Nr. 17, §§ 2 und 5) bereits berücksichtigt.]

Schlutzvorschriften.

§65. Dieses Gesetz tritt mit dem auf die Verkündung folgenden löge1) in Kraft.

§66. Die beteiligten Minister erlassen die zur Ausführung dieses Gesetzes nötigen Bestimmungen. i) Die Verkündung erfolgte am 31. Juli 1929.

16b. binfiihrungsgeseh zum Ruhnlmgtmeindungögesktz (1929).

[16b

16b. Einführungsgesetz zu dem Gesetz über die kommunale Neugliederung des rheinisch­ westfälischen Industriegebiets. lA u s z u g.) Vom 29. Juli 1929/28. Januar 1930 (GS. 1929 4.

sAbs. 1 ist ersetzt durch § 18 Abs. 1 des Grllndvermögensteuergesetzes, vom 14. Februar 1923 und § 44 der zu 28-32 zitierten BO.] (2) Sofern in einer Gemeinde die Nealsteucrn nach besonderen Steuerordnungcn mit veränderlichen Steuersätzen erhoben werden, be­ dürfen die Beschlüsse, durch welche die Steuersätze für das Haushalts­ jahr festgesetzt werden, der Genehmigung'). (3) Tie Vertretungen der hiervon betroffenen Steuerpflichtigen sind vor Fassung des Umlagebeschlusses zu hörens.

8 55. (Gestrichen durch d. G. v. 26. August 1921 (GS. S. 495).

IHöhe der Prozentsätze^

§ 56.

(1) Zur Deckung des durch Realsteuern aufzubringenden Steuerbedarfs find die veranlagten Grundvermögen- und Ge­ werbesteuern in der Regel mit dem gleichen Prozentsätze heran­ zuziehen. (2) Genießen jedoch die Grund- (Haus-) besitzen oder Ge­ werbetreibenden von Veranstaltungen der Gemeinde besondere Vorteile oder verursachen sie der Gemeinde besondere Kosten, so ist, sofern die Ausgleichung nicht nach §§ 4, 9,10 oder 20 erfolgt, der durch die Realsteuern aufzubringende Steuerbedarf (§§ 54, 55) auf die Steuern vom Grundvermögen und Eeweroebetrieb, in Prozenten der veranlagten Rcalsteuern berechnet, anderweitig *) § 54 Abs. 2 und- 3 in der Fassung des G. vom 26. August 1921 (GS. S. 495). Von Bedeutung nur noch für die auf Grund besonderer Steuerordnungen (§ 25) erhobene Grundvermögensteuer. Für die Ge­ werbesteuer gilt § 45 der zu den §§ 28—32 zit. VO.

19]

19. Kommunalabgabengesetz (1893).

entsprechend unterzuverteilen, jedoch mit der Maßgabe, daß Grundvermögensteuer höchstens doppelt so stark herangezogen wird, wie die Gewerbesteuer und umgekehrt. (3) Ausnahmen können aus besonderen Gründen von den Ministern des Innern und der Finanzen zugelassen werden. Den Ministern ist gestattet, die Zulassung von Ausnahmen auf die ihnen untergeordneten Aufsichtsbehörden höherer Instanz zu übertragens. (4) Vorstehende Bestimmungen finden sinngemäße Anwen­ dung auf die Heranziehung der Erundvermögensteuer vom unbebauten Grundbesitz im Verhältnis zur Grundvermögensteuer vom bebauten Grundbesitz. (5) Die Unterverteilung (Absatz 2 und 4) bedarf der Ge­ nehmigung.

(Besondere Gemeindesteuern)

§ 57.

(1) Bei der Verteilung des Steuerbedarfs (88 54, 55, 56) ist das Aufkommen besonderer Gemeindesteuern (§ 23 Absatz 2, 88 25, 29, 37) je nach ihrer Einrichtung und Beschaffenheit auf denjenigen Teil des Steuerbedarfs zu verrechnen, welcher durch Prozente der entsprechenden, vom Staate veranlagten Steuer aufzubringen ist. (2) Mietsteuern von gewerblich benutzten Räutnen sind auf die Gewerbesteuer zu verrechnen.

(Steuern von Bauplätzen) § 58. (1) Die Bestimmungen der 88 54, 56 und 57 finden [auf die Beiriebssteuer unbp) auf die Steuern von Bauplätzen (§ 27 Ab­ satz 2) keine Anwendung. [Satz 2, bete, die Betriebssteuer, ist durch die zu §§ 28—32 zitierten BO. weggefallen.s (2) Der § 54 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung').

(Festsetzung d. Höhe b. Steuersätze) § 594). (1) Über die Höhe der Zuschläge zu den Realsteuern sowie über die Höhe der Steuersätze, welche nach besonderen Steuer­ ordnungen erhoben werden sollen, hat die Gemeinde bis zum Abläufe der ersten drei Monate des Rechnungsjahrs Beschluß zu fassen. Kommt bis zu diesem Zeitpunkt ein gültiger Beschluß nicht zustande, so ist dre Aufsichtsbehörde mit Zustimmung der

*) Abs. 3 Satz 2 angefügl durch Art. 5 Ziff. 5 des Kriegsgesetzes vom 13. Mai 1918. -) S. zu § 58 Abs. 1 Satz 2. 3) Abs. 2 angefügt durch das G. v. 26. August 1921. *) In der Fassung d. G. v. 26. August 1921.

19. Nommnnalirbgabtngrskh (189:3).

[19

Vescklußbehörde befugt, behufs Deckung des Steuerbedarfs das Verhältnis der Zuschläge zu den einzelnen Realsteuern unter­ einander oder^ soweit besondere Steuerordnungen bestehen, die nach diesen Steuerordnungen zu erhebenden Steuersätze fest­ zusetzen. (2) Vis zur endgültigen Beschlußfassung durch die Gemeinde oder Festsetzung durch die Aufsichtsbehörde werden die Zuschläge oder oie Steuersätze des Vorjahrs forterhoben. Hiernach ge­ leistete Zahlungen sind auf die endgültigen Zuschläge des Rech­ nungsjahrs zu verrechnen. 5. Zeitliche Begrenzung der Steuerpflicht. §60. (1) Soweit sich die Gemeindesteuern den Staatssteuern anschließen und etwas anderes nicht bestimmt ist, gelten für den Zeitpunkt des Beginnes und des Erlöschens der Steuerpflicht die für die entsprechende Staatssteuer bestehenden Vorschriften. (2) Im übrigen gelten hinsichtlich der Dauer der Steuerpflicht folgende Bestimmungen: 1. Die Steuerpslicht beginnt: a) soweit sie von der Begründung eines Wohnsitzes oder Sitzes in einer Gemeinde abhängt, mit dem ersten Tage des auf die Begründung des Wohnsitzes oder Sitzes folgenden Monats; b) soweit sie von dem Aufenthalte in einer Gemeinde abhängt, mit dem ersten Tage des nach dem Ablaufe der maßgebenden Ausenthaltsfrift (§ 33 Absatz 4) be­ ginnenden Monats; c) soweit sie durch Grundvermögen, Betrieb von Handel oder Gewerbe, einschließlich des Bergbaues, bedingt ist (8 33 Nr. 2, § 35), mit dem ersten Tage des auf den Erwerb des Grundvermögens oder den Beginn des Betriebes folgenden Monats. Ist in dem zu b bezeichneten Falle die Steuerpslicht in­ folge des Ablaufs der Ausenthaltsfrift oder der früheren Begründung eines Wohnsitzes eingetreten, so mutz die Steuer seit dem ersten Tage des nach erfolgter Aufenthalts­ nahme begonnenen Monats nachentrichtet werden. 2. Die Steuerpflicht erlischt: a) durchden Tod des Steuerpflichtigen mit dem Ablaufe des Monats, in welchem der Tod erfolgt ist; b) durch das Aufgeben des Wohnsitzes, Sitzes oder Aufenthalts mit dem Ablaufe des Monats, in welchem der Wohnsitz, Sitz oder Aufenthalt tatsächlich Brhler, Verwaltungsgesetze. 19

19. üommunalabgabengeskh (1893).

19]

aufgegeben worden ist, sofern jedoch bis au diesem Zeitpunkte der Gemeindebehörde hiervon keine An­ zeige erstattet ist, erst mit dem Ablaufe des folgenden Monats; c) durch die Veräußerung des Grundvermögens beSngsweise die Einstellung des die Steuerpflicht Agenden Betriebes von Handel oder Gewerbe, einschließlich des Bergbaues (§ 33 Nr. 2, § 35), mit dem Abläufe des Monats, in welchem die Veräuße­ rung beziehungsweise die Einstellung des Betriebes erfolgt ist.

6. Veranlagung und Erhebung.

[Ükranlaflung]

§ 611).

(1) Die Veranlagung erfolgt, wenn durch die Gemeindever­ tretung kein besonderer Steuerausschuh eingesetzt ist, durch den Gemeindevorstand. (2) über die Zusammensetzung und die Geschäftsordnung der Ausschüsse treffen die Minister des Innern und der Finanzen die erforderlichen Bestimmungen. (3) Der Gemeindevorstano kann die Veranlagung einem seiner Organe oder bestimmten Beamten übertragen.

lAuskunfterteilungl

§ 62.

(1) Dem Gemeindevorstande (Steuerausschuh) sind von den zuständigen Staatsbehörden diejenigen bei der Veranlagung oder Festsetzung der Staatssteuern bekanntgewordenen Vesteuerungsmerkmale, deren er für die Veranlagung bedarf, auf Ersuchen mitzuteilen. (2) Zu dem gleichen Zwecke haben die Behörden anderer Gemeinden hinsichtlich der ihnen bekannten Besteuerungsmerk­ male dem Gemeindevorstande (Steuerausschuh) auf Erfordern Auskunft zu erteilen.

lAuSknnftspfl. b. Steuerpflichtigen^ § 63. (1) Durch die Steuerordnung können die Rechte des Ge­ meindevorstandes (Steuerausschusses) und die Obliegenheiten der Steuerpflichtigen nach Maßgabe folgender Bestimmungen geregelt werden. (2) Der Eemeindevorstand (Steuerausschuh) kann, soweit er nickt auf anderem Wege (§ 62) zur Kenntnis der für die Ver­ anlagung maßgebenden Besteuerungsmerkmale gelangt ist, er-

*) In der Fassung d. G. v. 26. August 1921.

19. Kommunalabgabengesetz (1893).

[19

mächtig! werden, von den Steuerpflichtigen hierüber binnen einer angemessenen Frist Auskunft zu erfordern. Die Aufforde­ rung mutz in jedem einzelnen Falle durch eine besondere, dem Steuerpflichtigen zuzusteüende Zuschrift erfolgen. (3) Die Verpflichtung zur Auskunftserteilung erstreckt sich nur auf die Beantwortung der bei der Aufforderung gestellten Fragen über bestimmte Tatsachen. Soweit es sich um Schätzungen handelt, ist der Steuerpflichtige eine Erklärung abzugeben be­ rechtigt, aber nicht verpflichtet. (4) Wird die Auskunftserteilung beanstandet, so find dem Steuerpflichtigen vor der Veranlagung die Gründe der Bean­ standung mit dem Anheimstellen mitzuteilen, hierüber binnen einer angemessenen Frist eine weitere Erklärung abzugeben. (5) Die im Vorstehenden wegen der Steuerpflichtigen ge­ troffenen Bestimmungen finden auf Bevollmächtigte und gesetz­ liche Vertreter der Steuerpflichtigen sinngemäße Anwendung. (Steuerabschnitt)

§ 84.

Durch die Steuerordnung kann bestimmt werden, daß die Ver­ anlagung besonderer Realsteuern für mehrere aufeinander folgende Rech­ nungsjahre zu erfolgen hat. Soweit eine Bestimmung nicht getroffen ist, geschieht die Veranlagung für je ein Rechnungsjahrs.

(Bekanntmachung der Steuern)

§ 65.

(1) Im Falle der Erhebung von Prozenten der vom Staate veranlagten Realsteuern, ssowre von Zuschlägen zur Staatseinkommensteuerj erfolgt die Bekanntmachung der Steuern durch den

Gemeindevorstand für diejenigen Steuerpflichtigen, bezüglich deren die staatlich veranlagte «teuer die unveränderte Grund­ lage der Prozente oder Zuschläge bildet, durch eine in orts­ üblicher Weise zu bewirkende Veröffentlichung der zu erhebenden Prozentsätze, für andere Steuerpflichtige durch besondere Mit­ teilung. (2) Bei Erhebung besonderer Gemeindesteuern geschieht die Bekanntmachung durch den Gemeindevorstand für oie im Ge­ meindebezirke wohnenden steuerpflichtigen physischen Personen mittels Auslegung der Hebeliste während eines zweiwöchigen Zeitraumes in einem oder mehreren, in ortsüblicher Weise zur öffentlichen Kenntnis zu bringenden Räumen des Gemeinde­ bezirks, für die übrigen Steuerpflichtigen durch besondere Mit­ teilung. *) Betrifft nur noch die besondere Grundvermögensteuer (§ 25).

19. Kommunalabgabengeseh (1893).

19]

(3) Bei Zugängen im Laufe des Jahres bedarf es stets be­ sonderer Mitteilung. (4) Durch Gemeindebeschluß kann an Stelle der Bekannt­ machung durch Auslegung eine besondere Mitteilung an jeden einzelnen Pflichtigen angeordnet werden. [Sölligfelt]

§ 66.

(1) Nach erfolgter Bekanntmachung (§ 65) ist die Steuer in den ersten 8 Tagen eines jeden Monats zu entrichten. An Stelle des Monats kann durch Gemeindebeschluß eine zwei- oder drei­ monatliche Hebeperiode eingeführt werden. Auch können durch Gemeindebeschluß bestimmte Hebungstage festgesetzt werden. (2) Wenn die zu erhebenden Prozentsätze der vom Staate veranlagten Realsteuern [ober bic Zuschläge zur Einkommensteuer 50 vom Hundert nicht übersteigen, so kann durch Gemeinde­ beschluß unter Festsetzung der Hebetermine die Hebung der Steuer in halbjährigen Beträgen oder auch im Betrage des ganzen Jahres angeordnet werden. (3) Dem Pflichtigen ist stets die Vorausbezahlung mehrerer Raten bis zum ganzen Zahresbetrage gestattet.

§67. [Betraf die Gemeinbeeinkommensteuer.) Vierter Titel. Naturaldienste.

§68. (1) Die Steuervflichtigen können durch Gemeindebeschluß zu Naturaldiensten (Hand- und Spanndiensten) herangezogen werden. (2) Spanndienste sind von den Grundbesitzern nach dem Ver­ hältnis der Anzahl bet Zugtiere, welche die Bewirtschaftung ihres im Eemeindebezirk belegenen Grundbesitzes erfordert, Handdienste von sämtlichen Steuerpflichtigen gleichheitlich au leisten. Ob und inwieweit bierbei den gespannhaltenoen Erunobesitzern die ihnen obliegenden Spanndienste auf das Maß der auf sie entfallenden Handdienste anzurechnen sind, bestimmt sich nach den hierüber getroffenen vertragsmäßigen oder statutari­ schen Festsetzungen oder dem Herkommen. Im Zweifelsfalle wird vermutet, daß die gespannhaltenden Grundbesitzer nur bei solchen Arbeiten, bei welchen zugleich Spanndienste vorkommen, von den Handdiensten befreit sind. Abweichungen von diesen Bestimmunen, insbesondere die Heranziehung von anderen gespannhaltenen Steuerpflichtigen zu Spanndiensten, bedürfen der Genehmi­ gung.

g

LV. Kommunalabgabengesetz (1893).

[19

(3) Die Dienste können mit Ausnahme von Notfällen durch taugliche Stellvertreter abgeleistet werden. (4) Die Gemeinde kann gestatten, daß an Stelle des Natural­ dienstes ein angemessener Geldbeitrag geleistet wird. (5) Die gemäß § 38 dieses Gesetzes von den Eemeindeabgaben ganz oder teilweise freigelassenen Steuerpflichtigen können nach Maßgabe der Bestimmung des Absatzes 2 zu Natural­ diensten herangezogen werden.

[(6) Die in §§ 40, 41, 42 aufgeführten Personen sind von Natural­ diensten, soweit diese nicht auf den ihnen gehörigen Grundstücken lasten, befreit; untere Kirchendiener insoweit, als ihnen diese Befreiung seither rechtsgültig zustand*).)

Fünfter Titel. Rechtsmittel. § 69. (1) Dem Abgabepflichtigen steht gegen die Heranziehung (Veranlagung) zu Gebühren, Beiträgen, Steuern und Natural­ diensten der Einspruch zu. Der Einspruch ist binnen einer Frist von 4 Wochen bei derjenigen Stelle einzulegen, welche die Her­ anziehung (Veranlagung) vorgenommen hat. Ist die Heran­ ziehung von einer anderen Stelle als dem Gemeindevorstande vorgenommen, so hat diese den Einspruch, falls sie ihm nicht stattgibt, dem Gemeindevorstande zur Entscheidung vorzulegen. Wird der Einspruch rechtzeitig unmittelbar beim Gemeindevorstande eingelegt, so gilt die Frist als gewahrt). (2) Der Lauf der Frist beginnt: 1. soweit die Bekanntmachung durch Auslegung der Hebe­ listen erfolgt ist, mit dem ersten Tage nach Ablauf der Auslegungsfrist,2. soweit eine besondere Mitteilung voraeschrieben ist, mit bem ersten Tage nach erfolgter Mitteilung,3. in allen übrigen Fällen mit dem ersten Tage nach der Aufforderung zur Zahlung beziehungsweise Leistung. (3) 3*) * Einsprüche, welche sich gegen den der Veranlagung zu­ grunde liegenden Staatssteuersatz (§ 26) richten, sind unzulässig. (4) Vorstehende Bestimmungen finden sinngemäße Anwen­ dung auf Einsprüche wegen Heranziehung oder Veranlagung von Grundbesitzern, Gewerbetreibenden und Einwohnern eines Gutsbezirkes zu den öffentlichen Lasten desselben.

[Einspruch)

*) Die Vorschrift des Abs. 6 dürfte mit Rücksicht auf Art. 134 RV. (Ausschluß steuerlicher Privilegien) keine Geltung mehr haben. 2) Abs. 1 Satz 2 und 3 i. d. F. d. G. v. 26. August 1921. 3) Abs. 3 unter Weglassung der die Gemeindeeinkommensteuer betr. Bestimmungen.

19]

19. Kommunalabgabrngcsetz (1803).

§ 70.

lkllage]

(1) über den Einspruch beschließt der Eemeindevorstand, und wenn der Eemeindevorstand ein Kollegium ist, sein Vorsitzender oder ein von diesem bezeichnetes Mitglieds. (2) Gegen den Beschluß steht dem Pflichtigen binnen einer, mit dem ersten Tage nach erfolgter Zustellung beginnenden Frist von zwei Wochen die Klage im Verwaltungsstreitverfahren offen. Zuständig in erster Instanz ist für Landgemeinden (Guts­ bezirke) der Kreisausschuß, für Stadtgemeinden der Bezirksaus­ schuß. Der Eemeindevorstand kann zur Wahrnehmung der Rechte der Gemeinde einen besonderen Vertreter bestellen.' Gegen die Entscheidung des Bezirksausschußes bei Stadtgemeinden ist nur das Rechtsmittel der Revision Zulässig. (3) Der Entscheidung im Verwaltungsstreitverfahren unter­ liegen desgleichen Streitigkeiten zwischen Beteiligten über ihre in dem öffentlichen Rechte begründete Verpflichtung zu den im § 69 Absatz 1 bezeichneten Lasten. INuckwirktnde Sttuerordnungenj

§ 70ai) 2).

Wird im Verwaltungsstreitverfahren eine Abgabenordnung für rechtsungültig erklärt, so kann einer neuen Ordnung, die die gleiche oder eine gleichartige Abgabe regelt, rückwirkende Kraft beiaelegt werden. Diese erstreckt sich aus die Zeit seit dem In­ krafttreten der für ungültig erklärten Ordnung und auf die Be­ stimmungen der neuen Ordnung, durch welche die Abgabepflich­ tigen nicht ungünstiger gestellt werden, als nach der für ungültig erklärten Steuerordnung beabsichtigt war, sie erstreckt sich nicht auf die durch endgültige Heranziehung nach der für ungültig erklärten Steueroronung erledigten Fälle.

§§ 71—74. (Betrafen die Gemeindeeinkommensteuer.s

(Keine aufschiebende Wirkung bet Rechtsmittel!

§ 75.

Durch Einspruch und Klage wird die Verpflichtung zur Zah­ lung oder Leistung nicht aufgeschoben.

§76. sDurch Art. II Ziff. 2 der zu §§ 28-32 zit. BO. beseitigt]

i) § 70 Ads. 1 i. d. F. d. Kriegsgesetzes vom 13. Mai 1918, Art. 5 Ziff- 7. ’) § 70a eingefügt durch das G. v. 26. August 1921.

19. KommunalabgaLengesetz (1893).

SechsterTitel.

119

Aufficht.

lAuffichtsbehördel § 77. (1) Für die Erteilung der in diesem Gesetze vorbehaltenen

Genehmigungen ist nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen bei Stadtgemeinden der Bezirksausschuß, bei Landgemeinden der Kreisausschuß zuständig. (2) Gegen den auf Beschwerde ergehenden Beschluß — bei Stadtgemeinden des Provinzialrats, bei Landgemeinden des Bezirksausschusses — steht dem Vorsitzenden dieser Behörde aus Gründen des öffentlichen Interesses die Einlegung der weiteren Beschwerde an die Minister des Innern und der Finanzen zu. Hierbei finden die Bestimmungen des § 123 des Gesetzes über oie allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 Anwendung. (3) Die Genehmigung von Gemeindebeschlüssen, durch welche besondere direkte oder indirekte Gemeindesteuern neu eingeführt oder in ihren Grundsätzen verändert werden, bedarf der Zu­ stimmung der Minister des Innern und der Finanzen. Auf Bier- und Hundesteuer findet diese Vorschrift keine Anwendung. Den Ministern ist gestattet, die Erteilung der Zustimmung auf die ihnen untergeordneten Aufsichtsbehörden höherer Instanz zu übertragens. (4) Die Erteilung der Genehmigung kann auf eine von vorn­ herein zu bestimmende Frist von einem oder mehreren Jahren beschränkt werden. (5) Die Genehmigung und gegebenenfalls die Zustimmung gilt als an dem lerne erteilt, an welchem der zu genehmigende Gemeindebeschlutz gefaßt ist, indes können die betreffenden Be­ hörden einen späteren Zeitpunkt hierfür festsetzen?). Wird die Genehmigung oder die Zustimmung mit einer Maßgabe erteilt, die einen erneuten Gemeindebesckluß erforderlich macht, so kann die die Maßgabe aussprechende Behörde gleichzeitig bestimmen, daß der erneute Gemeindebeschluß, sofern er der Maßgabe bei­ tritt, vom Tage des ursprünglichen Beschlusses oder von einem späteren Zeitpunkt ab Wirksamkeit haben soll3*).2 Ißrsatzgenehmigung)

§ 77a4).

Erteilt die Genehmigungsbehörde die Genehmigung für Zuschläge (Hundertsätze) zu den vom Staate veranlagten Real1) § 77 Abs. 3 i. d. F. Art. 5 Ziff. 8 des Kriegsgesetzes v. 13. Mai 1918. 2) Abs. 5 Satz 1 angefügt durch das G. v. 26. August 1921. 3) Abs. 5 Satz 2 angefügt durch Art. II § 3 des G. v. 8. August 1923 (GS. S. 377). 4) Eingefügt durch Art. II des Gesetzes zur Änderung des Preußischen Ausführungsgesetzes zum Finanzausgleichsgesetze, vom 27. November 1925 (GS. S. 162).

19]

19. Kommunalabgabengtfeh (1893).

steuern oder Steuersätzen der besonderen Erundsteuerordnungen nickt in voller Höhe, so bedarf es zur Rechtswirksamkeit Der Zuschläge (Hundertsätze) oder Steuersätze in der genehmigten Höhe eines beitretenden Eemeindebeschlusses nicht. lMänderung besteh. Ordnungen)

§ 78.

(1) Bestehen bei dem Inkrafttreten des Gesetzes in einzelnen Gemeinden Ordnungen über die Aufbringung von Gebühren, Beiträgen, indirekten, direkten Steuern ober Diensten, welche den Vorschriften dieses Gesetzes zuwiderlaufen, oder werben der­ artige Eemeindebeschlüsse gefaßt,so ist die Aussichtsbehörde be­ fugt, deren Abänberung oder Ergänzung unter Angabe der Gründe anzuordnen. (2) Dieselbe Befugnis steht der Aufsichtsbehörde zu, wenn die Abstufungen des Grundbesitzes, nach welchen die Steuer um­ gelegt wird (8 25), wegen wesentlicher Veränderungen der Besitz­ verhältnisse zur Grundlage der Besteuerung nicht mehr geeignet sind und ein Antrag auf Abänderung oder Ergänzung von der Mehrheit der einer Avstufung angehörigen Steuerpflichtigen gestellt wird. (3) Die Einführung neuer und die Erhöhung bestehender indirekter Steuern darf nicht angeordnet werden. (4) Gegen die Anordnung finbet innerhalb vier Wochen nach Ablauf der in derselben gestellten Frist die Klage im Verwal­ tungsstreitverfahren, für Landgemeinden bei dem Bezirksaus­ schüsse, für Stadtgemeinden bei dem Oberverwaltungsgerichte statt. (5) Wird die Klage innerhalb dieser Frist nicht erhoben, so ist die Aufsichtsbehörde befugt, die in Ansehung der Aufvringung der Gebühren, Beiträge, indirekten, direkten Steuern oder Dienste erforderliche Ordnung auf Grundlage der erlassenen Versüaung selbst festzustellen. Das gleiche gilt für den Fall der rechtskräftigen Abweisung der Klage. Wird die Klage endgültig für begründet erkannt, so tritt die Anordnung außer Kraft. (6) Sofern das öffentliche Interesse es erheischt, beschließt im Falle der Erhebung der Klage über die vorläufige Ordnung des Steuerwesens bis zur rechtskräftigen Entscheidung für Land­ gemeinden der Kreisausschuß, für Stadtgemeinden der Bezirks­ ausschuß. Siebenter Titel. fSteuerhinterstehnng u. -gefährd.)

Strafen.

§ 79.

(1) Wer in der Absicht der Steuerhinterziehung an zuständiger Stelle auf die an ihn gerichteten Fragen oder bei der Begründung eines Einspruchs unrichtige oder unvollständige Angaben macht, wird mit dem vier- bis zehnfachen Betrage der stattgehabten oder beabsichtigten Ber-

19. Kommunalabgabengefet; (1893).

[19

kürzun z, mindestens aber mit einer Geldstrafe von einer Reichsmark bei cinei Übertretung, von drei Reichsmark bei einem Vergehen bestraft. (2) Ist eine unrichtige oder unvollständige Angabe, welche geeignet ist, eine Verkürzung der Steuer herbeizuführcn, zwar wissentlich, aber nicht in der Absicht der Steuerhinterziehung erfolgt, so tritt Geldstrafe von drei bis einhundert Mark ein. (3) Straffrei bleibt, wer seine unrichtige oder unvollständige Angabe, bevor Anzeige erfolgt oder eine Untersuchung eingclcitet ist, an zu­ ständiger Stelle berichtigt oder ergänzt und die vorenthaltene Steuer in der ihm gesetzten Frist entrichtet.

sBcrlcßungd. Amtsverschwiegenheit) §

80.

(1) Ter Gemeiudevorstand beziehungsweise die Mitglieder des Gcmeindcvorstandes, die Mitglieder der Stcuerausschüssc, sowie die bei der Veranlagung beteiligten Gemeindebeantten werden, wenn sie die zu ihrer Kenntnis gelangten Erwerbs-, Vermögens- oder Einkonunensverhältuisse eines Steuerpflichtigen, insbesondere auch den Inhalt einer Aus­ kunftserteilung (§ 63) oder der darüber gepflogenen Verhandlungen unbefugt offenbaren, mit Geldstrafe von drei') bis zu eintausendfünf­ hundert Mark oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft. (2) Tie Verfolgung findet nur auf Antrag des Gemcindevorstandes oder des Steuerpflichtigen beziehungsweise dessen Vertreters statt. Ist das Vergehen von dem Gemcindevorstande oder von Mitgliedern des Gemeindevorstandes begangen, so ist auch die Aufsichtsbehörde zur Stellung des Antrages berechtigt.

^Verfahren) § 81. (1) Die aus Grund der §§ 79 und 80 festgesetzten, aber unbeitreiblichen Geldstrafen sind nach Maßgabe der für Übertretungen geltenden Bestimmungen der §§ 28 und 29 des Strafgesetzbuches für das Deutsche Reich in Haft umzuwandelu. (2) Die Untersuchung und Entscheidung in betreff der im § 79 bezeichneten strafbaren Handlungen sieht dem Gerichte zu, wenn nicht der Beschuldigte die von dem Gcmcindcvorstande vorläufig festgesetzte Geldstrafe nebst den durch das Verfahren gegen ihn entstandenen Kosten binnen einer/ ihm bekanntgemachten Frist freiwillig an die Gemeinde­ kasse zahlt. (3) Hat der Beschuldigte in Preußen keinen Wohnsitz, so erfolgt das Einschreiten des Gerichts ohne vorläufige Festsetzung der Strafe durch den Gemeindevorstand. Dasselbe findet statt, wenn der Gemeindevor*) Dieser Mindestbetrag beruht auf § 27 Ziff. 1 RStGB. Eine gemäß Art. VII Abs. 2 der VO. über Bermögensstrafen und Bußen vom 6. Februar 1924 (RGBl. I S. 44) gültige abweichende Bestimmung des Landesrechts fehlt.

19]

19. Nommunalabgabengeseh (1893).

stand aus sonstigen Gründen von der vorläufigen Festsetzung der Strafe Abstand zu nehmen erklärt oder der Angcschuldigte hierauf verzichtet. (4) Bei Zuwiderhandlungen wegen der Verpflichtung zur GeheimHaltung (§ 80) findet nur das gerichtliche Strafverfahren statt. (Strafdrohungen in Steurrordn.f

§ 82.

(1) In Abgabenordnungen können Strafen wegen Zuwiderhand­ lungen bis zur Höhe von 1000 Mark angcdroht werden. Für bereits in Kraft getretene Stcucrordnungen, die Strafen toci]cn Zuwiderhandlungen androhcn, gilt von dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ab ein Betrag von 1000 Mark als Höchststrafe*). (2) Tie Strafen sind durch den Gemcindcvorstaud fcstzusctzcu und nach cingetretener Rechtskraft (§ 419*2) der Strafprozeßordnung vom 1. Februar 1877, Reichsgesetzbl. S. 253) im Verwaltuugszwaugsverfahreu beizutreiben.

Achter Titel. Nachsorderungen und Verjährungen. § 83. (1) Die Einziehung hinterzogener direkter Steuern (§ 79) zur Gemeindekasse erfolgt neben und unabhängig von der Strafe. (2) Die Verbindlichkeit zur Nachzahlung der Steuer ver­ jährt in zehn Jahren und geht auf Die Erben, jedoch für diese mit einer Verjährungsfrist von fünf Jahren und nur auf Höhe ihres Erbanteils, über. Die Verführung beginnt mit Ab­ lauf des Rechnungsjahres, in welchem die Hinterziehung be­ gangen wurde. (3) Die Festsetzung der Nachsteuer steht dem Gemeindevorstande zu, gegen dessen Beschluß nach Maßgabe der §§ 69, 70 der Einspruch und die Klage im Verwaltungsstreitverfahren zu­ lässig sind.

(Hinterzog. direkte Steuern!

[ffntjooeiu direkte Stenern!

§ 84.

(1) Steuerpflichtige, welche entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes oder der auf Grund desselben erlassenen Steuerord­ nungen bei der Veranlagung direkter Gemeindesteuern über­ gangen oder steuerfrei geblieven sind, ohne daß eine strafbare Hinterziehung der Steuer stattqefunden hat (§§ 79, 83), sind zur Entrichtung des der Eemeinoekasse entzogenen Betrages ver­ pflichtet. Die Verpflichtung erstreckt sich auf die drei Rech*) Abs. 1 i. d. F. d. G. vom 26. August 1921. 2) Der geltenden Fassung (vom 22. März 1924 S. 322 -).



RGBl. I

10. Kommnnalabgabenqkseh (1803).

[1#

nungsjahre zurück, welche dem Rechnungsjahre, in dem die Ver­ kürzung festgestellt worden, vorausgegangen sind. (2 ) Die Verpflichtung zur Zahluna der Nachsteuer geht auf die Erben, jedoch nur bis zur höhe ihres Erbanteils über. (3 ) Die Veranlagung der Nachsteuer erfolgt einheitlich für den ganzen Zeitraum, auf welchen sich die Verpflichtung er­ streckt^ nach den Vorschriften dieses Gesetzes oder der matzgebenoen r^teuerordnungen.

Mlnbrre Wbflnbni usw.) (1) Die Berechtigung der Gemeinden zur Nachforderung anderer Eemeindeabgaben als direkter Steuern beschränkt sich ohne Unterscheidung, ob die Abgabe gar nicht oder mit einem zu geringen Betrage erhoben worden ist, 1. bei Verbrauchsabgaben auf die Frist eines Jahres, vom Tage des Eintrittes der Zahlungsverpflichtung an ge2. bei sonstigen indirekten Steuern, Gebühren und Beiträgen (§§ 4 bis 11), sowie bei Kosten auf die Frist von drei Jahren seit dem Ablaufe desjenigen Jahres, in welchem die Forderung entstanden ist. (2) Die Nachforderung von Naturaldiensten ist, sofern die Nachleistung nach den Zwecken der zu leistenden Dienste über­ haupt noch möglich ist, auf die Dauer des laufenden Rechnungs­ jahres beschränkt, (Verjähr, festgestellter Abgaben!

§ 88.

(1) Zur Hebung gestellte Gemeindeabgaben und Kotten, welche im Rückstände verblieben oder befristet sind, verjähren in 4 Jahren, von dem Ablaufe des Jahres an gerechnet, in welches der Zahlungstermin füllt. (2) Die Verjährung wird durch eine an den Pflichtigen er­ lassene Zahlungsaufforderung, durch Verfügung der Zwangs­ vollstreckung und durch Stundung unterbrochen. (3) Nach Ablauf des Jahres, in welchem die letzte Aufforde­ rung zu^stellt, die Zwangsvollstreckung verfügt oder die bewil­ ligte Frist abgelaufen ist, beginnt eine neue vierjährige Ver­ jährungsfrist. Neunter Titel.

Kosten und Zwangsvollstreckung. § 89. Die Kosten der Veranlagung und Erhebung der Abgaben fallen, insoweit hierüber nicht durch § 14 des Gesetzes wegen

(Kosten)

19]

19. Kommunalabgabengesetz (1893).

Aufhebung direkter Staatssteuern anderweitige Bestimmung ge­ troffen ist, der Eemeindekasse zur Last. Jedoch sind diejenigen Kosten, welche durch die gelegentlich eines Einspruches erfol­ genden Ermittelungen veranlaßt werden, von oem Abgabe­ pflichtigen zu erstatten, wenn sich seine Angaben in wesentlichen Punkten als unrichtig erweisen. Die Festsetzung dieser Kosten kann nur in der Entscheidung über den Einspruch erfolgen.

§ 90.

(Zwangsverfahren)

(1) Gebühren, Beiträge, Steuern und Kosten, sowie die nach einem von der Aufsichtsbehörde festgestellten Tarife erhobenen Vergütungen (Kurtaxen usw.) unterliegen der Beitreibung im Verwaltungszwangsverfahren nach Maßgabe der Verordnung vom 15. November 1899 (Eesetzsamml. S. 545). (2) Sind Naturaldienste zu leisten, so ist der Eemeindevorstand bei Säumnis der Pflichtigen befugt, die Dienste durch Dritte leisten und die entstehenden Kosten von den ersteren im Verwaltungszwangsverfahren beitreiben zu lassen. (3) Auf Antrag einer Gemeinde kann die Aufsichtsbehörde zulassen, daß als Mahnung im Sinne des § 7 der Verordnung, betreffend das Verwaltungszwangsverfahren weaen Beitrei­ bung von Geldbeträgen, vom 15. November 1899 (Eesetzsamml. 6. 545) auch die öffentliche Mahnung gilt*).

Teil II. Kreis- und provinzialsteuern.

88 91-93. (Aufgehoben Nr. 22.]

durch

das Kreis- und Provinzialabgabengesetz, unten

Schluß-, Ausführungs- und Übergangs­ bestimmungen. (Fristen)

8 94.

Alle in dem gegenwärtigen Gesetze vorgeschriebenen Fritten sind Ausschlußfristen. Die Fristen beginnen, soweit in oiesem Gesetze nichts anderes bestimmt ist, mit der Zustellung des Be­ schlusses oder der sonstigen Anordnung Der Tag der Zustel­ lung wird nicht mitgereHnet. Im übrigen sind für den Beginn und die Berechnung der Fristen die bürgerlichen Prozeßgesetze maßgebend. *) Abs. 3 angesügt durch G. v. 26. August 1921.

20. östliche Kreisordnung (1872).

[20

§ 95.

[Rechnungsjahr)

(1) Das Rechnungsjahr für den Gemeindehaushalt beginnt

mit dem 1. April und schließt mit dem 31. März. (2) Der Beschlußfassung der Gemeindebehörden bleibt über­ lassen an Stelle des Rechnungsjahres eine Periode von zwei oder drei Rechnungsjahren treten zu lassen.

§96. (Betraf Übergangsbestimmungen und ist inzwischen gegenstandslos geworden.^ [AuSsührungsbestimmungen)

§ 97.

Der Minister des Innern und der Finanzminister sind mit der Ausführung dieses Gesetzes beauftragt.

4. Kreise und Provinzen.

20. KreiSorbnung für die Provinzen Ostpreußen, [Grenzmark pofen-) Westpreutzen, Brandenburg, pommem, [Niederschlesien, Overjschlesien und Sachsen.) Vom 13. Dezember 1872 (GS. S. 661) in der Fassung des Gesetzes vom 19. März 1881 (GS. S. 155)-).

Inhalt. Erster Titel. Bon den Grundlagen der Kreisver­ fassung. Erster Abschnitt. Bon dem Umfange und der Be­ grenzung der Kreise §§ 1 biä 5.

So im Sinne der heutigen Verhältnisse. Diese Kreisordnung galt in der früheren Provinz Posen nicht; ihre Geltung in der ganzen Grenz­ mark Posen-Westpreußen beruht auf § 4 des G. v. 21. Juli 1922 (GS. S. 171). 2) Späterhin noch geändert insbesondere durch das Landesverwal­ tungsgesetz (oben Nr. 2), die Ostl. Landgemeindeordnung, das Kreisund Provinzialabgabengesetz (unten Nr. 22), das Kriegsgesetz zur Ver­ einfachung der Verwaltung vom 13. Mai 1918 (GS. S. 53). Wegen der Geltungsdauer des letzteren Gesetzes s. oben vor § 1 LBG.

20]

0. östliche KreiSordnnng (1872).

Zweiter Abschnitt. Von den Kreisangehörigen, ihren . Rechten und Pflichten Dritter Abschnitt. Kreisstatuten und Reglements . Zweiter Titel. Von der Gliederung und den Ämtern des Kreises. Erster Abschnitt. Allgemeine Bestimmungen . . . Zweiter Abschnitt. Von dem Gemeindevorsteherund Schösfenamte, sowie von der Ortsverwaltung der selbstständigen Gutsbezirke ' Dritter Abschnitt. Von der Aufhebung der mit dem Besitze gewisser Grundstücke verbundenen Berech­ tigung und Verpflichtung zur Verwaltung des Schulzenamts Vierter Abschnitt. Von den Amtsbezirken und dem Amte der Amtsvorsteher §§ 46 bis Fünfter Abschnitt. Von dem Amte des LandratS . Sechster Abschnitt.

§§ 22

§§ 36 bis 45.

63, 65 bis 73. §§ 74 biS 77.

Fortgcfallen.

Dritter Titel. Von der Vertretung und Verwaltung des Kreises. Erster Abschnitt. Bon der Zusammensetzung des Kreistages. . .......................................................... §§ Zweiter Abschnitt. Von den Versammlungen und Geschäften des Kreistages . . §§ Dritter Abschnitt. Von dem Kreiöhaushalte . . . §§ Vierter Abschnitt. Von dem Kreisausschusse, seiner Zusammensetzung und seinen Geschäften in der Kreiskommunal- und allgemeinen Landesver­ waltung §§130 bis 134, 136 bis lc Fünfter Abschnitt. Von den Kreiskommissionen . Vierter Titel Von den Stadtkreisen Fünfter Titel. Bon der Oberaufsicht über die Kreis­ verwaltung ............................................................... §§ Sechster Titel. Besondere Bestimmungen sür die Provinz Sachsen § Siebenter Titel. Allgemeine, Übergangs- und AuSsührungsbestimmungen §§183 bis 186,

Erster Titel.

fite 31.

84 bis 114. 115 bis 126 127 bis 129

166 168 175

176 bis 180 181. 199 und 200

Bon den Grundlagen der Kreisverfassung.

Erster Abschnitt. Bon dem Umfange und der Begrenzung der Kreise. lKreis alS Verwaltungsbezirk]

§ 1.

Die Kreise bleiben in ihrer gegenwärtigen Begrenzung als Verwaltungsbezirke bestehen.

20. tftlidjc Üreisordnnng (1872).

[kreis als HommuimlDcrbanb]

[20

§ 2.

Jeder Kreis bildet nach näherer Vorschrift dieses Gesetzes einen Kommunalverband zur Selbstverwaltung seiner Ange­ legenheiten mit den Rechten einer Korporation. Veränderung der Krciögrcnzen und Bildung neuer Kreise.

§3. (1) Die Veränderung bestehender Kreisgrenzen und die Bildung neuer, sowie die Zusammenlegung mehrerer Kreise er­ folgt durch Gesetz. (2) Der Bezirksausschuß beschließt über die infolge einer solchen Veränderung notwendig werdende Auseinandersetzung zwischen den beteiligten Kreisen, vorbehaltlich der den letzteren gegeneinander zusteyenden Klage bei dem Bezirksausschuß). (3) Veränderungen solcher Gemeindeoder Eutsbezirts grenzen, welche zugleich Kreisgrenzen sind, sowie die Vereini­ gung eines Grundstückes, welches bisher einem Gemeinde- oder Gutsbezirke nicht angehörte, mit einem in einem anderen Kreise belegenen Gemeinde- oder GutsbeKrke, ziehen die Veränderung der betreffenden Kreisgrenzen und, wo die Kreis- und Wahl­ bezirksgrenzen zusammenfallen, auch die Veränderung der letz­ teren ohne weiteres nach sich. (4) Eine jede Veränderung der Kreisgrenzen ist durch das Amtsblatt bekanntzumachen.

Ausscheiden der großen Städte aus den Kreisverbänden. §4. sNach diesem § 4 und den entsprechenden Bestimmungen der übrigen Kreisordnungen konnten Städte in den östlichen Provinzen mit 25 000, in Westfalen mit 30 000, im Rheinland mit 40 000 Einwohnern aus dem Kreisverband ausscheidcn und einen Stadtkreis bilden. Alle diese Bestimmungen sind aufgehoben durch § 50 des Einführungsgesetzes zu dem Gesetz über die kommunale Neugliederung des rheinisch-westfälischen Industriegebiets vom 29. Juli 1929, GS. S. 137, unten Nr. 16b.] lPrivatrechtliche Verhältnisses

§ 5.

Privatrechtliche Verhältnisse werden durch Veränderungen der Kreisgrenzen (§§ 3, 4) nicht berührt. 1) S. § 2 ZustG., oben Nr. 3. Früher „Bezirksverwaltungsgericht"; dieses sowie der „Bezirksrat" sind ersetzt durch den Bezirksausschuß (§ 153 LVG.).

20]

20. östliche Kreisordnung (1872).

Zweiter Abschnitt. Bon den Kreisangehörigen, ihren Rechten und Pflichten. (Kreisangehörige] § 6. örige des Kreises sind, [mit Ausnahme der nicht an-

»

rrvisberechtigten Militärpersonen des aktiven Dienststandes^)

alle diejenigen, welche innerhalb des Kreises einen Wohnsitz haben. Rechte der Kreisangehörigen.

§7. Die Kreisangehörigen sind berechtigt: 1. zur Teilnahme an der Verwaltung und Vertretung des Kreises nach näherer Vorschrift dieses Gesetzes, 2. zur Mitbenutzung der öffentlichen Einrichtungen und An­ stalten des Kreises nach Maßgabe der für dieselben be­ stehenden Bestimmungen Pflichten der Kreisangehörigen. a) Verpflichtung zur Annahme von unbesoldeten Ämtern. (Gründe der Ablehnung, Folgen einer ungerechtfertigten Ablehnung.)

8 8.

(1) Die Kreisangehörigen sind verpflichtet, unbesoldete Ämter in der Verwaltung und Vertretung des Kreises zu übernehmen. (2) Zur Ablehnung oder zur früheren Niederlegung solcher Ämter berechtigen folgende Entschuldigungsgründe: 1. anhaltende Krankheit; 2. Geschäfte, die eine häufige oder lange dauernde Abwesen­ heit vom Wohnorte mit sich bringen; 3. bas Alter von 60 Zähren; 4. die Verwaltung eines unmittelbaren Staatsamtes; 5. sonstige besondere Verhältnisse, welche nach dem Ermessen ' des Kreistages eine gültige Entschuldigung begründen. (3) Beträgt die Amtsdauer mehr als drei Jahre, so kann das Amt nach Ablauf von drei Jahren niedergelegt werden. (4) Wer ein unbesoldetes Amt in der Verwaltung oder Ver­ tretung des Kreises während der vorgeschriebenen regelmäßigen Amtsdauer versehen hat, kann die Übernahme desselben ooer eines gleichartigen für die nächsten drei Jahre ableynen. (5) Wer sich ohne einen der vorbezeichneten Entschuldigungs­ gründe weigert, ein unbesoldetes Amt in der Verwaltung oder i) S. wegen dieser die Anm. 1 zu § 7 der OstlLGO. (oben Nr. 13).

20. östliche KreiSordnung (1872).

[20

Vertretung des Kreises zu übernehmen oder das übernommene Amt drei Zahre hindurch zu versehen, sowie derjenige, welcher sich der Verwaltung solcher Ämter trotz vorhergegangener Auf­ forderung seitens des Kreisausschusses tatsächlich entziebt, kann durch Beschluß des Kreistages für einen Zeitraum von drei bis sechs Jahren oer Ausübung seines Rechtes auf Teilnahme an der Vertretung und Verwaltung des Kreises für verlustig erklärt und um ein Achtel bis ein Viertel stärker, als die übrigen Kreisangehörigen, zu den Kreisabaaben herangezogen werden. (6) Gegen den Beschluß des Kreistages findet innerhalb zwei Wochen die Klage bei dem Bezirksausschüsse statt. b) Beitragspflichten zu den Kreisabgaben.

88 9-18. ^Ersetzt durch das Kreis- und Provinzialabgabengesetz, unten Nr. 22.]

[Beschwerden aus § 7 Ziffer 2]

§ 19.

(1) Auf Beschwerden und Einsprüche, betreffend: 1. das Recht zur Mitbenutzung der öffentlichen Einrichtungen und Anstalten des Kreises, sZiff. 2 ersetzt wie §§ 9—18.]

beschließt der Kreisausschuß. sAbs. 2 ersetzt wie §§ 9—18.] (3) Gegen den Beschluß des Kreisausschusses findet inner­

halb zwei Wochen die Klage bei dem Bezirksausschuß

statt.

(Satz 2 ersetzt wie §§ 9—18.]

(4) Die Beschwerden und die Einsprüche sowie die Klage haben keine aufschiebende Wirkung.

Dritter Abschnitt.

Kreisstatuten und Reglements.

§20. (1) Jeder Kreis ist befugt: 1. zum Erlasse besonderer statutarischer Anordnungen über solche Angelegenheiten des Kreises, hinsichtlich deren das gegenwärtige Gesetz Verschiedenheiten gestattet [(§§ 104 Absatz 2, 108 Absatz 1 und 109)]1), oder das Gesetz auf statu­ tarische Regelung verweist, sowie über solche Angelegen­ heiten, deren Gegenstand nicht durch Gesetz geregelt ist,' 2. zum Erlasse von Reglements über besondere Einrichtun­ gen des Kreises. *) Die §§ 104 und 108 sind infolge Neuregelung des Kreislagswahl­ rechts in Fortfall gekommen. Bon § 109 gilt nur noch der zweite Satz (siehe daselbst). Bühler, Berwaltungsgesetze.

20. Östliche Kreiöordnung (1872).

20]

(2) Die Kreisstatuten und Reglements sind durch das Kreis­ blatt und, wo ein solches nicht besteht, durch das Amtsblatt aus Kosten des Kreises bekanntzumachen.

Zweiter Titel. Von der Gliederung und den Ämtern des Kreises. E r st e r Abschnitt. Allgemeine Bestimmungen. Gliederung des Kreises.

§21. (1) Die Kreise, mit Ausnahme der Stadtkreise (§§ 4 und 169), zerfallen in Amtsbezirke, beziehungsweise in Stadt- und Amtsbezirke. (2) Die Amtsbezirke bestehen aus einer oder mehreren Land­ gemeinden oder aus einem oder mehreren Eutsbezirken, be­ ziehungsweise aus Landgemeinden und Gutsbezirken. (3) An der Spitze der Verwaltung des Kreises steht der Landrat, an der vpitze der Verwaltung des Amtsbezirks der Amtsvorsteher, an der Spitze der Verwaltung der Gemeinde der Gemeindevorsteher. Für den Bereich eines selbständigen Guts­ bezirks fühlt der Eutsvorsteher die dem Gemeindevorsteher ob­ liegende Verwaltung. (Der zweite und dritte Abschnitt, §§ 22—45, sind durch § 146 der Östlichen Landgemeindeordnung, oben Nr. 13, aufgehoben worden.)

Vierter Abschnitt. Von den Amtsbezirken und dem Amte der Amtsvorsteher. Aushebung der gutsherrlichen Polizeiverwaltung. lPolizeigewalt) § 46. (1) Die Polizei wird im Namen des IKönigs) Volkes aus­ geübt. (2) Die gutsherrliche Polizeigewalt ist aufgehoben. Amtsbezirke.

§47. Behufs Verwaltung der Polizei und Wahrnehmung anderer öffentlicher Angelegenheiten wird jeder Kreis, mit Ausschluß der Städte, in Amtsbezirke geteilt. Bildung der Amtsbezirke.

lGrundsätze dafür)

Für die Grundsätze:

Bildung

§ 48. der Amtsbezirke

gelten

folgende

20. östliche NreiSordnung (1872).

[20

1. Jeder Amtsbezirk soll tunlichst ein räumlich zusammen­ hängendes und abgerundetes Flächengebiet umfassen, dessen Größe und Einwohnerzahl dergestalt zu bemessen ist, daß einerseits die Erfüllung der durch das Gesetz der Amtsverwaltung auferlegten Aufgaben gesichert, anderer­ seits die Unmittelbarkeit und die ehrenamtliche Aus­ übung der örtlichen Verwaltung nicht erschwert wird. 2. Gemeinden, welche eine den Bestimmungen des Gesetzes entsprechende Amtsverwaltung aus eigenen Kräften herzustellen vermögen, sind, wenn nicht die örtliche Lage die Zuschlagung anderer Gemeinde- oder Gutsbezirke not­ wendig macht, auf ihren Antrag zu einem Amtsbezirke zu erklären. 3. Gutsbezirke von abgesonderter Lage, welche ohne wesent­ liche Unterbrechung ein räumlich zusammenhängendes Ge­ biet von erheblichem Flächeninhalte umfassen, können auf Antrag ohne Rücksicht aus ihre Einwohnerzahl unter den übrigen Voraussetzungen der Nummern 1 und 2 zu Amts­ bezirken erklärt werden. 4. Alle übrigen Gemeinden und Gutsbezirke werden zu Amtsbezirken vereinigt. Insbesondere sollen Gemeinden und Gutsbezirke, welche eine örtlich verbundene Lage haben, zu einem und demselben Amtsbezirke gehören. Bei Abgrenzung der zusammengesetzten Amtsbezirke ist möglichst darauf zu achten, daß oie innerhalb der Kreise bestehenden Verbände (Kirchspiele, Schulverbände, Wegebauvezirke usw.) nicht zerrissen werden. [Verfahren)

§ 49.

(1) Die Bildung der Amtsbezirke, sowie die etwa erforder­ liche Abänderung derselben erfolgt nach Anhörung der Betei­ ligten, auf Vorschlag oes nach diesem Gesetze gewählten Kreis­ tages, durch den Minister des Innern. (2) Die Revision und endgültige Feststellung, sowie jede spätere Abänderung der Amtsbezirke erfolgt durch den Minister oes Innern im Einvernehmen mit dem Bezirksausschuß nach vorheriger Anhörung der Beteiligten und des Kreistages. (3) Die endgültige Feststellung der Amtsbezirke darf erst nach Ablauf einer öffentlich bekannt zu machenden angemessenen Frist stattfinden. (4) Veränderungen solcher Gemeinde- oder Eutsbezirksgrenzen, welche zugleich Amtsbezirksgrenzen sind, ziehen die Ver­ änderung der letzteren ohne weiteres nach sich.

20]

20. Sstliche Rrtiäorbming (1872).

(Bereinig. t>. Stadt- u. Landgem.]

§ 49a.

(1) Dem Minister des Innern steht die Befugnis zu, im Einvernehmen mit dem Bezirksausschuß ländliche Eemeindeund Eutsbezirke, welche innerhalb der Feldmark einer zu einem Landkreise gehörigen Stadt belegen sind oder unmittelbar an dieselbe angrenzen, bezüglich der Verwaltung der Polizei nach Anhörung der Beteiligten und des Kreistages mit dem Bezirke der Stadt zu vereinigen, sofern dies im öffent­ lichen Jnteresie notwendig ist. (2) In Ermangelung einer Einigung unter den Beteiligten wird der Beitrag der betreffenden Landgemeinde, beziehungs­ weise des betreffenden Eutsbezirkes zu den Kosten der städti­ schen Polizeiverwaltung von dem Bezirksausschuß festgesetzt. (3) Der Minister des Innern kann im Einvernehmen mit dem Bezirksausschuß') in den Fällen des ersten Absatzes gleichdie Ausscheidung der betreffenden Landgemeinden und bezirke aus dem Amtsbezirke, welchem sie bisher angebörten, aussprechen, über die hierdurch notwendig werdende Auseinandersetzung zwischen den Beteiligten beschließt der Kreisausschuß. Gegen den Beschluß finoet innerhalb zwei Wochen der Antrag auf mündliche Verhandlung im Verwal­ tungsstreitverfahren statt.

S

Organe der Amtsverwaltung.

§50. Die Organe der Amtsverwaltung in den Amtsbezirken sind nach näherer Vorschrift dieses Gesetzes der Amtsvorsteher und der Amtsausschuß. Amtsausschuß. lZusammensetzung)

§51.

Für die Bildung des Amtsausschusses gelten bis zum Erlaß der Landgemeindeordnung-) folgende Bestimmungen: 1. In den zusammengesetzten Amtsbezirken besteht der Amts­ ausschuß aus Vertretern sämtlicher zum Amtsbezirke ge­ hörigen Gemeinden und selbständigen Eutsbezirke. Jede Gemeinde und jeder Eutsbezirk ist wenigstens ourch einen Abgeordneten zu vertreten. Die Vertretung der Gemeinden erfolgt zunächst durch den Gemeindevorsteher, sodann durch die Schöffen und, *) Die Fassung ergibt sich auS § 6 ZustG., oben Nr. 3. 3) Durch § 146 der OstlLGO. ist § 51 der KrO. ausdrücklich auf­ rechterhalten worden.

20. Östliche Kreisordnuna (1872).

[20

wenn auch deren Zahl nicht ausreicht, durch andere von der Gemeinde au wählende Mitglieder. Die Zahl der von jeder Gemeinde zu entsendenden Vertreter, sowie der jedem Gutsbezirk einzuräumenden Stimmen wird mit Rücksicht auf die Steuerleistungen und die Einwohnerzahl durch ein nach Anhörung der Betei­ ligten aus den Vorschlag des Kreisausschusses von dem Kreistage zu erlassendes Statut geregelt. Beschwerden gegen dieses Statut unterliegen der endgültigen Beschlutzfasiung des Bezirksausschusses'). Vertreter einer Gemeinde oder eines Eutsbezirkes bei dem Amtsausschusse können nur Personen sein, welche die im § 90 unter a und b bezeichneten Eigenschaften besitzen. 2. In denjenigen Amtsbezirken, welche nur aus einer Ge­ meinde bestehen, nimmt die Gemeindeversammlung be­ ziehungsweise Gemeindevertretung die Geschäfte des Amtsausschusses wahr. 3. In denjenigen Amtsbezirken, welche nur aus einem Guts­ bezirke bestehen, fällt der Amtsausschutz weg. [WahLprüfungöverfahren, Legitimationsprüfung)

§ 51a.

(1) Gegen das zum Zwecke der Wahl eines Abgeordneten zum Amtsausschusse (§ 51 Rr. 1) stattgehabte Wahlverfahren kann jedes Mitglied der Wahlversammlung innerhalb zwei Wochen Einspruch bei dem Vorsitzenden des Wahlvorstandes er­ heben. Die Beschlußfassung über den Einspruch, über welchen die Beteiligten vorab zu hören sind, steht dem Amtsausschusse zu. . (2) Im übrigen prüft der Amtsausschutz die Legitimation seiner Mitglieder von Amts wegen und beschließt darüber. (3) Jede Wahl verliert dauernd oder vorübergehend ihre Wirkung, wenn sich ergibt, datz die für die Wählbarkeit vorge­ schriebenen Bedingungen nicht vorhanden gewesen sind, oder wenn diese Bedingungen gänzlich oder zeitweise aufhören. Das gleiche gilt in bezug auf die unmittelbar auf dem Gesetze be­ ruhende Mitgliedschaft oes Amtsausschusses. Der Amtsaus­ schutz hat darüber zu beschließen, ob einer der gedachten Fälle eingetreten ist. (4) Gegen die nach Maßgabe der vorstehenden Bestimmungen ten Beschlüsse des Amtsausschusses findet innerhalb zwei en die Klage bei dem Kreisausschusse statt. Dieselbe steht

«

1) S. Anm. 1 zu § 3.

20]

20. östliche KreiSordnung (1872).

auch dem Amtsvorsteher zu. Die Klage hat keine ausschiebende Wirkung,- jedoch dürfen Ersatzwahlen vor rechtskräftiger Ent­ scheidung nicht vorgenommen werden. (5) Für das Streitverfahren kann der Amtsausschuß einen besonderen Vertreter bestellen.

(Zuständigkeit des AmtSauSschusteS] § 52. Zu den Befugnissen des Amtsausschusses gehört: 1. die Kontrolle sämtlicher und die Bewilligung derjenigen Ausgaben der Amtsverwaltung, welche vom Amtsbezirke aufgebracht werden (§§ 69 und 70 Absatz 4); 2. die Beschlußfassung über diejenigen Polrzeiverordnungen, welche der Amtsvorsteher unter Mitwirkung des Amts­ ausschusses zu erlassen befugt ist (§ 62); 3. die Äußerung über Abänderung des Amtsbezirkes (§ 49); 4. die Bestellung, sowie die Wahl besonderer Kommissionen oder Kommissorien zur Vorbereitung und Ausführung von Beschlüssen des Amtsausschusses; 5. die Beschlußfassung über sonstige Angelegenheiten, welche der Amtsvorsteher aus dem Kreise seiner Amtsbefugnisse dem Amtsausschusse zu diesem Zwecke unterbreitet.

§53. sAufgchoben durch § 146 OstlLÄO., oben Nr. 13.]

(Sitzungen dcS Amtsausschusseö)

§54.

(1) Der Amtsvorsteher beruft den Amtsausschuß und führt den Vorsitz mit vollem Stimmrechte. Die Sitzungen des Amts­ ausschusses sind öffentlich. Für einzelne Gegenstände kann durch einen in geheimer Sitzung zu fassenden Beschluß die Öffentlich­ keit ausgeschlossen werden. (2) Der Amtsausschuß kann nur beschließen, wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder anwesend ist. Erne Ausnahme hier­ von findet statt, wenn die Mitglieder, zum zweiten Male zur Verhandlung über denselben Gegenstand berufen, dennoch nicht in beschlußfähiger Anzahl erschienen sind. Bei der zweiten Be­ rufung muß auf diese Bestimmung ausdrücklich hingewiesen werden. (3) Die Beschlüsse des Amtsausschusses werden nach Mehrheit der Stimmen gefaßt. Bei Stimmengleichheit gilt der Antrag als abgelehnt.

(Beanstandung v. Beschlüssen)

§54».

(1) Beschlüsse des Amtsausschusses, welche dessen Befugnisse überschreiten oder die Gesetze verletzen, hat der Amtsvorsteher,

20. östliche Üreiöordnung (1872).

[20

entstehendenfalls aus Anweisung der Aufsichtsbehörde, unter Angabe der Gründe, mit ausschieoender Wirkung zu beanstanden. (2) Gegen die Verfügung des Amtsvorstehers steht dem Amtsausschusse innerhalb einer Frist von zwei Wochen die Klage Lei dem Kreisausschusse zu. Zur Wahrnehmung seiner Rechte im Derwaltungsstreitversahren kann der Amtsausschuß einen be­ sonderen Vertreter wählen.

[AmtSverband als jurift. Person)

§ 55.

(1) Für die nach näherer Vorschrift dieses Gesetzes den Ge­ meinden und Eutsbezirken gemeinsamen Angelegenheiten stehen dem Amtsverbande die Rechte einer Korporation zu. Die Kor­ poration wird nach außen durch den Amtsvorsteher vertreten. (2) Urkunden, welche das Amt verpflichten sollen, sind von dem Amtsvorsteher und mindestens einem Mitglieds des Amts­ ausschusses unter Anführung des betreffenden Beschlusses des Amtsausschusses zu vollziehen.

[VknehmigungSpsl.RechtsNtschäftc) * § 55a. (1) Beschlüsse der Amtsverbände, betreffend die V e r ä u ß e rung von Grundstücken oder Immobiliarreckten, oder die Aufnahme von Anleihen, durch welche der Amts­ band mit einem Schuldenbestande belastet oder der bereits vor­ handene Schuldenbestand vergrößert werden würde, bedürfen der Bestätigung des Kreisausschusses. Ohne diese Genehmigung sind die bezeichneten Rechtsgeschäfte nichtig. (2) Bis zum Erlas; einer Landgemeindeordnung*) ist zur Auf­ nahme von Anleihen durch den Amtsausschuß die Zustimmung sämtlicher zu dem Amtsbezirke gehörigen Gemeinden und Guts­ bezirke notwendig.

[KreisauSschutz als Anfsichtsbeh.)

§ 55b.

(1) Der Kreisausschuß beschließt an Stelle der Aufsichts­ behörde: 1. über die Art der gerichtlichen Zwangsvollstreckung wegen Eeldforderungen gegen Amtsverbände (g 15 zu 4 oes Einführungsgesetzes zur Deutschen Zivilprozeßordnung vom 30. Januar 1877, Reichsgesetzbl. 6. 244); 2. über die Feststellung und oen Ersatz der bei Kassen und anderen Verwaltungen der Amtsverbände vorkommenden Defekte nach Maßgabe der Verordnung vom 24. Januar 1844 (Eesetzsamml. S. 52);

x) Auch § 55a Abs. 2 ist durch $ 146 der OstlLGO. ausdrücklich aufrcchterhalten worden.

20]

20. Östliche Kreisordnung (1872).

3. über die verweigerte Abnahme oder Entlastung von Rech­ nungen der rechnungsführenden Beamten. (2) Der Beschluß zu 2 und 3 ist vorbehaltlich des ordent­ lichen Rechtsweges endgültig.

(Aufsichtsbehörde]

§ 55c.

(1) Die Aufsicht des Staates über die Verwaltung der An­ gelegenheiten der Amtsverbände wird unbeschadet der vorstehen­ den Bestimmungen in erster Instanz von dem Landrat als Vor­ sitzenden des Kreisausschusses, in höherer und letzter Instanz von dem Regierungspräsidenten geübt*). (2) Beschwerden bei den Aufsichtsbehörden in Angeleaenheiten der Amtsverbände sind in allen Instanzen innerhalb zwei Wochen anzubringen.

Amtsvorsteher. a) Berufung desselben.

§56. sAbs. 1 bis Abs. 4 Satz 1 ersetzt burch § 11 des Gesetzes, bett, die vorläufige Regelung verschiedener Punkte des GemeindeverfassungSrcchts vom 18. Juli 1919, GS. S. 118. Danach wird der Amtsvorsteher jetzt vom Kreistag gewählt und vom Oberpräsidenten bestätigt.) (4) sSatz 2] Der Amtsvorsteher wird von dem Landrate ver­ eidigt.

(5) In denjenigen Amtsbezirken, welche nur aus einer Ge­ meinde oder einem selbständigen Gutsbezirke bestehen, ist der Gemeinde- beziehungsweise Eutsvorsteher zugleich Amtsvor­ steher.

b) Stellvertretung desselben.

§57. (1) Für jeden Amtsbezirk wird nach den für die Wahl') des Amtsvorstehers geltenden Bestimmungen (§ 56) ein Stellver­ treter des letzteren gewählt-). (2) Ist der Amtsvorsteher an der Wahrnehmung seiner Amtsgeschäfte verhindert, so hat der Stellvertreter dieselben zu übernehmen; der Landrat ist hiervon zu benachrichtigen, sobald die Verhinderung länger als drei Tage dauert. (3) Erledigt sich das Amt des Amtsvorstehers, so tritt bis zur Wahl-) seines Nachfolgers der Stellvertreter für ihn ein. (4) Findet sich im Amtsbezirke keine zur Wahl-) als Stell­ vertreter geeignete Person, so hat der Kreisausschutz die Stell-

9 Abs. 1 i. d. F. des § 5 ZustG., oben Nr. 3. -) S. zu § 56 Abs. 1—4 Satz 1.

20. östliche KreiSordnung (1872).

[20

Vertretung einstweilen einem der benachbarten Amtsvorsteher, oder, nach vorherigem Einvernehmen mit der städtischen Ver­ tretung, dem Bürgermeister einer benachbarten Stadt zu über­ tragen. Eine gleiche Anordnung erfolgt für den Fall des gleich­ zeitigen Abganges oder der gleichzeitigen Behinderung des Amtsvorstehers und seines Stellvertreters. (5) Ist der Amtsvorsteher bei der Erledigung eines Amts­ geschäftes persönlich beteiligt, so hat der Kreisausschuß den Stellvertreter oder einen der benachbarten Amtsvorsteher, be­ ziehungsweise Bürgermeister, damit zu betrauen. (6) In den Gemeinden, welche einen eigenen Amtsbezirk bilden, vertritt nach der Bestimmung des Kreisausschusses einer der Schöffen den Gemeindevorsteher in seiner Eigenschaft als Amtsvorsteher. (7) In den Fällen der Absätze 5 und 6 ist der Beschluß des Kreisausschusses endgültig.

Bestellung kommissarischer Amtsvorsteher. §58. (1) Ist nach der Erklärung des Kreistages für einen Amts­ bezirk weder eine zum Amtsvorsteher geeignete Person zu er­ mitteln, noch die zeitweilige Wahrnehmung der Amtsverwaltung durch den Vorsteher eines benachbarten Amtsbezirkes oder durch den Bürgermeister einer benachbarten Stadt tunlich, so bestellt der Oberpräsident auf Vorschlag des Kreisausschusses einen kommissarischen Amtsvorsteher. (2) Für die Übernahme der Verwaltung eines benachbarten Amtsbezirkes durch einen Bürgermeister ist die Zustimmung der städtischen Vertretung erforderlich. (3) Sofern die Verhältnisse es gestatten, kann ein kommissa­ rischer Amtsvorsteher mit der Verwaltung zweier oder mehrerer Amtsbezirke gleichzeitig beauftragt werden.

Obliegenheiten des Amisvorstehers. [alS Ortö-olizeibehördk)

§ 59,

(1) Der Amtsvorsteher verwaltet: 1. die Polizei, insbesondere die Sicherheits-, Ordnungs-, Sitten-, Eesundheits-, Gesinde-, Armen-, Wege-, Wasser-, Feld-, Forst-, Fischerei-, Gewerbe-, Bau-, Feuerpolizei usw., soweit sie nicht durch besondere Gesetze dem Land­ rate oder anderen Beamten üoertragen ist' 2. die sonstigen öffentlichen Angelegenheiten des Amtes nach näherer Vorschrift dieses Gesetzes.

20]

20. östliche Areisordnung (1872).

(2) Unter der nach Ziffer 1 dem Amtsvorsteher übertragenen Wasserpolizei ist die Strom-, Schisfahrts- und yafenpolizei nicht begriffen. lRecht u. Pflicht z. Sinschreiten]

§ 60.

Der Amtsvorsteher hat das Recht und die Pflicht, da, wo die Erhaltung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit sein Einschreiten notwendig macht, das Erforderliche anzuordnen und ausführen zu lassen. lZuständigkeitöstreitigkeiten)

§ 61.

(1) Der Kreisausschuß bestimmt endgültig denjenigen Amts­ vorsteher^ beziehungsweise Bürgermeister, welcher die in bezug auf die öffentlichen Wege notwendigen Anordnungen zu treffen hat. wenn die Beteiligten verschiedenen Amtsbezirken, be­ ziehungsweise Amts- und Stadtbezirken angehören. (2) Diese Bestimmung findet gleichmäßig Anwendung auf die in Vorflut- und anderen polizeilichen Angelegenheiten zu treffenden Anordnungen. lPolizeistrafrecht]

§ 62.

(1) Das durch die §§ 5 ff. des Gesetzes vom 11. März 1850 (Gesetzsamml. S. 265) der Ortspolizeibehörde für den Umfang einer Gemeinde erteilte Recht zum Erlaß von Polizeistrafver­ ordnungen wird auf den Amtsvorsteher mit der Maßgabe über­ tragen, daß er nicht nur für den Umfang einer einzelnen Ge­ meinde oder eines einzelnen Eutsbezirks, sondern auch für den Umfang mehrerer Gemeinden oder Eutsbezirke und für den Umfang des ganzen Amtsbezirks unter Zustimmung des Amtsausschufses, auch im Falle des § 7 des Gesetzes, derartige Ver­ ordnungen zu erlassen befugt ist. (2) Versagt der Amtsausschutz die Zustimmung, so kann die­ selbe auf Antrag des Amtsvorstehers durch Beschluß des Kreis­ ausschusses ergänzt werden. Der Beschluß ist endgültig. lPollzeistrafversügungkn]

§63.

Der Amtsvorsteher hat in den seiner Verwaltung anheimallenden Angelegenheiten das Recht der vorläufigen Straffestetzung nach den Vorschriften des Gesetzes vom 23. April 1883 Gesetzsamml. S. 65). [§ 64 fortgefallen.]

20. Östliche KreiSordnnng (1872).

[20

Dienstliche Stellung der Gemeinde- und Gutsvorstande, sowie der Landjägers zu dem Amtsvorsteher.

§65. Die Gemeinde- und Gutsvorsteher sind verbunden, den Anweisungen und Aufträgen des Amtsvorstehers, welche derselbe in Gemäßheit seiner gesetzlichen Befugnisse in Dienstangeleyenheiten an sie erläßt, nachzukommen, und können hierzu von rhm unter Anwendung der den Ortspolizeibehörden nach § 132 des Gesetzes über allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 (Gesetzsamml. S. 195) zustehenden Zwangsmittel, mit Aus­ nahme der Haftstrafe, angehalten werden. Gin Ordnungsstraf­ recht steht dem Amtsvorsteher gegen die Gemeinde- und Guts­ vorsteher nicht zu. (2) Die Landjägers haben den Requisitionen des Amtsvor­ stehers in polizeilichen Angelegenheiten zu genügen. Der Dienst­ aufsicht des Amtsvorstehers unterliegen sie nicht. (1)

Dienstliche Stellung des Amtsvorstehers zu dem Landrate und dem Kreisausschutz. [Dienstpflichten^

§ 66.

Der Landrat und der Kreisausschuß sind befugt, für die Geschäfte der allgemeinen Landes- uno Kreiskommunalverwal­ tung, sowie bei Beaufsichtigung der Kommunalangelegenheiten der zu dem Amtsbezirke gehörigen Gemeinden und Gutsbezirke die vermittelnde und begutachtende Tätigkeit des Amtsvor­ stehers in Anspruch zu nehmen. lAusficht,

§ 67.

Der Kreisausschuß beschließt über Beschwerden gegen Verfügungen der Amtsvorsteher in nicht polizeilichen Angelegen­ heiten. (2) Die Aufsicht über die Geschäftsführung der Amtsvor­ steher führt der Landrat als Vorsitzender des Kreisausschusses. (1)

Dienstvergehen des Amtsvorstehers.

§68. Bezüglich der Dienstvergehen der Amtsvorsteher finden die Bestimmungen des Gesetzes vom 21. Juli 1852, betreffend die Dienstvergehen der nichtrichterlicken Beamten (Gesetzsamml. S. 465), mit folgenden Maßgaben Anwendung: *) Statt früher „Gendarm", Erlaß vom 26. Juni 1920 (MBliB. S. 292).

20. Lstliche Kreisordnung (1872).

20]

1. Über die Verhängung von Ordnungsstrafen gegen die Amtsvorsteher beschließt im Umfange oes den Provinzial­ behörden beigelegten Ordnungsstrafrechtes der Kreisausfchutz und im Umfange des dem Minister beigelegten Ordnungsstrafrechtes oer Regierungspräsident. Dem Landrate steht das Recht zur Verhängung von Ordnungs­ strafen gegen die Amtsvorsteher nicht zu. Gegen den Beschluß des Kreisausschusses findet inner­ halb zwei Wochen die Beschwerde an den Bezirksaus­ schuß), gegen die Strafverfügungen des Regierungsprä­ sidenten innerhalb gleicher Frist die Beschwerde an den Oberpräsidenten statt. Gegen den auf die Beschwerde ergehenden Beschluß des Bezirksausschusses*) beziehungsweise des Oberpräsi­ denten findet innerhalb zwei Wochen die Klage bei dem Oberverwaltungsgerichte statt. 2. An dem auf Entfernung aus dem Amte gerichteten Ver­ fahren wird die Einleitung des Disziplinarverfahrens von dem Landrate oder von dem Regierungspräsidenten ver­ fügt und von demselben der Untersuchunaskommissar, so­ wie der Vertreter der Staatsanwaltschaft für die erste Instanz ernannt. Die entscheidende Behörde erster Instanz ist der Kreisausschuß, die entscheidende Behörde zweiter Instanz das Oberverwaltungsgericht. Der Vertreter der Staatsan­ waltschaft bei dem Oberverwaltungsgerichte wird von dem Minister des Innern ernannt. Kosten der Amtsverwaltung. (AmtSunkostenentschädigung)

§ 69.

(1) Der Amtsvorsteher ist berechtigt, eine Amtsunkostenentschädigung zu beanspruchen, welche nach Anhörung der Be­ teiligten von dem Kreisausschusie als ein Pauschquantum fest­ gesetzt wird. (2) In gleicher Weise erfolgt die Festsetzung der einem kommissarischen Ämtsvorsteher zu gewährenden Remuneration. (Kostentragung)

§ 70.

sAbs. 1 bis 3 überholt und ersetzt durch §§ 5, 10, 19 des Preutz. Ausführungsgesetzes zum Finanzausgleichsgesetz — Neufassung vom 5. Mai 1926, GS. S. 137.] *) S. Anm. 1 zu § 3.

20. Östliche KreiSordnung (1872).

[20

(4) Soweit die Kosten der Amtsverwaltung durch die vom Staate überwiesenen Beträge ihre Deckung nicht finden, trägt dieselbe das Amt. (5) In den zusammengesetzten Amtsbezirken gilt für die Auf­ bringung der Verwaltunyskosten in Ermangelung einer Verein­ barung unter den Beteiligten der nach Maßgabe dieses Gesetzes in dem Kreise für die Kreisabgaben festgestellte Maßstab.

[Verfahren) § 70 a. (1) Auf Beschwerden und Einsprüche, betreffend: 1. das Recht zur Mitbenutzung der öffentlichen Einrichtungen und Anstalten des Amtsbezirkes, 2. die Heranziehung oder die Veranlagung zu den Kosten der Amtsverwaltung oder zu anderen Amtsabgaben, beschließt — in zusammengesetzten Amtsbezirken — der Amts­ ausschuß. (2) Beschwerden und Einsprüche der zu 2 gedachten Art sind innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Bekanntmachung der Abgabebeiträge bei dem Amtsvorsteher anzubringen. ISatz 2

überholt.) (3) Gegen den Beschluß des Amtsausschusses findet inner­ halb zwei Wochen die Klage bei dem Kreisausschusse statt. Hier­ bei finden die Vorschriften des § 19 Absatz 3 Satz 2 Anwendung. (4) Die Beschwerden und die Einsprüche, sowie die Klage, haben keine aufschiebende Wirkung.

[Kosten in Einzelamtsbezirken)

§ 71.

In denjenigen Gemeinden und Gutsbezirken, welche einen Amtsbezirk für sich bilden, werden die Kosten der Amtsverwal­ tung gleich den übrigen Kommunalbedürfnissen aufgebracht. Solche Amtsbezirke haben keinen Anspruch auf die vom Staate gewährten Fonds.

[Zwangsetat)

§ 72.

(1) Unterläßt oder verweigert ein Amtsverband die ihm gesetzlich obliegenden, von der Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Zuständigkeit festgestellten Leistungen auf den Haushalts­ etat au bringen oder außerordentlich zu genehmigen, so verfügt der Landrat unter Anführung der Gründe die Eintragung in den Etat, beziehungsweise die Feststellung der außerordentlichen Ausgabe. (2) Geyen die Verfügung des Landrats steht dem Amtsverbande innerhalb zwei Wochen die Klage bei dem Bezirks­ ausschüsse zu. Zur Ausführung der Rechte des Amtsverbandes kann der Amtsausschuß einen besonderen Vertreter bestellen.

20]

20. östliche Kreisordnung (1872). Einnahmen auS Geldbußen und Konfiskaten. §73.

Die von den Amtsvorstehern in Gemäßheit des Gesetzes vom 23. April 1883 (Eesetzsamml. S. 65) endgültig festgesetzten Geldbußen und Konfrskate, sowie die von denselben festgesetzten Erekutivgeldbußen werden — soweit nicht in Ansehung gewisser lloertretungen besonders bestimmt ist, wohin die durch dieseloen verwirkten Geldbußen oder Konfiskate fließen sollen — zur Amtskasse, beziehungsweise zu den Kassen der einen eigenen Amtsbezirk bildenden Gemeinden und Eutsbezirke vereinnahmt und zur Deckung der Kosten der Amtsverwaltung mitverwendet.

Fünfter Abschnitt. Don dem Amte des Landrats.

Landrat. a) Ernennung desselben. 74'). (1) Der Landrat wird vom sKöniges Staatsministerium er­ nannt. (2) Der Kreistag ist befugt, für die Besetzung des erledigten Landratsamtes geeignete Personen in Vorschlag zu bringen.

b) Stellvertretung desselben. §75. (1) Behufs Stellvertretung des Landrates werden von dem Kreistage aus der Zahl der Kreisangehörigen zwei Kreis­ deputierte auf je sechs Jahre gewählt. Dieseloen bedürfen der Bestätigung des Oberpräsidenten. Sie sind von dem Landrate zu Vereidigen. (2) Für kürzere Verhinderungsfälle kann der Kreissekretär als Stellvertreter eintreten.

c) Amtliche Stellung desselben. §76. Der Landrat führt als Organ der Staatsregierung die Ge­ schäfte der allgemeinen Landesverwaltung im Kreise und leitet als Vorsitzender des Kreistages und des Kreisausschusses die Kommunalverwaltung des Kreises.

*) Die Fassung des § 74 beruht auf § 12 der BO. v. 18. Februar 1919 (GS. S. 23).

20. östliche Kreisordnung (1872).

[20

d) Rechte und Pflichten desselben. §77. (1) Soweit die Rechte und Pflichten des üandrates nicht durch das gegenwärtige Gesetz abgeändert sind, behält es bei den darüber bestehenden Vorschriften auch ferner sein Bewenden. (2) Demgemäß hat der Landrat auch ferner die gesamte Polizeiverwaltung im Kreise und in dessen einzelnen Amts­ bezirken, Gemeinden und Gutsbezirken zu überwachen.

[§ 78 fortgefallen.) Sechfter Abschnitt. Von dem Zwangsverfahren der Behörden des Kreises. [§§ 79—83 fortgefallen.)

Dritter Titel. Bon der Vertretung und Verwaltung des Kreises. E r st e r A b s ch n i t t. Von der Zusammensetzung des Kreistages. Zahl der Mitglieder des Kreistages. §§ 84—108.

(Ersetzt durch §§ 33 ff. des Wahlgesetzes für die Provinziallandtage und Kreistage vom 7. Oktober 1925 (GS. S. 123).) Einführung der Kreistagsabgeordneten. §109. (Satz 1 ersetzt wie §§ 84 bis 108; Satz 2:] Die Einführung der Gewählten erfolgt durch den Vorsitzenden des Kreisausschusses.

[§§ 110—113 ersetzt wie §§ 84-108.)

[Entschädigung)

§ 114.

(Ersetzt durch § 8 der BO., betr. die Zusammensetzung der Kreis­ tage und einige weitere Änderungen der Kreisordnungen, vom 18. Fe­ bruar 1919 (GS. S. 23):) (1) Durch Kreistagsbeschlutz kann für die Mitglieder des Kreistags und des Kreisausschusses eine angemessene Ent­ schädigung für die Teilnahme an Sitzungen dieser Körper­ schaften festgesetzt werden- im allgemeinen ist dann aber nur eine Vergütung festzusetzen, welche den Reisekosten und dem entgangenen Arbeitsverdienst entspricht.

20]

20. Östliche KreiSordnung (1872). (2) Hinsichtlich der Vergütungen für die Mitglieder der Kreiskommissionen bewendet es bei den bestehenden Be­ stimmungen.

Zweiter Abschnitt. Bon den Versammlungen und Geschäften des Kreistages. Geschäfte des Kreistages.

a) Im allgemeinen.

§115. Der Kreistag ist berufen, den Kreiskommunalverband zu vertreten, über die Kreisanaelegenheiten nach näherer Vor­ schrift dieses Gesetzes, sowie über diejenigen Gegenstände zu be­ raten und zu beschließen, welche ihm zu diesem Behufe durch Gesetze oder lKöniglichej Verordnungen des Staatsministeriums') überwiesen sind oder in Zukunft durch Gesetz überwiesen werden.

b) Im besonderen.

§116. Insbesondere ist der Kreistag befuat: 1. nach Maßgabe des § 20 statutarische und reglementarische Anordnungen zu treffen; 2. zu bestimmen, in welcher Weise Staatsprästationen, welche kreisweise aufzubringen sind, und deren Ausbringungs­ weise nicht schon durch das Gesetz vorgeschrieben ist, repartiert werden sollen.

(Bei der Bestimmung in § 5 Nr. 3 des Gesetzes wegen der Kriegsleistungen vom 11. Mai 1851 (Gesetzsamml. S. 362) behält es sein Bewenden2);)

3. Ausgaben zur Erfüllung einer Verpflichtung oder im Jnteresie des Kreises zu beschließen, und zu diesem Behufe über das dem Kreise gehörige Grund- beziehungsweise Kapitalvermögen zu verfügen, Anleihen aufzunehmen und die Kreisangehörigen mit Kreisabgaben zu belasten; 4. innerhalb der Vorschriften der §§ 10 bis 183) den Verteilungs- und Aufbringungsmaßstab der Kreisabgaben zu beschließen;

') Gemäß Art. 82 PrV. 2) Das zit. Gesetz ist aufgehoben durch G. v. 19. März 1924 (RGBl. I S. 285). 8) An deren Stelle ist das Kreis- und Provinzialabgabengesetz getreten (unten Nr. 22).

20. östliche KreiSordnung (1872).

[20

5. den Kreishaushaltsetat festzustellen und hinsichtlich der Jahresrechnung Decharge zu erteilen (§§ 127 und 129); 6. die Grundsätze festzustellen, nach welchen die Verwaltung des dem Kreise gehörigen Grund- und Kapitalvermögens, sowie der Kreiseinrichtungen und Anstalten zu er­ folgen hat,' 7. die Einrichtung von Kreisämtern zu beschließen, die Zahl und Besoldung der Kreisbeamten zu bestimmen,' 8. die Wahlen zum Kreisausschusse (§ 130) und zu den durch das Gesetz für Zwecke der allgemeinen Landesverwaltung angeordneten Kommissionen zu vollziehen, sowie besondere Kommissionen und Kommissare für Kreiszwecke zu bestellen (§ 167).

sZiff. 8 Abs. 2 erseht durch das zu §§ 84 bis 108 zit. Gesetz.)

9. Gutachten über alle Angelegenheiten abzugeben, die ihm zu diesem Behufe von den Staatsbehörden überwiesen werden,' 10. die durch Gesetz oder (Köniqliche) Verordnung des Staats­ ministeriums^) (8 115) ihm übertragenen sonstigen Ge­ schäfte wahrzunehmen. Verfügung über Fonds einzelner Kreisteile.

§117.

(Gegenstandslos geworden.) Berufung des Kreistags und Leitung der Verhandlungen aus demselben. §118.

(1) Der Landrat beruft die Kreistagsabgeordneten zum Kreistage durch besondere Einladungsschreiben, unter Angabe der zu verhandelnden Gegenstände, füHrt auf demselben den Vor­ sitz, leitet die Verhandlungen und Handhabt dre Ordnung in der Versammlung. In Behinderungsfällen übernimmt der dem Dienst- beziehungsweise Lebensalter nach älteste anwesende Kreisdeputierte den Vorsitz. (2) Mit Ausnahme dringender Fälle, in welchen die Frist bis 3U drei Tagen abgekürzt werden darf, muß die Einladung sämt­ lichen Krerstagsabgeordneten mindestens 14 Tage vorher zu­ gestellt werden. Gegenstände, die nicht in die Einladung zum Kreistage ausgenommen sind, können zwar zur Beratung ge­ langen, die Fassung eines bindenden Beschlusses über dieselben darf jedoch erst auf dem nächsten Kreistage erfolgen.

*) Gernäb Art. 82 PrB. Bühler, VerwaltungSgesehe.

20]

20. Östliche üreiöordnnng (1872).

(3) Anträge von Kreistagsabgeordneten auf Beratung ein­ zelner Gegenstände sind bei dem Landrate anzubringen und in die Einladung zum nächsten Kreistage aufzunehmen, insofern sie vor Erlast der Einladungsschreiben eingehen. Der Landrat ist verpflichtet, jährlich wenigstens zwei Kreistage anzuberaumen, außerdem aber ist er hierzu berechtigt, so oft es die Geschäfte erfordern. Die Zusammenberufung des Kreistages must erfolgen, sobald dieselbe von einem Viertel der Kreistagsabgeoroneten oder von dem Kreisausschusse verlangt wird. (4) Von einem jeden anzusetzenden Kreistage hat der Land­ rat dem Regierungspräsidenten unter Einsendung einer Abschrift des Einladungsschreibens Anzeige zu machen.

Abfassung besonderer Propositionen für den Kreistag und Zustellung derselben an die Kreistagsmitglieder.

§11». Soll auf dem Kreistage Beschlust gefastt werden: 1. über die Festsetzung des Abgabenverteilungsmaststabes [in

Gemäßheit des § 12]1),

2. über Mehr- und Minderbelastungen einzelner Kreisteile

[in Gemäßheit des § 13]1),

3. über solcke Gegenstände, welche Kreisausgaben notwendig machen, oie nicht auf einer gesetzlichen Verpflichtung des Kreises beruhen, so ist ein ausführlicher Vorschlag zu dem Beschlusse, welcher über a) den Zweck desselben, b) die Art der Ausführung, c) die Summe der zu verwendenden Kosten, d) die Aufbringungsweise das Nötige enthält, von dem Kreisausschusse auszuarbeiten und jedem Abgeordneten mindestens 14 Tage vor Abhaltung des Kreistages schriftlich zuzustellen. Die Frist darf bis zu drei Tagen abgekürzt werden, wenn einem Notstände vorgebeugt oder abgeholfen werden soll.

Öffentlichkeit der Kreistagssitzungen.

§120. Die Sitzungen des Kreistages sind öffentlich. Für einzelne Gegenstände kann durch einen in geheimer Sitzung zu fassenden Beschlust der Versammlung die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden.

1) §§ 12 und 13 sind aufgehoben, f. das.

20. östliche Kreisordnung (1872).

[20

Beschlußfähigkeit deS Kreistages.

§121. Der Kreistag kann nur beschließen, wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder anwesend ist. Durch Kreistagsbeschluß kann bestimmt werden, daß der Kreistag beschlußfähig ist, wenn mehr als ein Drittel der Mitglieder anwesend ist1). Der Kreis­ tag ist stets beschlußfähig, wenn die Mitglieder des Kreistages, zum zweiten Male zur Verhandlung über denselben Gegenstand berufen, dennoch nicht in beschlußfähiger Anzahl erschienen sind'). Bei der zweiten Zusammenberufung muß auf diese Be­ stimmung ausdrücklich hingewiescn werden.

Ausschluß von den Verhandlungen des Kreistages wegen persönlichen Interesses.

§ 122. An Verhandlungen über Rechte und Verpflichtungen des Kreises darf derjenige nicht teilnehmen, dessen Interesse mit dem des Kreises in Widerspruch steht. Teilnahme der Mitglieder des Kreisausschusses an den Kreistagsversammlungen.

§123. Die Mitglieder des Kreisausschusses, welche nicht Mitglieder des Kreistages sind, werden zu den Versammlungen des Kreis­ tages eingeladen und haben in denselben beratende Stimme.

Fassung der Kreistagsbeschlüsse nach einfacher und Zwei-DrittelStimmenmehrheit.

§124. (1) Die Beschlüsse des Kreistages werden nach Mehrheit der Stimmen gefaßt. (2) Bei Stimmengleichheit gilt der Antrag als abaelehnt. (3) Zu einem Beschlusse, durch welchen eine neue Belastung der Kreisangehörigen ohne eine gesetzliche Verpflichtung oder eine Veräußerung vom Grund- oder Kapitalvermögen des Kreises bewrrkt oder eine Veränderung des festgestellten Verteiluigsmaßstabes für die Kreisabgaben [(§ 12)?) eingeführt werden soll, ist jedoch eine Stimmenmehrheit von mindestens zwei Dritteln der Abstimmenden erforderlich.

Satz 2 ist eingefügt und Satz 3 neugefaßt durch Art. 4 deS Kriegsgesetzt vom 13. Mai 1918. 2) S. das.

20]

20. östliche Kreisordnung (1872).

Abfassung und Veröffentlichung der Kreistagsprotokolle.

§125. (1) über die Beschlüsse des Kreistages ist eine besondere Ver­ handlung aufzunehmen, in welcher die Namen der dabei an­ wesend gewesenen Mitglieder aufaeführt werden müssen. Diese Verhandlung wird von dem Vorsitzenden und von wenigstens drei Mitgliedern des Kreistages vollzogen, welche zu diesem Behufe von der Versammlung vor dem Beginne der Verhand­ lung zu bestimmen und in letzterer aufzuführen sind. (2) über die Wahl eines Protokollführers und die Formen der Verhandlung bestimmt im übrigen die von dem Kreistage zu beschließende Geschäftsordnung. (3) Der Inhalt der Kreistagsbeschlüsse ist, sofern der Kreis­ tag nicht in einem einzelnen Falle etwas anderes beschließt, in einer von dem Kreistage zu bestimmenden Weise zur öffentlichen Kenntnis zu bringen. (4) Dem Regierungspräsidenten ist eine Abschrift des Proto­ kolls einzureichen. Abfassung von Petitionen und Eingaben des Kreistages.

§126. Petitionen und Eingaben, welche namens des Kreistages in bezug auf die seiner Beschlußnahme unterliegenden An­ gelegenheiten (§§ 115 und 116) überreicht werden sollen, müssen auf oem Kreistage selbst beraten und vollzogen werden. Daß dies geschehen, ist in dergleichen Eingaben ausdrücklich zu bemerken. Dritter Abschnitt. Don dem Kreishaushalte. Ausstellung und Feststellung des Kreishaushaltsetats.

§127. (1) über alle Einnahmen und Ausgaben, welche sich im vor­ aus bestimmen lassen, entwirft der Kreisausschuß jährlich einen Haushaltsetat, welcher von dem Kreistage festgestellt und dem­ nächst in derselben Weise, wie die Kreistagsbeschlüsse, veröffent­ licht wird. (2) Bei Vorlage des Haushaltsetats bat der Kreisausschuß dem Kreistage über die Verwaltung und den Stand der Kreis­ kommunalangelegenheiten Bericht zu erstatten. (3) Eine Abschrift des Etats und des Verwaltungsberichtes wird nach erfolgter Feststellung des ersteren sofort dem Re­ gierungspräsidenten überreicht. (4) Ausgaben, welche außer dem Etat geleistet werden sollen, bedürfen der Genehmigung des Kreistages.

20. Östliche Kreisordnung (1872).

[20

Revision der Kreiskommunalkasse.

§ 128.

[Revision)

Die Kreiskommunalkasse muh an einem bestimmten Tage in jedem Monate regelmäßig und mindestens einmal im Jahre außerordentlich revidiert werden. Die Revisionen werben von dem Vorsitzenden des Kreisausschusses vorgenommen. Bei den außerordentlichen Revisionen ist ein von dem Kreisausschusse zu bestimmendes Mitglied desselben zuzuziehen. [Defektenbefchlutz)

§ 128 a1).

(0 Der Bezirksausschuß beschließt an Stelle der Aufsichts­ behörde über die Feststellung und den Ersatz von Defekten der Kreisbeamten nach Maßgabe der Verordnung vom 24. Ja­ nuar 1844. (") Der Beschluß ist, vorbehaltlich des ordentlichen Rechts­ weges, endgültig. Legung, Prüfung, Feststellung und Entlastung der Jahresrechnung.

§129. (1) Die Jahresrechnung ist von dem Rendanten der Kreiskommunalkasse innerhalb der ersten vier Monate nach Schluß des Rechnungsjahres zu legen und dem Kreisausschuße einzu­ reichen. Dieser hat die Rechnung zu revidieren, solche mit seinen Erinnerungen und Bemerkungen dem Kreistage zur Prüfung, Feststellung und Entlastung einzureichen und demnächst einen Rechnungsauszug zu veröffentlichen. Der Kreistag ist befugt, diese Prüfung durch eine hiermit zu beauftragende Kommission bewirken zu lassen. (2) Eine Abschrift des Feststellungsbeschlusses ist sofort dem Regierungspräsidenten vorzulegen.

Vierter Abschnitt. Bon dem Kreisausschusse, seiner Zu­ sammensetzung und seinen Geschäften in der Kreiskommunalund allgemeinen Landesverwaltung. Die Stellung des Kreisausschusses im allgemeinen.

§130. Zum Zwecke der Verwaltung der Angelegenheiten des Krei­ ses und der Wahrnehmung von Geschäften der allgemeinen Landesverwaltung wird ein Kreisausschuß bestellt. x) Eingefügt durch Art. I des G. vom 19. März 1881 (GS. S. 155).

20]

20. östliche «reiöordnung (1872).

Die Zusammensetzung desselben.

§ 13P). (1) Der Kreisausschuß besteht aus dem Landrate und sechs Mitgliedern, welche von der Kreisversammlung aus der Zahl der Kreisangehörigen snach absoluter Stimmenmehrheit?) gewählt werden. Die Kreisversammlung kann in gleicher Weise Stell­ vertreter wählen. sFür die Wählbarkeit gelten die im § 96 für die Wahlberechtigung gegebenen Bestimmungen1 2).) (2) sGeistliche, Kirchendiener und Elementarlehrer können nicht Mit­ glieder des Kreisausschusses sein;?) richterliche Beamte, zu denen

jedoch die technischen Mitglieder der Handels-, Gewerbe- und ähnlicher Gerichte nicht zu zählen sind, nur mit Genehmigung des vorgesetzten Ministers. Bestellung eines Syndikus.

§132. Der Kreistag kann nach Bedürfnis einen Syndikus bestellen, welcher die Befähigung zum höheren Richteramte besitzt. Der­ selbe nimmt an den Sitzungen mit beratender Stimme teil. sAmtsdauer,) Vereidigung und Dienstvergehen der Ausschußmitglieder.

§133. sAbs. 1 überholt durch £§ 23 bis 31, 42 des oben zu §§ 84 bis 108 zit. Gesetzes.) (2) Die Ausschußmitglieder werden vom Vorsitzenden ver­

eidigt. Sie können nach Maßgabe der Bestimmungen des 8 39 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung im Wege des Disziplinarverfahrens ihrer Stellen enthoben werden. Die Geschäfte des Kreisausschusses in der Kreiskommunal- und in der allgemeinen Landesverwaltung.

§134. Der Kreisausschuß hat: 1. die Beschlüsse des Kreistages vorzubereiten und auszu­ führen^ soweit damit nicht besondere Kommissionen, Kommijsarien oder Beamte durch Gesetz oder Kreistagsbeschluß beauftragt werden2. die Kreisanaelegenheiten nach Maßgabe der Gesetze und der Beschlüsse des Kreistages, sowie in Gemäßheit des 1) I. d. F. des Art. 4 zu 2 des Kriegsgesetzes vom 13. Mai 1918. 2) Überholt durch das zu §§ 84 bis 108 zit. Gesetz. 4) Diese Einschränkung ist durch § 7 der zu § 114 zit. BO. beseitigt.

20. Östliche Nrciöordnung (1872).

[20

von diesem festzustellenden Kreishaushaltsetats zu ver­ walten; 3. die Beamten des Kreises zu ernennen und deren Ge­ schäftsführung zu leiten und zu beaufsichtigen. Hinsichtlich der Besetzung der Kreisbeamtenstellen mit Militärinvaliden gelten die in Ansehung der Städte er­ lassenen Vorschriften*); hinsichtlich der Dienstvergehen der Kreisbeamten finden die Bestimmungen des §68 mit der Maßgabe Anwendung, daß das Recht zur Verhängung von Ordnungsstrafen auch dem Landrate zusteht; 4. sein Gutachten über alle Angelegenheiten abzugeben, welche ihm von den Staatsbehörden überwiesen werden; 5. diejenigen Geschäfte der allgemeinen Landesverwaltung zu führen, welche ihin durch Gesetz übertragen werden. [§ 135 fortgefallen.] Der Landrat als Vorsitzender des Kreisausschusses.

[Geschäftsführung)

§ 136.

(1) Der Landrat leitet und beaufsichtigt den Geschäftsgang des Ausschusses und sorgt für die prompte Erledigung der Geschäfte. (2) Der Landrat beruft den Kreisausschuß und führt in dem­ selben den Vorsitz mit vollem Stimmrechte. Ist der Landrat verhindert, so geht der Vorsitz auf seinen Stellvertreter über. Ist dies der Kreissekretär, so führt nicht dieser, sondern das hierzu vom Ausschüsse gewählte Mitglied den Vorsitz. [Vertretung)

§ 137.

(1) Der Landrat führt die laufenden Geschäfte der dem Aus­ schüsse übertragenen Verwaltung. Er bereitet die Beschlüsse des Ausschusses vor und trägt für die Ausführung derselben Sorge. Er rann die selbständige Bearbeitung einzelner Angelegenheiten einem Mitglieds des Kreisausschusses übertragen. (2) Er vertritt den Kreisausschuß nach außen, verhandelt namens desselben mit Behörden und Privatpersonen, führt den Schriftwechsel und zeichnet alle Schriftstücke namens des Aus­ schusses. (3) Urkunden über Rechtsgeschäfte, welche den Kreis gegen Dritte verbinden sollen, ingleichen Vollmachten, müssen unter Anführung des betreffenden Beschlusses des Kreistages beMaßgebend sind jetzt die Grundsätze für die Anstellung der In­ haber eines. Versorgungsscheins (Anstellungsgrundsätze) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Juli 1930 (NGBl. I S. 234).

20. östliche Kreisordnung (1872).

20]

ziehungsweise Kreisausschusses von dem Landrate und zwei Mit­ gliedern des Kreisausschusses beziehungsweise der mit der An­ gelegenheit betrauten Kommission unterschrieben und mit dem Siegel des Landrats versehen sein. Das Verfahren vor dem Kreisausschusse.

(Beschlußfassung]

§ 138.

(1) Die Anwesenheit dreier Mitglieder mit Einschluß des Vorsitzenden genügt für die Beschlußfähigkeit des Kreisaus­ schusses. (2) Die Beschlüsse werden nach Stimmenmehrheit gefaßt. Ist eine gerade Zahl von Mitgliedern anwesend, so nimmt das dem Lebensalter nach jüngste gewählte Mitglied an der Abstimmung keinen Anteil. [Wuafdjliefhing]

§ 139.

(1) Betrifft der Gegenstand der Verhandlung einzelne Mit­ glieder des Kreisausschusses oder deren Verwandte und Ver­ schwägerte in auf- oder absteigender Linie oder bis zu dem dritten Grade der Seitenlinie, |o dürfen dieselben an der Be­ ratung und Entscheidung nicht teilnehmen. (2) Ebensowenig dürfen die Mitglieder des Kreisausschusies bei der Beratung und Entscheidung solcher Angelegenheiten mit­ wirken, in welchen sie in anderer als öffentlicher Eigenschaft ein Gutachten abgegeben haben oder in anderer als öffentlicher Eigenschaft tätig gewesen sind. (3) Wird dadurch ein Kreisausschuß beschlußunfähig, so er­ folgt, soweit es sich um Kreiskommunalangelegenhelten handelt, die Beschlußfassung durch den Kreistags. [§§ 141—163 aufgehoben durch § 158 Ziff. 2 LVG. § 140 gegenstandslos geworden.] (Kosten des Kreisausschusses]

Dadurch ist

§ 164.

Soweit die eigenen Einnahmen des Kreisausschusses und die vom Staate hierzu nach § 70*2) zu überweisenden Beiträge nicht ausreichen, werden die Kosten, welche die Eeschäftsverwaltung desselben verursacht, von dem Kreise getragen. (1)

[2lbf. 2 ersetzt durch die oben zu § 114 angeführte Bestimmung.]

[§ 165 aufgehoben durch § 158 Ziff. 2 LVG.]

Abs. 3 Schlußsatz ist weggefallen. An die Stelle der das. zitierten Bestimmung sind die §§ 62 Abs. 3, 116 LVG. getreten. 2) S. jetzt statt dessen §§ 5, 10, 19 des preußischen Ausführung^ gesetzes zum Finanzausgleichsgesetz.

20. Östliche Kreisordnung (1872).

[20

§ 166.

[Negullativ)

Im übrigen wird der Geschäftsgang bei den Kreisaus­ schüssen durch ein von dem Minister des Innern zu erlassendes Regulativ*) geordnet.

Fünfter Abschnitt. Von den Kreiskommissionen. § 167. (1) Für die unmittelbare Verwaltung und Beaufsichtigung einzelner Kreisinstitute, sowie für die Besorgung einzelner Kreisangelegenheiten kann der Kreistag nach Bedürfnis beson­ dere Kommilitonen oder Kommissare aus der Zahl der Kreis­ angehörigen bestellen, welche ebenso, wie die durch das Gesetz für Zwecke der allgemeinen Landesverwaltung angeordneten Kom­ missionen, ihre Geschäfte unter der Leitung des Landrats be­ sorgen. (2) Der Landrat ist befugt, jederzeit den Beratungen der Kreiskommissionen beizuwohnen und dabei den Vorsitz mit vollem Stimmrechte zu übernehmen, soweit nicht hierüber hinsicktlich der für Zwecke der allgemeinen Landesverwaltung ange­ ordneten Kommissionen etwas anderes gesetzlich bestimmt ist.

§ 168. Über die Gewährung von Diäten und Reisekosten an die Mitglieder der Kreiskommijsionen zu bestimmen, bleibt dem Kreistage überlassen.

[Entschädigung der Mitglieder)

Vierter Titel. Von den Stadtkreisen. § 169.

[KreiSkommunalangelegenheiten)

(1) In denjenigen Kreisen, welche nur aus einer Stadt be­ stehen (Stadtkreise), werden die Geschäfte des Kreistages und des Kreisausschusses, die des letzteren, soweit sich dieselben auf die Verwaltung der Kreiskommunalangelegenheiten beziehen, von den städtischen Behörden nach den Vorschriften der Städte­ ordnung wahrgenommen. (2) Die Bestimmungen des zweiten Abschnittes des ersten Titels finden auf Stadtkreise keine Anwendung.

§ 170. 3n den Stadtkreisen, [mit Ausnahme des Stadtkreises Magde­ burgs) tritt an die Stelle des Kreisausschusses zur Wahrneh-

[Stadtausschub)

i) Vom 28. Februar 1884 (MBliB. S. 41). ’) Die Ausnahme ist weggesallen.

20]

20. Lstliche KreiSordnung (1872).

mung von Geschäften der allgemeinen Landesverwaltung in den durch die Gesetze bezeichneten Fällen der nach den Vorschriften der §§ 37 ff. des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung gebildete Stadtausschuß. Besondere Bestimmungen für den Stadtkreis Magdeburg. [§§ 171—175 fortgefallen.]

Fünfter Titel. Don der Oberaufsicht über die Kreisverwaltung. Genehmigung der Kreistagsbeschlllsse.

§176.

(1) Beschlüsse des Kreistages, welche folgende Angelegen­ heiten betreffen: 1. statutarische Anordnungen nach Maßgabe des § 20 Nr. 1, sZisf. 2 und 3 beseitigt durch das Kreis- und Provinzialabgaben­ gesetz, § 19 Ziff. 4 u. 5.] sZiff. 4 gestrichen durch Art. 4 zu 3 des Kriegsgesetzes vom 13. Mai 1918.]

5. Anleihen, durch welche der Kreis mit einem Schulden­ bestände belastet oder der bereits vorhandene Schulden­ bestand vergrößert werden würde, sowie die Übernahme von Bürgschaften auf den Kreis, 6. eine neue Belastung der Kreisangehörigen ohne gesetzliche Verpflichtung, insofern die aufzubringenden Leistungen über die nächsten fünf Jahre hinaus fortdauern sollen, bedürfen in den Fällen zu 1 der Landesherrlichen] Genehmigung des Staatsminitteriums^), in den übrigen Fällen der Bestäti­ gung des Bezirksausschusses*2). (2) Ohne die vorgeschriebene Bestätigung sind die betreffen­ den Beschlüsse des Kreistages nichtig. lErl'öS veräußerter Grundstücks

§ 176a3).

Der Erlös veräußerter Grundstücke und grundstücksgleicher Rechte ist nicht zur Deckung laufender Ausgaben zu verwenden. *) Gemäß Art. 82 PrB. 2) Die Fassung des zweiten Teiles des Abs. 1 beruht auf den Weg­ fall der Ziff. 2 und 3. 3) § 176a eingesügt durch. Art. 4 Ziff. 4 des Kriegsgesehes vom 13. Mai 1918.

0. östliche ttreisordnung (1872).

[20

Aufsichtsbehörden.

§177. (1) Die Aufsicht des Staates über die Verwaltung der An­ gelegenheiten der Landkreise [unb des Stadtkreises Magdeburgs) wird von dem Regierungspräsidenten, in höherer und letzter In­ stanz von dem Oberpräsioenten geübt, unbeschadet der in den Ge­ setzen geordneten Mitwirkung des Bezirksausschusses und des Provinzialrates. (2) Beschwerden an die Aufsichtsbehörde in Kreisangelegen­ beiten sind in allen Instanzen innerhalb zwei Wochen anzuoringen.

[AussichtSführungs

§ 177 a2).

(1) Die Aufsichtsbehörden haben mit den ihnen in den Ge­ setzen zugewiesenen Mitteln darüber zu wachen, daß die Verwal­ tung den Vorschriften der Gesetze gemäß geführt und in geord­ netem Gange erhalten werde. (2) Die Aufsichtsbehörden sind zu dem Ende befugt, über alle Gegenstände der Verwaltung Auskunft zu erfordern, die Einsenduna der Akten, insbesondere auch der Haushaltsetais und Der Jahresrechnungen zu verlangen, sowie Geschäfts- und Kassen­ revisionen an Ort und Stelle zu veranlassen.

[Beanstandung^

§ 178.

(1) Beschlüsse des Kreistages, der Kreiskommissionen, sowie in Kommunalangelegenheiten des Kreises gefaßte Beschlüsse des Kreisausschusses, welche deren Befugnisse überschreiten oder die Gesetze verletzen, hat der Landrat, entstehendenfalls auf An­ weisung der Aufsichtsbehörde, unter Angabe der Gründe, mit aufschiebender Wirkung zu beanstanden. (2) Gegen die Verfügung des Landrats steht dem Kreistage, der Kreistommission beziehungsweise dem Kreisausschusse inner­ halb zwei Wochen die Klage bei dem Bezirksausschüsse zu. Die­ selben können zur Wahrnehmung ihrer Rechte im Verwaltungs­ streitverfahren einen besonderen Vertreter bestellen.

Auslösung des Kreistages durch (Königliche! Verordnung des Staatsministeriums.

§179. (1) Ein Kreistag kann durch (Königliche) Verordnung des Staatsministeriumsb) aufgelöst werden. Es sind sodann Reu-

S. Anm. 1 zu § 170. *) Eingefügt durch Art. I d. G. vom 19. März 1881 (GS. S. 155). s) Die Fassung von Satz 1 folgt au§ Art. 82 PrB. •

20]

20. östliche Areisordnung (1872).

wählen anzuordnen, welche binnen sechs Monaten, vom Tage der Auflösung an, erfolgen müssen. (2) Zm Falle der Auflösung eines Kreistages bleiben die von demselben gewählten Mitglieder des Kreisausschusses und der Kreiskommissionen so lange in Wirksamkeit, bis der neu ge­ bildete Kreistag die erforderlichen Neuwahlen vollzogen hat.

Zwangsweise Etatisierung gesetzlicher Leistungen durch die Regierung. §180. (1) Unterlägt oder verweigert ein Kreis die ihm gesetzlich obliegenden, von der Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Zu­ ständigkeit festgestellten Leistungen auf den Haushaltsetat zu bringen oder außerordentlich zu genehmigen, [o verfügt der Ne­ gierungspräsident unter Angabe der Gründe die Eintragung in den Etat, beziehungsweise die Feststellung der außerordentlichen Ausgaben. (2) Gegen die Verfügung des Regierungspräsidenten steht dem Kreise innerhalb zwei Wochen die Klage bei dem Oberverwaltungsgerichte') zu. Zur Ausführung der Rechte des Kreises kann der Kreistag einen besonderen Vertreter bestellen.

S e ch st e r T i t e l. Besondere Bestimmungen sür die Provinz Sachsen. § 181.

sWeggefallen infolge der Aufhebung des § 1 des Gesetzes vom 18. Juni 1876 (GS. S. 245) durch § 41 Zifs. 63 des Gesetzes über die Aufhebung der Standesvorrechte des Adels und die Auflösung der Haus­ vermögen, vom 23. Juni 1920 (GS. S. 367).] [§ 182 ausgehoben durch Art. III des Gesetzes vom 19. März 1881 (GS. S. 155).] Siebenter Titel. Allgemeine, Übergangs- und Aussührungsbestimmungen.

[§§ 183, 184 gegenstandslos geworden.] ^Bekanntmachung der Bildung der Amtsbezirke usw.) § 185. Für jeden Kreis wird die erfolgte Bildung der Amtsbezirke und Die lErnennung] Wahl und Bestätigung?) der Amtsvorsteher durch eine von dem Oberpräsidenten durch das Amtsblatt zu er­ lassende Bekanntmachung zur öffentlichen Kenntnis gebracht.

l) Gemäß ZustG. § 4 Abs. 1. -) S. oben §§ 56, 57.

21. östliche Provinzialordnung (1875).

[21

Bis zu diesem Zeitpunkte bleiben die rücksichtlich der örtlichen Polizeiverwaltung bestehenden Vorschriften in Kraft. [§ 186 gegenstandslos geworden.1 [§§ 187—198 aufgehoben durch § 90 des Gesetzes vom 3. Juli 1875 (633. S. 375).]

[teere Vorschriften) § 199. Alle dem gegenwärtigen Gesetze zuwidcrlaufcndcn Bestimmungen werden aufgehoben und treten, mit Vorbehalt der Vorschriften der §§ 12, 185 und 186, mit dem 1. Januar 1874 auher Kraft. Die bisherigen kreisständischeu Kommissionen bleiben bis zur anderweitigen Beschlußnähme des Kreistages über ihren Fortbestand und ihre Zusammen­ setzung in Wirksamkeit.

[Anösührungöbcstimmungen)

§ 200.

Der Minister des Innern ist mit der Ausführung des gegenwärtigen Gesetzes beauftragt und erläßt die hierzu erfor­ derlichen Anordnungen und Instruktionen.

21. provinzialordnung für die Provinzen Ostpreußen, Grenzmark Posen-Westpreutzen, Brandenburg, Pommern, Niederschlesien, Oberschlesien und Sachsens. Dom 29. Juni 1875 (GS S. 335) in der Fassung des Gesetzes vom 22. März 1881 (ES. S. 234).

Inhalt. Grfter Titel.

Von den Grundlagen der Provinzial­

verfassung. Erster Abschnitt. Von dem Umfange und der Be­ grenzung der Provinzialverbäude................................ 1 bis 4. Zweiter Abschnitt. Von den Provinzialangehörigen, ihren Rechten und Pflichten......................................... 5 bis 7.

1) Die meisten Bestimmungen der Östlichen Provinzialordnung gelten auch für Westfalen und Rheinland nach der Provinzialordnung für die Provinz Westfalen vom 1. August 1886 (GS. S. 254) und der Provinzialordnung für die Rheinprovinz vom 1. Juni 1887 (GS. S. 249).

21]

21. östliche Provinjialordnung (1875).

Dritter Abschnitt. Von den Provinzialstatuten und Reglements Zweiter Titel. Bon der Vertretung und Verwal­ tung der Provinzialverbände. Erster Abschnitt. Von der Zusammensetzung der Provinziallandtage §§ 9 b iS 24. Zweiter Abschnitt. Von den Versammlungen der Provinziallandtage §5 25 bis 33. Dritter Abschnitt. Von den Geschäften des Provin­ ziallandtages §§ 34 bis 44. Vierter Abschnitt. Von dem ProvinzialauSschusse, seiner Zusammensetzung und seinen Geschäften . §§ 45 bis i61. Fünfter Abschnitt. Fortgefallen. Sechster Abschnitt. Von den Provinzialbeamten . §§ 87 bis 98. Siebenter Abschnitt. Von den Provinzialkommissionen und Schlußbcstimmung . . §§ 99 und 100. 101 biS 113. Achter Abschnitt. Von dem Provinztalhaushalte . Dritter Titel. Don der Aufsicht über die Verwal­ tung der Angelegenheiten der Provinzialverbände §§ 114: bis 122. Vierter Titel. Schluß-, Übergangs- und Aus­ führungsbestimmungen $§ 123i bis 130

ErsterTitel. Bon den Grundlagen der Provinzialverfassung. Erster Abschnitt. Bon dem Umfange und der Begrenzung der Provinzialverbände. [Äommnntitoerbnnb]

§ 1.

(1) Jede Provinz bildet einen mit den Rechten einer Korvoration ausgestatteten Kommunalverband zur Selbstverwaltung seiner Angelegenheiten. (2) Zum Kommunalverbande der Provinz (Provinzialver­ band) gehören alle innerhalb der Grenzen derselben belegenen Kreise und alle zu diesen Kreisen gehörenden Ortschaften. fAbs. 3 nur noch von historischer Bedeutung.^ [Sedin]

§ 2.

Die Haupt- und Residenzstadt Berlin scheidet aus dem Kom­ munalverbande der Provinz Brandenburg aus.

§3. IBezog sich auf § 1 Abs. 3, s. das.s

Veränderung der Provinzialgrenzen.

8 4. (1) Die Veränderung bestehender Provinzialgrenzen erfolgt durch Gesetz.

(21

21. östliche Provinpalordnung (1875).

(2) Die infolge einer derartigen Veränderung erforderliche Regelung der Verhältnisse ist auf dem im § 3 bezeichneten Wege zu bewirken. (3) Veränderungen solcher Gemeinde- oder Eutsbezirksgrenzen, welche zugleich Vrovinzialgrenzen find, ziehen die Ver­ änderung der letzteren ohne weiteres nach sich. (4) Eine jede Veränderung der Prooinzialgrenzen, welche nicht durch Gesetz erfolgt, ist durch die Amtsblätter der beteilig­ ten Provinzen bekanntzumachen.

Zweiter Abschnitt. Bon den Provinzialangehörigen, ihren Rechten und Pflichten. §5. Provinzialangehörige sind alle Angehörigen der zu der Pro­ vinz gehörigen Kreise. Rechte der Provinzialangchörigen.

§6. Die Provinzialangehörigen sind berechtigt: 1. Mit Teilnahme an der Verwaltung und Vertretung Provinzialverbandes nach näherer Vorschrift dieses setzes; 2. zur Mitbenutzung der öffentlichen Einrichtungen und stalten des Provinzialverbandes nach Maßgabe der dieselben bestehenden Bestimmungen.

des Ge­ An­ für

Beitragspflicht zu den Provinziala-gaben.

8 7. Die Provinzialangehörigen sind verpflichtet, nach näherer Vorschrift dieses Gesetzes*) zu den Provinziallasten berzutragen.

Dritter Abschnitt. Bon den Provinzialstatuten und Reglements.

88. (1) Die Provinzialverbände sind befugt: 1. zum Erlasse besonderer statutarischer Anordnungen über solche ihre Verfasiung betreffenden Angelegenheiten, hin­ sichtlich deren das Gesetz auf statutarische Regelung ver­ weist oder keine ausdrücklichen Vorschriften enthält. Das Statut darf den bestehenden Gesetzen nicht widersprechen; *) Jetzt Nr. 22.

auch

des

Kreis-

und

Provinzialabgabengesetzes,

unten

21]

21. östliche Provinzialordnung (1875).

2. zum Erlasse von Reglements über besondere Einrichtun­ gen des Provinzialverbandes. (2) Die Provinzialstatuten und Reglements sind auf Kosten der Provinzialverbände durch die Amtsblätter der Provinz be­ kanntzumachen. Zweiter Titel. Bon der Vertretung und Verwaltung der ProvinzialverbLnde. Erster Abschnitt. Bon der Zusammensetzung der Provinziallandtage. 88 9-20. ^Ersetzt durch das Wahlgesetz für die Provinziallandtage und Kreis­ tage vom 7. Oktober 1925, GS. S. 123. — Dieses Gesetz ist hier nicht mitabgedruckt.) ^Einführung der Abgeordneten! §21. (1) sDie Namen der neugewählten Abgeordneten sind von dem Oberpräsidenten durch die Amtsblätter der Provinz bekanntzumachen.]*) (2) Die Einführung derselben erfolgt durch den Vorsitzenden des Provinziallandtages. [§§ 22—24 weggefallen wie §§ 9—20.] Zweiter Abschnitt. Don den Versammlungen der Provinziallandtage. Einberufung des Provinziallandtages.

(Einberufung! 8 25. Der Provinziallandtag wird von dem sKönige] Staatsministetium*2) alle zwei Jahre wenigstens einmal berufen, außerdem aber so oft es die Geschäfte erfordern.

(Ladung der Mitglieder usw.) 8 26. Die Ladung der Mitglieder, die Eröffnung und Schließung des Provinziallandtages erfolgt durch den Oberpräsidenten der Provinz als staatlichen2) Kommisiarius oder den für ihn in dieser Eigenschaft ernannten Stellvertreter. sKöniglicher] Staatlicher?) KommissariuS bei dem Provinziallandtage.

8 27. (1) Der lKöttigliche] staatliche2) Kommisiarius ist die Mittels­ person bei allen Verhandlungen der Staatsbehörden mit dem Provinziallandtage. *) Abs. 1 weggefallen wie §§ 9—20. 2) Gemäß Art. 82 PrB.

21. östliche Provinzialordnung (1875).

[21

(2) Der Kommissarius teilt dem Provinziallandtage die Borlagen der Staatsregierung mit und empfängt die von ihm abzugebenden Erklärungen und Gutachten. (3) Der [Königliches staatliche*) Kommissarius, sowie die zu seiner Vertretung oder Unterstützung abgeürdneten Staats­ beamten sind befugt, den Sitzungen des Provinziallandtages und der von ihm zur Vorbereitung seiner Beschlüße gewählten Kommissionen beizuwohnen' dieselben müssen auf Verlangen zu jeder Zeit gehört werden. Öffentlichkeit der Sitzungen des Provinziallandtages.

§28. Die Sitzungen des Provinziallandtages sind öffentlich. Für einzelne Gegenstände kann durch besonderen, in geheimer Sitzung gefatzten Beschluß die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden.

Beschlußfähigkeit des Prodinziallandtages.

§29. (1) Der Provinziallandtag kann nur beschließen, wenn mehr als die Hälfte der [im § 10]2) vorgeschriebenen Mitgliederzahl anwesend ist. (2) Als anwesend gelten auch diejenigen Mitglieder, welche sich der Abstimmung enthalten. Fassung der Beschlüsse nach absoluter Stimmenmehrheit.

§30. Der Provinziallandtag faßt seine Beschlüsse nach Stimmen­ mehrheit. Die Stimmenmehrheit wird ohne Mitzäblung der­ jenigen festgestellt, die sich der Abstimmung enthalten haben. Bei Stimmengleichheit gilt der gestellte Antrag als abgelehnt. Teilnahme der Mitglieder des ProvinzialauSschusses, des LandeSdirektorS und der oberen Beamten an den Sitzungen des Prodinziallandtages.

§31. (1) Die Mitglieder des Provinzialausschusses, sowie der Lan­ desdirektor (Landeshauptmann) und die ihm zugeordneten obe­ ren Beamten (§§ 87 und 93) können, sofern sie nicht selbst Mit­ glieder des Provinziallandtages sind, den Sitzungen desselben mit beratender Stimme beiwohnen. *) Gemäß Art. 82 PrB. ’) Jetzt gilt § 3 des zu §§ 9—20 zitierten Gesetzes. Bühler, Verwaltung-gesetze.

22

21. Östliche Provinzialordnung (1875).

21]

(2) Der Provinziallandtag kann jedoch beschließen, einzelne, die Mitglieder des Provinzialausschusses, den Landesdirektor oder die ihm zugeordneten oberen Beamten persönlich berüh­ rende Gegenstände in deren Abwesenheit und in geheimer Sitzung zu verhandeln, sofern dieselben nicht Mitglieder des Provinziallandtages sind. Wahl des Vorsitzenden des Provinziallaudtages und seines Stellvertreters. §32.

Unter dem Vorsitze des an Jahren ältesten Mitgliedes, welchem die beiden jüngsten Mitglieder als Schriftführer und Stimmzähler zur Seite stehen, wählt der Provinziallandtag nach näherer Vorschrift sdes diesem Gesetze beigefügten Wahlreglements]1) einen Vorsitzenden und einen Stellvertreter. (2) Dieselben fungieren während der Sitzungsperiode und in der darauf folgenden Zwischenzeit bis zum Zusammentritte des nächsten Provinziallandtages. (1)

Geschäftsordnung des Provinztallandtages.

§33.

(1) Der Vorsitzende leitet die Verhandlungen. Er eröffnet und schließt die Sitzungen und handhabt die Ordnung in denfelben. Er kann jeden Zuhörer entfernen lassen, welcher Zeichen des Beifalls oder des Mißfallens gibt oder sonst eine Störung verursacht. (2) Im übrigen regelt der Provinziallandtag seinen Geschäftsgang durch eine Geschäftsordnung.

DritterAbschnitt. Bon den Geschäften des Provlnziallandtages. a) Im allgemeinen.

§34.

Der Provinziallandtag ist berufen: I. über diejenigen die Provinz betreffenden Gesetzentwürfe sowie sonstigen Gegenstände sein Gutachten abzugeben, welche ihm zu dem Ende von der Staaisxegierung über­ wiesen werden,' II. den Drovimialverband zu vertreten, und nach näherer Vorschrift dieses Gesetzes über die Angelegenheiten des1) An dessen Stelle sind die §§ 23 bis 32 deS Wahlgesetzes für die Provinziallandtage und Kreistage vom 3. Dezember 1920 (GS. 1921. S. 1) getreten.

21. östliche Provinzialordnung (1875).

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selben, sowie über diejenigen Gegenstände zu beraten und jtu beschließen, welche ihm durch Gesetze oder sKömglichej Verordnungen des Staatsministeriums^) überwiesen sind oder in Zukunft durch Gesetz überwiesen werden. b) Im besonderen. [tfdafc von Statuten usw.)

§ 35.

(1) Zu den Befugnissen und Obliegenheiten des Provinzial­

landtages gehören insbesondere folgende: (2) I. Der Provinziallandtag beschließt über den Erlaß von Statuten und Reglements gemäß § 8. § 36. II. Der Provinziallandtag beschließt, in welcher Weise Staatsprästationen, welche von dem Provinzialverbande aufzu­ bringen sind, und deren Aufbringungswcise nicht schon durch das Gesetz vorgeschrieben ist, verteilt werden sollen.

lAnfbring. v. Etaatöprästationkn)

lAuSgabknvtrwaltung) § 37. (1) III. Der Provinziallandtag beschließt über die zur Er­

füllung von Verpflichtungen oder im Interesse der Provinz er­ forderlichen Ausgaben. (2) Er beschließt zu dem Ende: 1. über dre Verwendung der dem Provinzialverbande aus der Staatskasse überwiesenen Jahresrenten und Fonds nach näherer Vorschrift sdes Gesetzes, betreffend die Ausfüh­ rung der §§ 5 und 6 des Gesetzes vom 30. April 1873 wegen der Dotation der Provinzial- und Kreisverbände^),

2. über die Verwendung der Einnahmen aus sonstigem Kapital- und Grundvermögen des Provinzialverbandes, sowie über die Verwendung des Kapitalvermögens selbst. 3. über die Aufnahme von Anleihen und die Übernahme von Bürgschaften, 4. über die Ausschreibung von Provinzialabgaben.

§ 38. IV. Der Provinziallandtag beschließt über die Veräußerung von Grundstücken und Immobiliarrechten. Durch Provinzial­ statut kann dem Provinzmlausschusse für einzelne Verwaltungs­ zweige und Anstalten die Befugnis zur Veräußerung von Grund­ stücken minderen Wertes beigelegt werden.

fBeräußerung v. Grundstücken)

i) Gemäß Art. 82 PrV. ’) Das Gesetz ist durch § 45 deS Pr. AuSfG. z. FAG. (Fass. v. 1. April 1926, GS. S. 137) aufgehoben worden.

21]

21. östliche Provinzialordmmg (1875).

IHauöhaltSrecht]

§ 39. V. Der Provinziallandtag beschließt über die Einrichtung des Rechnungs- und Kassenwesens, über die Feststellung des Haushaltsetats, sowie über die Dechargierung der Jahres­ rechnungen (§§ 101 und 104). lBerwaltungsgrundsötze] §40. VI. Der Provinziallandtag stellt die Grundsätze fest, nach denen die Verwaltung der Angelegenheiten des Provinzialver­ bandes zu erfolgen hat. IProvinzialämter und .beamte] §41. VII. Der Provinziallandtag beschließt über die Einrichtung von Provinzialämtern, er bestimmt die Zahl, die Besoldung, sowie die Art der Anstellung der Beamten und wählt den Landesdirektor (Landeshauptmann), die demselben nach § 93 zugeordneten oberen Beamten, sowie die sonstigen im Provin­ zialstatute zu bezeichnenden leitenden Beamten einzelner Ver­ waltungszweige. Wahlen zum Provinzialausschutz] §42. (1) VIII. Der Provinziallandtag vollzieht die Wahlen zum Provinzialausschusse, sowie nach Maßgabe der besonderen Gesetze die Wahlen zu den für Zwecke der allgemeinen Landesverwaltung angeordneten Behörden und Kommissionen,- er bestellt besondere Kommissionen oder Kommissare für Zwecke der kommunalen Provinzialverwaltung f§ 99).

[21bf. 2 bezog sich auf das Wahlreglement, s. jetzt die in Anm. 1 zu § 32 zitierten Bestimmungen.) [Anträge und Beschwerden] §43.

IX. Der Provinziallandtag ist befugt, Anträge und Be­ schwerden, welche die Provinz oder einzelne Teile derselben be­ treffen, an die Staatsregierung zu richten.

^Allgemeines] § 44. X. Der Drovinziallandtag nimmt die ihm durch Gesetz über­ tragenen sonstigen Geschäfte wahr.

Vierter Abschnitt. Bon dem Provinzialausschusse, seiner Zusammensetzung und seinen Geschäften. Stellung des Provinzialausschusses im allgemeinen. §45. Zum Zwecke der Verwaltung der Angelegenheiten des Provinzialveroandes wird für jede Provinz ein Provinzialaus­ schutz bestellt.

21. östliche Provinsialordnnng (1875).

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Zusammensetzung -es Provinzialausfchusses.

§46. (1) Der Provinzialausschuh besteht aus einem Vorsitzenden und einer durch das Provinzialstatut festzusetzenden Zahl von mindestens sieben bis höchstens dreizehn Mitgliedern. (2) Außerdem ist der Landesdirettor von Amts wegen Mit­ glied des Provinzialausschusses.

Wahl des Vorsitzenden und der Mitglieder des Provinzialausfchusses^).

§47. (1) Der Vorsitzende, die Mitglieder des Provinzialausschusses und aus der Zahl, der letzteren der Stellvertreter des Vorsitzen­ den werden von dem Prövinziallandtage gewählt. (2) Für die Mitglieder ist in gleicher Weise eine mindestens der Hälfte derselben gleichkommende Zahl von Stellvertretern zu wühlen. (3) Die Zahl der Stellvertreter, sowie die Reihenfolge, in welcher dieselben einzuberufeu sind, wird durch das Provinzial­ statut bestimmt. (4) Wählbar ist jeder zum Provinziallandtage wählbare An­ gehörige des Deutschen Reichs (§ 17).

sAbs. 5 aufgehoben durch § 8 bei Gesches vom IG. Juli 1919, GS. S. 129.]

(6) Der Landesdirettor kann zum Vorsitzenden oder stellver­ tretenden Vorsitzenden des Provinzialausschusses nicht gewählt werden.

88 48-50. (Ersetzt durch die in Anm. 1 zu § 32 angeführten Bestimmungen.] (Vercidigung, Tisjiplinarrccht]

§ 51.

(1) Der Vorsitzende des Provinzialausschusses wird vom Oberpräsidenten, dre Mitglieder des Provinzialausschusses wer­ den von dem Vorsitzenden vereidigt und in ihre Stellen einert. Sie können aus Gründen, welche die Entfernung eines lten aus seinem Amte rechtfertigen (§ 2 des Gesetzes vom 21. Juli 1852, Eesetzsamml. S. 465), im Wege des Disziplinar­ verfahrens ihrer Stellen enthoben werden. (2) Für das Disziplinarverfahren gelten die Vorschriften, welche nach Maßaabe des § 98 Nr. 5 gegen den Landesdirektor zur Anwendung kommen.

*) Für das Verfahren gelten die in Anm. 1 zu § 32 zitierten Be­ stimmungen.

21. östliche Provinzialordnung (1875).

21]

Berufung des Provinzialausschusses.

§52. 0) Der Provinzialausschuß versammelt sich, so oft es die Geschäfte erfordern. Die Berufung zu den Versammlungen er­ folgt durch den Vorsitzenden; sie mutz erfolgen auf schriftlichen Antrag des Landesdirektors oder der Hälfte der Mitglieder des Provinzialausschusses. (2) Durch Beschluß des Provinzialausschusses können regel­ mäßige Sitzungstage festgesetzt werden.

Geschäftsordnung deS ProviuzialausschusseS.

lBelchluKfaffuniI

§ 53.

(1) Der Provinzialausschuß kann nur beschließen, wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder, mit Einschluß des Vorsitzenden, anwesend ist. (-) Die Beschlüsse werden nach Stimmenmehrheit gefaßt. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

(Auöschlirtzungl § 54. (1) Betrifft der Gegenstand der Verhandlung einzelne Mit­ glieder oder deren Verwandte und Verschwägerte in auf- und absteigender Linie oder bis zu dem dritten Grade der Seiten­ linie, so dürfen dieselben an der Beratung und Abstimmung nicht teilnehmen. (2) Ebensowenig darf ein Mitglied bei der Beratung und Beschlußfassung über solche Angelegenheiten mitwirken, in welchen es in anderer als öffentlicher Eigenschaft ein Gutachten abgegeben hat oder als Geschäftsführer, Beauftragter oder in anderer als öffentlicher Stellung tätig gewesen ist.

lErsatzbeschlutznahmel § 55. (1) Wird infolge des gleichzeitigen Ausscheidens von mehr als der Hälfte der Mitglieder gemäß § 54 em Provinzialausschuß beschlußunfähig und kann oie Beschlußfähigkeit auch nicht durch Einberufung unbeteiligter Stellvertreter hergestellt wer­ den, so erfolgt die Veschlußnahme durch den Provinziallandtag. (2) Kann die Veschlußnahme nicht bis zum Zusammentritte des Provinziallandtages ausgesetzt bleiben, so ist durch den Ober­ präsidenten aus den unbeteiligten Mitgliedern des Provinzial­ ausschusses beziehungsweise deren Stellvertretern, lowie aus Mitgliedern des Provinziallandtages eine besondere Kommission zu bestellen; dieselbe hat aus einer gleichen Anzahl von Mit­ gliedern wie der Provinzialausschuß zu bestehen.

21. Östliche Provinjialordnung (1875).

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(Teiln, anderer Prov.beamten) § 56. Der Vorsitzende des Provinziallandtages und die dem Landesdirektor zugeordneten oberen Beamten (§§ 87 und 93) können den Sitzungen des Provinzialausschusses mit beratender Stimme beiwohnen. Der Provinzialausschutz kann jedoch beschlietzen, einzelne den Landesdirektor oder die ihm zugeordneten oberen Beamten persönlich berührende Gegenstände in deren Abwesenheit zu verhandeln. (Geschäftsordnung) § >7. .Der Provinzialausschutz regelt seinen Geschäftsgang durch eine Geschäftsordnung. Dieselbe bedarf der Genehmigung des Provinzrallandtages. Geschäfte des ProdinzialauSschuffes.

(Beschlüsse des Prov.landtags) § 58. (1) Dem Provinzialausschusse liegt die Erledigung folgender Geschäfte ob: (2) I. Der Provinzialausschutz hat die Beschlüsse des Pro­ vinziallandtages vorzubereiteu und auszuführen, soweit damit nicht besondere Kommissionen, Kommissorien oder Beamte durch Gesetz oder Beschluß des Provinziallandtages beauftragt find. (Vermögensverwaltung) § 59. II. Der Provinzialausschutz hat die Angelegenheiten des Provinzialverbandes, insbesondere das Vermögen und die An­ stalten desselben nach Matzgabe der Gesetze, der auf Grund von Gesetzen erlassenen sKoniglichenI Verordnungen des Staatsministeriums*) und der von dem Provinziallandtage beschlossenen Reglements (§ 8 Nr. 2), sowie des von diesem festgestellten Haushaltsetats zu verwalten.

(Ernennung der Prov.bcamten) § 60. III. Der Provinzialausschutz hat die Provinzialbeamten zu ernennen, soweit die Ernennung derselben nicht dem Provin­ ziallandtage vorbehalten ist (§ 41) und deren Geschäftsführung zu leiten und zu beaufsichtigen.

(Gutachtliche Tätigkeit) § 61. IV. Der Provinzialausschutz hat sein Gutachten über alle Angelegenheiten abzugeben, welche ihm von den Ministern oder dem Oberpräsidenten überwiesen werden.

l) Gemäß Art. 82 PrV.

21. Östliche Provinzialordnung (1875).

21]

Fünfter Abschnitt. [§§ 62—86 fortgefallen.]

Sechster Abschnitt.

Bon den Provinzialbeamten.

Landesdirektor (Landeshauptmann). (Wahl und Bestätigung]

§ 87.

(1) Zur Wahrnehmung der laufenden Geschäfte der kommu­ nalen Provirnialverwaltung wird ein Landesoirektor (Landes­ hauptmann) bestellt, welcher von dem Provinziallandtage auf mindestens sechs bis höchstens zwölf Jahre zu wählen ist. (2) Der Landesdirektor (Landeshauptmann) bedarf der Be­ stätigung des IKönigs] Staatsministeriums*). Wird die Bestäti­ gung versagt, so schreitet der Provinziallandtag zu einer neuen Wahl. Wird auch diese Wahl nicht bestätigt, so kann der Minister des Innern die kommissarische Verwaltung der Stelle auf Kosten des Provinzialverbandes anordnen. Dasselbe findet statt, wenn der Provinziallandtay die Wahl verweigert oder den nach der ersten Wahl nicht Bestätigten wrederwählt. Die kom­ missarische Verwaltung dauert so lange, bis die Wahl des Pro­ vinziallandtages, deren wiederholte Vornahme ihm jederzeit zusteht, die Bestätigung erlangt hat. (3) Der Prooinzialausschug ist berechtigt, zur Übernahme der kommissarischen Verwaltung geeignete Personen in Vorschlag zu bringen. lStellvertreter] § 88. (1) Für den Fall einer Behinderung des Landesdirektors, sowie im Falle der Erledigung der Stelle desselben bestellt der Provinzialausschuß einen Stellvertreter bis zur Aufnahme der Geschäfte durch den Landesdirektor, beziehungsweise bis zum Eintritte einer kommissarischen Verwaltung nach Maßgabe des 8 87. (2) Weder der kommissarische Vertreter, noch der Stellver­ treter des Landesdirektors sind als solche stimmberechtigte Mit­ glieder des Ausschusses. ^Einführung, Vereidigung] § 89.

Der Landesdirektor (Landeshauptmann) wird von dem Oberpräsidenten in sein Amt eingeführt und vereidigt. ^Zuständigkeit]

§ 90.

(1) Der Landesdirektor (Landeshauptmann) führt unter der Aufsicht des Provinzialausschusses die laufenden Geschäfte der x) Gemäß Art. 82 PrV.

21. Östliche Provinzialordnung (1875).

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kommunalen Provinzialverwaltung. Er bereitet die Beschlüsse des Provinzialsausschusses vor und trägt für die Ausführung derselben Sorge. (2) Er ist der Dienstvorgesetzte sämtlicher Provinzialbeamten. (3) Der Landesdirektor vertritt den Provinzialverband nach auhen in allen Angelegenheiten, insbesondere auch da, wo die Gesetze eine Spezialvollmacht verlangen. Er verhandelt namens des Provinzialverbandes mit Behörden und Privatpersonen, führt den Schriftwechsel und zeichnet alle Schriftstücke.

lllrkrmben, Vollmachten) § 91. (1) Urkunden, mittels deren der Provinzialverband Vervflichtungen übernimmt, müssen unter Anführung des betreffen­ den Beschlusses des Provinziallandtages beziehungsweise des Provinzialausschusses von dem Landesdirektor (Landeshaupt­ mann) und von zwei Mitgliedern des Provinzialausschusjes unterschrieben und mit deut Amtssiegel des Landesdirektors versehen sein. In denjenigen Fällen, in denen es der Genehmi­ gung der Staatsaufsichtsoehörde bedarf, ist dieselbe der Ausfertrguna in beglaubigter Form beizufügen. (2) Dem Provinziallandtage bleibt vorbehalten, für einzelne Berwaltungszweiae und Anstalten in betreff der Vollziehung von Urkunden uno Vollmachten zur Vereinfachung der Geschäfte anderweite statutarische Bestimmung zu treffen. (Mitwirkung unterer Behörden) § 92. Der Landesdirektor (Landeshauptmann) ist befugt, für die Geschäfte der kommunalen Provinzialverwaltuna die vermit­ telnde und begutachtende Tätigkeit oer Kreis-, Amts- und Ge­ meindebehörden in Anspruch zu nehmen. Andere obere Beamte.

§93. (1) Dem Landesdirektor (Landeshauptmann) können nach näherer Bestimmung des Provinzialstatuts zur Mitwirkung bei Erledigung der Geschäfte der gesamten oder einzelner Zweige der kommunalen Provrnzialverwaltung noch andere vom Provinziallandtage zu wählende obere Beamte mit beratender oder beschließender Stimme zugeordnet werden. Sie werden von dem Landesoirektor in ihre Ämter eingeführt und vereidigt. (2) Werden dem Landesdirektor obere Beamte mit beschlietzender Stimme zugeordnet, so hat das Provinzialstatut auch darüber Bestimmung zu treffen, welche der durch dieses Gesetz dem Landesdirektor allein überwiesenen Geschäfte von demselben unter Mitwirkung jener Beamten zu erledigen find.

21. Östliche Provinzialordnung (1875).

21]

Bureau-, Kassen- usw. Beamte der kommunalen Provinzialverwaltung.

§94. Die Stellen der zur Wahrnehmung der Bureau-, Kassenund sonstigen Geschäfte der kommunalen Provinzialverwaltung erforderlichen Beamten werden von dem Provinziallandtage nach Zahl, Diensteinnahme und Art der Besetzung (auf Lebens­ zeit. auf Zeit, auf Kündigung) auf Vorschlag des Provinzial­ ausschusses durch den Haushaltsetat bestimmt. (2) Die Besetzung dieser Stellen erfolgt vorbehaltlich der Bestimmung des § 41 durch den Provinzialausschutz.. Die Be­ amten werden von dem Landesdirektor (Landeshauptmann) in ihre Ämter eingeführt und vereidigt. Sie erhalten ihre Eeschäftsinstruktionen von dem Provinzialausschusse. (1)

Beamte der Provinzialiustitute usw.

§95. (1) über die an den einzelnen Provinzialinstituten und in der Provinzial-Chaussee- und Wegeverwaltung anzustellenden Beamten, sowie über die Art der Anstellung derselben wird durch die für jene Institute und jenen Verwaltungszweig zu erlassen­ den Reglements beziehungsweise die für dieselben festzustellenden Etats bestimmt. (2) Bis zum Erlasse neuer Reglements bleiben die bestehen­ den Reglements in Geltung. Dienstliche Verhältnisse der Provinzialbeamten.

fStechte und Pflichten]

§ 96.

Sämtliche Provinzialbeamte haben die Rechte und Pflichten mittelbarer Staatsbeamten. Die besonderen dienstlichen Verhält­ nisse derselben werden durch ein von dem Provinziallandtage zu erlassendes Reglement geordnet. lMilitärinvaliden]

§ 97.

Hinsichtlich der Besetzung der Stellen von Provinzialbeamten mit Militärinvaliden gelten die in Ansehung der Städte er­ lassenen gesetzlichen Vorschriften*). lTisjiPlinarrecht]

§ 98.

In betreff der Dienstvergehen der Provinzialbeamten finden die Vorschriften des Gesetzes vom 21. Juli 1852 (Eesetzsamml. S. 465) mit folgenden Matzgaben Anwendung: *) An deren Stelle jetzt die in Anm. 1 zu § 134 Ziff. 3 der Kreisordnung (oben S. 327) erwähnten Grundsätze getreten sind.

21. östliche Provinzialordnung (1875).

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1. Gegen den Landesdirektor (Landeshauptmann) und die im § 41 gedachten Provinzialoeamten ist die Festsetzung von Ordnungsstrafen nur tn dem auf Entfernung aus dem Amte gerichteten Verfahren zulässig. 2:. Gegen die übrigen Provinzialbeamten steht die den Ministern und den Provinzialbehörden beigelegte Befug­ nis zur Verhängung von Ordnungsstrafen dem Landesdirettor zu; jedoch dürfen die von ihm festzusetzenden Geld­ bußen den Betrag von dreißig Mark nicht übersteigen. Außerdem steht 3. den Vorstehern von Provinzialanstalten die Befugnis zu, Edle ihnen Nachgeordneten Anstaltsbeamten, mit ahme der oberen Anstaltsbeamten, Geldbußen bis zu zehn Mart festzusetzen. 4. Gegen die DWplinarverfiigungen des Landesdirektors und der Vorsteher von Prooinzialanstalten findet inner­ halb zwei Wochen die Klage bei dem Bezirksausschüsse statt. 5. In dem auf Entfernung aus dem Amte gerichteten Ver­ fahren tritt an die Stelle des Regierungspräsidenten der Landesdirektor und, sofern das Verfahren gegen den letz­ teren selbst oder einen der im § 41 gedachten Provinzial­ beamten gerichtet ist, der Minister des Innern, an die Stelle der Bezirksregierung beziehungsweise des Diszi­ plinarhofes der Bezirksausschuß und an die Stelle des Staatsmmisteriums das Oberverwaltungsgericht. Die Vertreter der Staatsanwaltschaft bei dem Be­ zirksausschüsse und dem Oberverwaltungsgerichte werden vom Minister des Innern ernannt. Die Verhandlung vor dem Bezirksausschüsse und dem Oberverwaltungsgerichte findet im mündlichen Verfahren statt. Das Gutachten des Disziplinarhofes ist nicht einzuholen. Das Verfahren kann mit Rücksicht auf den Ausfall der Voruntersuchung durch Beschluß des Bezirksausschusses eingestellt werden. 6. Die Bestimmung des § 16 Nr. 1 des Gesetzes vom 21. Juli 1852 findet auch auf die Provinzialbeamten, mit Aus­ nahme der im § 41 gedachten, Anwendung. Siebenter Abschnitt. Don den Provinzialkommissionen.

§99. (1) Für die unmittelbare Verwaltung und Beaufsichtigung einzelner Anstalten, sowie für die Wahrnehmung einzelner An­ gelegenheiten des Provinzialverbandes können besondere Kom­ missionen oder Kommissare bestellt werden. Die Einsetzung, die

21. Östliche Provinzialordnung (1875).

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Begrenzung der Zuständigkeit und die Art und Weise der Zu­ sammensetzung derselben hängt von dem Beschlusse des Provin­ ziallandtages ab. Die Wahl der Mitglieder steht dem Drovinzialausschusse zu, sofern sich nicht der Provinziallandtag dieselbe für einzelne Kommissionen oder Kommissare selbst vorbehält. (2) Die Kommissionen oder Kommissare empfangen von dem Provinzialausschusse ihre Eeschäftsanweisung und führen ihre Geschäfte unter der Aussicht desselben.

Schlußbestimmung. (Entschädigung) § 100, (1) Die Mitglieder des Provinziallandtages, des Provinzial­ ausschusses und der Provinzialkommissionen, sowie die gewählten Mitglieder der Provinzial- [unb Bezirks-s rate*) erhalten eine ihren baren Auslagen entsprechende Entschädigung. (2) Uber die Höhe derselben beschließt der Provinziallandtag. Achter Abschnitt. Bon dem Provinzialhaushalte. Ausstellung und Feststellung des Provirrzialhaushaltsetars. (Entwurf, Fkststtllnng) § 101. Uber alle Einnahmen und Ausgaben entwirft der Provin­ zialausschuh einen Haushaltsetat für ein oder mehrere Zahre. Derselbe wird vom Provinziallandtage festgestellt und durch die Amtsblätter der Provinz veröffentlicht.

(Bericht)

§ 102.

Bei Vorlegung des Haushaltsetats hat der Provinzialausfchuß über die Verwaltung und den Stand der Angelegenheiten des Provinzialverbandes Bericht zu erstatten.

(Haushaltsführung) § 103. (1) Der Provinzialausschuß beziehungsweise in Ausführung der Beschlüsse desselben der Landesdirektor (Landeshauptmann) haben dafür zu sorgen, daß der Haushalt nach dem Etat geführt werde. (2) Der Landesdirektor erläßt die Einnahme- und Ausgabe­ anweisungen an die Provinzial- (Landes-) Hauxtkasse. (3) Etatsüberschreitungen und außeretatsmäßiye Ausgaben dürfen nur unter Verantwortung des Provinzralausfchusses stattfinden und bedürfen der Genehmigung des Provinzialland­ tages. x) Die Bezirkäräte sind abgeschafft, § 153 LBG.

21. östliche Provinzialordmmg (1875).

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fJahrtSrechnungen) § 104. (1) Die Jahresrechnungen der Provinzialhauptkasse sowie der Kassen der einzelnen Provinzialanstalten sind von oen Ren­ danten derselben innerhalb vier Monaten nach Schlug des Rech­ nungsjahres zu legen und dem Provinzialausschusse einzureichen. (2) Letzterer hat die Revision der Rechnungen zu veranlassen und dieselben mit seinen Bemerkungen dem Provmziallandtage zur Prüfung, Feststellung und Entlastung vorzulegen. Rach er­ folgter Entlastung^ sind Auszüge aus den Rechnungen durch die Amtsblätter der Provinz zur öffentlichen Kenntnis zu bringen.

§§ 105—113. (Erseht durch das Kreis- und Provinzialabgabengesetz, unten Nr. 22.)

Dritter Titel. Bon der Aussicht über die Verwaltung der Angelegenheiten der Provinzialverbände. (Aufsichtsbehörde, Beschwerde) § 114. (1) Die nach Maßgabe dieses Gesetzes zu handhabende Auf­ sicht über die Verwaltung der Angelegenheiten der Provinzial­ verbände wird von dem Oberprasidenten, in höherer Instanz von dem Minister des Innern geübt. (2) Die Beschwerde an die höhere Instanz ist innerhalb zwei Wochen zulässig. (Aufstchtöführung) § 115. Die Aufsichtsbehörden haben mit den ihnen in diesem Ge­ setze zugewiesenen Mitteln darüber zu wachen, daß die Verwal­ tung den Bestimmungen der Gesetze gemäß geführt und in ge­ ordnetem Gange erhalten werde. (AuSkunftSpflicht) § 116. Die Aufsichtsbehörden sind zu dem Ende befugt, über alle Mtände der Verwaltung Auskunft zu erfordern, die Einsicht kten, insbesondere auch der Haushaltsetats und Jahres­ rechnungen zu verlangen und Geschäftsreviflonen. sowie in der Verbindung mit denselben Kassenrevrsionen an Ort und Stelle zu veranlassen. (Aufsicht über Prov.AuSschuh usw.) § 117. Der Obervräsident ist befugt, an den Beratungen des Pro­ vinzialausschusses und der Provinzialkommissionen entweder selbst oder durch einen zu seiner Vertretung abzuordnenden Staatsbeamten teilzunehmen.

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21. östliche Provinzialordnnng (1875).

^Beanstandung) 8118. (1) Beschlüsse des Provinziallandtages, des Provinzialaus­ schusses oder einer Provinzialtommission, welche deren Befug­ nisse überschreiten oder die Gesetze verletzen, hat der Ober5räsident, entstehendenfalls aus Anweisung des Ministers des innern, unter Angabe der Gründe, mit aufschiebender Wirkung zu beanstanden. (2) Gegen die Verfügung des Oberprästdenten steht dem Provinziallandtage, dem Provinzialausschusse beziehungsweise der Provinzialkommission innerhalb zwei Wochen die Klage bei dem Oberverwaltungsgerichte zu. Dieselben können zur Wahr­ nehmung ihrer Rechte im Verwaltungsstreitverfahren einen be­ sonderen Vertreter bestellen.

IGenehmigung) § 119. Beschlüsse des Provinziallandtages, welche folgende An­ gelegenheiten betreffen: 1. den Erlaß von Statuten gemätz 8 8 Nr. 1 und § 35, (Ziff. 2 ersetzt durch das zu §§ 105 brs 113 zitierte Gesetz, § 33 Ziff. 2] 3. Aufnahme von Anleihen, durch welche der Provinzial­ verband mit einem Schuldenbestande belastet oder der bereits vorhandene Schuldenbestand vergröbert werden würde, sowie Übernahme von Bürgschaften auf den Pro­ vinzialverband, sZiff. 4 ersetzt durch das zu §§ 105 bis 113 zitierte Gesetz, § 33 Ziff. 3] 5. eine neue Belastung des Provinzialverbandes ohne gesetz­ liche Verpflichtung, insofern die aufzulegenden Leistungen über die nächsten fünf Jahre hinaus fortdauern sollen, bedürfen in den Fällen zu 1 der landesherrlichen) Genehmigung des Staatsministeriums*), in den Fällen ju [2 und) 3 der Bestäti­ gung des Ministers des Innern, in den Fällen au [4 und) 5 der Bestätigung der Minister des Innern und der Fmanzen.

(Genehmigung v. Reglements) § 120. (1) Der Genehmigung der zuständigen Minister bedürfen ferner die von dem Provmziallandtage gemätz § 8 Nr. 2, §§ 35 und 95 für folgende Provinzialinstitute und Verwaltungszweige zu beschließenden Reglements: 1. Landarmen- und Korrigendenanstalten, 2. Irren-, Taubstummen-, Blinden- und Jdiotenanstalten,

*) Gemäß Art. 82 PrV.

21. östliche Provinzialordnnng (1875).

[21

3. ; Hebammenlehrinstitute, 4. Provinzialhilfs- und Darlehnskasien, 5. Versicherungsanstalten. (2) Dieser Genehmigung unterliegen jedoch die gedachten Reglements nur insoweit, als sich die Bestimmungen Derselben beziehen: in betreff der zu 1 und 2 gedachten Anstalten auf die Aufnahme, die Behandlung und Entlassung der Land­ armen, Korrigenden, Irren, Taubstummen, Blinden und Idioten beziehungsweise auf den Unterricht derselben, in betreff der Hebammenlehrinstitute zu 3 auf die Auf­ nahme, den Unterricht und oie Prüfung der Schüle­ rinnen, in betreff der Provinzialhilfs- und Darlehnskasien jui 4 auf die Grundsätze, nach denen die Gewährung von Dar­ lehen zu erfolgen hat, in betreff der Versicherungsanstalten zu 5 auf die Organi­ sation und die Verwaltungsgrundsätze. (3) Ungleichen bedarf das im § 96 vorgeschriebene Reglement über die dienstlichen Verhältnisse der Provinzialbeamten der Genehmigung des Ministers des Innern in betreff der Grund­ sätze über dre Anstellung, Entlassung und Pensionierung der Beamten. IZwangSetat) § 121. (1) Unterläßt oder verweigert ein Provinzialverband, die ihm gesetzlich obliegenden, von der Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Zuständigkeit festgestellten Leistungen auf den Haushaltsetat zu bringen oder außerordentlich zu genehmigen, so verfügt der Oberpräsident unter Angabe der Gründe die Eintragung in den Etat beziehungsweise die Feststellung der außerordent­ lichen Ausgaben. (2) Gegen die Verfügung des Oberpräsidenten steht dem Provinzialverbande innerhalb zwei Wochen die Klage bei dem Oberverwaltungsgerichte zu. Zur Ausführung der Rechte des Proyinzialverbandes kann der Provinziallandtag einen beson­ deren Vertreter bestellen.

Auslösung der Provinziallandtage.

§122. (1) Durch Verordnung des Staatsministeriums kann einProvinziallandtag aufgelöst werdens. Es sind sodann Neuwahlen anzuordnen, welche innerhalb drei Monaten vom Tage der Auf-

*) Die Fassung von Abs. 1 Satz 1 folgt au- Art. 82 PrB.

22]

22. Kreis, und Provinzialabgabengefeh (1906).

lösung an erfolgen müssen. Der neuaewahlte Landtag ist inner­ halb sechs Monaten nach erfolgter Auflösung zu berufen. (2) Im Falle der Auflösung eines Provinziallandtages bleiben die von demselben gewählten Mitglieder des Provmzialausschusses und der Provinzialkommissionen bis zum Zusam­ mentritte des neu gebildeten Provinziallandtages in Wirk­ samkeit. Vierter Titel.

Schluß-, Übergangs- und Ausführungs-Bestimmungen. (Inkrafttreten) § 123. Die gegenwärtig Provinzialordnung tritt mit dem 1. Januar 1876 in Kraft.

§§ 124—128. (Enthielten einmalige Übergangsbestimmungen.)

lÜbergangSvorschris!) § 129. Mit dem Tage des Inkrafttretens des gegenwärtigen Gesetzes treten alle mit ben Vorschriften desselben in Widerspruch stehenden oder mit denselben nicht zu vereinigenden gesetzlichen Bestimmungen außer Geltung. lAusführungSbestttnmuugen) § 130. Der Minister des Innern ist mit der Ausführung deS gegenwärti­ gen Gesetzes beauftragt und erläßt die hierzu erforderlichen Anord­ nungen und Instruktionen.

22. Kreis- und provinzial-Abgabengesetz. Dom 23. April 1906 (SS. ©. 159).

Inhalt.

(Mit den sich aus jüngeren Gesetzen ergebenden Abänderungen.)*)

(Vom Gesetzgeber nicht vorgesehen.) Abschnitt 1. Kreisabgaben ......................................§8 1 bis 20a. Abschnitt 2. Provinzialabgaben (Bezirksabgaben) . ... §8 21 biS 33. Schluß- und Übergangsbestimmungen 88 34 bis 36.

*) Insbesondere des Gesetzes zur Änderung des Kommunalab­ gabengesetzes vom 14. Juli 1893 sowie deS Kreis- und Provinzial­ abgabengesetzes vom 23. April 1906 und einiger sonstiger Vorschriften deS kommunalen Abgabenrechts vorn 26. August 1921 (GS. S. 495) und deS Preußischen Aussührungsgesetzes zum Finanzausgleichsgesetz vom 30. Ok­ tober 1923 in der Fassung vom 14. Mai 1927 (GS. S. 63), geändert durch Gesetz vom 27. Mai 1929 (GS. S. 53).

22. ilreut’ Hub Ptovingalabgabengeseh (1906). Abschnitt 1.

[22

KreisaLgaLen.

[Bestenerungörecht)

§ 1. (1) Die Kreise sind berechtigt, zur Deckung ihrer Ausgaben nach den Bestimmungen dieses Gesetzes Gebühren und Beiträge, indirekte und direkte'Eteuern zu erheben. (2) Hinsichtlich der Lhausseegelder') und anderen Verkehrsabgaben, der Jagdscheinabgaben, der Kosten im Verwaltungsstreitund Beschlußverfahren sowie hinsichtlich der Erhebung [ber Be­ triebs-,^) der Wanderlager- und der Warenhaussteuer für Rech­ nung der Kreise bewendet es bei den bestehenden Bestimmungen.

[Nur subsid. Besteuerungi'recht)

§ 2. (1) Die Kreise dürfen von der Befugnis, Steuern zu erheben, nur insoweit Gebrauch machen, als die sonstigen Einnahmen, ins­ besondere aus dem Kreisvermögen, ans Gebühren, Beiträgen und aus den ihnen vom Staate oder von Bezirks- oder Proo'inzialverbänden überwiesenen Mitteln zur Deckung ihrer Aus­ gaben nicht ausreichen. Auf Hundesteuern findet diese Bestim­ mung keine Anwendung. (2) Durch direkte Stenern darf nur der Bedarf aufgebracht werden, welcher nach Abzug des Aufkommens der indirekten Steuern von dem gesamten Steuerbedarfe verbleibt.

[Kommunalbetriebt des Kreises)

§ 3.

(1) Gewerbliche Unternehmungen bet Kreise sind grundsätz­ lich so zu verwalten, daß durch die Einnahmen mindestens dre aesannen, durch die Unternehmung dem Kreise erwachsenden Ausgaben, einschließlich der Verzinsung und der Tilgung des Anlagekapitals, aufgebracht werden. (2) Eine Ausnahme ist zulässig, sofern die Unternehmung zugleich einem öffentlichen Interesse dient, welches andernfalls nicht befriedigt wird.

[Gebühren)

§ 4. (1) Der Kreistag kann beschließen, daß für die Benutzung der von dem Kreise im öffentlichen Interesse unterhaltenen Veran­ staltungen (Anlagen, Anstalten und Einrichtungen) und gemäß 8 6 Aos. 2 des Kommunalabgabengesetzes für die Handlungen seiner Organe besondere Vergütungen (Gebühren) erhoben werdens.

*) Vgl. aber das G. v. 29. Dezember 1927 (GS. S. 295) über die Aufhebung der Brückengelder. 2) S. oben zu § 58 Abs. 1 Satz 2 des Kommunalabgabengesetzes. 3) Abs. 1 i. d. F. d. G. v. 26. August 1921. Bühler, Verwaltungsgesetze.

23

— 353 —

22. ttreiS- und Provinzialabgabengeseh (1906).

22]

(2) Die Gebühren sind im voraus nach festen Normen und Sätzen zu bestimmen. Dabei ist eine Abstufung der Gebühren­ sätze — auch nach Maßgabe der Leistungsfähigkeit — bis zur gänzlichen Freilassung zulässig.

[Beiträge]

§ 5.

(1) Der Kreistag kann beschließen, daß behufs Deckung der Kosten für Herstellung und Unterhaltung von Veranstaltungen, welche durch das öffentliche Interesse erfordert werden, von dentenigen Grundeigentümern und Gewerbetreibenden, denen hierurch besondere wirtschaftliche Vorteile erwachsen, Beiträge zu den Kosten der Veranstaltungen erhoben werden. Die Beiträge sind nach den Vorteilen zu bemessen. (2) Durch Beschluß des Kreistags kann den Beitragspflich­ tigen gestattet werden, die Beiträge ganz oder teilweise durch Naturalleistungen nach bestimmten, vom Kreistage festzustellen­ den Grundsätzen zu ersetzen. (3) Der Plan der Veranstaltung ist nebst einem Nachweise der Kosten offenzulegen. Der Beschluß des Kreistags wegen Erhebung von Beiträgen ist unter der Angabe, wo und während welcher Zeit Plan nebst Kostennachweis zur Einsicht offenliegen, durch das Kreisblatt mit dem Bemerken bekanntzumachen, daß Einwendungen gegen den Beschluß binnen einer bestimmt zu bezeichnenden Frist von vier Wochen bei dem Kreisausschuß an­ zubringen seien. Handelt es sich um eine Veranstaltung, welche nur einzelne Grundeigentümer oder Gewerbetreibende betrifft, so genügt an Stelle der Bekanntmachung eine Mitteilung an die Beteiligten. Der Kreisausschuß hat den Beschluß nebst den dazu, gehörigen Vorverhandlungen und der Anzeige, ob und welche Einwendungen innerhalb der gestellten Frist erhoben sind, der Genehmigungsbehörde — § 19 Ziffer 1 — einzureichen. (4) Der Beschluß der Genehmigungsbehörde ist in gleicher Weise zur Kenntnis der Beteiligten zu bringen, wie der Be­ schluß des Kreistags bekanntgemacht worden ist.

[Indirekte Steuern]

§ 61).

Der Kreis ist befugt, zur Deckung seines Bedarfs einen An­ teil aus den Erträgnissen der indirekten Steuern kreisangehö­ riger Gemeinden zu beanspruchen und selbständig indirekte Steuern einzuführen. Auf die Herbeiführung eines billigen Ausgleichs zwischen den Bedürfnissen der kreisangehörigen Ge­ meinden und des Kreises und auf die Anpassung der beidersei­ tigen Steuerordnungen ist Rücksicht zu nehmen. Bei Streitig­ keiten hierüber beschließt der Bezirksausschuß.

1) I. d. F. des G. vom 26. August 1921.

22. Kreis« und Provinzialabgabengesetz (1906).

sFehlbedarsl

[22

§ 71)2).

[(1) Insoweit als die Überweisungen aus der Reichseinkommen-, Lohn- und Körperschaftssteuer sowie die sonstigen Einnahmen des Krei­ ses seinen Bedarf nicht decken, ist der Fehlbetrag auf die einzelnen Ge­ meinden und Gutsbezirke als Kreisabgaben zu verteilen.

(2) Als Maßstab der Verteilung dienen sje zur Hälftes3): 1. die Höhe der den einzelnen Gemeinden und Gutsbezirken im vor­ vergangenen Jahre zugewiesenen Anteile an den genannten Reichs­ steuern, für das Rechnungsjahr 1921 das Verhältnis der gewähr­ leisteten Mindestbeträge im Sinne des § 56 des Landessteuer­ gesetzes in Verbindung mit § 3 des preußischen Ausführungs­ gesetzes und 2. das Soll der vom Staate veranlagten Realsteuern einschließlich der Betriebssteuern, wie es in Gemeinden nach den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes nach Gemeindebeschlüssen und Ver­ einbarungen mit Steuerpflichtigen der Gemeindebesteuerung zu­ grunde zu legen und in Gutsbezirken gemäß § 13 für die Unter­ verteilung zu veranlagen ist. Soweit in Gemeinden eine Steuer­ art zu den Abgaben nicht herangezogen ist, wird das Steuersoll durch den Kreisausschuß veranlagt.

(3) Maßgebend für die Verteilung nach dem Soll der Realsteuern ist das Steuersoll des dem jedesmaligen Rechnungsjahre vorangegange­ nen Rechnungsjahres nach dem Stande des 1. Januar, und zwar unter Berücksichtigung der bis zu diesem Zeitpunkte festgesetzten Nachveran­ lagungen, Berichtigungen und sonstigen Soll-Veränderungen (Zu- und Abgänge) ohne Unterschied, ob es sich dabei um Steuern für das laufende Jahr oder aus Vorjahren handelt.

(4) Soll-Veränderungen, die erst nach dem 1. Januar festgesetzt werden, sind bei der Berechnung des Solls für das nächste Jahr zu be­ rücksichtigen ]

[Anderer Verteilungsmatzstab)

§ 81).

(1) Der Kreistag kann mittels einer besonderen Satzung be­

schließen, daß als Maßstab für die Verteilung des Fehlbedarfs nach [§ 7 Ziffer 2] §§ 21, 22 Pr. AusfG. z. Neichsfinanzausgleichsaesetz nicht das Soll der staatlich veranlagten Grundvermöaensteuer zugrunde zu legen ist, sondern das Soll, das sich bei Erhebung einer anderen, nach Maßgabe der §§ 25 und 27 des Kommunalabgabengesetzes veranlagten Steuer ergeben würde. *) I. d. F. des G. vom 26. August 1921. 2) § 7 ist zurzeit ersetzt durch das Pr. AusfG. z. FAG., §ß 21, 22. 3) Gestrichen durch G. vom 3. Juni 1922 (GS. S. 126) in Verbin­ dung mit dem G. vom 5. Juli 1923 (GS. S. 301).

22]

22. Kreis, und Provinzialabgabengesetz (1900).

(2) Die Veranlagung hat durch den Kreisausschuß zu er­ folgen. lGenehmigung v. Verteilungen] § 91)2). [Sofern der als Kreisabgabe verteilte Fehlbetrag die im Vorjahr an den Kreis erfolgten Überweisungen aus der Neichs-Einkommen-, Lohn- und Körperschaftsteuer überschreitet, so bedarf die Verteilung der Genehmigung.) lSonderbelastung]

§ 10.

(1) Handelt es sich um Veranstaltungen des Kreises, welche ausschließlich oder in besonders hervorragendem oder geringem Maye einzelnen Kreisteilen zustatten kommen, so kann der Kreistag eine ausschließliche Belastung oder eine nach Umfang und Maßstab näher zu bestimmende Mehr- oder Minderbelastung dieser Kreisteile beschließen. Die Bestimmung im 8 5 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung. (2) Soweit hinsichtlich der Vorausbelastung einzelner Kreis­ teile bei Aufbringung der Kosten für Anlegung oder Unterhal­ tung von Wegen besondere gesetzliche Vorschriften bestehen, be­ hält es dabei sein Bewenden. lverteilung]

§ 11.

(1) Der vom Kreistage festgestellte Kreissteuerbedarf wird [nach Abzug der gemäß § 7 Äbs. 6 besonders veranlagten Steucrbeträge]3)

auf die Gemeinden und Eutsbezirke verteilt. Dabei wird ihnen in den Fällen [des § 7 Abs. 4 und?) des § 8 das Ergebnis der Veranlagung der einzelnen Steuerpflichtigen mitgeteilt. Die Zahlung an die Kreiskommunalkasse hat zu den von dem Kreisausschusse zu bestimmenden Terminen zu erfolgen. (2) Gegen die Verteilung der Kreissteuern steht den Ge­ meinden und Gutsbezirken binnen einer Frist von vier Wochen der Einspruch zu, über welchen der Kreisausschuß beschließt. (3) Mit dem Einsprüche kann die Veranlagung der einzelnen Steuerbeträge, aus denen sich das der Kreisbesteuerung zu­ grunde gelegte Steuersoll zusammensetzt, nur in den Fällen [oes § 7 Abs. 4 und?) des § 8 von den Gemeinden angegriffen werden. 1) I. d. F. d. G. vom 26. August 1921. 2) § 9 einstweilen außer Kraft gesetzt durch § 46 Abs. 3 des Pr. AusfG. z. FAG. 3) Betraf eine Kreiseinkommensteuer. Durch das Neichseinkommensteuergesetz weggesallen. •) § 7 Abs. 4 in der alten Fassung ist in die neue nicht über­ nommen (s. oben zu § 7).

22. Kreis- und Provinzialabgabengesetz (1906).

[22

Ist in den Fällen des § 8 nach Vorschrift der Steuerordnung ein Grundstück nach demjenigen Werte zu veranlagen, welcher der staatlichen Veranlagung dieses Grundstücks zur Ergänzungs­ steuer zugrunde zu legen ist, so kann die Höhe dieses Wertes nicht angegriffen werden, wenn sie aus den Besteuerungsmerkmalen der staatlichen Ergänzungssteuer übernommen ist. ■(4) Gegen den Beschluß des Kreisausschusses findet inner­ halb einer Frist von zwei Wochen die Klage bei dem Bezirks­ ausschüsse statt. Gegen die Entscheidung des Bezirksausschusses ist nur das Rechtsmittel der Revision zulässig. \ä) Durch Einspruch und Klage wird die Verpflichtung zur Zahlung der Kreissteuern nicht aufgeschoben. [Aufbringung)

§ 12.

Die Gemeinden haben den auf sie entfallenden Teil des Kreissteuerbedarss gleich den übrigen Gemeindeausgaben aufzu­ bringen. [Unterverteilung in GntSbezirkenI

§ 13.

(1) In den Gutsbczirkcn wird der auf sie entfallende Teil des Kreis­ steuerbedarfs von dem Kreisausschusse gemäß den für die direkten Ge­ meindesteuern geltenden Bestimmungen des Kommunalabgabengesetzcs s— mit Ausschluß des § 49 Abs. 2 und des § 50 Abs. 1 Satz 2 —J1) sowie des Gesetzes wegen Aushebung direkter Staatssteuern vom 14. Juli 1893 (Gesetz-Samml. S. 119) durch Veranlagung der Steuer­ pflichtigen unterverteilt. Tie Veranlagung erfolgt nach dem vom Kreis­ tage beschlossenen Maßstabe (§§ 9, 8). (2) Wo nach den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen für die Ver­ anlagung oder Erhebung von direkten Gemeindesteuern ein Gemeinde­ beschluß maßgebend ist, tritt an die Stelle eines solchen der Beschluß des Kreisausschusses. IBeschluß üb» d. Erheb. i.GutSbezl § 14.

(1) Der Kreisausschuß beschließt über die Art der Steuererhebung in den Gutsbezirken. (2) Gegen die Heranziehung zur Kreissteuer in den Gutsbezirken steht den Steuerpflichtigen binnen einer Frist von vier Wochen der Ein­ spruch zu, über welchen der Kreisausschuß beschließt. Hinsichtlich der weiteren Rechtsmittel findet § 11 Abs. 4 und 5 dieses Gesetzes An­ wendung. sAbs. 3 durch die Reichseinkommensteuer weggefallen.s i) Betrafen die Einkommensteuer.

22]

22. Kreis- und Provinzialadgabengesetz (1906).

(Auöfallsbeträge] § 15. [(1) Ist in einer Gemeinde oder einem Gutsbezirke das der direkten Kreisbesteuerung zugrunde gelegte Gesamtsteuersoll im Laufe eines Rech­ nungsjahrs durch Abgänge nach Abzug der Zugänge um mehr als 10 Prozent verringert worden, so ist der Mehrbetrag des Ausfalls auf Antrag vom Kreise zu erstatten. Bei geringerem Ausfälle kann der Kreisausschuß auf Antrag Erstattung gewähren*).! sAbs. 2 durch die Reichseinkommensteuer weggefallen.j (Verfahren usw.]

§ 16.

(1) Auf die Rechtsmittel gegen die Heranziehung (Veran­ lagung) zu Gebühren, Beiträgen und indirekten Steuern finden 8 14 Äbs. 2 und § 11 Abs. 4, 5 dieses Gesetzes, auf die Nachforde­ rung, Verjährung und Beitreibung von Kreisabgaben die §§ 87, 88 und 90, auf die rückwirkende Kraft neuer Abgabenordnungen 8 70a des Kommunalabgabengesetzes entsprechende Anwendung^)(2) Die Gemeinden und Eutsbezirke sind zur Wahrnehmung örtlicher Geschäfte der Veranlagung und Erhebung von Kreisab­ gaben nach Anweisung des Kreisausschusses verpflichtet. Im übrigen finden auf diese Veranlagung bie 88 62 und 63 des Kommunalabgabengesetzes entsprechende Anwendung. (Geldstrafen in Steuerordnungen]

§17.

(1) In Abgabenordnungen können Strafen wegen Zuwider­ handlungen bis zur Höhe von 1000 Mark angedroht werden. Für bereits in Kratt getretene Steuerordnungen, die Strafen wegen Zuwiderhandlungen androhen, gilt von dem Inkraft­ treten dieses Gesetzes ab ein Betrag von 1000 Reichsmark als Höchststrafe3*).2 (2) Die Strafen sind durch den Kreisausschuß festzusetzen und nach eingetretener Rechtskraft (8 419*) der Strafprozeßordnung) im Verwaltungszwangsverfahren beizutreiben. (Rechnungsjahr]

§18.

Das Rechnungsjahr für den Kreishaushalt beginnt mit dem 1. April und endigt mit dem 31. März. *) Einstweilen außer Kraft gesetzt durch die in Anm. 2 zu § 7 an­ geführten Bestimmungen. 2) Abs. 1 i. d. F. d. G. vom 26. August 1921. 3) Abs. 1 i. d. F. d. G. vom 26. August 1921. Wegen der Geld­ strafdrohungen s. zu § 79 des KommAbgG., oben Nr. 19. *) Der geltenden Fassung (vom 22. März 1924 — RGBl. IS. 322 —).

22. Kreis« und Provinzialabgabengesetz (1906).

[Genehm, der Kreistagsbeschlüsse^ (1) Beschlüsse

[22

§19.

des Kreistags, welche folgende Angelegen­

heiten betreffen: 1. die Erhebung von Verwaltungsgebühren und Beiträgen (88 4 und 5)1), 2. den Erlaß oder die Abänderung von Steuerordnungen über indirekte Kreissteuern (§ 6), [3. die Heranziehung der einzelnen Steuerarten zu den direkten Kreissteuern mit verschiedenen Prozentsätzen und die Vornahme einer Revision des Verteilungsmaßstabs vor Ablauf eines fünf­ jährigen Zeitraums (§ 9 Abs. 2 und 3)2),]

4. die ausschließliche Belastung und die Mehr- oder Minder­ belastung einzelner Kreisteile (§ 10), [5. die Erhebung direkter Kreissteuern in einem Betrage, welcher 50 Prozent des gemäß § 7 ihnen zugrunde zu legenden Steuer­ solls übersteigt2), ]

6. den Erlaß oder die Abänderung einer Steuerordnung über eine Steuer vom Grundbesitze nach dem Veranlagungsmaßstabe des Wertes (§ 8), bedürfen der Genehmigung des Bezirksausschusses. sSatz 2 ge­ strichen durch Art. II § 5 d. G. v. 8. August 1923, GS. S. 487.] (2) Gegen den auf Beschwerde ergehenden Beschluß des Pro­

vinzialrats steht dem Vorsitzenden aus Gründen des öffentlichen Interesses die Einlegung der weiteren Beschwerde an den Mi­ nister des Innern und den Finanzminister zu. Hierbei finden die Bestimmungen des § 123 des Gesetzes über die Allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 (Gesetzsamml. S. 195) Anwendung. [Zustimmung der Ministers

§20.

(1) Die Genehmigung der unter Ziffer 2 und 6 des § 19 be­

zeichneten Kreistagsbeschlüsse bedarf der Zustimmung des Mi­ nisters des Innern und des Finanzministers. Die Erteilung der Genehmigung oder Zustimmung kann in den Fällen dieser Ziffern auf eine bestimmte Frist beschränkt werden. (2) Die Minister können die Erteilung der Zustimmung auf die Oberpräsidenten übertragen. [Rückwirkung der Genehmigung^

§ 20a3).

Auf die zeitliche Wirkung der Genehmigung findet § 77 Abs. 5 des Kommunalabgabengesetzes Anwendung. 1) Ziff. 1 i. d. F. d. G. vom 26. August 1921. 2) Einstweilen außer Kraft gesetzt durch § 46 Abs. 3 des Pr. AusfG. FAG. 3) Eingefügt durch das G. vom 26. August 1921.

22]

22. Kreis« und Provinzialabgabengesetz (1906).

ProvinzialabgaLen (Bezirksabgaben). § 21. (1) Die Provinzen (Bezirksverbände) sind berechtigt, zur Deckung ihrer Ausgaben nach den Bestimmungen dieses Gesetzes Gebühren, Beiträge und direkte Steuern zu erheben. (2) Hinsichtlich der Chausseegelder und anderen Verkehrsab­ gaben bewendet es bei den bestehenden Bestimmungen. Abschnitt 2.

lBcsteuerungörecht]

(Nur sudsidiäreö BesteucrungSrecht] § 22.

Die Provinzen (Bezirksverbände) dürfen von der Befugnis, Steuern zu erheben, nur insoweit Gebrauch machen, als die son­ stigen Einnahmen, insbesondere aus dem Provinzial- (Bezirks­ verbands-) Vermögen, aus Gebühren, Beiträgen und aus den ihnen vom Staate überwiesenen Mitteln zur Deckung ihrer Aus­ gaben nicht ausreichen. §23. (1) Gewerbliche Unternehmungen der Provinzen (Bezirks­ verbände) sind grundsätzlich so zu verwalten, daß durch oie Ein­ nahmen mindestens die gesamten, durch die Unternehmung der Provinz (dem Bezirksoerband) erwachsenden Ausgaben, einschließlich der Verzinsung und der Tilgung des Anlagekapitals, aufgebracht werden. (2) Eine Ausnahme ist zulässig, sofern die Unternehmung zu­ gleich einem öffentlichen Interesse dient, welches andernfalls nicht befriedigt wird. l Erhebung der Abgaben] §24. (Kommnnalbetriebe d. Provinzen]

(1) Der Provinziallandtag (Kommunallandtag) kann die Erhebung von Gebühren und Beiträgen beschließen, auch deren Festsetzung auf den Provinzial- (Landes-) Ausschuß übertragen. (2) Auf die Gebühren und Beiträge finden die 88 4 und 5 dieses Gesetzes entsprechende Anwendung. [ffetjlbebarf]

§ 251)2).

[(1) Insoweit als die Überweisungen aus der Neichseinkommen-, Lohn- und Körperschaftsteuer sowie die sonstigen Einnahmen der Pro­ vinz ihren Bedarf nicht decken, ist der Fehlbetrag auf die einzelnen Stadt- und Landkreise als Provinzialabgaben zu verteilen. (2) Als Maßstab der Verteilung dienen [je zur Hälfte)3):

J) I. d. F. d. Ä. vom 26. August 1921. 2) § 25 ist zurzeit erseht durch das Pr. AusfG. z. FAG. 3) S. Anm. 3 zu 8 7.

30, 31.

22. Kreis- und Provinzialabgabengesetz (1906).

[22

1. die Höhe der den einzelnen Stadt- und Landkreisen zusammen mit den zugehörigen Gemeinden und Gutsbezirken im vorvergangenen Jahre zugewiesenen Anteile an den genannten Reichssteuern, für das Rechnungsjahr 1921 das Verhältnis der gewährleisteten Min­ destbeträge im Sinne des § 56 des Landessteuergesetzes in Ver­ bindung mit § 3 des preußischen Ausführungsgesetzes; 2. das Soll der vom Staate veranlagten Realsteuern einschließlich der Betriebssteuern, wie es in Gemeinden nach den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes nach Gemeindebeschlüssen und Ver­ einbarungen mit Steuerpflichtigen der Gemeindebesteuerung zu­ grunde zu legen und in Gutsbezirken gemäß § 13 für die Unter­ verteilung zu veranlagen ist. Soweit in Gemeinden eine Steuerart zu den Abgaben nicht herangezogen ist, wird das Steuersoll durch den Kreisausschuß veranlagt.

(3) Maßgebend für die Verteilung nach dem Soll der Realsteuern ist das Steuersoll des dem jedesmaligen Rechnungsjahre vorangegangenen Rechnungsjahrs nach dem Stande des 1. Januar, und zwar unter Be­ rücksichtigung der bis zu diesem Zeitpunkte festgesetzten Nachveranlagun­ gen, Berichtigungen und sonstigen Soll-Veränderungen (Zu- und Ab­ gänge) ohne Unterschied, ob es sich dabei um Steuern für das laufende Jahr oder aus Vorjahren handelt. (4) Soll-Veränderungen, die erst nach dem 1. Januar festgesetzt werden, sind bei der Berechnung des Solls für das nächste Jahr zu berücksichtigen.j

[Genehmigung d. Verteilung) § 261)2). (Sofern der als Provinzialabgabe verteilte Fehlbetrag die im Vor­ jahr an die Provinz erfolgten Überweisungen aus der Reichseinkommen-, Lohn- und Körperschaftsteuer überschreitet, so bedarf die Ver­ teilung der Genehmigung.)

[Sonderbelastung)

§27.

Handelt es sich um Veranstaltungen des Provinzial- (Be­ zirks-) Verbandes, welche ausschließlich oder in besonders hervor­ ragendem oder geringem Maße einzelnen Kreisen zustatten kommen, so kann der Provinzial- (Kommunal-) Landtag eine ausschließliche Belastung oder eine nach Umfang und Maßstab näher zu bestimmende Mehr- oder Minderbelastung dieser Kreise beschließen. Die Bestimmung im § 5 Abs. 2 findet ent­ sprechende Anwendung. >) I. d. F. d. G. vom 26. August 1921. 2) § 26 einstweilen außer Kraft gesetzt durch § 46 Abs. 3 des Pr. AusfG. z. FAG.

22]

22. kreis, und Provin;ialabgabcngeseh (1906).

(Verteilung]

§ 28.

(1) Der vom Provinzial- (Kommunal-) Landtage festgestellte Steuerbedarf wird vom Provinzial- (Landes-) Ausschuß auf die Land- und Stadtkreise verteilt. Die Zahlung an die Provinzial(Bezirks-, Landes-) Hauptkasse hat zu den von dem Provinzial(Landes-) Ausschüsse zu bestimmenden Terminen zu erfolgen. (2) Die Höhe des Steuerbedarfs, die Verteilung auf die Kreise und die für die Zahlung bestimmten Termine sind durch die Amtsblätter der Provinz (der Regierungsbezirke) öffentlich bekanntzumachen. (3) Gegen die Verteilung der Provinzial- (Bezirks-) Steuern steht den Land- und Stadtkreisen binnen einer Frist von vier Wochen der Einspruch zu, über welchen der Provinzial- (Lan­ des-) Ausschuß beschließt. (4) Gegen den Beschluß des Provinzial- (Landes-) Ausschus­ ses findet innerhalb einer Frist von zwei Wochen die Klage bei dem Oberverwaltungsgerichte statt. (5) Durch Einspruch und Klage wird die Verpflichtung zur Zahlung der Provinzial- (Bezirks-) Steuern nicht aufgeschoben. (Aufbringung]

§ 29.

Die Land- und Stadtkreise haben den auf sie entfallenden Teil des Provinzial- (Bezirks-) Steuerbedarfs gleich den übri­ gen Kreis- beziehungsweise Gemeindeausgaben aufzubringen. [Soiiberbeft. f. Hefsen-Nasfau]

§ 30.

Für die Aufbringung von Provinzialsteuern in der Provinz HessenNassau gelten folgende Bestimmungen: 1. Bei der Verteilung der Provinzialstcuern auf die Bezirksverbände findet der § £5 sinngemäße Anwendung*). 2. Die ausschließliche Belastung und die Mehr- und Minderbelastung eines der beiden Bezirksverbände ist ausgeschlossen. 3. Der Provinzialsteuerbedarf wird vom Provinzialausschuß auf die Bezirksverbände verteilt. Tie Zahlung an die Provinzialhaupt­ kasse hat zu den von dem Provinzialausschusse zu bestimmenden Terminen zu erfolgen. . 4. Gegen die Verteilung der Provinzialsteuern steht den Bezirks­ verbänden Einspruch und Klage nach näherer Bestimmung des § 28 Abs. 3 bis 5 zu. 5. Die Bezirtsverbände haben den auf sie entfallenden Teil des Provinzialsteuerbedarss gleich ihren übrigen Ausgaben aufzubringen. i) § 30 Ziff. 1 i. d. F. d. G. vom 26. August 1921.

22. Kreis. und Provinjialabgabengesetz (1906).

[22

[Rechtsmittel, Verfahrens § 31. (1) Gegen die Heranziehung (Veranlagung) zu Provinzial(Bezirks-) Gebühren und Beiträgen steht den Pflichtigen binnen einer Frist von vier Wochen der Einspruch zu, über welchen der Provinzial- (Landes-) Ausschuß beschließt. Im übrigen findet § 28 Abs. 4 und 5 entsprechende Anwendung. (2) Für die Nachforderung, Verjährung und Beitreibung der Gebühren und Beiträge sind die §§ 87, 88 und 90, für die rückwirkende Kraft neuer Abgabenordnungen § 70a des Kom­ munalabgabengesetzes matzgebend'). [Geldstr.iu Abgabenordnungen) § 31a* 2). In Abgabeordnungen der Provinzen können Strafen wegen Zuwiderhandlungen bis zur Höhe von 1000 Reichsmark an­ gedroht werden. [Rechnungsjahrs § 32. Das Rechnungsjahr für den Haushalt des Provinzial- (Be­ zirks-) Verbandes beginnt mit dem 1. April und endigt mit dem 31. März.

[Minist. Genehmigung! § 33. Beschlüsse des Provinzial- (Kommunal-) Landtags be­ ziehungsweise des Provinzial- (Landes-) Ausschusses (§ 24 Abs. 1), welche folgende Angelegenheiten betreffen: 1. die Festsetzung von Verwaltungsgebühren und Beiträgen (§ 24)9, 2. die ausschließliche Belastung und die Mehr- oder Minder­ belastung einzelner Kreise (§ 27), [3. die Erhebung von Provinzial- (Bezirks-) Steuern in einem Be­ trage, welcher 25 Prozent des gemäß § 25 ihnen zugrunde zu legenden Steuersolls übersteigt),]

bedürfen der Genehmigung, und zwar in den Fällen zu 1 und 2 des Ministers des Innern, in den Fällen zu 3 des Ministers des Innern und des Finanzministcrs. Auf die zeitliche Wirkung der Genehmigung findet § 77 Abs. 3 des Kommunalabgabengesetzes Anwendung*). 1) § 31 Abs. 2, § 33 Ziff. 1 i. d. F. d. G. vom 26. August 1921. 2) § 31a eingefügt durch Ö. vom 26. August 1921. s) Ziff. 3 einstweilen ausser Kraft gesetzt durch § 46 des Pr. AusfG. z. FAG. *) Letzter Satz angefügt durch das G. vom 26. August 1921.

22]

22. Kreis- und Provinzialabgadengesetz (1906).

lHohenzollern]

Schlich- und Übergangsbestimmungen. § 34.

Die Vorschriften dieses Gesetzes finden aus die Amts- und Landeskommunalabgaben in den Hohenzollernschen Landen mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß 1. die Gefällsteuer den Grund- und Gebäudesteuern gleichgestellt wird, 2. die für die Hohenzollernschen Lande geltenden besonderen wege­ rechtlichen Bestimmungen durch § 27 nicht berührt werden, 3. der § 20 Abs. 2 außer Betracht bleibt. lInkrafttreten]

§ 35.

Diejenigen Bestimmungen des Gesetzes, welche die Einführung von Gebühren, Beiträgen und indirekten Steuern in den Kreisen betreffen, treten mit dem Tage der Verkündigung, die übrigen am 1. April 1907 in Kraft.

§36. (Enthielt eine einmalige Ubergangsvorschrift.j

(AuSführungsbestimmuttgen)

§37.

Der Minister des Innern und der Finanzminister sind mit der Ausführung dieses Gesetzes beauftragt.

23. Allgemeines Landrecht.

III. polizeirecht. 23. AuS dem Allgemeinen Landrecht für die preußischen Staaten von 1794. (Staat und tinjtlntr]

Eml. §

74.

Einzelne Rechte und Vorteile der Mitglieder des Staats müssen den Reckten und Pflichten zur Beförderung des gemein» schaftlicken Woyls, wenn zwischen beiden ein wirklicher Wider­ spruch (Kollision) eintritt, nachstehn. Einl. § 75. Dagegen ist der Staat denjenigen, welcher seine beson­ deren Rechte und Vorteile dem Wohle des ge­ meinen Wesens aufzuopfern genötigt wird, zu entschädigen gehalten.

(Entschädigung)

(Aufgabe der Polizei)

§ 10 II 17*).

Die nötigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung und zur Abwendung der dem Publikum oder einzelnen Mitgliedern desselben bevorstehenden Gefahr zu treffen, ist das Amt der Polizei.

sBaurechtNche Vorschriften-).) Teil!.

Titel VIII.

Som Eigentum.

B e i Gebäuden. Pflichten des Eigentümers wegen deren Unterhaltung und Wiederher st ellung.

(Denkmäler)

§ 35.

Statuen und Denkmäler, die auf öffentlichen Plätzen errichtet wer­ den, darf niemand, wer er auch sei, beschädigen oder ohne obrigkeitliche Erlaubnis wegnehmen oder einreißen. *) D. h. § 10 in Teil II, Titel 17 des Allg. Landrechts. 2) Die abgedruckten Vorschriften gehören zu den in Art. 89 Ziff. lb des Preuß. AusfG. z. BGB. vom 20. September 1899 (GS. S. 177) ausdrücklich aufrechterhaltenen.

23]

23. Allgemeines Landrecht.

[®eboubc]

§ 36.

Noch weniger dürfen, ohne dergleichen Erlaubnis, Gebäude in den Städten, die . an Straßen oder öffentliche Plätze stoßen, zerstört oder vernichtet werden.

iJnstandhaltungspflichtl

§ 37.

Dergleichen Gebäude muß der Eigentümer, soweit es zur Erhaltung der Substanz und Verhütung alles Schadens und Nachteils für das Publikum notwendig ist, in baulichem Stande unterhalten.

lWiederherstellungspflichtl

§ 58.

Was [in] § 36 u. f. von verfallenen städtischen Gebäuden ver­ ordnet ist, gilt auch von solchen, die durch Feuer oder anderes Unglück zerstöret worden, wenn der bisherige Eigentümer die­ selben innerhalb einer von der Obrigkeit zu bestimmenden Frist nicht wiederherstellen kann oder will.

Einschränkungen des Eigentümers bei dem Baue n. (Die §§ G5—82 sind die gesetzlichen Grundlagen der Baupolizeiverordnungen.s

sBausreiheit]

§ 65.

In der Regel ist jeder Eigentümer seinen Grund und Boden mit Gebäuden zu besetzen oder sein Gebäude zu verändern wohl befugt.

lEinschränkungeni

§ 66.

Doch soll zum Schaden oder zur Unsicherheit des gemeinen Wesens, oder zur Verunstaltung der Städte und öffentlichen Plätze, kein Bau und keine Veränderung vorgenommen werden.

sAnzeigepflichtj

§ 67.

Wer also einen neuen Bau in Städten anlegen will, muß davon zuvor der Obrigkeit zur Beurteilung Anzeige machen.

24. Pr. AuösiihrungSgksetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (1899).

[24

24. Aus dem preußischen Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Dom 20. September 1899 (®®. S. 177). Art. 8. Verjährung gewisser löffentlich-rechtlicherj Ansprüche.

81. In vier Jahren verjähren: 1. die Ansprüche der Kirchen, der Geistlichen und der son­ stigen Kirchenbeamten wegen der Gebühren für kirchliche Handlungen; 2. die Ansprüche auf Zahlung der von einer Verwaltunbsbehörde, einem Verwaltungsgericht oder einer Auseinandersetzungsbehörde nicht oder zu wenig eingezogenen Kosten; 3. die Ansprüche der Ortsbehördcn wegen der Gebühren für Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit oder für ihre Tätigkeit als gerichtliche Hilfsbeamte; 4. die Ansprüche aus Rückerstattung von Kosten, die von einer öffentlichen Behörde mit Unrecht erhoben sind; 5. die Ansprüche aus Rückstände von Verkehrsabgaben, die infolge einer besonderen Berechtigung an Privatpersonen zu entrichten sind.

8 2. Auf die Verjährung finden die Vorschriften des Bürger­ lichen Gesetzbuches und des Art. 169 Abs. 1 des Einführungs­ gesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuchs mit folgenden Maßgaben Anwendung: 1. Die Verjährung beginnt, unbeschadet der Vorschrift des 8 201 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, für die im 8 1 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Ansprüche mit dem Schlüsse des Jahres, in welchem die Gebühren oder Kosten fällig werden, für die im 8 1 Nr. 4, 5 bezeichneten Ansprüche mit dem Schlüsse des Jahres, in welchem der Anspruch entsteht. 2. Soweit die im § 1 Nr. 1, 2 bezeichneten Gebühren und Kosten der Beitreibung im Verwaltungszwangsverfahren unter­ liegen, wird die Verjährung auch durch eine an den Zahlungspflichtißen erlassene Aufforderung zur Zahlung und durch die Bewilligung einer von ihm nachgesuchten Stundung unter­ brochen. Wird die Verjährung unterbrochen, so beginnt eine neue Verjährung nicht vor dem Schlüsse des Jahres, in welchem

25]

25. Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit (1850).

der für die Beendigung der Unterbrechung maßgebende Zeit­ punkt eintritt, und im Falle der Bewilligung einer Stundung nicht vor dem Schlüsse des Jahres, in welchem die bewilligte Frist abläuft.

Art. 11. Zahlungen aus öffentlichen Kaffen. Zahlungen aus öffentlichen Kassen sind, wenn nicht ein anderes bestimmt ist, an der Kasse in Empfang zu nehmen.

25. Gesetz zum Schutze der Persönlichen Freiheit. Dom 12. Februar 1850 (GS. S. 45). sDie §§ 1—5 und 11—13 dieses Gesetzes sind durch die Straf­ prozeßordnung §§ 102—109 und 112—115 überholt. In Geltung ge­ blieben und auch durch die neue Neichsverf. nicht überholt, vielmehr als die in Art. 114 und 115 vorbehaltene gesetzliche Regelung aufzufassen, sind die nachstehenden Bestimmungen.)

lSchutzhaft]

§ 6.

Die im § 3 genannten ^Polizei-] Behörden, Beamten und Wachtmannscyaften sind befugt, Personen in polizeiliche Verwahrung zu nehmen, wenn der eigene Schutz dieser Personen oder die Aufrechthaltung der öffent­ lichen Sittlichkeit, Sicherheit und Ruhe diese Maßregel dringend erfordern. Die polizeilich in Verwah­ rung genommenen Personen müssen jedoch spätestens im Lause des folgenden Tages in Freiheit gesetzt oder es mutz in dieser Zeit das Erforderliche veranlaßt werden, um sie der zuständigen Behörde zu überweisen. lllnverletzlichkeit der Wohnung]

§ 7.

Zn eine Wohnung darf wider den Willen des Inhabers niemand eindringen, außer auf Grund einer aus amtlicher Eigenschaft folgenden Befugnis oder eines von einer gesetzlich dazu ermächtigten Behörde erteilten Auftrags. ltzindringeu bei Nacht]

§ 8.

Das Eindringen in die Wohnung während der Nachtzeit ist verboten*). Die Nachtzeit) umfaßt für die Zeit vom 1. Oktober n Vgl. § 104 StrPO.

[26

26. PolizeiverwaltungSgeseh (1850).

bis 31. März die Stunden von 6 Uhr abends bis 6 Uhr morgens und für die Zeit vom 1. April bis 30. September die Stunden von 9 Uhr abends bis 4 Uhr morgens. (Ausnahmen von § 8]

§ 9.

Das Verbot, in eine Wohnung zur Nachtzeit einzudringen, begreift nicht die Fälle einer Feuers- oder Wassersnot, einer Lebensgefahr oder eines aus dem Inneren der Wohnung her­ vorgegangenen Ansuchens; es bezieht sich nicht auf die Orte, in welchen während der Nachtzeit das Puolikum ohne Unterschied zngelassen wird, solange diese Orte dem Publikum zum ferneren Eintritt oder dem eingetretenen Publikum zum ferneren Ver­ weilen geöffnet sind. (Weitere Ausnahmen von § 8]

§ 101).

Zum Zweck der Wiederergreifung eines entsprungenen Ge­ fangenen darf der verfolgende oder zugezogene Beamte, in­ gleichen die verfolgende oder zugezogene Wachtmannschaft, auch zur Nachtzeit in eine Wohnung eindringen. Außerdem darf zum Zwecke der Verhaftung oder vorläufigen Festnahme der ver­ folgende Beamte nur dann zur Nachtzeit in eine Wohnung ein­ dringen, wenn dringende Gründe dafür sprechen, das; bei längerer Verzögerung der Verfolgte sich der Festnahme ganz entziehen werde.

26. Gesetz über die Polizei-Verwaltung. Dom 11. März 1850 (GS. ©. 265). sDas Gesetz regelt die Organisation der Polizei (Grundsatz der Polizei als Staatsfunktion § 2) und das Polizeiverord­ nungsrecht, namentlich umschreibt es in seinem wichtigen § 6 die zu­ lässigen Gegenstände von Ortspolizeiverordnungen. Seine Bestimmungen über das formelle Polizeiverordnungsrecht sind großenteils überholt durch das Landesvcrwaltungsgesetz (oben Nr. 2). Für polizeiliche Verfü­ gungen gilt das Gesetz nicht unmittelbar, nach der Rechtsprechung des OVG. ist aber seine Umschreibung des Bereichs der Polizeiverordnungen der Sache nach auch für polizeiliche Verfügungen maßgebend.! 1) Hier wiedergegeben, soweit nicht auch durch die StrPO. und die Neichssteuergesetzgebung überholt.

Bühler, BerwaltungSgesehe.

24

26]

20. Polizeiverwaltungsgesetz (1850).

[Crt?polijti]

§ 1.

(1) Die örtliche Polizeiverwaltung wird von den nach den Vorschriften der Gesetzes dazu bestimmten Beamtens im Namen des [Königs] Staates geführt — vorbehaltlich der im § 2 des gegenwärtigen Gesetzes vorgesehenen Ausnahme. (2) Die Ortspolizeibeamten find verpflichtet, die ihnen von der vorgesetzten Staatsbehörde in Polizeiangelegenheiten er­ teilten Anweisungen zur Ausführung zu bringen. (3) Jeder, der sich in ihrem Verwaltungsbezirke aufhält oder daselbst ansässig ist, mutz ihren polizeilichen Anordnungen Folge leisten. sStaatliche Polizeiverwaltungen]

§ 2.

In Gemeinden, wo sich eine Vezirksregierung oder ein Land­ gerichts befindet, sowie in Festungen und in Gemeinden von mehr als 10 000 Einwohnern, kann die örtliche Polizeiverwal­ tung durch Beschluß des Ministers des Innern besonderen Staatsbeamten übertragen werden. Auch in anderen Gemeinden kann aus dringenden Gründen dieselbe Einrichtung zeitweise eingeführt werden?). [tpolijettoftcn]4 * ;25 3

§ 3.

Die Kosten der örtlichen Polizeiverwaltung sind, mit Aus­ nahme der Gehälter der von der Staatsregierung im Falle der Anwendung des § 2 angestellten besonderen Beamten, von den Gemeinden zu bestreiten. [Sefonbere Vorschr. des Reg.Präs.]

§ 4.

Uber die Einrichtungen, welche die örtliche Polizeiverwaltuny erfordert, kann der Regierungspräsident) besondere Vorschriften erlassen. sSatz 2 veraltet.) (1)

Die ursprüngliche Fassung sprach von Gemeindeordnung und erwähnte einzelne Gemeindebeamte. 2) Die ursprüngliche Fassung ist veraltet. 3) Für die Reg.-Bez. Münster, Arnsberg und Düsseldorf wurde durch Gesetz vom 19. Juli 1911 (GS. S. 147) die Ermächtigung deS § 2 Satz 1 auch auf Gemeinden und Gutsbezirke schlechthin ausgedehnt, für den Reg.-Bez. Oppeln geschah dasselbe durch G. v. 19. Juni 1912 (GS. S. 182). Seit 1919 hat der Innenminister von diesen Befugnissen in weitestgehendem Maße Gebrauch gemacht, sodaß Anfang 1930 in 45 Städten mit etwa 16 Millionen Einwohnern staatliche Polizeiverwalrung bestand. 4) S. das Gesetz v. 2. August 1929, unten Nr. 27. 5) Dieser ist insoweit an die Stelle der Bezirksregierung getreten, § 18 LBG.

26. PoliitwtrwaHungögcsetz (1850).

[26

(2) Die Ernennung aller Polizeibeamten, deren Anstellung den Gemeindebehörden zustcht, bedarf der Bestätigung der Staatsregierung. [Ortöpoli;eiverordnungen)

§ 5.

(1) Die mit der örtlichen Polizeiverwaltung beauftragten Behörden sind befugt, nach Beratung mit dem Gemeindevorstande') ortspolizeiliche, für den Umfang der Gemeinde gültige Vorschriften zu erlassen und gegen die Nichtbefolgung derselben Geldstrafen bis zum Betrage von 150 Reichsmark?) anzudrohen. (Abs. 2 iucMcjaUcn, f. Amu. 2.] (3) Die Regierungspräsidenten^) haben über die Art der Verkündung der ort'spolizeilichen Vorschriften, sowie über die Formen, von deren Beobachtung die Gültigkeit derselben ab­ hängt, die erforderlichen Bestimmungen zu erlassen.

[Gegenstände d. C. P. Wtrorb.)

§ 6.

Zu den Gegenständen der ortspolizeilichen Vorschriften gehören: a) der Schutz der Personen und des Eigentums; b) Ordnung, Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf öffentlichen Strasten, Wegen und Plätzen, Brücken, Ufern und Gewässern; c) der Marktverkehr und das öffentliche Feilhalten von Nah­ rungsmitteln; d) Ordnung und Gesetzlichkeit bei dem öffentlichen Zu­ sammensein einer größeren Anzahl von Personen; e) das öffentliche Interesse in bezug auf die Aufnahme und Beherbergung von Fremden; die Wein-, Bier- und Kaffee­ wirtschaften und sonstige Einrichtungen zur Verabreichung von Speisen und Getränken; f) Sorge für Leben und Gesundheit; g) Fürsorge gegen Feuersgefahr bei Bauausführungen, sowie gegen gemeinschädliche und gemeingefährliche Handlungen, Unternehmungen und Ereignisse überhaupt; h) Schutz der Felder, Wiesen, Weiden, Wälder, Baumpflan­ zungen, Weinberge usw.; *) Vgl. dazu § 143 LVG. 2) Art. I, m der VO. über die Vermögenrstrafen, Geldstrafen und Butzen, vom 6. Februar 1924 (NGBl. I S. 44). s) S. § 144 Abs. 2 LVG.

26]

26. PolizeivervaltungSgksetz (1850).

i) alles andere, was im besonderen AnteressederGemeindenund ihrer Angehörigen polizeilich geordnet werden muß*1)-2 3 4

§ 7. Zu Verordnungen über Gegenstände der landwirtschaftlichen Polizei ist die Zustimmung der Gemeindevertretung-) erforder­ lich. Die Beratung erfolgt unter dem Vorsitze des mit der ört­ lichen Polizeiverwaltung beauftragten Beamten.

(Zustimmung der Gem.Vcrtr.)

§ 8. Von jeder ortspolizeilichen Verordnung ist sofort eine Ab­ schrift an die zunächst vorgesetzte Staatsbehörde einzureichen.

(Abschrift der Verordnung)

*) Ergänzend u. a. das Gesetz, betreffend die Befugnis der Polizeibehörden zum Erlasse von Polizei­ verordnungen über die Verpflichtung zur Hilfeleistung bei Bränden. Vom 21. Dezember 1904 (GS. S. 291). (Einziger Paragraph.) (1) Soweit das Feuerlöschwesen nicht durch Ortsstatut geregelt ist, können Polizeiverordnungen über die Verpflichtung der Einwohner zur persönlichen Hilfeleistung bei Bränden, insbesondere zum Eintritt in eine Pflichtfeuerwehr, über die Regelung der hiermit verbundenen per­ sönlichen Dienstpflichten, über die Gestellung der erforderlichen Gespanne und über die Verpflichtung zur Hilfeleistung bei Bränden in der Um­ gegend, erlassen werden. (2) Solche Polizeiverordnungen gehören im Sinne des § 143 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 (Gesetzsamml. S. 195) nicht zum Gebiete der Sicherheitspolizei. (3) Sie treten außer Kraft, soweit das Feuerlöschwesen durch ein Ortsstatut geregelt wird. (4) Das Ortsstatut ist an die Bestimmungen des § 68 des Kom­ munalabgabengesetzes vom 14. Juli 1893 (Gesetzsamml. S. 152) nicht gebunden. Hingewiesen sei ferner auf die Ermächtigung zum Erlaß von Polizeiverordnungen in folgenden Spezialgesetzen: Berunstaltungsgesetz von 1902, wiedergegeben oben Nr. 28 bei § 8. Gesetz über die Regelung des Körwesens und des Pserdrrennwrsens durch Polizeiverordnungen vom 4. August 1922, GS. S. 225 (mit Ände­ rung durch Gesetz vom 15. März 1927, GS. S. 37). Moorschutzgesetz vom 20. August 1923 (GS. S. 400) § 2. Gesetz zur Erhaltung des Baumbestandes und Erhaltung und Frei­ gabe von Uferwegen tm Interesse der Volksgesundheit vom 29. Juli 1922 (GS. S. 213). -) Vgl. dazu § 143 LVG.

26. Poli;eioerwaltungsgksetz (1850).

§§

[26

10.

IBetr. Änderung und Aushebung der Polizeiverordnungcn, sind er­ setzt durch § 145 LBÄ.s

§11. sBctr. Polizciverordnungsgcwalt des Ncgicrungspräsidenten, ist er­ setzt durch § 137 Abf. 2 LBG.f [Zuständigkeit des Neg.Präs.)

§ 12.

Die Vorschriften der Regierungspräsidenten') (§ 11) können sich auf die im § G dieses Gesetzes angeführten und alle anderen Gegenstände beziehen, deren polizeiliche Regelung durch die Verhältnisse der Genieinden oder des Bezirks erfordert wird.

§13. Msctzt durch § 139 1'18(3.]

§14. Tie Befugnis der Bczirksrcgicrungcn, sonstige allgemeine Verbote und Strafbestimmungen in Ermangelung eines bereits be­ stehenden gesetzlichen Verbotes mit höherer Genehmigung zu erlassen, ist aufgehoben.

§15. Es dürfen in die polizeilichen Vorschriften (§§ 5 und 11) keine Bestimmungen ausgenommen werden, welche mit den Gesetzen oder den Verordnungen einer höheren Instanz im Widersprüche stehen. [Aufhebung durch den M. d. 3.J

§ 16.

(1) Der Minister des Innern ist befugt, soweit Gesetze nicht entgegenstehen, jede polizeiliche Vorschrift durch einen förmlichen Beschluß außer Kraft zu setzen. (2) Die Genehmigung des sKönigsj Ctaatsministeriums^) ist hierzu erforderlich, wenn die polizeiliche Vorschrift von dem IKönlges Staatsministerium-) oder mit dessen Genehmigung er­ lassen war. [Nachprüfung d. Gesetzmäßigkeit)

§ 17.

Die Strafgerichte haben über alle Zuwiderhandlungen gegen polizeiliche Vorschriften (§§ 5 und 11) zu erkennen, und 9 S. Anm. 5 zu § 4. 2) Gemäß Art. 82 PrV.

27]

27. Polizeitostengesetz (1929).

dabei nicht die Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit, sondern nur die gesetzliche Gültigkeit jener Vorschriften nach den Bestim­ mungen der §§ 5, 11 und 15 dieses Gesetzes in Erwägung zu ziehen.

§ 18.

[(krsatzsreiheitsstrase)

Für den Fall des Unvermögens des Angeschuldigten ist aus verhältnismäßige Haftstrafe') zu erkennen. [3av 2 weggcfallen, L Sinnt. 3.1

[filtere Polizeiverordnungen)

§ 19.

Die bisher erlassenen polizeilichen Vorschriften bleiben so lange in Kraft, bis sie in Gemäßheit dieses Gesetzes aufgehoben werben.

§29. (Infolge §§ 132, 133 LVG. veraltet.)

§ 21.

[Schluhbestimmung)

Alle diesem Gesetze entgegenstehenden Bestimmungen sind aufgehoben.

27. Polizeikostengesetz. Dom 2. August 1929 (GS. S. 162). (Das Gesetz regelt unter Scheidung von unmittelbaren und mittel­ baren Polizeikosten die Verteilung der Kosten der Ausübung der Polizei zwischen Staat und Gemeinde und zwischen mehreren Gemeinden. Die wichtigsten Neuerungen der Regelung von 1929 gegenüber derjenigen von 1908 sind in § 3 enthalten.)

[Nnmittelb. u. mittelb. Pol.-Kosten)

§ 1.

(1) Unmittelbare Kosten der örtlichen Polizeiverwal­ tung sind sämtliche persönlichen Bezüge (einschließlich der Ruheeer, Wartegelder und Versorgungsbezüge) der Polizei­ en, der bei der Polizei beschäftigten Angestellten und ArA) Zuwiderhandlungen gegen polizeiliche Vorschriften sind stets Über­ tretungen im S. v. § 1 des Neichsstrafgesetzbuchs. Daher kommt als Ersatzfreiheitsstrafe nur Haft in Frage. Die Bemessung und der Höchst-betrag (6 Wochen) richten sich nach § 29 NStrGB.

27. PoliltikosltUjitsklj (1929).

[27

beiter und der Beamten des Nachtwachdienstes, Witwen- und Waisengelder für Hinterbliebene dieser Beamten, Tagegelder, Neise- und Umzugstosten, Wohnungs- und Notstandsbeihilfen, Unterstützungen, Ausgaben auf Grund der Reichsversicherungsgesetzgebung, aus Haftpflichtfällen, zur Beschaffung, Anmietung und Unterhaltung aller Liegenschaften, die polizeilichen Zwecken dienen, einschließlich der Ginrichtungsgegenstände, Kosten für Verpflegung, Bekleidung, Ausrüstung und ärztliche Behandlung, Bildung, Fürsorge, Unterricht und Leibesübung, für Geschäfts­ bedürfnisse, Polizeigefängniskosten, Kosten der örtlichen Schlacht­ vieh- und Fleischbeschau sowie alle sonstigen Ausgaben, welche entstehen, um die Polizeibehörde zum Erlaß ihrer Anordnungen instand zu setzen, und die Kosten der Anordnungen selbst. (-) Mittelbare Polizeitosten der örtlichen Polizeiver­ waltung sind solche, die infolge der Verwaltungstätigkeit der Polizei zur Herstellung polizeimäßiger Zustände m der Außen­ welt entstehen. ((Srundsiihl. Kostenvcrtkilnnq) § 2. (1) Die unmittelbaren und mittelbaren Kosten der örtlichen Polizeiverwaltung werden von den Gemeinden und den Gemeindeverbänden, welche einen Ortspolizeibezirt bilden, ge­ tragen- ihnen fallen auch die Einnahmen aus der örtlichen Po­ lizeiverwaltung zu. (2) Soweit in Gemeinden und Gemeindeverbänden die ört­ liche Polizeiverwaltung von einer staatlichen Behörde geführt wird oder sich- daselbst staatliche Einrichtungen für Aufgaben der örtlichen Polizeiverwaltungen, insbesondere staatliche Polizei­ bereitschaften und Kommandos oder einzelne staatliche Polizei­ beamte befinden, bestreitet der Staat die durch die staatliche Verwaltung und die Verwendung staatlicher Beamter entstehen­ den unmittelbaren Polizeikosten. Er erhebt alle Einnahmen, die aus den von ihm zu erledigenden polizeilichen Aufgaben ent­ stehen. (3) Die Kosten für die Einrichtung und Unterhaltung von Richtungsschildern (Wegweisern), Gefahrentafeln, von polizei­ lichen Gebots- und Verbotstafeln, der Bezeichnung von Straßen verschiedener Ordnung, von Einbahnstraßen, Parkplätzen und Ubergangswegen, der Signaleinrichtungen und Verkehrstürme einschließlich der Stromkosten für den Betrieb der Verkehrs­ signale, sowie die Kosten aller derartigen im Interesse der Leich­ tigkeit und Sicherheit des Verkehrs erforderlichen Einrichtungen, Anlagen und baulichen Maßnahmen trägt der Wegeunterhaltungsvflichtige. Alle derartigen Einrichtungen sind dem Wege­ unterhaltungspflichtigen, soweit sie nicht schon bisher in seinem

27]

27. Poliztilostengtsetz (1929).

Eigentums standen, unentgeltlich zu überlassen. Art, Umfang und technische Ausgestaltung der Einrichtungen richten sich nach den Anforderungen der Verkehrspolizeibehörde nach einheitlich vom Minister des Innern zu erlassenden Vorschriften.

lGem.znschüsst bei staatl.Pol.Verw.j § 3. (1) Zu den dem Staate gemäß § 2 Abs. 2 zur Last fallenden Kosten der örtlichen Polizeiverwaltung leisten die Gemeinden, in denen die örtliche Polizeiverwaltung von einer staatlichen Behörde geführt wird, einen Beitrag. Als örtliche Polizeiver­ waltung, jedoch nicht als staatliche Behörde im Sinne dieses Ge­ setzes, ist der Landrat m der Provinz Hannover und der Distriktskommissar in der Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen, als Ortspolizeibezirt im Sinne des § 4 dieses Gesetzes ist in beiden Landesteilen die Gemeinde anzufehen. (2) Für das Rechnungsjahr 1930 sind 48 Millionen als Beitrag zu zahlen. Für die folgenden Rechnungsjahre ändert sich der Beitrag in demselben Verhältnis, in dem die um die Ist­ einnahmen verminderten Istausgaben des Staates für die Po­ lizei im jeweils vorangegangenen Rechnungsjahre zu denen für das Rechnungsjahr 1927 stehen. Die Höhe wird jeweils durch die Minister des Innern und der Finanzen endgültig festgesetzt. Hierbei sind die Einnahmen und Ausgaben der Polizei in oem Verhältnisse der Gesamtzahl des Etats der Polizeibeamten zu dem der Landjägereibeamten zu kürzen. Von der Gesamtzahl der Landjäaereibeamten sind jedoch die in verstaatlichten Poli­ zeibezirken stationierten Landzägereibeamten aozurechnen. (3) Der Beitrag wird auf die beteiligten Gemeinden zur' Hälfte nach der Bevölkerungszahl im Sinne der für die Ver­ teilung der Reichseinkommen- und Körperschaftsteuer auf die Gemeinden maßgebenden Bestimmungen des Preußischen Aus­ führungsgesetzes zum Finanzausgleichsgesetze, m Hälfte nach Maßgabe der Beträge verteilt, die ihnen nach dem Stande des 31. März aus dem reinen Eemeindeanteil an Einkommen- und Körperschaftsteuer nach den reichsrechtlichen Rechnungsanteilen für das vorangegangene Rechnungsjahr rechnerisch zugeflossen wären, soweit diese Rechnungsantelle den Berechnungen für die landesrechtlicke Verteilung der Einkommen- und Körperschaft­ steuer zugrunde gelegt worden sind. Der Beitrag ist in viertel­ jährlichen Raten im voraus zu entrichten. (4) Soweit die örtliche Polizeiverwaltung nur für Teile eines Eemeindebezirkes von einer staatlichen Behörde geführt wird, ist der auf die Gemeinde entfallende Beitrag nur nach der Bevölkerungszayl (Abf. 3) des verstaatlichten Eemeindeteils und nach den im Verhältnisse der Eesamtbevölkerungszahl

27. Poliicikoslkttgtsch (1929).

[27

(Abs. 3) zu der Bevölkerungszahl (Abs. 3) des verstaatlichten Gemeindeteils gekürzten Neichseinkommen- und Körperschaft­ steuerbeträgen (Abs. 3) zu berechnen.

[eonbcrfädc]

§ 4.

(1) Die Kosten der Ausführung eines ihr von der poli­ zeilichen Aufsichtsbehörde erteilten polizeilichen Auftrags trägt die örtliche Polizeiverwaltung. (2) Bei vorübergehender Verwendung von Polizeibeamten in einem anderen Ortspolizeibczirke sind alle aus dieser Ver­ wendung entstehenden Mehrkosten als Polizeikosten desjenigen örtlichen Polizeibezirkes anzusehen, in dem die Beamten Ver­ wendung finden. Vorstehende Bestimmung findet keine Anwen­ dung auf die Verwendung doii Landjägereibeamten innerhalb der Landgemeinden desjenigen Landkreises, dem die Beamten zugcteilt sind. (3) Dient der Zweck eines von der volizeilichen Aufsichts­ behörde erteilten polizeilichen Auftrags (Abs. 1) oder der vor­ übergehenden Verwendung von Polizeibeamten in einem ande­ ren Ortspolizeibezirt (Ab). 2) seiner Art nach überwiegend der Aufrechterhaltung der Staatssicherheit oder der öffentlichen Nuhe, Sicherheit und Ordnung eines über den Bereich einer örtlichen Polizeiverwaltung hinausgehcnden Gebiets, so sind die Mehrkosten dieses Auftrags oder dieser auswärtigen Verwen­ dung auf Antrag der betreffenden örtlichen Polizeiverwaltung auf oie Staatskasse zu übernehmen. (4) Werden Polizeibeamte zur Erfüllung polizeilicher Auf­ gaben vorübergehend in einer Ortschaft untergebracht, in der keine staatliche Unterkunft vorhanden ist oder die vorhandene nicht ausreicht, so hat die Gemeinde ihnen gegen Entschädigung Unterkunft zu gewähren. (5) Den zur Probedienstleistung in der Gemeindepolizei ab­ geordneten Schutzpolizeibeamten sind Dienstbezüge in der Höhe zu gewähren, wie sie den in andere Dienstzweige der staatlichen Polizei übernommenen kündbaren Schutzpolizeioeamten zustehen. Die Gemeinde hat diesen Beamten ferner für die Dauer des Probedienstes die Wohnungsbeihilfe und im Falle ihrer end­ gültigen Anstellung im Eemeindedienste die Umzugskosten, beide Bezüge in der Höhe zu gewähren, wie sie gleichbesoldeten Staatsbeamten zustehen.

[Gemeindkgebäude f.staatl.Poli)tij

§ 5.

Gemeinden und Eemeindeverbände, in denen die örtliche Polizeiverwaltung einer staatlichen Behörde oder einem Staats­ beamten übertragen worden ist oder wird, sind verpflichtet, die

27]

27. Polizeikostengesetz (1929).

Grundstücke, Gebäude, Gebäudeteile, Einrichtungen und Geräte, die schon zuvor den Zwecken der örtlichen Polizeiverwaltung gedient haben, auf Anfordern dem Staate gegen angemessene Entschädigung nach Bedarf zur Verfügung zu stellen. T)ie Über­ lassung der vorhandenen Akten und Karteien geschieht unent­ geltlich. Die Gemeinden bleiben ferner verpflichtet, die in ihrem Eigentume stehenden Grundstücke, Gebäude, Gebäudeteile, Einrichtungen und Geräte, die bereits beim Inkrafttreten des Polizeikostengesetzes vom 3. Juni 1908 (Gesetzsamml. S. 149) den Zwecken der staatlichen Ortspolizeioerwaltung unentgelt­ lich dienten, auch ferner für die Dauer des Bedarfs der staat­ lichen Ortspolizeibehörde für diese Zwecke unentgeltlich zu be­ lassen.

§6. Die bestehenden Verträge über die Her gäbe von Grund stücken usw. (§ 5) zur Benutzung für die staatlichen Ortspolizeiverwaltungen werden durch die Bestimmungen dieses Gesetzes nicht berührt.

(AllSschllchsrist für Ansprüche)

§ 7.

Alle geldlichen Ansprüche aus diesem Gesetz erlöschen, wenn sie nicht innerhalb zweier Jahre, nachdem die oen Anspruch be­ gründenden Tatsachen dem Ampruchsberechtiaten bekannt ge­ worden sind, gegenüber dem Verpflichteten schriftlich gellend gemacht werben.

(Entscheidung von Streitigkeiten)

§ 8.

(1) Der Regierungspräsident entscheidet: 1. bei Streitigkeiten aus den §§ 1, 2, 4 und 5; 2. über die Unterverteilung in den Fällen des § 4 Abs. 1 und 2; 3. über die Übernahme von Kosten auf die Staatskasse, § 4 Absi 3. Für Berlin tritt an die Stelle des Regierungspräsidenten der Oberpräsident. Gehören die Parteien oder Streitgenosseu mehreren Regierungsbezirken derselben Provinz an, so bestimmt der Oberpräsident, andernfalls der Minister des Innern, den für die Entscheidung zuständigen Regierungs- bzw. Oberpräsibenten. (2) Gegen die Entscheidung des Regierungspräsidenten ist binnen einer Ausschlusifrist von zwei Wochen die Klage im Verwaltung s st reitverfahren beim Bezirksausschuß und gegen dessen Entscheidung binnen einer Ausschlußfrist von zwei Wochen die Revision an das Oberverwaltunasgericht ge­ geben. Die Revision kann nur darauf gestützt werben,

27. Polijeitostciigesctz (1929).

[27

a) daß die angefochtene Entscheidung auf der Nichtanwen­ dung oder auf der unrichtigen Anwendung des bestehen­ den Rechtes beruhe, b) daß das Verfahren an wesentlichen Mängeln leide. (3) Die Zulässigkeit der Revision ist durch einen 1000 übersteigenden Veschwerdcgegenstand bedingt. (4) Gegen die Entscheidung des Oberpräsidenten der Pro­ vinz Brandenburg und von Berlin im Falle des Abs. 1 Satz 2 ist innerhalb einer Ausschlußsrist von zwei Wochen die Klage beim Oberverwaltungsgerichte gegeben- die Zulässigkeit der Klage ist durch einen 1000 übersteigenden Beschwerdegegenstand bedingt. (5) Die vom Regierungspräsidenten über die Einrichtungen und Maßnahmen, welche die örtliche Polizeiverwaltung erfor­ dert, erlassenen Vorschriften und Anordnungen unterliegen nicht den Rechtsmitteln des Abs. 2. (G) Gegen die Verfügungen der Verkehrspolizeibehörde auf Grund des § 2 Abs. 3 sind die allgemeinen Rechtsmittel gegen polizeiliche Verfügungen gegeben mit der Maßgabe, daß gegen die Verfügungen eines staatlichen Polizeiverwalters stets die Beschwerde an den Regierungspräsidenten (gegen die des Poli­ zeipräsidenten in Berlin an den Oberprasidenten) oder die Klage beim Bezirksausschüsse statt^indet. (7) Erachtet der in Anspruch Genommene zu der ihm ange­ sonnenen Leistung aus Gründen des öffentlichen Rechtes statt seiner einen anderen für verpflichtet, so ist das Rechtsmittel zu­ gleich gegen diesen zu richten. [Ausgleich auö Sfeucrübcrtocif.]

§ 9.

(1) Aus dem Anteile, der gemäß den Vorschriften des § 11 des Preußischen Aussührungsgesetzes zum Finanzausgleichsgesetz auf die Gesamtheit der Gemeinden mit mehr als 2000 Einwoh­ nern entfällt*), erhalten die Gemeinden und Eemeindeverbände für jeden von der Aufsichtsbehörde bestätigten, überwiegend mit polizeilichen Diensten beschäftigten kommunalen Polizeivollzugs­ beamten vorweg einen Ausgleichsbetraa von 1000 RH im Rech­ nungsjahre 1930, von 2000 im Rechnungsjahre 1931 und von 3000 Di vom Rechnungsjahre 1932 an. (2) Die hierfür erforderliche Gesamtsumme wird auf die Ge­ meinden mit mehr als 2000 Einwohnern nach demselben Maß­ stab umgelegt wie die zweite Hälfte des Eesamtbeitrags der Ge­ meinden mit staatlicher Polizei zu den Kosten dieser Polizei (vgl. 8 3 Abs. 3). *) § 11 a. a. O. regelt die Überweisungen aus der Einkommenund Körperschaftsteuer.

28]

28. Berunstaltungsgeseh (1907).

[3n!rafttrcten] § 10. (1) Dieses Gesetz tritt am 1. April 19 3 0 in Kraft. Mit dem­ selben Zeitpunkte treten das Polizeikostengesetz vom 3. Juni 1908 (Gesetzsamml. S. 149), das Gesetz über die Änderung des Polizcikostengesetzes vom 6. November 1924 (Gesetzsamml. S. 727), § 7 Abs. 3 des Gesetzes, betreffend den Erlaß polizeilicher Strafverfügungen wegen Übertretungen, vom 23. April 1883 (Gesetzsamml. S. 65), ferner alle bisherigen Bestimmungen über Verteilung der Polizeikosten, Zuschüsse und Beihilfen zu den Polizeikosten und über Einnahmen aus der Po­ lizeiverwaltung sowie alle auf diesem Gebiete bestehenden örtlichen oder für Teile des Staatsgebiets geltenden Sonderbcstimmungen außer Kraft. Die Vorschriften des § 7 Abs. 1 und 2 des Gesetzes, betreffend den Er­ laß polizeilicher Strafverfügungen wegen Übertretungen, vom 23. April 1883 (Gesetzsamml. S. 65) bleiben unberührt. (2) Soweit jedoch in der Rheinprovinz bisher die von den staat­ lichen Polizeibehörden festgesetzten Polizeistrafen den Gemeinden zugeflosscn sind, erhalten die Gemeinden weiterhin int ersten Jahre des Inkrafttretens dieses Gesetzes zwei Drittel und im zweiten Jahre des Inkrafttretens noch ein Drittel dieser Strafgelder.

(Ausführung] § 11. Die Minister des Innern und der Finanzen sind mir der Aus­ führung dieses Gesetzes beauftragt.

28. Gesetz gegen die Verunstaltung von Ortschaften und landschaftlich hervorragenden Gegenden. Dom 15. Juli 1907 (GS. S. 260). sNachdem das bei § 8 erwähnte erste Verunstaltungsgesetz von 1902 die unter § 10 II 17 ALN. nicht fallende Bekämpfung der Verunstaltung der Polizei als Aufgabe grundsätzlich zugewiesen hatte, geschieht dasselbe in erheblich vergrößertem Umfang durch das vorliegende Gesetz, das jedoch als Form der Regelung die ortsstatutarische Vorsicht.)

(Aufgabe der Baupolizei]

§ 1.

Die baupolizeiliche Genehmigung zur Ausführung von Bauten und baulichen Änderungen ist zu versagen, wenn dadurch Straßen oder Plätze der Ortschaft oder das Ortsbild gröblich verunstaltet werden würden.

28. VtrunstaltungSgesetz (1007). sSchutz deS Orts« u. StrabenbildeiEntschadigung nach dem Ein­ kommen)

§ 31.

Der Erwerb (§ 30) erfolgt unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 42 Nr. 4a bis d des Gesetzes über die Eisenbahnunternehmungcn vom 3. November 1838, mit der Maßgabe, daß der Berechnung des 25fachen Betrages nach § 42 Nr. 4a des vorerwähnten Gesetzes das steuerpflichtige Einkommen nach den Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes vom 24. Juni 1891 (Gesetzsamml. S. 175?) zugrunde zu legen ist, jedoch bei den

Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien der Abzug von 3 % Prozent des eingezahlten Aktienkapitals (§ 16 Einkommensteuergesetz?) fortfällt. Erstreckt sich die Kleinbahn über das Gebiet des Preußischen Staates hinaus in andere Deutsche Bundesstaaten, so ist gleichwohl das Einkommen aus dem ge­ samten Betriebe der Berechnung der Entschädigung zugrunde zu legen. War das zu erwerbende Unternehmen noch nicht fünf Jahre im Betriebe, so ist für die Berechnung der Entschädigung der Jahresdurchschnitt des bisher erzielten Reingewinnes maß­ gebend. — Ist eine Aktiengesellschaft Unternehmer der zu er­ werbenden Bahn, so bedarf es nicht der Einlösung der Aktien von den einzelnen Aktionären, sondern nur der Zahlung der Gesamtentschädigung an die Gesellschaft. IRechnungsführung)

§ 32.

(1) Der Unternehmer kann verpflichtet werden, über jede Bahn, für welche ihm eine besondere Genehmigung erteilt worden ist, dergestalt Rechnung zu führen, daß der Reinertrag derselben, und wenn der Unternehmer eine Aktiengesellschaft ist, die von derselben gezahlte Dividende daraus mit Sicherheit entnommen werden rann. 1) S. aber Art. 89 Abs. 2 RV. und § 14 Ziff. 2 des Staatsverträges vom 30. April 1920 (RGBl. S. 773). 2) Jetzt wohl nach dem Reichseinkommen- und Körperfchaststeuergesetz (geltende Fassung vom IO. August 1925, RGBl. I S. 189 unb 208), die jenen 3%0/0igcn Abzug ohnedies nicht kennen. Bühler, BerwaltungSgesehe.

28

35]

35. üleinbahngcsttz (1892).

(2) Die Vernachlässigung dieser Verpflichtung begründet für den Staat das Recht, die Berechnung der Entschädigung nach dem Sachwerte (§§ 33 bis 35) zu verlangen. sEntschadigung nach dem Sachwert!

§ 33.

Der Unternehmer kann Entschädigung nach dem Sachwerte verlangen, wenn das Unternehmen noch nicht länger als fünf­ zehn Jahre im Betriebe ist. Erfolgt die Erwerbung durch den Staat in den ersten fünf Jahren des Betriebes, so werden dem Sachwert 20 Prozent, erfolgt sie in den nachfolgenden zehn Jahren, so werden demselben 10 Prozent zugeschlagen. lSachwerts

§ 34.

(1) Im Falle der Entschädigung nach dem Sachwerte bilden den Gegenstand des Erwerbes alle dem Unternehmen unmittel­ bar oder mittelbar gewidmeten Sachen und Rechte des Unter­ nehmers, die Forderungen und Schulden jedoch nur insoweit, als dieselben nach beiderseitigem Einverständnisse auf den Staat übergehen sollen. In die mit den Beamten und Arbeitern be­ stehenden Verträge tritt der Staat ein, ebenso in solche Ver­ träge, welche zur Beschaffung des für das Unternehmen er­ forderlichen Materials abgeschlossen sind. (2) Für alle Bestandteile ist der volle Wert zu vergüten. IJnventarj

§ 35.

Die Abschätzung und die Festsetzung der Entschädigung für die Bestandteile des Unternehmens (§ 34) erfolgt nach einem von dem Unternehmer aufzustellenden Inventar, über besten Richtigkeit und Vollständigkeit erforderlichenfalls zu verhandeln und von dem Bezirksausschüsse zu entscheiden ist. lFeftsetzung der Entschädigung!

§ 36.

(1) Die Festsetzung bet Entschädigung (§§ 31 und 33 bis 35) erfolgt, vorbehaltlich des beiden Teilen zustehenden, innerhalb sechs Monaten nach Zustellung des Festsetzungsbeschlusses zu be­ schreitenden Rechtsweges, durch den Bezirksausschuß unter sinngemäßer Anwendung der §§ 24 bis 29 des Enteignungsgesetzes vom 11. Juni 1874. (2) Der Bezirksausschuß ist auch für das Vollziehungsver­ fahren zuständig. IBerfahrenI

§ 37.

(1) Auf die Ermittelung der Entschädigung finden die §§ 24 bis 28, auf die Vollziehung der Enteignung die §§ 32 brs 37,

[35

35. Kleinbahngesetz (1892).

auf das Verfahren vor dem Bezirksausschüsse und auf die Wir­ kungen der Enteignung die §§ 39 bis 46 des Enteignungs­ gesetzes vom 11. Juni 1*874 sinngemäße Anwendung. (2) Die Entschädigung für Bestandteile des Unternehmens, welche im Inventar verzeichnet uno bei Feststellung der Gesamt­ entschädigung berücksichtigt, bei der Vollziehung der Enteignung aber nicht mehr vorhanden sind, ist von dem Unternehmer zu­ rückzuerstatten. Für Bestandteile, welche bei Vollziehung der Enteignung über das Inventar hinaus vorhanden sind, ist auf Antrag des Unternehmers ooii dem Bezirksausschüsse nachträg­ lich die vom Staate zu gewährende Entschädigung festzusetzen. sErwerbSberechtigte)

§ 38,

Erwerbsberechtigten (§ G) gegenüber greift das Er­ werbungsrecht des Staates gleichfalls Platz. Ihnen ist der volle Wert des Erwerbsrechtes zu erstatten. lBerlin, Potsdam) § 39. Zur Anlegung von Bahnen in den Straßen Berlins und Potsdams bedarf es (Königlicher) der Genehmigung des Staats­ ministeriums^). sSteuerpflicht?) § 40. (1) Die Kleinbahnen werden der Gewerbesteuer auf Grund des Gewerbesteuergesetzes vom 24. Juni 1891 (Gesetzsamml. S. 205?)

unterworfen. sAbs. 2 durch § 46 des Kommunalabgabengesetzes, oben Nr. 19, be­ seitigt. Jetzt gelten die in Anm. 1 zu § 31 genannten Reichsgesetze.)

sUnterstützung des Baues von Kleinbahnen)

§ 41.

Die auf Grund des Allerhöchsten Erlasses vom 16. September 1867 (Gesetzsamml. S. 1528), des Gesetzes vom 7. März 1868 (Gesetzsamml. S. 223), des Gesetzes vom 11. Mär; 1872 (Gesetzsamml. S. 257) und der §§ 2 und 3 des Gesetzes vom 8. Juli 1875 (Gesetzsamml. S. 497) den dort genannten Provinzial- und Kommunalverbänden über­ wiesenen Kapitalien und Summen können auch zur Förderung des Baues von Kleinbahnen verwendet werden.

x) Gemäß Art. 82 PrV. 2) Die Kleinbahnen unterliegen, im Gegensatz zur Reichsbahngesell­ schaft, allen Reichs - und Landes st euer n. ®) Die Gewerbesteuerpflicht der Kleinbahnen beruht jetzt auf § 1 der Gewerbesteuerverordnung, Fassung vom 15. März 1927 (in der Folge vielfach geändert, zuletzt durch G. vom 17. April 1930, GS. S 93). 28*

35. Kleinbahngesetz (1892).

35]

jPostbesörderungj

§ 42.

Die Kleinbahnen unterliegen nachfolgenden Verpflichtungen gegenüber der Postverwaltung: l.i) Die Unternehmer haben aus Verlangen der Postverwaltung mit jeder für den regelmäßigen Besörderungsdienst bestimmten Fahrt einen Postunterbeamten mit einem Briessack und, soweit der Platz reicht, auch andere zur Milfahrt erscheinende Unterbeamte im Dienst gegen Zahlung der Abonnementsgebühr oder, falls solche nicht besteht, der Hälfte des tarifmäßigen Personen­ geldes zu befördern. 2. Die Unternehmer solcher Bahnen, welche sich nicht ausschließlich mit der Personenbeförderung befassen, sind außerdem ver­ pflichtet, aus Verlangen der Postverwaltung mit jeder für den regelmäßigen Beförderungsdienst bestimmten Fahrt: a) Postsendungen jeder Art durch Vermittelung des Zug­ personals zu befördern, und zwar Briefbeutel, Brief- und Zeitungspakete gegen eine Vergütung von 50 Pfennig für jede Fahrt, die anderen Sendungen gegen Zahlung des Stückguttarifsahes der betreffenden Bahn oder, sofern dieser Betrag höher ist, gegen eine Vergütung von 2 Pfennig für je 50 Kilogramm und das Kilometer der Beförderungs­ strecke nach dem monatlichen Gesamtgewicht der von Station zu Station beförderten Poststücke; b) in Zügen, mit welchen in der Regel mehr als ein Wagen befördert wird, eine Abteilung eines Wagens für die Post­ sendungen, das Begleitpersonal und die erforderlichen Post­ dienstgeräte, gegen Zahlung der in den Artikeln 3 und 6* des Reichsgesetzes vom 20. Dezember 1875 (Reichs-Gesetzbl. S. 318) und den dazu gehörigen Vollzugsbestimmungen fest­ gesetzten Vergütung, sowie gegen Entrichtung des halben Stückguttarifsatzes der betreffenden Bahn einzuräumen.

3. Die Postverwaltung ist berechtigt, auf ihre Kosten an den Bahnwagen einen Brieftasten anbringen und dessen Auswechselung oder Leerung an bestimmten Haltestellen bewirken zu lassen. !) Jetzt gilt die aus Grund der VO. der Reichsregierung vom 25. Juli 1927 (RGBl. I S. 244) abgeschlossene „Vereinbarung zwischen der Deutschen Reichspost und dem Verband Deutscher Verkehrs­ verwaltungen, E. V., in Berlin über die Abgeltung der Be­ förderungsleistungen der nicht vom Reiche verwalteten Eisen­ bahnen des allgemeinen und nicht allgemeinen Verkehrs für die Reichs post" vom 26. Januar 1929.

35. Klcinbahngesch (1892).

fGenehmigungspflicht!

[35

II. Privatanschlußbahnen. § 43.

Bahnen, welche dem öffentlichen Verkehre nicht dienen, aber mit Eisenbahnen, welche den Bestimmungen des Gesetzes über die Eisenbahnunternehmungen vom 3. November 1838 unter­ liegen, oder mit Kleinbahnen derart in unmittelbarer Gleisverbindung stehen, daß ein Übergang der Betriebsmittel stattfinden kann, bedürfen, wenn sie für den Betrieb mit Maschinen ein­ gerichtet werden sollen, m baulichen Herstellung und zum Be­ triebe polizeilicher Genehmigung.

IGenehmigungsbehörde)

§ 44.

(1) Zur Erteilung der Genehmigung (§ 43) ist der Re­ gierungspräsident, für den Stadtkreis Berlin der Polizeipräsi­ dent, im Einvernehmen mit der von dem Minister für Handel und Gewerbe') bezeichneten Eisenbahnbehörde zuständig. (2) Berührt die Bahn mehrere Landespolizeibezirke, so be­ stimmt, wenn sie derselben Provinz angehören, der Ober­ präsident, falls sie verschiedenen Provinzen angehören oder Berlin dabei beteiligt ist, der Minister für Handel und Ge­ werbe') im Einvernehmen mit dem Minister des Innern die zuständige Landespolizeibehörde.

(Polizeiliche Abnahme!

§ 45.

(1) Die polizeiliche Prüfung beschränkt sich 1. auf die betriebssichere Beschaffenheit der Bahn und der Betriebsmittel, 2. aus die technische Befähigung und Zuverlässigkeit der in dem äußeren Betriebsdienste anzustellenden Bediensteten, 3. auf den Schutz aegen schädliche Einwirkungen der Anlage und des Betriebes. (2) Soll eine Bahn, welche an eine dem Gesetze über die Eisenbahnunternehmungen vom 3. November 1838 unterliegende Eisenbahn Anschluß hat, von dem Unternehmer der letzteren angelegt und betrieben werden, so beschränkt sich die Prüfung auf den Schutz gegen schädliche Einwirkungen der Anlage und des Betriebes.

fBenutzung öffentlicher Wege>

§ 46.

Zur Benutzung öffentlicher Wege bedarf es der Zustimmung der Unterhaltungspflichtigen und der Genehmigung der Wege­ polizeibehörde.

i) Nach dem oben in Anm. 2 zu § 3 erwähnten Gesetz.-

35]

35. lUcinbahngeseh (1892).

(Verfahren für die Erteilung der Genehmigung!

§ 47.

Die Bestimmungen der §§ 8, 17 bis 20 und 22 Satz 1 finden aus diese Bahnen gleichmäßige Anwendung. (Polizeiverordnungenj

§ 48.

Polizeiliche Bestimmungen^) über den Betrieb auf solchen Bahnen können nur im Einverständnis mit der Eisenbahn­ behörde (§ 44) erlassen werden. (Zurücknahme der Genehmi­ gung!

§ 49.

(1) Die Genehmigung kann zurückgenommen werden, wenn wiederholt gegen die Bedingungen derselben in wesentlicher Be­ ziehung verstoßen wird. (2) über die Zurücknahme der Genehmigung entscheidet auf Klage der Behörde (§ 44) das Oberverwaltungsgericht. § 50.

(Aufsicht!

Die eilenbabntechnische Aufsicht und Überwachung der Privatanschlußbaynen erfolgt durch diejenige Behörde, welcher diese Ausgaben bezüglich der dem öffentlichen Verkehre dienen­ den Bahn, an welche sie anschließen, obliegen. sBergwerksbahnen!

§ 51.

(1) Die Bestimmungen der §§ 43 bis 49 finden auf die­ jenigen Bahnen, welche Zubehör eines Bergwerks im Sinne des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865 (Gesetzsamml. S. 705) bilden, keine Anwendung. (2) Durch oie Bestimmung in § 50 wird das auf dem All­ gemeinen Berggesetze vom 24. Juni 1865 (Gesetzsamml. S. 705) beruhende Aufsichtsrecht der Bergbehörden gegenüber diesen Bahnen nicht berührt. Gemeinsame und Übergangsbestimmungen. (Rechtsmittel!

§ 52.

Gegen die Beschlüsse und Verfügungen, für welche die Landesyolizeibehörden in Verbindung mit den Eisenbahnbehörden zuständig sind, und gegen die Beschlüsse und Verfügungen der eisenbahntechnischen Aufsichtsbehörden findet die Beschwerde an *) Zuständige Behörden s. §§ 136 ff. LBG., oben Nr. 2.

35. Kleinbahngefetz (1892).

[35

den Minister für Handel und Gewerbes statt. Im übrigen areifen die nach den Bestimmungen der §§ 127 bis 130 des Ge­ setzes über die allgemeine Landesverwaltung vom 23. Juli 1883 (Gesetzsamml. S. 195) zulässigen Rechtsmittel Platz. fübergangsvorschriftenj

§ 53.

(1) Für die bereits vor Inkrafttreten dieses Gesetzes genehmigten Kleinbahnen und Privatanschlußbahnen ist diejenige Behörde zuständig, welcher die Genehmigung nach Inkrafttreten dieses Gesetzes gemäß §§ 3 und 44 obgelegen hätte. (2) Auf diese Bahnen finden die §§ 2, 20 bis 22, 24, 25, 40, 42 und 52, beziehungsweise 48 bis 50 des gegenwärtigen Gesetzes, sowie die Bedingungen und Vorbehalte, welche bei ihrer Genehmigung vorgesehen sind, Anwendung. (3) Die Unternehmer sind jedoch berechtigt, sich durch eine an die zuständige Aufsichtsbehörde zu richtende Erklärung den sämtlichen Be­ stimmungen dieses Gesetzes zu unterwerfen. (4) Tie Genehmigung von wesentlichen Erweiterungen oder wesent­ lichen Änderungen des Unternehmens, der Anlage oder des Betriebes kann von der Unterwerfung des Unternehmens unter sämtliche Be­ stimmungen dieses Gesetzes abhängig gemacht werden. (5) Der Zeitpunkt der Unterstellung unter dieses Gesetz ist öffentlich bekanntzumachen. (6) Wohlerworbene Rechte Dritter werden durch die Unterwerfung nicht berührt. lJnkrasttretenj

§ 54.

Dieses Gesetz tritt bezüglich des § 40 am 1. April 1893, bezüglich aller anderen Bestimmungen am 1. Oktober 1892 in Kraft. fAussührungsbestimmungenj

§ 55.

Mit der Ausführung dieses Gesetzes werden der Minister der öffentlichen A r b e i t e n*2) und der Minister des Innern betraut.

*) Nach dem oben in Anm. 2 zu § 3 erwähnten Gesetz. 2) Jetzt der Minister für Handel und Gewerbe. Es gilt die Aus­ führungsanweisung vom 13. August 1898 mit zahlreichen Nachträgen, zuletzt vom 15. Januar 1914. Durch den Übergang der preußischen Staatseisenbahnen auf das Reich sowie durch das Neichsbahngesetz (Fass, vom 13. März 1930, RGBl. II S. 369) ist die AussAnw. in ver­ schiedenen Punkten änderungsbedürftig geworden.

36]

86. Rklchs.Tkltgravhknwegt-klttz (1809).

36. pteidjS-] Telegraphenwegegesetz. Dom 18. Dezember 1899 (RGBl S. 705). fDas Gesetz bringt für eine bestimmte Art öffentlich-recht­ licher Eigentumsbeschränkungen eine grundsätzlich wich­ tige Regelung.! fDurchführuug der Telegraphenlinienj § 1.

(1) Die Telegraphenverwaltung ist befugt, die Verkehrswege für ihre zu öffentlichen Zwecken dienenden Telegraphenlinien zu benutzen, soweit nicht dadurch der Gemeingebrauch der Ver­ kehrswege dauernd beschränkt wird. Als Verkehrswege im Sinne dieses Gesetzes gelten, mit Einschluß des Luftraums und des Erdkörpers, die öffentlichen Wege, Plätze, Drücken und die öffentlichen Gewässer nebst deren dem öffentlichen Gebrauche dienenden Ufern. (2) Unter Telegraphenlinien sind die Fernsprechlinien mit­ begriffen. fBenutzung der Verkehrswege!

§ 2.

(1) Bei der Benutzung der Verkehrswege ist eine Er­ schwerung ihrer Unterhaltung und eine vorübergehende Be­ schränkung ihres Gemeingebrauchs nach Möglichkeit zu ver­ meiden. (2) Wird die Unterhaltung erschwert, so hat die Telegraphen­ verwaltung dem Unterbaltungspslichtigen die aus der Er­ schwerung erwachsenden Kosten zu ersetzen. (3) Nach Beendigung der Arbeiten an der Telegraphenlinie hat die Telegraphenverwaltung den Verkehrsweg so bald als möglich wieder instand zu setzen, sofern nicht der Unterhaltungs­ pflichtige erklärt hat, dir Instandsetzung selbst vornehmen zu wollen. Die Telegraphenverwaltung hat dem Unterhaltungs­ pflichtigen die Auslagen für die von ihm vorgenommene In­ standsetzung zu vergüten und den durch die Arbeiten an Der Telegraphenlinie entstandenen Schaden zu ersetzen. sErlöschen des Benutzungs­ rechts!

§ 3.

(1) Ergibt sich nach Errichtung einer Telegraphenlinie, daß sie den Gemeingebrauch eines Verkehrswegs, und zwar nicht nur vorübergehend, beschränkt oder die Vornahme der ju seiner Unterhaltung erforderlichen Arbeiten verhindert oder der Aus­ führung einer von dem Unterhaltungspflichtigen beabsichtigten

36. ReichS.rtlrgraphenwc^kgtskh (1899).

136

Änderung des Verkehrswegs entgegensteht, so ist die Tele­ graphenlinie, soweit erforderlich, obzuändern oder gänzlich zu beseitigen. (2) Soweit ein Verkehrsweg eingezogcn wird, erlischt die Befugnis der Telegraphenverwaltung zu seiner Benutzung. (3) In allen diesen Fällen hat oie Telegraphenverwaltung die gebotenen Änderungen an der Telegraphenlinie auf ihre Kosten zu bewirken. tBaumpflanzungenI

§ 4.

(1) Die Baumpflanzungcu auf und an den Verkehrswegen sind nach Möglichkeit zu schonen, auf das Wachstum der Bäume ist tunlichst Rücksicht zu nehmen. Aufastungen können nur inso­ weit verlangt werden, als sie zur Herstellung der Telegraphen­ linien oder zur Verhütung von Betriebsstörungen erforderlich sind- sie sind aus das unbedingt notwendige Matz zu beschränken. (2) Die TelegraphenvcrwalNlNg bat dem Besitzer der Baum­ pflanzungen eine angemessene Frist zu setzen, innerhalb welcher er die Ausästungen selbst ootneljnien kann. Sind die Ausästunaen innerhalb der Frist nicht oder nicht genügend vorgenommen, so bewirkt die Telegrapheilverwaltung die Ausästungen. Dazu lst sie auch berechtigt, wenn es sich um die dringliche Verhütung oder Besertigung emer Störung handelt. (3) Die Telegraphenverwaltung ersetzt den an den Baum­ pflanzungen verursachten Schaden und die Kosten der auf ihr Verlangen vorgenommenen Ausästungen. (Rücksicht auf vorhandene Anlagen)

§ 5.

(1) Die Telegraphenlinien sind so auszuführen, daß sie vor­ handene besondere Anlagen (der Wegeunterhaltung dienende Einrichtungen, Kanalisations-, Wasser-, Gasleitungen, Schienen­ bahnen, elektrische Anlagen und dergleichen) nicht störend beein­ flussen. Die aus der Herstellung erforderlicher Schutzvorkehrun­ gen erwachsenden Kosten hat die Telegraphenverwaltung zu tragen. (2) Die Verlegung oder Veränderung vorhandener beson­ derer Anlagen kann nur gegen Entschädigung und nur dann verlangt werden, wenn die Benutzung des Verkehrswegs für die Telegraohenlinie sonst unterbleiben müßte und die besondere Anlage anderweit ihrem Zwecke entsprechend untergebracht werden kann. (3) Auch beim Vorhandensein dieser Voraussetzungen hat die Benutzung des Verkehrswegs für die Telegraphenlinie zu

36]

36. Ntlchs'Teltgraphtnwtgkgesetz (1899).

unterbleiben, wenn der aus der Verlegung oder Veränderung der besonderen Anlage entstehende Schaden gegenüber den Kosten, welche der Telegraphenverwaltung aus der Benutzung eines anderen ihr zur Verfügung stehenden Verkehrswegs er­ wachsen, unverhältnismäßig groß ist. (4) Diese Vorschriften finden auf solche in der Vorbereitung befindliche besondere Anlagen, deren Herstellung im öffentlichen Interesse liegt, entsprechende Anwendung. Eine Entschädigung auf Grund des Abs. 2 wird nur bis zu dem Betrage der Auf­ wendungen gewährt, die durch die Vorbereitung entstanden sind. Als in der Vorbereitung begriffen gelten Anlagen, sobald sie auf Grund eines im einzelnen ausgearbeiteten Planes die Ge­ nehmigung des Auftraggebers und, soweit erforderlich, die Ge­ nehmigungen der zuständigen Behörden und des Eigentümers oder des sonstigen Nutzungsberechtigten des in Anspruch ge­ nommenen Weges erhalten haben. lSpatere Anlagen^

§ 6.

(1) Spätere besondere Anlagen sind nach Möglichkeit so aus­ zuführen, daß sie die vorhandenen Telegraphenlinien nicht störend beeinflussen. (2) Dem Verlangen der Verlegung oder Veränderung einer Telegraphenlinie muß auf Kosten der Telegraphenverwaltung stattgegeben werden, wenn sonst die Herstellung einer späteren besonderen Anlage unterbleiben müßte oder wesentlich erschwert werden würde, welche aus Gründen des öffentlichen Interesses, insbesondere aus volkswirtschaftlichen oder Verkehrsrücksichten,, von den Wegeuntcrhaltungspflichtigen oder unter überwiegender Beteiligung eines oder mehrerer derselben zur Ausführung ge­ bracht werden soll. Die Verlegung einer nicht lediglich dem Orts-, Vororts- oder Nachbarortsverkehr dienenden Tele­ graphenlinie kann nur dann verlangt werden, wenn die Tele­ graphenlinie ohne Aufwendung unverhältnismäßig hoher Kosten anderweitig ihrem Zwecke entsprechend untergebracht werden kann. (3) Muß wegen einer solchen späteren besonderen Anlage die schon vorhandene Telegraphenlinie mit Schutzvorkehrungen ver­ sehen werden, so sind die dadurch entstehenden Kosten von der Telegraphenverwaltung zu tragen. (4) Überläßt ein Wegeunterhaltunasyflichtiger seinen Anteil einem nicht unterhaltungspflichtigen Dritten, [o sind der Tele­ graphenverwaltung die durch die Verlegung ober Veränderung oder durch die Herstellung der Schutzvorkehrungen erwachsenden Kosten, soweit sie auf dessen Anteil fallen, zu erstatten.

36. Rtichö'Ttltnrliphtttwegtgtsttz (1899).

[36

(5) Die Unternehmer anderer als der in Abs. 2 bezeichneten besonderen Anlagen haben die aus der Verlegung oder Ver­ änderung der vorhandenen Telegraphenlinien oder aus der Herstellung der erforderlichen Schutzvorkehrungen an solchen er­ wachsenden Kosten zu tragen.

(G) Auf spätere Änderungen vorhandener besonderer An­ lagen finden die Vorschriften der Abs. 1 bis 5 entsprechende Anwendung. Man der Telegraphenlinies

§ 7.

(1) Vor der Benutzung eines Verkehrswegs zur Ausführung neuer Telegraphenlinien oder wesentlicher Änderungen vorhan­ dener Telegraphenlinien hat die Telegraphenverwaltung einen Plan aufzustellen. Der Plan sott die in Aussicht genommene Richtungslinie, den Raum, welcher für die oberirdischen oder unterirdischen Leitungen in Anspruch genommen wird, bei ober­ irdischen Linien auch die Enlsoulung der Stangen voneinander und deren Höhe, soweit dies möglich ist, angeben. (2) Der Plan ist, sofern die Ilnterhaltungspslicht an dem Verkehrsweg einem Bundesstaat, einem Kommunalverband oder einer anderen Körperschaft des öffentlichen Rechtes obliegt, dem Unterhaltungspflichtigen, andernfalls der unteren Verwaltungs­ behörde mitzuteilen; diese hat, soweit tunlich, die Unterhaltungs­ pflichtigen von dem Eingänge des Planes zu benachrichtigen. Der Plan ist in allen Fällen, in denen die Verlegung oder Ver­ änderung einer der im § 5 bezeichneten Anlagen verlangt wird oder die Störung einer solchen Anlage zu erwarten ist, dem Unternehmer der Anlage mitzuteilen. (3) Außerdem ist der Plan Lei den Post- oder Telegraphen­ ämtern, soweit die Telegraphenlinie deren Bezirke berührt, auf die Dauer von vier Wochen öffentlich auszulegen. Die Zeit der Auslegung soll mindestens in einer der Zeitungen, welche im betreffenden Bezirke zu den Veröffentlichungen der unteren Verwaltungsbehörden dienen, bekanntgemacht werden. Die Auslegung kann unterbleiben, soweit es sich lediglich um die Führung von Telegraphenlinien durch den Luftraum über den Verkehrswegen handelt. lEinspruch gegen den Plans

§ 8.

(1) Die Telegraphenverwaltung ist zur Ausführung des Planes befugt, wenn nicht gegen diesen von den Beteiligten binnen vier Wochen bei der Behörde, welche den Plan aus­ gelegt hat, Einspruch erhoben wird.

36]

36. ReichS-Telegraphenwegtgrsktz (1899).

(2) Die Einspruchsfrist beginnt für diejenigen, denen der Plan gemäß den Vorschriften des § 7 Abs. 2 mitgeteilt ist, mit der Zustellung, für andere Beteiligte mit der öffentlichen Aus­ legung. (3) Der Einspruch kann nur darauf gestützt werden, datz der Plan eine Verletzung der Vorschriften der §§ 1 bis 5 dieses Gesetzes oder der auf Grund des 8 18 erlassenen Anordnungen enthält. (4) über den Einspruch entscheidet die höhere Verwaltungs­ behörde. Gegen die Entscheidung findet, sofern die höhere Verwaltungsbehörde nicht zugleich Landes-Zentralbehörde ist, binnen einer Frist von zwei Wochen nach der Zustellung die Beschwerde an die Landes-Zentralbehörde statt. Die LandesZentralbehörde hat in allen Fällen vor der Entscheidung die Zentral-Telegraphenbehörde zu hören. Auf Antrag der Tele­ graphenverwaltung kann die Entscheidung der höheren Verwal­ tungsbehörde für vorläufig vollstreckbar erklärt werden. Wird eine für vorläufig vollstreckbar erklärte Entscheidung ausgehoben oder abgeändert, so ist die Telegraphenverwaltung zum Ersätze des Schadens verpflichtet, der dem Gegner durch die Ausführung der Telegraphenlrnie entstanden ist. (Mitteilung des Planes an andere Behörden)

§ 9.

Auf Verlangen einer Landes-Zentralbehörde ist den von ihr bezeichneten öffentlichen Behörden Kenntnis von dem Plane durch Mitteilung einer Abschrift zu geben. (Überschreitung des Planes)

§ 10.

Wird ohne wesentliche Änderung vorhandener Telegraphen­ linien die Überschreitung des in dem ursprünglichen Plane für die Leitungen in Anspruch genommenen Raumes beabsichtigt und ist davon eine weitere Beeinträchtiguna der Baumpflanzun­ gen durch Ausästungen au befürchten, so ist oen Eigentümern der Baumpflanzungen vor oer Ausführung Gelegenheit zur Wahr­ nehmung ihrer Interessen zu geben. (Beaufsichtigung usw. der Leitungen)

§ 11.

Die Reichstelegraphenverwaltung kann die Straßenbau- und Polizeibeamten mit der Beaufsichtigung und vorläufigen Wieder­ herstellung der Telegraphenleitungen nach näherer Anweisung

36. ReichS-Teltgraphenwtgegtsttz (1899).

[36

der Landes-Zentralbehörde beauftragen; sie hat dafür den Be­ amten im Einvernehmen mit der ihnen vorgesetzten Behörde eine besondere Vergütung zu bezahlen. ^Luftraum anderer Grund­ stücke)

§ 12.

(1) Die Telegraphenverwaltung ist befugt, Telegraphen­ linien durch den Luftraum über Grundstücken, die nicht Ver­ kehrswege im Sinne dieses Gesetzes sind, zu führen, soweit nicht dadurch die Benutzung des Grundstücks nach den zur Zeit der Herstellung der Anlage begehenden Verhältnissen wesentlich beeinträchtigt wird. Tritt später eine solche Beeinträchtigung ein, so hat die Telegraphenverwaltung auf ihre Kosten die Leitungen zu beseitigen. (2) Beeinträchtigungen in der Benutzung eines Grundstücks, welche ihrer Natur nach lediglich vorübergehend sind, stehen der Führung der Telegrapheglinien durch den Luftraum nicht entgegen, doch ist der entstehende Schaden zu ersetzen. Ebenso ist für Beschädigungen des Grundstücks und seines Zubehörs, die infolge der Führung der Telegraphenliuien durch den Luftraum eintreten, Ersatz zu leisten. (3) Die Beamten und Beauftragten der Telegraphenver­ waltung, welche sich als solche ausweisen, sind befugt, zur Vor­ nahme notwendiger Arbeiten an Telegraphenlinien, insbeson­ dere zur Verhütung und Beseitigung von Störungen, die Grund­ stücke nebst den darauf befindlichen Baulichkeiten und deren Dächern mit Ausnahme der abgeschlossenen Wohnräume während der Tagesstunden nach vorheriger schriftlicher Ankündigung zu betreten. Der dadurch entstehende Schaden ist zu ersetzen. ,Ersatzansprüche)

§ 13.

(1) Die auf den Vorschriften dieses Gesetzes beruhenden Er­ satzansprüche verjähren in zwei Jahren. Die Verjährung be­ ginnt mit dem Schlüsse des Jahres, in welchem der Anspruch entstanden ist. (2) Ersatzansprüche aus den §§ 2, 4, 5 und 6 sind bei der von der Landes-Zentralbehörde bestimmten Verwaltungsbehörde geltend zu machen. Diese setzt die Entschädigung vorläufig^fest. (3) Gegen die Entscheidung der Verwaltungsbehörde steht binnen einer Frist von einem Monat nach der Zustellung des Bescheids die gerichtliche Klage zu. (4) Für alle anderen Ansprüche steht der Rechtsweg so­ fort offen.

36]

30. Rcichö-Telegraphenwegegeseh (1809).

(Zuständige Behörden)

§ 14.

Die Bestimmung darüber, welche Behörde in jedem Bundes­ staat untere und höhere Verwaltungsbehörden im Sinne dieses Gesetzes sind, steht der Landes-Zentralbehörde zu. (Benutzung von Eisenbahn­ gelände)

§ 15.

Die bestehenden Vorschriften und Vereinbarungen über die Rechte der Telegraphenverwaltung zur Benutzung des Eisen­ bahngeländes werden durch dieses Gesetz nicht berührt. (Reichstelegraphenverwaltung)

§ 16.

Telegraphenverwaltung im Sinne dieses Gesetzes ist die Reichstelegraphenverwaltung, [bic Königlich bayerische und die Königlich Württembergische Tclcgravhenverwaltung^). (Heerestelegraph)

§ 17.

Die Vorschriften dieses Gesetzes finden auf Telegraphen­ linien, welche die Militärverwaltung oder die Marineverwal­ tung für ihre Zwecke Herstellen läßt, entsprechende Anwendung. (Anordnung des ReichspostministerS)

§ 18.

Unter Zustimmung des Reichsrats-) kann der Reichspostminiftct*2)3 Anordnungen2) treffen: 1. über das Matz der Ausästungen; 2. darüber, welche Änderungen der Telegraphenlinien im Sinne des § 7 Abf. 1 als wesentlich anzusehen sind; 3. über die Anforderungen, welche an den Plan auf Grund des § 7 Abs. 1 im einzelnen zu stellen sind; 4. über die unter Zuziehung der Beteiligten vorzunehmenden Ortsbesichtigungen und über die dabei entstehenden Kosten; 5. über das Einspruchsverfahren und die dabei entstehenden Kosten; *) Die letzteren beiden sind weggefallen gemäß Art. 170 RV. und AusfG. dazu vom 27. April 1920 (RGBl. S. 643). 2) Art. 179 RB., Ubergangsgesetz vom 4. März 1919 (RGBl. S. 285) §§ 3 und 5. 3) Vom 26. Januar 1900 (RGBl. S. 7), geändert durch VO. vom 12. Dezember 1924 (RGBl. I S. 775) Anlage 1 Nr. 4.

36. Relchö'Telegraphenwegtgesth (1899).

[36

6. über die Höhe der den Straßenbau- und Polizeibeamten zu gewährenden Vergütungen für die im Interesse der Neichstelegraphenverwaltung geforderten Dienstleistungen. (Inkrafttreten)

§ 19.

(1) Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1900 in Kraft. (2) Auf die vorhandenen, zu öffentlichen Zwecken dienenden Linien der Telegraphenverwaltung (§§ 16 und 17) findet dieses Gesetz Anwendung, soweit nicht entgegenstehende besondere Ver­ einbarungen getroffen sind.

87]

37. RtichS-Jmpsgeseh (1874).

V. Gesunbheitsrecht.

37. ReichS-Ämpfgesetz. Dom 8. April 1874 (RGBl. S. 31). sDas seit 1874 nicht veränderte (Gesetz schafft von NeichS wegen die Grundlage für den Impfzwang, der als besonders weitgehender Eingriff in die persönliche Freiheit zwar immer wieder angefochten, bis jetzt aber nicht abgcschafft worden ist.]

lImpfpflichtige] § 1. Der Impfung mit Schutzpocken soll unterzogen werden: 1. jedes Kind vor dem Ablaufe des auf fein Geburtsjahr folgenden Kalenderjahres, sofern es nicht nach ärztlichem Zeugnis (§ 10) die natürlichen Blattern überstanden hat; 2. jeder Zögling einer öffentlichen Lehranstalt oder einer Privatschule, mit Ausnahme der Sonntags- und Abend­ schulen, innerhalb des Jahres, in welchem der Zögling oas zwölfte Lebensjahr zurücklegt, sofern er nicht nach ärztlichem Zeugnis m den letzten fünf Zähren die natür­ lichen Blattern überstanden hat oder mit Erfolg geimpft worden ist. ^Ausnahmen vom Impfzwang] § 2. (1) Ein Jmpfpflichtiger (§ 1), welcher nach ärztlichem Zeug­ nis ohne Gefahr für sein Leben oder für seine Gesundheit nicht geimpft werden kann, ist binnen Jahresfrist nach Aushören des diese Gefahr begründenden Zustandes der Impfung zu unter­ ziehen. (2) Ob diese Gefahr noch fortbesteht, hat in zweifelhaften Fällen der zuständige Jmpfarzt (§ 6) endgültig zu entscheiden.

Wiederholung der Impfung]

§ 3.

(1) Ist eine Impfung nach dem Urteile des Arztes (§ 5) erfolglos geblieben, so mutz sie spätestens im nächsten Jahre und, falls sie auch dann erfolglos oleibt, im dritten Jahre wieder­ holt werden. (2) Die zuständige Behörde kann anordnen, daß die letzte Wiederholung der Impfung durch den Jmpfarzt (§ 6) vor­ genommen werde.

[37

37. Neichö-Impsgcfch (1874). [Nachholung der Impfung)

§ 4.

Ast die Impfung ohne gesetzlichen Grund (§§ 1, 2) unter­ blieben, so ist sie binnen einer von der zuständigen Behörde zu setzenden Frist nachzuholen. [Kontrolle üb. d. brfolg d.Impfung)

§ 5.

Jeder Impfling muh frühestens am sechsten, spätestens am achten Tage nach der Impfung dem impfenden Arzte vorgestellt werden. [Impsbezirk und Impfar;t)

§ 6.

(1) In jedem Bundesstaate werden Jmpfbezirke gebildet, deren jeder einem Jmpfarzte unterstellt wird. (2) Der Jmpfarzt nimmt in der Zeit vom Anfang Mai bis Ende September jeden Jahres an den vorher bekann'tzumachenden Orten und Tagen fiir die Bewohner des Jmpfbezirks Impfungen unentgeltlich vor. Die Orte für die Vornahme der Impfungen, sowie fiir die Vorstellung der Impflinge (8 5) werden so gewählt, datz kein Ort des Bezirks von dem nächst belegenen Jmpforte mehr als fünf Mlomcter entfernt ist. [Liste der Impfpflichtigen) § 7. (1) Für jeden Jmpfbezirk wird vor Beginn der Jmpfzcit eine Lifte der nach § 1 Ziffer 1 der Impfung unterliegenden Kinder von der zuständigen Behörde ausgestellt. Uber die auf Grund des § 1 Ziffer 2 zur Impfung gelangenden Kinder haben die Vorsteher der betreffenden Lehranstalten eine Liste anzusertigen. (2) Die Jmpfarzte vermerken in den Listen, ob die Impfung mit oder ohne Erfolg vollzogen, oder ob und weshalb sie ganz oder vorläufig unterblieben ist. (3) Nach dem Schlüsse des Kalenderjahres sind die Listen der Be­ hörde einzureichen. (4) Die Einrichtung der Listen wird durch den Bundesrat) fest­ gestellt. [Impfung durch andere Ärrte)

§ 8.

(1) Außer den Jmpsärzten sind ausschließlich Arzte befugt, Imp­ fungen vorzunehmen. (2) Sie haben über die ausgeführten Impfungen in der im § 7 vorgeschriebenen Form Listen zu führen und dieselben am Jahresschluß der zuständigen Behörde vorzulegen. *) Jetzt die Art. 179 RD.

Reichsregierung

Bühler, Verwaltungsgesetze.

mit

Zustimmung

des

Reichsrats, 29

37]

37. NeichS-Impfgeseh (1874).

(Beschaffung der Lymphe] § 9. (1) Tie Landesregierungen haben nach näherer Anordnung des Bundesrats') dafür zu sorgen, dasz eine angemessene Anzahl von Impf­ instituten zur Beschaffung und Erzeugung von Schutzpockenlymphe ein­ gerichtet werde. (2) Tie Impfinslitute geben die Schutzpockenlymphe an die öffent­ lichen Impfärzte unentgeltlich ab und haben über Herkunft und Abgabe derselben Listen zu führen. (3) Tie öffentlichen Impfärzte sind verpflichtet, auf Berlangen Schnhpockenlymphe, soweit ihr entbehrlicher Vorrat reicht, an andere Arzte unentgeltlich abzugeben.

§ 10.

(Impfschein]

(1) Über jede Impfung wird nach Feststellung ihrer Wir­ kung (8 5) von dem Arzte ein Impfschein ausgestellt. In dem Impfschein wird, unter Angabe des Vor- und Zunamens des Impflings, sowie des Jahres und Tages seiner Geburt, be­ scheinigt, entweder, dah durch die Impfung der gesetzlichen Pflicht genügt ist, oder, daß die Impfung im nächsten Jahre wiederholt werden musz. (2) In den ärztiichen Zeugnissen, durch welche die gänzliche oder vorläufige Befreiung von der Impfung (§§ 1, 2) nach­ gewiesen werden soll, wird, unter der für den Impfschein vor­ geschriebenen Bezeichnung der Person, bescheinigt, aus welchem Grunde und aus wie lange die Impfung unterbleiben darf. (Formular] §11. (1) Ter Bundesrat!) bestimmt das für die vorgcdachtcn Bescheini­ gungen (§ 10) anzuwendende Formular. (2) Tie erste Ausstellung der Bescheinigung erfolgt stempel- und gebührenfrei.

(Nachweis derJmpfuug]

§ 12.

Eltern, Pflegeeltern und Vormünder sind gehalten, auf amtliches Erfordern mittels der vorgeschriebenen Bescheini­ gungen (§ 10) den Nachweis zu führen, daß die Impfung ihrer Kinder und Pflegebefohlenen erfolgt oder aus einem gesetzlichen Grunde unterblieben ist. (Impfung in Schulen]

§ 13.

(1) Die Vorsteher derjenigen Schulanstalten, deren Zöglinge dem Jmpfzwange unterliegen (§ 1 Ziffer 2), haben bei der i) Jetzt die Art. 179 NB.

Neichsregierung

mit

Zustimmung

des

Neichsrats,

87. Neichs-Jmpfgesetz (1874).

[37

Aufnahme von Schülern durch Einfordern der vorgeschriebenen Bescheinigungen festzustellen, ob die gesetzliche Impfung erfolgt ist. (2) Sie haben dafür zu sorgen, daß Zöglinge, welche während des Besuches der Anstalt nach § 1 Ziffer 2 impfpflichtig werden, dieser Verpflichtung genügen. (3) Ist eine Impfung ohne gesetzlichen Grund unterblieben, so haben sie auf deren Nachholung zu dringen. (4) Sie sind verpflichtet, vier Wochen vor Schluß des Schul­ jahres der zuständigen Behörde ein Verzeichnis derjenigen Schüler vorzulegen, für welche der Nachweis der Impfung nicht erbracht ist. [Strafen für Ettern nfw.)

§ 141).

(1) Eltern. Pflegeeltern und Vormünder, welche den nach

§ 12 ihnen obliegenden Nachweis zu führen unterlassen, werden mit einer Geldstrafe bis zu zwanzig Mark bestraft. (2) Eltern, Pflegeeltern und Vormünder, deren Kinder und Pflegebefohlene ohne gesetzlichen Grund und trotz erfolgter amt­ licher Aufforderung der Impfung oder der ihr folgenden Ge­ stellung (§ 5) entzogen geblieben sind, werden mit Geldstrafen bis zu fünfzig Mark oder mit Haft bis zu drei Tagen bestraft. [Strafen für Ärzte u. Schulleiter)

§ 151).

Ärzte und Schulvorsteher, welche den durch § 8 Absatz 2, § 7 und durch § 13 ihnen auferlegten Verpflichtungen nicht nach­ kommen, werden mit Geldstrafe'bis zu einhundert Mark bestraft. [Unbefugte Impfungen)

§ 161).

Wer unbefugterweise (§ 8) Impfungen vornimmt, wird mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Haft bis zu vierzehn Tagen bestraft. [Fahrlässigkeit bei Impfung)

§ 171).

Wer bei der Ausführung einer Impfung fahrlässig handelt, wird mit Geldstrafe bis zu fünfhundert Mark -oder mit Gefängnisstrafe bis zu drei Monaten bestraft, sofern nicht nach dem Strafgesetzbuch eine härtere Strafe eintritt.

i) Siehe hierzu die VO. über Vermögensstrafen und Bußen vom 6. Februar 1924 (RGBl. I S. 44).

38]

38. Ntichsfkuchengtseh (1900).

sübergangs. u. grtj(iii;bcftimmiiiio.) §

18.

(1) Die Vorschriften dieses Geseires treten mit dem 1. April 1875 in Kraft. (2) Die einzelnen Bundesstaaten werden die zur Ausführung er­ forderlichen Bestimmungen treffen. (3) Die in den einzelnen Bundesstaaten bestehenden Bestimmungen über Zwangsimpfungen bei deut Ausbruch einer Pockenepidemie werden durch dieses Gesetz nicht berührt.

38. ReichSgesetz, betreffend die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten sReichSseuchengesetz). Vom 30. Suni 1900 (NSDl. S. 306).

Anzeigepslicht.

lynchen]

§ 1.

(1) Jede Erkrankung und jeder Todesfall an Aussatz (Lepra), Cholera (asiatischer), Fleck­ fieber (Flecktyphus), Gelbfieber, Pest (orien­ talischer Veulenpest), Pocken (Blattern), sowie jeder Fall, welcher den Verdacht einer dieser Krankheiten erweckt, ist der für den Aufenthaltsort des Erkrankten oder den Sterbeort zuständigen Polizeioehörde unverzüglich anzuzeigen. (2) Wechselt der Erkrankte den Aufenthaltsort, so ist dies unverzüglich bei der Polizeibehörde des oisherigen und des neuen Aufenthaltsorts zur Anzeige zu bringen.

^Verpflichtete Personen)

§ 2.

(1) Zur Anzeige sind verpflichtet: 1. der zugezogene Arzt, 2. der Haushaltungsvorstand, 3. jede sonst mit der Behandlung oder Pflege des Erkrankten beschäftigte Person, 4. derjenige, in dessen Wohnung oder Behausung der Erkrankungs- oder Todesfall sich ereignet hat, 5. der Leichenschauer. (2) Die Verpflichtung der unter Nr. 2 bis 5 genannten Per­ sonen tritt nur dann ein, wenn ein früher genannter Ver­ pflichteter nicht vorhanden ist.

[38

38. Reichöstuchkngesetz (1900). [ftrnntcnljäiifcr lifm.]

§ 3.

(1) Für Krankheits- und Todesfälle, welche sich in öffentlichen

Kranken-, Entbindungs-, Pflege-, Gefangenen- und ähnlichen Anstalten ereignen, ist der Vorsteher der Anstalt oder die von der zuständigen Stelle damit beauftragte Person ausschließlich zur Erstattung der Anzeige verpflichtet. (2) Auf Schiffen oder Flößen gilt als der zur Erstattung der Anzeige verpflichtete Haushaltungsvorstand der Schiffer oder Floßsührer oder deren Stellvertreter. Der Bundesrat) ist er­ mächtigt, Bestimmungen darüber zu erlassen, an wen bei Krank­ heits- und Todesfällen, welche auf Schiffen oder Flößen vor­ kommen, die Anzeige zu erstatten ist. [ftorm der 5üijcige]

§ 4.

Die Anzeige kann mündlich oder schriftlich erstattet werden. Die Polizeibehörden haben auf Verlangen Meldekarten für schriftliche Anzeigen unentgeltlich zu verabfolgen. 8 5. (1) Landesrechtlichc B e st i m m ungcn, welche eine weitergehende Anzeigepflicht begrün.den, werden durch dieses Gesetz nicht berührt. (2) Durch Beschluß des Bundesrats^) können die Vorschriften über die Anzcigcpflicht 1 bis 4) auf andere als die im § 1 Abs. 1 ge­ nannten übertragbaren Krankheiten ausgedehnt werden.

[Polizei nnb Arzt)

Ermittelung der Krankheit. § 6.

(1) Die Polizeibehörde muß, sobald sie von dem Ausbruch oder dem Verdachte des Auftretens einer der im § 1 Abs. 1 ge­ nannten Krankheiten (gemeingefährliche Krankheiten) Kenntnis erhält, den zuständigen beamteten Arzt benachrichtigen. Dieser hat alsdann unverzüglich an Ort und Stelle Ermitteluügen über die Art, den Stand und die Ursache der Krankheit vor­ zunehmen und der Polizeibehörde eine Erklärung darüber ab­ zugeben, ob der Ausbruch der Krankheit festgestellt oder der Verdacht des Ausbruchs begründet ist. In Notfällen kann der beamtete Arzt die Ermittelung auch vornehmen, ohne daß ihm eine Nachricht der Polizeibehörde zugegangen ist. (2) In Ortschaften mit mehr als 10 000 Einwohnern ist nach den Bestimmungen des Abs. 1 auch dann zu verfahren, wenn i) Jetzt die Art. 179 II RB.

Neichsregierung

mit

Zustimmung

des

Reichsrats,

38]

«LS. Reilhöstnchtngestlj (1900).

Erkrankungs- oder Todesfälle in einem räumlich abgegrenzten Teile der Ortschaft, welcher von der Krankheit bis dahin ver­ schont geblieben war, Vorkommen. (3) Die höhere Verwaltungsbehörde kann Ermittelungen über jeden einzelnen Krankheits- öder Todesfall anordnen. Solange eine solche Anordnung nicht getroffen ist, sind nach der ersten Feststellung der Krankheit von dem beamteten Arzte Ermitte­ lungen nur im Einverständnisse mit der unteren Verwaltungs­ behörde und nur insoweit vorzunehmen, als dies erforderlich ist. um die Ausbreitung der Krankheit örtlich und zeitlich zu verfolgen.

^Untcrfuchung^bkfugnio bco Wrjtcc] § 7. (1) Dem beamteten Arzte ist, soweit er es zur Feststellung der Krankheit für erforderlich und ohne Schädigung des Kranken für zulässig hält, der Zutritt zu dein Kranken öder zur Leiche und die Vornahme der zu bett Ermittelungen über die Krank­ heit erforderlichen Untersuchungen zu gestatten. Auch kann bei Eholera-, Gelbfieber- und Pestverdacht eine Öffnung der Leiche polizeilich angeordnet werden, insoweit der beamtete Arzt dies zur Feststellung der Krankheit für erforderlich hält. (2) Der behandelnde Arzt ist berechtigt, den Untersuchungen, insbesondere auch der Leichenöffnung beizuwohnen. (3) Die in 2 und 3 aufgeführtcn Personen sind ver­ pflichtet, über alle für die Entstehung und den Verlaus der Krankheit wichtigen Umstände dem beamteten Arzte und der zuständigen Behörde auf Befragen Auskunft zu erteilen.

sLchnhmasrrtgelii der Polizci]

§ 8.

Ist nach dem Gutachten des beamteten Arztes der Ausbruch der Krankheit festgestellt oder der Verdacht des Ausbruchs be­ gründet, so hat die Polizeibehörde unverzüglich die erforderlichen Schutzmatzregeln zu treffen.

lPorläufigt Masrrcg. durch beit Arzt) § 9. Bei Gefahr im Verzüge kann der beamtete Arzt schon vor dem Einschreiten der Polizeibehörde die zur Verhütung der Verbreitung der Kranlheit zunächst erforderlichen Matzregeln anordnen. Der Vorsteher der Ortschaft hat den von dem beam­ teten Arzte getroffenen Anordnungen Folge zu leisten. Von den Anordnungen hat der beamtete Arzt der Polizeibehörde sofort schriftliche Mitteilung zu machen; sie bleiben so lange in Kraft, bis von der zuständigen Behörde anderweite Verfügung ge­ troffen wird.

38. Reichsseuchengeseh (1900).

[88

§10. Für Ortschaften und Bezirke, welche von einer gemein­ gefährlichen Krankheit befallen oder bedroht sind, kann durch die zuständige Behörde angeordnet werden, datz jede Leiche vor der Bestattung einer amtlichen Besichtigung (Leichenschau) zu unter­ werfen ist. Schutzmahregeln. [Allgemeines) § 11.

[Leichenschau)

(1) Zur Verhütung der Verbreitung der gemeingefährlichen Krank­ heiten können für die Tauer der Krankheitsgefahr Absperrungs- und Aussichtsmaßrcgeln nach Maßgabe der 12 bis 21 polizeilich angcordnet werden. (2) Tie Anfechtung der Anordnungen hat keine aufschiebende Wirkung.

[Beobachtung)

§ 12.

Kranke und krankhcits- oder anstcckungsverdächtige Personen können einer Beobachtung lintcrtoorfcii werden. Eine Beschränkung in der Wahl des Aufenthalts oder der Arbeitsstätte ist zu diesem Zwecke nur bei Personen zulässig, welche obdachlos oder ohne festen Wohnsitz sind oder berufs- oder gewohnheitsmäßig umherzichcn. [Kontrolle von Reisenden)

§ 13.

Tie höhere Verwaltungsbehörde kann für den Umfang ihres Be­ zirkes oder für Teile desselben anordnen, daß zureisende Personen, so­ fern sie sich innerhalb einer zu bestimmenden Frist vor ihrer Ankunft in Ortschaften oder Bezirken anfgehalten haben, in welchen eine gemein­ gefährliche Krankheit ausgcbrochen ist, nach ihrer Ankunft der Orts­ polizeibehörde zu melden sind. [Absonderung)

§ 14.

(1) Für kranke und krankheits- oder ansteckungsverdächtige Personen kann eine Absonderung angeordnet werden. (2) Tie Absonderung kranker Personen hat derart zu erfolgen, daß der Kranke mit anderen als den zu seiner Pflege bestimmten Personen, dem Arzte oder dem Seelsorger nicht in Berührung kommt und eine Verbreitung der Krankheit tunlichst ausgeschlossen ist. Angehörigen und Urkundspersonen ist, insoweit es zur Erledigung wichtiger und dringen­ der Angelegenheiten geboten ist, der Zutritt zu dem Kranken unter Be­ obachtung der erforderlichen Maßregeln gegen eine Weiterverbreitung der Krankheit gestattet. Werden auf Erfordern der Polizeibehörde in der Behausung des Kranken die nach dem Gutachten des beamteten Arztes -um Zwecke der Absonderung notwendigen Einrichtungen nicht

38]

38. Reichsseuchengesetz (1900).

getroffen, so kann, falls der beamtete Arzt es für unerläßlich und der behandelnde Arzt es ohne Schädigung des Kranken für zulässig erklärt, die Überführung des Kranken in ein geeignetes Krankenhaus oder in einen anderen geeigneten Unterkunftsraum angeordnet werben. (3) Auf die Absonderung krankheits- oder ansteckungsverdächtiger Personen finden die Bestimmungen des Abs. 2 sinngemäße Anwendung. Jedoch dürfen krankheits- oder ansteckungsverdächtige Personen nicht in demselben Raume mit kranken Personen untergebracht werden. An­ steckungsverdächtige Personen dürfen in demselben Raume mit krank­ heitsverdächtigen Personen nur untergebracht werden, soweit der be­ amtete Arzt es für zulässig hält. (4) Wohnungen oder Häuser, in welchen erkrankte Personen sich be­ finden, können kenntlich gemacht' werden. (5) Für das berufsmäßige Pflegepersonal können Verkehrsbeschrän­ kungen angeordnet werden. Beschr. von Handel und Verkehrs

§15.

Die Landesbehörden sind befugt, für Ortschaften und Bezirke, welche von einer gemeingefährlichen Krankheit befallen .oder bedroht find, 1. hinsichtlich der gewerbsmäßigen Herstellung, Behandlung und Auf­ bewahrung sowie hinsichtlich des Vertriebs von Gegenständen, welche geeignet sind, die Krankheit zu verbreiten, eine gesund­ heitspolizeiliche Überwachung und die zur Verhütung der Ver­ breitung der Krankheit erforderlichen Maßregeln anzüordnen; die Ausfuhr von Gegenständen der bezeichneten Art darf aber nur für Ortschaften verboten werden, in denen Cholera, Fleckfteber, Pest oder Pocken uusgebrochen sind, 2. Gegenstände der in Nr. 1 bezeichneten Art vom Gewerbebetrieb im Umherziehen auszuschließen, 3. die Abhaltung von Märkten, Messen und anderen Veranstal­ tungen, welche eine Ansammlung größerer Menschenmengen mit sich bringen, zu verbieten oder zu beschränken, 4. die in der Schiffahrt, der Flößerei oder sonstigen Transport­ betrieben beschäftigten Personen einer gesundheitspolizeilichen Überwachung zu unterwerfen und kranke, krankheits- oder an­ steckungsverdächtige Personen sowie Gegenstände, von denen anzu­ nehmen ist, daß sie mit dem Krankheitsstoffe behaftet sind, von der Beförderung auszuschließen, 5. den Schiffahrts- und Flößereiverkehr auf bestimmte Tageszeiten zu beschränken.

^Schul- und Unterrichtsbesuch]

§16.

Jugendliche Personen aus Behausungen, in denen Erkrankungen vorgekommen sind, können zeitweilig vom Schul- und Unter-

38. Rtichsseuchengesetz (1000).

[38

richtsbesuche scrngchaltcn werden. Hinsichtlich der sonstigen für die Schulen anzuordnenden Schutzmaßregeln bewendet es bei den landes­ rechtlichen Bestimmungen.

[Brunnenbenuhung usw.] §17. In Ortschaften, welche von Cholera, Fleckfieber, Pest oder Pocken befallen oder bedroht sind, sowie in deren Umgegend kann die B e tlutzung von Brunnen, Teiche::, Seen, Wasserläufen, Wasser­ leitungen sowie der dein öffentlichen Gebrauche dienenden Bade-, Schwimm-, Wasch- und Bedürfnisanstalten verboten oder beschränkt werden. [Räumung)

§ 18.

Tie gänzliche oder teilweise Räumung von Wohnungen und Gebäuden, in denen Erkrankungen vorgekommcn sind, kann, insoweit der beamtete Arzt es znr wirksamen Bekämpfung der Krank­ heit für unerläßlich erklärt, ungeordnet werden. Ten betroffenen Be­ wohnern ist anderweit geeignete Unterkunft unentgeltlich zu bieten. [Tcthifcttioii]

§ 19.

(1) Für Gegenstände und Raume, von denen anzunchmcn ist, daß sie mit dem Krankheitsstosfe behaftet sind, kann eine Desinfektion angeordnet werden. (2) Für Reisegepäck und Handelswaren ist bei Aussatz, Cholera und Gelbfieber die Anordnung der Desinfektion nur dann zulässig, wenn die Annahme, daß die Gegenstände mit dem Krankheitsstoffe behaftet sind, durch besondere Umstände begründet ist. (3) Ist die Desinfektion nicht ausführbar oder im Berhältnisse zum Werte der Gegenstände zu kostspielig, so kann die Vernichtung angeordnet werden.

[Ungeziefers

§ 20.

Zum Schutze gegen Pest können Maßregeln zur Vertilgung ii n b Fernhaltung von Natten, Mäusen und anderem Ungeziefer angeordnet werden.

[Leichenbestattung usw.] § 21. Für die Aufbewahrung, Einsargung, Beförderung und B e stattung der Leichen von Personen, welche an einer gemein­ gefährlichen Krankheit gestorben sind, können besondere Vorsichtsmaß­ regeln angeordnet werden.

38]

38. ReichöseuchkNgksetz (1900).

fAuöführungsbcstimmungkn] §22. Tie B e st i m m ungen über die Ausführung der in den §§ 12 bis 21 vorgesehenen Schutzmaßregcln, insbesondere der Des­ infektion, werden vom SOunbcsrat1) erlassen. (Pflichten der Gemeinden]

§ 23.

Die zuständige Landesbehörde kann die Gemeinden oder die weiteren Kommunalverbände dazn anhalten, diejenigen Ein­ richtungen, welche zur Bekämpfung der gemeingefährlichen Krankheiten notwendig sind, zu treffen. Wegen Aufbringung der erforderlichen Kosten findet die Bestimmung des 8 37 Abs. 2 Anwendung. Einschleppung aus dem Ausland] § 24. (1) Zur Verhütung der Einschleppung der gemeingefährlichen Krank­ heiten aus dem Auslande kann der Einlas; der Leeschiffe von der Erfüllung gcsundhcitspolizcilichcr Vorschriften abhängig gemacht sowie 1. der Einlaß anderer dem Personen- oder Frachtverkehre dienenden Fahrzeuge, 2. die Ein- und Durchfuhr von Waren und Gebrauchsgcgcnständen, 3. der Eintritt und die Beförderung von Personen, welche aus dein von der Krankheit befallenen Lande kommen, verboten oder beschränkt werden. (2) Ter (Bundesrats) ist ermächtigt, Vorschriften über die hiernach zu treffenden Maßregeln zu beschließen. Soweit sich diese Vorschriften auf die gesundhcitspolizciliche Überwachung der Seeschiffe beziehen, können sie auf den Schiffsverkehr zwischen deutschen Häfen erstreckt werden.

§25. Wenn eine gemeingefährliche Krankheit im Ausland oder ini K ü st e n g e b i e t e des Reichs ausgebrochen i ft, so bestimmt der Reichskanzler?) oder für das Gebiet des zunächst bedrohten Bundes­ staats im Einvernehmen mit dem Reichskanzler?) die Landesregierung, wann und in welchem Umfange die gemäß § 24 Abs. 2 erlassenen Vor­ schriften in Vollzug zu setzen sind.

(Gesundheitspässe]

§ 26.

Der Bundesrat*) ist ermächtigt, Vorschriften über die Ausstellung von Gesundheitspässen für die aus deutschen Häfen ausgehen­ den Seeschiffe zu beschließen. *) Jetzt: Reichsregicrung mit Zustimmung des Art. 179 II RV. 2) Jetzt: Neichsminister des Innern, NV. Art. 179.

Neichsrats,

38. Nkichöstllchtllgejtli (1900).

[38

§ 27.

[Leuchensorfchung)

Ter Bundesrat') ist ermächtigt, über die bei der Ausführung wissenschaftlicher Arbeiten in i t Krankheits­ erregern zu beobachtenden Vorsichtsmaßregeln sowie über den Ver­ kehr mit Krankheitserreger:: und deren Aufbewahrung Vorschriften zu erlassen.

Entschädigungen. [tfiir Arbtitshindernngj

§ 28.

(1) Personen, welche der Invalidenversicherung unterliegen, haben für die Zeit, während der sie auf Grund des § 12 in der Wahl des Aufenthalts oder der Arbeitsstätte beschränkt oder auf Grund des § 14 abgesondert sind, Anspruch auf eine Entschädi­ gung wegen des ihnen dadurch entgangenen Arbeitsverdienstes, oei deren Berechnung als Tagcsarbeitsverdienst der drei­ hundertste Teil des für die Invalidenversicherung maßgebenden Jahresarbeitsverdienstes zugrunde zu legen ist. (-) Dieser Anspruch fallt weg, insoweit auf Grund einer auf gesetzlicher Verpflichtung beruhenden Versicherung wegen einer mit Erwerbsunfähigkeit verbundenen Krankheit Unterstützung gewährt wird oder wenn eine Verpflegung auf öffentliche Kosten siattfindet. L3iir Gegenstände^

§ 29.

Für Gegenstände, welche infolge einer nach Maßgabe dieses Gesetzes polizeilich angcordneten und überwachten Desinfektion derart beschädigt worden sind, daß sie zu ihrem bestimmungs­ mäßigen Gebrauche nicht weiter verwendet werden können, oder welche auf polizeiliche Anordnung vernichtet worden sind, ist, vorbehaltlich der in §§ 32 und 33 angegebenen Ausnahmen, auf Antrag Entschädigung zu gewähren.

§30. Als Entschädigung soll der gemeine Wert des Gegenstandes gewährt werden ohne Rücksicht auf die Minderung des Wertes, welche sich aus der Annahme ergibt, daß der Gegenstand mit Krankheitsstosf behaftet sei. Wird der Gegenstand mir beschädigt oder teilweise ver­ nichtet, so ist der verbleibende Wert auf die Entschädigung anzurechnen.

§31. Die Entschädigung wird, sofern ein anderer Berechtigter nicht be­ kannt ist, demjenigen gezahlt, in dessen Gewahrsam sich der be-

9 Vgl. Anm. 1 zu § 22.

38]

38. Rkichöstuchengtsch (1900).

schädigte ober vernichtete Gegenstand zur Zeit der Desinfektion befand. Mit dieser Zahlung erlischt jede Entschädigungsverpflichtung aus § 29.

§32. Eine Entschädigung auf Grund dieses Gesetzes wird nicht g e w ä h r t: 1. für Gegenstände, welche int Eigeutume des Reichs, eines Bundes­ staats oder einer kommunalen Körperschaft sich befinden; 2. für Gegenstände, welche entgegen einem auf Grund des § 15 Rr. 1 oder des § 24 erlassenen Verbot ans- oder cingcführt wor­ den sind.

§33. Ter Anspruch a u f E n t s ch ä d i g u n g fällt weg: 1. wenn derjenige, welchem die Entschädigung zustehen würde, die beschädigten ober vernichteten Gegenstände oder einzelne der­ selben an sich gebracht hat, obwohl er wußte oder den Um­ ständen nach annehmen mußte, daß dieselben bereits mit dem Krankheitsstoffe behaftet oder auf polizeiliche Anordnung zu des­ infizieren waren; 2. wenn derjenige, welchem die Entschädigung zustehen würde oder in dessen Gewahrsam die beschädigten oder vernichteten Gegenstände sich befanden, zu der Tesinfektion durch eine Zuwider­ handlung gegen dieses Gesetz oder eine auf Grund desselben ge­ troffene Anordnung Veranlassung gegeben hat.

[floftcii, Ausfchlußsristtn, Verfahren]

§ 34.

Tie K osten der Entschädigungen sind aus öffentlichen Mitteln zu bestreiten. Im übrigen bleibt der landcsrechtlichen Regelung Vorbehalten, Bestimmungen darüber zu treffen: 1. von wem die Entschädigung zu gewähren und wie dieselbe auf­ zubringen ist, 2. binnen welcher Frist der Entschädigungsaltspruch geltend zu machen ist, 3. wie die Entschädigung zu ermitteln und festzustellen ist.

Allgemeine Vorschriften. § 35.

(Trinkwasserversorgung usw.)

(1) Die dem allgemeinen Gebrauche dienenden Einrichtungen für Versorgung mit Trink- oder Wirtschaftswasser und für Fortschaffung der Abfallstoffe sind fortlaufend durch staatliche Beamte zu überwachen.

38. Reichsseuchengeseh (1900).

[38

(Pflichten der Gemeinden)

(2) Die Gemeinden sind verpflichtet, für die Beseitigung der vorgefundenen gesundheitsgefährlichen Mißstände Sorge zu tragen. Sie können nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit zur Herstellung von Einrichtungen der im Abs. 1 bezeichneten Art, sofern dieselben zum Schutze gegen übertragbare Krankheiten erforderlich sind, jederzeit angehalten werden. (3) Das Verfahren, in welchem über die hiernach gegen die Gemeinden zulässigen Anordnungen zu entscheiden ist, richtet sich nach Landesrecht. [Beamtete Ärste]

§ 36.

(1) Beamtete Ärzte int Sinne dieses Gesetzes sind Ärzte, welche Dom Staate angestellt sind oder deren Anstellung mit Zustimmung des Staates erfolgt ist. (2) An Stelle der beamteten Ärzte können im Falle ihrer Behinderung oder aus sonstigen dringenden Gründen andere Ärzte zngezogcn werden. Innerhalb des Don ihnen übernommenen Auftrags gelten die letzteren als beamtete Ärzte und sind befugt und Derpslichtet, diejenigen AmtsDerrichtungen wahrzunehmen, welche in diesem Gesetz oder in den hierzu ergangenen Aussührungsbestimmungen den beamteten Ärzten über­ tragen sind.

[Zuständigkeit, Hosten]

§ 37.

(1) Die Anordnung und Leitung der Abwehr- und Unterdrückungs­ mahregeln liegt den Landesregierungen und deren Or­ ganen ob. (2) Die Zuständigkeit der Behörden und die Aufbringung der ent­ stehenden Kosten regelt sich nach Landesrecht. (3) Die Kosten der auf Grund des § 6 angcstcllten behördlichen Er­ mittelungen, der Beobachtung in den Fällen des § 12, ferner auf Antrag die Kosten der auf Grund des § 19 polizeilich angeordneten und über­ wachten Desinfektion und der auf Grund des § 21 angeordneten beson­ deren Vorsichtsmaßregeln für die Aufbewahrung, Einsargung, Beförde­ rung und Bestattung der Leichen sind aus öffentlichen Mitteln zu be­ streiten. (4) Die Landesregierungen bestimmen, welche Körperschaften unter der Bezeichnung Gemeinde, weiterer KommunalDerband und kommunale Körperschaft zu verstehen sind.

[Derwaltungöhilfe]

§ 38.

Die Behörden der Bundesstaaten sind verpflichtet, sich bei der Be­ kämpfung übertragbarer Krankheiten gegenseitig zu unterstützen.

38]

38. RtlchSstuchengtsttz (1900).

sReichSheer und -marine]

§ 39.

(1) Die Ausführung der nach Maßgabe dieses Gesetzes zu ergreifen­ den Schutzmaßrcgeln liegt, insoweit davon 1. dem aktiven Heere oder der aktiven Marine angchörende Militär­ personen, 2. Personen, welche in militärischen Dieustgebäuden oder auf den zur (Kaiserlichen) Rcichsmarinc gehörigen oder von ihr gemieteten Schissen und Fahrzeugen nntergebracht sind, 3. marschierende oder aus dem Transporte befindliche Militärpersoncn und Truppenteile des Heeres und der Marine sowie die Ausrüstungs- und Gebrauchgegenstände derselben, l. ausschließlich von der Militär- oder Marincvcrwaltung benutzte Grundstücke und Einrichtungen betroffen werden, den Militär- und M a r i n c b c h ö r d c n ob. (2) Aus Truppenübungen finden die nach diesem Gesetze zulässigen Verkehrsbeschränkungen keine Anwendung. (3) Ter Bundesrats bat darüber Bestimmung zu treffen, inwieweit von dem Auftreten des Verdachts iuib von dem Ausbruch einer übertrag­ baren Krankheit sowie von dem Verlauf und dem Erlöschen der Krank­ heit sich die Militär- und Polizeibehörden gegenseitig in Kenntnis zu setzen haben.

lvistnbahn, M‘]

§ 40.

(1) Für den Eisenbahn-, Post- und Tclcgraphcnvcrkehr sowie für Schiffahrtsbctriebe, welche im Anschluß an den Eisenbahnverkehr geführt werden und der staatlichen Eisenbahnaufsichtsbehördc unterstellt sind, liegt die Ausführung der nach Maßgabe dieses Gesetzes zu ergreifenden Schutzmaßregeln ausschließlich den zuständigen Reichs- und Landes­ behörden ob. (2) Inwieweit die auf Grund dieses Gesetzes Polizeilich augeordneten Verkehrsbeschränkungen und Tesinfcktionsmaßnahmcn 1. auf Personen, welche während der Beförderung als krank, krankheits- oder ansteckungsverdächtig befunden werden, 2. auf die im Dienste befindlichen oder -aus dienstlicher Veranlassung vorübergehend außerhalb ihres Wohnsitzes sich aufhaltendcn Be­ amten und Arbeiter der Eisenbahn-, Post- und Telegraphenvcrwaltungen sowie der genannten Schifsahrtsbetriebe Anwendung finden, bestimmt der Bundesrat^).

[5l:i|iW]

§41.

(1) Dem Reichskanzler?) liegt ob, die Ausführung dieses Gesetzes und der aus Grund desselben erlassenen Anordnungen zu überwachen.

*) Vgl. Anm. 1 zu Z 22. 2) Vgl. Anm. 2 zu § 25.

— 4G2 —

38. ReichSseuchtttgtsetz (1900).

[38

(2) Wenn zur Bekämpfung der gemeingefährlichen Krankheiten Maß­ regeln erforderlich sind, von welchen die Gebiete mehrerer Bundesstaaten betroffen werden, so hat der Reichskanzlers oder ein von ihm be­ stellter Kommissar für Herstellung und Erhaltung der Einheit in den Anordnungen der Landcsbehvrdcn zu sorgen und zu diesem Behufe das Erforderliche zu bestimmen, in dringenden Fällen auch die Landesbchörden unmittelbar mit Anweisungen zu versehen.

[Benachrichtigung des Reichsgesundheitoamtö)

§ 42.

Ist in einer Ortschaft der Ausbruch einer gemeingefährlichen Krankheit festgestellt, so ist das sKaiscrlichef Reichsgesundheitsamt hiervon sofort auf kürzestem Wege zu benachrichtigen. Der Bundesrat) ist ermächtigt zu bestimmen, inwieweit im späteren Verlaufe dem (Kaiserliches Reichsgesundheitsamte Mitteilun­ gen über Erkrankungs- und Todesfälle zu machen sind. [Reichsgksundhkitsrat)

§ 43.

(1) In Verbindung mit dem [.Vaifcr(id)cHl Reichsgesundheitsamte wird ein Reichsgesuudsteitsrat gebildet. Die Geschäftsordnung wird vom Reichskanzler') mit Zustimmung des Bundesrats') festgestellt. Die Mitglieder werden vom Bundes­ rates gewählt. (2) Der Reichsgesundheitsrat hat das Gesundheitsamts bei der Erfüllung der diesem Amte zugewiesenen Aufgaben zu unter­ stützen. Er ist befugt, den Landesbehörden auf Ansuchen Rat zu erteilen. Er kann sich, um Auskunft zu erhalten, mit den ihm zu diesem Zwecke zu vezeichnenden Landesbehörden unmittelbar in Verbindung setzen, sowie Vertreter absenden, welche unter Mit­ wirkung der zuständigen Landesbehörden Aufklärungen an Ort und Stelle einziehen. Strafvorschriften'). [Benutzung infizierter Gegenstände) § 44. (1) Mit Gefängnis bis zu drei Jahren wird bestraft: 1. wer wissentlich bewegliche G e g e n st ä n d e, für welche eine Des­ infektion polizeilich angeordnct war, vor Ausführung der un­ geordneten Desinfektion in Gebrauch nimmt, an andere überläßt oder sonst in Verkehr bringt; 1) Vgl. Anm. 2 zu § 25. 2) Vgl. Anm. 1 zu § 22. 3) D. i. das Reichsgesundheitsamt. 4) Jetzt Reichsrat, Art. 179 RV. 5) Siehe hierzu die BO. über Vermögcnsstrafen und Bußen vom 6. Februar 1924 (RGBl. I S. 44).

- 4G3 -

38]

38. ReichSseuchengesetz (1900).

2. wer wissentlich Kleidungs st ücke, Leibwäsche, Bettzeug oder sonstige bewegliche Gegenstände, welche von Personen, die an einer gemeingefährlichen Krankheit litten, während der Erkran­ kung gebraucht oder bei deren Behandlung oder Pflege benutzt worden sind, in Gebrauch nimmt, an andere überläßt oder sonst in Verkehr bringt, bevor sie den auf Grund des § 22 vorn Bundesrate*) beschlossenen Bestimmungen entsprechend desinfiziert worden sind; 3. wer wissentlich Fahrzeuge oder sonstige Gerätschaften, welche zur Beförderung von Kranken oder Verstorbenen der in Nr. 2 bezeichneten Art gedient haben, vor Ausführung der polizei­ lich angeordneten Desinfektion benutzt oder anderen zur Benutzung überläßt. (2) Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann auf Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundcrt Mark erkannt werden.

(Unterlassung von Anteigen usw.]

§ 45.

Mit Geldstrafe von zehn bis einhuudcrtfünfzig Mark oder mit Haft nicht unter einer Woche wird bestraft: 1. wer die ihm nach den §§ 2, 3 oder nach den auf Grund des § 5 vom Bundesrat*) beschlossenen Vorschriften obliegende A n zeige unterläßt oder länger als vierundzwanzig Stunden, nachdem er von der anzuzeigenden Tatsache Kenntnis erhalten hat, verzögert. Die Strafverfolgung tritt nicht ein, wenn die Anzeige, obwohl nicht von dem zunächst Verpflichteten, doch rechtzeitig gemacht worden ist; 2. wer im Falle des § 7 dein beamteten Arzte den Zutritt zu dem Kranken adcr zur Leiche oder die Vornahme der erforderlichen Untersuchungen verweigert; 3. wer den Bestimmungen im § 7 Abs. 3 zuwider über die daselbst bezeichneten Umstände dem beamteten Arzte oder der zuständigen Behörde die Auskunft verweigert oder wissentlich unrichtige Angaben macht; 4. wer den auf Grund des § 13 erlassenen Anordnungen zuwider­ handelt. (Aichtbefolgung v. Anordnungen^

§ 46.

Mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Haft wird, sofern nicht nach den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen eine höhere Strafe verwirk ist, bestraft: 1. wer den im Falle des § 9 von dem beamteten Arzte oder dem Vorsteher der Ortschaft getroffenen vorläufigen Anordnungen oder den auf Grund des § 10 von der zu­ ständigen Behörde erlassenen Anordnungen zuwiderhandelt; *) Vgl. Anm. 1 zu § 22.

30. LandeSfeuchengesetz (1005).

[39

2. wer den auf Gvund des § 12, des § 14 Abs. 5, der §§ 15, 17, 19 bis 22 getroffenen polizeilichen Anordnungen zuwiderhandelt; 3. Wer den auf Grund der §§ 24 , 26, 27 erlassenen Vorschriften zu­ widerhandelt.

Schlußbestimmungen.

§47. Die vom Bundesrate*) zur Ausführung dieses Gesetzes erlassenen allgemeinen Bestimmungen sind dem Reichstage zur Kenntnis mitzu­ teilen.

§ 48.

[Landesrecht)

Landesrechtliche Vorschriften über die Bekämpfung anderer als der im § 1 Abs. 1 genannten übertragbaren Krankheiten werden durch dieses Gesetz nicht berührt.

§ 49.

[3nfrafttrftfii]

Dieses Gesetz tritt mit den: Tage der Verkündung in Kraft.

39. Gesetz, betreffend die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten [LanbeSseuchengesetzf. (Auszug.) Dom 28. August 1905 (GS. S. 373), die §§ 1—3, 6, 8 und 35 in der Fassung vom 25. Februar 1927 (ES. S. 41). [Uber den Kreis der vom Neichsseuchengesetz erfaßten allergefährlichsten Seuchen hinaus werden durch dieses Landesgcsctz für die in seinem § 1 genannten ansteckenden Krankheiten ähnliche Maßnahmen vorgesehen wie im Reichsgesetz, zu dem das Landesgesetz übrigens zu­ gleich auch gewisse Ausführungsbestimmungen bringt (vgl. §§ 15 ff.). Das vorliegende Gesetz umfaßt nicht die Tuberkulosebekämpfung, der vielmehr ein besonderes Gesetz vom 4. August 1923, GS. S. 374, gewidmet ist.s

Erster Abschnitt. [Seuchen)

Anzeigepslicht.

§ 1.

(1) Außer bcn in dem § 1 des Neichsgesetzes, betreffend die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten, vom 30. Juni 1900 r) Vgl. Sinnt. 1 zu § 22.

Bühler, Vertvaltungsgesetze.

39]

39. Landesseuchengkseh (1905).

(Reichsgesetzbl. S. 306) aufgeführten Fällen der Anzeigepflicht — bei Aussatz (Lepra), Cholera (asiatischer), Flecksieber (Fleck­ typhus), Gelbfieber, Pest (orientalischer Beulenpest), Pocken (Blattern) — ist "jede Erkrankung und jeder Todesfall an Diphtherie (Nachenbräune), Gehirnentzündung, epidemischer (Encephalitis lethargica sive epidemica, hyperkinetica, akinetica, chronica), Eeni ckst a r r e , übertragbarer, Kindbettfieber (Wochenbett-, Puerperalfieber), Kin­ derlähmung, epidemischer, Körnerkrankheit (Gra­ nulöse, Trachom), Rückfallfieber (Febris recurrens), Ruhr, übertragbarer (Dysenterie), Scharlach (Scharlach­ fieber), Typhus (Unterleibstyphus), Milzbrand, Rotz, lollwut (Lyssa) sowie Bihverletzungen durch tolle oder der Tollwut verdächtige Tiere, Fleisch-, Fisch - und Wurst­ vergiftung, Trichinose sowie auch jeder Verdachtsfall an Typhus (Unterleibstyphus) der für den Aufenthaltsort des Erkrankten oder den Sterbeort zuständigen Polizeibehörde innerhalb vierundzwanzig Stunden nach erlangter Kenntnis anzuzeigen. (2) Als typhusverdächtiq gelten auch solche anscheinend ge­ sunde Personen, deren Ausscheidungen die Erreger des Typhus enthalten (Bazillenträger, Typhusdauerausscheider). (3) Wechselt der Erkrankte beziehungsweise bei Typhus auch der Typhusverdächtige die Wohnung oder den Aufenthaltsort, so ist dies innerhalb vierundzwanzig Stunden nach erlangter Kenntnis bei der Polizeibehörde, bei einem Wechsel des Aufent­ haltsorts auch bei derjenigen des neuen Aufenthaltsorts, zur Anzeige zu bringen.

(Verpflichtete Personen]

§ 2.

(1) Zur Anzeige sind verpflichtet: 1. der zugezogene Arzt,2. der Haushaltungsvorstand; 3. jede sonst mit der Behandlung oder Pflege des Erkrank­ ten beschäftigte Person: 4. derjenige, in dessen Wohnung oder Behausung der Erkrankungs- oder Todesfall sich ereignet hat,' 5. der Leichenschauer. (2) Die Verpflichtung der unter Nr. 2 bis 5 genannten Per­ sonen tritt nur oann ein, wenn ein früher genannter Verpflich­ teter nicht vorhanden ist. (3) Bei Tyvhusdauerausscheidern sind nur die unter 1 und 2 genannten Personen zur Anzeige verpflichtet.

30. Landcöstnchcngesth (1005).

Krankenhäuser iifro.]

[39

§ 3.

(1) Für Krankheits- und Todesfälle, welche sich in öffentlichen Kranken-, Entbindungs-, Pflege-, Gefangenen- und ähnlichen Anstalten ereignen, ist der Vorsteher der Anstalt oder die von der zuständigen Stelle damit beauftragte Person ausschließlich zur Erstattung der Anzeige verpflichtet. (2) Auf Schiffen oder'Flötzen gilt als der zur Erstattung der Anzeige verpflichtete Haushaltungsvorstand der Schiffer oder Flohführer oder deren Stellvertreter. (3) Dieselben Personen haben auch die für Typhusdaueraus­ scheider vorgeschriebene Anzeige zu erstatten. (4) Der Minister der Medizinalangelegenheiten^) ist er­ mächtigt, im Einvernehmen mit dem Minister für Handel und Gewerbe Bestimmungen darüber zu erlassen, an wen bei Krankbeits- und Todesfällen, welche auf Schiffen oder Flößen vor­ kommen, die Anzeige zu erstatten ist.

§ 4. Die Anzeige kann mündlich oder schriftlich erstattet werden. Mit Aufgabe zur Post gilt die schriftliche Anzeige als erstattet. Die Polizeibehörden haben auf Verlangen Melde­ karten für schriftliche Anzeigen unentgeltlich zu verabfolgen.

'ftorm ber Wnjfiflr]

lAnSdehnnng auf andere Krankh.)

§ 5.

Das Staatsministerinm ist ermächtigt, die in den §§ 1 bis 4 des gegenwärtigen Gesetzes enthaltenen Bestimmungen über die Anzeigepflicht für einzelne Teile oder den ganzen Umfang der (Monarchie) des Staates auch auf andere übertragbare Krankheiten vor­ übergehend auszudchnen, wenn und solange dieselben in epidemischer Verbreitung auftreten.

Zweiter Abschnitt.

Ermittelung der Krankheit.

8 6. (1) Aus Erkrankungen, Verdacht der Erkrankungen und Todesfälle an Gehirnentzündung, epidemischer, Genickstarre, übertragbarer, Kindbett­ sieber, Kinderlähmung, epidemischer, Typhus (Unterleibstyphus) sowie auf Erkrankungen und Todesfälle an Nückfallsieber, Ruhr, übertragbarer, Milzbrand, Notz, Tollwut, Bißverletzungen durch tolle oder der Tollwut verdächtige Tiere, Fleisch-, Fisch- und Wurstvergiftung, Trichinose finden die in ben § § 6 b i s 10 des Reichsgesetzes, betreffend die Be­ kämpfung gemeingefährlicher Krankheiten, enthaltenen Bestimmungen

i) Jetzt der Minister für Volkswohlfahrt (Beschluß' der Pr. Staats­ regierung vom 7. November 1919, GS. S. 173).

39]

39. Landesseuchengesetz (1905).

über die Ermittelung der Krankheit entsprechende Anwendung. Befindet sich jedoch der Kranke in ärztlicher Behandlung, so ist dem be­ amteten Arzte der Zutritt untersagt, wenn der behandelnde Arzt erklärt, daß von dem Zutritte des beamteten Arztes eine Gefährdung der Ge­ sundheit oder des Lebens der Kranken zu befürchten ist. Vor dem Zutritte des beamteten Arztes ist dem behandelnden Arzte Gelegenheit zu dieser Erklärung zu geben. (2) Außerdem ist bei Kindbettfieber oder Verdacht desselben dem be­ amteten Arzte der Zutritt nur mit Zustimmung des Haushaltungsvor­ standes gestattet. (3) Auch kann bei Typhus- oder Rotzverdacht eine Öffnung der Leiche polizeilich angeordnet werden, insoweit der beamtete Arzt dies zur Feststellung der Krankheit für erforderlich hält. (4) Bei Diphtherie, Körnerkrankheit und Scharlach hat die Orts­ polizeibehörde nur die ersten Fälle ärztlich feststellen zu lassen, und dies auch nur dann, wenn sie nicht von einem Arzte angezeigt sind. (5) Personen, gegen die begründeter Verdacht besteht, daß in ihren Ausscheidungen Typhuserreger enthalten sind, haben auf Erfordern des beamteten Arztes oder der Polizeibehörde ihre Ausscheidungen zur bak­ teriologischen Untersuchung zur Verfügung zu stellen.

§7. Das Staatsministerium ist ermächtigt, die in dem § 6 Abs. 1 des gegenwärtigen Gesetzes bezeichneten Bestimmungen ganz oder teilweise für einzelne Teile oder den ganzen Umfang sder Monarchie^ des Staates auch auf andere als die daselbst aufgeführten übertragbaren Krankheiten vorübergehend auszudehnen, wenn und solange dieselben in epidemischer Verbreitung auftreten.

Dritter Abschnitt. Schutzmahregeln. 8 8. Zur Verhütung der Verbreitung der nachstehend genannten Krankheiten können für die Dauer der Krankheitsgefahr die Absperrungs- und Aufsichtsmahregeln der §§ 12 bis 19 und 21 des Neichsgesetzes, betreffend die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten, nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen polizeilich angeoronet werden, und zwar bei: 1. Diphtherie (Rachenbräune): Absonderung kranker Personen (§ 14 Abs. 2), jedoch mit der Maßgabe, daß die Überführung von Kindern in ein Krankenhaus oder in einen andern geeigneten Unterkunfts­ raum gegen den Widerspruch der Eltern nicht angeordnet werden darf, wenn nach der Ansicht des beamteten Arztes oder des be­ handelnden Arztes eine ausreichende Absonderung in der Wohnung sichergestellt ist. sZiff. la—13 sowie die

3». Landesseuchengeseh (1905).

[39

88 9-11 enthalten weitere Schutzmagrcgcln für die verschiedenen in § 1 auf­ gezählten Krankheiten, die den entsprechenden Rcichsbeftimmungen nach­ gebildet sind.)

Vierter Abschnitt.

Verfahren und Behörden.

[Crk und Landtspoli;eibthördtn) §12.

(1) Die in dem Reichsgesetze, betreffend die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten, und in dem gegenwärtigen (besetze den Polizeibehörden überwiesenen Obliegenheiten werden, soweit das gegenwärtige Gesetz nicht ein anderes bestimmt, von den Ortspolizeibehörden wahrgenommen. Der Landrat ist befugt, die Amtsverrichtungen der Ortspolizeibehörden für den einzelnen Fall einer übertragbaren Krankheit zu übernehmen. (2- Die Zuständigkeit der Landespolizeibehörden auf dem Gebiete der Seuchenbekämpfung wird durch die Bestimmung des Abs. 1 nicht berührt. (3) Gegen die Anordnungen der Polizeibehörde finden die durch das Landesverwaltungsgesetz gegebenen Rechtsmittel statt. (4) Die Anfechtung der Anordnungen hat keine aufschiebende Wirkung. [Beamtete sink]

§13.

(1) Beamtete Ärzte im Sinne des Reichsgesetzes, betreffend die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten, und des gegen­ wärtigen Gesetzes sind die Kreisärzte, dre Kreisassistenzärzte, soweit sie mit der Stellvertretung von Kreisärzten beauftraat sind, sowie die mit der Wahrnehmung der kreisärztlichen Ob­ liegenheiten beauftragten Stadtärzte in Stadtkreisen, die Hafenund Quarantäneärzte in Hafenorten, außerdem die als Kom­ missare der Regierungspräsidenten, der Oberpräsidenten oder des Ministers der Medizinalangelegenheiten*) an Ort und Stelle entsandten Medninalbeamten. (2) Die Vorschrift des 8 36 Abs. 2 des vorbezeichneten Reichs­ gesetzes findet auf die in dem § 1 des gegenwärtigen Gesetzes bezeichneten Krankheiten entsprechende Anwendung. Fünfter Abschnitt. [Entschädigung für Gegenständes

Entschädigungen.

§ 14.

Tie Bestimmungen der §§ 29 bis 34 Satz 1 des Reichsgesetzes, betreffend die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten, finden auf

i) Jetzt des Ministers für Volkswohlfahrt (siche Anm. 1 zu § 3).

39]

39. Landköfcilchengksetz (1905).

diejenigen Fälle entsprechende Anwendung, in welchen auf Grund der §§ 8 und 11 des gegenwärtigen Gesetzes die Desinfektion oder Ver­ nichtung von Gegenständen polizeilich angcordnet worden ist. Der An­ spruch auf Entschädigung fällt jedoch weg, wenn der Antragsteller den Verlust ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie not­ wendigen Unterhalts zu tragen vermag.

[Zuständige Behörden)

§ 15.

(1) Die Festsetzuug der Entschädigungen in den Fällen der §§ 28 bis 33 des Neichsgesetzes, betreffend die Bekämpfung gemein­ gefährlicher Krankheiten, und des § 14 des gegenwärtigen Gesetzes er­ folgt durch die Ortspolizcibehörde. (2) Gegen die Entscheidung findet unter Ausschluß des Rechtswegs innerhalb einer Frist von einem Monate nur die Beschwerde a v. d i e Aufsichtsbehörde, in Berlin an den Oberpräsidenten, statt. Tie Entscheidung dieser Bcschwerdeinstanz ist endgültig.

88 16-24. sEnthalten fahrens.)

[Arjtkosten]

Einzelheiten

des

Entschädigungsver-

S e ch st e r Abschnitt. Kosten. § 25.

Die Kosten, welche durch die amtliche Beteiligung des beamteten Arztes bei der Ausführung des Neichsgesetzes, betreffend die Be­ kämpfung gemeingefährlicher Krankheiten, sowie bei • der Ausführung des gegenwärtigen Gesetzes entstehen, fallen der Staatskasse zur Last. Das gleiche ist der Fall, wenn es sich um die ärztliche Feststellung von Scharlach, Körncrkrankhcit und Diphtherie handelt (§ 6 Abs. 4).

[Rosten für Desinfektion usw.]

§ 26.

(1) Im übrigen findet die Vorschrift des § 37 Abs. 3 des Neichsgesetzes, betreffend die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten, aus diejenigen Fälle, in welchen die daselbst bezeichneten Schutzmaßregeln auf Grund der Bestimmungen des gegenwärtigen Ge­ setzes angeordnet werden, mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß die Kosten der Desinfektion und der besonderen Vorsichtsmaßregeln für die Aufbewahrung, Einsargung, Beförderung und Bestattung der Leichen nur dann aus öffentlichen Mitteln zu bestreiten sind, wenn nach Feststellung der Polizeibehörde der Zahlungspflichtige ohne Beeinträch­ tigung des für ihn und seine Familie notwendigen Unterhalts diese Kosten nicht zu tragen vermag. Unter den gleichen Voraussetzungen sind die Kosten, welche durch die nach § 8 des gegenwärtigen Gesetzes oder nach § 14 des vorbezeichneten Neichsgesetzes vorgesehene Absonde-

L39

30.Landesskllchtngesetz (1905)»

rung in Krankenhäusern oder in anderen geeigneten- Unterkunstsräumen entstehen, aus öffentlichen Mitteln zu bestreiten, wenn die abgeson­ derten Personen während der Tauer der Absonderung nicht in einer ihre Arbeitsfähigkeit beeinträchtigenden Weise erkranken. Wegen der Anfechtung der hierüber ergangenen Entscheidung findet die Vorschrift des § 15 Abs. 2 Anwendung. [§ 2 6 Ab s. 2,

88 27, 28 enthalten Einzelheiten über die (Gursbczirk), Kreis und Staat.]

fP fliehten der ßemeinbeit]

Kostcnvcrtcilung

zwischen

(Gemeinde

8 29.

(1) Die Gemeinden sind verpflichtet, diejenigen Einrichtungen, welche zur Bekämpfung der übertragbaren (§ 1 Abs. 1) Krank­ heiten notwendig sind, zu treffen und für deren ordnungs­ mäßige Unterhaltung zu sorgen. (2) Die Kreise sind befugt, diese Einrichtungen an Stelle der Gemeinden zu treffen und zu unterhalten. (Anordnungkn gemäss § 29]

§ 30.

(1) Die Anordnung zur Beschaffung der im § 29 bezeichneten Einrichtungen erläßt die Kommunalaufsichtsbehörde. (2) Gegen die Anordnung findet innerhalb zwei Wochen die Beschwerde und zwar bei Landgemeinden an den Kreisausschuß, in den Hohenzollernschen Landen an den Amtsausschuß, bei Stadtgemeinden an den Bezirksausschuß und mit Ausnahme der Hohenzollernschen Lande in weiterer Instanz an den Pro­ vinzialrat statt. Wird die Beschwerde auf die Behauptung mangelnder Leistungsfähigkeit zur Ausführung der Anordnung gestützt, so ist auch über dre Höhe der von der Gemeinde zu ge­ währenden Leistung au beschließen. Gegen die Entscheidung des Provinzialrats, in oen Hohenzollernschen Landen gegen die Entscheidung des Bezirksausschusses, steht den Parteien die Klage im Verwaltungsstreitverfahren innerhalb derselben Frist beim Oberverwaltungsgericht zu. Auf diese Klage findet die Vorschrift des § 127 Abs. 3 des Gesetzes über die allgemeine Lanoesverwaltüng vom 30. Juli 1883 entsprechende Anwendung. Sofern die Provinz an den Kosten teilzunehmen hat, steht dre Beschwerde beziehungsweise Klage auch der Provinzralverwaltung zu. [Äoftenanteil v. Provinz u. Staat]

§ 31.

Reicht die im Beschlußverfahren festgesetzte Leistung der Ge­ meinde nicht zur Ausführung der angeoroneten Einrichtung aus, — 471 —

40]

40. Reichs-Geschlechtokrankengefetz (1027).

so trägt, sofern die Kommunalaussichtsbehörde ihre Anordnung aufrechthält, die Provinz die Mehrkosten. Die Hälfte derselben ist vom Staate zu erstatten. fErsatzvornahme in dring. Fiillrnj

§ 32.

(1) Vei dringender Gefahr im Verzüge kann die Kommunal­ aufsichtsbehörde nach Anhörung der Kommunalbehörde die An­ ordnung zur Durchführung bringen, bevor das Verfahren nach § 30 eingeleitet oder zum Abschlüsse gebracht ist. (2) Die Kosten der Einrichtung trägt in diesem Falle der Staat, sofern die Anordnung der Kommunalaussichtsbehördr aufgehoben wird. (3) Reicht die im Beschlußverfahren festgesetzte Leistung zur Deckung der Kosten nicht aus, so greift die Bestimmung des § 31 Platz. [ßoftcn landespolizeil. Süiafjti.)

§ 33.

Unberührt bleibt die Verpflichtung des Staates, diejenigen Kosten zu tragen, welche durch landespolizeiliche Maßnahmen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten entstehen. Siebenter Abschnitt. Strasvorschristen.

88 34-36. sTie Strasvorschristen entsprechen im wesentlichen denen des Reichsgcsetzcs.)

Achter Abschnitt. Schlußbestimmungen.

88 37, 38. sUbergangsvorschriften, Inkrafttreten.)

40. Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten. Dom 18. Februar 1927 (RGBl. I S- 61). sTas Gesetz hat in erster Linie gesundheitspolizeilichen Charakter und bringt als solches neue, sehr weitgehende Befugnisse zur Bekämpfung der drei von ihm erfaßten Seuchen; cs ändert in den §§ 16 und 17 aber auch die rechtlichen Grundlagen der Sitten­ polizei sehr weitgehend.)

40. Reichs GeschlechtSkrankengesetz (1027). [Tie drei Geschlechtskrankheiten^

[40

§ 1.

Geschlechtskrankheiten im Sinne dieses Gesetzes sind Syphi­ lis, Tripper und Schanker ohne Rücksicht darauf, an welchen Körperteilen die Krankheitserscheinungen auftreten. [BehandlnngspfUchtj

§ 2.

(1) Wer an einer mit Ansteckungsgefahr verbundenen Ge­ schlechtskrankheit leidet und dies weih öder den Umständen nach annehmen mutz, hat die Pflicht, sich von einem für das Deut­ sche Reich approbierten Arzte behandeln zu lassen. Eltern, Vor­ münder und sonstige Erziehungsberechtigte sind verpflichtet, für die ärztliche Behandlung ihrer geschlechtskranken Pflegebefohle­ nen zu sorgen. (2) Durch Ausführungsbestimmungen ist dafür Sorge zu tragen, datz die Behandlung der Minderbemittelten, die keinen Anspruch auf anderweitige ärztliche Behandlung haben oder denen die Behandlung aus Grund einer Versicherung wirtschaft­ liche Nachteile bringen könnte, aus öffentlichen Mitteln sicher­ gestellt wird. [Zusammenwirkende Behörden^

§ 3.

Die Durchführung der aus diesem Gesetz erwachsenden ge­ sundheitlichen Aufgaben ist Gesundheitsbehörden zu übertragen, die sich mit den Beratungsstellen für Geschlechtskranke, den Pflegeämtern und den sonstigen Einrichtungen der sozialen Für­ sorge möglichst im Einvernahmen zu halten haben. Die Be­ amten der Ordnungs- und Wohlfahrtspolizei haben die Durch­ führung der gesundheitlichen und sozialfürsorgerischen Aufgaben, insbesondere das Eingreifen der Fürsorgestellen Minderjähri­ gen gegenüber, in jeder Weise zu unterstützen. [Nntersnchnnnspflicht, Zwangshcil.j

§ 4.

(1) Die zuständige Eesundheitsbehörde kann Personen, die dringend verdächtig sind, geschlechtskrank zu sein und die Ge­ schlechtskrankheit weiterzuverbreiten, anhalten, ein ärztliches Zeugnis, nur in begründeten Ausnahmerällen ein von einem durch die zuständige Gesundheitsbehörde oenannten Arzte aus­ gestelltes Zeugnis über ihren Gesundheitszustand vorzulegen oder sich der Untersuchung durch einen solchen Arzt zu unter­ ziehen. Auf Antrag des untersuchenden Arztes können solche Personen angehalten werden, wiederholt derartige Gesundheits­ zeugnisse beizubringen. (2) Personen, die geschlechtskrank und verdächtig sind, die Geschlechtskrankheit weiterzuverbreiten, können einem

40]

40. Rcichs.ttcschlechtskrankeugtseh (1927).

Heilverfahren unterworfen, auch in ein Kran­ kenhaus verbracht werden, wenn dies zur Verhütung der Ausbreitung der Krankheit erforderlich erscheint. (3) Anzeigen, deren Urheber nicht erkennbar sind, dürfen nicht beachtet werden. Personen, die mit Namensnennung andere einer Geschlechtskrankheit bezichtigen, sind zunächst mündlich zu vernehmen und die Anzeigen erst dann weiter zu verfolgen, wenn die Vernehmung ergeben hat, daß ein ausreichender An­ halt für die Richtigkeit der behaupteten Tatsachen vorhanden ist. (4) Soweit andere Mittel zur Durchführung der in Abs. 1,2 vorgesehenen Massnahmen nicht ausreichen, ist die Anwen­ dung unmittelbaren Zwanges zulässig. Ärzt­ liche Eingriffe, die mit einer ernsten Gefahr für Leben oder Gesundheit verbunden sind, dürfen nur mit Einwilligung des Kranken vorgenommen werden. Die Reichsregierung bestimmt, welche ärztlichen Eingriffe insbesondere hierunter fallen.

(Strafbarkeit des Beischlaf?] § 5. (1) Wer den Beischlaf ausübt, obwohl er an einer mit An­ steckungsgefahr verbundenen Geschlechtskrankheit leidet und dies weitz oder den Umständen nach annehmen muh, wird mit Ge­ fängnis bis zu drei Jabren bestraft, sofern nicht nach den Vor­ schriften des Strasgesetzouchs eine härtere Strafe verwirkt ist. (2) Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. Ist der Täter ein Angehöriger des Antragstellers, so ist die Zurücknahme des Antrags zulässig. (3) Die Strafverfolgung verjährt in sechs Monaten. (Strafbarkeit der Heirat] § 6. (1) Wer weist oder den Umständen nach annehmen mutz, datz er an einer mit Ansteckungsgefahr verbundenen Geschlechtskrank­ heit leidet und trotzdem eine Ehe eingeht, ohne dem anderen Teile vor Eingehung der Ehe über seine Krankheit Mitteilung gemacht zu haben, wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren be­ straft. (2) Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. Die Zurück­ nahme des Antrags ist zulässig. (3) Die Strafverfolgung verjährt in sechs Monaten. (Behandl. nur durch npprob. Ärzte] § 7. (1) Die Behandlung von Geschlechtskrankheiten und Krank­ heiten oder Leiden der Geschlechtsorgane ist nur den für das Deutsche Reich approbierten Ärzten gestattet. Verboten ist, solche Krankherten anders als auf Eruno eigener Wahrnehmung

40. Reichs Gtschltchtskrankengeseh (1927).

[40

zu behandeln (Fernbehandlung) oder in Vorträgen, Schriften, Abbildungen oder Darstellungen Ratschläge für die Selbst­ behandlung zu erteilen. (2) Wer einen anderen einem der im Abs. 1 enthaltenen Ver­ bote zuwider behandelt oder sich zu einer solchen Behandlung öffentlich oder durch Verbreitung von Schriften, Abbildungen oder Darstellungen, wenn auch in verschleiernder Weise, erbietet, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahre und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft. (3) Gleiche Strafe trifft den Arzt, der sich zur Behandlung der im Abs. 1 bezeichneten Krankheiten in unlauterer Weise erbietet.

[Belehrung durch bcn Ar;t)

§ 8.

(1) Wer eine geschlechtskranke Person ärztlich untersucht oder behandelt, soll sie über die Art der Krankheit und über die An­ steckungsgefahr sowie über die Strafbarkeit der in §§ 5, 6 be­ zeichneten Handlungen belehren und ihr hierbei ein amtlich ge­ nehmigtes Merkblatt aushündigen. (2) Fehlt dem Kranken die zur Erkenntnis der Ansteckungs­ gefahr erforderliche Einsicht, so soll die Belehrung und die Aus­ händigung des Merkblatts an denjenigen erfolgen, der für das persönliche Wohl des Kranken zu sorgen hat.

[Anjcigepflicht deö ArpcS)

§ 9.

(1) Wer eine Person, die an einer mit Ansteckungsgefahr ver­ bundenen Geschlechtskrankheit leidet, ärztlich behandelt, hat der im § 4 bezeichneten Gesundheitsbehörde Anzeige zu erstatten, wenn der Kranke sich der ärztlichen Behandlung oder Beobach­ tung entzieht oder wenn er andere infolge seines Berufs oder seiner persönlichen Verhältnisse besonders gefährdet. (2) Die oberste Landesbehörde kann bestimmen, daß die An­ zeige anstatt der Eesundheitsbehörde einer Beratungsstelle für Geschlechtskranke zu erstatten ist. Kommt der Kranke den Anwersungen der Beratungsstelle nicht nach, so hat diese der Ge­ sundheitsbehörde Kenntnis zu geben.

[Geheimhaltungspflicht)

§ 10.

(1) Wer als Beamter oder Angestellter einer Gesundheits­ behörde oder einer Beratungsstelle unbefugt offenbart, was ihm über Geschlechtskrankheiten eines andern öder rbre Ursache oder über die sonstigen persönlichen Verhältnisse der Beteiligten dienstlich bekannt geworden ist, wird mit Geldstrafe oder mit Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft.

40]

40. RtichS-tttschlechtskrauktugeseh (11)27).

(2) Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. Den Antrag kann auch die Gesundheitsbehörde stellen. (3) Die Offenbarung ist nicht unbefugt, wenn sie von einem in der Gesundheitsbehörde oder in einer Beratungsstelle tätigen Arzte oder mit Zustimmung eines solchen Arztes an eine Be­ hörde oder an eine Person gemacht wird, die ein berechtigtes gesundheitliches Interesse daran hat, über die Geschlechtskrank­ heit des andern unterrichtet zu werden.

(Verbot der Kurpfuscherrcklamt] § 11. (1) Wer zum Zwecke der Heilung oder Linderung von Ge­ schlechtskrankheiten Mittel, Gegenstände oder Verfahren öffent­ lich oder durch Verbreitung von Schriften, Abbildungen oder Darstellungen, wenn auch in verschleiernder Weise, ankündigt oder anpreist oder solche Mittel oder Gegenstände an einem all­ gemein zugänglichen Orte ausstellt, wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Stra­ fen bestraft. (2) Straflos ist, soweit nicht anderweitige reichs- oder landes­ rechtliche Vorschriften entgegenstehen, die Ankündigung oder An­ preisung dieser Mittel oder Gegenstände an Ärzte oder Apo­ theker oder an Personen, die mit solchen Mitteln oder Gegen­ ständen erlaubterweise Handel treiben, oder in wissenschaftlichen, ärztlichen oder pharmazeutischen Fachzeitschriften. (Aufklärungsvorträge] § 12. Vorträge, Schriften, Abbildungen und Darstellungen, die nur der Aufklärung über die Geschlechtskrankheiten, insbeson­ dere über ihre Erscheinungsformen, dienen, sind straflos, soweit sie nicht unter die Strafbestimmungen des § 7 fallen.

(Noutrollt der Verhütungsmittel] §13. (1) Die Neichsregierung kann das Inverkehrbringen von Mit­ teln oder Gegenständen, die zur Verhütung von Geschlechts­ krankheiten dienen sollen, von dem Ergebnis einer amtlichen Prüfung abhängig machen und das Inverkehrbringen hierfür nicht geeigneter Gegenstände verbieten. Sie kann auch Vor­ schriften über das Äusstellen, Ankündigen oder Anpreisen der hiernach zugelassenen Mittel oder Gegenstände treffen. (2) Wer Mittel oder Gegenstände, die auf Grund des Abs. 1 Satz 1 vom Verkehr ausgeschlossen sind, in Verkehr bringt, wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft. Ebenso wird bestraft, wer einer nach Abs. 1 Satz 2 getroffenen Vorschrift zuwiderhandelt.

40, ReichsGeschlechtskrankengeseh (1927).

[Strafbare Sorglosigkeiten bei Stillen von Kindern)

[40

§ 14.

(1) Mit Gefängnis bis zu einem Jahre und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen wird bestraft, sofern nicht nach den Vorschriften des Strafgesetzbuchs eine härtere Strafe verwirkt ist, 1. eine weibliche Person, die ein fremdes Kind stillt, obwohl sie an einer Geschlechtskrankheit leidet und dies Weitz oder den Um­ ständen nach annehmen mutz;

2. wer ein syphilitisches Kind, für dessen Pflege er zu sorgen hat, von einer anderen Person als der Mutter stillen lätzt, obwohl er die Krankheit des Kindes kennt oder den Umständen nach kennen mutz;

3. wer ein sonst geschlechtskrankcs Kind, für dessen Pflege er zu sorgen bat, von einer anderen Person als der Mutter, ohne sie vorher über die Krankheit und die gebotenen Vorsichtsmatznahmen durch einen Arzt mündlich unterweisen zu lassen, stillen lätzt, ob­ wohl er die Krankheit des Kindes kennt oder den Umständen nach kennen muß;

4. wer ein geschlechtskrankcs Kind, obwohl er die Krankheit kennt oder den Umständen nach kennen mutz, in Pflege gibt, ohne den Pflegeeltcrn von der Krankheit des Kindes Mitteilung zu machen. (2) Straflos ist das Stillen oder Stillenlassen eines syphilitischen Kindes durch eine weibliche Person, die selbst an Syphilis leidet.

[deSgl. bei Verwendg. v. Ammen)

§ 15.

(1) Mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Reichsmark oder mit Haft wird bestraft:

1. eine Amme, die ein fremdes Kind stillt, -ohne im Besitz eines unmittelbar vor Antritt der Stellung ausgestellten ärztlichen Zeugnisses darüber zu sein, daß an ihr keine Geschlechtskrankheit nachweisbar ist; 2. wer zum Stillen eines Kindes eine Amme in Dienst nimmt, ohne sich davon überzeugt zu haben, daß sie im Besitze des in Nr. 1 bezeichneten Zeugniffes ist;

3. wer, abgesehen von Notfällen, e?n Kind, für dessen Pflege er zu sorgen hat, von einer anderen Person als der Mutter füllen läßt, ohne vorher im Besitz eines ärztlichen Zeugnisses darüber zu sein, daß eine gesundheitliche Gefahr für die Stillende nicht besteht. (2) Tie Vorschriften des Abs. 1 finden im Falle des § 14 Abs. 2 keine Anwendung.

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40. Reichs-Geschltchtskrankengesktz (1927).

§16. Tas Strafgesetzbuch wird abgeändert wie folgt: I. § 180 erhält folgenden zweiten und dritten Absatz: Als Kuppelei gilt insbesondere die Unterhaltung eines Bor­ dells oder eines bordellartigen Betriebs. Wer einer Person, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, Wohnung gewährt, wird auf Grund des Abs. 1 nur dann bestraft, wenn damit ein Ausbeuten der Person, der die Wohnung gewährt ist, oder ein Auwerben oder ein Anhalten dieser Person zur Unzucht verbunden ist. II. Im § 184 wird hinter Nr. 3 folgende Vorschrift eilige fügt: 3a) wer in einer Sitte oder Anhand verletzenden Weise Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zur Verhü­ tung von Geschlechtskrankheiten dienen, öffent­ lich ankündigt, anpreist oder solche Mittel oder Gegenstände an einem dem Publikum zugänglichen Srte ausstellt. III. § 361 Nr. 6 erhält folgende Fassung: wer öffentlich in einer Sitte oder Anstand verletzenden oder andere belästigenden Weise zur Unzucht auffordert oder sich dazu an bietet; IV. Im § 361 wird hinter Nr. 6 eingefügt: 6a) wer gewohnheitsmäßig zum Zwecke des Erwerbes in der Nähe von Kirchen oder in der Nähe von Schulen oder an­ deren zum Besuche durch Kinder oder Jugendliche bestimmten Örtlichkeiten oder in einer Wohnung, in der Kinder oder jugend­ liche Personen zwischen drei und achtzehn Jahren wohnen, oder in einer Gemeinde mit weniger als fünfzehntausend Einwohnern, für welche die oberste Landesbehörde zum Schutze der Jugend oder des öffentlichen Anstandes eine entsprechende Anordnung ge­ troffen hat, der Unzucht nachgeht. V. Im § 362 Abs. 3 Satz 2 werden die Morte „Im Falle des § 361 Nr. 6" durch die Worte „In den Fällen des § 361 Nr. 6, Ga" ersetzt. IKeine Kasernierungen)

§ 17.

Wohnungsbeschränkungen auf bestimmte Straßen oder Häuserblocks zum Zwecke der Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht (Kasernierungen) sind verboten. (Turchführungsvorschriften)

§ 18.

Die zur Durchführung dieses Gesetzes, insbesondere für das Zu­ sammenwirken der Behörden mit den Einrichtungen der sozialen Für­ sorge notwendigen Vorschriften werden von der obersten Landesbehörde erlassen. Die Aufbringung der entstehenden Kosten regelt sich nach Landesrecht.

41. Reichö-Bithstilchkngeseh (1909).

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