Vertriebsmanagement: Die Distributions- und Verkaufspolitik im Marketing [3 ed.] 9783428585342, 9783428542048, 9783428185344

Mit dem Band »Vertriebsmanagement« liegt nunmehr in dritter Auflage ein Lehr- und Handbuch zum Vertrieb vor, das sowohl

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Vertriebsmanagement: Die Distributions- und Verkaufspolitik im Marketing [3 ed.]
 9783428585342, 9783428542048, 9783428185344

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Werner Pepels

Vertriebsmanagement Die Distributions- und Verkaufspolitik im Marketing 3., erweiterte und komplett überarbeitete Auflage

Duncker & Humblot · Berlin

WERNER PEPELS

Vertriebsmanagement

Vertriebsmanagement Die Distributions- und Verkaufspolitik im Marketing

Von Werner Pepels

3., erweiterte und komplett überarbeitete Auflage

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlagbild: © Coloures-Pi – Fotolia.com Alle Rechte vorbehalten

© 2022 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Satz: TextFormArt, Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISBN 978-3-428-18534-4 (Print) ISBN 978-3-428-58534-2 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort „Vertriebsmanagement“ liegt nunmehr in der dritten, aktualisierten und komplett überarbeiteten Auflage vor. Die erste Auflage stammt aus 2006 und die zweite aus 2014, so dass von einer kontinuierlichen Entwicklung gesprochen werden kann. Anlass für eine Ausarbeitung zur Distributions- und Verkaufspolitik im Marketing war die Erkenntnis, dass damals kaum nennenswerte Werke zu diesem Thema vorlagen. Daran hat sich überraschenderweise bis heute nicht allzu viel verändert. Natürlich gibt es die eine oder andere beachtliche Publikation mehr, aber gemessen an der praktischen Bedeutung des Vertriebs und auch im Vergleich zur überreichen Repräsentanz anderer Marketingthemen scheint hier Nachholbedarf gegeben. Darauf dürfte auch die erfreuliche Leserakzeptanz dieses Titels zurück zu führen sein. Zwischenzeitlich ist im selben Verlag vom Autor das zweibändige „Handbuch des Vertriebs“ erschienen, das auf mehr als 1.000 Seiten einen ebenso breiten wie tiefen Zugriff auf die verschiedenen Facetten dieser Thematik bietet. Aber nicht jeder Interessent will oder muss es so genau und umfassend wissen. Und genau dieses Marktsegment wird durch die vorliegende Publikation offensichtlich erfolgreich angesteuert. Die Inhalte sind gegenüber der Vorauflage gestrafft und durchgesehen worden, zugleich wurden relevante Aspekte ausgebaut. Im Wesentlichen gliedert sich der Band insofern in folgende zehn Kapitel: • Gestaltung des Absatzkanals, • Offline-Direktabsatz, • Offline-Indirektabsatz, • Stationärer Handel als Absatzmittler, • Online-Absatz, • Kaufmannische Auftragsbearbeitung, • Technische Auftragsbearbeitung, • Verkaufsdurchführung, • Vertriebssteuerung, • Spezialaspekte des Vertriebs. Die Konzeption des Werks strebt die Schnittstelle zwischen Lehr- bzw. Wissenschaftsliteratur einerseits und Manager- bzw. Fachbuch andererseits an. Es soll ein State of the art des Erkenntnisstands zum Vertriebsmanagement geboten und dabei die Maxime der anspruchsvollen Praxisorientierung eingehalten werden. Dazu

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Vorwort

dienen eine tief unterteilte Gliederung, über hundert Abbildungen sowie zahllose Praxisbeispiele und Mini-Cases. Als Leserzielgruppe gelten Studierende des Marketing an öffentlichen und privaten Universitäten und Fachhochschulen sowie Teilnehmer an fortgeschrittenen Weiterbildungseinrichtungen und nebenberuflich Studierende. Weiterhin Leitende Vertriebsmanager zum Brush-up ihres professionellen Wissensstands, Aufsteiger in Leitungspositionen, vor allem mit betriebswirtschafts- bzw. marketingfremdem Hintergrund zur weiteren Qualifizierung sowie Einsteiger in die Materie für die fundierte Erlangung des Basiswissens. Der Autor dankt dem Verlag Duncker & Humblot für die zwischenzeitlich schon bewährte, konstruktive und kooperative Unterstützung des Werks, namentlich seien Dr. Andreas Beck / Programmleitung und Anke Geidel / Produktion erwähnt. Ohne ihre Mithilfe wäre diese Arbeit nicht zu vollenden gewesen. Etwaig verbleibende Unzulänglichkeiten gehen trotz sorgfältiger Korrektur- und Lektorats­ arbeiten allein zulasten des Autors. Zumal darüber hinaus keine Unterstützer vorhanden sind. Die Nennung von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, insb. Marken / Produkten / Firmen etc., in diesem Werk dient nur der praktischen Veranschaulichung. Die Rechte der jeweiligen Zeicheninhaber werden dabei ausdrücklich respektiert. Verlag und Autor gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung richtig und vollständig sind, ohne dafür jedoch Gewähr zu übernehmen. Der besseren Lesbarkeit halber wird nachfolgend auf eine Genderisierung im Text verzichtet. Krefeld, im Juni 2021

Werner Pepels

Inhaltsübersicht 1. Die Gestaltung des Absatzkanals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1.1 Begriffsabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1.2 Leistungsströme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 1.3 Akteure und deren Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1.4 Breitendimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1.5 Tiefendimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 1.6 Mehrkanalabsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 1.7 Absatzmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 2. Der Offline-Direktabsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 2.1 Alternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 2.2 Führung der Vertriebsmitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 2.3 Einsatz der Vertriebsmitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 2.4 Beurteilung des Persönlichen Verkaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 2.5 Aufgaben des Innenverkaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 2.6 Einbindung von Absatzhelfern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 2.7 Absatz über Marktveranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 2.8 Mediengestützter Absatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 3. Der Offline-Indirektabsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 3.1 Handelsinstitutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 3.2 Handelsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 3.3 Einzelhandelsbetriebsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 3.4 Großhandelsbetriebsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 3.5 Dynamik der Handelsbetriebsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 3.6 Konstellationen im Absatzkanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 3.7 Zusammenarbeit im Absatzkanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200

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Inhaltsübersicht

4. Der stationäre Handel als Absatzmittler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 4.1 Aktionsparameter des Handels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 4.2 Warenwirtschaft des Handels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 5. Der Online-Absatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 5.1 Digitale Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 5.2 Ausprägungen des E-Commerce . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 5.3 E-Commerce-Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 5.4 E-Commerce-Metrics . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 5.5 Rechtlicher Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 6. Die kaufmännische Auftragsbearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 6.1 Angebotsmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 6.2 Absatzfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 6.3 Erlöscontrolling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 6.4 Kundenkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 6.5 Kundenlebenszeitwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 7. Die technische Auftragsbearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 7.1 Beauftragungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 7.2 Handelsdokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 7.3 Distributionslogistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 7.4 Lieferungsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 7.5 Transportentscheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 7.6 Lagerungsentscheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 7.7 Redistribution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 7.8 Logistische Absatzhelfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 8. Die Verkaufsdurchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 8.1 Beschaffungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 8.2 Verkaufsgesprächsablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 8.3 Einsatz unfairer Gesprächspraktiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 8.4 Verbale Kommunikationselemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 8.5 Non-verbale Kommunikationselemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 8.6 Käufer-Verkäufer-Interaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 8.7 Gesprächsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511

Inhaltsübersicht

9

9. Die Vertriebssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 9.1 Kundenmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 9.2 Zufriedenheitserfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535 9.3 Unzufriedenheitshandling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538 9.4 Marktverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539 10. Spezialaspekte des Vertriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 10.1 Distribution in Auslandsmärkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 10.2 Kaufverhalten im Geschäftskunden-Vertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567 10.3 Kaufverhalten im Privatkunden-Vertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583 Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 595

Inhaltsverzeichnis 1. Die Gestaltung des Absatzkanals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1.1 Begriffsabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1.2 Leistungsströme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 1.3 Akteure und deren Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1.4 Breitendimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1.4.1 Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1.4.2 Exklusiver Absatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 1.4.3 Selektiver Absatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 1.4.4 Intensiver Absatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 1.4.5 Ubiquitärer Absatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 1.4.6 Distributionsgrade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 1.5 Tiefendimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 1.5.1 Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 1.5.2 Indirektabsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 1.5.2.1 Einstufig indirekter Absatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 1.5.2.2 Zweistufig indirekter Absatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 1.5.2.3 Mehrstufig indirekter Absatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 1.5.3 Optionale Absatzkanaldesigns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 1.6 Mehrkanalabsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 1.6.1 Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 1.6.2 Optionen der Absatzkanäle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 1.6.3 Paralleler Absatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 1.6.4 Gesplitteter Absatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 1.6.4.1 Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 1.6.4.2 Anlage nach Produkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 1.6.4.3 Anlage nach Kundenwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 1.6.4.4 Anlage nach Abnehmerbranchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 1.6.4.5 Anlage nach Absatzgebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 1.6.5 Cross channel distribution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76

12

Inhaltsverzeichnis 1.7 Absatzmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 1.7.1 Vertriebssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 1.7.2 Absatzform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

2. Der Offline-Direktabsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 2.1 Alternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 2.2 Führung der Vertriebsmitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 2.2.1 Beschaffung und Auswahl von Mitarbeitern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 2.2.2 Beurteilung und Qualifizierung der Mitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 2.2.3 Arbeitsentgeltbemessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2.2.3.1 Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2.2.3.2 Variable Bezugsgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 2.2.4 Leistungsanreize . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 2.2.5 Führungsstile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 2.3 Einsatz der Vertriebsmitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 2.3.1 Gebietsaufteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 2.3.2 Zeitbudgetierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 2.3.3 Besuchsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 2.3.4 Berichtswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 2.4 Beurteilung des Persönlichen Verkaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 2.5 Aufgaben des Innenverkaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 2.6 Einbindung von Absatzhelfern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 2.6.1 Akquisitorische Absatzhelfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 2.6.1.1 Handelsvertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 2.6.1.2 Kommissionär . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 2.6.1.3 Handelsmakler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 2.6.1.4 Handelsversteigerer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 2.6.2 Vergleich Reisender vs. Handelsvertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 2.7 Absatz über Marktveranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 2.7.1 Organisierte Anbieterkonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 2.7.2 Organisierte Nachfragerkonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 2.7.3 Freie Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 2.7.4 Börsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 2.8 Mediengestützter Absatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 2.8.1 Druckmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 2.8.2 Funkmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

Inhaltsverzeichnis

13

3. Der Offline-Indirektabsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 3.1 Handelsinstitutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 3.2 Handelsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 3.3 Einzelhandelsbetriebsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 3.3.1 Einteilungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 3.3.2 Primäre, stationäre Einzelhandelsbetriebsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 3.3.2.1 Traditionelle Betriebsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 3.3.2.2 Moderne Betriebsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 3.3.2.3 Preisaggressive Betriebsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 3.3.3 Primäre, nicht-stationäre Einzelhandelsbetriebsformen . . . . . . . . . . . . 163 3.3.4 Sekundäre, stationäre Einzelhandelsbetriebsformen . . . . . . . . . . . . . . 164 3.3.5 Sekundäre, nicht-stationäre Betriebsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 3.3.6 Spezielle Einzelhandelsbetriebsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 3.3.7 Ladenhandwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 3.4 Großhandelsbetriebsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 3.4.1 Einteilungskriterien und Ausformungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 3.4.2 Bedeutung des Großhandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 3.5 Dynamik der Handelsbetriebsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 3.5.1 Erklärungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 3.5.2 Polarisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 3.5.3 Absatzkanalpräsenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 3.6 Konstellationen im Absatzkanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 3.6.1 Konfliktpotenziale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 3.6.2 Nachfrage- und Angebotsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 3.6.3 Regalplatzknappheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 3.7 Zusammenarbeit im Absatzkanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 3.7.1 Kooperationsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 3.7.2 Abstimmung mit der Handelsstufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 3.7.2.1 Rahmenvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 3.7.2.2 Herstellergestützter Mittelstandskreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 3.7.3 Raumvermietungsgeschäfte des Handels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 3.7.3.1 Shop in the shop-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 3.7.3.2 Store in the store-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 3.7.3.3 Hersteller-Rack jobber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 3.7.3.4 Konzession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206

14

Inhaltsverzeichnis 3.7.4 Warenvermittlungsgeschäfte des Handels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 3.7.4.1 Agenturvertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 3.7.4.2 Konsignationsvertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 3.7.5 Kooperative Warenverkaufsgeschäfte des Handels . . . . . . . . . . . . . . . . 209 3.7.5.1 Depot-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 3.7.5.2 Franchising-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 3.7.5.3 Vertragshändler-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216

4. Der stationäre Handel als Absatzmittler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 4.1 Aktionsparameter des Handels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 4.1.1 Kennzeichen des Wiederverkäufermarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 4.1.2 Markenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 4.1.2.1 Handelsmarke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 4.1.2.2 Gattungsware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 4.1.2.3 Geschäftsstättenmarke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 4.1.3 Sortimentszuschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 4.1.3.1 Sortimentsdimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 4.1.3.2 Sortimentsbestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 4.1.4 Preis und Kalkulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 4.1.4.1 Sonderpreisaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 4.1.4.2 Preispolitischer Ausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 4.1.4.3 Erfolgskennziffern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 4.1.5 Handelsplatzauftritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 4.1.6 Ladenorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 4.1.7 Standortwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 4.1.7.1 Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 4.1.7.2 Optionale Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 4.1.7.3 Gesetzliche Restriktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 4.2 Warenwirtschaft des Handels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 4.2.1 Geschlossenes Waren-Wirtschafts-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 4.2.1.1 Module . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 4.2.1.2 Datenerfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 4.2.2 Einzelhandelscontrolling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 4.2.2.1 Direkte Produkt-Profitabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 4.2.2.2 Direkte Produkt-Rentabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 4.2.3 Warenplatzierungskonsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 4.2.3.1 Regalspiegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 4.2.3.2 Regaloptimierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269

Inhaltsverzeichnis

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4.2.4 Efficient consumer response . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 4.2.4.1 Supply chain management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 4.2.4.2 Category management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 4.2.4.3 Informationstechnische Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . 279 4.2.5 Collaborative planning forecasting replenishment . . . . . . . . . . . . . . . . 282 5. Der Online-Absatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 5.1 Digitale Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 5.2 Ausprägungen des E-Commerce . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 5.2.1 Einteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 5.2.1.1 Breite des Marktzugriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 5.2.1.2 Erreichbarkeit des Anbieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 5.2.1.3 Absatzweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 5.2.1.4 Absatzmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 5.2.2 Pure player-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 5.2.2.1 Online-Shop . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 5.2.2.2 Online-Marktplatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 5.2.2.3 Online-Börse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 5.2.3 Mixed player-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 5.2.4 Social commerce . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 5.3 E-Commerce-Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 5.3.1 Arbeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 5.3.2 Angebotspräsentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 5.3.3 Kaufvorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 5.3.4 Kassen-Checkout . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 5.3.5 Zahlvorgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 5.3.6 Kaufabsicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 5.3.7 Auftragskommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 5.3.8 Auftragslogistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 5.3.9 Retourenhandling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 5.4 E-Commerce-Metrics . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 5.5 Rechtlicher Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 6. Die kaufmännische Auftragsbearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 6.1 Angebotsmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 6.1.1 Interessentensichtung und -ansprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 6.1.2 Anfrageneinholung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357

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Inhaltsverzeichnis 6.1.3 Bearbeitung von Inbound-Anfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 6.1.4 Auftragsdurchführbarkeit und Ressourcenverfügbarkeit . . . . . . . . . . . 359 6.1.5 Kalkulation der Angebotsbestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 6.1.6 Durchführung der Angebotserstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 6.1.7 Preisspezifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 6.1.8 Risikoabdeckung der Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 6.1.9 Nachlaufphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 6.2 Absatzfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 6.2.1 Basisformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 6.2.2 Alleinfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 6.2.3 Refinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 6.2.3.1 Sicherheiten in der Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 6.2.3.2 Sicherheiten in der Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 6.2.4 Drittfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 6.3 Erlöscontrolling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 6.3.1 Auftragswertbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 6.3.2 Erlösschmälerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 6.3.2.1 Planbare Positionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 6.3.2.2 Nicht-planbare Positionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 6.3.3 Konditionensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 6.4 Kundenkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 6.5 Kundenlebenszeitwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402

7. Die technische Auftragsbearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 7.1 Beauftragungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 7.2 Handelsdokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 7.3 Distributionslogistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 7.4 Lieferungsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 7.5 Transportentscheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 7.5.1 Einflussfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 7.5.2 Transportmittelbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 7.5.3 Transportmittelwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 7.6 Lagerungsentscheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 7.6.1 Lagerfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424

Inhaltsverzeichnis

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7.6.2 Lagerstandort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 7.6.3 Lagerbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 7.7 Redistribution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 7.8 Logistische Absatzhelfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 7.8.1 Spediteur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 7.8.2 Frachtführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 7.8.3 Lagerhalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 8. Die Verkaufsdurchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 8.1 Beschaffungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 8.1.1 Initialisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 8.1.2 Bedarfskonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 8.1.3 Angebotssondierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 8.1.4 Anfragenerstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 8.1.5 Angebotseinholung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 8.1.6 Angebotsbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 8.1.7 Anbieterauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 8.1.8 Nachverhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 8.1.9 Kaufabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 8.1.10 Nachbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 8.2 Verkaufsgesprächsablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 8.2.1 Kontaktphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 8.2.1.1 Vorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 8.2.1.2 Terminvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 8.2.1.3 Überwindung von Kontaktwiderständen . . . . . . . . . . . . . . . . 468 8.2.2 Präsentationsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 8.2.2.1 Kundenqualifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 8.2.2.2 Demonstration und Vorteilsargumentation . . . . . . . . . . . . . . . 474 8.2.2.3 Einwandbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 8.2.3 Abschlussphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 8.2.3.1 Preisverteidigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 8.2.3.2 Closing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 8.3 Einsatz unfairer Gesprächspraktiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 8.4 Verbale Kommunikationselemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 8.5 Non-verbale Kommunikationselemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495

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Inhaltsverzeichnis 8.5.1 Persönliche Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 8.5.2 Situative Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 8.6 Käufer-Verkäufer-Interaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 8.6.1 Transaktionsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 8.6.2 Käufertypologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 8.6.3 Verkäufertypologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 509 8.7 Gesprächsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 8.7.1 Gesprächsteilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 8.7.2 Anlass und Vorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512 8.7.3 Zeitpunkt und Dauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 8.7.4 Aufbau und Ablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514

9. Die Vertriebssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 9.1 Kundenmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 9.1.1 Kundenbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 9.1.2 Kundenentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 9.1.3 Phasen des Kundenlebenszyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521 9.1.3.1 Interessentenauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521 9.1.3.2 Kundenakquisition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 9.1.3.3 Beziehungsausbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 9.1.3.4 Produktwerterhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 9.1.3.5 Produktanzahlerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 9.1.3.6 Referenzierung und Weiterempfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . 527 9.1.3.7 Informations- und Integrationsnutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 9.1.3.8 Kundenevaluierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529 9.1.3.9 Kundenreaktivierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531 9.1.3.10 Kundenausgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 9.1.3.11 Kündigungsprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 9.1.3.12 Kundenrückgewinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534 9.2 Zufriedenheitserfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535 9.3 Unzufriedenheitshandling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538 9.4 Marktverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539 9.4.1 Produktorientierte Vertriebsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 540 9.4.2 Gebietsorientierte Vertriebsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541 9.4.3 Kundenwertorientierte Vertriebsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542 9.4.4 Branchenorientierte Vertriebsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 9.4.5 Organisationale Mischformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 544

Inhaltsverzeichnis

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10. Spezialaspekte des Vertriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 10.1 Distribution in Auslandsmärkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 10.1.1 Marktwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 10.1.2 Optionen des Markteintritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 550 10.1.2.1 Außenhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 550 10.1.2.2 Dauervertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 10.1.2.3 Direktinvestition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 558 10.1.3 Optionen der Marktbearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 560 10.1.4 Incoterms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561 10.2 Kaufverhalten im Geschäftskunden-Vertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567 10.2.1 Besonderheiten der gewerblichen Beschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567 10.2.2 Procurement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569 10.2.3 Kennzeichen geschäftlicher Transaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571 10.2.4 Kaufsituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572 10.2.4.1 Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572 10.2.4.2 Kauftypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574 10.2.5 Vertikalmodelle zur Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575 10.2.5.1 Buying center-Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575 10.2.5.2 Potenzial-Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 577 10.2.5.3 Reagierer-Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 578 10.2.6 Horizontalmodelle zur Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579 10.2.7 Interaktionsmodelle zur Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 580 10.2.7.1 Relationen-Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 580 10.2.7.2 Netzwerk-Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 582 10.3 Kaufverhalten im Privatkunden-Vertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583 10.3.1 Strukturell-psychologische Determinanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583 10.3.2 Strukturell-soziologische Determinanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 587 10.3.3 Prozessuale Determinanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 589 Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 595

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis Tabelle 1:

Distributionsgrade (in %) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

Tabelle 2:

Beispiel Kostenvergleich Handelsvertreter vs. Reisender . . . . . . . . . . 132

Tabelle 3:

Zuschlagskalkulation im Handel (Prinzip) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178

Tabelle 4:

Sonderangebotseffizienz (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238

Tabelle 5:

Ermittlung der Direkten Produkt-Profitabilität (Schema) . . . . . . . . . . 263

Tabelle 6:

Ermittlung der Direkten Produkt-Rentabilität (Beispiel) . . . . . . . . . . 265

Tabelle 7:

Kundenwertermittlung (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406

Abbildung 1:

Abgrenzung Vertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

Abbildung 2:

Marketingsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

Abbildung 3:

Leistungsströme im Absatzkanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

Abbildung 4:

Akteure im Absatzkanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

Abbildung 5:

Absatzkanalbeziehung Push, Pull, Push & pull . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

Abbildung 6:

Parameter der Absatzkanalgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

Abbildung 7:

Optionen der Absatzkanalbreite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

Abbildung 8:

Optionale Absatzwege (mit und ohne Handelsstufe) . . . . . . . . . . . . . . 47

Abbildung 9:

Darstellung der Absatzkanaltiefe (Warenfluss / Geldgutschrift) . . . . . . 48

Abbildung 10:

Einstufig indirekter Absatz (Warenfluss / Geldgutschrift) . . . . . . . . . . 50

Abbildung 11:

Zweistufig indirekter Absatz (Warenfluss / Geldgutschrift) . . . . . . . . . 52

Abbildung 12:

Mehrstufig indirekter Absatz (möglicher Aufbau) . . . . . . . . . . . . . . . . 54

Abbildung 13:

Optionale Absatzkanaldesigns (Beispiele) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

Abbildung 14:

Prinzip des Mehrkanalabsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

Abbildung 15:

Mögliche Mehrkanal-Absatzdesigns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

Abbildung 16:

Einteilung der Multi channel distribution (MCD) . . . . . . . . . . . . . . . . 69

Abbildung 17:

MCD-Anlage nach Abnehmerbranchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

Abbildung 18:

MCD-Anlage nach Absatzgebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

Abbildung 19:

Elemente der Absatzform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

Abbildung 20:

Optionen der eigengestalteten Absatzform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

Abbildung 21:

Alternativen des Direktabsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

Abbildung 22:

Interner Direktabsatz (Warenfluss / Geldgutschrift) . . . . . . . . . . . . . . . 85

Abbildung 23:

Externer Direktabsatz (Warenfluss / Geldgutschrift) . . . . . . . . . . . . . . 87

Abbildung 24:

Entlohnungsformen im Verkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

22

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

Abbildung 25:

Optionale Provisionsverläufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

Abbildung 26:

Kapazitätsberechnung Verkaufsaußendienstmitarbeiter (Beispiel) . . . 108

Abbildung 27:

Berechnung der VADM-Kapazität und -Kosten (Beispiel) . . . . . . . . . 110

Abbildung 28:

Verbreitete Verfahren zur Tourenplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

Abbildung 29:

Arten von Absatzhelfern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

Abbildung 30:

Rechtsstellung der Absatzhelfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

Abbildung 31:

Einteilungskriterien für Handelsvertretertypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

Abbildung 32:

Handelsvertreterbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

Abbildung 33:

Kommissionärsbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

Abbildung 34:

Kostenvergleich Handelsvertreter vs. Reisender . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

Abbildung 35:

Formen organisierter Marktveranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

Abbildung 36:

Vertrieb über Offline-Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

Abbildung 37:

Betriebseinteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

Abbildung 38:

Funktionen des Handels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150

Abbildung 39:

Kriterien für Betriebsformen des Einzelhandels . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

Abbildung 40:

Typologie der Betriebsformen des Einzelhandels . . . . . . . . . . . . . . . . 155

Abbildung 41:

Betriebsformen des Großhandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174

Abbildung 42:

GH-Streckenbeschäft / ​Drop shipping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

Abbildung 43:

Polarisierung der Betriebsformen des Handels . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183

Abbildung 44:

Alternativen der Marktstimulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

Abbildung 45:

Wettbewerbsposition im Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186

Abbildung 46:

Optionen der Absatzkanalpräsenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

Abbildung 47:

Chancen zum besseren Marktdurchgriff für Hersteller . . . . . . . . . . . . 188

Abbildung 48:

Faktoren der Regalplatzknappheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198

Abbildung 49:

Formen des Kontraktmarketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

Abbildung 50:

Prinzip der Vertragshändlerbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216

Abbildung 51:

Beispiele von Kontraktmarketingformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220

Abbildung 52:

Aktionsparameter des stationären Handels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223

Abbildung 53:

Sortimentsdimensionen (Beispiel: Schuhhandel) . . . . . . . . . . . . . . . . 232

Abbildung 54:

Sortimentshierarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234

Abbildung 55:

Warenwirtschaft des stationären Handels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255

Abbildung 56:

DPR-Kennzahlensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266

Abbildung 57:

Maßnahmen zur Regalplatzoptimierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269

Abbildung 58:

Generationen von Supply chain-Abläufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274

Abbildung 59:

Ausprägungen des E-Commerce . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290

Abbildung 60:

Ausprägungen von Online-Marktplätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306

Abbildung 61:

Phasen des E-Commerce-Prozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311

Abbildung 62:

Zahlungsverfahren im E-Commerce . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

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Abbildung 63:

Phasen des Angebotsmanagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354

Abbildung 64:

Optionen der Absatzfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374

Abbildung 65:

Vertriebs-Deckungsbeitragsrechnung (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . 381

Abbildung 66:

Kostenträgerzeitrechnung (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382

Abbildung 67:

Kostenträgerstückrechnung (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383

Abbildung 68:

Arten von Erlösschmälerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385

Abbildung 69:

RFMR-Modell (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397

Abbildung 70:

FRAC-Modell (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398

Abbildung 71:

ABCD-Analyse (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399

Abbildung 72:

ABC-Analyse nach Kundenanteilen (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400

Abbildung 73:

Kundenkapital-Portfolios . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401

Abbildung 74:

Kundenerfolgsgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403

Abbildung 75:

Einflussgrößen auf den Kundenlebenszeitwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405

Abbildung 76:

Phasen der Auftragsbearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407

Abbildung 77:

Zentrale Anforderungen an die Distributionslogistik . . . . . . . . . . . . . 415

Abbildung 78:

Beteiligte im Versand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432

Abbildung 79:

Warenumschlag über Frachtführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434

Abbildung 80:

Nachfrager- und Anbieteraktivitäten in der Transaktion . . . . . . . . . . . 437

Abbildung 81:

Beschaffungsrisiko-Gewinneinfluss-Matrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438

Abbildung 82:

Wichtige Sourcing-Strategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442

Abbildung 83:

Schema der Wertgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451

Abbildung 84:

Prinzip der Zielkostenkalkulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452

Abbildung 85:

Prinzip der Lebenszykluskostenrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452

Abbildung 86:

Inhalt und Zeitpunkt von Kundendiensten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460

Abbildung 87:

Phasen der Verkaufsgesprächsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463

Abbildung 88:

Häufige Fragetechniken zur Kundenqualifizierung . . . . . . . . . . . . . . . 472

Abbildung 89:

Häufige Gesprächstechniken zur Vorteilsargumentation . . . . . . . . . . . 475

Abbildung 90:

Häufige Techniken zur Einwandbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479

Abbildung 91:

Häufige Techniken zur Preisverteidigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482

Abbildung 92:

Spielraum in der Preisverhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486

Abbildung 93:

Kommunikationselemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493

Abbildung 94:

Prinzip der Transaktionsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500

Abbildung 95:

Heuristische Käufertypologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505

Abbildung 96:

Heuristische Verkäufertypologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 509

Abbildung 97:

Rahmenbedingungen der Gesprächsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511

Abbildung 98:

Phasen der Kundenentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519

Abbildung 99:

Phasen im Kundenlebenszyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521

Abbildung 100: Servqual-Messkombinationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537

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Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

Abbildung 101: FRAP-Matrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538 Abbildung 102: Produktorientierter Vertrieb (Prinzip) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 540 Abbildung 103: Gebietsorientierter Vertrieb (Prinzip) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541 Abbildung 104: Kundenwertorientierter Vertrieb (Prinzip) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542 Abbildung 105: Branchenorientierter Vertrieb (Prinzip) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 Abbildung 106: Organisationale Mischformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545 Abbildung 107: Markteintrittsoptionen im Auslandsabsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549 Abbildung 108: Absatzwege im Außenhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551 Abbildung 109: Optionen der Veredelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 Abbildung 110: Optionen der Lizenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554 Abbildung 111: Formen der Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557 Abbildung 112: Kauftypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574 Abbildung 113: Buying center (Schema) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 576 Abbildung 114: Personale und organisationale Austauschbeziehungen . . . . . . . . . . . . 579 Abbildung 115: Strukturelemente des Konsumentenverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583

Abkürzungsverzeichnis ADM Außendienst-Mitarbeiter AFRA Affinity frequency recency amount of purchase (Kundenwert-Heuristik) AGB Allgemeine Geschäfts-Bedingungen AHK Außenhandelskammer AIDA Attention interest desire action (altes Stufenmodell der Werbewirkung) B-t-b Business to business (Gewerbekundengeschäft) B-t-c Business to consumer (Privatkundengeschäft) BERI Business environment risk information (Marktrisiko-Bewertung) C & C Cash and carry (Abhol-Selbstbedienung) CAD Computer aided design CAS Computer aided selling CBT Computer based training CFR Cost and freight (Incoterm) CIF Cost insurance freight (Incoterm) CIP Cost and insurance paid to (Incoterm) CPFR Collaborative planning forecasting replenishment Carriage paid to (Incoterm) CPT CRM Customer relationship management (Kundenbeziehungsmanagement) CSV Comma-separated values (Dateiformat) DAP Delivered at point (Incoterm) DDP Delivered duty paid (Incoterm) DPP Direkte Produkt-Profitabilität DPR Direkte Produkt-Rentabilität DPU Delivered at place unloaded (Incoterm) DR-R Direct response radio DR-TV Direct response television DSD Duales System Deutschland ECR Efficient consumer response EDI Electronic data interchange eG Eingetragene Genossenschaft EH Einzelhandel EHP Einheitspreisladen Efficient promotions (ECR-Element) EP Efficient product introduction (ECR-Element) EPI ERM Enterprise resource management Efficient replenishment (ECR-Element) ERP ESA Efficient store assortment (ECR-Element) EXW Ex works (Incoterm) FAP Fabrikabgabepreis FAQ Frequently asked questions Free alongside ship (Incoterm) FAS

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Abkürzungsverzeichnis

Free carrier (Incoterm) Free on board (Incoterm) Factory outlet center Frequency recency amount of purchase category (Kundenwert-Heuristik) Frequenz-Relevanz-Analyse für Probleme (Kundenwert-Heuristik) Frequency recency amount of purchase type of merchandise (Kundenwert-Heuristik) Geschlossene Benutzer-Gruppe GBG GE Geldeinheit GH Großhandel Global location number GLN Global trade item number (früher EAN) GTIN GVO Gruppenfreistellungs-Verordnung Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen GWB Geschlossenes Waren-Wirtschafts-System GWWS HGB Handelsgesetzbuch HWK Handwerkskammer Interactive television I-TV International chamber of commerce ICC Initial public offering (erstmaliger Börsengang) IPO Just in time J-i-t Kurier – Express – Paket (Logistikdienstler) KEP Komparativer Konkurrenz-Vorteil KKV Klein- und Mittelunternehmen KMU LEH Lebensmitteleinzelhandel Letter of intend LoI Leitsätze zur Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten LSP Multi channel distribution MCD Mobile Daten-Erfassung MDE MRO Maintenance repair operations Optical character recognition (Schrifterkennung) OCR Original equipment manufacturer (Originalhersteller) OEM Operations research OR Persönliche Identitikations-Nummer PIN Point of sale POS Produktions-Verbindungs-Handel (industrieller Großhandel) PVH Quick response QR Roll cage sequencing RCS Radio frequency identification RFID Recency frequency monetary ratio (Kundenwert-Heuristik) RFMR Request for proposal RFP Request for quotation RFQ Really simple syndication RSS Stimulus – Response (Lernmodell) S – R SB Selbstbedienung Secure sockets layer (TLS) (sichere Datenübertragung) SSL TAN Trans-Aktions-Nummer Total cost of ownership TCO FCA FOB FOC FRAC FRAP FRAT

Abkürzungsverzeichnis Total quality management TQM Transport – Umladung – Lagerung TUL UE Unterhaltungs-Elektronik User generated content UGC Unique resource locator (Internetadresse) URL UWG Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb VADM Verkaufsaußendienstmitarbeiter Value added network VAN Verordnung über die Preise bei öffentlichen Aufträgen VPöA WKZ Werbekostenzuschuss

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals Vertriebsmanagement betrachtet die Gestaltung des Absatzkanals als Kernkompetenz. Dabei geht es im Einzelnen um die Lenkung der Leistungsströme, die daran beteiligten Akteure und deren Beziehung, die Breiten- und Tiefendimension des Absatzkanals, den Mehrkanalabsatz und die Wahl der Absatzmethode. Diese Stellgrößen bestimmen das Fundament dieses Aktionsgebiets und werden daher im Folgenden ausführlich erläutert.

1.1 Begriffsabgrenzung

Abbildung 1: Abgrenzung Vertrieb

Die Zuordnung der Begriffe Marketing und Vertrieb / Absatz / Verkauf ist nicht ganz einfach, da diese vielfältig, gerade im B-t-b-Bereich, als Wechselvokabeln verwendet werden. Dennoch kann bei näherem Hinsehen eine Abstufung im Aktivitätenniveau erkannt werden (siehe Abb. 1: Abgrenzung Vertrieb): • Der Begriff Marketing umfasst neben dem Instrument der Distributions- und Verkaufspolitik noch die komplementären Instrumente der Angebots- und Sortiments-, der Preis- und Gegenleistungs- sowie der Informations- und Präsentationspolitik. Vertrieb ist also nur ein Ausschnitt des Marketing. • Der Begriff Absatz beschreibt die planvolle Anlage des Instruments der Distributionspolitik im Marketing. Nicht hingegen sind die übrigen Marketing-MixInstrumente damit abgedeckt. Insofern kann nicht von einem systematischen Ansatz ausgegangen werden.

30

1. Die Gestaltung des Absatzkanals 

• Der Begriff Vertrieb beinhaltet nurmehr das Umfeld zur unmittelbaren Herbeiführung der Tauschakte, also der Akquisition von, der Transaktion mit und der Nachbereitung bei Kunden. • Am engsten ist der Begriff Verkauf ausgelegt, der sich allein auf den unmittelbaren Vollzug der ökonomischen Transaktion bezieht. Der Begriffsbestandteil Management wird als „Politik“ verstanden, in Unterschied zu „Theorie“, d. h., im Mittelpunkt steht nicht methodische Herleitung, sondern die Anwendung deren Erkenntnisse für die aktive Gestaltung des Vertriebs. Wichtig ist dabei, dass diese Politik auf dem festen Boden der Theorie steht, also verankert und abgesichert ist und nicht auf rein praktischen, kasuistischen Erwägungen beruht. Dennoch steht immer die praktische Bedeutung der zugrunde gelegten Erkenntnisse im Mittelpunkt, man spricht hier auch von „anspruchsvoller Praxis“. Jede Leistung im Vertrieb setzt sich aus Potenzial, Prozess und Ergebnis zusammen. Unter Potenzial versteht man die Bereitstellung von Kapazitäten, also von Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit. Unter Prozess versteht man den Ablauf des Absatzaktes, also die Abfolge von Andienung und Annahme von Wert (Produkt) und Gegenwert (Kaufpreis). Unter Ergebnis versteht man die vollzogene Transaktion, also die Hingabe eines Gegenwertes für den Erhalt eines Wertes. Inhalt des Marketing ist es allgemein, Austauschpartner zu finden, die für eine angebotene Leistung den höchstmöglichen Wert empfinden bzw. für gegebene Werte diesen das kostengünstigste Angebot bereitstellen. Dazu muss womöglich das Nutzenempfinden bei Marktpartnern forciert oder auch überhaupt erst entwickelt werden. Marketing setzt dabei mindestens zwei beteiligte Parteien voraus. Jede der Parteien muss etwas haben, was für die andere von subjektivem Wert ist. Die Parteien müssen untereinander in Kontakt treten (Informationsaustausch) und die Tauschobjekte (Ware / Geld) übergeben können. Jede Partei muss weiterhin frei in der Annahme oder Ablehnung sein. Und jede Partei muss auch zu Aktivitäten bereit sein. Am Marketingsystem sind verschiedene Akteure beteiligt (siehe Abb. 2: Marke­ tingsystem): • Das interne Marketing befasst sich mit der Entwicklung, Etablierung, Durchsetzung und Anpassung der Marketingdenkweise in der absatzwirtschaftlichen Organisation. Typischer Inhalt ist hier der Fokus des kundenorientierten Denkens (modern: Customer centricity). • Das Beschaffungsmarketing überträgt die absatzwirtschaftliche Denkweise auf die Beschaffungsseite. Voraussetzung ist hier eine Engpasssituation auf Seiten des beschaffenden Unternehmens, die für Zeiten des Käufermarkts recht selten, aber etwa gegeben ist bei knappen Rohstoffen, Technologieabhängigkeit, ­Monopson.

31

1.1 Begriffsabgrenzung

StakeholderMarketing

Beschaffungsmarketing

Internes Marketing

Absatzmittlermarketing Absatzmarketing Endabnehmermarketing

Wettbewerbsmarketing

gewerbliche Endabnehmer

private Endabnehmer

Abbildung 2: Marketingsystem

• Das Stakeholder-Marketing übernimmt die Idee der Kundenorientierung und überträgt diese auf alle Anspruchsgruppen des Unternehmens. Dabei steht sein achtsamer Umgang mit allen Partnern im Mittelpunkt, vor allem in Bezug auf Ökologie, Gesellschaft und Unternehmensverantwortung (ESG). Dies ist ein unbedingtes Gebot der Zeit. • Das Wettbewerbsmarketing betrifft die Strategie und Taktik des Unternehmens in Relation zum relevanten Mitbewerb, was angesichts weithin stagnierender, gesättigter Märkte und hoher, auch internationaler Konkurrenzintensität immer mehr zur unerlässlichen Erfolgsvoraussetzung wird. • Zentral aber ist das Absatzmarketing, das sich auf die Kunden bezieht, hier sowohl die direkten Abnehmer im gewerblichen und privaten Bereich als auch auf die indirekten Abnehmer als Wiederverkäufer. Diese Relation betrifft den Absatzkanal als zentrales Elemente der Vertriebssteuerung. Dieser stellt allgemein den Engpass des Unternehmenserfolgs dar und ist zentraler Arbeitsinhalt des Vertriebsmanagements. Management bezeichnet allgemein dispositive Aktivitäten zur Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle betriebswirtschaftlicher Maßnahmen. Vertriebsmanagement ist daher die Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle von Aktivitäten zur Akquisition von, Transaktion mit und Nachbereitung bei Kunden. Das anleitende Denkmodell für dieses Vertriebsmanagement ist der Absatzkanal.

32

1. Die Gestaltung des Absatzkanals 

1.2 Leistungsströme Das Absatzkanalmanagement stellt sich zunehmend als eigenständiger Engpass innerhalb des Engpasses der Vermarktung heraus. Dabei geht es im Einzelnen um die zielgerichtete Gestaltung des Flusses von Waren, Geldern und Informationen zwischen den Marktakteuren. Im Zentrum der Problematik stehen dabei indirekte Absatzwege, also solche, bei denen zwischen Hersteller und Endabnehmer Absatzmittler bzw. -helfer zwischengeschaltet sind. Diese sind unter zwei Aspekten von Interesse. Zum einen in Bezug auf den Fluss zwischen Hersteller und Absatzmittlern bzw. -helfern. Und zum anderen in Bezug auf den Fluss zwischen diesen Absatzmittlern bzw. -helfern und Endabnehmern (siehe Abb. 3: Leistungsströme im Absatzkanal).

Informationsstrom indirekt

Nominalgüterstrom Realgüterstrom Informationsstrom indirekt

Hersteller / Importeur

Realgüterstrom

Handel (Großh. / Einzelh.)

Endabnehmer (gewerbl. / priv.)

Nominalgüterstrom

direkt

Abbildung 3: Leistungsströme im Absatzkanal

Der Absatzkanal ist ein System zum Austausch von Waren-, Geld- und Informationsströmen zwischen den Marktakteuren Hersteller bzw. deren Absatzhelfern, ggf. Absatzmittlern und gewerblichen wie privaten Abnehmern. Realgüterströme betreffen die Distribution der Handelsobjekte von der Produktion zum Verbrauch und in umgekehrter Richtung im Rahmen der Redistribution für Reklamation, Retoure, Entsorgung o. Ä. Diese werden dabei je nach Lage der Dinge • von Ort zu Ort durch den Raum bewegt, gelagert, gesammelt, aufgeteilt, • umgepackt, aussortiert, kommissioniert, • markiert, sortiert und um Dienste ergänzt. Nominalgüterströme betreffen die Distribution von Entgeltobjekten vom Geund Verbrauch zur Produktion bzw. Nachbesserung / Verwertung. Diese erfolgen • als Zahlungsmittel, Zahlungs- und Gebührenbelege von Ort zu Ort, • als raumüberbrückende Verbindung zum Forderungs- und Verbindlichkeitsausgleich für Umtausch, Gutschrift,

1.3 Akteure und deren Beziehung

33

• zur Festlegung und Überwachung von Zahlungs- und Fälligkeitsterminen für Gebührenzahlungen, • zum Sammeln und Aufteilen von Zahlungsbelegen und -beträgen, • zum Ausgleich von Forderungen und Verbindlichkeiten, • zum Ausgleich zwischen zur Zahlung von Entsorgungsgebühren verpflichteter Wirtschaftssubjekte und deren Empfänger (DSD), • zur Bestimmung der Zahlungsarten oder -sicherheiten sowie • zur Preis- und Spannenfindung. Informationsströme betreffen die Distribution von Nachrichten über den Realund Nominalgüterstrom zwischen Produktion, Verbrauch und Verwertung. Diese finden statt durch • Übermittlung der Daten von Ort zu Ort, • Datenspeicherung, • Sammeln, Aufteilen, Sortieren, Scannen von Daten, • Verdichten, Verknüpfen, Kombinieren, Interpretieren von Daten, • Bestimmen der Kommunikationsmedien, • Ermittlung neuer Daten und Beschwerdehandling. Diese Ströme fließen sowohl von Herstellern zu Absatzmittlern, als auch von Herstellern zu Endabnehmern und Absatzmittlern zu Endabnehmern, aber auch in Umkehrung von Endabnehmern zu Absatzmittlern und Hersteller als auch von Absatzmittlern zu Herstellern im Rahmen einer Feedbackschleife. Diese Beziehungen sind, wie unschwer erkennbar, äußerst komplex. Aufgabe des Vertriebsmanagements ist es, diese Beziehungen effizient und effektiv zu gestalten. Dazu können Absatzkanäle vielfältig gestaltet werden, wie im Folgenden zu zeigen ist, etwa autonom oder kooperativ, physisch oder virtuell, direkt oder indirekt, einkanalig oder mehrkanalig.

1.3 Akteure und deren Beziehung Akteure im Absatzkanal sind anbieterseitig Hersteller und Händler, nachfragerseitig gewerbliche oder private Abnehmer. Das heißt, im Absatzkanal des Endabnehmerbereichs sind typischerweise vier Gruppen von Akteuren einbezogen, Hersteller oder deren Absatzhelfer zum Großhandel, Großhändler oder deren Absatzhelfer zum Einzelhandel, Einzelhändler sowie gewerbliche und private Endabnehmer, im Absatzkanal des Weiterverarbeiterbereichs drei Gruppen, Hersteller oder deren Absatzhelfer zum Verbindungshandel, Verbindungshändler

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals 

oder deren Absatzhelfer zum Gewerbeabnehmer sowie Gewerbliche Abnehmer als Produzenten, Weiterverarbeiter oder Großabnehmer (siehe Abb. 4: Akteure im Absatzkanal).

Hersteller Herstellereigene, interne Absatzorgane (Vertriebsabteilung) Herstellereigene, externe Absatzorgane (Reisende) Herstellerfremde Absatzorgane (Handelsvertreter)

Händlerfremde Beschaffungsorgane Händlereigene Beschaffungsorgane Händler (Großhandel / Einzelhandel) Händlereigene interne Absatzorgane Händlereigene externe Absatzorgane Händlerfremde Absatzorgane

Endabnehmerfremde Beschaffungsorgane Endabnehmereigene Beschaffungsorgane Endabnehmer (gewerblich / privat)

Abbildung 4: Akteure im Absatzkanal

Zwischen diesen Beteiligten bestehen verschiedenartige Beziehungen. Unter Push versteht man den Hineinverkaufsdruck vom Hersteller an den Handel bzw. von der voran die nachgelagerte Handelsstufe zu Endabnehmern. Dadurch soll ein Lagerdruck ausgeübt werden, der dazu führt, dass die derart bevorrateten Absatzmittler verstärkte Abverkaufsbemühungen unternehmen, wodurch sich der Absatz insgesamt erhöht, das Lager leert und damit die Chance zu erneutem Push bietet (siehe Abb. 5: Absatzkanalbeziehung Push, Pull, Push & pull). Unter Pull versteht man den Herausverkaufssog von Endabnehmern beim Handel bzw. von der nach- an die vorgelagerte Handelsstufe. Dadurch soll ein Überbedarf erzeugt werden, der Absatzmittler dazu veranlasst, sich verstärkt mit dem

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1.3 Akteure und deren Beziehung

Hersteller

Hersteller

Push (Reinverkaufsdruck)

Pull (Reinverkaufssog)

Handel

Handel

Push (Abverkaufsdruck)

Pull (Abverkaufssog)

Endabnehmer

Endabnehmer

Hersteller Push & pull Handel Push & pull Endabnehmer

Abbildung 5: Absatzkanalbeziehung Push, Pull, Push & pull

nachgefragten Produkt zu bevorraten. Auch das erhöht den Abverkauf, da der Handel bemüht ist, Fehlverkäufe zu vermeiden. Dies führt dazu, dass er sich stärker bevorratet als dies ohne Pull-Effekt geschieht. Unter Durchverkauf (Push & pull) versteht man den gleichzeitigen Hineinverkaufsdruck vom Hersteller und Herausverkaufssog von Endabnehmern innerhalb derselben Pipeline. Um zu vermeiden, dass sich „gepushte“ Ware im Absatzkanal staut und in Verstopfung resultiert bzw. „gepullte“ Ware sich verknappt und zu Vorratslücken führt, sind beide Aktivitäten möglichst parallel anzulegen. Sonst entsteht eher Frustration, weil der Handel feststellt, dass die reinverkaufte Ware offensichtlich nicht ausreichend abfließt bzw. er sich Endabnehmern gegenüber, die gezielt nach bestimmten Produkten fragen, als nicht ausreichend bevorratet zu erkennen geben muss. Einzelne Absatzkanäle unterscheiden sich voneinander durch vielfältige Krite­ rien wie • Stufigkeit nach Einzel- und Großhandel, • Rechtsstellung nach Absatzmittler und Absatzhelfer, • Betriebsform gemäß homogener Betriebsformen des Handels, • Physis nur real, real und virtuell oder nur virtuell im E-Commerce, M-Commerce, T-Commerce.

36

1. Die Gestaltung des Absatzkanals 

Tiefendimension

Breitendimension

Paralleler Absatz Mehrkanalabsatz Gesplitteter Absatz Vertriebssystem

Absatzmethode

Absatzform

Abbildung 6: Parameter der Absatzkanalgestaltung

Die spezifische Kombination dieser Kriterien charakterisiert einen Absatzkanal. Dieser kann in zwei Dimensionen gestaltet werden, hinsichtlich seiner Breitendimension nach der Anzahl der Akteure, mit denen auf einer Stufe interagiert werden soll, und hinsichtlich seiner Tiefendimension nach der Anzahl der Stufen, auf denen mit Akteuren interagiert werden soll. Wesentliche weitere Parameter sind ein Mehrkanalabsatz und die Absatzmethode (siehe Abb. 6: Parameter der Absatzkanalgestaltung).

1.4 Breitendimension Hinsichtlich der Breitendimension des Absatzkanals ergeben sich die Optionen der Exklusivität (1.4.2), der Selektivität (1.4.3), der Intensität (1.4.4) und der Ubiquität (1.4.5). Diese Abstufungen werden anhand des Distributionsgrads ausgewiesen. Sie bestimmen den Marktzugriff jedes Anbieters.

1.4.1 Optionen Die Breitendimension des Absatzkanals gibt an, mit wie vielen Akteuren auf einer nachfolgenden Absatzstufe zugleich interagiert werden soll. Hinsichtlich der Absatzkanalbreite sind verschiedene Abstufungen zu unterscheiden (siehe Abb. 7: Optionen der Absatzkanalbreite). Von ubiquitärer Distribution spricht man, wenn alle objektiv überhaupt in Frage kommenden Akteure in den Absatzkanal einbezogen werden. Dies ist außerordentlich schwierig zu realisieren und ansatzweise nur bei Arzneimitteln, Softdrinks, Schokoriegel, Presseartikeln und Tabakwaren gelungen. Von intensiver Distribution spricht man, wenn möglichst viele, mit vertretbarem Aufwand zu erfassende Akteure in den Absatzkanal einbezogen werden. Dies sorgt

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1.4 Breitendimension 

Hersteller

Händler

Händler

Händler

Händler

Händler

Händler

exklusiver Vertrieb selektiver Vertrieb intensiver Vertrieb ubiquitärer Vertrieb

Abbildung 7: Optionen der Absatzkanalbreite

zwar für eine hohe Erhältlichkeit im gewählten Absatzgebiet, bedingt aber auch eine sehr heterogene Struktur der Absatzmittler. Von selektiver Distribution spricht man, wenn bewusst nur ausgewählte Akteure in den Absatzkanal aufgenommen werden. Dies entspricht dann einer eher geringen Erhältlichkeit im gewählten Absatzgebiet, führt aber zur homogenen Struktur der Absatzmittler, z. B. nur Fachhandel. Von exklusiver Distribution spricht man, wenn das Absatzgebiet so aufgeteilt ist, dass es zur relativen Monopolstellung der Akteure kommt. Dies ist aus wettbewerbspolitischen Gründen nur in Ausnahmefällen wünschenswert und ansatzweise bei Automobilen, Mineralölprodukten etc. gegeben. Zu unterscheiden ist jeweils zwischen dem realisierten und gewünschten Distributionsgrad. Insofern ist auch zwischen Zustands- und Prozesssichtweise zu unterscheiden. Eine empirisch festgestellte intensive Distribution kann durchaus nur ein Zwischenstadium bei der Ausweitung zur Ubiquität oder der Einschränkung zur Selektivität sein. Die Zielerreichung ergibt sich als Relation von tatsächlicher zu gewünschter Distributionsbreite. Die Distributionswahl ist dabei von situativen Faktoren wie Zeit je nach Lebenszyklusstadium, Intension gemäß der

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals 

Zielsetzung, Image als Up grading / Down grading und Produktart wie Konsumoder Investitionsgut abhängig. Von einem geschlossenen Absatzkanal spricht man, wenn die Anzahl der beteiligten Akteure auf den Absatzmittler-/-helferstufen im Vorhinein fixiert ist und bestehende Akteure ein vertragliches Recht darauf haben, in den Absatzkanal eingeschlossen zu bleiben, neue Akteure hingegen nur mit Zustimmung dieser bestehenden Akteure und / oder des Herstellers aufgenommen werden können. Meist ist ein geschlossener Absatzkanal mit Gebietsschutz verbunden. Die Aufnahme neuer Akteure ist dann nur in seither noch nicht bedienten Absatzgebieten möglich, sofern bestehende Akteure darauf nicht ein Recht des ersten Zugriffs haben, oder durch feinteiligere Abgrenzung der einzelnen Gebiete, was regelmäßig nur gegen Kompensation der Bestandshalter durchsetzbar ist. Je nach Vertrag muss das Absatzrecht bei Ausscheiden eines Absatzmittlers im geschlossenen System dem Hersteller angedient oder aber kann getrennt verkauft werden. Von einem offenen Absatzkanal spricht man hingegen, wenn die Anzahl der beteiligten Akteure auf den Absatzmittler-/-helferstufen nicht fixiert ist, bestehende Akteure also kein Recht darauf haben, dass neue aktivitätswillige Akteure ausgeschlossen bleiben, diese neuen Akteure aber jederzeitig die Möglichkeit zur Aufnahme in den Absatzkanal haben. Offene Absatzkanäle entsprechen im Regelfall dem wettbewerbspolitischen Ziel. So ist der Aufbau künstlicher Markteintrittsschranken nicht erlaubt, die einen solchen gewünschten, freien Zutritt erschweren oder verhindern. Nach § 20 GWB Abs. 3 ist für die Zulässigkeit eines geschlossenen Absatzkanals zu prüfen, ob eine Behinderung oder eine unbillige Benachteiligung ohne sachlich gerechtfertigten Grund beim Geschäftsverkehr vorliegt, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist. Dies wird regelmäßig nur gegenüber marktmächtigen Händlern bei Herstellern ohne absolute / relative Marktmacht verneint. Ansonsten erfolgt ein Eingriff in die Dispositionsfreiheit des Herstellers hinsichtlich seiner Auswahl belieferter Absatzmittler. Nicht zu beanstanden ist allerdings, wenn die Auswahl der Akteure im Absatzkanal aufgrund objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art, die sich auf deren fachliche Eignung, die Personal- und Sachmittelausstattung beziehen, erfolgt, sofern diese Kriterien einheitlich für alle in Betracht kommenden Wiederverkäufer festgelegt und ohne Diskriminierung angewendet werden. Stellt man sich die Breitendimension des Absatzkanals dabei als Kontinuum vor, so markieren ubiquitäre und exklusive Distribution die beiden Endpole, intensive und selektive Distribution bewegen sich dazwischen, wobei die Übergänge fließend sind.

1.4 Breitendimension 

39

1.4.2 Exklusiver Absatz Die Vor- und Nachteile der exklusiven Distribution aus Herstellersicht sind die Folgenden. Zunächst zu den Vorteilen: • Es kommt zu einer Minderung der Wettbewerbsintensität für das betreffende Produkt bzw. die belieferten Absatzmittler. Vor allem ist eine gewisse Sicherheit vor aggressivem Preiswettbewerb gegeben. • Durch die Auswahlmöglichkeit kann ein hoher Anspruch an die Einsatzbereitschaft und Leistungsfähigkeit der Absatzmittler durchgesetzt werden. Dies gilt freilich nur insoweit, als diese das exklusiv distribuierte Produkt für attraktiv halten. • Infolge der guten Überschaubarkeit der Strukturen ist eine potenziell große Effektivität der Marketingaktivitäten gegeben. Wenige Absatzmittler, klare Vereinbarungen und hohe Transparenz untereinander führen zu schneller, kostengünstiger Organisation. • Es kommt zu einer engen Bindung der Absatzmittler an den Hersteller mit ausgeprägtem Engagement auf deren Seite. Dies allein schon deshalb, um das vertretene Produkt nicht aus dem Sortiment zu verlieren. Folgende Nachteile sind zu nennen: • Es ist eine große Abhängigkeit von Motivation und Fähigkeit einiger weniger Absatzmittler gegeben. Setzen diese sich nicht wie gewünscht ein, besteht nicht ohne Weiteres die Möglichkeit, auf andere Absatzmittler auszuweichen. • Sofern die Erhältlichkeit beim Produkt eine kaufentscheidende Rolle spielt, besteht ein Nachteil gegenüber Angeboten mit höherem Distributionsgrad. Denn der Aufwand für Nachfrager zur Erreichbarkeit ist größer. • Die Einflussnahmemöglichkeit auf Absatzmittler stößt auf relativ enge wettbewerbsrechtliche Grenzen. Dabei ist vor allem an Bestimmungen des Diskriminierungsverbots im GWB zu denken. Die Vor- und Nachteile der exklusiven Distribution aus Händlersicht sind die Folgenden. Zunächst zu den Vorteilen: • Es ist ein relativer Konkurrenzschutz durch eine limitierte Anzahl anderer Absatzstellen gegeben. Dies mindert die Vergleichbarkeit eines Angebots mit dem anderer Händler im Einzugsgebiet. • Daraus entsteht eine implizite Aufwertung der Geschäftsstättenanmutung. Denn ohne die Ausweichmöglichkeit auf Alternativen steuert Nachfrage unausweichlich auf die exklusiv distribuierten Händler zu. • Eine hohe Ausschöpfung des gebietsspezifischen Nachfragepotenzials ist möglich. Denn jeder Händler konzentriert in hohem Umfang für die entsprechende Ware disponierte Kaufkraft auf sich.

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals 

• Eine nachhaltige Herstellerunterstützung durch partnerschaftliche Kooperation kann vorausgesetzt werden. Denn es liegt im Interesse des Herstellers, seine Händler bestmöglich für die Präsentation und Verkäuflichkeit der Ware zu präparieren. Folgende Nachteile sind zu nennen: • Es ist eine Anfälligkeit für Nachfrageabwanderung zu Substitutionsangeboten gegeben. Beim parallelen Angebot mehrerer Produkte aus einer Warengruppe besteht hingegen für Händler die Chance, die Kaufkraft dennoch an sich zu ­binden. • Eine Abhängigkeit vom Hersteller ist durch enge Einbindung in seinen Absatzkanal vorhanden. So kann nicht ohne Weiteres auf andere Hersteller ausge­ wichen werden, wenn es zu Konflikten im Absatzkanal kommt. • Die Sortimentsfreiheit ist durch die Pflicht zur Sortimentierung eingeschränkt. Damit ist vor allem keine Konzentration nur auf besonders attraktive Teile des Programms möglich, die eine hohe Umschlaggeschwindigkeit und Rendite erbringen. • Die hohe Standardisierung des Angebots führt zur Vergleichbarkeit mit anderen Absatzstellen außerhalb des Gebiets. Dies ist Folge der Absicht der Hersteller zur gleichmäßig anmutenden Darstellung der Produkte.

1.4.3 Selektiver Absatz Die Vor- und Nachteile der selektiven Distribution aus Herstellersicht sind die Folgenden. Zunächst zu den Vorteilen: • Eine Rationalisierung des Vertriebs wird durch die Beschränkung auf weniger, dafür aber größere Abnehmer möglich. Die Hebelwirkung, die von deren Akquisitionsbemühungen ausgeht, ist größer und leichter fassbar. • Diese Handelsabnehmer können für eine bessere Vermarktung nachhaltig kontaktiert und unterstützt werden. Vor allem kann auf sie leichter zurück gegriffen werden, wenn es darum geht, Konzepte rasch und konsistent im Markt zu verbreiten. • Die überschaubare Absatzstruktur lässt jederzeitige Korrekturen auf der Absatzmittlerstufe zu. So können wenig engagierte oder anderweitig als unfähig angesehene Händler gegen andere im gleichen Einzugsgebiet ausgetauscht werden. • Die distribuierten Absatzmittler haben ein gesteigertes Interesse an der Förderung des Angebots. Ihren Leistungen sollen Erträge gegenüber stehen, die sich nur einstellen, wenn die selektiv distribuierten Sortimentsteile auch entsprechend forciert werden.

1.4 Breitendimension 

41

Folgende Nachteile sind zu nennen: • Es besteht ein hohes Distributionsrisiko bei Ausfällen und Verschiebungen innerhalb des Absatzkanals, da die Möglichkeit zur Aufnahme neuer Händler in das System nicht ohne Weiteres besteht. Dies erfordert vielmehr eine schwer durchsetzbare neue Gebietsabgrenzung. • Der niedrige Erhältlichkeitsgrad des Produkts birgt die Gefahr einer geringeren Kapitalisierung dessen akquisitorischen Potenzials. Immer dann, wenn Nachfrager Geschäftsstätten kontaktieren, in denen das Produkt nicht vertreten ist, droht, Umsatz verloren zu gehen. • Die Einbindung neuer, preisaggressiver Betriebsformen im Rahmen der Dynamik der Betriebsformen ist schwierig. Denn diese sind meist nicht bereit, die Verpflichtungen einzugehen, die für Hersteller erst die selektive Distribution interessant werden lassen. • Weiterhin sind wettbewerbsrechtliche Restriktionen zu beachten. Die Vor- und Nachteile der selektiven Distribution aus Händlersicht sind die Folgenden. Zunächst zu den Vorteilen: • Durch die geringe Anzahl anderer Absatzstellen im Gebiet kommt es zu einem relativen Konkurrenzschutz. Der einzelne Absatzmittler ist aus der unmittelbaren Vergleichbarkeit seines Angebots zumindest bedingt herausgenommen. • Die daraus folgende geringere Wettbewerbsintensität führt zu sicherer Handelsspanne. Denn es besteht keine Notwendigkeit zur gegenseitigen Preisunterbietung, um möglichst viele Nachfrager von Konkurrenzhändlern abzuziehen. • Es ist eine Partizipation am hoch stehenden Hersteller-/Markenimage möglich. Dieses strahlt auf die Geschäftsstätte ab und wertet damit deren gesamtes Angebot, nicht nur das selektiv distribuierte, auf. • Eine nachhaltige Herstellerunterstützung durch Kooperation ist wahrscheinlich. Denn Hersteller sind an intensiver Unterstützung ihrer Partner interessiert, da davon letztlich ihr eigener Erfolg abhängig ist. Folgende Nachteile sind zu nennen: • Es bestehen viele vergebene Akquisitionschancen. Und zwar immer dann, wenn Nachfrager Absatzstellen kontaktieren, die in der gesuchten Warengruppe nicht zum selektiv distribuierten Händlerkreis gehören. • Es ist ein hohes Maß an Abhängigkeit vom Geschick des Herstellers gegeben. Weil regelmäßig nicht auf beliebig viele andere Hersteller ausgewichen werden kann, wenn dessen Leistungsfähigkeit nachlässt oder nicht mehr ausreicht. • Die sortimentspolitische Freiheit wird durch Nebenpflichten eingeschränkt. Denn der Hersteller kombiniert seinen Anreiz (Distribution) für gewöhnlich mit Beiträgen (Einsatz) zur konkreten Absatzförderung seines Programms.

42

1. Die Gestaltung des Absatzkanals 

• Durch hohe Standardisierung des Angebots kommt es zur Vergleichbarkeit mit konkurrierenden Absatzstellen. Dies ist Konsequenz der zentral durch Hersteller unterstützten Darbietung von Waren.

1.4.4 Intensiver Absatz Die Vor- und Nachteile der intensiven Distribution aus Herstellersicht sind die Folgenden. Zunächst zu den Vorteilen: • Es kommt zu einer weitgehenden Marktausschöpfung als vernünftigem Kompromiss zwischen Aufwand und Nutzen der Distribution. Zwar werden nicht alle, aber doch hinlänglich viele Absatzstellen erreicht. • Der breite Endabnehmerzugriff der großen Absatzmittler kann effektiv genutzt werden. Insofern bedeutet die Listung in der Zentrale die Verfügbarkeit des Produkts auf breiter Basis, wenngleich nicht die tatsächliche Order. Dazu muss vielmehr vor Ort nachgefasst werden. • Die breite Erhältlichkeit schöpft das Vorverkaufspotenzial der Produkte gegenüber Zielgruppen angemessen aus. Beinahe alle in Betracht kommen Wege zu Zwischen- bzw. Endabnehmern werden dafür genutzt. • Vor allem handelt es sich um einen vernünftigen Kompromiss zwischen Einfachheit und Marktausschöpfung. Folgende Nachteile sind zu nennen: • Es kommt zu keiner vollständigen Liquidierung von Kaufchancen durch Vorhandensein bewusster Distributionslücken. Dies gilt vor allem für impulsiv gekaufte Produkte, deren Kaufentscheid sich nach realer Verfügbarkeit am Ort und zur Zeit des Bedarfs richtet. • Es ist ein hoher Marketingaufwand zum Aufbau und Erhalt eines intensiven Distributionsgrads erforderlich. Trotz der Handelskonzentration muss Kontakt zu einer Vielzahl von Absatzstellen gehalten und gepflegt werden. • Die mögliche Konkurrenz zwischen verschiedenen belieferten Handelskonzernen stellt einen kontinuierlichen Unruhefaktor dar. Es kommt zum Gruppenwettbewerb der Betriebsformen untereinander, bei dem ein Bedarf immer nur einmal liquidiert werden kann. • Bei Top down-Vorgehen kommt einer Distributionsausweitung nur nachlassende Effizienz durch Zuwachs immer kleinerer Absatzstellen zu. Damit verschlechtert sich das Kosten-Nutzen-Verhältnis kontinuierlich. Die Vor- und Nachteile der intensiven Distribution aus Händlersicht sind die Folgenden. Zunächst zu den Vorteilen: • Es besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, bekannte und vertraute Produkte zu führen.

1.4 Breitendimension 

43

• An weit verbreitet stattfindenden ungeplanten Käufen kann so durch bloße Angebotsphysis partizipiert werden. • Durch möglichst komplette Sortierung entsteht eine Bequemlichkeitsverbesserung. Es gehört zur Erwartungshaltung vieler Nachfrager, am Ort des Verkaufs eine Auswahl gängiger Produkte dargeboten zu erhalten und unter diesen auswählen zu können. • Durch preisgünstigeres Angebot ist eine willkommene Konkurrenzabhebung möglich. Denn für gängige Produkte ist die Preislage aus Erfahrung bekannt, so dass eine Abweichung davon nach unten gut erkannt und honoriert wird. Folgende Nachteile sind zu nennen: • Wegen der großen Absatzmittlerzahl ist nur von einer begrenzten Herstellerunterstützung auszugehen. Insofern zählen primär die eigenen Aktivitäten, es sei denn, durch Nachfragemacht kann ein entsprechender Support erwirkt werden. • Bestandslücken führen zur Mindereinschätzung durch potenzielle Käufer. Von einzelnen, nicht distribuierten Produkten wird so im Wege der Analogie darauf geschlossen, dass auch andere wichtige Produkte nicht am Handelsplatz verfügbar sind. • Es besteht eine hohe Austauschbarkeit der Absatzstellen untereinander aus Kundensicht. • Entsprechend kommt es zu einem verschärften Wettbewerb, denn letztlich ist es gleichgültig, wo man einkauft, da ja eine breite Erhältlichkeit gegeben ist.

1.4.5 Ubiquitärer Absatz Die Vor- und Nachteile der ubiquitären Distribution aus Herstellersicht sind die Folgenden. Zunächst zu den Vorteilen: • Es kommt zu einer vollständigen Marktausschöpfung durch maximale Kontakthäufigkeit der Nachfrager mit dem gegebenen Angebot. Somit kann werblicher Vorverkauf bestmöglich liquidiert werden. • Dadurch ist eine umfassende Kapitalisierung der geleisteten Marketingaufwendungen durch kompletten Zugang zu Endabnehmern möglich. Jede Bedarfssituation kann zum Umsatz genutzt werden. • Durch zufälligen Kontakt zwischen Produkt und potenziellen Abnehmern kommt es zur Initiierung ungeplanter Käufe. Damit sind sogar Situationen, die ursprünglich gänzlich ohne Bedarf waren, kapitalisierbar. • Eine weitgehende Vermeidung der Abhängigkeit des Herstellers von einzelnen Absatzmittlern ist gegeben. Diese sind zwar austauschbar, aber nicht verzichtbar, da keine nennenswerten Distributionslücken entstehen dürfen.

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals 

Folgende Nachteile sind zu nennen: • Ein extremer Distributionsaufwand zur Bedienung aller möglichen Absatzstellen flächendeckend im Markt ist erforderlich. Dies ist praktisch nurmehr über zweistufig indirekten Vertrieb darstellbar. • Es besteht die Gefahr der Beeinträchtigung des Produktimages durch stark abweichende, diffuse Geschäftsstättenimages. Dies ist Konsequenz der „wahllosen“ Einschaltung von Absatzstellen über größtmögliche Erhältlichkeit. • Auch ist eine schwierige Kontrolle der Präsentations- und Absatzbedingungen auf Handelsebene gegeben. Die Absatzbeziehungen sind so intransparent und vielfältig, dass deren Pflege und gezielte Beeinflussung sich als sehr schwierig herausstellen. • Weil eine ubiquitäre Distribution meist nur durch eine mindestens zweistufige Absatzkanalgestaltung realisierbar ist, entsteht eine Spannenproblematik. Die Vor- und Nachteile der ubiquitären Distribution aus Händlersicht sind die folgenden. Zunächst zu den Vorteilen: • Der Handel hat die relative Sicherheit, hoch bekannte und vertraute Produkte zu führen. • Er kann an ungeplanten Käufen durch die bloße Angebotsphysis sicher parti­ zipieren, ohne sonderliche Bedarfsweckungsanstrengungen unternehmen zu müssen. • Der Eindruck vollkompletter Sortierung führt zur Imagesteigerung. Denn eine wichtige Erwartungshaltung vieler Nachfrager ist die einer Auswahl von Produkten der gleichen Warengruppe, unter denen sie auswählen können. • Ein preisgünstigeres Angebot führt zur willkommenen Konkurrenzabhebung. Denn der Einkaufsmehraufwand zur Realisierung des günstigeren Angebots hält sich aus Käufersicht in engen Grenzen. Folgende Nachteile sind zu nennen: • Durch weitgehende Angebotsvergleichbarkeit entsteht eine Rentabilitätsbelastung. So kann es sich kein Handelsanbieter leisten, dauerhaft vom Preisniveau seiner zahlreichen Konkurrenten nach oben abzuweichen. • Bestandslücken führen zur Mindereinschätzung der Geschäftsstätte durch potenzielle Käufer. Bei Produkten, die ubiquitär vertrieben werden, bedeutet deren physische Nichtverfügbarkeit ein schweres Image-Handicap für den Händler. • Aus Kundensicht ist mehr oder minder eine volle Austauschbarkeit der Absatzstellen untereinander gegeben. Damit müssen Anstrengungen in Haupt-(Preis) oder Nebenleistung (Service) unternommen werden, um noch eine wünschenswerte Profilierung herbeizuführen.

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1.4 Breitendimension 

• Dies führt eher zur Wettbewerbsverschärfung. Jeder einzelne, ubiquitär distribuierte Händler steht in Konkurrenz zu allen anderen Händlern in seinem Einzugsgebiet, für die dies gleichermaßen gilt. Die verschiedenen Ausprägungen der Absatzkanaltiefe und der Absatzkanalbreite lassen sich zu alternativen Absatzkanaldesigns kombinieren. Wie dieses Design ausgelegt ist, liegt innerhalb des rechtlichen Rahmens in der Entscheidungshoheit des Herstellers.

1.4.6 Distributionsgrade Der Distributionsgrad gibt die Intensität der Distribution eines Produkts auf der letzten Stufe des Absatzkanals an. Dies ist wichtig bei Konsumgütern des täglichen Bedarfs im Einzelhandel, bei denen sich der konkrete Kauf häufig erst aus der Präsenz eines Produkts am Ort des Verkaufs ergibt bzw. die fehlende Präsenz dieses Produkts dort zum ersatzweisen Kauf eines anderen, vom Nachfrager für weitgehend vergleichbar erachteten Produkts (Relevant set of brands) führt. Der Distributionsgrad kann hinsichtlich verschiedener Dimensionen ausgewiesen werden. Am gebräuchlichsten sind die numerische (führende) und die gewichtete (führende) Distribution. Die Formeln dazu lauten wie folgt (siehe Tabelle 1: Distributionsgrade (in %)): Tabelle 1 Distributionsgrade (in %) Numerische Distribution =

Anzahl der Geschäfte, die ein bestimmtes Produkt im Zeitpunkt t führen Anzahl der Geschäfte, die zum Zeitpunkt t irgendein Produkt der zugehörigen Warengruppe führen

Gewichtete Distribution = Umsatz aller Geschäfte, die ein bestimmtes Produkt im Zeitpunkt t führen, in der Warengruppe im Erhebungszeitraum Umsatz aller Geschäfte, die zum Zeitpunkt t die zugehörige Warengruppe führen, in dieser Warengruppe im Erhebungszeitraum Rechenbeispiel: Anzahl der Geschäfte, die ein bestimmtes Produkt führen: Anzahl der Geschäfte, welche die zugehörige Warengruppe führen: Umsatz aller Geschäfte, die ein bestimmtes Produkt führen, in der Warengruppe: Umsatz aller Geschäfte, welche die zugehörige Warengruppe führen, in dieser Warengruppe (× 100): Ergebnis: Numerische Distribution (× 100): Ergebnis: Gewichtete Distribution:

40.000 Outlets 50.000 Outlets 500.000 € 600.000 € 80 % (40.000 : 50.000) 83 % (500.000 : 600.000)

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals 

Die zur Ermittlung des Distributionsgrads erforderlichen Werte sind nur aus Handelspanels verfügbar. Diese Werte werden von großen Marktforschungsinstituten (A. C. Nielsen, GfK, G & I) in regelmäßigen Abständen (mittlerweile selten mit Stichtag: zweimonatlich) oder laufend (via Scanner-Daten) ermittelt und an Interessenten verkauft. Die Daten sind statistisch vielfach herunter gebrochen und werden für verschiedene Branchen, Handelsformen etc. getrennt ausgewiesen. Diese Erhebung erfolgt traditionell durch physische Inventur oder modern durch Auswertung der elektronisch verfügbaren Warenwirtschaftsdaten. Eine hohe numerische Distribution besagt, dass ein Hersteller bereits in vielen, die Warengruppe überhaupt führenden Handelsgeschäften mit seinem Produkt vertreten ist. Bei sehr hohen Werten (intensive Distribution, > 90 %) ist die Effizienz einer weiteren Distributionsgradsteigerung daher fraglich, da der Aufwand zur Einbeziehung auch der noch ausstehenden Outlets überproportional steigt. Eine hohe gewichtete Distribution besagt, dass ein Hersteller bereits in solchen Handelsgeschäften mit seinem Produkt vertreten ist, die für mehr Umsatz in der Warengruppe stehen als andere, mutmaßlich also in Großbetriebsformen unter den Outlets. Dies ist eine sehr günstige Ausgangsposition. Liegt die gewichtete Distribution höher als die numerische, was der Regelfall ist, bedeutet dies, dass ein Hersteller mit seinem Produkt bereits in den für diese Warengruppe bedeutenderen Handelsgeschäften vertreten ist, ein weiterer Zuwachs an numerischer Distribution also eher auf kleinere Outlets treffen wird, so dass das Aufwands-Nutzen-Verhältnis problematisch wird. Der Quotient aus gewichteter und numerischer Distribution wird Distributionsqualität genannt (im Rechenbeispiel: 1,0375). Je größer dieser ist, desto „bessere“, d. h. in der Warengruppe umsatzstärkere Outlets werden distribuiert. Bei Belieferung auf direktem und indirektem Weg wird außerdem in direkten und indirekten Distributionsgrad unterschieden, die Summe aus direktem und indirektem Distributionsgrad ergibt dann den totalen Distributionsgrad. Die Distribution von Absatzstellen bedeutet aber leider nicht automatisch, dass dort das Produkt auch vorrätig ist. Der Out of stock-Anteil beschreibt daher die Situationen, in denen Käufer (Konsumenten) zum Kaufzeitpunkt in einem Ladengeschäft ein bestimmtes Produkt erstehen wollen, dieses aber, obgleich das Geschäft ein gewünschtes Produkt grundsätzlich führt, gerade nicht verfügbar ist: Out of stock-Anteil (in %) = Zahl der Geschäfte, die ein distribuiertes Produkt im Zeitpunkt t nicht vorrätig haben Zahl der Geschäfte, die mit einem Produkt distribuiert sind Rechenbeispiel: Zahl der Geschäfte, die ein distribuiertes Produkt im Zeitpunkt t nicht vorrätig haben: 250 Zahl der Geschäfte, die mit einem Produkt distribuiert sind: 25.000 Out of stock-Anteil (250 : 25000  × 100): 1

47

1.5 Tiefendimension 

Die Out of stock-Situation ist für jeden Markenartikler eine sehr problematische, denn sie führt leicht zum Markenwechsel. Dies liegt darin begründet, dass aus Konsumentensicht zumeist mehrere Produkte parallel als präferiert angesehen werden. Innerhalb dieses Sets werden immer dasselbe oder aber wechselnde Produkte vorgezogen. Ist / sind diese(s) Produkt(e) einmal nicht vorrätig, wird auf ein anderes Produkt im Set ausgewichen. Bei der im Markt verbreiteten hohen Qualität aller Angebote bedeutet dies, dass aus dem durch eine Out of stock-Situation erzwungenen erstmaligen Wechsel ein dauerhafter Markenwechsel werden kann. Auf diese Weise gehen dem Markenartikler unverschuldet Kunden verloren. Zur Verhinderung dieser gefährlichen Out of stock-Situation sind seitens des Anbieters Push- und Pull-Maßnahmen einsetzbar. Push-Maßnahmen beziehen sich auf das „Hineindrücken“ von Ware vom Hersteller in die Pipeline zum Handel. Dies stößt jedoch aufgrund der verbreiteten Nachfragemacht des Handels auf zunehmenden Widerstand. Daher ist das „Heraussaugen“ von Ware sinnvoll, indem auf das Signal der Handelsstufe hin Produkte vom Hersteller so bereitgestellt werden, dass immer Ware vorrätig ist, zugleich aber keine vermeidbare Kapitalbindung durch Überbevorratung entsteht. Dies ist im Detail schwierig zu steuern, wird aber durch ECR-Systeme (Efficient consumer response) und zukunftsbezogen auch CPFR-Systeme (Collaborative planning forecasting replenishment) zu erreichen versucht (s. u.).

1.5 Tiefendimension Nullstufiger (Direkt-)Absatz

Einstufiger Indirektabsatz

Einstufiger Indirektabsatz

Zweistufiger Indirektabsatz

Hersteller

Hersteller

Hersteller

Hersteller

Großhandel

Großhandel

Einzelhandel

Endabnehmer

Endabnehmer

Einzelhandel

Endabnehmer

Endabnehmer

Abbildung 8: Optionale Absatzwege (mit und ohne Handelsstufe)

48

1. Die Gestaltung des Absatzkanals 

Hinsichtlich der Tiefendimension des Absatzkanals sind null- oder halbstufiger Direktabsatz und Indirektabsatz möglich, letzterer in Abstufungen einstufig, zweistufig oder mehrstufig. Daraus ergeben sich verschiedene Absatzkanaldesigns (siehe Abb. 8: Optionale Absatzwege (mit und ohne Handelsstufe)). Die Absatzkanaltiefe umfasst sowohl den Warenfluss als auch die Geldgutschrift und den Informationsaustausch (siehe Abb. 9: Darstellung der Absatzkanaltiefe (Warenfluss / Geldgutschrift)). Hersteller

Absatzhelfer

Großhandel (Einkäufer / Verkäufer)

Gewerbliche Abnehmer

Einzelhandel (Einkäufer / Verkäufer)

Private Abnehmer

Abbildung 9: Darstellung der Absatzkanaltiefe (Warenfluss / Geldgutschrift)

1.5.1 Optionen Die Tiefendimension des Absatzkanals bestimmt die Anzahl der Stufen, mit denen interagiert werden soll und betrifft somit die ein- oder mehrstufige Auslegung für den gegenseitigen Fluss von Waren, Geldern und Informationen zwischen Hersteller, Absatzmittlern und Endabnehmern. Auch dafür können verschiedene Abstufungen unterschieden werden. Beim Direktabsatz (s. u.) treten Hersteller unmittelbar mit gewerblichen oder privaten Endabnehmern, also unter Auslassung zwischengeschalteter Absatz-

1.5 Tiefendimension 

49

mittlerstufen, in Kontakt. Diese Alternative kommt ohne den Handel aus (auch nullstufiger Absatz). Stattdessen treten Geschäftsleitung, Verkaufsabteilung, Verkaufsniederlassung, Verkaufsaußendienst, Vertriebsholding, Direktaussendung, Telefonverkauf, E-Commerce oder Werksverkauf in Kraft. Dies bietet sich bei Produkten an, die stark erklärungsbedürftig sind, für die Garantie / Service vor Ort geleistet werden muss, deren hoher Preis eine Lagerhaltung für den Handel wirtschaftlich untragbar macht, die transportempfindlich sind, sich an einen kleinen Abnehmerkreis wenden oder an Abnehmer, die regional stark konzentriert sind, in größeren Zeitabständen gekauft bzw. aus betriebsstrategischen Gründen direkt verkauft werden oder im Endverkaufspreis vom Absender bestimmt werden sollen. An dieser Stelle soll davon ein halbstufiger extern direkter Absatz unterschieden werden, der über selbstständige akquisitorische Absatzhelfer erfolgt, die aber entweder nicht in eigenem Namen oder nicht auf eigene Rechnung tätig, also weder Hersteller im Direktabsatz noch Händler im Indirektabsatz, sind. Beim Indirektabsatz treten Hersteller nur mittelbar mit Endabnehmern, also unter Einschaltung zwischengeschalteter Absatzmittlerstufen, in Kontakt. Dies bietet sich eher bei Produkten an, die sich seitens des Absenders nicht zielbewusst, effizient vermarkten lassen, eine flächenmäßig weit verteilte Nachfrage aufweisen, eine Einordnung in ein Sortiment zum Verkauf erforderlich machen oder die Kosten einer direkten Belieferung nicht tragen. Der Indirektabsatz kann wiederum unterschiedlich ausgelegt sein. Einstufig indirekter Absatz bedeutet, dass im Absatzkanal nur eine Absatzmittlerstufe zwischengeschaltet ist. Meist handelt es sich dabei um Einzelhändler, und zwar Großbetriebsformen als Key accounts. Weiterhin aber auch um Großhändler, die ihrerseits an gewerbliche Endabnehmer liefern, und Verbindungshändler, die an Produzenten und Weiterverarbeiter liefern. Zweistufig indirekter Absatz bedeutet, dass im Absatzkanal zwei Absatzmittlerstufen nacheinander zwischen geschaltet sind. Meist handelt es sich dabei um Großhändler und Einzelhändler, die nacheinander aktiv werden. Ausnahmsweise aber auch um Verbindungshändler, die an Weiterverarbeiter wie Handwerk o. Ä. liefern, und Exporteure im Außenhandel, die an fremdgebietsansässige Importeure liefern. Mehrstufig indirekter Absatz bedeutet, dass im Absatzkanal mehr als zwei Absatzmittlerstufen zwischengeschaltet sind. Dies ist durchaus nicht selten der Fall, wenn sich Groß- und Einzelhandelsstufe ihrerseits in Teilstufen aufteilen. So sind im Weinhandel Winzergenossenschaften, Weingroßhandlungen, Lebensmittelgroßhandlungen, Gastronomiebetriebe bzw. Facheinzelhandel und LEH sowie Import- und Exportbetriebe nacheinander zwischen geschaltet, so dass der Warenweg äußerst komplex wird, zumal es auch Direktabsatz gibt (Ab Hof). Dabei kann nicht nur ein Absatzkanal allein von einem Hersteller bedient werden, sondern es können auch zwei oder mehr Absatzkanäle nebeneinander oder

50

1. Die Gestaltung des Absatzkanals 

zueinander versetzt bedient werden (Mehrkanalabsatz, s. u.). Daraus resultiert allerdings ein erhöhter Grad an Komplexität.

1.5.2 Indirektabsatz 1.5.2.1 Einstufig indirekter Absatz

Hersteller

Absatzhelfer

Großhandel (Einkäufer / Verkäufer)

Gewerbliche Abnehmer

Einzelhandel (Einkäufer / Verkäufer)

Private Abnehmer

Abbildung 10: Einstufig indirekter Absatz (Warenfluss / Geldgutschrift)

Bei einstufig indirektem Absatz ist neben Hersteller und Endabnehmer eine Absatzmittlerstufe integriert (siehe Abb. 10: Einstufig indirekter Absatz (Waren­ fluss / Geldgutschrift)) Die Vor- und Nachteile des einstufig indirekten Absatzes aus Herstellersicht sind die Folgenden. Zunächst zu den Vorteilen: • Es kommt zu einer Einsparung von Distributionsspanne gegenüber zwei- und mehrstufigem Absatz und deren Nutzung für Preisvorteil oder Zusatzgewinn. Daraus ergeben sich wichtige Wettbewerbsvorteile.

1.5 Tiefendimension 

51

• Die gegebene Qualifikation und erworbene Marktkenntnis der Absatzmittler kann genutzt werden. Insofern resultiert aus der Arbeitsteilung eine bessere Funktionserfüllung und höhere Effektivität. • Übertragungsverzerrungen und Zeitaufwand können vermindert werden, wie sie ansonsten in zweistufig indirekten Absatzkanälen auftauchen und durch Schnittstellen zu erheblichen Verzerrungen führen. Folgende Nachteile sind zu nennen: • Ein Großteil der Distributionsfunktion verbleibt als Organisations- und Geldaufwand beim Hersteller. Dies bindet Kapazitäten im Personal-, Betriebsmittelund Kapitalbereich, die anderweitig womöglich besser genutzt sind. • Es erfolgt nur eine geringe Nutzung der Multiplikationsfunktion zwischen­ geschalteter Absatzmittler für die Ausweitung der Geschäftsbeziehungen. Damit kommt es zu einer Untererfassung des Nachfragepotenzials. • Die Abhängigkeit von wenigen großen Handelsnachfragern und deren Interessenlage ist wahrscheinlich. Dies ist im Rahmen der Nachfragemacht des Handels allerdings beinahe unvermeidlich geworden. Die wesentlichen Vor- und Nachteile des einstufig indirekten Absatzes bei Wegfall der Groß- oder der Einzelhandelsstufe sind aus Händlersicht die Folgenden. Zunächst zu den Vorteilen: • Es ist ein unmittelbarer Kontakt zu Lieferanten mit der Möglichkeit enger Einbindung in deren Absatzförderung gegeben. Damit entfallen Filtereffekte, die ansonsten zwangsläufig zu Verunsicherungen führen. • Die Erzielung vergleichsweise besserer Spannen durch Einsparung weiterer Absatzstufen wird möglich. Diese können alternativ auch für Preisvorteile gegenüber zweistufig indirekt belieferten Konkurrenten genutzt werden. • Es besteht ein unmittelbarer Kontakt zu Endabnehmern auch auf der Großhandelsstufe. Allerdings entstehen im Konsumgüterhandel rechtliche Probleme, etwa bei den Ladenöffnungszeiten oder der Preisauszeichnung. • Die Gefahr der Verwässerung der Absatzpolitik durch andere Absatzstufen wird eingedämmt. Damit können eigene Zielvorstellungen erfolgreicher am Markt durchgesetzt werden. Folgende Nachteile sind zu nennen: • Es ergibt sich die Notwendigkeit zur Übernahme aufwändiger, teils sachfremder Vermarktungsfunktionen, die ansonsten von anderen Absatzstufen erbracht, nun aber kombiniert erfüllt werden müssen. • Die Bündelungs- bzw. Dispersionswirkung vor- bzw. nachgeschalteter Absatzstufen entfällt. Insofern wird die Erschließung des Marktpotenzials deutlich erschwert oder ist sogar ganz unmöglich.

52

1. Die Gestaltung des Absatzkanals 

• Evtl. ist eine Abhängigkeit von großen Lieferanten oder Endabnehmern gegeben. Hier kommt die Mittlerrolle des Handels ohne wesentliche eigene Wertschöpfung zum Tragen. 1.5.2.2 Zweistufig indirekter Absatz

Hersteller

Absatzhelfer

Großhandel (Einkäufer / Verkäufer)

Einzelhandel (Einkäufer / Verkäufer)

Private Abnehmer

Abbildung 11: Zweistufig indirekter Absatz (Warenfluss / Geldgutschrift)

Bei zweistufig indirektem Absatz sind neben Hersteller und Endabnehmer zwei Absatzmittlerstufen integriert, je eine Großhandels- und Einzelhandelsstufe (siehe Abb. 11: Zweistufig indirekter Absatz (Warenfluss / Geldgutschrift)). Die Vor- und Nachteile des zweistufig indirekten Absatzes aus Herstellersicht sind die Folgenden. Zunächst zu den Vorteilen: • Die weitestgehende Auslagerung der Distributionsfunktion bewirkt eine interne Organisationsvereinfachung und Kosteneinsparung. Fixkosten werden dabei im Sinne der Flexibilisierung gegen variable Kosten getauscht. • Die Marktbreite kann durch doppelte Baumverzweigungsstruktur der Distribution in hohem Maße ausgeschöpft werden. So kommt es zu einer möglichst vollständigen Kapitalisierung des akquisitorischen Potenzials. • Es bestehen überschaubare Liefer-, Abrechnungs- und Informationsbeziehungen mit wenigen großen Abnehmern, da die Verzweigung in die Breite erst auf der nachgeschalteten Stufe erfolgt.

1.5 Tiefendimension 

53

Folgende Nachteile sind zu nennen: • Die eigene Gewinnspanne verkürzt sich um das Entgelt für die Tätigkeit der Betriebsformen auf zwei Absatzstufen. Letztlich geht es um eine Abwägung der Kostenersparnis einerseits gegen den Gewinnentgang andererseits. • Durch die Selbstständigkeit auf zwei Stufen fehlt weitgehend die Kontrolle der Darbietung der Produkte gegenüber Endabnehmern. Daraus können Imageprobleme resultieren, die absatzhemmend wirken. • Interaktionen der Absatzstufen untereinander führen zu Komplexität und Effizienzeinbußen. Dabei stehen die jeweiligen Interessen der Absatzmittler im Vordergrund, und das Herstellerinteresse tritt in den Hintergrund. Die Vor- und Nachteile des zweistufig indirekten Absatzes sind aus (Groß- und Einzel-)Händlersicht die Folgenden. Zunächst zu den Vorteilen: • Es kommt zu einer verbesserten Funktionsteilung im Absatzkanal. Jede Absatzstufe konzentriert sich auf diejenigen Aufgaben, die sie am besten beherrscht und ergänzt damit die Spezialisierung der anderen. • Die professionellere Leistungserstellung ermöglicht die Nutzung von Mengenund Spezialisierungseffekten. Insofern kann die Effizienz in der Wahrnehmung der Distributionsaufgabe wesentlich gesteigert werden. Folgende Nachteile sind zu nennen: • Der unmittelbare Kontakt zu Lieferanten bzw. Endabnehmern geht verloren, da eine weitere Absatzstufe zwischengeschaltet ist. Darunter leiden wichtige Faktoren wie Kundenbindung und Informationsfluss. • Es entsteht eine Komplizierung der Austauschprozesse zwischen den Beteiligten. Etwaige Fehler und Missverständnisse auf den einzelnen Stufen kumulieren und führen somit zu suboptimalen Ergebnissen. • Die Abfolge bedeutet eine Einbuße von Spanne bzw. Konkurrenzvorteil, weil eine weitere Absatzstufe ihre Honorierung fordert. Damit entsteht ein Nachteil gegenüber einstufig indirekt belieferten Konkurrenten. 1.5.2.3 Mehrstufig indirekter Absatz Bei mehrstufig indirektem Absatz sind neben Hersteller und Endabnehmer mehr als zwei Absatzmittlerstufe integriert, und zwar zwei oder mehr Großhandelsstufen und eine Einzelhandelsstufe (siehe Abb. 12: Mehrstufig indirekter Absatz (möglicher Aufbau)). Die Vor- und Nachteile des mehrstufig indirekten Absatzes aus Herstellersicht sind die Folgenden. Zunächst zu den Vorteilen:

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals 

Hersteller mehrstufig indirekter Absatz Aufkauf-Großhandel

Absatz-Großhandel zweistufig indirekter Absatz Verbindungshandel einstufig indirekter Absatz Einzelhandel direkter Absatz

Großabnehmer Weiterverarbeiter

Endabnehmer

Gewerbliche Endabnehmer

Abbildung 12: Mehrstufig indirekter Absatz (möglicher Aufbau)

• Es entsteht eine weit gehende Entlastung von Distributionsaufgaben im Absatzkanal, da nunmehr gleich mehrere Absatzmittlerstufen diese übernehmen. • Die Spezialisierungsvorteile der einzelnen Absatzstufen können bestmöglich genutzt werden, so dass es insgesamt zu einer funktionaleren Aufgabenerfüllung kommt. • Es wird eine breite Markterfassung realisierbar, da die mehrstufige Auslegung die bestmögliche Ausschöpfung des Nachfragepotenzials erlaubt. • Die vorgelagerten Absatzstufen üben Absatzdruck (Push) auf die jeweils nachgelagerten aus und begünstigen damit den Markterfolg der Herstellerware. Folgende Nachteile sind zu nennen: • Die Komplexität im Absatzkanal steigt immens, damit wird eine effiziente Steuerung in der Distributionspolitik erschwert. Dieser Nachteil kann evtl. Vorteile allein überkompensieren. • Verbunden damit, treten verstärkte Interessenkonflikte zwischen den Beteiligten auf, die zu ungebührlichen Kompromissen und Ineffektivitäten führen. • Die Kostenbelastung der gehandelten Waren steigt, da jede Stufe für die von ihr übernommenen Funktionen eine Handelsspanne einbehält.

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1.5 Tiefendimension 

Die Vor- und Nachteile des mehrstufig indirekten Absatzes sind aus Händlersicht die Folgenden. Zunächst zu den Vorteilen: • Spezialisierungsvorteile entstehen durch weiter verbesserte Funktionsteilung im Absatzkanal. Dadurch lassen sich selbst unübersichtliche Marktverhältnisse konstruktiv beeinflussen und ausschöpfen. • Es kommt zu einer Professionalisierung auf allen Absatzstufen. Die kombinierte Expertise der jeweiligen Spezialisten kommt im Ergebnis allen Beteiligten durch bessere Erlöse zugute. • Aufgrund der Komplexität der Vermarktungssituation ist eine andere Organisation oft überhaupt nicht praktikabel. Dabei liegen oft starre, historisch gewachsene Verhältnisse oder spezielle Marktcharakteristika vor. Folgende Nachteile sind zu nennen: • Es kommt zu einer weiteren Komplizierung der Austauschprozesse zwischen den Beteiligten. Der Absatzkanal droht, intransparent und damit für eine zielgerichtete Steuerung unpraktikabel zu werden. • Es entsteht eine weitere Einbuße von Spanne bzw. Konkurrenzvorteil, weil mehrere Absatzstufen ihre Honorierung fordern. Denn distributiv erbrachte Leistungen wollen naturgemäß honoriert werden.

1.5.3 Optionale Absatzkanaldesigns

Absatzkanalbreite

Marken -tankstation

indirekt

extern direkt

Modefilialist

Warenhaus

indirekt

zweistufig einstufig

Absatzkanaltiefe

intern direkt

ubiquitär

Kiosk

intensiv Universalversandhandel

selektiv

exklusiv

Buchclubcenter

Credit card-Club

Sammelbesteller TK-Heimdienst LEHFilialist Handwerkshandel

Kosmetikdepot

Apotheke

Beziehungshandel Franchisebetrieb Kfz-Vertrags-

Abbildung 13: Optionale Absatzkanaldesigns (Beispiele)

werkstatt

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals 

Unterscheidet man die Dimensionen der Absatzkanalbreite, wie geschehen, nach ubiquitär, intensiv, selektiv, exklusiv, sowie die Dimensionen der Absatzkanaltiefe nach intern direkt, extern direkt, einstufig indirekt, zweistufig indirekt, so ergeben sich für das Absatzkanaldesign aus diesen beiden Dimensionen logisch 16 Kombinationen (siehe Abb. 13: Optionale Absatzkanaldesigns (Beispiele)). Für die Auslegung des Designs kommt es wohl weniger auf die spezifische Kombination an, sondern auf deren Ausformung in der Umsetzung. So gibt es zu allen Kombinationen erfolgreiche, aber auch nicht erfolgreiche Designs. Zumal sich ein Anbieter im Vertrieb nicht auf ein Design festlegen muss, sondern sich zwei oder mehr verschiedener bedienen kann. Allerdings ist ein deutlicher Trend zur Verkürzung der Absatzkanaltiefe, also zur Ausschaltung von Handelsstufen, unübersehbar. Und es stellt sich die Frage, ob der Handel, zumindest in den stationären Einzelhandelsbetriebsformen, noch überlebensfähig ist. Dies darf allgemein bezweifelt werden. Was nicht bedeutet, dass einzelne Formen ihre Berechtigung behalten werden, wie der Erlebnishandel oder der Nahversorgungshandel. Aber der Online-Handel kommt massiv, auch in Bereichen, die bisher als vernachlässigt galten, wie Nahrungsmittel oder Bekleidung. Zusätzlich übernehmen immer mehr Hersteller selbst den Vertrieb im Internet, auch in vertriebspolitisch sensiblen Bereichen wie Automobil oder Finanzdienstleistungen durch Nonbanks. Eine weitere Substitution erfolgt durch Makler und Mittler, etwa bei Dienstleistungen. Schließlich expandiert auch der stationäre Einzelhandel in virtuelle Vertriebskanäle (z. B. Media-Markt). Selbst der Katalog-Versandhandel migriert dorthin (z. B. Otto-Versand). Hinzu kommen restriktive Umfeldbedingungen, wie die angespannte Verkehrssituation in Innenstädten oder Zeitknappheit durch Berufsengagement, und manifeste gesellschaftliche Trends, wie Cocooning oder Mobiles always-on. Dies alles führt dazu, dass immer größere Teile der Kaufkraft aus dem Indirektabsatz abwandern. Die Großhandelsstufe ist unter dieser Disintermediation bereits erheblich ausgedünnt worden.

1.6 Mehrkanalabsatz Das Distributionsdesign bezieht sich nicht nur auf einen Absatzkanal, sondern auf mehrere, wobei zu bestimmen ist, welche Optionen sich dafür stellen (1.6.2), wie der parallele Absatz (1.6.3) und wie der gesplittete Absatz (1.6.4) konzipiert sind sowie die Integration dieser Kanäle in einer Cross channel-Distribution (1.6.5) erfolgt.

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1.6 Mehrkanalabsatz 

1.6.1 Inhalt Neben dem eingleisigen Absatzkanal als Monodistribution ist es durchaus üblich, verschiedene Absatzkanäle zwei- oder mehrgleisig als Dual- oder Polydistribution zu bedienen. Dabei können mehrere Formen der Multi channel distribution unterschieden werden. Nach den Absatzkanälen gibt es folgende: • ein einstufiger Kanal sowie, ein zwei- oder mehrstufiger Kanal als Dualdistribution, • mehrere einstufige Kanäle sowie kein zwei- oder mehrstufiger Kanal als direkte Polydistribution, • mehrere zwei- oder mehrstufige Kanäle sowie kein einstufiger Kanal als indirekte Polydistribution, • mehrere einstufige Kanäle sowie mehrere zwei- oder mehrstufige Kanäle als differenzierte Polydistribution.

Hersteller

Hersteller

Großhandelsstufe(n) Handelsstufe(n) Einzelhandelsstufe

Endabnehmer

Monodistribution

Endabnehmer

Polydistribution (Multi channel distribution)

Abbildung 14: Prinzip des Mehrkanalabsatzes

Der Begriff Mehrkanalabsatz (Multi channel distribution / MCD) unterstellt, dass ein Unternehmen nicht nur einen Absatzkanal distribuiert, sondern zwei (Dualdistribution) oder mehrere (Polydistribution) (siehe Abb. 14: Prinzip des Mehrkanalabsatzes). Allgemeine Chancen des Mehrkanalabsatzes sind folgende: • Bei Nutzung nur eines Absatzkanals lassen sich bestimmte Marktsegmente u. U. nicht erreichen. Eine Ausweitung der Distributionswege ermöglicht somit eine bessere Ausschöpfung des Marktpotenzials.

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals 

• Durch die Nutzung mehrerer Absatzkanäle kann den unterschiedlichen Bedürfnissen der Kunden besser entsprochen und der Kundennutzen gesteigert werden. • Die in den verschiedenen Absatzkanälen gesammelten Kundeninformationen lassen sich integriert zusammenführen. Aufbauend auf diesen Daten über das Kaufverhalten des Kunden lassen sich neue kundengerechte Absatzkonzepte entwickeln. • Werden kostenintensive durch kostengünstigere Absatzkanäle ergänzt, lassen sich Kostensenkungspotenziale realisieren, so dass die Wirtschaftlichkeit der Distribution gesteigert wird. • Im Falle einer Ausweitung der Absatzkanäle lassen sich Abhängigkeiten von einzelnen Kundengruppen oder Absatzmittlern vermeiden. Insb. aufgrund der Machtkonzentration im Handel kommt diesem Aspekt eine zentrale Bedeutung zu. Dem stehen u. a. folgende Risiken gegenüber: • Wird Kunden das gleiche Produkt über mehrere Absatzkanäle angeboten, kann es zur Verwirrung und Überforderung kommen, da sie u. U. nicht mehr in der Lage sind, die komparative Vorteilhaftigkeit der unterschiedlichen Distributions­ wege eindeutig zu beurteilen. Auch eine uneinheitliche Markierung bzw. Sortimentsstruktur und -zusammensetzung können zu einer Verunsicherung der Kunden führen. • Da die verschiedenen Absatzkanäle miteinander in Konkurrenz stehen, können sich bestehende Absatzmittler durch die Einführung neuer Distributionswege bedroht fühlen, so dass es zu kontraproduktiven Konflikten kommt. • Mit zunehmender Anzahl von Absatzkanälen steigt die Komplexität des Distributionssystems, insb. bei nur beschränkter Transparenz der Kanäle besteht die Gefahr eines Kontrollverlusts des Anbieters. • Da mit unterschiedlichen Absatzkanälen divergierende Anforderungen an den Anbieter verbunden sind, besteht das Risiko, dass der Anbieter mit zunehmender Zahl von Absatzkanälen nicht mehr in der Lage ist, den jeweiligen Anforderungen in optimaler Weise gerecht zu werden. • Mit dem Aufbau eines neuen Absatzkanals sind u. U. hohe Implementierungskosten verbunden. Aufgrund häufig unsicherer Zusatzerlöse und Kostensenkungspotenziale kann dies ein erhebliches Wirtschaftlichkeitsrisiko bedeuten. Die Vorteile der Mehrkanaldistribution aus Herstellersicht liegen in Folgendem: • Verringerung der Gefahr der Abhängigkeit von einem belieferten Absatzkanal und dessen Nachfragemacht, • Chance zur Rationalisierung durch Konzentration auf die jeweils stärksten Absatzstellen je Kanal,

1.6 Mehrkanalabsatz 

59

• breite Nachfrageerfassung über Marktsegmentgrenzen hinweg, die bei verschiedenartigen Absatzstellen einkaufen, • Nutzung dynamischer, neuer neben konservativen, alten Betriebsformen des Handels in den Absatzkanälen. Nachteile der Mehrkanaldistribution aus Herstellersicht liegen in Folgendem: • Notwendigkeit zur Anpassung der Marketingkonzepte an differenzierte Erfordernisse der Absatzkanäle, • Schaffung komplizierter arbeitsorganisatorischer Voraussetzungen für die Betreuung und Kontrolle mehrfacher Aktivitäten, • Gefahr der Beeinträchtigung des Produktimages durch Irritation auf Endabnehmerseite über das Angebotsprofil, • Querelen zwischen Absatzkanälen („Futterneid“), die praktisch unvermeidlich sind (horizontale Konflikte). Die Vorteile der Mehrkanaldistribution aus Händlersicht liegen in Folgendem: • Zugang zu Produkten, die bei eingleisiger Distribution nicht unbedingt zugänglich wären, • Vorsprung gegenüber den nicht-belieferten Absatzstellen des eigenen Absatz­ kanals, • Nutzung von systemimmanenten Absatzkanalvorteilen bei dynamischen, aggressiv auftretenden Betriebsformen des Handels. Nachteile der Mehrkanaldistribution aus Händlersicht liegen in Folgendem: • eine erhöhte Erhältlichkeit auf Endabnehmerstufe führt zu verschärften Wettbewerbsbedingungen, • eine geteilte Zuwendung des Herstellers durch mehrfache Absatzaktivitäten entsteht, • Benachteiligung eines objektiv oder subjektiv komparativ leistungsunterlegenen Absatzkanals gegenüber Endabnehmern. Problematisch ist, dass neben den unvermeidlichen vertikalen Konflikten zwischen Hersteller und Handel innerhalb des Absatzkanals weitere horizontale Konflikte zwischen den distributiven Akteuren in den Absatzkanälen auftreten. Dies erhöht die Gefahr dysfunktionaler Spannungen. Denn letztlich greifen alle Kanäle zu wesentlichen Teilen auf dieselbe Kaufkraft zu. Zudem führen Unter-, Schnittund Leermengendesigns zu einem erhöhten Grad an Komplexität im Absatzkanal. Gerade Komplexitäten sind aber zwischenzeitlich als Kostentreiber hinlänglich identifiziert und werden daher versucht, unter allen Umständen zu verhindern. Hier werden sie jedoch bewusst gezüchtet, so dass eine Abwägung zwischen entgehendem Nutzen bei paralleler Distribution und zuwachsenden Komplexitätskosten bei gesplitteter Distribution vorzunehmen ist.

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals 

1.6.2 Optionen der Absatzkanäle Interner Direktabsatz

(interner) Online-Direktabsatz

Externer Direktabsatz

(externer) Online-Direktabsatz

Einstufig-indirekter Großhandelsabsatz

Online-Indirektabsatz

Einstufig-indirekter Einzelhandelsabsatz Zweistufig-indirekter GH-EH-Absatz Mehrstufig-indirekter Absatz Offline-Direktabsatz

Abbildung 15: Mögliche Mehrkanal-Absatzdesigns

Absatzkanäle können verschiedenartige Ausgestaltungen annehmen. Diese umfassen traditionelle Offline-Kanäle ebenso wie moderne Online-Kanäle, Direktabsatz wie Indirektabsatz. Daraus ergeben sich folgende Ausprägungen (siehe Abb. 15: Mögliche Mehrkanal-Absatzdesigns). Der (interne) Direktabsatz vom Hersteller an Endabnehmer über unternehmenseigene Organe (VADM). Bei diesen handelt es sich um Mitarbeiter des Herstellerunternehmens. Je nach Produktart können dabei unterschiedliche Akteure tätig werden, etwa Geschäftsleitungsmitglieder bei Industriegütern, Schlüsselkundenbetreuer bei Großabnehmern, Reisende in der Feldorganisation etc. Vorteilhaft sind dabei vor allem die hohe Problemlösungskompetenz der Mitarbeiter, die Gewinnung von Marktinformationen und die sehr gute Steuerung und Lenkung des Absatzes. Nachteilig sind jedoch die hohe Kapitalbindung, der große Organisationsaufwand und die mangelnde Ausschöpfung des Marktpotenzials. Der (externe) Direktabsatz vom Hersteller an Endabnehmer über unternehmensfremde Organe, also Absatzhelfer. Bei diesen handelt es sich um vor allem Handelsvertreter, Kommissionäre und Handelsmakler. Allen ist gemein, dass sie nicht Eigentümer der gehandelten Produkte werden. Handelsvertreter sind in fremden Namen und auf fremde Rechnung tätig. Kommissionäre sind zwar in eigenem Namen, aber auf fremde Rechnung tätig. Bei Reklamationen ist also der Kommissionär Ansprechpartner, die wirtschaftlichen Konsequenzen daraus hat jedoch der Hersteller zu tragen. Handelsmakler sind nur mit dem Nachweis von Abschlusschancen beschäftigt. Sie haben außerdem die Interessen beider vertretenen Seiten zu berücksichtigen, auch wenn sie nur von einer Seite beauftragt werden. Der einstufig-indirekte Großhandelsabsatz vom Hersteller über den zwischengeschalteten Produktionsverbindungshandel an gewerbliche Endabnehmer. Hier

1.6 Mehrkanalabsatz 

61

werden Investitions- und Produktionsgüter gehandelt, erstere sind Gebrauchsgüter und gehen in das Anlagevermögen des abnehmenden Unternehmens über, letztere sind Verbrauchsgüter und gehen entweder als wesentlicher oder unwesentlicher Bestandteil in die Produktion mit ein als Rohstoff bzw. Hilfsstoff oder sind zur Aufrechterhaltung der Produktion erforderlich als Betriebsstoff. Der einstufig-indirekte Einzelhandelsabsatz vom Hersteller über zwischengeschaltete Einzelhändler an private Endabnehmer. Bei diesen Einzelhändlern handelt es sich meist um Großbetriebsformen des Einzelhandels. Betriebsformen unterteilen sich allgemein in primäre und sekundäre. Primäre Betriebsformen des Einzelhandels sind originäre Betriebsformen, sekundäre abgeleitete. Innerhalb der primären Betriebsformen kann wiederum nach stationären oder nicht-stationären unterteilt werden. Stationäre Betriebsformen des Einzelhandels verfügen über ein Ladengeschäft, bei nicht-stationären Betriebsformen fehlt dieses. Der zweistufig-indirekte Großhandels-Einzelhandelsabsatz vom Hersteller über zwischengeschaltete Groß- und Einzelhandelsstufen. Neben die Einzelhandelsstufe tritt somit die vordistribuierende Großhandelsstufe. Großhandel ist immer Handel unter Kaufleuten. Der mehrstufig-indirekte Absatz vom Hersteller über mehr als eine zwischengeschaltete Großhandelsstufen bis hin zur Einzelhandelsstufe. Bei den Großhandelsstufen handelt es sich zumeist um beschaffungsorientierte, kollektierende sowie absatzorientierte, dispersierende Formen. Dies bietet sich vor allem bei fraktionierten Beschaffungsmärkten, wie etwa in der Landwirtschaft, an, bei denen vor der Warenverteilung eine Warensammlung zweckmäßig ist. Weiterhin der (interne) Offline-Direktabsatz vom Hersteller über Offline-Medien. Dabei ist an verschiedene Formen zu denken, unabhängig davon, ob dies im Make or buy funktioniert: • Der Direktabsatz über Telefon kann Inbound oder Outbound erfolgen, also passiv über Initiierung von Anrufen durch Interessenten oder aktiv über Anruf bei potenziellen Abnehmern. • Für Verkauf über Telefax gelten ebenso wie bei Telefon erhebliche rechtliche Restriktionen. Im Übrigen wird Telefax angesichts von Mobilfunk- und E-MailNachrichten zunehmend obsolet, allerdings wird es nach wie vor im Handwerk, bei Apotheken oder Ärzten intensiv genutzt. • Außerhalb des stationären Bereichs ist der Verkauf über Mobiltelefon denkbar, und zwar durch tatsächlichen Absatzvollzug bei digitalen Leistungen wie Klingeltönen oder durch Bestellung bei materiellen Leistungen. Rechtlich sind hier ebenfalls enge Restriktionen zu beachten. • E-Mail richtet Text- und Standbild- sowie über Anhänge auch Bewegtbild-, Datenund Tonnachrichten an Empfänger. Zu Absatzzwecken ist dies nur erlaubt, wenn bestehende Kundenbeziehungen vorliegen oder der Empfänger seine ausdrück-

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals 

liche Erlaubnis dazu erteilt hat, wozu das Double opt-in-Verfahren dient, d. h., der Empfänger erteilt die Erlaubnis zum Versand der akquisitorischen ­E-Mail und bestätigt dies nach Empfang der ersten E-Mail nochmals. Außerdem muss ihm die Möglichkeit zum jederzeitigen Rückzug seiner Erlaubnis als Opt-out gegeben werden. • Die traditionelle Alternative zur E-Mail ist die geprintete Direktaussendung. Direct mailings sind immer erlaubt, da das Interesse des akquirierenden Absenders am Absatz juristisch höher gewichtet wird als das Interesse des Adressaten daran, nicht gestört zu werden. • In ausführlicher geprinteter Form ist schließlich der Katalog zu nennen. Dabei handelt es sich um ein schriftlich geführtes Verkaufsgespräch. Der Katalog unterliegt in seiner Gestaltung zahlreichen verkaufsfördernden Erkenntnissen und ist sowohl im B-t-c- als auch im B-t-b-Bereich nach wie vor nicht wegzudenken. • Der Direktabsatz über Fernsehen / Hörfunk erfolgt durch Direct response-Werbespots, Werbelangsendungen mit integrierter Bestellmöglichkeit oder auf speziellen Verkaufskanälen durch Dauerwerbesendungen. Dabei ist jedoch immer ein Medienwechsel erforderlich, der zukünftig durch Interactive-TV entfallen wird. • Der Direktabsatz über Printmedien erfolgt durch Direct response-Anzeigen, also solche mit Reaktionsmöglichkeit durch integrierten Coupon bzw. eingedruckte Telefonnummer, Website- oder E-Mail-Adresse. Der (interne)  Online-Direktabsatz vom Hersteller über das Internet in Form von E-Commerce an private und / oder gewerbliche Endabnehmer. Dazu muss der Hersteller zunächst eine Webpräsenz implementieren. Dabei können mehrere Formen unterschieden werden, z. B. Prestige-Sites mit Verweis auf andere Medien zur eigentlichen Transaktion, wertschöpfende Präsenzen mit Transaktion im Internet oder Cyber malls als virtuelle Einkaufszentren. Da es sich beim Internet um ein Pull-Medium handelt, ist es unerlässlich, Kontakte zur Webpräsenz zu generieren. Dies kann wiederum innerhalb des Internet auf anderen als den eigenen Seiten erfolgen, am besten in Portalen, die einen hohen Traffic aufweisen, z. B. durch Cross-Verlinkung, Affiliate-Programme oder Suchmaschineneinträge, oder außerhalb des Internet, also Offline, z. B. durch Print- oder Elektronikmedienwerbung. Der externe Online-Direktabsatz vom Hersteller über Online-Absatzhelfer wie Preisagenturen, Powershopper, Auktionsplattformen etc. Internet-Absatzhelfer sind im Regelfall Makler, d. h., sie nehmen Anbieter / Angebote in ihre Webpräsenz auf, sorgen für Traffic auf ihrer Präsenz und profitieren von Listungsgebühren für den Eintrag, Mittlerprovision bei Abschluss und Werbeeinnahmen. Damit Internet-Absatzhelfer von Abnehmern in Anspruch genommen werden, müssen sie einen Leistungsvorteil bieten. Dieser liegt z. B. in Preisnachlass, Informationsvorteil oder Service. Der Abschluss kommt dann zwischen Hersteller und Abnehmer unmittelbar zustande, ebenso wie der Warenfluss, beim Geld- und Informationsfluss ist der Absatzhelfer meist eingeschaltet. Sowohl im B-t-b- als auch

1.6 Mehrkanalabsatz 

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im B-t-c-Bereich haben sich vor allem Auktionsplattformen etabliert, die durch verschiedene Formen dynamischer Preisbildung und ergänzende Serviceleistungen geprägt sind. Der Online-Indirektabsatz vom Hersteller über das Internet an Online-Absatz­ mittler, und von dort an gewerbliche oder private Endabnehmer. Online-Absatzmittler sind virtuelle Händler, die Leistungen von Herstellern einkaufen, um sie ohne wesentliche Be- und Verarbeitung mit Aufschlag wieder an Abnehmer zu verkaufen. Online-Absatzmittler betreiben eigene Webpräsenzen, für die sie Traffic durch Pull-Effekt generieren müssen. Dies kann wiederum online oder offline erfolgen. Im B-t-b-Bereich sind etwa Gebrauchtwaren-Händler verbreitet, die maschinelle Anlagen aufkaufen, aufbereiten und meist mit ergänzenden Services zum Verkauf anbieten. Im B-t-c-Bereich sind etwa Buch- (z. B. Amazon) und Autohändler (z. B. Auto1) verbreitet, auch hier mit Preisvorteil oder ergänzenden Services. Diese zehn Optionen geben alle denkbaren Absatzkanaldesigns wieder, wobei jede Möglichkeit nochmals vielfach unterteilt ist. Mehrkanaldistribution liegt nunmehr vor, wenn die Distribution eines Herstellers über mehr als einen dieser Absatzkanäle erfolgt. Als Ziele werden dabei vorrangig zwei verfolgt. Erstens die Verringerung der herstellerseitigen Abhängigkeit von einem oder einem dominanten Absatzkanal durch Aufbau und Nutzung alternativer Absatzkanäle. Dadurch kann der Hersteller die Nachfragemacht einzelner Abnehmer, sei es Endabnehmer oder Wiederverkäufer, mindern. Daraus wiederum folgen erhöhte Margen. Zweitens die breitere Erfassung des Marktes, um auf diese Weise Abnehmer bedienen zu können, die im ursprünglichen Absatzsystem aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen nicht bedient werden konnten. Daraus folgt dann verstärkter Absatz. Beides scheint so verlockend, dass zunehmend Hersteller vom Einkanal- zum Mehrkanalabsatzsystem überschwenken. Ein Beispiel für Mehrkanaldistribution findet sich bei Wein. Dort sehen die Absatzwege u. a. wie folgt aus: • Flaschenwein an Gastronomie, Einzelhandel, Großhandel, • Fasswein an Gastronomie, • Fasswein an Großhandel, • Fasswein an Weiterverarbeiter (z. B. Sektkellerei), • Rohware (Trauben, Maische, Most) an Weiterverarbeiter (z. B. als Saft), • Fasswein / Flaschenwein / Rohware an Exporteure. Allerdings darf dabei nicht übersehen werden, dass zusätzlich zu den bereits erwähnten vertikalen Konflikten im Absatzkanal zwischen Hersteller und Zwischenbzw. Endabnehmer jedes Absatzkanals nunmehr horizontale Konflikte zwischen den jeweils distribuierten Absatzkanälen entstehen. Denn die verschiedenen Absatzkanäle treten in Konkurrenz zueinander um die Erschließung der grundsätz-

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals 

lich gleichen Nachfrage / Budgets. Und ein Abschluss, der im einen Absatzkanal erzielt wird, kann mit Sicherheit schon einmal nicht im anderen Absatzkanal geschafft werden. Die Entscheidung für Multi channel distribution setzt also eine Abwägung, wiederum nach dem Anreiz-Beitrags-Prinzip, voraus. Den Anreizen besserer Marge und erhöhten Absatzes durch Mehrkanaldistribution stehen die Beiträge durch Effizienz- und Effektivitätsverluste infolge horizontaler Konflikte zwischen den distribuierten Absatzkanälen gegenüber. Je nachdem, was man höher gewichtet, wird man daher die eine oder andere Entscheidung fällen.

1.6.3 Paralleler Absatz Vertreibt ein Hersteller über zwei oder mehr verschiedene Absatzkanäle, so handelt es sich um Parallelabsatz. Dies kann sich sowohl auf das Produktangebot beziehen als auch auf den Kundenwert, die Abnehmerbranche oder das Absatzgebiet. Jedenfalls wird damit ein einheitliches Konzept verfolgt. Die Vor- und Nachteile des Parallelabsatzes aus Herstellersicht sind die Folgenden. Zunächst zu den Vorteilen: • Die Verringerung der Gefahr der Abhängigkeit von einem belieferten Absatzkanal und dessen Nachfragemacht ist gegeben. Es besteht die Möglichkeit des Ausweichens, die Macht erodieren lässt. • Die Chance zur Rationalisierung durch Konzentration auf die jeweils stärksten Absatzstellen je Kanal steigt. Dadurch können die spezifischen Vorzüge bestmöglich genutzt werden, ohne gleichzeitig deren Probleme in Kauf nehmen zu müssen. • Es kommt zu einer breiten Nachfrageerfassung über Marktsegmentgrenzen hinweg, die sich in verschiedenartigen Absatzstellen monetarisiert. Vor allem können Käufer in beiden Absatzkanälen erreicht werden. • Auch ist die Nutzung dynamischer, neuer neben konservativen, alten Betriebsformen des Handels in den Absatzkanälen möglich. Diese Flexibilität ermöglicht eine stete Aktualisierung im Mix der Absatzstellen und das Eingehen auf innovative Entwicklungen. Folgende Nachteile sind zu nennen: • Es besteht die Notwendigkeit zur Anpassung der Marketingkonzepte an differenzierte Erfordernisse der Absatzkanäle. Dadurch steigt der Vermarktungsaufwand, um wirklich erfolgversprechende Ergebnisse zu erreichen. • Für die Betreuung und Kontrolle gesplitteter Aktivitäten ist die Schaffung komplizierter arbeitsorganisatorischer Voraussetzungen erforderlich. Dies bindet Manpower und bedeutet damit einen erhöhten Kostenaufwand.

1.6 Mehrkanalabsatz 

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• Es besteht die Gefahr der Beeinträchtigung der Produktimages durch Irritation auf Endabnehmerseite über das Angebotsprofil. Dies resultiert etwa aus der Wahrnehmung der Produktpräsentation in unterschiedlichen Umfeldern. • Auch kommt es zu unvermeidlichen Querelen zwischen den Absatzkanälen („Futterneid“). Denn jeder Kauf kann an einem Ort zu einer Zeit nur einmal getätigt werden, und zwar in einer Geschäftsstätte des einen oder aber des anderen Absatzkanals. Die Vor- und Nachteile des Parallelabsatzes aus Händlersicht sind, wenn denn eine Absatzmittlerstufe zwischengeschaltet ist, die Folgenden. Zunächst zu den Vorteilen: • Der einzelne distribuierte Händler erhält Zugang zu Produkten, die ihm bei eingleisiger Distribution nicht unbedingt zugänglich wären. Insofern ist es besser, parallel mit anderen distribuiert zu werden als gar nicht. • Der einzelne distribuierte Händler hat Vorteile gegenüber den nicht belieferten Absatzstellen des eigenen Absatzkanals. Denn der schärfste Konkurrent des einzelnen Händlers ist der gleichartige Händler um die Ecke. • Dynamische Betriebsformen des Handels können ihre systemimmanenten Absatzkanalvorteile einsetzen und nutzen. Durch ihre Einbeziehung können sie ihr überlegenes Know-how auch für diese Produktgruppe kapitalisieren. • Es besteht eine hohe Akquisitionschance bei Absatzkanalwechslern. Diese werden erfreut reagieren, wenn sie feststellen, dass von ihnen präferierte Produkte auch in diesem anderen Absatzkanal erhältlich sind. Folgende Nachteile sind zu nennen: • Die insgesamt erhöhte Erhältlichkeit auf der Endabnehmerstufe führt zu verschärften Wettbewerbsbedingungen. Denn die Auswahl der Nachfrager hinsichtlich ihrer Geschäftsstättenwahl erhöht sich, und die händlerindividuelle Chance, gewählt zu werden, verringert sich. • Der Händler erfährt nur geteilte Zuwendung durch den Hersteller infolge der gesplitteten Absatzaktivitäten. Insofern kommt zur Konkurrenz innerhalb des eigenen Absatzkanals noch die Konkurrenz von Betrieben in anderen Absatzkanälen. • Ein komparativ leistungsunterlegener Absatzkanal erfährt bei Endabnehmern eine objektive Benachteiligung. Darunter haben sogar die leistungsfähigen Händler innerhalb dieses Kanals zu leiden. • Die Nachfragemacht gegenüber Herstellern ist eher eingeschränkt. Diesen bleibt immer noch die Alternative des Ausweichens, bevor sie sich gezwungen sehen, den Forderungen von Händlern nachzugeben.

66

1. Die Gestaltung des Absatzkanals 

Außer der vollständig parallelen Distribution kann in einzelnen Absatzkanälen auch nur ein Teil des gesamten Angebots distribuiert werden (partiell parallele Distribution), ein oder mehrere Absatzkanäle sind also eine / mehrere Teilmenge(n) eines oder mehrerer anderer Absatzkanäle. Dann besteht eine interne Konkurrenzsituation nur hinsichtlich dieser in beiden / allen Kanälen verfügbaren Angebote. Die Konkurrenzintensität ist damit also gemindert. Ein Beispiel ist der Süßwarenhersteller Ferrero, der ausgewählte Produkte neben dem traditionellen LEH auch bei Discountern distribuiert. Ein paralleler Mehrkanalabsatz findet sich bei Tchibo, mit den Kanälen Filialen, Direct mailings, M-Commerce, T-Commerce, TV-Spots, Katalog, Website, Bäckereien, Depots im LEH. Eine weiteres Beispiel ist Bree (Taschen / Gepäck) mit Online-Shops, Herstellerfilialen, Factory outlet stores, Franchise-Betrieben und Shop in the shop-Systemen. Nivea (pflegende Kosmetik) wird in Drogerien, Drogeriemärkten, Flagship stores und im Lebensmittelhandel distribuiert.

1.6.4 Gesplitteter Absatz 1.6.4.1 Konzept Der gesplittete Absatz ist eine Weiterentwicklung des parallelen Absatzes. Auch dabei werden zwei oder mehr Absatzkanäle bedient, zusätzlich werden dort jedoch jeweils voneinander abweichende Konzepte gefahren. Die gesplittete Distribution geht davon aus, dass horizontale Konflikte zwischen Absatzkanälen dadurch vermindert werden können, dass nicht alle Kanäle auf dieselbe(n) Nachfrage / Budgets zugreifen, sondern die Absatzkanäle in Bezug auf die Kaufkraft gespreizt werden. Dazu bestehen zwei Ansatzpunkte als Schnittmenge und Leermenge. Werden die Absatzkanäle derart gespreizt, dass in jedem Absatzkanal sowohl Angebote realisiert werden, die auch in anderen Absatzkanälen verfügbar sind, als auch solche, die nur absatzkanalexklusiv verfügbar sind, handelt es sich um eine partiell gesplittete Distribution. Dann beziehen sich Konflikte nur auf den, mehr oder minder großen Anteil des Programms, der in zwei oder mehr Kanälen gleichermaßen verfügbar ist, nicht jedoch auf den Teil, der nur in einzelnen Kanälen verfügbar ist. Denn Absätze dort wären in anderen Kanälen mangels Verfügbarkeit gar nicht möglich gewesen. Die Konkurrenzintensität wird damit weiter gemindert. Angebote können auf die Absatzkanäle aber auch derart aufgeteilt werden, dass jeder Absatzkanal exklusiv nur bestimmte von ihnen anbieten kann und keine Überlappungen vorhanden sind (vollständig gesplittete Distribution). Vorausgesetzt, es gibt keine Verbundbeziehungen zwischen den Aktivitäten, kann angenommen werden, dass beide / alle Absatzkanäle auf unterschiedliche Nachfrager / Budgets zugreifen, sie also kaum in nennenswerter Konkurrenz zueinander stehen.

1.6 Mehrkanalabsatz 

67

Dadurch kann vor allem der Hauptnachteil des Parallelabsatzes, nämlich die unvermeidliche Konkurrenz der distribuierten Absatzkanäle um im Prinzip gleiche Kunden als Intrabrand competition, vermindert werden. Zugleich kann auf die spezifischen Anforderungen der im jeweiligen Absatzkanal nachfragenden Kunden durch den dort jeweils angebotenen eigenen Aktivitätsausschnitt besser eingegangen werden. Dafür vermindert sich für Hersteller wie Händler die Marktausschöpfung, und es kommt zu einer Komplizierung des Distributionsdesigns beim Hersteller. Zu den Vorteilen des gesplitteten Absatzes aus Herstellersicht zählen folgende: • Die Bedienung unterschiedlicher Abnehmersegmente im von ihnen jeweils präferierten Absatzkanal und mit einen speziellen Aktivitätsausschnitt ist möglich. Dies bewirkt eine bessere Ausschöpfung des Marktpotenzials. • Es besteht ein Kostensenkungspotenzial durch gezieltere Distribution in die präferierten Kaufstätten der jeweiligen Zielgruppe hinein. • Auf diese Weise ist die Erschließung eines größeren Absatzmittlernetzes möglich, da die Intrabrand competition gemindert wird. • Durch das spezielle Angebot kann den unterschiedlichen Bedürfnissen der Kunden besser entsprochen und damit der Kundennutzen gesteigert werden. • Die kaufverhaltensrelevant gesammelten Informationen lassen sich absatzkanalübergreifend zusammenführen und für neue kundengerechte Absatzkonzepte nutzen. • Die Abhängigkeit von einzelnen Kundengruppen / Absatzmittlern und die daraus folgende Nachfragemacht lassen sich mindern. Zu den Nachteilen aus Herstellersicht gehören folgende: • Es besteht die Gefahr der Endabnehmerirritation/-frustration durch unterschiedliche Angebotsstrukturen und -zusammensetzungen der verschiedenen Absatzkanäle. • Ein erhöhter Aufwand (Komplexität) für die Marketing-Kommunikation gegenüber Endabnehmern und distribuierten Absatzmittlern entsteht. • Ein unvermeidlich uneinheitlicher Markenauftritt in verschiedenen Absatzkanälen führt zur Verwirrung und Überforderung der Nachfrager. • Mit zunehmender Zahl der Absatzkanäle kann der Anbieter deren jeweilig abweichenden Anforderungen nicht mehr in geeigneter Weise gerecht werden. • Für den Aufbau eines neuen Absatzkanals entstehen hohe Implementierungskosten, deren Wirtschaftlichkeit latent gefährdet ist. • Mehrfach belieferte Absatzkanäle führen zur Konkurrenz der dort beteiligten Absatzmittler untereinander und münden womöglich in Konflikten.

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals 

Die Vorteile und Nachteile aus Händlersicht, wenn denn eine Absatzmittlerstufe zwischengeschaltet ist, sind die Folgenden. Zunächst zu den Vorteilen: • Der einzelne distribuierte Händler erhält Zugang zu Absatzchancen, die ihm bei eingleisiger Distribution womöglich nicht zugänglich wären. • Er hat zudem komparative Vorteile gegenüber nicht distribuierten Absatzstellen anderer Absatzkanäle. Auch dies verschafft ihm einen Marktvorsprung. • Dynamische Betriebsformen des Handels können ihre systemimmanenten Vorteile einsetzen und nutzen und somit zumindest in Bezug auf den distribuierten Angebotsausschnitt profitieren. • Es besteht eine hohe Akquisitionschance für Absatzkanalwechsler aufgrund des differenzierten Angebots in den einzelnen Kanälen. Zu den Nachteilen gehören dann folgende: • Die insgesamt höhere Erhältlichkeit auf der Endabnehmerstufe führt zu verschärftem Wettbewerb der distribuierten Absatzstellen untereinander. • Der einzelne Händler erfährt bei begrenzten Ressourcen nur eine reduzierte Zuwendung durch den Hersteller i. S. d. Vorverkaufsunterstützung. • Ein komparativ leistungsunterlegener Absatzkanal wird objektiv am Markt benachteiligt, da er in Konkurrenz zu leistungsüberlegenen anderen Absatzkanälen steht. • Die Nachfragemacht gegenüber Herstellern bleibt eingeschränkt, da sich die Lieferanteile auf verschiedene Akteure verteilen. Im Kosmetikkonzern L’Oréal erfolgt der Mehrkanalabsatz über Parfümerien und Dutyfree-Shops mit den Produktlinien Lancôme, Biotherm, Helena Rubinstein etc., über den Lebensmitteleinzelhandel mit den Produktlinien L’Oréal de Paris, Garnier und über Frisörsalons mit der Produktlinie L’Oréal Professional. Der Büroartikelhersteller Herlitz vertreibt seine Produkte über Postfilialen / ​ -agenturen und McPaper & Co, über Rack jobber-Systeme in Warenhäusern, über Präsentationssysteme in Fachmärkten wie Staples, über den Quelle-Versand (Schreibwaren) und über Tankstellen (Glückwunschkarten). Zu entscheiden ist nunmehr, nach welchen Kriterien der Absatzkanal-Split vorgenommen werden soll. Dafür kommen, neben den bereits betrachteten Produkten/-gruppen vier in Betracht: Produkte, Kundenwerte, Abnehmerbranchen und Absatzgebiete.

69

1.6 Mehrkanalabsatz 

1.6.4.2 Anlage nach Produkten

parallel gesplittet

Distribution

Programmabdeckungen partiell

vollständig

partiell parallele Distribution, d. h., das Absatzprogramm in einzelnen Kanälen ist Teil des Absatzprogramms anderer Kanäle partiell gesplittete Distribution, d. h., die Absatzprogramme der Kanäle sind unterschiedlich, überschneiden sich aber teilweise

vollständig parallele Distribution, d. h., die Absatzprogramme sind in allen Kanälen identisch vollständig gesplittete Distribution, d. h., die Absatzprogramme sind in allen Kanälen komplett unterschiedlich

Abbildung 16: Einteilung der Multi channel distribution (MCD)

Nach dem in den Absatzkanälen vertriebenen Programm gibt es folgende Einteilungen: • identisches Programm in den distribuierten Absatzkanälen als vollständig parallele Distribution, d. h., die Absatzprogramme sind in allen Kanälen gleich, • teilweise identisches Programm in den distribuierten Absatzkanälen als partiell parallele Distribution, d. h., das Absatzprogramm in einzelnen Kanälen ist Teil des Absatzprogramms in anderen Kanälen, • anteilig überschneidendes Programm in den distribuierten Absatzkanälen als partiell gesplittete Distribution, d. h., die Absatzprogramme der Kanäle sind unterschiedlich, Überschneidungen sind aber teilweise vorhanden, • komplett unterschiedliches Programm in den distribuierten Absatzkanälen als vollständig gesplittete Distribution, d. h., die Absatzprogramme sind in allen Kanälen komplett unterschiedlich (siehe Abb. 16: Einteilung der Multi channel distribution (MCD)). Denkbar ist dabei weiterhin eine Einteilung dahingehend, ob Abnehmer selbst bestimmen können, welche Produkte sie in den diese distribuierenden Absatzkanälen erstehen oder ob dies nicht der Fall ist. Im Falle fehlender Zugriffsbeschränkung kann sich dies nur auf den parallelen oder teilweise gesplitteten Vertrieb beziehen, im Falle der Zugriffsbeschränkung auf den total gesplitteten Vertrieb. Die Fremdzuordnung der Nachfrager zu bestimmten Absatzkanälen hat aufgrund systematischer Erwägungen zu erfolgen. Dafür bieten sich solche der Marktseg-

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals 

mentierung an, wie u. a. demografische, geografische, psychografische und aktiografische Kriterien. Dabei wird von temporären Multi channel-Aktivitäten abgesehen wie Bahnfahrkarten zum Verkauf bei Lidl, ehemals Air Berlin-Tickets bei Penny oder Deutsche BA-Tickets bei Aldi. 1.6.4.3 Anlage nach Kundenwerten Ein Mehrkanalabsatz nach Kundenwert bedeutet, dass alle Produkte in allen Absatzgebieten nach allen Branchen, aber differenziert nach dem Kundenwert der jeweiligen Abnehmer distribuiert werden. Dabei kann seitens dieser Abnehmer eine Selbstwahl oder eine Fremdwahl angewendet werden. Ersteres bedeutet, dass Kunden sich selbst einem Absatzkanal zuordnen, letzteres bedeutet, dass sie durch den Hersteller einem Absatzkanal zugeordnet werden, also Zugriffsbeschränkungen bestehen. Hinsichtlich der Selbstwahl ist vom Anreiz-Beitrags-System zur Präferenzbildung auszugehen, d. h., die Wahl erfolgt nach dem empfundenen Übergewicht von Anreizen durch z. B. Preisvorteil, Bequemlichkeit, Individualität oder Beiträgen durch z. B. Eigenleistungsanteil, Informationsaufwand, Erreichbarkeit. Die Möglichkeit gemäß individueller Präferenz schränkt jedoch die Vertriebssteuerung ein. Insofern wird verbreitet eine Fremdwahl bevorzugt. Ein Beispiel dafür ist der autorisierte (indirekte) Vertrieb. Dabei stimmt ein Hersteller mit der Großhandelsstufe ab, welche Einzelhändler unmittelbar vom und welche nur mittelbar durch den Hersteller bedient werden sollen. Dazu wird zunächst mit den beteiligten Geschäftspartnern eine unverbindliche Absichtserklärung geschlossen, wonach sich der Hersteller verpflichtet, nur noch mit ausgewählten Großhändlern zusammen zu arbeiten, während diese sich ihrerseits verpflichten, nur ausgewählte Einzelhändler zu beliefern. Zu deren Auswahl werden objektive Kriterien definiert wie Standort, Serviceumfang, Ausstattung etc. Großhändler, die ein Mindestabsatzpotenzial entsprechender Einzelhändler nachweisen, qualifizieren sich für einen Vertrag. Die dabei angeführten Einzelhändler sind ab sofort tabu für die Herstellerakquisition. Gleichzeitig darf der Großhändler keine anderen Einzelhändler als die benannten mit der Herstellerware beliefern. Die Einzelhändler verpflichten sich ihrerseits, die Vertragsware ausschließlich bei ihrem Großhändler zu beziehen, deren Endabsatz nach Kräften zu fördern und Querlieferungen zu unterlassen. Dafür erhalten sie vom Hersteller über den Großhandel Absatzförderungsunterstützungen. Problematisch ist die Zuordnung von Einzelhändlern, die vordem die Vertragsware bei mehreren Großhändlern bezogen haben. Praktisch bedeutet dies, dass Großhändler Anträge von Einzelhändlern mit gutem Absatzpotenzial abgeben, für die ein Händlerprofil eingereicht wird, worauf die Einzelhändler einen Zulassungs- und Verpflichtungsschein erhalten (Inhalt u. a.: Bezug nur beim Großhändler, Absatz nach besten Kräften unterstützen, nur an private Endverbraucher liefern). Die Großhändler verpflichten sich, nur bei zu-

1.6 Mehrkanalabsatz 

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gelassenen Einzelhändlern zu akquirieren und keine anderen Abnehmer zu beliefern bzw. an diese weiter zu veräußern, den Absatz nach Kräften zu unterstützen, Kunden zu pflegen etc. Einzelhändler, die nicht gut betreut werden, können dabei einem anderen Großhändler zugeschlagen werden. Über Verkäufe wird Buch geführt. Bei Vereinbarungserfüllung gibt es einen Bonus, bei Untererfüllung läuft der Vertrag aus. Spezifische Vorteile der konkreten Anlage nach Kundenwert aus Herstellersicht sind folgende: • Aus gewöhnlichen Großhändlern werden starke Partner, die abgesichert in Aufund Ausbau ihres eigenen Distributionsnetzes investieren können, weil sie nicht fürchten müssen, dass in Bezug auf die Herstellerware andere Großhändler oder der Hersteller selbst von ihnen aufgebaute und betreute Kunden abwerben. Durch die Übersichtlichkeit des Absatzkanals können Querlieferungen und Preisschleu­ derei vermieden werden, so dass das Vermarktungskonzept weitgehend frei von Störungen umsetzbar ist. Insgesamt kann eine breite Marktabdeckung gesichert werden, die von ausgewählten Partnern noch unterstützt wird. Wichtige Nachteile aus Herstellersicht sind folgende: • Die Implementierung des Systems ist nicht ohne Tücken, denn zunächst geht der Umsatz der nicht mehr belieferten Groß- und Einzelhändler sofort verloren, ohne dass Gewissheit besteht, ob bzw. wann ein Ausgleich dazu stattfindet. Die Starrheit des Systems, die allen Beteiligten willkommene Sicherheit bietet, behindert ein angemessenes Eingehen auf aktuelle Marktentwicklungen, so können etwa rasch wachsende Einzelhandelsbetriebe nicht mehr einstufig indirekt beliefert werden, sondern gehören zum Interessenfeld des betreffenden Großhändlers. Die volle Einhaltung und strikte Anwendung der Regelungen, die Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit ist, schafft einen latenten Konflikt zur Wettbewerbsgesetzgebung. Insofern ist auch keine Gewährleistung von Preisdisziplin gegeben. Allgemeine Vorteile der Anlage nach Kundenwert sind folgende: • Vertrautheit mit den spezifischen Problemen und Bedarfen der Kunden(-gruppen) ist gegeben, eine gezielte Bearbeitung einzelner Kunden/-gruppen durch spezialisierte Absatzmethoden und Verkaufstechniken ist möglich, Berücksichtigung der Bedeutung der einzelnen Kunden / -gruppen bei der Allokation der Absatzaktivitäten, schnelle und flexible Reaktion auf Marktveränderungen und Nachfrage­trends, Unterstützung des Cross selling, da der Kunde alle Leistungen aus einer Hand erhält, die Mitarbeiter des Anbieters werden zu vertrauten Ansprechpartnern. Dem stehen folgende Nachteile gegenüber: • Hohe Kosten durch Multiplizierung aller Vertriebsanstrengungen, hoher Koordinationsaufwand bei der Führung der Mitarbeiter und der Wahrnehmung kun-

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals 

den(gruppen-)übergreifender zentraler Absatzaktivitäten, dies setzt eine tragfähige Marktsegmentierung voraus, die häufig nur schwer implementierbar ist. Problematisch ist dabei jedoch die Ermittlung des zugrunde gelegten Kundenwerts. Denkbar sind Größen wie Umsatz, Absatz, Deckungsbeitrag oder Gewinn. Hinzu kommt die Zeitperspektive bei dynamischer Betrachtung, die angezeigt ist. Außerdem ist fraglich, wer im Einzelfall „Kunde“ ist, etwa die Konzernzentrale oder eine bestellende Dependance (s. u.). 1.6.4.4 Anlage nach Abnehmerbranchen Absatzkanäle

identisch

Abnehmerbranchen

Teilmenge

Absatzkanäle

überlappend

Abnehmerbranchen

gespreizt

Abbildung 17: MCD-Anlage nach Abnehmerbranchen

Der Mehrkanalabsatz nach Abnehmerbranche differenziert nur nach dieser, gilt ansonsten aber für alle Produkte, Absatzgebiete und Kundenwerte. Dabei ergibt sich eine prinzipielle Einteilung nach Privatkundengeschäft (B-t-c) und Firmenkundengeschäft (B-t-b). Hinsichtlich des Privatkundengeschäfts werden die Nachfrager anhand geeigneter demografischer, aktiografischer, psychologischer, soziologischer, neuroökonomischer oder typologischer Kriterien segmentiert und durch verschiedene Absatzkanäle bedient. Dabei können in Bezug auf diese Absatzkanäle Zugriffsbeschränkungen bestehen oder nicht, d. h., die Nachfrager werden vom Hersteller den Absatzkanälen zugeordnet oder ordnen sich diesen selbst zu (siehe Abb. 17: MCD-Anlage nach Abnehmerbranchen). Gleiches gilt im Firmenkundengeschäft, wobei sich dafür spezifische Betriebsformen herausgebildet haben. Zu denken ist vor allem an folgende. Der rechtlich

1.6 Mehrkanalabsatz 

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und wirtschaftlich selbstständige Produktionsverbindungs-(PVH)Großhandel handelt mit Investitions- und Produktionsgütern, die an Gewerbetreibende als Endabnehmer oder Weiterverarbeiter sowie gewerbliche, ausnahmsweise auch große private, Endabnehmer verkauft werden. Der PVH beschafft schwerpunktmäßig Güter, um sie unverändert bzw. nach handelsüblicher Manipulation an Organisationen weiter zu veräußern, die damit ihrerseits Güter für die Fremdbedarfsdeckung erstellen. Man unterscheidet den: • Produktorientierten PVH für Massengüter (Massenguthandel / Bulk products) oder aber Spezialitäten (Spezialitätenhandel / Specialities), Bei Massengütern handelt es sich entweder um Rohstoffe ohne wesentlich Be- oder Verarbeitung oder um normierte Produkte (Commodities). Der Handel ist durch weitgehend standardisierte Geschäftsprozesse gekennzeichnet, der Preis spielt dabei eine dominante Rolle. • Herstellerorientierten PVH, der rechtlich selbstständig, aber wirtschaftlich konzerngebunden in Werkshandelsgesellschaften agiert, oft mit zugekaufter Handelsware als Original equipment manufacturer (OEM). Eine weitere Form sind konzerneigene Werksverkaufs-/-handelsgesellschaften (direkt / indirekt). Diese sind zwar rechtlich selbstständig, aber wirtschaftlich unselbstständig (konzerngebunden) tätig und übernehmen die Funktionen ansonsten selbstständiger Absatzmittler als Andienungsstelle für konzernintern erstellte Leistungen, ggf. plus zugekaufter, fremderstellter Handelsware. Letztlich lohnt dies, sofern hierarchisierte Transaktionen vorteilhafter sind als solche über die Marktmechanik (Transaktionskostenbetrachtung). • Länderorientierten PVH meist nach Ländergruppen oder Regionen ausgerichtet. Dies ist naturgemäß beim Außenhandel von Bedeutung. Der länderorientierte PVH kann sich im Inland auf bestimmte Auslandsmärkte kaprizieren oder im Ausland auf bestimmte Bezugsgebiete. Dies hängt mit Markttransparenz und Erfahrung in diesen Gebieten zusammen, die willkommene Sicherheit bei ansonsten risikobeladenem Außenhandel bietet. • Verwenderorientierten PVH nach Branchen oder Anwenderproblemen ausgerichtet zur Lösung abwicklungs- oder beschaffungstechnischer Probleme. Der Handwerks-Großhandel erfüllt den Kleinbedarf des Handwerks, das handelsnahe Funktionen in Verbindung mit Herstellung oder Werkvertrag erfüllt. Zum Ladenhandwerk gehören etwa Bäcker, Konditoren, Fleischer, Optiker, Uhrmacher, Augenoptiker, Goldschmiede, Friseure etc., zum Verrichtungshandwerk gehören etwa Elektriker, Fliesenleger, Kfz-Mechaniker etc. Allgemeine Vorteile der Anlage nach Verwenderbranchen sind folgende: • Hohe Effizienz durch Spezialisierungsmöglichkeit in der Organisation, Einsatz spezifischer Absatzmethoden und Verkaufstechniken, fokussierte Ausbildung der Mitarbeiter im Vertrieb mit hoher Motivation durch ihren Expertenstatus, gute Kommunikations- und Informationsbedingungen zwischen allen Unternehmensfunktionen innerhalb einer Sparte.

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals 

Dem stehen folgende Nachteile gegenüber: • Komplexitätssteigerung mit hohen Kosten durch Multiplizierung der Absatzanstrengungen, hohe Kosten im Verkauf, Irritation und Frustration der Abnehmer aufgrund der parallelen Betreuung, hoher Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern, aufwändige Steuerung übergreifender Absatzaktivitäten. 1.6.4.5 Anlage nach Absatzgebieten Absatzkanäle

national

Absatzgebiete

transnational

Absatzkanäle

supranational

Absatzgebiete

Abbildung 18: MCD-Anlage nach Absatzgebieten

Ein Mehrkanalabsatz kann sich auch an Absatzgebieten orientieren. Dabei wird nur nach diesen differenziert, nicht aber nach Produkten, Kundenwerten und Branchen. Dafür bietet sich eine Einteilung nach landesspezifisch tätigen Absatzkanälen intranational, ländergruppenallgemeinen Absatzkanälen transnational und länderübergreifenden Absatzkanälen supranational an (siehe Abb. 18: MCD-Anlage nach Absatzgebieten). Problematisch ist hierbei, an welchem Standort sich das Absatzgebiet orientiert, z. B. am Standort der Konzernzentrale oder an dem der betreffenden Dependance. Ebenso können im Zuge einer Internationalisierung von Abnehmern Absatzkanaldivergenzen entstehen. Die Anlage nach Absatzgebieten kann in mehreren Abstufungen erfolgen: • Eine lokale Anlage unterscheidet nach einzelnen Standorten, dies ist wichtig hinsichtlich der physischen Erreichbarkeit des Angebots, etwa bei Dienstleistungen in Abhängigkeit von der Passatenfrequenz oder Kaufintensität.

1.6 Mehrkanalabsatz 

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• Eine nationale Anlage unterscheidet meist in kaufkraftstarke und -schwache Gebiete, typischerweise also städtische und ländliche. Die Distribution in ersteren lohnt häufig mehr (z. B. für Waren des gehobenen Bedarfs). • Ein internationale Anlage unterscheidet nach grenzüberschreitenden Absatzgebieten. Dabei kann es sich um einzelne ausländische Märkte, honogene Ländermarktgruppen oder eine globale Dimension handeln. Allgemeine Vorteile der Anlage nach Absatzgebieten sind folgende: • Intensive, überschneidungsfreie Bearbeitung der Märkte, hohe Effizienz im Vertrieb, Schulung der Mitarbeiter im Hinblick auf regionale Besonderheiten, Motivationseffekt durch eindeutige Aufgaben- und Ergebniszuordnung, geringer Koordinationsaufwand und gute Ergebniskontrolle im Management, Unterstützung von Cross selling. Dem stehen folgende Nachteile gegenüber: • Hohe Anforderungen an Mitarbeiter, erschwerte Durchsetzung einer an überge­ ordneten Zielen orientierten, einheitlichen Absatzpolitik, Mentalitätsunterschiede erschweren die Marktbearbeitung, Abstimmungsprobleme bei Abnehmern mit mehreren Standorten. Zumindest denkbar, wenngleich praktisch nicht unbedingt empfehlenswert, sind auch Kombinationen der genannten Anlagen, also eine mehrfache Zuordnung nach Produkt und Kundenwert, Produkt und Absatzgebiet, Produkt und Branche, Produkt, Kundenwert und Absatzgebiet, Produkt, Absatzgebiet und Branche sowie Produkt, Kundenwert, Absatzgebiet und Branche. Zusammenfassend liegen die Vorteile der Multi channel distribution in Folgendem: • Es können neue Zielgruppen erreicht werden. Es wird eine größere Kundennähe realisierbar. Der Share of customer erhöht sich. Auch stark fragmentierte Märkte können gut bedient werden. Es entstehen Wettbewerbsvorteile. Und die Absatzbasis kann gesichert werden. Es werden zusätzliche Kontaktpunkte (Customer touch points) geschaffen. Die Abhängigkeit vom einzelnen Absatzkanal sinkt. Die Dialogfähigkeit des Anbieters steigt. Es kommt zu einem internen Risikoausgleich. Dem stehen folgende allgemeine Nachteile gegenüber: • Es kann zu Kannibalisierungseffekten kommen. Evtl. wird die kritische Masse je Absatzkanal nicht erreicht. Zugleich entsteht ein hohes Maß an Komplexität. Dieses erfordert einen hohen Abstimmungsaufwand. Es kann zur Kundenverwirrtheit durch heterogene Auftritte kommen. Es entstehen horizontale Machtkonflikte um die Handelsspanne. Vor allem gibt es Konflikte zwischen alten und neu hinzukommenden Kanälen als Wahrnehmungs-, Rücksichtslosigkeits-, Verteilungskonflikte.

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals 

1.6.5 Cross channel distribution Die Cross channel-Distribution befasst sich mit der Aufteilung des Absatzkanals auf bestimmte Teilaufgaben in der Distribution. Dabei kann zwischen Interaktionsaufgaben und Transaktionsaufgaben unterschieden werden. Erstere beziehen sich auf die Kommunikation zwischen Lieferant und Abnehmer. Hierfür stehen unterschiedliche Kanäle bereit, die es nach Inhalt, Form, Zeit und Raum aufeinander abzustimmen gilt. Dies ist primär Aufgabe der Kommunikationspolitik. Letztere beziehen sich auf den Übergang von Sachleistungen (und Geldleistungen) zwischen Lieferant und Abnehmer. Dies ist primär eine Aufgabe der Distributionspolitik. Die Phasen der Distribution und damit die Aufgaben können wie folgt rubriziert werden: • Vorverkaufsphase zur Interessentenauswahl und Kundenakquisition, • Nachverkaufsphase für Beziehungsaufbau, Produktwerterhöhung, Produktanzahlerhöhung, Referenzierung und Weiterempfehlung, Informations- und Integrationsnutzen, Kundenrevitalisierung, Kundenreaktivierung, Kundenausgrenzung, Kündigungsprävention, Kundenrückgewinnung. Dafür stehen reale und virtuelle Absatzkanäle zur Verfügung. Daraus kann jeder Phase der Distribution ein Absatzkanal zugeordnet werden. Diese Zuordnung kann dabei in Bezug auf den Absatzkanal disjunkt oder überlappend erfolgen. Disjunkt bedeutet, dass je Absatzkanal genau eine Distributionsaufgabe zugeordnet wird. Partiell überlappend bedeutet, dass ein Absatzkanal zwei oder mehr Distributionsaufgaben übernimmt bzw. eine Distributionsaufgabe durch zwei oder mehr Absatzkanäle übernommen wird. Komplett überlappend bedeutet, dass mehrere Absatzkanäle mehrere Distributionsaufgaben übernehmen. Insb. können die Absatzkanäle dabei in Bezug auf Offline, real direkt, real indirekt, oder Online, virtuell, unterschieden werden und die Distributionsaufgaben in Bezug auf die Vorkaufphase („Recruitment“) oder Nachkaufphase („Retention“, „Reinforcement“, „Recovery“). Je nach Zuordnung von Distributionsaufgabe und Absatzkanal kann somit ein individuelles Cross channel-Marketingprofil erzeugt werden.

1.7 Absatzmethode Zur Absatzmethode gehören, nicht ganz überschneidungsfrei neben dem bereits dargestellten Absatzweg nullstufig direkt, einstufig indirekt, zweistufig indirekt und mehrstufig indirekt, das Vertriebssystem (1.7.1), zentral, dezentral oder ausgegliedert, sowie die Absatzform (1.7.2), eigen-, fremd- oder gebundengestaltet.

1.7 Absatzmethode

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1.7.1 Vertriebssystem Beim Vertriebssystem kann man eine zentrale, dezentrale oder ausgegliederte Gestaltung unterscheiden. Beim zentralen Vertriebssystem findet der Absatz über das Top-Management oder die eigene Marketingabteilung / Innenverkauf statt. Alle Absatzfunktionen werden zentral initiiert, durchgeführt und koordiniert. Dieses System impliziert eine relativ große Marktferne und ist daher vor allem in Branchen zu finden, in denen sich die Marketingdenkhaltung vielfach noch nicht massiv durchgesetzt hat, so etwa bei Investitionsgütern. Beim dezentralen Vertriebssystem findet der Absatz über unternehmenseigene Absatzstellen statt. Dabei kann es sich um mehrere Systeme handeln: • Niederlassungen (Zweigstellen) verfügen über einen eigenen Erfüllungsort und Gerichtsstand (z. B. Mercedes-Benz). Sie handeln damit in eigenem Namen. • Filialen teilen sich den Erfüllungsort und Gerichtsstand mit der Zentrale, z. B. WMF, Nordsee, Hush Puppies, Rodier, Rosenthal, Betty Barclay, Salamander, Bally, Bijou Brigitte. Der Unterschied zur Zentrale ist, dass beide Formen über kein eigenes Vermögen verfügen. Niederlassungen / Filialen akquirieren Aufträge eigenständig, organisieren deren Abwicklung und sorgen auch für eine entsprechende Nachbereitung. Durch die räumliche Ausgliederung kann meist marktnäher agiert werden, zumal wenn andere Spezialisierungen hinzukommen. Niederlassungen und Filialen können vielfache, besondere Ausprägungen haben, so vor allem die Nachfolgenden. Flagship stores / Brand stores dienen als Demonstrationsläden / Filialen des Herstellers. Sie sind in markenadäquaten Lagen (meist hochwertig, 1a-Lage) lokalisiert, führen nur die Produkte des betreffenden Herstellers und sind häufig zusätzlich durch Gastronomiebetriebe, Büroflächen etc. abgesichert. Sie dienen der Emotionalisierung des Markenerlebnisses, dem Aufbau von Käuferbindung und auch Marktforschungszwecken, der Verkauf ist nachgeordnet. Mittelfristig kann darin aber eine neue Direktvertriebsschiene liegen, um vom Handel unabhängiger zu werden. Allerdings verursachen sie auch hohe Kosten bei geringen Umsätzen. Beispiele für Flagship stores sind Nike Town, Apple, Tiffany, Prada (alle New York). Beispiele für Brand stores in Deutschland sind Nescafé-Shop, Ferrero NutellaBar, Chiquita Fruit Bar, Frosta Bistro, Dr.Oetker Pizzeria, Maggi KochstudiosTreff, Milram’s Milk & More oder Nivea-Haus. Factory outlets sind Verkaufsstellen, ursprünglich nur am Ort der Herstellung und für Mitarbeiter, die während bestimmter Öffnungszeiten ausgewählte Sortimente, z. B. II. Wahl oder Auslaufartikel, für das Publikum anbieten. Dies führt im Ergebnis zu einer Verstopfung der Pipeline und zur Substitution von Handelsabsätzen. Sie sind aus Fabrikläden als Verkaufsstellen für Betriebsangehörige meist

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals 

unmittelbar am Ort der Produktionsstätte entstanden. Das Sortiment besteht meist überwiegend aus Bekleidung, also Schuhe, Sportartikel, Hausrat, Lederwaren etc., die Artikel stammen aus Produktionsüberhängen / Overrun, Auslaufmodellen /  Dis­continued, Vorjahresmodellen / Past season, irregulärer Ware / Factory second, Musterprodukten oder speziell für FOs produzierter Ware. Die Preissetzung ist aggressiv. Kunden sind meist jüngere Personen mit hohem Preis- und Marken­ bewusstsein als Smart shopper, die im Einzugsgebiet von ca. zwei Autofahrstunden wohnen, sich ca. drei Stunden dort aufhalten und ca. 100 € pro Kopf ausgeben. Eine berühmt-berüchtigte Ballung von Fabrikverkaufsstellen gibt es in Metzingen: Hugo Boss, Bally, Escada, Joop, Tommy Hilfinger, Schiesser, Strenesse und Uhlsport (aktuell teilweise in Insolvenz in Eigenregie). Demonstrationsläden sind repräsentative Geschäftslokale in hoch frequentierten Lagen, in denen die Produkte des Herstellers vorgeführt und beraten werden. Dadurch wird der Kontakt zu den eigenen Produkten intensiviert, der sich in Käufen im Handel konkretisiert. Das heißt, dort findet kein Absatzvollzug statt, sondern nur die Absatzvorbereitung. Beim ausgegliederten Vertriebssystem findet der Absatz über rechtlich getrennte Absatzorgane statt. Zu nennen sind verschiedene Systeme, vor allem die Folgenden. Bei Hausbesuchen kontaktieren, meist hauptberufliche, Repräsentanten Haushalte im Door to door selling-System und bieten dort ihre Waren an. Dabei kann es sich um vorselektierte (heiße) Adressen handelt, die der Hersteller zur Verfügung stellt und die dementsprechend größere Erfolgschancen bieten, z. B. Vorwerk, Haka, Avon, Felicitas, oder um wahllos aufgesuchte Haushalte als kalte Adressen, deren Erfolgschancen eng begrenzt sind, z. B. Abonnentenwerbung der Printverlage. Zudem sind rechtliche Beschränkungen im Vertragsabschluss zu beachten für Haustürgeschäfte. Die Vertreter führen meist einen kleinen Warenvorrat als Handlager mit sich, sind mit Werbemitteln versehen, leisten Beratung, nehmen Aufträge entgegen und führen das Inkasso sowie die Reklamationsabwicklung durch. Dadurch sind Anschlusskäufe wie Zubehör und markentreue Folgekäufe wahrscheinlich. Allerdings leidet dieser Absatzweg unter dem schlechten Image vieler unseriöser Geschäftemacher. Bei Home parties veranstaltet ein nebenberuflicher Repräsentant für Personen seines sozialen Umfelds in seiner Wohnung ein gemütliches Treffen mit anregender Präsentation und informellem Verkauf von Waren. Dabei wird auf professionelle Vorbereitung großer Wert gelegt, z. B. Tupperware, Amway, Pierre Lang, Jafra, Mary Kay, AMC. Der Verkauf erfolgt eher beiläufig, auf Basis der Sympathie und Authentizität von Bezugspersonen, also fernab jedes Hard selling in der entspannten Heimatmosphäre. Auf Schulungen erfahren die Handelnden, wie sie taktisch geschickt eine verkaufsfördernde Stimmung schaffen, das Gespräch unauffällig in Richtung des vertretenen Produkts lenken, überzeugend argumentieren und nachhaken.

1.7 Absatzmethode

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Bei Sammelbestellern handelt es sich um, nebenberuflich tätige, Personen ohne kaufmännische oder sachkundliche Ausbildung, die in ihrem sozialen Umfeld Bestellungen im Versandhandel entgegennehmen, zusammenstellen und weiterleiten. Dadurch erreichte Rationalisierungseffekte werden in Form von Preisnachlässen durch den Hersteller an Handlungsgehilfen (evtl. auch eigentliche Besteller) weitergegeben. Außerdem übernehmen sie akquisitorische und leistungsergänzende Vorleistungen. Die logistischen Leistungen wie Zustellung, Umtausch, Montage etc. werden direkt vom Hersteller erledigt. Ein Beispiel dafür ist der Otto-Versand. Hier gibt es auch hauptberufliche Absatzhelfer mit Bestellläden (teilweise auch als Katalogschauräume). Beim Multi level marketing (MLM, auch Strukturvertrieb, Netzwerk-Marketing) handelt es sich um den Direktvertrieb von Waren und Dienstleistungen vom Hersteller an private Endabnehmer. Die der Direktvertriebsorganisation angehörenden Vertriebsrepräsentanten betreiben ihr Engagement neben- oder hauptberuflich als selbstständige Gewerbetreibende, ohne Lagerbestände führen oder Abnahmeverpflichtungen eingehen zu müssen. Zusätzlich bietet die Organisation jedem Vertriebsrepräsentanten die Möglichkeit, nach Vorgaben des Unternehmens, das die betreffende Organisation unterhält, neue Vertriebsrepräsentanten zu gewinnen, einzuarbeiten, zu schulen und weiterhin laufend zu betreuen. Dadurch entstehen im Zeitablauf vielstufige Vertriebslinien. Zur Kompensation für die im Verkauf von Produkten und Dienstleistungen selbst erzielten Leistungen erhält jeder Vertriebsrepräsentant Verkaufsprovisionen. Als Gegenleistung für die Rekrutierung, Betreuung, Ausbildung und Führung von Vertriebsrepräsentanten werden jedem höherstufigen Vertriebsrepräsentanten Leitungsprovisionen (Superprovision) gezahlt. Die Provisionshöhen ergeben sich ebenso wie die ggf. zu erreichenden Beförderungsstufen aus dem jeweils geltenden transparenten Karriereplan, den jeder Vertriebsrepräsentant durchläuft und der als Anreizsystem gleichermaßen für alle Vertriebsrepräsentanten gilt. Die Vertriebsrepräsentanten handeln im Eigenhandel, als Kommissionär ohne Eigentumserwerb oder als Handelsvertreter. Das System ist derart angelegt, dass Absatzhelfer oberer Stufen an den Abschlüssen von Absatzhelfern unterer Stufen partizipieren, die mit steigendem Erfolg selbst auf eine immer höhere Stufe avancieren und immer mehr profitieren. Die Tätigkeit kann hauptberuflich oder nebenberuflich ausgeübt werden, z. B. DVAG, VB, AWD, Quinz, Bonnfinanz, MLP, Plansecur, HMI. Verbreitet sind MLM-Systeme in den Branchen Kosmetik / Körperpflege, Vita­ min-/​ Nahrungsergänzungsprodukte, Düfte, Wasch-/Putzmittel, Lebensmittel, Haushaltswaren, Modeschmuck, Textilien, Telekommunikation, Touristik, Spielwaren, Elektrokleingeräte, Umwelttechnik etc. Anbieter sind etwa Amway, Ouixstar, Alticor (Haushalt), Herbalife (Nahrungsergänzung), LifePlus (Nahrungsergänzung), Tahitian Noni (Nahrungsergänzung), Tiscali (Internet-Service-Provider), Tupperware (Haushalt). Weitere Branchen sind Schlankheitsmittel, Sicherheitsanlagen, Anzeigen, Dessous, Bücher, Clubs etc.

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals 

Im Unterschied zu legalen MLM-Systemen ist es verboten, andere zu veranlassen, Waren im Depot abzunehmen und in erst noch aufzubauende Vertriebsstrukturen hinein zu verkaufen. Eine solche progressive Kundenwerbung ist beim Schneeballsystem gegeben. Ein Systemträger schließt dabei mit Kunden Verträge ab, die dem Systemträger weitere Abnahmeverträge von Nachfolgekunden sichern. Der vom Kunden zu begleichende Kaufpreis wird bezahlt, indem der betreffende Kunde den Abschluss weiterer Abnahmeverträge an Nachfolgekunden vermittelt und dafür besondere Provisionen, Boni etc. erhält. Kennzeichen sind nur gering werthaltige Produkte und kein originäres Absatzförderungsinteresse. Eine ähnliche Form ist das Pyramidensystem. Dabei veranlasst ein Systemträger Kunden zur Warenabnahme in einen derartig hohen Ausmaß, dass diese Kunden praktisch weitere Kunden zur Warenabnahme motivieren müssen, die wiederum weitere Kunden zur Warenabnahme gewinnen etc. Der Systemträger schließt nur mit der zuerst kaufenden Kundenebene einen Kaufvertrag ab, diese wiederum schließen Kaufverträge mit weiteren Kunden ab etc. Die Produkte werden entsprechend weitergereicht. Beim Weiterverkauf wird in aller Regel ein Preisaufschlag vorgenommen. Die Gewinnerzielung wird also durch Einzahlung von Geldbeträgen erreicht. Als juristisches Trennkriterium gilt meist, ob ein Systemmitglied das angebotene Produkt auch erwerben würde, wenn es keine Provision für dessen Weiterverkauf erhielte und ob die Verdienstmöglichkeiten überwiegend aus den Vorteilen bestehen, die für die Anwerbung neuer Systemmitglieder gewährt werden. Insofern entsteht die Unlauterkeit und Strafbarkeit aus der dominanten Progression des Systems durch ständige Neuaufnahme weiterer Teilnehmer. Neue Teilnehmer werden genötigt, für den Erhalt ihrer Provisionsberechtigung mehr Waren / Dienste zu kaufen als für den Eigenbedarf benötigt, so dass dadurch ein Zwang zum Werben weiterer Teilnehmer begründet wird. Solche Systeme kollabieren rasch. Dazu ein Beispiel. Die Systeme haben verschiedene Teilnehmerstufen: • 1. Stufe: Anwärter, 2. Stufe: Repräsentant, 3. Stufe: Leitender Repräsentant, 4. Stufe: Hauptrepräsentant, 5. Stufe: Chefrepräsentant, 6. Stufe: Direktionsrepräsentant, 7. Stufe: Direktionshauptrepräsentant Unterstellt sei, dass jedes Mitglied zehn neue Mitglieder werben muss, um eine Stufe höher zu rücken. Dann bedeutet dies: • 1. Stufe: 10 Teilnehmer, 2. Stufe: 100 Teilnehmer, 3. Stufe: 1.000 Teilnehmer, 4. Stufe: 10.000 Teilnehmer, 5. Stufe: 100.000 Teilnehmer, 6. Stufe: 1.000.000 Teilnehmer, 7. Stufe: 10.000.000 Teilnehmer. Bereits daraus wird die Irrealität des Vorhabens erkennbar.

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1.7 Absatzmethode

1.7.2 Absatzform Eigengestaltung Residenzprinzip (beim Verkäufer) Domizilprinzip (beim Käufer) Treffprinzip (an „drittem“ Ort) Distanzprinzip (über Medien) Fremdgestaltung Absatzmittler Absatzhelfer Gebundene Gestaltung Verkaufsholding Verkaufssyndikat Kontraktmarketing Abbildung 19: Elemente der Absatzform

Bei der Absatzform kann man nach Eigengestaltung nach verschiedenen Prinzipien, Fremdgestaltung durch Absatzmittler bzw. -helfer und gebundener Gestaltung mit Unternehmensverbindung unterscheiden (siehe Abb. 19: Elemente der Absatzform).

nicht gegeben gegeben

Mobilität der Nachfrager

Mobilität des Anbieters nicht gegeben

gegeben

(Distanzprinzip)

Domizilprinzip

Residenzprinzip

Treffprinzip

Abbildung 20: Optionen der eigengestalteten Absatzform

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals 

Eigengestaltung liegt beim Persönlichen Verkauf durch Unternehmensrepräsentanten vor. Dieser kann nach mehreren Prinzipien erfolgen (siehe Abb. 20: Optionen der eigengestalteten Absatzform). Beim Residenzprinzip findet der Absatz in den Räumlichkeiten des Verkäufers statt. Der Käufer begibt sich dazu an den Ort des Verkaufs, im Handel etwa in das Ladengeschäft des Händlers. Dies gilt aber auch für den Verkauf großer Mengen /  hoher Werte durch das Top-Management beim Abnehmer, etwa bei Investitionsgütern. Beim Domizilprinzip findet der Absatz in den Räumlichkeiten des Käufers statt. Der Verkäufer begibt sich dazu an den Ort des Kaufs, etwa die Wohnung der Privatperson oder das Büro des Gewerbetreibenden. Dieser Außenverkauf ist typisch für die meisten Formen des Business to business-Kontakts. Eine verbreitete Form des Domizilabsatzes sind die Tiefkühl-Heimdienste (Eismann etc.). Diese besuchen private Haushalte oder kleingewerbliche Gastronomie­ betriebe turnusmäßig oder nach Vereinbarung am Wohn-/Geschäftssitz und bieten Produkte nach Katalogauswahl an. Das Sortiment ist breit und flach, das Preisniveau hoch. Der Trend zu Convenience food und Cocooning sowie die demogra­ fische Entwicklung lassen hier einen steigenden Bedarf erwarten. Beim Treffprinzip findet der Absatz in „neutralen“ Räumlichkeiten statt. Sowohl der Verkäufer als auch der Käufer begeben sich dazu an diesen dritten Ort, etwa den Messestand bei Marktveranstaltungen, auf denen dann formalisierte oder aber ungeplante Transaktionen ablaufen. Beim Distanzprinzip findet hingegen kein persönlicher Verkauf, sondern nur ein medialer Kontakt statt. Die Willenserklärungen zu Verkauf und Kauf erfolgen also über geprintete Medien, wie Anzeigencoupon, Mailing, Katalog etc., oder über elektronische Medien wie Telefon, Telefax etc. sowie in verstärktem Maße über E-Commerce (s. u.). Fremdgestaltung liegt beim Absatz über wirtschaftlich und rechtlich selbstständige Absatzorgane vor. Die Absatzfunktion wird also vom Ersteller der Leistung abgetrennt und an externe Absatzorgane delegiert. Dabei handelt es sich um zwei Gruppen: • Absatzmittler sind in eigenem Namen und auf eigene Rechnung als Händler tätig. Sie werden Eigentümer der gehandelten Ware und veräußern diese wiederum ohne wesentliche Be- und Verarbeitung. • Absatzhelfer sind in fremdem Namen und auf fremde oder eigene Rechnung, dauerhaft oder fallweise tätig. Sie werden selbst nicht Eigentümer der gehandelten Ware. Absatzhelfer sind akquisitorisch, logistisch oder leistungsergänzend aktiv. Gebundene Gestaltung liegt beim Verkauf über rechtlich selbstständige, wirtschaftlich aber unselbstständige Absatzorgane vor. Es handelt sich um eine Zwi-

1.7 Absatzmethode

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schenform weder völliger Ausgliederung noch Eigenwahrnehmung der Absatzfunktion. Drei wichtige Formen betreffen hier: • die Verkaufsholding als rechtlich selbstständigem, wirtschaftlich gebundenem Konzernteil, an den andere verbundene Konzernteile die Verkaufsfunktion ihrer Betriebe abtreten, • das Verkaufssyndikat als rechtlich gebundener, wirtschaftlich selbstständiger Kartellteil, bei dem Syndikalisten nur die Verkaufsfunktion ihrer Betriebe an ein gemeinsames Organ abtreten, dies ist wettbewerbsrechtlich außerordentlich problematisch, • das Kontraktmarketing als vertikale Kooperation zwischen Hersteller- und Handelsstufen zur Förderung der Verkaufsfunktion im Absatzkanal, dies ist eine völlig legale Auslegung.

2. Der Offline-Direktabsatz Unter Offline-Direktabsatz versteht man den nicht-datennetzbasierten Absatz von Waren und Diensten. Dieser erfolgt im Wesentlichen über hersteller- bzw. händlereigene Vertriebsmitarbeiter im Außen- und Innenverkauf, die geeignet geführt und eingesetzt gehören, über selbstständige Absatzhelfer, auf physischen Marktveranstaltungen und mit Hilfe von geprinteten und elektrischen Offline-Medien, also ohne Server, IT-Software und Verlinkung.

2.1 Alternativen Die Funktionen, die im Absatzkanal anfallen, sind unabhängig von den Institutionen, die sie wahrnehmen. Sie können von Handelsbetrieben wahrgenommen werden, die für die Erfüllung dieser Funktionen eine Handelsspanne einbehalten. Sie können aber auch von Herstellerbetrieben oder Endabnehmerbetrieben bzw. -haushalten wahrgenommen werden („Handel ist nicht verzichtbar, Händler sind es schon.“). Jedes Unternehmen muss für sich ermitteln, ob die Wahrnehmung dieser Funktionen kostengünstiger selbst, verbunden mit der Einsparung von Handelsspanne, oder durch Handelsbetriebe, verbunden mit der Abtretung von Handelsspanne, erfüllt werden können, oder ob Funktionen auf Endabnehmer verlagert werden können (Externalisierung), regelmäßig gegen Preisnachlass. Diese Entscheidung fällt von Unternehmen zu Unternehmen verschieden aus. Letztlich geht es um eine Abwägung der Anreize aus Zusatzgewinn, Konkurrenzvorteil und Beiträge aus Funktionsübernahme.

Direktabsatz

unternehmenseigene Absatzorgane (nullstufiger Direktabsatz)

unternehmensfremde Absatzhelfer (halbstufiger Direktabsatz)

Abbildung 21: Alternativen des Direktabsatzes

Der Direktabsatz erfolgt vom Hersteller unmittelbar an Endabnehmer, also unter Ausschaltung zwischengeschalteter Absatzmittler. Dies kann durch unternehmenseigene Absatzorgane (= interner Direktabsatz) oder unternehmensfremde Absatzhelfer (= externer Direktabsatz) erfolgen. Bei ersteren handelt es sich etwa

2.1 Alternativen

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im Wesentlichen um Reisende (auch VADM für Vertriebsaußendienstmitarbeiter), bei letzteren um Absatzhelfer (siehe Abb. 21: Alternativen des Direktabsatzes). Beispiele für Direktabsatz im B-t-c-Bereich sind: • AMC, Alfa Metalcraft Corp., Apona-Schiller, Aras Tiernahrung, Avon Cosmetics, Bacchus Weinhaus, BioComfort, Creative Memories, Deesse, Willi Drache, EMG Elektro- und Metallwaren, Gonis, Haka, Heim&Haus, Inmediaone, Jafra Cosmetics, Kurfuersten Weinkellerei, Lux, Mary Kay Cosmetics, Niederthaler Hof-Weingut, PartyLife, Pierre Laforest, Pierre Lang Schmuck, Reichsgraf von Ingelheim Weingut, Vorwerk, Weekenders, Weingut St. Katharinen. Beispiele für Direktabsatz im B-t-b-Bereich sind: • Behrendsohn (Werbeartikel), Würth (Montage-/Befestigungsmaterial), Friweg (Werkzeuge), Schäfer-Shop (Bürobedarf), Staples (Bürobedarf). Hersteller

Gewerbliche Abnehmer

Private Abnehmer

Abbildung 22: Interner Direktabsatz (Warenfluss / Geldgutschrift)

Der direkte Absatz kann über unternehmenseigene Organe erfolgen (siehe Abb. 22: Interner Direktabsatz (Warenfluss / Geldgutschrift)). Daraus ergeben sich Vor- und Nachteile, zunächst zu den wesentlichen Vorteilen. Eine Einsparung der Distributionsspanne und deren Instrumentalisierung für Preisvorteil oder Zusatzgewinn ist möglich. Daraus entstehen Wettbewerbsvorteile, welche die Zugkraft der Produkte verstärken. Es kommt zu einer effizienten Steuerung und Kontrolle der Absatzaktivitäten unter eigener Bestimmung. Anders als bei selbstständigen Kaufleuten im Handel, die regelmäßig ihr eigener Souverän sind. Der direkte Kontakt zu Abnehmern fördert die Kundenbindung und schafft einen besseren Informationsfluss. Damit können auch schwache Signale zur Risikenvermeidung und Chancennutzung wahrgenommen werden. Weitere Vorteile sind folgende: • Hohe Produktkompetenz der Vertriebsmitarbeiter und hohe Anpassungsflexibilität an Kundenbedarfe,

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2. Der Offline-Direktabsatz

• meist gute Möglichkeit zur Zielgruppenbildung, • gute Voraussetzungen für den Aufbau einer Stammkundschaft, verbunden mit guten Kundenbonitätskenntnissen, • gute Bedingungen für eine rasche Markterschließung und intensive Marktdurchdringung, • rasche und zuverlässige Rückkopplung vom Markt mit guter Abschätzbarkeit des Kundenbedarfs, • Vertriebskontrolle bis zum Endabnehmer bietet gute Bedingungen zur Kontaktverstetigung, • gute Potenziale für innovative Produktideen. Folgende Nachteile sind hingegen zu nennen. Ein hoher Organisationsaufwand zur Planung und Kontrolle ist erforderlich. Vor allem stellt der Absatzbereich einen Fixkostenblock dar, der die Flexibilität des Herstellers nachhaltig beeinträchtigt. Akquisitionschancen, die außerhalb des Verfügungsbereichs des eigenen Unternehmens liegen, sind nicht nutzbar. Dadurch kann das objektiv erreichbare Absatzpotenzial nicht vollständig monetarisiert werden. Ein hoher Kapitaleinsatz zur Etablierung sowie hohe laufende Aufwendungen sind bei breiter Abdeckung erforderlich. Vor allem in der Anlaufphase sind die Gefahren für Unwirtschaftlichkeiten hoch. Weitere Nachteile sind allerdings folgende. • Hohe Kosten der Kommunikation für Kundengewinnung, persönliche und telefonische Kundenberatung, • Kapitalbindung durch Messebeschickung und Niederlassungsleitung, • schwierige Steuerung der Vertriebsmitarbeiter, • großer Aufwand zur Gewinnung und Schulung der Mitarbeiter, • hohe Fluktuationsrate der Vertriebsmitarbeiter, • teils hohe Abwicklungs- und Logistikkosten, • hohe Abhängigkeit von der kommerziellen und persönlichen Kompetenz der Mitarbeiter. Alternativ dazu ist auch der Absatz über unternehmensfremde Absatzhelfer möglich (siehe Abb. 23: Externer Direktabsatz (Warenfluss / Geldgutschrift)). Die sich daraus ergebenden Vor- und Nachteile des (halbstufig-)direkten Absatzes sind vor allem die Folgenden. Zunächst zu den wesentlichen Vorteilen: • Die Kontakt- und Akquisitionsfunktion kann an eigenverantwortliche Absatzhel­ fer abgetreten werden. Diese werden, je nach Lage der Dinge, in eigenem oder fremdem Namen, für eigene oder fremde Rechnung aktiv.

2.1 Alternativen

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Hersteller Absatzhelfer

Gewerbliche Abnehmer Private Abnehmer Abbildung 23: Externer Direktabsatz (Warenfluss / Geldgutschrift)

• Es kommt zur Monetarisierung zusätzlicher Kontakte im Markt zugunsten des eigenen Unternehmens, die aus der Erfahrung und dem Know-how der eingeschalteten Absatzhelfer resultieren. • Die Substitution von Fixkosten durch variable Kosten trägt zur Risikoreduktion bei. Absatzhelfer arbeiten regelmäßig ausschließlich oder weit überwiegend erfolgsbezogen, verursachen also nur Kosten, wenn diesen auch Erlöse gegenüberstehen. • Ein hohes Maß an Anpassungsflexibilität ist gegeben. So können Absatzhelfer zumindest in Maßen ausgetauscht werden, weiterhin können ihre Arbeitsbedingungen den Geschäftszielen angepasst werden. • Ebenso sind sehr gute Marktkenntnisse in Bezug auf Potenziale, Bedarfe, Bonitäten etc. gegeben. Dieses Know-how kommt vor allem neuen Anbietern zugute, die sich nicht so gut auskennen und Beziehungen erst aufbauen müssen. Folgende Nachteile sind zu nennen: • Ein Entgelt für die Akquisitionsaktivitäten der Absatzhelfer ist in Form von zu zahlender Provision notwendig. Dies schmälert die Gewinnspanne oder zwingt zum Aufschlag auf den Ab Werk-Preis. • Die Selbstständigkeit der eingeschalteten Absatzhelfer kann durchaus eine instabile Absatzbasis bewirken. So besteht die Gefahr hoher Fluktuationsraten mit vagabundierenden Kundenpotenzialen. • Es entsteht Koordinations- und Abwicklungsaufwand für die Kommunikation mit Absatzhelfern. Diese bedürfen der umfassenden Unterstützung im eigenen Sinne mit Verkaufs- und Werbemitteln. • Teilweise bestehen restriktive gesetzliche Regelungen. Diese beziehen sich auf die Strenge der Beziehung zwischen Unternehmen und Absatzhelfer sowie auf den Interessenschutz der Absatzhelfer (z. B. Ausgleichszahlung).

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2. Der Offline-Direktabsatz

2.2 Führung der Vertriebsmitarbeiter Die Führung von Vertriebsmitarbeitern umfasst als Schnittstelle zum Personalmanagement vielfältige Aufgaben. Dazu gehören vor allem die Beschaffung und Auswahl von Mitarbeitern (2.2.1), deren Beurteilung und Qualifizierung (2.2.2), die Arbeitsentgeltbemessung (2.2.3) und Leistungsanreize (2.2.4) sowie die Ausprägung von Führungsstilen (2.2.5).

2.2.1 Beschaffung und Auswahl von Mitarbeitern Die Personalbeschaffung von Vertriebsmitarbeitern erfolgt auf mehreren Wegen. Betriebsexterne Beschaffungsquellen sind Stellenanzeigen in Zeitungen oder Fachzeitschriften, zunehmend auch im Internet auf der eigenen oder intermediären Seiten, die Einschaltung von Personalberatern, Personal-Leasing, die Beauftragung der Arbeitsagentur, die Auswertung von Blind- und Vorratsbewerbungen sowie die Nutzung persönlicher Kontakte. Bei den Stellenanzeigen ist neben der Wahl geeigneter Medien vor allem die informative Gestaltung des Inhalts bedeutsam. Die Dienste von Headhunters machen nur bei der Suche von Leitenden Mitarbeitern Sinn, zumal ein hohes Vermittlungsentgelt, meist drei Monatsgehälter, fällig wird. Der Datenbestand der Arbeitsagenturen ist oft unzureichend. Initiativbewerbungen sind eine gute Quelle, weil einerseits von Aktivität seitens des potenziellen Bewerbers ausgegangen werden kann und andererseits eine gewisse Affinität zum kontaktierten Unternehmen unterstellt werden kann. Zumal dafür keine weiteren Recherchekosten und Zeitaufwendungen anfallen. Daher sollten solche Bewerbungen, selbst wenn aktuell kein Bedarf besteht, unbedingt mit einer entsprechenden kurzen Nachricht annonciert in den Bewerbungsvorrat übernommen werden, um bei Bedarf darauf zurückzugreifen. Am wirkungsvollsten ist sicherlich die Nutzung persönlicher Kontakte, weil man dabei ein recht genaues Leistungsprofil des potenziellen Bewerbers als bekannt und dessen Übereinstimmung mit dem Anforderungsprofil voraussetzen kann. Hinzu kommen betriebsinterne Quellen wie die interne Stellenausschreibung in Intranet / Extranet, die Versetzung im Rahmen von Job rotations oder die Umschulung qualifizierbar erscheinender Mitarbeiter. Interne Ausschreibungen haben mehrere wichtige Funktionen. Zum einen steigern sie die Effektivität des Unternehmens, indem sie Arbeitspräferenzen von Mitarbeitern für den Einsatz nutzen, zum anderen erhöhen sie deren Motivation, die Aufgaben wahrzunehmen, für die sie sich am besten geeignet halten. Sie beugen auch Neid und Missgunst vor, die oft Quereinsteigern von außen entgegengebracht wird, die nicht erkennbar besser qualifiziert sind als vergleichbare Mitarbeiter anderer interner Bereiche oder gleicher Hierarchiestufen. Und schließlich ist die Gewissheit der Leistungsfähigkeit bei bekannten Mitarbeitern weitaus größer als bei jedem von außen kommenden Bewerber. Planvolle Versetzungen innerhalb von Abteilungen bzw. Betrieben hel-

2.2 Führung der Vertriebsmitarbeiter 

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fen nicht nur, aktuelle Personalbedarfsprobleme zu lösen, sondern bewirken als willkommenen Nebennutzen eine Ausweitung an Kenntnissen und Fertigkeiten der Mitarbeiter, die per Saldo wiederum dem Betrieb zugute kommt. Selbst wenn zwischen dem aktuellen Leistungsprofil eines Mitarbeiters und dem Anforderungsprofil einer zu besetzenden Stelle eine Qualifikationslücke klafft, ist zu überlegen, ob nicht die Weiterbildung eines Mitarbeiters sinnvoller ist als eine Neubesetzung, und zwar aus motivatorischen ebenso wie aus Effektivitätsgründen. Wichtig sind vor allem aussagefähige Ausschreibungsunterlagen. So gehören zum Mindestumfang die ausgeschriebene Position mit einer kurzen Beschreibung der Aufgaben, Kompetenzen und internen Einordnung sowie die Darstellung von Aufstiegschancen, Ausschreibungsgründen und Besetzungstermin. Ebenso ist die geforderte formale und materielle Qualifikation darzustellen, also Fähigkeiten, Berufserfahrungen, Kenntnisse, Ausbildung, Altersspanne etc. Bei externer Suche ist zudem eine Beschreibung des suchenden Unternehmens erforderlich, so hinsichtlich Branche, Aktivitäten, Standort, Größe und Firmenstil. Dazu gehört auch die Nennung einer Ansprechperson für die Kontaktaufnahme. Fakultativ ist eine Auslobung des Angebots hinsichtlich Gehalt, Weiterbildungschancen, Sozialleistungen, Einarbeitungshilfen etc. Geschickt aufgemachte Unterlagen werden von professionellen Unternehmen längst als akzidentelle Werbemittel genutzt. Sie bieten einen guten Anlass, die Eigenschaften, die ein Unternehmen besonders auszeichnen, auszuloben und weisen durch Inhalt und Form auf Selbstverständnis und Bedeutung eines Absenders hin. Die Qualität von Internet-Bewerbungen ist in Bezug auf Vertriebsmitarbeiter als nicht immer aussagefähig zu beurteilen. Die Bewerberauswahl kann durch unpersönliche oder persönliche Verfahren erfolgen. Zu den unpersönlichen Verfahren gehört die Ansicht eingereichter Bewerbungsunterlagen wie Zeugnis, Lebenslauf, Anschreiben etc., die Anhörung von Referenzpersonen, die Einholung eines graphologischen Gutachtens oder die Auswertung eines biographischen Fragebogens. Zu den persönlichen Verfahren gehört das Vorstellungsgespräch, und zwar einzeln, seltener auch in Gruppen, unter Stress, in mehreren Etappen durch verschiedene Beurteiler oder strukturiert. Weitere Möglichkeiten betreffen das Assessment center oder den Einsatz psychologischer Testverfahren wie Rorschach-Test, Thematischer Apperzeptions-Test, Picture frustration-Test etc. Im Folgenden typische Fragen im Rahmen eines persönlichen Auswahlverfahrens (Quelle: Internet/ N. N.): • „Wie haben Sie sich auf diesen Termin heute vorbereitet?“ • „Warum wollen Sie das Unternehmen wechseln?“ • „Was erwarten Sie von Ihrer neuen Aufgabe, was ist Ihnen dabei am wichtigsten?“ • „Was müsste passieren, damit Sie den Schritt zu uns bereuen?“

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2. Der Offline-Direktabsatz

• „Welche sind für Sie die entscheidenden Aspekte im Hinblick auf den Arbeitsalltag der Stelle, die wir anbieten?“ • „Wie stellen Sie sich die ersten drei Monate hier bei uns vor?“ • „Wie ist Ihr aktueller Chef / Ihre Chefin so?“ • „Wer ist Ihr Vorbild – und warum?“ • „Erzählen Sie uns von guten Erfahrungen, die Sie in Ihrem Berufs- oder auch Privatleben gesammelt haben.“ • „Erzählen Sie uns von Themen, an denen Sie gescheitert sind.“ • „Erzählen Sie, was das Verrückteste war, das Sie bisher in Ihrem Leben gemacht haben!“ • „Was bedeutet für Sie Erfolg?“ • „Auf welche Verdienste sind Sie besonders stolz – und weshalb?“ • „Mit welcher Art Misserfolg tun Sie sich besonders schwer?“ • „Erzählen Sie uns von einer schwierigen Situation an Ihrem letzten Arbeitsplatz und darüber, wie Sie damit umgegangen sind.“ • „Was spornt Menschen Ihrer Meinung nach wirklich zur Arbeit an: Gehalt, flexible Arbeitszeiten, Karriere, Begeisterungsfähigkeit, Ehrgeiz, Berufung oder anderes?“ • „Was, meinen Sie, ermöglicht letztlich gute Leistungen?“ • „Wie motivieren Sie sich tagtäglich?“ • „Wurden Sie in der Vergangenheit von einem Kollegen schlecht gemacht? Wenn ja, wie haben Sie reagiert und wie wurde der Konflikt geschlichtet? Nennen Sie bitte Beispiele.“ • „Nennen Sie bitte berufliche Situationen aus der Vergangenheit, die für Sie belastend oder anstrengend waren. Wie sind Sie damit umgegangen? Wie haben andere darauf reagiert? Und was war das Resultat?“ • „Was war Ihr bisher letzter oder größter Misserfolg? Wie haben Sie sich verhalten? Was war das Ergebnis?“ • „Halten Sie sich selbst für belastbar? Und woran machen Sie das fest?“ • „Welche Tools bringen Sie mit, um ein Projekt als Leiter erfolgreich zu strukturieren?“ • „Was heißt für Sie Kundenorientierung konkret? Nennen Sie bitte Beispiele aus der Vergangenheit, die Ihre Stärken in diesem Bereich zeigen“ • „Was denken Sie: Was erwarten unsere Kunden als nächsten Schritt von unserem Unternehmen?“

2.2 Führung der Vertriebsmitarbeiter 

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• „Wie haben Sie sichergestellt, dass Sie zuverlässig und fehlerfrei auch bei anspruchsvollen Projekten arbeiten?“ • „Nennen Sie ein Beispiel, bei dem Sie die Sorgfalt vernachlässigt haben. Was war das Ergebnis? Was haben Sie daraus gelernt?“ • „Wenn Sie unter Zeitdruck stehen, was ist Ihnen wichtiger: Einen Termin einzuhalten oder auf die Sorgfalt zu achten?“ • „Wenn Sie sich heute entscheiden müssten, zukünftig allein zu arbeiten oder mit anderen zusammen im Team: Für was würden Sie sich entscheiden? Und warum?“ • „Was zeichnet Sie in der Zusammenarbeit mit anderen Menschen aus? Nennen Sie uns bitte ein Beispiel aus der Vergangenheit!“ • „Welche Rolle nehmen Sie üblicherweise in Gruppen ein? Nennen Sie Beispiele.“ • „Mit welcher Art von Menschen arbeiten Sie gern zusammen? Eher mit ruhigen, dominanten, spaßigen oder peniblen Kollegen? Und mit wem arbeiten Sie weniger gerne zusammen? Und warum?“ • „Welche beruflichen Freiheiten sind Ihnen wichtig?“ • „Wie werden Sie von Kollegen oder Ihrem jetzigen Chef / Ihrer Chefin bezogen auf Ihre Eigeninitiative beschrieben?“ • „Welche Tätigkeiten, die Eigeninitiative erfordern, hatten Sie in Ihrer beruflichen Vergangenheit? Geben Sie bitte Beispiele an. “ • „Welche Rahmenbedingungen können Ihre Initiative behindern oder blockieren?“ Für die Verkaufstätigkeit gelten meist die Inhalte einer Betriebsordnung. Diese bestimmt: • Geltungsbereich, • Einstellung und Anstellungsvertrag (Unterlagen der Mitarbeiter, Veränderungsmeldungen, Krankenversicherungspflicht, Tätigkeitsbereich, Einführung und Patenschaft), • Geheimhaltung und Betriebstreue, • Arbeitszeit, Pausen und Mehrarbeit (Pünktlichkeit, Arbeitsbeginn, Verspätung, Arbeitszeitkontrolle), • Arbeitsentgelt (Höhe der Lohn- und Gehaltszahlung, Einwendungen, freiwillige Leistungen, Abtretung und Pfändungen, Personalkauf), • Urlaub (Anspruch, Planung, Sonderfälle), • Arbeitsversäumnis (Abwesenheitsmeldung, Krankmeldung, Gesundheitsfürsorge),

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2. Der Offline-Direktabsatz

• Pflichten des Mitarbeiters (Grundsätze, Umgang mit Kunden, Maßnahmen bei Verstößen), • Zusammenarbeit und Beschwerden der Mitarbeiter (Schlichtung, Zurechtweisung), • Ordnung und Ordnungshilfsmittel (Mitteilungen, Aufenthalt im Betrieb, Erscheinungsbild der Mitarbeiter, Sauberkeit, Verpflegung, Alkoholverbot, Haftung bei Schäden, private Telefonate / Internetnutzung, Benutzung von Firmenfahrzeugen, Betriebsfrieden, Kontrollen, Rauchverbot), • Sicherheitsvorschriften (Unfallverhütung, Verhalten bei Unfällen, Schadensverhütung), • Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Kündigung, Ansprüche, Rückgabe von Betriebseigentum, fristlose Entlassung).

2.2.2 Beurteilung und Qualifizierung der Mitarbeiter Die Beurteilung von Mitarbeitern im Vertrieb bezieht sich meist auf die Schlüsselqualifikationen, also Fach-, Methoden-, Sozial- und Individualkompetenzen. Als fachliche Kompetenzen sind zu nennen: • Pkw-Führerschein, einwandfreier finanzieller Status, polizeiliches Führungszeugnis, Mindestberufserfahrung in der Branche, abgeschlossene Berufsausbildung mit Weiterbildung, PC-Anwenderkenntnisse (z. B. MS-Office-Paket), Produktkompetenz, Kenntnisse über aktuelle Markt- und Konkurrenzentwicklungen, Berücksichtigung von Wechselwirkungen bei Entscheidungen, konzeptionelles Planen, Akzeptanz von Zielsetzungen und deren erfolgsorientierte Verfolgung, Entwicklung eigener Zielvorstellungen und kreativer Ideen, Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Ideen, Engagement für Veränderungen, proaktives Denken und Handeln, bewusste Ausrichtung des Verhaltens an Benchmarks, ertragsorientierte Ausrichtung, Fähigkeit, andere für seine Ziele zu gewinnen. Als methodische Kompetenzen sind zu nennen: • präzise, eindeutige und aktive Artikulation, Einsatz kurzer, prägnanter Sätze, Vermeidung von Weitschweifigkeit, flüssige, klare und verständliche Formulierung, Vermittlung der eigenen Begeisterung, Erkennung des Wesentlichen und Setzung erfolgsorientierter Prioritäten, Identifizierung potenzieller Kunden und Schätzung deren Potenzials, Planung von Kontakten und Nutzung von Anlässen zur Kundenansprache, rechtzeitige Analyse und Erkennung von Wettbewerbssituationen, Beschaffung erforderlicher Informationen, gezielte Vor- und Nachbereitung von Gesprächen, effiziente Zeitplanung und -nutzung, genaues und sorgfältiges Arbeiten, Selbstorganisation, konsequente Arbeit im Kundenstamm, eröffnet Gespräche aktiv und gewinnend, führt Gespräche zielbezogen

2.2 Führung der Vertriebsmitarbeiter 

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weiter, gibt den Kunden ausreichende Informationen, analysiert und qualifiziert Bedarfe bei Kunden, hört aktiv und konzentriert zu, weckt proaktiv Bedarfe und spricht Motive an, argumentiert sicher, flexibel und nutzenorientiert, kommt stringent zum Abschluss, präsentiert sicher und wirkt stressstabil, gibt die für die Zielerreichung relevanten Informationen, setzt Anreize zum Zuhören, präsentiert Konzepte und Leistungen überzeugend, bietet das gesamte Programm aktiv an, löst Sog für gemeinsame Ziele aus, ergreift das Wort, ohne dominant zu werden, vertritt Positionen und Interessen klar und bestimmt, argumentiert sachlich und überzeugend, vermeidet vorschnelle Kompromisse und stimmt nicht ungeprüft zu, überwindet Widerstände flexibel und geht sicher mit Einwänden um, führt ein Gespräch zielorientiert, fasst Vor- und Nachteile seiner Lösungen geschickt zusammen, holt aktiv die Zustimmung seiner Zuhörer ein. Als soziale Kompetenzen sind zu nennen: • erreicht eine teamorientierte Kooperation mit allen Prozessbeteiligten, gibt Informationen offen weiter, engagiert sich für Teamziele, berücksichtigt andere Meinungen und Vorschläge, erzeugt ein offenes und konstruktives Arbeitsklima, motiviert zur Mitarbeit, engagiert sich mit Anregungen / Ideen und Informationen, übernimmt im Team Aufgaben, die seinen Kompetenzen entsprechen, kann Eigeninteressen im Sinne der Sache zurückstellen, gibt ein rollenadäquates und konstruktives Feedback, wird in seiner Arbeitsumgebung respektiert, geht auf andere Menschen zu und knüpft Kontakte, begeistert Partner von seiner Aufgabe, akzeptiert vereinbarte Spielregeln, entwickelt von sich aus vielfältige Beziehungen und Kontakte, zeigt eine unverkrampfte Grundhaltung, erkennt und berücksichtigt Motive und Gefühle, baut eine Vertrauensbasis auf, kann sich leicht auf verschiedene Gesprächspartner einstellen, zeigt ein gutes Gespür für Stimmungen bei Gesprächspartnern, hat situatives Einfühlungsvermögen, wird unter Stress nicht aggressiv, reagiert nicht sofort mit Abwehrmechanismen wie Entschuldigung oder Angriff, analysiert Konflikte und deren Ursachen objektiv, reflektiert selbstkritisch die eigene Rolle im Konflikt, versucht eigenständig Konfliktlösungen zu erreichen. Als individuelle Kompetenzen sind zu nennen: • Angemessenes Erscheinungsbild (Kleidung), einwandfreie Umgangsformen / ​ Höflichkeit, sicherer und souveräner Auftritt, realistische Einschätzung der eigenen Fähigkeiten, positive Grundeinstellung zu Leben und Beruf, Setzung herausfordernder, aber realistischer Ziele, Begeisterungsfähigkeit, flexible Einstellung auf neue Situationen, Antriebsstärke und Ausdauer, schwierige Aufgaben als Herausforderung annehmen, Initiative entwickeln, sich in der Verfolgung seiner Ziele engagieren, Bereitschaft zur kontinuierlichen Weiterbildung zeigen, die Folgen seines Handelns bedenken, auf eine ausgewogene Balance der Interessen achten, arbeitsplatzbedingte Risikofaktoren berücksichtigen, Entscheidungen treffen und Verantwortung dafür übernehmen, das eigene Verhalten mit dem Ziel des Lernens reflektieren.

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2. Der Offline-Direktabsatz

Angesichts zunehmend komplexer Vermarktungssituationen ist es für Vertriebsmitarbeiter unerlässlich, sich kontinuierlich weiter zu qualifizieren. Dafür stehen die Möglichkeiten des Verhaltenstrainings und der Wissensschulung bereit. Das Verhaltenstraining für Verkaufskompetenzen erfolgt häufig durch On the job-Methoden (meist durch Assistenz- oder Stellvertretertätigkeit erlernt) wie • Job enrichment als Aufwertung des Arbeitsinhalts durch Übertragung von mehr Verantwortung, • Job enlargement als Ausweitung des Aufgabenumfangs und / oder der Kontrollspanne, • Job rotation als Erweiterung des Erfahrungsspektrums durch Ausübung verschiedener Stellen. Daneben können eingesetzt werden: • Into the job-Methoden, die der beruflichen Ausbildung und Anlernung dienen, • Along the job-Methoden, die im Wesentlichen in Vertriebsassistenz / Zuarbeit bestehen, • Near the job-Methoden, die der Einarbeitung dienen, etwa Projekt, Qualitätszirkel, • Parallel to the job-Methoden, die durch Mentoring-/Coachingprogramme verwirklicht werden, • Off the job-Methoden, die losgelöst von der operativen Tätigkeit erfolgen, z. B. durch Fallstudien, Planspiele, Rollenspiele, Workshops, • Out of the job-Methoden, die bei Freisetzung greifen, wie Outplacement, Ruhestandsvorbereitung, gleitender Ruhestand etc. Die Wissensschulung für Fachkompetenzen bedient sich unpersönlicher oder persönlicher Verfahren. Zu den unpersönlichen Verfahren gehören die Auswertung von Büchern und Zeitschriften, das Selbststudium durch Lehrbriefe, programmierte Unterweisungen, die Vorführung von Tutorials sowie das computerunterstützte Training (CBT) im Internet oder offline auf DVD, auch durch Education channels (Company-TV / Extranet). Zu den persönlichen Verfahren gehören der Besuch von Vorträgen und Kongressen, die Teilnahme an Seminaren und Diskussionen, die Erarbeitung von Fallstudien und Simulationen / Planspielen sowie die Übung in Rollenspielen und Gruppenarbeiten. Dabei steht das Learning by doing im Vordergrund.

2.2 Führung der Vertriebsmitarbeiter 

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2.2.3 Arbeitsentgeltbemessung 2.2.3.1 Formen Die Mitarbeiterentlohnung bezieht sich auf das regelmäßige Entgelt und hat im Einzelnen dreierlei Anforderungen zu genügen. Als betriebsspezifische Anforderungen sind vor allem die Berücksichtigung aller relevanten Ziele, ein angemessener Flexibilitätsgrad, hohe Wirtschaftlichkeit, weitgehende Leistungsorientierung, geeignete Führungs- und Steuerungsfähigkeit, sinnvolle Einkommensrelationen und eine gewisse Dauerhaftigkeit der Geltung zu nennen. Als mitarbeiterspezifische Anforderungen gelten vor allem die Sicherung einer Mindestentlohnung, ein attraktives Gesamtniveau, gute Übersichtlichkeit und Nachprüfbarkeit, strikte Gerechtigkeit und ein nachvollziehbares Kausalitätserlebnis. Als rechtliche Anforderungen sind vor allem die Einhaltung von gesetzlichen und tariflichen Normen in Betriebsvereinbarungen, Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten sowie die Berücksichtigung des Gleichberechtigungs-/Antidiskriminierungsgrundsatzes zu nennen.

Festgehalt (Zeitlohn) Arbeitsentgelt Provision (Leistungslohn) Prämien (spezifisch) Leistungsanreize

Gratifikationen / Boni (generell) immaterielle / ideelle Anreize

Abbildung 24: Entlohnungsformen im Verkauf

Dabei bieten sich verschiedene Möglichkeiten der Entlohnung an. Allgemein lassen sich als Entlohnung unterscheiden: nur Festgehalt, Festgehalt und Provision oder nur Provision. Dabei geht der Entlohnungscharakter sukzessiv von fix nach variabel über (siehe Abb. 24: Entlohnungsformen im Verkauf). Das Festgehalt (analog Zeitlohn) ist über einen gewissen, längeren Zeitraum konstant, variiert aber periodenbezogen. Es bietet sich bei Schwerpunkt auf verkaufsbegleitenden Tätigkeiten an, bei langen Verkaufsintervallen wie bei Investitionsgütern, bei starken saisonalen Schwankungen, bei arbeitslastbezogener Gebietseinteilung, bei Teamtätigkeit und während der Aufbauphase eines Marktes. Vorteile liegen darin, dass es einfach und übersichtlich zu handhaben ist, ein finanzielles Sicherheitsgefühl vermittelt, die Relation zwischen Innen- und Außen-

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2. Der Offline-Direktabsatz

dienst wahrt, der Kundenpflege dient, bei Gebietsänderung oder -versetzung vereinfachend wirkt und Mengendegressionseffekte aufweist. Nachteile liegen darin, dass Unwirtschaftlichkeiten gefördert werden, eine eher geringe Motivation besteht, die Leistungsgerechtigkeit problematisch ist und eine störende Starrheit der Bemessung vorliegt. Bei fallenden Umsätzen entstehen zudem steigende Kosten pro abgesetzter Einheit, und es besteht die Gefahr der Abwanderung der besten Mitarbeiter und des Verbleibs der weniger leistungsfähigen. Die Provision (analog Leistungslohn) ist eine von einer Bezugsgröße abhängige, relative Entlohnungsform. Sie bietet sich für rein verkaufsbezogene Tätigkeiten an, sofern diese direkt beeinflusst werden können und einer objektivierten Beurteilung zugänglich sind. Die Provision findet allerdings vorwiegend auf selbstständige Absatzhelfer Anwendung. Vorteile liegen darin, dass ein unmittelbarer, starker Leistungsanreiz besteht, Kontrollmaßnahmen reduziert werden können und ein variabler Kostencharakter gegeben ist. Nachteile liegen darin, dass die Gefahr von Fehlanreizen bei falscher Bezugsgrößenwahl gegeben ist, dass die Kundenzufriedenheit als zentraler Erfolgsfaktor unter möglichem Hard selling leidet, die Beziehung zwischen Verkaufsinnen- und -außendienst problematisch wird, Anpassungswiderstände bei Versetzung bzw. Gebietsänderung gegeben sind, die Einkommen konjunkturell und saisonal schwanken, Ungerechtigkeiten bei der Zurechnung von externen Effekten entstehen sowie die Zielgrößen diffus sind und eine angemessene Höhe schwierig zu bestimmen ist. Es kann zur Vernachlässigung indirekter, vor- und nachbereitender Verkaufsaufgaben kommen, und die Integration neuer Mitarbeiter in das Provisionssystem ist schwierig. Sammelentlohnungen als Gruppenprovision (Pool) gelten nicht mehr nur für einen Verkäufer, sondern für mehrere gemeinsam. Die Entlohnung kann an die Gruppe gemeinsam oder jedes einzelne Mitglied gerichtet sein. Letzteres kann wiederum mit einheitlichen oder differenzierten Beträgen erfolgen. Vorteile liegen vor allem in der Vermeidung von Zurechnungsproblemen auf einzelne Personen, in gruppendynamischen Prozessen zur Leistungssteigerung und der Einbeziehung verkaufsbegleitender Arbeiten, z. B. Telefonkontakt, Kundendienst. Nachteile liegen jedoch in der Nivellierung der Leistung, möglicher Frustration bei höher leistungsfähigen Mitarbeitern, fehlendem Wettbewerb untereinander, schwieriger leistungsgerechter Zurechnung und Stress durch überzogene Gruppener­ wartungen. Mischsysteme sollen die jeweiligen Vorteile der Einzelentlohnungssysteme kombinieren und deren Nachteile vermeiden. Zum Beispiel stellt die Kombination aus zeitabhängigem Fixum und leistungsabhängiger Provision einen Kompromiss zwischen dem Sicherheitsbedürfnis auf Seiten des Mitarbeiters und dem Leistungsanreiz auf Seiten des Arbeitsgebers dar. So können z. B. Festgehalt und Provision parallel berechnet werden, wobei dann immer der höhere Wert zur Aus-

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zahlung kommt. Zu klären ist die Relation zwischen Fixum und Provision. Empfohlen wird höchstens eine Relation von 80 : 20. Dies kann nach der Zeitrelation der verkaufsvorbereitenden und -abwickelnden Tätigkeiten zu den eigentlich verkaufsbewirkenden geschehen. Zu ersteren gehören z. B. Tourenplanung, Terminvereinbarung, Angebotsabgabe, Wege- und Wartezeiten bzw. Auslieferung, Reklamationsbearbeitung, letztere betreffen nur den Verkaufsakt selbst. In der Praxis wird der Anteil des Fixums jedoch immer geringer und meist auf einen niedrigen Absolutbetrag basiert. Auch die Behandlung des zeitlichen Aspekts der variablen Vergütungsanteile während eines lang laufenden Projekts, wie es etwa im Anlagenbau häufig gegeben ist, muss geregelt werden. Üblich sind hier Zahlungen nach Projektfortschritt, z. B. 1/3 bei Vertragsabschluss, 1/3 bei Auslieferung der Anlage und 1/3 bei planmäßigem Zahlungseingang.

2.2.3.2 Variable Bezugsgrößen Als Bemessungsgrundlagen werden meist Umsatz, Absatz, Gewinn oder Deckungsbeitrag angewandt. Am verbreitetesten ist die Umsatzprovision, die sich auf Gesamtumsatz, differenzierte Umsatzanteile, Umsatzvorgaben oder sonstige Größen beziehen kann. Oft wird eine Mindestprovision garantiert, die nur bei Überschreiten einer Zielvorgabe oder auch nur bei deren Einhaltung fällig wird. Der Vertrieb kann seinen Erfolgsbeitrag vor allem auf der Erlösseite leisten. Da eine isolierte Steigerung von Umsätzen ohne Berücksichtigung der Kosten wenig sinnvoll ist, ist es besser, den Gewinn als Summe der Deckungsbeiträge abzgl. der Fixkosten zu definieren. Da die Fixkosten wiederum wenig beeinflussbar sind, bleibt als hauptsächliche Bezugsgröße der Deckungsbeitrag. Der Gesamtdeckungsbeitrag bestimmt sich wiederum aus dem Produkt von Einzeldeckungsbeiträgen (DS / Deckungsspannen) und Absatzmengen. Dies sind zugleich die beiden „Einfallstore“ zur Optimierung, wobei Nebenbedingungen durch Einsatzfaktorkapazitäten gegeben sind. Es geht also, vereinfacht, um die Maximierung der Deckungsspannen und der Absatzmengen unter Restriktionen, zu denen auch die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter gehört, denn diese ist wichtig zur Motivation und Bindung erwünschter Mitarbeiter. Der Deckungsbeitrag hat als Vorgabegröße eine Reihe immanenter Vorteile: • Deckungsbeitragsziele führen zu einer starken Orientierung des Verkaufs an der Rentabilität, damit werden die stärksten Verkaufsaktivitäten auf die rentabelsten Produkte gelenkt. • Ein deckungsbeitragsorientiert arbeitender Mitarbeiter wird versuchen, hohe Erlösschmälerungen zu vermeiden, da diese überproportional auf den Deckungsbeitrag durchschlagen. Insofern kommt es zu ertragsbewusstem Handeln.

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2. Der Offline-Direktabsatz

Allerdings stehen der praktischen Realisierung einer solchen Zielvorgabe einige Probleme entgegen: • Es ist schwierig, den Deckungsbeitrag korrekt auszuweisen, weil sich die tatsächlichen Kosten, etwa gegenüber einer Vorkalkulation, ändern. Daher werden meist Verrechnungssätze angewendet, die mit Normalkosten arbeiten, aber mehr oder minder weit vom realen Deckungsbeitrag abweichen können. • Zudem besteht bei offenem Ausweis der Deckungsbeiträge selbst die Gefahr, dass Mitbewerber oder Kunden vermeidbaren Einblick in die Ertragslage des Unternehmens bzw. eines spezifischen Auftrags erhalten. Denn es ist nicht auszuschließen, dass entsprechende Unterlagen in fremde Hände geraten. • Von einer solchen Vorgabe müssen außerdem strategisch wichtige, aber aktuell noch wenig rentable Produkte / Aufträge ausgenommen werden. Hier sind ersatzweise Verrechnungswerte anzuwenden. • Außerdem wird der Deckungsbeitragswert durch die Provisionszahlung selbst ebenso beeinflusst wie durch vom Verkäufer nicht steuerbare Kostenblöcke. Dadurch kommt es zur Benachteiligung neuer Produkte, etwa durch hohe Vorkosten. • Schließlich kommt es auch zur Verwechslung von Deckungsbeitrag und Gewinn, d. h., ein positiver Deckungsbeitrag wird als Gewinn interpretiert, obgleich er zusätzlich noch sämtliche Fixkosten abzudecken hat. Alternativ ist denkbar, als Steuergröße ein an Deckungsbeiträgen orientiertes Punktesystem einzusetzen. Werden diese Punktwerte im Markt bekannt, ist der Schaden weitaus geringer als wenn die dahinter stehenden Deckungsbeitragswerte bekannt würden. Zudem besteht die Flexibilität, in der Steuerung auch abweichend von Deckungsbeitragswerten vorzugehen. Dabei sind diese Punktwerte jederzeit veränderbar, auch unabhängig von konkreten Erfolgsgrößen. Außerdem entgeht man der durchaus nicht so fern liegenden Gefahr, dass Verkäufer Deckungsbeitragswerte mit Gewinn verwechseln und eine gefährliche Preisnachgiebigkeit an den Tag legen. Allerdings ändern sich bei Preisänderungen die Punktwerte nicht unbedingt automatisch mit, so dass diese immer wieder nachzujustieren sind. Gleiches gilt bei Erlösschmälerungen. Außerdem leidet die Transparenz des Ansatzes durch hohen Administrationsaufwand. Als alternative Bezugsgrößen kommen folgende in Betracht. Der Gewinn erfordert eine ausdifferenzierte Kosten- und Leistungsrechnung. Über die Anforderungen, die daran hinsichtlich des Deckungsbeitrags gestellt werden, hinaus müssen hier alle Kostenbestandteile berücksichtigt werden. Da die Mehrzahl der Kosten typischerweise aber nicht im Vertriebs-, sondern in anderen Unternehmensbereichen verursacht wird, stellt sich die Frage der Sinnhaftigkeit dieser Steuergröße. Der Umsatz ist einfach zu ermitteln und weder Kunden noch Mitbewerber oder Mitarbeiter erhalten dadurch ungewollt Einblick in die Ertragssituation des Unter-

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2.2 Führung der Vertriebsmitarbeiter 

nehmens. Bei Preisänderungen erfolgt weiterhin eine automatische Anpassung ohne administrativen Aufwand. Jedoch besteht die Gefahr, dass dann Umsätze „um jeden Preis“ gemacht werden, wobei Erlösschmälerungen überproportional auf den Gewinn / Deckungsbeitrag durchschlagen. Ebenso ist eine Steuerung auf spezielle Produkte / Kunden / Gebiete schwierig. Die Vertriebskosten gehen in den Umsatzwert gar nicht ein, so dass eine Kostensteuerung dort problematisch ist. Außerdem sagt der Umsatz noch nichts über die Profitabilität eines Abschlusses aus. Die Mengengröße Absatz wird häufig anstelle der Wertgröße Umsatz zur Steuerung eingesetzt. Diese bietet den Vorteil, dass sie sehr leicht messbar ist und auf die Verrechnung im Vertrieb ohnehin schwer erfassbarer Kostengrößen verzichtet. Außerdem kann bei üblicherweise hohem Fixkostenanteil unterstellt werden, dass Aktivitäten umso rentabler sind, je mehr Menge sie repräsentieren, dies entspricht dem Kostendegressionseffekt. Ebenso werden inflationäre Effekte neutralisiert. Allerdings bedeutet eine solche Leistungsbasis auch, dass auf jegliche Profitabilitätsüberlegungen als Steuergröße verzichtet wird.

Provisionshöhe

Provisionshöhe

Sonstige Bezugsgrößen für Provisionen beziehen sich vor allem auf Rabatte und Spesen. Bei ersteren werden neben dem Umsatz die gewährten Rabatte berücksichtigt, sofern der Verkaufsmitarbeiter die Kompetenz zur Rabattgewährung hat. Dadurch werden Erlösschmälerungen ins Kalkül einbezogen. Bei letzteren werden neben dem Umsatz die entstandenen Auslagen berücksichtigt. Dabei bleibt meist ein Spesensockel unberücksichtigt, um kontraproduktiven Effekten, z. B. kein Besuch weit entfernter Kunden oder Betrieb verschmutzter Geschäftswagen, vorzubeugen.

Bezugsbasis

Bezugsbasis

Abbildung 25: Optionale Provisionsverläufe

Der Provisionsverlauf kann linear, d. h. als gleich bleibender Satz bei Bezugsgrößenänderung, progressiv, d. h. steigend gegenüber der Bezugsgröße, degressiv, d. h. sinkend gegenüber der Bezugsgröße oder s-förmig gestaltet sein (siehe Abb. 25: Optionale Provisionsverläufe). Bei linearer Auslegung ist ein gleich bleibender Provisionssatz unabhängig von der Bezugsgröße gegeben. Vorteile liegen in der Einfachheit und Übersichtlichkeit dieser Regelung sowie in ihrem variablen Kostencharakter. Nachteile liegen

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2. Der Offline-Direktabsatz

in der gleich gewichtigen Einrechnung sowohl leicht als auch schwer zu erzielender Abschlüsse. Bei progressiver Auslegung steigt der Provisionssatz mit steigender Höhe der Bezugsgröße. Die Berechnung erfolgt eher selten integral progressiv, d. h. bezogen auf die gesamten Bezugsgröße, wobei an den Berechnungsschwellen mehr oder minder erhebliche Provisionssprünge entstehen, oder häufiger differenziell progressiv, d. h. bezogen auf das Überschreiten festgelegter Schwellen von Bezugsgrößen, wodurch eine gewisse Kontinuität erreicht wird. Vorteile liegen in der Eignung zum Aufbau neuer Gebiete, im steigenden Anreiz für wachsende Abschlüsse und in der Vermeidung von Saturationseffekten. Nachteile liegen im Einkommensverfall bei Gesamtumsatzrückgang, in der Gefahr von Hochdruckverkauf zulasten der Kundenzufriedenheit und in steigender Kostenbelastung im Vertrieb. Bei degressiver Auslegung sinkt der Provisionssatz mit steigender Höhe der Bezugsgröße. Wiederum kann dies integral oder differenziell degressiv geschehen. Vorteile liegen in der Stabilisierung des Umsatzes und der Produktion sowie in der Relation von Verkaufsinnendienst- und -außendiensteinkommen. Nachteile liegen in etwaig mangelnder Motivierung der Mitarbeiter, die als Umsatzbremse wirkt. Daher ist diese Auslegung praktisch nur selten anzutreffen. Bei s-förmiger Auslegung ist eine Kombination aus progressiver, linearer und degressiver Provision im Ablauf steigender Bezugsgröße gegeben. Dies nutzt weitgehend die jeweiligen Vor- und vermeidet deren Nachteile. Zu Beginn werden somit kräftige Erfolgsanreize gesetzt, in einer Phase oberhalb der Normalleistung wird der Einkommenszuwachs linearisiert und danach zur Vermeidung von Überbeanspruchungen wieder abgeschwächt. Jedoch ist diese Auslegung ziemlich kompliziert. Der Verlauf ist treppenförmig. Das Basiseinkommen jedes Mitarbeiters ist, meist in Abhängigkeit von Lebensalter, Betriebszugehörigkeitsdauer, Qualifikationsprofil etc., zu justieren. Dieses Einkommen ergibt sich als Summe aus fixem und variablem Anteil, wenn die Vorgaben für den variablen Anteil zu 100 % erfüllt werden, und ist damit Ausgangspunkt der Entlohnungsstaffel. Üblich ist dabei eine Zoneneinteilung im Verlauf mit einem Mindesteinkommen, d. h. einem fixen Anteil, der dem Mitarbeiter eine auskömmliche Existenz auch dann sichert, wenn Absatzerfolge vorübergehend ausbleiben, sowie einem Höchsteinkommen, das den variablen Anteil deckelt, weil bei auffällig hoher Übererfüllung der Leistungsstandards daran zu zweifeln ist, dass die Vorgabewerte realistisch sind. Für den Fall, dass das komplette Einkommen variabel ist, wird meist eine Untergrenze als Einkommenssicherung eingezogen. Der Provisionsverlauf ist dann treppenförmig. Hemmend wirken hier allerdings die Unübersichtlichkeit der Kriterien und der administrative Aufwand zur Berechnung. Dabei können auch Einflussfaktoren be-

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rücksichtigt werden wie „Renner“- und „Penner“-Produkte, Auftragsgrößen, um Kleinstaufträge zu reduzieren, Kundengruppen, um Kunden mit guter Perspektive zu fördern, Saison, die antizyklische Anreize setzt, oder Absatzgebiet. Denkbar ist auch, die Mitarbeiter selbst über die Aufteilung von fixen und variablen Einkommensbestandteilen entscheiden zu lassen. Dies ermöglicht nicht nur eine stärkere Identifikation mit den Vorgabezielen, sondern offenbart zugleich auch die Leistungserwartung jedes Mitarbeiters nach Self selection. Verzerrend wirkt dabei allerdings, dass exogene Ereignisse, auf welche der Mitarbeiter selbst keinen Einfluss hat, auf sein Einkommen durchschlagen, wie er aber auch an Mitnahmeeffekten aus Windfall profits partizipiert.

2.2.4 Leistungsanreize Leistungsanreize sollen punktuell die besondere Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter entfalten. Dafür kommen materielle oder immaterielle Anreize in Betracht. Die Prämie als materieller Anreiz stellt eine variable Entlohnungsform dar, die immer zusätzlich zu anderen Größen verwendet wird. Prämien werden fallweise für spezielle Absatzziele, die durch Festgehalt oder Provision so nicht erreichbar scheinen, in Form von Absolutwert, Punktzahl, Korrekturfaktor zur sonstigen Entlohnung oder Zuschlagssatz eingesetzt. Prämien sind diskontinuierlich angelegt. Solche Sonderziele sind z. B. Spitzenleistung, Neukundengewinnung, Neuprodukteinführung, Lagerabbau, Besuchsfrequenz, Distributionsaufbau bzw. -haltung, Inkasso, Planerfüllung, Saison, Kundenzufriedenheit, Auftragswert, Aktionsrunde. Diese Ziele können kurz- oder langfristig angestrebt werden, sich auf Haupt- oder Nebenleistungen beziehen, quantitativer oder qualitativer Natur sein. Vorteile liegen in der Flexibilität des Einsatzes, der Zusatzmotivation der Verkäufer und einer hohen Gerechtigkeit. Nachteile liegen in einer gewissen Unübersichtlichkeit sowie in Gefahren für Fehlanreize und Verzerrungen. Zudem sind Prämien nur schwer rückgängig zu machen. Die Festlegung der Prämienhöhe erfolgt unterschiedlich. Beim fixen Prämienfonds wird ein vorher definierter Geldbetrag analog der Leistung auf alle prämienberechtigten Verkäufer im Anteil ihrer Leistungen aufgeteilt. Beim variablen Prämienfonds ist dieser Geldbetrag von einer Bezugsgröße abhängig (z. B. Umsatz oder Gewinn). Dann ist der auszuschüttende Betrag allerdings im Vorhinein nicht bekannt. Die Prämie kann aber auch als gleicher Geldbetrag je Verkäufer definiert sein, sich auf Grundlage seines jeweiligen Festgehaltsockels berechnen oder durch individuelle Zu- und Abschläge beeinflusst sein. Bei Poolprämien partizipieren alle Gruppenmitglieder gleichmäßig unabhängig von ihrer individuellen Leistung. Neben diesen quantitativen kommen auch qualitative Zielgrößen in Betracht, die allerdings der subjektiven Verzerrung unterliegen (z. B. nach Besuchsberichten, Kundenzufriedenheitsgrad, Verkaufsgesprächsführung).

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2. Der Offline-Direktabsatz

Gratifikationen und Boni stehen normalerweise dem gesamten Personal eines Betriebs zu, nicht nur den Vertriebsmitarbeitern und werden erst nach Periodenende vergütet, z. B. Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld. Dabei ist der Zusammenhang zwischen individueller Leistung und Belohnung jedoch nur sehr indirekt einsichtig. Außerdem ist eine Erfolgsbeteiligung möglich. Sie bemisst sich als Leistungsbeteiligung nach Akquisition, Produktivität, Kostenersparnis, als Ertragsbeteiligung nach Umsatz, Rohertrag, Wertschöpfung, Nettoertrag oder als Gewinnbeteiligung nach Betriebsgewinn, Division-Gewinn, Ausschüttungsgewinn oder Substanz. Es ergibt sich zunehmend eine Verlagerung von fixer zu erfolgsabhängiger Entlohnung und von materieller zu ideeller Vorteilsgewährung. Incentives sind i. d. R. ein steuerpflichtiger Sachbezug. Die Geldbewertung von Sachbezügen ist mit den üblichen Endpreisen am Abgabeort anzusetzen und als geldwerter Vorteil zu versteuern. Bei Incentive-Reisen wird wegen der eingeschränkten Disposition der Teilnehmer darüber ein Abschlag von ca. 1/3 vorgenommen. Eine pauschale Umlage von Kosten auf die Teilnehmer ist nicht zulässig. Der Transport zum Zielort gehört jedoch zu den Reisekosten, ebenso Mahlzeiten und Übernachtungen auf dem Weg zum Zielort. Eine Aufsplittung in einen steuerpflichtigen und einen steuerfreien Teil ist nicht zulässig. Entscheidend ist, dass der Vorteil angenommen wurde, auch eine Verpflichtung zur Teilnahme wirkt nicht befreiend. Incentive-Reisen sind insb. keine Betriebsversammlungen, weil sie nicht allen Mitarbeitern zugänglich sind. Für das veranstaltende Unternehmen stellen Incentives eine Betriebsausgabe dar, die sich auf den steuerlichen Gewinn mindernd auswirkt. Außer, das Incentive wird als Geschenk ohne Gegenleistung gewährt, dann darf dieses als Betriebsausgabe veranschlagt werden, wenn eine Anschaffungsobergrenze pro Kalenderjahr nicht überschritten wird. Bei Selbstständigen (Handelsvertreter etc.) stellen Incentives umsatzsteuerpflichtige Entgelte dar, allerdings nicht als Eigenverbrauch. Bei Absatzmittlern werden Incentives als „Preisnachlass“ des Lieferanten verstanden, daher muss der Vorsteuerabzug berichtigt werden. Neben den monetären gibt es auch indirekt materielle und immaterielle Entlohnungssysteme. Erstere betreffen geldwerte Sach- und / oder Dienstleistungen, die Verkäufern unentgeltlich oder subventioniert zur Verfügung gestellt werden. Letztere betreffen emotionale Idealleistungen, die Verkäufer im Betrieb hervorheben. Dabei ist an Anerkennungen, z. B. Mitglied im 100 %-Club, Leistungsauszeichnungen, z. B. als Verkäufer des Monats, oder Ernennungen durch Titel zu denken. Weitere Formen sind aufwertende Stellenbeschreibungen, Aus- und Weiterbildungsangebote, Statussymbole wie reservierter / nahe gelegener Parkplatz, Raumgröße / Etage / Anzahl Fensterachsen / Eckbüro, Sekretariatszuweisung / Assistenz, Berufung in Gremien, Ausstattungsfreiheit bei Büroausstattung, Spesenbudget / Firmenkreditkarte, Travel upgrade etc. Am motivierendsten ist aber wohl die Ausgestaltung der Tätigkeit selbst.

2.2 Führung der Vertriebsmitarbeiter 

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Allerdings kommt es auch hier zu Wear out-Effekten, und die Chancengleichheit der Teilnehmer ist durchaus fraglich. Außerdem wird die Attraktivität der Anreize interpersonell stark unterschiedlich bewertet. Weiterhin besteht die Gefahr, dass diese Anreize im Verlauf der Zeit als fester Vergütungsbestandteil angesehen werden und weder abbaubar noch mehr sonderlich leistungsfördernd sind. Als sehr wirksam haben sich die Vereinbarung einer Laufbahnperspektive oder anlassbezogene Karrieregespräche herausgestellt. Weit verbreitet ist das Cafeteria-System. Dabei hat der Mitarbeiter die Auswahl, sich unter verschiedenen Anreizen (Fringe benefits) zu entscheiden. Zu denken ist etwa an folgende: • zusätzlicher Urlaub, kürzere Tagesarbeitszeit, kürzere Wochenarbeitszeit, kürzere Jahresarbeitszeit, freie Arbeitstage, Langzeiturlaub (Sabbatical), Vorruhestandsregelung / Frühpensionierung, Teilzeitarbeit, Job sharing, Geld statt Urlaub, Homeoffice, • Urlaubsangebote, flexible Arbeitszeiten, • Arbeitgeberdarlehen, Kapitalanlagen, Investivlohn, Vermögensbeteiligung / ​Stock options, Gewinnbeteiligung / Profit sharing, Studien-/Erziehungsgelder, zusätzliche betriebliche Altersversorgung, • Bildungsurlaub, Auslandsaufenthalt, Forschungsmöglichkeiten, Kongressteilnahme, • Lebensversicherung / Direktversicherung, zusätzliche Krankenversicherung (zahnärztlich, stationär, augenärztlich etc.), Unfallversicherung, Arbeitsunfähigkeits-/​ Invaliditätsversicherung, Haftpflichtversicherung, Rechtschutzversicherung, Ver­ sicherung gegen Vermögensschäden, • periodische kostenlose ärztliche Vorsorgeuntersuchung, • kostenlose / vergünstigte Rechts- und Steuerberatung, Geldanlageberatung, • Firmenwagen, Firmenwohnung, Firmeneinkäufe, Entlohnung in Naturalien, verbesserte Büroausstattung, reservierter Parkplatz, Sportangebote, FlugreisenUpgrades, längere Kündigungsfristen. Um die Bezahlungsstruktur unproblematisch zu halten, wird häufig eine Teamhonorierung vorgezogen. Allerdings stellt sich dann die Frage nach einem „gerechten“ Verteilungsschlüssel, damit keine Fehlanreize entstehen. Die Gerechtigkeit kann sich auf den Arbeitsinput beziehen oder auf den Leistungsoutput, auf individuelle Disposition oder soziale Aspekte. Bei Änderungen der Vergütung ist zudem regelmäßig die Zustimmung des Betriebsrats, und zwar auch bei außertariflich angestellten Mitarbeitern, einzuholen.

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2. Der Offline-Direktabsatz

2.2.5 Führungsstile Über die Notwendigkeit der Führung von Mitarbeitern bestehen kontroverse Vorstellungen. Für die konkrete Ausgestaltung der Mitarbeiterführung gibt es eine ganze Reihe von Führungmodellen, im Folgenden werden drei zentrale von ihnen kurz charakterisiert. Trainingsprogramme sollen Mitarbeiter entlang dieser Führungsstile entwickeln. Beim eindimensionalen Führungsmodell (Tannenbaum / ​​Schmidt) lassen sich zwei Grund- und jeweils vier Untertypen unterscheiden. Die autoritäre Grundhaltung ist generell dadurch gekennzeichnet, dass der Vorgesetzte entscheidet und anordnet: • Beim despotischen Führungsstil handelt es sich um einen charismatischen Herr im Haus-Standpunkt, bei dem das Eigentum an Produktionsmitteln Herrschaftsdenken legitimiert. • Beim patriarchalischen Führungsstil entscheidet immer noch der Vorgesetzte allein, allerdings ist aber bestrebt, seine Untergebenen zu überzeugen, bevor er anordnet. • Auch beim paternalischen Führungsstil dominiert das autokratische Herrschen, jedoch besteht ein Verantwortungsgefühl für die Belange der Mitarbeiter, ohne diese aber aktiv zu beteiligen. • Beim pädagogischen Führungsstil wird die Selbstständigkeit der Mitarbeiter gefördert und entwickelt, indem Fragen gestattet werden, um die Akzeptanz von Entscheidungen zu erhöhen. Die demokratische Grundhaltung ist generell dadurch gekennzeichnet, dass der Vorgesetzte lenkt und koordiniert: • Beim partnerschaftlichen Führungsstil fordert der Vorgesetzte seine Mitarbeiter auf, an der Zielfindung mitzuwirken und informiert diese über anstehende Entscheidungen. • Beim partizipativen Führungsstil werden Entscheidungsvorlagen unter Einbeziehung von Wissen, Können und Interesse der Mitarbeiter gemeinsam erarbeitet, die der Vorgesetzte sanktioniert. • Beim kollektiven Führungsstil zeigt der Vorgesetzte das Problem und den Handlungsspielraum auf und überlässt es Mitarbeitern, unter seiner Anleitung selbstständig Lösungen zu erarbeiten. • Beim autonomen Führungsstil entscheidet die Gruppe selbst, und der Vorgesetzte vertritt deren Gruppenmeinung nach innen und außen mit formaler Kompetenz. Der Grundtenor hierzulande liegt heutzutage eindeutig bei Formen der demokratischen Grundhaltung. Dies setzt Vertrauen in die Mitarbeiter voraus. Inwieweit

2.2 Führung der Vertriebsmitarbeiter 

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dies gegeben ist, hängt jedoch durchaus vom Einzelfall ab. Im Mittelpunkt stehen dabei der Respekt vor dem Individuum und der Diversität der Belegschaft sowie die Annahme deren Strebens nach Selbstverwirklichung im Beruf. Jenseits dieser humanitären Kriterien sind, vor allem im fernöstlichen Ausland, auch Formen autoritärer Grundhaltung verbreitet und erfolgreich. Sie ordnen das Eigeninteresse hierarchisch strukturierten, übergeordneten Gemeinwohlinteressen unter. Inwieweit dies zu mehr Glücksgefühl bei den Betroffenen führt, ist fraglich, unbestreitbar ist jedoch eine höhere Effizienz, wie sich vor allem in Krisensituationen beweist. Von den zweidimensionalen Führungsmodellen ist das von Blake / ​Mouton am bekanntesten. Es besteht aus einer Matrix mit den Gestaltungsdimensionen Mitarbeiterorientierung und Aufgabenorientierung, jeweils unterteilt in niedrig und hoch, aus denen sich vier Extrempositionen und eine Mittelposition wie folgt ergeben: • Glaceehandschuh-Management (Country club): Die Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter nach zufriedenstellenden zwischenmenschlichen Beziehungen (= hohe Mitarbeiterorientierung) sorgt für ein gemächliches und freundliches Betriebsklima und Arbeitstempo (= niedrige Aufgabenorientierung). • Gruppen-Management (Team): Es ist eine hohe Arbeitsleistung von engagierten Mitarbeitern gegeben (= hohe Aufgabenorientierung). Die Interdependenz im gemeinschaftlichen Einsatz für das Unternehmensziel verbindet die Menschen in Vertrauen und gegenseitiger Achtung (= hohe Mitarbeiterorientierung). • Überlebens-Management (Impoverished): Eine minimale Anstrengung zur Erledigung der geforderten Arbeit (= niedrige Aufgabenorientierung) genügt gerade noch, sich im Unternehmen zu halten. Das Management denkt an sich selbst immer zuerst (= niedrige Mitarbeiterorientierung). • Befehls-Gehorsam-Management (Task): Hier ist ein optimales Einrichten der Arbeitsbedingungen (= hohe Aufgabenorientierung), das die Wirkung persönlicher Faktoren auf ein Minimum beschränkt (= niedrige Mitarbeiterorientierung), die Grundlage des Betriebserfolgs. • Organisations-Management (Middle of the road): Eine angemessene Leistung wird ermöglicht durch die Herstellung eines Gleichgewichts zwischen der Notwendigkeit, die Arbeit zu tun und der Aufrechterhaltung einer zufriedenstellenden Betriebsmoral. Dies wird als ideale Ausprägungen angesehen. Jedes auf den ersten Blick einfache Modell, das sich großer praktischer Verbreitung erfreut, sollte mit Skepsis betrachtet werden, so auch dieses. Es arbeitet mit vage formulierten Grundannahmen. Die abgeleiteten Verhaltensperspektiven sind daher nicht evidenzbasiert. Was auch daran liegt, dass entscheidende situationsspezifische Variable gar nicht erst in die Betrachtung eingehen. Auch ist die so gesehene ideale Ausprägung des Organisations-Managements rein normativ aus der Sicht der Autoren und nicht theoretisch abgeleitet. Insofern bleibt die Eignung zur Anleitung der Menschenführung im betrieblichen Kontext zweifelhaft.

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2. Der Offline-Direktabsatz

Bei den dreidimensionalen Führungsmodellen ist der Ansatz von Reddin hervorzuheben. Er unterscheidet, aufbauend auf Blake / ​Mouton, bei der Aufgaben- bzw. Mitarbeiterorientierung jeweils noch ineffektive und effektive Dimensionen. Entsprechend ergeben sich vier Positionen: • Der Verfahrensstil ist durch starre Regeln und Vorschriften geprägt und nicht auf Situationen mit hoher Dynamik anwendbar. Aus Angst vor Verantwortung flüchtet der Vorgesetzte in Paragraphen und Dienstanweisungen (Kneifer / ​ineffektiv) oder sorgt für reibungsloses Funktionieren des Unternehmens (Verwalter / ​effektiv). • Der Beziehungsstil bemüht sich um ein gutes Verhältnis zu Mitarbeitern. Der Vorgesetzte geht dabei allen Unstimmigkeiten und Problemen aus dem Weg und vermeidet Konflikte (Gefälligkeitsapostel / ​ineffektiv) bzw. sorgt für eine vertrauensvolle Atmosphäre und motiviert Mitarbeiter zur Selbstverwirklichung (Förderer / ​effektiv). • Der Aufgabenstil stellt Leistung und Arbeitsergebnis in den Vordergrund. Dies erfolgt durch Druckausübung mit Reibungsverlusten (Autokrat / ​ineffektiv) bzw. durch Erfahrung, Fleiß und Initiative mit Entscheidungsrecht in der Gruppe (Macher / ​effektiv). • Der Integrationsstil bedeutet Berücksichtigung sowohl der Aufgaben- als auch der Beziehungskomponente. Dies erfolgt durch Zwang zu Kompromissen mit langer Bearbeitungszeit von Problemen (Kompromissler / ​ineffektiv) bzw. Akzeptierung der Persönlichkeit von Mitarbeitern mit Koordination ihrer Aktivitäten anhand hoher Maßstäbe (Integrierer / ​effektiv). Dieses Modell ist in der Realität problematisch, da von der Führungskraft eine ständige Analyse aller Situationsvariablen verlangt wird, um den jeweils effektivsten Führungsstil anwenden zu können. Dies dürfte aber schlichtweg unmöglich sein, daher ist dieser Ansatz wohl praxisfern zu nennen. Führungsstile haben sich praktisch als Management by-Techniken etabliert, die es in zahlreichen Ausprägungen gibt. Im Nachfolgenden sind einige im Vertrieb wichtige skizziert: • Management by objectives (Mbo) als zielorientierte Führung durch die Vereinbarung operationalisierter Ziele auf jeder Hierarchiestufe der Vertriebsorganisation auf Basis von Zielerreichungszusagen durch die beteiligten Mitarbeiter sowie ein System von Commitments, Budgetierungen und Kontrollen. Es entstehen konkrete Ergebnisverantwortung, persönliche Arbeitsziele und ein relativer Freiheitsgrad für die Realisierung. • Management by delegation (Mbd)  bedeutet die Übertragung von Aufgaben, Verantwortungen und Rechten an nachfolgende Instanzen und Personen durch selbstständiges Arbeiten innerhalb des jeweiligen Kompetenzbereichs. Dadurch entsteht eine hohe Akzeptanz der Unternehmensziele durch die Mitarbeiter und eine Transparenz über die Prozesse.

2.2 Führung der Vertriebsmitarbeiter 

107

• Management by exception (Mbe) erlaubt Eingriffe in einen beliebigen Prozess durch das Management, sofern Abweichungen von vereinbarten Toleranzgrenzen aufteten. Als Indikatoren dafür gelten Abweichungs- und Problemanalysen sowie Methoden zur Stabilisierung von Prozessen. Insofern kommt es zu einer Entlastung des Management, hoher Selbstverantwortung der Mitarbeiter und Motivation durch Ergebnisbeteiligung. • Management by control (Mbc) stellt Ergebnis-, Verhaltens- und Leistungskon­ trollen für die Überwachung aller Prozesse und der damit beauftragten Personen durch ein System von Kennziffern in den Mittelpunkt. Dadurch ergeben sich kurze Reaktionszeiten und ein hoher Beeinflussungsgrad. • Management by coordination (Mbcoo) bedeutet die Zusammenfassung von Teilaktivitäten im Hinblick auf vertriebsweite Ziele mit einer Viezahl von Koordinationsaufgaben in sachlicher, organisatorischer, personeller, finanzieller, informationeller und zeitlicher Hinsicht. Dies führt zu einer Entlastung des Management und zur Arbeitsteilung zwischen personellen und fachlichen Aufgaben. • Management by communication (Mbcom) sieht eine funktionierende Kommunikation als Voraussetzung für jede effektive Führung an. Es kommt zu einer starken Betonung der zwischenmenschlichen Beziehungen mit Übergang von der fachlichen Anweisung zur sozialen Interaktion mit hohen Anforderungen an die Sozialkompetenz der Manager. Dabei erfolgt eine Einbindung der Führungskräfte in den Problemlösungsprozess der Teams. • Management by development (Mbdev) bezieht sich auf die Aus- und Weiterbildung und das Training einzustellender oder vorhandener Mitarbeiter für neue Aufgaben zur Erzielung eines hohen Standards. So sollen die Schlüsselqualifikationen entwickelt werden. Dadurch ist eine langfristige Sicherung qualifizierter Mitarbeiter im Vertrieb bei sich ändernden Aufgaben gegeben. • Management by motivation (Mbmot) hebt auf die Erzielung einer größtmöglichen Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter durch Anreize ab, die ihren Motiven entsprechen. Als Ziel gilt die Selbstverwirklichung des Menschen im Beruf. Anreizsysteme stellen die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen sicher. Dadurch kann eine konstruktive Verhaltenssteuerung erreicht werden (Sozialtechnik). • Management by systems (Mbsys) hat eine Gesamtschau der Prozesse i. S. e. Regelkreises zum Inhalt. Komplexitäten und Interdepdenzen können auf diese Weise dargestellt und durchschaubar gemacht werden. Allerdings kommt dem eher ein didaktischer, denn ein praktischer Nutzwert zu. Dennoch ist allein die Verdeutlichung des Systems häufig eine große Hilfe. Diese und andere Führungsstile entspringen im Wesentlichen praktischen Erfahrungen und sind daher anfechtbar. Ebenso wird kein Anhaltspunkt geboten, wann genau welcher Führungsstil erfolgversprechend ist. Dies hängt von vielfachen

108

2. Der Offline-Direktabsatz

situativen Variablen, insb. der Persönlichkeit des Vorgesetzten und den Persönlichkeiten seiner Geführten ab. Verbreitet sind Veralberungen dieser Management by-Techniken wie Management by Jeans (an allen entscheidenden Stellen sitzen Nieten), by Champignon (die Mitarbeiter im Dunkeln lassen, mit Mist eindecken, wenn sich helle Köpfe zeigen, sofort abschneiden), by Nilpferd (überraschend auftauchen, Maul aufreißen, und wieder weg), by Nena (irgendwie, irgendwo, irgendwann …), by Zeppelin (weit oben, aufgeblasen, dünne Haut und hohl), by Orgel (an den wichtigsten Stellen sind die größten Pfeifen platziert) etc.

2.3 Einsatz der Vertriebsmitarbeiter Der Einsatz der Vertriebsmitarbeiter basiert im Wesentlichen auf vier Steuerungsgrößen, der Gebietsaufteilung auf die Personen (2.3.1), der Zeitbudgetierung je Kunde (2.3.2), den dabei jeweils einzuhaltenden Besuchsnormen (2.3.3) und dem Berichtswesen (2.3.4).

2.3.1 Gebietsaufteilung Der Vertrieb bedingt zu seiner effektiven Steuerung eine zweckmäßige Aufteilung der Verkaufsbezirke. Dazu dienen vor allem zwei Verfahren. Kundenklasse

A

B

C



Kundenzahl

20

40

80

140

Besuchshäufigkeit (p. a.)

12

6

2

5

2

1

60

12

2

1.200

480

160

Besuchsdauer (Std.) Zeitbedarf je Kunde (Std.) Zeitbedarf je Kundenklasse (Std.)

Kapazität je Reisendem nach Tarifarbeitszeit, Urlaub, Krankheit (Std.)

1.840 1.600

Vor- und Nachbereitung, Verwaltungsanteil (20 %) (Std.)

320

Wartezeit, Fahrtzeiten (30 %) (Std.)

480

Gesprächsanteil (50 %) (Std.)

800

erforderliche Anzahl VADMs

2

Abbildung 26: Kapazitätsberechnung Verkaufsaußendienstmitarbeiter (Beispiel)

Das Umsatzpotenzialverfahren ist von seiner Anlage her output-orientiert, geht damit davon aus, dass die Produktivität jedes Verkäufers in Bezug auf den Umsatz

2.3 Einsatz der Vertriebsmitarbeiter 

109

der Kunden gleich hoch, er also in der Lage ist, in einem bestimmten Zeitraum die gleichen Umsätze zu erzielen wie jeder seiner Kollegen auch. Das Verfahren geht wie folgt vor. Zunächst wird das Marktpotenzial ermittelt. Daraus ergibt sich das Umsatzpotenzial als wertmäßiger Marktanteil. Insofern lässt sich der Arbeitsumfang jedes einzelnen Mitarbeiters ermitteln. Dividiert man das Umsatzpotenzial durch den Arbeitsumfang, ergibt sich daraus die Anzahl der Verkaufsbezirke. Vorteile des Umsatzpotenzialverfahrens sind vor allem der mögliche direkte Wettbewerb zwischen den Außendienstmitarbeitern, da jeder von ihnen a priori gleiche Verkaufschancen hat, sowie die einfache und verständliche Provisionsregelung. Nachteile liegen in der unvermeidlich ungleichen Gebietsgröße und damit unterschiedlichem Reiseaufwand und unterschiedlicher Arbeitslast. Vor allem aber liegt ein logischer Zirkelschluss vor, wenn die Zahl einzusetzender Verkäufer aus einem geschätzten Abschlussvolumen hergeleitet wird. Gerade dieses soll ja durch den Einsatz der Verkäufer erst beeinflusst werden (siehe Abb. 26: Kapazitätsberechnung Verkaufsaußendienstmitarbeiter (Beispiel)). Das Arbeitslastverfahren ist hingegen input-orientiert, basiert also auf der Grundidee, dass jeder Verkäufer dieselbe Arbeitslast in Bezug auf den Aufwand für Kunden bewältigen kann. Zur Ermittlung der Anzahl der Verkaufsbezirke ist es nötig, den gesamten Arbeitsaufwand zu ermitteln, der für die Bearbeitung des anvisierten Marktes notwendig ist. Dazu geht das Verfahren wie folgt vor. Potenzielle Kunden werden nach ihrem Umsatzpotenzial eingeteilt. Dann wird die Besuchshäufigkeit pro Zeiteinheit je nach Bedeutung der Kunden festgelegt. Daraus ergibt sich das Produkt aus Kundenzahl und Besuchshäufigkeit. Dagegen werden die Arbeitstage je Verkäufer gestellt. Dividiert man die Bruttobesuchstage durch diese Arbeitstage, ergibt sich die Anzahl der erforderlichen Verkäufer. Vorteile des Arbeitslastverfahrens sind vor allem die faire Verteilung des Betreuungsaufwands sowie seine Einfachheit und Verständlichkeit. Nachteile liegen in den unterschiedlichen Umsatzpotenzialen, die in der Provisionsregelung zu berücksichtigen sind. Zudem müssen auch neue Kunden akquiriert werden. Es empfiehlt sich, die Aufteilung der Verkaufsbezirke nur in Abstimmung mit den betroffenen Mitarbeitern vorzunehmen und dann mittelfristig unverändert beizubehalten. Denkbar ist aber auch die umgekehrte Vorgehensweise, also von der gegebenen Arbeitslast auf die erforderliche Zahl der ADMs (siehe Abb. 27: Berechnung der VADM-Kapazität und -Kosten (Beispiel)).

110

2. Der Offline-Direktabsatz

A-Kunden

B-Kunden

C-Kunden

Summe

Anzahl der Kunden

200

800

3.200

4.200

Besuchsfrequenz

52

26

13

Gesamtzeit je Besuch in Stunden

3

4

5

Gesamtzahl der Besuche

10.400

20.800

41.600

72.800

Gesamtstundenzahl

31.200

83.200

208.000

322.400

20

52

130

96.000

84.000

72.000

Arbeitszeit je VADM / p. a. Erforderliche Anzahl der VADMs Fixkosten je VADM / p. a. in € Kosten je Kundengruppe p. a. / €

*1.600

1.920.000

4.368.000

9.360.000

Fixkosten je Kunde / €

9.600

5.460

2.925

Fixkosten je Besuch / €

184,62

210

225.--

Fixkosten je Besuchsstunde / €

61,54

52,5

45,--

400

200

100

202 15.648.000

Umsatzprovision in % Potenzial je Kundengruppe p. a. in Mio.

0,5

Durchschnittsumsatz je Kunde / €

2.000.000

500.000

125.000

Durchschnittsumsatz je Besuch / €

38.462

19.231

9.615

Umsatzprovision je VADM absolut / €

100.000

19.231

3.846

Gesamtkosten je VADM p. a. / €

196.000

103.231

75.846

Gesamtkosten je Kunde / €

19.600

6.710

3.081

Gesamtkosten je Besuch / €

376,92

258,08

237,--

Gesamtkosten je Besuchsstunde / €

125,64

64,52

47,40

Gesamtkosten der VADMs p. a. / €

Gewinnspanne in % Mindestumsatz je Kunde zur Deckung der Personalkosten / € Mindestumsatz je Besuch zur Deckung der Personalkosten / € Sicherheitsspanne je Besuch in %

700

19.147.532

2,5 784.000

268.000

123.240

15.077

10.323

9.480

39,2

53,7

- 1,4

* 365 Kalendertage p. a. - 104 Tage Wochenende - 10 Feiertage - 30 Urlaubstage - 5 Krankheitstage - 4 Meetingtage - 8 Trainingstage - 4 Incentivetage = 200 Reisetage x 8 Arbeitsstunden = 1.600 Arbeitsstunden je VADM p. a.

Abbildung 27: Berechnung der VADM-Kapazität und -Kosten (Beispiel)

111

2.3 Einsatz der Vertriebsmitarbeiter 

2.3.2 Zeitbudgetierung

Freitag

Montag

Donnerstag

4. Woche

1. Woche

3. Woche

2. Woche

Dienstag Mittwoch

Mittwoch

Freitag

Montag

Montag A-Kunden

Donnerstag

Freitag (Home office)

B-Kunden

Donnerstag Dienstag

Mittwoch

Dienstag (Home office)

Abbildung 28: Verbreitete Verfahren zur Tourenplanung

Bei der Zeitbudgetierung steht die Nutzung der zugeteilten Zeiteinheiten im Mittelpunkt. Dabei stellt sich vor allem die Frage der Anzahl zu besuchender Kunden in der Tourenplanung (siehe Abb. 28: Verbreitete Verfahren zur Tourenplanung) sowie der Reihenfolge zu besuchender Kunden in der Routenplanung. Die Tourenplanung bezieht sich auf die Festlegung der Anzahl der Kunden, die auf derselben Tour besucht werden. Am häufigsten geht man dabei wie folgt vor. Um den Sitz jedes Außendienstlers herum wird anhand einer Landkarte konzentrisch sein Verkaufsbezirk abgegrenzt. Dieser Verkaufsbezirk wird wiederum in fünf Abschnitte („Kuchenprinzip“) unterteilt, wobei jeder Abschnitt für einen Arbeitstag der Woche steht. Analog können mehr oder weniger Abschnitte bestimmt werden, in Abhängigkeit von den jeweils festgelegten, nicht unbedingt als gleichmäßig zu unterstellenden Besuchshäufigkeiten. Nach dem Sprungtourenverfahren werden die Segmente so gewählt, dass sie an aufeinander folgenden Arbeitstagen möglichst weit entfernt liegen. So können außerplanmäßige Termine kurzfristig „am Weg“ aufgefangen werden. Bei längeren Besuchsabständen ist auch eine Aufteilung des Verkaufsbezirks nach Wochenturnus möglich. Die Kunden eines Segments werden dann innerhalb einer Woche besucht, die des nächsten Segments in der nächsten Woche. Die Segmente ergeben sich jeweils asymmetrisch, wenn der Wohnort des Verkaufsaußendienstmitarbeiters nicht in der Mitte oder außerhalb des jeweiligen Gebiets liegt. Die Routenplanung betrifft die Reihenfolge der Kundenbesuche, die meist computergestützt in Abhängigkeit von Entfernungen zwischen zu besuchenden Kunden, Arbeitszeiten der Mitarbeiter, Reise- und Verweilzeiten bei den einzelnen Kontakten etc. ermittelt wird. Dazu dienen komplexe mathematische Verfah-

112

2. Der Offline-Direktabsatz

ren (Traveling salesman problem / ​OR), die umso schwieriger beherrschbar sind, je mehr Parameter dabei einbezogen werden. Zumindest ansatzweise ist somit theoretisch eine Optimierung möglich. Bei n Zielorten gibt es n! Kombinationen, dies ist nicht praktikabel. Praktisch werden innerhalb jedes Segments die Besuchsadressen an den Gebietsrändern als Kette verbunden (Außenring), jeweils startend und endend mit dem Sitz des Außendienstlers, bei größeren Gebieten auch mit Zwischenstopp. Die einzelnen Kundenstandorte werden dann im Innenring derart miteinander verbunden, dass möglichst keine spitzen Winkel, keine Kreuzungen von Strecken und keine gegenläufig zurück zu legenden Strecken entstehen. So ergibt sich die Reiseroute, vorausgesetzt, das Verkehrsnetz spricht nicht dagegen. Alternativ kann durch Navigationssystem computergestützt die optimale Route ermittelt werden. Dabei werden sinnvollerweise Zeitreserven eingeplant, um unvorhergesehene oder unvermeidliche Ausfälle zu kompensieren, etwa bei Kundendienstfahrten, bei denen die Termine eines Tages nicht planbar sind oder bei Paketdiensten, die Pakete auch abholen. Da Leistung Arbeit in der Zeit ist, geht es im zweiten Effizienzaspekt um die verschiedenen Leistungsarten, die in der Zeitbudgetierung im Verkauf unterschieden werden können. Nutzleistung ist die dem eigentlichen Verkauf dienende Zeit, d. h. die Situation „vor Kunde“, gleich ob diese erfolgreich verläuft oder nicht. Dies ist der „Auftritt“ des Verkaufsaußendienstmitarbeiters, jede Minute hier ist daher bestens angelegt. Stützleistung ist die für vor- und nachbereitende Arbeiten anfallende Zeit, die zwar nicht unmittelbar dem Verkauf dient, aber erforderlich ist, um erfolgreich Verkaufen zu können, z. B. Fahrtzeiten, Vorgabe- und Ergebniswesen. Mit wachsender Komplexität im Verkauf werden diese Aktivitäten immer anspruchsvoller. Blindleistung ist die Zeit, die weder der Vor- oder Nachbereitung noch der eigentlichen Durchführung des Verkaufs dient, aber unvermeidlich ist wie z. B. Krankheitstage, Urlaubstage, Fortbildungszeiten. Diese Zeiten sind meist tarif- oder einzelvertraglich festgelegt und machen einen erheblichen Teil des Zeitbudgets aus. Fehlleistung ist die Zeit, die vermeidbar ineffizient ist und daher minimiert werden muss wie z. B. Stauzeiten, Pannen, Wartezeiten beim Kunden, ausfallende Termine. Mit zunehmender Hektik im Umfeld nehmen auch diese Zeitanteile immer mehr zu. Ziel der Touren- und Routenplanung ist eine Gebietsoptimierung derart, dass die Gebiete den Feldmitarbeitern so zugeordnet sind, dass die Kosten der Bearbeitung bei gleichmäßiger Auslastung der Mitarbeiter minimiert werden. Neben dem Standort des Mitarbeiters sind dazu auch der Besuchsrhythmus und die Besuchsdauer zu bestimmen. Zur Ermittlung gibt es statische Verfahren, die voraussetzen, dass alle Informationen bekannt sind und unverändert bleiben, so dass die Planung nur einmalig zu erfolgen hat, und dynamische Verfahren, die annehmen, dass die Informationen nicht alle bekannt sind und sich ändern können. Es bieten sich folgende Methoden an:

2.3 Einsatz der Vertriebsmitarbeiter 

113

• Bei der Einkreis-Methode werden Zielorte und Standort in einer Landkarte markiert, die Tour ergibt sich als Kreise analog Blütenblättern. • Bei der Hauptstraßenmethode werden die Zielorte werden entlang einer Hauptverkehrsader (z. B. BAB) eingezeichnet und gruppiert. • Beim Sprungverfahren wird das Gebiet in Segmente aufgeteilt und naheliegende Ziele in zwei oder mehr Segmenten werden auf einer gemeinsamen Tour besucht.

2.3.3 Besuchsnormen Zu den wichtigsten Aufgaben im Verkauf gehören zweifellos die Besuchsaktivitäten. Dabei geht es um Besuche bei verschiedenen Kaufentscheidern, die Initiierung von Besuchen durch andere Mitarbeiter des anbietenden Unternehmens, z. B. Fachspezialisten, Geschäftsleitung, sowie Besuche kooperierender Anbieter, z. B. in Konsortien. Daneben stehen die Kommunikationsaktivitäten des Verkaufsaußendienstes, also vor allem die inhaltliche Gestaltung der Kommunikation zwischen Nachfrager und Anbieter, die gemeinsame Entwicklung von Problemlösungsvorschlägen mittels kundenindividueller Angebote sowie das Durchsetzen von Preisforderungen bzw. das Aushandeln von Konditionen im Vordergrund. Hinzu treten interne Aufgaben wie die Ausarbeitung von Angeboten, die Verfolgung dieser Angebote, die Überwachung der damit verbundenen administrativen Prozesse (Auftragsbearbeitung, Rechnungslegung, Zahlungseingang, Garantieabwicklung) und auch die eigenständige Fortbildung. Für die Koordinierung und Auswertung dieser Aktivitäten stehen Informationssysteme zur Verfügung. Weiterhin liegen der Vertriebstätigkeit meist Besuchsnormen zugrunde, die standardisiert oder kundengruppenspezifisch ausgelegt sein können. Basis dieser Regelung ist eine Sales response-Funktion über die mutmaßliche funktionale Beziehung zwischen der Anzahl der Besuche und dem Verkaufsergebnis bei Abnehmern. Damit kann z. B. vermieden werden, dass Verkaufsaußendienstmitarbeiter Besuche bei unangenehmen, aber ertragreichen Kunden nur ungern angehen und statt dessen Kunden mit besserem Arbeitsklima vorziehen, die aber betriebswirtschaftlich wenig attraktiv sind. Die Besuchsaktivitäten sollen auch unter Kostenaspekten geplant werden. Gerade in geografisch großen Verkaufsgebieten ist dabei eine Optimierung der Reisekosten und -zeiten erforderlich. Die Steuerung kann anhand verschiedener Parameter erfolgen. Dabei ist allerdings eine Gratwanderung erforderlich, denn eine zu enge Vorgabe von Besuchsstandards kann zur Inflexibilität und Demotivation der Mitarbeiter führen. Dennoch ist die beabsichtigte Einflussnahme auf das Verhalten zur Erreichung der von der Geschäftsleitung vorgegebenen Ziele unerlässlich.

114

2. Der Offline-Direktabsatz

Unter Besuchsvorgaben versteht man allgemein Standards in Bezug auf die Betreuung von Kunden. Dazu gehören vor allem folgende. Die Häufigkeit der Kundenbesuche innerhalb einer Periode variiert je nach Bedeutung der zu besuchenden Kunden. A-Kunden als Key accounts werden häufiger besucht als B- und C-Kunden. Evtl. wird auf den Besuch der C-Kunden auch ganz verzichtet und deren Betreuung von der persönlichen auf die mediale Kommunikation (Direktansprache) umgestellt. Oder vom Push-Prinzip auf das Pull-Prinzip des E-Commerce. Einfluss auf die Besuchshäufigkeit haben Bestellrhythmen und Mitarbeiterkapazitäten. Auch die Besuchsdauer bemisst sich im Wesentlichen an der Bedeutung der Kunden. A-Kunden rechtfertigen längere Besuchszeiten als B- oder gar C-Kunden. Leider haben Verkäufer die Tendenz, gern bei den falschen, wenig werthaltigen Kunden präsent zu sein, weil die werthaltigen, großen Kunden „feindliche“ Umfeldbedingungen bieten, kleine Kunden hingegen häufig freundliche. Dies verleitet dazu, immer wieder Ausreden zu finden, warum Termine bei A-Kunden nicht wahrgenommen werden können oder zu kurz ausfallen. Dies ist verhängnisvoll für die Profitabilität. Interessentenkontakte sind in ausgewogenem Verhältnis zur Bestandskundenbetreuung erforderlich. Zwar hat die Betreuung der Bestandskunden unbedingten Vorrang, da sie im Regelfall ertragreicher ist als jede Akquisition, dennoch ist zur Auffüllung des unvermeidlichen Abwachses an Kunden und zur Induzierung zusätzlicher Wachstumseffekte immer auch der Kontakt zu Prospects erforderlich, den Reisende häufig scheuen, weil er vergleichsweise selten zu unmittelbaren Abschlüssen führt. Präsentationen bei Bestandskunden und / ​oder Interessenten führen zwar selten zu unmittelbaren Abschlüssen und sind daher im Vertrieb unbeliebt. Dennoch sind sie unerlässlich, um Bestandskunden über neue Produkte im Programm angemessen zu informieren und Interessenten von den Vorteilen des Eingehens einer Geschäftsbeziehung mit dem vertretenen Anbieter zu überzeugen. Die Anfragengenerierung sollte sich idealerweise auf die erfolgversprechendsten Produkte mit der höchsten Profitabilität konzentrieren. Damit es dazu kommt, ist ein entsprechender Vorverkauf dieser Leistungen erforderlich, statt auf die am leichtesten anzudienenden Produkte zu reflektieren. Nur dadurch können Anfragen erreicht und damit die Chancen auf eine Auftragserteilung geschaffen werden. Selbst Routineaufträge innerhalb bestehender Geschäftsbeziehungen werden kaum mehr ohne formale Angebotseinholung erteilt. Insofern hat die Vernachlässigung des Angebotswesens einen entscheidenden Sperrklinkeneffekt. Vor allem kommt es darauf an, die Qualität der Angebote so auszugestalten, dass sie eine realistische Chance auf Erfolg haben. Dies ist ablesbar an der Hitrate, d. h. der Relation aus erhaltenen Aufträgen zu abgegebenen Angeboten. Die Nutzung von Verkaufsaktivitäten auch bei Servicekontakten führt gerade bei Kunden mit zufriedenstellend behobenen Reklamationen und Kunden, die aktuell

2.3 Einsatz der Vertriebsmitarbeiter 

115

den guten Service eines Anbieters erleben, zu hohen Chancen auf Abschlüsse. Dies kann sich auf Nachverkäufe wie Zubehör, Ersatz- oder Erweiterungsanschaffungen oder weitere entgeltliche Nachkaufservices beziehen. Dem Vertriebsmitarbeiter werden dabei zahlreiche Verkaufshilfen zur Hand gegeben, wie Salesfolder zum Verbleib beim Kunden, Verkaufshandbuch zur Einsicht, Argumenter als kurzgefasste Information zur eigenen Vorbereitung, Ordersatzbeilage im Handel, Produktmuster zur Ansicht, Give away zur Hinstimmung, Präsentationskoffer und Werbemittelgrundausstattung.

2.3.4 Berichtswesen Von hoher Bedeutung im Vertrieb ist das Vorgabe- und Ergebniswesen, also die Informationierung seitens des Unternehmens vor jedem Besuch und seitens der Verkaufsmitarbeiter nach jedem Besuch bei Kunden. Wichtig ist dabei eine Orientierung an den Erfordernissen des Kundenmanagements. Informationen sind daher so anzulegen, dass sie in Bezug auf diese Orientierung aussagefähig sind. Ein modernes Berichtswesen muss so ausgestaltet sein, dass es zweckdienliche Erkenntnisse zu z. B. Indikatoren für Kundenunzufriedenheiten, die Anzeichen einer bevorstehenden Kündigung sein können, Begründungen zur Ablehnung von Angeboten, Informationen über die Aufnahme neuer Lieferanten oder Anhebung anderer Lieferanten in den Status eines „Preferred supplier“ (präferierter Lieferant) gibt. Über diese routinemäßigen Informationen hinaus sind zusätzliche Informationen bedeutsam, z. B. über die Eröffnung neuer Geschäftsfelder beim Kunden, bevorstehende Akquisitionen, Personal- oder Zuständigkeitsveränderungen. Das Berichtswesen erfolgt zumeist computergestützt. Dazu werden verschiedene Systeme der Sales automation (Vertriebsautomatisierung) eingesetzt. Es handelt sich vor allem um folgende: • Computergestützte Abwicklungssysteme disponieren über eingebundene Warenwirtschafts-, Auftragsabwicklungs- und Fakturierungssysteme. • Vertriebsinformationssysteme umfassen Database marketing (z. B. als Kundendatenbank) als Salesmen information-Systeme für die Verkaufsaußendienstmannschaft, Product information-Systeme, meist in Form von Produktkatalogen, Office preparation-Systeme für die Schnittstelle zum Back office sowie Customer service support-Systeme für die Kundendienstunterstützung, • Kundenfokussierte Systeme beziehen sich auf CRM-Systeme, die den Kundenlebenszyklus begleiten und Customer integration-Systeme, bei denen eine informationelle Wertkettenverschränkung stattfindet. • Außerdem gibt es die spezifische Unterstützung zur Außendienststeuerung in Form von Computer aided selling-Systemen (CAS).

116

2. Der Offline-Direktabsatz

2.4 Beurteilung des Persönlichen Verkaufs Der Persönliche Verkauf sieht sich zunehmend der Verdrängung durch den mediengestützten Vertrieb ausgesetzt. Zur Abschätzung der Potenziale ist es daher sinnvoll, eine kurze Beurteilung des Persönlichen Verkaufs vorzunehmen. Der Persönliche Verkauf verursacht erhebliche Kosten im Humanfaktor, die zudem im Wesentlichen Fixkostencharakter haben, was eine flexible Anpassung der Aktivitätslevels an Marktschwankungen kaum möglich macht. Für das Wachstum stellt sich die Qualität der Vertriebsmitarbeiter als erheblicher Engpass heraus. Denn der Einsatz geeigneter Mitarbeiter bedingt neben deren Beschaffung auch ihre Qualifizierung, weniger in Bezug auf allgemeine Leistungsmerkmale als vielmehr in Bezug auf den Fit mit der Unternehmenskultur, das Wissen um die spezifischen Angebotsvorteile und die Vermittlung von Kundenund Produktkenntnissen. Zudem liegt ein Problem häufig in der Abstimmung mit den Programminhalten. So tragen einzelne Programminhalte keine teueren, qualifizierten Außendienstmitarbeiter, oder Kunden erwarten eine Problemlösung, die aus mehr als dem Angebot des eigenen Programms besteht. In beiden Fällen ist zu überlegen, inwieweit komplementäre Angebote auch verschiedener Unternehmen im Persönlichen Verkauf gebündelt werden können, was jedoch erhebliche Konfliktpotenziale birgt. Der Verkaufsaußendienstmitarbeiter gilt dem Nachfrager zudem nicht als neutraler Gesprächspartner, sondern als von Eigeninteressen geleitet. Das erschwert den Aufbau einer tragfähigen Vertrauensbasis zwischen Verkäufer und Abnehmer. Gelegentlich sind zu diesem Zweck vermeintlich neutrale Mittler (z. B. Makler, Berater) zwischengeschaltet, die jedoch bei näherem Hinsehen meist nur zu erhöhter Komplexität führen. In zunehmendem Maße wird der Persönliche Verkauf zudem durch mediale Kontakte, insb. Online-Transaktionen, obsolet. Dort greifen auch die vertrauensbildenden Maßnahmen der Verkäufer nicht mehr, stattdessen werden, bei weithin standardisierten Beschaffungsobjekten, rein sachliche Parameter wie Preis und Lieferfähigkeit dominant. Allerdings können engagierte und ambitionierte Verkaufsaußendienstmitarbeiter sich hochgradig für das Unternehmen einsetzen und die Marketingkonzeption eines Anbieters nachhaltig umsetzen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Möglichkeit zur konsequenten Ausschöpfung des kumulierten Wissens über Kunden im Unternehmen. Dadurch kann eine starke Kundenbindung aufgebaut werden, die neben den aktuellen Umsätzen auch die zukünftigen Umsätze sicherer macht. Weiterhin kann der Austauschbarkeit im Zuge virtueller Marktplätze entgangen werden, indem Kunden bereits im Vorfeld, bei Bedarfserkennung oder sogar

2.5 Aufgaben des Innenverkaufs

117

durch Bedarfsgenerierung, maßgeschneiderte Problemlösungen aus der Kenntnis um deren Vermarktungssituation heraus angeboten werden können, die nicht standardisierbar sind oder sie evtl. von einer weiteren Ausschreibung absehen lassen, weil sie gut kalkuliert sind. Durch Qualität im Persönlichen Verkauf dokumentiert ein Anbieter zudem die Qualität seiner Leistungserstellung, d. h., fähige Mitarbeiter bauen bei Abnehmern eine Vertrauensbasis auf, die auf die angebotenen, oftmals im Vorhinein unbekannten Produkte übertragen wird und damit zu einem Alleinstellungsmerkmal werden kann. Dies macht allerdings die Qualifizierung im Außendienst hoch bedeutsam. Über eigene Mitarbeiter können die Distributions- und Verkaufsstrategien bestmöglich umgesetzt werden, da eine feinteilige Ausrichtung und eine reibungsarme Umsetzung möglich sind. Dies vermindert Reibungsverluste und erlaubt eine hohe Aktionsfähigkeit, angesichts des vorherrschenden Zeitwettbewerbs ein immer wichtigeres Argument. Neben der Akquisitions- und Transaktionsphase wird die Nachbetreuungsphase immer wichtiger, da dort die Basis für erfolgreiche Wiederkäufe gelegt wird. Und eine solche Nachbetreuung ist am besten im Persönlichen Verkauf möglich. Große Vertriebsorganisation im B-t-b-Sektor in Deutschland sind folgende: • Jungheinrich, 3 M, Zeppelin, SKF, Klaus Steilmann Institut, H. F. & Ph.H. Reemts­ma, Azupharma, Cewe Color, Bauknecht Hausgeräte, EKO Stahl, Varta, Privatbrauerei Diebels, AGCO, Vogt Electronic.

2.5 Aufgaben des Innenverkaufs Für die Realisierung der vielfältigen Aufgaben des Vertriebs ist es erforderlich, diesen zielgerichtet zu organisieren. Üblicherweise besteht der Vertrieb neben dem Verkaufsaußendienst aus Mitarbeitern des Vertriebsinnendienstes (Back office, auch Traffic), der den Außendienst bei administrativen Aufgaben entlastet. Diese Mitarbeiter werden überwiegend fest honoriert, obgleich sie zum Gelingen oder Ausbleiben von Abschlüssen ebenso beitragen wie die Mitarbeiter „an der Kundenfront“. Daraus resultieren häufig gravierende Einkommensunterschiede mit der Gefahr von Friktionen. Häufig werden erfolgreiche Innendienstmitarbeiter auch zu Außendienstmitarbeitern befördert, was nicht unbedingt adäquat sein muss, da die Anforderungsprofile der Stellen doch erheblich voneinander abweichen, etwa in Bezug auf Hard skills vs. Soft skills. Die Aufgaben des Innenverkaufs sind ausgesprochen vielfältig. Dabei geht es um die hauptverantwortliche, ständige Überwachung der reibungslosen Auftragsabwicklung und die Weitergabe der gewonnenen Erfahrungen und Informationen in der Vertriebsorganisation.

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2. Der Offline-Direktabsatz

Weiterhin erfolgt die Segmentierung von Kunden aufgrund der Vorgaben der Verkaufsleitung und eine Modularisierung zur rationell vereinheitlichenden und dennoch individuell erscheinenden Kundenberatung, insb. in Bezug auf Angebots- und Verkaufsschwerpunkte gemäß vorhandenen bzw. entwickelbaren Umsatzpotenzialen. Die laufende Aktualisierung aller kundenindividuellen Steuerungsdaten als erforderliche Grundlage für Aktivitäten in Kooperation mit der internen Absatzorganisation gehört ebenso zu den Aufgaben wie die Mitwirkung bei der Bonitätsüberwachung. Auch soll eine ständige Verbesserung durch Besuchsvorbereitungstechniken, Argumentationslisten, Angebotschecklisten, Verkaufsförderungsprogramme, Kundendiensteinsätze, Auslieferungsverfahren, Werbeaktionen, Coop-Aktionen oder besondere Vertragsgestaltungen für einzelne Spezialkunden erreicht werden. Unterstützend wirkt die Anregung besonderer Aktionen speziell für diese Kunden bei der Vertriebsleitung oder beim Kunden selbst mit Ausarbeitung der dazugehörigen Strategie und Überwachung der Durchführung mit dem Ziel von Synergieeffekten. Hinzu kommt die Durchführung der laufenden Bearbeitung von Sonderkunden nach Routine und bei besonderen Anlässen sowie die Erstellung und Aktualisierung von Prognosen über die Absatzentwicklung und Analyse deren Einkaufsverhaltens. Ein ständiger Kooperationskontakt mit Kundenmitarbeitern, die Einkaufsund Aktionsentscheidungen treffen und Abverkaufsverantwortung tragen, wird gepflegt, verbunden mit dem Recht, bei allen Stellen Informationen einzuholen, Einsicht in Unterlagen zu nehmen und alle benötigten Daten abzurufen (interne Kommunikation und Schnittstelle). In Abstimmung mit der internen Absatzorganisation erfolgt die Verfolgung der absprachegemäßen Auftragsausführung durch Kooperation mit den Bereichen Verkaufsförderung, Kategoriemanagement und Vertriebsleitung. Es werden Information über die Wettbewerbssituation der Kunden allgemein zusammengestellt, um Beratungsgespräche besser fundieren und Vorschläge für die spezifische Vermarktungspolitik in Bezug auf Spezialkunden erarbeiten zu können. Erforderlich ist auch die ständige Ermittlung des Trainings- und Schulungs­ bedarfs der Mitarbeiter und die Förderung deren Weiterbildung etwa durch Interpretation der Bedeutung der Bestandskundenerfahrung für die Betreuung anderer Kunden. Zentral sind die Unterstützung der Vertriebsleitung für einen reibungslosen Arbeitsübergang zur Außendienstbetreuung und Mitentscheidung über Sonderkonditionen, den Einsatz von Merchandisern, Sonderaktionen und die Neuaufnahme bzw. Eliminierung von Spezialkunden.

2.6 Einbindung von Absatzhelfern

119

Eigenständig werden Entscheidungen über den Ablauf der Arbeiten innerhalb des Bereichs, über die Weiterleitung von Anregungen, Reklamationen, Beobachtungen und Vorschlägen getroffen. Weitere Aufgaben sind die Auftragsbearbeitung (Order processing), die Mitarbeit in der Kundenbetreuung, die Unterstützung des Außendienstes, die eigenverantwortliche Kleinkundenbetreuung, die Fakturierung, das Nachhalten von Kundenbonitäten, das Beschwerdehandling, die Abstimmung der Logistik, der Teleabsatz, die Mitarbeit auf Messen und die Kundenbetreuung im Stammhaus.

2.6 Einbindung von Absatzhelfern akquisitorische Absatzhelfer (Handelsvertreter, Kommissionär, Handelsmakler, Handelsversteigerer) logistische Absatzhelfer (Spediteur, Frachtführer, Lagerhalter) leistungsergänzende Absatzhelfer (Finanzierung, Absicherung, Information, Beratung, Treuhandschaft)

Abbildung 29: Arten von Absatzhelfern

Absatzhelfer können akquisitorisch, logistisch oder leistungsergänzend für beauftragende Unternehmen tätig werden (siehe Abb. 29: Arten von Absatzhelfern). Hinsichtlich der akquisitorischen Absatzhelfer (2.6.1) sind im Wesentlichen Handelsvertreter, Kommissionär, Handelsmakler und Handelsversteigerer zu nennen und behandeln. Häufig werden Reisende und (Einfirmen-)Handelsvertreter miteinander verglichen (2.6.2). Absatzhelfer begleiten den Weg der Ware im Absatzkanal vom Hersteller zum Endabnehmer, ohne, im Gegensatz zu Absatzmittlern, dabei selbst Eigentümer der Ware zu werden. Sie sind im Einzelnen akquisitorisch, logistisch oder leistungsergänzend tätig. Zunächst zu den akquisitorischen Absatzhelfern. Diese unterscheiden sich vor allem in Bezug auf ihre Rechtsstellung (siehe Abb. 30: Rechtsstellung der Absatzhelfer).

120

2. Der Offline-Direktabsatz

Handelsvertreter (dauerhaft)

fremder Name fremde Rechnung

Kommissionär (dauerhaft)

eigener Name fremde Rechnung

Handelsmakler (fallweise)

fremder Name fremde Rechnung

Handelsversteigerer (fallweise)

fremder Name fremde Rechnung

Abbildung 30: Rechtsstellung der Absatzhelfer

2.6.1 Akquisitorische Absatzhelfer 2.6.1.1 Handelsvertreter Der Handelsvertreter ist in fremdem Namen und auf fremde Rechnung tätig. Handelsvertreter ist, wer als selbstständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Er ist Kaufmann kraft Grundhandelsgewerbe und wird auch Agent genannt, sein Geschäftsbetrieb ist eine Agentur. Seine Alimentierung erfolgt auf Provisionsbasis. Auf diese hat er Anspruch, wenn Geschäfte während des Vertragsverhältnisses zustande kommen, diese auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind und rechtlich wirksam werden. Der Provisionsanspruch umfasst auch Folgegeschäfte und ggf. Inkasso und Delkredere. Im ersten Jahr kann das Vertragsverhältnis mit einer Frist von einem, im zweiten Jahr mit einer Frist von zwei Monaten, im dritten und vierten Jahr mit einer Frist von drei Monaten, nach mehr als fünf Jahren mit einer Frist von sechs Monaten beidseitig gekündigt werden. Aus wichtigem Grund kann jederzeit fristlos gekündigt werden. Platzvertreter bearbeiten immer das gleiche Gebiet, Rotationsvertreter wechseln ihr Gebiet. Handelsvertreter können nach verschiedenen Kriterien eingeteilt werden, es muss sich nicht um eine natürliche Person handeln (siehe Abb. 31: Einteilungskriterien für Handelsvertretertypen). Nach der Ermächtigung zum Verkaufsabschluss gibt es Vermittlungsvertreter, die keine Geschäftsabschlüsse tätigen dürfen, sondern Nachfrage nur sondieren

2.6 Einbindung von Absatzhelfern

121

Ermächtigung zum Verkaufsabschluss Zahl der übernommenen Vertretungen Umfang der Rechte Berufsausübung Stellung im Absatzkanal

Abbildung 31: Einteilungskriterien für Handelsvertretertypen

und Erklärungen mit Wirkung für und gegen das vertretene Unternehmen entgegennehmen und zur Entscheidung an dieses weiterleiten, sowie Abschlussvertreter, die für den Auftraggeber verbindlich zu dessen Konditionen Geschäftsabschlüsse tätigen dürfen, also Handlungsvollmacht haben. Im Zweifel ist vom Vermittlungsvertreter auszugehen, der nur Empfangsbote ist, der Antrag kann dann vom Vertretenen angenommen oder abgelehnt werden, bei Annahme kommt der Vertrag direkt zwischen Vertretenem und Kunden zustande. Es sind also Außenund Innenverhältnis zu unterscheiden. Insofern nimmt der Abschlussvertreter eine sehr viel höhere Vertrauensstellung ein, denn von ihm abgeschlossene Verträge sind in jedem Fall im Außenverhältnis für das vertretene Unternehmen bindend. Im Innenverhältnis kann es natürlich auf den Abschlussvertreter zurückgreifen, wenn dieser sich entgegen Weisungen verhalten hat oder anderweitig grob fahrlässig. Mit welcher Art von Handelsvertreter man es zu tun hat, ist leicht feststellbar. Reicht der Vertreter einen Antrag des Interessenten an das vertretene Unternehmen zur Annahme ein und erfolgt von dort erst die Auftragsannahme als Kunde, so handelt es sich um einen Vermittlungsvertreter, der häufigere Fall. Wird der Antrag hingegen, womöglich noch an Ort und Stelle, durch Gegenzeichnung angenommen, um einen Abschlussvertreter. Nach der Zahl der übernommenen Vertretungen sind Einfirmenvertreter, die ausschließlich für einen Auftraggeber tätig sind, was jedoch eher die Ausnahme darstellt, sowie Mehrfirmenvertreter zu unterscheiden, die für mehrere, jedoch nicht konkurrierende, Auftraggeber zugleich tätig sind und den Regelfall darstellen. Der Konkurrenzausschluss ist, wie das gesamte Handelsvertreterrecht, abdingbar, d. h., bei genügender Nachfragemacht kann ein Handelsvertreter darauf hinwirken, dass die gemeinsamen Anbieter von ihm auch dann vertreten werden, wenn sie untereinander konkurrieren. Dies ist etwa bei Vermögensanlageberatern wie Bonnfinanz, AWD / ​Swiss Life, MLP etc. der Fall, die für verschiedene Finanzdienstleister tätig werden und zusätzlich auch im Eigenhandel Finanzprodukte abschließen.

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2. Der Offline-Direktabsatz

Nach dem Umfang der Rechte sind Alleinvertreter, die für das vertretene Unternehmen in ihrem Bezirk ausschließlich allein tätig sind, wobei jedoch Anfragen von Bedarfsträgern aus Kollegenbezirken bearbeitet werden dürfen, sowie Bezirksvertreter zu unterscheiden, die Anspruch auf Provision aus allen Geschäften haben, die mit Abnehmern ihres Bezirks abgeschlossen werden, unabhängig davon, ob sie dabei selbst tätig geworden sind oder nicht. Der Handelsvertretervertrag kann zwar die aktive Akquisition in fremden Gebieten untersagen (Outbound), nicht jedoch die passive Bearbeitung von Anfragen aus anderen Gebieten (Inbound). Nun ist der Vertretungsgeber bestrebt, auch solche passiven Bearbeitungen zu verhindern, dies ist jedoch rechtlich unzulässig. Daher wird das Konstrukt des Bezirksvertreters gewählt. Dieser hat Anspruch auf einen Provisionsanteil für Abschlüsse mit allen Kunden in seinem Bezirk auch wenn er daran selbst nicht aktiv beteiligt war. Insofern ist die Motivation eines Alleinvertreters, Anfragen aus anderen Bezirken zu bearbeiten, begrenzt, denn es entfällt zwar der gesamte Aufwand auf ihn, aber der Lohn der Arbeit ist von ihm zu teilen. Daher liegt es nahe, dass bei Anfragen aus fremden Gebieten von ihm auf den dortigen Bezirksvertreter verwiesen wird. Im Effekt werden so auch InboundAktivitäten unterbunden. Nach der Berufsausübung gibt es hauptberufliche Handelsvertreter und nebenberufliche Handelsvertreter. Letztere sind keine Kaufleute und haben z. B. keinen Anspruch auf Ausgleichszahlung, erstere immer. Häufig sind nebenberufliche Handelsvertreter für Generalvertreter tätig, welche die Vermittlungstätigkeit für das vertretene Unternehmen durch eigene Untervertreter ausüben lassen, also über eine eigene Absatzorganisation verfügen. Nach der Stellung im Absatzkanal sind Vertreter auf der Großhandelsstufe, die den Hersteller gegenüber dem Großhandel vertreten, Vertreter auf der Weiter­ verarbeiterstufe, die den Hersteller oder Großhandel gegenüber Weiterverarbeitern vertreten, Vertreter auf der Einzelhandelsstufe, die den Hersteller, oder auch den Großhandel, gegenüber dem Einzelhandel vertreten, und Vertreter auf der End­abnehmerstufe zu unterscheiden, die den Hersteller, Groß- oder Einzelhandel gegenüber der Endabnehmerschaft vertreten. Die Handelsvertreterbeziehung (siehe Abb. 32: Handelsvertreterbeziehung) kennzeichnen umfangreiche Rechte und Pflichten auf beiden Seiten. Zu den wichtigsten gehören, dass der Handelsvertreter seine Tätigkeit frei gestalten und seine Arbeitszeit selbst bestimmen kann. Er soll das Interesse des vertretenen Unternehmens wahren und hat Anspruch auf Provision für Abschlüsse und alle gleichartigen Folgegeschäfte, die er durch Bucheinsicht nachprüfen (lassen) kann. Die Provisionszahlung ist normalerweise unabhängig davon, ob mangelfrei und rechtzeitig geliefert wird oder nicht. Geschäfte mit „faulen“ Kunden bringen allerdings keine Provision. Die Abrechnung erfolgt spätestens zum Ende des Folgemonats des Abschlussmonats. Inkassoprovision ist für das Einziehen von Forderungen und Delkredereprovision für die schriftliche Haftung für Zahlungseingänge fällig. Die

123

2.6 Einbindung von Absatzhelfern

Lieferung

Hersteller

Abnehmer

Auftrag Agenturvertrag Provision

Handelsvertreter

Zahlung

Auftrag Abschluss im fremden Namen

Abbildung 32: Handelsvertreterbeziehung

Provisionspflicht gilt auch für Nachbestellungen als Folgeprovision, zahlbar bis zum Ende des Folgemonats nur bei Abschlussvertretern. Der Handelsvertreter kann über alle zum Verkauf nötigen Unterlagen disponieren wie Produktmuster, Preislisten, Prospekte etc. und wird unverzüglich über die Annahme oder Ablehnung von ihm vermittelter Geschäfte benachrichtigt. Bei Auflösung der Vertretung hat er Anspruch auf eine angemessene finanzielle Abfindung als Ausgleichszahlung, die sich nach einer festen Formel berechnet. Es besteht die Pflicht zur dauernden Geheimhaltung über bekanntgewordene betriebliche Verhältnisse des Auftrag­ gebers, auch nach Vertragsauflösung, und zum Wettbewerbsverbot für gleiche oder gleichartige Vertretungen, es sei denn, alle Beteiligten sind damit einverstanden. Außerdem ist das vertretene Unternehmen unverzüglich von jedem Auftrag zu informieren und die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns in allen geschäftlichen Belangen walten zu lassen. Inhalte eines Handelsvertreter-Vertrags sind folgende: • vertragsschließende Parteien, • Präambel mit genauer Vertragsbezeichnung, Zweck und Ziele des Vertrags, gegenseitigen Zusicherungen, • Vertragsobjekt: Produkt, spätere Aufnahme neuer Produkte in den Vertrag, • Vertragsgebiet: geografische Abgrenzung des Gebiets, indem der Handelsvertreter tätig ist, • Verpflichtungen des Handelsvertreters: erschöpfende Aufführung, nicht nur generelle Klauseln, • Verpflichtungen des Vertretenen,

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2. Der Offline-Direktabsatz

• Weisungsrechte des Vertretenen in umfassender Aufzählung, • Provisionsanspruch des Handelsvertreters: Entstehen, Abrechnung, Zahlungsfristen, Zahlungswährung, • Vorbehaltskunden des Vertretenen: Gruppenbezeichnung oder Kundenliste im Anhang des Vertrags, • Vertragsdauer: Befristete Probezeit, danach Vertrag auf Zeit oder mit unbeschränkter Dauer, • Vertragskündigung: Kündigungsgründe, Fristen, Formerfordernisse, • Konfliktregelung: Arbitrage oder Schiedsgericht unter Verzicht auf Anruf ordentlicher Gerichte, mit Schiedsklausel, • Ausgleichsanspruch: Abgeltung des Handelsvertreters bei vorzeitiger Kündigung bzw. bei Kündigung ohne Rechtsgrund, Berechnungsmodalitäten, • anwendbares Recht, • Gerichtsstand (falls keine Schiedsklausel), • Inkrafttreten des Vertrags, • Wettbewerbsverbote während des Vertrags und nach dessen Beendigung, • Haftung des Handelsvertreters für von ihm verursachte Schäden, • Teilnahmepflicht des Handelsvertreters bei Klagen und anderen rechtlichen Maßnahmen zum Schutz seiner Interessen. Handelsvertretersysteme finden sich z. B. bei • Versicherungen / ​Bausparkassen, Reisebüros (z. B. Lufthansa-Agentur), Anzeigen (für Insertionsaufträge), Lotto-/Totoannahmestellen (für die lokale Lotteriehoheit), Markentankstellen (für Mineralölkonzerne), Deutsche Post / ​DHL (als Postagentur), Verlagen (für Abonnentenwerbung), Mediaagenturen oder im Versandhandel (als Sammelbesteller). Ein Problem speziell bei Einfirmen-Handelsvertretern ist immer der Anschein der Scheinselbstständigkeit. Diese ist nach Gesetz zu bejahen, wenn drei der nachfolgenden fünf Indizien gegeben sind: • Keine sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer, • ausschließlich für einen Auftraggeber tätig, • eine alternative Verrichtung durch Beschäftigte ist möglich, • kein kaufmännisch eingerichteter Geschäftsbetrieb, • eine ähnliche Tätigkeit wie als Arbeitnehmer zuvor.

125

2.6 Einbindung von Absatzhelfern

Die Vermutung der Scheinselbstständigkeit kann widerlegt werden. Wird diese jedoch bejaht, ist der Auftraggeber des Einfirmen-Handelsvertreters für diesen sozialversicherungsabgabenpflichtig. 2.6.1.2 Kommissionär

Hersteller (Kommittent)

Abnehmer

Lagerhaltung Vertragsbindung Zahlung

Kommissionär

Provision

Auftrag Lieferung im eigenen Namen Zahlung auf fremde Rechnung

Abbildung 33: Kommissionärsbeziehung

Der Kommissionär ist in eigenem Namen, aber regelmäßig auf fremde Rechnung tätig, indem er Waren oder Anrechte kauft oder verkauft. Er ist Kaufmann kraft Grundhandelsgewerbe und kann in einem dauernden oder nur fallweisen Vertragsverhältnis stehen. Nach dem Funktionsbereich kann es sich um einen Einkaufs- oder Verkaufskommissionär handeln, ersterer erwirbt zunächst das Eigentum am Kommissionsgut solange, bis er es an den Kommittenten übereignet, letzterer erwirbt kein Eigentum am Kommissionsgut, jedoch an der Forderung aus dem Verkauf in eigenem Namen, die er an den Kommittenten abtritt. Eigentlich liegen somit zwei Verträge vor, einer zwischen dem Kommittenten und dem Kommissionär, in dem sich der Kommissionär verpflichtet, sich um den Verkauf zu bemühen, und ein weiterer zwischen Kommissionär und Käufer, in dem der Kommissionär alle Pflichten und Rechte eines Verkäufers einnimmt. Damit ist allein der Kommissionär Vertragspartner des Käufers, folglich steht ihm auch die Kaufpreisforderung zu. Der Geschäftsbetrieb eines Kommissionärs wird auch Agentur genannt. Die Kommissionärsbeziehung ist durchaus komplex (siehe Abb. 33: Kommissionärsbeziehung). Die Entlohnung erfolgt über Provision für ausgeführte Geschäfte und Auslagenersatz für alle Fremdkosten durch den Auftraggeber. Überschüssige Ware oder Geld ist exakt herauszugeben. Der Kommissionär nimmt das Interesse des Kommittenten wahr und folgt dessen Weisungen, andernfalls ist er schadenersatz-

126

2. Der Offline-Direktabsatz

pflichtig. Ein Selbsteintritt für Geschäfte ist möglich, d. h. Verkauf aus Eigentum bzw. Kauf in Eigentum. Er kann auch Ware als Pfand für unbefriedigte, fällige Ansprüche einbehalten. Preisabweichungen von der Order sind auf Anzeige und ohne Widerspruch des Auftraggebers möglich (Schweigen ist Zustimmung). Ansonsten hat der Kommissionär den Anweisungen des Kommittenten zu folgen und die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns walten zu lassen. Er haftet für Verlust und Beschädigung von Ware in seinem Besitz und ist zur unverzüglichen Benachrichtigung bei Geschäftsausführung verpflichtet. Vorteilhaft bei der Einschaltung eines Kommissionärs ist, dass kein eigenes Lager erforderlich ist, da der Kommissionär seinerseits ein Konsignationslager unterhält, dass kurze Lieferzeiten möglich sind, da der Kommissionär im Regelfall sofort lieferfähig ist, und dass kurze Transportwege bestehen, da dezentrale Standorte mehrerer Kommissionäre die Entfernungen zu Kundenstandorten minimieren. Ein Kommissionärs-Vertrag sieht folgende Inhalte vor: • vertragschließende Parteien, • Vertragsbezeichnung und -definition unter Bezug auf Handelsrecht, • Präambel mit Zweck und Zielen des Vertrags, gegenseitigen Erklärungen und Zusagen, • Weisungsbefugnisse des Kommittenten: Einhalten der Verkaufspreise, Lieferungs- und Zahlungsbedingungen, • sonstige Weisungsrechte des Kommittenten, • Vergütung des Kommissionärs: Provision auf ausgeführte Aufträge und ggf. Ersatz von im Vertrag bestimmten Kosten, • Entstehung des Provisionsanspruchs, Berechnungsgrundlage, Abrechnung, Zahlungstermine und Zahlungswährung, • Pflicht zur sofortigen Mitteilung bei abgeschlossenen Verkäufen (Ausführungsanzeige), • Widerspruchsrecht des Kommittenten gegen Ausführung von Aufträgen mit Begründung und Fristbindung, • Ausschluss des Selbsteintrittsrechts des Kommissionärs, • Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts eingegangener Zahlungen zur Verrechnung auf Provisions- und andere Ansprüche, • falls Lagerhaltung des Kommissionärs: Vorschriften über Warenaufbewahrung, Sicherung und Schutz vor Verlust bzw. Beschädigung, • Vertragsdauer und Vertragsbeendigung, ggf. Probevertrag (befristet), danach Vertrag auf Zeit bzw. auf Dauer, • Vertragskündigung: Gründe, Fristen, Formvorschriften,

2.6 Einbindung von Absatzhelfern

127

• Ausgleichsanspruch des Kommissionärs: Gründe, Berechnung, Zahlungsfristen, Ausschlussfristen, • Verfügung über Waren und sonstiges Eigentum, Verkaufsunterlagen bei Vertragsende, • Wettbewerbsverbote während der Laufzeit und ggf. nach Beendigung des Vertrags. Eine im B-t-b-Sektor häufige Form ist die des Konsignationslagers. Der Zulieferer liefert dabei Ware in das Lager des Abnehmers, die dieser erst bezahlt, wenn er sie dem Lager entnimmt. Das Lager des Lieferanten befindet sich damit praktisch am Abnehmerstandort. Bei Unterschreiten von Mindestmengen füllt der Lieferant das Lager wieder auf. Die Abrechnung kann auch periodisch erfolgen. Vorteile für den Abnehmer sind folgende: • Absicherung logistischer Risiken, Befreiung von Lagerverwaltung und Kapitalbindung, Warenrisiko verbleibt beim Lieferer, Kapitalfreisetzung durch verzögerten Eigentumsübergang der Waren, Bestandshöhe auf Pufferniveau, Erhöhung der Lieferflexibilität, Reduzierung der Prozesskosten, Steigerung der Kundenzufriedenheit. Der Zulieferer hat folgende Vorteile: • Reduzierung der Konkurrenz durch Single sourcing für Konsignations-Identnummern, Optimierung der Produktionslosgrößen, Ausgleich der Produktionsplanung, Reduzierung der Lagerhaltung. 2.6.1.3 Handelsmakler Der Handelsmakler ist in fremdem Namen und auf fremde Rechnung nur mit der fallweisen, gewerblichen Vermittlung von Abschlüssen befasst, ohne selbst in den Warenfluss eingeschaltet zu sein. Gewerbsmäßig bedeutet, dass die Tätigkeit auf planmäßige Gewinnerzielung gerichtet ist. Dazu reicht der bloße Nachweis von Abschlussgelegenheiten nicht aus. Er ist Kaufmann kraft Grundhandelsgewerbe und vermittelt Geschäfts­abschlüsse durch Kontakt zu mehreren potenziellen Käufern und Verkäufern und erhält dafür Provision (= Courtage), normalerweise von beiden Parteien je zur Hälfte. Er ist zur Interessenwahrung beider Seiten verpflichtet und haftet für durch Verschulden von ihm verursachte Schäden. Denn der Handelsmakler tritt mit beiden Parteien in vertragliche Beziehungen, auch wenn er nur von einer Partei beauftragt wird. Über das vermittelte Geschäft wird eine Schlussnote an jede Partei erstellt und unverzüglich zugestellt. Ein Tagebuch dient dem Nachweis der Tätigkeit als Entlohnungsvoraussetzung. Er hat den Parteien auf Verlangen Auskunft über seine

128

2. Der Offline-Direktabsatz

Geschäftsanbahnungsaktivitäten zu geben. Er bewahrt Warenmuster beim Kauf nach Probe auf und kann bei fehlendem Beauftragungsnachweis einer Partei selbst in das Geschäft eintreten. Ein Maklerlohn wird nur fällig, wenn der Geschäftsabschluss rechtswirksam zustande gekommen ist, abhängig von Bedingungen, aber unabhängig von der Ausführung. Bei Widerruf besteht kein Anspruch auf Maklerlohn, es sei denn, das Geschäft wird nur widerrufen, um danach einen Direktabschluss ohne Maklervermittlung durchzuführen. Der Handelsmakler hat ein Anrecht auf Auslagenersatz, er darf keine Zahlungen der Parteien entgegennehmen. Bei allen gesetzlichen Regelungen handelt es sich um abdingbares Recht. Typisch sind Waren-, Wertpapier-, Versicherungs-, Frachten- und Schiffsmakler. Nicht hierzu gehört der Zivilmakler. Makelung ist in bestimmten Bereichen restriktiv geregelt, so für Arbeitsplätze oder Adoptionen. Zivilmakler befassen sich mit BGB-Verträgen, sie haben bereits bei Nachweis einer Gelegenheit Anspruch auf Courtage als Nachweismakler. Leistungsergänzende Absatzhelfer fördern den Absatz durch Finanzierung, z. B. als Kreditinstitut, Absicherung, z. B. als Versicherung, Information, z. B. als Auskunftei und Beratung, z. B. als Werbeagentur. Sie sind parallel zum Warenfluss selbstständig tätig, ohne dabei deren Eigentümer zu werden. Da sie jedoch unverzichtbares Komplement zum Warenfluss sind, kommt ihnen dabei erhebliche Bedeutung zu. Eine Sonderform findet sich in Form des Treuhänders (auch Trustee), dieser übernimmt die Geschäftsbesorgung im eigenen Namen und auf fremde Rechnung, d. h., der Treunehmer handelt im Interesse des Treugebers und schließt für diesen verbindlich Geschäfte ab, die aber dessen zulasten gehen. Er agiert mit Ressourcen, die ihm von Treuhandgebern (auch Trustors) vertrauensvoll zur Verfügung gestellt werden. Dabei ist der Treuhänder im Innenverhältnis vertraglich nach Art und Umfang der Rechtsgeschäfte gebunden, nicht jedoch im Außenverhältnis. Dies bietet sich an, wenn der Treugeber diese Geschäfte nicht abschließen kann, z. B. wegen Nichtgeschäftsfähigkeit, oder daraus wirtschaftliche Vorteile folgen, z. B. AE-Provision beim Mediaeinkauf großer Werbungtreibender gegenüber Werbedurchführenden. Treuhänder sind jedoch nur begrenzt akquisitorisch aktiv. 2.6.1.4 Handelsversteigerer Der Handelsversteigerer ist in fremdem Namen und auf fremde Rechnung tätig. Die Entlohnung erfolgt durch Aufgeld meist vom Käufer plus Spesen meist vom Verkäufer aus dem Auktionserlös. Der Versteigerer tritt auf öffentlich angekündigten Marktveranstaltungen auf, um nicht fungible Waren im Wege des Bieteverfahrens an denjenigen zu versteigern, der das beste, höchste / ​niedrigste, Gebot dafür abzugeben bereit ist. Dabei handelt es sich für gewöhnlich um schnell ver-

2.6 Einbindung von Absatzhelfern

129

derbliche Waren, z. B. Obst und Gemüse, Waren mit stark schwankender Qualität, z. B. Rohstoffe, Notversteigerungen als Verwertung, z. B. von Pfändern, oder Sammlerstücke für Liebhaber, z. B. Kunst. Versteigerer bedürfen einer Erlaubnis nach GewO. Diese wird vom Ordnungsamt / ​Gewerbeamt erteilt, evtl. auch mit öffentlicher Bestellung und Vereidigung für öffentliche Versteigerungen durch die IHK, sofern keine Zweifel an der Zuverlässigkeit bestehen, z. B. wegen bestimmter Vorstrafen, ungeordneter Vermögensverhältnisse. Versteigerungen sind vorab anzuzeigen und es ist Gelegenheit zur Besichtigung des Versteigerungsguts durch potenzielle Bieter zu geben. Der Handelsversteigerer darf selbst nicht mitbieten, auch nicht durch Verwandte oder Bekannte mitbieten lassen und keine Objekte versteigern, mit denen er selbst handelt oder an denen er Pfandrechte besitzt. Die Versteigerung ist ein öffentliches Bietverfahren mit Zuschlag für das Höchstgebot und Barzahlungspflicht für physisch vorhandene Güter, die nicht standardisierbar sind (§ 156 BGB). Die Preisgebote der Nachfrager gehen von unten nach oben auf Aufstrich. Stellt der Anbieter hingegen eine Preisforderung, geht diese von oben nach unten auf Abstrich (Veiling). Es handelt sich damit um die Organisation des Marktes für ein bestimmtes Angebot durch Anziehung einer Mehrzahl von Kaufinteressenten zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort. Die Präsenz der Auktionsobjekte am Ort bzw. in dessen Nähe ist gegeben. Deren Inaugenscheinnahme durch Kaufinteressenten kann erfolgen. Die Abgabe von Preisgeboten bewirkt eine Tendenz zum gegenseitigen Überbieten. Den Zuschlag erhält jeweils das Höchstgebot bzw. die Höchstannahme. Versteigerungen sind zu bevorzugen, wenn es auf einen sicheren und schnellen Absatz ankommt, für den sich ein adäquater Preis erst noch bilden muss, wie dies bei nicht-fungiblen Waren notwendig ist. Die Verkäufer ordnen dem ihr Preisinteresse unter, worin wiederum die Attraktivität für potenzielle Käufer liegt. Beispiele finden sich bei Kunstobjekten, Antiquitäten, Nutztieren, Immobilien, Rechten, Zollaservaten, Pfändern etc. Elemente jeder Versteigerung sind ein Mindestpreis, das Gebotsinkrement und die Verbindlichkeit der Gebote, also keine Spaßbieter. Die Zeitdauer ist vorgegeben (ursprünglich durch Kerzenabbrennen). Auktionen nehmen damit mehrere Funktionen wahr: • Die Koordinationsfunktion besagt, dass sie markträumende Preise ermitteln, die das Angebot und die Nachfrage so koordinieren, dass alle Produkte abgesetzt werden. • Die Preisbildungsfunktion besagt, dass sie auch für kaum oder selten gehandelte Güter wie Unikate Preise ermitteln können, ohne auf Schätzungen angewiesen zu sein. • Die Allokationsfunktion besagt, dass sie auch als Zuweisungsmechanismus für schwer zu vermarktende Produkte, z. B. Restplätze auf einem Linienflug, dienen können.

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2. Der Offline-Direktabsatz

• Die Distributionsfunktion besagt, dass sie geeignet sind, eine große Zahl von Bietern anzuziehen und damit einen separaten Absatzkanal darstellen. Vorteile des Verkäufers sind die Konzentration der Nachfrage, ein großer Umsatz in kurzer Zeit, ein besserer Preis durch gegenseitiges Überbieten und die Einschaltmöglichkeit von Absatzhelfern. Nachteile des Verkäufers sind der Preisdruck bei geringer Nachfrage und ein schwieriger Absatz bei geringer Qualität der Lose. Vorteile der Käufer sind der gute Überblick über die Marktlage, bei Überangebot ein günstiger Einkaufspreis auch bei kleinen Mengen und die vorherige Besichtigungsmöglichkeit der Ware. Nachteile der Käufer sind der oft zu hohe Preis durch Überbieten sowie die meist erforderliche Übernahme der Makelungsgebühren und Lagerspesen.

2.6.2 Vergleich Reisender vs. Handelsvertreter Häufig ist beim Direktabsatz die Entscheidung zwischen unternehmenseigenen Verkäufern als angestellte Reisende (= Verkaufsaußendienstmitarbeiter) und unternehmensfremden Verkäufern als selbstständige Handelsvertreter (unterstellt Einfirmenhandelsvertreter) zu treffen. Dafür können qualitative und / ​oder quantitative Kriterien zugrunde gelegt werden. Reisende haben Arthandlungsvollmacht für eine bestimmte Art von Rechtsgeschäften, Generalhandlungsvollmacht für alle Rechtsgeschäfte oder Spezialhandlungsvollmacht für einzelne Rechtsgeschäfte. Meist wird der Vergleich zwischen selbstständigen Einfirmen-Handelsvertretern und unselbstständigen Reisenden im Außenverkauf gezogen. Für die Präferenz zwischen beiden sind sowohl qualitative wie quantitative Aspekte bedeutsam. Zunächst zu den qualitativen, die Effektivität betreffenden. Der Reisende hat folgende komparativen Vorteile auf seiner Seite: • Es ist eine Detailsteuerung durch den Auftraggeber wegen strikter Weisungsgebundenheit als Angestellter möglich. Es können Besuchsnormen und Reiserouten vorgegeben werden, deren Kontrolle im Berichtswesen jederzeit nachvollziehbar ist. Ein Motivationsschub durch Zulagen oder ähnliche Anreize ist jederzeit möglich. Die Spezialisierung auf das Angebot eines Herstelleroder Handelsbetriebs führt zu hoher Identifikation und Überzeugungskraft für diesen. Es besteht eine Interessenidentität mit dem eigenen Betrieb. Ein Ausgleichsanspruch bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses besteht nicht. Gebietskorrekturen sind leicht und ohne Abfindung oder Änderungskündigung machbar. Ein direkter Kontakt zwischen Kunde und Betrieb bleibt erhalten. Komparative Vorteile des Handelsvertreters sind hingegen folgende: • Es entstehen nur oder weit überwiegend erfolgsabhängige variable Kosten, die bei Umsatzrückgang die Rentabilität nicht belasten. Intensive Verkaufsbemühungen aus originärer Unternehmerinitiative führen mutmaßlich zu erhöhter Ef-

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2.6 Einbindung von Absatzhelfern

fizienz. Vielseitige vorhandene Kundenkontakte schaffen in der Aufbauphase eine schnelle und kostengünstige Akquisition. Die Reklamationsabwicklung ist wegen der Neutralität unproblematischer. Es besteht nur ein geringer organisatorischer Aufwand durch eigenverantwortliche Arbeitsplanung, -durchführung und -nachbereitung. Bei eigener Lagerhaltung ist eine hohe Lieferbereitschaft für Ad hoc-Abschlüsse gegeben.

Kosten

Die Nachteile der jeweiligen Gestaltungsform ergeben sich aus den genannten Vorteilen der jeweils anderen Gestaltungsform.

Handelsvertreter

Reisender

Grundgehalt Reisender Fixum Handelsvertreter

X

Umsatz

Abbildung 34: Kostenvergleich Handelsvertreter vs. Reisender

Quantitativ, also die Effizienz betreffend, liegen mit steigender Absatzmenge die Kosten eigener Verkaufsmitarbeiter, die Fixum und Prämie erhalten, unter denen selbstständiger Absatzhelfer, die auf Provisionsbasis arbeiten. Dement­ sprechend ist zu Beginn der Geschäftstätigkeit eher ein Einsatz von Absatzhelfern empfehlenswert, auch wegen der qualitativen Aspekte, mit zunehmendem Geschäftserfolg aber ab einem Break even-Punkt (Gewinnschwelle) der Umstieg auf eigene Mitarbeiter ratsam. Dies kann grafisch (siehe Abb. 34: Kostenvergleich Handelsvertreter vs. Reisender) und rechnerisch dargestellt werden (siehe Tabelle 2: Beispiel Kostenvergleich Handelsvertreter vs. Reisender).

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2. Der Offline-Direktabsatz Tabelle 2 Beispiel Kostenvergleich Handelsvertreter vs. Reisender

Reisender: Fixum p.a. 24.000 €, Umsatzprämie: 1 % ab einem Absatz von 12 Einheiten p. a. Handelsvertreter: Homeoffice-Kostenbeitrag: 3.000 € p.a., Umsatzprovision: 4 % Produktpreis: 50.000 €

24.000 + 0,01 (x – 600.000) = 3.000 + 0,04 ×



24.000 + 0,01 × – 6.000 = 3.000 + 0,04 ×



15.000 + 0,01 × = 0,04 ×



15.000 = 0,03 ×



1.500.000 = 3x × = 500.000

Der Break even liegt bei 10 Einheiten à 50.000 € p.a. Bis dahin ist der Einsatz eines Handelsvertreters kostengünstiger als der Reisendeneinsatz. Ab der 11. abgesetzten Einheit ist der Einsatz eines Reisenden kostengünstiger als über Handelsvertreter. (tatsächlich liegt der Break even bei einer höheren Menge, da bei einem Wechsel von Handelsvertreter auf Reisenden auch noch die Ausgleichszahlung des ausscheidenden Handelsvertreters berücksichtigt werden muss)

In der Praxis sind die Unterschiede freilich nicht so gravierend. Die Trennung von einzelnen Absatzhelfern ist bei geeigneter Vertragsgestaltung trotz eines evtl. Ausgleichsanspruchs unkompliziert, denn die Ausgleichszahlung wird meist vom Nachfolger übernommen, da ihm Einnahmen zufließen, für deren Erschließung er keinen Arbeitseinsatz geleistet hat. Auch werden Zusatzaufgaben übernommen, wie ansonsten nur bei eigenen Mitarbeitern üblich. Demgegenüber kann sich die Trennung von eigenen Mitarbeitern als durchaus schwierig erweisen, wenn der Betriebsrat entscheidend mitredet. Auch ist deren Steuerung durchaus nicht pro­ blemlos, dazu bedarf es vielmehr ausgefeilter Planungs- und Kontrollmechanismen.

2.7 Absatz über Marktveranstaltungen Marktveranstaltungen stellen allgemein die bewusste Zusammenführung von Angebot und Nachfrage für eine bestimmte Leistung an einem bestimmten Ort und / ​oder zu einem bestimmten Zeitpunkt dar. Sie dienen primär der Gewinnung von Informationen über die Marktlage, der Herstellung und Pflege von Kontakten zu Abnehmern und Lieferanten sowie der Anbahnung und Einholung von Aufträgen. Sofern der Abschluss dabei im Vordergrund steht, handelt es sich um, hier interessierende, Abschlussmärkte, ansonsten um Repräsentationsmärkte. Diese können in organisierter Anbieterkonkurrenz (2.7.1), in organisierter Nachfrager-

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2.7 Absatz über Marktveranstaltungen

konkurrenz (2.7.2) sowie als freie Formen (2.7.3) oder Börsen (2.7.4) stattfinden. Die organisierte Anbieterkonkurrenz erfolgt als Lizitation oder Submission, die organisierte Nachfragerkonkurrenz als Auktion oder Einschreibung (siehe Abb. 35: Formen organisierter Marktveranstaltungen). Anbieterkonkurrenz

Nachfragerkonkurrenz

offene Konkurrenz

Lizitation

Versteigerung (auf Aufstrich/auf Abstrich)

verdeckte Konkurrenz

Ausschreibung (Submission)

Einschreibung

Abbildung 35: Formen organisierter Marktveranstaltungen

2.7.1 Organisierte Anbieterkonkurrenz Die Lizitation ist eine offene Bieterkonkurrenz, bei der sich Anbieter Nachfragern gegenüber im Preis ihrer angebotenen Leistung gegenseitig solange unterbieten, bis der Anbieter mit der niedrigsten Preisforderung den Zuschlag erhält (auch inverse Auktion). Voraussetzung ist hier eine extreme Käufermarktsituation, d. h. hoher Angebotsüberschuss. Da dies in diesem Ausmaß für entwickelte Volkswirtschaften eher untypisch ist, kommt die Lizitation recht selten vor (z. B. in der Schiffsraumvercharterung). Die Submission ist eine von einem Nachfrager, dem Submissionar, zum Zwecke des Vertragsabschlusses an potenzielle Anbieter, den Submittenten, gerichtete Aufforderung, für bestimmte, durch eine Beschreibung präzisierte Leistungen schriftlich Angebote abzugeben. Diese werden unter Einhaltung genauer Verfahrensregeln geöffnet, wobei das unter Einbeziehung aller Umstände günstigste Angebot den Zuschlag erhält. Eine Nachbesserungsmöglichkeit besteht nicht. Ein vom vorgelegten Lastenheft abweichendes Angebot kann nur zusätzlich abgegeben werden. Dieses rivalisierende, verdeckte Bewerben einer Mehrzahl von Anbietern um den Auftrag eines Nachfragers ist typisch für die Beschaffung der Öffentlichen Hand, um die Auftragsvergabe möglichst kostengünstig und präferenzfrei zu gestalten. Problematisch sind die Gefahr verbotener informeller oder auch organisierter Absprachen der Anbieter als Ringbildung und die Einschränkung deren Dispositionsfreiheit nach Ende der Zuschlagsfrist, weil sie an ihr Angebot gebunden sind. Vorher kann ein Gebot zurückgezogen oder durch ein neues ersetzt werden. Submissionen unterliegen, wie Erfahrung zeigt, zahlreichen Unzulänglichkeiten. So wird häufig gemäß Vorgabe nur ein Mindestumfang angeboten, gewünschte Extras entstehen dann erst nach dem Zuschlag im Zuge von Nachtrags-

134

2. Der Offline-Direktabsatz

angeboten. Zwar ist der Zuschlag an den preiswürdigsten Anbieter zu erteilen, wenn das aber nicht zugleich der preisgünstigste ist, wird von diesem prompt Widerspruchsklage eingereicht. Das führt zu Verzögerungen. Ebenso führen weitreichende Rechte von Anwohnern, Naturschützern, Verbänden etc. zu erheblichen Verzögerungen, so dass bis zur Realisierung schon ein neuer Stand der Technik erreicht ist, der neu kalkuliert werden muss. Extrem niedrige Gebote führen außerdem nicht selten zur Insolvenz des Anbieters im Projekt, dann muss dieses neu ausgeschrieben werden. Das Ausschreibungsprocedere selbst ist durch juristische Anforderungen regelmäßig kompliziert gehalten und bietet vielfache Anfechtungen. Denkbar ist, das niedrigste und das höchste Gebot per se zu streichen.

2.7.2 Organisierte Nachfragerkonkurrenz Die Versteigerung ist ein öffentliches Bieteverfahren mit Zuschlag für das Höchstgebot und Barzahlungspflicht für physisch vorhandene Güter, die nicht standardisierbar sind, also über keinen Marktpreis verfügen, ansonsten wäre ein Absatz über Börsen möglich. Die Preisgebote der Nachfrager gehen von unten nach oben. Stellt der Anbieter hingegen eine Preisforderung, auf die Nachfrager reagieren, geht diese von oben nach unten als Veiling. Die Inaugenscheinnahme der Versteigerungsobjekte durch Kaufinteressenten kann an Ort und Stelle erfolgen. Die Abgabe von Preisgeboten durch verschiedene Nachfrager löst eine Tendenz zum gegenseitigen Überbieten aus. Den Zuschlag erhält jeweils das Höchstgebot. Versteigerungen sind zu bevorzugen, wenn es auf sicheren und schnellen Absatz ankommt, für den sich ein adäquater Preis erst noch bilden muss, wie dies bei nicht-fungiblen Waren, für die keine Marktpreise vorliegen, gegeben ist. Der Verkäufer ordnet dem sein Preisinteresse unter, worin wiederum die Attraktivität für potenzielle Käufer liegt. Versteigerungen können nach vielfältigen Kriterien gegliedert werden. So nach • der Teilnehmerzahl in freie oder begrenzte Teilnahmemöglichkeiten, • einer zu entrichtenden Teilnahmegebühr, oft auch nur symbolisch, • der Versteigerungsdauer in fixierte oder variable Dauer, • einem vorhandenen Mindestgebot, und dem Verfahren, wenn dieses Gebot nicht überboten wird, • den Regelungen, die starr oder flexibel ausgelegt sein können, • der Verbindlichkeit oder Unverbindlichkeit der Gebote, • den Gebotsschritten in festen oder beliebigen Wertabständen als Inkremente. Die Bietformen können im Einzelnen nach der Bietseite und nach der Preisoffenlegung unterschieden werden. Dabei ergeben sich folgende Formen:

2.7 Absatz über Marktveranstaltungen

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• Traditionelle (englische) Versteigerungen verfahren derart, dass der Anbieter einen von ihm gewünschten Mindestpreis für ein Produkt nennt und potenzielle Nachfrager auffordert, dafür ihre individuellen Preisgebote zu nennen, wobei der Nachfrager mit dem höchsten Preisgebot den Zuschlag erhält. • Holländische Versteigerungen (auch Veiling) verfahren derart, dass der Anbieter einen Höchstpreis vorgibt, der, falls kein Nachfrager diesen zu akzeptieren bereit ist, sukzessiv soweit gesenkt wird, bis der / ​die Nachfrager mit der höchsten Preisbereitschaft das Angebot abgenommen hat / ​haben. • Vickrey-Auktionen verfahren derart, dass zwar nach geheimer Auktionierung verfahren wird, der Zuschlag jedoch an den höchstbietenden Nachfrager nicht zu seinem Preisgebot, sondern zum Preis des zweithöchsten Gebots vergeben wird (Zweitpreisauktion). Das Gebot kann nachträglich nicht mehr verändert werden (ähnlich der Ebay-Auktionierung). Vorteile des Verkäufers sind die Konzentration der Nachfrage, ein großer Umsatz in kurzer Zeit, ein besserer Preis durch gegenseitiges Überbieten und die Einschaltmöglichkeit von Absatzhelfern. Nachteile des Verkäufers sind der Preisdruck bei geringer Nachfrage und ein schwieriger Absatz bei geringer Qualität der Lose. Vorteile der Käufer sind der gute Überblick über die Marktlage, bei Überangebot ein günstiger Einkauf auch kleiner Mengen und die vorherige Besichtigungsmöglichkeit. Nachteile der Käufer sind der oft zu hohe Preis durch Überbieten sowie die meist erforderliche Übernahme von Mittlergebühren und Lagerspesen. Bei der Einschreibung geben potenzielle Käufer nach öffentlich verbreiteter Ankündigung ihr Gebot für ein Einzelobjekt/-los bis zu einem bestimmten Zeitpunkt schriftlich in einem verschlossenen Umschlag beim Anbieter ab. Es handelt sich also um eine verdeckte Bieterkonkurrenz (auch geheime Auktion). Zur Deadline werden dann alle Gebote gleichzeitig offengelegt. Dadurch sollen Preisabsprachen verhindert werden. Den Zuschlag erhält der am höchsten bietende Nachfrager. Die Höhe aller Gebote ist nur dem Anbieter bekannt, der die Angebote erst nach Ablauf der Bietfrist öffnet. Ein nachträgliches Überbieten ist nicht möglich, es sei denn, dies ist ausdrücklich vorgesehen. Es besteht kein Zwang zur Angebotsannahme gegenüber Kaufwilligen, so dass meist eine Bietungsgarantie als vereinbart gilt, die bei Ablehnung verfällt und bei Annahme verrechnet wird. Vorteile des Verkäufers sind die Meidung eines zu starken Preisdrucks bei geringer Nachfrage, durch die fehlende Teilung in Lose auch der Mitverkauf von Nebenware und die Möglichkeit, ein Angebot abzulehnen. Nachteile des Verkäufers sind die Gefahr der Absprache unter den Käufern und die Unmöglichkeit einer nachträglichen Erlösverbesserung. Vorteile der Käufer liegen in der Präsenz nur weniger Großabnehmer bei überschaubarer Konkurrenz. Nachteile der Käufer sind die Unsicherheit, wie hoch die Konkurrenz bietet, somit die Notwendigkeit eines hohen Gebots, wenn die Ware gebraucht wird, und der begrenzte Abnehmerkreis mangels Losteilung.

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2. Der Offline-Direktabsatz

2.7.3 Freie Formen Freie Formen der Bieterkonkurrenz unterliegen keinen ausgeprägten Abschlussbedingungen, diese können vielmehr im Rahmen der Gesetze frei verhandelt werden. Dazu gehören Messen, Märkte, Musterungen, Tender und Bookbuilding. Die Messe ist eine zeitlich begrenzte, im Allgemeinen regelmäßig wiederkehrende Marktveranstaltung, auf der eine Vielzahl von Ausstellern das wesentliche Angebot eines oder mehrerer Wirtschaftszweige ausstellt und überwiegend nach Bestellmustern an gewerbliche Wiederverkäufer, gewerbliche Endverbraucher oder Großabnehmer vertreibt. Dazu werden bewusst und geplant Anbieter und Nachfrager in großer Zahl zusammen geführt. Es wird ein umfassendes Angebot eines oder mehrerer Wirtschaftszweige gezeigt. Messen finden in regelmäßigem Turnus, im Gegensatz zu Sonderschauen, am gleichen Ort, im Gegensatz zu Wanderschauen, statt, sie sind zeitlich limitiert, im Gegensatz zu Musterlägern (Trade marts), und meist nicht für Endabnehmer bestimmt, im Gegensatz zu den meisten Ausstellungen, sondern für Wiederverkäufer, Weiterverarbeiter, gewerbliche Endnutzer und Großabnehmer. Sie lassen sich nach zahlreichen Kriterien rubrizieren, so nach der: • geografischen Herkunft der Teilnehmer in regional, überregional, national, international im Export, Import, • Art der Besucher in Fachmesse im B-t-b oder Publikumsmesse im B-t-c, • Güterklasse in Konsumgüter, Investitionsgüter, Dienstleistungen, • beteiligten Wirtschaftsstufe in Landwirtschaft primär, Industrie sekundär, Dienstleistung tertiär, • Absatzrichtung in Export, Import, Inland, • Funktion in nur Information, in Information und Order, in Information, Order und Verkauf, • Einarbeitung von Rahmenprogramm, etwa als Kongress, • Verfügbarkeit von Anbietern und Angeboten am Messeort physisch oder virtuell, • Bedeutung als Leitmesse, Zweitmesse oder Nebenmesse, • Zusammensetzung von Ausstellern und Exponaten als Universalmessen über mehrere Branchen und mehrere Produktarten, Spezialmessen über mehrere Branchen und eine Produktart, Branchenmessen über eine Branche und mehrere Produktarten sowie Monomessen über eine Branche und eine Produktart, • Organisation durch Verband o. Ä., • Ausrichtung entweder herstellerbranchenzentriert oder abnehmerinteressenzentriert. Der Absatz erfolgt im Wege des Lieferungsgeschäfts erst nach Kaufabschluss. In der Realität ist die Abgrenzung zur bekanntesten Form des Repräsentations-

2.7 Absatz über Marktveranstaltungen

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markts, der Ausstellung, nur schwer möglich, da sich zunehmend Mischformen herausbilden, die sowohl Züge der Messe als auch der Ausstellung vereinen. Die Offizialdefinition lautet wie folgt: • Eine Ausstellung ist eine zeitlich begrenzte Marktveranstaltung, auf der eine Vielzahl von Ausstellern ein repräsentatives Angebot eines oder mehrerer Wirtschaftszweige bei vorrangiger Ansprache des allgemeinen Publikums ausstellt und vertreibt oder über dieses Angebot zum Zwecke der Absatzförderung informiert. Die Ausstellung ist daher primär ein Instrument der Kommunikationspolitik im Marketing und nicht der Distributionspolitik, insoern wird sie hier nicht weiter verfolgt. • Eine Messe ist eine im Allgemeinen regelmäßig wiederkehrende Veranstaltung, auf der das wesentliche Angebot eines oder mehrerer Wirtschaftszweige präsentiert und überwiegend nach Muster an gewerbliche Wiederverkäufer, gewerbliche Endabnehmer oder Großabnehmer vertrieben wird. Sie grenzt sich damit von der Ausstellung dadurch ab, dass letztere nicht unbedingt zeitlich wiederkehrend ist, ein repräsentatives Branchenangebot zeigt und auch für Endverbraucher zugänglich ist. Die Übergänge sind freilich fließend. Die Definition ergibt sich aus Gewerbeordnung (dort §§ 64, 65). Der Akzent liegt bei der Messe also auf der Distributionsfunktion. Messen können nach verschiedenen Kriterien typologisiert werden, so nach: • der Reichweite in lokale, regionale, nationale und internationale Messen, • der Angebotsbreite in Fach- und Universalmessen, • dem jeweiligen Angebotsschwerpunkt durch Branchen-/Produktorientierung, • der Funktion, z. B. Marktneuheiten, Export, • der Dauer dauerhaft oder punktuell, • den vertretenen Branchen als Einbranchen-/Mehrbranchenmesse, • der Absatzrichtung an Wiederverkäufer, Weiterverarbeiter, Endabnehmer, • der Zielgruppe in Fach- und Publikumsmessen, • dem Rahmenprogramm ohne oder mit wie z. B. Kongress, Get together, • der medialen Übermittlung real oder virtuell, zunehmend auch als Hybrid-Veranstaltungen, • der Bedeutung in Leitmessen und Nichtleitmessen, • dem Verbandseinfluss auf die Veranstaltung vorhanden oder nicht vorhanden. Auf Messen sind verschiedene Präsentationen der Beschicker als Standformen zu unterscheiden:

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2. Der Offline-Direktabsatz

• Der Reihenstand ist zu einer Seite hin offen, einfach und kostengünstig, bietet aber nur eingeschränkte Präsentationsmöglichkeiten und wenig Platz für die Infrastruktur. • Der Eckstand gewährt Einblick von zwei Seiten aus und ist damit weniger abhängig von der Besucherfrequenz eines einzelnen Ganges, Kabinen / ​Infrastruktur sind gut in die Ecken integrierbar, allerdings bestehen beschränkte Platzverhältnisse. • Der Kopfstand bietet einen sehr guten Standeinblick für Besucher von drei Seiten aus, große Gestaltungsfreiheit und gute Präsentationsmöglichkeiten, er erfordert aber eine erhöhte Aufmerksamkeit des Standpersonals und damit einen höheren Personalbedarf, außerdem steht wenig Wandfläche für Informationsvermittlung zur Verfügung. • Der Blockstand / ​Inselstand ist von allen vier Seiten einsehbar und damit unabhängig vom Besucherstrom eines Ganges, er bietet ausgezeichnete Präsentationsmöglichkeiten mit hohem Aufmerksamkeitsgrad, stellt aber diffizile Anforderungen an die Standgestaltung und erfordert hohe Aufmerksamkeit des Standpersonals, verbunden mit entsprechendem Personalbedarf. • Der Durchgangsstand mit gegenüber liegenden Standflächen bietet erhöhte Aufmerksamkeit und sehr gute Gliederungsmöglichkeiten zur Demonstration etc., jedoch besteht ein hoher Personalbedarf und schwieriger Überblick mit hohen Anforderungen an die Standgestaltung, auch ist eine konstruktiv verbindende Gestaltung fraglich wegen der Messevorschriften. • Der Zwei-Etagen-Stand hat gute, diskrete Kommunikationsmöglichkeiten im Obergeschoss, ist aber teuer und erfordert viel Personal, außerdem wirken die Messevorschriften einschränkend, der Überblick ist schwierig zu behalten. • Pavillons auf dem Freigelände bieten die größte Gestaltungsfreiheit, weisen aber psychologische Eintrittsbarrieren auf und sind ausgesprochen teuer. Märkte sind raum-zeitlich definiert und meist sachlich begrenzt. Anbieter und Nachfrager treffen sich dort und schließen frei ausgehandelte Geschäfte meist formlos informell durch konkludentes Handeln oder zumindest durch niedrigschwellig formale Verabredungen ab, denen aktive Preisverhandlungen vorausgehen. Ware und Geld werden dabei jeweils physisch übergeben. Der Wochenmarkt bietet frische Lebensmittel, Blumen, Pflanzen, Kleidung etc. und wird von Landwirten beschickt und von den Kommunen organisiert. Flohmärkte bieten Gebrauchtwaren, teilweise themenspezifisch, aber immer mehr mit gewerblichem Angebot, meist auf Wiesen mit angrenzenden Parkplätzen, sonn- und feiertags, in größeren Abständen, sonntags erst ab 11 Uhr beginnend wegen eines Kirchgangs, die Artikel stammen aus Haushaltsauflösungen, der Preis ist Verhandlungsbasis, die Besichtigung erfolgt an Ort und Stelle, der Kauf wie besichtigt. Flohmärkte eignen sich für Waren, die wegen hoher Versandkosten im Internet nicht adäquat

2.7 Absatz über Marktveranstaltungen

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zu vermarkten sind. Auf Krammärkten bieten gewerbliche Händler überwiegend Neuwaren an, es handelt sich um Kleinartikel. Jahrmärkte sind jährlich stattfindende Märkte mit Volksfest-Charakter, die überwiegend der Vergnügung dienen. Weitere Beispiele sind Großmärkte, Sondermärkte oder Spezialmärkte. Die Musterung dient der Präsentation von Prototypen, anhand derer von Nachfragern geordert wird, und wird genutzt, um die sich einstellenden Nachfragereaktionen vorzutesten und erst danach zu produzieren. In großem Stil wird dies in der Modebranche mehrmals jährlich durch aufwändige Modeschauen praktiziert. Eine Musterung mit inländischen Anbietern im Ausland heißt Exportmusterschau, eine kontinuierlich stattfindende Musterung Musterlager. Dies sind permanent zugängliche Mustermessen für Fachleute, auf denen Muster industriell oder handwerklich gefertigter Erzeugnisse gezeigt werden. Beim Tender geben Nachfrager ihre Annahme eines Angebots zu fest stehenden Konditionen ab und erhalten den Zuschlag in der zeitlichen Reihenfolge deren Abgabe. Man spricht auch von einer Vergabe im Windhundverfahren (First come, first served). Meist werden dazu Kaufbegehren gesammelt, bis die Tendergrenze erreicht ist. Dabei kommt es je nach Attraktivität des Angebots zu Überzeichnungen. Überschüssige Nachfrage wird nicht mehr akzeptiert, Angebot für fehlende Nachfrage wird beim Anbieter „geparkt“. Bei Repartierungen wird das Angebot hingegen gemäß der überschüssigen, insgesamt angemeldeten Nachfrage anteilig zugeteilt. Beim Bookbuilding erfolgt im Pre-Marketing zuerst die Sondierung der Wertschätzung eines Angebots bei potenziellen Nachfragern, daraus werden dann realisierbare Preis-Mengen-Kombinationen abgeleitet, indem Nachfrager angeben, wie viel Ware sie zu welchem Preis abnehmen wollen. Daraus wird weiterhin eine Preis-Absatzfunktion ermittelt, und daraus erst der Preis zur bestmöglichen Markträumung bzw. zur mutmaßlichen Gewinnmaximierung. Dies wird häufig bei IPOs als Börsengang neuer AGs genutzt. Dazu erfolgt zunächst die Wahl eines Bookrunner, meist eine Konsortialbank. Dann wird im Pre-Marketing über Pressekonferenzen, Research-Berichte, Unternehmensdarstellungen / ​Equity stories der Kontakt zu institutionellen Investoren gesucht. Die Nachbearbeitung erfolgt in Road shows und Einzelgesprächen. Sie endet mit dem Ordertaking. Darauf erfolgt die Festsetzung des Emissionspreises mit Zuteilung der Anteile. Unmittelbar nach Emission ist eine Kursstabilisierung erforderlich.

2.7.4 Börsen Die Börse ist eine regelmäßig stattfindende, korporativ organisierte Marktveranstaltung, an der bestimmte Kaufleute nach festliegenden normierten Bedingungen und Verfahren Geschäfte in physisch nicht präsenten Objekten abschließen („N : N“). Die Preisbildung erfolgt dynamisch erst aus der Interaktion von Anbietern und

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2. Der Offline-Direktabsatz

Nachfragern heraus. Voraussetzung ist dabei die Fungibilität der Waren, d. h., jedes Einzelexemplar einer Gattung kann das Warengesamt hinreichend vertreten, die Waren sind also untereinander austauschbar und müssen daher nicht physisch am Ort des Handels vorhanden sein. Muster sind bei überbetrieblichen, zu Standards erhobenen Normen ebenso verzichtbar. Damit sind auch die Verträge fungibel, weil deren wesentliche Bestandteile, wie Vertragsmenge, Lieferungstermin, Andienungsplatz, Zahlungsweise, Streitregelung etc. standardisiert sind. Durch beschränkten Zugang, straffe Organisation und raum-zeitliche Konzentration werden Transaktionen übersichtlich gestaltet und vereinfacht. Alle anderen Entscheidungsparameter als der Preis entfallen. Häufigste Erscheinungsform sind Effekten-, Devisen- und Warenbörsen.

2.8 Mediengestützter Absatz Mediengestützter Absatz im Online-Direktabsatz erfolgt über eine Vielzahl von Formen. Ihnen ist gemein, dass medialer anstelle persönlichen Kontakts zwischen Verkäufer und potenziellen Käufern stattfindet. Zu denken ist vor allem an Druckmedien (2.8.1), aber auch an Funkmedien (2.8.2) (siehe Abb. 36: Vertrieb über Offline-Medien).

Direct mailing Katalog Druckmedien DR-Anzeige Haushaltsverteilung/Postwurfsendung

DR-TV-Spots/DR-R-Spots Festnetztelefonie/Mobiltelefonie

Funkmedien Telefaxkommunikation Interactive television (I-TV)

Abbildung 36: Vertrieb über Offline-Medien

2.8 Mediengestützter Absatz 

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2.8.1 Druckmedien Als geprintete Verkaufsmedien kommen vor allem Direct mailing, Haushaltsverteilung / ​Postwurfsendung, Katalog, DR-Anzeige in Betracht. Diese werden im Folgenden näher erläutert. Direct mailings sind adressierte, postalische Sendungen für veranstaltungsbezogene Kontakte mit Werbemitteln an Adressaten, die zuvor anhand von Selektionskriterien als erfolgversprechend ausgewählt wurden. Dabei sind verschiedenste Gewichts-, Format- und Anordnungsbeschränkungen für diese Sendungen zu beachten, um Portokosten zu minimieren. Das gleiche Ziel wird durch die Vorsortierung der Sendungen vor der Einlieferung in die Poststelle erreicht. Der Inhalt besteht als Direct mailing-Package in der Regel aus mehreren Teilen, von denen einer der Antwort (Informationsanforderung / ​Bestellung) dient und deren Ablauf oft in mehreren Phasen erfolgt, z. B. Teaser / Roll-out / ​Reminder. Moderne Druckertechnik ermöglicht personalisierte, mit Tinte unterschriebene Anschreiben. Im Rahmen von Kundenkontaktprogrammen werden die Kunden nach dem Kauf systematisch betreut, um die Zeit bis zum nächsten Bedarf zu überbrücken. Die Rücklaufquote soll durch den Einsatz von Aktivierungstechniken erhöht werden, wie z. B.: • Early bird als Subskriptionspreis für ein Angebot, • Give away als Werbegeschenk, • kostenlose Probe als Warenlieferung zur Ansicht, • Begrenzung des Angebots hinsichtlich Zeit und / ​oder Menge, • Gewinnspiel als Preisausschreiben mit vorher ausgelosten Gewinnern, • Teilzahlungs- und / ​oder Wertoption, • Negative option als Nichtabschluss nur im Falle eines Widerrufs. Die Adressverwaltung wird durch eine Datenbank geleistet. Sie enthält Informationen über: • Namensdaten, wie Firma, Branche, Rechtsform, Kundennummer, Größe, Ansprechpartner, Titel, Anrede / ​Geschlecht, Funktion / ​Position, etc., • Adressdaten, wie z. B. Straße / ​Hausnummer, Postfach, Postleitzahl, Ort, Datum der letzten Aktualisierung, Telefon, Region / ​Nielsengebiet, • Auftragsdaten, wie z. B. Auftragsweg, Auftragswert, Artikelauswahl, Preisklasse, Zahlungsart, Kaufkraftklasse, etc., • Bestellstammdaten, wie z. B. Bestelldaten, Stammartikel, Cross selling, etc., • Bonitätsdaten, wie z. B. Schufa-Auskunft, Mahnungen, etc.,

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2. Der Offline-Direktabsatz

• Werbedaten, wie z. B. Art der Werbung, Anzahl der Kontakte, Kontaktzeitraum, etc., • Kundenbetreuungsdaten, wie z. B. Reklamationen, Besuchshäufigkeit, Dauer der Geschäftsbeziehung, etc. Die Adressen bedürfen einer ständigen Pflege und Aktualisierung, es müssen laufend neue Adressen generiert werden, weil alte abwachsen. Es können aber auch Adressen von Dritten angemietet werden. Bei diesem Listbroking wird das Recht zur Nutzung von firmeninternen Adressen anderer Unternehmen vermittelt. Dabei dürfen die Adressen nicht an Wettbewerber des Eigentümers weitergegeben werden. Handelt es sich um Adressverlage, vermieten diese ihre eigenen Adressen zur einmaligen Nutzung, so dass es sich faktisch nicht um einen Adresskauf, sondern um eine Adressmiete handelt. Um Missbrauch vorzubeugen, werden Dummy-Adressen in den Bestand eingebaut, die bei wiederholter Nutzung zu Rücksendungen an den Adressverlag führen. Allerdings ist die Qualität der so gemieteten Adressen trotz aller Optimierungen oft zweifelhaft. Quellen für selbst recherchierte Fremdadressen sind u. a.: • Adressbücher, Telefonbücher / ​Gelbe Seiten, Außendienstinformationen, Innen­ dienstnotizen, Messevermerke, Prospektwerbung, Anfragen für Pressemitteilun­ gen, Adressen aus Verkaufsförderungsaktionen, IHK-Verzeichnisse, Botschaften / ​ Konsulate (Ausland), Messekataloge / ​Ausstellerverzeichnisse, Seminarteilnehmerlisten, Handelsregistereinträge, Adressbörsen, Clipping service-Material, Händlerinformationen, eigene Umfragen, Empfehlungen / ​Weiterempfehlungen, öffentliche Bekanntmachungen, etc. Anlässe für Direct mailings sind u. a. folgende: • Adressgenerierung für Leads (potenzielle Interessenten), • Vorbereitung der Produkteinführung im Handel, • Steigerung der Kundenbindung durch Absenderaktualisierung, • Ausschöpfung von Up- und Cross selling-Potenzialen, • Reaktivierung bzw. Rückgewinnung inaktiver Kunden, • Unterstützung des Verkaufsaußendienstes, • Vor-/Nachbereitung von Messeaktivitäten. Folgende Anforderungen an die Gestaltung eines Direct mailing sollten erfüllt werden: • Wegwerfstopper, z. B. „Neu“, „Achtung“, um die Chance des Lesens zumindest zu erhöhen oder überhaupt erst zu schaffen, • Öffner formulieren, d. h. eine kurze Einführung in das Thema,

2.8 Mediengestützter Absatz 

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• positive Verstärker, die den Nutzen für den Leser hervorheben, wenn er das Angebot nutzt, • Beweise als kurze Argumente, denn Leser suchen immer nach Sicherheit, bevor sie eine Kaufentscheidung treffen, • die Führung des Auges über den Text, dies geschieht vor allem durch Überschriften, Bilder oder Hervorhebungen, • Vorwegnahme der Einwände des Adressaten im Text, • Angabe von Telefonnummern zur Kontaktaufnahme bei Problemen oder Fragen, das schafft zusätzliches Vertrauen, • Response-Element wie Bestellschein, Rückantwortcouvert, damit ein einfaches Handling möglich ist, • P. S. mit dem zweitwichtigsten Argument und einer Handlungsaufforderung, d. h. bestellen oder Informationen anfordern, • Lesekurve / ​Blickverlauf des Lesers berücksichtigen, typischerweise von rechts oben quer nach links unten, dann Z-förmig über den gesamten Text, dann zurück zum Textanfang, dann vom Briefkopf zur Anrede und zum P. S. Bei nicht-adressierten, nicht-individualisierten Aussendungen handelt es sich um private Haushaltsverteilungen oder postalische Wurfsendungen. Die Haushaltsverteilung wird von privaten Zustelldiensten und Verteilerkolonnen übernommen, indem Werbematerial in die Hausbriefkästen eingeworfen wird. Dies kann ein Türsignal (Klingeln), ein Türsignal plus persönliche Übergabe oder ein Türsignal plus persönliche Übergabe und Erklärung beinhalten. Trotz Bedenken hinsichtlich der Zuverlässigkeit ermöglicht die Haushaltsverteilung eine genaue Streuung und wird vor allem von lokalen Einzelhändlern in ihren Einzugsgebieten ausgiebig genutzt. Postwurfsendungen sind Drucksachen oder materielle Werbemittel, die von der Post undifferenziert an alle Haushalte oder an alle Haushalte in bestimmten Gebäuden oder an solche die Postsendungen abholen, verteilt werden. In diesem Fall sind zahlreiche Durchführungsbestimmungen zu beachten. Der Wert dieser Form der Dialogwerbung, die anonym und unaufgefordert in die Wohnung geliefert wird, ist zweifelhaft. Der Verkauf via Printkatalog erfolgt von Herstellern oder über Universal- und Fachversandhandel. Im Unterschied zu Prospekten als Werbemitteln enthalten Kataloge konkrete Angebote von Waren und Dienstleistungen, die unter Bezugnahme auf Bestellhilfen bestellt werden können und sind somit im Grunde ein schriftliches Verkaufsgespräch. Die Aufmachung eines Katalogs unterliegt zahlreichen wichtigen Vorgaben. Er soll Information, Beratung, Kunden-/Imagepflege und Verkaufshilfe sein. Er soll das Warenangebot beschreiben, die Kompetenz des Unternehmens darstellen und die Qualität absichern. Schließlich sollte er hin-

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2. Der Offline-Direktabsatz

sichtlich der Seitenaufteilung und der Anordnung der Artikel optimiert sein. Von besonderer Bedeutung sind dabei folgende Seiten: • Das Deckblatt bietet die Möglichkeit, spektakuläre Neuheiten oder andere Knül­ lerangebote zu platzieren (Hotspots). Die Headline macht ein Nutzenversprechen, das Logo signalisiert den Absender dieses Nutzens. Bei all dem darf die Titelseite aber nicht überladen wirken. • Die letzte Umschlagseite (4. Umschlagseite) bietet auch die Möglichkeit, Hotspots zu platzieren, denn ein Katalog wird oft von hinten nach vorne durchgeblättert und oft mit der Titelseite nach unten aufgelegt. Insofern schafft sie einen hohen Verkaufsimpuls. Außerdem werden hier der Absender und die Adresse angegeben. • Die dritte Umschlagseite (letzte Innenseite) kann zur Differenzierung von Dienstleistungen wie auch für technische Bestellhinweise / ​Customer interaction center sowie Bestellkarte / ​Formular, Filialverzeichnis, Adressen für Selbstabholer und AGB genutzt werden. Eventuell können auch Vertriebsteam oder Ansprechpartner im Unternehmen per Foto vorgestellt werden. Wichtig ist auch, dass die Formulierung der Auftragsbedingungen durchweg positiv ist. • Die Seiten 2 und 3 (2. Umschlag- und Vorderseite)  und die Katalog-Mitten­ doppelseite, falls geheftet, genießen ebenfalls erhöhte Aufmerksamkeit. Hier ist ein Anschreiben der Geschäftsleitung mit Foto oder ein Foto des Firmengebäudes / -geländes denkbar. Wichtig sind auch Abbildungen nach Farbe oder Größe abgestimmt, Piktogramme als Orientierungshilfe, Stopper für wichtige Argumente usw. Bezüglich der Bildreihenfolge gilt: • Bild vor Text, großes Bild vor kleinem Bild, Bildfolge vor Einzelbildern, Menschen vor Dingen, Überschrift vor Text, Farbe vor Schwarz-Weiß. Je mehr Artikel auf einer Seite platziert sind, desto kostengünstiger ist dies, aber auch desto unübersichtlicher. Außerdem konkurrieren die Artikel miteinander um die Aufmerksamkeit des Lesers. Erfahrung hat gezeigt, dass die beste Platzierung im oberen Drittel auf einer rechten Seite ist, mit der Artikelbeschreibung rechts neben dem Bild. Eine Absicherung durch Gütesiegel, Testergebnis, Referenz etc. ist ebenso wichtig wie Detailfotos zu wichtigen Merkmalen durch dreidimensionale Grafiken, Tabellen etc. Bildunterzeilen dienen der Erläuterung und werden häufig genutzt. Die Beschreibung der Ware sollte anwendungsbezogen, nicht nur technisch, physikalisch-chemisch formuliert sein. Die Textgröße darf acht Punkt nicht unterschreiten, die Typografie durchgängig einheitlich sein und höchstens nach Schriftgröße und -stärke variieren. Eine Vorhersage des Erfolgs ist möglich, indem anhand kleiner Auflagen getestet wird und eine Kontrolle anhand von Kennzahlen wie Deckungsbeitrag pro Seitenanteil. Vorkehrungen für einen angemessenen Umgang mit Retouren sind unerlässlich.

2.8 Mediengestützter Absatz 

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Ein Katalog verfügt über ein vergleichsweise großzügiges Platzangebot und ist in seiner zeitlichen Gestaltung unabhängig. Es besteht eine weitgehend freie Wahl der Darstellung, z. B. nach Papierart, Druckverfahren, Format, Größe etc. Bei der Nutzung des Katalogs hat das Angebot die zumindest theoretisch ungeteilte Aufmerksamkeit des Lesers. Es besteht ein Schutz vor Wettbewerbsreaktionen durch frühzeitige Ankündigung von eigenen Aktionen. Bei kleinen Zielgruppen gibt es nur geringe Kosten und wenig Streuverluste bei der Kommunikation des Angebots. Die Reaktion der Zielpersonen kann durch Response-Elemente erleichtert werden. Eine mehr oder minder lange Umlaufzeit führt zu einer nachhaltigen Werbewirkung. Bei Direct response-Anzeigen handelt es sich um klassische Anzeigen, die neben ihrer Kommunikationsaufgabe auch noch die Verkaufsaufgabe erfüllen sollen. Dazu wird in der Anzeige angegeben, auf welche Art man dort beworbene Artikel bestellen kann. Meist erfolgt dazu ein Hinweis auf einen Coupon, der auszuschneiden und einzusenden ist, oder eine Telefonnummer oder Internetadresse. Auch bei Außenwerbung ist ein Direktwerbeansatz möglich, etwa durch Plakate mit aufgedrucktem QR-Code, der nach Aufforderung zum Einscannen zu einer dedizierten Landing page verbindet, die lokale Angebote anzeigt oder in BeaconTechnik, bei der sich ein Sender an der Plakatstelle per Bluetooth mit Mobilfunkendgeräten in der Nähe verbindet und verkaufsfördernde Push-Nachrichten absendet, sofern dort eine entsprechende App installiert ist.

2.8.2 Funkmedien Als Funkmedien im Verkauf kommen vor allem DR-TV, DR-R, I-TV, Festnetztelefonie, Telefax und Mobilfunk in Betracht. Diese werden im Folgenden näher erläutert. Bei Direct response-Fernsehspots (DR-TV) handelt es sich um klassische Fernsehspots, die neben ihrer Kommunikationsaufgabe auch die Verkaufsaufgabe erfüllen sollen. Dazu wird im TV-Spot angegeben, auf welche Art man dort beworbene Artikel bestellen kann. Eine besondere Ausprägung des mediengestützten Non-internet-Absatzes ist das Teleshopping. Dabei besteht das Programm auf besonderen TV-Verkaufskanälen oder bei Werbelangsendungen auf „normalen“ Kanälen aus Verkaufsangeboten, die kontinuierlich oder fallweise vorgestellt und promotet werden. Bei Direct response-Hörfunkspots (DR-R) handelt es sich um klassische Hörfunkspots, die neben ihrer Kommunikationsaufgabe auch noch die Verkaufsaufgabe erfüllen sollen. Dazu wird im HF-Spot angegeben, auf welche Art man dort beworbene Artikel bestellen kann. Im Regelfall erfolgt ein Hinweis auf eine Telefonnummer (meist 08 00/01 80/Vanity), seltener auch eine Internetadresse (Homepage). Der Verkauf via Interactive television (I-TV) erfolgt durch Fernsehspots, Werbelangsendungen oder Shopping-Kanäle bei digitaler Breitbandübertragung mit

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2. Der Offline-Direktabsatz

einem schmalbandigen Rückkanal (Settop box). Der Rückkanal identifiziert und lokalisiert den I-TV-Zuschauer und erlaubt einerseits individualisierte Sendeinhalte für jeden einzelnen Teilnehmer, hier in Form von Bestellangeboten, und andererseits die Rückmeldung der Beauftragung an den Absender. Der Verkauf via Festnetztelefon kann Inbound oder Outbound erfolgen, ersteres bedeutet, dass Interessenten eine ihnen bekanntgegebene Telefonnummer anrufen, um Bestellungen für spätere Lieferungen aufzugeben oder sofort entgeltlich abzurufen, letzteres bedeutet, dass der Anbieter Kunden oder Interessenten seinerseits anruft, um Aufträge zu akquirieren. Dieses ist im Privatkunden- wie Geschäftskundengeschäft engen rechtlichen Restriktionen unterworfen. Beim Inbound-Telefonverkauf handelt es sich häufig um gebührenfreie Rufnummern (08 00). Sowohl beim Inbound- als auch beim Outbound-Telefonverkauf werden zumeist Call center eingesetzt. Aktiver Telefonverkauf (Outbound) eignet sich vor allem für die Kontaktanbahnung mit Interessenten / ​Neukunden, zur Aktivierung von Altkunden, zur Kundenbindung nach dem Kauf und zum Zusatzverkauf. Die Kontaktaufnahme darf im Endabnehmerbereich allerdings nur bei bestehender Geschäftsbeziehung (kein Cross selling) oder ausdrücklicher, in aller Regel schriftlicher, Zustimmung von Interessenten erfolgen, im gewerblichen Bereich nur, soweit das vertretene Angebot dem Gewerbezweck des Angerufenen entspricht. Passiver Telefonverkauf (Inbound) besteht in der Entgegennahme von Anrufen für Aufträge, Terminwünsche, Kurzinformationen etc. Oft wird eine personenbezogene Trennung zwischen bloßer Kontaktgenerierung (Sales lead generation) und eigentlichem Verkaufsgespräch durch den Verkäufer selbst vorgenommen. Denn der Verkauf über Telefon erweist sich als ausgesprochen schwierig, da das Spektrum der Kommunikationsmöglichkeiten auf Inhalt und Akustik reduziert ist und kein Einblick in die spezifische Umfeldsituation des Angerufenen besteht. Der Verkauf via Telefax kann ebenfalls Inbound oder Outbound erfolgen. Erste­ res bedeutet, dass Interessenten einen Faxabruf mit Informationen anwählen, die gebührenpflichtig sind oder per Fax Aufträge erteilen. Zu unterscheiden ist in: • Polling: Der Anrufer stellt dabei sein Faxgerät auf Abruf um, wählt die Nummer des Polling-Dienstes und erhält das Angebot via Fax. • Fax on demand: Der Anrufer wählt die Leistung, die ihm per Fax übermittelt werden soll, auf der Tastatur seines Telefons an. • Faxback: Der Anrufer gibt die Fax-Nummer, auf der er ein Angebot erhalten will, über Telefon an. Letzteres bedeutet, dass Kunden oder Interessenten auf dem Faxweg Angebote vorgelegt werden, die zur Auftragserteilung führen sollen. Dies erfolgt als Fax broadcasting, d. h. der Versand eines Angebots erfolgt an beliebig viele Empfänger.

2.8 Mediengestützter Absatz 

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Der Telefaxverkauf ist ebenfalls engen rechtlichen Restriktionen unterworfen, die denen des Telefonverkaufs entsprechen. Anzutreffen ist der Telefaxverkauf noch im Handwerk, bei Arztpraxen / ​Apotheken (wegen der Rechtssicherheit), im Ausland bei schwacher Internet-Abdeckung o. Ä. Der Mobilfunk wird zunehmend wichtiger als Absatzmedium. Seine Merkmale sind neben der Mobilität die jederzeitige und ortsunabhängige Erreichbarkeit, die Lokalisierung des Standorts und die Identifizierung des Endgeräts. Daraus folgen u. a. die absatzwichtigen Merkmale der Kontextsensitivität und Personalisierung. Die mobilen Endgeräte werden immer leistungsfähiger, gleiches gilt für die Netze.

3. Der Offline-Indirektabsatz Unter Indirektabsatz versteht man den Vertrieb von Waren und Diensten über im Absatzkanal zwischen Hersteller und Endabnehmer geschaltete selbstständige Absatzmittler. Unter Offline versteht man Absatzwege, die auf Datennetze und damit verbundene IT-Infrastruktur sowie Realtime-Übertragung und -Präsenz verzichten, somit real und nicht virtuell angelegt sind.

3.1 Handelsinstitutionen Institutional werden die Träger der Handelstätigkeit unterschieden, vor allem der Einzelhandel als Handel mit privaten Endabnehmern und der Großhandel als Handel mit Wiederverkäufern wie Weiterverarbeitern bzw. Großabnehmern. Es können aber durchaus noch weitere Stufen im Absatzkanal einbezogen sein. Ein Betrieb ist eine technische, soziale, wirtschaftliche, umweltbezogene Einheit mit selbstständiger Entscheidung und eigenen Risiken. Betriebe zur Fremdbedarfsdeckung werden auch Unternehmen genannt, Betriebe zur Eigenbedarfsdeckung Haushalte. Bei den Betrieben zur Fremdbedarfsdeckung gibt es Gewinnungsbetriebe, Be- und Verarbeitungsbetriebe sowie Dienstleistungsbetriebe, zu denen Handelsbetriebe gehören (siehe Abb. 37: Betriebseinteilung). Eigenbedarfsdeckungsbetriebe (Haushalte) Privathaushalte Verbandshaushalte Fremdbedarfsdeckungsbetriebe (Unternehmen) Gewinnungsbetriebe (primärer Sektor) Be- und Verarbeitungsbetriebe (sekundärer Sektor) Dienstleistungsbetriebe (tertiärer Sektor) Finanzgüterorientierte Betriebe Warenprozessorientierte Betriebe (Handel)

Abbildung 37: Betriebseinteilung

3.1 Handelsinstitutionen

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Der Handel stellt eine Mischung aus Warenprozess- und Dienstleistung dar, wobei der Dienstleistungsanteil teilweise kaum mehr wahrnehmbar ist (z. B. Selbstbedienungsgeschäfte). Dennoch wird der Handel dem Dienstleistungssektor zugeordnet. Von besonderer Bedeutung für die Leistungserstellung ist der Mensch als Dienstleister. Von ihm hängt der Aufbau eines akquisitorischen Potenzials (= Kundenpräferenz) entscheidend ab. Zugleich stellt der Mensch aber auch den Engpass für den Markterfolg dar. Der Wiederverkäufermarkt ist die Drehscheibe zwischen Herstellern als Vorverarbeiter und Abnehmern als Weiterverarbeiter oder Endabnehmern. Im Reinverkauf ergibt sich eine Bündelungswirkung, im Rausverkauf eine Dispersionswirkung. Daraus leitet sich die überragende Bedeutung des Handels im Absatzkanal ab. Absatzmittler übernehmen bei der Vermarktung viele Funktionen. Da die Waren selbst meist unverändert bleiben, wurde allerdings die Produktivität des Handels früher von den Physiokraten in Zweifel gezogen. Damit eng verbunden ist die moralische Berechtigung für den Einbehalt eines Gewinnaufschlags. Der Wiederverkäufer ist vom ihm zur Verfügung gestellten Warenangebot seiner Zulieferer abhängig, denn dieses bestimmt seine akquisitorische Wirkung in der Zielgruppe. Ist kein vorteilhaftes Angebot verfügbar, reagiert der Handel durch Angebot eigener Waren als Handelsmarken. Diese treten zunehmend in Konkurrenz zu den Herstellerwaren. Es herrscht eine latente Konfliktsituation zwischen Hersteller- und Handelsstufe vor, beide verfolgen eigenständige Ziele, die untereinander in einer Vielzahl von Fällen konfliktär sind. In vielen Fällen haben Händler von Herstellern die Führerschaft im Absatzkanal übernommen. Der Wiederverkäufermarkt ist durch einen hohen Konzentrationsgrad gekennzeichnet. Die daraus resultierende Nachfragemacht nutzt der Handel zur Durchsetzung eigener Interessen. Die dabei eingesetzten Mittel sind nicht immer frei von Kritik durch die Marktpartner. Die Marktstruktur ist sehr heterogen. Dies drückt sich durch verschiedene Geschäftsmodelle, Marktarten, Geschäftsgrößen etc. aus, die in Betriebsformen des Handels zusammengefasst werden. Diese rubrizieren die Vielfalt der Realität zu intern einigermaßen homogenen Gruppen. Es herrscht eine Orientierung am Preis als wesentlichem Konkurrenzparameter vor. Dies drückt sich durch vielfältige Aktionen aus, die wiederum günstige Einkaufskonditionen vorausbedingen. Andere Aktionsparameter setzt der Handel nur zögerlich ein, mit verhängnisvollen Ergebnissen für die Branche. Es ist ein Geschäftsstättenwettbewerb gegeben, d. h., die Markenpräferenz der Industriestufe wird in eine Geschäftsstättenpräferenz der Absatzmittlerstufe umgewertet, bei der jeder Händler um die Ecke der schärfste Mitbewerber ist, also von der Interbrand competition zur Intrabrand competition. Die Warenumschlaggeschwindigkeit ist von großer Bedeutung für den Betriebserfolg. Sie bestimmt über Kapitalbindungskosten und Flächenproduktivität unmittelbar die Rentabilität des Betriebs. Daher rückt sie im Controlling über integrierte Erfolgsermittlungssysteme in den Vordergrund.

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3. Der Offline-Indirektabsatz 

3.2 Handelsfunktionen Weiterhin lassen sich diverse Handelsfunktionen unterteilen, die von den Handelsbetrieben wahrgenommen werden und neben dem reinen Waren- und Geldfluss auch den Informationsfluss umfassen. Diese werden im Folgenden näher beleuchtet. Dabei geht es vor allem um Einzel- und Großhandelsbetriebsformen, die Dynamik der Handelsbetriebsformen, Konzentrationen und Kooperationen im Absatzkanal, das logistische Distributionssystem und die Auftragsabwicklung. Überbrückungsfunktion Räumliche Überbrückung

Zeitliche Überbrückung

Akquisitionsfunktion Kreditgewährung

Nachfragegenerierung

Preisgestaltung

Veredelung

Beratung

Kontakt und Absatzvollzug

Kundenpflege

Einkaufsbequemlichkeit

Angebots- und Nachfrageermittlung und -lenkung

Markterschließung für Hersteller

Ausgleichsfunktion Aufsplittung großer Lose

Warenumgruppierung

Preisanpassung

Sammlung von Angebot und Nachfrage

Sortimentszusammenstellung

Abbildung 38: Funktionen des Handels

Aus der Kennzeichnung des Handels als Dienstleister folgt, dass die von ihm erbrachten Leistungen in vielen Fällen nicht unmittelbar erkennbar sind. Handelsfunktionen können in vier umfassende Bereiche eingeteilt werden: die Raumüberbrückung, die Zeitüberbrückung, die Kundenakquisition und den Mengenausgleich (siehe Abb. 38: Funktionen des Handels). Zunächst zur Raumüberbrückung. Diese bedeutet die Anpassung von Angebot und Nachfrage durch inner- und zwischenbetrieblichen Transport. Der Handel gleicht den von der Erstellung räumlich abweichenden Bedarf aus, indem er Waren vom Ort der Herstellung an den Ort des Ge- oder Verbrauchs bzw. zumindest in dessen unmittelbare Nähe verbringt. Ohne den Handel ist eine flächendeckende, differenzierte Versorgung des Publikums somit nur schwer vorstellbar.

3.2 Handelsfunktionen

151

Die Zeitüberbrückung bedeutet die Anpassung von Angebot und Nachfrage durch Lagerung und Vordisposition. Der Handel gleicht damit den von der Nachfrage zeitlich abweichenden Anfall von Angebot und allgemeine Nachfrageschwankungen (z. B. Saisons) durch eigene Vorratshaltung aus. Dabei achtet er darauf, eine kontinuierliche Versorgung mit einem für ihn repräsentativen Angebot zu ermöglichen, ohne dabei unnötig hohe Vorräte aufzubauen. Die Kundenakquisition bedeutet die Absatzsteigerung der Waren des Herstellers. Dies erfolgt auf vielfältige, essenzielle Weise, so durch: • Kreditgewährung als Absatzfinanzierung des Handels an Endabnehmer, dadurch wird deren diskretionäre Kaufkraft erhöht, die von diesen in vermehrte Warenkäufe umgesetzt wird. • Nachfragegenerierung über Informationsabgabe in Medien durch Händlereigenwerbung oder persönlich durch Anfragenbearbeitung, Bemusterung, Vorführung etc. • Angebots- und Nachfrageermittlung bzw. -lenkung über Bedarfserfassung und -beeinflussung, d. h. Eruierung der Bedarfe und Fahndung nach Waren, die diese befriedigen können bzw. Veränderung von Nachfrage und Angebot zur Markträumung und Potenzialnutzung. • Markterschließung für Hersteller beim Angebot von Neuprodukten, die zunächst noch unbekannt sind und daher vom Handel auf eigenes Risiko ins Sortiment aufgenommen und Abnehmern initiativ angedient werden müssen. • Flexible Preisgestaltung, dadurch ist die gezielte Positionierung und Förderung bestimmter Waren darstellbar. • Veredelung der Waren im Angebotsumfeld bei Erlebnishandel zur Stimulierung des Einkaufs durch ein Bündel aus Hardware und Software, also purer Ware und verbundenem Serviceeinsatz. • Beratung beim Kaufentscheid sowie Services davor und danach, wobei die Kompetenz und Akzeptanz des Handelsberaters einen immateriellen Mehrwert zugunsten des empfohlenen Produkts darstellt und dieses damit aktiv forciert. • Endkundenkontakt und Absatzvollzug mit physischer Warenübergabe und Inkasso, also konkrete Interaktion zwischen Kunde und Produkt mit Waren-, Geld- und Informationsübergang. • Kundenpflege über Erzielung von Käuferpräferenz, diese fördert über Kundenzufriedenheit die Marken- und Geschäftsstättenloyalität, dazu gehört auch das Handling von Reklamation, Kulanz, Umtausch etc. • Gewährleistung von Einkaufsbequemlichkeit und -schnelligkeit, dadurch wird eine vergleichsweise leichte Bedarfsdeckung für anspruchsvolle und zeitlimitierte Nachfrager möglich.

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3. Der Offline-Indirektabsatz 

Der Mengenausgleich bedeutet die Strukturierung des Angebots nach manifes­ ten oder vermuteten Nachfragerwünschen. Dies erfolgt durch: • Aufsplittung großer angelieferter Lose in verbrauchsgerechte Teilmengen, denn Hersteller stellen Waren in Losgrößen bereit, die für Abnehmer nur ausnahmsweise interessant ist. • Warenumgruppierung nach Handels- und Güteklassen, so werden Lieferungen verschiedener Hersteller zu homogenen Einheiten aufgebrochen und neu angeordnet, dies schafft eine bedarfsgerechte Qualitätsübersicht. • Preisanpassung nach Tragfähigkeit einzelner Waren im Rahmen des Sortimentsverbunds, dies kommt durch interne Subventionierung von Ausgleichsnehmern durch Ausgleichsgeber zustande. • Zusammenstellung von Einzelbedarfen zu rentablen Auftragslosen, die gemeinsam geordert und abgerufen werden können, um eine unkomplizierte, differenzierte Bedarfsdeckung zu ermöglichen. • Sortimentsgestaltung nach ausgedrückter oder vermuteter Bedarfsstruktur der Abnehmer, wobei der Handel umso erfolgreicher ist, je kongruenter sich sein Sortiment zu den Bedarfen seiner Zielgruppe darstellt.

3.3 Einzelhandelsbetriebsformen Es wurde bereits ausgeführt, dass der Wiederverkäufermarkt äußerst heterogen strukturiert ist. Um dennoch etwas Übersicht darin zu gewinnen, hat man bereits früh begonnen, nach Klassifikationen zu suchen bzw. die Handelsbetriebe zu typologisieren, um zu Betriebsformen des Einzelhandels zu gelangen. Diese gelten allgemein als häufig vorkommende Kombinationen spezifischer Ausprägungen betriebsformentypischer Kriterien.

3.3.1 Einteilungskriterien Insofern lassen sich verschiedene prototypische Handelsgeschäftsformen unterscheiden. In Bezug auf den Einzelhandel werden regelmäßig die nachfolgenden Kriterien angelegt. Dazu gehören vor allem folgende (siehe Abb. 39: Kriterien für Betriebsformen des Einzelhandels). Die Sortimentsbreite gibt die Anzahl verschiedenartiger, additiver Artikel innerhalb des Handelsangebots wieder. Eine hohe Sortimentsbreite meint, dass der Handel viele verschiedenartige Warengruppen führt, und umgekehrt. Eine hohe Sortimentsbreite führt in Richtung des Universalhandels, eine geringe in Richtung des Spezialhandels.

3.3 Einzelhandelsbetriebsformen 

153

Horizontale Sortimentsdimension (additive Artikel) Vertikale Sortimentsdimension (alternative Artikel) Sortimentsniveau (Qualitätslevel der Artikel) Sortimentsinhalt (Charakteristik der geführten Artikel) Preisgestaltung Standortwahl (Lage) Betriebsgröße (Umsatz, Fläche, Mitarbeiterzahl etc.) Beeinflussungs-Mix (Kommunikation, Konditionen, Service) Akquisitionsform (Warenübergang/Bedienungsform) Abgabeprinzip (Auswahl und Hol-/Bringprinzip) Integration (einzeln, filialisiert, konzentriert) Anbindung (Selbstständigkeit) Verkaufspunkt (mobil, stationär) Treueorientierung (Material, Wissen, Problem) Güterart (Food/Nearfood/Nonfood/Service)

Abbildung 39: Kriterien für Betriebsformen des Einzelhandels

Die Sortimentstiefe gibt die Anzahl gleichartiger, alternativer Artikel innerhalb des Handelsangebots wieder. Eine hohe Sortimentstiefe meint, dass der Handel viele verschiedene Varianten innerhalb einer Warengruppe führt, und umgekehrt. Bei gleicher Geschäftsgröße geht eine hohe Sortimentstiefe zulasten der Sortimentsbreite und umgekehrt. Das Sortimentsniveau gibt den allgemeinen Qualitätslevel wieder, auf dem das Warenangebot einzuordnen ist. Denkbar sind Abstufungen von anspruchslos über gediegen bis zu luxuriös, wobei die Spannbreite mehr oder minder groß sein kann. Am Markt prosperieren sowohl hoch qualitativ angelegte Sortimente als auch solche, die nur bescheidenen Ansprüchen genügen. Der Sortimentsinhalt bezieht sich auf die wahrgenommene Artikelart, z. B. nach Kaufbedeutung in High interest / ​Low interest, Warenselbstverkäuflichkeit in problemlos / ​erklärungsbedürftig, Entscheidungsbedeutung in Gewohnheits-, Spontan-, Sozialkauf oder Kauffristigkeit in langlebig / ​kurzlebig. Dies hat entscheidende Konsequenzen für das Profilmarketing des Handels.

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3. Der Offline-Indirektabsatz 

Die Preisgestaltung bezieht sich auf die geforderte Gegenleistung der Abnehmer für das Warenangebot. Denkbar sind hier Abstufungen von aggressiv über konventionell bis exklusiv, wobei diese Preise durchgängig starr oder flexibel gehalten sein können. Aggressiv sind Preise, die beständig und erheblich unter dem marktüblichen Niveau liegen und umgekehrt. Flexible Preise sind von wechselnden Sonderangeboten durchbrochen. Die Standortwahl beschreibt die gewählte Geschäftslage. Bestimmend sind hier mikro- oder makroökonomische Kennzeichen, die bei ersteren zu Einteilungen in zentrale Haupt-(City-)Lage, innerstädtische Neben-(City-)Lage, Wohngebiets(Stadtrand-)Lage, Rand-(Vorort-)Lage, Außenlage (grüne Wiese) etc. führen, bei letzteren zu Einflussgrößen wie Verkehrsanbindung, Betriebsmittelbeschaffung, Steuerbestimmungen etc. Die Betriebsgröße ist ein häufig genanntes Kriterium. Problematisch ist dabei jedoch einerseits der dafür anzulegende Maßstab nach Umsatz, Fläche, Mitarbeiterzahl etc., andererseits die Vermutung, dass diese eher Resultante des Betriebserfolgs denn Aktionsparameter als solcher ist. Insofern ist fraglich, ob es sich dabei um ein selbstständiges Kriterium handelt. Dennoch wird es allein seiner Praktikabilität wegen oft angewendet. Der Beeinflussungs-Mix umfasst das Profilmarketing des Handels, also Kommunikation, Konditionen und Service, die zur Kundengewinnung und -bindung eingesetzt werden, wie Merchandising, Rabattierung, Kundendienste etc. Da damit immer zugleich auch Kostenpositionen verbunden sind, kann eine durchaus abweichende Politik eingeschlagen werden. Die Akquisitionsform meint den Warenübergang und die Bedienung. Dabei kann nach Hol- bzw. Residenzprinzip, z. B. bei Laden- und Lagergeschäft, oder Bringbzw. Domizilprinzip, z. B. bei Haustür- und Versandhandel unterschieden werden, wobei erstere wiederum primär entnahmeorientiert, z. B. über Selbstbedienung und Medien, oder übergabeorientiert, z. B. über Fremdbedienung und Vorwahl, sein können. Dazwischen sind beliebige Abstufungen und Kombinationen umsetzbar. Das Abgabeprinzip betrifft in verschiedenen Abstufungen die Erhältlichkeit angebotener Waren. Dies kann von undifferenzierter Verfügbarkeit, wie z. B. Automatenverkauf, bis zu unterschiedlicher persönlicher Privilegierung gehen, wie z. B. Mitarbeiter, Gewerbetreibende, Verbandsmitglieder. Jede Art der Selektion muss allerdings enge wettbewerbsrechtliche Restriktionen beachten. Der Verkaufspunkt meint die Standortfixierung des Betriebs. Denkbar sind immobile Verkaufspunkte z. B. in Form von Ladengeschäften oder mobile Verkaufspunkte, wobei diese regelmäßig wiederkehrend, z. B. als Wochenmarkt, regelmäßig wechselnd, z. B. mit Verkaufswagen, oder unregelmäßig wechselnd sein können, z. B. im Hausierhandel. Hinzu kommen virtuelle Verkaufspunkte im medialen Verkauf des Versandhandels.

155

3.3 Einzelhandelsbetriebsformen 

Die Integrationsform betrifft die wirtschaftliche Organisation des Betriebs. Denkbar sind Ausprägungen wie der klassische Einzelbetrieb, filialisierte Betriebe an dezentralen Standorten innerhalb von Handelsketten durch Standortspaltung in Regiebetrieben oder angebundene Betriebe in Gemeinschaftsstandorten durch Standortagglomeration als aus Einzelbetrieben abgeleiteten, sekundären Betriebsformen. Die Anbindung betrifft die Eingliederung des Betriebs. Denkbar sind die Ausprägungen der Selbstständigkeit oder der Abhängigkeit. Letztere kann durch horizontale, primär rechtliche Anbindung, z. B. Konzernübernahme, oder vertikale, primär wirtschaftliche Anbindung, z. B. Kontraktmarketing, verursacht sein. Der Trend geht dabei zum Zusammenschluss von Einzelbetrieben zu Ketten und von Ketten zu Holdings. Die Treueorientierung betrifft die Sortimentsausrichtung. Diese kann sich an der Homogenität angebotener Artikel in Bezug auf gleiche Materialien, z. B. alles aus Keramik, gleiches Wissen, z. B. unterschiedliche Arzneimittel, oder gleiche Problemlösung, z. B. Artikel für Do it yourself, orientieren. Ziel ist dabei immer die Realisierung von Synergieeffekten bei Werkstoffen, Verfahren und Anwendungen. Die Artikelart schließlich setzt bei der Warentypologie an und charakterisiert die unterschiedlichen Waren, die das Sortiment des Handels ausmachen. Zu unterscheiden sind Konsumtivgüter für Ge- und Verbrauch (Food / ​Nonfood) sowie Produktivgüter für Investition und Produktion.

3.3.2 Primäre, stationäre Einzelhandelsbetriebsformen 3.3.2.1 Traditionelle Betriebsformen

Primäre Betriebsformen

Sekundäre Betriebsformen

Stationäre Betriebsformen

Primäre, stationäre EH-Betriebsformen

Sekundäre, stationäre EH-Betriebsformen

nicht-stationäre Betriebsformen

Primäre, nicht-stationäre EH-Betriebsformen

Sekundäre, nicht-stationäre EH-Betriebsformen

Abbildung 40: Typologie der Betriebsformen des Einzelhandels

Bei den primären Betriebsformen des Einzelhandels handelt es sich um originäre Formen der Kombination spezifischer Ausprägungen, bei stationären um solche mit fixiertem Verkaufspunkt. Dabei sind vor allem die drei Gruppen traditionell, modern, preisaggressiv zu nennen (siehe Abb. 40: Typologie der Betriebsformen

156

3. Der Offline-Indirektabsatz 

des Einzelhandels). Zu den traditionellen Betriebsformen zählen vor allem die Nachfolgenden mit ihren typischen Merkmalen. Merkmale des Fachgeschäfts, z. B. Spielwaren, Sportartikel, Heimtierbedarf, Spirituosen, Tabakwaren, Fisch, sind: • enges, dafür tiefes Sortiment, • gediegenes Sortimentsniveau, • konventionelle Preisbildung, • zentrale Lage, • klein- bis mittelständische Betriebsgröße, • geringer Einsatz des Beeinflussungs-Mix (Ausnahme: Service), • Akquisition durch Ladengeschäft mit Fremdbedienung, • stationärer Einzelstandort, • Unabhängigkeit, evtl. horizontale Integration. Merkmale des Spezialgeschäfts, z. B. Brautmoden, Jagdwaffen, Tee, Delikatessen, Wein, Porzellanwaren, Regenschirme, sind: • engeres, dafür tieferes Sortiment als beim Fachgeschäft, • mindestens gediegenes, oft luxuriöses Sortimentsniveau, • exklusive Preisbildung, • zentrale Lage, • kleinständische Betriebsgröße, • geringer Einsatz des Beeinflussungs-Mix (Ausnahme: Service), • Akquisition durch Ladengeschäft mit Fremdbedienung, • stationärer Einzelstandort, • Unabhängigkeit. Merkmale des Warenhauses, z. B. „Galeria (Karstadt Kaufhof)“, sind: • sehr breites, flaches Sortiment, • anspruchsloses Sortimentsniveau, seit einiger Zeit aber Trading up, • flexible Preisbildung, durchsetzt von aggressiven Preisen, • zentrale Lage, • Großbetriebsform, • intensiver Einsatz des Beeinflussungs-Mix, insb. Kommunikation, • Akquisition durch Ladengeschäft mit Selbst- und Fremdbedienung,

3.3 Einzelhandelsbetriebsformen 

157

• dezentrale Standortspaltung mit stationären Verkaufspunkten, • starke horizontale Integration im Konzern. Merkmale des Kaufhauses, z. B. „C&A“, „P&C“, sind: • schmaleres Sortiment als ein Warenhaus bei höherer Tiefe, • anspruchsloses Sortimentsniveau, aber Trading up, • konventionelle Preisbildung, durchsetzt von aggressiven Preisen, • zentrale oder Cityrandlage, auch in Vorortzentren vertreten, • Großbetriebsform, jedoch kleiner als Warenhaus, • intensiver Einsatz des Beeinflussungs-Mix, aber weniger als Warenhaus, • Akquisition durch Ladengeschäft mit dominanter Fremdbedienung, • dezentrale Standortspaltung mit stationären Verkaufspunkten, • horizontale Integration in Konzern, jedoch geringer als Warenhaus. Merkmale des Gemischtwarenladens, z. B. „Tante Emma-Geschäft“, „Onkel Ali-Bude“, sind: • enges, sehr flaches Sortiment, • anspruchsloses Sortimentsniveau, meist täglicher Bedarf, • starre, konventionelle Preisbildung, • Cityrand- oder Vorortlage, • kleinständische Betriebsform, • geringer systematischer Einsatz des Beeinflussungs-Mix, • Akquisition durch Ladengeschäft mit Fremdbedienung, • stationärer Einzelstandort, • Unabhängigkeit, evtl. horizontale Integration in Kooperation. 3.3.2.2 Moderne Betriebsformen Zu den modernen Betriebsformen zählen vor allem die Nachfolgenden mit ihren typischen Merkmalen. Merkmale des SB-Warenhauses, z. B. „Marktkauf“, „Famila“, „Kaufland“, sind: • extrem breites, ausreichend tiefes Sortiment, • anspruchsloses Sortimentsniveau, • aggressive, flexible Preisbildung,

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3. Der Offline-Indirektabsatz 

• Stadtrandlage oder „grüne Wiese“, • Großbetriebsform mit über 5.000 qm / ​Food und Nonfood, • mittlerer Einsatz des Beeinflussungs-Mix, vor allem Kommunikation, • Akquisition durch Ladengeschäft in dominanter Selbstbedienung, • stationärer Einzelstandort durch Agglomeration, häufig arrondierende Betriebe, • horizontale Integration in Konzern. Das SB-Warenhaus führt vorwiegend Lebensmittel (ca. 60 % Umsatzanteil) sowie ein breites Sortiment an Ge- und Verbrauchsgütern bei weitgehendem Verzicht auf modische Waren. SB-Warenhäuser führen ca. 28.000 Artikel. Es werden Konzessionärsflächen im Eingangsbereich geboten, außerdem viele Pkw-Stellplätze. Eingeschossige Bauten dominieren. Die Lage ist verkehrsorientiert, auch in Stadt- und Stadtteilzentren. Merkmale des Verbrauchermarkts, z. B. „Globus“, „E-Center“, „Toom“, sind: • sehr breites, ausreichend tiefes Sortiment, • anspruchsloses Sortimentsniveau, • aggressive, flexible Preisbildung, • Stadtrandlage oder „grüne Wiese“, • Großbetriebsform mit 1.000 bis unter 5.000 qm / ​Food und Nonfood, • geringer Einsatz des Beeinflussungs-Mix (Ausnahme: Kommunikation), • Akquisition durch Ladengeschäft in dominanter Selbstbedienung, • stationärer Einzelstandort durch Agglomeration, • horizontale Integration in Konzern. Verbrauchermärkte führen vorherrschend Lebensmittelangebote zur periodischen Bedarfsdeckung und einen vergleichsweise hohen Anteil an Nearfood-Artikeln. Mit zunehmender Größe verlagert sich der Schwerpunkt zu Sortimenten mit aperiodischer Bedarfsdeckung, soweit diese für Selbstbedienung geeignet sind und rasch umgeschlagen werden können. Verbrauchermärkte führen ca. 17.500 Artikel, ca. 70 % des Umsatzes entfallen auf Lebensmittel. Sie sind in Nahversorgungszentren, Stadtteilzentren, Einkaufszentren gelegen. Merkmale des Supermarkts, z. B. „Minimal“, „E-Neukauf“, „HIT“, sind: • breites, flaches Sortiment, • anspruchsloses Sortimentsniveau, • aggressive, flexible Preisbildung, • Cityrand- oder Vorortlage, • Großbetriebsform mit 400–1.000 qm / ​Food und Nonfood,

3.3 Einzelhandelsbetriebsformen 

159

• geringer Einsatz des Beeinflussungs-Mix (Ausnahme: Kommunikation), • Akquisition durch Ladengeschäft in dominanter Selbstbedienung, • dezentrale Standortspaltung mit stationären Verkaufspunkten, • horizontale Integration in Konzern durch Filialisierung. Supermärkte führen ca. 7.500 Artikel, davon ca. zwei Drittel Lebensmittel und ein Drittel Nearfood. Einzelne Betreiber setzen verstärkt auf große Sortimentsanteile von Bio-Produkten, zugleich werden Grundsortimente angeboten, die preislich mit Hard-Discountern konkurrieren. Als Lage kommen vorwiegend Nachbarschaftslage, Stadtteilzentren, in Kleinstädten häufig auch Innenstadt, in Mittelstädten im Randbereich des Zentrums in Betracht. Merkmale des SB-Geschäfts, z. B. „Rewe“, „Edeka“, sind: • schmales, eher flaches Sortiment, • anspruchsloses Sortimentsniveau, • konventionelle, flexible Preisbildung, • Cityrand- und Vorortlage, • mittelständische Betriebsform unter 400 qm / ​nur Food oder Nearfood, • geringer Einsatz des Beeinflussungs-Mix (Ausnahme: Kommunikation), • Akquisition durch Ladengeschäft in dominanter Selbstbedienung, • dezentrale Standortspaltung mit stationären Verkaufspunkten, • horizontale Integration in Konzern durch Filialisierung. SB-Geschäfte bieten Lebensmittel als spezialisierter Einzelhandelsbetrieb an. Sie befinden sich vorwiegend in Nachbarschaftslagen. Meist werden auch Frischwaren sowie kleinere Nonfood-Sortimente über Selbstbedienung vertrieben, vorwiegend in Nachbarschaftslage. 3.3.2.3 Preisaggressive Betriebsformen Zu den preisaggressiven Betriebsformen zählen vor allem die nachfolgenden mit ihren typischen Merkmalen. Merkmale des Fachmarkts, z. B. „Saturn“, „MediaMarkt“, „Bauhaus“, „Hornbach“, „OBI“, sind: • Sehr breites, sehr tiefes Sortiment, • gediegenes Sortimentsniveau, • flexible Preisbildung, tendenziell aggressiv, • Cityrandlage,

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3. Der Offline-Indirektabsatz 

• mittelständische Betriebsform, je Standort jedoch groß, • hoher Einsatz des Beeinflussungs-Mix, insb. Kommunikation, • Akquisition durch Ladengeschäft mit Fremdbedienung, • dezentrale Standortspaltung mit stationären Verkaufspunkten, • horizontale Integration in Konzern. Merkmale des Fachdiscounters, z. B. „Basic“, „Poco“, „Roller“, „KiK“, sind: • enges, tiefes Sortiment, branchenbeschränkt, • anspruchsloses Sortimentsniveau, allerdings Trading up, • aggressive, starre Preisbildung, • zentrale Lage, • Großbetriebsform, • hoher Einsatz des Beeinflussungs-Mix, insb. Kommunikation, • Akquisition durch Ladengeschäft mit Fremdbedienung, • dezentrale Standortspaltung mit stationären Verkaufspunkten, • horizontale Integration in Konzern. Merkmale des LEH-Discounters, z. B. „Aldi“, „Lidl“, „Norma“, „Netto“, „Penny“, sind: • enges, flaches Sortiment, • anspruchsloses Sortimentsniveau, oft Gattungsware, • aggressive, starre Preisbildung, • Stadtrandlage, • mittelständische Betriebsform, • geringer Einsatz des Beeinflussungs-Mix (Ausnahme: Kommunikation), • Akquisition durch Ladengeschäft mit Selbstbedienung, • dezentrale Standortspaltung mit stationären Verkaufspunkten, • starke horizontale Integration in Konzern durch Filialisierung. Man unterscheidet Hard-Discounter und Soft-Discounter. Bei beiden entfallen durchschnittlich 80 % des Sortiments auf Lebensmittel, der Anteil ist jedoch fallend. Beide vertreiben ausschließlich in Selbstbedienung. Hard-Discounter haben ein stark begrenztes Sortiment (800–1.000 Artikel) mit hoher Umschlaggeschwindigkeit. Der Sortimentsschwerpunkt sind Eigenmarken. Der Sortimentsanteil von Markenartikeln liegt bei max. 30 %. Außerdem werden Bekleidungs-, Elektro-, Unterhaltungselektronik- und Hausratsposten angeboten, sowie Obst / ​Gemüse,

3.3 Einzelhandelsbetriebsformen 

161

Backwaren und Tiefkühlwaren. Der Aufwand für Warenpräsentation, Ladeneinrichtung und Service ist vergleichsweise gering, wenngleich die Läden eine ansprechende Gestaltung erfahren. Die Fläche beträgt bis 1.200 qm Verkaufsfläche (je Geschoss), meist jedoch unter 800 qm. Sie sind an Ein- und Ausfallstraßen und in Gewerbegebieten gelegen. Soft-Discounter führen ein erweitertes Sortiment mit 2.000–2.500 Artikeln und sind häufig durch Bäcker oder Metzger ergänzt. Der Sortimentsschwerpunkt liegt bei Markenartikeln, bevorzugt werden Nachbarschaftslagen. Eine der größten Erfolgsgeschichten im Einzelhandel betrifft sicherlich Aldi. Hier ein kurzer Abriss der frühen Aktivitäten: • 1946: Theodor und Karl Albrecht übernehmen den Krämerladen ihrer Mutter Anna in Essen. • 1950: Die Brüder Albrecht übernehmen weitere Läden im gesamten Ruhrgebiet. • 1961: Die Albrecht-Brüder teilen ihre mittlerweile 300 Geschäfte auf und gehen fortan getrennte Wege, Karl erhält die Läden südlich des Ruhrgebiets, Theo die nördlichen. • 1962: Theo Albrecht eröffnet in Dortmund den ersten Albrecht-Discounter (Aldi). • 1967: Aldi beginnt mit der Expansion im Ausland, Karl übernimmt die Ladenkette Hofer in Österreich. • 1976: Aldi Süd expandiert in die USA und übernimmt dort die 50 Läden von Benner Tea of Iowa. • 1980: Aldi Nord steigt mit 6,2 % bei der US-Kette Albertson’s Inc. in Boise (Idaho) ein. • 1984: Mit Ulrich Wolters übernimmt der erste familienfremde Manager bei Aldi Süd das Amt des Verwaltungsratschefs. • 1996: Aldi startet mit dem Verkauf von Personalcomputern. • 1998: Das Buch des ehemaligen Aldi-Managers Dieter Brandes sorgt für Aufsehen. • 2000: Aldi Süd grenzt sich deutlich von Nord ab, die Mülheimer fügen dem Firmenlogo den Zusatz „Süd“ hinzu. • 2000: Aldi Süd rüstet alle Filialen mit Scannerkassen aus. • 2000: Aldi Süd expandiert nach Australien. • 2002: Erstmals in der Firmengeschichte muss Aldi Einblick in seine Bilanzen gewähren. • 2003: Aldi Nord führt Scannerkassen und integrierte Obst- und Gemüsewaagen ein. • 2007: Aldi Süd führt Online-Service ein.

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3. Der Offline-Indirektabsatz 

• 2009: Ausstattung der Filialen mit vollautomatisierten Backöfen. • 2015: Installation erster Elektrotankstellen auf dem Filialgelände. • 2017: Auslistung von Einwegtüten. • 2018: Ausweitung des „Backwelt“-Sortiments. Die wichtigsten Aldi-Geschäftsprinzipien, die dem Erfolg zugrunde liegen, sind die Folgenden: • Wir wollen, dass die Verbraucher die wichtigsten Lebensmittel ganz in der Nähe, immer frisch, immer von hoher Qualität und immer zum günstigen Preis kaufen können. Daraus haben wir ein Prinzip gemacht: Qualität ganz oben, Preis ganz unten. • Wir kaufen von leistungsstarken Lieferanten in so großen Mengen, dass wir die Qualität bestimmen, die Frische garantieren und selbstverständlich günstiger einkaufen als alle, die weniger davon einkaufen. • Wir garantieren hohe Qualität und lassen uns diese durch ständige, unabhängige Lebensmittelkontrollen bestätigen. • Wir sparen bei allem, was Ware üblicherweise verteuert. Unsere Läden sind nicht zu groß, unser Sortiment ist nicht zu breit, die Warenpräsentation nicht aufwändig. Unsere Logistik ist äußerst rationell. • Wir liefern, was wir versprechen. Produkte von hoher Qualität, in großer Frische, so günstig, wie nur Aldi es kann. • Wir sind stolz auf unsere freundlichen und zuverlässigen Mitarbeiter. Und unseren Erfolg. 85 % aller Haushalte kaufen bei Aldi, das sind mehr, als bei jedem anderen Lebensmittelanbieter. • Wir danken für die Treue und garantieren, falls ein Produkt einmal nicht den Geschmack treffen sollte, Rücknahme und Kaufpreiserstattung ohne Nennung von Gründen. • Wir versprechen, dass wir zum Nutzen der Kunden immer und überall unser Aldi-Prinzip konsequent einhalten. Davon kann sich jeder selbst überzeugen, jeden Tag. Dennoch scheint es, als sei der Lebenszyklus der Discounter im Höhepunkt angekommen. Als Gründe für die zwischenzeitliche Stagnation der Discounter gelten vor allem folgende: • Die „Geiz ist geil“-Welle ist ausgereizt und kommt nicht mehr weiter voran. Qualitätsbewusste Konsumenten ersetzen die Preispriorität der Discounter zunehmend für sich durch eine Qualitätspriorität. • Das Wachstum der Discounter war zuletzt vor allem durch Neueröffnungen getrieben, nunmehr ist die Standortdichte bereits sehr hoch.

3.3 Einzelhandelsbetriebsformen 

163

• Discounter kannibalisieren sich mittlerweile vorwiegend gegenseitig, statt anderen Betriebsformen Kunden weg zu konkurrieren. • Lebensmittel sind im Preis allgemein an der absoluten Untergrenze angekommen, damit verbunden sind erhebliche öko-soziale Probleme. • Die Aktionsartikel wiederholen sich zunehmend und locken nicht mehr so viele Kunden an, auch weil die Bedarfspotenziale ausgeschöpft sind. • Sortimentsausweitungen um Frischwaren wie Brot und Obst erhöhen die Handlingkosten und vermindern die Umschlaggeschwindigkeit. • Die Expansion im Ausland kommt nicht so schnell voran wie erwartet, da dort durch andere Konsumverhältnisse Widerstände auftreten. • Viele ältere Standorte haben nicht genug Parkplätze oder eine schlechte Verkehrsanbindung. Oft reicht der Platz bei proliferierendem Sortiment nicht mehr zur Präsentation aller Artikel.

3.3.3 Primäre, nicht-stationäre Einzelhandelsbetriebsformen Primäre, nicht-stationäre Betriebsformen des Einzelhandels zeichnen sich allgemein dadurch aus, dass sie keinen festen Verkaufspunkt haben. Dazu gehören vor allem die nachfolgenden mit ihren typischen Merkmalen. Merkmale des Universalversandhandels, z. B. „Otto“, sind: • sehr breites, relativ flaches Sortiment, gestaffelt nach Jahreszeiten, Sonderanlässen, Thematiken etc., • anspruchsloses Sortimentsniveau, aber Trading-up über Spezialitäten, • starre, konventionelle Preisbildung, teilweise aggressiv, • Großbetriebsform, • intensiver Einsatz des Beeinflussungs-Mix, insb. Kommunikation, • Akquisition durch Distanzprinzip (Katalog) und Bestellung (Auftrag), evtl. Telefon, Vertreter, Sammelbesteller etc., • horizontale Integration in Konzern. Merkmale des Fachversandhandels, z. B. „Baur“, „Oppermann“, „Witt“, sind: • eher enges, ausreichend tiefes Sortiment, meist beschränkt auf eine Branche oder verwandte Produktgruppen, z. B. Schmuck, Mode, • gediegenes Sortimentsniveau, • starre, konventionelle Preisbildung, teilweise aggressiv, • mittelständische Betriebsform,

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3. Der Offline-Indirektabsatz 

• intensiver Einsatz des Beeinflussungs-Mix, • Akquisition durch Distanzprinzip (Katalog) und Bestellung (Auftrag), evtl. auch über Telefon, Vertreter, Sammelbesteller etc., • horizontale Integration in Konzern (meist Universalversandhandel). Der Mobile Handel findet in verschiedenen Formen statt, so als • Markthandel, z. B. Wochenmarkt für Produkte des täglichen oder täglich-häufigen Bedarfs, vor allem Frischwaren, • Straßenhandel, z. B. Verkaufswagen / ​Frischedienst, vor allem zur Abdeckung chronisch unterversorgter Gebiete, • Hökerhandel, z. B. Trödel- / Andenkenstand, die eher provisorisch ausgerichtet sind, • Hausierhandel, z. B. Haustürverkauf, der nicht durch Hersteller gesteuert ist, • Wanderhandel, z. B. Teppichverkauf, wo oft nur temporäre Geschäftslokale unterhalten und diese nach Abwicklung aufgelöst werden. Verstärkt treten Lebensmittel-Bringdienste hinzu, z. B. „Picnic“, „Flaschenpost“, „Amazon Fresh“. Sie versorgen vor allem ältere, immobile Menschen, vorwiegend in ländlichen Gegenden, zunehmend aber auch Berufstätige / ​Doppelverdienerhaushalte. Auch die großen Handelskonzerne wie Rewe sind auf diesen Trend eingestiegen, schaffen es jedoch derzeit nicht, dort zufriedenstellend und profitabel anzubieten, zu kleinteilig ist das Geschäft, zu fixkostenlastig und überhaupt mit zu geringem Bedarf. Intelligente Konzepte sind jedoch offensichtlich in der Lage, dies zu ändern. Dazu tragen die allgemeine Affinität zum Online-Einkauf, die Alterung der Gesellschaft, die Ausdünnung der Filialnetze („Dörfer ohne Läden“), zunehmende Berufstätigkeit, aber auch prekäre Beschäftigungsverhältnisse gehörig bei. Eine weitere Gruppe stellen Tiefkühl-Frischedienste dar (z. B. „Bofrost“, „Frosta“), die TK-Pakete zuhause anliefern, neben Lebensmitteln auch Fertiggerichte, Kuchen etc. Zielgruppe sind vor allem ältere, immobile Personen. Schließlich gehören auch Menü-Lieferservices dazu, die durch meist unterbezahlte Fahrer vorbestellte Gerichte derzeit verlustbringend an der Haustür zustellen (z. B. „Lieferando“, „Delivery Hero“) bzw. als Essensbringdienste vor allen alte und behinderte Bürger mit warmen Mahlzeiten in karitativer Absicht versorgen (z. B. Essen auf Rädern, ASB / ​Caritas).

3.3.4 Sekundäre, stationäre Einzelhandelsbetriebsformen Sekundäre Betriebsformen entstehen durch Konzentration primärer Betriebsformen, und zwar räumlich stationär oder formal nicht-stationär, also nach Einheit des Standorts über Agglomeration oder der Führung rückwärts / ​vorwärts gerichtet

3.3 Einzelhandelsbetriebsformen 

165

gekennzeichnet. Hinsichtlich der räumlichen Konzentration handelt es sich um Einkaufszentren, als Shoppingcenter, vorwiegend an peripheren Standorten oder als überdachte Einkaufspassagen (Malls), vorwiegend an zentralen Standorten wie z. B. Kö-Galerie / Düsseldorf, Hanse-Viertel / Hamburg, Levanthe-Haus / Hamburg, Höfe Fünf / München, Mädler-Passage / Leipzig, geführt. Beim Einkaufszentrum handelt es sich um die gewachsene oder aufgrund einer Planung entstandene räumliche Konzentration von Einzelhandels- und Dienstleistungsbetrieben verschiedener Art und Größe. Es wird meist als Einheit vom Betreiber als Konzentration kooperativ tätiger Gewerbetreibender geplant, errichtet und verwaltet und besteht aus einer größeren Anzahl rechtlich selbstständiger Gewerbetreibender. Es befindet sich meist in einheitlichem Besitz. Entscheidungen werden durch Verwaltungsgesellschaft und Mietervereinigung getroffen. Die Miete ist fix, umsatzabhängig oder kombiniert ausgestaltet. Die Ausrichtung erfolgt auf das Einzugsgebiet mit eigenen Parkplätzen, verkehrsgünstig gelegen, oft als CityCenter in geplantem Gebäudekomplex. Beispiele sind Breuningerland / ​Stuttgart, CentrO / ​Oberhausen, Elbe Park / ​Dresden, Rhein-Galerie / ​Ludwigshafen, RheinNeckar-Zentrum / ​Viernheim, Weserpark / ​Bremen. Die Frage des optimalen Mieter-Mix ist im Einzelnen von den jeweiligen Betriebsformen, Sortimentsinhalten und Geschäftsgrößen abhängig. So bedarf es einerseits einer gewissen Anzahl von Impuls-Outlets, die Waren des täglichen oder täglich häufigen Bedarfs führen und als Frequenzbringer dienen. Zu viele dieser ImpulsOutlets bergen jedoch die Gefahr, die hochwertige Anmutung zu unterminieren. Ebenso bedarf es einer gewissen Anzahl Edel-Outlets, die Flair und Extravaganz verbreiten und auf die gesamte Betriebsform abstrahlen lassen. Hinzu kommen Gastronomie-Betriebe, die zum Verweilen einladen, und Ladenhandwerksbetriebe, die den Bequemlichkeitscharakter betonen. Dann ist deren relative Lage innerhalb des Einkaufszentrums zu bestimmen, etwa nahe am Eingang oder „in der Tiefe des Raumes“. Schließlich ist auch für Sauberkeit durch Reinigungstrupps und Ordnung durch Sicherheitsteams zu sorgen. Hilfreich sind ebenso anlassbezogene unterhaltende oder informative Veranstaltungen, um im Gespräch zu bleiben. Dafür sorgt auch kontinuierliche Kommunikation, die als Kollektivwerbung angelegt ist und durch Werbekostenumlage der Zentrumsmieter finanziert wird. Es lassen sich Betriebsformen verschiedener Generationen unterscheiden, solche der: • 1. Generation (ca. 1965–1975), Merkmale sind grüne Wiese-Lage, groß, offen, ebenerdig angeordnet, anspruchslose Architektur, • 2. Generation (ca. 1975–1985), Merkmale sind meist innerstädtische Lage, kleiner, geschlossen (Klimatisierung etc.), mehrgeschossig, multifunktionale Auslegung, • 3. Generation (ca. 1985–1995), Merkmale sind innerstädtische Lage, kleiner, als Galerie ausgestaltet, mehrgeschossig, mit Freizeitanbindung,

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3. Der Offline-Indirektabsatz 

• 4. Generation (ab 1995), Merkmale sind grüne Wiese-Lage, mittlere Größe, als Galerie ausgestaltet, ebenerdig, multifunktionale Auslegung, • 5. Generation (ab 2005), Merkmale sind die Ergänzung der Einkaufsmöglichkeiten um Erlebniselemente (Gastronomie, Freizeit, Kino etc.), • 6. Generation (ab 2015), Merkmale sind Hochwertigkeit, Shopping-Kultur und hohe Servicedichte (Servitization), vor allem Gastro. Man unterscheidet weiterhin nach: • der Zuordnung in Wohnsiedlungsgebiete integrierte oder nicht-integrierte Einkaufszentren, • der Hierarchie Unterzentren für den Basisbedarf, Mittelzentren für Basis- und gehobenen Bedarf, Oberzentren für den gehobenen Bedarf, • dem Einzugsgebiet Nachbarschaftszentrum bis 15.000 Einwohner im Umkreis, Stadtteilzentrum bis 100.000 Einwohner oder Regionalzentrum ab 100.000 Einwohner, • dem Sortiment spezialisierte Betriebe mit einer Branche oder nicht spezialisierte Einkaufszentren mit Betrieben mehrerer Branchen, • dem Layout die Anordnung als Ladenzeile, als Innenhof oder als Wegesystem. Übergreifende Merkmale von Einkaufszentren sind die folgenden: • sehr breites, ausreichend tiefes Sortiment mehrerer Anbieter, • je nachdem anspruchsloses bis gediegenes / ​luxuriöses Sortimentsniveau, • je nachdem aggressive, flexible bis exklusive, starre Preisbildung, • Großbetriebsform mehrerer ansonsten selbstständiger Einzelhändler, • je nachdem geringer bis hoher Einsatz des Beeinflussungs-Mix, • Akquisition durch Ladengeschäfte in Selbst- oder in dominanter Fremdbedienung, • stationärer Einheitsstandort durch Agglomeration, • Unabhängigkeit und Einmaligkeit. Darüber hinaus haben sich in neuerer Zeit zahlreiche Sonderformen von Einkaufszentren herausgebildet: • Power centers bieten einen Mix aus normalerweise mindestens drei Magnetbetrieben (Category killers wie ehemals Toys’R’Us) und wenigen arrondierenden Kleinbetrieben. Die Magnetbetriebe machen dabei gemeinsam den weitaus größten Flächenanteil des Center aus. • Off price centers werden aus nicht branchenüberschneidenden Handelsbetrieben gebildet, die qualitativ hochwertige Markenartikel des Nonfood-Bereichs

3.3 Einzelhandelsbetriebsformen 

167

nachhaltig unter dem vergleichbaren Verkaufspreis in traditionellen Outlets anbieten. Häufig handelt es sich dabei um Ware aus Überschussproduktion, Auslaufmodelle, Saison- und Endware, Reklamationsware, Ware zweiter Wahl oder aus Konkursen als Postengeschäft. • Theme centers weisen eine Agglomeration auf, die gemeinsam einen Bedarfsbereich, meist hochpreisig, abdeckt, z. B. Stilwerk / ​Düsseldorf-Berlin-Hambrg für Einrichtungsbedarf. • Urban entertainment centers kombinieren Freizeitanlagen und Einkaufsmöglichkeiten, z. B. Centerparc, Cinemaxx. Das Angebot beschränkt sich allerdings auf Impulswaren mit ausgeprägtem Fun-Charakter. • Factory outlet centers bestehen aus einer Agglomeration herstellerinitiierten Filialbetriebe unter einem Dach, die Waren aus eigener Produktion zu niedrigeren als den am Markt üblichen Preisen abgeben. Meist wird nur behauptete Ware zweiter Wahl, aus Überbeständen oder Retouren verkauft. FOCs werden von Betreibergesellschaften geplant, entwickelt und geführt. Die Gesamtverkaufsfläche beträgt mehrere tausend Quadratmeter. Das Sortiment besteht aus Markenartikeln, die Preise liegen deutlich unter denen des traditionellen Einzelhandels. Das Mall-Konzept ist überdacht, das Village-Konzept unter offenem Himmel. Standortanforderungen sind verkehrsgünstige Lage, akzeptable Grunderwerbskonditionen, ausreichende Distanz zum lokalen Fachhandel, mögliche Expansionsflächen etc. Dafür kommen vor allem ländliche Räume, Industriebrachland, Grenzstandorte etc. in Betracht. Die Umsätze gehen überwiegend zulasten des lokalen Einzelhandels. Es gibt in Europa an die 200 FOCs, in Deutschland besteht ein erheblicher Nachholbedarf, jedoch ist die Genehmigung sehr schwierig zu erreichen (Beispiele sind Roppenheim, Zweibrücken, Metzingen, Wertheim). Daher werden Center in Grenznähe errichtet (Roermond / ​NRW).

3.3.5 Sekundäre, nicht-stationäre Betriebsformen Sekundäre, nicht-stationäre sind formal konzentrierte Betriebsformen des Einzelhandels. Innerhalb dieser Verbundgruppen sind vor allem Freiwillige Ketten und Einkaufsverbände zu nennen. Freiwillige Ketten sind Zusammenschlüsse von Einzelhandelsbetrieben auf Initiative und unter Beteiligung der Großhandelsstufe (Top down), um Kooperationsvorteile zu nutzen. Diese liegen bei den Einzelhändlern vor allem in der Kostendegression großer Lose durch Zentraleinkauf und im Erfahrungsaustausch, beim Großhändler in der engeren Einbindung der Einzelhändler für dauerhafte Geschäftsbeziehungen. Ausgangspunkt ist dabei die Situation des Großhandels, der sich zunehmend mit der Gefahr seiner Ausschaltung konfrontiert sieht. Um seine Absatzbasis zu sichern, hat er daher ein Interesse daran, seine Abnehmer im Einzelhandel enger an sich zu binden, damit diese gegenüber Anfechtungen ein-

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3. Der Offline-Indirektabsatz 

stufig indirekter Belieferung immunisiert werden. Zugleich kann der Großhandel die Interessen der ihm verbundenen Einzelhändler geschlossen bei Herstellern geltend machen, auch in Bezug auf den Preis. Einkaufsverbände basieren auf der Übereinkunft von Einzelhändlern, ihr Sortiment ganz oder teilweise über eine gemeinsame Großhandelszentrale zu beschaffen (Bottom up), um von den dabei entstehenden Verhandlungsvorteilen zu profitieren. Die Initiative geht dabei von den Einzelhändlern aus, ist also im Unterschied zur Freiwilligen Kette rückwärts gerichtet. Auch hierbei geht es um die Bündelung der Interessen, wobei eher eine defensive Wettbewerbseinstellung traditioneller Betriebsformen gegeben ist, die ihren Bestand gegenüber aggressiven Großbetriebsformen durch Bündelung ihrer Kräfte zu retten suchen. Beispiele für Verbundgruppen sind / ​waren folgende: • Markant / ​Lebensmittel, Ariston Nord-West-Ring / ​Schuhe-Freizeit, Einkaufsbüro Deutscher Eisenhändler / ​Eisenwaren, Intersport / ​Sport, Hagebau / ​Baustoffe, Eurobaustoff / ​Baustoffe, Sanacorp / ​Pharma, Noweda / ​Pharma, Für Sie / ​​Getränke, Expert-Euronics / ​UE, Euronics / ​UE, Nordwest Handel / ​Eisenwaren, Atlas Einrichtungs-Einkauf / ​Möbel, Electronic Partner / ​UE, EK Servicegroup / ​​Möbel, MHK Group / ​Möbel, VME / ​Möbel, Getränke-Ring / ​Getränke, Katag / ​Bekleidung, Vedes / ​​ Spielwaren, Sport 2000/Freizeitartikel, Carat / ​Autoteile, Hagebau / ​​BaumarktGartencenter, Katag / ​Bekleidung, Garant / ​Möbel. Bei beiden Formen sind Verrechnungskontore denkbar und häufig auch gegeben. Der Lieferant stellt dann nur eine Sammelrechnung für alle angeschlossenen Einzelhandelsbetriebe aus, die vom GH-Kontor gesammelt beglichen wird. Das GH-Kontor bündelt die Rechnungen verschiedener Lieferanten an einen Handelsbetrieb und zieht von diesem den Rechnungsbetrag ein. Man spricht von einer Zentralregulierung. Da das GH-Kontor damit das Einzugsrisiko für die bezahlten und eingezogenen Beträge gegenüber dem Lieferanten übernimmt, das Delkredere, wird von diesem dafür eine Provision gefordert. Zum Schutz gegen vorübergehende oder dauerhafte Zahlungsausfälle der Handelsbetriebe kann eine Warenkreditversicherung mit Deckungszusage bis zu einem Limitbetrag abgeschlossen werden. Die Prämien sind einzelfallabhängig. Insgesamt ergeben sich vielfältige Möglichkeiten für Wettbewerbsvorteile. So kommt es zu einer effektiveren Zuordnung durch Zentralisieren bzw. Dezentralisieren geeigneter Aktivitäten sowie zum Verlagern auf andere Einheiten oder nach außen. Eine höhere Effektivität ergibt sich auch durch Straffung der Abläufe, Standardisierung bzw. Pauschalierung von Vorgängen sowie durch bessere Kapazitätsauslastung. Gemeinsam sind zudem bessere Arbeitsvoraussetzungen möglich, so durch IT-Einsatz, Anlage-/Bauinvestitionen und organisatorische Hilfsmittel. Doppelarbeiten können völlig wegfallen, andere Arbeiten sind in geringerem Umfang bzw. mit geringerer Frequenz möglich. Zugleich wird eine bessere Qualitätssicherung erreicht. Die Abstimmung führt auch zu weniger Stress durch „Blitzaktionen“.

3.3 Einzelhandelsbetriebsformen 

169

Häufig sind Verbundgruppen juristisch in der Form von Genossenschaften organisiert. Genossenschaften (eG) sind Personenvereinigungen mit nicht geschlossener Mitgliederzahl von mindestens sieben, welche die Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb bezwecken, ohne dass diese persönlich für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft haften. Der Vorstand wird von der Generalversammlung oder dem Aufsichtsrat gewählt und führt die Geschäfte eigenverantwortlich. Die Generalversammlung wählt den Aufsichtsrat. Jeder Genosse darf an der Generalversammlung teilnehmen, sofern nicht eine Vertreterversammlung bei über 3.000 Mitgliedern erforderlich ist. Abstimmungen erfolgen nach Köpfen, nicht nach Geschäftsanteilen. Die Bedeutung der eingetragenen Genossenschaft liegt im Zusammenschluss der wirtschaftlich Schwachen im Wettbewerb mit Großbetrieben. Die Genossen sind zugleich der Kundenstamm der Genossenschaft. Die Verhandlungsposition verbessert sich sowohl im Ein- wie im Verkauf. Man unterscheidet Warengenossenschaften zum Bezug landwirtschaftlicher Bedarfsstoffe, zur Erfassung, Vermarktung und Verwertung landwirtschaftlicher Erzeugnisse, und Einkaufsgenossenschaften zum Großeinkauf von Waren und zur Materialbeschaffung. Beispiele sind / ​waren • im Handel: Rewe / ​Nahrungs- und Genussmittel, Neuform / ​Gesundheitskost, Esüdro / ​​Drogeriewaren, Intersport / ​Sport und Camping, MSE / ​Sport und Camping, Interfunk / ​Unterhaltungselektronik, Vedes / ​Spielwaren, Tawagro / ​Tabakwaren, Hadeka / ​Textilien und Bekleidung, Sütex / ​Textilien und Bekleidung, Ariston / ​​ Schuhe, Garant / ​Schuhe, Nord-West-Ring / ​Schuhe, Nordwest / ​Hausrat, EK / ​​Hausrat, Nürnberger Bund / ​Hausrat, GDB / ​Bürobedarf, Büro actuell / ​Bürobedarf, Noweda / ​Arzneimittel, • im Handwerk: Bäko / ​Brot- und Backwaren, Zentrag / ​Fleischereibedarf, Zedach / ​​ Dachdeckerei- und Sanitärbedarf, EVG / ​Glasereibedarf, Deutag / ​Raumausstattung. Daneben gibt es Konsumgenossenschaften als Vereine zum gemeinschaftlichen Einkauf von Lebensmitteln oder Wirtschaftsbedürfnissen im Großen und Absatz im Kleinen (z. B. Edeka / ​Nahrungs- und Genussmittel). Sie stellen hilfswirtschaftliche Zusammenschlüsse von privaten Haushalten dar, um diese zu möglichst günstigen Preisen zu versorgen. Allerdings dürfen auch Nichtmitglieder beliefert werden (Erwerbswirtschaftlichkeit).

3.3.6 Spezielle Einzelhandelsbetriebsformen Spezielle Betriebsformen des Einzelhandels bestehen abseits des Mainstream und betreffen etwa die im Folgenden genannten Ausprägungen. Der Nebenverkauf betrifft Absatzstellen in Kantinen von Betrieben oder Verwaltungen. Dort werden ausschließlich Kleinpreisartikel des Impulssortiments im

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3. Der Offline-Indirektabsatz 

Nebengeschäft abgegeben, wobei jedoch erhebliche Umsätze zustande kommen. Dazu gehören des Weiteren auch die Verkäufe in Szenelokalen, Fußballstadien, Hotels, Ferien- und Freizeitclubs etc. Der Automatenverkauf erfolgt z. B. für Zigaretten, Getränke, Süßwaren, Snacks, Blumen, Kaugummi, Kondome. Als Vorteile sind die Unabhängigkeit von Ladenöffnungszeiten und spezielle Standortmöglichkeiten zu nennen, als Nachteile die Anlagenintensität, der stete Nachfüllbedarf, die technische Störanfälligkeit und die eingeschränkte Wareneignung. Man unterscheidet: • Innenautomaten ohne freien Zugang in öffentlichen oder privaten Gebäuden, etwa in Kantinen, Pausenräumen, Schulen, Behörden etc., • Außenautomaten mit freiem Zugang (bedienungslos) an Straßenrändern, auf Plätzen etc., • Automatenläden als dauergeöffnete Geschäftslokale mit totaler Selbstbedienung durch mechanisierte Wahl, Bezahlung, Entnahme und Betriebsbereitschaft, etwa an Bahnhöfen, Flughäfen, Freizeitparks etc. Der Katalogschauraum (Catalogue showroom) bietet die Möglichkeit, aus einem Katalog Waren auszuwählen, die dann unmittelbar nach Kauf vom Lager ausgehändigt oder beim Hersteller bestellt werden. Fallweise können Probeexemplare der Waren besichtigt, geprüft und weitergehende Informationen, oft unter Zuhilfenahme elektronischer Kommunikationsmittel, eingeholt werden. Hierzulande boten einige Otto-Bestellcenter diese Möglichkeit. Näherungsweise ist dies auch bei IKEA gegeben, wo die Vorwahl nach einem Katalog stattfindet, und die Ware dann aus dem Lager in verpackter Form von Kunden selbst entnommen oder vom Anbieter kommissioniert wird. Dabei handelt es sich jedoch um keine Handelsform, sondern um ein Herstellerniederlassungssystem (Vertical). Verticals (Mono label stores) sind Herstellerfilialen, also Formen des Direktabsatzes. Hersteller werden hier funktional zu Händlern, bleiben institutional aber Produzenten. Der Anteil der Eigenware beträgt 100 %. Beispiele im DOB-HakaBereich sind Hennes & Mauritz, K&L, Ruppert, Orsay, Jean Pascale, New Yorker, Ernsting’s family, Ulla Popken, M&S Moden, Bonita, Esprit, Zero (teils allerdings in Insolvenz mit Eigenverwaltung). Bei Händlern mit Eigenmarken verhält es sich genau umgekehrt, sie sind funktional Produzenten, institutional aber Händler. Bei diesen Händlern kann der Eigenmarkenanteil mehr oder minder hoch liegen (z. B. Deichmann, Denn’s, Fressnapf). Je niedriger der Anteil der Eigenmarken, desto mehr wird der Eigenmarken- zum Fremdmarkenhändler, im Grenzfall dann zum reinen Wiederverkäufer im Indirektabsatz. Convenience stores bieten ein breites, aber sehr flaches, schnell drehendes Sortiment an Waren des kurzfristigen Bedarfs auf vergleichsweiser kleiner Geschäftsfläche an wie Impulshandel, Kioske. Das Sortiment umfasst Tabakwaren,

3.3 Einzelhandelsbetriebsformen 

171

Zeitschriften, Getränke, Spirituosen, Süßigkeiten u. Ä. und ist hochpreisig kalkuliert und fremdbedient, der Standort ist meist in unmittelbarer Nachbarschaft zu Wohngegenden, es wird kaum Beeinflussungs-Mix geboten. Die Ladenschlusszeiten gelten nur eingeschränkt. Hierzu gehören auch Tankstellenshops, seit der Anteil der Nicht-Mineralöl-Produkte am Umsatz dieser Betriebsformen in immer stärkerem Maße zunimmt. Sie führen alle Produkte, die als Autofahrerbedarf deklariert werden können. Drogeriemärkte sind die modernen Nachfolger der klassischen Drogerien und verbinden deren Fachgeschäftscharakter mit der Anmutung von SB-Geschäften. Hierzulande konzentrieren die Ketten DM, Müller, Budnikowski und Rossmann die weitaus größten Umsatzanteile auf sich. Das Sortiment erstreckt sich neben klassischen Drogeriewaren auch auf allgemeine Verbrauchsartikel, Parfüms und dekorative bzw. pflegende Kosmetika. Hinzu kommen Aktionsartikel im Gebrauchswarenbereich. Zunehmend an Bedeutung gewinnen auch die Bahnhöfe als Einkaufsorte. Moderne Bahnhöfe wie z. B. Leipzig, Berlin sind mit kompletten Einkaufszeilen ausgestattet, in denen alles, was zum Reisebedarf gehört, frei von Ladenschlusszeiten verkauft werden darf. In ähnlicher Weise werden Flughäfen nach Rückgang des Dutyfree-Geschäfts mit großzügigen, hochpreisigen Ladengeschäften ausgestattet (z. B. Frankfurt). In Urlaubsgebieten werden spezielle Einkaufsmöglichkeiten für Touristen geboten. Das Angebot beschränkt sich nicht unbedingt auf Artikel ethnischer Herkunft, sondern umfasst auch alltägliche Produkte (z. B. Bekleidung, Schmuck), die in der Euphorie des Urlaubs unter Hintanstellung von Preis-Leistungs-Vergleichen erworben werden. Im Trend zu natürlicher Ernährung gewinnt auch die landwirtschaftliche Direktvermarktung auf Bauernmärkten oder Bauernhöfen an Bedeutung. Dort werden Naturprodukte, also Fleisch, Käse, Wurst etc., aber auch verarbeitete Naturprodukte, wie Teppiche, Decken, Oberbekleidung etc., hochpreisig angeboten. Eine wichtige Rolle spielt dabei das „Landlust“-Ambiente, die Frische der Waren ist hingegen in Zweifel zu ziehen. Das Secondhand-Geschäft wird in vielfältiger Weise betrieben. So gibt es spezielle Gebrauchtwarenläden, die vor allem technische Geräte und andere Hartwaren anbieten wie Kinderspielzeug, Damenoberbekleidung, Computer-Hardware/-Software etc. Häufig werden diese Läden von Migranten oder Jugendlichen betrieben. Kommerzialisiert ist zwischenzeitlich auch das Angebot auf Trödelmärkten. Je nach Produktgattung kann es sich dabei um nennenswerte Volumina handeln. Eine Abwandlung sind Dritte-Welt-Läden (Fairtrade). Bei neueren Betriebsformen des Einzelhandels handelt es sich auch um themenzentrierte Partievermarkter wie Tchibo, Tankstellenshops, Kodi etc. und fallweise Restpostengeschäfte wie Inferno, Zeeman, Kodi). Beide haben ein branchenüber-

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3. Der Offline-Indirektabsatz 

greifendes Sortiment, das nicht fest, sondern regelmäßig oder unregelmäßig, aber inhaltlich nur begrenzt voraussehbar, wechselnd ausgelegt ist. Bei den Artikeln handelt es sich um besonders preisgünstige markenlose Waren. Die Partievermarktung kann nach folgenden Kriterien eingeteilt werden: • reine Partievermarktung (auch Havariehandel) oder auch Vorhaltung eines Stammsortiments, • branchennahe Produkte, z. B. Kochtöpfe im LEH, oder branchenferne Produkte, z. B. Fahrräder im LEH, • regelmäßiges Partieangebot oder fallweises Partieangebot, • Einzelartikel oder Themenbündel, • Herstellermarken oder Handelsmarken bzw. markenlose Ware, • primär zur Partievermarktung produziert oder für Serie / ​Masse produziert. Weiterhin gibt es Einheitspreisläden (EHP). Dort wird ein wechselndes Sortiment zu artikelgleichen Preisen oder absolut sehr niedrigen Preisen geführt (Tedi). Angesichts besorgniserregender Verarmungstendenzen in der Gesellschaft und Geizdenken sind diese Outlets vor allem in ansonsten Fach- und Spezialgeschäften vorbehaltenen Lagen auf dem Vormarsch. Mehrfachgeschäfte sind Betriebsformen des Einzelhandels, die verschiedene, mehr oder minder verbundene Sortimente in Ausschnitten vorhalten, z. B. Jysk: Bettwäsche, Dekoration und Möbel, Butlers: Tisch-/Wohnaccessoires, Deko, Geschenke, oder ehemals Strauss Innovation: Bekleidung, Accessoires und Genuss­ mittel. Eine weitere Variante sind Pop-up stores. Diese stellen ein vorübergehendes, provisorisches Einzelhandelsgeschäft dar, meist in anderweitig leerstehenden Geschäftsräumen. Das Sortiment besteht aus dem Originalprogramm eines Herstellers bzw. aktuellen Sortimentsausschnitten mehrerer Hersteller. Der Event wird in Social media propagiert (Viral-Effekt) und gilt zumeist für modebezogene Artikel und in urbanen Zentren für Jugendliche. Die Präsentation ist spartanisch und preisaggressiv angelegt. Sie bezieht sich auf Sonderposten und gilt nur bis diese ausverkauft sind, danach wird der Geschäftsstandort aufgelöst.

3.3.7 Ladenhandwerk Eine weitere Sonderform stellt das Ladenhandwerk dar, dies sind Handwerker, die ihre Leistungen in ihrer Betriebsstätte anbieten wie Bäckereien, Konditoreien, Fleischerein etc. Jeder Handwerksbetrieb ist in der Handwerksrolle der zuständigen Handwerkskammer eingetragen. Es gibt zulassungspflichtige, zulassungsfreie und handwerksähnliche Gewerbe. Zu den zulassungspflichtigen handwerklichen

3.4 Großhandelsbetriebsformen 

173

Gewerben gehören z. Zt. 41 Berufe, die in der Anlage A des Gesetzes zur Ordnung des Handwerks aufgeführt sind. Für die Zulassung, die Eintragung und den Betrieb sind ein Qualifikationsnachweis in Form einer Meisterprüfung und eine Rechtsform erforderlich. Zu den zulassungsfreien Handwerken, die in der Anlage B1 der Handwerksordnung aufgeführt sind, zählen z. Zt. 53 Berufe. Für deren Eintragung sind kein Qualifikationsnachweis und keine Zulassungsnachweise erforderlich. Ein Eintrag bei der HWK erfolgt dennoch. Außerdem gibt es z. Zt. 57 handwerksähnliche Gewerbe, die in der Anlage B2 der Handwerksordnung aufgeführt sind. Sie erfordern ebenfalls keinen Qualifikationsnachweis, sind jedoch bei der HWK einzutragen. Was genau ein handwerksmäßiger Betrieb ist, ist dennoch nicht definiert. Es gibt in Deutschland knapp 1 Mio Betriebe mit über 5 Mio. Beschäftigten (= 12,6 % aller Beschäftigten). Nur 18,4 % aller Betriebe haben mehr als zehn Mitarbeiter. Handwerksbetriebe sind zumeist inhabergeführt und lokal tätig. Die Ausbildungsquote liegt hoch, der Anteil von Frauen und Akademikern ist unterdurchschnittlich. Abnehmer der Leistungen sind zu ungefähr gleichen Teilen private Haushalte und Unternehmen, 13 % stammen von der Öffentlichen Hand, 2 % aus dem Auslandsgeschäft.

3.4 Großhandelsbetriebsformen Großhandel ist Handel unter Kaufleuten. Großhandelsbetriebe sind zwischen Hersteller und Einzelhandel im Absatzkanal zwischengeschaltet. Sie werden Eigentümer der gehandelten Waren und Dienste, aber primär zum Zwecke deren Wiederverkaufs. Dabei lassen sich verschiedene Einteilungskriterien und Ausformungen unterscheiden. Vielfach geht die Bedeutung des Großhandels im Vertrieb allerdings zurück.

3.4.1 Einteilungskriterien und Ausformungen Die Aufgabe, die dem Großhandel in einer arbeitsteilig gegliederten Volkswirtschaft zufällt, ist identisch mit den Handelsfunktionen des gesamten Handels, nämlich bestehende Spannungen zwischen Produktion und Konsumption in zeitlicher, räumlicher, qualitativer und quantitativer Hinsicht auszugleichen. Infolgedessen sind die einzelnen Betriebe aufgrund ihrer jeweils spezifischen, nach Distributionsökonomisierung strebenden Leistungsangebote am gesamtwirtschaftlichen Prozess der Wertschöpfung beteiligt. Funktionaler Großhandel ist die wirtschaftliche Tätigkeit der Beschaffung und des Absatzes von Waren an Produzenten, Weiterverarbeiter, Wiederverkäufer und Großabnehmer sowie der Umschlag von relativ großen Mengen pro Verkaufsakt. Im institutionellen Großhandel werden jene marktlichen Transaktionsprozesse erfasst, die von solchen Betrieben durchgeführt werden, die diese Handelsfunktionen wahrnehmen. Der Großhandel ist

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3. Der Offline-Indirektabsatz 

durch seine Position zwischen Lieferanten und Zwischen- oder Endabnehmern determiniert. Dabei gibt es eine Vielzahl von Betriebsformen. Diese betreffen die Art und Weise, mit der Handelsbetriebe auf der Großhandelsstufe ihre Distributionsaufgaben im Hinblick auf den Umfang, die Intensität der Funktionsausübung und die Art der Kombination der Betriebsfaktoren wahrnehmen. Allerdings sind die Grenzen zwischen den einzelnen Betriebsformen aufgrund der Dynamik fließend.

nach dem Warenübergang Zustell-Großhandel

Abhol-Großhandel (C & C)

nach der Logistikleistung Lager-Großhandel

Strecken-Großhandel

Service-Großhandel (Rack jobber) nach der Sortimentsplanung Sortiments-Großhandel

Spezial-Großhandel

Posten-Großhandel (Spot-Geschäft) nach der Marktausrichtung Aufkauf-Großhandel

Absatz-Großhandel

nach den Warenarten Naturnaher Großhandel

Konsumnaher Großhandel

nach dem Aktionsgebiet Binnen-Großhandel

Außen-Großhandel

Abbildung 41: Betriebsformen des Großhandels

Dennoch lassen sich Betriebsformen des Großhandels bestimmen. Dafür gibt es charakterisierende Kriterien zur Einteilung (siehe Abb. 41: Betriebsformen des Großhandels). Der Warenübergang kann am Ort des Großhändlers im Residenzprinzip oder am Ort des Abnehmers im Domizilprinzip erfolgen. Dementsprechend handelt es sich um den Abhol-Großhandel (auch Cash & carry-GH) oder den Zustell-Großhandel, der die Regel ist. Ein C & C-GH ist durch die Merkmale Selbstbedienung, Barzahlung, Kommissionierung und Warentransport durch Abnehmer gekennzeichnet. Dies erfolgt ansonsten allenfalls bei kleinen Warenmengen. Er ist seit geraumer

175

3.4 Großhandelsbetriebsformen 

Zeit auch zur Bruttopreisauszeichnung verpflichtet, an die Ladenschlusszeiten gebunden und zu strikten Zutrittskontrollen über Einkaufsausweise angehalten. Lieferung

Großhändler (Hersteller)

Abnehmer Auftrag

Rechnung

Rechnung

Zahlung

Einzelhändler

Bestellung

Zahlung

Abbildung 42: GH-Streckenbeschäft / ​Drop shipping

Die Logistikleistung kann die Warenprozessleistung, also die Warenlagerung beinhalten oder ausschließen, also die Warenlagerung ausschließen. Dementsprechend handelt es sich um den Lager-Großhandel oder den Überlager-Großhandel, der die Regel ist, auch Strecken-Großhandel (siehe Abb. 42: GH-Streckengeschäft / ​ Drop shipping). Bei diesem sind der Realgüterstrom einerseits und die Nominalgüter- und Informationsströme andererseits voneinander getrennt, ersterer läuft auf direktem Absatzweg zwischen Hersteller und Endabnehmer, letztere laufen über den indirekten Absatzweg. Dadurch werden die Vorteile, aber auch die Nachteile beider Absatzwege kombiniert. Das Streckengeschäft bietet sich an, wenn auf dem Absatzweg aufwändige logistische Manipulationen erforderlich sind wie Umladung, Zwischenlagerung, die auf diese Weise eingespart werden können. Allerdings laufen Handelsbetriebe, die Streckengeschäfte zulassen, Gefahr, sich selbst wegzurationalisieren. Dies entspricht im Übrigen dem Trend zur Disintermediation für die Kosten- und Zeiteinsparung. Der Serviceumfang kann die reine Warenverfügbarkeit betreffen oder darüber hinaus die Auffüllung, Pflege und Abrechnung der Platzierung auf angemieteter EH-Fläche. Es handelt sich um Regalflächen im Einzelhandel, die in eigener Regie durch Großhändler mit eigenständigem Sortiment bestückt und wirtschaftlich betreut werden. Der Service umfasst u. a. die Zurverfügungstellung von Ware, die Betreuung, Kontrolle, Auffüllung und Pflege angemieteter Flächen, die verkaufstechnische Unterstützung, Lagerung, Transport und Rücknahme. Man spricht in diesem Fall vom Service-Großhandel (GH-Rack jobbing), der sich im Haarmoden-, Toiletteartikel-, Kurz-, Papier-, Schreib-, Spiel- und Haushaltswarenbereich, bei Kleintextilien, Strümpfen, Tonträgern etc. findet. Service-GH haben einen Full service-Vertrag für alle Funktionen oder einen Part service-Vertrag, z. B. nur für die Bestandsaufnahme, Bedarfsermittlung und Sortimentspflege. Die Vorteile für den Einzelhandel liegen in der Verminderung des Informationsaufwands, der Verringerung der Bestellkosten, der Bereitstellung von Verkaufseinrichtungen, der

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3. Der Offline-Indirektabsatz 

einheitlichen Warenpräsentation, der Verlagerung des Absatzrisikos und zusätzlichen Aktionen. Nachteile betreffen die fehlende Disposition über Regalfläche, den geringen Einfluss auf die Preisgestaltung und die Einbuße an Entscheidungsfreiheit. Die Bezahlung der Verkaufsfläche erfolgt durch Mietzins oder umsatzabhängige Vergütung bei getrennter Abrechnung der Erlöse. Der Sortimentsplanung kann Waren als durchgängiges Programm oder fallweise Spots vorsehen. Dementsprechend handelt es sich um den Sortiments-Großhandel bei breitem Angebot bzw. den Spezial-Großhandel bei engem Angebot einerseits sowie den Posten-Großhandel als Partievermarkter andererseits. Der Sortiments-Großhandel erlaubt aufgrund der Vielfalt die unkomplizierte Transaktion mit einem Geschäftspartner, der Spezial-Großhandel bietet jedoch die individuellere Transaktion, der Posten-Großhandel eignet sich nur zum Ausgleich unvorhergesehener Bedarfsspitzen und für reine Mitnahmegeschäfte. Er hat kein festes Sortiment und verkauft Waren nur solange der Vorrat reicht. Dabei kann es sich ausschließlich (bei Havariehandel) oder teilweise um Partien handeln. Die Marktausrichtung kann am Warenaufkauf, also aufkaufsorientiert, oder am Warenabsatz, also absatzorientiert, erfolgen. Dementsprechend handelt es sich um den Aufkauf-Großhandel oder den Absatz-Großhandel, ersterer ist sammelnd, rückwärts integrierend angelegt und bündelt Bezugsquellen, letzterer ist verteilend, vorwärts integrierend angelegt und bedient Verkaufsstellen, die nicht private Endabnehmer sind. Bei den Warenarten kann es sich um eine erzeugungsnahe oder verbrauchsnahe Orientierung handeln. Dementsprechend gibt es den naturnahen Großhandel oder den konsumnahen Großhandel. Naturnaher Großhandel handelt mit Ur- und Rohstoffen, die zur Be- oder Verarbeitung in Produktionsbetrieben bestimmt sind, konsumnaher Großhandel handelt mit ge- und verbrauchsreifen Produkten, die keiner weiteren Be- oder Verarbeitung mehr zu ihrer Nutzung bedürfen. Das Aktionsgebiet kann sich auf den Inlandsmarkt oder auf Auslandsmärkte erstrecken. Dementsprechend handelt es sich um den Binnen-Großhandel oder den Außen-Großhandel. Der Außen-GH befasst sich mit Export, d. h. dem Verkauf inländischer Waren im Ausland, und dem Import, d. h. dem Verkauf ausländischer Waren im Inland. Der Global-Großhandel ist darüber hinaus mit Transit, d. h. dem Ankauf / ​Verkauf ausländischer Waren in Drittländern, und Durchfuhr, d. h. dem Ankauf / ​Verkauf ausländischer Waren und deren Verbringung in weitere Drittländer, befasst Entsprechend diesen Kriterien lassen sich dann Betriebsformen des Großhandels als praktisch häufig vorkommende Kombinationen bilden. Der derzeitige Wettbewerb im Großhandel ist durch Großbetriebe und Verbundsysteme gekennzeichnet, die eine Vielzahl kleiner und mittlerer Betriebe eliminiert haben. Vor allem besteht die Gefahr der Ausschaltung aus dem Absatzkanal bzw. der Reduktion der Großhandelsfunktionen auf die reine Logistikfunktion als Großhandelsspediteure, die mit erheblichen Spanneneinbußen verbunden ist.

3.4 Großhandelsbetriebsformen 

177

3.4.2 Bedeutung des Großhandels Der Großhandel ist historisch gewachsen. Zum einen verstand sich das produzierende Gewerbe lange Zeit als technisch und nicht unbedingt kaufmännisch orientiert. Von daher war es bestrebt, seinen Vertriebsaufwand so gering wie möglich zu halten. Der Großhandel entlastete hier die Hersteller von der Notwendigkeit, umfangreiche Geschäftsbeziehungen zu zahlreichen Abnehmern zu unterhalten. Zum anderen gerieten ihre Organisationskapazitäten mit sich ausweitendem Absatz an die Grenzen, so dass es erforderlich wurde, die Geschäftsbeziehungen zu bündeln, um sie noch angemessen bewältigen zu können. Der Großhandel ermöglichte hier eine von der eigenen Administration unabhängige Absatzausweitung. In neuerer Zeit wird seitens der Hersteller jedoch ein starker Trend zur Ausschaltung von Absatzstufen hin zu einem immer direkteren Absatzweg sichtbar als Disintermediation. Denn jede Handelsstufe behält naturgemäß ihren Distributionsgewinn in Form von Kalkulationsaufschlag / ​Handelsspanne ein, der den Endverkaufspreis verteuert und damit die Wettbewerbsfähigkeit erschwert. Können Stufen umgangen werden, hier vor allem der Großhandel, erhöht dies bei gleichem Endverkaufspreis den Nettoertrag des Herstellers. Es stellt sich daher die Frage, welche spezifischen Vor- und Nachteile aus der Sicht des Herstellers die Einschaltung des Großhandels in den Absatzweg erbringt. Wesentliche Vorteile aus der Einschaltung des Großhandels im Absatzkanal sind folgende: • Der großhandelseigene Außendienst wird zur Akquisition von Aufträgen eingesetzt, die mit Waren des Lieferanten abgewickelt werden. Dadurch vergrößern sich die Akquisitionschancen und generieren Erlöse, die anderweitig nicht anfallen, bei Kunden, zu denen der Hersteller normalerweise keinen Zugang hat. • Zusätzlicher Werbedruck entsteht durch Aufnahme der Waren in großhandelseigene Werbemittel, die sich an die Einzelhandelsstufe richten. Dadurch entstehen Kontaktchancen zwischen Warenangebot und Zielpersonen, die anderweitig nicht vorhanden sind. • Auch Kleinaufträge sind auf diese Weise für den Hersteller kostengünstig abwickelbar, indem auftragsfixe Kosten vermieden werden, die ansonsten die Rendite stark belasten. • Vorhandene Kundenbeziehungen des Großhandels führen zu einer schnelleren Markterschließung. Dies gilt gerade für neue Produkte und Hersteller, die dadurch Marktzutrittsschranken überwinden können. • Auch weit verteilte, kaufkraftschwache Gebiete mit geringer Gewerbedichte können für den Absatz erschlossen werden, da der Großhandel flächendeckend arbeitet und hohe Transportkosten aus Zentralstandort vermeidet.

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3. Der Offline-Indirektabsatz 

Nachteile sind hingegen folgende: • Das eigene Produkt wird wegen des breiten Sortiments im Großhandel zu wenig gefördert. Es steht zudem in direkter Konkurrenz zu gleichartigen anderen Produkten von Mitbewerbsherstellern. • Die Akquisition beim Großhandel erfordert ihrerseits eine eigene Feldorganisation, welche die Rentabilität, wenngleich weniger als bei direktem Vertrieb, belastet. • Konflikte im Absatzkanal sind möglich, wenn der Großhandel egoistische ­eigene Ziele, die von denen der Hersteller abweichen, verfolgt und durchsetzt. Solche Konfliktpotenziale sind vielfältig latent vorhanden und brechen immer wieder durch. • Womöglich entsteht eine Abhängigkeit von großen Großhändlern durch fehlenden eigenen Zugriff auf die Einzelhandelsstufe. Die damit verbundene Nachfragemacht engt Entscheidungsspielräume ein. • Der Einbehalt einer Distributionsspanne durch die Großhandelsstufe verteuert die Ware am Markt bzw. schmälert die Herstellermarge (siehe Tabelle 3: Zuschlagskalkulation im Handel (Prinzip)). Tabelle 3 Zuschlagskalkulation im Handel (Prinzip) Rechenbeispiel ohne Großhandelsstufe: Herstellerverkaufspreis =

100 €

Einzelhandelseinkaufspreis (100 €) + Kosten / ​Gewinn des EH (10 %)

110 €

Einzelhandelsverkaufspreis / ​Endabnehmereinkaufspreis für grundsätzlich   identische Ware =

110 €

Rechenbeispiel mit Großhandelsstufe: Herstellerverkaufspreis = Großhandelseinkaufspreis (100 €) + Kosten / ​Gewinn des GH (10 %) = Großhandelsverkaufspreis für die grundsätzlich identische Ware = Einzelhandelseinkaufspreis/110 €) + Kosten / ​Gewinn des EH (10 %) = Einzelhandelsverkaufspreis / ​Endabnehmereinkaufspreis =

100 € 10 € 110 € 11 € 121  €.

Verteuerung der Waren durch zwei Handelsstufen um (im Beispiel) insgesamt 21 % bei ­ esentlich unveränderter / identischer Ware. w

Der Großhandel versucht zudem, durch leistungsergänzende Aktivitäten seinen Bestand im Absatzkanal zu sichern. Dazu gehören etwa die: • Unterstützung in der Betriebsorganisation bei den belieferten Einzelhändlern,

3.5 Dynamik der Handelsbetriebsformen 

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• Hilfe bei der Absatzförderung durch Mittel zur Präsentation, Dekoration etc., • zielorientierte Produktservicierung für Sortimentsauswahl, Mengen, Bestellzeitpunkte etc., • Finanzierung durch vorteilhafte Kreditierung von Lieferungen nach Zinssatz und Laufzeit, • Personalentwicklung in Bezug auf Beschaffung, Auswahl, Schulung etc., • Beratung bei der Kommunikation in Werbung, Aktionen, Events etc., • Logistik durch Hilfen bei Transport und Lagerung, • Entwicklung von Hausmarken und deren Absatzunterstützung.

3.5 Dynamik der Handelsbetriebsformen Der Handel vollzieht im Zeitablauf zahlreiche Entwicklungen. Er ist also nicht statisch zu sehen, sondern dynamisch. Handelsbetriebe unterliegen damit einem Wandel ähnlich den Produkten, der von Entstehung und Aufstieg neuer Formen bis zu deren Reife und Assimilation geht. Neue Betriebsformen entstehen und alte verschwinden damit am Markt bzw. passen sich Wandlungen an. Man spricht auch von der Dynamik der Betriebsformen. Dafür gibt es verschiedene Erklärungsansätze.

3.5.1 Erklärungsansätze Der bekannteste Ansatz ist der des Wheel of retailing (McNair). Danach versuchen neue Betriebsformen des (Einzel-)Handels, mit niedrigeren Preisen, niedrigeren Margen und niedrigerem Imagestatus Fuß im Markt zu fassen. Sie setzen damit vor allem auf die Wirkung aggressiver Preispolitik. Dies hat Konsequenzen auf die Gestaltung ihrer betrieblichen Prozesse. Im Laufe der Marktpräsenz werden jedoch die nicht preislichen Parameter zunehmend betont. Auf diese Weise nähert sich der ehemalige Newcomer seinen etablierten Vorgängern an. Dies öffnet den Markt für neue, preisaggressive Anbieter. Insofern kommt es zum Wettbewerb zwischen den Betriebsformen, moderne, leistungsfähigere setzen sich gegenüber tradierten, überkommenen durch und verdrängen diese über kurz oder lang. Gegen diese Theorie sprechen jedoch praktische Beispiele, die sowohl ein erfolgreiches Einsteigen in den Markt „von oben“ zeigen, z. B. Boutiquen, als auch das erfolgreiche Verharren auf der Betonung des Preisparameters, z. B. Discounter. Nieschlag hat diesen Ansatz insofern erweitert, als er nicht nur auf den Preis als Verdrängungsinstrument abgehoben hat, sondern auch auf andere Aktionsparameter. Dafür hat er den Ausdruck „Dynamik der Betriebsformen“ geprägt, der Ansatz wird als Verdrängungstheorie bezeichnet.

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3. Der Offline-Indirektabsatz 

Eine Verallgemeinerung dieses Ansatzes findet sich in der Lebenszyklustheorie von Institutionen. Dabei werden, analog zum Lebenszyklus von Produkten oder Märkten, vier Phasen behauptet, die Innovationsphase, in der Handelsbetriebe mit der Konkurrenz überlegenem Angebot auf den Markt kommen, die Wachstumsphase, in der diese äußerst erfolgreich am Markt agieren, die Reifephase, in der die Dynamik nachlässt und bereits Komplexitätsprobleme auftreten, sowie die Niedergangsphase, in der die Handelsbetriebe ihrerseits von vitalen Konkurrenten verdrängt werden. Fraglich ist jedoch, ob sich diese Aussagen auf ganze Betriebsformen oder tatsächlich nur auf einzelne Handelsbetriebe beziehen. So gibt es innerhalb einer stagnierenden Betriebsform durchaus erfolgreiche einzelne Handelsbetriebe und umgekehrt, z. B. Fielmann bei Augenoptikern, Kamps bei Bäckereien. Dies kann sowohl als Ausnahme von der Regel wie gerade auch als Widerlegung der Gültigkeit eben dieser Regel gedeutet werden. Die Theorie dialektischer Prozesse geht in Bezug auf Betriebsformen des Handels davon aus, dass bestehende erfolgreiche Institutionen als These durch erfolgshungrige andere Institutionen als Antithese heraus gefordert werden. Die Aktionsparameter beider Gruppen sind im Allgemeinen entgegengesetzt ausgelegt. Zur Nutzung des Erfolgspotenzials bietet es sich daher an, die Merkmale beider Gruppen bestmöglich zu kombinieren als Synthese. Dies geschieht, indem etablierte Betriebsformen einzelne Aktionsparameter der aufstrebenden Betriebsformen in ihr Konzept übernehmen und damit einen Teil deren Erfolgs zu kappen vermögen, z. B. Fachgeschäfte mit partiell aggressiver Preisbildung, und aufstrebende Betriebsformen in Zuge ihrer Saturierung einzelne Aktionsparameter der etablierten Betriebsformen übernehmen, die sich als bewährt erwiesen haben, z. B. Discounter mit Markenartikel-Präsenz. Das Crisis change-Modell geht von vier Phasen der Auseinandersetzung zwischen etablierten und neuen Anbietern aus. Zunächst kommt es zu einer merklichen Schockphase für die etablierten Anbieter angesichts des Aufkommens wettbewerbsüberlegener Konkurrenten. Daraus folgt in einer zweiten Phase der Versuch dieser etablierten Anbieter, Markteintrittsschranken aufzubauen oder zu erhöhen, um das eigene Terrain gegen Newcomer zu schützen. Da dies in marktwirtschaftlich organisierten Strukturen kaum möglich ist, wird in einer dritten Phase notgedrungen das eigene Konzept auf den Prüfstand gestellt und untersucht, inwieweit es angesichts der Konkurrenz aktualisiert werden kann, etwa durch Kooperationen. In einer vierten Phase entscheidet sich dann, ob diese Anpassung vom Markt honoriert wird, entsprechend vermögen die etablierten Anbieter, ihrerseits andere zu schocken. Andernfalls werden sie selbst vom Markt verdrängt. Die Marktlückentheorie postuliert, dass neue Betriebsformen des Handels den Markt bereichern, indem sie Lücken im Profil der bestehenden Betriebsformen nutzen wie z. B. Fachmärkte die Lücke zwischen Fachgeschäft und Verbrauchermarkt. Zunächst sind diese Lücken nur von begrenztem Potenzial, und es ist ungewiss, inwieweit sie sich überhaupt als tragfähig für eine neue Betriebsform erweisen.

3.5 Dynamik der Handelsbetriebsformen 

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Ist dies nicht der Fall, verschwinden diese Ansätze rasch wieder vom Markt. Wird jedoch eine grundsätzliche Marktakzeptanz erreicht, weiten sich diese Lücken zu respektablen Angebotsfeldern aus. Insofern die Märkte insgesamt stagnieren, kann dieser Zuwachs nur zulasten der weniger erfolgreichen Betriebsformen in den übrigen Marktfeldern gehen. Diese verschwinden damit vom Markt, die Newcomer ihrerseits werden bedeutsamer. Bis weitere Anbieter neue Marktlücken entdecken, die sie initiativ bedienen, und sich dieser Kreislauf wiederholt. Der General specific general-Zyklus unterstellt eine fortwährende Assimilierung von institutionalen Besonderheiten („Specific“) durch die institutionale Allgemeinheit („General“). Als Ausgangspunkt wird dabei eine stabile Struktur der Betriebsformen des Handels am Markt unterstellt. Einzelne Anbieter haben darin nur eine Chance, spezifisch zu prosperieren, wenn es ihnen gelingt, aus dieser Allgemeinheit positiv hervor zu stechen. Dies erreichen sie durch bewusst anders gesetzte Parameter als der Rest der Anbieter. Für den Fall, dass dies keine ausreichende Marktakzeptanz findet, verschwinden diese Anbieter vom Markt oder passen sich rasch wieder dem Mainstream an. Für den Fall aber, dass dies vom Markt akzeptiert wird, entsteht daraus eine erfolgreiche Alleinstellung. Dieser Erfolg reizt die übrigen Anbieter an, sich ähnlich zu verhalten wie der nunmehr profilierte Konkurrent, um an dessen Erfolg zu partizipieren. Damit aber wird die Besonderheit zur Allgemeinheit, die breit am Markt vertreten ist. Abweichende Betriebsformenmerkmale werden also entweder assimiliert oder erledigen sich von selbst. Diese Allgemeinheit ist dann Ausgangspunkt für die nächste profilierende Abweichung. Die Gegenmachttheorie (Contervailing power) bezieht auch die Nachfrageseite des Marktes in die Dynamik der Betriebsformen mit ein. Danach haben Nachfrager ein Interesse daran, sich nicht allzu sehr von einer bestimmten Gruppe von Handelsanbietern abhängig zu machen. Sobald also eine solche Gruppe zu erfolgreich wird, unterstützen Nachfrager bewusst oder intuitiv Anbieter anderer Betriebsformen, um deren Erfolg zu stärken. Zugleich wird der Erfolg der ersten Gruppe gedämpft. Insofern kommt es zu einem stetigen Wechsel der Präferenzen der Nachfrager für bestimmte Betriebsformen und damit auch zu einer stetigen Bewegung der Proportionen dieser Betriebsformen innerhalb der Handelsinstitutionen. Folglich verändert sich die Struktur der Betriebsformen des Handels fortwährend. In gleicher Weise wird Macht auch zwischen den Handelsstufen, also Groß- und Einzelhandel, ausbalanciert. Der evolutionstheoretische Ansatz setzt bei der Darwin’schen These des Survival of the fittest an. Danach entstehen, mehr oder minder zufällig und ohne langfristige Strategie, neuartige Kombinationen von Betriebsformenmerkmalen am Markt. Erweisen sich diese gegenüber ihren etablierten Konkurrenten als leistungsüberlegen, werden diese Merkmale von vielen anderen Anbietern übernommen und setzen sich somit am Markt durch. Zugleich verliert die etablierte Kombination von Betriebsformenmerkmalen an Impetus und wird kannibalisiert. Da

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3. Der Offline-Indirektabsatz 

fortwährend neue Ausformungen durch zufällige Merkmalskombination entstehen, sind die Betriebsformen des Handels einer stetigen Entwicklung auf ein höheres Leistungsniveau unterworfen, das nur die leistungsfähigsten erreichen. Dieser Ansatz stellt also auf die Flexibilität und schnelle Lernfähigkeit von Handelsbetrieben ab. Die Anpassungstheorie, ähnlich als makroanalytischer Ansatz, vertritt die Auffassung, dass die Dynamik der Betriebsformen sich aus den Anforderungen des Vermarktungsumfelds ergibt und Ausdruck der Anpassung des Handels an diese Veränderungen ist. Die Dynamik entsteht also nicht initiativ aus der Handelspolitik heraus, sondern entspringt dem Bemühen, sich durch andere Merkmalsausprägungen in den Aktionsparametern an die sich verändernden Rahmenbedingungen anzupassen wie z. B. Wertvorstellungen durch Dritte Welt-Läden, technische Entwicklungen durch Online-Shops, Bildungsgrad durch Fachmärkte, Kaufkraft durch Boutiquen, Rechtsprechung durch Cash & carry. Der Erfolg dieser Reaktion hängt davon ab, ob die Anpassung rasch genug und adäquat vollzogen wird. Dementsprechend entstehen bei Erfolg neue Betriebsformen, die den Platz verharrender Betriebsformen einnehmen. Der mikroökonomische Modellansatz (verwandt zum transaktionskostentheoretischen Ansatz) erklärt das Entstehen neuer Betriebsformen des Handels aus einer Gegenüberstellung der Kosten der Inanspruchnahme des Handels und den alternativen Erträgen anderweitiger Aktivitäten. Die Inanspruchnahme des Handels verursacht für Nachfrager Transaktionskosten, die nur dann eingegangen werden, wenn dadurch Nutzen erreichbar sind, die höher eingeschätzt werden als diese Kosten und die ansonsten entgehen würden. Je mehr Handelsfunktionen eine Betriebsform durch ihre Aktionsparameterwahl übernimmt, desto geringer sind die Kosten der Nachfrager für die Beschaffung. Die dadurch freiwerdenden Ressourcen können sie anderweitig einsetzen. Je nachdem als wie werthaltig diese anderweitige Nutzung angesehen wird, sind sie bereit, diese durch mehr oder minder hohe Preise zu honorieren. Dies ist auch erforderlich, weil zugleich die Betriebskosten des Handels steigen. Neue Betriebsformen entstehen demnach dann, wenn die Merkmalsausprägung eine nutzbringende Entlastung der Nachfrager erreicht und damit bei diesen soviel Preisbereitschaft erzeugt, dass die entstehenden höheren Kosten damit kompensiert werden können (z. B. Versandhandel).

3.5.2 Polarisierung Im Rahmen der Theorie der Betriebsformenpolarisierung vollzieht sich der Wandel parallel in zwei Richtungen, einerseits hin zum Erlebnishandel durch ein Trading up und andererseits zum Versorgungshandel hin durch ein Trading down. Dies wird an dieser Stelle vertieft (siehe Abb. 43: Polarisierung der Betriebsformen des Handels).

3.5 Dynamik der Handelsbetriebsformen 

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- Leistungsdominanz +

Trading up/Erlebnishandel

Trading down/Versorgungshandel

- Preisdominanz + Abbildung 43: Polarisierung der Betriebsformen des Handels

Trading up bedeutet Imagedominanz durch Verbesserung der betriebsindividuellen Leistungsstandards bei Sortiment, Personal, Ausstattung, Zusatzleistung etc. Dazu gehört die Betonung der Sortimentstiefe bei traditionell sortimentsbreiten Händlern und umgekehrt. Hinzu kommt die Aufnahme vorwiegend höherwertigerer Artikel, die zwar zur Einengung des Kundenpotenzials, aber zugleich zur Erhöhung des Einkaufswerts je Besuch führt. Es erfolgt die Eingliederung in horizontale und vertikale Kooperationen zur Nutzung betriebswirtschaftlicher Vorteile, die nicht immer ohne Weiteres von außen erkennbar ist. Ziel ist die Verbesserung der Angebotspräsentation, die Nutzung agglomerierter Standorte wie z. B. Gemeinschaftswarenhaus, Ladenpassage, die Intensivierung der Kundenberatung, etwa durch Anwendung dominanter Fremdbedienung. Die Betonung liegt dabei auf der Erlebniskomponente des Einkaufs. Dies führt zum Angebot eher beratungsintensiver Produkte mit hohem Nutzen. Qualität und Image werden zu Hauptargumenten im Verkauf. Die Vermittlung von Freude am Einkauf durch ein anregendes Verkaufsumfeld steht im Mittelpunkt. Die attraktive Präsentation der Artikel genießt Priorität gegenüber der Rationalisierung. Trading down bedeutet demgegenüber Preisdominanz durch Senkung der Betriebskosten und Spannen. Dazu gehört die kostengünstigere Standortwahl, die preisliche Zugeständnisse möglich werden lässt, die ihrerseits neue Kundenkreise anspricht. Wiederum ist die Beteiligung an Kooperationen oder die Konzentration betriebswirtschaftlich vorteilhaft. Bei geringerer Sortimentsbreite bzw. -tiefe werden mit den verbleibenden Artikeln größere Absatzmengen und höhere Umschlaggeschwindigkeiten realisiert. Zugleich werden Servicekürzungen akzeptabel. Dies drückt sich in weniger Verkaufsberatern und Übergang zu dominanter Selbstbedienung aus, in schlichterer Warenpräsentation durch Einsparung an Dekoration,

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3. Der Offline-Indirektabsatz 

Medienwerbung und Ladenwerbemittel. Daraus folgt ein Gefühl der Cleverness beim Einkauf auf Seiten der Kunden. Die Priorität liegt hier auf der schnellen und einfachen Versorgung beim Einkauf mit dem Preis als Hauptargument. Dies bedingt das Angebot problemloser, selbsterklärender Waren. Betriebswirtschaftliche Kostenrechnung mit schnell drehenden Artikeln, niedrigen Einstandspreisen und hoher Flächenausnutzung genießt Priorität vor der Emotion. Parallel zur Polarisierung des Angebots ergibt sich auch eine solche bei der Nachfrage. Hybride Verbraucher trennen dabei nach Grundnutzen, als der Eignung einer Sach- oder Dienstleistung, den gestellten Anforderungen gebrauchstechnisch, d. h. in Bezug auf ihre Funktionserfüllung, gerecht zu werden, und Zusatznutzen, als deren differenzierende Wirkung im affektiven Bereich. Sie sind dadurch charakterisiert, dass ihre Einkaufsprogramme für beide Arten von Leistungen, Grundnutzen- und Zusatznutzen-Produkte, voneinander abweichen. Sie handeln also nicht mehr konsistent, sondern gespalten, eben hybrid. Grundnutzenprodukte sind dem Low interest-Bereich zuzuordnen und werden unter dominanter Preisorientierung gekauft. Dies führt zur Bevorzugung von Gattungsware. Als Einkaufsstätte wird dafür der Versorgungshandel gewählt. Im Vordergrund stehen dann Rationalargumente mit dem Ziel der Einsparung von Haushaltsbudget. Anders hingegen bei Zusatznutzenprodukten. Sie sind dem High interest-Bereich zuzuordnen und werden unter dominanter Leistungsorientierung gekauft. Dies führt zu einer Bevorzugung von Markenartikeln. Als Einkaufsstätte wird der Erlebnishandel gewählt. Im Vordergrund stehen also Emotionalargumente, mit der Möglichkeit, die im Grundnutzenbereich eingesparten Geldmittel hier zusatznutzenstiftend einzusetzen. Das heißt, die Einsparungen im Grundnutzenbereich werden nicht gehortet, sondern in diesen, emotional viel wichtigeren Bereich investiert. Daher können auch beide Gruppen des Handels, Erlebnis- bzw. Trading up-Outlets und Versorgungs- bzw. Trading down-Outlets, nebeneinander prosperieren, denn es kaufen dort jeweils dieselben, hybriden Verbraucher ein. Diese Marktpolarisierung ist auch durch die Porter-U-Kurve erklärbar (siehe Abb. 44: Alternativen der Marktstimulierung). Danach gibt es einen Zusammenhang zwischen Betriebserfolg (Gewinn / ​ROI) und Mengenoutput (Absatz / ​Marktanteil) derart, dass der Betriebserfolg hoch ist, wenn der (relative) Mengenoutput entweder sehr niedrig (= Präferenzposition / ​Differenzierung) oder sehr hoch ist (= Preis-Mengen-Position / ​Kostenführerschaft), und niedrig, wenn der relative Mengenoutput nur ein mittleres Niveau erreicht. Von daher muss jeder Betrieb entweder eine Präferenzposition anstreben, bei der zwar nur kleinere Mengen abgesetzt werden, sich jedoch aufgrund des akquisitorischen Potenzials höhere Preise am Markt realisieren lassen, die zu hoher Rendite führen, oder eine PreisMengen-Position, bei der zwar nur niedrigere Preise realisiert werden, die jedoch über große Absatzmengen letztlich wieder zu einer stimmigen Rendite führen. Die Präferenzposition entspricht dem Erlebnishandel mit Trading up-Tendenz, z. B. Boutiquen, die Preis-Mengen-Position dem Versorgungshandel mit Trading down-Tendenz, z. B. Discounter.

Return on investment

3.5 Dynamik der Handelsbetriebsformen 

Präferenz-Position/ Differenzierung

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Preis -Mengen-Position/ Größeneffekt

Zwischen-denStühlen-Position Relativer Marktanteilswert

Abbildung 44: Alternativen der Marktstimulierung

Problematisch ist allerdings die Position dazwischen. Diese gilt etwa für Warenhäuser. Sie werden von ihren Kunden weder als hochwertig genug erlebt, als dass sie gleichwertig zum Erlebnishandel eingestuft würden, noch als preisgünstig genug, als dass sie mit dem Versorgungshandel konkurrieren könnten. Moderne Fachabteilungskonzepte wie z. B. Galeria (Karstadt Kaufhof) führen durch die notwendige Beibehaltung der dem Warenhaus typischen Kriterien wie Großflächigkeit, Massenpublikum, Teilselbstbedienung etc. nicht dazu, die Einkaufsstätte anders einzuschätzen und deshalb die Preisbereitschaft zu erhöhen. Umgekehrt führen preisaggressive Konzepte, z. B. Hertie, Kaufhalle, aufgrund des betriebstypischen Kostenniveaus, verursacht durch Faktoren wie Fachpersonal, Ausstattungsaufwand, Zentralstandort etc., nicht zu einer Konkurrenzfähigkeit gegenüber Einkaufsstätten mit Trading down-Charakter. Damit zieht es die preissensible Kundschaft aber nach wie vor dorthin, während die erlebnissensitive Kundschaft besser gleich originäre Trading up-Einkaufsstätten aufsucht. Warenhäuser befinden sich also in einer Zwischen den Stühlen-Position, aus der auch Diversifikationsbemühungen nur unvollkommen herausführen. Diese, ehemals erfolgreichste, Einzelhandelsform scheint sich in der Dynamik der Betriebsformen überlebt zu haben.

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3. Der Offline-Indirektabsatz 

Mögliche Lösungen ergeben sich durch die Nutzung von Warenhäusern für • Coworking-Spaces in den oberen Etagen, da diese zentral gelegen, aber ohnehin kaum frequentiert sind, • Bankfilialen, die damit teure eigene Filialen aufgeben können und dennoch ihre zentrale Lage behalten, • großflächige Parkflächen-Bewirtschaftung, z. B. für E-Stationen, da zentral gelegen, • Logistik-Zentren wegen der Lagerflächen oder als Hubs für die weitere Warenverteilung in der City, z. B. Paketdienste,

Ausmaß der Marktabdeckung total partiell

• Dienstleistungsbetriebe wie Gastronomie / ​Cafés, Reisebüros o. Ä. Verbrauchermarkt/SBLadenpassage/ErlebnisGeschäft/Supermarkt/ einkaufspark Einkaufszentrum Warenhaus/ Kaufhaus Fach-/SpezialFachmarkt/Disgeschäft/Gemischtwacounter/Universal-/ renladen/Impulsmarkt Spezial-Versandhandel

Leistungsvorteil Kostenvorteil Art des kompetitiven Vorteils Abbildung 45: Wettbewerbsposition im Handel

Aus der Art des kompetitiven Vorteils als Leistungsvorteil oder Kostenvorteil in der einen Dimension und dem Ausmaß der Marktabdeckung als total oder partiell auf der anderen, ergibt sich eine Matrix mit möglichen Wettbewerbspositionen im Handel (siehe Abb. 45: Wettbewerbspositionen im Handel). Wie eine unzureichende strategische Orientierung sogar branchenweit zu heftigen Problemen führen kann, ist im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) zu beobachten. Dort liegt schon seit geraumer Zeit die Inventurdifferenz, die im Wesentlichen durch Diebstähle von Kunden und Mitarbeitern zustande kommt, höher als die Umsatzrendite, und es herrscht ein überzogener Preiskampf vor mit weit verbreiteten Untereinstandspreisverkäufen. Die Gründe dafür sind offensichtlich. So hat die überwiegend vorhandene eigentümerorientierte Struktur, z. B. in Form von Genossenschaften, wenig Investitionsfähigkeit und auch -bereitschaft zur Folge, so dass ein konstanter Eigenkapitalmangel vorhanden ist, der u. a. eine notwendige Internationalisierung des LEH hemmt. Übereilt eröffnete neue Standorte, vor allem in den Neuen Bundesländern, führen zu einem Flächenwachstum das über dem Nachfragevolumen angesichts deutlich erkennbarer Sättigungserscheinungen im Markt liegt. Diese Standorte können dann nur durch Verdrängung von Mitbewerbern halbwegs rentabel betrieben werden. Teilweise herrscht eine antagonistische

3.5 Dynamik der Handelsbetriebsformen 

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Sichtweise zwischen Hersteller einerseits und Handel andererseits vor, statt eine dringend erforderliche Symbiose voranzutreiben. Traditionell bestimmen immer noch die Einkäufer mit ihrer handelstypischen „Pfennigfuchser-Mentalität“ die Organisation („der Gewinn liegt im Einkauf“). Daraus folgt, dass eine notwendige Absatzmarktorientierung, etwa durch Händlermarkenprofilierung, außer bei Aldi, MediaMarkt, Douglas etc., nur vereinzelt vorhanden ist. Die Organisationen sind denn gegeneinander auch weitgehend austauschbar. So wird seit Jahrzehnten fast völlig auf die Ausprägung von Dienstleistungen wie Wickelräume, Wein- und Fischseminare etc. verzichtet. Da dann der Preis in der Tat zum entscheidenden Wettbewerbsparameter wird, ist Aktionismus Tür und Tor geöffnet. Diese überharte Verdrängungskonkurrenz hat zu einer Verwilderung der Geschäftssitten in der Branche geführt, die in kollektiv dysfunktionalem Verhalten mündet (z. B. 50 % Grundrabatt auf Möbel).

3.5.3 Absatzkanalpräsenz Überlegt man, wie diese Limitationen überwunden werden können, so ist es hilfreich, sich den Absatzkanal als Pipeline vorzustellen, die durch Anzahl, Abmessung und Struktur den Markterfolg begrenzt. Am einen Ende füllen Hersteller Waren in diese Pipeline hinein, der Handel nimmt eine Ventilfunktion in dieser Pipeline wahr, und am anderen Ende fließen Waren an Endabnehmer ab. Limitationen in dieser Pipeline lassen sich durch verschiedene Maßnahmen überwinden.

Dominanz

Handelssichtweise

Subordination

Konflikt um die Kanalführerschaft

Anpassung durch Einnahme der Kanalführerschaft

Subordination

Herstellersichtweise Dominanz

Umgehung durch Absatzkanalwechsel

Abstimmung über Interessenintegration

Abbildung 46: Optionen der Absatzkanalpräsenz

Angesichts restriktiver Vermarktungsbedingungen stellt sich die Frage, wie sich Hersteller- und Handelsstufe erfolgversprechend miteinander arrangieren können. Dabei ist der Anspruch auf die Kanalführerschaft der einen oder anderen Seite von Bedeutung. Dafür ergeben sich vier Kombinationen (siehe Abb. 46: Optionen der Absatzkanalpräsenz).

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3. Der Offline-Indirektabsatz 

Aufbau eigener Absatzstellen (Direktabsatz) Substitution der Pipeline (Wechsel in neuen Absatzkanal) Erweiterung der Pipeline (Mehrkanaldistribution) Vergrößerung des Durchmessers der Pipeline (Distributionsgradsteigerung) Druckerzeugung in die Pipeline hinein (Push) Sogerzeugung aus der Pipeline heraus (Pull) Vergrößerung des Anteils der Pipeline (Regalplatzausdehnung) Verringerung des Fließwiderstands (erhöhter Durchsatz durch informelle Abstimmung)

Abbildung 47: Chancen zum besseren Marktdurchgriff für Hersteller

Eine Dominanz des Herstellers bei Subordination des Handels unter Nutzung besserer Kontrollmöglichkeiten seitens des Herstellers bedeutet, dass hierbei vor allem an direkten Absatz unter Ausschaltung der Absatzmittler zu denken ist. Damit sind jedoch regelmäßig erhebliche investive Aufwendungen verbunden, die vor allem in der Aufbauphase die meisten Hersteller überfordern. Als Optionen stellen sich insgesamt aber mehrere Möglichkeiten (siehe Abb. 47: Chancen zum besseren Marktdurchgriff für Hersteller): • Der Aufbau einer eigenen Pipeline strebt eigene Herstellerabsatzstellen (Direktabsatz) an. Dies ist nur in Einzelfällen ein Ausweg, wenn Investitionen problemlos getätigt oder durch vertikale Kooperationsformen im Absatzkanal limitiert werden können. Allerdings stellt sich durch E-Commerce die Möglichkeit einer geschäftsstättenlosen und damit investitionsschonenden Distribution. • Eine Substitution der Pipeline bedeutet den Wechsel in einen neuen Absatzkanal. In der Praxis bleibt diese Chance allerdings eher marginal, weil für große, marktmächtige Absatzmittler nicht so leicht Ersatz zu schaffen ist. Ein Ausweichen auf andere ist daher unweigerlich mit hohen Verlusten an Kontaktchancen (= Regalplatz) verbunden. Außerdem verändert sich dadurch die Qualität der Absatzstellen. • Eine Erweiterung der Pipeline bedeutet die Mehrkanaldistribution in zwei  / ​ mehreren Absatzkanälen. Meist sind damit jedoch Konfliktsituationen verbunden, denn die dabei parallel distribuierten Absatzmittler fürchten zu Recht Ge-

3.5 Dynamik der Handelsbetriebsformen 

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schäftseinbußen infolge des jeweilig anderen Absatzkanals. Deshalb ist dies nur bei gleichzeitiger Programmaufteilung derart sinnvoll, dass jeder Absatzkanal bestimmte Waren für sich exklusiv erhält. • Eine Vergrößerung des Durchmessers der Pipeline strebt die Distributionsgradsteigerung an. Der hohe allgemeine Konzentrationsgrad führt jedoch dazu, dass bei etablierten Produkten eine Erhöhung der numerischen Distribution nur von einem weit unterproportionalen Zuwachs der gewichteten Distribution begleitet wird. Ein aktiver Einfluss auf die Gestaltung des Absatzkanals bei Außerachtlassung etwaiger Handelsreaktion darauf, um die Herstellerinteressen durchzusetzen (Konflikt), bietet sich vor allem bei geringer Austauschbarkeit des Angebots an, ansonsten weicht der Handel auf kooperativere Lieferanten aus. Nur „Pflichtartikel“ des Handels, die wegen ihrer extrem hohen Publikumsvertrautheit und -nachfrage im Handelssortiment praktisch unverzichtbar sind, können sich ein solches Vorgehen erlauben. Ob es sinnvoll ist, muss selbst dann bezweifelt werden. Im Wesentlichen stellen sich zwei Alternativen: • Druckerzeugung in die Pipeline hinein erfolgt durch Push (s. o.) über Inaussichtstellung materieller oder ideeller Vorteilsgewährung in Abhängigkeit von absatzförderndem Verhalten. Materielle Incentives schlagen jedoch voll auf die Rentabilität durch, ideelle Incentives unterliegen einem Abnutzungseffekt durch Gewöhnung. Werbemittelunterstützung stellt dabei oft nur einen verdeckten Nachlass dar, der sich dauerhaft nicht in mehr Facing auswirkt und bald in den Besitzstand des Handels übergeht. • Sogerzeugung aus der Pipeline heraus erfolgt durch Pull (s. o.), meist als Sprungwerbung der Hersteller direkt an Endabnehmer. Diese sollen ein Produkt zielsicher anderen vorziehen, so dass der Handel es sich nicht leisten kann, das massenmedial beworbene Produkt nicht zu führen. Durch Kombination mit dem Push-Ansatz kann der Warenumschlag je Regalflächeneinheit erhöht und diese damit für alle Seiten effektiver genutzt werden. Eine Dominanz des Handels bei Subordination der Hersteller als Abgabe der Kanalführerschaft an den Handel bedeutet in Anbetracht der hohen Machtkonzentration auf der Handelsstufe und fehlenden eigenen Zugriffs auf Endabnehmer einen sehr risikoreichen Ansatz. Der Hersteller begibt sich damit in die Abhängigkeit, wenn kein ausreichendes Profil bei aktuellen und potenziellen Kunden besteht, das Nachfrageattraktivität ausübt. Die Finanzmittel dazu sind bei die Konditionen drückender Abnahmepolitik des Handels auch nur schwerlich zu erwirtschaften. Insofern entsteht ein Teufelskreis. Diese Aspekte werden im Rahmen der Konzentration im Absatzkanal, vor allem der Nachfragemacht der Handelsstufe, diskutiert (s. u.). Die Vergrößerung des Anteils an der Pipeline als wichtige Möglichkeit strebt die Regalplatzausdehnung an. Da der Regalplatz der Engpass für den Geschäftserfolg des Handels und zugleich streng limitiert ist, scheint das

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3. Der Offline-Indirektabsatz 

vermehrte Facing eines Angebots nur zulasten dessen direkten Mitbewerbs über den Nachweis der betriebswirtschaftlichen Vorteilhaftigkeit dieses Austauschs aus dem Verkauf selbst oder über Nebenleistungen möglich. Eine gleichzeitige Subordination von Hersteller und Handel als Kooperation und Interessenintegration wird als Weg verstärkt eingeschlagen, da Auseinandersetzungen leicht dysfunktionale Züge tragen und keinen der Beteiligten befriedigen. Daher werden gemeinsame Interessenfelder identifiziert und im Rahmen der CoOrganisation bearbeitet. Entsprechende Lösungsmöglichkeiten werden im Rahmen des Kontraktmarketing praktiziert (s. u.). Die Verringerung des Fließwiderstands in der Pipeline als wichtiger Bestandteil bedeutet einen erhöhten Durchsatz durch Anreize. Dies geschieht meist durch Nutzung informationeller Abstimmung im Absatzkanal. Dafür stehen umfangreiche Techniken zur Verfügung, insb. durch Kürzel wie GWWS, DPP / ​DPR, ECR, CPFR. Diese führen zu Win-win-Partnerschaften zwischen Hersteller und Handel. Wie schwierig die deutsche Handelslandschaft sich tatsächlich auch für anerkannte Champions darstellt, zeigt, nach dem Scheitern von Carrefour, Promodes, Virgin, Mark & Spencer etc., deutlich auch der seinerzeitige Fall des mit weitem Abstand weltgrößten Einzelhändlers, Walmart / ​USA, der 90 % seines Umsatzes in den USA realisiert. Walmart ist durch vielfältige Erfolgsfaktoren bekannt wie • Walmart-Family: alle Mitarbeiter sind Partner für den Erfolg, • Walmart-Cheer: Motivation durch Absingen der Firmenhymne zu Arbeitsbeginn im Verkaufsraum, • Auszeichnungen für herausragende Mitarbeiter, Erfolgsgeschichten, • EDLP: Every day low price / ​Dauerniedrigpreis statt Aktionspreis, • Rollback-Garantie: Findet ein Kunde das betreffende Produkt woanders billiger (50 km Umkreis), wird der Preis umgehend reduziert, • 10 Feet-Regel: Verkaufsberater sprechen Kunden in weniger als ca. drei Meter Umkreis freundlich an, • Sundown-Regel: Kundenanfragen und Aufgaben sind noch am gleichen Tag zu erledigen, • einheitlicher Grundriss in allen Stores zur leichten Orientierung, • Data mining: aus Kundendaten lernen. Die Gründe für das Scheitern in Deutschland sind dennoch vielfältig. Eigengründungen waren durch gesetzliche Reglementierungen wie die Baunutzungsverordnung von vornherein auf eine kleine Zahl von Standorten begrenzt. Für

3.5 Dynamik der Handelsbetriebsformen 

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diese gab es zudem viele Bewerber und langwierige behördliche Genehmigungsverfahren. Demgegenüber erhielten mittelgroße Handelsbetriebsformen leichter Standortgenehmigungen. Diese Umfeldfaktoren waren beim Markteintritt offensichtlich ignoriert worden. Die ersatzweise aufgekauften 74 Interspar-Märkte hatten durchweg eine schlechte Standortqualität. Investitionsmittel zur Verbesserung der Bauqualität wurden nicht bewilligt. Die Kultur der ebenfalls übernommenen 21 Wertkauf-Märkte galt ohnehin als zerrüttet. Ein Teil der Standorte musste denn auch umgehend wieder stillgelegt werden. Ausländische Manager, die auf Zeit nach Deutschland geschickt wurden, waren mit den Spezifika des heimischen Marktes nicht vertraut. Hinzu kam eine offen gewerkschaftsfeindliche Einstellung durch Ablehnung des Flächentarifvertrags und die Missachtung der gesetzlichen Publizitätspflichten für große GmbHs mit der Folge von Bußgeldzahlungen. Die Einbindung deutscher Berater und Lieferanten wurde rundweg abgelehnt. Das Sortiment war Nonfood-lastig, während bei deutschen Discounter ein Schwerpunkt bei Food üblich ist. Nonfood wird traditionell in der Innenstadt, teils im Fachhandel, gekauft. Daher ist Food-Kompetenz in Bezug auf Frische, Auswahl, Qualität etc. sehr wichtig, die Walmart fehlte. Die Walmart-Eigenmarken galten hierzulande als völlig unbekannt, die Produktbezeichnungen und -auslobungen waren großenteils in Englisch. Gängige deutsche / ​europäische Marken fehlten hingegen. Zudem gelang es nicht, ein Preisführerschaftsimage aufzubauen, stattdessen wurde eher auf Preise anderer mit Sonderangeboten reagiert. Rollback-Garantien wurden unzureichend eingehalten. Die viel gerühmte Walmart-Servicekultur konnte nicht auf das ungeschulte, fluktuierende und unzufriedene Personal sowie die differierende Servicementalität in Deutschland übertragen werden. Hinzu kamen logistische Probleme, die zu Out of stock-Situationen und geringer Flächenproduktivität führten, obwohl Walmart für sein an sich perfektes Warenwirtschaftssystem berühmt ist. Die Kostensituation war ungünstig, da die Niedriglohnpolitik aus den USA nicht übertragen werden konnte und Fernsehwerbung zur Erzeugung eines Pull-Effekts wegen geringer Ausdeckung nur bei hohem Kontaktpreis möglich war. Auch das Herauskonkurrieren deutscher Einzelhändler aus dem Markt misslang, da einerseits die Discounter jede Preissenkung mitmachten oder sogar noch überboten und andererseits eine ungewohnte Solidarisierungswelle dafür sorgte, dass auch partiell notleidende Händler überleben konnten. Ein Gegenentwurf ist das sehr erfolgreiche Geschäftsmodell der Modekette Zara. Sie hat eine vollständig eigengesteuerte Wertschöpfungskette über alle

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3. Der Offline-Indirektabsatz 

Stufen von Design bis zu Verkauf realisiert und konzentriert sich auf modische Kleidung mit extremem Aktualitätsgrad für junge Leute. Dies widerspricht zwar dem eindeutigen Trend zum Outsourcing, der besagt, dass sich jedes Unternehmen auf denjenigen Teil der Wertschöpfungskette konzentrieren soll, der seiner Kernkompetenz entspricht, und alle anderen Teile an Partner vergeben soll, deren Kernkompetenz der jeweilige Wertkettenausschnitt entspricht. Zara nimmt jedoch bewusst die mit der kompletten Integration der Wertkette verbundenen Effizienzund damit Kostennachteile in Kauf, um mit maximaler Geschwindigkeit auf Kundenwünsche reagieren zu können. So gehören Zara (Inditex) bereits die „Wollproduzenten“. Während normalerweise zunächst die Wolle eingefärbt und dann zu Modellen verarbeitet wird, handhabt Zara dies genau umgekehrt. Zuerst wird zugeschnitten und dann erst die Halbfertigware eingefärbt. Dadurch kann man noch auf allerneueste Farbtrends reagieren, während sich bereits „falsch“ eingefärbte Ware möglicherweise nicht mehr absetzen lässt oder umgefärbt werden muss. Außerdem wird nur ein geringer Teil der Ware vorproduziert, die restliche Auflage wird je nach Marktsituation flexibel nachproduziert. Dadurch wird das modische Risiko minimiert. Innerhalb von zwei Wochen wechseln 70 % der geführten Artikel im Sortiment. Damit wird eine permanente Aktualisierung erreicht. Dies erfordert eine sehr leistungsfähige Logistik und einen schnellen Datenaustausch über anspruchsvolle Informations- und Kommunikationssysteme. Damit im Zeitwettbewerb die Qualität nicht leidet, ist eine rigorose Qualitätssicherung implementiert. Hinzu kommen vergleichsweise autoritäre Regeln für die Geschäftsabwicklung. Alle Aktivitäten sind auf das schnelle Timing am POS zugeschnitten. Die Auslobung der Ware erfolgt dementsprechend ausschließlich dort, vor allem durch übersichtliche Ladengestaltung und wertige Kaufatmosphäre. Von zentraler Bedeutung ist dabei das Schaufensterdesign als Visual merchandising. In der Summe reicht das Geschäftsmodell aus, Zara zum globalen Benchmark bei Textilketten zu machen und ehemals hoch gelobte Mitbewerber wie H&M hinter sich zu lassen. Zara ist mit seinen Kollektionen schneller am Markt als H&M und kann daher erheblich höhere Preise in der gleichen Zielgruppe durchsetzen. Diese höheren Erlöse sind allerdings auch nötig, um die mit dem Geschäftsmodell immanent verbundenen höheren Kosten gewinnbringend abzudecken.

3.6 Konstellationen im Absatzkanal

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3.6 Konstellationen im Absatzkanal Ausgehend von einer Strategie der beidseitigen Dominanz, also von Hersteller- und Handelstufe, ist ein Konflikt unausweichlich. Konflikte im Absatzkanal sind dabei unüberschaubar. Immer wieder eskalieren diese in Sanktionierungen, vor allem seitens der nachfragemächtigen Handelsstufe, meist durch Auslistung.

3.6.1 Konfliktpotenziale Es ist immer noch die Ansicht verbreitet, dass die Interessen von Hersteller und Handel weitgehend deckungsgleich und beide gemeinsam bemüht sind, den Markt zu erobern. Dies ist jedoch mitnichten der Fall. Vielmehr haben Hersteller einerseits und Händler andererseits vielfältig abweichende Interessen, die im Absatzkanal zu Konflikten führen. Diese erstrecken sich über alle Marketingparameter, also bei Angebot, Gegenleistung, Information, Verfügbarkeit und Strategie. Im Angebots-Mix betreffen sie folgende Aspekte. Hersteller sind daran interessiert, das Image ihrer Produkte / ​Marken zu individualisieren und auszuprägen, also zum Wettbewerb hin abzugrenzen und gegenüber den Konsumenten zu profilieren. Händler wollen demgegenüber das Image des von ihnen angebotenen, geschlossenen Sortiments, also die Zusammenfassung der Angebote verschiedener Hersteller, durchsetzen. Hersteller zeichnet oft eine hohe Innovationsrate aus, erzwungen aus der Umsetzung technischen und / ​oder geschmacklichen Fortschritts sowie als Konkurrenzreaktion oder -antizipation, was eine zyklische Neuordnung des Angebots bedingt. Händler stehen Innovationen regelmäßig abwartend gegenüber, sind doch mit jedem neuen Angebot organisatorische Umstellungen und Risiken aus der Abnehmerakzeptanz verbunden. Hersteller zielen auf eine Individualisierung ihrer Marke ab, d. h. auf eine Abhebung vom Mitbewerb und eine Hervorhebung bei Kunden des Handels. Händler haben ein Interesse an der Etablierung und Forcierung eigener (Handels-)Marken, um die Abhängigkeit von Herstellern zu vermindern und neue, besonders preissensitive Käufergruppen für sich zu erschließen. Hersteller denken immer in Einzelangeboten, d. h. Produkten bzw. Ranges, oder in eigenen Programmdimensionen. Händler funktionalisieren Produkte zur gezielten Schließung von Sortimentslücken, damit Kunden das Fehlen bestimmter Waren nicht als beeinträchtigend empfinden und beim Geschäftsbesuch reklamieren. Für Hersteller dient die Packung in erster Linie der Profilierung und positiven Differenzierung des eigenen Angebots gegenüber allen anderen vergleichbaren, was oft in außergewöhnlichen, eigenständigen Kreationen resultiert. Eben diese Extravaganzen behindern Händler in der Rationalisierung ihres Warenhandling,

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3. Der Offline-Indirektabsatz 

weshalb sie auf standardisierte Größen, normierte Formen und gewohnte Materialien Wert legen. Im Gegenleistungs-Mix betreffen Konflikte folgende Felder. Hersteller sind meist an konventioneller Preisgestaltung interessiert, um Irritationen auf Nachfrageseite über Preishektik zu vermeiden. Händler verfolgen indes die Absicht preislicher Differenzierung von ihren regionalen Mitbewerbern, was ihrer Ansicht nach vor allem über punktuell aggressive Preisgestaltung als besonderer Anreiz gelingt. Hersteller sind eher an einheitlichen, hohen Preisen interessiert, nicht so hoch, als dass sich das Käuferpotenzial einschränkt, aber auch nicht so niedrig, als dass sich damit Qualitätszweifel verbinden. Händler bevorzugen markant niedrige Preise, da der sich im Preisvergleich dann ergebende Vorteil ihnen vom Publikum erfahrungsgemäß als eigene Leistung zugeschrieben wird. Sonderangebote etablieren allerdings in Dauer und Breite eine völlig unrealistische Preiseinschätzung am Markt, die das betreffende Produkt zum Normalpreis kaum mehr absetzbar macht. Hersteller sind an hohen Fabrikabgabepreisen (FAP) interessiert, die bei minimaler Handelsspanne dennoch zu einem konkurrenzfähigen Abverkaufspreis führen. Der Händler sieht dies naturgemäß völlig anders, er ist an niedrigen Einkaufspreisen (EK) interessiert, damit der Kalkulationsaufschlag höher ausfallen kann oder bei üblichem Kalkulationsaufschlag ein besonders konkurrenzfähiger Preis zustande kommt, dies ist ein klassischer Interessenkonflikt. Hersteller wollen möglichst hohe Einführungspreise für neue Angebote (Skimming), vor allem um eine Innovatorenrente abzuschöpfen, das Image hoch anzusiedeln und Spielraum für spätere Preissenkungen zu lassen. Händler wollen demgegenüber niedrige Einführungspreise (Penetration), um eine rasche Penetration in der Kundschaft zu erreichen, die Drehgeschwindigkeit zu erhöhen und sich einen angemessenen Absatzanteil zu sichern. Hersteller setzen auf Klimaverbesserung und Partnerschaftsappelle, die helfen sollen, von Konditionenverhandlungen abzulenken. Händler fordern hingegen Nichtleistungskonditionen, die nur auf Macht beruhen. Im Informations-Mix betreffen Konflikte folgende Felder. Hersteller sind an der Generierung von Markentreue interessiert, also Kunden, die mit hoher Frequenz unbeirrt immer wieder die eigene Marke kaufen, gleich in welchem Handelsgeschäft. Händler sind an Einkaufsstättentreue interessiert, also Kunden, die mit hoher Frequenz unbeirrt immer wieder das eigene Geschäftslokal aufsuchen, fast gleichgültig, welche Waren sie dabei kaufen. Hersteller verfolgen in ihrer Kommunikation den Aufbau von Produktimage und -profilierung. Händler verfolgen demgegenüber den Aufbau von Geschäftsstättenimage und -profilierung, was etwas ganz Anderes bedeutet. Hersteller müssen zur Aktivierung ihres Absatzpotenzials eine maximale Reichweite für die Bekanntheit / ​Vertrautheit ihres Produkts im gesamten Verbreitungs-

3.6 Konstellationen im Absatzkanal

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gebiet erreichen. Händler wollen nur eine maximale Bekanntheit / ​Vertrautheit für ihre Betriebsstätte in deren lokalem Einzugsgebiet erreichen. Alle nicht punktuell wirksamen Maßnahmen sind für sie daher wertlos. Hersteller zielen primär auf eine positive Einstellung und Motivation im Vorfeld der Kaufentscheidung ab. Vor allem geht es darum, in den Evoked set of brands eines möglichst großen Zielgruppenanteils zu gelangen. Händler wollen hingegen die Auslösung unmittelbarer Kaufbereitschaft am POS, also Begierde und spontane Handlungswirkung. Hersteller wünschen eine Präsentationsunterstützung durch eigenständigen Auftritt und aktuelle Dekoration. Händler fordern demgegenüber Merchandising als unbezahlte Abverkaufshilfe am POS, Incentives für besondere Dekorationen und Werbekostenzuschüsse für anderweitige Kommunikationsmaßnahmen. Für Hersteller ist der einheitliche Auftritt ihrer Werbeaktivitäten hoch bedeutsam, um ein konsistentes Markenbild aufzubauen (CD / ​Look & feel). Händler stellen ihren am Outlet bezogenen Aktionsauftritt in den Vordergrund, der Marken instrumentalisiert und sorgsam aufgebautes Image oft genug mit dem „Schweinebauch“ erschlägt. Im Verfügbarkeits-Mix betreffen Konflikte folgende Felder. Herstellern ist an möglichst hohen Bestellmengen in langen Lieferintervallen gelegen, da dies zur rationellen Auftragsbearbeitung und -ausführung beiträgt und Druck in der Pipeline erzeugt. Händler disponieren demgegenüber kurzfristig gestaffelte Bestellmengen analog dem Markterfolg, weil dies die Kapitalbindung reduziert. Hersteller sind regelmäßig an hoher Distributionsdichte bis hin zur Ubiquität ihres Angebots interessiert, weil dies über mehr Facing ihre Absatzchancen erhöht. Händler präferieren eher selektive bis exklusive Distribution mit begrenztem Wettbewerbsschutz durch Marktzutrittsschranken, hoher Ausschöpfung des Nachfragepotenzials und umfangreicher Unterstützung des Herstellers. Hersteller wollen die absolut beste Platzierung für ihr Produkt innerhalb des Handelsbetriebs. Händler streben eine optimale innerbetriebliche Platzierung an, die abhängig ist von Größen wie Gesamtdeckungsbeitrag, Kundenstrom und Präsentationsumfeld. Hersteller wünschen eine vollständige und permanente Bevorratung ihres Programms am Handelsplatz im „Full line“-Prinzip, also ohne Out of stocks. Händler wünschen eine möglichst niedrige Vorratshaltung mit sachlich und zeitlich ausgewählten Artikeln nach dem „Rosinenpicker“-Prinzip. Herstellern ist an einem intensiven Beratungsservice vor Ort (POS) gelegen, vor allem wenn es sich um erklärungsbedürftige Produkte handelt, deren komparative Leistungsvorteile nicht offensichtlich sind. Dafür sind sie auch zu Schulungs- und Trainingsmaßnahmen bereit. Händler hingegen wollen eine möglichst rationelle Personalorganisation, d. h. keine übertriebene Spezialisierung, sondern flexibler Einsatz nach Arbeitsanfall, Ausfallzeiten und Fluktuation.

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3. Der Offline-Indirektabsatz 

Konflikte im Strategie-Mix sind übergreifend und betreffen folgende Felder. Hersteller zielen auf die Ausweitung ihrer Einflussnahme auf Endabnehmer ab, indem sie handelsstufenübergreifend unmittelbar auf diese mittels Sprungwerbung intensiv einwirken. Dies soll Händler umgehen, die dann nur noch die herstellerinduzierten Wünsche ihrer Kunden ausführen. Dem stellt der Handel eine Verstärkung seines Einflusses durch Rückwärtsintegration entgegen. Dies betrifft die Durchsetzung angemeldeter Produktwünsche, die Abwälzung originärer Handelsfunktionen und die Herstellung eigener Handelsmarken. Hersteller versuchen, ihre Produkte zu Pflichtmarken des Handels zu stilisieren, bei denen es sich kein Händler mehr leisten kann, sie nicht zu führen, weil er damit rechnen muss, dass Kunden, welche die gewünschte Ware nicht finden, verärgert das Outlet wechseln, und zwar nicht nur hinsichtlich des nicht geführten Produkts, sondern auch hinsichtlich anderer Produkte, die zum Einkauf vorgesehen waren. Der Handel setzt den Profitabilitätsnachweis von Produkten als Voraussetzung für die Sortimentsaufnahme dagegen (DPP / ​DPR).

3.6.2 Nachfrage- und Angebotsmacht Solche Konflikte sind bei beide Seiten sehr risikoreich, denn es besteht sowohl eine Angebotsmacht der Herstellerseite als vor allem auch eine Nachfragemacht der Handelsstufe. Dies ist Ergebnis fortgeschrittener Unternehmenskonzentrationen auf beiden Seiten. Auf der Handelsstufe hat die Konzentration im Absatzkanal zur Bildung von Großbetriebsformen mit Nachfragemacht gegenüber konzentrierten Lieferanten der Industrie geführt. Der Markt wandelt sich so zu einem, wettbewerbspolitisch unerwünschten, engen Oligopol. Die Kanalführerschaft geht damit zunehmend auf die Handelsstufe als Inhaber des Regalplatzes über. Die Beziehungen sind weitgehend durch Gruppenwettbewerb gekennzeichnet. Die größten internationalen Handelsketten sind u. a. • Wal-Mart (LEH), Kroger (LEH), Amazon (Universal), The Home Depot (Baumarkt), Tesco (LEH), CVS Health Corp. (Pharma), Walgreens Boots All. (Pharma), Ahold (LEH), Auchan (LEH), Costco (GH). Große deutsche Handelsketten sind u. a. • Aldi, Tengelmann (Grosso, Magnet, Kaiser’s, TeDi, KD etc.), Ceconomy (MediaMarkt, Saturn), Metro (C & C), Spar, Rewe (s. u.), Edeka (s. u.), SchwarzGruppe (Lidl, Kaufland), Lekkerland, Dohle (HIT, Marktfrisch etc.), Norma, Otto. So verfügen die drei Handelskonzerne Metro, Rewe und Edeka / ​AVA allein über mehrere Vertriebsschienen. Vertriebsschienen sind gleiche oder überwie-

3.6 Konstellationen im Absatzkanal

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gend ähnliche Handelsbetriebsformen, die zu Geschäftsstättenmarken ausgebaut werden sollen: • Rewe: Minimal, Kafu, Lör (Supermarkt), Globus, Kaufpark, Rewe-Center, Merkur (Verbrauchermarkt), Penny, Mondo (Discounter), Idea, Bipa (Drogeriemarkt), toom, Klee, Frick (Baumarkt), ProMarkt (Elektrofachmarkt), • Edeka / ​AVA: E-Neukauf, SB-Halle, Reichelt (Supermarkt), Dixi, Delta, E-Center, EZB, Herkules, V-Markt (Verbrauchermarkt), Marktkauf (SB-Warenhaus), NP, Diska, Treff, Kodi (Discounter), Elkos, V-Special (Drogeriemarkt), Cerec (Baumarkt), Herkules (Elektrofachmarkt). Dem stehen allerdings nicht minder große Hersteller, etwa in der Konsumgüterbranche, gegenüber. Hier sind als internationale Player vor allem zu nennen: • Nestlé, Procter & Gamble, Unilever, PepsiCo, Kraft Foods, AB Inbev, Coca-Cola, Archer Daniels Midland, Philip Morris, Japan Tobacco, L’Oréal, British American Tobacco, Groupe Danone, Heineken, JBS, Altria Group, Asahi Brewe­ries, Kirin Breweries, Colgate Palmolive, Diageo, Kimberley Clark, General Mills, Johnson & Johnson, SAB Miller, Tyson Foods, Kellogg Comp., Dean Foods, Conagra, Reckitt Benckiser, Imperial Tobacco, KAO, Avon, Sara Lee Corp., Carlsberg, H. J. Heinz, Royal Friesland Campina, Henkel, Pernod Ricard, Yamazaki Baking, Grupo Bimbo, Ajinomoto, SCA, Reynolds America, LVMH, Bunge Limited, Estée Lauder, Glaxo Smith Kline, Campell, Brasil Foods, Beiersdorf. Aus der Nachfragemacht der Handelsstufe folgen Nichtleistungskonditionen, also Preisvorteile, die nicht durch Gegenleistung des Handels gedeckt sind, was völlig in Ordnung wäre, sondern allein durch Macht. Listen dieser Nichtleistungskonditionen sind seit Jahrzehnten legendär und zeigen vielfache Auswüchse, so als winziger Ausschnitt: • die Forderung nach Mietzahlung für die Durchlaufsablage im Handel zwischen Wareneingang und -ausgang, • einseitige Konditionenänderung des Handels mit Unterstellung stillschweigender Zustimmung der Hersteller, • Vergeltungsmaßnahmen des Handels bei Inanspruchnahme vertraglicher / ​gesetzlicher Rechte durch Hersteller, • nicht vereinbarte Retouren unverkaufter Waren mit Gutschriftsforderung seitens des Handels, • Eintrittsgelder von Herstellern für die Aufnahme von Waren in das Handels­ sortiment.

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3. Der Offline-Indirektabsatz 

3.6.3 Regalplatzknappheit Da die Nachfragemacht der Handelsstufe ist ausgeprägt, stellt die Distribution im Absatzkanal für Hersteller zunehmend den Engpass für ihren Markterfolg dar. Vor allem kennzeichnet der Kampf um den Regalplatz die Marktsituation. Wobei Regalplatz hier nicht konkret zu verstehen ist, sondern abstrakt als Punkt der gedanklichen Konfrontation prospektiver Kunden mit Waren zum Zwecke der Umsatzerzielung von Hersteller und Händlern. Die Realität im Absatzkanal ist durch ausgeschöpfte Kapazitäten gekennzeichnet, so dass die Etablierung eines neuen Angebots beinahe zwangsläufig nur zulasten der Verdrängung eines anderen, bestehenden möglich ist. Dies sollte, durch die Brille des Herstellers betrachtet, möglichst kein eigenes, sondern ein Konkurrenzprodukt sein. Weil die Konkurrenz das aber ganz genauso sieht, wird der Kampf um den Regalplatz mit äußerster Verbissenheit geführt. Knappheitsfaktoren aus dem Konsumentenbereich Zunehmende Bedürfnisdifferenzierung (Multi options society) Einkaufsbequemlichkeit (One stop shopping) Knappheitsfaktoren aus dem Herstellerbereich Zunehmende Warenvielfalt (Proliferation) Anstrebung hoher Distributionsdichte (Ubiquität) Wachsende Verkaufsflächenbeanspruchung (Facing/Zweitplatz)

Knappheitsfaktoren aus dem Händlerbereich Regalplatzzuwachs erschöpft (City/Raumnutzungsverordnung)

Konzentrierte Regalplatzvergabe (A-Lieferanten) Handelsmarkenkonkurrenz Abbildung 48: Faktoren der Regalplatzknappheit

Knappheitsfaktoren liegen dabei sowohl im Konsumenten-, im Hersteller- als auch im Handelsbereich (siehe Abb. 48: Faktoren der Regalplatzknappheit). Knappheitsfaktoren im Konsumentenbereich betreffen folgende Ursachen. Zunehmende Bedürfnisdifferenzierung resultiert aus der Proliferation der Anbieterprogramme und führt somit zu verstärkter Nachfrage nach Regalplatz. In einer pluralistischen Gesellschaft (Multi options society / ​Naisbitt) hat derjenige Anbieter die besten Chancen, zum Zuge zu kommen, dessen Angebot den geringsten wahrgenommenen Abstand zum idealen Nachfragerbedürfnis aufweist.

3.6 Konstellationen im Absatzkanal

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Wandlungen im Einkaufsverhalten durch Bequemlichkeitsstreben führen zur Erwartung der Überallerhältlichkeit von Waren zumindest des täglichen Bedarfs. Dazu tragen immer noch beschränkte Ladenöffnungszeiten, zunehmende Be­rufstätigkeit des Haushaltsführers, aber auch knappes Parkplatzangebot und hohe Nahverkehrspreise bei. Ebenso beanspruchen erwartete Zusatzleistungen Regalplatz. Knappheitsfaktoren im Herstellerbereich betreffen folgende Ursachen. Stark steigende Warenvielfalt, auch bedingt durch zunehmende Anzahl ausländischer Anbieter, führt zur Ausweitung des Warenangebots durch Innovation, Diversifizierung, Produktdifferenzierung und Markentransfer. Zwar scheitern die weitaus meisten Neuprodukteinführungen, aber diejenigen, die durchkommen, belasten dann den Regalplatz. Monomarken werden durch Angliederung verwandter Produktgruppen als Flankers zu Dachmarken, die eine Vielzahl von Artikeln unter sich vereinen. Bestehende Marken werden durch Abwandlungen in der Produktgruppe als Line extenders nach Geschmack, Farbe, Gebindegröße etc. stärker „gemolken“. Schließlich kommen auch produktgruppenfremde Marken durch Transfer hinzu, die gleich mehrfach Regalplätze beanspruchen. Diese Tendenz verstärkt sich eher noch. Das Streben nach hoher Distributionsdichte ist bei verbreiteter Impulskaufneigung die notwendige Voraussetzung für Aussicht auf Geschäftserfolg. Bei gleichartig wahrgenommenen Artikeln gibt meist die reale Verfügbarkeit am Handelsplatz den Ausschlag für den Kaufentscheid. Denn nicht präsente Ware kann nun einmal nicht gekauft werden. Für jeden Artikel bestehen Bemühungen zur Vergrößerung der Ausstellungsfläche je Platzierung (Facing) bzw. um Mehrfachplatzierungen. Je größer die Kontaktstrecke bzw. -wahrscheinlichkeit mit einer Ware, desto höher ist gemeinhin auch die Kaufwahrscheinlichkeit. Dies bedeutet aber eine wachsende Verkaufsflächenbeanspruchung durch Dauerzweitplatzierungen. Knappheitsfaktoren im Händlerbereich betreffen folgende Ursachen. Die Grenzen der Vermehrbarkeit von Regalplatz sind durch hohe Kosten für Fläche und Personal sowie immer rarer werdende attraktive Standorte erreicht. 1-a-Lagen sind heute kaum mehr zu finanzieren, Stadtrandlagen werden durch Baunutzungsverordnungen der Kommunen und Gemeinden, vorwiegend zum Schutz der innerstädtischen Infrastruktur, vereitelt. Darüber hinaus ist seit Jahren ein verbreitetes Ladensterben vor allem bei Outletgrößen zu beobachten, die Rentabilität nicht mehr gewährleisten. Der Regalplatz geht also dort real zurück. Der Handel neigt zu einer konzentrierten Regalplatzvergabe an wenige, große und verlässlich berechenbare Lieferanten. Denn auch auf der Herstellerstufe hat ein enormer, vor allem internationaler, Konzentrationsprozess stattgefunden. Dies wirkt für Markteinsteiger als Zutrittsschranke, außer sie sind bereit, exzessive Eintrittsgelder zu zahlen.

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3. Der Offline-Indirektabsatz 

Die zu beobachtende Verdrängungskonkurrenz durch eine steigende Zahl von Handelsmarken und deren Bevorzugung bei der Regalplatzvergabe führt zu verstärktem Eigenbedarf am POS der Händler. Dies geht zulasten der Herstellermarken.

3.7 Zusammenarbeit im Absatzkanal Angesichts der Konstellation einer Nachfragemacht infolge Regalplatzknappheit liegt es nahe, statt Konflikt- besser Kooperationsstrategien zu verfolgen. Dafür ergeben sich generell verschiedene Kooperationsformen, speziell auf den OfflineIndirektabsatz bezogen aber die Formen der Abstimmung mit der Handelsstufe (3.7.2), der Raumvermietungsgeschäfte (3.7.3), der Warenvermittlungsgeschäfte (auch Secured distribution) (3.7.4) und der kooperativen Warenverkaufsgeschäfte des Handels (auch Controlled distribution) (3.7.5).

3.7.1 Kooperationsformen Die konkrete Ausprägung der Kooperation entsteht aus der Kombination dieser Dimensionen. Die Formen der, hier interessierenden, vertikalen dauervertraglichen Kooperation im Absatzkanal werden gemeinhin unter dem Begriff Kontraktmarketing (auch Controlled and regulated distribution) zusammen gefasst. Ihr primäres Ziel ist die Überwindung der latent oder manifest vorhandenen Interessenkonflikte im Absatzkanal, die zahlreich und mit starken Machtmitteln versehen, vorhanden sind. Solche vertikalen Kooperationen im Absatzkanal treten in vielfältigen Anlagen auf: • Der Inhalt kann sich auf bestimmte Produktgruppen im Alleinvertrieb, Absatzgebiete für Gebietsschutz, Export, Reimport, Weiterexport, Angebotsfristen mit Termin-/Lagerklauseln oder Kundengruppen beziehen bzgl. Direktlieferung, Rücklieferung, Vorbehalts-/Selektionsklauseln. • Nach der Art gibt es offene und eingeschränkte Systeme, letztere als selektive Bindungen zu mehreren Partnern eines Inhalts oder exklusive Bindung nur zu einem Partner je Inhalt. • Nach der Richtung kann die Verpflichtung einseitig von der marktschwächeren Seite ausgehend oder gegenseitig ausgelegt sein. • Nach dem Fokus kann es sich um inputbezogene, also Beschaffung, Eingangslogistik, throughputbezogene, also Produktion, Administration, oder outputbezogene Aktivitäten handeln, also Verkauf, Kundendienst. • Die Stufigkeit kann sich auf Hersteller und Großhandel, Hersteller und Einzelhandel oder Großhandel und Einzelhandel (Verbundgruppe)  beziehen. Dabei können zwei oder mehr Absatzstufen involviert sein.

3.7 Zusammenarbeit im Absatzkanal

Abstimmung mit der Handelsstufe

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Rahmenvereinbarung Herstellergestützter Mittelstandskreis Shop in the shop-System

Raumvermietungsgeschäfte des Handels

Store in the store-System Rack jobber-System Konzession

Warenvermittlungsgeschäfte des Handels

Agenturvertrieb (Handelsvertreter) Konsignationsvertrieb (Kommissionär) Depot-System

Kooperative Warenverkaufsgeschäfte des Handels

Franchising-System Vertragshändler-System

Abbildung 49: Formen des Kontraktmarketing

Die wesentlichen Ausprägungen dieser Anlagen werden im Folgenden vorgestellt (siehe Abb. 49: Formen des Kontraktmarketing). Innerhalb der Abstimmung mit der Handelsstufe ergeben sich wiederum die Ausprägungen der Rahmenvereinbarung und des Herstellergestützten Mittelstandskreises. Auch bei den Raumvermietungsgeschäften des Handels als Flächenpartnerschaften ergeben sich verschiedene Ausprägungen, das Shop in the shop-System, das Store in the store-System, der Rack jobber und die Konzession. Bei den Warenvermittlungsgeschäften des Handels gibt es zwei unterschiedliche Ausgestaltungsformen, den Agenturvertrieb und den Konsignationsvertrieb. Bei den kooperativen Warenverkaufsgeschäften des Handels als vertikale Vertriebsbindungen bestehen wiederum mehrere Möglichkeiten als Depot-, Franchising- und Vertragshändler-Systeme.

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3. Der Offline-Indirektabsatz 

3.7.2 Abstimmung mit der Handelsstufe 3.7.2.1 Rahmenvereinbarung Die Rahmenvereinbarung ist eine Absichtserklärung im Zuge des planverein­ barten Marketing, in der zwischen Hersteller und Handel die Eckpunkte des Geschäftsinhalts in Bezug auf Zielumsatz, Bestellsortiment, Stammplatzierung, Umsatzprämie, Leistungen des Abnehmers wie Listungsstandard halten, Neulistungen, Umlistungen, Aktionsrunden, Leistungen des Lieferanten wie Grundkonditionen, Zentralkonditionen, Werbekostenzuschüsse, Zielabstimmung etc. für das nächste Jahr definiert werden. Daran nehmen Key account- bzw. Trade-Manager des Herstellers sowie Zentraleinkäufer des Handels als Repräsentanten ihrer Organisationen teil, die das Gespräch auch detailliert vorbereiten, da es sich für beide Seiten um ein sensibles Unterfangen handelt. Praktisch werden Rahmenvereinbarungen nur zwischen großen Markenartiklern und wichtigen Absatzmittlern als Großbetriebsformen des Handels abgeschlossen. Es handelt sich deswegen um ein sensibles Unterfangen, weil die ausgehandelten Konditionen hohen Einfluss auf die Ertragssituation im Geschäftsjahr nehmen, zumal diese quasi als Besitzstand auf den Handel übergehen und im folgenden Geschäftsjahr nicht mehr Ergebnis, sondern vielmehr Ausgangspunkt von Verhandlungen sind. Davon gab es in neuerer Zeit nur eine Ausnahme, im Zuge von Kapazitätsengpässen unmittelbar nach der Wiedervereinigung Deutschlands. Inhalte einer solchen Rahmenvereinbarung sind u. a. folgende: • Umsatzziele in € nach Vertriebslinien und Produkten getrennt, Leistungen der Partner zur Erreichung dieser Ziele, Leistungen des Kunden wie Halten des bisherigen Listungsstands, Neulistungen, Umlistungen, Aktionen etc., Leistungen des Lieferanten wie Grundkonditionen, Zentralkonditionen, Anreizkonditionen, Werbekostenzuschüsse etc., Aktionsplan über Leistungen des Kunden und Leistungen des Lieferanten, Zwischenkontrollen / ​Milestones monatlich / ​quartals­ weise mit nachfolgenden Gesprächen, Marktpreise und Leistungsziele wie Auswirkungen von Marktpreisveränderungen auf Kundenumsätze, WKZs und Zielerreichungsprämien, Stufenplan nach Zielerreichungsgrad auf Basis von Absatz / ​Umsatz etc., Staffelpreise / ​Sonderpreise / ​Rabatte, Zahlungs- und Lieferungsbedingungen, Auslieferungsquote, Regalbeteiligung, Merchandising, Delkrederevereinbarung, Qualitätsparameter, Laufzeit der Rahmenbedingungen, Technologie- und Know-how-Transfer, Wettbewerbsklauseln, Geheimhaltung, Delkredere, Servicestandards / ​SLAs, Lieferzeit.

3.7 Zusammenarbeit im Absatzkanal

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3.7.2.2 Herstellergestützter Mittelstandskreis Der herstellergestützte Mittelstandskreis ist ein Zusammenschluss klein- und mittelständischer Händler zur Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Großbetriebsformen der Branche, wobei deren Teilnehmer ausnahmsweise Verabredungen treffen, die Marktwirksamkeit haben. Hersteller dürfen dort auf Initiative der Händler, meist konstituiert durch einen Beirat, partizipieren, allerdings nicht Mitglied werden, sich engagieren, jedoch keinerlei Druck zur Durchsetzung ausüben. Vielmehr muss die Einigung allein auf Händlerebene zustande kommen. Die kleine und mittlere Größe definiert sich dabei nicht absolut, sondern in Relation zu den Großen der Handelsbranche. So gehören im Handel selbst Großbetriebsformen zum Adressatenkreis. Mittelstandskreise dürfen ihren Mitgliedern gegenüber Empfehlungen aussprechen, auch in Bezug auf Preise, die intern bekannt zu geben und ausdrücklich nur als unverbindlich zu bezeichnen sind, dieser Zusatz ist aber nicht in den Werbemitteln erforderlich. Alle ausgesprochenen Empfehlungen müssen die Leistungsfähigkeit der Beteiligten gegenüber den Branchenriesen zu fördern geeignet sein. Dann brauchen sie nicht beim Kartellamt angemeldet zu werden. Dieses beobachtet jedoch Mittelstandskreise und beanstandet sie bei Missbrauch. Hersteller bieten oft an, bestimmte Produktlinien nur über Mitglieder des Mittelstandskreises zu vertreiben. Diese erhalten dadurch einen Wettbewerbsvorteil und sind aus der Preisvergleichbarkeit herausgenommen. Beispiele finden sich in der Elektrobranche bei Weißer oder Brauner Ware (ursprünglich Rowenta). Als Rechtsform kommt eine GbR in Betracht, die interne Organisation erfolgt durch Selbstverwaltung. Die wichtigsten Vorteile aus Herstellersicht sind stabile Preislagen in größeren Regionen, eine höhere Motivation der Händler für „exklusive“ Mittelstandsware, bessere Produktionsplanung und harmonische Abstimmung im Absatzkanal. Die wichtigsten Nachteile sind die kartellrechtliche Anfechtbarkeit wegen der Selektion der Mitglieder im Handel und des Engagements des Herstellers, zudem die fehlende Mengenwirkung und Distributionskraft der Großbetriebsformen des Handels.

3.7.3 Raumvermietungsgeschäfte des Handels 3.7.3.1 Shop in the shop-System Das Shop in the shop-System basiert auf der Untervermietung von Geschäftsfläche im größeren Handelsformen als Dachgeschäft an Hersteller, wobei diesen ein bestimmter Platz im Laden zugewiesen wird, der auch der eigenständigen Präsentation dient („Koje“). Neben Mietzahlungen werden auch MerchandisingLeistungen wie Möbel, Musik, Werbemittel etc. geboten. Daneben gibt es eine händlereigene Abteilung derselben Category. Vorteile für den Einzelhandel liegen in Folgendem. Es kommt zu einer Auflockerung der Warenpräsentation und zu einer Anreicherung des Sortiments um

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3. Der Offline-Indirektabsatz 

prominente Marken. Dies erhöht die Attraktivität des Ladengeschäfts. Die Betriebseinnahmen können durch Mietzins erhöht werden. Insgesamt kommt es zu einer Risikominderung und zur Vermeidung von Kapitalbindung. Nachteile entstehen dem Handel aus der Einbuße an Autonomie und der Gefahr der Verwässerung der Corporate identity. Zudem kommt es zu einer Angebotsidentität mit konkurrierenden Dachgeschäften. Synergieeffekte zum eigenen Angebot sind nur begrenzt nutzbar. Vorteile für den Hersteller liegen in Folgendem. Es kommt zur Sicherung knapper Regalplätze an den vorteilhaftesten Standorten. Dabei kann die Corporate identity gewahrt bleiben. Durch den direkten Kontakt zu Endkunden kommt es zu einem Erfahrungsgewinn. Die Kundenfrequenz (auch Traffic) des Einzelhandels kann genutzt werden, zudem entsteht eine Partizipation an den Werbeaktivitäten des Dachgeschäfts. Gegenüber eigenen Filialen kann zudem die Schwellenangst bei Nachfragern gesenkt werden. Nachteile entstehen Herstellern aus dem erhöhten Organisations- und Abwicklungsaufwand. So kommt etwa die Akquisition, Einsetzung und Steuerung des Personals als Zusatzaufwand hinzu. Es besteht die Gefahr, dass die Dachgeschäfte das Herstellerkonzept kopieren. Außerdem sind meist restriktive Auflagen des Dachgeschäfts zu beachten. Es handelt sich also um Unterabteilungen, denen Magnetwirkung in 1-a-Lagen zukommt. Im Ergebnis profitiert der Handel von einer Auflockerung der Präsentation und einer Anreicherung des Sortiments um prominente Marken, der Hersteller sichert sich knappen Regalplatz an besten Standorten und kann dabei noch sein Corporate design wahren. Beispiele dafür sind Esprit, s.Oliver, Tom Tailor, Lerros, Oui, Mustang, Casamoda, Street One, Wrangler (teils in Insolvenz in Eigenverwaltung). Shop in the shop-Mietregelungen sehen im Einzelnen Folgendes vor: • Mietgegenstand: Standort des Shop innerhalb des Shop, Regelungen bei Standortveränderungen, Änderung des Mietgegenstands, Kaufoption für Einrichtungsgegenstände bei Vertragsablauf, • Vertragsdauer und Kündigung: Laufzeit, Kündigungsgründe, Verlängerung, Folgen bei höherer Gewalt, Folgen bei Insolvenz / ​Vergleich, Zustand der vermieteten Fläche, • Kostenverteilung zwischen Shop-Mieter und Shop-Vermieter, Steuerabführungen bei Umbaumaßnahmen und Reparaturen, Versicherungen, Streikauswirkungen, • Mietzins: Höhe der Miete, Feststellung der Miete, Fälligkeit der Miete, Verzugsfolgen, Pfandrecht des Shop-Vermieters, Rückvergütung bei Dysproportionalität, • Anfangsinvestitionen: für Shopeinrichtung und für sonstige Geschäftsausstattung, • Angebot von Serviceleistungen des Shop-Vermieters,

3.7 Zusammenarbeit im Absatzkanal

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• Verwendung des Mietgegenstands: Sortiment, Preislage, Shopname, äußeres Erscheinungsbild, • Konkurrenzverbot: für den Shop-Mieter, für den Shop-Vermieter, • Führungs- und Verkaufspolitik des Shops, Handhabung bei Reklamationen, Geschäftszeiten (normal, außergewöhnlich), • Werbung: Verwendung der Firmierung des Partners, Verwendung der Kundenkartei des Partners, • Mitarbeiter: Zugehörigkeit, Weisungsbefugnis, Hausordnung, Personalkäufe /  -rabatte, • Haftung: u. a. für Verschulden der Mitarbeiter, gegenüber Rechtsansprüchen Dritter, • Standards wie Vollständigkeit des Lagerbestands, Servicelevels, Benutzung der Zentralkasse, • Geheimhaltungsklausel: allgemein, speziell über Erkenntnisse aus der Mietfeststellung, Publizitätsverbot oder -absprache, • Versorgung durch den Shop-Vermieter mit Strom, Wasser, Klima etc., Erstausrüstung mit Leitungen, Rohren etc., Telcom mit Installation, Gebühren, • Schiedsstelle: für Vertragspartner, für Auseinandersetzungen mit Kunden, • Schlussklauseln: Haftung, Auswirkungen mündlicher Vereinbarungen, Änderun­ gen und Ergänzungen, allgemeine Gültigkeitsklauseln, Gerichtsstand.

3.7.3.2 Store in the store-System Das Store in the store-System ist eine weitergehende Form der Untervermietung, bei der eine komplette Abteilung des Ladenlokals einem Dritten als Hersteller oder Großhandel zur Bewirtschaftung überlassen wird. Oder ein Laden innerhalb eines Gemeinschaftswarenhauses zugewiesen wird. Daneben gibt es keine händlereigene Abteilung derselben Category. Dieser führt die überlassene Fläche wie ein eigenständiges Geschäft, trägt alle Kosten, behält Gewinne ein und leistet dafür eine Mietzahlung. Beispiele sind McCafé von McDonald’s, Lavazza, Dinea Restaurant oder Frisör Klier in Warenhäusern. Nur auf diese Weise sind für diese noch attraktive City-Lagen verfügbar. Oft handelt es sich jedoch um frequenzabhängige Abteilungen, die infolge hoher Mietkosten, aufwändiger Präsentation und dauerniedriger Preise kaum rentabel zu führen sind.

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3. Der Offline-Indirektabsatz 

3.7.3.3 Hersteller-Rack jobber Beim Hersteller-Rack jobber handelt es sich um einen geringeren Grad der Präsentation und Untervermietung, nämlich nur in Form von Regalflächen, die von Hersteller fest angemietet und selbst bewirtschaftet werden. Die Erlöse werden getrennt abgerechnet. Der Rack jobber übernimmt auf eigene Rechnung die Warenbereitstellung und das Merchandising, also die Platzierung der Warengruppen und Artikel, die Gestaltung der Schaufläche, die Auszeichnung der Waren, die Aufstellung von Displays / ​Verkaufshilfen, die Abwicklung von Reklamationen und die logistische Organisation. Der Händler stellt somit nur den Platz zur Präsentation zur Verfügung. Ersterer profitiert von der Agglomerationswirkung der frequentierten Geschäftsstätten, letzterer von der Arrondierung seines Sortiments und der Zahlung von Miete und Umsatzprovision. Rack jobber eignen sich für den Handel bei kleinpreisigen Ergänzungssortimenten und problemlosen, selbstbedienungsfähigen Artikeln, die verkaufsförderungsbetont und risikobehaftet sind, denn der Rack jobber trägt Beschaffungs-, Lagerungs-, Transport-, Bereitstellungs-, Service- und Rücknahmerisiken. Beispiele sind Herlitz Schreibwaren, Alpha Bild- und Tonträger oder Wenco Haushaltswaren. Ein weiteres Beispiel ist die Tchibo-Präsentation im LEH (z. B. Edeka), dort werden in der Regie von Tchibo Kaffee und Merchandising-Artikel platziert, disponiert und dekoriert. Vorteile für den Hersteller sind der direkte Kontakt zu Endabnehmern, die Erzielung von Wettbewerbsvorteilen dadurch und der Zuwachs von Marktkenntnissen. Nachteile liegen in der Übernahme der Distributionsfunktion und der Abhängigkeit von der Handelsstufe. Vorteile für den Händler sind die Verringerung des Absatzrisikos und -aufwands sowie die Verantwortungsdelegation, der Anfall konstanter Einnahmen mit aktueller Ware. Nachteile liegen in der Abhängigkeit vom Hersteller, Ausfällen bei eigenen Umsätzen und der Autonomieeinbuße.

3.7.3.4 Konzession Der Konzessionsvertrieb betrifft Händler, die im Rahmen eines Untervermietungssystems in Ladenpassagen, Einkaufszentren, Gemeinschaftswarenhäusern etc. sortimentsergänzende oder periphere Angebote machen und dafür Verkaufs­ fläche als Ladenlokal eingeräumt erhalten. Sie grenzt sich damit von Konzessionären in der Gastronomie mit Ausschankerlaubnis durch Brauereien oder von Lizenznehmern ab. Konzessionäre sind rechtlich selbstständig, jedoch in strenge Generalklauseln eingebunden. Aufgrund des Pachtcharakters stehen ihnen die Erträgnisse ihrer Tätigkeit voll zu, sie leisten dafür jedoch, teils erfolgsabhängige, Pachtzinszahlungen. Der Verpächter profitiert von der Abrundung seines Service-

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angebots, etwa als One stop shopping, und erhöht damit die Attraktivität seiner gesamten Geschäftsstätte, zudem erhält er Mieteinnahmen, die Pächter profitieren von der Agglomerationswirkung der Einkaufsstätte, die einen Traffic generiert, den sie selbst nicht darzustellen imstande wären. Nachteilig sind die Einschränkung der Dispositionsfreiheit beim Pächter und der Verwaltungsaufwand beim Verpächter. Beispiele sind Pächter wie Bäckereien, Fachhändler für Tierbedarf, Gastronomiebetriebe wie Cafés oder Schnellrestaurants, Dienstleistungsflächen für Friseure, Schlüsseldienste, Reinigungen, Lotto-Toto-Annahmestellen etc. im Vorraum von Einkaufszentren. Denkbar ist auch die Nutzung von Außenflächen, etwa für eine Tankstelle auf dem Parkplatz oder für ambulante Händler für Schmuck, Mobiltelefonie, Fotografie etc. im Eingangsbereich.

3.7.4 Warenvermittlungsgeschäfte des Handels 3.7.4.1 Agenturvertrieb Beim Agenturvertrieb wirken Distributoren als Handelsvertreter für Hersteller und vertreiben Ware für deren Rechnung und in deren Namen als Agenten. Damit verbunden sind ein einheitliches Präsentationskonzept und Gebietsschutz. Da die Handelsstufe nur als Absatzhelfer agiert, ist sie weisungsgebunden hinsichtlich aller Auftragsparameter. Daraus ergeben sich als Vorteile aus Herstellersicht eine hohe Distributionsdichte durch Gewinnung kleinerer Händler, eine einfache Einsatzlenkung und leichte Kommunikation, die Möglichkeit der festen Preisvorgabe, eine bevorzugte Platzierung durch Empfehlung der Agenturware und die Feinsteuerung durch differenzierte / ​variierte Provisionssätze. Nachteile, die sich daraus aus Herstellersicht ergeben, sind, dass die Finanzierungs- und Umsatzrisiken allein beim Hersteller liegen, ein Rückgaberecht der Absatzhelfer für nicht verkaufte Ware besteht, die Versuchung zur gegenseitigen Preisunterbietung durch Provisionsweitergabe gegeben ist, Einbußen an Wettbewerbsflexibilität durch starre Preisangaben entstehen und preisaggressive, moderne Betriebsformen hier nur schwierig einzubinden sind, da sie sich ihres wichtigsten Wettbewerbsparameters begeben. Vorteile aus Absatzhelfersicht sind hingegen die Folgenden. Es kommt zur Ausschließung des Preiswettbewerbs in Bezug auf die Agenturware, gesicherte Spannen sind durch feste Provision für jedes vermittelte abgeschlossene Geschäft gegeben, nur eine begrenzte Anzahl konkurrierender Absatzhelfer im Einzugs­ gebiet ist vorhanden, und die enge Anbindung macht umfangreiche akquisitorische Unterstützung des Herstellers möglich. Nachteile aus Absatzhelfersicht sind vor allem folgende. Es besteht Vergleichbarkeit der Absatzstellen durch Ausfall des wichtigsten Wettbewerbsparameters Preis, die Bevorzugung der Agenturware geht zulasten der Präsentation des übrigen Sortiments, eine hohe Abhängigkeit von

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3. Der Offline-Indirektabsatz 

einer dauerhaft erfolgreichen Geschäftspolitik des Herstellers der Agenturware ist gegeben und hohe Investitionen in ein Vertriebsinformationssystem sind erforderlich. Beispiele finden sich bei Mineralölunternehmen mit Marken-Tankstellen und Reiseunternehmen wie Lufthansa-Agenturen, aber auch Lotto-Toto-Verkauf, DHL-Paketshops etc. (s. o.).

3.7.4.2 Konsignationsvertrieb Beim Konsignationsvertrieb erfolgt der Absatz im Handel zwar in eigenem Namen, aber auf fremde Rechnung. Der Kommittent als Hersteller bleibt auf diese Weise Eigentümer, nicht jedoch Besitzer, der Ware und kann weitreichenden Einfluss auf deren Vermarktung nehmen. Der Abnehmer als Kommissionär schließt mit seinem Lieferanten einen Kommissionsvertrag ab, wobei der Lieferer Eigentümer der Ware bleibt, der Abnehmer aber deren Besitzer wird. Endkunden können nur durch Nachprüfung erkennen, wem die Ware gehört. Der Erlös geht in vollem Umfang an den Kommittenten, dieser erstattet dem Kommissionär eine Provision darauf. Oder der Kommissionär zieht die Provision gleich vom eingezogenen Betrag ab und leitet den Restbetrag weiter. Für nicht verkaufte Ware hat er ein Rückgaberecht. Meist wird deren Wert dem Rechnungsbetrag für die nächste Lieferung gutgeschrieben. Daraus ergeben sich als Vorteile aus Herstellersicht, dass festgesetzte einheitliche Preise vorgegeben werden können, eine straffe Organisation und rasche Aktionsfähigkeit gegeben ist und ein direkter Informationsfluss vom Absatzhelfer an Hersteller besteht. Nachteile, die sich aus Herstellersicht ergeben, sind das erforderliche hohe Finanzierungsvolumen durch zumindest einmalige Vorfinanzierung der Ware, die schwierige Einbindung preisaggressiver, moderner Betriebsformen und die wettbewerbsrechtliche Problematik. Vorteile für Absatzhelfer sind hingegen die Folgenden. Es besteht kein Absatz- und Finanzierungsrisiko für die Kommissionsware, es ist eine gesicherte Rendite bei Absatz gegeben, einige der akquisitorischen Tätigkeiten werden vom Hersteller übernommen. Nachteile aus Absatzhelfersicht sind vor allem folgende. Ein eigenständiges Marketing zur Differenzierung vom Mitbewerb ist durch zahlreiche Vorgaben erschwert, die unvoreingenommene Umsetzung der eigenen Absatzstrategie ist durch die wirtschaftliche Abhängigkeit behindert, und Erfolg und Image des Kommittenten beeinflussen die eigene Geschäftsstätte und engen Transferbedingungen ein. Ein Beispiel findet sich im Tchibo-Nebengeschäft der Bäckereien (heute Depots), die in Bezug auf Brot und Backwaren Absatzmittler sind, in Bezug auf Kaffee und Merchandising-Artikel aber Kommissionäre (s. o.). Tchibo bot dabei ein erprobtes Filialkonzept, schlüsselfertige Läden, Shop­ bewertung und Umsatzprognose zur besseren Planung, fortlaufende betriebswirtschaftliche Erfolgskontrolle incl. Betriebsvergleich, Einarbeitung und laufende

3.7 Zusammenarbeit im Absatzkanal

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Schulungen, Ansprechpartner im Außendienst etc. Tchibo forderte im Gegenzug Erfahrung im Verkauf / ​Gastronomie und im Umgang mit Kunden, Erfahrung in der Personalführung, kaufmännische Kenntnisse, Kostenbewusstsein, Organisationstalent, Einhaltung eines einheitlichen Shopauftritts, Verzicht auf andere berufliche Tätigkeiten etc. Die Einstiegsgebühr betrug 10.000 €, hinzu kam eine Kaution über 20.000 €, auch als Bankbürgschaft. Weitere Beispiele sind Gebrauchtwagenhändler, ebay-Shop, Kartenvorverkauf in Reisebüros, Kunst- und Antiquitätenhandel, Briefmarkenhandel etc.

3.7.5 Kooperative Warenverkaufsgeschäfte des Handels 3.7.5.1 Depot-System Beim Depot-System im Eigenhandel beliefert der Hersteller den Handel selektiv unter der Voraussetzung der Sortimentsabnahmepflicht. Hingegen sind Franchiseund Vertragshändler-Systeme exklusiv. Dadurch führen ausgewählte Händler ein repräsentatives Angebot der Marke, beraten diese kompetent und bevorzugt und präsentieren sie prominent. Ansonsten sind sie frei in der Geschäftsführung. Der Hersteller leistet umfangreiche Marketing-Hilfestellung, vor allem durch attraktive Produkte und vorverkaufende Werbung. Beispiele sind hochwertige Kosmetikmarken in Parfümerien oder exklusive Uhrenmarken bei Juwelieren. Im Unterschied zu Warenvermittlungsgeschäften wird der Depothändler Eigentümer der Ware und trägt daher auch alle damit verbundenen Kosten und Risiken. Dafür ist er rechtlich frei in der Geschäftsführung. Da es sich bei der Depotware um vorverkaufte, hoch attraktive Produkte handelt, deren Produzent jedoch auf einer vertikalen Vertriebsbindung besteht, ist er bereit, als Gegenleistung für die Aufnahme in die Distribution bestimmte kaufmännische Verpflichtungen einzugehen. Dazu gehört die Führung eines repräsentativen Sortiments, da der Hersteller bei nur begrenzter Distribution darauf angewiesen ist, dass in den wenigen Absatzstellen sein Programm möglichst vollständig vertreten ist. Dazu gehört auch die bevorzugte Beratung der im Depot geführten Waren, indem die Präferenz des Herstellers für den Absatzmittler von diesem an seine Endabnehmer weitergegeben wird. Und die prominente Präsentation der Depotwaren im Innenraum / ​Eingangsbereich und Schaufenster, damit Kunden dieses Angebot zuvörderst gewahr werden. Das Depot-System des hochpreisigen Unterhaltungselektronik-Herstellers Bang & Olufsen sieht folgende Stufen vor. Das B1-Center führt ausschließlich B & O-Produkte und ist damit der herstellerexklusive Point of sale. Das B 2-Center führt hauptsächlich B & O-Produkte sowie ergänzende Randprogramme anderer Hersteller. Und der Studiohändler führt ausgewählte B & O-Produkte mit bevorzugter Präsentation am Handelsplatz.

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3. Der Offline-Indirektabsatz 

Das Depot-System ist durch Vertriebsbindungen gekennzeichnet. Dazu gehören u. a. folgende: • Gebietsklauseln in Bezug auf das zur aktiven Akquisition freigegebene Absatzgebiet, • Querlieferungsverbot zu Eigenhändlern in anderen Absatzgebieten, • Selektionsklauseln gegenüber vordefinierten Direktabnehmern des Herstellers, • Rücklieferungsverbot für erhaltene Waren.

3.7.5.2 Franchising-System Das Franchising ist ein vertikal kooperativ organisiertes Absatzsystem rechtlich selbstständig bleibender Unternehmen auf Basis eines vertraglichen Dauerschuldverhältnisses. Dieses System tritt am Markt einheitlich auf und wird durch ein arbeitsteiliges Leistungsprogramm der Systempartner geprägt, sowie durch ein Weisungs- und Kontrollsystem zur Sicherung systemkonformen Verhaltens. Beispiele sind folgende: • Mrs. Sporty / ​Fitnessstudio, BackWerk / ​SB-Bäckerei, ZGS Schülerhilfe / ​Nachhilfe, McDonald’s / ​Fastfood, Vom Fass / ​Wein und Feinkost, Town & Country Haus / ​ Hausbau, Valora Retail / ​Kiosk, Bodystreet / ​Fitnessstudio, Studienkreis / ​Nachhilfe, Joey’s Pizza / ​Pizzaservice, Apollo Optik / ​Optiker, Best Western / ​Hotellerie, Plameco / ​Deckenbau, Hallo Pizza / ​Pizzaservice, Back-Factory / ​SB-Bäckerei, Clever Fit / ​Fitnessstudio, Calory Coach / ​Fitnessstudio, Mail Boxes / ​Versand-GrafikDruck, Baby One / ​Baby-Ausstattung, Morgengold / ​Frühstücksdienst, Burger King / ​Fastfood, Portas / ​Renovierung, Zoo & Co / ​Zoohandlung, Kentucky Fried Chicken / ​Fastfood, ReMax / ​Immobilienmakler, Vapiano / ​Schnellrestaurant, Coffee Fellows / ​Coffee Shop, Subway / ​Fastfood, Angelspezi / ​Angelbedarf, Einer. Alles.Sauber / ​Renovierung, VFM / ​Versicherungsmakler, Das Futterhaus / ​Zoohandlung, Datac / ​Buchhaltung, Enchilada / ​Restaurant, City-Map / ​Internet-Marketing, Locatec / ​Leck-Ortung, Küche &Co / ​Küchenstudio, Blume 2000/Floristik, Ultimo / ​Buchhaltung, Expense Reduction Analysts / ​Managementberatung, Nordsee / ​Fastfood, Premio Reifen / ​Reifenfachhandel, Automeister / ​Autozubehör, Barrique / ​Weinhandel, Call a Pizza / ​Pizzaservice, Landhof Standl / ​Feinkost, Kochlöffel / ​Fastfood, Bauspezi / ​Baumarkt, Plana Küchenland / ​Küchenstudio, Flying Pizza / ​Pizzaservice. Das Leistungsprogramm des Franchisegebers besteht aus einem umfangreichen und vielfältigen Beschaffungs-, Absatz- und Organisationskonzept, das ständig weiterentwickelt wird, der Nutzungsmöglichkeit von gewerblichen Schutzrechten, der Aus- und Weiterbildung des Franchisenehmers und der Verpflichtung, diesen aktiv und laufend zu unterstützen, der Bereitstellung von Produkt-, Firmen- und

3.7 Zusammenarbeit im Absatzkanal

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Markenzeichen, der Überlassung von System-Know-how, der Gewährung von Nutzungsrechten am Systemimage, der Hilfe bei Betriebsaufbau, Werbung, Verkaufsförderung, Aktionen, Sortimentsplanung, laufender Beratung auf allen Betriebsgebieten, betriebswirtschaftlichen Dienstleistungen und Organisationshilfsmitteln, Erfahrungsaustausch, Belieferung bzw. Nachweis von Bezugsgelegenheiten zu festgesetzten Konditionen, Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit des Systems, Gewährung von Gebietsschutzrechten etc. Der Franchisenehmer liefert im Gegenzug dazu Arbeit, Kapital und Information an, führt das Geschäft nach vorgegebenen Richtlinien, verwendet Marke und Zeichen des Franchisegebers, setzt sich vorbehaltlos für das System ein, wahrt alle Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, meldet periodisch Daten und Ergebnisse, bezieht ausschließlich beim Franchisegeber oder bei von diesem vorgegebenen Bezugsquellen, duldet Kontrollen und Inspektionen im Betrieb, erkennt das Weisungsrecht des Franchisegebers an, bildet Sortimente nach einzuhaltenden Systemstandards, nutzt das Dienstleistungsangebot etc. Franchisesysteme lassen sich somit anhand der Merkmalsgruppen System, Franchisegeber und Franchisenehmer beschreiben. Wesentliche Systemmerkmale sind folgende: • Vertikale Kooperationsform selbstständiger Unternehmen, langfristig orientierte vertragliche Bindung, bilaterales Dauerschuldverhältnis zur Erfüllung des Systemzwecks, einheitliches Auftreten am Markt, Präsentation ähnlich einem Filialsystem, arbeitsteiliges Leistungsprogramm der Systembeteiligten. Wesentliche Franchisegeber-Merkmale sind folgende: • Bereitstellung von Nutzungsrechten für Marken, Namen und Patentrechte gegen Gebühr, Bereitstellung eines umfassenden Leistungspakets und von gewerblichem Know-how, Bereitstellung eines bewährten Absatz- und Organisationssystems, Berechnung einer einmaligen und / ​oder laufenden Franchisegebühr, umfassende Weisungs- und Kontrollrechte. Wesentliche Franchisenehmer-Merkmale sind folgende: • Rechtliche und wirtschaftliche Selbstständigkeit, Nutzung von Marken, Einsatz von persönlicher Arbeitskraft und eigenem Kapital, Übernahme unternehmerischen Risikos, Pflicht zu systemkonformem Verhalten, Informationspflicht. Als Erfolgsfaktoren des Franchisesystems sind vor allem folgende zu nennen: • Arbeitsteilige Konzentration auf die jeweiligen Kernkompetenzen mit Funktionsbündelung, Nutzung der Motivation, von Synergiepotenzialen und Größeneffekten des gesamten Systems, Schaffung von Marktzutrittsbarrieren für potenzielle Konkurrenten bei gleichzeitiger Steigerung der Attraktivität für Interessenten, sich an diesem System zu beteiligen, Standardisierung der internen und externen Leistungen, marktnahe, individuelle Kundenbetreuung unter einem gemeinsamen Markendach.

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3. Der Offline-Indirektabsatz 

Zweck des Franchisesystems ist es, filialähnliche Systeme zu bilden, in denen durch interorganisationale Arbeitsteilung Produktions- und Koordinationskosten gesenkt und zugleich die strategische Flexibilität verbessert werden kann. Franchising kann sich auf den Vertrieb von Produkten, die Erbringung und den Vertrieb von Dienstleistungen oder die Produktion und den Vertrieb von Produkten beziehen: • Beim Vertriebsfranchising verkauft der Franchisenehmer bestimmte, fremd hergestellte Waren in seinem Geschäft, welches den Namen seines Franchisegebers trägt. Beispiele sind OBI, Der Teeladen oder Yves Rocher. • Beim Dienstleistungsfranchising erstellt der Franchisenehmer mit Hilfe des Know-how, das er vom Franchisegeber vermittelt erhält, eine Dienstleistung selbst, die er auch verkauft. Beispiele sind McDonald’s, Burger King, Holiday Inn, Musikschule Fröhlich. • Beim Produktionsfranchising vertreibt der Franchisenehmer Produkte, die er selbst nach Produktionsverfahren bzw. Rezeptur des Franchisegebers hergestellt, bearbeitet oder veredelt hat. Dazu nutzt er das Know-how seines Franchisegebers. Der Unterschied zum reinen Lizenzsystem liegt im mitgelieferten Organisations- und Vermarktungskonzept. Beispiele sind Portas oder Biffar. Hinsichtlich der Stufigkeit kann beim Vertriebsfranchising die Produktion der Produkte auch beim Franchisegeber liegen, dann fungiert dieser als Hersteller (= Herstellerfranchising). Oder der Franchisegeber bezieht die abzusetzende Produkte seinerseits von einem Hersteller, dann fungiert er als Großhändler (= Großhandelsfranchising). Bekanntestes Beispiel ist hier Coca-Cola. Aus dem Vertrag ergeben sich umfangreiche gegenseitige Pflichten zur Förderung der gemeinsamen Ziele, so z. B. Know-how-Transfer durch Systemerfahrung und Reglementierung des Informationsaustauschs, Marketingimageaufladung durch Partizipation und Förderung eines Vertrauensverhältnisses, Motivation, Betriebsaufbau durch Hilfe bei Standortwahl bis zur schlüsselfertigen Übergabe, Services für Werbemittel, Finanzierung, Betriebsführung, Geschäftsplanung, Ausrüstungs-, Warengestellung durch Qualitätsstandards für erfolgreiche und erprobte Produkte seitens des Franchisegebers, aber auch z. B. Engagement durch Initiative, Risikoübernahme durch unternehmerische Selbstständigkeit, ökonomische Transparenz durch Erfahrungsaustausch und Weiterentwicklung, Marktdurchdringung mit Gebietsschutz, laufende Gebührenzahlung für Miete, Werbeumlage, Abschreibung, Lizenzentgelt, Warenzahlung für Großeinkauf unter Bezugsbindung seitens des Franchisenehmers. Organisatorischer Kern des Franchisesystems ist die Systemzentrale. Sie betreibt die erfolgreiche Entwicklung des Geschäftskonzepts sowie die Etablierung und Weiterführung der Franchisebetriebe. Dazu wird zunächst ein Franchisepaket entwickelt. Alle zukünftigen Bestandteile werden darin weitestgehend festgelegt

3.7 Zusammenarbeit im Absatzkanal

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und in einem eigenen Pilotbetrieb getestet sowie die Geschäftsprozesse und die Ausstattung bestimmt. Dann sucht die Systemzentrale geeignete Partner, um das Konzept zu vervielfältigen. Die Partner werden langfristig eingebunden. Die Auswahl erfolgt anhand strenger Kriterien. Kontinuierlich geht es um die Pflege und Weiterentwicklung des Systems. Die vorgegebenen Standards müssen auf ihre Einhaltung hin kontrolliert werden. Die Franchisenehmer sollen sich auf ihre operativen Kernaufgaben konzen­ trieren, den Verkauf von Produkten, die Erbringung von Dienstleistungen und die Führung der Mitarbeiter. Daraus wird ersichtlich, dass der Franchisegeber in zwei Märkten aktiv ist, zum einen im Markt potenzieller Franchisenehmer, und zum anderen im Markt der Endkunden. Nach deutschem Recht gibt es kein gesondertes Franchiserecht, sondern es sind unterschiedliche Bestandteile des Lizenz-, Know-how-, Gesellschafts-, Warenlieferungs- und Kaufvertrags involviert. Zwischenzeitlich sind zahlreiche Gerichtsurteile dazu aufgelaufen. Außerdem gibt es einen Verhaltenskodex für Franchising. Aufgrund der Vertragsfreiheit ist die Gestaltung der Inhalte grundsätzlich frei. In einer Präambel wird eine Zusammenfassung des jeweiligen Franchisekonzepts gegeben und die Selbstständigkeit des Franchisenehmers betont. Dann werden die Pflichten des Franchisegebers genannt, z. B. die Überlassung der Marken-/Firmenzeichennutzung und die Übertragung von Know-how. Für Details wird auf das Franchisehandbuch verwiesen, das jeweils dem aktuellen Stand angepasst werden kann. Bei den Pflichten des Franchisenehmers geht es vor allem um die Zahlung von einmaligen und laufenden Gebühren sowie Wettbewerbsverbote. Abschließend folgen Regelungen zur Vertragsverlängerung, zu Kündigungsbestimmungen, Abfindungsansprüchen etc. Die Inhalte stellen sich dann ungefähr wie folgt dar: • Präambel, Gegenstand des Franchise, Vertragsgebiet, Lage und Gestaltung des Franchisebetriebs, Vertragspartner des Franchisevertrags, Leistungspflichten des Franchisegebers, Schulungen des Franchisenehmers, Mitwirkungspflichten des Franchisenehmers, Werbung / ​Öffentlichkeitsarbeit, Franchisehandbuch, Leistungspflichten des Franchisenehmers, Bezugsverpflichtung des Franchisenehmers, gegenseitige Unterrichtung und Geheimhaltungspflicht, Gewerbliche Schutzrechte des Franchisegebers, Wettbewerbsverbot, Franchisegebühr, Kontrollrechte des Franchisegebers, Berichtswesen und Buchführung, Übertragbarkeit und Vorkaufsrecht, Vertragsdauer und Kündigung, Folgen der Vertragsbeendigung, Vertragsstrafe, Haftung des Franchisenehmers, Nebenabreden und Teilnichtigkeit, Belehrung über das Widerrufsrecht, Vertragsausfertigungen, Sub-Franchisen, Versicherungen des Franchisenehmers. Im Franchisehandbuch sind somit sämtliche Informationen über das System in Wort und Bild festgehalten. Sie beziehen sich auf die Organisation des Franchisebetriebs, dessen Einrichtung und Ausstattung, Anweisungen zur Ausführung der

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3. Der Offline-Indirektabsatz 

Leistungen, Informationen über das Bestell- und Lieferwesen, Marketing und Werbung sowie Formulare. Die Inhalte werden in Schulungen für das tägliche Geschäft nutzbar gemacht. Solche Schulungen finden üblicherweise vor Geschäftseröffnung statt sowie fortlaufend aktualisiert oder bei organisatorischen Veränderungen. Je nach System werden dafür Kostenbeiträge fällig. Eine rechtliche Notwendigkeit ergibt sich aus der GruppenfreistellungsVO für Franchising. Damit sind anderweitig als wettbewerbsbeschränkend auszulegende Sachverhalte legal, sofern ein Franchisesystem vorliegt. Zum Nachweis eines solchen Systems dient u. a. das Handbuch. Da dessen Inhalte einem stetigen Wandel unterworfen sind, ist es zweckmäßig, sie nicht explizit zum Vertragsbestandteil zu machen, sondern auf die Dokumentation als Vertragsbestandteil hinzuweisen. Dort ist der tatsächliche Rahmen der Zusammenarbeit zwischen Franchisegeber und Franchisenehmer niedergelegt. Die Inhalte können einseitig durch den Franchisegeber geändert werden, sofern damit nicht gegen andere Gesetze verstoßen wird. Die Franchisenehmer zahlen für die Weitergabe des Know-how an sie, für ihre Nutzung eines fremden Markenzeichens etc. eine Franchisegebühr. Diese Gebühr ist grundsätzlich frei aushandelbar, darf jedoch nicht gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen (z. B. Wucher). Die Gebühr unterteilt sich in eine einmalige Eintrittsgebühr, durch welche die Übernahme des Geschäftsmodells abgegolten wird sowie laufende Gebühren, durch welche die Fortentwicklung des Systems durch den Franchisegeber abgegolten wird. Der Verlauf dieser Gebühren kann linear, progressiv oder degressiv ausgelegt sein und bezieht sich zumeist auf den Umsatz als Basisgröße. Gelegentlich wird auch eine Mindestgebühr oder Pauschale vereinbart. Hinzu kommt häufig eine Werbegebühr, durch welche die Bekanntmachung/-haltung des Systems abgegolten wird. Die Höhe der Gebühren ist individuell abweichend. Es kommt auch vor, dass keine laufende Gebühr zu entrichten ist, dann besteht aber eine Warenbezugsverpflichtung, in die dieser Betrag bereits eingerechnet ist als verdeckte Franchisegebühr. Für gewöhnlich installieren neue Franchisesysteme Pilotbetriebe, welche die Umsetzungsfähigkeit des Systems beweisen. Sie werden durch den Franchisegeber selbst geführt und dienen auch der laufenden Optimierung der Angebotsbestandteile. Das nach der Zahl der Absatzstellen größte Franchisesystem ist zwischenzeitlich Subway. Subway wurde 1965 in Bridgeport / ​Connecticut von Fred DeLuca als Peter’s Submarine Sandwiches gegründet und 1974 als Franchise Doctor’s Associates umgebaut. Es ist das am schnellsten wachsende Franchisesystem und in 83 Ländern mit über 25.000 Restaurants vertreten, seit 1999 auch in Deutschland mit über 300 Absatzstellen. Pro Jahr werden an die 1.000 neuen Absatzstellen eröffnet, darunter sind keine eigenen mehr. Logo und Design sind stark an die New Yorker Untergrundbahn angelehnt, daher kam es zur Umbenennung in Subway. Noch heute sind Netzpläne der New Yorker U-Bahn an den Wänden

3.7 Zusammenarbeit im Absatzkanal

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der Restaurants plakatiert. Produkte sind Sandwiches als Baguettes / ​Weißbrote in fünf verschiedenen Brotsorten. Dazu wird ein Hauptbelag gewählt (Geflügel, Schweine-, Rindfleisch), vegetarisch als Thunfisch, dann folgt eine Salatauswahl und Saucen / ​Gewürze. Daraus lassen sich über 2 Mio. Kombinationen darstellen. Außerdem werden Wraps (Teigfladen), Bagels (Frühstücksbrötchen), Suppen, Kekse und Getränke (sieben Limonaden / ​Wässer) angeboten. Außerdem wird auf lokale Vorlieben eingegangen. Die Zubereitung dauert unter zwei Minuten, ist frisch und individuell, zum Mitnehmen oder Restaurantverzehr. Es gibt einen Party- und einen Home-Service. Bei allem wird eine Hochpreisstrategie gefahren. Subway legt Wert auf politisch korrektes Verhalten und bietet damit Kritikgruppen nur geringe Angriffsfläche. Die Positionierung erfolgt als Anbieter von frischem, modernem, bewusstem Essen, das gesund, lifestylig und fettarm ist. Es herrscht striktes Rauchverbot. Zur Stimmung trägt dezente Hintergrundmusik bei. Ein Franchisenehmer führt im Regelfall mehrere Restaurants, so dass Kannibalisierungseffekte vermieden werden. Es herrscht eine flache Hierarchie vor, Area Development Manager, Development Agent und Field Agent. Die Franchise-Gebühr beträgt 8 % des Umsatzes, zusätzlich fällt eine Marketinggebühr von 4,5 % des Umsatzes an, dafür wird vor allem werbliche Unterstützung geboten (z. B. durch Product placement, wie Austin Powers und Kampagne mit Kultfigur Jared Fogle). Die Eintrittsgebühr beträgt 25.000 €. An seriöse Franchisegeber sollen folgende Anforderungen gestellt werden. Der Franchisegeber ist der IHK und dem DFV (Deutscher Franchise Verband)  bekannt. Eine Auskunft über seine Kreditwürdigkeit ist positiv. Der Gebietsschutz wird nicht in den Vordergrund gestellt, er schützt nur vor weiteren Franchisenehmern des gleichen Systems, nicht aber vor Konkurrenz. Es gibt Pilotbetriebe, die der Franchisenehmer in eigener Regie führt und deren Bilanzen er offen legt. Das Konzept ist sorgfältig zusammen gestellt sowie sauber und systematisch aufgebaut. Der Franchisenehmer hat auf seinen Marken und Produkten Schutzrechte eingetragen und nicht nur Anmeldungen. Es existiert eine Zentrale, die jederzeit ansprechbar ist und klar definierte Aufgaben übernimmt. Die Selbstständigkeit des Franchisenehmers wird nicht unnötig stark eingeschränkt, insb. verkauft er in eigenem Namen und auf eigene Rechnung. Die Preise für die vom Franchisegeber zu beziehenden Waren sind marktgerecht und nicht überzogen. Gleiches gilt für die Endverkaufspreise, sofern sie dem Franchisenehmer vorgeschrieben sind. Das System wird individuell präsentiert und nicht in einer Show einer Masse von Interessenten standardisiert angeboten.

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3. Der Offline-Indirektabsatz 

3.7.5.3 Vertragshändler-System

Abnehmer

Hersteller

Lieferung Vertragsbindung Zahlung

Auftrag

Vertragshändler

Auftrag

Lieferung Rechnung Zahlung

Abbildung 50: Prinzip der Vertragshändlerbeziehung

Der Vertragshändler übernimmt als rechtlich selbstständig bleibender Absatzmittler das Herstellerabsatzkonzept in eigenem Namen und auf eigene Rechnung (siehe Abb. 50: Prinzip der Vertragshändlerbeziehung). Dies wird durch weit reichende Vereinbarungen sanktioniert, diese betreffen Vertrieb, Beschaffung, Schulungsteilnahme, Werbemaßnahmen, Lagervorhaltung etc. Der Vertragshändler ist selbstständiger Kaufmann, der durch ein Dauerschuldverhältnis in die Vertriebsorganisation eines Lieferunternehmens eingegliedert ist. Es handelt sich um einen Sukzessivliefervertrag auf der Grundlage eines generellen Rahmenvertrags und eines Kaufvertrags über jede einzelne Lieferung. Er ist verpflichtet, sich aktiv um den Absatz der Produkte dieses Lieferanten zu bemühen und Konkurrenzerzeugnisse nur mit ausdrücklicher Gestattung des Vertragspartners zu vertreiben. Die Bindung ist teils mit regionalen Ausschließlichkeitsrechten als Alleinhändler oder Exklusivhändler verbunden. Sofern die Ware unter Eigentumsvorbehalt erworben wird, liegt eine Rechtsstellung ähnlich dem Kommissionär vor. Der Vertragshändler erhält jedoch keine gesonderte Vergütung. Er alimentiert sich allein aus der Handelsspanne. Das System ist auch nicht einmalig oder laufend gebührenpflichtig, anders als beim Franchising, der Handel verpflichtet sich aber insbesondere zur Förderung des Vertragswarenabsatzes und zum Konkurrenzausschluss und erhält dafür Gebietsschutz und umfangreiche Dienstleistungen wie beim Depotsystem. Beispiele finden sich bei Automobilen, Tankstellen, Bosch Profi-Handwerksgeräten, Kärcher Profi-Reinigungsgeräten etc. Meist wird eine mehrfache Exklusivität vereinbart, so in Bezug auf die alleingeführte Marke, in Bezug auf die Abgrenzung des Marktverantwortungsgebiets, in Bezug auf den Ausschluss der Konkurrenz und in Bezug auf die Erfüllung qualitativer Anforderungen. Weitreichende Wettbewerbsberuhigungen, die sie früher

3.7 Zusammenarbeit im Absatzkanal

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vertraglich vereinbart wurden, sind nach GVO verboten. So ist entweder der Verkauf an Wiederverkäufer bei Exklusivität möglich oder das Anbieten mehrerer Marken bei Weitergabeverbot. Eine räumliche Einschränkung der Tätigkeit des Vertragshändlers ist untersagt. Serviceleistungen dürfen, falls nicht selbst übernommen, nur an autorisierte Werkstätten delegiert werden. Jede Werkstatt, welche nachvollziehbare Servicestandards erfüllt, muss als Vertragswerkstatt zugelassen werden. Das Herstellermonopol für den Vertrieb von Originalersatzteilen entfällt. Wesentliche Pflichten des Vertragshändlers lauten: • Die Einrichtung des Verkaufs erfolgt nach den Vorstellungen des Herstellers, die dieser detailliert festlegt und überprüft. Produkte anderer Hersteller in derselben Preisklasse dürfen nicht in das Sortiment aufgenommen werden. Es bestehen vorgegebene Mindestabnahmemengen pro Zeitraum, woraus ein hoher Verkaufsdruck resultiert. Das Sortiment ist auf die Produkte eines oder weniger Hersteller begrenzt. Es sind Mindestlagerbestände zu beachten, um eine jederzeitige Lieferbereitschaft zu gewährleisten. Die Imageübernahme vom Lieferanten erfolgt im Wege der Adaptation dessen Signalisation am Handelsplatz. Die Kundendienstübernahme betrifft die Gewährleistung ausreichender Nachverkaufsservices. Werbemaßnahmen schaffen eine Forcierung der vertretenen Produkte im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Die Übernahme der Marktbeobachtung für den Hersteller und die Niederlegung aller Geschäftsvorgänge in einem standardisierten Reporting werden meist vereinbart. Es darf nicht in andere Vertragsgebiete hinein akquiriert werden, jedoch dürfen „Kommkunden“ bedient werden. Wesentliche Rechte des Vertragshändlers lauten: • Der Händler vertreibt in seinem Gebiet die Produkte ausschließlich, und er kann Unterorganisationen aufbauen. Der Händler kann das Herstellerzeichen verwenden und profitiert so von dessen Goodwill. Der Hersteller ist aufgrund seiner Kontakte bemüht, den Absatz des Händlers zu sichern. Der Hersteller unterstützt ihn auch bei der Ausbildung seiner Mitarbeiter durch Schulung und Training. Die Betriebsberatung des Herstellers gibt Aufschluss über Optimierungschancen und relativen Erfolg verglichen mit anderen Händlerkollegen. Es wird Verkaufsförderung am POS und in Medien gewährt. Ebenso erfolgt die Ersatzteil-/Zubehörversorgung mit qualitätsnormierten Teilen und entsprechenden Applikationshilfen (Warenträger, Werkzeuge etc.). Als Vertragshändler-Vertragsinhalte gelten im Wesentlichen folgende: • Wahrnehmung der Marktverantwortung gemäß der Jahreszielvorgabe, Vorhalten eines Bestands an Ausstellungs-, Lager- und Vorführwaren, intensives Bemühen um den Absatz von Neu- und Gebrauchtprodukten, Respektieren der Direktlieferungsvorbehalte des Herstellers, Unterhalt einer Werkstatt mit den vorgeschriebenen Spezialwerkzeugen, Mess- und Testgeräten, Durchführung des Kundendienstes gemäß gültigen Richtlinien, Verwendung von Originalersatz­ teilen bei Gewährleistungsreparaturen, Einrichtung und Unterhaltung eines ad-

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3. Der Offline-Indirektabsatz 

äquaten Ersatzteillagers, Einrichtung eines Geschäftsbetriebs, der in Größe, Ausstattung und äußerem Erscheinungsbild den Erwartungen der Kunden an die Marke gerecht wird, Herausstellung des Eindrucks der Zugehörigkeit zum Vertriebsnetz des Herstellers durch Signalisation, Verwendung des Herstellerzeichens im Geschäftsverkehr, Nutzung der Bauberatung des Herstellers, Übermittlung von Betriebsdaten in der vom Hersteller vorgegebenen Form zum Betriebsvergleich, Anfertigung von Berichten über Marktlage, Lagerbestände und voraussichtlichen Bedarf zur Planung, Verwendung der vom Hersteller vorgeschriebenen IT, Zulassung der Einsichtnahme in Geschäftsunterlagen. Beispiele finden sich vor allem im Kfz-Vertrieb. Automobilhersteller können dabei zwischen exklusivem und selektivem Vertrieb entscheiden. Exklusivrechte in einem Marktverantwortungsgebiet gelten aber nur, wenn der Verkauf von Händlern an nicht-autorisierte Wiederverkäufer im Einzelhandel unbeschränkt möglich ist. Alternativ dazu kann Vertragshändlern der Verkauf an nicht-autorisierte Wiederverkäufer vom Automobilhersteller verboten werden (Selektivoption), sofern die Vertragshändler überall in Europa frei Verkaufsniederlassungen oder Auslieferungslager eröffnen dürfen. Händler dürfen dann mehrere Automarken nebeneinander verkaufen, Hersteller können jedoch wegen der Verwechslungsgefahr auf einer optischen Separierung durch markenspezifische Verkaufsbereiche bestehen. Von Herstellern unabhängige Leasinggesellschaften können die gleichen Rabatte erhalten wie Großabnehmer, die teilweise höher liegen als die Händlerrabatte, daher entsteht ein Wettbewerb mit den Vertragshändlern. Automobilhersteller müssen schriftliche Gründe nennen, wenn sie einen Vertrag mit ihrem Händler auflösen wollen. Vertragshändler müssen die Wartung und Reparatur ihrer verkauften Fahrzeuge nicht selbst durchführen, sie können den Service auch nach entsprechender Schulung durch autorisierte Servicewerkstätten erbringen lassen. Dafür ermöglichen die Automobilhersteller freien Werkstätten Zugang zu jeglichen technischen Informationen. Die Servicewerkstätten dürfen nicht vom Hersteller selektiert werden, sondern jede Vertragswerkstatt, die vorgegebene Standards erfüllt, ist zugelassen, d. h. Nichtdiskriminierung. Werkstätten können die Ersatzteile auch von Automobilzulieferern direkt beziehen, statt teure Originalersatzteile zu verwenden. Als solche gelten alle Ersatzteile, die vom Teilehersteller auf der gleichen Montagelinie wie die Erstausrüstungsteile hergestellt werden („OEM“). Es gibt Hersteller, die mehrheitlich über Vertragshändler vertreiben (z. B. Volkswagen), die mehrheitlich über Herstellerniederlassungen vertreiben (z. B. Porsche) oder einen Mix aus Vertraghändlerschaft und Niederlassungen (z. B. BMW, Mercedes-Benz). Dazu ein Beispiel für Vertragshändler-Regelungen bei Mercedes-Benz: • Unterhaltung eines Bestands an Vorführ- und Lagerfahrzeugen, mindestens fünf Fahrzeuge aus unterschiedlichen Baureihen müssen ständig angemeldet für Probefahrtwünsche der Kunden zur Verfügung stehen.

3.7 Zusammenarbeit im Absatzkanal

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• Der Partner muss dem Kunden aktiv die Inzahlungnahme des gegenwärtigen Fahrzeugs bei Kauf eines Neu- oder Gebrauchtfahrzeugs anbieten. • Neue Fahrzeuge werden immer durch markenzertifiziertes Personal ausgeliefert. • Jeder autorisierte Servicepartner muss Teile mit Hilfe eines Bestandsmanagementsystems disponieren. • Jeder autorisierte Servicepartner muss Ersatzteilbestände gemäß der proprietären Richtlinien führen. • Alle Teile / ​Zubehör-Bestellungen müssen im Daimler-Wholesales-Lager erfolgen. • Jeder autorisierte Servicepartner muss ein definiertes Budget für Marketingaktivitäten und Verkaufsförderung für Service und Teile / ​Zubehör zur Verfügung stellen. • Jeder autorisierte Servicepartner muss Daimler-vordefinierte Dienstleistungen und Service-Produkte anbieten und abwickeln. • Jeder autorisierte Servicepartner muss Paketpreise (Teile und Lohn) für die von Daimler definierten Reparaturen (Wartung, Räder / ​Reifen, bestimmte Reparaturen wie Bremsen, Abgasanlage, Stoffdämpfer, Federn etc.) anbieten. • Jeder autorisierte Servicepartner muss mindestens mit Ausrüstungen, Werkzeu­ gen und Diagnose-Instrumenten gemäß aktueller Daimler-WerkstattausrüstungsShortlist ausgestattet sein. • Jeder autorisierte Servicepartner muss mit Spezialwerkzeugen ausgestattet sein (gemäß aktueller Werkstatt-Spezialwerkzeug-Liste). • Die Innen- und Außenausstattung im Kundenkontaktbereich muss den aktuellen Markenvorgaben des CI-Programms entsprechen. Die Innenausstattung zur Produktpräsentation und der gesamte Markenbereich muss dem Daimler-Presentations-System entsprechen. Bei Mehrmarkenauftritt müssen geteilte Funktionsbereiche markenneutral gestaltet werden. • Das CI-Design im Gebäudeinnern der Betriebe muss die Marken-Anforderungen hinsichtlich Funktion, Standort und Erscheinungsbild in den Kundenkontaktbereichen erfüllen. • Jeder autorisierte Servicepartner muss auf dem Grundstück über eine ausreichende Anzahl an Parkplätzen für Kunden verfügen. • Der autorisierte Servicepartner muss über die vorgeschriebenen Berichte und Pläne verfügen. • Der autorisierte Servicepartner muss die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung für Daimler an die Vertriebsdirektion übermitteln. • Die Berichtsdaten müssen der Vertriebsdirektion in elektronischer Form zur Verfügung gestellt werden. • Jeder autorisierte Servicepartner muss über die vorgeschriebenen IT-Systeme und Schnittstellen verfügen.

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3. Der Offline-Indirektabsatz 

Agenturvertrieb

Kommissionsvertrieb

Depotsystem im Eigenhandel

Franchising

Vertragshändler

Die Risiken des Vertragshändlers bestehen im Einzelnen aus den Komponenten Entgelt, Ware und Lager, denn sein Entgelt ist u. a. von den Einkaufskonditionen des Herstellers abhängig, aus der Ware resultiert zugleich die Haftung für mangelfreie und rechtzeitige Lieferung, und das Lager unterliegt der Entwertungsgefahr, speziell bei Lieferantenwechsel. Verpflichtet sich der Vertragshändler zur Überlassung des Kundenstamms bei Ausscheiden, z. B. als Kundenkartei, so hat er einen Ausgleichsanspruch. Der Hersteller darf ihn im Übrigen nicht in der Freiheit der Gestaltung von Preisen und Konditionen, z. B. Hauspreise, beschränken und auch nicht diskriminieren. Der Händler ist umgekehrt und an sich selbstverständlich zur Interessenwahrung und allgemeinen Loyalität nach Treu und Glauben verpflichtet.

eigener Name (Selbstständigkeit)

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eigene Rechnung (Eigentum)

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Lagerhaltung

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Leistungsstandards

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Gebührenpflichtigkeit

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Gebietsschutzgewährung

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Handelsstufenbindung

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Kontrollmechanismen

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Ausschließlichkeit

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Preisvorgabe

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Abbildung 51: Beispiele von Kontraktmarketingformen

Eine vergleichende Beurteilung der Warenvermittlungs- und kooperativen Warenverkaufsgeschäfte zeigt jeweilige Vor- und Nachteile (siehe Abb. 51: Beispiele von Kontraktmarketingformen).

4. Der stationäre Handel als Absatzmittler Am Anfang der Entwicklung zur modernen Betriebswirtschaftslehre stand interessanterweise die Handelsbetriebslehre. Die ersten Hochschulen in Deutschland, die sich mit dem, was man heute allgemein unter Management subsumiert, beschäftigten, waren Handelshochschulen in Leipzig, Köln. Dies liegt auch nahe, wird doch die abstrakte betriebliche Leistung kaum irgendwo sonst so konkret und alltäglich erlebbar, wie im Handel selbst. Der Handel ist durch eine Reihe von Besonderheiten gekennzeichnet.

4.1 Aktionsparameter des Handels Die Aktionsparameter des Handels bauen auf den Kennzeichen des Wiederverkäufermarkts auf und betreffen vor allem die Parameter Markenpolitik (4.1.2), Sortimentszuschnitt (4.1.3), Preis und Kalkulation (4.1.4), Handelsplatzauftritt (4.1.5), Ladenorganisation (4.1.6) und Standortwahl (4.1.7). Auf diese wird daher im Folgenden näher eingegangen.

4.1.1 Kennzeichen des Wiederverkäufermarkts Es ist eine Mischung aus Warenprozess- und Dienstleistung gegeben, wobei der Dienstleistungsanteil teilweise kaum mehr wahrnehmbar ist, z. B. bei Discountern. Dennoch ist der Handel eindeutig dem Dienstleistungssektor zuzuordnen. Von besonderer Bedeutung für die Leistungserstellung ist der Mensch als Dienstleister. Von ihm hängt der Aufbau eines akquisitorischen Potenzials für die Kundenpräferenz entscheidend ab. Zugleich stellt der Mensch aber auch den Engpass für den Markterfolg dar. Der Handel ist die Drehscheibe zwischen Herstellern als Vorverarbeitern und Abnehmern als Weiterverarbeitern oder Endabnehmern. Im Reinverkauf ergibt sich dabei eine Bündelungswirkung, im Rausverkauf eine Dispersionswirkung. Daraus leitet sich die überragende Bedeutung des Handels im Absatzkanal ab. Absatzmittler übernehmen bei der Vermarktung viele Funktionen. Da die Waren selbst zumeist unverändert bleiben, wurde allerdings die Produktivität des Handels ursprünglich vehement in Zweifel gezogen. Damit eng verbunden ist die Frage der moralischen Berechtigung für den Einbehalt eines Gewinnaufschlags.

222

4. Der stationäre Handel als Absatzmittler

Der Handel ist vom ihm zur Verfügung gestellten Warenangebot seiner Zulieferer abhängig, denn dieses bestimmt seine akquisitorische Wirkung in der Zielgruppe. Ist kein vorteilhaftes Angebot verfügbar, reagiert der Handel durch das Angebot eigener Waren als Handelsmarken, die zunehmend in Konkurrenz zu Herstellermarken treten. Es herrscht eine latente Konfliktsituation zwischen Hersteller- und Handelsstufe vor, beide verfolgen eigenständige Ziele, die untereinander in einer Vielzahl von Fällen konfliktär sind. In vielen Fällen haben Händler von Herstellern die Führerschaft im Absatzkanal übernommen. Der Handel ist durch einen hohen Konzentrationsgrad gekennzeichnet. Die daraus resultierende Nachfragemacht nutzt der Handel zur machtvollen Durchsetzung seiner eigenen Interessen. Die dabei eingesetzten Mittel sind nicht immer frei von Kritik durch die Marktpartner. Die Marktstruktur ist sehr heterogen. Dies drückt sich durch verschiedene Betriebsformen, Marktarten, Geschäftsgrößen etc. aus, die in Betriebsformen des Handels zusammen gefasst werden. Diese rubrizieren die Vielfalt der Realität zu intern hinlänglich homogenen Gruppen. Es herrscht eine primäre Orientierung am Preis als wesentlichem Konkurrenzparameter vor. Dies drückt sich durch vielfältige Sonderangebote aus, die wiederum günstige Einkaufskonditionen vorausbedingen. Andere Aktionsparameter setzt der Handel nur zögerlich ein, mit verhängnisvollen Ergebnissen für die gesamte Branche. Es ist ein Geschäftsstättenwettbewerb gegeben, d. h., die Markenpräferenz der Industriestufe wird in eine Geschäftsstättenpräferenz der Absatzmittlerstufe umgewertet, bei der jeder Händler um die Ecke der schärfste Wettbewerber ist. Man spricht von einem Wechsel der Interbrand competition zu einer Intrabrand competition. Die Warenumschlaggeschwindigkeit ist von großer Bedeutung für den Betriebserfolg. Sie bestimmt über Kapitalbindungskosten und Flächenproduktivität unmittelbar die Rentabilität des Betriebs. Daher rückt sie im Controlling über integrierte Erfolgsermittlungssysteme in den Vordergrund. Die Aktionsparameter des stationären Handels betreffen im Einzelnen vor allem seine Markenpolitik, den Sortimentszuschnitt, Preis und Kalkulation, seinen Handelsplatzauftritt, die Ladenorganisation und die Standortwahl (siehe Abbildung 52: Aktionsparameter des stationären Handels).

4.1 Aktionsparameter des Handels 

223

Handelsmarke Markenpolitik

Gattungsware Geschäftsstättenmarke Sortimentsdimensionen

Sortimentszuschnitt Sortimentsinhalte Sonderpreisaktionen Preis und Kalkulation

Preispolitischer Ausgleich Erfolgskennziffern Handelsplatzauftritt

Handelsplatzauftritt Ladenorganisation Ladenorganisation

Standortwahl

Abbildung 52: Aktionsparameter des stationären Handels

4.1.2 Markenpolitik 4.1.2.1 Handelsmarke Bei der Handelsmarke ist die Handelsstufe Absender der Marke. Diese Produkte erwirtschaften durch clevere Nischenpositionierung hohe Deckungsspannen und erhalten daher vom Handel große Regalflächen eingeräumt, was das „Facing“ von Herstellermarken erschwert, da der Regalplatz mit dem Angebot von Handelsmarken ja keineswegs zunimmt. Mit der Stärkung der Absatzmittler im Vermarktungsprozess sind vom Handel neue Konzepte entwickelt worden, als chancenreich erachtete Marktsegmente selbst zu bedienen. Qualitäts- und Preisniveau der Produkte sind zumeist im mittleren Segment konstant fixiert. Die Verkehrsgeltung bleibt, von Ausnahmen abgesehen, wie Tandil, Balea, begrenzt. Es handelt sich

224

4. Der stationäre Handel als Absatzmittler

um Me too-Produkte. Die Marktanteile für Handelsmarken liegen in Europa sehr unterschiedlich hoch, niedriger etwa in Portugal, Spanien, Belgien, Frankreich und Schweden, höher etwa in Schweiz, Niederlande und Großbritannien. Nicht selten sind es die Markenhersteller selbst, die zur Auslastung ihrer vorhandenen Kapazitäten und zur Nutzung von Kostendegressionseffekten neben ihrer Herstellermarke auch Produkte für Handelskonzerne produzieren. Da ihnen weitgehend gleiche Fertigungsprozesse zugrunde liegen, ist deren Qualität praktisch identisch. Dies gilt umso mehr, als das allgemeine Qualitätsniveau am Markt einen ausgeglichen hohen Standard erreicht hat und viele Produktbereiche auch qualitätsindifferent sind wie problemlose Produkte. In diesem Fall handelt es sich um unechte Handelsmarken. Bei echten Handelsmarken hingegen übernimmt es die Handelsorganisation selbst, die Entwicklung und Produktion von Produkten im Wege der Rückwärtsintegration durchzuführen. Dabei werden Hersteller eingeschaltet, die über entsprechendes Know-how verfügen, zunehmend auch auf internationaler Ebene. Handelsmarken haben je nach Warengruppe unterschiedliche Bedeutung. Hoch ist ihr Anteil etwa bei Haushalts- und Hygienepapieren, Milchkonzentraten, Tiefkühlfeinkost, Knabberartikeln, Sauerkonserven, Eis, Spirituosen, Gebäck, Käse, Fischkonserven und Geschirrspülmitteln. Zu unterscheiden ist hinsichtlich der Sortimentsbreite. Hier gibt es Handelsmarken als • Einzelangebotsmarken für individuelle Produkte, z. B. Tandil, Albrecht von Aldi oder Westbury, Jinglers, Palomino von C&A, Royal von Lekkerland, • Warengruppenmarken für einzelne Categories, z. B. Salto, Today von Rewe, Mibell, Rio Grande, Schloss Königstein von Edeka, • Teilsortimentsmarken für ganze Sortimentsbereiche, z. B. Medion / ​Tevion von Aldi, Balea / ​Körperpflege, Alana / ​Kosmetik, Paradies / ​Foto von DM, • umfassende Sortimentsmarken, z. B. Gut & günstig von Edeka, Erlenhof von Rewe. Bekannte Handelsmarkenbeispiele sind folgende: – Aldi: Tandil, Gartenkrone (Konserven), Amaroy (Kaffee), Crane (Sportartikel), Kür (Körperpflege), Topstar (Softdrinks), Karlskrone (Bier), UNA (Waschmittel), King’s Crown (Konserven), Markus (Kaffee), River (Softdrinks), Karlsquell / ​Maternus (Bier), Gut Drei Eichen (Fleisch / ​Wurst), Solo (Papierwaren), – C&A: Clockhouse, Yessica, Canda, Jingler’s, Westbury, Angelo Litrico, – DM Drogeriemarkt: Babylove, Alverde (Naturkosmetik), Balea (Körperpflege), Réell’e (Haarkosmetik), Sanft und Sicher (Hygieneartikel), Denk mit (Reinigungsmittel), – Edeka: Backstube (Brot), Bancetto (italienische Spezialitäten), Bio Wertkost (Bioprodukte), Gemüseküche (Konserven), Gutfleisch (Fleisch / ​Wurst), King’s

4.1 Aktionsparameter des Handels 

225

Gold (Süßigkeiten), Landgut (Geflügelprodukte), Mibell (Molkereiprodukte), Rio Grande (Säfte / ​Früchte), Schlemmer Küche (Salate), Domino (Tierprodukte), elkos (Drogerieartikel), – Lidl: Coshida (Tierprodukte), Bioness (Bioprodukte), W5 (Reinigungsmittel), Gebirgsjäger (Fleisch / ​Wurst), Grafenwalder / ​Bergadler / ​Perlenbacher (Bier), Freeway (Softdrinks), Little Man (Müsli / ​Cerealien), – Netto: Bon Appetit (Lebensmittel), Minimum %, Maximum Natur (Bio-Produkte), Kingsway (Säfte), Amora (Kaffee), Yarelle (Körperpflege), Shine (Spülmittel), – Penny: Elite (Joghurt), Bäckerkrönung (Backwaren), Campus (Milcherzeugnisse), Naturgut (Bioartikel) Adelskrone (Bier), – Rewe: Erlenhof (Frischeartikel), Salto (Tiefkühlartikel), Today (Pflegeprodukte), Füllhorn, Rewe Bio, Ja als Gattungsware. Außerdem ist eine Veränderung hinsichtlich eines Up grading der Handelsmarke erkennbar. Nimmt man einmal die erste Generation der Gattungsware (auch No names /  Weiße Ware / ​Generics) aus, so sind die Handelsmarken zunächst als Discount­ angebote gegen die Drittmarken der Hersteller gestartet. Im Zeitablauf verbesserten sie sich in der dritten Generation auf das Niveau von Durchschnittsmarken, die durchaus die Zweitmarken der Hersteller erfolgreich angreifen, wie z. B. Master Product. Neuerdings wird durch Segmentation angestrebt, gegen die Erstmarken der Hersteller anzutreten (z. B. Naturkind). Der Ablauf stellt sich wie folgt dar: • 1. Generation: Basislebensmittel mit einfacher Technologie, national distribuiert, • 2. Generation: Großvolumige Einzelartikel, mit einer Produktgeneration Rückstand gegenüber dem Marktführer, national distribuiert, • 3. Generation: Große Produktkategorien, näher am Marktführer, national distri­ buiert, • 4. Generation: Segmentierte, imagebildende Produkte, innovativ, international distribuiert. Die Vorteile der Handelsmarken liegen aus Händlersicht vor allem in folgenden Bereichen: • Mit Handelsmarken gelingt es, den preissensitiven Teil des Publikums mit einer ernst zu nehmenden Alternative anzusprechen. Denn der sparsamere Einsatz der Marketingaktivitäten ist eine plausible Erklärung für den Preisvorteil und lässt nicht unbedingt Qualitätsabstriche dahinter vermuten. • Die Verfügbarkeit eigener Marken macht den Handel weitgehend unabhängig von der Angebotsmacht der Hersteller. Diese ist zumindest für alle Hersteller zu unterstellen, die es durch massive Sprungwerbung geschafft haben, ihre Marken im Relevant set einer hinreichend großen Zahl von Nachfragern fest zu verankern.

226

4. Der stationäre Handel als Absatzmittler

• Sortimentslücken, die von Herstellern nicht oder nicht adäquat gefüllt werden können, werden durch Handelsmarken ausgeglichen. Dadurch kommt das Denken in Produktkategorien zum Ausdruck, das den Handel gegenüber Herstellern auszeichnet, die geneigt sind, in Einzelprodukten zu denken. • Die nach Handelsketten exklusive Führung von Marken führt zu einer ver­ stärkten Bindung der Kunden an die Geschäftsstätte, da diese Marken ander­ weitig nicht erhältlich sind. Dies vermögen breit erhältliche Herstellermarken nicht zu leisten, es sei denn, über Sonderangebote oder Zusatzleistungen des Handels. • Die eigene Initiative des Handels erlaubt eine passgenaue Konzipierung gemäß seinen Zielvorstellungen. Ansonsten ist der Handel vom Programm, zumal zunehmend weniger, unabhängiger Hersteller abhängig, das nur begrenzt seinen betriebsindividuellen Anforderungen entsprechen mag. • Durch die Einsparung des Herstellergewinnaufschlags kommt es zu einer angemessenen Ertragssituation selbst auf niedrigem Preisniveau. Dazu wird der niedrigere Einstandspreis nur teilweise an Endabnehmer weitergegeben und zu einem anderen Anteil selbst einbehalten. Dem stehen folgende Nachteile aus Händlersicht gegenüber: • Handelsmarken stehen in direkter Verdrängungskonkurrenz zu werblich stark vorverkauften Herstellermarken und können sich nicht immer gegen diese durchsetzen. Sofern das angestrebt wird, fallen wiederum Marketingkosten an, welche die Rendite verschlechtern oder zu systembedingt nachteiligen Preisanhebungen zwingen. • Dem Handel entstehen zusätzliche Kosten bei der Produktion, Logistik und Kontrolle dieser Waren. Denn er übernimmt je nach Anlage die Herstelleraufgaben der Wertschöpfung, auf die er in aller Regel nur begrenzt eingestellt ist. Dafür erweitert sich seine Kontrollspanne entsprechend. • Handelsmarken lassen sich in höheren Qualitätssegmenten nur mit Preisnachlass gegenüber der Produktart absetzen. Denn bei gleichem Preislevel wirkt die Magie heftig vorverkaufter Herstellermarken stärker und gibt dem Handelsmarkenprodukt das Nachsehen. • Als „Spielfeld“ bleiben meist nur die Nischen zwischen den Herstellerangeboten. Denn diese haben in aller Regel über intensive und lang laufende Marketingmaßnahmen eine derart hohe Käuferbindung generiert, dass es nur vereinzelt gelingt, Illoyalität zu provozieren. • Zur erfolgreichen Vermarktung ist zusätzlicher Aufwand für Werbung und Absatzförderung erforderlich. Dies bindet Zeit und Geld, wohingegen diese Aufgaben bei Herstellermarken von deren Absendern übernommen oder dem Handel zumindest entgolten werden.

4.1 Aktionsparameter des Handels 

227

Als Hersteller der Handelsmarkenartikel fungieren meist Markenartikelhersteller. Beispiele dazu sind folgende: • Aldi: Moser-Roth Privat Chocolatiers  – August Storck, Prima Bio Gemüse  – Frosta, Chips Cracker – Intersnack / ​Chio, • Netto: Classic Kondensmilch – Bärenmarke, BioBio Vollmilch – Weihenstephan, Capannina Mozzarella – Zott, • Norma: Goldglück Frischkäse  – Karwendel / ​Exquisa, Riva Eis  – Landliebe, Cornwall Tee – Meßmer / ​Milfort, • Penny: Dinner Fee Dosensuppen – Heinz, Bauer’s Pommersche Leberwurst – Rügenwalder, Elite Milchreis – Müller Milch, • Lidl: Combino Spaghetti – Kraft / ​Miracoli, Eisstern – Humana Milch, Edelrahm Joghurt – Bauer. Die Vorteile der Handelsmarken liegen aus Sicht des Originalherstellers in folgenden Aspekten: • Es kommt zu einer gesteigerten Kostendegression für alle Erzeugnisse eines Auflagenloses durch Produktion in einheitlichen, großen Mengen, die separat distribuiert werden. Insofern bewirken Handelsmarken auch eine Kostenermäßi­ gung für andere, im gleichen Fertigungsprozess produzierte Herstellermarken. • Leerkapazitäten können auf diese Weise vermieden bzw. großzügig dimensionierte Fertigungskapazitäten, die anderweitig nicht genutzt werden, besser ausgelastet werden. Im Einzelfall ist jedoch der mögliche Marktschaden gegen den Betriebsnutzen durch Vermeidung von Opportunitätskosten abzuwägen. Nachteile sind aus Sicht des Originalherstellers in folgenden Punkten zu sehen: • Es besteht die Gefahr der Substitution der Nachfrage für erlösträchtigere eigene Produkte in problemlosen Produktbereichen, wie z. B. Grundnahrungsmitteln, Papierwaren. Dort wird die Qualität als unkritisch angesehen, so dass der Kauf im Publikum vorwiegend vom Preis bestimmt erfolgt. • Das Preisbewusstsein der Nachfrager wird allgemein geschärft. Denn die akquisitorische Wirkung der Handelsmarken liegt eindeutig im Preis, der bei Herstellermarken hingegen nur ein Angebotsmerkmal unter mehreren gleichwertigen anderen ist. Handelsmarken haben umso geringere Bedeutung, je höher das mit der betreffenden Produktgruppe verbundene Prestige ist, je länger die Nutzungsdauer ausfällt, je körpernaher die Anwendung stattfindet, je schwieriger die Qualität zu beurteilen ist, je höher das Risiko einer Produktenttäuschung eingeschätzt wird und je mehr das Produkt als Systembestandteil dient. Handelsmarken haben eine umso höhere Bedeutung, je niedriger das Bestandsrisiko ist, je weniger Innovationskraft in der Warengruppe liegt, je besser die

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4. Der stationäre Handel als Absatzmittler

Produktqualität vergleichbar ist und je sicherer die Beschaffungsmarktsituation ist. Potenziale ergeben sich vor allem bei Frischwaren, Convenience-Produkten, Bier und alkoholfreien Getränken, freiverkäuflichen Arzneimitteln und Textilien. 4.1.2.2 Gattungsware Bei Gattungswaren handelt sich um abgestrippte Produktangebote, die meist nur in preisaggressiven Handelsbetriebsformen vertreten sind. Die Qualität bewegt sich auf Mindest- bzw. Standardniveau, die Verkehrsgeltung ist meist stark begrenzt. Gattungsware wird oft von Markenartiklern auf identischen Anlagen mit nur unwesentlicher Qualitätsabstufung gefertigt. Man spricht dann von Originaloder OEM-Herstellern (Original equipment manufacturer). Beispiele sind TIP von Real oder Ja von Rewe. Wesentliche Kennzeichen von Gattungswaren sind die folgenden: • Einfache Verpackung, die nur die Produktbezeichnung trägt, dies soll Preisgünstigkeit signalisieren, • nach der Einführung nur noch schwache Bewerbung, um die Marketingkosten niedrig zu halten, • mittlere, gleich bleibende Qualität, die für Verbraucher klar erkennbar und gut einschätzbar ist, • günstiger Preis, der alle Kostenvorteile aus Rationalisierungen an Endab­nehmer weitergibt. Als wichtigste Funktionen der Gattungswaren sind die Folgenden zu nennen: • Kundenbindung im ansonsten preiskonservativen Handel, um ein Abwandern in Bezug auf bestimmte Artikel etwa zu Discountern zu verhindern, • Ansprache preissensibler Kunden, die durch Dauerniedrigpreise anstelle von Sonderangeboten attrahiert werden, • Reduzierung der Lieferantenvielfalt, da Markenartikel und Gattungsware häufig vom gleichen Hersteller produziert und bezogen werden, • Mittel zur Gegenmachtbildung des Handels für die Sicherung der Marketingführerschaft gegenüber der Herstellerseite, • Ertragsverbesserung bei zwar geringer Stückspanne, die aber durch eine umso höhere Umschlaggeschwindigkeit überkompensiert wird, • Magnetartikel für die Mischkalkulation im Handel, die Kunden anziehen, die dann im selben Einkaufskorb zugleich normal kalkulierte Artikel mit einkaufen. Die Erfolgsträchtigkeit von Gattungsware ist an einige Voraussetzungen gebunden. So darf es sich dabei weder um erklärungs- noch sicherheitsbedürftige Pro-

4.1 Aktionsparameter des Handels 

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duktgruppen handeln. Hilfreich ist jedoch, wenn es sich um Produkte mit kurzen Einkaufszyklen handelt. Typisch sind auch weitgehend gesättigte Märkte, bei denen eine Preissenkung die einzige Chance zur Mengensteigerung darstellt. Meist handelt es sich um homogene Produktgruppen mit gleichen Produktleistungen, so dass der Kauf preisbestimmt erfolgt. Außerdem sollen die Produktgruppen keinen Modeströmungen unterworfen sein, die soziale Wirkung haben. Und schließlich sind eine absolut hohe Preisgünstigkeit und eine relativ hohe Preiswürdigkeit voraus zu setzen. Vorteile der Gattungswaren aus Sicht des Handels sind vor allem die Folgenden: • Es kommt zu einer verstärkten Kundenbindung mit Profilierung auch gegenüber Discountern. Denn im Handel steht der Geschäftsstätten- vor dem Produktwettbewerb. • Der preissensible Teil des Publikums kann damit effizient angesprochen werden, ohne dass Sonderangebote bei Herstellermarken erforderlich sind. Insofern kann eine gewisse Preisberuhigung bei diesen erreicht werden. • Es kommt zu einer Reduzierung der Lieferantenvielfalt, wenn Gattungsware von Markenherstellern geliefert wird. Dadurch verringert sich die Kostenbelastung im internen Administrationsaufwand. • Es wird eine Position der Gegenmacht im Absatzkanal aufgebaut, welche die Marketingführerschaft vermehrt an den Handel übergehen lässt. Er mutiert damit von einer reinen Mittlerfunktion zu einer Anbieterfunktion. • Durch die hohe Umschlaggeschwindigkeit der Gattungsware kommt es zu einer Ertragsverbesserung, da Potenzialfaktoren besser genutzt werden. Die Drehgeschwindigkeit ist entscheidender Einflussfaktor auf die Rentabilität. • Gattungsware kann als Magnetartikel und Frequenzbringer eingesetzt werden, die im Rahmen der Mischkalkulation beim One stop shopping zur Rentabilitätssteigerung beiträgt. Nachteile der Gattungswaren aus Sicht des Handels sind vor allem die folgenden: • Es entsteht ein zusätzlicher Organisationsaufwand für den Handel, denn die Entwicklung, Umsetzung und Pflege von Produkten gehört nicht zu seinen originären Aufgaben. • Qualitätsschwankungen bei Gattungsware fallen auf den Handel als Absender zurück, daher ist eine strenge Selektion und Kontrolle der Lieferanten erforderlich, die in praxi auch erfolgen. • Daraus leitet sich eine erhöhte Risikotragung ab, denn die Vorinvestitionen gehen ansonsten zulasten des Herstellers. Dies ist Konsequenz der Rückwärtsintegration der Geschäftsaktivitäten. • Der Order split auf mehrere Produkte bei unveränderter Sortimentsgröße bedeutet auch den Verzicht auf die Ausreizung von Degressionsvorteilen im Einkauf und die Hinnahme geringerer Stückspannen.

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4. Der stationäre Handel als Absatzmittler

4.1.2.3 Geschäftsstättenmarke Um eine gewisse Unabhängigkeit von Herstellern zu erreichen, streben Handelsanbieter zunehmend nach einer eigenständigen Profilierung ihrer Geschäftsstätte / ​ Vertriebsschiene als Retail brand. Eine solche Geschäftsstättenmarke stellt eine Gruppe von Verkaufsstellen eines Handelsunternehmens dar, die mit einem einheitlichen Markenzeichen versehen sind. Dort werden Handelsmarken angeboten. Dies ist in der Vergangenheit angesichts dominanter Preisargumentation sträflich vernachlässigt worden und hat dazu geführt, dass Deutschland in weiten Teilen des Einzelhandels durch ein unvergleichlich niedriges Preisniveau und schmalste Margen gekennzeichnet ist. Statt dessen wäre es sinnvoller gewesen, andere Angebotsparameter zu betonen, wie Qualität, Auswahl, Service, Lage, Erlebnis etc. Ausgangspunkt ist eine Entwicklung, die aus dem endgültigen Ende der Wirtschaftswunderzeiten und dem Eintritt in eine Dauerrezession Mitte der 1980er Jahre resultiert. Als Ausgangsproblem stellte sich dar, dass die Nachfrager trotz sinkender Kaufkraft ihren gewohnten Lebensstandard halten oder gar steigern wollten. Die Kaufkraft sank durch Arbeitslosigkeit bis an die Armutsgrenze, aber auch durch höhere Pflichtabgaben, steigende Preise etc. Als Kaufkraft ist in diesem Zusammenhang die frei verfügbare, diskretionäre Kaufkraft entscheidend. Diese ergibt sich als Bruttoeinkommen abzgl. Steuern und Sozialabgaben zum Nettoeinkommen zzgl. Transfereinkommen zum verfügbares, disponibles Einkommen abzgl. Sparbeträgen / ​Kredittilgungen und aller festen Ausgabenpositionen. Dabei wird ein Sperrklinkeneffekt wirksam, d. h., ein einmal erreichter Lebensstandard ist irreversibel nach unten, sondern orientiert sich einseitig nur nach oben. Angesichts stagnierender oder gar rückläufiger Kaufkraft gelang dies nur durch Aufspaltung des Kaufverhaltens in einerseits Produkte mit hohem spezifischen Interesse als High interest products und Produkte mit geringem spezifischen Interesse als Low interest products andererseits. Was Low und was High interest ist, ist interindividuell sehr verschieden. Der High interest-Bereich umfasst meist Produkte mit sozialer Außenwirkung wie z. B. persönliche Accessoires und solche aus dem Hobbybereich. Den Low interest-Bereich bilden Produkte des täglichen, täglich häufigen Bedarfs (auch FMCG / ​Fast moving consumer goods). Das Kaufverhalten ist nun derart gespalten, dass Low interest-Produkte dominant nach niedrigem Preis bei guter Durchschnittsqualität entschieden werden, sie werden dementsprechend überwiegend als Handelsmarken oder Gattungswaren im Versorgungshandel, z. B. Discounter, gekauft. Das dabei eingesparte Geld wird nicht gespart i. S. v. dem Konsum vorenthalten, sondern vielmehr im Bereich der High interest-Produkte ausgegeben. Dort kauft man daher Topleistung durch tolle Markenartikel im Erlebnishandel, z. B. Fachgeschäft. Nur dadurch kann der Lebensstandard trotz sinkender Kaufkraft noch gesteigert werden. Dies führt allerdings zu einer Polarisierung am Markt, einerseits sind hochwertige Läden wie Boutiquen, Spezialgeschäfte etc. erfolgreich und anderer-

4.1 Aktionsparameter des Handels 

231

seits konsumige Verbrauchermärkte auf der grünen Wiese. Beide sind deshalb parallel erfolgreich, weil es letztlich dieselben Menschen sind, die dort jeweils einkaufen, nämlich hybride Verbraucher, nur dass sie eben unterschiedliche Produktgattungen dort erstehen. Der Bereich dazwischen hingegen stirbt aus. Zwischenzeitlich gibt es eine Weiterentwicklung des hybriden Verbrauchers als System beater (auch Smart shopper). Während hybride Verbraucher akzeptieren, dass sie für tolle Marken und Erlebnishandel höhere Preise zahlen müssen, akzeptieren System beaters dies nicht mehr. Sie wollen tolle Marken und Erlebnishandel zu vergleichbar niedrigen Preisen wie Handelsmarken / ​Gattungswaren im Versorgungshandel. Und dies gelingt ihnen, etwa durch Kauf in Factory outlets, in Metzingen finden sich Hugo Boss, Bally, Escada, Joop, Tommy Hilfinger, Schiesser, Strenesse und Uhlsport, bzw. Factory outlet centers, durch Power shopping- oder Preisagentur-Modelle, aber auch durch Feilschen. Dabei gilt tendenziell, dass sozial besser gestellte Personen vorteilhafter einkaufen als sozial schlechter gestellte, dies entspricht der Poor pay more-Hypothese. Auslöser dieser Entwicklung war zweifelsfrei die Weckung bzw. Steigerung des Preisinteresses der Nachfrager durch den Handel. Dieser hat jahrzehntelang einseitig fast nur Sonderangebote forciert. Kaum ein Anbieter hat sich anders als über Price off zu profilieren verstanden. Dabei hätte es durchaus andere Wege zur Profilierung des Handels, also als Retail brand, gegeben. Dazu einige Beispiele: • Angebot von Zeitersparnis als geldwerter Vorteil, etwa über längere Ladenöffnungszeiten in intelligenten Modellen wie Tankstellen, Kioske, Bahnhofs- / Flughafengeschäfte, Automatenläden etc., über Bringdienste hochwertiger Versender, über Abholdienste oder Beratung, nicht i. S. v. Angebotsfeatures, sondern von Vorwahl. • Überführung von Low interest-Produkten in den High interest-Bereich. Dafür gibt es vielfache erfolgreiche Beispiele wie Haarshampoo, Zahncreme, Zahnbürste etc., die auch für Handelsmarken angewandt werden können. • Vermittlung von Einkaufsemotion durch kaufbegleitende Kundendienste, durch Individualisierung des Angebots oder durch Privilegierung von Nachfragern, z. B. durch Kundenclubs, Kundenkarten, Kundenkontaktprogramme. Solange jedoch einseitig der Preis im Mittelpunkt der Daseinsberechtigung des Handels steht, darf es nicht verwundern, dass dieses Dasein immer weniger Handelsanbietern vergönnt ist. Auch bei herstellerseitig dezentralem stationären Vertriebssystem ist der Aufbau einer Filialistenmarke als Store brand möglich. Dabei gibt es eine oder mehrere Filialen bzw. Niederlassungen eines Herstellers, die mit seinem Markenzeichen versehen sind. Dort werden Filialmarken angeboten. Fortschrittliche Filialisten (Verticals), wie Ikea, Hennes & Mauritz, Zara, The Gap, The Body Shop, Esprit, Mexx, Gerry Weber etc., haben dies erkannt und bemühen sich zu erreichen, dass

232

4. Der stationäre Handel als Absatzmittler

im Vordergrund des Kaufentscheids bei Nachfragern nicht mehr die Herstellermarke steht, die dann in weitgehend austauschbaren Outlets nach jeweiliger Preisvorteilhaftigkeit erstanden wird, sondern die Geschäftsstättenmarke, die zum Einkauf aufgesucht wird und von der man erwartet, dass sie das individuell passende Sortiment in angemessenem Preis-Leistungs-Verhältnis bevorratet.

4.1.3 Sortimentszuschnitt 4.1.3.1 Sortimentsdimensionen

Sortimentstiefe

Das Sortiment des Handels umfasst alle von ihm angebotenen Artikel. Dabei handelt es sich ausschließlich um knappe Güter, im Gegensatz zu nicht-wirtschaftlichen, freien Gütern, die es allerdings kaum mehr in Reinform gibt. Das Sortiment lässt sich hinsichtlich seiner Dimensionierung und Inhalte beschreiben. Die Sortimentsdimensionen beschreiben dabei im Einzelnen Sortimentsbreite, -tiefe, -veränderung und -verbund.

Schuhe

Stiefel

Strümpfe

Sport

Herrenschuhe

Arbeitsstiefel

Socken

Fußballschuhe

Damenschuhe

Wanderstiefel

Kniestrümpfe

Joggingschuhe

Kinderschuhe

Cowboystiefel

Fußbandagen

Sandalen

Jagdstiefel

Gummistiefel

Sortimentsbreite Abbildung 53: Sortimentsdimensionen (Beispiel: Schuhhandel)

Die Sortimentsbreite umschreibt die Anzahl verschiedenartiger Einzelartikel im Sortiment. Ein Sortiment ist breit, wenn es vergleichsweise viele verschiedenartige Einzelartikel umfasst, und es ist schmal, wenn es eher wenige umfasst. Als Vorteile einer hohen Sortimentsbreite sind folgende zu nennen:

4.1 Aktionsparameter des Handels 

233

• Es werden unterschiedliche Käuferpotenziale durch das vielfältige Angebot an die Geschäftsstätte gebunden. Es besteht die Möglichkeit zu ungeplanten Zusatzeinkäufen in verschiedenen Sortimentsteilen. Zwischen verschiedenen Sortimentsteilen kann eher ein kalkulatorischer Ausgleich erreicht werden. Als Nachteile ergeben sich spiegelbildlich weitgehend die Vorteile der Sortimentstiefe (s. u.) (siehe Abbildung 53: Sortimentsdimensionen (Beispiel: Schuh­handel)). Die Sortimentstiefe beschreibt die Anzahl verschiedenartiger Ausprägungen eines Einzelartikels im Sortiment. Ein Sortiment ist flach, wenn es vergleichsweise wenige Versionen eines Einzelartikels umfasst, und es ist tief, wenn es eher viele umfasst. Als Vorteile einer hohen Sortimentstiefe sind folgende zu nennen: • Es ist ein vergleichsweise übersichtliches Sortimentsmanagement durch homogene Warengruppen gegeben. Es kommt zu einer Profilierung des Sortiments in Richtung Spezialisierung und damit verbundener Kompetenz. Es werden nur limitierte Anforderungen an Kapazitätsfaktoren wie Verkaufsraum und -personal gestellt. Als Nachteile ergeben sich weitgehend die Vorteile der Sortimentsbreite (s. o.). Sortimentsveränderungen können sowohl die Breiten- als auch die Tiefendimension betreffen. In der Breitendimension kommt es zu Erweiterung, Kürzung oder Austausch: • Die Erweiterung erfolgt, indem Artikel aufgenommen werden, die entweder völlig neu am Markt sind oder die bisher im Sortiment nicht geführt wurden, obgleich sie am Markt vorhanden sind. Neue Sortimentsteile aktualisieren immer auch das Geschäftsimage und sind deshalb unerlässlich. • Die Verkürzung erfolgt, indem Artikel gestrichen werden, die bisher im Sortiment geführt wurden, weil sie vom Markt verschwinden oder sich nicht mehr tragen. Eine kontinuierliche Suche nach solchen Sortimentsteilen beugt Unwirtschaftlichkeiten vor und ist deshalb ebenso unerlässlich. • Die Bereinigung entsteht mit der Folge höherer Sortimentsbreite, indem mehr Artikel aufgenommen als gestrichen werden und umgekehrt. Bei Erweiterung und Kürzung im gleichen Ausmaß kann die Sortimentsbreite auch unverändert bleiben. Auch in der Tiefendimension kommt es zu Erweiterung, Verkürzung oder Bereinigung. Die Erweiterung erfolgt, indem Versionen bestehender Artikel, die bisher im Sortiment nicht geführt wurden, am Markt aber vorhanden oder auch völlig neu sind, in das Sortiment aufgenommen werden. Die Verkürzung erfolgt, indem Versionen bestehender Artikel, die bisher im Sortiment geführt wurden, am Markt aber verschwinden oder sich nicht tragen, aus dem Sortiment gestrichen werden. Die Bereinigung entsteht mit der Folge höherer Sortimentstiefe, indem mehr Versionen aufgenommen als gestrichen werden und umgekehrt. Bei Erweiterung und Kürzung im gleichen Ausmaß kann die Sortimentstiefe auch unverändert bleiben.

234

4. Der stationäre Handel als Absatzmittler

Der Sortimentsverbund resultiert aus Verbundkäufen, die entstehen, weil eine komplexe Leistung erst mit mehreren Artikeln in Kombination erreichbar ist, weil geplante Bedarfe gesammelt und zeitlich und räumlich konzentriert befriedigt werden und weil neben geplanten Käufen weitere ungeplante Käufe aus spontaner Beeindruckung erfolgen. Ein solcher Sortimentsverbund bewirkt eine Umsatzerhöhung. Dies kann am Handelsplatz gezielt provoziert werden, indem partizipative Sortimentsteile, die zueinander in positivem Verbund stehen, räumlich benachbart platziert werden, indem Werbemittel am Platz der jeweils verbundenen Sortimentsteile Querverweise zum Cross selling tragen und entsprechende Beratung im Persönlichen Verkauf oder über Medien gegenüber Kunden gegeben wird. Teilsortiment (z. B. nur Food-Produkte) Zwei oder mehr Warenbereiche (z. B. Genussmittel) Zwei oder mehr Warengattungen (z. B. Süßwaren) Zwei oder mehr Warenarten (z. B. Schokolade) Zwei oder mehr Sorten (z. B. Tafelschokolade) Zwei oder mehr Artikel (z. B. Geschmacksrichtung)

Abbildung 54: Sortimentshierarchie

Das Sortiment staffelt sich nach verschiedenen Hierarchieebenen (siehe Abbildung 54: Sortimentshierarchie). Beispiele sind folgende: • Das Gesamtsortiment besteht aus zwei oder mehr Teilsortimenten, z. B. Lebensmittel. Diese bestehen aus zwei oder mehr Warenbereichen, z. B. Getränke. Diese bestehen aus zwei oder mehr Warengattungen, z. B. alkoholfreie Getränke. Diese bestehen wiederum aus zwei oder mehr Warenarten, z. B. Heißgetränke. Diese bestehen aus zwei oder mehr Sorten, z. B. Extraktkaffee. Und diese bestehen aus zwei oder mehr Artikeln, z. B. Spezialitäten wie Dose Nescafé Cappuccino. Weitere Beispiele sind folgende: • Teilsortiment Food, Warenbereich Nährmittel, Warengattung Süßmittel, Warenart: Zucker, Sorte Gelierzucker, Artikel: Dr. Oetker Gelierzucker Express, • Teilsortiment Food, Warenbereich: Frischwaren, Warengattung: Obst, Warenart: Äpfel, Sorte: Golden Delicious, Artikel: Golden Delicious 6er Pack aus Kalifornien,

4.1 Aktionsparameter des Handels 

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• Teilsortiment IuK-Produkte, Warenbereich: Mobiltelefone, Warengattung: Handyzubehör, Warenart: Handytaschen, Sorte iPhone 12 Handytasche, Artikel: Hama iPhone 12-Handytasche, • Teilsortiment: Nonfood, Warenbereich: Bekleidung, Warengattung: Haka / ​Herrenkonfektion, Warengruppe: T-Shirts Herren, Warenart: Marken-T-Shits, Sorte: Boss T-Shirt, Artikel: Boss T-Shirt XL, blau.

4.1.3.2 Sortimentsbestandteile Hinsichtlich ihrer Inhalte können Sortimentsteile nach deren Bedeutung, Kundenziel, Zeitdauer, physischer Präsenz und Eigentum wie folgt unterschieden werden. Das Grundsortiment umfasst Waren, die das hauptsächliche Angebot eines Handelsbetriebs ausmachen. Das Randsortiment umfasst Waren, die mit geringerer Gewichtung eher nebenher geführt werden. Es handelt sich demnach um eine Unterteilung nach der Bedeutung der Waren. Das Kernsortiment umfasst Waren, welche die Rendite des Betriebs sicherstellen sollen. Das Akquisitionssortiment umfasst Waren, die der Anlockung von Kunden dienen, indem sie besondere Vorteilhaftigkeit signalisieren. Es handelt sich demnach um eine Unterteilung nach dem Kundenziel. Das Standardsortiment umfasst Waren, die kontinuierlich im Handelsbetrieb geführt werden. Das Saisonsortiment umfasst Waren, die nur temporär präsent sind, um sich Nachfrageschwankungen anzupassen. Es handelt sich demnach um eine Unterteilung nach der Zeitdauer der Warenpräsenz. Das Lagersortiment umfasst Waren, die ab Lager grundsätzlich jederzeit lieferbar sind. Das Bestellsortiment umfasst Waren, die nur auf Bestellung ausgeliefert werden können. Es handelt sich demnach um eine Unterteilung nach der physischen Präsenz von Waren. Das Eigensortiment umfasst Waren, die sich im Eigentum des Handelsbetriebs befinden. Das Fremdsortiment umfasst Waren, die sich nur im Besitz des Handelsbetriebs befinden, aber im Eigentum eines Dritten. Es handelt sich demnach um eine Unterteilung nach dem Eigentum an diesen Waren. Der Sortimentsinhalt kann seiner Orientierung nach weiterhin nach Herkunfts-, Hinkunfts- und Betriebsbedingungen unterschieden werden. Ist die Sortimentsbildung an der Inputtreue orientiert, so ergeben sich folgende Gemeinsamkeiten. Der Grundstoff ist das im Produkt gemeinsam verarbeitete Rohmaterial. Den angebotenen Produkten ist damit dasselbe Ausgangsmaterial gemein, z. B. alles aus Keramik. Das gemeinsam zugrunde liegende Verfahren kann ebenso als Sortimentierungsprinzip angelegt werden, z. B. alles in Wirkwaren. Der Hersteller ist

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4. Der stationäre Handel als Absatzmittler

der gemeinsame Absender einer Leistung. Denn von einem bekannten Absender wird vertrauensvoll auf bestimmte Leistungseigenschaften geschlossen, die dem Angebot zu einem Vorsprung am Markt verhelfen, z. B. bei Exklusivartikeln. Die Region ist das gemeinsame Ursprungsgebiet. Dies gilt immer dann, wenn Produkte aus einem bestimmten Raum allein wegen ihrer Herkunft traditionell als überlegen angesehen werden, z. B. italienische Weine. Ist die Sortimentsbildung an der Prozesstreue orientiert, so ergeben sich folgende Gemeinsamkeiten. Die Funktion betrifft den gemeinsamen Verwendungszweck, z. B. die spontane Bedarfsbefriedigung bei Impulsartikeln. Die Problemlosigkeit ergibt sich aus dem Grad der Erklärungsbedürftigkeit von Waren. Zu unterscheiden ist hier grob in erklärungsbedürftige oder problemlose Waren, letztere sind häufig selbstverkäuflich. Der Preis ist bedeutsam für eine gemeinsame Qualitätseinstufung. Dem liegt die Erfahrungstatsache zugrunde, dass vom Preis mangels anderer Bewertungsmaßstäbe oft auf die Leistung eines Angebots geschlossen wird. Ein hoher Preis indiziert dabei eher überdurchschnittliche Leistung und umgekehrt, vor allem bei Luxusartikeln. Der Service betrifft spezielles Wissen über die betriebliche Dienstbereitstellung. Dabei ist an Kundendienste verschiedener Art zu denken. Ist die Sortimentsbildung an der Outputtreue orientiert, so ergeben sich folgende Gemeinsamkeiten. Nachfrageverbund ergibt sich als Bedarf gemeinsamer Produktgruppen. Solche Komplementärprodukte werden häufig nicht nur gemeinsam genutzt, sondern auch eingekauft, z. B. Arzneimittel in der Apotheke. Die Nachfrager ergeben sich ebenso als gemeinsame Bedarfsträger. Hier liegt die Verbindung also in der Person des Käufers, z. B. Hobbyorientierung. Der Bedarfsanlass dient als gemeinsamer Kaufauslöser. So ergibt sich die Einrichtung eines Bades etwa anlässlich eines Umzugs, der Kauf von Babywaren dann, wenn sich Familiennachwuchs einstellt. Das Interesse dient als gemeinsamer Erlebnishintergrund. Dies gilt etwa für das Heimwerkerhobby, das nach Art und Umfang verschiedene Artikel bedingt, oder Campingprodukte für Outdoor-Aufenthalte.

4.1.4 Preis und Kalkulation 4.1.4.1 Sonderpreisaktion Die Einflussgrößen auf die Preisgestaltung im Handel sind vielfältig, so durch Herstellerpreisangabe als unverbindliche Preisempfehlung, Festpreis als Preisbindung der zweiten Hand, Handelsspanne als Differenz zwischen Selbstkosten und Preisakzeptanz, Liquiditätsgrad zur Deckung der direkt ausgabewirksamen Kosten, Sortimentsbereinigung zum forcierten Abverkauf, Sonderverkäufe bei Renovierung, Geschäftsaufgabe, Jubiläum etc., Kundenakquisition über Loss leader, Abwerbung von Kunden des lokalen Mitbewerbs, Adjustierung unter Rentabilitätsaspekten etc., von zentraler Bedeutung sind aber sicherlich Sonderpreisaktionen („Sale“).

4.1 Aktionsparameter des Handels 

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Erfahrungswerte zeigen, dass die große Mehrzahl der Markenentscheidungen bei Produkten des täglichen Bedarfs erst am Handelsplatz (POS) getroffen wird. Das bedeutet, dass Verbraucher sich für ihren Einkauf eine „Mental map“ zurecht legen, welche bereits Produktgruppen enthält, die zu beschaffen sind. Die Wahl innerhalb dieser Produktgruppe zugunsten eines konkreten Angebots, einer Marke, fällt dann jedoch zu weiten Teilen erst am POS. Neben der Wahrnehmbarkeit der Produkte, also ihrer Platzierung und der Hinweiswirkung von Handelsplatzwerbemitteln spielt dabei der Preis eine große Rolle. Im Handel werden daher diese Parameter, das Produkt, die Platzierung, die Präsentation und der Preis, also die klassischen 4 P, häufig kombiniert eingesetzt. Es ist davon auszugehen, dass in vielen gering involvierenden Produktgruppen (FMCGs) eine hohe Preissensibilität vorliegt, also bereits kleine Preissenkungen zu erheblichen Absatzsteigerungen führen. Solche Sonderangebote werden dabei vom Publikum allgemein dem Händler als Leistung zugerechnet. Mittelfristig leidet darunter jedoch die Qualitätsanmutung des Herstellers, so dass kurzfristigen Erfolgen längerfristig negative Konsequenzen, auch für die Handelsseite, gegenüber stehen. Die Effizienz von Sonderangeboten ergibt sich nach folgender Formel: Promotionseffizienz (in %) =

Umsatz zu Aktionspreisen Umsatz zum Normalpreis in der Vergleichsperiode

= × 100

Die Promotionseffizienz bezieht sich hier auf den häufigsten Fall der Sonderpreisaktion, d. h. der Senkung des regulären Preises auf ein Aktionspreisniveau. Im Bereich der FMCG (Fast moving consumer goods / ​Güter des täglichen oder täglich häufigen Bedarfs) haben Preisnachlässe erhebliche Absatzsteigerungs­ effekte (bis zu mehreren 1.000 Prozent) zur Folge. Ob sich eine Price off-Aktion aber lohnt, hängt davon ab, ob dieser positive Mengeneffekt den negativen Preiseffekt überwiegt. Denn Preisnachlässe gehen unmittelbar zulasten des Gewinns, d. h., zum Ausgleich einer Gewinneinbuße ist ein vielfacher Absatzzuwachs erforderlich, so dass selbst erhebliche Mengeneffekte oft nicht ausreichen, den Preiseffekt zu kompensieren. Zumal in der Nachaktionszeit zu regulären Preisen und damit planmäßigen Gewinnen der Absatz durch vorherige Bevorratung der Nachfrager einbricht (siehe Tabelle 4: Sonderangebotseffizienz (Beispiel)). Sonderpreisaktionen sind meist mit anderen Verkaufsförderungsmaßnahmen verkoppelt. Dabei sind an diese wichtige Anforderungen für ihre Praktikabilität zu richten. Dazu gehören vor allem die Überwindung von Passivität und Desinteresse, die außergewöhnliche Belohnung für erbrachte Leistungen, ein Ausgleich zwischen Banalität und Schwierigkeitsgrad, die Motivation durch geldwerte, anderweitig nicht kaufbare Leistungen, ein überschaubarer Aktionsablauf mit wenig Handlingaufwand, die Neuartigkeit der Aktionsidee, die Kongruenz mit dem Marken-/Anbieterkonzept und der zentrale Nutzen für alle Beteiligten.

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4. Der stationäre Handel als Absatzmittler Tabelle 4 Sonderangebotseffizienz (Beispiel)

Normalpreis eines Artikels:

9 € 1.000 Stück

Absatz zum Normalpreis: Direkte Produktprofitabilität bei Normalpreis:

2,5 €

Umsatz zum Normalpreis:

9.000 €

Direkte Produktprofitabilität bei Absatz zu Normalpreis:

2.500 €

Umsatzbezogene Promotionseffizienz:

300 %

Aktionspreis desselben Artikels: Absatz zum Aktionspreis:

7 € 3.000 Stück

Direkte Produktprofitabilität bei Aktionspreis: Umsatz zum Aktionspreis:

0,5 € 21.000 €

Direkte Produktprofitabilität bei Absatz zu Aktionspreis:

1.500 €

DPP-bezogene Promotionseffizienz:

– 40 %

4.1.4.2 Preispolitischer Ausgleich Kennzeichen des Preispolitischen Ausgleichs ist, dass die Preisfindung nicht mehr für jedes Angebot isoliert, sondern für alle Angebote im Verbund vorgenommen wird, um für das gesamte Sortiment einen maximalen Nutzen zu erreichen. Dafür werden zwei Prinzipien eingesetzt, das Tragfähigkeits- und das Ausgleichsprinzip. Das Tragfähigkeitsprinzip unterscheidet in Artikel, bei denen der für realistisch erachtete Marktpreis unter dem unternehmerisch für erforderlich gehaltenen Zielpreis liegt. Diese werden Ausgleichsnehmer genannt. Und solchen Artikeln, bei denen es gerade umgekehrt ist, d. h. der realisierbare Marktpreis über dem notwendigen Zielpreis liegt. Diese werden Ausgleichsgeber genannt. Bei Mischkalkulation kann nun die zusätzliche Spanne der Ausgleichsgeber durch Ausnutzung deren Preisspielraums nach oben die fehlende Spanne der Ausgleichsnehmer mehr oder minder kompensieren. Es werden im Einzelnen folgende Stufen unterschieden: • Ausgleichsnehmer 3. Grades haben einen Preisansatz unterhalb der Einstandskosten (= Einkaufskosten plus Bezugskosten), • Ausgleichsnehmer 2. Grades haben einen Preisansatz zu Einstandskosten, • Ausgleichsnehmer 1. Grades haben einen Preisansatz zu Einstandskosten plus Handlungskosten, jedoch ohne Gewinn, • Ausgleichsgeber 1. Grades haben einen Preisansatz zu Selbstkosten (= Einzelkosten plus Gemeinkosten) plus unterdurchschnittlichem Gewinnzuschlag,

4.1 Aktionsparameter des Handels 

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• Ausgleichsgeber 2. Grades haben einen Preisansatz zu Selbstkosten plus planmäßigem Gewinnzuschlag, • Ausgleichsgeber 3. Grades haben einen Preisansatz zu Selbstkosten plus überdurchschnittlichem Gewinnzuschlag. Das Ausgleichsprinzip unterscheidet demgegenüber nach der Dimension des Programminhalts und des Zeitablaufs. Der Ausgleich nach dem Programminhalt nutzt die Möglichkeit zum Simultanausgleich, bei dem preisliche Über- und Unterdeckungen verschiedener Artikel sich im gleichen Abrechnungszeitraum auf­ heben. Der Ausgleich nach dem Zeitablauf nutzt hingegen den Sukzessivausgleich, indem die Erlöse ein und desselben Artikels in mehreren Abrechnungsperioden zur Kompensation dienen. Es ist auch eine Kombination derart möglich, dass ein und derselbe Artikel im gleichen Abrechnungszeitraum zu unterschiedlichen Preisen angeboten wird. Dann handelt es sich um den Spezialfall der Preisdifferen­ zierung. Als weitere Besonderheit ist bei Konzernen ein konzerninterner Verrechnungspreis zwischen den rechtlich selbstständigen Unter- oder Gleichordnungsgesellschaften üblich, für den ein gewisser Preissetzungsspielraum besteht. Erst recht gilt dies für die Ländergrenzen überschreitenden Transferpreise zwischen Konzerngesellschaften, bei denen unterstellt wird, dass sie zumindest auch anderen als pretialen Zwecken dienen, so etwa der Gewinnverschiebung in Niedrigsteuerländer. 4.1.4.3 Erfolgskennziffern Die Effizienz dieser Maßnahmen wird meist durch Kennzahlen oder Kennwertsysteme ausgedrückt. Kennzahlen sind Gliederungs-, Beziehungs- und Index­ zahlen. Kennwertsysteme bestehen aus mehreren solcher hierarchisch aufgebauten und verketteten Kennzahlen. Sie informieren in konzentrierter Form auf relativ einfache Weise über quantifizierbare Vorgänge und betriebliche Tatbestände. Dazu einige Beispiele: • Der Kalkulationsfaktor ist der prozentuale Aufschlag auf den Einstandspreis zur Ermittlung des Bruttoverkaufspreises. Er ist bei Ausgleichsgebern höher als bei Ausgleichsnehmern. • Der Kalkulationsdivisor ist die prozentuale Differenz zwischen Bruttoverkaufspreis und Einstandspreis. Er ist bei Ausgleichsgebern höher als bei Ausgleichsnehmern. • Für die Mischkalkulation ist die Betriebshandelsspanne ausschlaggebend. Sie ergibt sich prozentual aus den mit dem Umsatzanteil gewichteten Handelsspannen der einzelnen Artikel im Sortiment. Ausgleichsnehmer drücken hier die Betriebshandelsspanne, Ausgleichsgeber heben sie an.

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4. Der stationäre Handel als Absatzmittler

• Die Bruttonutzenziffer zeigt an, wie viel Umsatz (Bruttoverkaufspreis) aus 100 € Wareneinsatz zum Einstandspreis je Periode zurückfließt (ROI / ​Return on investment). Je größer der Bruttonutzen, desto lohnender ist die Investition in das Sortiment. • Die Umschlaggeschwindigkeit in Tagen ergibt sich als Quotient aus Zinstagen je Periode und Umschlaghäufigkeit. Je höher die Umschlaggeschwindigkeit ist, desto weniger Kapitalbindung erfordert das Sortiment. • Die Umschlaghäufigkeit ergibt sich als Quotient aus abverkaufter Menge und durchschnittlichem Warenbestand im Geschäft. Je höher die Umschlaghäufigkeit ist, desto weniger Kapitalbindung erfordert das Sortiment. Die verbreitetsten Erfolgskennziffern sind wohl immer noch Kalkulationsaufschlag und absolute und relative Handelsspanne (Marge). Der Kalkulationsaufschlag ist der Multiplikator für den Einstandspreis zur Ermittlung des Bruttoverkaufsprei­ ses. Die Handelsspanne ist der Divisor zwischen Bruttoverkaufspreis und Einstands­ preis. Die Handelsspanne kann in Kalkulationsaufschlag umgerechnet werden: (Nettoverkaufspreis – Einstandspreis) relative Handelsspanne = Nettoverkaufspreis

× 100

Die Handelsspanne wird in Hundert gerechnet, im Vergleich dazu wird der Kalkulationsaufschlag auf Hundert gerechnet: (Nettoverkaufspreis – Einstandspreis) × 100 Kalkulationsaufschlag = Einstandspreis

Die absolute Handelsspanne ergibt sich als Differenz aus Nettoverkaufspreis und Einstandspreis. Analog ergibt sich die relative Handelsspanne. Rechenbeispiel: Nettoverkaufspreis: 50 € (Bruttoverkaufspreis – Nachlässe + Zuschläge)  Einstandpreis:

40 € (Einkaufspreis – Nachlässe + Bezugskosten)

absolute Handelsspanne =

10 € (auch Rohertrag genannt)

relative Handelsspanne = (50–40): 50 × 100 = 20 % (auch Abschlagspanne genannt) Kalkulationsaufschlag = (50–40): 40 × 100 = 25 % (auch Aufschlagspanne genannt)

Ebenso lässt sich der Kalkulationsaufschlag ableiten. Die Beziehung zwischen Kalkulationsaufschlag und relativer Handelsspanne ist wie folgt: relative Handelsspanne = Kalkulationsaufschlag =

Kalkulationsaufschlag (in %) 1 + Kalkulationsaufschlag (in %) relative Handelsspanne (in %)



1 – Handelsspanne (in %)

4.1 Aktionsparameter des Handels 

241

Die Handelsspanne kann außer pro Stück auch über alle abgesetzten Stück kumuliert ermittelt werden. Der (Brutto-)Einstandspreis umfasst alle Kosten, bis die Ware am Handelsplatz verfügbar ist, also Einkaufspreis abzgl. Nachlässe zzgl. Bezugskosten. Der Nettoverkaufspreis entspricht den tatsächlichen Einnahmen, also Listenpreis abzgl. Nachlässe zzgl. Zuschläge. Die Differenz zwischen Einstands- und Nettoverkaufspreis dient Absatzmittlern zur Abdeckung ihrer Kosten und zur Gewinnerzielung. Daher ist dieser Betrag von zentraler Bedeutung für diese. Um Kostenabdeckung und Gewinn zu sichern, wird auf den Einstandspreis ein Kalkulationsaufschlag aufgeschlagen (auch Aufschlagspanne), um zum Verkaufspreis zu gelangen. Dieser Kalkulationsaufschlag wird nach verschiedensten Kriterien differenziert, so nach Handelsstandort, nach Warenart, nach Zeit etc. Die Höhe der Handelsspanne ist nach Branchen sehr verschieden und etwa sehr niedrig im Lebensmitteleinzelhandel und vergleichsweise hoch im Boutiquen-, Juwelier-, Buch- und Spielwarenhandel. Wichtige weitere Kennzahlen sind folgende: • Aggregatplatzproduktivität als Absatz je qcm Regal / ​Lager, Nettorentabilität als Deckungsbeitrag relativ zu durchschnittlichem Artikelbestand, Bruttorentabilität als Rohertrag relativ zu durchschnittlichem Artikelbestand, Verkaufsflächenproduktivität als Artikel-Deckungsbeitrag je qcm, Frontstreckenproduktivität als Deckungsbeitrag je Facing in m, durchschnittliche Deckungsbeitrag je Kunde bzw. Einkaufsvorgang, Marktanteil in der Warengruppe, Preiselastizität, Verkaufsflächenelastizität, Frontstreckenelastizität, Kundenkontaktelastizität. Eine traditionelle Art der Planungsrechnung im Handel ist die Limitrechnung. Die Limitrechnung dient der Erreichung einer vollständigen, ertragsorientierten Warenpräsenz ebenso wie der Vermeidung kapitalbindender und kostenverursachender Überläger. Sie trägt zur Sicherung des finanziellen Gleichgewichts durch Bestimmung der Einkaufsbudgets in Abhängigkeit von der Betriebs- und Absatzplanung bei. Das Limit ist der Betrag, bis zu dem ein Einkäufer für einen geplanten Zeitraum einkaufen kann.

4.1.5 Handelsplatzauftritt Der Handelsplatzauftritt (auch Visual merchandising) findet im Verkaufslokal des Einzelhandels statt. Dafür stehen Schaufenster / ​Eingangsbereich und Innenraum zur Präsentation zur Verfügung. Da dort die unmittelbare Kaufentscheidung fällt, kann deren Bedeutung kaum unterschätzt werden. Außen gelangt der potenzielle Kunde in die direkte Einflusssphäre des Händlers. Dekorationsmittel wie Lichtaccessoires, Aufsteller, Aufkleber etc. sorgen für Aufmerksamkeit und

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4. Der stationäre Handel als Absatzmittler

Interesse. Innen dienen Displays, Warenregale, Schütten etc. der Kaufwunscherzeugung und Kaufumsetzung. Im Einzelhandel ist die Ladenfront ein wesentliches Werbemittel. Sie muss sich von der Vielzahl benachbarter Ladenfronten klar abheben, dem Kundenkreis entsprechen, der angesprochen werden soll, sich nach dem geführten Sortiment richten, mit den Schaufenstern und dem Ladeneingang eine harmonische Einheit bilden, durch große Schaufenster ein möglichst umfassendes Bild über das Sortiment geben, durch einladende Passagen und Türen den ungehinderten Ein- und Ausgang der Kunden ermöglichen und in den Abendstunden wirkungsvoll beleuchtet sein. Das Logo wird als Erkennungszeichen an der Außenfront so angebracht, dass es bereits von weitem gut erkennbar ist. Bei Dunkelheit soll es beleuchtet sein, vorteilhaft ist auch eine Anbringung quer zur Straße, so dass es im Vorübergehen besser erkannt werden kann. Die Anbringung unterliegt baupolizeilichen Vorschriften. Die Türkanten sollen zu ebener Erde liegen, da Stufen leicht Unfälle verursachen und für ältere und behinderte Menschen ein Hindernis darstellen. Sinnvoll ist auch ein von außen nach innen trichterförmiger Ladeneingang. Die Schaufenstergestaltung bietet viele Vorteile. Der Kunde wird durch die im Schaufenster präsentierte Ware unmittelbar angesprochen. Dem Betrachten folgen Begehren und Kaufentschluss. Die Auslage ist physisch vorhanden und daher besser als jede Beschreibung. Die Betrachtung ist unbegrenzt lange möglich. Die Auszeichnung erlaubt einen Preisvergleich noch am Schaufenster. Man unterscheidet neben Normal- oder Frontfenstern Eckfenster, Trichterfenster, Schaufensterpassagen und Schaukästen. Für die Gestaltung gibt es ebenfalls verschiedene Prinzipien. Das Stapelfenster ist für Waren, die sich leicht aufschichten lassen, wie Stoffballen, abgepackte Artikel, Haushaltswaren etc. geeignet. Das Plakatfenster eignet sich besonders für herausgestellte Ware, über die informiert wird. Das Ideen- oder Stimmungsfenster ist hingegen künstlerisch gestaltet. Dies bietet sich bei Modeartikeln, Schmuck, Kosmetik etc. an. Das Übersichtsfenster gibt im Vorübergehen eine Übersicht über einen Querschnitt des geführten Warenangebots. Das Sortimentsfenster zeigt einen repräsentativen Sortimentsausschnitt. Das Sonder- oder Ereignisfenster wird nur zu besonderen Anlässen gestaltet. Die Schaufenstergestaltung ist ein zentrales Element im Visual merchandising. Maßstab ist dabei zunehmend nicht die künstlerische Qualität, wie in der Vergangenheit, sondern die akquisitorische Wirkung. Sie soll Passanten zum Verweilen vor dem und dann zum Zutritt in das Geschäft verleiten. Das Schaufenster ist die Visitenkarte des Einzelhandels. Entsprechend sollen Erlebnisbereiche präsentiert werden. Daneben dient das Schaufenster dem Preisvergleich, ohne sich bereits der direkten Einflusssphäre des Handels aussetzen zu müssen. Die Kosten sind wesentlich vom Dekorationsrhythmuswechsel abhängig und davon, ob die Dekoration durch eigenes oder fremdes Personal als Dekodienst durchgeführt wird. Opportunitätskosten entstehen aus dem Entgang von Gewinn aus der anderweitigen Nutzung der Schaufensterfläche, etwa als Regal- oder Stellfläche. Daher sind begehbare Schaufenster (Walk in windows) sinnvoll. Der Dekowechsel soll

4.1 Aktionsparameter des Handels 

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bei Produkten des täglichen Bedarfs einmal wöchentlich, ansonsten mindestens alle drei Wochen erfolgen. Eine Erfolgskontrolle ist kaum möglich, verbreitet ist jedoch das Zählen der Passanten, die eine Zeitdauer vor dem Schaufenster verweilen. Dies misst jedoch allenfalls die Aufmerksamkeit, es kommt tatsächlich aber auf die Kaufwirkung an. Auch die Erfassung von Kunden, die sich beim Kauf auf die Schaufensterauslage beziehen, ist wenig valide. Gleiches gilt für die Messung der Absatzveränderung in Abteilungen vor und nach Schaufensterpräsenz. Sinnvoll ist zumindest ein längerfristiger Dekorationsplan mit anlassbezogenen Warenthemen. Der Verkaufsinnenraum ist in seiner Gestaltung von Bediensystem, Ladengrundriss und Verkaufssystem abhängig. Das geschlossene Verkaufssystem unterteilt die Verkaufsfläche in einen Warenbereich („Möbel“), den Bedienungsbereich („Theke“) und den eigentlichen Kundenbereich. Ein erheblicher Nachteil ist dabei die räumliche Trennung von Kunde und Verkäufer. Dies wird beim offenen Verkaufssystem vermieden. Kunden haben dabei auf alle in Regalen und Verkaufsgondeln ausgelegten Waren Zugriff und können sich damit von deren Beschaffenheit überzeugen. Bei der werblichen Nutzung der Außen- und Innenarchitektur geht es um die Entwicklung neuer bzw. die Optimierung bestehender Angebote und Angebotssysteme. Diese sollen auf physischer und psychischer Basis auf die Bedürfnisse der Kunden eingehen. Dies wird durch die Analyse von ästhetischen, wirtschaftlichen und ergonomischen Anforderungen entwickelt. Kriterien sind dabei ver­ wendete Formen, Farben, Materialien und Zeichen. Diesen kommt im Rahmen des Erlebniseinkaufs ebenso eine erhöhte Bedeutung zu wie im Rahmen des Trad­ing up.

4.1.6 Ladenorganisation Da der Regalplatz den Engpass des Handelserfolgs darstellt, kommt es darauf an, diesen so effizient wie möglich zu nutzen. Dies geschieht durch die Planung der Geschäftsfläche. Dazu gibt es mehrere Verfahren, die im Folgenden dargestellt werden. Die gesamte Nutzfläche des Handelsbetriebs teilt sich wie folgt auf: • Kundenflächen sind Flächen, bei denen die Waren den Kunden frei zugänglich sind, • Thekenflächen sind Flächen, an denen Fremdbedienung vorherrscht, • Verkaufsflächen sind Flächen, die zur Warenpräsentation dienen, • Lagerflächen sind Flächen, die zur reinen Vorratshaltung dienen, • Sozialflächen sind Flächen, die nur dem Personal zugänglich sind.

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4. Der stationäre Handel als Absatzmittler

Sodann ist der Handelsbetrieb in Abteilungen aufgeteilt, orientiert an: • Personalbestand, z. B. Fachberater für verwandte Artikelgruppen, • Betriebsmitteln, z. B. Kühltruhe zur Sammelaufbewahrung, • Warenart, z. B. Artikel gleichen Materials / ​gleicher Verwendung, • Bedarfen, z. B. zusammengehörige (nachfrageverbundene) Waren, • Abrechnung, z. B. Food / ​Nearfood- und Nonfood-Abteilungen getrennt. Danach erfolgt die strukturierte Anordnung der Abteilungen nach: • Kundenstrom, also häufig von Kunden im Laden eingeschlagenen Wegen, • Beschaffung, also festen Kauforientierungen von Kunden, • Logistik, also Größen wie Transportaufwand, Lagerkosten, Manipulationskosten, • Erlebnis, also Kaufatmosphäre, Dekoration, Beleuchtung etc., • Kosten, also vor allem nach Regalflächenprofitabilität. Der innerbetriebliche Standort von Waren bietet im Konsumgüterhandel, bei Selbstbedienungsformen, aufgrund von Kundenlaufstudien durch verdeckte Kameraaufzeichnung einige Vorzugsplätze und Besonderheiten im Ladenlayout. Zunächst zu den Vorzugsplätzen. Der Platzierung horizontal leicht nach rechts versetzt im Warenträger liegt die Erfahrungstatsache zugrunde, dass die Mehrzahl der Menschen Rechtshänder sind. Vor einem Regal stehend, fällt es ihnen daher leichter, mit rechts die rechts von der Mitte angeordneten Waren zu greifen. Diese haben damit eine höhere Kaufwahrscheinlichkeit und sind deshalb den besser kalkulierten Artikeln vorbehalten. Außerdem bedarf es längerer Wege, um an die niedriger kalkulierten Artikel zu gelangen. Für die Warenanordnung gibt es das Prinzip der Blockplatzierung (Produkte einer Marke untereinander, verschiedene Marken nebeneinander) oder der Gruppenplatzierung (verschiedene Produkte nebeneinander, zugehörige Marken untereinander). Eine weitere Vorzugsplatzierung ist vertikal in Sichthöhe (80–120 cm) oder Griffhöhe (120–160 cm), nicht im Streckbereich (160–200 cm) oder Bückbereich (0–80 cm). Deshalb sind im Handel in mittlerer Höhe meist die profitableren, im Zweifel leicht verzichtbaren Artikel platziert, z. B. Fertiggerichte, Pralinenmischungen, während oben und unten die weniger renditeträchtigen Grundnutzenprodukte platziert sind, die für die tägliche Haushaltsführung unverzichtbar bleiben. Dafür können Kunden sich dann strecken oder bücken. Der Schaubogen ist nach unten größer als nach oben. Es ist erforderlich, die Kunden vom schnellen Straßentempo auf ein wesentlich langsameres Ladentempo abzubremsen. Dies bietet mehr Kontaktchancen mit der Ware und damit eine höhere Kaufwahrscheinlichkeit. Deshalb sind in der Brems-

4.1 Aktionsparameter des Handels 

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zone direkt hinter dem Eingang meist wichtige Produktgruppen platziert (z. B. Obst / ​Gemüse), die zum Anhalten veranlassen. Von da aus geht es dann erst einmal im gemächlicheren Tempo weiter durch den Laden bis zur Kassennähe, wo der Schritt wieder beschleunigt wird. In der Kassenzone vor dem Zentral-Check out entstehen oft Warteschlangen, die eine eingehendere Warenbetrachtung zulassen. Zudem kommen auch Kinder mit ihren Konsumwünschen gut zum Zuge (Quengelware). Diese Plätze sind ebenso rar wie begehrt. Außerdem werden dort Impulswaren-Teilsortimente angeboten und von Diebstahl gefährdete Kleinartikel mit hohem spezifischen Wert deponiert (z. B. Zigaretten, Trockenbatterien). Eine weitere Vorzugsplatzierung ist in der Laufrichtung entlang der rechten Regalseite. Denn die Führung durch den Laden erfolgt entgegen dem Uhrzeigersinn. Auch dem liegt die Tatsache zugrunde, dass die meisten Menschen Rechtshänder sind und eher Waren betrachten, die auf der rechten Seite des Gangs als auf der linken platziert sind. Da eine linksgedrehte Führung die äußere, d. h. rechte, Kontaktfläche mit Waren maximiert, sind rechts des Gangs meist die besser kalkulierten Waren platziert, links hingegen die notwendigen. In der Kopfzone der Regale besteht die Möglichkeit, die Waren frontal zu sehen, während die übliche Regalsituation häufig nur eine Betrachtung seitlich aus den Augenwinkeln betrifft. Dadurch entsteht aber eine Wahrnehmungserschwernis, die Artikel weniger auffällig werden lässt und damit deren Kaufchancen mindert. Dies ist bei einer Regalkopf-Platzierung nicht der Fall. Angestrebt wird auch eine Sonderplatzierung (Offshelf). Neben der Stammplatzierung erhalten besonders zu forcierende Artikel eine zweite Kontaktchance durch eine solche Sonderplatzierung. Diese ist meist inmitten der Kundenwege aufgestellt und entweder als aufwändiges Display ausgestaltet oder im Gegenteil als bewusst hingeschüttete Waren. Die Displays erzielen Aufmerksamkeit durch ihre Präsentation, Schütten suggerieren durch die scheinbar nachlässig abgelegte Ware besondere Preisgünstigkeit und damit erhöhte Kaufbereitschaft. Zudem wirken Besonderheiten im Ladenlayout auf die Platzierung ein. Denn dieses ist, abgesehen von architektonischen Notwendigkeiten, keineswegs nur nach geschmäcklerischen Gesichtspunkten ausgelegt. Am Kopfende des Ladens platzieren Händler normalerweise „Magnetabteilungen“, also solche, die häufig von Kunden frequentiert werden müssen wie z. B. Frischfleisch, Molkereiprodukte. Dadurch sehen sich Kunden veranlasst, den ganzen Laden einmal hin und wieder zurück zu durchqueren. Das maximiert die Kontaktchancen mit dem Sortiment und damit die Kaufwahrscheinlichkeit. Die Anordnung der Waren gemäß dem Tagesablauf entspricht der Einkaufsplanung, die sich erfahrungsgemäß an den Mahlzeiten und Tätigkeiten im Tagesablauf orientiert. Daher ist es hilfreich, die angebotenen Waren näherungsweise in dieser

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4. Der stationäre Handel als Absatzmittler

gewohnten, chronologischen Folge anzuordnen. Auf diese Weise werden alle Bedarfe geordnet im Kopf des Kunden abgerufen als Mental map und in Käufe umgesetzt. Unterbrochene Regalreihen sind zwar raumextensiv. Aber die platzsparende Raumnutzung führt oft zu engen „Regalstraßen“, in die man nur ungern eintaucht wegen des „Tunneleffekts“ und die man wegen des angeborenen Fluchtreflexes möglichst schnell wieder zu verlassen sucht. Daher ist für Querkorridore zur Auflockerung zu sorgen. Die Ausrichtung aller Labels nach vorn ist erforderlich, damit die Produktsignalisation wahrgenommen werden kann. Damit werden vorverkaufte und durch Werbung heftig penetrierte Stilelemente der Labelgestaltung schnell und einfach erkannt. So können Bekanntheit und Vertrautheit mit einem Angebot am Handelsplatz eher liquidiert werden. Auch das Offenlassen einer, nicht zu großen Grifflücke in der Platzierung ist unerlässlich. Denn perfekt angeordnete Waren lassen den Kunden zurückschrecken, durch die Wegnahme eines Artikels diese Perfektion zu zerstören. Deshalb wird bewusst die Symmetrie durchbrochen, indem einige Einheiten fehlen. Dies verhindert zudem den Verdacht, dass die Artikel von anderen nicht nachgefragt werden. Eine „endlose“ Anordnung der Waren suggeriert Kunden die hervorragende Sortierung des Geschäfts. Da dies eine der wesentlichen Erwartungshaltungen für die Einkaufsstättenwahl ist, wird die komplette Präsentation durch Präferenzaufbau honoriert. Eine weitgehend gleich bleibende Stammplatzierung ist wichtig, denn nichts nervt Käufer mehr, als wenn sie ihre gewohnten Waren im Ladengeschäft ständig neu suchen müssen, weil sie aus Platzmangel, wegen schlechter innerbetrieblicher Organisation oder aus falsch verstandenem Drang zur Abwechslung stetig umgeräumt werden. Wichtig ist, keine Kehrtwendungen im Kundenlaufweg erforderlich zu machen. Potenzialstark sind Auflaufflächen, auf die man bei Richtungswechseln automatisch blickt. Hervorspringende Ecken ziehen die Blicke auf sich, dies setzt allerdings genügend breite Gänge voraus. Ärgerlich sind Wartezeiten an Bedientheken, danach beschleunigt sich das Tempo wieder, um verlorene Zeit aufzuholen. Für den Kundenlaufweg ergeben sich verschiedene Designs: • als Zwangslauf bei einer Reihenanordnung der Regale, • als Individuallauf bei mehreren „Verkaufsinseln“, • nach dem Kojenprinzip (wie bei Shop in the shop), • nach Diagonalprinzip zur Auflockerung der Ladenfläche, • im Sternprinzip vom Flächenzentrum aus nach außen gehend, • im Arenaprinzip vom Eingang aus halbkreisförmig nach außen.

4.1 Aktionsparameter des Handels 

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4.1.7 Standortwahl 4.1.7.1 Bedeutung Der Standort ist der geografische Ort, an dem der Anbieter zum Zweck der Erreichung seiner Ziele Produktionsfaktoren zur Leistungserstellung kombiniert. Mögliche Anlässe für die Standortwahl sind • die Neugründung von Betrieben, die Umsiedlung ohne Veränderung der Betriebsgröße, die Verlagerung mit Erweiterung / ​Verkleinerung der Betriebsgröße, die räumliche Ausweitung der Geschäftstätigkeit, die räumliche Differenzierung der Geschäftstätigkeit, die Zusammenlegung unabhängiger Betriebe oder die Schließung von Betrieben. Dabei können qualitative und / ​oder quantitative Einflussgrößen berücksichtigt werden. Vorwiegend wird die Standortwahl auf den stationären Einzelhandel bezogen, ausnahmsweise auch auf dessen Lagerplanung bzw. die Routenplanung des mobilen Handels. Standortentscheidungen haben langfristige Auswirkungen und werden daher oft als Investitionsproblem mit Einzahlungen (= Kosten) und Auszahlungen (= Erlösen) betrachtet. Häufig sind dabei auch mehrere Standorte aufeinander abzustimmen. Der bequemen Erreichbarkeit kommt dabei für gewöhnlich zentrale Bedeutung zu. Einen Ausweg stellen allenfalls Angebote zur schnellen und kostengünstigen Überbrückung von Entfernungen dar. Für die Standortwahl der Händler sind folgende Faktoren von Bedeutung: • Die Struktur des betrieblichen Standorts dient dem Anbieter zur Bestimmung des Absatzpotenzials des Standorts. Zum Beispiel sind Schuster, die Leistungen des täglichen Bedarfs anbieten, auf eine hohe Anwohner- bzw. Passantendichte angewiesen, da ihr Einzugsgebiet typischerweise begrenzt ist. • Das Umfeld bezieht sich auf die Harmonie des betrieblichen Standorts mit dem Image des Betriebs. Dies gilt vor allem für Leistungen mit Vertrauensgutcharakter, bei denen aus den Umfeldfaktoren, wie 1-a-Lage, mangels anderer Anhaltspunkte, auf die Leistungsfähigkeit des Anbieters geschlossen wird. • Die Konkurrenz kann zu einer Meidung konkurrierender Betriebe führen als Evitation oder gerade zu einer Suche der Nähe solcher anderen Betriebe als Agglomeration, um von der gemeinsam höheren Anziehungskraft des betrieblichen Standorts zu profitieren, man denke nur an die Fußgängerzone jeder Stadt. • Die Erreichbarkeit betrifft die Zugänglichkeit des betrieblichen Standorts in der Verkehrsanbindung als ÖPNV, Parkplätze etc. Dies ist umso wichtiger, als je austauschbarer eine Leistung von Nachfragern angesehen wird, dies wiederum ist abhängig von der Emotionalität zugunsten eines Anbieters / ​Angebots, oder deren Fehlen, bei der Kaufentscheidung.

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4. Der stationäre Handel als Absatzmittler

• Der Raum orientiert sich an den Raumkosten, z. B. Mietkosten, Bauinvestitio­nen etc., an der Raumqualität, z. B. Architektur, Grünflächen etc., und der Raumkapa­ zität, z. B. Quadratmeter, Lagerfläche etc. Die Standortentscheidung ist konstitutiver Natur, vor allem ist das Einzugsgebiets des Standorts von Bedeutung. Zu dessen Erfassung gibt es verschiedene Methoden.

4.1.7.2 Optionale Methoden Checklisttechniken versuchen, zu einer Rationalisierung der Entscheidungsfindung durch Berücksichtigung aller relevanten Einflussgrößen für den Standort zu gelangen. Problematisch ist dabei, dass Faktorkategorien einander inhaltlich überlappen, daher ist ein Abgleich der Faktoren erforderlich, und nicht unbedingt gleich bedeutsam sind, daher ist eine Gewichtung der Faktoren erforderlich. Zudem handelt es sich um eine Momentaufnahme, die um perspektivische Aspekte ergänzt werden muss. Auch sind viele Faktoren qualitativer Natur und daher von einer subjektiven Schätzung abhängig. Hier kann dann nur das Mittel aus mehreren, unabhängigen Schätzungen gezogen werden. In der Zusammenfassung ist somit ein Standortprofilvergleich über alle Kriterien möglich. Im Folgenden der Vorschlag einer Checklist für Standortfaktoren (in Anlehnung an Coop-, RGH-, BBE-, DIHT-Vorschläge), die allerdings betriebsindividuell auszulegen sind: • Demografische Faktoren wie Bevölkerungsstand und -verteilung nach Gesamt­ einwohnerzahl, Einwohnerzahl und Haushaltungen nach Entfernungszonen, Bevölkerungsdichte, -entwicklung, Bevölkerungsstruktur nach Altersklassen, Familienstand, Nationalität, Haushaltsstruktur, Erwerbs- und Sozialstruktur nach Erwerbsquote, selbstständig und unselbstständig Erwerbstätige, berufstätige Frauen, soziale Einstufung, • Marktpotenzialfaktoren wie Einkommensverhältnisse nach Pro Kopf-Einkommen, Aufteilung nach Einkommensklassen, Pro Kopf-Sparquote, Einkommenskennziffern, Einkommensverwendung nach konsumptiver Pro Kopf-Kaufkraft, durchschnittlichem Wohnungsmietwert, Haushaltsausgaben, Kaufneigung, regionalen Verbrauchskennziffern, Marktpotenzial nach Berufspendlerströmen, Reise- und Ausflugsanlässen, Einkaufspendlern, Fremdenverkehr, Passantenfrequenz, • Psychologische und sozialpsychologische Faktoren wie Lebensgewohnheiten, z. B. Lebensstandard, Freizeit, Arbeitszeit, Motorisierung, Konsumgewohnheiten, z. B. Einkaufsintervall, durchschnittlicher Einkaufsbetrag, erforderliche Wegstrecke, benutzte Verkehrsmittel, Einkaufszeiten, Mentalität, z. B. Geschäftsstättenattraktivität, Ladenimage, Erlebnisumfeld,

4.1 Aktionsparameter des Handels 

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• Konkurrenzverhältnisse wie Konkurrenzbestand und -formen, z. B. Anzahl und Größe der Betriebe, Distributionsform, Rechtsform, Umsatz, Filialbetriebe, Konkurrenzwirkung in Bezug auf Sortiment, z. B. Substitutions- und Komplementärangebote, Kaufkraftkonkurrenz, räumliche Präferenzen, z. B. Kundennähe, „Kundenmagnete“, sachliche Präferenzen, z. B. Preis, Qualität, Auswahl, Image, Kundendienst, • Infrastruktur wie Städtebau, z. B. Regionalplanung, Stadtfunktionen, Cityentwicklung und Agglomeration, öffentliche und private Bauprojekte, „Zentrifugal­ kraft“ der Stadt, Verkehr, z. B. Verkehrslage, öffentliche Verkehrseinrichtun­gen, privater Verkehrsanteil, zeitliche Verteilung, Parkplatzangebot nach Entfernungszonen, topografische oder künstliche Hindernisse, • Objektbewertung wie Geschäftslokal, z. B. Objektgröße, Ladenfront, Ausbaumöglichkeiten, Zufahrtsmöglichkeiten, Lagerraum, Umfeld, z. B. Wert und Struktur der Nachbargeschäfte, Verkehrsnetzanbindung, Grundstückseigenschaften, Rechte Dritter, Bodeneigenschaften, Eigenschaften bestehender Gebäude, Image der Geschäftsadresse, Verwertbarkeit, Erschließung, Klima, • Standortabhängige Kosten wie solche für Beschaffung und Logistik, z. B. Zulieferung, Hauszustellung, Fuhr- und Wagenpark, gebrochene Lieferung, Gebäude und Unterhalt, z. B. Grundstücks- und Gebäudekosten, Miete und Pacht, Einrichtungskosten, Reparaturen, Wartung, Energie, Steuern, Hebesätze, Gebühren, Verkauf, z. B. Personal, Steuern und Abgaben, Umlage aus Gemeinschaftsaktionen, sowie Beschaffungsdistanzen, Einzugsbereich, • Rahmenbedingungen wie gesetzliche Bestimmungen, z. B. Ladenöffnungszeiten, baupolizeiliche Vorschriften, Immissionen, z. B. Lärm, Geräusch, Geruch, sowie Personalqualität, Auflagen, Subventionen, Steuererleichterungen etc. Bei der Analogmethode wird ein strukturidentischer Vergleichsstandort herangezogen, von dessen Erfolg auf den mutmaßlichen Erfolg am Bewertungsstandort geschlossen wird. Dafür gibt es verschiedene Umrechnungsansätze: • Bei der Pro Kopf-Umrechnung wird der Quotient aus der Absatzmenge des Vergleichsstandorts und der Zahl der Haushalte dort mit der Zahl der Haushalte am Bewertungsstandort multipliziert. • Bei der Marktanteils-Umrechnung wird der Quotient aus der Absatzmenge des Vergleichsstandorts und der Absatzmenge der zugehörigen Warengruppe dort mit der Absatzmenge der Warengruppe am Bewertungsstandort multipliziert. • Bei der Umsatzverhältnis-Umrechnung wird der Quotient aus der Absatzmenge des Vergleichsstandorts im Gesamtmarkt und der Absatzmenge des Bewertungsstandorts mit der Absatzmenge des Vergleichsstandorts multipliziert. • Bei der Kaufkraftindex-Umrechnung wird der Quotient aus dem verfügbaren Einkommen am Vergleichsstandort und dem verfügbaren Einkommen am Bewertungsstandort mit der Absatzmenge am Vergleichsstandort multipliziert.

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4. Der stationäre Handel als Absatzmittler

• Bei der Wiederkäufer-Umrechnung wird der Quotient aus der Haushaltszahl, die am Vergleichsstandort einkaufen, und der Haushaltszahl am Bewertungsstandort mit der durchschnittlichen Absatzmenge pro Wiederkäuferhaushalt und der Zahl der Haushalte im Gesamtmarkt multipliziert. Voraussetzung ist dabei jedoch immer, dass der Vergleichsstandort auch wirklich hinsichtlich aller relevanten Parameter vergleichbar ist, worüber meist allenfalls spekuliert werden kann. Bei Raumgebietsmodellen geht es um die Bestimmung der räumlichen Grenzen von Marktgebieten. Dazu gibt es deterministische Ansätze als Gravitationsmodelle und stochastische Ansätze als Potenzialmodelle. Eine Person in einem zwischen zwei Einkaufszentren liegenden Gebiet ist danach bei deterministischen Modellen entweder Kunde des einen oder des anderen Zentrums bzw. kauft bei probalistischen Modellen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit am einen oder anderen Standort. Bei Gravitationsmodellen geht es um die Abgrenzung der Absatzreichweiten zwischen zwei Geschäftszentren. Dabei werden Kunden dichotom zugeteilt, d. h., es wird der Kauf entweder in dem einen oder in dem anderen Zentrum angenommen. Bei Potenzialmodellen überlappen sich die Absatzreichweiten, und es werden Wahrscheinlichkeiten dafür benannt, dass Kunden einer bestimmten Position entweder dem einen oder dem anderen Zentrum zuwandern. Grundlage für Berechnungen der Gravitationsmodelle ist das soziale Gesetz. Danach ist die Anzahl der Käufe, also der Interaktionen der Wohnbevölkerung eines Gebiets in Nachbargebieten umso größer, je größer die Bevölkerung der Nachbargebiete ist und je geringer die Entfernungen von einem Standort zu ihnen sind. Die Anziehungskraft einer Region und damit eines sich darin befindlichen einzelnen Standorts ist proportional zur Größe der Bevölkerung in dieser Region und in den Nachbargebieten und umgekehrt proportional zur Entfernung (manchmal zum Quadrat der Entfernung) zwischen einem Standort und den Nachbargebieten. Es geht also um die Abgrenzung des Einzugsgebiets von Einzelhandelszentren und damit die Einkaufsstättenwahl, nicht um einzelne Standorte, allerdings kann auch die Abgrenzung von Einzugsgebieten vereinzelt liegender Geschäftsstätten untersucht werden. Grundlage ist die physikalische Aussage (Newton), dass die Gravitationskraft zweier Körper, hier Standorte, davon abhängt, über welche Masse, hier Einwohnerzahl, sie verfügen und wie groß die Entfernung zwischen ihnen ist. Die Anzahl der Interaktionen der Bewohner von Nachbargebieten ist umso größer, je größer die Bevölkerung der Nachbargebiete und je geringer die Entfernung zu diesen Gebieten ist. Die Entfernung ist mit einer nach Warengruppen spezifischen Gewichtung zu versehen. Die Entfernung ist transformierbar in das nutzentheoretische Konstrukt des Einkaufsaufwands der Konsumenten. Die Bevölkerung ist transformierbar in Größen wie Umsatz der Warengruppe, Beschäftigte im Einzelhandel, Verkaufsfläche etc. Zwei Zentren ziehen damit die einzelhandelsrelevante Kaufkraft eines zwischen diesen beiden Städten angesiedelten Nachfrageorts an, und zwar im Verhältnis zur Größe der Bevölkerung und

4.1 Aktionsparameter des Handels 

251

reziprok zu den Entfernungen dieser beiden Zentren. Dort, wo die Anziehungskräfte zweier Verkaufsorte auf Kunden gleich stark sind, liegt die relative Grenze ihrer jeweiligen Einzugsgebiete. Die relativen Grenzen mehrerer Nachbargebiete ergeben miteinander verbunden die absolute Grenze der Region als Isokurve, d. h. die größte Entfernung zum Verkaufsort, bis zu der noch Kunden in diesem Verkaufsort kaufen und nicht zu einem Nachbargebiet abwandern. Dem liegen allerdings rigide, modelltheoretische Prämissen zugrunde. So müssen Kunden in der Lage sein, den Nutzen von Fahrten in die einzelnen Gebiete zu bestimmen. Der Nettonutzen, also der Ertrag des Kaufs minus Aufwand der Fahrt, muss dabei immer positiv bleiben. Der Kunde plant seine Fahrten so, dass der Gesamtnutzen aus allen Fahrten maximiert wird. Die Fahrten verursachen Kosten, die zu den zurückgelegten Entfernungen exakt proportional sind. Die Kunden haben ein vorgegebenes, über alle Haushalte gleiches Budget. Problematisch ist auch die Operationalisierung des Begriffs Attraktivität. Denkbar sind Indikatoren wie Gesamteindruck des Verkaufsorts, Topografie im Zentrum, Besetzung mit Geschäften, Gebäudewirkung, Schaufensterwerbung, Lauflage, Fußgängerzone, Parkmöglichkeiten, Großbetriebsformen mit Magnetwirkung etc. Grundlage von Berechnungen der Potenzialmodelle sind Wahrscheinlichkeiten für den Nutzen eines Kunden, der in einer Region wohnt und in für ihn erreichbaren Nachbargebieten einkauft. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kunde seinen Bedarf nicht am Wohnort, sondern in einer benachbarten Geschäftsagglomeration deckt, steht demnach in direkter Beziehung zum Agglomerationsgrad der für ihn erreichbaren Einkaufsorte und deren Entfernung zu seinem Standort. Ausschlaggebend ist also nicht der absolute Nutzen eines Einkaufs, sondern der um die dafür aufzuwendenden Kosten reduzierte relative Nutzen. Dieser Nettonutzen kann in Attraktivitätsindices erfasst werden. Dabei kann von objektiven Größen wie Fahrtstrecke, Verkaufsfläche, Preisniveau, Service, Sortimentsbreite, Öffnungszeit etc. ausgegangen werden, oder, was sinnvoller ist, von subjektiv wahrgenommenen Größen. Allerdings dürften diese Werte, genauer Widerstandskoeffizienten, für jede Warengruppe anders ausfallen, so dass praktisch unendlich viele Berechnungen erforderlich sind. Der Einkauf erfolgt generell umso eher am Standort, je geringer die Mobilität, je knapper Zeit und Geld, je dringlicher Bedarfe, je kürzer Einkaufsintervalle, je gleichartiger Angebote und je geringwertiger Einkaufs­ güter sind. Man kann die Betrachtung jedoch auch umkehren und nicht die Standorte der Kunden, sondern den potenziellen Standort eines Geschäfts als Basis für die Absatzreichweite nehmen und das entsprechende Einzugsgebiet betrachten. Für die zugrunde gelegten Größen sind mehrere Ansätze der Distanzenbetrachtung denkbar: • Bei der Entfernungsmethode wird die kürzeste räumliche Distanz zwischen Betriebsstandort und Einzugsgebiet zugrunde gelegt. Praktisch kann man konzentrische Kreise mit definiertem Radius um einen Standort legen als Luftlinie. Mit

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4. Der stationäre Handel als Absatzmittler

steigender Entfernung sinkt dabei tendenziell das Kundenpotenzial, da der Beschaffungsaufwand steigt. • Bei der Wegemethode wird der effektive räumliche Abstand zwischen Standort und Einzugsgebiet zugrunde gelegt als tatsächliche Wegstrecke. Zonen gleicher Wegstrecke werden zusammengefasst und von einer Indifferenzkurve umgeben. Hier kommt also die Wegetopografie ins Spiel. • Bei der Zeitdauermethode wird der effektive Zeitbedarf für die Zurücklegung dieser Distanz zugrunde gelegt. Dieser ist vor allem abhängig von Streckenausbau und Verkehrsverbindung innerhalb der Region. Gleich weite Distanzen können, je nach Anbindung, unterschiedlich schnell überbrückt werden. • Bei der Kostenmethode wird der effektive Kostenaufwand für die Zurücklegung dieser Distanz zugrunde gelegt. Dieser ergibt sich aus den Transferkosten je Wegeeinheit. Denn gleiche Zeiten können aus der Nutzung unterschiedlicher Transportmittel resultieren, deren Kosten meist mit sinkender Zeit ansteigen. Welche Entfernungen / ​Wege / ​Zeiten / ​Kosten für die Erreichung eines Betriebs in Kauf genommen werden, hängt ganz wesentlich vom intendierten Kaufobjekt und der Anziehungskraft des Geschäfts ab. Für Anschaffungen des täglichen Bedarfs werden fünf Gehminuten (ca. 600 m) als kritisch angesehen, für wichtige Anschaffungen bis zu 30 Autominuten (ca. 15 km). Wie groß das realisierte Einzugsgebiet ist, lässt sich auch durch einfache Erhebung anhand der Kfz-Nummern auf dem Kundenparkplatz feststellen. Im engeren Umkreis können aus gegebenem Anlass (z. B. Gewinnspiel) auch Adressen gesammelt und in Kundenkarteien aufgenommen werden. Weiterhin kann die Postleitzahl an der Kasse abgefragt und erfasst werden. 4.1.7.3 Gesetzliche Restriktionen Die Standortwahl im Handel ist vielfältigen Restriktionen unterworfen. Die Baunutzungsverordnung (BauNVO) weist als Wohnflächen folgende aus: • Kleinsiedlungsgebiet: Zulässig sind nur der Versorgung des Gebiets dienende Läden. • Reines Wohngebiet: Ausnahmsweise können Läden zugelassen werden, die zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebietes dienen. • Allgemeines Wohngebiet: Zulässig sind nur der Versorgung des Gebietes dienende Läden. • Besonderes Wohngebiet: Zulässig sind alle Läden. Weiterhin gibt es gemischte Bauflächen. Für diese gilt: • Dorfgebiet: Einzelhandelsbetriebe sind zulässig, auch Versandhandel ist möglich.

4.1 Aktionsparameter des Handels 

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• Mischgebiet: Einzelhandelsbetriebe sind zulässig, auch Warenhäuser und sonstige großflächige Betriebe, sofern sie nicht anderweitigen Einschränkungen der Baunutzungsverordnung unterliegen. • Kerngebiet: Kerngebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben. Zulässig sind Einzelhandelsbetriebe, einschließlich Einkaufszentren und großflächiger Einzelhandelsbetriebe. Dann gibt es gewerbliche Bauflächen. Für diese gilt: • Gewerbegebiet: Gewerbegebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben, damit auch des Einzelhandels, großflächige Betriebe sind nur insofern zulässig, als sie den anderweitigen Bestimmungen der Baunutzungsverordnung entsprechen. • Industriegebiet: Ausschließlich Gewerbetreibende, insbesondere solche, die in anderen Baugebieten unzulässig sind, auch großflächige Einzelhandelsbetriebe sind möglich, aber anderweitige Einschränkungen der Baunutzungsverordnung sind zu beachten. Und schließlich Sonderflächen wie: • Sondergebiete, welche der Erholung dienen: Der Versorgung des Gebietes dienende Läden sind zulässig. • Sonstige Sondergebiete mit besonderer Zweckbestimmung: Zulässig sind Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe mit nicht unwesentlichen Auswirkungen auf raumordnerische, landesplanerische und städtebauliche Zielerreichungen. Das Gesetz soll vor allem mittelständische, vornehmlich innerstädtische Einzelhändler vor der Konkurrenz preisaggressiver Großbetriebsformen außerhalb der Stadtzentren schützen und schreibt Höchstgrenzen für die bauliche Nutzung vor, und zwar in Bezug auf Grundflächenzahl, Geschossflächenzahl und Baumassenzahl. Weitere Gesetze betreffen das Landesplanungsgesetz, welches die räumliche Entwicklung des Landes auf der Grundlage der Raumordnungsgesetze des Bundes regelt sowie das Gesetz zur Landesentwicklung, welches die Festlegung der regionalen Ziele der Raumordnung und Landesplanung für die Entwicklung der Regierungsbezirke und für alle sonstigen Planungen und Maßnahmen vornimmt. Weitere gesetzliche Restriktionen finden sich im Bundesraumordnungsgesetz und Baugesetzbuch. Ersteres zielt auf die Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen und die Verbesserung der Daseinsvorsorge und freien Entfaltung der Persönlichkeit in allen Teilräumen Deutschlands ab. Dem liegt die These zugrunde, dass die räumliche Verteilung der Versorgungseinrichtungen auf Basis der Arbeitsteilung aus den Kategorien Klein-, Mittel- und Oberzentrum erfolgen soll, denen abgestufte Versorgungsfunktionen zufallen (mit nachfolgenden Landesplanungsgesetzen). Letzteres weist die grundsätzliche bauliche und sonstige Nutzung in

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Bauleitplänen je Gemeinde aus, etwa nach Wohnungsbau, gemischter Bebauung oder Sonderbaufläche. Ziel ist dabei eine geordnete, städtebauliche Entwicklung. Im Flächennutzungs- und Bebauungsplan wird zudem die detaillierte bauliche und sonstige Nutzung von Grundstücken in den Gemeinden mit dem Ziel einer geordneten städtebaulichen Entwicklung bestimmt. Denkbare und im Handel auch übliche Klassifikationen der Lage sind folgende: • 1-a-/1-b-/1-c-Lage, d. h. hervorragende / ​sehr gute / ​gute Innenstadtlage mit sehr guter / ​guter / ​befriedigender Erreichbarkeit mit Pkw und öffentlichen Verkehrsmitteln, Parkplätzen / -häusern und Agglomeration von Geschäftsstätten, • 2-a-/2-b-Lage, d. h. sehr gute Vorortlage mit leichter Erreichbarkeit und Parkplatzangebot, • „Grüne Wiese“ mit Erreichbarkeit und Parkplatzangebot, an Hauptausfallstraßen, meist in Deglomeration, • Nachbarschaftslage, die zu Fuß erreichbar ist und über Parkplatzangebot verfügt, • gewachsene oder geplante Standortagglomeration, branchengleich oder branchenverschieden, z. B. in Gewerbezentren, Trade marts, Großhandelszentren, Einkaufszentren, Fachmarktzentren. Eine gesetzliche Beschränkung erfolgt hinsichtlich der möglichen Ladenöffnungszeiten. Gesetzliche Ladenschlusszeiten an Werktagen sind von 20/22 Uhr bis 6 Uhr. Für den LEH gelten Öffnungszeiten von 7 Uhr bis 21/24 Uhr. Für Sonn- und Feiertage gelten Sonderregelungen. Allerdings sind unter bestimmten Voraussetzungen verkaufsoffene Sonntage möglich (max. 4 p. a.). Außerdem bestehen vielfache Ausnahmen, so in Bezug auf Apotheken, Presseartikelverkauf am Kiosk, Tankstellen in Bezug auf Autofahrerbedarf, Warenautomaten, Bahnhofs- und Flughafenverkaufsstellen (alle jeweils ganztags) sowie Läden in Kur- und Erholungsorten, ländlichen Gebieten und Verkauf für Frischmilch, Konditoreiwaren, Blumen.

4.2 Warenwirtschaft des Handels In den 1960er Jahren waren noch Inventursysteme in der Distribution gängig. Diese wurden in den 1970er Jahren durch Waren-Wirtschafts-Systeme ersetzt, die aber nur Teile des Warenkreislaufs abbildeten. In den 1980er Jahren entstanden dann computergestützte Geschlossene Waren-Wirtschafts-Systeme (s. u.). Diese wurden in den 1990er Jahren durch DPP-/DPR-Systeme zur Erfolgsmessung im Einzelhandelscontrolling ergänzt. Daraus leiten sich bis heute erhebliche Warenplatzierungskonsequenzen ab. Schließlich entstanden Anfang der 2000er Jahre ECR-(Efficient consumer response-)Systeme und darauf aufbauend aktuell Feedforwand-CPFR-(Collaborative planning forecasting replenishment-)Systeme.

4.2 Warenwirtschaft des Handels

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Module Geschl. Waren-Wirtschafts-System Datenerfassung Direkte Produkt-Profitabilität Handelscontrolling

Direkte Produkt-Rentabilität Regalspiegel

Warenplatzierungskonsequenzen Regaloptimierung Supply chain management Efficient consumer response

Category management Technische Voraussetzungen

Collaborative planning forecasting replenishment (CPFR)

Abbildung 55: Warenwirtschaft des stationären Handels

Analog dazu entwickelten sich die Abrechnungssysteme. Waren zunächst noch offene Ladenkassen mit Kassensturz und exakter Einnahmeüberschussrechnung üblich, wurden die Kassen bald mit Funktionalitäten zur Produktgruppen-Erfassung ausgestattet. Teilweise erfolgte die Artikelnummern-Eingabe oder jedem Artikel wurde ein anderer Preis zugewiesen, so dass die Verkäufe aus dem Kassenstreifen identifizierbar waren. Es folgten OCR-Insellösungen mit automatischer Einlesung, die durch branchenweit standardisierte GTIN-Codes abgelöst wurden. Die Einlesung erfolgt optisch im Nahfeldbereich und rein passiv (on / off). Nunmehr sind RFID-Tags State of the art. Die Datenübertragung erfolgt mit Funk über Mittelfelddistanz und ebenfalls rein passiv (on / off). Alternativ dazu ist auch Bluetooth einsetzbar, per Funkverbindung im Nahfeldbereich und passiv, dafür jedoch mit Online-Betriebsbereitschaft. Eine Ablösung erfolgt in Teilen durch NFC (Near­ field communication), ebenfalls über Funk im Nahfeldbereic, dafür mit aktiver Auslösung einer vordefinierten Aktion. Insofern ergeben sich vielfältige technische Fortschritte. Dementsprechend umfasst die Warenwirtschaft des Handels Elemente wie das GWWS (4.2.1), Einzelhandelscontrolling (4.2.2), Warenplatzierungskonsequenzen (4.2.3) daraus, ECR (4.2.4) und CPFR (4.2.5) (siehe Abbildung 55: Warenwirtschaft des stationären Handels).

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4.2.1 Geschlossenes Waren-Wirtschafts-System 4.2.1.1 Module Warenwirtschaftssysteme sind Organisationsverfahren zur Erfassung sowie zur zielgerichteten Verarbeitung und Aufbereitung von Warenbewegungsdaten, um durch fundierte betriebliche Entscheidungsprozesse den mengen- und wertmäßigen Warenfluss im Handel, und verkettet im gesamten Absatzkanal, stets optimal planen, kontrollieren und steuern zu können. Die Zielerreichung setzt möglichst eine artikelgenaue, lückenlose und aktuelle Erfassung der mengen- und wertmäßigen Warenbewegungsdaten in den betrieblichen Funktionsbereichen Einkauf, Lagerhaltung und Verkauf voraus. Man unterscheidet manuelle Waren-WirtschaftsSysteme, die allerdings nicht in der Lage sind, alle mengen- und wertmäßigen Warenbewegungsdaten mit vertretbarem Aufwand zu erfassen, aufzubereiten und zu verarbeiten, so dass man sich eher auf grobe Ergebnis- bzw. Erfahrungswerte stützen muss. Hingegen erlauben computergestützte Waren-Wirtschafts-Systeme, aktuelle Informationen über die vielfältigen mengen- und wertmäßigen Warenbewegungen personenunabhängig, überschaubar und wirtschaftlich bereit zu stellen. Dabei sind sowohl Soft savings möglich, also planerische Vorteile aus aktueller und ausführlicher Information, als auch Hard savings, die durch eine rationellere Gestaltung der Arbeitsabläufe zu einer direkten Kostensenkung führen. Dabei wird eine individuelle oder standardisierte Artikelcodierung vorausgesetzt, die in der IT erfasst und dort zielgerichtet verarbeitet werden kann. Moderne Betriebsformen des Handels sind mit Geschlossenen Waren-Wirtschafts-Systemen (GWWS) zur unverzüglichen, artikelgenauen Datenerfassung sowohl im Wareneingang als auch in der Lagerhaltung und im Warenausgang ausgestattet. Diese hängen eng mit der physischen Distribution zusammen. Ein Waren-Wirtschafts-System im Handel ist geschlossen, wenn die Warenbestände in allen Unternehmensbereichen artikelgenau geführt und kurzfristig fortgeschrieben werden, also vom Wareneingang an der Rampe über die Zwischenlagerung, die Verkaufsraumplatzierung bis zum Kassen-Check out. Es ist zudem mehrstufig, wenn alle warenwirtschaftlichen Anforderungen eines filialisierten Handelskonzerns abgedeckt werden, also Zentrale, regionale Niederlassungen, Läger und verschiedene Vertriebsschienen. Die Aufgaben umfassen im Einzelnen die Disposition, das Bestellwesen, die Wareneingangserfassung, die Rechnungskontrolle, die Warenausgangserfassung, die Kassenabwicklung und die Informationsableitung daraus. Dazu ist IT-Stützung unerlässlich erforderlich. Daraus lassen sich vielfältige Managementinformationen erstellen. Eine wichtige ist die permanente Inventur durch steten Abgleich der Soll- mit den Istbeständen. Ebenso können Umsätze, Absätze, Spannen, Deckungsbeiträge, Aktionsergebnisse, Sortimentsverbünde etc. nach Artikeln, Zeiträumen, Standorten etc. ausgewiesen werden. In Intranets werden zudem verteilte Aufgaben wahrgenommen. In gleicher Weise ist eine Anbindung mit Lieferanten (Hersteller, Großhandel) möglich, so zum Be-

4.2 Warenwirtschaft des Handels

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stell-, Liefer- und Rechnungsdatenaustausch, zur elektronischen Zahlungsabwicklung und zur Marktdatenkommunikation in Coorganisation (Extranet). In gleicher Weise sind Kunden einbindbar, etwa bei Formen des Electronic cash. GWWS bestehen aus drei Erfassungsmodulen und beliebigen Ausgabemodulen. Die Erfassungsmodule wiederum betreffen den Wareneingang, die Warenlagerung und den Warenausgang. Das Wareneingangsmodul befasst sich mit der artikelspezifischen Wareneingangserfassung. Es ist gekoppelt an den Abgleich der Bestellung und damit verbundene Fehlermeldungen bzw. Korrekturen sowie mit der Bewertung und der Lagerbestandsführung. Die Wareneingangserfassung ist zugleich Basis der Rechnungskontrolle. So wird eine Soll-Rechnung (auch Pro-Forma-Rechnung) erstellt, die mit der Lieferantenrechnung abgeglichen wird. Beim Wareneingang werden folgende Daten festgehalten: • Art der angelieferten Waren, Lieferant dieser Waren, Menge / ​Sortierung der angelieferten Waren, Wareneingangstermin, Übereinstimmung der Lieferung mit dem Auftrag. Das Bestell- und Lagermodul unterstützt die Disposition durch Berücksichtigung von Bedarf, Lieferzeit, Umschlaghäufigkeit, Mindestbestellmenge, Konditionen etc. Entsprechende Bestellvorschläge werden automatisiert erstellt und bei Freigabe übermittelt. Teilweise wird auch automatisch bestellt, indem die Bestandsführung optimiert, die Lieferanten selektiert und die Distribution vom Zentrallager oder über Strecke vorgegeben wird. Bei der Warenlagerung wird dazu festgehalten: • Art der gelagerten Waren, Menge / ​Sortierung der gelagerten Waren, Dauer der Lagerung als Differenz zwischen Anlieferung und Verkauf, Regalflächenbeanspruchung der Waren, Platzierung der Waren. Das Warenausgangsmodul ist mit dem Kassensystem gekoppelt. Es ermöglicht eine Kanban-Beziehung, bei der Bestellvorgänge erst ausgelöst werden, wenn die Regal- bzw. Lagersituation dies anzeigt, und nur in dem Umfang bestellt wird, wie durch Abverkäufe veranlasst. Dadurch können Lagerbestände und die daraus resultierende Kapitalbindung minimiert werden. Dabei werden schließlich folgende Daten festgehalten: • Art der verkauften Waren, Menge / ​Sortierung der verkauften Waren, Kaufverbund von Artikeln, Warenausgangstermin, Warenausgangspreis. Die Ausgabemodule betreffen vor allem folgende Inhalte: • Bestellung und Wareneingang zur Erfassung, Verwaltung und Ausgabe von Bestellvorschlägen, Erfassung, Korrektur und Ausgabe von Bestellungen, automatische Nachbestellung nach festen Entscheidungsregeln als Bestelldoktrinen, Erstellung von Wareneingangsscheinen und -protokollen sowie Auskunft über offene Bestellungen und Bestellrückstände,

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4. Der stationäre Handel als Absatzmittler

• Preise zur Erfassung, Verwaltung und Ausgabe sowie von Preisänderungen, • Lager zur Lagerbestandsverwaltung nach Lagerplätzen und Ausgabe von Artikelbewegungsprotokollen, • Warenausgang zur Erfassung der Lagerentnahme und des Warenausgangs, • Rechnungswesen zur Rechnungskontrolle, Rechnungserstellung und -verwaltung und Vernetzung mit den Kassen (Check-out), • Analyse und Statistik zur kurzfristigen Erfolgsrechnung, Artikel- und Warengruppenanalyse sowie Aktionsauswertung. Auswertungen beziehen sich dabei auf verschiedene Bereiche: • Bei Umsätzen ist ein Vergleich einzelner Umsatzgrößen zu Gesamtumsatz, Umsatz je Filiale, Umsatz je Abteilung / ​Warengruppe, Umsatz je Verkäufer / ​Kunde, Umsatz je qm Geschäfts- bzw. Verkaufsfläche etc. möglich. • Im Lager ist eine Überprüfung der Wirtschaftlichkeit anhand von Lagerhaltungskennzahlen wie Lagerbestand pro Monat / ​Jahr, Lagerumschlaghäufigkeit, Lagerdauer, Lagerzinsen etc. möglich. • Bei den Kosten ergibt sich eine Gegenüberstellung von geplanten und tatsächlich entstandenen, fixen und variablen Kosten. Auch ist ein Vergleich der vor dem Verkauf kalkulierten Kosten, der Preisnachlässe und des erwarteten Gewinns mit der tatsächlichen Entwicklung möglich. • Die Liquidität wird hinsichtlich der Zahlungsbereitschaft 1., 2. und 3. Grades überprüft. Aus der Gegenüberstellung des Jahresgewinns zum eingesetzten Kapital bzw. erzielten Umsatz ergibt sich eine Rentabilitätskontrolle, bezogen auf Eigen- oder Fremdkapital bzw. Umsatz. • Ebenso kann der aktuelle Betriebserfolg während des Geschäftsjahres durch Gegenüberstellung von Aufwendungen und Erträgen, Kontrolle der wertmäßigen Warenbewegungen und Feststellung der Verkaufserfolge insgesamt bzw. in einzelnen Warengruppen ermittelt werden. • Schließlich können die ermittelten Kennzahlen einer Rechnungsperiode mit denen vergleichbarer Betriebe oder mit Durchschnittswerten der jeweiligen Branche verglichen werden. Dadurch ergeben sich wichtige Hinweise auf die Steuerung des Warenflusses gemäß den Zielsetzungen des Betriebs, des Vergleichs von Ist- und Solldaten etc.

4.2 Warenwirtschaft des Handels

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4.2.1.2 Datenerfassung Das computergestützte, geschlossene Waren-Wirtschafts-System ist somit ein Modell aller Geschäftsprozesse eines Handelsunternehmens und besteht im Einzelnen aus vier Ebenen, die jeweils Teilprozesse abbilden: • Das Warenprozessmodell gilt in Bezug auf die physischen Warenflüsse wie z. B. Entladung, Einlagerung, Kommissionierung, Transport, die in einem IT-System abgebildet werden. • Das Dispositionsprozessmodell gilt in Bezug auf Entscheidungen, die Warenprozesse auslösen oder durch Warenprozesse ausgelöst werden, jedoch nicht unmittelbar mit der Ware zu tun haben, wie z. B. Bestellung, Auftragseingang, Rechnungseingang, Rechnungsprüfung, Rechnungsschreibung, Lieferscheinschreibung, Inventur. • Das Abrechnungsprozessmodell gilt in Bezug auf die monetären Flüsse aus Einkaufs- und Verkaufspreisen und -konditionen zur Belastung bzw. Entlastung von Leistungsstellen, die das Warenprozess- und das Dispositionsprozessmodell wertmäßig abbilden, allerdings sind Aspekte der Preispolitik im GWWS umstritten. • Das Informations- und Planungsprozessmodell gilt in Bezug auf die Steuerung, Kontrolle, Optimierung und Planung der Prozesse auf Basis der Informationen aus Warenprozess-, Dispositionsprozess- und Abrechnungsprozessmodell wie z. B. Sortimente, Preise, Bestände. Basis ist damit die vollständige Datenerfassung beim Wareneingang, bei der Warenlagerung und beim Warenausgang. Dadurch wird eine exakte Erfolgszurechnung am Handelsplatz darstellbar. Folglich ist eine optimierte, artikelgenaue Platzierung von Waren mit Hilfe von Computerprogrammen in Abhängigkeit von den Größen Einstandspreis, Verkaufspreis, Umschlaggeschwindigkeit, Regalplatzbeanspruchung, indirekte Vergütungen (z. B. WKZs) und Handlungskosten möglich. Aus diesen Daten lässt sich eine aussagefähige Erfolgskontrolle ableiten, die dem Deckungsbeitrag mit relativen Einzelkosten ähnlich ist. Diese Möglichkeit entsteht erst seit Einführung der Scannerkassen, die Artikelcodes zur automatischen Identifikation lesen. Es gibt optische Codes als Strichoder OCR-Codes und magnetische Codes. Der verbreiteteste Strichcode auf Waren ist der GTIN-Code (für Global trade item number). Jedem Hersteller und jedem Artikel werden GTIN-Codes zugeordnet. Diese befinden sich auf mehreren Belegen: • Auf der Transportverpackung der angelieferten Artikel. Dort werden sie durch mobile Datenerfassungsgeräte (MDE / ​LED-Scanner) eingelesen und durch Datum und Menge ergänzt. • Auf den Orderunterlagen des Handels. Dort kann per MDE aus der Orderliste direkt Ware bestellt werden. Alle auftragsbegleitenden Vorgänge werden daraufhin automatisch eingeleitet.

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• Auf dem Artikel selbst. So können Produkten im Zentralcomputer jeweils Verkaufspreise zugeordnet werden, die als Basis zur Auspreisung am Regal dienen und in den Kassen ausgewiesen werden (Price look-up). • Auf Talons bei Abteilungsregistrierung. So können bei partieller Fremdbedienung oder totaler Selbstbedienung Einzelpreise maschinenlesbar ausgegeben werden. An der Computerkasse werden über einen Lesespalt (Flachbett-Scanner oder, als Handgerät, Abstands-Scanner) die Strichcodes auf den Produkten / ​Talons erfasst. Für die Quittung werden die Preise zugeordnet und addiert. Der Kassenbon enthält außerdem Angaben zu gesplittetem MwSt.-Satz, zur Transaktionsnummer (TSE), die Seriennummer der Kasse, einen Prüfcode, den Signaturzähler, Datum und Uhrzeit. Im Zentralcomputer wird zugleich der Warenausgang registriert. Da dort bereits abgespeichert ist, wann die Ware eingegangen ist und wie sie platziert war, kann daraus der Handelserfolg ermittelt werden. Die neue Generation der Datenerfassung erfolgt jedoch durch RFID. RFID (für Radio frequency identification) basiert auf winzigen Computerchips (RFID-Tags), die per Funk Informationen an externe Sensoren übermitteln. Sie sind kleiner als 0,5 qmm und können auf jede Art von Objekt, z. B. Transport- oder Produktverpackungen oder auch den Produkten selbst, angebracht werden. Sie speichern Daten dauerhaft, wenn die Chips nicht zerstört oder überschrieben werden. Mit RFID ist eine kontaktlose Identifikation physischer Objekte mittels Funkfrequenzen möglich. Der Datenaustausch zwischen Datenträger und Lesegerät erfolgt über magnetische oder elektro-magnetische Felder. Die RFID-Tags sind mit Miniaturantennen versehen. Der Mikrochip enthält einen Code, der eindeutig zu identifizieren ist. Wenn ein RFID-Lesegerät ein Funksignal abgibt, antworten die in der Nähe befindlichen Chips, indem sie die auf ihnen gespeicherten Daten übermitteln. Ein RFID-System besteht aus dem Transponder, der an zu identifizierenden Objekten angebracht ist, sowie dem Erfassungs- oder Lesegerät, das als Leseoder Schreib-Lese-Einheit ausgelegt ist. Entgegen herkömmlicher Barcodes ist keine Sichtverbindung zwischen Transponder und Lesegerät erforderlich. Verschmutzung, Lärm oder ungünstige Lichtverhältnisse spielen ebenso keine Rolle. Allerdings wirken Metallgegenstände, Flüssigkeiten und übergroße Entfernungen behindernd. Die Herstellungskosten sinken rapide, das Marktwachstum ist enorm. Die technische Auslegung der Chips erfolgt unterschiedlich: • beim Radiofrequenz-System wird der Chip beim Lesen durch ein Magnetfeld endgültig deaktiviert, • beim Frequenzteiler-System muss der Chip zur Deaktivierung entfernt werden, • das Mikrowellen-System erlaubt die Wiederverwendung von Chips, die entfernt worden sind,

4.2 Warenwirtschaft des Handels

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• im elektro-magnetischen System wird die Deaktivierung durch Magnetisierung bzw. die Reaktivierung durch Entmagnetisierung vorgenommen, • im akusto-magnetischen System wird die Deaktivierung durch ein spezielles Magnetfeld (nicht Dauermagnete) möglich. Hinsichtlich der Transponder unterscheidet man: • passive Transponder, die über keine eigene Stromversorgung verfügen, die Leseentfernung beträgt bis zu 10 m, der Energiebedarf stammt aus dem elektromagnetischen Feld des Lesegeräts, • aktive Transponder, die mit einer eigenen Energiequelle ausgestattet sind, die Leseentfernung beträgt bis zu 100 m, Temperaturbereich und Lebensdauer sind allerdings eingeschränkt, • Read only-Transponder, die eine ein-eindeutige Seriennummer erhalten, die nicht geändert werden kann. Die Kommunikation zum Lesegerät findet nur in eine Richtung statt, indem der Transponder fortlaufend seine Kennung sendet. Eine Datenübertragung von Lesegerät zum Transponder ist nicht möglich, dafür sind diese sehr preisgünstig, z. B. für Tieridentifikation, Zutrittskontrolle. • wiederbeschreibbare Transponder, die bis zu 100.000 mal gelöscht und neu beschrieben werden können. Sie erfordern eine unterbrechungsfreie Spannungsversorgung durch Batterie. • Transponder mit Kryptofunktion für sensible Daten zum Schutz vor unberechtigtem Zugriff, z. B. durch Password-Sendung und Vergleich mit der PasswordSpeicherung auf dem Chip. Denkbar sind auch zwei geheime Schlüssel sowie ein Schreibschutz, die Codierung ist dabei in einem Schlüsselspeicher abgelegt, der nicht ausgelesen werden kann. • Transponder mit segmentiertem Speicher für verschiedene Zugriffsebenen mit verschiedenen Schlüsseln, die Speichersegmente sind dabei meist gleich groß, • Voll- und Halbduplexverfahren, d. h., die Antwort des Transponders wird nur bei eingeschaltetem Hochfrequenzfeld des Lesegeräts übertragen, • sequenzielles Verfahren, d. h., die Datenübertragung findet kontinuierlich statt. Vorteile von RFID sind im Wesentlichen folgende: • Sehr hohe Speicherkapazität der Tags, geringe Fehlerquote beim Ablesen, die Tags sind langlebig und resistent gegen physische Einwirkungen, viele Objekte können gleichzeitig erfasst werden, es ist keine Sichtverbindung zwischen Tag und Leser notwendig, eine Wiederbeschreibung der Tags ist möglich, sehr schneller Datenaustausch, hohe Datensicherheit, Lokalisierbarkeit der Objekte kontaktloses Lesen und Schreiben, eineindeutige Electronic product codeNummer / EPC, verdeckte Integration, Vermeidung von Medienbrüchen.

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4. Der stationäre Handel als Absatzmittler

Nachteile sind hingegen: • Gesundheitliche Risiken durch elektromagnetische Strahlung („Elektro-Smog“) möglich, (noch) relativ hohe Preise, allerdings stark fallend, Funktionalität kann durch Metallgegenstände und Flüssigkeiten beeinflusst werden, hohe Investitionskosten in technische Infrastruktur, unklare Kosten-Nutzen-Relation, mangelnde Prozessstandards, erhebliche Datenschutzbedenken, Reaktanzgefahr im Publikum, enorme Datenflut, komplexe Antikollisionsprotokolle, evtl. versteckte Anbringung der Transponder / ​Lesegeräte, verbotswidriges Abhören der übertragenen Funksignale.

4.2.2 Einzelhandelscontrolling 4.2.2.1 Direkte Produkt-Profitabilität Die Direkte Produkt-Profitabilität (DPP) ergibt sich nach mehreren Rechenstufen analog zur Deckungsbeitragsrechnung mit relativen Einzelkosten. Im Einzelnen handelt es sich dabei um die Nachfolgenden. Die direkten Produktkosten setzen sich wie folgt zusammen. Zu den Personalkosten incl. aller Nebenkosten wie Sozialabgaben, Prämien, Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall etc. gehören im Zentrallager die Kosten für Disposition, Warenannahme, Einlagerung, Umlagerung, Kommissionierung, Transport und Leerguthandhabung, sowie im Einzelhandel selbst die Kosten für Disposition, Warenannahme, Einlagerung, Auslagerung, Transport zum Regal, Entpaketierung, Auspreisung, Platzierung, Entsorgung von Packmaterial, Kassierung und Leerguthandhabung. Zu den Raumkosten gehören im Zentrallager die Kosten für Disposition, Warenannahme, Einlagerung, Umlagerung, Kommissionierung und Leerguthandhabung, sowie im Einzelhandel selbst die Kosten für Platzierung und Leerguthandhabung. Denn je weniger Fläche / ​Raum ein Artikel je Gewinneinheit einnimmt, desto effizienter kann der vorhandene Platz als Restriktion am Ort des Verkaufs und im Lager genutzt werden. Zu den Gerätekosten gehören im Zentrallager die Kosten für Disposition, Warenannahme, Einlagerung, Umlagerung, Kommissionierung, Transport und Leerguthandhabung, sowie im Einzelhandel selbst die Kosten für Disposition, Entpaketierung, Auspreisung, Kassierung und Leerguthandhabung. Zu den Einrichtungskosten (Ausstattung) gehören im Zentrallager die Kosten für Disposition, Warenannahme, Hochregallagerung und Kleinmengenlagerung, sowie im Einzelhandel selbst die Kosten für Einlagerung, Auslagerung, Platzierung und Kassierung. Außerdem fallen Dispositionskosten an, die aus der Anzahl von Bestellungen und den Kosten je Bestellung resultieren. Hinzu kommen Handlingkosten, z. B. im Zentrallager.

4.2 Warenwirtschaft des Handels

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Vom Einkaufspreis je Produkteinheit (ohne MwSt.) werden die direkt zurechenbaren Vergütungen des Herstellers abgezogen wie Boni, Rabatte, WKZs etc., es ergibt sich der Netto-Einstandspreis. Dann werden die direkt zurechenbaren Beschaffungskosten für Bezug, Transport zum Zentrallager etc. zugeschlagen. So ergibt sich der Netto-Netto-Einstandspreis je Produkteinheit. Vom Brutto-Verkaufspreis je Produkteinheit (ohne MwSt.) werden alle Nachlässe an Abnehmer abgesetzt. Es ergibt sich der Netto-Verkaufspreis je Produkteinheit. Die Gegenüberstellung von Netto-Verkaufspreis und Netto-Netto-Einstandspreis ergibt die Brutto-Handelsspanne. Werden von der Brutto-Handelsspanne alle indirekten (Gemein-)Kosten abgezogen, ergibt sich die Netto-Handelsspanne, vom Verkaufspreis aus in Hundert gerechnet bzw. der Kalkulationsaufschlag vom Einstandspreis aus auf Hundert gerechnet. Dies war früher das Hauptkriterium für Handelsentscheidungen. Von der Brutto-Handelsspanne werden die direkt zurechenbaren Operationskosten je Produkteinheit (Einzelkosten / ​direkte Produktkosten) abgezogen. Es ergibt sich die DPP, vergleichbar der Teilkostenrechnung. Tabelle 5 Ermittlung der Direkten Produkt-Profitabilität (Schema) Netto-Verkaufspreis (Brutto-Verkaufspreis − MwSt.) − Nachlässe aus Leistungs-/Nichtleistungskonditionen + Zuschläge = Netto-Netto-Verkaufspreis Netto-Einkaufspreis (= Brutto-Einkaufspreis − MwSt.) − Nachlässe + Beschaffungskosten = (Netto-Netto-)Einstandspreis Netto-Netto-Verkaufspreis − Einstandspreis (Netto-Netto-) − direkte Produktkosten (= Einzelkosten und geschlüsselte / ​unechte Gemeinkosten des Produkts) = DPP (deckt Gemeinkosten und Gewinnspanne ab) Netto-Netto-Verkaufspreis − Einstandspreis (Netto-Netto-) = (Brutto-)Handelsspanne − Einzelkosten (Einzelkosten und unechte Gemeinkosten = direkte Produktkosten) = DPP − Gemeinkosten (echte) = Netto-Handelsspanne (Gewinn) So ergibt sich die DPP wie folgt: DPP = Netto-Verkaufspreis − (Netto-Netto-)Einstandspreis − direkte Produktkosten.

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4. Der stationäre Handel als Absatzmittler

4.2.2.2 Direkte Produkt-Rentabilität Zur Ermittlung der Direkten Produkt-Rentabilität (DPR) wird die DPP um die Umschlaghäufigkeit je Zeitraum relativiert. Es ergibt sich der Bruttonutzen je Produkteinheit als direkte Umsatzrendite und Zeitraum bzw. Lagerumschlag als DPR. Dies ist die von einer Produkteinheit nach Abzug ihrer direkten Produktkosten realisierte Rendite für das in ihren durchschnittlichen Lagerbestand investierte Kapital. Denn je weniger Zeiteinheiten ein Produkt am Ort des Verkaufs und im Lager verbringt, desto häufiger kann es seinen Stückerfolg je Abrechnungsperiode erlösen, desto profitabler ist es also: Umsatz zu Netto-Netto Einstandspreis Direkte Produkt-Profitabilität / ​DPP DPR = × 100 × Umsatz zu Netto-Netto-Einstandspreisen durchschnittlicher Lagerbestand (zu Netto-Netto-Einstandspreis)

Durch Kürzung der Quotienten ergibt sich die DPR wie folgt: DPR = Direkte Produkt-Profitabilität : durchschnittlicher Lagerbestand

Der durchschnittliche Lagerbestand in € ergibt sich nach folgender Formel: = (Lagerendbestand – Lageranfangsbestand) : 2

Der Umsatz zu Einstandspreisen ergibt sich je Artikel aus dessen Absatzmenge multipliziert mit dem effektiven Einkaufspreis pro Stück ohne Vorsteuer, jedoch nach Nachlässen, Werbekostenzuschüssen etc., zzgl. Bezugskosten: • Netto-Netto-Einstandspreis = Einkaufspreis + Bezugskosten – Nachlässe • Nettoverkaufspreis

= Bruttoverkaufspreis – Nachlässe + Zuschläge

• Bruttorohertrag / ​Spanne

=  Nettoverkaufspreis – Netto-Netto-Einstandspreis.

Einflussgrößen auf die DPR sind Verkaufspreis, Einkaufs-/Einstandspreis, Einzelkosten, Umschlaggeschwindigkeit, Umsatzrendite und Flächenbeanspruchung / ​Raumkosten (siehe Tabelle 6: Ermittlung der Direkten Produkt-Rentabilität (Beispiel)). Der DPR-Wert ist der wichtigste Indikator für die Erfolgsträchtigkeit eines Artikels im Handel. Er steuert die Sortimentszusammensetzung im Rahmen der durch die Nachfrage vorgegebenen Präferenzen (siehe Abbildung 56: DPRKennzahlensystem). Theoretisch ergibt sich das Optimum zwischen zwei Extremen, einerseits die ganze Regalfläche nur mit dem DPR-stärksten Artikel allein zu bestücken und andererseits alle gewünschten Artikel gleichmäßig häufig zu berücksichtigen. Bei Vorgabe eines Sortiments-Mix in definierter Breite und Tiefe ergibt sich die optimale Platzierung nach DPR. Dabei wird der Engpass Regalplatz unter Zugrundelegung verschiedener Wertigkeiten im Regal und im Ladenlayout optimiert.

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4.2 Warenwirtschaft des Handels Tabelle 6 Ermittlung der Direkten Produkt-Rentabilität (Beispiel)

Bruttoverkaufspreis pro Stück: 10 € 0,30 € Nachlässe pro Stück vom Lieferanten: Nachlässe pro Stück an Kunden: 0,30 € 6 € Einkaufspreis pro Stück: Bezugskosten pro Stück: 0,50 € Zuschläge an Kunden: – Handlingkosten pro Stück: 1,70 € Artikelmenge: 1.000 Lagerendbestand: 300 Lageranfangsbestand: 200 1.000 € (nicht direkt zurechenbare) Gemeinkosten: Netto-Netto-Einstandspreis: 6,20 € (6 − 0,3 + 05) Nettoverkaufspreis: 9,70  € (10,00 − 0,30) 3,50  € (9,70 − 6,20) Bruttorohertrag: 1,80 € (3,50 − 1,70) Umsatzprofitabilität / ​DPP pro Stück: Umsatzprofitabilität / ​DPP gesamt: 1.800 € (bei 1.000 Stück) Umsatz zu Netto-Netto-Einstandspreisen: 6.200 € (1000 × 6,2) durchschnittlicher Lagerbestand: 50 ((300 − 200) : 2) 29 % ((1.800 × 100) : 6200) Umsatzrentabilität (direkte Umsatzrendite): 124 (6.200 : 50) Lagerumschlagshäufigkeit: 3.600 (29,03 × 124) DPR: Gewinn:

2.600  € (6.200 − 3.600)

Bei Vorgabe von Unter- bzw. Obergrenzen für Teilsortimente werden mehrere Optionen verglichen, um zum absoluten Optimum zu gelangen. Dieser Optimierungsvorgang muss kontinuierlich wiederholt werden, nämlich immer dann, wenn sich die DPR-Werte einzelner Artikel aufgrund von Einflussfaktoren im Einkauf, im Verkauf oder in der Abwicklung verändern. Tatsächlich sind mehrere Annäherungen im Rahmen der dynamischen Programmierung möglich. So können, ausgehend von einem Minimum-Sortimentsumfang, weitere Artikel sukzessiv hinzugenommen werden, oder, ausgehend von einem Maximal-Sortimentsumfang, sukzessiv Artikel herausgenommen werden oder, ausgehend von einem Stammsortiment, fakultative Artikel hinzugenommen und dabei jeweils auf eine Ergebnisverbesserung hin überprüft werden. Ein Problem stellen dabei Verbundwirkungen dar, und zwar gleich mehrfach, vor allem zwischen weggenommenen und bestehenden Artikeln, zwischen bestehenden Artikeln in der Platzierungsnähe, beide komplementär, zwischen bestehenden Artikeln derart, dass der Umsatz erhalten bleibt, auch wenn man ein Produkt wegnimmt sowie durch negative Ausstrahlung bei Platzierungsnähe, beide substitutiv. Seit DPP / ​DPR sind die Zeiten vorbei, als Merchandiser der Industrie um den Erhalt und Ausbau des Regalplatzes für ihre Produkte am POS kämpfen mussten. Vielmehr gibt der Handel durch artikelgenaue Platzierungsvorgaben an, wo

266

4. Der stationäre Handel als Absatzmittler

Produktrendite

: Gewinn

Kapitaleinsatz

Deckungsbeitrag

Nettoumsatz

-

Fixkosten

variable Kosten

+ Wareneinsatz

-

Erlösschmälerungen

sonstige variable Marketingkosten

Bruttoumsatz

x Absatz

Stückpreis

Bruttopreis

Kundenzahl

x

Rabatt

Einheiten/Kunde

x Anzahl Bestellungen

ø Auftragsgröße

x Bedarfsträger

Ausschöpfungsgrad

Abbildung 56: DPR-Kennzahlensystem

Merchandiser wie viel Ware welcher Zusammensetzung platzieren dürfen. Diese Vorgaben sind durch Regalplatzoptimierungsprogramme (auch Shelf management optimization / SMO) ermittelt und resultieren in Regalspiegeln. Die Einhaltung dieser Vorgaben ist für den Handel strikte Gewinnvoraussetzung bei oft schmalsten Margen und wird streng kontrolliert. Insgesamt führt dies zu einer Versachlichung der Beziehungen im Absatzkanal, denn es wird nicht mehr über Erfolgsgrößen spekuliert, statt dessen liegen harte, objektivierte Fakten zugrunde. Als Nebeneffekt ergeben sich interessante Marktforschungserkenntnisse. So liefert die Bon-Analyse wichtige Anhaltspunkte hinsichtlich positiver und negativer Bedarfs-, Nachfragerund Kaufverbünde von Artikeln und damit zu Kundenbindungspotenzialen und zur Kundenlebenszeitwertausschöpfung.

4.2 Warenwirtschaft des Handels

267

Als Kritik wird angeführt, dass anteilige Gemeinkosten in die Berechnung mit einbezogen werden und so zu falschen Entscheidungen führen. Dies gilt etwa für Personal-, Raum-, Einrichtungs-, Gerätekosten etc., die weitgehend von Absatzmengen unabhängig sind. Es handelt sich lediglich um Durchschnittswerte, die als solche wenig aussagefähig sind. Zeitliche Schwankungen etwa werden kaum berücksichtigt, sind aber entscheidend für den Absatzerfolg, ebenso wenig wie standortspezifische Besonderheiten. Es kommt zu Einschränkungen der Entscheidungsunterstützung durch Vernachlässigung solcher standortspezifischer Besonderheiten. Verbundeffekte bei Absatz und Beschaffung werden erst nachträglich einbezogen. Vor allem kommt es nicht zur Offenlegung der genauen, internen Kostendaten bei Hersteller und Handel. Insofern ist ein permanentes Trial & error statt einer Optimierung gegeben. Es findet eine dominante Orientierung auf der Kosten- statt auf der Absatzseite statt, das entspricht nicht unbedingt einer absatzorientierten Denkweise. Die Informationsökonomie ist fraglich, denn eine wahre Flut von Einzeldaten ist zu erfassen, zu ordnen und auszuwerten, denen nur begrenzte Erkenntnisse gegenüber stehen. Zudem bedarf es der Pflege des Datenpools und seiner stetigen Aktualisierung, was wiederum Kosten verursacht. Es besteht der Verdacht mangelnder Ökonomie, auch weil meist bereits geringer detaillierte Informationen zur Entscheidung ausreichen. Es können falsche Indikationen infolge unvollständiger oder verzerrter Daten gegeben werden. Es werden nur effektiv für die Funktionsausübung genutzte Kapazitäten mit Kosten bewertet, nicht jedoch Leerkosten nach dem Prinzip der Nutzkostenverrechnung. Ein weiteres Problem ist die Kostenerfassung, dazu sind aufwändige Arbeitsablaufstudien, Flächen-, Volumen- und Kontaktstreckenmessungen nötig.

4.2.3 Warenplatzierungskonsequenzen 4.2.3.1 Regalspiegel Das Ergebnis der Sortimentsoptimierung wird in Form eines Regalspiegels zusammengefasst, der ausweist, welche Artikel in welcher Kombination an Größen, Versionen etc. auf einem vorhandenen Regalplatz als Engpass wie und in welcher Anzahl angeordnet werden sollen. Dabei ist auch die unterschiedliche Erfolgsträchtigkeit der Platzierungen im Regal zu berücksichtigen. Der Regalspiegel wird zumeist durch einen Plotter illustriert, so dass unmittelbar ersichtlich ist, an welchem Platz wie viel Ware welcher Art zu platzieren ist. Diese artikelgenaue Platzierung ist dann in den Großbetriebsformen des Handels Vorgabe für vom Hersteller beauftragte Merchandiser zur Befüllung der Regale. Der Marktleiter zeichnet die zutreffende Platzierung gemäß Regalspiegel auf dem Auftragsformular ab, das wiederum Abrechnungsgrundlage für die Kostenerstattung zwischen Merchandiser und Hersteller ist. Aufgrund der Vielzahl der bei der Regaloptimierung anfallenden Daten ist selbst der managementgeführte Handel oft in deren zutreffender Auswertung überlastet. Daher bieten große Markenartikler, meist Warengruppenführer

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4. Der stationäre Handel als Absatzmittler

(auch Category captains), die Beratung für eine optimierte Regalplatzierung der gesamten Warengruppe im speziellen Handelsbetrieb innerhalb der handelsseitig vorgegebenen Restriktionen und anhand standardisierter Auswertungsprogramme an. Categories sind nicht wie herkömmlich nach Produktarten aufgebaut, sondern nach Kundenbedarfen. Solche Category captain-Hersteller sind etwa: • Beiersdorf (für die Produktgruppe Hautpflege), Coca-Cola (Erfrischungs­ getränke), Dr. Oetker (Nahrungsmittel), Effem (Tiernahrung), Henkel (Waschmittel), Herlitz (Papierwaren), Johnson & Johnson (Damenhygiene), Kellogg’s (Cerealien), KJS (Kaffee), Lever (Deodorantien), Mars (Schokoriegel), Procter & ​Gamble (Waschmittel), GSK (Oralhygiene), Schwartau (Brotaufstriche), Schwarzkopf (Haarkosmetik), UDL (Tiefkühlkost). Auf diese Weise entsteht eine Win-win-Situation. Der Handel profitiert von den Erkenntnissen der Auswertung. Zugleich gewinnen Markenartikler damit Daten über die Marktgängigkeit nicht nur der eigenen Produkte, sondern auch der unmittelbaren Konkurrenzprodukte. Der Versuchung der Manipulation der Daten widersteht übrigens jeder Hersteller, da bei Aufdeckung seine Glaubwürdigkeit gegenüber dem Handel irreversibel gemindert würde. Die Platzierung dient dem abverkaufsgerechten Aufbau durch: • Vermeidung von Bestandslücken (auch Out of stock) zur Umsatzsteigerung, Ertragsverbesserung, Vermeidung von Kundenverlusten, • Vermeidung von Überkapazitäten, weniger Kapitalkosten, Raum für neue Produkte, Chance zu Bedarfsverbund im Cross buying, • gleichmäßigem Regalabverkauf, damit weniger Auffüllen, produktivere Arbeitsabläufe für das Personal und bessere Personaleinsatzplanung. Für ein verkaufswirksames Regalbild sind vor allem die horizontale und vertikale Blockbildung wichtig. Für die optimale Sortimentsbreite/-tiefe sind die Auslistung unrentabler Artikel zur Ertragsverbesserung sowie die Bestelleinheitenoptimierung nach Gebindegrößen wichtig. Es gibt jedoch vielfältige Restriktionen bei der Regaloptimierung. Sie ergeben sich aus der Regalfläche, also Laufmeter und Regalhöhe. Dies begrenzt die Anzahl der Artikel, Sorten, Packungsgrößen etc. je Produktgruppe. Außerdem gibt es „Pflichtmarken“ des Handels, für die in jedem Fall Platz einzuräumen ist, ebenso wie für lokale Angebote der Märkte. Weiterhin ist Platz für Handelsmarken und Gattungsware zu reservieren. Schließlich sind produktgruppenübergreifende Verbundeffekte zu berücksichtigen. Auch hat sich ein Mindest-Facing je Artikel als erforderlich erwiesen. Die Regalbelegungsplanung erfolgt im Einzelnen konkret in fünf Phasen: • Bestimmung der Rahmenbedingungen, Vorgaben wie angestrebte Reichweite des Bestands, Testzeitraum, Festlegung der Test- und Kontrollmärkte, Sicherung der Datenbasis etc.,

4.2 Warenwirtschaft des Handels

269

• Erhebung und Eingabe der benötigten Daten, Regal-/Regalbodenabmessungen, Abmessungen und Platzierung der Artikel, aktuelle artikelgenaue Abverkaufsdaten, Einkaufs- und Verkaufspreise, • Analyse des Regals nach Raumaufteilung, Raumanordnung, qualitativer und quantitativer Raumzuteilung, Raumeinrichtung, Ladenfrontgestaltung etc., moderne Programme weisen dabei im Berichtswesen Kennzahlen, Rangberichte und Aussagen zu geplantem Umsatz, entgangenem Umsatz durch Bestandslücken, Rohgewinn gemäß Handelsspanne, DPP, Bestandswert, Bestandsumschlag, Vorratsdauer etc. aus, • Erstellung des neuen Regalplanogramms nach frei wählbaren Kriterien wie Vermeidung von Über- und Unterbeständen, Mindestzahl an Frontstücken, Mindest­vorratsmengen, Betriebspolitik bzgl. Sortimentsgröße, Warengruppen, Produktarten, Artikel, Absatzmenge, Umsatz, Rohertrag etc., meist anhand marginalanalytischer oder an Kennzahlen orientierter Verfahren, • Umstellung des Regals und Kontrolle bzw. Analyse zur Feinaussteuerung, • Änderungsanalyse durch Vorher-nachher-Vergleich. 4.2.3.2 Regaloptimierung Aus den Handelserfolgskennziffern lassen sich interessante Schlussfolgerungen für Maßnahmen zur Ertragssteigerung ableiten, legt man die beiden Parameter Umschlaghäufigkeit und Direkte Umsatzrendite zugrunde. Die Umschlaghäufigkeit gibt die Geschwindigkeit des Abverkaufs eines Artikels in einer Zeiteinheit für alle Teile seines Sortiments an. Dabei wird zwischen Schnelldrehern („Rennern“) und Langsamdrehern („Pennern“) unterschieden. Erstere haben eine überdurchschnittliche, letztere eine unterdurchschnittliche Umschlaghäufigkeit. Vergleichbar lassen sich die Artikel auch nach über- oder unterdurchschnittlicher Direkter

Umschlaghäufigkeit

unterdurch schnit tlich tlich

überdurch

schnit

Direkte Umsatzrendite

unterdurchschnittlich

überdurchschnittlich

(1)

(3)

(4)

(2)

Abbildung 57: Maßnahmen zur Regalplatzoptimierung

270

4. Der stationäre Handel als Absatzmittler

Umsatzrendite einteilen. Aus der Kombination dieser Parameter ergeben sich vier Felder. Jeder Handelsbetrieb kann nun jeden seiner Artikel im Sortiment hinsichtlich beider Größen bewerten und einem Feld zuordnen. Aus dieser Position ergeben sich dann konkrete Maßnahmen zur Ertragssteigerung im Betrieb (siehe Abbildung 57: Maßnahmen zur Regalplatzoptimierung). Maßnahmen für Artikel mit unterdurchschnittlicher Umschlaghäufigkeit und unterdurchschnittlicher Direkter Umsatzrendite (1) sind folgende: • Engere Platzierung, um mehr Rohertrag durch mehr platzierte Ware zu erreichen. Die Produkte können dabei in die Tiefe oder die Höhe angeordnet werden. • Rack jobbing, also Tausch des Flächenertrags gegen Mieteinnahme / ​Provision aus Fremdbewirtschaftung. Damit kann das ökonomische Risiko gesenkt werden. • Preiserhöhung, um den Rohertrag durch mehr Einnahmen zu verbessern. Fraglich ist allerdings, inwieweit sich Preisanhebungen am Markt erfolgreich durchsetzen lassen. • Auslistung, wenn andere Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg erbringen. Allerdings sind Verbundkäufe zu berücksichtigen, die entfallen, wenn einer der verbundenen Artikel nicht mehr vorhanden ist. Maßnahmen für Artikel mit überdurchschnittlicher Umschlaghäufigkeit und überdurchschnittlicher Direkter Umsatzrendite (2) sind folgende: • Mehr Werbung, um das Chancenpotenzial, das in der Produktbegabung dieser Angebote liegt, auch voll auszuschöpfen. Denn es steht zu vermuten, dass die zusätzlichen Kosten durch zusätzliche Erlöse übertroffen werden. • Zweit- und Sonderplatzierung, da die zusätzlich beanspruchte Fläche von der hohen Flächenproduktivität getragen wird. Zweit- und Sonderplätze führen erfahrungsgemäß zu steigender Nachfrage. • Intensive Regalpflege, damit keine betrieblichen Unzulänglichkeiten das Ertragsvolumen schmälern. Dies betrifft auch die ausreichende Bevorratung der erfolgreichen Artikel. • Maximale Kontaktfrequenz, daher Überprüfung des Kundenlaufs im Laden. Denn die Hebelwirkung auf Absatz und Ertrag ist bei diesen Artikeln am höchsten. Maßnahmen für Artikel mit unterdurchschnittlicher Direkter Umsatzrendite bei gleichzeitig überdurchschnittlicher Umschlaghäufigkeit (3) sind folgende: • Kostensenkung, um bei gegebenem Preis zu einem höheren Rohertrag zu gelangen. Dies kann die Einschränkung von Werbung nur insofern betreffen, als darunter der Umschlag nicht allzu sehr leidet. • Einrechnung von Verbundeffekten, denn oft übertreffen die Einnahmen unterforderter Artikel deren abbaubare Kosten und machen es deshalb sinnvoll, sie weiterhin im Sortiment zu behalten.

4.2 Warenwirtschaft des Handels

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• Engere Platzierung, um mehr Rohertrag durch mehr platzierte Ware zu erreichen. Denn die Akzeptanz des Artikels bei Kunden ist durch die Umschlaggeschwindigkeit bereits bewiesen. • Preiserhöhung, soweit dadurch der Umschlag abhängig von der Preiselastizität der Nachfrage und den Konkurrenzpreisen nicht leidet. Bei gleichen Kosten ergibt sich so eine höhere Handelsspanne. Maßnahmen für Artikel mit überdurchschnittlicher Direkter Umsatzrendite bei gleichzeitig unterdurchschnittlicher Umschlaghäufigkeit (4) sind folgende: • Aktion, um die Artikel anlassbezogen in den Mittelpunkt zu rücken und die Nachfrage spürbar zu beleben. Dadurch wird die Hebelwirkung der Profitabilität sehr wirksam genutzt. • Zweitplatzierung, um den Umschlag und damit den Rohertrag zu erhöhen. Dadurch können Spontankäufe ausgelöst werden, die anderweitig unterbleiben oder in anderen Läden getätigt werden. • Verkaufshilfen, um die Aufmerksamkeit für das Angebot zu erhöhen. Dies betrifft vor allem erklärungsbedürftige Produkte, die dadurch enorm an Attraktivität gewinnen. • Preissenkung, soweit dadurch die Rentabilität nicht gefährdet wird. Letztlich kommt es darauf an, ob der Absatzzuwachs dabei den Preisabschlag mehr als ausgleichen kann. In Selbstbedienungsformen des Einzelhandels ist zudem das Problem des Ladendiebstahls nicht zu vernachlässigen. Die Inventurdifferenz liegt hier je nach Betriebsform bei bis zu 2 % des Gesamtumsatzes, schätzungsweise zu gleichen Teilen durch Kunden und Mitarbeiter verursacht. Bei den oft sehr schmalen Margen im SB-Handel bedeutet dies ganz eine erhebliche Gewinneinbuße. Die Gründe sind vielfältig, zu nennen sind vor allem: • eine überbordende Warenfülle am POS, so dass der wahrgenommene„Grenzschaden“ gering scheint, eine enorme Reizüberflutung im Erlebnishandel, die SB-Warenabgabe mit oft mangelnder Sicherung gewährt leichtem Zugriff, verbreitete Geringschätzung von Eigentum und Handelsinstitution („sind reich genug“), im Regelfall geringe Sanktionen wie Hausverbot, ein wachsendes Prekariat mit gesteigertem Besitzwunsch, eine oft beklagte umgreifende Sittenverwahrlosung. Pragmatische Gegenmaßnahmen beziehen sich vor allem auf folgende Aspekte: • Sicherung durch diebstahlerschwerende Ladengestaltung über Spiegel, Beleuchtung oder offene Möbelanordnung, Sicherungen durch Mitarbeiterschulung und Stichprobenkontrollen für das Personal, Einsatz von Hausdetektiven oder Sicherheitsdiensten mit „Fangprämien“, Installation adäquater Technik wie Ketten, RFID-Etiketten oder feste Klebung auf Blisterkarten bzw. moderner Elektronik durch Videoüberwachung oder elektronische Artikelsicherung mit Deaktivierung.

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4. Der stationäre Handel als Absatzmittler

4.2.4 Efficient consumer response 4.2.4.1 Supply chain management Efficient consumer response (ECR) betrifft die kontinuierliche Fokussierung darauf, dem (Handels-)Kunden einen entscheidenden Mehrwert zu liefern, also bessere Produkte, bessere Qualität, passendere Sortimente, höhere Lieferfähigkeit, mehr Annehmlichkeiten zu geringeren Kosten, und das in der gesamten Lieferkette. Damit werden überkommene Rituale der Win / ​lose-Beziehungen zwischen Handels- und Herstellerstufe überwunden und durch Win / ​win-Partnerschaften ersetzt. Dazu ist eine partnerschaftliche und auf Vertrauen basierende Kooperation zwischen Hersteller und Handel erforderlich, um Ineffizienzen entlang der Wertschöpfungskette unter Berücksichtigung der Verbraucherbedürfnisse zu beseitigen und allen Beteiligten einen Nutzen zu stiften, der für jeden von ihnen im Alleingang so nicht zu erreichen gewesen wäre. Dazu müssen genaue und zeitgerechte Informationen sowie ausgefeilte Techniken verwendet werden, um effektive Entscheidungen in den Bereichen Marketing, Produktion und Logistik zu unterstützen. Diese Informationen fließen extern zwischen den Transaktionspartnern über EDI-Standards und führen intern zur produktivsten und effizientesten Nutzung dieser Informationen in IT-Systemen. Die Produkte müssen unter Maximierung eines Mehrwerts durch Optimierung der Geschäftsprozesse vom Hersteller zum Konsumenten gelangen. Ein allgemeines und konsistentes Durchsatzmessungsund Anerkennungssystem muss eingesetzt werden, das auf die Effektivität des Gesamtsystems gerichtet ist, das den potenziellen Nutzen klar identifiziert und die gerechte Aufteilung dieses Nutzens unterstützt. ECR bedient sich dazu im Einzelnen vier Substrategien auf zwei Seiten. Auf der Angebotsseite des ECR handelt es sich um das Supply chain management (SCM / ​ Lieferkettenpolitik) durch effiziente Administration, effiziente Logistik und effiziente Lagernachschubversorgung. Supply chain management hat im Einzelnen eine Verringerung des Papierflusses, die Vermeidung der wiederholten Bestellerfassung und die Nutzung moderner Kommunikationsstandards wie EDI, EANCOM, SEDAS zum Inhalt. Weiterhin die rationelle Gestaltung des Warenstroms sowie Normen für Verpackung und Anlieferung. Schließlich die Sicherstellung einer kontinuierlichen Warenversorgung, die Reduzierung des Lagerbestands und eine Erhöhung der Servicestandards. Efficient replenishment (ERP) stellt die zentrale ECR-Einstiegsstrategie dar. ERP ist somit eine angebotsseitige, logistikgeprägte Basisstrategie des ECR-Konzepts, die darauf abzielt, Ineffizienzen des Waren- und Informationsflusses entlang der Versorgungskette zu bereinigen, indem das herkömmliche Belieferungssystem, nämlich vom Handel aufgegebene Bestellungen, durch einen sich an der tatsächlichen bzw. prognostizierten Nachfrage der Konsumenten orientierenden, abgestimmten Feedback-Prozess ersetzt wird, wobei der Hersteller im Idealfall

4.2 Warenwirtschaft des Handels

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des automatischen Bestellwesens selbst für die Bestellungen des Händlers verantwortlich zeichnet. ERP schafft damit einen besseren Service für Konsumenten durch Optimierung von Zeit und Kosten durch J-i-t-Logistik, automatisches Bestellwesen und Austausch von Abverkaufsdaten via EDI. Diese Zusammenarbeit im Bereich der Logistik und des Informationsflusses (auch Continuous replenishment / ​CRP) durch engeren Kontakt zwischen den im Absatzkanal Beteiligten vermindert die Kapitalbindung durch Bestandsminderung, schafft eine bessere Auslastung der Transportmittel, beschleunigt die Logistikprozesse und verbessert die Produktverfügbarkeit am POS. Dazu sind eine ganze Reihe von Techniken erforderlich: • Vendor managed inventory (VMI), d. h. Bestellvorschläge (Computer assisted ordering) des Herstellers werden aufgrund von Abverkaufsdaten am POS aus Scanner-Kassen automatisch generiert und bedürfen nur noch der Zustimmung des Handels. Dies setzt geeignete Prognoseprogramme voraus. Damit kann sich der Handel verstärkt auf seine Dienstleistung konzentrieren, in der Warenwirtschaft wird er von Herstellern entlastet. Insofern kommt es zur Arbeitseinsparung im Bestellwesen des Handels und zu weniger Out of stock-Situationen am POS. • Co-managed inventory (CMI), d. h., die Bestellung erfolgt zwar durch Händler, aber unter Nutzung moderner Datenverarbeitung und Einbindung in die Herstellerprozesse (traditionell hingegen: Buyer managed inventory / ​BMI, d. h., die Bestellung erfolgt durch Händler ohne Einfluss des Herstellers wie bisher auch). Hinsichtlich der Organisation sind verschiedene Ausprägungen mit oder ohne Zwischenlagerung und mit oder ohne Vorkommissionierung zu unterscheiden (siehe Abbildung 58: Generationen von Supply chain-Abläufen). Die 1. Generation kommt ohne Zwischenlagerung und ohne Kommissionierung im Handel aus. Hersteller-Lkw fahren direkt vom Hersteller die jeweiligen Handelsfilialen an. Die Probleme sind offensichtlich, es kommt auf der Rückfahrt zu weitgehend unausgelasteten Transportkapazitäten und zu vielfachen Wegen zwischen Herstellerstandort und Filialen mit jeweils kleinen Transportmengen. Die 2. Generation arbeitet mit Zwischenlagerung und mit Kommissionierung im Handel. Hersteller-Lkw fahren ein Zentrallager an, dort wird die Ware zwischengelagert und dann für die Filialen zusammengestellt. Die Probleme dieser Verfahrensweise liegen in unnötigen Lagerzeiten der Ware mit Kapitalbindung und unnötigen Umladungen mit Manipulationskosten auf Seiten des Handels. Die 3. Generation ist ohne Zwischenlagerung und mit Kommissionierung im Handel ausgelegt. Hersteller-Lkw fahren ein Warenverteilzentrum an, dort werden die Ladungsträger (Unit loads) entladen, umgestellt und sofort auf HandelsLkw beladen, die dann die Filialen anfahren. Vorteilhaft ist dabei die verringerte Kapitalbindung, jedoch bleibt ein Arbeitsanteil beim nachfragemächtigen Handel:

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4. Der stationäre Handel als Absatzmittler

Lieferant

Abnehmer

Lieferant

Abnehmer

2. Gen. 1. Gen.

3. Gen.

Lieferant

4. Gen.

Abnehmer

Lieferant

Abnehmer

Abbildung 58: Generationen von Supply chain-Abläufen

• Eine herausgehobene Rolle spielt dabei das Cross docking. Die meisten Handelsunternehmen haben Distributionszentren, in denen die großen Lieferungen der Hersteller ankommen. Dort wird die Ware zwischengelagert und dann für die einzelnen Filialen des betreffenden Handelsunternehmens kommissioniert. Ziel des Cross docking ist es nunmehr, diese Vorgänge zeitlich zu straffen. Gleich, ob die Ware durch den Hersteller angeliefert oder durch den Händler bzw. dessen Spediteur abgeholt wird, soll sie direkt auf die jeweiligen Destinationen verteilt werden. So kann ein Transportfahrzeug, das eine Absatzstelle anläuft, Produkte mehrerer Hersteller geladen haben, während vordem jedes Transportfahrzeug nur die Produkte eines Herstellers geladen hatte und daher mehrere Transportfahrzeuge zur Belieferung ein und dieselbe Absatzstelle anlaufen mussten. Die 4. Generation funktioniert ohne Zwischenlagerung und ohne Kommissionierung im Handel. Hersteller-Lkw fahren ein Warenverteilzentrum mit bereits vorkommissionierten Waren an, dort werden die Lkw filialgerecht beladen. Vorteile sind die Vermeidung unnötiger Kapitalbindung und Arbeit im Handel durch

4.2 Warenwirtschaft des Handels

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Rückverlagerung der Aktivitäten auf die Herstellerstufe, was voraussetzt, dass auch dort möglichst effizient gearbeitet wird. Dabei stehen zwei Techniken im Vordergrund: • Efficient unit loads (EUL) dient zur Optimierung der in Transport und Lagerung eingesetzten Ladeeinheiten. Dabei handelt es sich meist um die Abstimmung auf Palettenformate, die platzsparend auf Transportfahrzeugen bewegt und auch vor Ort durch Flurförderfahrzeuge („Ameise“) verbracht werden können. Dann müssen Produkte auf dem Weg zwischen Hersteller und Handelsplatz nicht mehr unnötig umgepackt werden. Dies betrifft etwa Abmessungen von Packungen, aber auch Gebindegrößen. • Roll cage sequencing (RCS) betrifft die filialgerechte Beladung eines kompletten Rollcontainers („Rolli“) auf Lkw, dadurch kann der gesamte Ladungsträger erst an der Filiale entladen werden. Dies setzt allerdings voraus, dass die Orders der an einer spezifischen Versandroute gelegenen Outlets dem Hersteller nach Art, Sortierung, Menge und Terminierung vorab bekannt sind. Dies wiederum setzt eine enge informationelle Einbindung der handels- und herstellerseitigen Akteure voraus. Der Vorteil ist jedoch eine enorme Ressourcenrationalisierung. Insofern kommt es auf allen Stufen des Absatzkanals zu niedrigerer Kapitalbindung, höherer Liquidität, besserer Ausnutzung der Lagerkapazitäten, höherem Lagerumschlag, beschleunigtem Warenfluss und besserer Planbarkeit der Belieferung. Der Kommissionierungsaufwand wird allerdings auf die Hersteller verlagert, die häufigere Lieferungen in kleineren Mengen vornehmen müssen. Eine Optimierung der Auslastung der Transportkapazitäten kann durch Spediteure erfolgen, die Transportvolumina mehrerer Auftraggeber in einem Transportfahrzeug kombinieren. Dazu sind Warensammelstellen erforderlich, die von Herstellern angelaufen werden. Dort sammelt sich das Transportvolumen mehrerer Hersteller für Lieferungen in eine Region. Der Transport erfolgt dann optimiert zu den Geschäftsstellen des Handels oder zumindest zu einer Warenverteilstelle, die mehrere Spediteure anlaufen und von wo aus filialoptimierte Ladungen abgehen. Ziel ist die möglichst frühzeitige Bündelung des Transportaufkommens mehrerer Hersteller und das möglichst späte Auflösen dieses Bündels zur Belieferung der einzelnen Geschäftsstellen. Dazwischen soll über möglichst weite Strecken eine gebündelte, transportoptimierte Logistik erfolgen.

4.2.4.2 Category management Auf der Nachfrageseite des ECR handelt es sich um das Category management (Warengruppenpolitik) durch effiziente Sortimentsgestaltung (Efficient store assortment / ​ESA), effiziente Verkaufsförderung (Efficient promotion / ​EP) und effiziente Entwicklung und Einführung neuer Produkte (Efficient product introduction / ​ EPI). Category management hat im Einzelnen die Optimierung der Regalplatzie-

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4. Der stationäre Handel als Absatzmittler

rung und der Preise, einen größeren Umsatz bei besserer Spanne und eine höhere Umschlaghäufigkeit zum Inhalt. Weiterhin die Maximierung der Absatzkanaleffizienz, die Reduktion der Kosten für gemeinsame Aktionen sowie die Minimierung der Kosten und der Floprate und die Effizienz der Entwicklung und Produktion. Category management betrachtet Warengruppen als Strategische Geschäftseinheiten, für die ein interdisziplinäres Team von Handels- und Herstellermitarbeitern einen gemeinsamen Geschäftsplanungsprozess entwickelt, um durch die Ausrichtung an den Bedürfnissen der Konsumenten eine verbesserte Warengruppenleistung zu erreichen. Die Warengruppenabgrenzung darf dabei nur nach an Konsumenten ausgerichteten Bedarfsbündeln als Categories erfolgen, nicht nach einzelnen Produkten. Category management tritt damit neben das auf das Einzelprodukt bezogene Product-Management und das auf Outletgruppen bezogene Key account-Management. Das Category management geht dabei im Einzelnen in folgenden Stufen vor: • Bestimmung der zu einer Category gehörenden Produkte aus Konsumentensicht, • Zuordnung der strategischen Rolle zur jeweiligen Category auf der Grundlage der Unternehmensziele des Händlers im kategorieübergreifenden Abstimmungsprozess, • Analyse des Konsumentenverhaltens, der Markt- und Unternehmenssituation in dieser Category zur Identifikation von Verbesserungspotenzialen, • Definition von Leistungskennzahlen und Zielvorgaben für die Category auf Basis des Abgleichs der Category-Rolle und ihrer Bewertung, • Entwicklung der Marketing- und Angebotsstrategie auf Basis der CategoryRolle zur Erreichung der Zielvorgaben, • Umsetzung der Category-Strategie in einen Maßnahmenplan mit den Taktikfeldern Sortiment, Regalplatzierung und -präsentation, Preis und Verkaufsförderung, • Umsetzung des Maßnahmenplans durch eindeutige Zuweisung von Terminen, Prioritäten und Verantwortlichkeiten. So kann der Warenbereich Kosmetik in folgende Categories aufgeteilt werden: • Haar: – Haarpflege: Shampoos, Spülungen, Kuren, Spezialprodukte, – Haarstyling: Sprays / ​Lacke, Festiger, Gele / ​Cremes / ​Wachse, Dauerwellen, – Colorationen: auswaschbar, temporär / ​dauerhaft haltbar, Spezialprodukte. • Körper: – Duschbäder: Universal, Pflege, Frische, Convenience, Men, medizinisch, – Schaumbäder: Ölbäder, Universal, medizinisch / ​Spezial,

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– Deodorantien: Sprays, Zerstäuber, Roll on, Sticks, Gelees / ​Cremes, Spezial, – Seifen: Flüssigseifen, Stückseifen. • Haut: – Basis Milde, Reife Haut, Young care, Natur, Deko, High tech. • Mund: – Zahncremes, Mundspülungen / ​Mundwässer, 3. Zähne, Zahnbürsten. Eine andere Category sind z. B. alkoholfreie Getränke. Die Produktgruppe unterteilt sich in die Subcategories Fruchtgetränke, Erfrischungsgetränke, Wasser, neue Segmente und sonstige. Diese Untergruppen teilen sich ihrerseits in Segmente auf wie Fruchtsaft, Fruchtnektar, Fruchtsaftgetränk, Tea & fruit, ColaGetränke, Limonaden, Bittergetränke, Tafelwasser, Mineralwasser mit C0 2 , Mineralwasser ohne CO2 , Heilwasser, Flavoured water, fruchthaltige Erfrischungsgetränke, Eistee, Energy-Drinks, Sportgetränke, Sirup, Zitronensäfte, Gemüsesäfte und Instantgetränke. Im Wesentlichen werden dabei im Handel vier Warengruppenkategorien unterschieden: • Die Profilierungskategorie: Der Händler ist bei seinen Zielkunden Primäranbieter für diese Kategorie, die Kategorie bietet den Zielkonsumenten einen dauerhaft überdurchschnittlichen Nutzen, sie ist die führende Warengruppe des Händlers hinsichtlich Umsatz, Marktanteil, Kundenzufriedenheit und Service und sie trägt zur Weiterentwicklung von Personal, IuK-Systemen und technologischen Aspekten bei. • Die Pflichtkategorie: Der Händler ist bei seinen Zielkunden bevorzugter Anbieter für diese Kategorie, die Kategorie baut das Image des Händlers auf, sie bietet den Zielkonsumenten dauerhaft einen hohen Nutzen und nimmt eine wesentliche Rolle für die Generierung von Ertrag, Cash-flow und Gesamtkapitalrendite ein. • Die Impuls-/Saisonkategorie: Der Händler ist bei seinen Zielkunden Hauptanbieter für diese Kategorie, die Kategorie verstärkt das Image des Händlers, sie bietet den Zielkunden einen hohen Verbrauchernutzen und nimmt eine sekundäre Rolle bei der Verbesserung von Ertrag, Cash-flow und Gesamtkapitalrendite ein. • Die Ergänzungskategorie: Sie positioniert den Händler bei seinen Zielkunden als umfassenden Anbieter, die Kategorie bietet Zielkunden einen hohen Verbrauchernutzen und sie nimmt eine wichtige Rolle bei der Generierung von Erträgen und zur Margenverbesserung ein. Efficient store assortments (ESA) soll durch eine von Handel und Hersteller gemeinsam getragene effiziente Sortimentsgestaltung den am POS zur Verfügung

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stehenden Platz optimal nutzen durch Space utilization und damit die Sortimentsproduktivität verbessern und gleichzeitig die Kundenzufriedenheit steigern, um so allen beteiligten Unternehmen wie auch den Konsumenten einen maximalen Nutzen zu stiften. Basis sind dabei Categories, d. h. Gruppen von Waren der gleichen Art, die jeweils durch eine Leitmarke dominiert werden. ESA schafft damit eine Optimierung der Sortimente und Lagerbestände in den Filialen, eine Erhöhung der Flächenproduktivität und der Lagerumschlaggeschwindigkeit, sowie entweder eine Standardisierung der Produktplatzierung oder eine individuelle Anpassung an lokale Verbrauchsgewohnheiten. Das Space management bedient sich im Einzelnen einer abverkaufsgerechten Produktplatzierung, exakt ermittelter Kontaktstrecken, präziser Preisfindung sowie der Entwicklung, Zusammenstellung und Kontrolle der Sortimentsbreite und -tiefe in Zusammenarbeit von Handel und Hersteller. Inputdaten sind dabei Größen wie Lieferzeit zwischen Nachbestellung und Wareneingang, Höhe und Schwankung der Kundennachfrage, Gebindegrößen, Mindestbestellmengen, verfügbare Regalfläche, Stapelhöhe, Handlingkosten, Einkaufs-/ Verkaufspreis, Verbundeffekte etc. Efficient promotion (EP) hat wohl das größte Kosteneinsparungspotenzial aller ECR-Substrategien. EP zielt darauf ab, Ineffizienzen bei der Absatzförderung zu beseitigen und das System der Bevorratung mit großen Warenmengen zu Aktionspreisen abzulösen, um einerseits die Schlagkraft der eigenen Absatzorganisation und die des Absatzmittlers zu erhöhen und andererseits Konsumenten bei der problemlosen Beschaffung und Verwendung der Produkte in einem Höchstmaß zu unterstützen. EP schafft damit eine schnellere Reaktion auf sich ändernde Verbraucherbedürfnisse durch totale Systemeffizienz für eine optimale Planung und Bevorratung für Aktionen durch Minimierung der Handlingkosten bei Verwaltung, Lagerung, Transport, Personal. Es soll eine schnellere und effektivere Reaktion auf die Kundennachfrage durch Koordination der Verkaufsförderung zwischen Handel und Hersteller ermöglichen. Dadurch steigt die Effizienz der Aktionen, können die effektivsten Verkaufsförderungstechniken gewählt werden und geht die Kapitalbindung durch hohe Bestandsmengen an Aktionsware zurück. Efficient product introduction (EPI) zielt auf eine enge Zusammenarbeit zwischen Handel und Industrie bei der gemeinschaftlichen Entwicklung und Einführung neuer Produkte ab, um einerseits die damit verbundenen Kosten zu senken und andererseits Konsumenten eine größere Zahl qualitativ hochwertiger Produkte in kürzerer Zeit anbieten zu können. EPI schafft insofern eine Optimierung der Produktentwicklung, ein Controlling der Markteinführung neuer Artikel, effiziente Produkttestmöglichkeiten, sofortige Reaktion auf Verbraucherakzeptanz oder -ablehnung und eine Senkung der Entwicklungskosten. Häufig werden jedoch keine originären Innovationen geschaffen, sondern nur marginal überarbeitete Produkte gelauncht, daher sollen hierdurch vor allem die „echte“ Neuprodukteinführung, die Neuproduktentwicklung und die gemeinsame Handelsmarkenentwicklung vorangetrieben werden.

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4.2.4.3 Informationstechnische Voraussetzungen Damit ECR erfolgreich betrieben werden kann, sind eine Reihe technischer Voraussetzungen zu erfüllen. Dazu gehören vor allem Identifikationssysteme, die es erlauben, Produkte anhand von Lesecodes zu erkennen. Die Internationale Lokations-Nummer (Global location number / ​GLN) stellt die Basis dafür dar. Unternehmen können dabei zwischen Typ 1 und Typ 2 wählen. Die GLN wird für Deutschland von der GS1 (vormals CCG) vergeben und ist weltweit einmalig. Sie dient der Identifikation der Partner, u. a. im elektronischen Geschäftsverkehr. Der GLN-Typ 1 besteht aus einer 13-stelligen Nummer, die zur reinen Identifikation dient und nicht verändert werden darf. Diese Nummer reicht jedoch zur Teilnahme an der Artikelnummerierung GTIN (für Global trade item number) und der Nummer der Versandeinheit / ​NVE (für Serial shipping container code / ​ SSCC) nicht aus. Der GLN-Typ 2 (auch GTIN-Code) ist ebenfalls 13-stellig und setzt sich im Einzelnen aus drei Bestandteilen zusammen: • Die Stellen 1–7 bilden die Basisnummer, diese Ziffernkombination wird durch die GS1 festgelegt und in die NVE übernommen. Sie repräsentiert die Betriebsstammdaten. Die ersten drei Stellen weisen dabei das Herkunftsland der Ware aus. • Die fünf Stellen 8–12 können unternehmensindividuell belegt werden. Sie repräsentieren die Artikelstammdaten. So können je Basisnummer 99.999 verschiedene Codes generiert werden, was selbst für Unternehmen mit großen Programmen ausreichen sollte. Ansonsten wird eine zusätzliche Basisnummer vergeben. • Die Ziffer 13 ist eine rechnerische Prüfziffer, welche die Korrektheit der Erfassung bestätigt. Das GTIN-System kennzeichnet und identifiziert somit einzelne Artikel im multilateralen Waren- und Datenverkehr. Diese Nummer ist keine „sprechende“ Nummer, d. h., sie wird erst durch Zugriff auf eine Hintergrunddatei aussagefähig. Das GTIN-System wird durch den GTIN-Strichcode markiert, der maschinenlesbar ist. Im Price look up-System der Scanner-Kassen ist eine Verbindung zur Preisdatei möglich. Bei besonders kleinen Packungen ist die GTIN auf acht Stellen zu verkürzen, Presseartikel erhalten eine zwei- oder fünfstellige GTIN. Sie besteht dann nur aus der individuellen Artikelnummer, die einzeln bei der GS1 zu beantragen ist, aber nur eingeschränkt vergeben wird, und einer Prüfziffer. Zur Steigerung der Effizienz in der Transportkette zwischen Industrie und Handel ist zusätzlich aber auch die unternehmensübergreifende Identifizierung ein-

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zelner logistischer Einheiten erforderlich. Dies erfolgt durch das GS1–128-System an der Schnittstelle zwischen Scanning, physischer Logistik und elektronischem Datenaustausch. Es besteht aus zwei Elementen. Die Nummer der Versandeinheit (auch SSCC) ist insgesamt 18-stellig und dient der Packstückidentifikation. Sie setzt sich wie folgt zusammen: • Die erste Stelle gibt Auskunft über die Art der Versandeinheit, falls diese nicht als Zusatzinformation in einem weiteren Code aufgeführt wird. Vorweg ist eine „00“ gestellt. • Die Stellen 2–8 ergeben sich aus der Basisnummer des ILN-Typs 2 durch GTIN / ​ Betriebsstammdaten. • Die Stellen 9–17 enthalten Packstück- und Adressdaten und werden durchlaufend numeriert der jeweiligen logistischen Einheit zugeordnet, es können also max. 100 Mio. Versandeinheiten ausgewiesen werden. • Die 18. Stelle ist wieder eine rechnerische Prüfziffer. Durch Einscannen der NVE kann der Arbeitsaufwand in der Logistik verringert werden. Auch ist eine Vorausinformation über den Warenfluss bei den diversen Zwischenstationen im Logistikweg möglich. So kann anhand der NVE ermittelt werden, wo exakt sich eine bestimmte Lieferung auf dem Transportweg gerade befindet. Daneben gibt es diverse weitere GS1–128-Datencodes mit Informationen über Herstell- oder Mindesthaltbarkeitsdatum, Stückzahl, Warenverfolgung mit Chargen-/Seriennummer, Maßeinheiten nach Gewicht / ​Fläche, Referenzierung mit Bestellnummer des Warenempfängers, Firmenidentnummer, Adressierung etc. Verbreitet ist die 20-stellige EAN-128, die sich zusammensetzt aus Datenbezeichner (2 Stellen), Kennzeichnung der Verpackung (1), Basisnummer des Versenders (7), durchlaufende Numerierung (9) und Prüfziffer (1). Aber nicht nur die Auszeichnung der Waren muss standardisiert sein, auch die elektronische Übertragung von Daten zwischen den Beteiligten durch Protokolle. Dies erfolgt allgemein durch Electronic data interchange (EDI), einer strukturierten Form der Kommunikation, bei der transaktionsbegleitende und technische Daten sowie frei gestaltete Dokumente, z. B. Texte, Abbildungen oder Grafiken, nach standardisierten Formaten zwischen Computern von zwei oder mehr Unternehmen vollautomatisch ausgetauscht werden. Dies setzt voraus, dass die daran beteiligten Rechner „die selbe Sprache sprechen“. Der dazu erforderliche technische Aufwand lohnt allerdings erst ab einer gewissen kritischen Datenmenge. Soll der Datenaustausch branchenweit standardisiert erfolgen, ist daher eine Einigung auf ein gemeinsames Protokoll für Stammdaten, Rechnungsdaten, Regulierungsdaten, Vertriebsinformationen und Bestellverkehr erforderlich. Ein solches handelsspezifisches Protokoll liegt in Form des Electronic data interchange for administration, commerce and transport (EDIFACT) seitens der UN

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vor. EDIFACT standardisiert eine Nachricht nach verschiedenen Elementen, und zwar dem Datenelement als kleinster Informationseinheit, der Datenelementgruppe als Bündelung von Datenelementen, den Segmenten als zusammen hängende Datenelementgruppen, den Nachrichten als Zusammenfassung der Segmente und der Nachrichtengruppe als Zusammenfassung der Nachrichten. Da EDIFACT länder- und branchenübergreifend universell einsetzbar konzipiert wurde, ist es sehr komplex ausgelegt. Daher haben sich aus Praktikabilitätsgründen verschiedene Subsets herausgebildet, die nur jene Elemente des Protokolls nutzen, die für die spezifische Anwendung relevant sind. Solche Subsets sind in der Warenwirtschaft etwa EANCOM (für International article numbering association communication) für die Konsumgüterbranche oder COST für das Transportwesen. EANCOM hat im Einzelnen drei Arten von Nachrichten. Stammdaten dienen der Übermittlung von Basiswissen in Bezug auf Geschäftsprozesse und detaillierte Informationen zu einzelnen Produkten. Berichts- und Planungsdaten betreffen die Übermittlung von Verkaufsdaten, von Basisdaten zur Erstellung von Verkaufsprognosen und zum Informationsaustausch über aktuelle Bestände. Transaktionsdaten schließlich beziehen sich auf die Übermittlung von Einzelheiten zu einer Bestellung, Bestellbestätigung bzw. Bestelländerung, Speditierung der Ware, Lieferabruf, Liefermeldung und Ladungsumschlag. Damit ein solch komplexes Informationsmanagement darstellbar ist, bedarf es organisatorischer Vorkehrungen in Form von Datenpools. Diese werden zu großem Anteil von der kommerziellen Organisation Global Standards One (GS 1) übernommen. Sie erarbeitet Empfehlungen, die der Rationalisierung des Daten- und Warenverkehrs und der Organisationsabläufe zwischen Hersteller und Handel dienen sowie die Förderung der Anwendung dieser Ergebnisse beinhalten. Ziele sind im Einzelnen Marktbeobachtungen durch Abverkaufs- und Marktanteilsanalyse, Ermittlung der Distributionsgrade, Preisklassen- und -stellungsanalysen, Ermittlung von Aktionshäufigkeiten, Ermittlung von Käuferfrequenzen und Einkaufsbeträgen, Sortimentsstrukturanalysen im Einzelhandel. Weiterhin Wirkungsanalysen durch Preis-Absatz- und Preis-Promotions-Analysen, Werbewirkungsanalysen, Verbund- und Substitutionseffekte aktionierter Artikel, Platzierungsanalysen. Und schließlich Zielgruppenaussagen durch Analyse von Warenkörben anonymer ebenso wie identifizierter Käufer. Unter ihrer Führung wurde von Industrie und Handel ein SEDAS-Standard (Standardregelungen einheitlicher Datenaustausch im Rechnungsverkehr, Bestellwesen und bei Reklamationen) vereinbart, der allerdings zunehmend durch den Subset EANCOM verdrängt wird. Unter Verwendung der Europäischen Artikelnumerierung für Produkte und der Internationalen Lokationsnummern für Betriebe bzw. Betriebsstellen wurden Datensätze für den Bestellverkehr, für MADAKOM (Markt-Daten-Kommunikation) und für die Nachrichtenarten Reklamation und Lieferavis entwickelt. Außerdem wurden die logistischen Prozesse harmonisiert (z. B. Tertiärverpackungen) und gebündelt.

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4. Der stationäre Handel als Absatzmittler

Die Abstimmung unter allen Beteiligten kann vereinfacht werden, indem man branchenübergreifend gemeinsame Datenstandards für immer wiederkehrende Datenelemente, wie Bezeichnungen, Abmessungen, Adressen, vereinbart. Dies hat zur Gründung des SINFOS-Stammdatenpools der CCG geführt, der für alle beteiligten Industrie- und Handelsunternehmen zentral verfügbar ist. Dadurch ist eine wesentliche Effizienzsteigerung im Datenaustausch erreichbar. Die SINFOS-Teilnehmer (Lieferanten und Abnehmer) liefern einmalig ihre Betriebs- und Artikelstammdaten in den Pool und aktualisieren diese regelmäßig. Die Zahl der Artikel im SINFOS-Pool beträgt aktuell ca. 40.000, die Zahl der Teilnehmer 370. Mussangaben betreffen dabei u. a.: • Code des Basisartikels, Code der Verpackungseinheit, Bezeichnung des Basisartikels, Gültigkeitsstatus, Bewegungskennzeichen, GTIN-Code der nächstniedrigeren Verpackungseinheit, Anzahl der Artikel in der nächstniedrigeren Verpackungseinheit, ILN des Herstellers, Standard-Warenklassifikation, Artikellangtext, Kassenbontext, Umsatzsteuer in %, Kaffeesteuerpflichtigkeit, Liefer- /  Bestell-/Fakturiereinheit, Preisauszeichnung auf der Ware, Gefahrgut, Sicherheitsdatenblatt, Grüner Punkt / ​DSD, Frischedatum, Zutaten nach Lebensmittel- kennzeichnungsverordnung, Verpackungsart, Höhe / ​Breite / ​Tiefe, Brutto­ gewicht, Nettofüllmenge, Palettenangaben, empfohlener Ladenpreis, Währung. Eine Alternative zum Warenausweis stellt der Quick response-Code (2-D-QR) dar. Dabei handelt es sich um eine quadratische Matrix mit 21 bis 177 Punkten je Seitenlänge aus schwarzen und weißen Feldern, welche die codierten Daten binär darstellen. In drei der vier Ecken ist eine spezielle Codierung zur Richtungsorientierung vorhanden. Die Daten sind redundant, so dass Fehlablesungen korrigiert werden können. Inhalte sind die Versionsinformation, das benutzte Datenformat und der eigentliche Datenteil. Es können bis zu 16 Codes für Daten zusammengestellt werden.

4.2.5 Collaborative planning forecasting replenishment GWWS, DPP / ​DPR und ECR sind zweifellos entscheidende Bausteine zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit im Handel. Sie haben jedoch alle einen entscheidenden Nachteil, sie erlauben nur ein Nachsteuern aufgrund von Vergangenheits-, bestenfalls Gegenwartsdaten. Dies ist unbefriedigend, vielmehr muss eine Vorsteuerung in Bezug auf Zukunftsdaten möglich werden. Denn nur dann können Fehlanpassungen minimiert und proaktiv Maßnahmen eingesteuert werden. Dies gelingt solange nicht, wie die Sichtweise der Beteiligten auf die Optimierung nur der eigenen Wertschöpfungskette verengt bleibt. Vielmehr kommt es auf die Optimierung der gesamten Supply chain an. Dazu aber ist eine Verschränkung der Wertschöpfungsketten von Hersteller-, Groß- und Einzelhandelstufen erforderlich. Diese Anforderung wird durch Collaborative planning forecasting replenishment (CPFR) zunehmend erfüllt.

4.2 Warenwirtschaft des Handels

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Inhalt des CPFR-Konzepts ist die frühzeitige Einbindung vorgelagerter Wertschöpfungsstufen / ​Collaborative in die Planung / ​Planning, die Prognose / ​Forecasting der Warenversorgung / ​Replenishment innerhalb der Prozesskette im Absatzkanal unter Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien zwischen Industrie- und Handelspartnern. Basierend auf einer fundierten Marktprognose werden Produktion, Lieferung, Lagerhaltung und Werbung stufenübergreifend aufeinander abgestimmt und die bisher getrennten Planungen der Stufen somit zusammengeführt und zu einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess formiert. Damit wird im Absatzkanal eine Entwicklung nachvollzogen, wie sie in der industriellen Produktion bereits seit geraumer Zeit existiert. Voraussetzung ist ein hohes gegenseitiges Vertrauen anstelle von jahrzehntelang gepflegtem, verbreitetem Misstrauen, so dass eine Win-win-Situation entsteht. Die Einführung erfolgt im Einzelnen in sieben Stufen. Am Anfang steht eine Kooperationsvereinbarung. Sie bestimmt das CPFR-Mission statement hinsichtlich Kooperation, Vertrauen und Bereitstellung von Ressourcen, die CFPR-Ziele und Aufgaben, dazu ist die Festlegung des gesamten Geschäftsprozesses erforderlich, die Kompetenz- und Ressourcenidentifizierung, also Wer macht was?, evtl. durch Outsourcing, die Definition von Organisation und Verantwortlichkeiten, die Vereinbarung des Datenaustauschs nach Häufigkeit, Art, Zeitdauer, Methoden etc., die Verbindlichkeit von Bestell- und Lieferzusagen, die Ressourcenallokation nach Manpower, Zeiteinsatz, Technikeinsatz etc., die Konfliktlösungsmechanismen und die regelmäßige Evaluierung des CPFR-Prozesses. Danach wird ein gemeinsamer Geschäftsplan für jede Warengruppe erarbeitet. Dazu gehören z. B. Auftragsminimumgrößen, Auftragsvorlaufzeiten, Auftragsintervalle. Daraus wiederum wird die Verkaufsprognose ermittelt. Diese erfolgt auf Basis der POS-Daten und Hochrechnungen mit Hilfe deskriptiver oder analytischer Prognoseverfahren. Diese Verkaufsprognose wird auf Ausnahmen wie Schwankungen, saisonale Einflüsse, Strukturbrüche hin untersucht und ggf. bereinigt. Daraus wird die Bestellprognose abgeleitet. Die kurzfristige Prognose dient dabei der Bestellgenerierung, die langfristige der Kapazitätsplanung. Diese Bestellprognose wird wiederum auf Ausnahmen hin untersucht. Für sie gilt die Bestellprognose nicht. Stattdessen wird dort eine Realtime-Bearbeitung vorgenommen. Für die restlichen Warengruppen / ​Produkte wird die Bestellung ausgelöst. Sie ist verbindliche Umsetzungsgrundlage, auf die sich beide Seiten verlassen können müssen. Information zur Ordergenerierung/-abwicklung und Kommunikation zum Datenaustausch finden auf Internet-Marktplätzen statt, z. B. CPmarket, Global Net Xchange, World Wide Retail Exchange, Transora. Dort können auch mittelständische Unternehmen (Industrie / ​Handel) CPFR nutzen. Die Effizienzvorteile sind erheblich. So entsteht eine deutlich verbesserte Reaktionsgeschwindigkeit auf das Nachfrageverhalten der Kunden. Die Verkaufsprognosen werden erheblich genauer. Durch Interaktion entstehen Verbesserungs-

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4. Der stationäre Handel als Absatzmittler

potenziale, und der Umsatz erhöht sich. Die Bestände können reduziert werden, Ziel sind hierbei 20 %, und die Kosten sinken durch weniger Rüstzeiten, keine Doppelarbeit, bessere Auslastung etc. CPFR-Projekte werden europaweit umgesetzt, u. a. durch (jeweils Händler / ​ Hersteller): • Ahold / ​Procter & Gamble, Boots / ​Johnson & Johnson, Carrefour / ​Henkel, Carrefour / ​Kimberley-Clark, Condis / ​Henkel / ​Cartis, Danks Supermarked / ​Procter  &  Gamble, Delhaize / ​Masterfood, Delhaize / ​Vandermoortel, dm-Drogeriemarkt / ​ Unilever, Eroski / ​Henkel, Globus / ​Unilever, Londis / ​Sechszehn, Marks & Spencer / ​Gunstones, Marks & Spencer / ​Telfer Foods, Metro / ​Henkel, Metro / ​Kimberley-Clark, Metro / ​Procter & Gamble, Metro / ​SCA, Sainsbury’s / ​Johnson & Johnson, Sainsbury’s / ​Kimberley-Clark, Sainsbury’s / ​Kraft, Sainsbury’s / ​Unilever, Superdrug / ​Johnson & Johnson. Durch die größere Transparenz der Nachfrage für den Hersteller, die kooperative Prognose und die frühzeitige und durchgängige Einplanung von Werbeaktionen erhöht sich die Prognosegenauigkeit stetig. Dadurch steigt die logistische Auslastung, werden „Ausschläge“ entlang der Versorgungskette durch Sicherheitszuschläge oder Prognoseunsicherheiten, etwa aus Bullwhip-Effekt, vermieden, sinken Bestände und steigt der Umsatz durch verlässliche Warenpräsenz. Dadurch kann stetige Warenverfügbarkeit sichergestellt werden, und geringere Bestände reduzieren die Kapitalbindung. Durch die Anbindung der Produktionsplanung an den Prognoseprozess entfallen Rüstzeiten für Produktionsumstellungen, optimierte Mengenanlieferungen senken den Handlingaufwand im Lager, in der Folge entsteht Potenzial zur Kostensenkung. Als Kritik wird vor allem folgende genannt. Die Bestände am POS bleiben in den aktuellen CPFR-Anwendungen unberücksichtigt. Dies begründet sich aus fehlender Erfassung von Schwund und Bruch, dadurch kann die Warenverfügbarkeit am POS jedoch nicht immer sicher gestellt werden. Der Hersteller plant vielmehr auf Basis der kumulierten Daten auf Zentral-/Regionallager-Ebene des Handels. Insofern verbleiben vermeidbare Ausschläge. Die Integration der ECR-Strategien Cross docking und Direct store delivery in den CPFR-Prozess ist vage. Deren Anwendungsprüfung ist nicht Bestandteil des CPFR-Modells. Eine einfache Lösung wird jedoch nur ein modifiziertes Co-managed inventory zur Folge haben, dadurch bleiben ECR-Potenziale ungenutzt.

5. Der Online-Absatz Für die Zukunft ist unstreitig zu erwarten, dass immer größere Teile des Absatzes sich nicht mehr im stationären Handel drehen, sondern im Online-Absatz, auch E-Commerce. E-Commerce gehorcht spezifischen Maßgaben der digitalen Rahmenbedingungen in Bezug auf Besonderheiten, Geschäftsmodelle und Erlösformen.

5.1 Digitale Rahmenbedingungen Vor den Besonderheiten des Online-Absatzes, gilt es, sich die allgemeinen Merkmale des Online-Angebots zu vergegenwärtigen. Die ansonsten zentrale Regel, dass der Preis gleich den Grenzkosten ist, kann bei digitalen Gütern nicht angewendet werden. Aufgrund der sehr niedrigen Grenzkosten sind vielmehr Nullpreise (Freemiums) möglich. Digitale Güter und Informationsgüter haben Eigenschaften, die typisch für öffentliche Güter sind. Dazu zählen die Nicht-Rivalität im Konsum und die fehlende Möglichkeit zur Anwendung des Ausschlussprinzips. Trotzdem muss es nicht zum Marktversagen kommen. Solche Güter sind zwar teuer herzustellen, aber preisgünstig im Internet zu reproduzieren. Elektronische Märkte erlauben es, verschiedene Versionen eines Gutes / ​einer Leistung herzustellen und damit die unterschiedliche Preisbereitschaft verschiedener Kundengruppen auszunutzen. Viele elektronische Märkte sind nicht durch Knappheit, sondern durch Überfluss gekennzeichnet. Der einzige Engpass ist oftmals die Aufmerksamkeit. Um diese zu gewinnen, dienen exzessive Werbung oder Free of charge-Angebote. Güter, die vollständig digital produziert und distribuiert werden, begünstigen angebotsseitige Skaleneffekte. Dies hat zur Folge, dass dominierende Systeme ihren Vorsprung u. U. immer weiter ausbauen können, während unterlegene Systeme an Bedeutung verlieren. Teilweise werden die Strukturen der New economy auch von den Nutzern mit geschaffen. Standards werden honoriert, weil sie den Wert des Netzes erhöhen. So können sich durchaus monopolähnliche Situationen auf freiwilliger Basis herausbilden. Ob diese dann wettbewerbsrechtlich bekämpft werden müssen, ist umstritten. Ein Online-Angebot unterliegt Netzwerkeffekten, d. h., der Wert einer Leistung steigt mit deren Verbreitungsgrad im Markt. Dies basiert auf positiven Netzwerk-

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5. Der Online-Absatz

effekten, im Gegensatz zu traditionellen, negativen Netzwerkeffekten, bei denen der Wert einer Leistung mit deren Seltenheitsgrad ansteigt. Diese Netzwerkeffekte können direkt, also unmittelbar aus der Installation, oder indirekt, also erst aus der Verbindung mit Komplementärgütern, entstehen. Das Online-Angebot weist Lock in-Effekte auf, d. h., es gibt eine steigende Systembindung bei Interaktion mit einem Anbieter, deren Überwindung oft erhebliche Systemwechselkosten und untergehende Beiträge bedingt. Dadurch ist die Gebundenheit an einen einmal gewählten Anbieter hoch. Weitere Barrieren entstehen aus wirtschaftlichen, rechtlichen oder institutionellen Gründen. Hinzu kommt im Zweifel eine hohe Spezifität, die eine Rücknahme oder Übertragbarkeit der Leistung erschwert. Es weist Skaleneffekte auf, d. h., die Stückkosten sinken mit steigender Menge erheblich bzw. die erste Leistungseinheit trägt die vollen Kosten der Entwicklung und Umsetzung, danach entstehen einem Anbieter nur kaum mehr spürbare weitere Kosten für die Folgeeinheiten (horizontale Skalierbarkeit). Außerdem besteht auch eine vertikale Skalierbarkeit durch Versioning, d. h. vielfache Kombination von Produkten und Preisen zu immer weiter differenzierten Angeboten. Das Online-Angebot basiert auf Risikobegrenzung, d. h., aufgrund der Immaterialität virtueller Angebote entsteht nachfragerseitig ein hohes Risikoempfinden, das durch absichernde Maßnahmen des Anbieters erst wirksam zu reduzieren gesucht werden muss, bevor Bereitschaft zur Transaktion besteht. Daher ist nachfragerseitiges Vertrauen von hoher Bedeutung. Zumal die Herkunft der Produkte nur unvollkommen recherchierbar ist (Fakes) und Schadwirkungen häufig völlig unerkannt bleiben. Es handelt sich weitgehend um Vertrauensgüter (Credence goods), deren Leistung im Vorhinein kaum zu beurteilen ist. Daher ist die Reputation des Anbieters / ​ der Marke bedeutsam. Diese ergibt sich im Internet dominant durch Nutzerbewertungen. Allerdings sind diese häufig unvollständig und mangelbehaftet oder fehlen ganz, die Kompetenz der Bewerter ist unklar und diese können Identitätswechsel vornehmen bzw. Scheinidentitäten annehmen. Zu Verzerrungen kommt es auch durch unzweckmäßige Aggregierung von Urteilen. Das Online-Angebot ist nicht oder im Zweifel nur schwer schützbar. Insofern ist ein rascher Roll-out entscheidend. Wem es gelingt, mit seinem Angebot einen De facto-Standard zu etablieren oder Top of mind zu sein, hat die besten Erfolgschancen. Dazu sind mehrkanalige Kommunikations- und Distributionswege erforderlich sowie das Eingehen hoher Risiken, indem Einnahmeüberschüsse reinvestiert bzw. wiederholt Fremdkapitalmittel investiert werden (Finanzierungsrunden) und der Break even dadurch in mehr oder minder weite Ferne rückt und oftmals auch gar nicht erreicht wird. Der Online-Absatz erfolgt auf Basis eines geplanten Geschäftsmodells. Ein Geschäftsmodell ist allgemein der institutionelle Rahmen der Geschäftsprozesse,

5.1 Digitale Rahmenbedingungen

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also des Flusses der externen Ressourcen in das Unternehmen hinein und ihrer Transformation gemeinsam mit dem Einsatz interner Ressourcen im betrieblichen Leistungssystem bis zum Fluss der Leistung aus dem Unternehmen heraus an den externen Markt. Es beschreibt damit die Organisation der betrieblichen Wertschöpfung. Ein Geschäftsmodell besteht allgemein aus einer • konzeptionellen Ebene mit je einem Strategie-, Ressourcen- und Netzwerkmodell, • wertschöpfenden Ebene mit je einem Beschaffungs-, Produktions- und Finanzmodell, • marktlichen Ebene mit je einem Leistungsvorteils-, Kundensegment- und Erlösmodell. Bei einem Geschäftsmodell handelt sich somit um die systematisch-analytische Abbildung derjenigen Unternehmensaktivitäten, die erklären, wie Informationen / ​Rechte sowie Produkte und / ​oder Dienste durch Integration von Strategiebasis als Input zur Wertausstattung, Erstellungsarchitektur als Throughput in der Wertkette und Markt- bzw. Kundenzugang als Output als Wertversprechen entstehen, um durch deren innovative Konfiguration komparative Wettbewerbsvorteile zu erreichen, die Kernkompetenz auszuschöpfen und die Wissensvorräte zu nutzen. Die Wertausstattung des Unternehmens wird im Einzelnen durch die Strategie, die Ressourcen und das Netzwerk gebildet. Die Strategie ist der leitende Gedanke der Unternehmensführung, die Ressourcen bestehen aus den Produktionsfaktoren und das Netzwerk stellt die Verschränkungen in der Wertschöpfung dar. Die Wertkette ergibt sich durch die Elemente Beschaffung, Produktion und Finanzierung. Die Beschaffung umfasst die zugekaufte Fremdleistung, die Produktion die Eigenleistung in der Wertschöpfung und die Finanzierung weist die Herkunft bzw. Verwendung von Geldmitteln aus. Das Wertversprechen entsteht aus dem angebotenen Leistungsnutzen, dem primär angesprochenen Kundensegment und dem verwendeten Erlösmodell. Der Leistungsnutzen ist der Mehrwert des Angebots über das zu leistende Preisopfer hinaus, das Kundensegment ist die anvisierte Kernzielgruppe der Aktivitäten und das Erlösmodell gibt die Quellen zur Einnahmenerzielung an. Der Onlinevertrieb direkt durch Großhändler bzw. Hersteller / ​Weiterverarbeiter (E-Trade) ist zentral vom gewählten Online-Geschäftsmodell abhängig. Im Wesentlichen kann dabei unter folgenden Optionen gewählt werden: • Beschaffung von geschäftswichtigen Waren und Diensten durch Einkauf z. B. von Commodities, C-Produkten, digitalen Produkten, Hilfs- und Betriebsstoffen über Online-Marktplätze (kurz: Supply), • Anbahnung und Aushandlung von Geschäften sowie Abwicklung von Transaktionen in Ergänzung bzw. als Ersatz traditioneller Geschäftsmodelle durch Verkauf

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5. Der Online-Absatz

z. B. über Auktionen, Preisagenten / ​Makler, Shop-Anbieter, Bannerschaltung, Waren, Dienstleistungen über Online-Absatz (kurz: Sales), • Angebot leistungsergänzender Dienste, die Transaktionen erst ermöglichen, zumindest aber erleichtern, z. B. durch Finanzierung, Versicherung, Beratung, Information (kurz: Support), • Inhalte durch Bereitstellung z. B. von Informationen ökologischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Art, Unterhaltung wie E-Music, E-Games, E-Movies, E-Books etc., Infotainment / ​Advertorial, Wissensplattformen für Bildung / ​ Schule (kurz: Content), • Herstellung des Informationsaustauschs auf technologischer, kommerzieller oder kommunikativer Basis in verteilten Systemen mittels informationeller Vernetzung, z. B. als Marktplätze / ​Portale, Soziale Medien, Communities, CloudDienste / ​Web hostings, Technologiestandards, Internet-Zugang (kurz: Connection), • Klassifizierung und Systematisierung von im Internet verfügbaren Informationen zur Komplexitätsreduktion und Navigationserleichterung, z. B. in virtuellen Unternehmen, vor allem aber als Suchmaschinen, Meta-Suchmaschinen, WebKataloge (kurz: Context). Man spricht hierbei auch vom 3-S / ​C-Ansatz (in Anlehnung an Wirtz). Jedes Unternehmen kann sich für eine dieser Optionen entscheiden und dadurch seine Marktberechtigung schaffen, ausbauen bzw. sichern. Dabei finden Transaktionen zwischen Gewerbetreibenden (B), Privatpersonen (C) und öffentlichen Betrieben (A) statt, zusätzlich auch intern zwischen Mitarbeitern / ​Abteilungen / ​Divisions (I). Entsprechend ergeben sich daraus folgende Kostellation: • B-t-a (z. B. Umsatzsteueranmeldung), B-t-b (z. B. Verkauf von ERP-Software), B-t-c (z. B. private Warenbestellung), • C-t-a (z. B. Kfz-Wunschkennzeichen), C-t-b (z. B. Warenretoure), C-t-c (z. B. Online-Kleinanzeigen), • A-t-b (z. B. Körperschaftsteuerbescheid), A-t-c (z. B. Impfterminvergabe), • I-t-i (z. B. Work collaboration), A-t-a (z. B. Amtshilfeersuchen). Beispiele großer B-t-c-E-Commerce-Anbieter sind folgende: • mytoys.de, windeln.de, babymarkt.de, notebooksbilliger.de, cyberport.de, amazon.com, Zalando.de, buch.de, Home24, Westwing.com, brands4friends.de, asos.com, Javari.de, allyouneed.com, flaconi.com, glossybox.com. Bei Erfolg entstehen die gewünschten Erlöse. Diese haben bei E-Commerce verschiedene Ausprägungen. Dabei kann insbesondere zwischen direkten Erlösen aus dem Absatz selbst und indirekten Erlösen in der Umgebung des eigentlichen Absatzes sowie Erlösen, die nur in Abhängigkeit von Transaktionen entstehen und solchen, die unabhängig davon entstehen, unterschieden werden. Entsprechend ergeben sich folgende Ausprägungen:

5.2 Ausprägungen des E-Commerce

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• direkte, transaktionsabhängige Erlöse stammen aus dem Verkauf von Sach- und / ​ oder Dienstleistungen und stellen zumeist das Kerngeschäft dar, nennenswerte Erlöse werden jedoch auch bzw. bei kostenlosem Angebot nur anderweitig realisiert, • direkte, nicht transaktionsabhängige Erlöse stammen aus der Miete für die beliebige oder vordefinierte Nutzung einer Leistung z. B. als Abo-Gebühren, aber auch aus der Freischaltung für den Leistungszugang z. B. als Einrichtegebühren, • indirekte transaktionsabhängige Erlöse stammen auf der Weiterleitung von Leistungen an Dritte gegen Provision, z. B. für das Auftragsvolumen oder die Weiterleitung von Kontakten (Leads), dies ist die Basis für Merchant-AffiliateKonstruktionen, • indirekte, nicht transaktionsabhängige Erlöse stammen aus Nebenleistungen, z. B. Werbeeinnahmen, Datenverkauf, vor allem bei kostenloser Nutzung der Basisleistung, die Daten werden dann vielfach veredelt und können aussagefähig genutzt werden. Diese Erlösarten können nur aus einer Quelle stammen oder, zumeist, kombiniert auftreten, z. B. aus Verkaufserlösen und fixen Nutzungsgebühren bei Produktbündeln oder Verkaufserlösen und variablen Nutzungsgebühren bei alternativen Preismodellen.

5.2 Ausprägungen des E-Commerce E-Commerce ist die digitale Form des Absatzes im Distanzprinzip, vergleichsweise in analoger Form traditionell über Printkatalog, Versandhandel o. Ä. ECommerce ist im Solo-Prinzip als pure online oder im Mixed-Prinzip, als hybrid online – offline möglich. Pure player-Prinzip bedeutet also, dass der Absatz ausschließlich online erfolgt, Mixed player-Prinzip bedeutet, dass der Absatz sowohl online als auch offline erfolgt. Dabei kann der Schwerpunkt auf den Online-Aktivitäten liegen, die durch Offline-Aktivitäten ergänzt werden oder umgekehrt, auf Offline-Aktivitäten, die durch Online-Aktivitäten ergänzt werden. Traditionell und in seiner mittelfristigen Zukunftsperspektive massiv gefährdet hingegen ist der Absatz ausschließlich offline, etwa über den stationären Einzelhandel.

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5. Der Online-Absatz

5.2.1 Einteilungen 5.2.1.1 Breite des Marktzugriffs

Breite des Marktzugriffs Erreichbarkeit des Anbieters E-Absatzweg E-Absatzmethode (Affiliation) Pure player-Prinzip Mixed player-Prinzip

Abbildung 59: Ausprägungen des E-Commerce

Die Einteilung des E-Commerce ist nach mehreren Gesichtspunkten denkbar, so die Breite des Marktzugriffs, die Erreichbarkeit des Anbieters, den Absatzweg und die Absatzmethode (siehe Abb. 59: Ausprägungen des E-Commerce). In Bezug auf die Breite des Marktzugriffs ergibt sich folgende Einteilung. Bei generalisierten Online-Absatz werden verschiedenartige E-Commerce-Produkte und -Dienste angeboten. Die Absicht der Anbieter liegt darin, „alles aus einer Hand“ „einmal hin und alles drin“ zu bieten. Dies appelliert vor allem an die Bequemlichkeit von Nachfragern, die sich auf die Kompetenz des Online-Anbieters verlassen. Entscheidender Hebel zum Erfolg ist hier das Vertrauen der Kunden in den Anbieter bzw. die Reputation des Anbieters bei seinen Kunden. Wichtig ist vor allem eine hohe Übersichtlichkeit des Angebots, erreicht u. a. durch eine flache Site-Struktur, komfortable Suchhilfen und leicht wahrnehmbare Präsentation. Ein Beispiel sind Preisvergleichsplattformen mit integrierter Transaktionsfunktion (z. B. Check24). Ein spezialisierter Online-Absatz hat nur eng abgegrenzte Produktgruppen zum Inhalt, die dort angeboten werden. Diese zielen dabei auf unterschiedliche Zielgruppen ab. Der Online-Absatz baut auf dem nachfragerzugeschriebenen Spezialisten-Know-how dieser Sites auf. Der Absatz kann sich dabei auf Neuwaren beziehen, z. B. bei Internet-Apotheken, oder verstärkt auch auf Gebrauchtwaren, z. B. bei Pkw. Dabei erfolgt zunehmend eine Umstellung der Präsenz vom Absatzhelfer- auf Absatzmittlerstatus (eigener Name / ​eigene Rechnung). Das Absatzpotenzial ist hier zwar begrenzt, dies gilt aber auch für die Zahl der Mitbewerber.

5.2 Ausprägungen des E-Commerce

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Ein zielgruppenspezifischer Online-Absatz wendet sich nur an bestimmte Nachfragergruppen, denen alle Produkte und Dienste angeboten werden, die für sie mutmaßlich von Bedarf sind. Das Geschäftsprinzip richtet sich hier, marketingtypisch, nicht an angebotenen Produkten bzw. Diensten aus, sondern an anvisierten Zielpersonen. Diesen werden nur solche Produkte / ​Dienste offeriert, die für sie mutmaßlich bedeutsam sind (z. B. Kleinkindbedarf). Der Segmentierung können dabei unterschiedliche Kriterien zugrunde liegen, am häufigsten sind quantitative Kriterien vorzufinden wie Geschlecht, Alter, aber durchaus auch qualitative, vor allem Hobbies. Dadurch kann eine enge Bindung zwischen Nutzer und OnlineAnbieter erzeugt werden. Dies alles betrifft den Privatkundenbereich. Ein B-t-b-Online-Absatz hingegen erfolgt nur an Gewerbekunden. Diese können sowohl Endabnehmer für den eigenen Bedarf sein als auch Zwischenabnehmer zur Weiterleitung an Endabnehmer. Zu ersteren gehört das Angebot von Hilfsstoffen, also solchen, die nur als unwesentlicher Bestandteil in ein Endprodukt eingehen, C-Produkten, diese machen nur einen geringen Ergebnis-/Volumenanteil im Unternehmen aus, Commodities, d. h. Produkten, die durch Normen weitgehend standardisiert und damit generisch sind, indirekten Produkten, die nicht der Produktion selbst, sondern der Administration der Produktion dienen und Betriebsstoffen, also solchen, die gerade der Produktion dienen, ohne dabei aber in das Endprodukt einzugehen (s. u.). Zumeist erfolgt ein spezialisiertes Angebot, generalisierte Angebote sind nur vereinzelt anzutreffen. Die Zielgruppe ist qua Firmenkundenstatus spezialisiert.

5.2.1.2 Erreichbarkeit des Anbieters Nach der Erreichbarkeit des Anbieters ergeben sich folgende Einteilungen. Der offene Online-Absatz ist der Normalfall des Angebots, dieses ist für jedermann, an jedem Ort und zu jeder Zeit verfügbar und zwar sofort. Dies entspricht einem ubiquitären Zugang und damit den Grundvorteil jedes Online-Vertriebs. Ziel ist hierbei die Akquisition und Bedienung jedes Interessenten. Dies geschieht um den Preis einer großen Heterogenität der Kundschaft, vor allem auch mit zahlreichen Detailumsätzen. Diese sind zwar prozesstypisch aufgrund des Long tail-Phänomens unproblematisch, allerdings erfordern sie hohe Investitionen in leistungsfähige Computerinfrastruktur, die erst einmal gestemmt und vor allem auch kontinuierlich gepflegt sein will. Dies bezieht sich vor allem auf Logistikanforderungen, sofern ein Händler-Streckengeschäft vorliegt, auch auf das Supply management. Denn Unzulänglichkeiten in der Auftragsausführung nach Termin, Ort, Zusammenstellung, Zustand o. Ä. werden von Abnehmern dem Online-Anbieter zugerechnet, unabhängig davon, ob er diese verursacht hat oder nicht. Insofern ist ein hohes Potenzial für Unzufriedenheit und damit auch für Kundenfluktuation gegeben. Dem kann nur durch unbedingte Kundenorientierung (Customer centricity) begegnet werden.

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5. Der Online-Absatz

Bei geschlossenem Online-Absatz ist die Erreichbarkeit des Angebots limitiert. Damit einher geht ein begrenzter Marktzugriff, was in einigen Fällen vorteilhaft sein kann. Als Abstufungen sind die Erreichbarkeiten Anmeldung, Zulassung, Einladung denkbar. Erst nach Anmeldung eines Nutzers stellt den Regelfall dar, die Erreichbarkeit setzt ein Log-in-Prozedere voraus, durch das sich der Teilnehmer identifiziert. Je nach Anlage können dabei mehr oder minder umfangreiche Daten angefordert werden. Teils dienen diese nur der Adressierung von Website-Besuchern im Falle einer späteren Transaktion, großenteils dienen sie aber dazu, eine Idee über das Profil der Website-Besucher zu erhalten bzw. dieses mit der intendierten Zielgruppe abzugleichen. Auf dieser Basis können auch Nachverfolgungen starten, automatisiert über Tracking-Tools oder (scheinbar) individuell über Kontaktangebote. Dies gibt auch bei Gastzugängen. Verbreitet sind drei Optionen: • Beim Log-in werden zahlreiche Informationen technisch erforderlich im Logfile protokolliert, insb. Datum (JJJJ-MM-TT), Uhrzeit eines Zugriffs, Name des Service, Name des Server, IP-Adresse des Server, Methode (z. B. Abruf einer Datei), Name / ​Pfad des angeforderten Dokuments, Port des Server, IP-Adresse des Besuchers, verwendetes Protokoll (z. B. http), verwendete Browser-Version, verwendete Betriebssystem-Version, zuvor besuchte Website (Referrer), ReturnCode des Server, win32-Statuscode (z. B. erfolgreicher Transfer), abgerufene Datenmenge vom Server (in Bytes), zum Server übertragene Datenmenge (in Bytes), benötigte Transportzeit, genutzter Internetzugang / ​Provider. Dies erlaubt ein detailliertes Tracking. • Beim Setzen eines Zählpixel wird bei Anforderung eines Webdokuments mit dessen Auslieferung ein transparentes Pixel (Webbug) integriert, das an einen Analyse-Servicer weitergeleitet wird. Im Unterschied zu Cookies enthält es keine spezifischen Inhalte, sondern protokolliert nur den Clientzugriff. Dabei können jedoch IP-Datenbank-Informationen ergänzt werden wie Land (TLD), Gebiet (Bundesland / ​Telefonvorwahl), Branche (bei B-t-b) etc. Zählpixels können, anders als Cookies, nicht im Browser geblockt werden. • In der einfachsten Form wird ein Captcha (Completely automated public Turing test to tell computers and humans apart) aufgegeben (challenge), um Bot-Anmeldungen zu verhindern und damit die Betreiberressourcen etwa bei Cost per click-Abrechnungen zu schonen. Captchas werden per Zufallsgenerator gebildet und bestehen meist aus Buchstaben-/Ziffern- oder Fotoelementen. Dies ist jedoch weder barrierefrei noch algorithmierbar. Bei Anmeldung plus Zulassung registrieren sich Besucher bei einem OnlineAnbieter, was aber nicht notwendigerweise als Transaktionsbasis gilt, so dass erst noch die explizite Akzeptierung des Besuchers bestätigt wird. Dies ist der Regelfall bei nicht-öffentlichen Angeboten, etwa aufgrund von Mitgliedschaften. Nach der Zulassung ist dann der Zugang zur Website möglich, ohne Zulassung bleibt dieser hingegen versperrt. Häufig liegt gerade in dieser Limitierung die Attraktivität von

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Angeboten, zugelassene Besucher fühlen sich gegenüber anderen privilegiert, was sie besonders auf die dann zugänglichen Angebote reflektieren lässt und dadurch akquisitorisch wirkt. Dies entspricht einem selektive Zugang. Um Unstimmigkeiten zu vermeiden, ist es notwendig, für die Zulassung objektive Kriterien zu definieren wie Geschlecht, Alter, Studium, Zugangscode o. Ä., die durch Unterlagen zu belegen und anbieterseitig zu verifizieren sind. Dies erfordert im Zweifel, etwa zur Betrugsvorbeugung, einen hohen manuellen Aufwand, vermeidet aber, dass nicht Adressierte Zugang zum Anbietersystem erhalten, z. B. Männer bei DatingPlattformen nur für Frauen. Erst nach einer Einladung ist der Fall, wenn die Initiative zur Transaktion nicht vom Online-Anbieter ausgeht, sondern von Interessenten daran. Häufig sind Referenzen bestehender Kunden die Basis (Kunden werben Kunden) oder Listen mit anbietergewünschten Kunden. Dadurch findet eine erhebliche Verknappung des Zugangs statt, woraus eine nennenswerte Strahlkraft folgt. Dies entspricht einem exklusiven Zugang. Die bewusste Verknappung der Verfügbarkeit bedeutet eine erhebliche Einschränkung des Absatzpotenzials. Daher ist dieses gegen die Vorteile des Prinzips abzuwägen. Eine Alternative dazu besteht in der erforderlichen Einladung durch eine oder mehrere Personen, die bereits Zugang zum geschlossenen Anbietersystem hat (z. B. Clubhouse). Dadurch kann vor allem eine gewisse Homogenität der Teilnehmer erreicht werden, die jedoch mit wachsender Teilnehmerzahl auch wieder verlorengeht.

5.2.1.3 Absatzweg Nach dem Absatzweg im E-Commerce ergibt sich folgende Einteilung. Bei nullstufigem Absatz erfolgt dieser vom Online-Anbieter direkt an gewerbliche oder private Endabnehmer. Dabei sind keine Intermediäre zwischengeschaltet. Dies entspricht dem Grundprinzip des Online-Absatzes. Durch die Verbreitung des Internet kann jeder Interessent von überall immer sofort in Interaktion, und falls gewünscht auch Transaktion, mit dem Anbieter treten. Die informationelle und logistische Multiplikationswirkung zwischengeschalteter Absatzstufen entfällt, und damit auch deren Kosten bzw. Gewinn. Diese Beträge können entweder anbieterseitig eingestrichen werden oder in Preisvorteil an Abnehmer weitergegeben werden. Dies wirkt disruptiv, weil dadurch breite Teile der Handelsstufe dauerhaft ausgeschaltet werden. Dies führt zu erratischen Verschiebungen in der Absatzlandschaft, aber auch zur irreversiblen Änderung im Nachfragerverhalten. Es gibt aber durchaus auch im Online-Absatz ein- und zweistufige, indirekte Absatzwege und zwar • Einstufig indirekt mit einer zwischengeschalteten Großhandelsstufe, etwa in der Tourismusbranche. Dort werden Herstellerangebote von Großhändlern gebündelt und an Einzelhändler im Online-Absatz weitergereicht (z. B. Städtereisen

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mit Programm, Kulturreisen oder Wanderreisen). Dies bietet sich an, wenn Einzelhändler nicht über die Marktmöglichkeiten zur eigenständigen Konfiguration eines solchen Angebots verfügen oder Großhändler Kostendegressionsvorteile bieten. Denkbar sind dabei zwei Richtungen, erstens stellen Großhändler im Internet Einzelhändlern ihre Dienste zur Verfügung (Freiwillige Kette), zweitens können aber auch Einzelhändler zur Vorteilsnutzung eine Großhandelsstufe etablieren (Verbundgruppe). • einstufig indirekt mit einer zwischengeschalteten Einzelhandelsstufe. Dabei verkaufen Hersteller Produkte über die Webpräsenz von Einzelhändlern, ausschließlich oder zusätzlich zum eigenen Angebot. Bekanntestes Beispiel ist Amazon. Der Zwischenhandel streicht dabei einen Differenzialgewinn ein, der aufgrund des starken Preiswettbewerbs im Internet zulasten der Herstellermarge geht. Dafür bieten Einzelhändler vor allem den Vorteil eines breiten Marktzugriffs und eine entscheidende Entlastung bei Logistikdurchführung und Zahlungsabwicklung. Zudem erlauben sie meist eine professionellere Angebotspräsentation und hohen Traffic durch mehr oder minder intensive Werbemaßnahmen zugunsten der eigenen Plattform. Daher sind auch hier diese Vorteile gegen den Nachteil der Senkung des Herstellerabgabepreises abzuwägen. Bei parallelem Online-Absatz nullstufig und einstufig-indirekt über die Verkaufsplattform sieht sich der Einzelhandel einer Konkurrenzsituation gegenüber, der er entgegen zu wirken sucht, indem er eigene Angebote kreiert (Handelsmarke), oft unter Nutzung der vorliegenden Verkaufsdaten. Weit verbreitet ist dabei auch das Dropshipping, also das Streckengeschäft im Internet. Dabei übernimmt die Handelsstufe die akquisitorischen Distributionsaufgaben und die Herstellerstufe die logistischen incl. der Zustellung. • zweistufig indirekt, also durch zwischengeschaltete Großhandels- und Einzelhandelsstufen. Dies widerspricht zunächst dem Prinzip der Disintermediation im Online-Absatz, kann jedoch sinnvoll sein bei Produkten, die nur äußerst geringe Transaktionskosten aufweisen. Ein Beispiel ist hier Strom. Da sich Energieerzeuger einer weitgehend starren Produktion gegenübersehen, müssen sie bei schwankender Nachfrager entweder Strom extern zukaufen oder bereits erzeugten Strom weiterverkaufen. Da die Nachfrage nach Strom ausgesprochen dispers ist, gelingt zwar die Kontaktaufnahme zu gewerblichen Abnehmern, nicht aber zu privaten. Strom wird daher an Online-Börsen gehandelt. Dort geben Erzeuger überschüssige Mengen an Großhändler ab oder kaufen fehlende Mengen etwa aus dem Ausland von diesen zu. Großhändler haben damit eine Kollektionsfunktion. Da der Energiebedarf lokal und kleinteilig angelegt ist, überlassen sie diese Mengen Einzelhändlern, teilweise auch Absatzhelfern, zur Weiterleitung an Abnahmestellen. Diese Einspeisung ins Netz erfolgt in jedem Fall lokal. Die Verteilung passiert also nur virtuell, und es entstehen daraus nur winzige Kosten je Abrechnungseinheit. Infolge der weitgehenden Intransparenz des Marktes und der geringen Reaktionsgeschwindigkeit privater Endabnehmer bleiben diese nur von untergeordneter Bedeutung.

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5.2.1.4 Absatzmethode Der Online-Absatz vollzieht sich in Bezug auf das Vertriebssystem im Distanzprinzip, d. h., Anbieter und Nachfrager befinden sich an verschiedenen Orten und treten zeitraum- bzw. zeitpunktgebunden in Kontakt zueinander über Medien. Im Grunde entspricht dies dem traditionellen Versandhandel, allerdings mit drastisch erweiterten Möglichkeiten. Hinsichtlich der Absatzform werden dabei vielfach ausgegliederte Absatzhelfer eingesetzt. Dabei handelt es sich traditionell um Handelsvertreter, Kommissionäre, Makler, Versteigerer. Internetspezifisch kommen weitere Formen hinzu, die das Webprinzip des Hyperlink nutzen. Zu nennen sind dabei als verbreitetste Form Affiliations. Auf diese wird daher im Folgenden näher eingegangen. Affiliation ist allgemein ein performancebasiertes Online-Instrument, das auf der Vergütung von Mittlern durch Provision für unternehmensexterne Vertriebspartner beruht, die einem werbenden Unternehmen Interessenten / ​Käufer über ihre Onlinepräsenz zuführen. Die Vergütung kann dabei auf verschiedenen Bezugsgrößen basieren wie Klick, Informationsanforderung, Log-in, Kauf, NewsletterPermission etc.: • Bei direkter Affiliation gibt es zwei Beteiligte im System, einen Anbieter als werbungtreibendes Unternehmen (Merchant) und zwei oder mehr Werbedurchführende als Vertriebspartner (Affiliates / ​Publishers). • Bei indirekter Affiliation kann ein Werbemittler als Affiliate network wie Affilinet, Awin etc. zwischengeschaltet werden, der ein virtuelles Mittlernetz auf zielgruppen- bzw. themenorientierten Websites bildet. Die Affiliates platzieren dazu i. d. R. Displaywerbung auf ihrer Website, die beim Anklicken per Hyperlink zur Landing page des Merchant durchverbindet. Dazu bietet der Merchant den Publishers an, seine Werbung in ihre Website zu integrieren. Nutzer, welche die Affiliate-Website besuchen, stoßen dann auf diese Werbemittel. Klicken sie sie an, werden sie per Hyperlink von dort zum Merchant weitergeleitet. Sofern eine vereinbarte Aktion zwischen Nutzer und Anbieter stattfindet, erwirtschaften die Affiliates daraus einen Vergütungsanspruch. Dabei sollte es je Zielgruppe und je Ausgangs-Webseite eine dedizierte Landing page geben. Wichtige Elemente sind dort das Logo, die Headline aus der Bannerwerbung und ein Call to action-Text zur Handlungsauslösung. Basis ist eine motivierende Angebotsbeschreibung mit unterstützenden Elementen (Supporting evidence)  wie positive Kundenstimmen, absicherndes Zertifikat, authentische Bewertungen, Garantien etc. Keinesfalls sollte es ein Navigationsmenü geben, das aus der Landing page wegführt, für die Zielgruppe irrelevante Informationen enthält, also solche, die sie eher verunsichern, oder Social media-Buttons, denn diese lenken nur ab und bringen im Übrigen auch Datenschutzprobleme. Bullet points bzw. nächste Schritte und Icons sollten die Prozedur vorgeben. Im Feedback ist unerlässlich, den Traffic zu analysieren und Gestaltung, Inhalte und Verlinkung zu optimieren.

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Der Affiliate-Link trägt dazu eine Partnerkennung, so dass ersichtlich ist, wer als Zubringer fungiert, außerdem gibt es einen Zeitstempel (Timestamp mit Datum / ​Uhrzeit) für das Tracking. Die Banner haben also keine „reine“ Werbefunktion, sondern sind konkreter Vermarktungsansatz. Denkbar sind dabei vielfältige Ausgestaltungen, so zeitliche Begrenzung der Provisionszahlung, z. B. auf Produktneueinführung, Saisonware, Sonderverkauf wie Singles’ Day, Black Friday, Cyber Monday, Kopplung an Mindest- oder Höchstprovisionshöhen (Floor / ​Ceiling), Treuebonus für Loyalität oder Eintrittsbonus zum Willkommen, Gegenrechnung der Provision mit Retouren (wegen Scheinbestellungen) o. Ä. Bei den Vertriebspartnern kann es sich um reine Affiliate-Anbieter (Thin affiliates) handeln, im Wesentlichen Gutschein-Portale, Deal-Seiten (Schnäppchenjagd), Cash-back-Portale, Bonussysteme, Preisvergleichsportale. Sie haben kein oder nur ein marginales eigenes Angebot. Oder es handelt sich um gemischte Anbieter als Content-Publisher wie Verlage oder Community-Publisher wie Influencer, Blogger mit eigenem Angebot. Für die Auswahl ist vor allem deren Kongruenz mit der Zielgruppe wichtig, und zwar • quantitativ, also nach Reichweite, nationaler / ​internationaler Präsenz etc., • qualitativ, also nach Platzierungsmöglichkeiten, Reputation / ​Image, Usability der Webpräsenz etc. Ein offenes Partnering zielt in quantitativer Priorität auf möglichst viele Affiliates ab, ein geschlossenes Partnering setzt hingegen in qualitativer Priorität auf ausgewählte Affiliates. Bei ersterem kann ein Partner autonom beitreten, bei letzterem hat er eine Prüfung auf Kompatibilität zu gegenwärtigen. Bei offener Anlage besteht vor allem die Gefahr, an unseriöse Vertriebspartner zu geraten, welche die eigene Reputation beschädigen. Im Wesentlichen kommen als Publisher-Modelle in Betracht: • General interest sites mit jeweils breit streuendem Inhalt und Zielpublikum, Special interest sites mit jeweils eng fokussiertem Inhalt und Zielpublikum, kontextsensitive Sites mit denotativ bzw. konnotativ verwandtem Angebot zum eigenen Angebot oder Thin affiliates (s. o.). Von großer akquisitorischer Bedeutung ist auch die werbliche Gestaltung des Banner. In Betracht kommen dafür, neben vielfältigen Sonderformen, gängige Formen wie: • einfache integrierte Ads als statische Banner, Skyscrapers, Super banner, Hockey sticks, Rectangle ads etc., sie befinden sich auf der gleichen Bildschirmebene wie der eigentliche Webseiteninhalt, • elaborierte integrierte Ads als animierte Banner, HTML-Banner, Nanosite, Transactive oder Rich media banner etc., sie sind aufwendiger konzipiert, ansonsten gilt für sie das gleiche wie für einfache Ads,

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• New window ads nach Zeitpunkt der Einblendung als Pop-ups, Blow-up banners, Interstitials, Superstitials etc., sie öffnen sich in einem getrennten Fenster (Frame) auf der Bildschirmseite, überlagern oder verschieben also dessen Inhalt auf gleicher Ebene, • Layer ads nach Ebene der Einblendung als Floating, Expanding, Mouse move banner, Pop under banner, Sticky banner etc., sie öffnen sich auf einer anderen Ebene als der eigentliche Webseiteninhalt, sind also darüber oder darunter gelagert. Die Erfassung (Tracking) erfolgt aktiv, meist durch Log-in / ​Anmeldung, oder passiv über Cookies, URL-Trackings, Webbugs etc. Bei Cookies werden die Werbe­m ittel des Merchant auf dem Link mit einem Partnercode versehen. Bei den anderen Formen können Besucheraktivitäten dem jeweiligen Partner durch eine CSV-Datenbank zugeordnet werden. Dem Affiliate steht dann eine Provision bei Transaktion z. B. innerhalb 24 Stunden nach Aufruf zu. Die Auszahlung erfolgt aber zeitverzögert, um Gutschriftanlässe abzuwarten. Wegen eingeschränkter Tracking-Möglichkeiten sind Manipulationsversuche zur Erschleichung von Provisionen verbreitet, zu denken ist an Cookie dropping als künstlich erzeugte Klicks, Cookie stuffing zur Simulation von Partner-Klicks oder Ad-hijacking mit gefälschten Anzeigenkopien. Als merchantseitige Vorteile von Affiliations ergeben sich vor allem folgende: • Die Kosten sind rein performance-orientiert, haben also keinen Fixcharakter, sondern entstehen erfolgsabhängig, • durch Backlinks auf die Merchant-Landing page erhöht sich deren Suchmaschinen-Attraktivität im Ranking, • eine intensive Lead-Generierung zur Neukundengewinnung ist darstellbar, • eine effektvolle Integration von Influencern auf deren Social media-Seiten ist möglich, • es entsteht eine hohe virtuelle Präsenz bzw. Reichweite (Visibilität), z. B. zur Erhöhung des Bekanntheitsgrads oder der Website-Besucherzahlen, • der eigene Vertrieb wird entlastet, die Kosten vermindern sich entsprechend, • die Einblendung wird von Besuchern häufig als Empfehlung des Website-Betreibers interpretiert, wirkt also akquisitorisch, • es ist eine effiziente Werbeerfolgskontrolle möglich, zusätzlich werden Informationen über das Surf-Verhalten in der Zielgruppe gewonnen. Vorteile aus Sicht der Affiliates sind folgende: • Es besteht keine Verpflichtung zur Übernahme von Logistik, Zahlungsverkehr und anderen Abwicklungsaufgaben,

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• die Vergütungen liegen im Zweifel deutlich höher als bei Werbeeinnahmen aus der Bannerschaltung, • die Einnahmen entstehen „leistungslos“, erfordern also keine zusätzlichen Aktivitäten, außer der Zulassung der Banner-Integration, • es besteht kein Risiko, da keine Initialinvestition zur Einnahmenerzielung erforderlich ist, • bei geeigneten Merchants entsteht eine Erhöhung der Site-Attraktivität durch Abstrahlwirkung (Image-Irradiation). Zur Erleichterung der Durchführung werden in der Praxis häufig Affiliate networks zwischengeschaltet, die den Kontakt zwischen der Partnern herstellen sowie die technische und kaufmännische Abwicklung organisieren. Alternativ dazu kann der Merchant diese Aufgaben aber auch selbst übernehmen und erspart sich dann die Kosten, nicht aber die Mühen (Make or buy-Entscheid). Affiliate-Netzwerkbetreiber wie Affilinet, Zanox, Tradedoubler etc. übernehmen vor allem administrative Aufgaben. Vorteile aus der Einschaltung eines Netzwerks für den Merchant sind vor allem folgende: • Betreuung der Affiliates für deren Betrieb, Pflege, Aktualisierung des Systems, • automatisierte Platzierung der Banner nach Maßgabe des Merchant, • geringer Handling-Aufwand durch Outsourcing von Akquisition, Steuerung, Kontrolle der Affiliates, • niedrige Anlaufkosten, meist in Form einer Set up-Gebühr, • juristisch geprüfte Standardverträge, die Rechtssicherheit geben, mehr Reichweite durch das Netzwerk mit Verbreitung • Werbemultiplikation / ​ über zahlreiche Affiliates parallel, • gebündelte Abrechnung der Provisionen mit Prozesskostenersparnis, • Bereitstellung sicherer technischer Infrastruktur mit Updates zur Anpassung an technische Entwicklungen, • Reporting der Aktivitäten, insb. hinsichtlich der Conversion-Rate, aber auch gängiger anderer Online-Metrics, • Selektionierung durch Erfüllung der Beitrittsbedingungen für Affiliates. Nachteile sind hingegen vor allem folgende: • ein Vorschuss auf bzw. Absicherung von Provisionszahlungen ist erforderlich, • die Provisionsteilung mit dem Network (Split commission, meist 30 % des Innenumsatzes) schmälert den Gewinn, • es erfolgt eine einzelfallgeprüfte Zulassung zur Aufnahme von Merchants in das Affiliate-Netzwerk,

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• zumeist fehlende Eignung für Nischenprodukte wegen mangelnder Marktbreite, • keine Backlinks zur eigenen Seite (negativ für Suchmaschinen-Ranking), allerdings erfolgen Referrer-Einträge, • Akzeptierung vorhandener Vertragsmodelle, i. d. R. ohne individuelle Anpassungsmöglichkeit, • keine autonome Auswahl der Vertriebspartner möglich, da diese dem Affiliate zufällt, • dauerhaftes Know-how-Defizit durch Auslagerung der Aktivitäten. Die Vor- und Nachteile einer Make-Alternative verhalten sich entsprechend spiegelbildlich. Für die Auswahl eines Network sind vor allem Kriterien wie Erfahrungsbasis, Leistungsspektrum, Systemreichweite, Branchen-/Landesfokus, Akkreditierungsprozess, Leistungskontrolle, Servicequalität, Reportingtransparenz, Gebührenhöhe etc. von Bedeutung. In der Vertragsgestaltung geht es dann vor allem um folgende Inhalte: • Vergütung, Zahlungsmodalitäten, Einsatz / ​Umfeld der Werbemittel, Laufzeit / ​ Kündigungsgründe, Haftung für Schutzrechtsverletzungen, Exklusivität nach Produktgruppe / ​Affiliate-Site, Datenschutz. Im Zuge einer Customer journey ist tatsächlich durchaus der Besuch mehrerer Websites üblich, ehe es zur gewünschten Aktion kommt, z. B. zuerst Testberichtsseite, dann Preisvergleichsseite und danach erst Händlerseite. Dann stellt sich die Frage, wie die Kontaktverfolgung und wie die Erfolgszurechnung dabei geregelt werden. Weitere Customer touchpoints sind folgende: • Suchmaschineneintrag/-werbung, Startseite der Website (Homepage), Webseiten innerhalb der Website-Navigationsmenü, Artikelinhaltsseiten, Warenkorbablage des gewünschten Artikels, Kassenfunktion für Rechnungsbetrag, Eingabe persönlicher Daten (Log-in), Wahl der präferierten Zahlungsmodalität, Empfang der Auftragsbestätigung mit Vorausdank, Warenübergabe durch Versanddienstleister, Widerruf / ​Retoure, laufender Kundenkontakt. Für ein solches Tracking kommen mehrere Verfahren in Betracht: • Beim Cookie-Tracking erhält jedes Affiliate-Cookie eine Werbemittel-ID, so dass eine Zuordnung möglich ist. Allerdings überschreibt ein neurerer Besuch dabei die Cookies älterer Besuche. Die Erfolgsprovision geht dann nur an den letzten Werbekontakt, alle anderen gehen hingegen leer aus. Dies ist unbefriedigend. Auf mobilen Endgeräten sind Cookies zudem nur eingeschränkt verwendbar, etwa bei Apps. Abhilfe kann durch digitale Signaturen geschaffen werden. Weiterhin sind die Cookies an die Endgeräte, auf denen die Website-Nutzung stattgefunden hat, gebunden, sind also bei Cross device-Einsatz mit zwei oder

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mehr Endgeräten je Nutzer wenig aussagefähig. Third party cookies laufen zudem aus und können rechtlich gesehen nicht mehr eingesetzt werden. • Das URL-Tracking kann nicht abgeschaltet werden. Unter URL (Unique resource locator) ist eine eineindeutige Internetadresse zu verstehen, die eine Webpräsenz identifiziert. Die URL passt aber nur bei Direktzugriff des Nutzers von seinem Browser auf eine Seite, nicht hingegen bei Weiterleitung von einer anderen Site auf die Affiliate-Seite. Insofern ist hier ein Zusatzaufwand zur Auswertung involviert. Die Weiterleitung von Tracking-Daten wird teils als systemkritisch angesehen. • Beim Datenbank-Tracking ist eine einmalige Registrierung der Besucher auf der Affiliate-Webseite erforderlich. Damit ist jeder Besucher dann in der Daten­bank abgespeichert und alle Bewegungsdaten können verfolgt werden. Allerdings besteht verbreitet Misstrauen gegen eine solche, extern kaum nachvollziehbare Speicherung von Besucherdaten, so dass die Akzeptanz massiv beeinträchtigt ist. Insofern liegt hier eine Sperre für weitere Interaktionen vor. • Das Session-Tracking bedient sich in erster Linie der o. g. Cookies. Ausgangspunkt ist hierbei der kontinuierliche Besuch einer Seite. Persistente Cookies werden dauerhaft gespeichert, temporäre Cookies sind nur für die laufende Session oder ein Zeitlimit, meist 30 Tage, aktiviert und gehen danach verloren, wenn sie nicht schon vorher überschrieben wurden. Probleme entstehen durch Cookie-Blockung / -Löschung und bei Third party cookies, das sind solche, die von anderen Werbungtreibenden auf der besuchten Seite stammen, deren Banner aber nicht angeklickt wurde. Ihnen muss ausdrücklich zugestimmt werden, ersatzweise ist daher eine unmittelbare Weiterleitung an die Merchantseite umsetzbar. Nicht betroffen davon sind essenzielle Cookies, also solche, die technisch notwendig sind, diese bedürfen auch keiner Einwilligung. • Das Pixel-Tracking basiert auf einem transparenten 1 × 1 Pixel, das beim Aufruf einer Affiliate-Seite mitübertragen wird (s. o.). Es ist auf dem Monitor praktisch unsichtbar, erlaubt aber nur eine binäre Aussage (besucht / ​nicht besucht), jedoch keine weitergehenden Informationen, die für Reporting und / ​oder Vergütung wichtig wären. Insofern ist die Aussagefähigkeit sehr beschränkt. Für die Vergütungszurechnung kommen im Einzelnen mehrere (statische) Attributionsmodelle (Berechnungsbasis) in Betracht: • Last cookie wins bedeutet Provisionsanspruch nur für das Affiliate, das den letzten Kontakt zum Interessenten / ​Kunden nachweisen kann, denn dieser ist der zwingende Auslöser für die gewünschte Aktion. Dies hat zu Beginn dazu geführt, dass sich alle Affiliates auf die Stufe unmittelbar vor der gewünschten Aktion, z. B. dem Kauf, konzentrierten und die kaufeinleitenden Stufen vernachlässigt wurden (Thin affiliates). Daraufhin erst entstanden weitere Attributionsmodelle als Optionen.

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• First cookie wins bedeutet Provisionsanspruch nur für das Affiliate, das als erstes Kontakt zum Interessenten / ​Kunden nachweisen kann, denn ohne dieses Einfallstor wären alle weiteren Aktionen gar nicht erst zustande gekommen. Dann empfiehlt sich der Einbau einer Affiliate-Weiche, um einer Mehrfachprovisionierung vorzubeugen. Das erste Affiliate setzt die Weiche in Funktion und sperrt die nachfolgenden vom Anspruch aus. • Denkbar ist die Beteiligung aller Affiliates gleichmäßig an der Provisionsausschüttung, egal ob sie im Einzelfall am Erreichen einer gewünschten Aktion beteiligt sind oder nicht. Dies stellt eine erhebliche Abrechnungsvereinfachung dar, wird aber verbreitet als ungerecht empfunden, obgleich durchaus strittig und auch kaum nachweisbar ist, welcher Kontakt welchen Beitrag zur gewünschten Aktion geleistet hat oder auch nicht. • Möglich ist auch eine Provisionsteilung (Split commission) zwischen dem ersten und dem letzten Affiliate, weil diesen beiden Kontakten besondere Bedeutung zugewiesen wird, einmal als Einstieg, ein andermal als Auslöser der Transaktion. Ob dies objektiv gerechtfertigt ist, bleibt allerdings fraglich. • U-Form bedeutet die anteilige Provisionsteilung (Split commission) zwischen den Affiliates im Zeitablauf, weil der erste und der letzte Kontakt zwar als wesentliche Initiatoren für eine gewünschte Aktion zu gelten haben, die Affiliates dazwischen aber als Brückenkontakte auch, wenngleich geringer gewichtet werden. • Ein steigender Anteil an der Provision (Backloading) für alle beteiligten Affiliates erfolgt mit zunehmender Zeitnähe zur gewünschten Aktion. Die zeitlich ersten Kontakte werden demgegenüber als weniger relevant erachtet als die zeitlich letzten. • Ein fallender Anteil (Frontloading) mit steigender Zeitnähe zur Aktion hingegen bedeutet umgekehrt, dass die ersten Kontakte als prioritär angesehen werden, weil sie den Einstieg in den Affiliate-Funnel darstellen. Die darauffolgenden Kontakte werden entsprechend geringer gewichtet. • Schließlich kommt auch eine Lifetime-Provision für die Gültigkeitsdauer des Cookie in Betracht, dadurch können auch verzögerte Transaktionen wie Folgekäufe verprovisioniert werden. Diese Provision kann je nach Auslegung für verschiedene berechtigte Affiliates gelten. Für die Bezahlung sind ebenfalls verschiedene Modelle üblich, im Folgenden die gebräuchlichsten: • Cost / ​Pay per click bedeutet, dass die Provision pro erfolgtem Anklicken eines Werbemittels auf der Affiliate-Webseite fällig wird. Als Problem ergeben sich hier Klickgeneratoren (Robots), die nur durch aufwändige Musterererkennung eingedämmt werden können.

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5. Der Online-Absatz

• Cost / ​Pay per click-out bedeutet, dass die Provision nicht schon beim Anklicken auf der Affiliate-Seite fällig wird, sondern erst bei Anklicken einer Aktion auch auf der Merchant-Webseite. • Cost / ​Pay per link bedeutet, dass bereits das bloße Einblenden des Werbemittels auf der Webseite bezahlt wird, ohne dass es angeklickt werden müsste, dies entspricht dem Pageview. • Cost / ​Pay per lead bedeutet, dass die Provision bei Kaufinteressentenidentifi­ kation gezahlt wird, unabhängig von einem Abschluss, es gilt also bereits ein qualifizierter Kontakt, ausgenommen davon sind Bestandskunden. • Cost / ​Pay per action schafft eine Vergütung erst bei Vollzug einer gewünschten Aktion wie Info-Material anfordern, Log-in-Registrierung, Bestellung o. Ä. • Cost / ​Pay per view bedeutet, dass die Provision bereits bei jedem Aufruf einer Webseite mit Werbemittel fällig wird, hier besteht die manifeste Gefahr von Click fraud (Klickbetrug), etwa indem Affiliates selbst massiv ihre eigene Webseite aufrufen. Daher kann eine IP-Sperre eingesetzt werden, die wiederholte Seitenaufrufe von derselben Adresse verhindert. • Cost / ​Pay per post view bedeutet, dass beim Besuch einer Webseite mit Banner ein Cookie gesetzt wird, eine Provision fällt aber nicht schon dann an, sondern erst, wenn ein erneuter Besuch dieser Webseite erfolgt, weil die spätere Nutzung des Werbemittels erfasst wird. • Cost / ​Pay per print-out erfordert für die Provision den Ausdruck einer werb­ lichen Information wie Ticket, Flyer, Coupon etc., identifiziert durch ausgelösten Druckauftrag. • Cost / ​Pay per install kann für digitalen Output dienen wie z. B. Software-Installation von Demo-Versionen, identifiziert durch ausgelösten Download-Auftrag. • Cost / ​Pay per sign-up bedeutet, dass die Provision fällig wird, wenn sich ein Interessent auf der Seite des Merchant durch Hinterlegung eines ausgefüllten Kontaktformulars, z. B. für einen Newsletter-Bezug, registriert. • Cost / ​Pay per sale orientiert sich am monetären Wert der Aktionen innerhalb des definierten Zeitraums, unabhängig, ob durch einfachen oder mehrmaligen Kontakt ausgelöst. • Cost / ​Pay per order orientiert sich an der Menge der Aktionen innerhalb des definierten Zeitraums, unabhängig von deren monetärem Wert. • Cost / ​Pay per call / ​call-back bedeutet, dass die Hinterlassung von Telefon-Kontaktdaten für den Merchant provisioniert wird, die ihm gezielte Response-Aktivitäten ermöglicht. • Cost / ​Pay per airtime legt für die Provisionierung die Verbindungszeit mit der Merchant-Site im Mobilfunknetz zu portablen, internetfähigen Endgeräten zugrunde.

5.2 Ausprägungen des E-Commerce

303

Praktisch werden jedoch hybride Abrechnungsmodelle eingesetzt, also Kombinationen aus zwei oder mehr der angeführten Modelle. Allerdings entsteht dabei rasch ein hohes Maß an Komplexität, was vor allem der Nachprüfbarkeit der Provisionsabrechnung abträglich ist. Ebenso sind dynamische Vergütungsformen vermehrt vorzufinden. Dabei wird ausgehend von einer Startformation geprüft, ob diese marktadäquat ist und falls nicht, werden solange Veränderungen vorgenommen, bis dieser Status erreicht ist. Problematisch ist dabei die rechtliche Wirkung der Vertragsänderung (stillschweigende Einwilligung vs. passive Zustimmung).

5.2.2 Pure player-Prinzip 5.2.2.1 Online-Shop Ein Pure player-Prinzip bedeutet E-Commerce-Absatz ausschließlich über Online-Shop, Online-Marktplatz und Online-Börse. Für den Onlinevertrieb indirekt durch Einzelhändler im eigenen Namen und auf eigene Rechnung ergibt sich folgendes. Ein solcher Online-Shop kann IuK-technisch im Einzelnen wie folgt realisiert werden. Die Software wird: • in Eigenregie programmiert. Damit kann zwar eine maßgeschneiderte Version erreicht werden, allerdings ist der Initialisierungsaufwand zeit- und kostenbezogen erheblich, und es bestehen unzählige Fehlerquellen (Bugs), die kontraproduktiv auf Interessenten / ​Kunden wirken. Zudem ist eine kontinuierliche Administration erforderlich, dies erfordert zumeist hohe einmalige und laufende Ausgaben im Outsourcing. • als Fertigprodukt fremd zugekauft. Damit können Fehlerquellen minimiert werden, allerdings werden hohe Kaufpreise aufgerufen und vor allem muss die eigene Organisation dem Organisations-Master der Software möglichst angenähert werden. Dies involviert erhebliche aufbau- und ablauforganisatorische Veränderungen im Betrieb, werden diese nicht realisiert, muss die StandardSoftare aufwändig umprogrammiert werden, wodurch ihre Vorteile wieder weitgehend verlorengehen. • als Fertigprodukt angemietet, mit der Möglichkeit kontinuierlicher Updates. Hier gilt das gleiche wie für Fertigprodukte, allerdings wird der Kaufpreis in Mietzahlungen „gestückelt“, viele Shop-Software-Anbieter bieten nur noch ein solches Mietmodell (SaaS / ​Software as a service) an, meist cloud-gestützt. Daraus folgt zudem eine erhebliche Abhängigkeit vom Anbieter i. S. e. Kundengebundenheit. • als Open source-Software kostenlos bereitgestellt und nach eigenen Vorstellungen modifiziert. Dies ist die kostengünstigste Anschaffungsmöglichkeit, setzt jedoch erhebliches eigenes IT-Know-how voraus, das häufig nicht gegeben und damit erst teuer und risikoreich einzukaufen ist, wodurch der Vorteil wieder

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5. Der Online-Absatz

kompensiert wird. Zudem ist die Lösung stark schematisiert und damit wenig eigenständig. • in Untermiete von Hosts wie Amazon, Ebay, Scout24 betrieben. Dies ist sicherlich die reibungsloseste, effizienteste Version, da man das Know-how und die Marktbreite professioneller Champions für die eigene Geschäftspräsenz nutzen kann, dafür begibt man sich wirtschaftlich mehr oder minder in deren Hand und kann nur noch begrenzt autonom agieren, zudem fallen hohe Gebühren für das Hosting an. Die wichtigsten Elemente jedes Online-Shop stellen dabei folgende dar: • Eine Produktdatenbank gibt möglichst detailliert und aussagefähig Auskunft über die im Sortiment angebotenen Produkte, deren Profil, Auswahl und Verfügbarkeit. • Die Stammdatenverwaltung ist wichtig, um Artikel und Besteller sicher zuordnen und administrieren zu können. Dies erleichtert auch die Usability des Shop für seine Besucher. • Das Präsentationssystem sorgt für eine attraktive und aussagefähige Darstellung der Leistungen im Internet. Dies wirkt akquisitorisch und beugt womöglich auch Retouren, Reklamationen und Unzufriedenheiten vor. • Ein Empfehlungsdienst gibt Erfahrungen anderer Nutzer weiter und wirkt dadurch risikoreduzierend. Dies erleichtert Interessenten die Entscheidung und erhöht die Profitabilität des Shop. • Konfiguratoren sollen Interessenten die Anpassung der Waren an ihre individuellen Bedarfe ermöglichen, so nach Ausführung, Menge, Lieferservice etc. • Das Bezahlverfahren muss sicher, eindeutig und bequem sein, Anforderungen, die gerade in einem bewusst offenen System wie dem Internet nur schwer zu erfüllen sind. Die Darstellung erfolgt durch aggregierte Produktübersichten (Kataloge), die online gestellt werden und in die sich Interessenten einloggen können. Die Preisfindung ist statisch auf Basis von Einheitspreisen oder mit abnehmerorientierter Rabattierung. Die technische Anbindung erfolgt meist über XML (Extensible markup language). Man unterscheidet im Einzelnen attributbasierte Kataloge, die nach anzuwählenden Produktarten sortiert sind, konstruierende Kataloge, die vorab den Bedarf über Konfiguratoren spezifizieren, beratende Kataloge, die über SoftwareAgenten Informationen gemäß Kundenprofilen individuell zusammenstellen sowie natursprachliche Kataloge, die mit Avataren / ​Bots agieren, die z. B. FAQs beantworten. Avatare sind künstliche Wesen im Internet, meist in menschlicher Gestalt oder als Comicfigur, die mit dem Benutzer in Alltagssprache kommunizieren. Sie werden häufig durch Chatbots unterstützt. Chatbots basieren auf Wissensdatenbanken und Erkennungsmustern Künstlicher Intelligenz und interagieren durch

5.2 Ausprägungen des E-Commerce

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Text und / ​oder Spracherkennung automatisiert mit Interessenten / ​Kunden auf deren Anforderungen hin (Information, Problemhilfe o. Ä.). Kundenprofile helfen bei der Individualisierung von Angeboten, der Nutzung von Cross selling- und Up selling-Potenzialen, der Optimierung der Website-/ Landing page-Gestaltung, der Entdeckung von Sortimentslücken, der Bedarfsprognose, der Steigerung der Kundenbindung und der Nachfragersegmentierung. Vor allem können Informationsverzerrungen eingedämmt werden, diese resultieren aus • der Fehlleitung von Nutzern durch missverständliche Steuerelemente und „Sackgassen“, • die Verwirrung von Nutzern durch für sie unklare, nur schwer zuordnenbare Angebote, • der Verärgerung über irrelevante Angebote und unzulängliche / ​fehlende Informationen.

5.2.2.2 Online-Marktplatz Für den halbstufigen Onlinevertrieb über Marktplätze bzw. Plattformen / ​Portal sites, dort im eigenen Namen und auf fremde Rechnung als Kommissionär bzw. im fremden Namen und auf fremde Rechnung als Handelsvertreter, ausnahmsweise auch im fremden Namen und auf eigene Rechnung als Treuhänder, ergibt sich Folgendes. Man unterscheidet im Einzelnen nach dem Inhalt horizontale Marktplätze, auf denen für branchenübergreifende Anwendungen Angebote einer Produktgruppe offeriert werden und vertikale Marktplätze, auf denen für branchenspezifische Anwendungen Angebote verschiedener Produktgruppen offeriert werden. Nach der Abdeckung sind weiterhin laterale virtuelle Marktplätze mit verschiedensten Produkten für unterschiedlichste Anwendungen sowie fokussierte virtuelle Marktplätze, auf denen nur ein Produkt für eine Branchenanwendung gehandelt wird, zu unterscheiden. Nach der Veranlassung unterscheidet man anbieterbetriebene Marktplätze, die von Lieferanten zum Zwecke der Offerte ihrer Produkte installiert werden. Dort können sich potenzielle Nachfrager einen raschen Marktüberblick verschaffen. Sowie nachfragerbetriebene Marktplätze, die von Abnehmern zum Zwecke der Bedarfsdeckung installiert werden. Dort können sich potenzielle Lieferanten melden und ihren Lieferwunsch abgeben. Sowohl anbieter- wie auch nachfragerinitiierte Marktplätze dienen der direkten Transaktionsaufnahme. Außerdem gibt es mittlerbetriebene Marktplätze, die ebenfalls der Aggregation von Angebot und Nachfrage dienen. Mittler sind dabei rechtlich nicht als Makler tätig und bestreiten ihre Einnahmen daher aus anderen Quellen, meist aus Werbe-

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5. Der Online-Absatz

einschaltungen auf der Website oder aus Eintragungsgebühren für die Notierung. Derartige proprietäre Marktplätze werden häufig durch Verbände, Konsortien o. Ä. betrieben. Praktisch handelt es sich bei diesen Mittlern häufig um Intermediäre, die auf Marktplätzen Angebot und Nachfrage sammeln und von der Provision zur Herstellung des Kontakts zwischen beiden profitieren. Dazu eröffnet der Intermediär eine Plattform, auf der Anbieter und Nachfrager unabhängig voneinander Leistungen bzw. Gebote platzieren. Oft kann auch die Zahlungsabwicklung und -besicherung über diese Marktplätze vorgenommen werden. Kommt dann eine Transaktion auf diesem Marktplatz zustande, wird die Provision fällig (siehe Abb. 60: Ausprägungen von Online-Marktplätzen).

intermediärbetrieben

mittler-organisiert

käuferbetrieben

nachfrager-initiiert

verkäuferbetrieben

anbieter-initiiert produktübergreifend

produktspezifisch

branchenspezifisch

vertikale Marktplätze

fokussierte Marktplätze

branchenübergreifend

laterale Marktplätze

horizontale Marktplätze

Abbildung 60: Ausprägungen von Online-Marktplätzen

5.2.2.3 Online-Börse Die Geschäftstätigkeit von Online-Börsen bezieht sich systemtypisch auf digitale Produkte wie Suchaufträge, Textnachrichten, Musikdateien, Videostreams, Zahlungsauthorisierungen etc., aber zunehmend auch auf physische Produkte. Dabei treten mehrere Anbieter und mehrere Nachfrage zeit- und raumgleich (Many to many) in Kontakt zueinander bzw. präsentieren mehrere Anbieter parallel ihr jeweiliges Angebot gegenüber mehreren Nachfragern, die als potenzielle Käufer auftreten. Damit liegt eine polypolähnliche Marktstruktur vor, die zugleich von sehr hoher Markttransparenz gekennzeichnet ist, also einem vollkommenen Markt nahekommt. Individuelle Vorteile können nur durch immaterielle Leistungen als akquisitorisches Potenzial wie Vertrauen, Branding generiert werden. Dabei geht es um den Versuch, die Markttransparenz zu verringern und damit Preissetzungs-

5.2 Ausprägungen des E-Commerce

307

spielraum zu gewinnen (dynamische Preissetzung). Im Gegensatz dazu steht die statische Preissetzung von Online-Katalogen (Optionsfixierung). Online-Börsen sind im B-t-b-Bereich zumeist als virtuelle Marktplätze ausgestaltet, über die vorwiegend Wartungs- und Reparaturleistungen als Kundendienste sowie Betriebsstoffe und indirekte Produkte, aber auch Restposten, Gebrauchtwaren etc. gehandelt werden (MRO-Produkte). Betriebsstoffe sind Produkte, die nicht in ein zu vermarktendes Endprodukt eingehen, aber zu dessen Erstellung erforderlich sind (z. B. Öle, Energie). Indirekte Produkte sind solche, die im administrativen Bereich der Organisation eingesetzt werden (z. B. Büroausstattungen). Restanten sind Produkte, die nicht mehr marktgängig oder aus dem Programm genommen sind und meist verramscht werden. Gebrauchtwaren sind noch funktionsfähige Produktivgüter, deren Eigentümer diese ausgesteuert hat und damit einen Resterlös erzielen will. Weiterhin werden dort C-Produkte mit geringem Wertanteil im Beschaffungsbudget als direkte Produkte ge- und verkauft. C-Produkte verursachen ansonsten im Vergleich zu ihrem Warenwert überproportionale Prozesskosten. Bei beiden handelt es sich um physische Produkte / ​Dienste, daneben sind digitale Produkte / ​Dienste konstitutiv auf das Internet als Vertriebsweg angewiesen.

5.2.3 Mixed player-Prinzip Für das Mixed player-Prinzip aus kombiniertem Online- und Offline-Ansatz in jeweils mehr oder minder hohem Anteil ergeben sich mehrere Optionen. Einige Beispiele sind: • Hersteller mit signifikantem Anteil von Online-Shops wie Adidas, Boss, Esprit, Lacoste, Nivea etc., • Online-Anbieter mit stationären Geschäften, meist als Flagship stores (auch Concept stores) vorgesehen, • Dienstleister mit Online-Shops wie ADAC, ATU, Sparkassen, Vergölst etc., • Versandhändler mit Online-Shops wie Conrad Electronic, Heine, Klingel, Otto etc. Dominanter Offline-Absatz bedeutet, dass die Geschäftsbasis offline ausgelegt ist, jedoch um Online-Komponenten ergänzt wird. Ein bekanntes Beispiel ist das Click & collect-Verfahren, ein anderes das Click & meet-Verfahren. Dabei bieten Offline-Händler ihr Sortiment über eine Website an, die jedoch keine Transaktionsfunktion enthält. Vielmehr können dort Artikel ausgewählt und reserviert werden, um sie dann vor Ort abzuholen und zu bezahlen bzw. es werden, etwa bei Kontaktbeschränkungen, online Termine reserviert, um vor Ort (Residenzprinzip) eine Kundenberatung oder andere Dienstleistungen vornehmen zu können. Ein Feldversuch wurde zunächst durch Ebay in Mönchengladbach gestartet. Das Prinzip hat in der Pandemie 2021 breiten Einsatz gefunden und manch sta-

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5. Der Online-Absatz

tionäre Handelsexistenz über die Zeit gerettet. Vielfach wird vorhergesagt, dass ein reiner Offline-Handel nicht mehr zukunftsträchtig ist, teilweise wird aber auch eine Renaissance vorhergesagt. Vorzufinden ist aber auch eine Online-Geschäftsbasis, die durch Offline-Präsenz ergänzt wird. Dabei eröffnen erfolgreiche Online-Anbieter punktuell in der Fläche Offline-Geschäftsstätten, die vornehmlich nicht zum Absatz-, sondern zum Imagezweck getrieben werden. Solche Concept stores sollen das Online-Angebot konkret erlebbar werden lassen, indem sie es „anfassbar“ machen. Dadurch soll ein Viral-Effekt auf das Web-Angebot entstehen. Dazu wird ein aufwändiger POSAuftritt inszeniert und 1-a-Lage genutzt. Beispiele finden sich bei Apple, Amazon, Cyberport, Mymuesli, Notebooksbilliger, Zalando (alle Großstädte), Mytoys (­Essen), Home24 (Frankfurt), MisterSpex (Dortmund) o. Ä. Aus einer anderen Perspektive kann das Mixed player-Prinzip nach Show­ rooming bzw. Webrooming eingeteilt werden (in Abgrenzung von Pure offline und Pure online): • Showrooming meint, dass Kaufinteressenten sich im stationären Handel umschauen und informieren, sich auch beraten lassen, um dann im Internet das preisgünstigste Angebot dazu zu finden. Dieses Verhalten wird auch als „Beratungs-Klau“ thematisiert, d. h., es wird die Beratungskompetenz vor Ort genutzt, ohne diese dort durch einen Kaufabschluss zu honorieren. Das dabei gewonnene Know-how wird vielmehr eingesetzt, um das passende Online-Angebot zu finden. Letztlich ist dies ein selbstgemachtes Problem des Handels, weil regelmäßig der Impact zum Kaufabschluss (auch Closing) unterbleibt. • Webrooming meint, dass Kaufinteressenten sich im Internet durchklicken und informieren, teilweise kuratiert durch Video, Webchat, Testbericht etc., um dann im stationären Handel vor Ort den Kaufabschluss zu tätigen. Sie setzen dabei ihr kostenlos angeeignetes Know-how ein, um den „besten“ Händler zu finden und auch, um erfolgreiche (man könnte auch sagen, erpresserische) Preis-/Konditionenverhandlungen zu führen. Denn im Hintergrund steht immer das latente Argument, im Falle einer Nichteinigung das Online-Angebot zu nutzen. Inwieweit dieses Käuferverhalten Bestand haben wird, scheint umso fraglicher, je mehr Einkaufserlebnis virtuell realisiert werden kann und je unattraktiver die stationären Einkaufsmöglichkeiten werden durch Parkplatzrestriktionen, Ladenöffnungszeiten, verödete Innenstädte, Sicherheitsbedenken, mangelnde Beratungskompetenz u. Ä. Die Online-Präsenz für ein stationäres Einzelhandelsgeschäft sollte regelmäßig folgende Inhalte berücksichtigen: • Ladenadresse, Parkmöglichkeiten, Anfahrthinweise / ​ÖPNV, Öffnungszeiten, akzeptierte Zahlverfahren, Lieferkonditionen, Telefonnummer, E-Mail-Adresse, Sortimentsinhalte / ​Marken, spezifische Angebote / ​Services, Events, Blog, OnVideos von Geschäft und Waren, line-Katalog, Kundenbewertungen, Fotos / ​

5.2 Ausprägungen des E-Commerce

309

Newsletter / -Anmeldung, Zugänge zu Sozialen Medien, Download-Möglichkeiten, Suchfunktion / ​FAQs, Chat-Funktion / ​Callback-Button, Produktfinder, Lieferverfügbarkeit/-status, Coupons / ​Geschenkgutscheine, Freundschaftswerbung / ​ Weiterempfehlung, Laufzeit für Sonderangebote, Rückgabe-/Umtausch-, Nachbesserungsmöglichkeiten, Akzeptierung von Fremdwährungen / ​Zahlungsdienstleistern. Dabei sollten folgende Gestaltungen berücksichtigen werden: • Barrierefreiheit, angemessene Schriftgröße, Pop-up-Blocker-Deaktivierung, nut­ zerfreundliche Navigation / ​Usability wie Drag & drop, mehrere Browser-Typen, niedrigschwellige Hardware-Anforderungen, Vorhaltung überlicher Sicherheitsfeatures wie SSL-Verschlüsselung, Log-in, Impressumsinhalte, AGBs, Datenschutzhinweis, Cookie-Setzung, korrekte Preisangaben, Wahrung eigener / Einhaltung fremder Schutzrechte. Intern sind Funktionen wichtig wie • laufende Kaufauswertung, Warenkorb-Analyse, Lieferfähigkeitsstatus, Verwal­ tung mehrerer Mandanten (wie Standorte, Produktgruppen), Mehrsprachenfähig­ keit für Migrationshintergrund, Controlling-Auswertungen / ​Kampagnenanalysen, Schnittstellen zu Warenwirtschaft, CRM, Content management, M-Commerce etc., Suchmaschinenoptimierung in Bezug auf Title tag, Meta descrip­tion, Keyword meta tags, Überschriften (H1/H2), Fettdruck, interne / ​externe Verlinkung.

5.2.4 Social commerce Daneben spielen zunehmend Social commerce-Aktivitäten eine Rolle, sie kommen durch aktive Integration der Nachfrager in den Absatzprozess des Anbieters zustande und bieten dadurch Mehrwert. Dafür gibt es vielfältige Ausprägungen wie u. a.: • anschaffungsbezogene Diskussionsforen, Fanpages zum Austausch in Sozialen Netzwerken, Kunden helfen Kunden-Angebote in Bezug auf angebotene Produkte und deren Leistung etc., die unter dem Begriff Customer communities zusammengefasst werden, • Kundenempfehlungsprogramme (Referral programs), die Empfehlern für daraus induzierte Kaufabschlüsse Anreize / ​Belohnungen bieten, • Shop-Funktionalitäten in den Sozialen Netzwerken, teils mit eingeschränktem Bedienumfang (Shop widgets), incl. Kassen-Check out, • Co-Shopping als gemeinsames Einkaufen im Internet über installierte Plug-ins, wodurch mehrere Nutzer das gleiche Angebot sehen und sich darüber per Chat austauschen können,

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5. Der Online-Absatz

• Bündelung von Einzelnachfragen in größeren Mengen zur Erzielung günstigerer Einkaufskonditionen durch Group buying, • Zusammenlegung von Spendenbeträgen zum Kauf eines gemeinsamen Geschenks für Bedürftige (Group gifting), • eigenproduzierte Produkte, die nur für Mitglieder in entsprechenden Social shopping-Portalen sichtbar und kaufbar sind, • Blogs zu Einzelhandelsanbietern (Retail) mit Botschaften in Social media newsfeeds, etwa zu Sonderangeboten, Merchandising-Artikeln etc., • Social advertising mit Direct response-Banner in Sozialen Medien, die auf Klick Kauffunktionalitäten bieten, • Crowdsourcing zur Ideengenerierung für neue Produkte / ​Produktverbesserungen (z. B. Tchibo Ideas), • Bewertungsplattformen für Produkte und Anbieter sowie Rezensionen / ​Empfehlungen (Ratings & reviews), • Social bookmarking als öffentlich einsehbare, individuelle Merkzettel für Produkt-/Empfehlungslisten, • Social media stores (z. B. Facebook) mit eingeschränkten Funktionalitäten, • kundenindividualisierte Produkte (z. B. Spreadshirt), technisch durch Mass customization realisiert. Kommerzielle Kommunikation bedarf auch hier der strengen Kennzeichnungspflicht mit „Anzeige“ oder „Werbung“, ein #-Zeichen reicht ebensowenig aus andere Begriffe wie Ad, Sponsoring o. Ä. Auch bei Verlinkung zu Werbung hin ist ein entsprechender Hinweis erforderlich.

5.3 E-Commerce-Prozess E-Commerce verläuft über einen vielstufigen Prozessablauf als Gestaltungsvoraussetzung, der perfekt durchorganisiert sein will, weil Inkonsistenzen wegen der standardisierenden Automatisierung kaum ausgeglichen werden können oder aufwändige manuelle Regelungen erfordern, welche die generischen Effizienzvorteile aufheben. Zu diesem Ablauf gehören die Arbeitsvoraussetzungen (5.3.1), die Angebotspräsentation (5.3.2), die Kaufvorbereitung (5.3.3), der Check-out zur Kasse (5.3.4), der Zahlvorgang (5.3.5), die Kaufabsicherung (5.3.6), die Auftragskommunikation (5.3.7), die Auftragslogistik (5.3.8) und das Retourenhandling (5.3.9) (siehe Abb. 61: Phasen des E-Commerce-Prozesses).

5.3 E-Commerce-Prozess

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Gestaltungsrahmen Kaufabsicherung Angebotspräsentation Auftragskommunikation Kaufvorbereitung Auftragslogistik Kassen-Check out Retourenhandling Zahlvorgang

Abbildung 61: Phasen des E-Commerce-Prozesses

5.3.1 Arbeitsvoraussetzungen Eine Website im E-Commerce-Geschäft sollte die Einhaltung einiger Grundsätze für ihren erfolgreichen Einsatz gewährleisten. Zu nennen sind hier vor allem folgende: • Integration der Online-Werbung in den gesamten Kommunikations-Mix, • Angabe der WWW-Adresse auf allen Publikationen und Unterlagen, um Traffic zu erzeugen, • Aufnahme in Verweise (Links) komplementärer Adressen und eigener Verweis auf diese anderen Adressen, • elektronikmedien-spezifische Adaptation, nicht einfach nur Kopie des Print­ auftritts, • Bereitstellung interessanter Informationen über den engen Kreis des eigenen Angebots hinaus, • stetige Aktualisierung der Inhalte, um Wiederholungsbesuche zu motivieren, • Kontaktaufnahme mit dem Unternehmen / ​seinen Repräsentanten ermöglichen, • stetige Anpassung an technische Aktualisierungen, um auf der Höhe der Zeit zu bleiben, • evtl. Werbung auf Portal-Seiten trotz hoher Kosten, • „Under construction“-Meldung vermeiden, besser ist, gleich mit komplettem Auftritt zu starten. • bedarfsorientiert-logische Angebotsstruktur, ausgerichtet an den Besucherinteressen, • übersichtliches Bildschirmlayout, nicht zu viele Elemente, nicht zu viele Farben, keine Gadgets,

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5. Der Online-Absatz

• max. drei Mausklicks bis zum ersten Produkt, also flache Seitenstruktur, • Aktionsseite mit Sonderangeboten für Schnäppchenjäger, • Preisangaben immer mit tagesgenauer Aktualisierung, • komplette Programmübersicht zur Initiierung von Bestellanreizen, • klare Angaben zu Lieferungs- und Zahlungsbedingungen, Lieferfähigkeit, Lieferzeit etc., • einfache, automatisch erzeugte Bestellformulare mit Warenkorbfunktion, • Abtrennung von Sonderkundenbereichen wie Kundenclubmitglieder, Behörden, Firmenkunden etc. Speziell im Firmenkundengeschäft sollte eine erfolgversprechende Vertriebsanwendung z. B. folgende Bausteine vorsehen: • sehr effiziente, d. h. übersichtliche und flach strukturierte, Kundenschnittstelle, • vergleichende Darstellung von Produkten und Dienstleistungen, • bedarfsgerechte Informationsbündelung, also nicht nach Angeboten, sondern Problemlösungen, • elaborierte Suchmöglichkeiten sowohl vom Produkt als auch vom Begriff aus, • Anzeige meistverkaufter Produkte, neuer Produkte und aktionierter Produkte, • einfache Bestell- und Bezahlverfahren aufgrund kundendefinierter Kriterien, • automatische Benachrichtigung über Angebote aufgrund kundendefinierter Parameter, • intelligente Verknüpfung begleitender Dienstleistungsangebote, • Auftragsverfolgung in jedem Stadium der Abwicklung, • aktive Beratung während des Einkaufsvorgangs, evtl. mit Durchgriff auf Vertriebsmitarbeiter (Live-Chat), • Online-Auktionen von Rest- und Sonderposten, • Multimedia-Unterstützung auf Wunsch, z. B. 3-D-Darstellung, Videospots, Podcasts, • Downloads von einfachen Produktkatalogen, Montageanleitungen o. Ä., • Online-Transaktionshistorie. Gängige Geschäftsanwendungen im E-Commerce sind folgende: • Mass customization als kundenindividuelle Leistungen, Curated shopping mit Kaufberatung, Recommerce aus Secondhand-Bestand wie Refurbished o. Ä., Abonnement nach Zeitdauer, mit Lieferintervall, in Miete etc., Sharing als geteilte Nutzung von Überschussressourcen.

5.3 E-Commerce-Prozess

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5.3.2 Angebotspräsentation Einfallstor für Geschäftsabschlüsse im E-Commerce ist, neben der generischen Notwendigkeit zur guten Auffindbarkeit des Angebots, eine gekonnte Warenpräsentation. Wichtig ist dabei für Kaufinteressenten eine stringente Eingrenzung der Angebotsvielfalt gemäß den eigenen Anforderungen. Dazu dienen entsprechende Filter, die auch kumuliert gesetzt werden können. Viele Anbieter versuchen, dabei weitere Artikel, die nicht der Filtersetzung entsprechen, hinein zu schmuggeln, dies führt aber meist zu keinem sinnvollen Besuchserlebnis. Vielmehr ist es ärgerlich, trotz gewünschter Präzisierung der Auswahl auf Angebote zu treffen, die dieser nicht entsprechen und stattdessen die Übersicht im Weiteren behindern. Eine starre Angebotspräsentation erfolgt über E-Kataloge. Dabei lassen sich attributbasierte, die nach Produktarten sortiert sind, konstruierende, die zuerst den Bedarf über Konfiguratoren spezifizieren, beratende, die über Software-Agenten Informationen gemäß Kundenprofilen individuell zusammenstellen sowie natursprachliche Kataloge, die mit Avataren oder Chat-Bots agieren, unterscheiden. Dadurch kann zumindest Interesse geweckt und bestärkt werden. Hilfreich ist hier zudem der Hinweis auf Aktionen, meistgekaufte Promotions-Artikel („Topseller“), neue Angebote etc. Diese Angaben wirken risikoreduzierend und erhöhen damit die Verkaufschance. Darüber hinaus können Empfehlungen aus dem Verhalten anderer Kunden, z. B. „Andere Kunden kauften auch …“ oder „Andere Besucher interessierten sich für folgende Artikel: …“ offeriert werden. Einen Schritt weiter geht die anbieterseitige Einkaufskuratierung (Curated shopping). Dabei werden Interessenten nach ihren Wünschen für ein aus ihrer Sicht passendes Nutzenpaket befragt. Daraufhin wird ein individuelles Angebot präsentiert, teils als Produktbündel aus mehreren komplementären oder alternativen Produkten, etwa bei Kleidung für Männer. Hinzu tritt meist die Möglichkeit, einen Video-Chat aufzuschalten, um direkt weitergehende Informationen einzuholen. Unverzichtbar ist eine fehlertolerante Suchbegriffseingabe in der website-internen Funktionalität, damit auch Tippfehler bei ungeübten Besuchern oder mangelnden Sprachkenntnissen dennoch zum Ziel führen. Gleiches gilt für intelligente Suchfunktionen mit Vorgabe per Pulldown, etwa bei unbekannten oder unklaren Modellbezeichnungen, um so dennoch zur gewünschten Auswahl zu führen. Erleichternd wirkt auch eine Autocomplete-Funktion bei der Eingabe, d. h., für unvollständige Eingabebegriffe werden gängige Vervollständigungen angeboten. Der Produktbegriff ist zentral für die Suchmaschinen-Eingabe. Hier sind alternative Bezeichnungen vorzugeben, da man nicht davon ausgehen kann, dass der Interessent immer die genaue Modellbezeichnung kennt. Dies ist auch wichtig bei verschiedenen Modellversionen / ​Varianten. Hier machen es viele Anbieter ihren Interessenten nicht leicht, indem sie technisch basierte, kryptische Typenbezeichnungen vorsehen, etwa bei Großbild-Fernsehern von Samsung GU85TU8079U

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5. Der Online-Absatz

oder Sony KD-49XH8096. Die Ziffern und Buchstaben stehen zwar für bestimmte Produktfeatures, dies bleibt der Masse der Interessenten jedoch verborgen. Die Produktbeschreibung sollte verständlich, also nicht warentechnisch verklausuliert, erfolgen und möglichst keine Fremdwörter, keine unerklärten Fachbegriffe und auch kein „Denglisch“ enthalten. Der Text soll die Produktvorteile ausdrücklich nennen und ausloben. Je nach Produktart sind weiterhin unbedingt Pflichtangaben zu berücksichtigen, etwa bei Arzneimitteln, Elektroartikeln, Spirituosen. Auch hier sind TV-Geräte ein warnendes Beispiel, etwa nach der Darstellungstechnik wie LED, LCD, UHD, OLED, QLED etc. oder dem Bildschirmformat gemessen in Zoll / ​Inch der Bildschirmdiagonale bis zu den Anschlüssen wie HDMI, LAN / ​WLAN, F-Stecker, Scart-Stecker etc. Die Zeit des ziellosen Surfens im Internet ist längst vorbei. Interessenten suchen rasch und treffend ihren Informationsbedarf zu stillen. Daher muss ein passendes Angebot in wenigen, idealerweise schon nach zwei, höchstens drei, Klicks verfügbar sein. Dies entspricht einer geringen Website-Tiefe, die nur erreicht werden kann, wenn auf der Einstiegsseite multiple Auswahloptionen vorgesehen sind wie technischer Standard, Preisgrenze, Produktzustand o. Ä. Zur Vermeidung von Unzufriedenheiten und daraus abfolgenden Retouren ist unbedingt eine aussagefähige Produktbeschreibung erforderlich. Diese muss sowohl „technische“ Daten (auch Character selling) als auch Einsatz- und Komfortangaben (auch Benefit selling) enthalten. Bei großem Informationsumfang kann dieser portioniert und getrennt aufgerufen werden. Dennoch ist es immer wieder erstaunlich, dass essenzielle Produktangaben fehlen wie Abmessungen, Material, Gewicht etc. Auch werden bei Büchern teilweise Abmessungen und Gewicht angegeben, nicht aber weitaus relevantere Daten wie Erscheinungsjahr, Auflage oder Seitenumfang. Bedeutsam sind daher vor allem die genauen Produktdetails wie Größe, Farbe, Produktgeneration. Diese sollen über Konfiguratoren weitgehend individuell zusammenstellbar und auch speicherfähig sein. Hierzu gehören auch eine Zoomfunktion („Lupe“) für Detailansichten, eine 360°-Ansicht oder Animationen mit 3-D-Ansicht sowie Total-, Seiten-, Rückansichten. Wichtig ist auch die Farb-, Form-, Größendarstellung etc. gemäß vorgewählter Version. Dabei ist für eine bewusste Inszenierung der Abbildungen zu sorgen. Deren Attraktivität bemisst sich dabei aus der Sicht der Zielgruppe. Für Abbildungen ist der Aufbau einer Bilddatenbank sinnvoll, um unnötige Produktionskosten zu vermeiden. Bei allen Auslobungen sind penibel die (engen) rechtlichen Bedingungen einzuhalten. Insb. für juristisch relevante Inhalte dürfen nur freigegebene, unveränderbare Textbausteine verwendet werden. Auch bei Übersetzungen ist auf Rechtssicherheit zu achten, vielmehr aber noch auf sprachliche Verständlichkeit. Ein Verstärker ist das Herstellerlogo, sofern es sich um Originalprodukte handelt. Das gleiche gilt für Test- und Gütesiegel, sowohl für den Shop als auch für den Artikel selbst.

5.3 E-Commerce-Prozess

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Wichtig ist eine hohe Foto-/Videoqualität der Präsentation, dies bedingt professionelle Ausleuchtung, hohe Bildauflösung, evtl. mit zusätzlicher Bildbearbeitung, ohne die Realität unzulässig zu verfälschen. Bei fremden Bildern ist unbedingt die Genehmigung zur Abbildung einzuholen (Copyright), ansonsten droht eine schmerzliche Abmahnung. Wegen dieser Ansprüche lohnt sich das Outsourcing an Profis in dieser Sache. Leider sind in der Praxis immer wieder lieblose, missverständliche und unvollständige Präsentationen zu finden, die es Nutzern nahelegen, besser zum nächsten Angebot zu klicken. Interessant sind auch Anwendungsvideos / ​Tutorials oder Einsatzempfehlungen für das Produkt oder Pflegehinweise im Gebrauch. Dies gibt Sicherheit und erleichtert den Kaufentscheid. Zudem kann man davon ausgehen, dass Nutzer, die sich solche Tipps einholen, ein gesteigertes Interesse am Produkt haben, so dass sie mit verstärkenden Informationen versorgt werden können, vor allem einem Call to action. Hilfreich ist bei der Präsentation weiterhin das Angebot von Zubehörartikeln, Ausstattungen, Aufwertungen etc., um den Kaufbon zu erhöhen (= Add-on selling). Dazu soll die Transaktionshistorie des Kunden im System hinterlegt sein, um daraus entsprechende Vorschläge ableiten zu können. Vielfach werden diese naheliegenden Umsatzchancen jedoch leichtfertig und fantasielos vergeben. Wo immer möglich, sollen Online-Vermessungen, z. B. bei Bekleidung, Wohnungseinrichtung, eingesetzt werden. Über 3-D-Simulationen können reale und virtuelle Gegebenheiten kombiniert werden, z. B. beim Brillenkauf. Unverzichtbar ist dabei die Kamera im Desktop-PC oder Laptop. Daraus ergibt sich auch der Vorteil von Apps bei der Adressierung der mobilen Endgeräte Tablet oder Smartphone, denn diese können u. a. auf Gerätefunktionen zugreifen. In jedem Fall ist die Möglichkeit zur unkomplizierten Kontaktaufnahme zum Anbieter, per E-Mail, per Fon / ​Fax, Live-Chat etc. zu offerieren. Von dort ist dann anbieterseitig eine rasche Bearbeitung und kompetente Auskunft erforderlich, dafür werden Kapazitäten in anbietereigenen oder angemieteten Interaction-Centers vorgehalten. Ersatzweise können FAQs hilfreich sein, die auf häufig gestellte Fragen standardisierte Antworten bereitstellen. Außerdem ist der Lieferumfang zu spezifizieren, also Originalverpackung, Farbabweichungen, Größentoleranzen o. Ä. Ebenso sind die Abmessungen / ​Größen der verpackten Ware anzugeben und auch das Gewicht o. Ä. Bei technischen Produkten sind relevante Daten wichtig. Für die Auftragsabwicklung ist die Artikelnummer bzw. EAN / ​GTIN unerlässlich. Immer wichtiger werden auch Ökologie-Angaben zu verarbeiteten Materialien, Herkunft der Rohstoffe, Einhaltung von Umweltstandards etc.

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5. Der Online-Absatz

5.3.3 Kaufvorbereitung Der erste Schritt zum Kaufabschluss ist die Vorbereitung des konfigurierten Artikels für den Warenkorb. Dazu wird meist eine Buybox am rechten, oberen Bildschirmrand angezeigt. Hier finden sich die genauen Angaben zu Produktdetails wie Ausführung / ​Version, Normen / ​Standards, Modelljahr / ​Generation. Dies dient der Kontrolle, ob der angeklickte Artikel tatsächlich dem gewünschten entspricht. Insofern liegt hier eine hohe Transparenz zur Vermeidung von Retouren im Anbieterinteresse. Außerdem wird die aktuelle Warenverfügbarkeit angezeigt sowie die voraussichtliche Zurverfügungstellung („Lieferung zwischen … und … bei heutiger Bezahlung“) beim Kunden angegeben. Die bestellte Menge wird angezeigt, der Preis je Mengeneinheit und der sich daraus ergebende Gesamtpreis nach Gutschrift bzw. Rabatt. Die Preise gelten im Privatkundengeschäft immer incl. MwSt. sowie obligatorischen Zuschlägen etwa für Versicherung, Zoll etc. Zusätzlich sind die Versandkosten auszuweisen, diese variieren meist je nach Schnelligkeit der Lieferausführung sowie immer nach Größe / ​Format und Gewicht, sowie Sonderanforderungen an Sicherheit, Kühlung, Stoßresistenz etc. Die Lieferbarkeit kann durch eine Ampel angezeigt werden. Dabei greift das Warenwirtschaftssystem auf die Lagerdaten zu. Ausgangspunkt ist die Bestandsmenge bzw. die Zeitspanne bis zur Lagerauffüllung auf den Sollbestand. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei Verkauf über mehrere Online-Kanäle parallel die tatsächliche Bestandsreichweite schwierig einzuschätzen ist. Daher kann auch eine Mengenlimitierung für die Bestellung vorgesehen werden, um die jeweilige Lieferfähigkeit sicherzustellen. Ein Hinweis auf limitierte Verfügbarkeit oder begrenzte Angebotslaufzeit, etwa bei Aktionsartikeln, ist zur Vermeidung von Kundenverärgerung unerlässlich. Zugleich kann dadurch die Attraktivität des Angebots steigen. Förderlich auf die Entscheidungssicherheit wirken der Ausweis von Produktbewertungen anderer Käufer bzw. die Wiedergabe von Kundenmeinungen ein. Diese Bewertungen können allerdings wenig aussagefähig sein, sich also z. B. nicht auf den Artikel oder Shop beziehen, sondern auf den KEP-Servicer. Hilfreich ist eine Visualisierung der Klassifikation durch Sterne / ​Balken. Zur Anreicherung des Bewertungsfundus sollten Kunden gezielt aufgefordert werden, ihre Meinung rückzumelden. So können auch Unzufriedenheiten identifiziert und frühzeitig behoben werden. Zwischenzeitlich ist hinlänglich bekannt, dass positive Bewertungen auch in Bausch und Bogen von Servicers zugekauft werden können. Diese gehen durchaus geschickt dabei vor, indem sie etwa zu erstellende Kommentare auf verschiedene Rezensenten verteilen, um Gemeinsamkeiten im Duktus vorzubeugen, oder die Kommentare zeitlich strecken, damit sie realistischer erscheinen. Teilweise werden auch Produkte probeweise gekauft, um eine verifizierte Bewertung zu erreichen, und danach wieder gegen Kaufpreiserstattung zurückgegeben.

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Falls Unklarheiten verbleiben, können Fragen zum Produkt per E-Mail / ​Telefonhotline / ​Button-Klick o. Ä. an den Anbieter gesendet werden. Häufig öffnet sich dann ein Chat-Fenster zur schriftlichen Sofortkommunikation auf der BuyboxSeite. Daraus ergeben sich für den Anbieter wertvolle Hinweise auf fehlende, unklare, missverständliche Auslobungen, die wiederum Kundenunzufriedenheit vorbeugen. Nach längeren Website-Besuchen geht häufig die Übersicht über die bereits aufgerufenen bzw. erwogenen Produkte verloren. Dagegen hilft ein tabellarischer Vergleich der zuletzt angesehenen Produkte. Dadurch kann verhindert werden, dass Interessenten den Kauf abbrechen oder zu anderen Websites wechseln, weil sie die Orientierung verloren haben und es ihnen zu mühsam ist, selbst diese Ordnung wiederherzustellen. Optional kann eine Best price-Garantie vorgesehen werden. Damit sagt ein Anbieter zu, auf den niedrigeren Preis eines nachweisbaren anderen Anbieters im WWW vorbehaltlos einzusteigen. Um einem Margenschwund entgegen zu wirken, kann dabei mit anbieterspezifischen Modellversionen gearbeitet werden, welche die Vergleichbarkeit einschränken bzw. die Wirkung der Garantie aussetzen. Empfehlenswert ist die Beibehaltung des ausgelobten Preises im Shop bei Zugabe eines Gutscheins an den garantiebeanspruchenden Interessenten über die Differenz zwischen dem eigenen und dem Best price. So greift die Garantie nur für den einzelnen Kunden und führt nicht zu einer linearen Preissenkung gegenüber allen Nachfragern. Die Versandkosten machen je nach Warenwert einen mehr oder minder großen Anteil am Gesamtpreis aus. Daher ist zu prüfen, ob versandkostenfrei geliefert werden soll. Dieses Angebot suggeriert Interessenten eine freiwillige Zusatzleistung im Vergleich zu anderen Anbietern und erhöht damit die Kaufattraktivität. Der Kunde hat den Eindruck, etwas geschenkt zu bekommen, was die Attraktivität des Angebots erhöht. Außerdem werden Versandkosten als unproduktiv angesehen, weil sie nicht den Produktwert erhöhen. Dadurch, dass der All-in-Preis die Versandkosten nicht explizit nennt, wird deren Bedeutung in der Wahrnehmung zurückgedrängt. Wichtig ist die Korrektur der Versandkosten bei zwei oder mehr gleichzeitig bestellten Produkten. Dies führt in der Tendenz zum More selling bzw. zum Single source buying. Alternativ können verschiedene Versandoptionen mit ihren jeweiligen Kosten dargestellt werden. Dabei werden zumeist Standardversand, Expressversand, Sonderversand je nach Größe / ​Gewicht, Produktart etc., Nachnahmeversand oder Selbstabholung vorgegeben. Die Versandkosten können im Einzelnen in Kosten der Kommissionierung, der Verpackung, der Packlossicherung, der Packhilfsmittel und der Zustellung aufgesplittet werden (= Partitioned pricing), womit dann eine höhere Kostenakzeptanz entsteht. Dabei können auch nur Teilkosten verschiedener Stufen weiterberechnet werden. Teilweise wird aber im Gegenteil durch diese Preisposten zusätzlicher Gewinn realisiert.

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5. Der Online-Absatz

Weiterhin können in der Buybox Verbundprodukte angezeigt werden („Nicht vergessen…“) wie Batterien bei Elektrokleingeräten, Möbelpolitur bei Kleinmöbeln, Lederpflege bei Schuhen o. Ä. Hilfreich ist eine Drag & drop-Funktion für die Warenablage oder ein One-click-Prinzip, um das Einkaufen so leicht wie möglich zu gestalten. Wichtig ist daher, vom Kunden aus zu denken (= Customer centricity) und nicht von der Technik aus.

5.3.4 Kassen-Checkout Bei Vollzug wird die Bestellauswahl dann in den Warenkorb transferiert. Dort bleibt sie gespeichert, während man weiter einkauft, auch bei Verlassen der Website bis zu weiteren Besuchen, sofern man als Kunde im Online-Shop registriert ist. Von dort sollte ein jederzeitiger Rücksprung auf die Kaufseite bzw. die Produktauswahl möglich sein, um den Einkauf fortzusetzen. Durch die Warenkorbablage entsteht rechtlich keinerlei Kaufpflicht, auch nicht durch vorvertragliche Pflichten. Allerdings kann der Artikel auch ausverkauft sein, wenn man zu lange mit der Bestellausführung wartet. Üblich ist auch eine Watchlist, wonach für den gewünschten Artikel anlassbezogen eine Push-Nachricht gesandt wird, etwa bei Wiederverfügbarkeit, Sonderangebot etc. Waren, die fest gekauft werden sollen, werden vom Warenkorb zur Kasse geleitet. Bei mehreren Waren und Verkäufern sollten alle Artikel im Warenkorb in einem Zahlvorgang beglichen werden können oder auch nur einzelne von ihnen, wobei die übrigen dann zurückgestellt bleiben. Artikel können nach Belieben auch wieder aus dem Warenkorb gelöscht werden. Ebenso kann die Anzahl je Artikel variiert werden, der sich daraus ergebende neue Gesamtpreis wird automatisch errechnet. Umstritten ist die Registrierung von Erstkunden mit Nutzername und Kennwort oder per Bestellung als Gast. Die Registrierung mit Kundenkonto hat das Problem, dass das vergebene Kennwort leicht vergessen wird, dann muss erst ein neues Kennwort, meist per E-Mail, umständlich angefordert werden. Folgt die nächste Bestellung dann erst mit einigem zeitlichen Abstand, kann sich die Prozedur leicht wiederholen. Erschwerend wirken auch Anforderungen an die Stärke des Kennworts wie Mindestlänge, Anzahl von Sonderzeichen, Groß-Kleinschreibung o. Ä. Eine „Als Gast“-Bestellung erleichtert hier den Zugang, allerdings gehen die Transaktionsdaten hinsichtlich Zahlungs-/Lieferstatus kundenseitig mit Verlassen der Webseite verloren. Für den Anbieter entsteht daraus kein Nachteil, außer dass er sich der Chance zur Nachbereitung vergibt. Aber dazu muss ein Privatkunde sich erst einmal bereit erklären. Dafür erlaubt die Registrierung ein vorausgefülltes Anmelde-Template, evtl. auch maskiert. Der Checkout-Prozess sollte so kurz wie möglich gehalten werden. Bei mehrstufigem Prozedere ist eine Fortschrittsanzeige (Balken / ​Meilensteine) über den

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bereits erreichten Status hilfreich, ebenso wie eine Motivation zum Weitermachen („so, jetzt ist es bald geschafft“/„nur noch ein Schritt“). Hilfreich sind dabei Hinweise auf Übertragungssicherheit (z. B. SSL-Verschlüsselung der Daten) sowie, ohne werbliche Formulierung, auf Gewährleistungen / ​Garantien, auch wenn erstere gesetzlich vorgeschrieben sind. Dies sollte nicht nur in den AGBs versteckt werden, da damit ein akquisitorischer Effekt verschenkt wird. Die Warenkorbansicht enthält die genaue Spezifikation der Bestellung, also Artikelname, Hersteller / ​Marke, Versionsbezeichnung, Artikelnummer etc. Hilfreich ist dabei eine zusätzliche Abbildung als Thumbnail. Ebenso wird vom Kunden eine Lieferbarkeitsbestätigung erwartet. Außerdem werden die Eckdaten wie Einzelpreis je Artikel, Anzahl der bestellten Artikel, Gesamtpreis, aber auch voraussichtlicher Liefertermin mit Zeitspanne etc. wiederholt. Sofern über Gutscheine gearbeitet wird, kann hier ein Coupon durch Angabe der Nummer (Gutscheincode) eingelöst werden. Solche Gutscheine resultieren meist aus Beilegern zu Warensendungen desselben oder anderer Anbieter und dienen vor allem der Neukundengenerierung. Daher sollten sie sorgfältig gestaltet sein, also auffällig, nicht zu klein, attraktiv etc. Der Gutschein kann • einen prozentualen oder absoluten Betrag gratifizieren, • anbieterindividuell gestaltet oder standardisiert ausgelegt sein (z. B. bei Gutscheinportalen), • zeitraumbeschränkt oder zeitraumoffen gültig sein, • nur für bestimmte Kundengruppen gelten oder für alle Kunden, • nur für bestimmte Produkte / ​Warengruppen gelten oder für das gesamte Sortiment, • nur für bestimmte Gebiete / ​Länder gelten oder übergreifend, • einen Mindestbestellwert erfordern oder ohne angeboten werden, • mit anderen Gutscheinen kombinierbar sein oder nur allein gelten, • für denselben Kauf wirken (falls Post payment) oder sinnvollerweise erst für den Folgekauf, • einzeln berechtigen oder eine Sammlung erfordern. Für den Checkout ist die vollständige Adressangabe der Kunden für Zahlung und Versand erforderlich, also Anrede, Nachname, Vorname, Straße, Hausnummer, PLZ, Ort, Bestellerland, E-Mail-Adresse, je nach Produktart auch Geburtsdatum und Packstation. Im Gewerbekundengeschäft kommen Angaben zu Firmierung, Faxnummer, Telefondurchwahl, USt.Ident.Nr. und Bundesland hinzu. Die Pflichtfelder zum Ausfüllen werden zumeist mit Sternchen oder farblich markiert. Für bestimmte Angaben sind Pulldown-Menüs hilfreich, etwa Land, Bundesland, PLZ, Geburtsdatum. Besonderheiten bestehen bei Versand an eine PackstationsAdresse oder Auslandsversand, ggf. sind dann Sprachversionen zu hinterlegen.

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Fehlerhafte / ​unplausible Einträge erzeugen dabei einen Fehlerhinweis, so dass die Datenstabilität steigt. Weiterhin ist die gewünschte Zahlungsart zu wählen. Anbieterseitig ergibt sich diese aus Kriterien wie Zahlungsausfallrisiko, Kosten der Zahlungsabwicklung, manueller Aufwand der Administration etc. Meist wird hier kundenseitig eine gewisse Varietät als vorteilhaft angesehen, erhöht aber infolge Kundenüberforderung nicht immer die Abschlusschancen. Bei mehreren Zahlungsoptionen kann anbieterseitig eine Beeinflussung durch Reihenfolge deren Ausweises, durch Vorauswahl einer bestimmten Zahlungsart oder durch optische Hervorhebung der anbieterpräferierten Art erreicht werden. Verbreitete Widerstände bestehen aus Sicherheitsgründen gegen Kreditkarten-Zahlung oder Vorauszahlung. Zudem ist die Funktion von Zahlungsdienstleistern, verbreitet unklar und führt daher zur Verunsicherung. Gleiches gilt für die Versandart. Dabei ist der jeweils eingeschaltete Versanddienstleister anzugeben. Dies enthält auch die Möglichkeiten zum Tracking des Versandstücks, verbunden mit der Vorankündigung der Zustellung, was einerseits der kundenseitigen Klarheit der Abwicklung dient, andererseits der anbieterseitigen Sicherheit der Zustellung und auch der Vermeidung von Fehlzustellungen durch den Versanddienstleister. Auf der abschließenden Übersichtsseite des Warenkorbs werden alle relevanten Positionen, also Einzel-/Gesamtpreise, Liefer-/Zahlungsadresse, Zahlungsart etc., noch einmal angegeben. Es folgt dann i. d. R. der „Jetzt kaufen“-Button für den Abschluss (auch „kostenplichtig bestellen“, „zahlungspflichtigen Vertrag abschließen“). Ein Klick hier ist rechtsverbindlich, führt also zur Zahlungspflicht und kann nur durch einen expliziten Widerruf (B-t-c) rückgängig gemacht werden. Nach dem Kaufabschluss folgt die Rückmeldung über den Bestelleingang per E-Mail. Die Inhalte der Bestellübersicht werden wiederholt, weiterhin werden die Widerrufsbelehrung, die AGBs und die Anbieterkennzeichnung ausgewiesen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Stammdatenverwaltung, damit Artikel und Besteller sicher zuzuordnen sind und der Prozess verwaltet werden kann. Die Nachricht über den Bestelleingang bedeutet nicht zugleich die Annahme des Vertragsantrags, sondern zunächst nur dessen technisch erfolgreiche Übermittlung. Dadurch kann bei pulsierender Nachfrage noch einmal die Verfügbarkeit geprüft werden, erst danach erfolgt dann eine Bestellbestätigung, die rechtlich als Annahme verbindlich ist. Alternativ dazu ist auch eine telefonische Bestellannahme möglich. Im Vergleich zur Online-Abwicklung ist diese jedoch sehr aufwändig und auch fehleranfällig, so dass die Offerte dieser Option gut überlegt sein will. Die Transaktionsdaten müssen umständlich erfasst werden, abhängig von Tonqualität, Aussprache etc., die Rechtssicherheit kann in vielen Fällen (z. B. Finanzdienstleistungen) nur durch Audiomitschnitt gewährleistet werden.

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5.3.5 Zahlvorgang Als nächstes steht dann der Zahlvorgang an. Für die Entscheidung zum Zahlverfahren gibt es mehrere Entscheidungskriterien. Zunächst ist zu bestimmen, ob dazu ein Zahlungsdienstleister zwischengeschaltet werden soll oder nicht. Dieser übernimmt wichtige Dienstleistungen, wie die automatische Bonitätsprüfung vor Kaufabschluss, berechnet dafür aber Gebühren. Zudem ist diese Prüfung datenschutzrechtlich umstritten, weil es womöglich am berechtigten Interesse des Anbieters an einer solchen Prüfung fehlt. Außerdem entsteht eine unvermeidliche Transparenz über die Geschäftsbeziehungen des Auftraggebers mit seinen Kunden. Das Risiko eines Zahlungsausfalls ist am höchsten beim Sukzessivgeschäft, etwa Nachnahmeverfahren oder Kauf auf Rechnung, am geringsten beim Pränumerandogeschäft, etwa Prepaid-Karten- oder Vorauszahlungsverfahren. Die angebotenen Zahlungsoptionen können auf Basis des Warenkorbwerts und des Kundenstatus eingeengt werden, z. B. kann bei hohem Warenkorbwert und / oder Neukundenstatus auf die Optionen „Ratenzahlung“ und „Absatzfinanzierung“ verzichtet werden. Problematische Kunden, etwa mit hoher Retourenquote oder auffälliger ausländischer Versandadresse, können auf hinterlegten Blacklists und für bestimmte Zahlungsarten gesperrt oder evtl. vom Kauf auch ganz ausgeschlossen werden. Dies muss jedoch bereits vor Einleitung des Check out-Prozesses erfolgen. Denkbar für die Zuweisung sind auch das erkannte Betriebssystem des Nutzer-Endgeräts (so gelten Apple-Nutzer als „solventer “), die Uhrzeit der Bestellung oder die Zusammenstellung des Warenkorbs. Ein wichtiges Kriterium ist auch die Affinität des Zahlverfahrens in der jeweils bedienten Zielgruppe, z. B. bei Privat- oder Geschäftskunden oder nach Bonwert der Käufe als Nano-, Micro-, Macro-Payments. Bei Kreditkartenzahlungen sind oft Mindestwerte pro Bestellung vorgegeben, bei Paypal aber Höchstwerte, was mit der jeweils angebundenen Versicherungsleistung zu tun hat. Weiterhin gibt es je Anbieter Limits für die gesammelten Bestellwerte in einem Zeitraum, um einem Klumpenrisiko vorzubeugen. Ebenso sind die systembedingten Kosten auf Anbieterseite relevant, und zwar einmalig zur Integration des Systems in den Online-Bestellprozess und laufend zu dessen Unterhalt und Aktualisierung. Dabei ist zu bedenken, dass diese Kosten unmittelbar gewinnschmälernd wirken, also nicht als Erlösschmälerungen o. Ä. anzusehen sind, sondern als Opportunitätskosten. Die Frist zwischen Lieferung und Auskehrung des Zahlungseingangs variiert. Sofern nichts anderes vereinbart ist, gilt Zug um Zug-Austausch. Kaufmännisch üblich ist jedoch eine Kreditierung als Vorableistung des Verkäufers, online-typisch hingegen ist eine Vorableistung des Käufers zur Sicherheit. Letztlich ergibt sich daraus eine Reihe von Zahlungsverfahren in solche mit Geld vor Ware, Zug um Zug und Ware vor Geld (siehe Abb. 62: Zahlungsverfahren im E-Commerce). Zunächst zum Pränumerandogeschäft.

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Abbildung 62: Zahlungsverfahren im E-Commerce

Häufig wird ein Vorkasseneinzug gefordert / angeboten. Dadurch wird das Zahlungsausfallrisiko minimiert. Zugleich entstehen aber hohe Gebühren je Zahlungseingang, welche die Marge schmälern. Auch ist ein hoher manueller Aufwand in der Abwicklung gegeben. Vor allem aber ist die Kundenfreundlichkeit belastet, da eine einseitige Risikoverlagerung auf den Abnehmer stattfindet. Das Angebot dieser Zahlungsform kann daher zum Abbruch der Transaktion oder sogar zur weiteren Meidung des Anbieters führen. Daher sind die Sicherheitserwägungen sorgfältig gegen diese Einstiegsbarriere abzuwägen. Eine weitere Option ist die Prepaid-Konto-Zahlung (Geldkarte / Smartcard, z. B. Paysafecard). Dies erfordert den Kauf einer aufgeladenen Prepaid card, erfolgt dies vor Ort, wird dadurch anonymes Bezahlen möglich. Zum Bezahlen wird auf einem Rubbelfeld die PIN freigelegt, die bei der Zahlung anzugeben ist. Der Wallet-Bestand kann an Zahlungsautomaten oder per Telefonabfrage beim Editor abgerufen werden. Die Sicherheit ist als hoch einzuschätzen, die Kosten für den Händler sind gering, für den Kunden fallen i. d. R. keine Kosten an. Es bestehen keine Phishing-Möglichkeiten, und es erfolgt keine Speicherung persönlicher Daten, bei Kartenverlust ist keine Kontosperrung nötig, und es sind weder Girokonto noch Kreditkarte erforderlich, allerdings geht bei Verlust oder Zeitablauf auch ein aufgeladenes Guthaben verloren. Ebenso können vollzogene Transaktionen nicht rückgängig gemacht werden, für den Einsatz besteht eine geringe Verbreitung, und eine eigenständige Nachladung erfordert ggf. ein Terminal vor Ort. Andernfalls ist bei Guthabenverbrauch der Erwerb einer neuen Karte erforderlich. Die Betragsdeckung kann auch aus vorab gesammelten Bonuspunkten bestehen, die gegen Sach- oder Dienstleistungen eingetauscht werden können (z. B. Payback).

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E-Mail-basierte Verfahren, z. B. Paypal, Amazon Payments, stellen i. d. R. eine Vorauszahlung dar, dazu sind sowohl von Verkäufer wie Käufer die Bankdaten zu hinterlegen. Dieses Verfahren ist weit verbreitet. Dazu wird vom Zahlungsdienstleister auch eine Konfliktmediation zwischen Käufer und Verkäufer angeboten, allerdings erfordert dies tatsächlich umständliche Dokumenteneinreichungen. Daher kommt es häufig zu Kulanzregelungen, verbunden mit entsprechendem, anbieterseitigen Ertragsausfall. Weiterhin ist eine Zahlungsversicherung eingeschlossen. Vorteilhaft sind vor allem die globale Verbreitung und Akzeptanz, der Verzicht auf Übermittlung von Bank- oder Kreditkartendaten des Kunden an den Verkäufer sowie ein sicherer Datentransfer. Dieser Dienst ist auch für OnlineÜberweisungen nutzbar und für Privatkäufer kostenlos. Nachteile entstehen aus häufigen Phishing-Attacken, bei Passwortverlust sind sogar Einkäufe ohne Bankdaten zulasten des Kundenkontos möglich. Auch besteht keine zusätzliche Absicherung durch ein TAN-System und Daten liegen auf U. S.-Servern, von denen unklar bleibt, wie es um ihren Datenschutz bestellt ist. Außerdem entstehen hohe Gebühren für den Anbieter. Zur Erhöhung der Sicherheit wird eine Zwei-FaktorAuthentifizierung vorgesehen, etwa über zusätzliche Bestätigung eines angezeigten Code im Mobiltelefon. Angesichts dominanter Nutzung von Mobilfunk-Endgeräten (Smartphone / Tablet) wird das mobile Bezahlen immer wichtiger. Dabei ist auch die Bezahlung am POS verbreitet. Dazu bieten vor allem Mobiltelefon- und Social media-Anbieter wie Apple (Apple Pay), Google (Google Wallet), Huawei (Pay), Samsung (Pay), Garmin (Pay), Tencent (We Chat Pay) oder Alibaba (Alipay) Lösungen an, die von Geldinstituten international unterstützt werden. Bei Apple beispielsweise funktioniert die Zahlungsautorisierung per Fingerabdruck am iPhone / iPad, zusätzlich ist eine Zweifaktor-Authentifizierung durch PIN-Eingabe erforderlich, alternativ auch über Gesichtserkennung. Üblich ist das Einscannen eines angeforderten Barcodes unter einem Lesegerät oder das Abfotografieren der Rechnung / eines Schecks mit Benachrichtigung des Verkäufers. Eine E-Commerce-spezifische Form der Anwendung sind In-app-Zahlungssysteme (z. B. Ayden). Dabei kann aus App-Anwendungen heraus direkt der Zahlvorgang gestartet, gesichert und ausgeführt werden. Die Anwendung muss also nicht verlassen werden. Dabei handelt es sich sowohl um nicht-aufbrauchbare Gegenleistungen wie Bonusspiele / Upgrades als auch aufbrauchbare wie Abonnements / Dienstleistungen. Nachfolgend die Optionen der Zug-um-Zug-Geschäftsabwicklung. Die Sofortüberweisung erfolgt als Inkassoverfahren (z. B. Klarna). Dazu wird die passende Bankverbindung ausgewählt und der Zahlbetrag angewiesen, zur Sicherheit ist üblicherweise eine doppelte Authentifizierung erforderlich, also über SMS und / oder Sprachanruf und / oder Authentifizierer und Password / TAN, dann wird eine Datenverbindung zur Online-Bank aufgerufen. Von der Anbieter-Website aus erfolgt eine Weiterleitung auf die Website des Zahlungsdienstleisters. Die Überweisung ist entsprechend der bei der Bestellung eingegebenen Daten bereits vorausgefüllt und auch nicht mehr veränderbar. Die Zahlungsautorisierung erfolgt durch PIN / TAN

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bzw. QR-Code. Die Verbreitung ist mittelhoch. Voraussetzungen sind Girokonten auf Seiten von Anbieter und Nachfrager sowie die Teilnahme am PIN- / TAN-Verfahren auf Kundenseite. Die Sicherheit ist als hoch einzuschätzen, allerdings sind Phish­ing-Attacken möglich. Die Kosten für Anbieter sind gering, für Kunden fallen meist keine Kosten an. Im klassischen Lastschriftverfahren beauftragt der Käufer per Einzugsermächtigung seine Bank, einen vom Verkäufer vorgelegten Lastschriftbeleg per Abbuchungsverfahren von seinem Konto einzuziehen. Dabei entstehen jedoch anbieterseitig hohe Risiken. Diese Ermächtigung kann jedoch zwischen Bestellung und Einreichung bereits widerrufen sein, das Geldinstitut wird die Zahlung dann ablehnen. Eine erfolgte Zahlung kann ohne Angabe von Gründen auch binnen acht Wochen nach Lastschrift rückgebucht werden. Gründe sind zumeist folgende: • Konto zwischenzeitlich erloschen, Kontonummer unzutreffend, kein Abbuchungsauftrag / keine Einzugsermächtigung vorliegend, Widerspruch für Lastschrift durch Kontoinhaber, Kontoinhaber streitet ab, eine Zahlung veranlasst zu haben, zwischenzeitliche Kündigung von Mitgliedschaft / Abonnement, Frist zur Abbuchung wurde anbieterseitig überschritten, Ware wurde kundenseitig retourniert, unklare Zuordnung der Abbuchung durch Kontoinhaber. Daher sollte dieses Verfahren besser nur vertrauten Kunden zugänglich sein, oder es sollte elektronisch abgewickelt werden (z. B. Click & Buy, Paydirect). Voraussetzung ist, dass sowohl Verkäufer als auch Käufer dazu ihre Bankverbindungen hinterlegen. Nach dem Kauf erfolgt eine Weiterleitung von der Verkäufer-Website auf die Zahlungsdienstleister-Website, dort loggt sich der Käufer mit seinen Zugangsdaten ein, bestätigt den Kauf und gibt damit den Kontoeinzug für den Verkäufer frei. Der Dienstleister sammelt dann alle Zahlungseingänge und überweist diese als Einmalbetrag an den Anbieter. So ist elektronisch keine getrennte Übermittlung von Bankdaten an den Verkäufer erforderlich, zudem besteht eine hohe Datensicherheit über inländische Server. Die Kosten für den Anbieter bleiben gering, für Kunden fallen i. d. R. keine Kosten an. Die Zahlungssicherung für Anbieter ist hoch, ebenso die Kundenfreundlichkeit, und es entsteht ein geringer manueller Aufwand für Einrichtung und Abwicklung des Verfahrens. Allerdings kann es durch das Fehlen von TANs zu Zuordnungsproblemen bei Zahlungseingängen kommen, Phishing-Angriffe bei Kunden sind möglich und tatsächlich wahrscheinlich und bei der Rücküberweisung bei häufigem Kaufwiderruf fallen Gebühren an. Weiterhin besteht die Gefahr der Rücklastschrift oder des fehlenden Nachweises einer Einzugsermächtigung des Kunden bei der Bank (s. o.). Bei der Debitkartenzahlung (EC) werden Karteneditor, Name des Kartenhalters, Kontonummer / IBAN eingegeben, dann erfolgt eine vollständige Prüfung auf Kontoguthaben / unausgeschöpftes Überziehungslimit bzw. eine stichprobenartige Prüfung, evtl. abhängig vom jeweiligen Kundenstatus. Die Verbreitung ist sehr hoch. Für den Office-Einsatz ist ein Kartenhalter bzw. Lesegerät zu installieren. Die Sicherheit ist als hoch einzuschätzen, da keine Datenübertragung im Internet erforder-

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lich ist. Stattdessen erfolgt eine kabelgestützte GZS-Abfrage. Dafür entstehen dem Händler geringe Kosten, für Kunden ist eine EC-Karte meist kostenlos erhältlich. Vielfach erfolgt die Zahlung auch nicht mehr mit Buchgeld, sondern mit Digitalwährung (auch Electronic money oder Netzgeld). Dabei handelt es sich um software-basiertes Geld, z. B. Cybercoins, MilliCents, E-Cash. Die Verbreitung wächst rasch an. Voraussetzung zum Einsatz ist kundenseitig eine Wallet-App. Die Sicherheit ist als sehr hoch einzuschätzen (SET-Verfahren der Datenübertragung), die Kosten für Händler und Kunden sind mittelhoch und zumeist pauschaliert. Es handelt sich um ein einfaches und schnelles Verfahren, vor allem sind weder ein eigenes Bankkonto noch erst recht eine Kreditkarte notwendig. Jedoch erhält der Zahlungsdienstleister auf diesem Wege sensible Daten wie Geldbörsenstand, Betragsdeckung etc., auch ist eine hohe Datenschutzproblematik gegeben bzw. zu vermuten. Eine viel versprechende Sonderform der Digitalwährung ist die Bezahlung durch Kryptowährung. Bedeutendstes System ist Bitcoin. Mit Bitcoins sind Zahlungen detailliert nachvollziehbar, ohne dass dazu Institutionen wie Zentral- und Geschäftsbanken, Zahlungsdienstleister o. Ä. zwischengeschaltet werden müssen. Neue Bitcoins entstehen derzeit durch Mining in Form der Lösung komplizierter Rechenaufgaben, die mit Bitcoins bezahlt werden, die damit in das System einfließen. Die Bitcoins werden in einem Block verschlüsselt gespeichert. Die Blöcke werden chronologisch miteinander verkettet, es entsteht die Blockchain. Ein solcher Block ist irreversibel, da die Blöcke auf unzähligen Computern dezentral gespeichert und damit praktisch gegen Veränderungen gesperrt sind. Damit ist Datenintegrität gewährleistet. Zunehmend bieten Anbieter die Möglichkeit der Zahlung mit Kryptowährung (z. B. Tesla, Amazon), damit entsteht eine Geldschöpfung abseits regulierter Märkte, was ordnungspolitisch bedenklich ist. Weitere Anwendungen sind Smart contracts, z. B. bei Finanzen und Versicherungen, aber darüber hinaus auch, z. B. bei Vertragsstreitigkeiten und Beurkundungen. Barzahlung kommt bei hybriden E-Commerce-Formen in Betracht, also etwa Click & collect (Abholung vor Ort) oder Click & meet (Beratung vor Ort) oder auch beim Webroom­ing (Research online  – Purchase offline). Es gibt jedoch starke Bestrebungen, die Barzahlung durch unbare Zahlungsformen, auch am POS, zu ersetzen. Genannt werden dafür Sicherheitsaspekte (Diebstahl, Geldfälschung etc.), Handlingaufwand (Noten-/Münzensortierung und Einlieferung), Zeiteinsparung beim Kassiervorgang (obgleich dies in vielen Fällen fraglich ist) und hohe Verbreitung M-Commerce-tauglicher Endgeräte. In einigen Ländern ist Bargeld bereits verdrängt (z. B. Schweden, Norwegen), in anderen betragsbegrenzt (z. B. Deutschland). Vor allem hierzulande gibt es jedoch erhebliche Widerstände gegen die Bargeldabschaffung. Bei den Sukzessivgeschäftsarten handelt es sich um folgende. Nachnahme (bei Zustellung) stellt eine solche Post Sales-Zahlung dar. Dazu werden die Lieferdetails vom Transportdienstleister bei Zustellung vor Ort geprüft und die Ware

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dann gegen Unterschrift an den Adressaten übergeben. Nachnahme wird von allen großen KEP-Servicers angeboten, der Zusteller bestätigt die Entgegennahme der Geldgegenleistung. Die Verbreitung ist sehr hoch, Voraussetzungen sind keine gegeben, außer festem Wohnsitz und Bargeld auf Kundenseite. Die Sicherheit ist sehr hoch, da keine Internet-Übertragung erfolgt. Kosten für den Händler entstehen meist nicht, da die Nachnahmegebühr bereits im Lieferpreis eingerechnet ist. Allerdings verbleibt ein hoher manueller Aufwand in der Buchhaltung. Die Kosten für Kunden sind sehr hoch, vor allem bei geringem Warenwert. Die Zahlung bei Abholung ist außerhalb des Internet üblich, dies ist typisch bei Click & collect-­Angeboten, teilweise auch bei Auktionsgeschäften. Ein hilfreiches Feature ist dabei NFC (Nearfield communication). Es stellt eine kabellose Verbindung zwischen digitalen Geräten über sehr kurze Distanz her, im Unterschied zu Bluetooth wird mit dem Kontakt automatisch eine Interaktion ausgelöst, hier der Bezahlvorgang. Für eine Kreditkartenzahlung sind kundenseitig Karteneditor, Name des Kartenhalters, Kreditkartennummer, Aktivierungsstatus, Kartenablaufdatum und die drei letzten Ziffern des Sicherheitscodes einzugeben, dann erfolgt online eine Prüfung des eingeräumten Kreditrahmens bei der Gesellschaft für Zahlungssysteme (GZS), und sofern dieser eingehalten wird, die Zahlungsfreigabe. Als Voraussetzung ist ein Vertrag des akzeptierenden Anbieters mit dem Kreditkarten-Editor erforderlich. Die Übertragungssicherheit ist als hoch einzuschätzen, da Internetfrei. Allerdings entstehen für den Anbieter hohe Gebühren / Provisionen und für den Kunden im Regelfall eine jährliche Haltepauschale der Karte. Das Zahlungsausfallrisiko bleibt gering, da der Kreditkartenemittent (Visa, Mastercard o. Ä.) eine eigene Prüfung vornimmt. Der manuelle Aufwand für Implementierung und Unterhalt bleibt niedrig, die Verbreitung dieser Zahlungsform ist in vielen Zielgruppen wie Jugendliche, Ältere, sozial Schwache, aber gering, was den Käuferkreis einengt. Die Kreditkartenzahlung kann widerrufen werden. Die Sicherheit ist durch 3D-Secure-Verfahren hoch, wenngleich verbreitet Sicherheitsbedenken bestehen. 3D-Secure bedeutet, dass sich Käufer zweifach authentifizieren müssen, durch Nutzer-Password / Einmal-PIN und / oder Fingerabdruck / Gesichtserkennung. Eine Freischaltung durch das Geldinstitut ist erforderlich. Die Übertragung erfolgt mit SSL- oder SET-Verschlüsselung. Kreditkartenzahlung ist vor allem bei internationalen Geschäften üblich. Rechnungszahlung ist ein Offline-Post sales-Zahlverfahren. Der Käufer überweist dabei den Zahlbetrag von seinem Konto auf das Konto des Verkäufers nach Erhalt der Ware und der Rechnung, der Nachfrager benötigt dazu kein Konto beim Anbieter, für den Anbieter entsteht jedoch der Aufwand des Rechnungsabgleichs mit eingegangenen Zahlungen, zumal diese fehleranfällig sind durch Schreibfehler, Zahlendreher, fehlende Schlüsselnummern etc. Die Zahlungsfrist beträgt i. d. R. zwei Wochen, alternativ ist auch die Sammlung aller Rechnungen eines Anbieters mit Begleichung zum Monatsende möglich. Die Sicherheit ist sehr hoch, da keine

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Internet-Übertragung erfolgt. Weitere Kosten für Anbieter oder Kunde fallen nicht an, außer evtl. Postengebühren für das Konto. Für den Anbieter bestehen allerdings ein hohes Zahlungsausfallrisiko, hohe Gebühren je Zahlungseingang und hoher manueller Aufwand. Die Verbreitung ist hoch ebenso wie die Kundenfreundlichkeit. Allerdings sollte diese Zahlungsart wegen des Ausfallrisikos nur Stammkunden angeboten werden bzw. vorbehalten bleiben. Häufig wird die Rechnungszahlung mit Factoring verbunden. Dabei werden die Forderungen aus Rechnungen vom Anbieter an einen Factor verkauft und ihm von diesem bevorschusst. Zuvor werden Gebühren für Handling, Risiko, Zinsvorteil abgezogen, zugleich übernimmt der Factor das Uneinbringlichkeitsrisiko. Außerdem ist die Übernahme von Dienstleistungen üblich wie Buchhaltung, Statistik o. Ä. Das Risiko für den Anbieter ist damit sehr gering, die Akzeptanz bei Kunden, die im Regelfall um den Forderungsverkauf nicht wissen, hoch. Allerdings entsteht ein hoher IT-Integrationsaufwand, der ein Mindestvolumen standardisierter Forderungen nach Anzahl und Wert voraussetzt. Weiterhin ist das Angebot einer Ratenzahlung mit entsprechender Hintergrundfinanzierung durch ein Kreditinstitut üblich. Dies schafft eine hohe Kundenfreundlichkeit, setzt aber wegen der Kredit- und Abwicklungskosten sinnvollerweise hohe Kaufbeträge voraus. Das Risiko kann durch Kreditausfallversicherung mit Eigenbeteiligung bei einem Kreditversicherer begrenzt werden. Vor allem für Dienstleistungen ist auch eine Abrechnung per Telefonrechnung für Festnetz oder Mobilfunk verbreitet (Carrier billing). Früher handelte es sich dabei um Klingeltöne, heute sind etwa Streaming-Abrufe üblich. Der Ausweis / die Abbuchung der Beträge erfolgt jeweils zum Monatsanfang für den zurückliegenden Monat, umfasst also eine Kreditdauer bis zu einem Monat. Die Weiterleitung vom Telefonie-Provider ist für Anbieter gebührenbewehrt und eignet sich als rationelle Abwicklung für Kleinbeträge. Der Telefonanschluss dient zugleich der Authentifizierung des Online-Käufers. Für die Wahl des zweckmäßigsten Zahlverfahrens sind vor allem folgende Fragen von Bedeutung: • Werden überwiegend physische Produkte oder digitale Produkte / Dienstleistungen verkauft? 
 • Wie hoch liegen die durchschnittlichen Rechnungsbeträge, die abgewickelt werden?
 • Wie hoch ist der Anteil von Bestellern aus dem Ausland? 
 • Wie wichtig sind transaktionsbegleitende Serviceleistungen der Zahlungsdienstleister? 
 • Welche Anforderungen an den Schutz von Kundendaten sind für die Abwicklung einzuhalten? 
 • Welche Zahlverfahren sind für Kunden erfahrungsgemäß / mutmaßlich am zufriedenstellendsten? 


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5. Der Online-Absatz

• Welchen Leistungsanteil müssen Kunden zur Online-Bezahlung erbringen? 
 • Handelt es sich um einmalige Abschlüsse oder wiederkehrende Zahlungen (Abos)? • Welche einmaligen (Set-up) und wiederkehrenden Kosten sind mit einem Zahlverfahren für Kunden verbunden? 
 • Welche einmaligen und wiederkehrenden Kosten sind mit einem Zahlverfahren für den Anbieter verbunden? 
 • Welche technischen Voraussetzungen sind für das Zahlverfahren anbieterseitig bereitzustellen? 
 • Welche Ausfallrisiken sind mit den Zahlverfahren erfahrungsgemäß verbunden?

5.3.6 Kaufabsicherung Online-Zahlungsverfahren gleich welcher Art sollen per Saldo folgende Anforderungen erfüllen: • Zahlungstransaktionen müssen zuverlässig und fehlerfrei abgewickelt werden können, ohne Dopplungen / ​Streichungen, ungewollte Veränderungen etc. • Das Zahlungssystem muss im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr einsetzbar sein, also auch mehrere Währungen mit Umrechnung akzeptieren. • Das Zahlverfahren darf nicht der Gefahr von Fälschungen beim Eingang oder Ausgang unterliegen. • Die Zahlungsinformationen müssen während der Übertragung und auch danach gegen Veränderungen geschützt werden (Integrität). • Die Identität der Transaktionspartner muss eindeutig bestimmbar sein (Authentizität). • Die Identität der Teilnehmer am Zahlungsverfahren muss geschützt bleiben, so dass ohne Einverständnis des Kunden seine Kaufgewohnheiten nicht überwacht werden können (Anonymität). • Der Zugang zum Zahlungssystem darf nur berechtigten Nutzern möglich sein. • Abgegebene Willenserklärungen dürfen nicht bestreitbar sein, um Rechtssicherheit zu schaffen (Non-Repudiation). • Einzelheiten einer Zahlungstransaktion dürfen nur autorisierten Personen zugänglich sein (Vertraulichkeit). • Die Nutzungs- und Transaktionskosten für Kunden und Händler müssen möglichst gering bleiben. • Das System muss für Benutzer leicht und intuitiv bedienbar sein.

5.3 E-Commerce-Prozess

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• Die Abrechnung auch von Klein- und Kleinstbeträgen muss möglich sein. • Das Zahlverfahren muss auf allen gängigen Hardware-Systemen einsetzbar sein (Kompatibilität). • Es darf nur eine kurze Zeitspanne zwischen Zahlungsanweisung und -ausführung liegen. • Bei Transaktionsstörungen oder Systemausfall muss ein definierter Zustand beibehalten werden, der in einen Neustart übernommen wird. • Das System muss jederzeitig und ortsunabhängig verfügbar sein. • Die Nutzungskosten für die Beteiligten müssen möglichst gering bleiben. • Eine faire Verteilung der Betriebs- und Transaktionskosten sowie Risiken zwischen Verkäufer und Käufer muss eingehalten werden. • Es sollen ein geringer Implementierungsaufwand und eine minimale HardwareAusstattung gegeben sein. • Es sollen eine Skalierbarkeit der Anwendung und hohe Verbreitung im Markt (De facto-Standard) gegeben sein. • Eine hohe Zielgruppenkonformität, d. h. Akzeptanz durch Beteiligte, ist erforderlich. Bei Vorauszahlung erfolgt häufig eine zusätzliche Absicherung des Zahlvorgangs für Kunden, indem die Zahlung nicht unmittelbar vom Käufer an den Verkäufer transferiert, sondern zunächst an ein Treuhandkonto weitergeleitet wird. Der Treuhänder (auch Trustee)  meldet den Zahlungseingang an den Verkäufer, dieser veranlasst daraufhin die Bestellausführung. Nach Bestätigung der Zustellung durch den Versanddienstleister wird der Kaufpreis nach zwei Wochen, das ist die Widerrufsfrist, vom Konto freigegeben. Die Transaktion ist damit beendet. Dies bietet dem Käufer eine zusätzliche Sicherheit, die der einseitigen Risikoverlagerung einer Vorauszahlung auf ihn entgegenwirkt. Falls eine Verifizierung von Kundendaten als erforderlich angesehen wird, ergeben sich dafür verschiedene Ansätze. Eine Prüfung der Anschrift erfolgt durch: • Auftragsbestätigung der Post mit Rückschein, dies ist allerdings sehr kostenintensiv und langwierig, • Verifizierungscode per Brief an die angegebene Adresse mit dem die Lieferung auf der Anbieter-Website freigeschaltet werden kann, • Anforderung einer Ausweiskopie, dies ist allerdings im Zweifel sehr schwierig auf Fälschungssicherheit zu überprüfen, • Abgleich mit den Daten des Zustelldienstes über die Empfängeradresse, woraus sich aber nicht die Identität von Empfänger und Besteller ergibt,

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5. Der Online-Absatz

• Abgleich mit Daten von Auskunfteien, Wirtschaftsinformationsdiensten, sofern deren Daten zugänglich sind, was jedoch kostenbelastet ist und sich nur im ­B-t-b-Bereich lohnt, • Address verification service (AVS) bei Kreditkartenzahlung durch Abgleich der vorliegenden Daten mit Daten beim Kreditkarteninstitut oder probeweiser Micro-Belastung bzw. -Gutschrift (1 € C) des Kontos, • Postident-Verfahren durch Vorlage des Personalausweises bei einer Poststelle, dies ist allerdings sehr handlingaufwändig, die Kosten sind vom Anbieter zu tragen, • Online-Identifizierung des Personalausweises, dies erfordert jedoch einen Videozugang zum Nutzer, • Anruf bei angegebener Festnetznummer, jedoch sehr zeitaufwändig, oder Abgleich mit Telefonbuchdaten, diese sind allerdings unvollständig (Geheim­ nummern), • Versand einer Auftragsbestätigung per SMS bei angegebener Mobilfunknummer oder Versand eines Verifizierungscodes per SMS oder auch via Anruf, • Versand einer Auftragsbestätigung bei angegebener E-Mail-Adresse oder Versand eines Verifizierungscodes per E-Mail, mit dem die Lieferung freizuschalten ist. Es gibt allerdings Indikatoren, die gerade wenn sie zusammenkommen, auf Betrugsversuch hindeuten. Dazu gehören etwa folgende: • überdurchschnittlich hoher Wert des Warenkorbs, gerade bei Neukunden, • nicht-plausible Auswahl von Produkten, • IP-Adresse und / ​oder Kreditkartennummer und / ​oder Postadresse aus einem Risikoland, • anonymer Proxy-Server oder Satellitenübertragung, • Kreditkartenzahlungen werden nicht autorisiert, • Herkunftsland der Kreditkarte und Lieferland der Ware stimmen nicht überein, • Angabe mehrerer Kreditkartennummern, • Anforderung der Tracking-ID beim Anbieter, • Bestehen auf Express-Lieferung der Ware, • Kunde ist nur per Mobiltelefon erreichbar, • E-Mail-Provider ist unklar / ​zweifelhaft, • untypisch hohe Frequenz von Bestellungen in kurzer Zeit. Die Zahlungsausfallrate liegt erfahrungsgemäß bei 1–5 % des Umsatzes. Dann ist eine Mahnung üblich, sie ist nur erforderlich, wenn in der Rechnung kein Datum für die Zahlung angegeben ist oder 30 Tage nach Rechnungsdatum, bei Privatkun-

5.3 E-Commerce-Prozess

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den nur, wenn auf den Mahnverzicht nicht in der Rechnung hingewiesen worden ist. In allen anderen Fällen, also bei Zahlungsdatum/-frist und Mahnverzichthinweis, tritt Verzug automatisch mit Fälligkeit ein. Üblich ist dann zunächst eine außergerichtliche Mahnung durch Zahlungserinnerung, in der Praxis zur Sicherung der Kundenbeziehung meist dreifach, mit eskalierender Dringlichkeit. Rechtlich erforderlich ist dies nicht, vielmehr kann auch sofort ein gerichtliches Mahnverfahren angestrengt werden. Dazu wird beim örtlichen Amtsgericht zunächst ein Mahnbescheid ohne Prüfung der Details erwirkt, der per Post zugestellt wird. Der Schuldner hat dann eine Zweiwochenfrist für einen Widerspruch, dieser führt zum streitigen Klageverfahren. Andernfalls wird wiederum beim zuständigen Amtsgericht ein Vollstreckungsbescheid erwirkt. Auch hier bestehen wieder zwei Wochen Frist zum Widerspruch, auch dieser führt zum Klageverfahren. Andernfalls setzt ebenso das Klageverfahren ein, d. h., das Gericht prüft die Berechtigung der Zahlungsaufforderung. Im positiven Fall folgt bei weiterer Zahlungsverweigerung daraus die Zwangsvollstreckung durch Pfändungsbeschluss. Im Zuge einer Insolvenz wird die Verität dieser Forderung meist stark beschränkt.

5.3.7 Auftragskommunikation Im Zuge der Auftragserteilung vollzieht sich eine mehrstufige Kommunikation zwischen Verkäufer und Käufer. Dafür stehen mehrere Kanäle zur Verfügung, wobei ggf. Mehrsprachigkeit notwendig ist: • IP-Telefonie, d. h., der Anwender kann parallel zum Surfen im Netz mit dem Online-Shop sprechen, vorausgesetzt ist dabei, dass der PC mit den üblichen Multimedia-Features ausgestattet ist wie Soundkarte, Mikro, • Telefax, wird nur noch selten eingesetzt, ist aber in bestimmten Ländern und Branchen durchaus verbreitet, • E-Mail, gehört zur verschriftlichten Standardkommunikation, • Call button, d. h., bei Anklicken öffnet sich eine Webseite mit einem Formular, in das der Nutzer seine Telefonnummer zum Zwecke des Rückrufs einträgt, dieser kann sofort oder zu einem kundengewünschten Zeitpunkt erfolgen, dazu ist ein Medienwechsel erforderlich, • Co-Browsing, d. h., während eines IP-Telefonats können zusätzliche Informationen in Bild und Text übertragen werden, etwa Details zum Produkt oder zur Kaufabwicklung, • Video callback, d. h., in einem Videofenster des Kunden wird der Call center agent angezeigt, so kann er etwa Handhabungen live demonstrieren, Video­ sequenzen einspielen o. Ä., • Online-Chat, d. h., am Bildschirm öffnet sich ein Chat-Fenster, dort gibt ein Mitarbeiter des Anbieters schriftlich Auskunft auf Fragen.

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5. Der Online-Absatz

Denkbar ist auch die Einrichtung einer Nutzer-Plattform für Informationsaustausch und Kundenpflege, möglich ist hier die Integration von Like / ​Send a friendButtons, Sozialen Medien wie Follow us / ​Twitter oder Pinterest-Pins, die Vergabe von Social booksmarks, der Hinweis auf themenaffine Online-Foren / ​Communities, das Angebot von RSS-Feeds (Push-E-Mail), Couponing bzw. Geschenkgutscheine, Freundschaftswerbung / ​Prämien. Unmittelbar nach der Bestellung folgen, meist per E-Mail, eine Eingangsbestätigung der Bestellung, die noch keine Auftragsannahme ist, sondern nur angibt, dass die Bestellung technisch eingegangen ist, daraus ergeben sich aber noch keine rechtlichen Folgen, sowie eine Auftragsbestätigung, die eine verbindliche Antragsannahme darstellt und den Anbieter zur einwandfreien Andienung seiner angebotenen Leistung verpflichtet. Darin werden jeweils alle Eckdaten der Bestellung aufgeführt wie Artikelart, Ausführung, Anzahl, Einzelpreis, Gesamtpreis, Versandart, AGB etc. Für den Fall, dass die Bestellung fehlerhaft war, kann nunmehr käuferseitig eine Korrektur oder, bei Privatkunden, auch ein Widerruf erfolgen. Dies erspart etwaig nachträglich auftretenden Aufwand. Unbedingt ist dem Käufer dabei für die Auftragserteilung und sein damit ausgedrücktes Vertrauen zu danken. Mit der Bearbeitung des Auftrags können weitere Informationen bereitgestellt werden, so über den aktuellen Lieferstatus, den voraussichtlichen Liefertermin, den beauftragten Versanddienstleister (KEP). Durch diese Daten wird dem Käufer das Gefühl vermittelt, dass seine Bestellung sich in zügiger Bearbeitung befindet. Ebenso können Gründe für etwaige Verzögerungen in der Bearbeitung angeführt werden, die verkäuferseitig (z. B. Bevorratung) oder käuferseitig (z. B. nicht plausible Daten) verursacht sind. Nach Abschluss der Bearbeitung wird der Käufer über die Übergabe an den Versanddienstleister informiert. Zugleich wird dieser intern angewiesen, die Sendungsnummer (Tracking) und den Versandstatus (Tracing) zu übermitteln. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Kundenzufriedenheit umso weniger gefährdet ist, je schneller die Logistikprozesse ablaufen. Daher ist Abwicklungsmanagement immer auch Zeitmanagement. Bei hohem Warenwert im B-t-b-Sektor kann ein RFID-Chip in der Umverpackung (erlaubt die Wiedergewinnung) oder am Inhalt befestigt sein, der von definierten Gates angetriggert wird und den Versandstatus meldet. Die Systeme unterscheiden sich vielfach nach • Kopplungsmethode (kapazitativ / ​induktiv / ​terrestrisch), Reichweite (close / ​remote /​long), Betriebsfrequenz (LW / ​KW / ​UHF / ​Mikro), Energieversorgung (aktiv / ​ semi-aktiv / ​passiv), Wiederbeschreibbarkeit, Speicherkapazität, Datenstrombetrieb (duplex / ​sequenziell) sowie diversen Zusatzfunktionen (wie Antikollision, Verschlüsselung, Modulation etc.). Die Lieferfrist setzt sich im Einzelnen aus der Bearbeitungszeit des Auftrags, der Auslieferungszeit der Kurier-/Express-/Postdienste und dem evtl. Abwarten des Zahlungseingangs zusammen. Je besser der Informationstransfer zwischen den Beteiligten organisiert ist, desto reibungsloser kann diese Abwicklung erfolgen.

5.3 E-Commerce-Prozess

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Um zu einer Lernkurve zu gelangen, ist ein Auftrags-Feedback hilfreich. Dazu gehören Bewertungen mit entsprechenden Ergänzungskommentaren. Beliebt sind hier leider auch Bewertungserpressungen, d. h., die Abgabe einer positiven Bewertung wird käuferseitig von Zugeständnissen des Verkäufers abhängig gemacht. Ebenso sind Bewertungsmanipulationen weit verbreitet, d. h., die Bewertungen stammen nicht aus getätigten bzw. verifizierten Käufen. Viele Anbieter kaufen positive Bewertungen en masse ein, meist zu erkennen an weitgehend standardisierten Formulierungen, zeitfernen Erstellungsdaten, räumlicher Ballung (IPs) o. Ä. Viele Plattformbetreiber filtern solche zweifelhaften Bewertungen durch KI-Programme und blenden diese präventiv aus. Dies führt einerseits zu einem Overkill, d. h., echte Bewertungen werden ausgeblendet, weil sie zufällig Merkmale gefaketer Meldungen enthalten, andererseits zu einem Underkill, d. h., unechte Bewertungen bleiben unerkannt, weil sie geschickt angelegt sind. Häufig sind auch Kommentare vorzufinden, die einer sachlichen Rechtfertigung entbehren. Hier besteht die Möglichkeit, den betreffenden Nutzern direkt oder öffentlich einsehbar zu antworten. Dabei dürfen keine negativen Unterstellungen, wie sie etwa aus Frustration herrühren, vorkommen. Daher ist es angezeigt, mit der Antwort bis zum nächsten Tag zu warten. Sofern Fehler gemacht wurden, sollten diese eingestanden und mit einer Entschuldigung / ​Wiedergutmachung verbunden werden. Sofern keine Fehler ursächlich erkennbar sind, ist sachlich darauf hinzuweisen. Bei nicht-gerechtfertigten negativen Kommentaren besteht zudem ein Recht auf Löschung. Weiterhin bietet die Online-Präsenz bei eingeloggten Nutzern zusätzliche Informationen wie den Hinweis auf eine wiederholte Bestellung zur Vorbeugung gegen versehentliche Doppelbestellungen, den Ausweis noch offener Posten, also beauftragt, aber noch nicht geliefert, stornierter Bestellungen oder ausstehender Zahlungen. Ebenso ist eine Bestellhistorie abrufbar, die Artikelart, Anbieter, Datum, Menge, Betrag etc. ausweist. Weiterhin wird das Procedere von Stornierungen oder Änderungen von Bestelldetails erläutert. Allgemeine Informationen beziehen sich auf die Standards zur Sicherheit der Datenübermittlung, die Regularien zum Datenschutz bei Datenbearbeitung und -speicherung, die Warnung von Phishing-/Spoofing-Attacken, die Verwendung von 1st Party cookies, die zugrunde gelegten AGBs (häufig als Nutzungsbedingungen deklariert) etc. Gegenüber Privatpersonen sind zahlreiche AGBs unwirksam, dazu gehören: • nachträgliche Preiserhöhungen innerhalb von vier Monaten nach Vertrags­ abschluss, • Ausschluss oder Einschränkung des Leistungsverweigerungsrechts (liefert der Verkäufer nicht vertragsgemäß, kann der Kunde sein Geld zurückbehalten, es sei denn, er ist zur Vorauszahlung verpflichtet),

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5. Der Online-Absatz

• überhöhte Schadenspauschalen für den Fall, dass der Kunde schuldhaft gegen seine Vertragspflichten verstößt, • Vertragsstrafen für den Fall, dass der Kunde die vereinbarte Leistung nicht abnimmt, nicht zahlt oder sich vom Vertrag löst, • Ausschluss der Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Vertragspartner und stattdessen Verweis auf Ansprüche gegen Dritte, • Ausschluss der Übernahme von Nachbesserungskosten durch den Verkäufer, • Vorenthalten einer Mängelbeseitigung bis der Kunde den vollen Kaufpreis entrichtet hat, • willkürlich verkürzte Gewährleistungsfristen (24 Monate bei Neuwaren, 12 Monate bei Gebrauchtwaren), • Ausschluss oder Einschränkung der Haftung für zugesicherte Eigenschaften, • Beschneidung von Rücktritts- oder Schadenersatzrechten bei verspäteter Lieferung, • Ausschluss der Haftung bei grob fahrlässigem Verhalten des Verkäufers. Im Falle der Warenrückgabe (Wandelung) wird das Procedere zur Kaufpreiserstattung in Abstimmung mit dem jeweiligen Zahlungsdienstleister ausgeführt. Ebenso ist die Regelung der Rücksendekosten angeführt, die Kosten werden aus Kulanz praktisch meist vom Verkäufer übernommen. Auch die Regularien zum Warenumtausch sind ausgewiesen. Die Widerrufsrechte werden ausgeführt, ebenso die Folgen eines Widerrufs, außerdem erfolgt der Hinweis auf das standardisierte Widerrufsformular und die Kontaktadresse. Zu den Kerninhalten gehören auch Informationen über Garantie- und Repara­ turleistungen sowie Recycling-Hinweise. Hier besteht ein hohes gesellschaftliches Interesse an einer ökologisch möglichst verträglichen Regulierung. Dazu haben Medienberichte beigetragen, welche die verbotswidrige, massenhafte Vernichtung marktreifer Artikel durch E-Commerce-Anbieter oder deren Servicers zeigen. Hilfreich sind auch Gütesiegel, wobei es weniger um die Qualität der Produkte, sondern vielmehr die des Online-Shop geht. Bekanntestes Beispiel ist Trusted Shop, eine Bewertungsplattform, bei der jeder kostenpflichtig angemeldete Online-­ Shop umfangreich geprüft und ggf. zertifiziert wird. Dies soll häufigen Problemen mit unprofessionellen Online-Anbietern vorbeugen wie etwa bestellte Ware ist dann doch nicht lieferbar, Lieferung erst mit großem Zeitverzug, keine Kommunikation des Anbieters, verzögerte Kaufpreisrückerstattung bei Retouren etc.

5.3 E-Commerce-Prozess

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5.3.8 Auftragslogistik Die Lieferung bzw. Annahme erfolgt alternativ im • Zustellprinzip, z. B. durch Haustürzustellung (auch Nachbarn, Arbeitsplatz, Privatpersonen, Service Points), Smart home-Lösungen, Drohnen, Lieferroboter, Fahrradkuriere etc., • Treffprinzip, z. B. Übergabe an Paketstation, Kofferraumablegung, Garage, Pickup Boxes in leerstehenden Gebäuden / Filialen / Parkhäusern etc., • Residenzprinzip, z. B. Auflieferung an Paketshop-Filiale (auch Reinigung, Tankstelle, Supermarkt, Kiosk), Drive-in-Station, Postagentur, Click & collect. Die Organisation erfolgt in ihrer Auslegung dabei • intern, also mit angestellten bzw. „festen freien“ Mitarbeitenden (z. B. Amazon, Edeka, Rewe), • extern, also durch selbstständige Versanddienstleister (KEP) mit eigenem oder fremdem Personal, • hybrid, also sowohl eigen als auch fremd, häufig bzw. • mehrstufig gemischt, etwa im Streckengeschäft. Jede dieser Formen hat individuelle Vor- und Nachteile, die im Einzelfall gegeneinander abzuwägen sind. Generell stellt sich dabei das Kostenproblem der „letzten Meile“, also des letzten Wegstücks vom Zentral-/Regionallager zur Belieferung des Empfängers. Hier können wohl nur Kooperationslösungen verfangen. Bei der Auftragslogistik ist u. a. das Paketdesign von Bedeutung. Darunter versteht man die zweckmäßige Gestaltung der Versandeinheit in Bezug auf • Verpackungsmaterial, hier sollten umweltfreundliche Materialien selbstverständ­ lich sein, • Paketform, dabei ist Quaderform wegen des unproblematischeren Handlings (z. B. Stapelbarkeit) zu bevorzugen, • Paketgestaltung zur spezifischen Wiedererkennbarkeit wie bei Amazon oder Douglas, • Paketstabilität zur Verhinderung von Beschädigungen wie Bruch, Dellen, Risse etc., • Größe, hier sind leider überdimensionierte Standardgrößen üblich, wo angepasste Größen sinnvoller wären, • Gewicht, am besten Verteilung auf mehrere Pakete bei hohem Gewicht, aber mit zeitgleicher Zustellung,

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5. Der Online-Absatz

• Beschriftung mit Absenderangabe und Versandadresse, Zusätze wie „Vorsicht Glas“, „oben“ etc., • Packstoff, dieser bezweckt die Ausfüllung von Hohlräumen im Paket zur Transportschonung, • Transportsicherung wie Spannband, Textilklebestreifen, Klammerung etc., • Öffnungshandling, nutzerfreundlich („fingernagelschonend“) und qualitäts­ sichernd, • Auspackqualität hinsichtlich hochwertiger und ansprechender Anmutung bei der Entpaketierung, • Paketbeileger, eigen für Cross selling oder fremd gegen Entgelt oder Tausch, sowie Coupons, • Rechnung und/oder Anschreiben als Beleg, evtl. mit Bezahlvermerk, beides wird leider häufig versäumt, • Retourenformular/-aufkleber, je nach Konzept mehr oder minder kundenfreundlich (s. u.), • Beilage mit Goodie als Dankeschön (z. B. Gummibärchen, Schokoriegel). Im Zuge des E-Commerce erlebt die Transport- und Lagerlogistik eine enorme Bedeutungszunahme. Ein Trend im E-Commerce liegt dabei im Drop shipping, das als Streckengeschäft aus der traditionellen Logistik bereits bekannt ist. Dabei bestellt der Kunde im Online-Shop des Anbieters die gewünschte Ware, dieser übernimmt deren Logistik aber nicht selbst, sondern leitet den erhaltenen Auftrag an den jeweiligen Hersteller bzw. Großhändler zur Bearbeitung und Ausführung weiter. Dieser übernimmt die Auftragsausführung direkt an dessen Endunden, den Auftraggeber. Auf diese Weise können Transport-, Umlade- und Lagerarbeiten (TUL) in der Supply chain vermindert werden. Von Vorteil für den Online-Shop ist vor allem, dass ein Start-up weitgehend ohne Working capital möglich ist, da eine Lieferung im Drop shipping beim Hersteller / ​Großhändler erst bezahlt werden muss, wenn der Endabnehmer bezahlt hat. Insofern bleibt das finanzielle Risiko überschaubar, und es entsteht keine vermeidbare Kapitalbindung (Vorfinanzierung). Es ist keine eigene Lager- und Transportlogistik erforderlich. Auch bleibt das Flopprisiko begrenzt. Nachteilig ist die Abhängigkeit vom Hersteller hinsichtlich Qualitätsstandards und Termineinhaltung. Außerdem können nur begrenzt Mengennachlässe erreicht werden, da kein Gesamtlos bestellt, sondern Einzelaufträge erteilt werden, allenfalls ist eine Annäherung durch Rahmenverträge möglich. Weiterhin besteht Transparenz über die Umsatz- und Kunden-des-Kunden-Daten. Zu entscheiden ist außerdem ein Retourenhandling durch den Anbieter selbst oder das Herstellunternehmen. Ebenso steigt die Bedeutung der Versanddienstleister (KEP für Kurier, Express, Paket). Dabei ist ein erhebliches Maß an Mehrfacharbeit gegeben, d. h., die

5.3 E-Commerce-Prozess

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selbe oder räumlich benachbarte Kundenadressen werden von konkurrierenden Unternehmen mit jeweils fraktionierten Liefermengen angefahren. Dies ist angesichts der Verkehrssituation auf Fernstraßen und in Stadtgebieten ökonomisch und ökologisch nicht länger vertretbar. Lösungen sind etwa Depots, die von mehreren Transportdienstleistern angefahren werden und von denen die Warensendungen von Käufern abgeholt werden (Sammelstellen) oder, umfassender, eine exklusive Aufteilung der Zustellgebiete auf die KEP-Anbieter wie das in anderen Ländern bereits praktiziert wird, so dass jeweils nur einer von ihnen ein Zustellgebiet abdeckt, dies bedürfte allerdings einer Ausnahmegenehmigung des Kartellamts, die aber aus übergeordneten Gründen jederzeit möglich wäre. Der Versand erfolgt dann von Anbietern zunächst an das Warenverteilzentrum des für das Gebiet jeweils zuständigen Versanddienstleisters. Dabei geht allerdings die exklusive Bindung zwischen Anbieter und KEP verloren und sensible Daten können proliferieren. Die Auswahl des Versanddienstleisters geschieht abhängig von Faktoren wie Versandart, Lieferland, Zustelltempo etc. Verschärft wird die Logistiksituation durch zugesagte Same day-Zustellungen oder die Einhaltung von Wunschterminen für die Ablieferung. Vor allem das Liefertempo stellt jedoch einen wesentlichen Zufriedenheitsfaktor dar, verschafft positive Bewertungen und vermeidet Retourenhäufungen. Entsprechend sind die Versanddaten realtime an den Logistiker zu übermitteln. Denkbar ist auch, einen Logistik-Broker (3rd party) einzuschalten, der die Koordination der physischen und virtuellen Teilleistungen übernimmt. Wichtig sind Schnittstellen zum internen Warenwirtschaftssystem (Einkauf, Bestand, Versand etc.), zum CRM-System für die Kundenpflege und zum Content management-System für Angebotsinhalte wie Aktionsangebote. Der größte Versanddienstleister ist DHL für Päckchen unversichert, ohne Sendungsverfolgung bzw. Pakete versichert, mit Sendungsverfolgung. DHL verfügt über Filialen, Paketabholstationen und Paketshops. Ebenfalls mit Paketshops arbeiten die privaten Servicers DPD, GLS, Hermes und UPS. Speziell bei Expresssendungen, Sperrgut, internationalem Versand o. Ä. ist auch FedEx gefragt. Unterschiedlich sind von Servicer zu Servicer die Anzahl der Zustellversuche sowie die Ankündigung von Zustellungen per SMS geregelt. Problematisch sind die schwankenden Uhrzeiten der Zustellung und die oft wenig kundenfreundliche Auslieferung. Die Versandkosten sind für den Anbieter verhandelbar, vor allem in Bezug auf versteckte Zuschläge für Inselzustellung, entfernungsabhängige Treibstoffkosten etc., und abhängig von Service levels nach Volumen, Leistungsumfang, Wochenendzustellung, Abholung durch Kunden an Packstation etc. In Bezug auf die Berechnung der Versandkosten kann die Lieferung grundsätzlich versandkostenfrei, versandkostenfrei ab einem Mindestbestellwert oder generell kostenpflichtig sein. Dazu kann eine Versandkostentabelle einen Vergleich nach Gewicht, Zielland etc. geben. Bei Abo-Modellen wird häufig versandkostenfrei geliefert. Besonderheiten finden sich bei Aktionskonditionen. Denkbar ist, die Versandkosten quer zu subventionieren, damit sie optisch, vor allem bei geringem

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5. Der Online-Absatz

Warenwert, weniger ins Gewicht fallen. Einen guten Kompromiss stellt die Mindestbestellwert-Grenze dar, wobei dieser Wert sorgfältig zu bestimmen ist, am besten leicht oberhalb des Durchschnittbestellwerts. Der Versand von sperrigen oder schweren Waren kann auch per Spedition statt KEP ausgeführt werden. Damit sind allerdings zumeist erheblich höhere Versandkosten verbunden. Da dem jedoch üblicherweise ein entsprechend höherer Warenwert gegenüber steht, ist dies meist akzeptabel. Zudem sind kaufmännisch exakt die ersparten eigenen Aufwendungen für die Abholung gegenüber zu stellen, zu denen neben Treibstoff auch Abschreibungen, Opportunitätskosten aus der eingesetzten Zeit, Parkkosten, bewerteter Nerven- und Kraftaufwand, Versicherungsprämie etc. gehören. Daneben bestehen vielfältige Zusatzleistungen von Versanddienstleistern für ihre Auftraggeber: • Zugriff auf ein Online-Portal zur Versandabwicklung, z. B. Bereitstellung von Versandetiketten, • flexible Zustell- und Abholrhythmen (Zeitfenster), wegen der besseren Planbarkeit, • internationaler Versand mit Erledigung der Grenzformalitäten außerhalb des Schengenraums, • Nachnahmeservice mit Einhaltung des Paketpreises und Weiterleitung an den Auftraggeber, • Altersverifikation / ​Identifikation des Abnehmers bei Software, DVD, Arzneimittel etc., • Paketversicherung mit pauschalierten Schadenersatzbeträgen bei Bruch, Verlust o. Ä., • Abfolge mehrerer Zustellversuche, evtl. vorherige Ankündigung der Ablieferung mit Zeit-Slot, • Fulfillment, z. B. Kommissionierung von Retouren, Neuverpackung, Debitorenmanagement etc. Bei Zusatzleistungen der Versanddienstleister für Endkunden handelt es sich meist um folgende: • alternative Zustelladresse (z. B. Abgabe beim Nachbarn), • Sendungsverfolgung / ​Tracking und Sendungsstatus / ​Tracing, • Express-Zustellung, • Sonderversand bei sperrigen / ​schweren Waren wie Möbel, Großgeräte etc., • Urlaubslagerung.

5.3 E-Commerce-Prozess

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5.3.9 Retourenhandling Privaten Endkunden steht bei Abschluss von Fernabsatzverträgen ein grundsätzliches Widerrufsrecht zu (§ 312g Abs. 1 BGB). Der Gesetzgeber setzt nach § 355 Abs. 2 BGB mindestens eine Widerrufsfrist von 14 Tagen an, sofern der Verkäufer darauf ausdrücklich hingewiesen hat. Dabei muss der Widerruf nach Gesetz vor der Warenrücksendung eindeutig erklärt werden. Online-Händler können aber weiterhin aus Kulanz auf eine ausdrückliche Erklärung des Widerrufs verzichten und den Widerruf allein durch die Rücksendung der Retoure als wirksam anerkennen. Sie können auch eine längere als die 14-Tage-Frist akzeptieren. Die Rückerstattung des ggf. bereits gezahlten Kaufpreises an den Kunden hat dabei grundsätzlich innerhalb von 14 Tagen nach Eingang der Retoure beim Online-Händler zu erfolgen. Ein späterer Rücktritt ist nurmehr bei mangelhafter Lieferung möglich. Erfolgt die Rücksendung wegen Nichtgefallens später als 30 Tage nach Zustellung, können die Rücknahme verweigert oder dem Kunden zumindest die Kosten der Rücksendung berechnet werden. Für die Rückzahlung muss der Anbieter dasselbe (oder ein schnelleres) Zahlungsverfahren verwenden, das der Nachfrager bei der Zahlung verwendet hat (§ 357 Abs. 3 BGB). Ausnahmen für den Vertragsrücktritt bestehen für kundenindividualisierte Produkte, schnell verderbliche Waren, ursprünglich aus Hygienegründen versiegelte Waren und ursprünglich versiegelte Ton-, Daten- und Bildträger sowie angebrochene Verbrauchsprodukte. Außerdem, wenn Waren untrennbar vermischt worden sind, bei Presseerzeugnissen und bei Überschreiten des Verfallsdatums (MHD). Der Rücktrittsanspruch erlischt nicht bei Ausprobieren / ​probeweiser Inbetriebnahme oder Verpackungsöffnung, etwa um die Vollständigkeit von Zubehör zu prüfen, wie das auch im stationären Einzelhandel üblich wäre, bei unverhältnismäßiger Abnutzung kann der Anbieter allerdings einen Wertersatz fordern oder den Wertverlust vom Warenpreis abziehen. Tatsächlich wird das Widerrufsrecht praktisch häufig missbraucht. Beispiele sind das teure Kleid, das für einen festlichen Anlass getragen und danach zurückgesandt wird, der Großformat-Fernseher, der nach dem TV-Sportturnier retourniert wird oder hochwertige Schmuck­stücke und Uhren, die für eine Familienfeier geordert und anschließend wieder zurückgegeben werden. Die Kosten des Rückversands trägt nach Gesetz der private Endkunde. Als Service kann sie jedoch auch der Anbieter übernehmen. Die Retourenquote liegt etwa bei Bekleidung / ​Schuhen um die 50 %, stellt also einen wesentlichen Kostenfaktor dar und verteuert auch die Ware für alle nichtretournierenden Kunden, ganz abgesehen von erheblichen ökologischen Belastungen durch Hin- und Hertransport, Verpackung, CO2-Ausstoß etc. Als Gründe werden dabei verbreitet produkt-, preis- und logistikbezogene genannt (lt. Deges): • der Artikel passt nicht / ​gefällt nicht, der Artikel entspricht subjektiv nicht der Produktbeschreibung, der Artikel ist bereits defekt / ​beschädigt angekommen, mehrere Versionen des Artikels wurden von vornherein zur Auswahl bestellt,

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5. Der Online-Absatz

aber nur eine wird benötigt, versehentliche, unvollständige oder falsche Bestellung (Aliud), zu lange Lieferzeit und zwischenzeitlich anders überlegt, bei mehreren Online-Shops parallel bestellt, um bei engem Bedarfstermin auf „Nummer sicher“ zu gehen. Die Abfrage der Retourengründe gibt wichtige Hinweise auf bislang unentdeckte Unzufriedenheiten bzw. Leistungsverbesserungspotenziale. Retouren betreffen aber nicht nur private Endkunden, sondern auch nachfragemächtige gewerbliche Kunden, die sich auf diese Weise selbstverursachter Risiken entledigen wollen. Betriebsinterne Ziele des Retourenhandlings betreffen dabei die Verringerung der Rücksendewahrscheinlichkeit und der mit der Vermeidung und Verhinderung von Retouren verbundenen Kosten, die Senkung der Prozesskosten bzw. Erhöhung der Prozessgeschwindigkeit und die Steigerung der Prozessqualität. Kundenexterne Ziele betreffen die Absatzstimulierung durch kulante Rücknahmeregelungen, die Absicherung der Kundenzufriedenheit und Kundenbindung bzw. Erhöhung der Wiederkaufwahrscheinlichkeit, die Weiterempfehlung durch Kunden und den kundenwahrgenommenen Differenzierungsvorteil gegenüber vergleichsweise restriktiver handelnden Online-Anbietern. Im Retourenhandling sind grundsätzlich zwei Ansätze zu unterscheiden (lt. Deges): • Präventives Retourenhandling beschäftigt sich mit Maßnahmen zur Vermeidung von Retouren bereits vor einer Bestellung, während der Bestellung durch Beeinflussung der Warenkorbzusammenstellung sowie zur Verhinderung von Retouren nach der Bestellung. • Reaktives Retourenhandling beschäftigt sich mit Maßnahmen zur effizienten Bearbeitung des Retoureneingangs, der bestmöglichen Wiederaufbereitung von Retouren und ihrer Rückführung in den Warenbestand sowie zeitnaher Wiederverwertung / ​Neuvermarktung von Retourenwaren. Als Stellgrößen zur Verringerung der Retourenquote sind im präventiven Retourenhandling folgende denkbar. In der ersten Stufe geht es um die Verbesserung des Informationsstands der Interessenten vor Auftragserteilung durch deren • aussagefähige Produktbeschreibung/-darstellung nach Größe, Farbe, Material, Angabe der Passform (wie körpernah geschnitten), notwendiges Zubehör, Kompatibilität / ​Systemvoraussetzungen, Varianten, • funktionale Fotos mit Zoomfunktion / ​Detailausschnitt, 360°-Ansicht o. Ä., • Beratung durch Maßtabellen, Spezifikation der Konfektionsgröße nach Land, • eine Körpervermessung realtime via Avatar, oder auch in VR (z. B. bei Brillen nach Gesichtsform), • positive Kundenbewertungen, die immer noch als sehr glaubwürdig angesehen werden,

5.3 E-Commerce-Prozess

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• Beratung durch Aufruf eines Live-Chat in einem Pop-up-Fenster oder über Hotline, auch mit passenden Bestellvorschlägen / ​Kommissionierung, • FAQs und / ​oder Erklärvideos, vor allem in Bezug auf Handhabung, Sicherheitshinweise, Leistungsprofil etc. In einer zweiten Stufe folgen Maßnahmen beim Warenversand durch • Kontrolle der Übereinstimmung des Packinhalts mit der Bestellung vor dem Versand, z. B. keine fehlerhaft zusammengestellten Bundles, um dies als Retourengrund auszuschließen, • kurze Lieferzeit, da erfahrungsgemäß eine positive Korrelation („Kaufeuphorie“) zwischen Lieferdauer und Retourenquote besteht, • Ankündigung (und Einhaltung) eines Lieferzeitfensters, Tracking-Möglichkeit / ​ Paketverfolgungsnummer, allerdings abhängig vom KEP-Servicer, • stabile Umverpackung aus Kartonage mit Klebeband oder Tacker etc., • ansprechende Auspackqualität, die Sorgfalt und Wertigkeit erkennen lassen, Beileger, die Individualität und Bemühen um Kundenzufriedenheit ausdrücken wie Anschreiben, Gutschein, kleines Dankschön o. Ä., • Appell an Umweltschutz und Fairness (Moral suasion) durch Retourenmeidung, allerdings weitgehend wirkungslos, wenngleich die Rücksendung oft als mühsam und zeitaufwändig erlebt wird, • Incentives für Verzicht auf eine Retoure, etwa Rabatt, Coupon, Bonuspunkte etc. bis zu Gutschrift in Höhe der Retourenkosten. In einer dritten Stufe ist der Verzicht auf Rücksendung bei Widerruf für geringwertige Artikel denkbar, wenn die Marge des infrage stehenden Produkts unter den Prozesskosten des Retourenhandlings liegt. Denkbar ist aber auch die kritische Überprüfung der Bestellung durch: • Proaktive Kontaktaufnahme bei ungewöhnlichem Warenkorbinhalt (z. B. mehrere Ausführungen eines Produkts), auffälligen Adressen („exotisches“ Ausland), negativer Bestellhistorie des potenziellen Käufers, • Sanktionen bei schlechter Kundenbonität bzw. hoher Retourenrate durch Zahlung nur per Vorkasse mit daraus resultierender Barrierewirkung, • letztlich auch Bestellausschluss bzw. Versagung der Auftragsannahme wegen Erreichen eines Retourenlimits, allerdings mit negativer WoM-Wirkung, • bewusste Erhöhung des Retourenaufwands, z. B. Versagen der Retourenanerken­ nung bei Überziehen der Widerrufsfrist, Retourenschein muss per E-Mail erst angefordert werden, ausdrückliche Erklärung des Widerrufs auf einem Formular, Retourenberechnung (nur bei vorherigem Hinweis), Preisabzug wegen Gebrauchsspuren, dies wirkt allerdings kontraproduktiv auf die Kundenzufriedenheit.

342

5. Der Online-Absatz

Bei Ansätzen zum reaktiven Retourenhandling handelt es sich vor allem um folgende Maßnahmen (lt. Deges): • Optimierung der Durchlaufzeiten im Retourenprozess von der Anlieferung der Retoure bis zu deren Wiederverwertung, gemessen qualitativ als Menge pro Zeiteinheit und quantitativ als fehlerfreie Warenaufbereitung, • Standardisierung des Retourenprozesses, z. B. vorausgefülltes Widerrufformular mit Rückadresse, Rechnungsnummer, Artikelnummer etc., ansonsten entstehen Querelen aus schlechter Lesbarkeit, falschen Angaben o. Ä., Hauptprozessschritte sind dabei Warenannahme, Mengenprüfung / ​Vollständigkeit, Qualitätsprüfung / ​Funktion, der Prozess ist abhängig von der Menge / ​Vielfalt der Artikel, Automatisierungsfähigkeit der Bearbeitung etc. Teilprozessschritte sind dann Einscannen des Rücksendeetiketts, Entpaketierung der Retourensendung, Abgleich mit versendeter Ware, Prüfung auf Einhaltung der Widerrufsfrist, Separierung der einzelnen Artikel. Danach wird die Bewertung der Artikel vorgenommen, evtl. mit Verweigerung der Kaufpreiserstattung bei übermäßiger Abnutzung unter Rücksendung des Artikels (Problem: möglicher Preisverfall zwischen Warenbestellung beim Hersteller und Retoureneingang beim Online-Anbieter). Danach erfolgt eine Klassifizierung der Ware nach vier Gruppen (A, B, C, D) durch geschulte Mitarbeiter zur bestmöglichen Nutzung retournierter Waren wie folgt: • Bei Unversehrtheit (A-Retoure) möglichst rasche Wiedereinstellung im Warenwirtschaftssystem mit Verkaufsfreigabe (wegen Kapitalbindung), • bei leichten Gebrauchsspuren (B-Retoure)  Wiederaufbereitung der Ware mit Rückführung in den Neuwarenbestand, dazu Aufbereitung / ​Smart repair durch Reinigung, Bügelung, Faltung, Neuverpackung o. Ä., • bei starken Gebrauchsspuren (C-Retoure) Weiterleitung an Resteverkäufer wie Outlet-Centers, Pop-up stores, Postenhändler etc., • bei großen Mängeln (D-Retoure) Vernichtung oder Entsorgung der Retourenware. Parallel dazu wird eine Prüfung auf Reklamation beim Hersteller (bei Warenmängeln) oder Versanddienstleister (bei Transportschäden o. Ä.) vorge­nommen. Bei den involvierten Kosten handelt es sich um direkt-retourenbedingte Einzelkosten, indirekte Prozesskosten (Overheads) oder retourenbedingten Wertverlust, abzgl. Wiederverwertungserlös. Eine wichtige Entscheidung betrifft die des Make or buy, also die Eigenorganisation der Retourenbearbeitung oder deren Outsourcing an spezialisierte Servicers, denkbar ist auch eine Kombination in der Prozesslinie. Zur Auswertung ist ein Retouren-Controlling unerlässlich.

5.3 E-Commerce-Prozess

343

Dabei sind vielfache Kennzahlen von Bedeutung (nach Deges) wie: • Gesamtprozesskosten aller Retouren, • Gesamtprozessdurchlaufzeit aller Retourenvorgänge, • Transportkosten des Rückversands, • Personal- und Sachkosten im Retourenlager, • Gesamtanzahl der Mitarbeiter zur Retourenbearbeitung, • Anzahl retournierter Pakete pro Zeiteinheit (Rückwärtslogistik), • Anzahl retournierter Artikel pro Zeiteinheit, • Durchlaufzeit von Retoureneingang bis Wiederverfügbarkeit in Tagen, • Anzahl Retouren nach Retourengründen, • Anzahl Fälle von Retourenmissbrauch, • Wert der zurückgesendeten Artikel, • Anzahl der Retouren zur Vermarktung als Neuware, • Anzahl der Retouren zur eigenen oder fremden Vermarktung als Gebrauchtware, • Anzahl der Retouren zur Entsorgung bei defekten Artikeln, • Anzahl der Retouren zur gutschriftverpflichtenden Rückgabe an Lieferanten, • Ø Bearbeitungskosten zur Prüfung / ​Aufbereitung pro Retoure, • Fehlerquote in der Warenkommissionierung, • Ø Lieferzeit zur Vorwärtslogistik, • Ø Lieferzeit zur Rückwärtslogistik, • Reparaturquote in Bezug auf defekte / ​beschädigte Artikel, • Ø bearbeitete Retouren je Stunde / ​je Mitarbeiter, • Retouren nach Zahlungsarten, • Retouren pro Kunde / ​Kundensegment (Alter, Geschlecht etc.), • Retouren pro Kundengruppe (Nicht-, Wenig-, Vielretournierer etc.), • Erstattungszeit für Gutschriften aus Retouren, • verbleibender Deckungsbeitrag je Kunde / ​Kundengruppe, • Alpha-Retourenquote als Anteil der zurückgesendeten Sendungseinheiten an allen versendeten Poststücken,

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5. Der Online-Absatz

• Beta-Retourenquote als Anteil der zurückgesendeten Wareneinheiten an allen versendeten Wareneinheiten, • Gamma-Retourenquote als Anteilswert der zurückgesendeten Artikel an allen versendeten Artikeln, • Retouren pro Neuwarenlieferant, • Wiederverwertungsquote pro Artikel / ​Artikelgruppe, • Ausschussquote pro Artikel / ​Artikelgruppe, • Ø Wertverlust je Artikel / ​Artikelgruppe, • eigene Retourenquote in Relation zum Branchendurchschnitt.

5.4 E-Commerce-Metrics Da E-Commerce für sich in Anspruch nimmt, im Erfolg gut messbar zu sein, spielen Kennzahlen (auch KPIs / ​Schlüsselerfolgstreiber) hier eine erhebliche Rolle. Da alles und jedes zu berechnen ist, besteht zwar die Gefahr einer Inflation, dennoch reichen isolierte Kennzahlen für Schlussfolgerungen nicht aus. Vielmehr bedarf es des Vergleichs im Zeitablauf als Längsschnittanalyse (Indexzahlen) und / ​ oder zu anderen Einheiten als Querschnittvergleich des eigenen Unternehmens, zu konkurrierenden Anbietern (z. B. anonymisiert verfügbar aus Verbandsforschung) oder auch anderen Unternehmen, sofern diese als maßstabsetzend zu gelten haben. Neben der Auswertung von Bestand und Entwicklung ist vor allem wichtig, das Zustandekommen dieser Kennzahlen zu hinterfragen und auf eigene Bedürfnisse zu übertragen (Benchmarking). Dabei handelt es sich um Gliederungszahlen als Anteil einer Teilmasse an der zugehörigen Gesamtmasse sowie Beziehungszahlen durch Relation unterschiedlicher Teil- oder Gesamtmassen. Die Vielzahl möglicher Kennzahlen wird in Dashboards zusammengefasst und grafisch argestellt. Entsprechende Kennzahlen werden vor allem Website-bezogen, E-Mail-bezogen, Landing page-bezogen, Display-Werbung-bezogen, Affiliate-Werbung-bezogen und Social media-bezogen ausgewiesen. Website-bezogene Kennzahlen sind etwa folgende: • Referring domain = Webseite, von der ein User von außerhalb auf die zu analysierende Webseite gelangt ist, dies ist wichtig, um die Customer journey nachzuvollziehen, • Quereinsteiger = Anzahl der Besucher einer Webseite an allen Besuchern, die nicht über die Homepage verwiesen worden sind, auch hier ist interessant, die Referral-Seite auszuwerten,

5.4 E-Commerce-Metrics

345

• Direct traffic = Anzahl der Besucher an allen Besuchern, die durch Eingabe der URL in der Browserzeile zur Website gelangt sind, dies kann ein Hinweis auf erfolgreiche Werbeaktivitäten sein, • Besucher aus Social media traffic, Besucher aus Newsletter traffic, • Hits = Anzahl der Zugriffe auf eine Datei des Webserver durch den Browser im Zeitraum (absoluter Wert), auch Bruttoreichweite, dieser Wert ist allerdings noch zu undifferenziert, • Page impressions (auch Page views) = Anzahl der Aufrufe einer kompletten, nicht nach Frames differenzierten Website innerhalb einer Session (absoluter Wert), auch dieser Wert ist vergleichsweise undifferenziert, • Visits = Anzahl der Besuche von zwei oder mehr zusammenhängenden Seiten einer Website durch Internet-Browser von außerhalb (absoluter Wert), • Verweildauer (Session duration / ​Visit duration) = Zeitdauer des durchschnittlichen Besucherverbleibs auf einer Website (absoluter Wert in Min. / ​Sek.), hier gilt grundsätzlich je mehr, desto besser, • Page duration time = Zeitdauer des durchschnittlichen Besucherverbleibs auf einer Webseite, auch hier gilt grundsätzlich je mehr, desto besser, • Unique visitors = Anzahl der Nutzer mit verschiedenen IP-Adressen auf einer Website innerhalb eines definierten Zeitraums (absoluter Wert), dadurch wird die Anzahl unterschiedlicher Nutzer ausgewiesen (analog Nettoreichweite), • Mehrfachkontakte = Hits abzgl. Unique visitors, weist die Kontaktintensität aus, • Visits per unique visitor = Anzahl aller Website-Besuche : Anzahl verschiedener Website-Besucher (absoluter Wert), zeigt an, ob eher unterschiedliche Besucher vorliegen oder Mehrfachkontakte der gleichen Besucher, • Anzahl der Besucher einer Website im Zeitraum (Traffic, segmentierbar nach Merkmalen), gibt Aufschluss über die Popularität einer Website, • Anzahl der erstmaligen Besucher einer Website im Zeitraum, gilt als wichtiger Indikator für die Akquisitionsfähigkeit eines Web-Auftritts, • Anzahl der Besucher durch Weiterleitung aus organischen Sucherergebnissen in Suchmaschinen im Zeitraum, weist aus, ob eine attraktive Präsenz im Suchmaschinen-Ranking gegeben ist oder nicht, • Anzahl der Besucher durch Weiterleitung aus bezahlten Suchergebnissen in Suchmaschinen im Zeitraum, weist die Effizienz von Suchmaschinen-Marketing aus, • Anzahl der durchschnittlichen Seitenaufrufe pro Besucher im Zeitraum, dies ist ein Maß für die Nutzungsintensität einer Web-Präsenz und damit für ihre Attraktivität, • Häufigkeit der Besuche einer Website innerhalb eines Zeitintervalls, zeigt an, inwieweit es zu Wiederholungskontakten mit der Web-Präsenz kommt,

346

5. Der Online-Absatz

• Zeitabstände der Besuche einer Website innerhalb eines Zeitintervalls, hängt stark von den angebotenen Produkten und dem typischen Wiederkaufintervall der Produktgruppe ab, • Anzahl der abgeschlossenen Besuche einer Website (Sessions), ist ein Ausweis für die Fähigkeit einer Web-Präsenz, Besucher zu binden (Stickiness), • Pages per session / ​Intensity of use = Anzahl der während einer Session aufgerufenen Webseiten innerhalb einer Site, sagt aus, ob die Besucher sich eher länger mit wenigen Seiten oder kürzer mit mehr Seiten beschäftigen, • Returning users = Anzahl der nach Beendigung einer Session dorthin wiederkehrenden Besucher als Indikator für die Attrahierungskraft einer Web-Präsenz, • Anzahl der Identified users (angemeldet bzw. registriert, segmentierbar nach Merkmalen), daraus lassen sich wichtige Datenerkenntnisse über Besucher ableiten, • räumliche Verteilung der Zugriffe nach Region (Städte, Kreise, Bundesländer, Staaten), gibt Ansätze für geografisch differenzierte Marketingmaßnahmen, • zeitliche Verteilung der Zugriffe nach Uhrzeiten, gibt Ansätze für chronologisch differenzierte Marketingmaßnahmen, • Page exposure = Verteilung der Nutzung der Webseiten innerhalb der Website, also welche Seiten werden häufiger und welche seltener genutzt und woran kann das liegen bzw. wie können Mängel ggf. behoben werden, • Visit depth = Anzahl der genutzten Website-Ebenen, ist ein Indikator für die Intensität der Auseinandersetzung von Interessenten mit einem Angebot, • häufige Einstiegsseiten in die Website (Entry pages), gibt Anlass, die Strukturierung der Web-Präsenz zu optimieren, • häufige Ausstiegsseiten aus der Website (Exit pages), gibt ebenfalls Anlass, die Strukturierung der Web-Präsenz zu optimieren, • Auswertung der Suchmaschinen-Keywords, die zur Webseite geführt haben, diese können der Website dann als Metatags hinterlegt werden, • genutzte Funktionalitäten einer Website (Download, Newsletter, Rückruf etc.), Erkenntnisse hier erlauben die Steigerung der Interaktionsaktivität auf der Website, • Nutzung der internen Suchfunktion (verwendete Suchwörter, verwendete Suchphrasen), gibt Anlass, Verschlagwortungen zu überprüfen, • Auswertung der Nutzer nach Betriebssystemen, Browserversionen, mobilen End­ geräten etc., dies lässt Rückschlüsse auf die Situation der Besucher zu, • Analyse der Nutzer nach soziodemografischen Merkmalen, gewonnen aus Registrierungsdaten, lässt ebenso Rückschlüsse auf die Situation der Besucher zu,

5.4 E-Commerce-Metrics

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• Rücksprünge innerhalb der Website (wegen evtl. Datenverlusts), hier muss eine Ablaufoptimierung vorgesehen werden, damit das Besuchererlebnis unkompliziert und problemfrei bleibt / ​wird, • Verteilung der Weiterleitungen per Hyperlink aus der Website heraus, dies kann evtl. für Geschäftsangebote instrumentalisiert werden, • Auswertung der Clickstreams (Navigationsmuster für Aktivitäten auf der Website / ​User flow), dabei werden die realen Clickstreams mit einem idealtypischen Modellmuster verglichen und Abweichungen korrigiert, • Auswertung der Clickmaps (Mouse tracing auf einer Webseite), auch hierbei werden die realen Clickmaps mit idealtypischen Mustern verglichen und diese anzupassen gesucht, • Auswertung der Heatmap (visuelle Verteilung der Sichtkontakte auf einer Webseite, warme Farben für häufig gesehen, kalte für selten), gibt den Blickverlauf (Dauer / ​Häufigkeit) auf einer Monitorwiedergabe an, die Erfassung erfolgt über Blickaufzeichnungsbrille (Eye tracking), • Auswertung der Scroll-Bewegungen auf der Webseite (Visibility map), ist wichtig für die Seitenaufteilung, vor allem Above the fold (ohne Scrolling sichtbar) vs. Below the fold, vor allem abhängig vom Bildschirmformat, • Auswertung der Endgeräte-Analyse (Monitorfarben, Bildauflösung, Fensterformat), erfordert die angepasste Auslieferung von Website-Inhalten (Responsive design), • Auswertung der Fehlerlogs beim Zugriff auf die Website (Fehlerreduktion, z. B. 404-Error), hier ist unbedingt Besserung erforderlich, da ansonsten das Nutzererlebnis negativ ausfällt. E-Mail-bezogene Kennzahlen sind etwa folgende: • Absprungrate (Bounce rate) = Bounces : Empfängerliste × 100, Hard bounces beziehen sich auf Fehler in der Mail-Adresse, Soft bounces beziehen sich auf vorübergehende Unzustellbarkeit (meist wegen Speicherüberlaufs), • Öffnungsrate (Opening rate) = Öffnungen : (Empfängerliste – Bounces) × 100, ist wichtigster Indikator für die Attraktivität eines vermuteten E-Mail-Inhalts, • Abmeldequote (Unsubsribe rate) = Abmeldungen : Anzahl versendeter Mails × 100, ist demgegenüber Indikator für eine mangelnde Attraktivität der E-MailInhalte aus Nutzersicht, • Klickzahl (Click through rate) = Klicks : Seitenaufrufe × 100, ist wichtigster Indikator für die wünschbar ausgelöste Aktivität durch den E-Mail-Bezug, • Spam-Rate = Geblockte Mails : Anzahl versendeter Mails × 100, relevant bei scharf eingestelltem Spam-Filter, hier muss über Möglichkeiten zur Umgehung dieser Sperre nachgedacht werden,

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5. Der Online-Absatz

• Zustellrate = (Versandmenge – Bounces) : Versandmenge × 100, weist aus, welchen Anteil Zurückweisungen an der Gesamtzahl ausgesendeter Mails haben, • List growth = Neuanmelder Newsletter: Abmelder Newsletter × 100, wichtigster Indikator für die Attraktivität eines Newsletter. Landing page-bezogene Kennzahlen sind etwa folgende: • Auswertung der Ausgangsseiten zur Landing page (Referrals), hier ist über eine Optimierung im „Zufluss“ von Interessenten zur Website nachzudenken, • Time to purchase (bis zur Bestellung vergangene Zeit) (absoluter Wert in Min. / ​ Sek.), der Ist-Wert kann somit mit dem gewünschten Wert verglichen werden, • Total sales (Summe der Käufe in Menge und / ​oder Wert innerhalb eines Zeitraums), wichtigster Indikator für die Verkaufsstärke einer Web-Präsenz, • Kontaktkosten (Cost per lead) = Gesamtkosten der Kontakte : Anzahl der Kontakte, der eigene Wert kann hierbei mit Vergleichswerten / ​Durchschnittswerten abgeglichen werden, • Auftragskosten (Cost per order) = Gesamtkosten der Verkäufe : Anzahl der Verkäufe, der Ist-Wert kann mit dem gewünschten Wert verglichen werden, bei negativer Abweichung sind entweder die Gesamtkosten zu senken oder die Anzahl der Verkäufe zu steigern, ist beides nicht möglich, muss die Aktivität hinterfragt werden, • Gewinnrate = Gesamtumsatz : Gesamtkosten × 100, auch hier kann der Ist-Wert mit dem gewünschten Wert verglichen werden, bei negativer Abweichung gilt es, entweder den Gesamtumsatz zu steigern oder die Gesamtkosten zu senken, ist beides nicht möglich, muss die Aktivität hinterfragt werden, • Abbruchrate (Abandonnement rate)  = Anzahl abgebrochener Transaktionen  : Anzahl aller Transaktionen × 100, dies ist eine enorm wichtige Kennzahl, weil sie vergebenes Umsatzpotenzial ausweist, evtl. kann durch Retargeting eine Fortsetzung der Transaktion induziert werden. Display-bezogene Kennzahlen sind etwa folgende: • Tausend-Kontakt-Preis (Cost per mille) = Kosten der Display-Werbung : Anzahl der Werbeeinblendungen × 1.000, wichtigste Kennzahl für die Wirtschaftlichkeit der Display-Werbung, • Effective cost per mille = Umsatz : Anzahl der Werbeeinblendungen × 1.000, ist zentrale Kennzahl für den Werbeerfolg, wenngleich die Verursachung nicht immer zweifelsfrei ist, • Cost per click = Gesamtkosten der Klicks : Anzahl der Klicks, ist nicht eindeutig, da die Werthaltigkeit der ausgeführten Aktivität dabei unberücksichtigt bleibt, • Adviews = Anzahl der Sichtkontakte mit einer Displaywerbung, analog zu sehen zur Kontaktintensität als Kennzahl,

5.4 E-Commerce-Metrics

349

• Adclicks = Anzahl der Auslösungen von Displaywerbung mit Hyperlink zur Website oder zu anderen Informationsquellen des Werbungtreibenden, wichtiger Indikator für die gewünschte Werbeverkettung, • Adimpressions = Anzahl der Sichtkontakte mit Displaywerbung des Unternehmens auf anderen Websites, zentrale Erkenntnis für die Werbeträgerauswahl, • Banner reach = Anzahl der Nutzer mit mindestens einem Sichtkontakt auf Displaywerbung, analog zur Nettoreichweite als Kennzahl, • Banner frequency = Anzahl der Sichtkontakte mit Displaywerbung  : Gesamtzahl der Websitebesucher, analog zur Kennzahl Durchschnittskontakte, • Bruttokontaktsumme = Banner reach × Banner frequency (Nettoreichweite × Durchschnittskontakte), erlaubt den Vergleich von unterschiedlich reichweitenstarken und kontaktintensiven Werbeträgerseiten, • Viewtime = Zeitspanne, während derer ein potenziell werbeführender Teil der Website sichtbar ist, hängt ab von der Platzierung der Display-Werbung, vom internen (Motiv) und externen Wechsel (Rotation) der Display-Werbung, der Sichtbarkeit der Werbeträgerseite etc. Affiliate-bezogene Kennzahlen sind etwa folgende: • Umwandlungen (Conversions) = Anzahl der Nutzer mit Click to action innerhalb eines definierten Zeitraums, • Umwandlungsrate (Conversion rate, in Bezug auf gewünschte Aktivität, meist Bestellung) = Anzahl der Conversions : Anzahl der Werbeeinblendungen × 100, zentraler Erfolgsfaktor, gibt die Verkaufsstärke einer Werbung an, • Cost per conversion = Kosten der Displaywerbung  : Anzahl der Nutzer mit Click to action, zentraler Wert für die Wirtschaftlichkeit der Werbung, Vergleich von Istwert mit Sollwert, bei Abweichung Kostenrationalisierung oder Werbeinhalts- / ​-auftrittsänderung, • durchschnittlicher Umsatz je Besucher, zentraler Faktor für die Hebelwirkung der Werbung, • durchschnittlicher Gewinn je Besucher, zentraler Faktor für die Profitabilität des Anbieters, hängt ab vom Umsatz je Besucher, vom Produktmix, von der Preisstruktur des Angebots, von der Transaktionshäufigkeit, von der Nutzerbasis etc. Social media-bezogene Kennzahlen sind etwa folgende: • Sichtkontakte (Impressions) = Anzahl der Sichtkontakte von Social media-Teilnehmern an einem Online-Werbeobjekt (Produkt, Werbemittel, Person etc.), • Engagement rate = Anzahl der Personen mit Interaktionen : Anzahl der Werbeobjekte × 100, misst die Anzahl der Personen mit einer direkten oder indirekten Social media-Präsenz des Anbieters,

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5. Der Online-Absatz

• Anzahl der Followers / ​Fans / ​Abonnenten in Social media-Kanälen, zentrale Kennzahl für die allgemeine Reichweite einer Social media-Botschaft, • Hashtag-Verbreitung nach Bestand und Entwicklung, spezifisch bei Instagram, Twitter, • Shares + Retweets nach Bestand und Entwicklung, spezifisch bei Facebook, Twitter, • Video-Views nach Bestand und Entwicklung, spezifisch bei Youtube, • Total story views / ​Total story completions nach Bestand und Entwicklung, spezifisch bei Snapchat, • Interaktionsrate  = (Likes + Kommentare)  : Anzahl Follower / ​Reichweite von Posts / ​Anzahl der Video views × 100, misst die Anzahl der Interaktionen mit einer direkten oder indirekten Social media-Präsenz des Anbieters, • Social media-Wachstum = (Neue Fans + Followers) : Empfängerliste × 100, wichtige Kennzahl für den Erfolg von Social media-Aktivitäten.

5.5 Rechtlicher Rahmen E-Commerce ist umfänglichen rechtlichen Bedingungen unterworfen. Hier seien nur einige der Wichtigsten von ihnen ausgeführt. Einschlägig sind die Vorschriften des BGB zum Fernabsatz und zum elektronischen Geschäftsverkehr (§§ 312, 356), die auf die europäische Fernabsatzrichtlinie zurückgehen. Diese Vorschriften regeln den Vertrieb von Waren und Diensten über WWW, E-Mail, SMS und Telefon / ​Telefax, aber auch den Offline-Versand über Katalogbestellung. Die Vorschriften enthalten vor allem differenzierte Schutzbestimmungen für Privatkunden, insb. Informationspflichten des Anbieters. Die Bestimmungen zum elektronischen Geschäftsverkehr gelten auch für gewerbliche Kunden. In der PreisangabenVO ist bestimmt, dass jede Leistung mit ihrem Preis kenntlich zu machen ist, wobei dieser gegenüber Privatkunden der Endpreis incl. MwSt. zu sein hat und sofern Versandkosten anfallen, diese zu beziffern und deutlich auszuweisen sind. Im Geschäftskundenbereich kann der Preis ohne MwSt. ausgewiesen werden, weil diese bei Umsatzsteuerpflicht einen durchlaufenden Posten darstellt. Bestimmungen im Telemediengesetz (TMG) betreffen den deutlichen Hinweis auf die Verarbeitung und Speicherung personenbezogener Daten, etwa aus Kontaktformularen, Newsletter-Anmeldungen, Tracking-Vorkehrungen etc. Hier führt der Trend zu mobilen Endgeräten (Mobile first) zu Problemen in der formalen Darstellbarkeit solcher Pflichtinformationen.

5.5 Rechtlicher Rahmen

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Alle Vertragsformen, die nicht bestimmten, online-untauglichen Formanforderungen unterliegen wie Schriftform, Beglaubigung der Unterschrift, notarielle Beurkundung, können online rechtskräftig abgeschlossen werden, es sei denn, dafür werden digitale Signaturen oder Blockchain-Technologien eingesetzt. Kein Vertragsangebot liegt bei bereitgestellten Kataloginhalten sowie Warenkorbablegungen vor. Die Verbindlichkeit ist erst bei Absenden der Bestellung gegeben (da Angebot an die Allgemeinheit). Aus dem Telemediengesetz ergibt sich auch die Impressumspflicht für jeden kommerziellen Website-Betreiber (§ 5). Wer auf Webseiten oder in Newsletters gewerbliche Angebote vornimmt, ist danach zur Anbieterkennzeichnung verpflichtet. Das Impressum hat folgende Inhalte auszuweisen: • vollständiger Vor- und Zuname des Anbieters bzw. dessen vollständige Firmie­ rung, • postalische Anschrift des Anbieters, wahlweise mit Postfach, • bei juristischen Personen (GmbH, UG, AG, Genossenschaft, Verein) die Rechtsform des Unternehmens und den / ​die Namen des / ​der Vertretungsberechtigten, ggf. auch ein Hinweis auf Liquidation, • der vollständige Vor- und Zuname und die Anschrift des Impressumsverantwortlichen, • die Umsatzsteuer-Identifikations-Nummer (Ust.-ID-Nr.), sofern Umsatzsteuerpflicht besteht, sowie die Wirtschafts-Identifikations-Nummer (W-Id-Nr.), sofern vorhanden, • Angaben zur zuständigen Aufsichtsbehörde, sofern eine behördliche Genehmigung erforderlich ist, dies gilt auch für die Kammern von kammerpflichtigen Freiberuflern, • eine Kontaktadresse zur schnellen Kontaktaufnahme, meist E-Mail-Adresse, Telefon / ​Telefax, Chat-Angabe, elektronisches Kontaktformular o. Ä., • bei Registereintragung die Registernummer von Handels-, Partnerschafts-, Genossenschafts- oder Vereinsregister, • der Hinweis auf eine Stelle zur außergerichtlichen Streitbeilegung. Für Fernabsatzverträge aus Direct mailing, Katalog, Fon / ​Fax, E-Mail, Web gegenüber Privatkunden gilt, dass Auftragsbestimmungen klar, d. h. ansprechend strukturiert, und verständlich, d. h. kein Juristendeutsch, sowie in hervorgehobener Weise vor Bestellabgabe zur Verfügung gestellt werden müssen. Am besten erfolgt dies vor einem Bestellbutton, dazu gehören auch die Widerrufsbelehrung und die

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5. Der Online-Absatz

AGB. Sinnvoll ist die Bestätigung der Kenntnisnahme und des Einverständnisses mit diesen Bestimmungen durch den Privatkunden. Informationspflichten des Online-Verkäufers betreffen insb. folgende: • die Identität des Unternehmens, meist durch Logo, Firma erreicht, • Registereinträge mit Ort und Registernummer, Identität eines Vertreters des Anbieters, • ladungsfähige Anschrift des Unternehmens bzw. seines Vertreters, • Zeitpunkt sowie Art und Weise des Zustandekommens des Vertrags, Gültigkeitsdauer von Angeboten, • Mindestlaufzeit eines Vertrags bei Dauerschuldverhältnissen, z. B. Abonnement, • evtl. Liefer-, Qualitäts- und Preisvorbehalte, • Gesamtpreis der Waren oder Dienste incl. indirekter Steuern bzw. überprüfbare Berechnungsgrundlage des Preise mit Preisbestandteilen, Liefer-/Versandkosten, Zahlungsdetails etc., • Akzeptierung der gesetzlichen Mängelhaftung, • Versand- und Zusatzkosten, weitere Steuern oder das übliche Maß übersteigende Kosten, z. B. für Telekommunikationsmittel, • Einzelheiten zu Zahlung und Lieferung oder Erfüllung, • Bestehen bzw. Nichtbestehen oder Erlöschen des Widerrufsrechts sowie Bedingungen, Fristen und Verfahren zu dessen Ausübung, diese Informationen müssen zu ihrer Gültigkeit Privatkunden spätestens bei der Lieferung mitgeteilt werden, • Gültigkeitsdauer befristeter Angebote sowie Zusatzangaben bei Finanzdienstleistungen nach EGBGB, • deutliche Kennzeichnung der Auslösung einer Zahlungspflicht durch Formulierung „zahlungspflichtig bestellen“, „kaufen“ o. Ä. Verletzungen der E-Commerce-Bestimmungen berechtigen privilegierte Institutionen wie die Wettbewerbszentrale, Verbraucherzentralen, aber insb. auch Mitbewerber zur Abmahnung und Erwirkung einer einstwiligen Verfügung. Bei internationaler Tätigkeit, wie das für E-Commerce üblich ist, sind die zwingenden Schutzvorschriften des jeweiligen Ziellandes zu beachten. Eine solche internationale Ausrichtung ist anzunehmen, wenn ein Anbieter seinen Willen dazu zum Ausdruck bringt, etwa durch Anfahrtskizzen bis zur Landesgrenze, internationale Telefon-Vorwahl, ausländische Top level domains, fremdsprachliche Angebotstexte, Preise in Fremdwährung, o. Ä. Fehlen solche Angaben, ist hingegen von einer nur national angelegten Tätigkeit auszugehen.

5.5 Rechtlicher Rahmen

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Der Datenschutz legt dabei vielerlei Grenzen auf, vor allem folgende. Der Schutz der Privatsphäre natürlicher Personen und ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Gewaltenteilung ist im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) verankert, indem der Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange der Betroffenen bei personenbezogenen Daten durch Missbrauch bei der Datenverarbeitung entgegengewirkt wird. Darin ist der Umgang mit personenbezogenen Daten insb. in Bezug auf die Zulässigkeit der Speicherung und Übermittlung geregelt. Angesichts der wachsenden Sensibilität in der Bevölkerung gegenüber Datenschutzproblemen ist der Zugang erschwert. Bei personenbezogenen Daten handelt es sich um Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse. Dadurch soll die Person, die hinter diesen Daten bestimmbar werden könnte, geschützt werden. Ausnahmen bestehen, wenn das BDSG selbst oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder die ausdrückliche Einwilligung der auskunftgebenden Person zur Datenverarbeitung vorliegt. Ansonsten sind Daten nur anonym verarbeitbar, außer wenn kein Grund besteht, dass durch die Verarbeitung schutzwürdige Belange von Betroffenen beeinträchtigt werden. Sofern Daten aus öffentlich zugänglichen Quellen stammen, ist ihre Verarbeitung für interne Zwecke weitgehend problemlos. Solche externen Daten können auch ohne Einwilligung der Betroffenen verarbeitet werden, wenn Personen- und Inhaltsdaten physisch immer getrennt bleiben, bestimmte Informationspflichten erfüllt werden sowie ein berechtigtes Interesse nachgewiesen werden kann.

6. Die kaufmännische Auftragsbearbeitung Die kaufmännische Auftragsbearbeitung umfasst im Einzelnen das Angebotsmanagement (6.1), die Möglichkeiten zur Absatzfinanzierung (6.2), das Erlöscon­ trolling (6.3) sowie das statisch und dynamisch bemessene Kundenkapital (6.4/6.5). Dabei handelt es sich um zentrale Steuerungsgrößen für den Vertriebserfolg.

6.1 Angebotsmanagement Interessentensichtung und -ansprache Anfrageneinholung bei Neu- und Bestandskunden Bearbeitung von Inbound-Anfragen Auftragsdurchführbarkeit und Ressourcenverfügbarkeit Kalkulation der Angebotsbestandteile Durchführung der Angebotserstellung Spezifische Preisdefinition Risikoabdeckung der Gegenleistung Nachlaufphase Abbildung 63: Phasen des Angebotsmanagements

Dem Angebotsmanagement wird zweckmäßigerweise ein Prozessmodell zugrunde gelegt. Jede dieser Phasen weist wiederum Teilprozessstufen auf. Ein Erfolgsschlüssel liegt sicherlich in der geeigneten Sichtung und Ansprache von Kaufinteressenten (6.1.1). Dabei ist zwischen aktiver Generierung bei Neu- und Bestandskunden (6.1.2) (Outbound) sowie passiv eingehenden Anfragen zu unterscheiden (6.1.3). Zu Beginn der Bearbeitung ist die generelle Durchführbarkeit eines Auftrags zu prüfen. Wird diese bejaht, geht es um die zeitgebundene Ressourcenverfügbarkeit dafür (6.1.4). Wenn auch hier kein Problem erkennbar ist, erfolgt die Kalkulation der Angebotsbestandteile (6.1.5). Auf dieser Basis wird die

6.1 Angebotsmanagement

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eigentliche Angebotserstellung durchgeführt (6.1.6). Besonderes Augenmerk aus vertrieblicher Sicht ist dabei den kaufmännischen Bestandteilen Preis, Konditionen, Lieferungs- und Zahlungsbedingungen zu widmen (6.1.7). Schließlich ist vor Abgabe eines Angebots eine Risikoabdeckung der Gegenleistung zu prüfen (6.1.8). Nach Abgabe des Angebots sind dessen Verfolgung und Nachverhandlung sowie eine Erfolgsauswertung und -ableitung daraus unerlässlich (6.1.9) (siehe Abb. 63: Phasen des Angebotsmanagements). Für das Angebotsmanagement sind vielfältige Randbedingungen bedeutsam wie extern Referenzfähigkeit eines Auftraggebers, Share of wallet-Steigerung bei Bestandskunden, Einstieg in einen neuen Markt oder Sprungbrett bei Neukunden bzw. intern Kapazitätsauslastung, Lerneffekte im Wissensmanagement, Gewinnhaltigkeit oder Standardisierung der Leistungsabgabe. Oft werden diese Randbedingungen als Restriktionen betrachtet und führen zu unspezifizierten, unverbindlichen, letztlich irrelevanten Angeboten. Man sollte jedoch keinesfalls vergessen, dass Markterfolg nicht immer planbar und logisch entsteht, sondern häufig Anfragen, die mit aussagefähigen Angeboten beantwortet werden, Türen aufstoßen, die in Gefilde vordringen, die man vordem nicht für möglich gehalten hatte. Daher kann nur gelten, dass man sich die Ablehnung einer Angebotsabgabe mehr als einmal gründlich überlegen sollte

6.1.1 Interessentensichtung und -ansprache Ein Erfolgsgeheimnis „passender“ Angebote ist die Selektion geeigneter Zielgruppen. Diese können sich im B-t-b-Bereich nach folgenden Kriterien ergeben: • Identifizierung der Branchen, in denen die eigenen oder vergleichbare fremde Leistungen Verwendung finden oder finden können. Hierbei ist bedeutsam, dass die meisten Produkte in verschiedenen Branchen zum Einsatz kommen können. Gerade neu entstehende Branchen werden dabei in Zuge einer Fokussierung auf bestehende Geschäftsbeziehungen häufig außer Acht gelassen. • Identifizierung der Unternehmen innerhalb dieser Branchen. Hierbei ist bedeutsam, dass im Zuge der Business migration Unternehmen zunehmend branchenübergreifend als Mehrgeschäftsfeld-Unternehmen tätig werden. Insofern können in einer Branche Player auch auftauchen, die bisher nicht „auf dem Radar“ waren. Diese gilt es zu kontaktieren. • Identifizierung der Beschaffungsorganisation in den selektierten Unternehmen. Zumeist ist die Beschaffung in einer Einkaufsabteilung (Procurement) zentralisiert, da es sinnvoll ist, externe Aufträge, die mit einem negativen Cash-flow verbunden sind, zu kanalisieren, um Unwirtschaftlichkeiten bis zur Illiquidität vorzubeugen. Die von der Beschaffung betroffenen Fachabteilungen haben dabei häufig nur noch ein Vorschlagsrecht für die Anbieterauswahl oder das Beschaffungsobjekt.

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6. Die kaufmännische Auftragsbearbeitung

• Identifizierung der Entscheiderpersonen in diesen selektierten Organisationen. Entscheidungen einer gewissen Größenordnung werden nicht mehr durch Einzelpersonen, sondern in Beschaffungsgremien (Buying centers) gefällt. Hier ist die Zusammensetzung dieser Gremien zu eruieren, ebenso die Entscheidungsstruktur und -dominanz. Diese sind jedoch extern nur schwer, wenngleich machbar, recherchierbar (s. u.). • Identifizierung der Bedarfe dieser Personen. Dabei sind sowohl berufliche als auch persönliche Interessen zu berücksichtigten. So gibt es Faktenreagierer als Clarifier und Imagereagierer als Simplifier, Innovationspromotoren und -opponenten auf Fach-, Macht- und Prozessbasis und verschiedene Arten von Informationstypen. Sind Interessenten hinreichend identifiziert, gilt es, diese mit dem Ziel der Beauftragung zu kontaktieren. Dafür ergeben sich verschiedene Ansprachewege: • Ein persönlicher Kontakt kann Face to face, fernmündlich oder informell erfolgen. Face to face ergibt er sich im Rahmen des Persönlichen Verkaufs durch Unternehmensrepräsentanten. Dies ist zweifellos der effektivste Weg, wenngleich wenig effizient. Eine Hürde ist dabei vor allem die Überwindung von Kontaktwiderständen. Dies gilt auch für die telefonische Kontaktaufnahme, die im ­B-t-b-Bereich erlaubt ist, sofern das offerierte Angebot mit dem Geschäftszweck des angerufenen Unternehmens in Verbindung steht. Informelle Kontakte ergeben sich auf Messen, Konferenzen, Kongressen, Tagungen, Events etc., wo sich Professionals immer wieder zwangsläufig treffen. • Der schriftliche Kontakt ist der formellste und erfolgt zumeist durch ein Anschreiben mit entsprechenden Anlagen wie Prospekt, Katalog, Flyer. Gelegentlich werden hier auch bereits erste, unaufgeforderte Projektstudien angefügt, die den Prospect ködern wollen. Im B-t-b-Bereich ist auch eine Serie von Mailings möglich, die, beginnend mit einem Teaser, über den eigentlichen Rollout bis hin zu einem Reminder eine Verkettung von Interesse, Überzeugung und Aktion erreichen wollen. • Der mediale Kontakt erfolgt über Online-Medien, hier vor allem über Internet, besonders über WWW und E-Mail, aber auch Soziale Netzwerke. Da WWW ein Pull-Medium ist, muss der Traffic auf die eigene Webpräsenz auf andere Weise gelenkt werden. Dies kann online, also im Medium, aber auf anderen Seiten erfolgen (Affiliate, Suchmaschineneintrag, Displaywerbung etc.) oder offline, also über geprintete oder persönliche Kontaktmittel. Bei E-Mails ist im B-t-b-Bereich ein Outbound-Kontakt aktiv möglich, im Zweifel im Wege des Permission marketing mit Double opt-in, ein Inbound-Kontakt passiv ist ohnehin jederzeit erlaubt. Bei Sozialen Netzwerken ist vor allem an Business-Netzwerke wie Xing, LinkedIn zu denken, in Private-Netzwerken wie Facebook, Stayfriends ist ein unerbetener, verkäuferischer Kontakt zumeist unerwünscht.

6.1 Angebotsmanagement

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6.1.2 Anfrageneinholung Ein Kontakt (Lead)  wird erst werthaltig, indem er zu Transaktionen genutzt werden kann. Für die Anfragengenerierung bei Neukunden gibt es daher mehrere Ansatzpunkte: • Bei Hinzuziehung zu einer ohnehin laufenden Anfragenrunde wird ein potenzieller neuer Lieferant als weiterer Teilnehmer aufgenommen. Der Anfrager hat dabei kaum etwas zu verlieren. Stellt sich das neue Angebot als nicht leistungsfähig heraus, war der Aufwand zum Test wegen bereits eingespielter Prozesse gering, stellt es sich als leistungsfähig heraus, hat man einen geschäftlichen Vorteil für sich erreicht. Häufig stellt dieses Verfahren eine einmalige Chance dar, d. h., wird das neue Angebot als nicht leistungsfähig erachtet, hat der Anbieter kaum eine Chance, noch bei weiteren Anfragen berücksichtigt zu werden. • Bei Anfrage für ein neu zu beziehendes Produkt kann der potenzielle neue Lieferant ein Produkt anbieten, das neu am Markt ist oder zumindest neu für das anfragende Unternehmen. Insofern sieht man sich hier nur einer begrenzten Vergleichssituation gegenüber. Limitationen ergeben sich allerdings daraus, dass im Wege einer Budgetsubstitution andere Lösungen verdrängt werden müssen oder eine neue Lösung in Konkurrenz zu anderen Anbietern steht. Dabei erweisen sich häufig Prozessumstellungen als Hindernis. • Bei monadischer Anfrage als Orientierung fragt ein potenzieller Abnehmer an, um auf diesem Wege eine Vorstellung vom bei der neuen Lösung implizierten Aufwand zu erhalten. Dabei geht es nicht nur um den Anschaffungspreis, sondern auch um die laufenden Betriebskosten und evtl. Wiederverkaufserlöse als Lifecycle costs. Hinzu kommen ggf. einmalige Kosten für die Umstellung von Prozessen bei Incoming und Operations als Total costs of ownership. Erst dadurch kann eine grundsätzliche Eignung zur näheren Auseinandersetzung mit der neuen Lösung qualifiziert werden. • Ein Erstauftrag von Start-ups ist oft eine zweischneidige Angelegenheit. Einerseits versprechen Start-ups potenziell ein großes Wachstum und gerade wer am Anfang eine Geschäftsbeziehung mit ihnen eingeht, darf mit einer gewissen Verbundenheit auch bei späterer Prosperität rechnen. Andererseits ist die Zahlungsfähigkeit bzw. -willigkeit womöglich gering ausgeprägt und es mangelt an einer gewissen Professionalität. Ist man zögerlich, können im Zweifel große Folgeauftragsvolumina entgehen. Wachstumschancen entstehen durch Produktwert-, Produktanzahlerhöhung, (aktive / ​passive) Referenzierung, Informationsund Integrationsnutzen. Die Anfrageneinholung bei Bestandskunden gehört zum Tagesgeschäft des Vertriebs. Man darf keinesfalls nur abwarten, bis man angefragt wird, sondern muss proaktiv Anfragen generieren. Nur damit kann man sicherstellen, bei Anfragen überhaupt berücksichtigt, und nicht aus Versehen oder mit Absicht übergangen zu

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werden. Auch hat man bei proaktivem Vorgehen zumindest die Chance der Einflussnahme auf die Anfragebedingungen, weil man in einem frühen Stadium einsteigt. Dies ist gerade der große Vorteil bei bestehenden Geschäftsbeziehungen. Es gibt einen relevanten Informations- und ggf. auch einen Integrationsvorteil gegenüber Out suppliers. In vielen Unternehmen werden Anfragen allerdings nur passiv entgegen genommen. Wegen der vermeintlich einfachen Aufgabenstellung wird dies zumeist dem Verkaufsinnendienst (Traffic) überlassen. Dies ist nicht akzeptabel, denn eine Anfrage ist eine Einladung zur Aufnahme einer Geschäftsbeziehung und bietet durch intelligente Lösungen immer die Chance zum Erfolg. Häufig sind gerade Kleinaufträge als Test für eine spätere Geschäftsausweitung anzusehen. Anfragen daher abzuwehren oder lieblos zu behandeln, ist ausgesprochen leichtfertig. Bei bestehenden Kunden sind auch Initiativangebote denkbar. Dabei handelt es sich um Angebote, die ohne konkrete Anfrage allein aus der Kenntnis der Problem- und Bedarfssituation des Kunden heraus abgegeben werden. Da man die Bedarfslage von Bestandskunden gut kennen sollte, hier ist Kundennähe das Zauberwort, müsste es gelingen, ein passendes Angebot zu unterbreiten. Dieses kann einen bestehenden Bedarf dort aufgreifen, oder besser, erst eine Problemweckung hervorrufen. Gerade dann hat man die Chance des ersten Zugriffs.

6.1.3 Bearbeitung von Inbound-Anfragen Neben aktiv akquirierten (Outbound-)Anfragen fallen auch passive (Inbound-) Anfragen an. Viele Unternehmen nehmen für solche Anfragen eine Bewertung vor, die qualifizieren soll, ob es sich überhaupt lohnt, solche Anfragen zu bearbeiten. Bewertungskriterien können hier etwa sein: Zahlungsfähigkeit (Solvenz) und -willigkeit (Bonität), Wettbewerbsposition, Bedarfspotenzial, Auftragsertrag, Angebotskosten etc. Dies ist in gewisser Weise verwunderlich. Sehr aufwändige, komplizierte Anfragen werden ohnehin kaum über Inbound erzeugt werden, vielmehr wird es sich regelmäßig um Klein- oder Standardanfragen handeln. Damit ist aber praktisch ein „Steilpass“ für das anbietende Unternehmen gegeben, es entsteht ein potenzieller Kundenkontakt, ohne dass dafür Akquisitionskosten angefallen wären. Häufig werden hinter solchen Kontakten „Zählanfragen“ vermutet, die einen Triple pitch auffüllen sollen, oder Dummy-Anfragen des Wettbewerbs, um Informationen aus dem Unternehmen zu erhalten. Auch das sind keine Gründe, solchen Anfragen ablehnend gegenüber zu stehen. Im ersten Fall kommt es auf das anbietende Unternehmen an, ob es wirklich nur „Zählanbieter“ ist oder ein so überzeugendes Angebot präsentiert werden kann, dass letztlich ein Zuschlag erfolgt. Wem dies nicht möglich ist, der hat auch den Zuschlag nicht verdient. Im zweiten Fall ist die Informationstransparenz durch moderne IuK-Medien ohnehin so hoch, dass kaum relevante Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse in einem Angebot preis-

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gegeben würden, erst recht kein anderweitig ungeschütztes Wissen. Im Übrigen muss im Zweifel gut begründet werden können, warum eine Ausschreibung letztlich ohne Zuschlag bleibt. Für den Fall, dass ein Unternehmen sich vor Anfragen nicht retten kann oder auf unabsehbare Zeit Kapazitätsüberlast gefahren wird, mag es sinnvoll sein, eine Anfragenselektion vorzunehmen. In allen anderen Fällen ist eine spezifische Bearbeitung ratsam. Doch wenn ein Angebot schematisiert, häufig von Hilfskräften, erstellt wird, kann man sich den Aufwand in der Tat gleich sparen. Nachdem nunmehr die vorlaufenden Aktivitäten zur Angebotserstellung erreicht worden sind, gelangt man zur eigentlichen Kernphase.

6.1.4 Auftragsdurchführbarkeit und Ressourcenverfügbarkeit Die Prüfung der Durchführbarkeit (Feasibility) eines potenziell erteilten Auftrags ist grundsätzlicher Art und bezieht sich auf mehrere Faktoren: • Je nach Lage der Dinge kann für ein Angebot auf Erkenntnisse der Grundlagenforschung zurückgegriffen werden, die im eigenen Unternehmen oder gemeinsam mit anderen durchgeführt worden ist, die zugekauft wurden oder auch öffentlich zugänglich sind. Ohne diese Erkenntnisse ist die Durchführbarkeit eines Auftrags praktisch nicht gegeben. Selbst auf diesem Grundlagenwissen aufbauend ist häufig eine Anwendungsforschung notwendig, die erst in konkreten Umsetzungsmöglichkeiten mündet. Sofern keine Erfahrung vorliegt, ist zunächst eine Entwicklung hin zu Prototyp, Nullserie, Dummy etc. erforderlich. Eng damit verbunden ist die Notwendigkeit zur Erprobung dieser Anwendungen. Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist eine Feasibility gegeben. • Damit technisches Wissen gewerblich umgesetzt werden kann, ist der Rückgriff auf eine entsprechende Prozesslandschaft erforderlich. Sofern diese nicht vorhanden ist, muss sie erst noch geschaffen werden. Dabei kommt es auf Kernprozesse an, aber auch auf Supportprozesse. Vielleicht erfordert das Angebot aber auch einen Ausnahmeprozess. Dabei ist zu prüfen, inwieweit diese Prozesse problemlos so eingesteuert werden können, dass der Wirkungsgrad stimmt, also die Relation von Nutzleistung zur Gesamtleistung incl. Stützleistung und Blindleistung. • Aus Gründen der Reputation und auch der Gewährleistung ist eine hoch qualitative Erbringung der angebotenen Leistung unerlässlich. Regelmäßig ist eine Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001 als Präqualifikation unverzichtbar. Tatsächlich ist aber ein weitaus höheres Qualitätsniveau branchenweit Industriestandard („Six sigma“). Fehlleistungen müssen auf diesem Niveau sicher ausgeschlossen werden können. • Wenn ein Auftrag nicht allein durchgeführt werden kann, bedeutet das nicht, dass ein Angebot unterbleiben müsste. Vielmehr können projektbezogene An-

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bietergemeinschaften gebildet werden, die einander ergänzende Leistungen darstellen oder durch gleiche Leistungen einen Kapazitätserweiterungseffekt schaffen. Diese Gemeinschaften können auch mehrstufig in der Wertschöpfung angelegt sein. Zu denken ist an Konsortien horizontal mit Außenwirkung angelegt, Arbeitsgemeinschaften vertikal mit Außenwirkung, Partizipationen vertikal nur mit Innenwirkung angelegt oder Interessengemeinschaften horizontal nur mit Innenwirkung. • Die Durchführung von Projekten erfordert eine geeignete Aufbauorganisation im Unternehmen. Fraglich ist, ob Mitarbeiter für dieses Projekt von ihren regulären Tätigkeiten freigestellt werden als reine Projektorganisation oder zeitanteilig an einem Projekt arbeiten. Zu entscheiden ist auch die Zusammensetzung eines solchen Projektteams (cross-functional). Zudem ist eine Leitung zu bestimmen, Ressourcen sind bereitzustellen und Timings einzuhalten. Ob dies im Einzelfall zu leisten ist, muss vorab realistisch geprüft werden. Bei der Erstellung von Angeboten ist entscheidend, dass das Zeitfenster zur Erstellung der angefragten Leistung mit dem der Ressourcenverfügbarkeit im Unternehmen oder durch Outsourcing übereinstimmt. Dabei sind zwei Situationen zu unterscheiden: • Bei Kapazitätsunterauslastung entstehen ungedeckte Fixkosten als Leerkosten aus nicht ausgelasteten Kapazitäten. Es ist daher unbedingt angezeigt, Angebote zu erarbeiten, um dieser misslichen Situation abzuhelfen. Die Leerkosten belasten, da Fixkosten nicht oder nur ungenügend kurzfristig abbaubar sind, die Gewinn- und Liquiditätssituation. Insofern lohnt auch ein großer Aufwand bei der Erstellung von Angeboten, denn eine nicht bearbeitete Anfrage hat automatisch eine Zuschlagswahrscheinlichkeit von Null, jede bearbeitete Anfrage aber eine solche von mehr oder minder deutlich > 0. • Bei Kapazitätsüberauslastung ergibt sich die komfortable Situation, im Zweifel auf die Angebotserstellung verzichten zu können, weil die Auftragslage auch so mehr als ausreichend ist. Dennoch lohnt auch hier eine Angebotserstellung, sei es, um Kapazitäten auch mittelfristig auszulasten, sei es, um margenschwächere Aufträge durch margenstärkere zu substituieren, oder sei es, um daraus resultierende Aufträge durch Outside resourcing erledigen zu lassen. Allerdings ist hier eine Begrenzung des Angebotsaufwands eher nachvollziehbar. Im Grunde ist die Angebotserstellung daher wie eine Investitionsentscheidung zu betrachten. Man muss vorab einen Ressourcenumfang bestimmen, den man für die Auftragsgewinnung einsetzen will. Alle Investitionen bis zu diesem Limit sind gerechtfertigt. Aber ohne Investition zu Aufträgen zu kommen, ist ein Luxus, den sich heute kaum mehr ein Unternehmen leisten kann. Dieses Limit ermittelt sich im Wesentlichen aus dem Produkt von zwei Größen. Dem Zeitaufwand zur Angebotserstellung und der Zuschlagswahrscheinlichkeit. Der Zeitaufwand kann durch Zeitaufschreibungen mit gewichteten Stundensätzen

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je Arbeitsplatz in der Administration quantifiziert werden. Das Mengen- bzw. das daraus abgeleitete Wertgerüst ergibt die Investitionshöhe. Die Zuschlagswahrscheinlichkeit ist von der Spezifität der eigenen Leistung für die angefragte Konstellation sowie von der Anzahl und Qualität der, bekannten oder vermuteten, Mitbewerber bzw. dem wichtigsten Mitbewerber abhängig. Je spezifischer die Leistung, desto eher kann eine monopolistische Situation erreicht werden, je standardisierter die Leistung, desto eher ist mit vielen und fähigen Konkurrenzanbietern zu rechnen.

6.1.5 Kalkulation der Angebotsbestandteile Für den Ressourcenaufwand entscheidend ist auch, welcher Grad an Verbindlichkeit dem Angebot zugrunde liegt. Eine informelle Anfrage ist grundsätzlich unverbindlich. Sie wird als Kontaktanfrage (auch Request for information / ​RFI) zur Sondierung mit einem freibleibenden Angebot beantwortet oder als informelle Richtanfrage (auch Request for quotation / ​RFQ) mit einem Spannenangebot. Ersteres kann jederzeit zurückgezogen und muss auch nicht durch ein neues ersetzt werden. Letzteres gibt eine Preisspanne für eine gegebene Leistung vor, die ausgeschöpft, jedoch nach oben nicht verlassen werden darf. Kontakt- und Richtangebote sind wegen ihres unverbindlichen Charakters ressourcenschonend zu erstellen, aber wenig effektiv. Wird ein verbindliches Angebot gefordert, handelt es sich um ein Festangebot. Dieses bleibt nach Abgabe für eine angemessene Frist gültig und kann währenddessen auch nicht zurückgezogen oder korrigiert werden, außer bei Irrtum in einer verkehrswesentlichen Eigenschaft. Deshalb will die Abgabe eines Festangebots durchaus gründlicher überlegt sein. Ein noch höherer Grad der Formalisierung ist bei Ausschreibung gegeben. Dabei handelt es sich um eine Form der Marktveranstaltung, bei der Bieter aufgefordert werden, ein Angebot unter definierten Bedingungen abzugeben (auch Request for proposal / ​RFP). Dabei kommt ein Vertrag allein durch Annahme zustande, was voraussetzt, dass alle kontraktrelevanten Details vorab geklärt sind. Eine Pflicht zur Annahme besteht nicht. Seit Jahren versuchen Anbieter, sich den Ressourcenaufwand zur Angebotserstellung von potenziellen Abnehmern zumindest symbolisch entgelten zu lassen. Dies hat jedoch praktisch einen Marktsperrungseffekt zur Folge, d. h., solange Abnehmer kostenlose Angebote am Markt erhalten können, ist für sie nicht einsichtig, warum sie Angebote bezahlen sollten. Auch Regelungen wie die Verrechnung einer Angebotsgebühr bei späterer Auftragserteilung vermögen hier keine Änderung im Verhalten zu bewirken. Teilweise müssen Angebote mit Selbstbindungszusagen als Garantien unterlegt werden (u. a.). Damit verhindern nachfragemächtige Abnehmer, dass sich Anbieter

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melden, die im Zweifel bei Auftragserteilung zur Ausführung dieses Auftrags nicht ordnungsgemäß in der Lage wären. Dies engt naturgemäß den Kreis potenzieller Lieferanten ein, spiegelbildlich steigt aber mutmaßlich die Qualität der Angebote. Dagegen stehen mögliche Sicherungen des Verkäufers, z. B. als Anzahlungsgarantie mit Rückgewährung bei Auftragsstorno, Schlusszahlungsgarantie ohne Rückbehalt einer Sicherungsleistung bei Abnahme oder Transfergarantie, keine Konvertierungsprobleme in Fremdwährung, sofern diese in einem Käufermarkt durchsetzbar sind. Für die Kalkulation selbst können verschiedene Verfahren herangezogen werden: • Progressive Verfahren rechnen von den einzelnen Kostenbestandteilen unter Aufschlag einer Gewinnmarge auf den Angebotspreis. Dabei können sowohl Einzel- als auch Gemeinkosten als Zuschlagskalkulation / ​Markup einbezogen werden oder nur pagatorische Teile der Kosten bis zum liquiditätswirksamen Break even. • Retrograde Verfahren rechnen vom für erzielbar gehaltenen Angebotspreis auf die einzelnen Kostenbestandteile zurück. Dabei können alle Kosten und ein fester Gewinnaufschlag eingerechnet werden als Zielkostenrechnung oder nur die variablen Anteile der Kosten mit einem Residualgewinn als Deckungsbeitragsrechnung. • Heuristische Verfahren beruhen auf Erfahrungswerten. Denkbar ist etwa die Kilokostenmethode auf Basis des Gewichts des angebotenen Gutes multipliziert mit dessen Kosten je Kilo, die Schätzung aus Vergangenheitswerten zumindest zur Grobprojektierung oder die Auswertung vergangener Kosten mit Hilfe einer Regressionsgleichung als Einflussgrößenkalkulation. Diese Verfahren entbehren jedoch einer belastbaren Basis. • Sonstige Verfahren setzen spezifische Auslegungen der Kostenrechnung voraus, so als Prozesskostenrechnung (Activity based costing) z. B. bei Dienstleistungen, als Lebenszykluskostenrechnung inkludierend Anschaffungs-, Unterhaltungs-, Entsorgungsaufwand, als Deckungsbeitragsrechnung mit relativen Einzelkosten, als Zielkostenrechnung etc.

6.1.6 Durchführung der Angebotserstellung Die eigentliche Durchführung der Angebotserstellung hängt vom Standardisierungsgrad der Anfrageobjekte und den Anfragebestandteilen ab. Bei standardisierten Anfrageobjekten wie Hilfs- und Betriebsstoffen, C-Produkten, indirekten Produkten, Ersatzteilen etc., kann ein Katalogangebot erstellt werden. Das heißt, die Leistungsbestandteile sind weitgehend normiert und dementsprechend auch die Preise. Die Abgabe eines Katalogangebots legt jedoch nahe, dass bei commoditisierten Leistungen und handelsüblichen Konditionen letztlich nur der absolut

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niedrigste Preis zieht. Daher ist bei der lieblosen Abgabe von Standardangeboten Vorsicht geboten. Es sollte vielmehr immer überlegt werden, wie eine positive Differenzierung zum Mitbewerb erreicht werden kann, es sei denn, man ist ausnahmsweise sicher, der billigste Anbieter zu sein. Eine solche Differenzierung kann auf vielerlei Art erreicht werden. Dazu einige Beispiele: • Das beschaffte Produkt selbst ist selten schon die Problemlösung für den potenziellen Kunden, diese entsteht vielmehr erst aus dem Angebot von begleitenden Dienstleistungen. Dadurch kann ein Konkurrenzvorsprung erreicht werden. • Häufig stellt das angefragte Produkt infolge mangelnder Kenntnis des Anfragenden gar nicht die optimale Problemlösung dar, sondern ein anderes eigenes Produkt ist dazu weitaus besser in der Lage. Dann muss neben diesem auch ein alternatives, aus Sicht des Anbietenden besser geeignetes Produkt offeriert werden. Auf das Angebot des gewünschten Produkts kann meist nicht verzichtet werden, ohne damit zu riskieren, auf dem Anbieter-Set heraus zu fallen. • Beim Angebot von Zeit- und / ​oder Raumvorteilen wird versucht, eine Präferenz aus einer schnelleren Verfügbarkeit der angefragten Leistung oder deren besserer räumlicher Erreichbarkeit zu schaffen. Logistik ist ein wesentlicher Konkurrenzparameter und Zeit- und Raumvorteile sind gewichtige Wettbewerbsvorteile für potenzielle Kunden, die diesen unmittelbar einleuchten. • Häufig sind angefragte Leistungen nicht Stand-alone einsatzfähig, sondern bedürfen der oder erfordern die Integration in ein vorhandenes System. Dann wird auch ein leistungsunterlegenes Angebot akzeptiert, wenn dadurch die Investitionen in das System infolge Lock-in rationalisiert werden können. Dazu ist allerdings die Kenntnis der implementierten Systeme beim potenziellen Kunden erforderlich, bei aktuellen Kunden sollte sie ohnedies vorhanden sein. Bei individuellen Anfrageobjekten entsteht ein hoher Rüstaufwand zur Angebotserstellung. Hilfreich sind hier Angebotsbaukästen, die aus standardisierten Angebotselementen bestehen, die miteinander individuell kombiniert werden können. Zumeist werden solche Baukästen computergestützt geführt. Dabei kann ein Angebot nach drei Prinzipien konfiguriert werden: • Beim Modulsystem gibt es eine Vielzahl von Einzelbausteinen für die Detailgrößen eines Angebots. Die Schnittstellen zwischen diesen Modulen sind standardisiert oder werden zumindest vorab auf Kompatibilität hin geprüft. Für jede Konfiguration sind die Ressourcen- und Preiskonsequenzen ablesbar, ebenso wie Zeit- und Raumrestriktionen. Dadurch können auch komplexe Angebotsmerkmale bewältigt werden. • Beim Plattformsystem ist eine Standardbasis als Ausgangskonfiguration gegeben. Ausgehend davon können dann spezifische Bausteine hinzuaddiert werden, um einer geforderten individuellen Auslegung zu entsprechen. Durch die Platt-

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form wird die Anzahl möglicher Kombinationen limitiert und damit die Komplexität gesenkt. Auch ist die Ausführung der Leistungserstellung rationeller möglich. • Beim Postponement-System wird von einer Standardkonfiguration ausgegangen, die dann durch Weglassen, Ersetzen oder Verändern von Bausteinen erst individualisiert wird. Die Anpassungsmöglichkeit ist dabei jedoch begrenzt, dafür wird die Angebotserstellung vereinfacht. Der Rationalisierungseffekt ist umso höher, je weniger Veränderungen vorgenommen werden, gleichzeitig ist das Ergebnis dann aber auch nicht mehr unbedingt individuell. Die Durchführung kann durch einen Angebotskonfigurator unterstützt werden, dieser enthält eine Kunden-/Interessentendatenbank, einen elektronischen Produktkatalog, eine Know-how-Datenbank, eine Zeichnungsdatenbank, die Bedarfserhebung etc. Daraus folgen neben Preisfindung / ​Kalkulation auch unverzichtbare Elemente wie Finanzierungsangebote, Folgekostenabschätzungen, Angebotsdokumentationen, Angebotsverfolgungen etc. Das eigentliche Angebot besteht im Wesentlichen aus drei Teilen: Teil 1 ist das Anschreiben, Teil 2 der Kernteil des Angebots und Teil 3 die Anlagen. Zum Anschreiben gehören wiederum mehrere Elemente: • die genauen Adressdaten des Angebotsempfängers, • die persönliche Ansprache des Adressaten, • die genaue Bezeichnung des Projekts mit Projektnummer, • differenzierte Bezugsangaben zur Zuordnung, • Charakteristika der Anfrage und Beschreibung der Problemstellung, • Aussagen zur eigenen Kompetenz / ​Reputation, • Aussagen zur Motivation der Auftragsdurchführung, • Hinweis auf die Kontaktaufnahme („Wiedervorlage“), • Erweiterungen (wie Zusatzangebote zum Lastenheft). Der Kernteil besteht dann aus folgenden Inhalten: • einzelne Angebotspositionen nach Menge, Material, Ausführung, Art, Güte, Beschaffenheit etc., • Darstellung der technischen Lösung als Pflichtenkatalog, • Angebot begleitender Dienstleistungen, • Begriffsdefinitionen und Spezifikationen z. B. gemäß DIN, häufig auch nach einzuhaltenden Standards wie Handelsklassen, Typen, Waren- und Gütezeichen, Warenherkunft als Provenienz, Warenalter, Warenzusammensetzung etc.,

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• Erfüllungsort, gesetzlich ist der Geschäftssitz des Schuldners Erfüllungsort, also für die Warenlieferung der Ort des Verkäufers (Warenschulden sind Holschulden), für die Kaufpreiszahlung der Ort des Käufers (Geldschulden sind Bringschulden), vertraglich kann davon abgewichen werden, indem der Sitz des Verkäufers, der Sitz des Käufers oder ein dritter Ort für beide Vertragspartner als Erfüllungsort bestimmt wird, außer die Übergabe ist ihrer Natur nach nur am Ort des Käufer oder des Verkäufers möglich, z. B. bei Dienstleistungen, • Gerichtsstand, dies ist der Ort, an dem bei Leistungsstörungen sich ergebende Streitigkeiten ausgetragen werden, gesetzlich ist dies immer der Geschäftssitz des Schuldners, also für die Warenschuld der Ort des Verkäufers, für die Geldschuld der Ort des Käufers, vertraglich kann Abweichendes vereinbart werden, • Preis pro Einheit, nach gesetzlichen Maßeinheiten, Stückzahlen, handelsüblicher Mengenbezeichnung, Währung zur Abrechnung, Währungsbasis, Nebenkostenabrechnung, • Lieferzeit, nach Gesetz ist unverzüglich zu liefern, außer beim Terminkauf mit fixiertem Datum, beim Fristkauf innerhalb einer definierten Zeitspanne oder beim Abrufkauf innerhalb einer Frist nach Mitteilung, bei langlaufenden Projekten auch mit Hilfe von Milestones, Teillieferungen etc., • Eigentums- und Gefahrenübergang mit Lieferungsbedingungen, Zahlungsbedingungen, Verzug, Abnahme mit Abnahmeerklärung, -protokoll, Teilabnahmen, • Nebenleistungen wie Verpackung, Verzollung, Versicherung, Transportart etc., bei Anlagen Inbetriebnahme, Probebetrieb, Leistungsnachweis, schlüsselfertige Übergabe etc., • anzuwendendes Recht, Regelung bei Vertragsstörungen, Schiedsgerichtsklausel, Salvatorische Klausel, Vertragssprache, • Finanzierungskonzept oder -vorschläge, • Ergänzungen wie After sales service, Cross selling, Garantie etc. Die Anlagen enthalten meist folgende Punkte: • Angebotszeichnungen (CAD), • technische Spezifikationen, Konstruktionszeichnungen, Muster / ​Entwurf, • Abbildungen / ​Skizzen, • Prospekte, Warenproben, • Referenzliste (Referenzen können sich dabei auf Projekte, Produkte, Prozessintegration, Koalitionen, Know-how etc. beziehen), • Wirtschaftlichkeitsberechnung.

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6.1.7 Preisspezifikation Ausgangspunkt jeder Angebotserstellung ist normalerweise das in der Anfrage vorgegebene Lastenheft. Es definiert, welche Leistungsmerkmale eine angefragte Leistung haben muss. Aufbauend daraus definiert der Pflichtenkatalog, wie diese Leistung technisch zustande kommen soll. Der Sinn von Lastenheft und Pflichtenkatalog liegt in der späteren unmittelbaren Vergleichbarkeit der Angebote durch den Anfragenden. Bei einer freien Anfrage wird jeder Anbieter eine andere Ausführung vorschlagen. Dabei entstehen zwei Probleme. Erstens ist es Aufgabe des Anfragenden, herauszufinden, welche Problemlösung jeweils am besten geeignet ist, und zweitens sind die daraus folgenden Angebote untereinander nicht vergleichbar, sondern bedürfen zunächst einer Umrechnung, meist mit Hilfe der Nutzwertanalyse. Diesen Aufwand kann man sich als Anfrager ersparen, indem man sich vorher auf eine gewünschte Lösung festlegt, ggf. unter Hinzuziehung von Beratern / ​Projektentwicklern / ​Engineering-Unternehmen o. Ä., und auch angibt, wie diese Lösung im Einzelnen zustande kommen soll. Problematisch ist dabei der Aspekt der Kernkompetenz zu beurteilen. Denn diese besagt vereinfacht, dass alles, was ein Unternehmen besser kann als andere, von ihm nicht zugekauft, sondern selbsterstellt werden muss, und alles, was andere besser können als das eigene Unternehmen, zugekauft werden muss, und zwar bei diesen Kernkompetenzhaltern. Wenn das anfragende Unternehmen aber nunmehr im Pflichtenkatalog vorgibt, wie genau eine Lösung zustande kommen soll, dann bedeutet das in der Konsequenz, dass die Kernkompetenz eines Lieferanten ausgeschlagen wird und derjenige, der sich weniger gut mit einer Materie auskennt, demjenigen, der sich besser damit auskennt, vorgibt, wie zu verfahren ist. Das aber führt zu konkreten Wettbewerbsnachteilen. Daher wird häufig nur das Lastenheft in der Anfrage vorgegeben, also das, was die zu beauftragende Leistung können muss. Wie diese Leistung dann im Einzelnen zustande kommt, ist Bestandteil des Angebots und wird den anbietenden Unternehmen freigelassen. Auf diese Weise können diese ihre Kernkompetenz einbringen und schaffen einen Vorsprung durch niedrige Fertigungstiefe beim Abnehmer. Für Anbieter stellt sich dabei jedoch die Frage, wie sie ihr Kernkompetenz-Know-how dann noch wirksam schützen können, denn denkbar ist, dass die Ergebnisse des Pflichtenkatalogs in einer Anfrage an andere potenzielle Lieferanten weitergegeben werden, von denen ein Nachfrager sich ein niedrigeres Preisniveau verspricht. Abgesehen von qualitativen Dimensionen wie Vertrauen und Reputation helfen hier Lebenszeitverträge, z. B. also Dauerschuldverhältnisse in der Beschaffung für eine komplette Modellgenerationsdauer. Hierzu gehören auch die Konditionen, Lieferungs- und Zahlungsbedingungen, die wesentlichen Ertragseinfluss haben. Rabatte sind als Funktions-, Mengen- oder Zeitrabatte ausgelegt. Lieferungsbedingungen geben national und international den

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Kosten- und Gefahrenübergang zwischen Lieferant und Abnehmer an. Zahlungsbedingungen zeigen auf der Zeitachse den Austausch von Waren- und Geldleistungen an. Dabei sind drei Formen denkbar und auch üblich. Beim Sukzessivgeschäft fallen Lieferung und Zahlung zeitlich auseinander. Erfolgt die Lieferung zeitlich nach der Zahlung, handelt es sich um ein Pränume­ randogeschäft. Eine solche Vorauszahlung ist zweifellos seltener anzutreffen (außer im Internet) als das Zielverkaufsgeschäft, aber da es sich bei der Vorauszahlung auch um einen Teilbetrag der Kaufsumme handeln kann, fällt z. B. jeder Verkauf gegen Anzahlung darunter. Beim Geld vor Ware-Prinzip sind folgende Möglichkeiten denkbar: • Vorauszahlung (Cash before delivery), d. h., der Käufer zahlt bei Auftragserteilung oder zu einem festgesetzten Zeitpunkt vor Lieferung den vollen Kaufpreis, • Anzahlung (Down payment), d. h., der Käufer zahlt bei Auftragserteilung oder zum festgesetzten Zeitpunkt vor Lieferung einen Teil des Kaufpreises, • Zahlung gegen (offene) Rechnung (Clean payment), d. h., der Käufer zahlt gegen Vorlage der Rechnung netto Kasse, • Zahlung gegen Lieferschein, d. h., der Käufer zahlt gegen Vorlage des Lieferscheins (losgelöst von der Ware), • Zahlung gegen Verladepapiere, d. h., der Käufer zahlt gegen Übergabe der Do­ kumente, • Zahlung per Nachnahme (Cash on delivery), d. h., Aushändigung der Ware an den Empfänger gegen Zahlung des Rechnungsbetrags. Erfolgt die Lieferung zeitlich vor der Zahlung, handelt es sich um ein Valuta­ geschäft (= Zielverkauf). Die Valuta gibt an, welcher Zeitraum bis zur Zahlung maximal vergehen darf. Ein Zwischenabnehmer hat damit bei Vorauslieferung durch Hersteller die Chance, zumindest einen Teil der eingekauften Ware schon wieder verkauft zu haben und dadurch den Rechnungsbetrag nicht voll vorzu­ finanzieren. Insofern stellt der Valutaverkauf einen Warenkredit des Lieferanten dar. Der Abnehmer hat aber die Möglichkeit, diese Valuta nicht in Anspruch zu nehmen und dafür den Rechnungsbetrag bei vorzeitiger Zahlung um Skonto zu kürzen. Da die Skontoersparnis, bezogen auf die skontierte Laufzeit, weit höher liegt als jeder Kreditzins, führt dies per Saldo zu einer Kaufpreisermäßigung. So entsprechen 2 % Skonto auf vier Wochen einem Bankzinssatz von über 26 % p. a. Beim Ware vor Geld-Prinzip sind folgende Möglichkeiten gegeben: • Zahlung nach Erhalt der Ware, d. h., die Waren- erfolgt zeitlich vor der Geldübergabe, aber ohne Zahlungsziel, • Zahlung für Ziel, d. h., als offener Buchkredit ohne Rechnungsdatum mit periodischer Sammelabrechnung,

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• Zahlung auf Ziel, d. h., als zeitlich fixierter Lieferantenkredit (wobei frühzeitige Zahlung zum Skontoabzug berechtigt). Beim Rechnungsgeschäft (Zug um Zug) werden Ware und Geld zeitgleich ausgetauscht. Der Verkäufer dient dabei die Ware an, der Käufer nimmt diese Ware ab. Der Käufer dient den Kaufpreis an, den der Verkäufer annimmt. Damit ist der Kaufvertrag zustande gekommen. Dies kann ausnahmsweise auch stillschweigend oder durch konkludentes Handeln erfolgen. Dabei sind im Einzelnen folgende Möglichkeiten denkbar: • Zahlung gegen Frachtbrief-Duplikat, d. h., Zahlung mit Anspruch auf Herausgabe der Lieferung vom Spediteur auf Grund einer Zweitschrift des Frachtbriefs, • Kassa gegen Dokumente, d. h., Aushändigung der Dokumente an den Käufer gegen Zahlung des Kaufpreises, die Dokumente variieren dabei je nach Lieferungsbedingungen, Versandart und Landesvorschriften, z. B. Zollfaktura bzw. Konsulatsfaktura, Versicherungsnachweis, Ursprungszeugnis, • Dokumente gegen Akkreditiv, d. h., Übergabe der Dokumente an den Käufer gegen Sicherstellung des Kaufpreises durch Eröffnung eines Akkreditivs zugunsten des Verkäufers bei einer Bank, die den Kaufpreis an den Verkäufer bzw. dessen Bank erst gegen Übergabe entsprechender Dokumente auszahlt, • Dokumente gegen Akzept, d. h., Aushändigung der Dokumente an den Käufer gegen Akzeptierung eines Wechsels als sichergestellter Kredit. Es kann aber auch eine Zahlung nur teilweise oder gar nicht in Geldform erfolgen, sondern ein Austausch Ware gegen Ware als Kompensationsgeschäft vorgenommen werden. Dabei sind sowohl die Inzahlungnahme von Gebrauchtware und deren Anrechnung auf den Kaufpreis, also ein kombiniertes Gebrauchtwareneintausch- und Geldgeschäft, als auch ein direkter oder indirekter Naturaltausch in Waren denkbar. Bei der Inzahlungnahme wird angeboten, nur einen Teil der Gegenleistung durch Zahlungsmittel zu leisten und einen weiteren durch Hingabe einer gebrauchten Ware, die der Anbieter selber nutzen oder weiterveräußern kann. Dadurch wird die Kaufkraft des Abnehmers gestärkt. Beim Naturaltausch wird angeboten, Ware unter völligem oder teilweisem Ersatz von Geld zu verkaufen, indem nach Arten, Qualitäten, Mengen und Lieferpunkten genau ausspezifizierte gegenseitige Warenlieferungen vereinbart werden. Ein Verkauf ist also davon abhängig, dass umgekehrt vom Abnehmer Güter oder Dienste gekauft oder für weitere Abnehmer vermittelt werden. Dabei sind vielfältige, kreative Ausgestaltungen möglich. Diese erlauben Angebote auch an Abnehmer, die in ihrem Land Devisenbeschränkungen unterliegen (z. B. Dritte Welt), die über keine Geld-, wohl aber Warenvorräte verfügen oder deren Währung nicht frei konvertierbar ist. Zudem kann daraus ein konkreter Angebotsvorteil erreicht werden.

6.1 Angebotsmanagement

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6.1.8 Risikoabdeckung der Gegenleistung Für den häufigen Fall der Einräumung eines Zahlungsziels ist für das Angebot zu berücksichtigen, wie die dabei involvierten Risiken abzudecken sind. Das Gesamtrisiko besteht im Einzelnen aus fünf Teilrisiken: • Unter Fabrikationsrisiko versteht man das Risiko, dass eine erstellte Leistung vom Nachfrager nicht wie vereinbart abgenommen wird. Dieses Risiko liegt umso höher, je spezifischer die infrage stehende Leistung ist. Denn dies limitiert anderweitige Verwertungsmöglichkeiten. Leistungen hoher Spezifität sind anderweitig kaum angemessen zu verwerten, sie führen im Zweifel zu einem Totalverlust. Leistungen hoher Standardisierung sind hingegen leichter vermarktbar, jedoch entstehen womöglich Kosten für Rücktransport, Umladung und Zwischenlagerung. Diese können, je nach Lage der Dinge, nennenswerte Beträge ausmachen. Absicherungen erfolgen hier u. a. durch Hermes-Deckung, unwiderrufliches bestätigtes Akkreditiv oder Forderung einer Anzahlung. • Unter Zahlungsausfallrisiko versteht man das Risiko, das daraus resultiert, dass der Abnehmer die angediente Leistung zwar abnimmt, nicht aber bezahlt. Hier besteht immer die Möglichkeit der Zahlungsklage, ggf. nach vorherigen, aber nicht zwingend erforderlichen Mahnungen. Probleme entstehen jedoch aus teilweise unzumutbar langen Prozessverfahrenszeiten mit letztlich ungewissem Ausgang sowie im Ausland aus als unsicher erachteter Gerichtsbarkeit. Zudem kann der Abnehmer zwischen Abnahme und Zahlungsfälligkeit insolvent geworden sein oder das Unternehmen ist aufgelöst, aufgekauft oder umfirmiert worden, so dass die Durchsetzung der Forderung erschwert wird. Absicherungen erfolgen hier u. a. durch Zahlungsgarantie der Bestellerbank, Wechselziehung oder Forfaitierung. • Das Wechselkursrisiko ergibt sich bei Abrechnung in Fremdwährung des Ziellandes oder eines Drittlandes, wenn die Kursparitäten zwischen der Inlands- und der Auslandswährung sich verschlechtern. Dies ist vor allem bei lang laufenden Projekten in Weichwährungsländern problematisch. Denkbar ist die Einrechnung solcher Paritätenverschiebungen im Angebotspreis (Festpreiseinschluss). Dies verteuert aber das Angebot optisch und verringert dementsprechend die Zuschlagschancen. Oder die Angebotsabgabe erfolgt unter Vorbehalt, d. h., im Falle der Paritätsverschlechterung kann der Angebotspreis auf das aktuelle Niveau angehoben werden. Dies verlagert das Kursrisiko jedoch einseitig auf den Abnehmer und ist deshalb kaum durchsetzbar. Oder es wird eine Kursgleitung vereinbart, d. h., der Angebotspreis passt sich den Paritätsverschiebungen ganz oder teilweise an. Als Preisgleitklauseln können ebenso Veränderungen in den Kosten der Einsatzfaktoren (Material / ​Lohn) bei Wertschöpfung vor Ort berücksichtigt werden. Auch dies ist schwierig durchsetzbar. Absicherungen erfolgen hier u. a. durch Devisentermin-/-optionsgeschäfte oder Fremdwährungs­ kredite

370

6. Die kaufmännische Auftragsbearbeitung

• Bei Zinsänderungsrisiko kann ein Zinsswap-Geschäft abgeschlossen werden. Dabei vereinbart ein Lieferant einen Bestellerkredit mit der Bank zu einen variablen Zinssatz. Um sich gegen Zinsschwankungen abzusichern, schließt er gleichzeitig einen Vertrag mit einem Drittunternehmen über denselben Darlehensbetrag ab, aber auf fester Zinsbasis. Der Lieferant zahlt dann die festen Zinsen an das Drittunternehmen und erhält dafür von diesem die variablen Zinsen, mit denen wiederum die Bankzinsen bezahlt werden. Somit ist ein Schutz gegen steigendes Zinsniveau gegeben, andererseits entstehen bei fallenden Zinsen Opportunitätskosten. Dafür ist aber eine feste Kalkulationsbasis gegeben. • Kurssicherungen können durch Termin- (oder spekulativ, aber hier nicht relevant, durch Options-)geschäfte an Waren- oder Devisenbörsen realisiert werden. Basis dafür sind unvorhersehbare Preisschwankungen an Geld- und Warenmärkten. Um eine feste Kalkulationsbasis zu erhalten, werden diese zu einem festgelegten Preis von heute für die Zukunft ge- oder verkauft. Steigt der Kurs / ​ Preis während dieser Zeit beim Verkauf, entsteht zwar ein Verlust maximal in Höhe der Einschusszahlung (meist 10 %), dafür ist aber eine sichere Planung erreicht. Sinkt der Kurs / ​Preis währenddessen beim Verkauf, kann zusätzlich ein Arbitragegewinn eingestrichen werden, da der höhere Terminpreis realisiert werden kann. Beim Kauf verhält es sich genau entgegengesetzt. Bei Geschäftsabschlüssen außerhalb des EU-Raums oder solchen in einer Drittwährung stellt sich die Frage der Hinnahme solcher Risiken in der Hoffnung, dass man davon schon nicht betroffen sein wird oder des bewussten Managements solcher Risiken. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten: • Risikovermeidung bedeutet die Unterlassung risikobehafteter Aktivitäten, also z. B. von Geschäftsabschlüssen in Auslands- oder Drittwährung wegen Wechselkursrisiken. • Risikoüberwälzung bedeutet die Abtretung des Risikos an Versicherungen als Haftungsgemeinschaften gegen Prämienzahlung. • Risikoteilung bedeutet eine Partitionierung des Risikos durch Einbezug von Partnern, allerdings werden dabei auch die Chancen geteilt. • Risikoakzeptierung bedeutet die Kompensation von Risiken innerhalb gewisser Höchstgrenzen durch Bildung entsprechender Rückstellungen. • Risikoverminderung bedeutet die limitierte Selbsttragung verbleibender Risiken durch Streuung von Aktivitäten, etwa als Diversifikation.

6.1 Angebotsmanagement

371

6.1.9 Nachlaufphase Mit der Abgabe eines Angebots ist der Akquisitionsprozess keinesfalls abgeschlossen. Im Gegenteil, bisher ist nur Aufwand aufgelaufen und erst bei Beauftragung kann diesem ein Erlös gegenüber gestellt werden. Daher ist immer eine Angebotsverfolgung (Offer screening) erforderlich. Ist schon im Vorfeld der Erstellung eines Angebots der Kontakt zu Mitarbeitern des anfragenden Unternehmens gesucht worden, sind Ansprechpartner dort bereits bekannt. Meist aber wird dieser Kontakt vom Anfragenden ausdrücklich nicht gewünscht. Dann bietet nunmehr das abgegebene Angebot einen guten Anlass zur Kontaktaufnahme. Dies gilt vor allem, wenn innerhalb avisierter Fristen keine Rückmeldung dazu erfolgt ist, z. B. Empfangsbestätigung, Detailnachfrage, Zwischenstatus etc. Dabei können wichtige Unklarheiten im Angebot, Missverständlichkeiten in der Formulierung oder auch fehlende, relevante Angebotselemente geheilt werden, die anderweitig vielleicht zum Ausschluss von der Beauftragung geführt hätten. Nicht alle Nachfrager machen sich die Mühe, solche Unzulänglichkeiten selbst zu recherchieren, erst recht, wenn es anderweitige Präferenzen hinsichtlich des Zuschlags gibt. Bei wichtigen Anfragen erfolgt die Beauftragung meist nicht aufgrund der bloßen Aktenlage, sondern es wird eine persönliche Vorstellung erwartet. Eine Einladung zu dieser ist bereits ein gutes Zeichen, denn es dürfen im Regelfall nur solche Anbieter vortragen, deren Angebot ernsthaft in Betracht gezogen wird. Ziel dieser Nachverhandlungen ist erstens die Klärung offener Punkte zur Vervollständigung des Eindrucks, zweitens und vor allem aber auch die Drückung des Angebotspreises. Für diesen Fall ist eine Preisverteidigung unbedingt erforderlich. Guidelines dafür sind inhaltlich vor allem folgende: • Es kommt nicht auf die absolute Preishöhe an, sondern immer nur auf das PreisLeistungs-Verhältnis. Ein höherer Preis ist allemal gerechtfertigt, wenn dem eine höhere Leistung gegenüber steht. Konkurrenzangebote mit niedrigerem Preis sind nur legitim, wenn diese ein vergleichbares Leistungsniveau repräsentieren. • Eine Preisminderung ist nur bei Gegenleistung des Partners akzeptabel (Do ut des). Ein Entgegenkommen kann nicht einseitig sein, sondern wenn auf eine Win-win-Situation abgezielt wird, und nur ein gegenseitiger Nutzen ist ein dauerhafter Nutzen, müssen beide Seiten einander entgegenkommen. Denkbar sind das Abstrippen der Leistung um nicht obligatorische Elemente sowie Änderun­ gen in Funktionsübernahme, Mengenabnahme oder Zeitraster seitens des Auftraggebers etc. • Es ist ein transparentes Preis- und Konditionensystem einzuhalten, d. h. ergebnisorientiert, adaptierbar, logisch-nachvollziehbar. Nur dann kann glaubhaft darauf verwiesen werden, dass Preise und Konditionen sachgeleitet und seriös er-

372

6. Die kaufmännische Auftragsbearbeitung

mittelt worden sind und damit nicht Gegenstand beliebiger Diskussionen sein können. Am Ende jeder Angebotserstellung steht die Erfolgsauswertung und -ableitung. Dabei sind die entscheidenden Faktoren zu identifizieren, die zu einem Auftrag geführt haben. Diese gilt es zukünftig zu verstärken. Denn Erfolgstreiber aus einer Anfrage erhöhen die Zuschlagswahrscheinlichkeit auch bei anderen, nachfolgenden Anfragen. Vor allem ist ein Nachhaken aber bei solchen Angeboten ein „Must“, die nicht zum Erfolg geführt haben. Hier geht es darum, möglichst authentisch zu erfahren, welche Gründe für die Ablehnung ausschlaggebend waren. Erstens ist es für eine Nachbesserung nicht zu spät, solange der Auftrag noch nicht anderweitig vergeben worden ist. Und zweitens muss man aus Ablehnungsgründen für das nächste Angebot lernen. Ansonsten perpetuieren die immer gleichen Fehler und führen zu Misserfolgen.

6.2 Absatzfinanzierung Die Absatzfinanzierung umfasst alle Maßnahmen zur Absatzförderung durch Einräumung von Finanzierungsmöglichkeiten seitens des Lieferanten. Dadurch fallen im Regelfall Warenschuld und Geldschuld als Sukzessivgeschäft zeitlich auseinander. Dies erlaubt dem Kunden einen Kaufentscheid auch dann, wenn auf seiner Seite nicht genügend liquide Mittel dafür verfügbar sind oder deren Abfluss vermieden werden soll.

6.2.1 Basisformen Insofern ist es im Vertrieb erforderlich, sich geradezu zwangsläufig Gedanken über Finanzierungsinstrumente zu machen. Dabei spielen verschiedene Kriterien eine Rolle: • die Kosten der Finanzierung. Je nach gewählter Finanzierungsform entstehen dem Anbieter ganz unterschiedliche Kosten. Welche Kosten tragbar sind, hängt im Wesentlichen von der Bedeutung des Kunden und der Profitabilität des intendierten Auftrags ab, • das Risiko der Finanzierung. Jede Absatzfinanzierung birgt gegenüber einer Zug-um-Zug-Abwicklung als Simultangeschäft oder gar einem Pränumerando ein erhöhtes Risiko. Es hängt von der Risikopräferenz des Lieferunternehmens ab, welchen Risikograd es einzugehen bereit ist, • die Verfügbarkeit der Finanzierung. Nicht jede Finanzierungsform steht jederzeit zur Verfügung. Bei der Alleinfinanzierung sind entsprechende eigene Finanzmittel erforderlich, bei der Drittfinanzierung werden Banken, Near- oder

6.2 Absatzfinanzierung

373

Non-Banks eingeschaltet, bei staatlich unterstützten Finanzierungen müssen eng reglementierte Voraussetzungen erfüllt werden, • die Gestellung von Sicherheiten. Bei der Refinanzierung müssen Sicherheiten seitens des Abnehmers in der Sache oder Person gestellt werden. Je werthaltigere Sicherheiten dabei vorhanden sind, desto leichter fällt eine evtl. Finanzierung, • die Vorteilhaftigkeit der Finanzierung. Die Absatzfinanzierung soll Bedingungen für den Schuldner schaffen, die günstiger sind als eine Finanzierung, die er für sich selbst organisieren kann, denn nur dann ist sie von Anreiz für ihn. Oder auch eine Finanzierung, die für ihn selbst anderweitig nicht darstellbar ist, überhaupt erst realisieren. Die Absatzfinanzierung als Fremd-Außenfinanzierung kann im Einzelnen durch verschiedene Instrumente erfolgen. Ein Lieferantenkredit entsteht bei einem Sukzessivgeschäft, wenn also Lieferungs- und Zahlungstermine auseinander fallen, und zwar derart, dass der Lieferungstermin früher liegt und die Zahlung bis zum späteren Zahlungstermin kreditiert wird. Meist wird dabei vorgesehen, dass, falls das Zahlungsziel nicht ausgenutzt wird, ein Skontoabzug vom Rechnungs­ betrag möglich ist. Eine Verlängerung des Zahlungstermins ist vereinbar, wenn die Rechnung auf einen späteren Termin valutiert wird. Der Lieferant gewährt also ein mehr oder minder langes Zahlungsziel, die Refinanzierung des Betrags erfolgt bei seiner Hausbank durch einen Liefervertragskredit, das Kreditrisiko verbleibt beim Lieferanten. Die Ausnutzung der Skontovergütung ist immer dann sinnvoll, wenn deren Zinssatz höher ist als der Zinssatz für einen Kredit, der aufgenommen werden muss, um die vorzeitige Zahlung zu realisieren, oder als die interne Verzinsung, die anderweitig als Opportunitätskosten anfällt. Eine Nutzung der Zahlungsfrist ist hingegen sinnvoll, wenn die bezogene Ware bereits einen Zahlungseingang von Kunden ausgelöst hat, bevor die Rechnung des Lieferanten fällig ist. Dann kann der Umsatzprozess ohne Einsatz eigenen Kapitals erfolgen. Die Gewährung eines Zahlungsziels führt bei wiederholten Transaktionen so zu einem Bodensatz an dauerhaftem Kreditvolumen seitens des Lieferanten. Der Lieferant kann auch einen Bestellerkredit initiieren. Dies ist ein liefergebundener Kredit, der einem Käufer nicht vom Lieferanten, sondern von einem Kreditinstitut gewährt wird, um seine Zahlungsverpflichtung gegenüber seinem Lieferanten zu begleichen. Es handelt sich also um einen zweckgebundenen Bankkredit direkt an den Besteller, der entweder allein oder gemeinsam mit dem Lieferanten das Risiko trägt. Im besonders risikoreichen Außenhandelsgeschäft ist der Kredit durch eine Ausfuhrgewährleistung/-garantie des Staates gedeckt. Der Kredit ist also zweckgebunden, umfasst max. 85 % des Auftragswerts und gilt für Beträge > 2,5 Mio. €. Die

374

6. Die kaufmännische Auftragsbearbeitung

Rückzahlung erfolgt in Raten. Die Zinsen können variabel oder fix ausgehandelt werden. Es entstehen Gebühren und Risikoprämienkosten. Durch Absatzfinanzierung sind ein hochwertiges Produkt und eine maßgeschneiderte Finanzierung aus einer Hand verfügbar. Die Kaufentscheidung des Kunden wird erleichtert und die Anbieterposition im Preisgespräch gestärkt. Die Wirtschaftlichkeit des Produkts wird durch ein attraktives Finanzierungsangebot herausgestellt. Die Kundenbindung zum Hersteller / ​zur Geschäftsstätte wird gefestigt. Die Finanzierung kann, wenn gewünscht, ohne Bindung eigener Liquidität und ohne Belastung der Bilanz geboten werden (durch Leasing). Wenn gewünscht, ist darüber hinaus eine sofortige Erlösrealisierung mit weitgehendem Schutz vor Forderungsausfällen darstellbar (durch Factoring). Für Kunden werden Investitions- und Finanzierungsfragen bequem gemeinsam gelöst. Beim Kunden wird der Finanzierungsspielraum bei gleichzeitiger Schonung der Eigenmittel erweitert. Wenn gewünscht, kann eine niedrige effektive Belastung der Kunden durch nutzungskonforme Laufzeiten und eine Überwindung von „Kaufhemmungen“ erreicht werden. Im Zuge der Absatzfinanzierung ist zu prüfen, ob davon auszugehen ist, dass der Kunde seine vertraglich vereinbarte Kreditverpflichtung erfüllt. Als Basis dienen die rechtlichen Verhältnisse des potenziellen Kreditnehmers, seine persönlichen Verhältnisse und seine wirtschaftliche Lage. Sie werden nach den drei Cs des Schuldners beurteilt: Character (Zuverlässigkeit / ​Ruf), Capacity (laufendes Ein-

Abbildung 64: Optionen der Absatzfinanzierung

6.2 Absatzfinanzierung

375

kommen / ​Umsatz), Capital (Vermögen / ​Sicherheiten). Eine persönliche Kreditwürdigkeit ist gegeben, wenn ein Kunde aufgrund seiner persönlichen Zuverlässigkeit oder Qualifikation das Vertrauen des Anbieters genießt. Eine materielle Kreditwürdigkeit ist gegeben, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden eine Rückzahlung von ihm aufgenommener Verpflichtungen erwarten lassen. Dabei geht es letztlich um seine Kreditfähigkeit, d. h., ob er ökonomisch in der Lage ist, Kaufpreis und Zinsen zu leisten, und seine Kreditwürdigkeit, d. h., ob er persönlich geeignet ist, dies zeit- und betragsgenau zu tun. Durch die Kreditüberwachung werden diese laufend auf Verschlechterungen hin überprüft. Die Absatzfinanzierung erfolgt im Einzelnen als Alleinfinanzierung (6.2.2), als Refinanzierung (6.2.3) und als Drittfinanzierung (6.2.4) (siehe Abbildung 64: Optionen der Absatzfinanzierung).

6.2.2 Alleinfinanzierung Die Alleinfinanzierung erfolgt aus eigenen Mitteln des Lieferanten. Beim A-Geschäft erfolgt die Finanzierung ohne Einschaltung sonstiger Instrumente. Denkbar ist ein Kontokorrentkredit, d. h. die Zurverfügungstellung einer dauerhaften Kreditlinie, die Abnehmer in Anspruch nehmen können. Hierbei übernimmt der Lieferant dann Bankfunktion, die er seinerseits durch Kreditlinien finanzieren oder aus Eigenmitteln bedienen muss. Beides ist sehr teuer. Beim B-Geschäft wird ein Abschluss auf Teilzahlungsbasis vorgenommen. Denkbar ist eine Anzahlung mit nachfolgenden Raten. Diese Raten können gleichbleibend als Annuität, fortlaufend steigend wegen RoI oder fortlaufend fallend wegen sinkenden Tilgungsanteils verlaufen. Denkbar ist auch, dass die letzte Rate als „Ballon“ wegen evtl. Erlöse aus dem Veräußerungsrestwert höher ausfällt oder niedriger als Restbetrag. Denkbar ist auch eine Abschlagszahlung (à conto) nach Projektfortschritt ohne oder mit eingerechneten Zinsen. Eine Anreizwirkung entsteht nur, wenn das Zinsniveau niedriger als bei einer anderweitigen Finanzierung durch den Abnehmer ist oder die Zahlungsmodalitäten ansonsten nicht realisierbar wären. Dadurch entstehen Kosten bzw. Risiken beim Lieferanten, die gegen den Ertrag des Abschlusses gegen zu rechnen sind. Das C-Geschäft ist ein Wechselakzept, eine früher übliche, heute aber seltener anfallende Form der Absatzfinanzierung. Dabei gewährt der Lieferant als Aussteller dem Besteller als Bezogenem einen Kredit gegen Unterschrift als Akzept auf einem Wechselformular, das bis dahin eine Tratte ist. Diesen Wechsel legt der Aussteller bei Fälligkeit vor und zieht den Kreditbetrag dann ein. Die Fälligkeit des Wechsels kann auf ein bestimmtes Datum lauten als Tagwechsel, sie kann über eine bestimmte Frist laufen als Sichtwechsel oder eine bestimmte Frist nach einem Datum betreffen als Nachsichtwechsel. Der Wechsel ist ein Orderpapier, d. h., eine Übertragung ist nur durch Indossament möglich.

376

6. Die kaufmännische Auftragsbearbeitung

Der Aussteller kann mit dem Wechsel außer durch Vorlage beim Bezogenen verschieden agieren. Er kann ihn anstelle einer Zahlung an einen eigenen Gläubi­ ger weitergeben, sofern dieser damit einverstanden ist. Er kann den Wechsel an seine Bank zur Diskontierung einreichen, die diesen u. U. bei der Zentralbank rediskontieren kann. Die Bank zieht dann vom Wechselbetrag Sollzinsen, Steuern, Risikoprämie und Bearbeitungsgebühren ab und zahlt den Restbetrag an den Geldgläubiger aus. Sie präsentiert den Wechsel bei Fälligkeit beim Bezogenen, der befreiend zahlt. Wesentliches Merkmal des Wechsels ist die Wechselstrenge, die bei Zahlungsverzug des Geldschuldners nach Protest ohne weitere Rechtsschritte unmittelbar in die Zwangsvollstreckung mündet.

6.2.3 Refinanzierung 6.2.3.1 Sicherheiten in der Person Jede Absatzfinanzierung impliziert für den Lieferanten ein systemisches Risiko, das er zu vermeiden bzw. zu minimieren sucht. Dazu sind verschiedene Sicherheiten denkbar. Diese können in der Person des Schuldners oder in der Sache seines Eigentums liegen. Eine Bürgschaft bedeutet, dass sich eine dritte Person bereit erklärt, für den Fall an den Gläubiger zu leisten, dass der Schuldner nicht leistungsfähig oder -willig ist. Eine selbstschuldnerische Bürgschaft bedeutet dabei, dass der Gläubiger bei Zahlungsverzug sofort auf den Bürgen zugreifen und von ihm den vollen Schuldbetrag einfordern kann, wenn der Schuldner nicht leistet. Eine Bürgschaft unter Einrede der Vorausklage bedeutet, wenn möglich, dass der Gläubiger zunächst alle Rechtsmittel ausschöpfen muss und erst bei Uneinbringlichkeit seiner Forderung i. d. R. durch erfolglose Zwangsvollstreckung ersatzweise als Ausfallbürgschaft auf den Bürgen zugreifen kann. Bürgschaften sind sehr selten. Sie kommen nur dann in Betracht, wenn andere Sicherheiten nicht gestellt werden können oder für nicht werthaltig erachtet werden. Die Sicherheit ist nur so gut, wie der Bürge ist. Bürgschaften von Kaufleuten sind formfrei. Die Höhe und Frist kann ggf. begrenzt werden. Bürgschaften haben eine erhebliche Bedeutung im Kreditgeschäft, vor allem bei Auslandsabschlüssen. Dort fungiert dann der Exporteursstaat als Bürge. Der Avalkredit ist eine Bankbürgschaft. Dabei verspricht eine Bank, dem Lieferanten gegenüber für eine Schuld einzutreten, wenn sein Kunde, der Besteller, nicht leisten kann oder will. Das Kreditinstitut behält dafür eine Delkredere(Zahlungsausfall-)provision ein. Das Bankaval bedarf der Schriftform. Der Avalkredit hat drei Beteiligte: den Bürgen, die Bank, den Schuldner der verbürgten Verbindlichkeit, der Bankkunde, und den Gläubiger des Bankkunden, den Begüns­ tigten.

6.2 Absatzfinanzierung

377

Der Anspruch des Lieferanten wird dann bei Nichtleistung des Schuldners durch die Bank erfüllt. Zugleich geht die Forderung an diese über. Dies stellt insofern eine Sicherheit dar, als im Regelfall eine Bank ein geringeres Risiko verkörpert als ein beliefertes Unternehmen. Die Zahlungsgarantie ist gesetzlich nicht geregelt. Sie stellt eine Selbstverpflichtung des Garanten dar, für einen künftigen Erfolg, hier die Kreditrückzahlung, einzugestehen oder einen künftigen Schaden, hier die Nicht- oder Schlechtleistung, zu übernehmen. Die Garantiebank gibt somit ein abstraktes Leistungsversprechen. Bei Inlandsgeschäften ist üblicherweise nur eine Bank eingeschaltet als direkte Garantie, bei Auslandsgeschäften sind es zwei Banken als indirekte Garantie, die des Lieferanten und die des Abnehmers. Auch hierbei ist eine Bank im Regelfall ein besserer „Schuldner“ als ein Unternehmen. Bei einem Schuldbeitritt erklärt sich ein Dritter, der vom Geldschuldner zu bestimmen ist, bereit, gesamtschuldnerisch mit dem Erstschuldner für einen Kreditbetrag zu haften, also nicht erst nach dem Erstschuldner, sondern bereits gemeinsam für den von ihm nicht beibringbaren Betragsanteil. Der ursprüngliche Schuldner (Kunde) scheidet damit nicht aus dem Schuldverhältnis aus wie bei der Schuldübernahme. Der beitretende Schuldner haftet aber nicht nach dem ursprünglichen, wie bei der Bürgschaft, sondern gleichrangig. Der Gläubiger hat also zwei Hauptschuldner, von denen er nach freier Wahl Erfüllung verlangen kann. Der Schuldbeitritt ist gesetzlich nicht näher geregelt.

6.2.3.2 Sicherheiten in der Sache Ein Lombardkredit wird auf mobile Sachen als Pfand im Gegenwert eines Kreditbetrags aufgenommen. Das Pfandobjekt bleibt dabei im Eigentum des Schuldners, geht aber physisch in den Besitz des Gläubigers über, der es verwahrt oder verwahren lässt. Durch Zahlung des Kreditbetrags kann der Schuldner sein Pfand auslösen, es geht wieder in seinen Besitz über. Erfolgt die Leistung jedoch nicht, kann der Gläubiger das Pfand unmittelbar verwerten, es also zu Geld machen. Der Erlös der Verpfändung soll dann den ausfallenden Kreditbetrag ausgleichen. Im Zweifel ist die Verwertung des Pfands jedoch schwierig, zumal, wenn es nicht fungibel ist, also keinen marktgängigen Wert besitzt. Daher wird sinnvollerweise immer nur ein Teilwert des Pfands mit Kredit beliehen. Allerdings stellt sich die physische Übergabe des Pfandguts häufig als problematisch heraus. Dies betrifft Transport-, Umlade- und Lagerkosten ebenso wie Versicherungsprämien. Daher lohnt sich dies nur, wenn es sich um leicht manipulierbare Vermögens­objekte handelt wie Effekten, Edelmetalle, Vertragsrechte etc. Daher ist es sinnvoll, nicht die tatsächlich gelieferten Waren zu hinterlegen, sondern stattdessen solche eines hohen Liquiditätsgrads.

378

6. Die kaufmännische Auftragsbearbeitung

Bei der Sicherungsübereignung verbleibt eine mobile Sache im Besitz des Schuldners, das Eigentum daran geht aber an den Gläubiger über. So kann der Schuldner die sicherungsübereignete Sache weiter nutzen. Der Gläubiger hat jedoch bei Unterbleiben der Leistung einen Herausgabe- und Verwertungsanspruch. Erfolgt hingegen die Geldleistung, sind keine weiteren physischen Transaktionen erforderlich. Daher ist die Sicherungsübereignung als Kreditsicherheit weitaus häufiger anzutreffen als die Verpfändung. Die Übereignung erfolgt durch Einigung über den Eigentumsübergang und Vereinbarung eines Besitzkonstituts. Der Kreditnehmer bleibt dabei unmittelbarer Besitzer, der Kreditgeber wird mittelbarer treuhänderischer Besitzer. Die Sicherungsübereignung ist gesetzlich nicht geregelt. Es können einzelne Sachen oder Sachgesamtheiten (z. B. Warenlager) übereignet werden, sofern der Bestimmtheitsgrundsatz eingehalten wird, also die Sache genau bezeichnet ist. Die Sicherungsübereignung hat den Vorteil, dass der Gläubiger keine Logistikleistungen zu erbringen hat. Allerdings stellt sich die Frage, ob und wie die Übereignung im Zweifel verwertet werden kann, Risiken liegen hier in Wertverlust, Bewertungsfehler, Untergang, Doppelübereignung, Eigentumsvorbehalt, Vermischung / ​Verbindung / ​Verarbeitung, Beschädigung / ​Zerstörung etc. Bei der Forderungsabtretung (Zession) tritt der Schuldner eigene Forderungen gegenüber Dritten an seinen Gläubiger anstelle einer eigenen Zahlung ab. Diese Abtretung kann offen oder verdeckt erfolgen, offen bedeutet, der Drittschuldner erfährt von der Forderungsabtretung und leistet befreiend unmittelbar an den Endgläubiger, verdeckt bedeutet, der Drittschuldner leistet wie normalerweise befreiend an dessen Gläubiger, dieser ist verpflichtet, die Zahlung sodann an seinen Gläubiger weiter zu leiten. Die Abtretung kann sich auf definierte Rechnungen beziehen oder auf einen bestimmten Rechnungsbetrag, der sich aus mehreren Rechnungen zusammensetzt, die Abtretung kann einmalig erfolgen oder laufend. Entscheidend ist die Werthaltigkeit der abgetretenen Forderungen, weshalb ein mehr oder minder hoher Risikoabschlag eingerechnet wird. Die abgetretene Forderung geht mit allen Sicherungs- und Vorzugsrechten an den neuen Gläubiger über. Die wohl verbreitetste Form der Kreditsicherung ist der Eigentumsvorbehalt, der in den meisten Allgemeinen Geschäfts-Bedingungen (AGBs) standardmäßig vorgesehen ist. Dabei bleiben aktuell gelieferte Waren bis zur vollständigen Bezahlung der Rechnung, dem Erfüllungsgeschäft, im Eigentum des Geldgläubigers als aufschiebende Bedingung und gehen danach automatisch, also ohne dass es einer weiteren Vereinbarung bedürfte, in das Eigentum des Schuldners über durch das Verpflichtungsgeschäft. Der Geldschuldner wird vorher schon Besitzer der Sache, so dass er diese nutzen kann, bei Immobilien gilt analog die Auflassungsvormerkung. Der einfache Eigentumsvorbehalt bezieht sich nur auf die gelieferte Ware. Wird diese zu einer neuen Leistung verarbeitet oder ist die Ware vor der Zahlungsfäl-

6.2 Absatzfinanzierung

379

ligkeit bereits veräußert, geht der Anspruch unter. Daher wird ein weitergeleiteter Eigentumsvorbehalt vereinbart, dieser besagt, dass der Anspruch auch bei Weiterverkauf gegenüber Dritten bestehen bleibt. In einer Lieferkette kann auch ein verlängerter Eigentumsvorbehalt vereinbart werden, dieser besagt, dass der Anspruch bei Ver- oder Bearbeitung anteilig am Endprodukt entsteht. Der erweiterte Eigentumsvorbehalt schließlich koppelt den Eigentumsübergang an die Begleichung aller Schulden des Abnehmers bei einem Gläubiger, nicht nur der mit dem Eigentum vorbehaltenen Schulden.

6.2.4 Drittfinanzierung Die Drittfinanzierung betrifft Kreditsubstitute, diese kommen in der Wirkung einem Kredit gleich, obwohl sie rein rechtlich anders konstruiert sind. Beim Factoring handelt es sich um einen Forderungsverkauf. Forderungskäufer ist ein Factor, der den Rechnungsbetrag gegenüber dem Forderungsverkäufer bevorschusst. Beim echten Factoring werden zudem Delkredere- und Dienstleistungsfunktionen übernommen. Beim Factoring gibt es also drei Beteiligte. Der Geldgläubiger / ​Lieferant hat eine Forderung gegenüber einem Geldschuldner / ​Abnehmer und verkauft diese an einen Factor. Dieser bevorschusst die Forderung gegenüber dem Gläubiger und zieht den Rechnungsbetrag bei Fälligkeit beim Schuldner ein. Der Geldgläubiger kann Forderungen nur „in Bausch und Bogen“ verkaufen, also nicht einzeln selektiert, ansonsten würde er nur die notleidenden Forderungen verkaufen und die sicheren selbst eintreiben. Der Verkauf kann offen erfolgen, dann tritt der Factor beim Schuldner selbst auf, oder still, dann leistet der Schuldner an seinen Gläubiger, der den Zahlbetrag an den Factor weiterleitet. Der Factor zieht vom Rechnungsbetrag Vorschusszinsen, Risikoprämie und Gebühren ab. Häufig wird auch ein Sperrbetrag einbehalten, der erst nach erfolgreicher Leistung des Schuldners freigegeben wird. Der Factoringnehmer verschafft sich damit einen Liquiditätsvorteil, außerdem verfügt er sicher über das Geld, allerdings nicht über den vollen Betrag. Oft erhöht die Einschaltung eines Factor auch die Zahlungsbereitschaft von Schuldnern. Nicht zu verwechseln ist dies allerdings mit Inkassobüros, die nicht Eigentümer der Forderungen werden, sondern nur ausstehende Forderungen gegen hohe Erfolgsbeteiligung einzutreiben helfen. Das Leasing erfolgt als Operate leasing in atypischer Form als Mietkauf oder als Finance leasing in typischer Form. Beim Leasing gibt es drei Beteiligte, den Verkäufer eines Gebrauchsguts, den Käufer dieses Gebrauchsguts als Leasinggeber zur Weitergabe an den Endnutzer als Leasingnehmer. Der Endnutzer benötigt das Gut des Verkäufers, das er jedoch nicht in seinem vollen Wert, sondern nur nach seiner anteiligen Nutzung bezahlen will. Dazu verkauft der Verkäufer

380

6. Die kaufmännische Auftragsbearbeitung

dieses Gut an den Leasinggeber und erhält von diesem den Kaufpreis dafür erstattet. Das Eigentum geht damit auf den Leasinggeber über. Dieser vermietet das Gut an den Leasingnehmer, der im Gegenzug zeitanteilige Ratenzahlungen plus Zinsen und Gebühren an den Leasinggeber entrichtet. Der Besitz des Guts geht an den Leasingnehmer über. Nach Ablauf der Leasingzeit kann der Leasingnehmer das Gut zurückgeben, die Leasingzeit verlängern, das Gut zurückgeben und gleichzeitig ein neues in Nachfolge leasen oder das Gut käuflich zum Teilwert erwerben. Beim Operate leasing handelt es sich um ein Standardprodukt, das bei Rückgabe rasch liquidisierbar ist, der Vertrag ist kurzfristig kündbar, so dass der Leasing­ geber mehrere Verträge zur Amortisation seiner Investition braucht, wobei das finanzielle Risiko beim Leasinggeber liegt. Das Leasinggut wird beim Leasinggeber aktiviert und über die Nutzungsdauer abgeschrieben. Die Leasingraten werden als Aufwand beim Leasingnehmer verbucht. Häufig erfolgen zusätzliche Dienstleistungen wie Wartung, Reparatur etc. Beim Finance leasing handelt es sich um ein Individualprodukt, es gibt eine lang laufende, nicht kündbare Grundmietzeit, die der wirtschaftlichen Lebensdauer des Leasingobjekts entspricht als Vollamortisation, das Investitionsrisiko trägt der Leasingnehmer, allerdings verbleibt das Kapitalbeschaffungs- und Kreditrisiko beim Leasinggeber. Maßnahmen zur Werterhaltung obliegen dem Leasingnehmer. Leasing nimmt eine Dienstleistungs-, eine Delkredere- und eine Finanzierungsfunktion wahr. Es kann sich auf mobile Güter oder immobile Güter beziehen. Bei beiden ist auch denkbar, dass bestehende Güter verkauft und anschließend zurückgemietet werden (auch Sale and lease back). Auf diese Weise kann gebundenes Kapital zu freiem werden. Bei der Projektfinanzierung wird die Finanzierung nicht von der Bonität des Bestellers abhängig gemacht, sondern nur von der Ertragskraft einer mit dem Kredit zu finanzierenden Wirtschaftseinheit, dem Projekt. Dies greift z. B. im Anlagenbau. Die Finanzierungsmittel werden dabei in Abhängigkeit von der Wirtschaftlichkeit der Anlageninvestition bereitgestellt. Dabei sind lange Laufzeiten für die Rückzahlung eines Kredits üblich. Dazu werden Cash-flow-Szenarien entwickelt, die vor allem Projektrisiken wie die Nichtfertigstellung einer Anlage oder ihre Nichtrentabilität (Kostendeckung und zeitversetzt Schuldendienst) identifizieren. Als Risikoträger dient eine, meist zu diesem Zweck gegründete, Projektgesellschaft bzw. die diese tragenden Investoren als Finanzierer. Als Kreditgeber fungieren aufgrund der Komplexität und der involvierten Beträge Banken(-konsortien).

381

6.3 Erlöscontrolling

6.3 Erlöscontrolling Erlöscontrolling bezieht sich auf die Planung und Kontrolle aller Verkaufserlöse. Der Auftragswert als Ausgangspunkt entspricht dabei dem Bruttoerlös (Listenpreis). Tatsächlich realisiert werden kann aber meist nur ein Nettoerlös (Effektivpreis). Dazwischen liegen Erlösschmälerungen oft erheblichen Ausmaßes, die wiederum im Zuge eines Konditionensystems stringent geregelt werden sollten.

6.3.1 Auftragswertbasis A Aufträge Kunde 1 Gebiet 1 Preis (Kondi1,0 tionen / Stück) abgesetzte 1.400 Menge Umsatz

B 1 1

C 2 1

D 2 1

E 3 2

F 3 2

G 4 2

H 4 2

3,2

0,9

1,6

5,0

3,3

3,0

5,0

400

667

800

520

500

2.000 1.250

Summe in €

1.400 1.600 1.800 2.000 2.000 2.200 2.400 2.600

16.000

variable 1.800 1.600 1.400 1.200 1.000 800 600 400 Artikelkosten Positions-DB - 400 0 400 800 1.000 1.400 1.800 2.200 (DB I) Erlösschmäle- 100 200 300 400 500 600 700 800 rungen Summen-DB - 500 - 200 100 400 500 800 1.100 1.400 (DB II) Fixkosten Ca100 200 300 400 tegory man.* Kunden-DB - 800 300 1.000 2.100 (DB III) Fixkosten Ge400 800 bietsdirektion* Gebiets-DB - 900 2.300 (DB IV) Fixkosten Zen600 tralverkauf* Zentral-DB 800 (DB V) Fixkosten 200 Betrieb

8.800

Ergebnis

600

* Fixkosten Category management.: eindeutig kundenbedingte Besuchs- und Auftragskosten * Fixkosten Gebietsdirektion: auftragsbedingte Kostenbestandteile * Fixkosten Zentralverkauf: Werbekostenzuschüsse, Listungsgebühren, Gehaltskosten

Abbildung 65: Vertriebs-Deckungsbeitragsrechnung (Beispiel)

7.200 3.600 3.600 1.000 2.600 1.200 1.400 600 800 200 600

382

6. Die kaufmännische Auftragsbearbeitung

Kleinste Einheit im Erlöscontrolling ist der einzelne Auftragswert. Er ist damit auch Ausgangspunkt zur Ermittlung der Kundenprofitabilität. Diese ergibt sich wie folgt: Preis je Auftragseinheit × Menge der Auftragseinheiten = Bruttoerlös − Erlösschmälerungen (Rabatt, Gewährleistung, Skonto, Bonus etc.) = Nettoerlös − Kosten (alle außer Vermarktungskosten und Sondereinzelkosten der Fertigung) = Deckungsbeitrag I − alle nicht kundendirekten Vermarktungskosten und Sondereinzelkosten der Fertigung = Deckungsbeitrag II − alle kundendirekten Vermarktungskosten = Gewinn je Auftrag

(siehe Abb. 65: Vertriebs-Deckungsbeitragsrechnung (Beispiel)) Im Erlöscontrolling ist vor allem interessant, die Schwellen zu erkennen, bei denen die Gewinnzone verlassen wird bzw. als notwendig erachtete Fixkostendeckungen (siehe Abb. 66: Kostenträgerzeitrechnung (Beispiel)). Planauftragswert

16.000 €

1. langfristige Umsatzuntergrenze, ohne Gewinn, aber bei voller Deckung aller Kosten (96,25 %)

15.400 €

2. Umsatzuntergrenze mit Verlust in Höhe der Fixkosten des Betriebs (95 %)

15.200 €

3. Umsatzuntergrenze mit Verlust in Höhe der Fixkosten des Betriebs und der Fixkosten des Zentralverkaufs (91,25 %)

14.600 €

4. Umsatzuntergrenze mit Verlust in Höhe der Fixkosten des Betriebs, der Fixkosten des Zentralverkaufs und der Fixkosten der Gebietsdirektion (83,75 %)

13.400 €

5. Umsatzuntergrenze mit Verlust in Höhe der Fixkosten des Betriebs, der Fixkosten des Zentralverkaufs, der Fixkosten der Gebietsdirektion und der Fixkosten des Category management (77,5 %)

12.400 €

6. Umsatzuntergrenze mit Verlust in Höhe der Fixkosten des Betriebs, der Fixkosten des Zentralverkaufs, der Fixkosten der Gebietsdirektion, der Fixkosten des Category management und der Erlösschmälerungen (55 %)

8.800 €

Abbildung 66: Kostenträgerzeitrechnung (Beispiel)

383

6.3 Erlöscontrolling

In Abhängigkeit von den Umsatzuntergrenzen ergeben sich bei fixer Menge die Preisuntergrenzen je Produkteinheit (siehe Abb. 67: Kostenträgerstückrechnung (Beispiel)) Planpreis für Auftrag E

5,00 €

1. langfristige Preisuntergrenze für Produkt E, ohne Gewinn, aber bei voller Deckung aller Kosten (96,25 %)

4,81 €

2. Preisuntergrenze für Produkt E mit Verlust in Höhe der Fixkosten des Betriebs (95 %)

4,75 €

3. Preisuntergrenze für Produkt E mit Verlust in Höhe der Fixkosten des Betriebs und der Fixkosten des Zentralverkaufs (91,25 %)

4,56 €

4. Preisuntergrenze für Produkt E mit Verlust in Höhe der Fixkosten des Betriebs, der Fixkosten des Zentralverkaufs und der Fixkosten der Gebietsdirektion (83,75 %) 5. Preisuntergrenze für Produkt E mit Verlust in Höhe der Fixkosten des Betriebs, der Fixkosten des Zentralverkaufs, der Fixkosten der Gebietsdirektion und der Fixkosten des Category management (77,5 %) 6. Preisuntergrenze für Produkt E mit Verlust in Höhe der Fixkosten des Betriebs, der Fixkosten des Zentralverkaufs, der Fixkosten der Gebietsdirektion, der Fixkosten des Category management und der Erlösschmälerungen (55 %)

4,19 €

3,88 €

2,75 €

Abbildung 67: Kostenträgerstückrechnung (Beispiel)

Wird der Gewinn je Auftrag über alle Aufträge eines Kunden für ein Produkt im Geschäftsjahr kumuliert, ergibt sich dessen produktbezogener Auftragswert, kumuliert über alle Aufträge eines Kunden für alle Produkte im Geschäftsjahr ergibt sich dessen geschäftsjahresbezogener Kundenwert, kumuliert über alle Kunden schließlich das operative Ergebnis. Es gibt mehrere Möglichkeiten der Auftragswertsteigerung. Erstens ist auf Basis des Listenpreises des Auftragsinhalt zu denken an höhere Auftragsmenge (More selling), höheren Auftragsbon (Up selling) und zusätzliche Auftragspositionen (Cross selling). Kaufvolumenanreize können geldwerte Mengen-/Belieferungsvorteile sein, produktbegleitende oder -abfolgende Dienstleistungen und Zusatzausstattungen / ​Zubehör. Zweitens können Preiszuschläge durch zusätzliche Posten berechnet werden (Partitioned pricing) wie: • Verpackungskosten(-anteil), wenn diese nicht vom Käufer oder Frachtführer getragen werden und über das übliche Maß hinausgehen, • Versicherungsprämien, sofern besondere Gefahren entstehen, die nicht mit den üblichen Lieferungsbedingungen abgegolten sind,

384

6. Die kaufmännische Auftragsbearbeitung

• Versandkosten(-anteil) wie Fracht, Rollgeld, Ladegebühr, Behältniskosten etc., • Kommissionierungskosten, z. B. für Just in sequence-Lieferung, Roll cage sequencing, Efficient unit loads, • Retourenkosten aus Gründen, die nicht beim Anbieter oder Produkt liegen, z. B. Nichtgefallen (außer bei E-Commerce), Unterbedarf, Auftragsänderung, • Mindermengen-/Mindestauftragsgrößenzuschläge (Malus) bei Unterschreitung einer als rentabel definierten Losgröße, was immer anzuraten ist, • Eilzuschläge für besonders schnell ausgeführte Lieferungen, • Zeitzuschläge für außergewöhnliche Ausführungszeiten, z. B. nachts, sonn- und feiertags, • Ortszuschläge für räumlich schwer erreichbare Lieferorte, • Sonderanfertigungszuschläge für die Produktion nicht standardisierter Produkte. Bei solchen Negativrabatten ist jedoch fraglich, inwieweit diese am Markt durchsetzbar sind. Die gesetzliche Mehrwertsteuer gilt nicht als Zuschlag, da sie einen durchlaufenden Posten darstellt. Beide Optionen sollten unbedingt aktiviert werden, denn das beste Neugeschäft kann immer noch mit bestehenden Kunden gemacht werden. Außerdem entzieht man sich der direkten Preisvergleichbarkeit und die Aktivitäten können die Hauptleistung quersubventionieren.

6.3.2 Erlösschmälerungen 6.3.2.1 Planbare Positionen Als Erlösschmälerung wird allgemein die negative Abweichung zwischen Listen-/Bruttopreis und Effektiv-/Nettopreis bezeichnet. Der Listenpreis ist der eigentlich berechenbare Betrag (Billable amount), der Effektivpreis ist der tatsächlich erlöste Preis. Erlösschmälerungen sind eine verschleiernde Umschreibung für Gewinnentgang, denn jeder Euro Erlösschmälerung bedeutet 1 : 1 einen Euro weniger Gewinn. Denn hätten diese Erlösschmälerungen verhindert werden können, wäre der erlöste Preis bei ansonsten gleichen Kosten um diesen Betrag höher, mithin auch der Gewinn. Daher gilt es erstens, Erlösschmälerungen als Gewinnentgang in das Bewusstsein der handelnden Personen zu rücken und zweitens Erlösschmälerungen auf jeden Fall zu vermeiden. Bei den Erlösschmälerungen sind planbare Positionen, die proaktiv in der Kalkulation aufgefangen werden können und nicht-planbare Positionen, die allenfalls hinzunehmen sind. Auf die häufigsten Arten dieser Positionen wird im Folgenden eingegangen (siehe Abb. 68: Arten von Erlösschmälerungen).

385

6.3 Erlöscontrolling

planbare Positionen

nicht-planbare Positionen

Zugabe

Preisgleitklausel

Skonto

Preisfallklausel

Rabatt

Preissicherung

Bonus

Gewährleistung

Provision

Garantie Vertragsstrafe Debitorenausfall Redistribution

Abbildung 68: Arten von Erlösschmälerungen

Zugaben werden vom Lieferanten einem Abnehmer neben der Hauptleistung geboten. Sie können warengleich oder warenfremd sein. Warengleich sind Zugaben wiederum als Draufgabe oder Dreingabe möglich. Draufgabe bedeutet, dass zu einer gekauften Menge Ware eine / ​mehrere weitere Waren ohne Berechnung zugefügt werden. Dreingabe bedeutet, dass innerhalb einer gekauften Menge Ware eine / ​mehrere Waren nicht berechnet, wohl aber übereignet werden. In beiden Fällen sinkt der Erlös je verkaufter Einheit. Bei Zugaben handelt es sich um Naturalnachlässe, im Unterschied zu Geldnachlässen. Diese haben den Vorteil, dass sie in der Wahrnehmung von Abnehmern mit deren Preis bewertet werden, in der Kostenrechnung des Lieferanten aber „nur“ mit ihren Kosten zu Buche schlagen. Zugaben sind gesetzlich limitiert. Denkbar ist aber, Auslaufartikel, Neuprodukte, Promotionsware etc. dafür zu nutzen. Skonto ist eine „Belohnung“ des Abnehmers für vorzeitige Zahlung. Lieferungen erfolgen in der Regel auf Ziel, d. h., der Abnehmer muss erst am Ende einer Frist oder zu einem vorausgesetzten Datum die Rechnung bezahlen, kann aber bereits vorher über sie verfügen. Unternehmen ist jedoch daran gelegen, infolge der regelmäßig erforderlichen Vorfinanzierung ihrer Leistungen möglichst schnell einen Zahlungseingang zu erreichen. Daher bieten sie Kunden, die ohne oder bei nur kurzer Ausnutzung des Zahlungsziels zahlen, einen Skontonachlass. Dies ist für Abnehmer immer günstig, wenn der zeitbezogene Skontosatz über dem Zinssatz für Fremdkapital oder dem internen Zinsfuß liegt. Ein Warenskonto ist gegeben, wenn in Höhe des Skontos eine unberechnete Mehrlieferung erfolgt, ein Kassen-

386

6. Die kaufmännische Auftragsbearbeitung

skonto, wenn ein Erlösabschlag in dieser Höhe auf den Geldbetrag erfolgt, was der Regelfall ist. Rabatte sind Vergünstigungen, die Abnehmern unter verschiedenen Aspekten gewährt werden. Zunächst zur Grundlage: • Ein Funktionsrabatt wird Abnehmern gewährt, wenn und soweit diese bestimmte Absatzfunktionen übernehmen. Denkbar sind Nachlässe für Selbstabholung, für Selbstbedienung / ​Kommissionierung etc. Durch die Funktionsübernahme des Abnehmers entsteht dem Anbieter eine Kostenermäßigung, die dieser im Preis zurückgibt. • Der Mengenrabatt wird in Abhängigkeit von der jeweils einzeln als Einzelauftragsrabatt oder über mehrere Kaufakte kumuliert als Gesamtumsatzrabatt abgenommenen Warenmenge gewährt. Die Grundlage des Mengenrabatts liegt in einer Absatzrationalisierung durch Größendegressionseffekte. • Der Zeitrabatt wird nach dem Kaufzeitpunkt gewährt, denkbar sind dafür Frühbezug aus Subskription, Kundenloyalität aus Treue, Saison (bzw. Off season), Auslauf etc. Der Kunde soll dadurch dazu motiviert werden, zu einer Zeit zu kaufen, die für den Anbieter kaufmännisch günstig ist. Weitere Einteilungen sind folgende: • Der Naturalrabatt besteht in der Draufgabe von mehr Ware im Rahmen der Rabattierung für den vereinbarten Kaufpreis. Ein Geldrabatt besteht in der Ermäßigung des Kaufpreises für die vereinbarte Warenmenge. • Die Berechnung erfolgt als Festrabatt, der als absoluter Betrag angegeben ist, also nicht in Abhängigkeit von einer Bezugsgröße. Er kann jedoch in Abhängigkeit von der zugrunde gelegten Bezugsgröße variieren. Oder als Relativrabatt gemäß dem prozentualen Anteil an einer festgelegten Bezugsgröße. • Der Einheitsrabatt ist ein Rabatt, der unabhängig von den Bezugsgrößen Funktion, Menge oder Zeit immer die gleiche relative Höhe hat. Dem Vorteil der großen Übersichtlichkeit steht der gravierende Nachteil fehlender Feinsteuerungsmöglichkeit gegenüber. • Der Rabattierungsverlauf kann progressiv (schneller steigend als die Bezugsgröße), degressiv (langsamer steigend als die Bezugsgröße) oder linear (parallel zur Bezugsgröße verlaufend) sein. Er kann sich immer auf die volle Größe (durchgerechneter Rabatt) oder nur auf den Größenzuwachs beziehen (angestoßener Rabatt). • Die Rabattstaffel stellt eine Abstufung der Rabattsätze in Abhängigkeit von der Höhe einer Bezugsgröße (meist der Menge) dar. Probleme entstehen durch unattraktive Rabattstufen, denen keine gewünschte Anreizwirkung zukommt oder durch unregelmäßige Klassengrößen, die nicht in eine Richtung gehen oder durch inkonsistente Auslegung des Plans. Sehr problematisch ist auch der Hinweis „Rabatt auf Anfrage“, denn dieser lädt geradezu zum Feilschen ein.

6.3 Erlöscontrolling

387

Ebenso problematisch sind Geheimrabatte, die über die Rabattierungsbasis hinausreichen und als besondere Anreize oder auch auf Nachfragedruck gewährt werden. Diese führen zu einer Rabattspreizung, d. h. zu leistungsunabhängig unterschiedlichen Nettopreishöhen derselben Leistung für verschiedene Abnehmer. Rabattspreizung ist dabei die Differenz zwischen dem maximal erreichbaren Rabatt für den Meistbegünstigten und dem regulär erzielbaren Rabatt aufgrund der Rabattstaffel. Es ist unvermeidlich, dass diese Geheimrabatte nicht geheim bleiben, etwa durch Mitarbeiterwechsel, Unternehmensübernahmen, Austausch zwischen Abnehmern etc., so dass bald alle Abnehmer den maximal erreichbaren Rabatt einfordern. Dann aber bricht die Ertragsstruktur des Anbieters zusammen, da es zu keinem kalkulatorischen Ausgleich mehr kommen kann. Ein weiteres Phänomen ist die Rabattkumulierung. Sie entsteht durch die so nicht geplante Aufaddierung von Einzelrabattsätzen, etwa für große Abnahmemenge, für Funktionsübernahme, für Auftragszeitraum etc. Zu deren Durchsetzung ist zumeist Nachfragemacht erforderlich. Dadurch verringert sich allerdings das Nettoerlösniveau auf unzumutbare Weise. Boni sind Gutschriften, die Abnehmern nachträglich, für gewöhnlich zum Ende eines Geschäftsjahrs, für das kumulierte Geschäftsvolumen, meist die Abnahmemenge, gewährt werden, das sie mit einem Lieferanten realisiert haben. Damit können auch solche Abnehmer gratifiziert werden, deren Einzelaufträge anderweitig keine Rabatte generiert haben. Der Bonus hat gegenüber zeitparallel gewährten Nachlässen den Vorteil einer Zinsersparnis auf Lieferantenseite. Denn die bonifizierten Beträge können über das Jahr hinweg einbehalten werden und entweder im Betrieb „arbeiten“ oder Sollzinsen ersparen. Daher ist ein Bonus immer einem Rabatt vorzuziehen. Die Auslegung kann als Warenbonus oder Geldbonus erfolgen. Bei einem Warenbonus wird der bonifizierte Betrag in Form von unberechneten Mehrlieferungen gewährt. Bei dem häufiger vorkommenden Geldbonus wird der bonifizierte Betrag entweder ausgezahlt oder mit bestehenden Forderungen verrechnet. Zu bedenken ist dabei die Bemessungsbasis, so können durchaus nicht alle Umsätze bonifiziert werden, sondern nur reguläre, also nicht Aktionsumsätze, die ohnehin preisreduziert erfolgen. Sinnvoll ist auch, den Bonus nur auf die Effektivpreise zu beziehen. Schließlich kann der Bonus auch erst im Laufe des Folgejahres ausgewiesen werden. Sofern der Absatz durch Absatzhelfer unterstützt wird, erhalten diese für ihre akquisitorische Tätigkeit ein Entgelt als Provision. Dies trifft etwa auf Handelsvertreter, Kommissionäre, Makler (dort Courtage genannt) und Versteigerer (dort Aufgeld genannt) zu. Die Höhe der Provision hängt von der jeweiligen vertraglichen Vereinbarung ab, ebenso der Verlauf. Häufig wird ein s-förmiger Verlauf vereinbart, zusätzlich häufig auch ein provisionsfreier Sockelbetrag. Provisionen werden nach Gesetz spätestens bis zum Ende des auf die Provisionsauslösung folgenden Monats fällig. Provisionen haben weitgehend variablen Charakter, belasten also weniger die Rendite als mehr den Gewinn.

388

6. Die kaufmännische Auftragsbearbeitung

Die Provisionsauslösung kann in verschiedener Weise erfolgen. Meist ist die Auftragseinholung Auslöser. Weitere Auslöser können aber auch eine Delkredereprovision oder eine Inkassoprovision sein. Delkredereprovision wird fällig, sofern ein Absatzhelfer sich für die Bonität eines Abnehmers verbürgt, d. h. verspricht, selbst mit der Zahlung einzuspringen, falls der ursprüngliche Schuldner nicht zahlt. Dazu besteht kein Zwang, wenn diese Verpflichtung jedoch eingegangen wird, steht dem Absatzhelfer dafür eine Provision zu. Inkassoprovision wird fällig, sofern der Absatzhelfer zugleich den Zahlungseinzug für das vertretene Unternehmen übernimmt (meist bei Kleinlieferungen aus dem Handlager). Auch dazu besteht keine Verpflichtung, wenn diese Leistung aber übernommen wird, wird sie mit zusätzlicher Inkassoprovision entgolten, da sie über die rein akquisitorische Tätigkeit hinausgeht. Provisionen gehen zulasten des Gewinns. Jedoch sind dagegen die Kosten für einen alternativen Direktabsatz, also ohne Absatzhelfer, bzw. die Abtretung von Gewinn an die Handelsstufe bei Indirektabsatz, zu stellen sowie die positiven Effekte, die sich aus der akquisitorischen Tätigkeit der Absatzhelfer ergeben.

6.3.2.2 Nicht-planbare Positionen Gerade bei lang laufenden Projekten und ausgeprägten Preisschwankungen der Produktionsfaktoren ist es schwierig, sicher zu stellen, dass der Lieferant bei der Abrechnung real auch den Betrag erlöst, den er bei Angebotsabgabe kalkuliert hat. Um ihn gegen Kostensteigerungen abzusichern, kann eine Preisgleitklausel vereinbart werden. Sie dient auch dem Schutz des Abnehmers davor, an zwischenzeitlichen Kostensenkungen nicht zu partizipieren. Die Gleitung kann alle Kostenbestandteile als Vollgleitklausel einbeziehen oder sich nur auf einzelne von ihnen als Teilgleitklausel, meist Materialkosten oder Lohnkosten, beziehen. Die Preisgleitung berücksichtigt folgende Elemente: • den Ausgangspreis bei Vertragsabschluss, • die Materialkosten zum Endtermin und zum Vertragsabschlusszeitpunkt mittels Indexwert, • die Lohnkosten zum Endtermin und zum Vertragsabschlusszeitpunkt mittels Index­wert, • den Anteil des Preises, der nicht gleitet, also ausgenommen oder zumindest gedeckelt ist, • die Anteile von Material- und Lohnkosten am Preis. Preisgleitklauseln sollen Kalkulationsrisiken verringern, die aus Preisänderungen bei den Einsatzfaktoren folgen. Sie stellen meist einen Lieferantenschutz dar. Problematisch sind jedoch eine Änderung der Kostenstruktur während der Er-

6.3 Erlöscontrolling

389

stellungsphase der Leistung, die Bewertung von Anzahlungen, die Aufteilung der Preisbestandteile bei Anbietergemeinschaften, Preisveränderungen bei Lieferverzögerungen, Preisbelege und -kontrollen, Marktpreisschwankungen etc. Bei Preisgleitklauseln ist zudem der Widerstand des Anbieter gegen Kostensteigerungen bei seinen Lieferanten geringer. Bei einer Preisfallklausel sichert sich der Abnehmer dagegen ab, dass zwischen dem Zeitpunkt seiner Beauftragung und dem Zeitpunkt der Lieferung Preissenkungen stattfinden, an denen er nicht partizipiert. Solche Preissenkungen kommen etwa infolge technischen Fortschritts zustande, durch hohe Konkurrenzintensität oder über die Verminderung der Einstandskosten (Landed costs) für extern zugekaufte Leistungen. Eigentlich kann die Wirksamwerdung von Preissenkungen mit einem Starttermin begrenzt werden, gerade gegenüber nachfragemächtigen Abnehmern ist jedoch eine Preisfallklausel kaum zu verhindern. Diese besagt, dass der Abnehmer, obgleich sein Auftrag vor Wirksamwerdung der Preissenkung erteilt wurde, so gestellt wird, als sei er danach ergangen. Eine Preissenkung resultiert dann auch für vorher valutierte Aufträge in einer Erlösschmälerung. Gegenüber privaten Abnehmern ist ein solcher Schutz teilweise rechtlich gesichert (z. B. bei Energie, Automobilen). Eine Preissicherung im Auslandsgeschäft ist sinnvoll, um sich gegen Paritätenverschiebungen von Währungen (außerhalb der EU) zu wappnen. Denn wertet die Abschlusswährung gegenüber der Inlandswährung ab und kann keine Abrechnung in Inlandswährung erreicht werden, gehen Gewinnbestandteile verloren. Eine Absicherung kann durch Devisentermingeschäfte erfolgen. Dabei sichert sich der Optionskäufer das Recht zu, die aus der Zahlung des Abnehmers resultierende Fremdwährung zu einem vorab festgelegten Kurs später (auf Termin) verkaufen zu können. Steigt der Währungskurs bis dahin, erleidet er zwar einen Gewinnentgang, hat aber dennoch eine feste Kalkulationsbasis, sinkt der Kurs, vermeidet er hingegen Gewinneinbußen. Dies erfordert einen Stillhalter, der sich zum Ankauf der Währung verpflichtet und für den sich die Situation genau entgegengesetzt darstellt. Terminkontrakte bedingen allerdings Gebühren, die gegen das Sicherheitsdenken aufzurechnen sind. Bei Optionsgeschäften ist nicht die tatsächliche Umwandlung der Transaktion auf Ziel, sondern die Erzielung von Arbitragegewinnen durch Spekulation. Statt auf Währungen können sich die Preissicherungen auch auf Waren beziehen. Solche Warentermin-/-optionsgeschäfte wirken sich auf der Beschaffungsseite des Unternehmens aus. Im Falle der Schlechtlieferung ist Gewährleistung gegenüber dem Abnehmer erforderlich. Diese wird im privaten Bereich gesetzlich geregelt durch Sachmängelhaftung sowie im privaten Bereich zusätzlich und im gewerblichen Bereich generell vertraglich durch Garantie.

390

6. Die kaufmännische Auftragsbearbeitung

Gründe für Sachmängel sind vor allem folgende: • Abweichung der Lieferung von der vereinbarten Beschaffenheit. Diese Beschaf­ fenheit ist entweder vertraglich fixiert oder ergibt sich, wenn die Ware sich nicht für die nach Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, wenn sie sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet oder eine Beschaffenheit aufweist, die nicht der üblichen von Gütern gleicher Art entspricht. • Falschlieferung (auch Aliud). Diese ist gegeben, wenn eine andere als die zugesicherte Sache geliefert wird oder eine abweichende Menge. Damit entspricht die Ausführung eines Auftrags dann nicht der Bestellung. • Rechtsmangel. Der Abnehmer kann über die Lieferung nicht so verfügen wie vereinbart, z. B. weil sie mit Rechten Dritter belegt ist. In diesen Fällen entsteht ein Recht auf Nacherfüllung. Diese beinhaltet für gewöhnlich die meist zweimalige Nachbesserung und, nachgelagert, die Preisminderung, die Rückabwicklung des Vertrags als Wandlung oder den Umtausch. Ein Schadensersatz ist möglich, sofern ein Schaden entstanden ist und nachgewiesen wird. Im gewerblichen Bereich kann auf Nachbesserung verzichtet werden und eine Vertragsstrafe fällig werden. Abhilfe kann bei letzteren durch Haftungsausschluss erreicht werden, sofern dies im Vertrag durchsetzbar ist. Bei ersteren ist diese Pflicht nicht abdingbar, auch nicht durch AGBs. Die Garantie ist allgemein eine Selbstbindung des Garantiegebers / ​Lieferanten gegenüber dem Garantienehmer / ​Abnehmer. Die Garantie begründet eine vom Grundgeschäft unabhängige Leistungsverpflichtung des Garanten und muss zusätzlich zum Grundgeschäft vertraglich vereinbart werden. Sie ist freiwillig und wirkt verschuldensunabhängig. Garantien sind in vielfältiger Form Gegenstand von Erlösschmälerungen, wenn sie denn in Anspruch genommen werden, so z. B. als • Bietungsgarantie, dass der Bieter bei Zuschlag auch den Abschluss tätigt bzw. bei Rücktritt vom Gebot eine Zahlung fällig wird, • Anzahlungsgarantie, dass geleistete Anzahlungen bei Nichtabschluss rückerstattet werden, • Erfüllungsgarantie, dass ein Vertrag vom Verkäufer erfüllt wird, • Abnahmegarantie, dass gelieferte Ware auch tatsächlich abgenommen wird, • Zahlungsausfallgarantie, dass bei Ausbleiben der Zahlung ein Garant dafür einspringt, • Gewährleistungsgarantie, dass Mängel während der Gewährleistungsfrist abgestellt werden, die Zahlung dient auch als Rückbehalt zum Ausgleich von Durchführungsproblemen,

6.3 Erlöscontrolling

391

• Kreditsicherungsgarantie, bei einem Bestellerkredit gegenüber der Bank als Rückzahlungsverpflichtung, • Lieferungsgarantie, damit wird einem Lieferverzug finanziell entgegengewirkt. Ziel muss es daher sein, Garantieverträge zu vermeiden oder, wenn dies unvermeidlich ist, dafür Sorge zu tragen, dass der Garantiefall nicht eintritt. Bei Vertragsstrafen handelt es sich um privatrechtliche Strafzahlungen, die bei Zutreffen bzw. Ausbleiben bestimmter Voraussetzungen fällig werden. Dabei sind zwei Gruppen von Strafen zu unterscheiden. Konventionalstrafen setzen zu ihrem Fälligwerden ein schuldhaftes Verhalten des Lieferanten voraus und sind in ihrer Höhe auf den nachzuweisenden Schaden begrenzt. Ohne Verschulden wird daher keine Zahlung fällig, etwa bei höherer Gewalt (Force majeure). Pönale sind hingegen Strafen, die im gewerblichen Vertragsfall unabhängig vom konkreten Verschulden des Lieferanten und vom Entstehen eines Schadens beim Abnehmer in einer vorgegebenen Höhe fällig werden. Solche Pönale können nur von nachfragemächtigen Abnehmern durchgesetzt werden. Beide Strafarten stellen äußerst unangenehme Erlösschmälerungen dar. Gegen solche Schäden kann eine Betriebsschadenhaftpflichtversicherung abgeschlossen werden, die aber erstens teuer und zweitens mit einer Maximaldeckung versehen ist. Anlass für eine solche Strafe kann etwa die Vereinbarung einer Just in timeLieferung oder eines Abrufvertrags sein. Da Abnehmer hier lagerlos oder nur mit sehr geringen Pufferlägern arbeiten, bedeutet eine verspätete Anlieferung von Einsatzstoffen beinahe zwangsläufig eine Betriebsunterbrechung. Diese verursacht neben den zeitabhängigen Fixkosten Einmalkosten für das Herunterfahren der Produktion und deren Wiederhochfahren sowie Erlösausfall i. S. v. Opportunitätskosten. Daher können hier rasch immense Beträge auflaufen. Davon abgesehen ist ein Strafzahlungsanlass immer auch eine Belastung für das Vertrauensverhältnis zwischen Lieferant und Abnehmer und gefährdet akut die Kundenverbundenheit. In wirtschaftlich volatilen Zeiten besteht verstärkt das Risiko des vollständigen oder teilweisen Debitorenausfalls. Zwar gehört eine Bonitätsauskunft zu den Standardvorkehrungen, gerade bei Geschäftsabschlüssen mit Neukunden oder im Ausland. Die wirtschaftliche Situation kann sich aber, ganz abgesehen von der Belastbarkeit dieser Auskunftsdaten, rapide verändern. Dabei ist vor allem auf die Liquidität abzuheben, also auf die Fähigkeit eines Unternehmens, seinen Zahlungsverpflichtungen betrags- und zeitgetreu nachzukommen. Dies bewirkt unmittelbar einen Insolvenzantrag, wird dieser von der Geschäftsleitung des Abnehmerunternehmens nicht gestellt, besteht die Gefahr der Insolvenzverschleppung. Im Fall der Illiquidität oder bei juristischen Personen auch der Überschuldung droht daher die völlige oder zumindest teilweise Uneinbringlichkeit einer Forderung. Dabei erfolgt im Regelinsolvenzverfahren die Befriedigung der Gläubiger im Anteil ihrer Forderungen am Restvermögen als Masse des insolventen Unternehmens. Vorab werden aus dem Vermögen jedoch bevorrechtigte, aussonderungs-

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6. Die kaufmännische Auftragsbearbeitung

und absonderungsberechtigte Forderungen sowie die Massekosten befriedigt, so dass die Restquote meist ausgesprochen gering bleibt, weitergehende Forderungen bestehen dann im Regelfall nicht mehr, der Restbetrag ist also abzuschreiben. Erfolgversprechender ist daher ein Insolvenzplanverfahren, bei dem nicht auf die Abwicklung, sondern auf die Weiterführung des Unternehmens abgezielt wird. Hier muss zwar zunächst auch auf Teile der Forderungen verzichtet werden, dafür besteht die Hoffnung, nach Gesundung des Unternehmens die restlichen Forderungen doch noch eintreiben zu können, Erlösschmälerungen sind also womöglich nur temporär. Am besten kann man sich vor Debitorenausfällen schützen, indem man Zahlungssicherungen mit dem Abnehmer vereinbart. Im Zuge des Kreislaufdenkens ist nicht nur das Hineinbringen von Waren in den Wirtschaftskreislauf zu organisieren und zu bezahlen, sondern auch deren geordnetes Wiederherauslösen. Die für Redistribution entstehenden Kosten sind, sofern sie nicht an Abnehmer weiterberechnet werden können, vom Lieferanten zu tragen. Dabei ist an verschiedene Elemente zu denken: • Die Redistribution von Alt- und Gebrauchtware betrifft deren systematische Rückführung als Wertstoffe. Teilweise ist dies gesetzlich vorgeschrieben wie bei Elektroschrott, Altauto, Arzneimittel etc., teilweise geschieht dies freiwillig aus Gründen der unternehmerischen sozialen Verantwortung (CSR). Für die Rückführung sind teilweise logistische Helfer eingeschaltet, die zu entlohnen sind. Dies geht meist zulasten des Inverkehrbringenden. • Die Redistribution von Verpackungen ist ebenfalls gesetzlich normiert und entsprechend nachzuweisen. Auch hier werden logistische Helfer (z. B. DSD) eingeschaltet, deren Leistungen zu entgelten sind. Darüber hinaus ist die Redistribution von Umverpackungen und Transportverpackungen zu organisieren, die ebenfalls durch Absatzhelfer vorgenommen wird. • Sonderregelungen betreffen Getränkeflaschen als Einweg- und Mehrwegverpackungen mit und ohne Pfand. Hier entsteht ein erheblicher logistischer Aufwand, der oft nicht im Preis weitergewälzt werden kann.

6.3.3 Konditionensystem Bei bewusst herbeigeführten Erlösschmälerungen ergibt sich, im Unterschied zu unvermeidlichen Erlösschmälerungen, die Chance zu deren bewussten Management. Ein solches Konditionensystem unterliegt mehreren Anforderungen (nach Steffenhagen): • Gegenleistungsprinzip, d. h. keine Leistung ohne Gegenleistung des Abnehmers. Es spricht nichts gegen die Gewährung von Nachlässen, gleich welcher Art, an Abnehmer, außer, dass diese gewährt werden, ohne dass dafür eine Gegenleistung erfolgt. Insofern ist bei Vereinbarungen immer darauf zu achten, dass diese

6.3 Erlöscontrolling

393

Äquivalenz gewahrt bleibt. Dabei sind die jeweils erbrachten Leistungen zunächst zu bewerten. • Gleichbehandlung, d. h. gleiche Konditionen bei gleichen Leistungen. Dies ist allein schon deshalb erforderlich, weil ansonsten der Anschein der Willkür unvermeidlich ist, der es schwierig werden lässt, sich angesichts von Nachfragemacht der Forderung nach weiteren Nachlässen zu entziehen. Zumal Konzentrationsund Kooperationsbestrebungen zu einem erhöhten Maß an Konditionentransparenz führen. • Systemtransparenz, d. h. klare Strukturierung und gute Nachvollziehbarkeit des Systems. Dies verhindert, dass man sich im Gestrüpp der Konditionen verheddert bzw. diese für Marktpartner nicht mehr nachvollziehbar sind. Insofern steht es in der Entscheidung der Abnehmer, welche Leistungen sie erbringen wollen, um dafür ausgeschriebene Vergünstigungen zu beanspruchen. • Geringe Konditionenvariation, d. h. kein zu großer Abstand der Konditionen für einzelne Abnehmer. Dies ist allein schon deshalb erforderlich, weil sich ansonsten aufgrund von Meistbegünstigungsklauseln das Konditionenniveau tendenziell auf dem niedrigsten Level einpendelt. Dies schließt dann allerdings Gefälligkeitsentscheidungen aus. • Enge Preisspreizung, d. h. sparsamer Einsatz von Aktionskonditionen. Abgesehen vom Eindruck der Preisschaukelei führt das massive Vorhandensein von Aktionskonditionen zu einer Wahrnehmung, den Aktionspreis als Normalniveau anzusehen und die Rückkehr auf den Normalpreis als vermeintliche Preiserhöhung. Außerdem sind Effekte der Preis-Qualitäts-Vermutung zu berücksichtigen. • Wachstumsanreiz, d. h. eine Systemauslegung, bei der sich Engagement für beide Seiten lohnt. Dies hat Auswirkungen auf den Verlauf von Rabattstaffeln und die Auslegung von Rabattsystemen. So führt etwa ein inkrementaler Rabatt zum Anreiz, möglichst viel Bestellvolumen bei einem Lieferanten zu konzentrieren. • Budgetprinzip, d. h. Konditionen sind nur insofern vertretbar, als sie im Budget liegen. Damit wird verhindert, dass Preisnachlässe ausufern. Es hat für jeden Abnehmer ein Konditionenbudget zu geben, das sich aus seinem Auftrags-, Bestell- und Abwicklungsverhalten ergibt. Dieses gibt die Obergrenze für Konditionen vor. • Verantwortlichkeit, d. h. eindeutige organisatorische Zuordnung. Dabei sind häufig verschiedene Bereiche des Unternehmens angesprochen: Marketing, Vertrieb, Controlling, Accounting etc. Wenn aber viele zuständig sind, ist am Ende keiner zuständig, daher ist eine klare Verantwortlichkeit mit korrespondierender Entscheidungsbefugnis erforderlich. • Handhabbarkeit, d. h. keine komplexen und komplizierten Systeme. Diese mögen zwar dem Gerechtigkeitsstreben innerhalb der Organisation entgegen kom-

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6. Die kaufmännische Auftragsbearbeitung

men, sind aber in der praktischen Implementierbarkeit begrenzt. Nicht alle Konditionen, die möglich sind, sollten auch wirklich genutzt werden. • Flexibilität, d. h. Möglichkeit, auf individuelle Situationen einzugehen. Ein Konditionensystem darf natürlich nicht zum Korsett werden, das keine Chance mehr dazu lässt, auf Bedarfe von Abnehmern einzugehen. Allerdings ist bei Abweichungen von der „Norm“ eine klare Entscheidungszuordnung erforderlich. • Rechtliche Unbedenklichkeit, d. h. keine Regelungen, die nach Gesetz und Ethik angreifbar sind. Dabei ist vor allem an Bestimmungen im GWB zum Diskriminierungsverbot und UWG zur Lauterkeit des Wettbewerbs zu denken, aber auch an freiwillige, darüber hinaus gehende Selbstbeschränkungen. Vor allem sind alle Nichtleistungskonditionen zurück zu weisen, das sind solche, die nicht leistungsbezogen gerechtfertigt sind, sondern nur aufgrund von Marktmacht zustande kommen. Hier hat sich leider eine große Bandbreite von Nachlässen etabliert, die, erst einmal gewährt, leicht in den Besitzstand der Abnehmer übergehen. Als Konsequenz der o. g. Anforderungen bietet sich eine Ausgestaltung des Konditionensystems mit vier Gruppen von Nachlässen an (nach Steffenhagen). Als Zahlungskonditionen kommen folgende in Betracht: • Skontovergütung für frühzeitige Zahlung, • Inkassovergütung bei Absatzhelfern oder bei Zentralregulierung (Handel), sofern geleistet, • Delkrederevergütung bei Absatzhelfern oder bei Zentralregulierung (Handel), sofern geleistet. Als Mengen- und Belieferungskonditionen kommen folgende in Betracht: • Auftragsmengenvergütung nach Abnahmemenge und -struktur, • Vordispositions-/Frühbezugsvergütung als Vorteil in der Planung. Bei den Kaufvolumenkonditionen geht es um die kumulierten Aufträge (Bonus), die als Gutschrift / ​Rückvergütung nachträglich gewährt werden. Als Marktbearbeitungskonditionen bei indirektem Absatz kommen folgende in Betracht: • Listungs- und Distributionsvergütung für die Schaffung der Verfügbarkeit, • Messevergütung für Aktivitäten im Persönlichen Verkauf, • Sonderstammplatz- und Zweitplatzvergütung für die besondere Präsentation, • Aktionspreisvergütung zum Ausgleich von Mindereinnahmen, • Werbekostenzuschuss als Nachlass auf Eigenwerbung.

6.4 Kundenkapital

395

6.4 Kundenkapital Unter Kundenkapital versteht man den Nettonutzen als Überschuss des Bruttonutzens über den zu seiner Erreichung erforderlichen Ressourceneinsatz, den ein Kunde einem Anbieter in ökonomischer und vorökonomischer Form stiftet. Das statische Kundenkapital (Customer equity) kann auf mindestens drei ökonomischen Bezugsgrößen aufbauen. Der Umsatz ist der kumulierte Nettoerlös als Bruttoumsatz nach MwSt. abzgl. aller Preisnachlässe und Erlösschmälerungen zzgl. aller Preiszuschläge aus allen Aufträgen eines Anbieters mit einem Kunden. Dieser Wert ist vergleichsweise leicht zu ermitteln, sagt allerdings noch nichts über die Ertragshaltigkeit eines Kunden aus. Im Gegenteil, häufig sind umsatzstarke Kunden wegen ihrer Nachfragemacht vergleichsweise wenig gewinnhaltig. Die Größen Liquidität und Bonität des Kunden berücksichtigen ergänzend, dass Umsätze mit Kunden nur so gut sind wie deren Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit, also nach Zahlungsausfällen. Der Gewinn ist die Differenz aus dem kumulierten Nettoerlös aus allen Aufträgen eines Anbieters mit einem Kunden abzgl. der kumulierten Selbstkosten für die Ausführung dieser Aufträge. Dieser Wert ist schwierig auszuweisen, weil er erstens eine kunden- bzw. auftragsbezogene Kostenträgerrechnung erfordert, die praktisch häufig nicht vorhanden ist, und zweitens die Problematik der Schlüsselung des Fixkostenblocks enthält. Daher sind Verfahren der Vollkostenrechnung, z. B. Prozesskostenrechnung, erforderlich, die den exakten Gewinn auszuweisen in der Lage sind. Der Deckungsbeitrag ist die Differenz aus dem kumulierten Nettoerlös aus allen Aufträgen eines Anbieters mit einem Kunden und den direkt zurechenbaren, variablen Kosten für die Ausführung dieser Aufträge. Der Deckungsbeitrag dient dann zur Abdeckung des Fixkostenblocks und zur Erzielung eines Residualgewinns. Dieser Wert ist entscheidungsbezogen zweckmäßig, setzt jedoch möglichst eine Deckungsbeitragsrechnung mit relativen Einzelkosten voraus, die praktisch häufig nicht vorhanden ist. Dabei wird eine Bezugsgrößenhierarchie entwickelt, bei der auch Gemeinkosten zu Einzelkosten einer höheren Ebene werden. Weitere Messgrößen können der Umsatzanteil des Kunden, der Lieferanteil des Lieferanten, die Lieferantenposition, der Deckungsbeitragsanteil des Kunden, der Cash-flow bzw. der Cash-flow-Anteil des Kunden oder die Kapazitätsauslastung sein. Die Kostenerfassung erfolgt sukzessiv durch den Buchhaltungskontenrahmen als Kostenartenrechnung, den Betriebsabrechnungsbogen als Kostenstellenrechnung, die Erfolgsrechnung als Kostenträgerzeitrechnung und die Kalkulation als Kostenträgerstückrechnung. Hat man sich für eine dieser Größen entschieden, empfiehlt es sich, ein Ranking der Werte der betreuten oder zur Betreuung vorgesehenen Kunden vorzunehmen. Dafür werden, neben hier nicht weiter zu diskutierenden intuitiven Rankings, ein-

396

6. Die kaufmännische Auftragsbearbeitung

und zweidimensionale Einteilungsverfahren vorgeschlagen. Zu den bekanntesten eindimensionalen Einteilungsverfahren gehören folgende. Das RFMR (Recency, Frequency, Monetary, Ratio) ist ein Scoring-Verfahren. Die einzelnen Begriffe erfassen inhaltlich Folgendes: • Recency steht dabei für die Zeitspanne seit der letzten Bestellung eines Kunden bei einem Anbieter, gemessen seit dem Tag der Auswertung. Je weniger Zeit seit der letzten Bestellung vergangen ist, als desto werthaltiger wird eine Kundenbeziehung angesehen. • Frequency steht für die Häufigkeit der Bestellungen, die ein Kunde innerhalb ­eines definierten Zeitraums bei einem Anbieter getätigt hat. Je häufiger die Zahl der Bestellungen, als desto werthaltiger wird eine Kundenbeziehung angesehen. • Monetary steht für den kumulierten Bestellwert, den ein Kunde innerhalb eines definierten Zeitraums mit einem Anbieter getätigt hat. Je höher der Bestellwert, als desto werthaltiger wird eine Kundenbeziehung angesehen. Ziel der RFMR-Kennzahl ist eine Klassifizierung aller Kunden eines Unternehmens nach ihrer jeweiligen Werthaltigkeit, um daran orientiert differenzierte Betreuungsstandards zu planen und vorzunehmen. Dazu werden zunächst alle Kunden hinsichtlich der Kriterien Zeitspanne seit der letzten Bestellung, Häufigkeit der Bestellungen im Erhebungszeitraum und Wert der kumulierten Bestellungen im Erhebungszeitraum erfasst. Sinnvoll ist dabei eine Klassenbildung und die Zuordnung von Punktzahlen zu jeder Klasse. Die Punktzahl ist umso höher, je werthaltiger die Klasse ist. Damit wird jedem Kunden eine Punktzahl je Bewertungskriterium zugeordnet und die Punktzahlen werden anschließend addiert (siehe Abb. 69: RFMR-Modell (Beispiel)). Denkbar, wenngleich nicht unbedingt empfehlenswert, ist auch eine zusätzliche Gewichtung der Kriterien. Es ergibt sich für jeden Kunden eine Kennzahl, die über seine Werthaltigkeit in Bezug auf die genannten Kriterien Auskunft gibt. Beim FRAT-Verfahren (Frequency, Recency, Amount of purchase, Type of merchandise) wird ein Kunde als umso werthaltiger betrachtet, je häufiger er in einem gegebenen Zeitraum bestellt hat, je weniger Zeit seit seiner letzten Auftragserteilung vergangen ist, je höher der Rechnungsbetrag im gegebenen Zeitraum und je ertragsstärker das dabei gekaufte Produkt war. Beim FRAC-Verfahren (Frequency, Recency, Amount of purchase, Category) wird ein Kunde als umso werthaltiger betrachtet, je häufiger er in einem gegebenen Zeitraum bestellt hat, je weniger Zeit seit seiner letzten Auftragserteilung vergangen ist, je höher der Rechnungsbetrag im gegebenen Zeitraum und je ertragsattraktiver die dabei gekaufte Produktgruppe war (siehe Abb. 70: FRAC-Modell (Beispiel)). Beim AFRA-Verfahren (Affinity, Frequency, Recency, Amount of purchase) wird ein Kunde als umso werthaltiger betrachtet, je häufiger er das bestellte Produkt bereits gekauft hat, je häufiger er in einem gegebenen Zeitraum bestellt hat, je

397

6.4 Kundenkapital

Bestellhäufigkeit in 24 M.

Frist seit letzter Bestellung

Kunde Müller & Co. bis 6 Monate: 40 Punkte

Kunde Meyer KG

Kunde Mertens AG

X

bis 12 Monate: 30 Punkte

X

bis 18 Monate: 20 Punkte

X

bis 24 Monate: 10 Punkte länger zurück: 0 Punkte 4 mal: 40 Punkte

X

3 mal: 30 Punkte

X

2 mal: 20 Punkte 1 mal: 10 Punkte

X

weniger: 0 Punkte

Bestellwert

> 80.000 €: 40 Punkte > 60.000 €: 30 Punkte

X

> 40.000 €: 20 Punkte > 20.000 €: 10 Punkte

X

< 20.000 €: 0 Punkte Punktsumme

X 80

70

60

Abbildung 69: RFMR-Modell (Beispiel)

weniger Zeit seit seiner letzten Auftragserteilung vergangen ist und je höher der Rechnungsbetrag im gegebenen Zeitraum war. Auf Basis dieser und ähnlicher Einteilungen lassen sich Schlussfolgerungen für die Kundenbetreuung in Form von zweidimensionalen Einteilungsverfahren ziehen. Bei der ABCD-Analyse werden die Kunden nach ihrer Werthaltigkeit, alternativ kundenspezifischer Umsatz, Gewinn, Deckungsbeitrag, absteigend gerangreiht. Jedem Kunden wird sein Wertanteil im Rahmen eines Quadranten gegenüber gestellt. Bei Kundenanteilen von 20 %, 40 % und 80 % werden Schnitte gelegt. Relativ wenige Kunden (ca. 20 %) machen erfahrungsgemäß kumuliert den höchsten Kundenkapitalanteil aus, diese werden als A-Kunden bezeichnet und stellen regelmäßig ca. 80 % des Kundenkapitals / ​Pareto-Regel. Relativ viele weitere Kunden (20 %)

398

6. Die kaufmännische Auftragsbearbeitung

Bestellwert

Bestellhäufigkeit in 24 M.

Frist seit letzter Bestellung

Pkt. bis 6 Monate

40

bis 12 Monate

30

bis 18 Monate

20

bis 24 Monate

10

länger zurück

0

4 mal

40

3 mal

30

2 mal

20

1 mal

10

weniger

0

> 80.000 €

40

60.000–80.000 €

30

40.000–59.999 €

20

20.000–39.999 €

10

< 20.000 €

0

A-Produkt

40

B-Produkt

20

C-Produkt

0

Punktsumme

Kunde Müller & Co.

Kunde Meyer KG

Kunde Mertens AG

X X X

X X

X

X X X X X 120

70

80

Abbildung 70: FRAC-Modell (Beispiel)

machen kumuliert einen geringen weiteren Kundenkapitalanteil aus (ca. 10 %), diese werden als B-Kunden bezeichnet, und die restlichen Kunden (ca. 40 %), welche die restlichen ca. 10 % des gesamten Kundenkapitals ausmachen, als C-Kunden. Entsprechend werden abgestufte Betreuungslevels definiert, am höchsten für A-Kunden, am niedrigsten für C-Kunden und für B-Kunden dazwischen liegend. Außerdem werden D-Kunden (20 %) mit negativem Kundenkapital ausgewiesen, für die spezielle Aktivitäten der Profitabilitätssteigerung oder Ausgrenzung vorzusehen sind (siehe Abb. 71: ABCD-Analyse (Beispiel)).

399

D-Kunden

C-Kunden

B-Kunden

A-Kunden

kumulierter Deckungsbeitrag

6.4 Kundenkapital

Rangreihung der Kunden Abbildung 71: ABCD-Analyse (Beispiel)

Nunmehr kann jeder Kundenklasse ein Niveau an Betreuungsmaßnahmen zugeordnet werden. Die A-Kunden erhalten das höchste Betreuungsniveau, die DKunden das niedrigste (hier ist zu überlegen, sich von den D-Kunden zu trennen, wenn deren Werthaltigkeit nicht gesteigert werden kann). Vereinfachend wird häufig auch die ABC-Analyse zugrunde gelegt (siehe Abb. 72: ABC-Analyse nach Kundenanteilen (Beispiel)). Problematisch ist, dass es sich bei diesem Verfahren lediglich um eine Vergangenheitssicht handelt, die Maßnahmen aber planerisch in die Zukunft weisen. Daher sind dynamische Kundenlebenszeitwert-Kennzahlen zu bevorzugen. Außerdem ist fraglich, ob gerade die genannten Kriterien ausschlaggebend für die Kundenwertigkeit sind oder aber andere. Insofern entbehren diese Verfahren nicht einer gewissen Beliebigkeit. Fraglich ist auch, ob und wie die einzelnen Beurteilungskriterien gewichtet werden sollen. Zudem fehlt es häufig einfach auch an der Grundlage der Rechnung, nämlich den auf einzelne Kunden bzw. Aufträge bezogenen buchhalterischen Werten. Beim Kundenkapital-Portfolio werden die Kunden hinsichtlich einer unternehmensbezogenen Größe wie Kundenattraktivität, formalisiert durch Profitabilität, Deckungsbeitrag etc., sowie einer marktbezogenen Größe wie Konkurrenzfähigkeit, formalisiert durch kundenbezogenes Absatzvolumen, kundenbezogenen Beschaffungsanteil insgesamt oder je Category etc., im Rahmen einer Matrix zusammengefasst. Bei ordinaler Einteilung beider Dimensionen jeweils in niedrig und hoch ergeben sich vier Felder. Starkunden sind solche mit sowohl hoher Kundenat-

400

6. Die kaufmännische Auftragsbearbeitung

% der KundenGewinn pro Gewinn pro ZeitKunden Nummer Zeiteinheit einzeln einheit kumuliert

in %

Kunden- % des klasse Gewinns

12,5

1 2 3

800.000 600.000 400.000

800.000 1.400.000 1.800.000

25,6 44,8 57,6

A A A

57,6

25,0

4 5 6 7 8 9

200.000 180.000 160.000 140.000 120.000 100.000

2.000.000 2.180.000 2.340.000 2.480.000 2.600.000 2.700.000

64,0 69,7 74,9 79,3 83,2 86,4

B B B B B B

28,8

62,5

10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24

60.000 55.000 50.000 45.000 40.000 35.000 30.000 25.000 20.000 18.000 16.000 12.000 10.000 6.000 4.000

2.760.000 2.815.000 2.865.000 2.910.000 2.950.000 2.985.000 3.015.000 3.040.000 3.060.000 3.078.000 3.094.000 3.106.000 3.116.000 3.122.000 3.126.000

88,3 90,1 91,7 93,1 94,4 95,5 96,5 97,2 97,9 98,5 99,0 99,4 99,7 99,9 100,0

C C C C C C C C C C C C C C C

13,6

Abbildung 72: ABC-Analyse nach Kundenanteilen (Beispiel)

traktivität und als auch eigener Konkurrenzfähigkeit, Potenzialkunden sind solche mit hoher Kundenattraktivität bei niedriger eigener Konkurrenzfähigkeit, Mitnahmekunden sind solche mit niedriger Kundenattraktivität bei hoher eigener Konkurrenzfähigkeit und Auslaufkunden solche mit sowohl niedriger Kundenattraktivität als auch eigener Konkurrenzfähigkeit (siehe Abb. 73: Kundenkapital-Portfolios). Die Betreuungsintensität sollte in dieser Reihenfolge abnehmen. An den Beispielgrößen Deckungsbeitrag und Absatzvolumen festgemacht, entstehen für Kunden folgende Kategorien: • sowohl Deckungsbeitrag als auch Absatzvolumen hoch: Kundenbeziehung forcieren,

401

6.4 Kundenkapital

Konkurrenzfähigkeit (relativer Anteil am Einkaufsvolumem des Abnehmers)

Kundenattraktivität (Wachstum des Einkaufsvolumens des Abnehmers)

niedrig

hoch

niedrig

Auslaufkunden (sukzessiv bereinigen)

Potenzialkunden (aggressiv akquirieren)

hoch

Mitnahmekunden (pflegen und „melken“)

Starkunden (intensivst betreuen)

Absatzvolumen pro Kunde

Deckungsbeitrag pro Kunde

niedrig

hoch

niedrig

Kundenbeziehung abbauen

Mengenausweitung anstreben

hoch

Konditionenverbesserung versuchen

Kundenbeziehung forcieren

Abbildung 73: Kundenkapital-Portfolios

• Deckungsbeitrag niedrig und Absatzvolumen hoch: Konditionenverbesserung suchen, • Deckungsbeitrag hoch und Absatzvolumen niedrig: Mengenausweitung an­streben, • sowohl Deckungsbeitrag als auch Absatzvolumen niedrig: Kundenbeziehung abbauen. Auch hier ergeben sich wesentliche Unwägbarkeiten durch die Wahl der Portfolio-Dimensionen, durch die letztlich subjektive Einteilung in die jeweiligen Felder und die entsprechende Abstufung der Kontaktstandards. Bei diesen Betrachtungen stellt sich die nicht unwesentliche Frage, wer eigentlich Kunde ist. Denkbar sind: • die Person des Einkäufers. Dabei ist allerdings unklar, ob der Einkäufer selbst entscheidet, mit welchem Anbieter er in Transaktion tritt, oder er nur nach Vorgabe kaufmännisch handelt. • die Abteilung des Unternehmens (Sekundärorganisation). Dafür werden häufig formelle oder informelle Einkaufsgremien tätig, die sich aus verschiedenen

402

6. Die kaufmännische Auftragsbearbeitung

Funktionen zusammensetzen wie Entscheider, Beeinflusser, Nutzer, Informationsselektierer und Einkäufer. • die Division des Unternehmens. Dabei wird unterstellt, dass Divisions eigenständig über die Wahl der Anbieter, mit denen sie in Transaktion treten, entscheiden können, was aus übergeordneten Gründen nicht so sein muss. • das Unternehmen selbst. Dem liegt die Erfahrung zugrunde, dass der Einkauf häufig im Unternehmen zentralisiert organisiert ist, um dort Degressions- und Nachfragemachteffekte zu erreichen und das Einkaufsvolumen und den damit verbundenen Cash drain bei zunehmendem Outsourcing besser kontrollieren zu können. • die Holding. Dabei kauft eine Dachgesellschaft für die ihr angeschlossenen operativen Einheiten ein. Viele kleine Kunden können somit auf Holding-Ebene betrachtet durchaus einen Großkunden ergeben, der ein höheres Betreuungsniveau rechtfertigt. Betrachtungen des statischen Kundenkapitals kranken jedoch an der Tatsache, dass die Kundenbeziehung sich im Zeitablauf entwickelt, also eine dynamische Kundenkapitalbetrachtung erfordert. Diese erbringt neue Erkenntnisse insofern, als sie Erträge differenziert nach dem Zeitpunkt ihres Geldmittelflusses bewertet. So sind Erlöse, also Auszahlungen von Kunden, umso werthaltiger, je weiter sie vom Betrachtungszeitpunkt aus zurück liegen bzw. je näher sie voraus liegen. Und Investitionen, also Einzahlungen an Kunden, sind umso weniger werthaltig, je näher sie vom Betrachtungszeitpunkt aus zurück liegen bzw. je ferner sie voraus liegen.

6.5 Kundenlebenszeitwert Unter dynamischem Kundenkapital als Kundenlebenszeitwert (Customer lifetime value)  versteht man die zusätzliche Zeitbasierung des Kundenkapitals auf einen gemeinsamen Betrachtungszeitpunkt. Dies bedarf einer Rechenbasis. Dafür kann das Investitionsrechnungsverfahren der Kapitalwertmethode eingesetzt werden. Denn zweifelsfrei lässt sich die Beziehung zu einem Kunden als Investitionsbeziehung interpretieren, bei der am Anfang und laufend Einzahlungen getätigt werden, um dadurch zu laufenden Auszahlungen zu gelangen, ganz so wie bei der Investition in eine maschinelle Anlage. Sie nimmt eine Aufzinsung aller Ein- und Auszahlungen der Vergangenheit sowie eine Abzinsung aller Ein- und Auszahlungen der Zukunft jeweils auf den Betrachtungszeitpunkt vor. Ein positiver Kapitalwert bedeutet also, dass der Saldo der aufgezinsten Einzahlungen der Vergangenheit und der abgezinsten Einzahlungen der Zukunft in einen Kunden geringer ist als der Saldo der aufgezinsten Auszahlungen der Vergangenheit und der abgezinsten Auszahlungen der Zukunft von einem Kunden.

6.5 Kundenlebenszeitwert

403

Absatzmengensteigerung primärer Kundenwert Effektivpreissteigerung Kundenlieferanteilserhöhung sekundärer Kundenwert Cross selling-Initiierung Referenzierung tertiärer Kundenwert Weiterempfehlung Informationsnutzen quartärer Kundenwert Integrationsnutzen

Abbildung 74: Kundenerfolgsgrößen

Für die Anwendung dieses Rechenverfahrens sind allerdings einige Festlegungen zu treffen, so die Wahl des kalkulatorischen Zinssatzes, des anzunehmenden Prognosezeitraums, des zugrunde zu legenden Prognoseverfahrens und der vermuteten, realen Preisniveauentwicklung. Dabei können vier Teilwerte unterschieden werden (siehe Abb. 74: Kundenerfolgsgrößen). Der primäre Kundenlebenszeitwert ergibt sich aus dem Überschuss der auf den Betrachtungszeitpunkt diskontierten Einzahlungen für einen Kunden zu seinen diskontierten Auszahlungen aus Transaktionen für das Produkt, das der Kunde ursprünglich gekauft hat. Eine Werterhöhung kann hier sowohl durch Absatzmengensteigerung als auch durch Effektivpreissteigerung erreicht werden. Der sekundäre Kundenlebenszeitwert ergibt sich durch Addition des primären Werts eines Kunden und des Überschusses der auf den Betrachtungszeitpunkt diskontierten Einzahlungen für einen Kunden zu seinen diskontierten Auszahlungen aus Transaktionen in- oder außerhalb der Produktgruppe. Bei ersterem handelt es um eine Erhöhung des Kundenlieferanteils beim Kunden innerhalb der angestammten Produktgruppe als Share of wallet. Bei letzterem um die Initiierung zusätzlicher Transaktionen außerhalb der Produktgruppe mit anderen Produkten als Cross selling. Der tertiäre Kundenlebenszeitwert ergibt sich durch Addition des sekundären Werts eines Kunden und des Zuwachses von Aufträgen von anderen Kunden infolge der Tätigkeit für diesen spezifischen Kunden. Dabei kann es sich um eine Ak-

404

6. Die kaufmännische Auftragsbearbeitung

quisitionserhöhung durch Nennung des Kunden als Aktivreferenz (Referenzierung) handeln oder um eine solche durch Weiterempfehlung des Kunden selbst an Dritte. Der quartäre Kundenlebenszeitwert ergibt sich durch Addition des tertiären Werts und des Nutzens aus der laufenden Zusammenarbeit mit dem Kunden als Running business. Dabei kann es sich sowohl um die Anregung neuer Produkte handeln, die erst durch Anstoß des Kunden entstehen als Informationsnutzen wie auch um die Erhöhung der Kundenbindung durch verstärkte Einbeziehung in die Wertkette des Kunden als Kooperationsnutzen. Daraus ergeben sich zwei Beziehungskennzahlen, die zur evaluierenden Beurteilung eines Kunden dienen. Die Kundenprofitabilität ergibt sich als zum Betrachtungszeitpunkt durch Ein- und Auszahlungen der Vergangenheit bereits realisierter, absoluter Kundenwert. Ihm kann der durch Ein- und Auszahlungen der Zukunft noch zu realisierende, potenzielle Kundenwert gegenübergestellt werden. Dabei kann auf die zwei abgestuften Kundenerfolgsgrößen ökonomischer oder vorökonomischer Kundenwert Bezug genommen werden. Beispiel: Kunde A: • Auf den Gegenwartszeitpunkt diskontierte Einzahlungen in den Kunden: 393.000 € • Auf den Gegenwartszeitpunkt diskontierte Auszahlungen vom Kunden: 425.000 € • Kundenprofitabilität: 32.000 € Kunde B: • Auf den Gegenwartszeitpunkt diskontierte Einzahlungen in den Kunden: 133.000 € • Auf den Gegenwartszeitpunkt diskontierte Auszahlungen vom Kunden: 177.000 € • Kundenprofitabilität: 44.000 € Die Kundenrentabilität ergibt sich als relativer Wert, d. h. als Differenz der Auszahlungen von und der Einzahlungen in einen Kunden bezogen auf die Einzahlungen in einen Kunden. Diejenige Kundenbeziehung ist c. p. die rentablere, die den gleichen Kundenwert mit weniger Einzahlungen realisiert bzw. bei gleichen Einzahlungen den höheren Kundenwert realisiert. Beispiel: Kunde A: • Dynamischer Kundenwert: 32.000 € • Diskontierte Einzahlungen in den Kunden: 393.000 € • Kundenrentabilität: 8,1 % Kunde B: • Dynamischer Kundenwert: 44.000 € • Diskontierte Einzahlungen in den Kunden: 133.000 € • Kundenrentabilität: 33,0 %

6.5 Kundenlebenszeitwert

Einzahlungen der Vergangenheit

Einzahlungen der Zukunft

Auszahlungen der Vergangenheit

Auszahlungen der Zukunft

405

Gegenwartszeitpunkt

Abbildung 75: Einflussgrößen auf den Kundenlebenszeitwert

Als Einflussgrößen auf den Kundenlebenszeitwert wirken die Einzahlungen der Vergangenheit, die Auszahlungen der Vergangenheit, die Einzahlungen der Zukunft und die Auszahlungen der Zukunft ein. Diese Zahlungsströme entstehen im Einzelnen aus verschiedenen Größen (siehe Abb. 75: Einflussgrößen auf den Kundenlebenszeitwert). Die Einzahlungen der Vergangenheit setzen sich aus folgenden Größen zusammen: • Erstakquisition. Dazu gehören alle Aufwendungen, die erforderlich waren, die erste Transaktion mit einem Kunden zu generieren. • Laufende Betreuung. Dazu gehören alle Aufwendungen, die laufend erforderlich sind, um die Geschäftsbeziehung zu einem Kunden aufrecht zu erhalten und zu pflegen. • Kundenreaktivierung. Dazu gehört der Aufwand für die Aktualisierung einer passiv gewordenen Kundenbeziehung. • Kundenrückgewinnung. Dazu gehört der Aufwand für die Erneuerung einer bereits aufgekündigten Kundenbeziehung. Die Auszahlungen der Vergangenheit setzen sich aus folgenden Größen zusammen: • Erstauftrag enthält alle Erträge, die aus der Erstakquisition eines Kunden erzielt worden sind. • Folgeaufträge enthalten alle Erträge, die aus der laufenden Geschäftsbeziehung zu einem Kunden erzielt worden sind. • Kundenreaktivierung, dazu gehört der Ertrag aus der erfolgreichen Aktualisierung einer passiv gewordenen Kundenbeziehung. Die Einzahlungen der Zukunft setzen sich aus folgenden Größen zusammen: • Laufende Betreuung enthält alle Aufwendungen, die laufend erforderlich werden, um die Geschäftsbeziehung zu einem Kunden aufrecht zu erhalten und zu pflegen. • Kundenreaktivierung, dazu gehört der Aufwand für die mögliche Aktualisierung einer passiv werdenden Kundenbeziehung.

406

6. Die kaufmännische Auftragsbearbeitung

• Kundenrückgewinnung, dazu gehört der Aufwand für die mögliche Erneuerung einer bereits aufgekündigten Kundenbeziehung. Die Auszahlungen der Zukunft setzen sich aus folgenden Größen zusammen: • Folgeaufträge enthalten alle Erträge, die aus der laufenden Geschäftsbeziehung zu einem Kunden erzielt werden. • Kundenreaktivierung, dazu gehört der Ertrag aus der erfolgreichen Aktualisierung einer passiv werdenden Kundenbeziehung. Diese Beträge sind noch um einen Migrationsfaktor zu korrigieren, der die wohl unvermeidliche Minderung der Werthaltigkeit eines Kunden durch dessen Abwanderung zu anderen Anbietern, ohne die Chance der Rückgewinnung, durch Aufgabe des Geschäftsfelds, z. B. durch verschmelzende Fusion, infolge Aufgabe der Geschäftstätigkeit, z. B. bei Liquidation, oder durch Standortwechsel/-schließung berücksichtigt. Praktisch kann dies als Multiplikator < 1 ausgedrückt werden. Für die Steigerung der Kundenwertigkeit bieten sich somit zwei Ansatzpunkte an, die Senkung der Einzahlungen und / ​oder die Steigerung der Auszahlungen. Tabelle 7 Kundenwertermittlung (Beispiel) Kundenwert-Abstufungen für Kunde X (i = 5 %) • Kundenwert 1: auf Basis von Aufträgen in der angestammten Produktgruppe: 2.126 GE • Einzahlungen aus der Vergangenheit (−): 8.806 GE • Einzahlungen in der Zukunft (−): 5.932 GE • Einzahlungen in der Zukunft zum Ausbau des Lieferantenanteils (−): 59 GE • Auszahlungen aus der Vergangenheit (+): 8.031 GE • Auszahlungen in der Zukunft (+): 8.892 GE • Kundenwert 2: unter Berücksichtigung von Aufträgen in anderen eigenen Produktgruppen: 1.705 GE • Einzahlungen in der Zukunft für Cross selling (−): 1.796 GE • Auszahlungen in der Zukunft aus Cross selling (+): 1.375 GE • Kundenwert 3: unter Berücksichtigung von Weiterempfehlung zu Drittaufträgen: 2.013 GE • Auszahlungen in der Zukunft aus Weiterempfehlung (−): 308 GE • Kundenwert 4: unter Berücksichtigung von Informationsnutzen zur Kundenbindung: 2.321 GE • Auszahlungen in der Zukunft aus Informationsnutzen (+): 308 GE • Kundenwert 5: nach Abzug von Opportunitätskosten aus entgangenen Aufträgen: 1.263 GE • Opportunitätskosten (−): 1.058 GE

7. Die technische Auftragsbearbeitung Die technische Auftragsbearbeitung betrifft heterogene Inhalte der Abwicklung. Dazu gehören eine Übersicht des Beauftragungsprozesses als Grundlage (7.1), die Handelsdokumente zur Formalisierung (7.2), die Distributionslogistik zum Vollzug (7.3) sowie Formen der Lieferungsbedingungen (7.4). Weiterhin geht es um die Transport- und Lagerungsentscheide der Raum- und Zeitüberbrückung (7.5/7.6), die Redistribution in der Kreislaufwirtschaft (7.7) und logistische Absatzhelfer zur Unterstützung (7.8) (siehe Abbildung 76: Phasen der Auftragsbearbeitung). Anfrage Angebotseinreichung Angebotsvergleich Nachverhandlung Angebotsannahme Auftragsbestätigung Losfreigabe Bestellannahme

Verkäuferseite

Käuferseite

Abbildung 76: Phasen der Auftragsbearbeitung

7.1 Beauftragungsprozess Ausgangspunkt des Beauftragungsprozesses ist im Regelfall die Anfrage eines potenziellen oder aktuellen Kunden. Diese Anfrage zielt auf die Ermittlung der günstigsten unter mehreren ausgewählten Bezugsquellen ab. Sie hat keine rechtliche Bindungswirkung und dient der Einholung von Angeboten. Sie ist formfrei,

408

7. Die technische Auftragsbearbeitung

unverbindlich und verpflichtet nicht zum Kauf. Der Inhalt kann allgemein gehalten oder spezifiziert sein, z. B. nach Qualität, Preis, Lieferzeit. Eine Anfrage eines internationalen Konzerns hat beispielsweise folgende Inhalte: • Product (infrage stehende Ware / ​Dienstleistung), • Number of items (gewünschte Mengeneinheiten), • Quotation price incl. freight, insurance, duty (Angebotspreis incl. Fracht, Versicherung, Zoll), • Closing date and exact time (Schließungsdatum und Uhrzeitvorgabe), • Delivery time / ​Stock availability (Lieferzeit, Lieferfähigkeit ab Lager), • Method of submission (gewähltes Ausschreibungsverfahren), • Currency, Tax (Währung, Steuern), • Payment terms / ​Release of payment (unterlegte Zahlungsbedingungen, Zahlungsfreigabe), • After services required (erforderliche Nachkaufkundendienste), • Period of binding of quotes (Bindungsdauer des Angebots), • Partial bids (if possible) (Teilgebote, wenn möglich), • Evaluation criteria (zugrunde gelegte Bewertungskriterien), • Date of issue (Bekanntgabedatum), • Contact person (Ansprechpartner). Das Angebot ist darauf bezogen, die rechtsverbindliche mündliche, fernmündliche, telekommunikative, fernschriftliche oder schriftliche Willenserklärung des Verkäufers an eine bestimmte natürliche oder juristische Person oder Personengruppe, also Kaufinteressenten, nicht die Allgemeinheit, unter den angegebenen Bedingungen einen Kaufvertrag über Waren und Dienste einzugehen. Das Angebot kann verbindlich sein oder in seiner Bindung eingeschränkt oder ausschließend wirken. Üblicherweise werden mind. drei Angebote („Triple pitch“) eingeholt, die hinsichtlich ihrer Bedingungen inhaltlich und formal vergleichbar sein müssen, um aussagefähig zu sein. Wird dieses Angebot ohne Einschränkungen wie Freizeichnung, Fristangabe etc. abgegeben, ist der Anbieter daran gebunden. Ein verlangtes Angebot erfolgt auf Anfrage, ein unverlangtes Angebot erfolgt zur bloßen Information. Das Angebot kann an sich formlos erfolgen. Zweckmäßig sind jedoch so vollständige und unmissverständliche Angaben, dass ein Kaufvertrag durch bloße Bejahung zustande kommen kann. Angebotsinhalte sind Art, Güte, Menge und Preis der Ware, Lieferungs- und Zahlungsbedingungen, Verpackungskosten, Lieferzeit, Erfüllungsort und Gerichtsstand, Eigentumsvorbehalt, Gewährleistun-

7.1 Beauftragungsprozess

409

gen etc. Ein Angebot an die Allgemeinheit, also eine Vielzahl von Personen gerichtet, ist nur als Aufforderung zur Abgabe eines Antrags anzusehen. Ein Angebot unter Anwesenden muss sofort angenommen werden, da sonst die Bindung des Antragstellers erlischt. Dies gilt für Anträge in persönlicher Form, aber auch per Telefon oder Datenendgerät, wenn eine Bestätigung oder Ablehnung seitens des Empfängers auf elektronischem Wege möglich und vorgesehen ist. Ein Angebot unter Abwesenden kann nur bis zum Zeitpunkt angenommen werden, zu dem man den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten kann. Dabei wird ein gleich schnelles Kommunikationsmedium unterstellt, wie für die Antragstellung. Ein Angebot mit Fristsetzung gilt nur bis zum Fristende. Ein Angebot wird in dem Augenblick verbindlich, in dem es den Empfänger erreicht. Ein Widerruf ist nur wirksam, wenn er vor- oder gleichzeitig mit dem Angebot eingeht. Der Angebotsvergleich stellt abnehmerseitig eingegangene Angebote gegenüber und ermittelt die günstigste Einkaufsmöglichkeit. Dessen Lieferant erhält dann einen Auftrag. Dieser ist wiederum formfrei, regelmäßig jedoch schriftlich, und wird zur Vermeidung von Übertragungsfehlern und Missverständnissen im Allgemeinen durch eine Auftragsbestätigung bestärkt. Wird der Inhalt eines Antrags bei der Annahme verändert, gilt dies als Ablehnung des ursprünglichen Angebots und zugleich als neuer Antrag. Wird ein Auftrag verspätet angenommen, genauer später als unter normalen Umständen üblich, gilt dies als neuer Antrag, der wiederum annahmebedürftig ist. Wird ein Antrag freibleibend unterbreitet, kommt ein Vertrag erst bei Annahme des Käufers und, unter Kaufleuten, bei Auftragsbestätigung des Verkäufers zustande. Bei Zusendung unbestellter Ware wird dem Antrag durch Annahme, Bezahlung, Ge- oder Verbrauch der Ware zugestimmt. Ausnahmen gelten für Haustürgeschäfte und Teledienste. In der Nachverhandlung erfolgt eine Justierung mindestens folgender Inhalte: • Gegenstand des Vertrags, • Liefer- und Leistungsgegenstand, • zusätzliche / ​ergänzende oder Folgeleistungen, • Lieferkonditionen, • Liefer- und Erfüllungsort, • Lieferzeitpunkt/-zeitraum, • Informations- und Dokumentationspflichten des Lieferanten, • Haftung und Gewährleistung, • Mitwirkungs- und Informationspflichten des Kunden, • Kaufpreis incl. Nebenkosten,

410

7. Die technische Auftragsbearbeitung

• Zahlungsbedingungen, • Kreditbedingungen und Sicherungsklauseln, • Know-how-Transfer und Geheimhaltung, • Änderungs-, Rücktritts- und Kündigungsmöglichkeiten, • Formalvereinbarungen wie Gerichtsstand, Vertragsstrafen, salvatorische Klausel etc. Die Auftragsbestätigung dient als zweite Willenserklärung im Rahmen eines Kaufvertrags und wird zu dessen Wirksamkeit notwendig, wenn eine Bestellung (Antrag) ohne vorheriges Angebot erfolgte. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Vertragspartner Kaufleute sind und bereits vorher in Geschäftsbeziehungen gestanden haben, denn Schweigen gilt unter Kaufleuten als Zustimmung. Dennoch empfiehlt sich auch dann allein schon aus inhaltlichen Gründen eine Auftragsbestätigung. Selbst bei zwei übereinstimmenden Willenserklärungen kann ein Kaufvertrag nicht zustande gekommen sein (= Nichtigkeit) oder nachträglich für unwirksam erklärt werden (= Anfechtbarkeit). Gründe für die Nichtigkeit sind die Abgabe einer Willenserklärung durch einen Geschäftsunfähigen, die fehlende Zustimmung durch den gesetzlichen Vertreter zum Rechtsgeschäft eines beschränkt Geschäftsfähigen, der Verstoß gegen die gesetzlich vorgeschriebene oder vereinbarte Form, der Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot, die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts, das Scheingeschäft und das Scherzgeschäft. Gründe für die Anfechtbarkeit sind der Irrtum als Erklärungsirrtum, z. B. durch Verschreiben, Versprechen, oder Inhaltsirrtum, die unrichtige Übermittlung, die arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung. Die zuvor abgegebene Willenserklärung wird erst durch fristgerechte Anfechtung ein Jahr nach Kenntnis der Täuschung bzw. Wegfall der Zwangslage bei arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung bzw. unverzüglich nach Feststellung bei Erklärungs- oder Inhaltsirrtum nichtig. Die Bestellung ist die verbindliche Willenserklärung des Käufers gegenüber einem Käufer, eine bestimmte Ware oder Dienstleistung zu den angegebenen Bedingungen zu erstehen. Sie wird in dem Augenblick verbindlich, in dem sie den Empfänger erreicht. Sie kann formlos erfolgen, wird aber in der kaufmännischen Praxis schriftlich erteilt oder zumindest schriftlich bestätigt. Ein Widerruf gilt nur, wenn er vor oder gleichzeitig mit der Bestellung beim Auftragnehmer eingeht. Da hierbei kein einzelfall-spezifiziertes Angebot zugrunde liegt, werden alle Vertragsbestandteile wiederholt, die für ein Angebot typisch sind. Bei unveränderter Bestellung auf ein Angebot kommt ein wirksamer Kaufvertrag durch bloße Annahme zustande, bei abgeän­derter Bestellung handelt es sich dabei um einen neuen Antrag, dem der Vertragspartner erst neu zuzustimmen hat. Auf eine unveränderte Bestellung kann eine Auftragsbestätigung als Absicherung erfolgen. Diese erfolgt auch, wenn das Angebot abgeändert, es verspätet angenommen, ohne vorheriges Angebot bestellt wird oder das Angebot freibleibend war. Die Bestellung umfasst meist standardi-

7.2 Handelsdokumente

411

sierte (AGBs) und individualisierte Vertragsbestandteile wie Menge, Zeitpunkt, Wert, Ort etc. Die Bestellannahme ist die Willenserklärung des Verkäufers, mit der er sich bereit erklärt, die bestellte Ware zu den angegebenen Bedingungen zu liefern. Bei der Bestellung auf Basis eines Angebots dient die Bestellannahme nur der Bestätigung der getroffenen Vereinbarungen, ist also rechtlich eigentlich nicht notwendig. Bei einer Bestellung ohne Angebot ist eine Bestellannahme zum Zustandekommen des Abschlusses unerlässlich.

7.2 Handelsdokumente Häufig sind Unvollkommenheiten in der rein operativen Auftragsabwicklung (Order processing) Grund für nachhaltige Kundenunzufriedenheiten. Insofern tut der Anbieter gut daran, sich diesem „Paperwork“ angemessen zu stellen. Vor allem im internationalen Geschäft besteht ein besonderes Sicherheitsbedürfnis hinsichtlich des Austauschs von Leistungen, d. h. in Bezug auf die Zahlung von Geld und die Abgabe von Ware und / ​oder Diensten. Vor allem besteht ein Risiko dahingehend, ob die vom Lieferanten erbrachten Leistungen nach Art und Umfang der geforderten Leistung des Abnehmers entsprechen, dass diese von beteiligten Dritten zutreffend beurteilt werden und den jeweiligen Status des Leistungstransfers ausweisen. Diese Funktionen übernehmen Handelsdokumente, die im Hinblick auf die Warensendung ausgestellt werden. Sie betreffen Lieferungssicherung, Zahlungssicherung, Vereinfachungen der Eigentumsübertragung und Finanzierungsmöglichkeiten. Diese Dokumente nehmen verschiedene Aufgaben wahr, so eine • Beweisfunktion, z. B. für Gewicht, Einlagerung, • Vertragserfüllungsfunktion, • Sperrfunktion, d. h. die Möglichkeit, die Verfügung zu verhindern, • Legitimationsfunktion, d. h. den Herausgabeanspruch an einer Sache, • Wertpapierfunktion zur Vorlegung und Einlösung, • Finanzierungsfunktion zur Bevorschussung. Bei Dokumenten sind folgende Inhalte zu unterscheiden: • Bei Transportdokumenten handelt es sich im Wesentlichen bei der Seeschifffahrt um das Konnossement oder den Seefrachtbrief, bei der Binnenschifffahrt um den Ladeschein, beim Bahnverkehr um den Eisenbahnfrachtbrief, beim Luftverkehr um den Luftfrachtbrief, beim Straßenverkehr um die Übernahmebescheinigung sowie beim Postverkehr um den Posteinlieferungsschein.

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7. Die technische Auftragsbearbeitung

• Bei den Lagerungsdokumente handelt es sich im Wesentlichen um den Lager­ schein, und zwar in den Ausprägungen als Namenslagerschein, Orderlagerschein oder Inhaberlagerschein. • Bei den Versicherungsdokumenten geht es um die Abdeckung von Transportund Lagerungsrisiken sowie Zahlungs- und Transferrisiken. • Bei den Zahlungsdokumente sind im Wesentlichen Schecks als Inhaberscheck oder Orderscheck, und Wechsel als Orderpapier, einfach als Tratte, gezogen als Akzept oder an sich selbst (Sola) zu nennen. Für Wechsel bieten sich mehrfache Verwertungsmöglichkeiten. • Als Zolldokumente fungieren vor allem die Handelsrechnung, die Konsulatsfaktura, die Zollfaktura und die Pro-forma-Rechnung mit Wertanzeige der Lieferung, aber ohne Zahlungsaufforderung. • Außerdem gibt es Spezifikationsdokumente wie Packliste, Ursprungszeugnis, Warenverkehrsbescheinigung, Lieferantenerklärung, Gesundheitszeugnis, Inspektionszertifikat. Man unterscheidet bei den Handelsdokumenten verschiedene Arten von Dokumenten, so Wertpapiere, Beweispapiere und Legitimationspapiere. Bei den Wertpapieren kann man mehrere Arten unterscheiden, hier interessieren nur Warenwertpapiere als Verfügungsrecht über Waren. Hierzu gehören das Konnossement, d. h. der Seefrachtbrief, der Ladeschein, der bei der Binnenschifffahrt ausgestellt wird, sowie der Orderlagerschein. Wer diese Wertpapiere rechtmäßig besitzt, ist Eigentümer der Waren. Somit ersetzt die Übertragung dieser Papiere die Übergabe der Waren. Auf diese Weise können schwimmende oder eingelagerte Waren ohne Weiteres veräußert oder verpfändet werden. Beweispapiere sind Urkunden, bei denen weder eine Vorlage- noch eine Einlösepflicht besteht. Sie dienen der vereinfachten Beweisführung als dokumentatorische Erhärtung. Der Gläubiger kann seine Berechtigung jedoch auch anders darlegen, der Schuldner kann die Rechtmäßigkeit der Vorlage auch bestreiten. Beispiele für Beweisurkunden sind Frachtbrief, Posteinlieferungsschein, Kreditversicherungspolice, Zollpapiere etc. Legitimationspapiere sind Urkunden, bei welchen der Verpflichtete ohne Prüfung der Empfangsberechtigung an den Inhaber der Urkunde leisten kann. Er ist berechtigt, jedoch nicht verpflichtet, die Verfügungsberechtigung nachzuprüfen. Sie besitzen eine Einlösepflicht, aber keine Vorlagepflicht, d. h., der Gläubiger kann seine Berechtigung auch auf andere Weise darlegen. Gläubiger der Leistung ist immer der Berechtigte. Ist in der Urkunde sein Name bezeichnet und vereinbart, dass der Schuldner an jeden Inhaber der Urkunde leisten darf, so wird der Schuldner durch die Leistung an den Inhaber frei, auch wenn es nicht der Berechtigte war. Beispiele sind Lagerempfangsschein und Versicherungspolice auf Inhaber. Legitimationspapiere können qualifiziert oder einfach erteilt werden. Erstere sind

7.2 Handelsdokumente

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benannt oder nicht benannt, bei letzteren handelt es sich z. B. um Gepäckschein oder Reparaturschein. Nach der Übertragungsform kann man Dokumente nach Inhaber-, Order- und Rektapapieren unterscheiden. Rektapapiere (Namenspapiere)  sind Wertpapiere, die auf den Namen einer bestimmten Person lauten und nur durch Einigung und Übergabe der zedierten Urkunde nach gewöhnlicher Abtretung als Zession, nicht durch Indossament, im Eigentum auf eine andere Person übertragen werden können. Geborene Orderpapiere werden durch eine negative Orderklausel („nicht an Order“) zu Rektapapieren. Berechtigt ist immer nur die in der Urkunde namentlich genannte Person des Erwerbers als Rechtsnachfolger. Beispiele sind Transportversicherungspolice, Grundschuldbrief etc. Eine Zession wird durch Vorlage einer Abtretungsurkunde dokumentiert, in welcher der Zessionar namentlich bezeichnet ist. Diese Anzeige kann nur zurückgenommen werden, wenn der als neuer Gläubiger Bezeichnete dem zustimmt. Der Schuldner ist dem Zessionar gegenüber nur unter der Voraussetzung der Vorlage dieser Urkunde leistungsverpflichtet. Orderpapiere lauten auf den Namen des Berechtigten und können vereinfacht durch Einigung und Übergabe einer indossierten Urkunde übergeben werden. Berechtigter ist jeweils der letzte durch Indossament Benannte. Das verbriefte Recht können nur die durch den Aussteller benannte Person oder eine andere von den / ​ dem Berechtigten durch Indossament bezeichnete Person geltend machen. Man unterscheidet geborene Orderpapiere, bei denen die Orderklausel nicht konstitutiv ist, sie sind vielmehr kraft Gesetz Orderpapiere wie z. B. Wechsel, Orderscheck, Namensaktie und gekorene Orderpapiere, bei denen die Orderklausel konstitutiv ist, d. h., sie werden erst durch die Orderklausel („für mich / ​uns an die Order der / ​des …“) zu Orderpapieren wie z. B. Ladeschein, Orderlagerschein, Konnossement, Transportversicherungspolice. Geborene Orderpapiere lauten auf den Namen einer bestimmten Person oder deren Order. Die Eigentumsübertragung erfolgt durch Indossament und Übergabe. Gekorene Orderpapiere können nur durch Indossament übertragen werden. Der Erwerber wird dabei Eigentümer. Ein Indossament ist eine auf einem Orderpapier verzeichnete Erklärung, aus der hervorgeht, dass der Inhaber das Eigentum und somit auch das Recht aus dem Papier auf den im Indossament genannten Indossatar überträgt. Es hat eine Transportfunktion, d. h., es überträgt alle Rechte auf den Indossatar bzw. auf den Inhaber, eine Garantiefunktion, d. h., ein Indossant haftet für die Annahme und Zahlung, und eine Legitimationsfunktion, d. h., der Inhaber beweist sich damit als Berechtigter. Mit dem Indossament überträgt der bisherige Inhaber des Wertpapiers somit das Eigentum und die Rechte aus dem Papier an den neuen Eigentümer. Dies geschieht durch Unterschrift im Blanko-Indossament, damit wird das Papier zum Inhaberwertpapier oder durch vollständige Angabe des neuen Eigentümers, des Indossatars, als Vollindossament. Das Rektaindossament führt durch Zusatz „nicht an deren Order“ dazu, dass der Indossant bei Weitergabe nur dem direkt Nachstehenden gegenüber haftet. Das Angstindossament „ohne Obligo“ führt dazu, dass der Indossant die Haftung gegenüber Nachstehenden ausschließt.

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7. Die technische Auftragsbearbeitung

Das Inkassoindossament beauftragt die Bank, die Zahlung beim Schuldner zu bewirken. Die Übertragung eines Inhaberpapiers erfolgt durch Einigung und Übergabe der einfachen Urkunde. Berechtigter ist immer der Inhaber der Urkunde, der Erwerber wird dabei Eigentümer. Beispiele sind Inhaberscheck, Banknote, Fahrkarte etc. Ein Orderpapier wird durch Blankoindossament und Weiterreichung der Urkunde zu einem Inhaberpapier. Echte Inhaberpapiere wie z. B. bei Inhabergrundschuldbrief lauten auf den Inhaber der Urkunde. Ist der Berechtigte der Urkunde nicht genannt, entstehen hinkende Inhaberpapiere wie z. B. bei Postscheck ohne Empfängereintrag.

7.3 Distributionslogistik Logistische Prozesse beschäftigen sich allgemein mit Vorgängen des Transports, der Speicherung und der Handhabung von Gütern, Lebewesen, Informationen und Energien. In logistischen Prozessen werden Objekte von einem Anfangs- in einen Endzustand transformiert, wobei sich mindestens eine der Systemgrößen Zeit, Ort, Menge, Klasse ändert, ohne dass die Objekte dabei eine unerwünschte Änderung ihrer Eigenschaften erfahren. Logistik umfasst alle Tätigkeiten, in denen solche logistischen Prozesse untersucht, geplant, realisiert, betrieben und optimiert werden. Ziele sind dabei eine niedrige Kapitalbindung, niedrige Beschaffungskosten, vor allem aber die Bereitstellung der richtigen Menge der richtigen Warenart im richtigen Zustand am richtigen Ort zur richtigen Zeit, und das zu minimalen Kosten. Von daher ist es auch korrekt, Logistik mit physischer Distribution gleichzusetzen, einem Begriff, der aus dem Militärwesen stammt, dort wiederum aus der Nachschubtechnik. Logistik wird auch im Zeitalter des E-Commerce weiterhin an Bedeutung gewinnen, weil hinter jedem elektronischen Bestellvorgang ein physischer Liefervorgang steckt, sofern es sich nicht um digitale Produkte handelt. Bei weiter steigendem internationalen Marktdruck ist die Lieferfähigkeit zu einem wichtigen Wettbewerbsparameter geworden. Zudem müssen immer mehr Waren durch die Proliferation der Programme über immer weitere Entfernungen infolge Globalisierung der Märkte verbracht werden. Hinzu kommen differenzierte Kundenwünsche mit kleineren, aber häufigeren Bestellungen sowie systemübergreifende Aufgaben in der Supply chain. Dadurch ist Logistik von einer eher routinisierten Hilfsaufgabe zu einer Kernfunktion für die Nachfragestimulierung und Wettbewerbsprofilierung geworden. Denn der Absatzerfolg ist ganz entscheidend von der tatsächlichen Präsenz der Ware abhängig. Schließlich garantiert erst die physische Produktdistribution die materielle Verfügbarkeit von Waren am Ort des Verkaufs und zur Zeit gewünschter Bedarfsdeckung. Da jegliche Produktionsund Konsumtionsvorgänge von Betrieben und Haushalten unter diesem RaumZeit-Aspekt ablaufen, bestimmt das logistische System letztlich den Umfang der Kontaktaufnahme der Unternehmen mit ihren Absatzmärkten. Dadurch wird der

7.3 Distributionslogistik

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Aktivitätenrahmen begrenzt. Die physische Distribution von Waren ist zudem Voraussetzung für deren Honorierbarkeit am Markt und damit mitbestimmend für die Unternehmensexistenz. Denn es ist leicht einsehbar, dass, selbst bei medialen Formen der Kontaktaufnahme, nur ein solches Angebot abgesetzt werden kann, das physisch überhaupt vorhanden ist, und zwar genau dann und genau dort, wenn bzw. wo Bedarf entsteht und kaufwirksam wird. (kurze) Lieferzeit (hohe) Lieferbereitschaft (hohe) Lieferzuverlässigkeit (richtige) Lieferbeschaffenheit (hohe) Lieferflexibilität

Abbildung 77: Zentrale Anforderungen an die Distributionslogistik

Der Lieferservice setzt sich aus den Komponenten der möglichst kurzen Lieferzeit, der möglichst großen Lieferzuverlässigkeit, der möglichst hohen Lieferflexibilität, der steten Lieferbereitschaft und der exakten Lieferbeschaffenheit zusammen (siehe Abbildung 77: Zentrale Anforderungen an die Distributionslogistik): • Die Lieferprozesszeit ist definiert als die Zeitspanne der gesamten Auftragsabwicklung, und zwar vom Zeitpunkt der Auftragserteilung an gerechnet bis zum Eintreffen der Ware am Bestimmungsort. Die Lieferzeit setzt sich zusammen aus den Zeiten für die Übermittlung des Auftrags vom Kunden an den Lieferanten, für die Auftragsbearbeitung, die Zusammenstellung / ​Kommissionierung, die Warenverpackung und -verladung, den Transport zum und die Einlagerung beim Kunden. Dies entspricht der Beschaffungszeit der Kunden. Eine Verringerung der Lieferzeit bedeutet also eine Senkung des durchschnittlichen Lagerbestands, damit eine Reduktion der Kapitalbindung. Das dadurch freizusetzende Kapital schafft einen Wettbewerbsvorteil. Die höhere Umschlaggeschwindigkeit führt c. p. zu einer Absatzsteigerung beim Lieferanten. • Die Lieferzuverlässigkeit stellt sicher, dass es sich bei einer Lieferung nicht um irgendwelche, sondern genau um die gewünschten Produkte handelt. Sie beschreibt die Fähigkeit zur Ausführung der Bestellung direkt ab Lager. Dies drückt aus, in welchem Umfang die tatsächlich auftretende Nachfrage während der Wiederbeschaffungszeit vom Lager aus befriedigt werden kann. Eine Quantifizierung ist durch Termintreue- bzw. Lieferbereitschafts-Kennziffern möglich. Die Lieferzuverlässigkeit wirkt akquisitorisch, jedoch auch kostentreibend beim Lieferanten, da dafür ein höherer Sicherheitsbestand erforderlich ist. • Eine Lieferflexibilität ergibt sich durch die Fähigkeit zur Berücksichtigung von Änderungen oder Sonderwünschen seitens der Abnehmer beim Lieferanten. Sie

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7. Die technische Auftragsbearbeitung

betrifft die Modalitäten der Auftragserteilung, z. B. Lieferklauseln, Mindestabnahmemenge, Art der Auftragsübermittlung, Zeitpunkt der Auftragserteilung, Rabattpolitik, die Information des Kunden über Auftragsbearbeitungsstand, Liefertermin, zu erwartende Verzögerungen, Bearbeitung von Beschwerden etc. und die Kompatibilität der Logistiksysteme zwischen der Absatzlogistik des Lieferanten und der Beschaffungslogistik des Kunden. • Die Lieferbereitschaft ist die Sicherheit der unmittelbaren Verfügbarkeit gewünschter Waren ab Lager, wobei der subjektiv vom Markt verlangte Sicherheitsgrad u. a. abhängig ist von der Substituierbarkeit der Ware, von der Länge des Produktlebenszyklus, den Nachfrageschwankungen der Ware, vom monopolistischen Aktionsspielraum des Anbieters, von der Kundenstruktur etc. • Die Lieferbeschaffenheit stellt den Grad der Einhaltung aller bei Geschäftsabschluss vereinbarten Konditionen im Vergleich zu den tatsächlich bereitgestellten Waren dar. Sie ergibt sich aus der Liefergenauigkeit und dem einwandfreien Zustand der gelieferten Produkte. Ersteres meint die Lieferung in der von Kunden bestellten Art und Menge, letzteres die Qualität der Lieferung. Dabei gibt es einen grundsätzlichen Zielkonflikt zwischen Serviceniveau als Output des Logistiksystems und Serviceaufwand als dessen Input. Dies erfordert eine Servicedifferenzierung nach Kundenmerkmalen, wobei kostendeckende oder akquisitorische Aspekte im Vordergrund stehen können. Da das Logistiksystem umso effizienter arbeitet, je günstiger die Relation von generiertem Lieferservice zu dadurch verursachten Kosten ist, wird das Optimum dort erreicht, wo jede Erhöhung des Serviceniveaus in ihrem akquisitorischen Nutzen für den Anbieter durch eine Logistikkostenerhöhung überkompensiert wird bzw. jede Logistikkostensenkung zu einer Serviceniveausenkung führt, die einen vergleichsweise größeren Nutzenentgang für Nachfrager bedeutet. Eine Erfolgskontrolle ist daher auch immer zweiseitig anzulegen, umfasst also einerseits Kostenkontrolle und andererseits Leistungskontrolle. Sinnvoll ist eine nach Kundengruppen individuelle Segmentierung, wobei jedes Kundensegment nicht besser als aus dessen Sicht mindestens notwendig bedient werden soll, da einmal gewährte Serviceleistungen nur schwer wieder rückgängig gemacht werden können. Allenfalls ist eine Kompensation durch andere Zugeständnisse denkbar, die ihrerseits auch wieder kostenträchtig sind. Außerdem sollen Steigerungsmöglichkeiten offen bleiben, ohne gleich aus der Rentabilitätszone abzusinken. Die Logistikkosten ergeben sich als der bewertete Verzehr an Gütern und Diensten zur betrieblichen Warenverteilung, evtl. unter Zuschlag von Opportunitätskosten für logistikbedingten Auftragsentgang.

7.4 Lieferungsbedingungen

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7.4 Lieferungsbedingungen Zu den Lieferungsbedingungen (Terms of delivery) gehören Abrechnungs-, Abwicklungs- und Bereitstellungsklauseln als Transaktionsklauseln zwischen Lieferant und Abnehmer. Ihnen kommt insofern eine große Bedeutung im Zuge einer ordnungsgemäßen Auftragsabwicklung zu. Abrechnungsklauseln regeln die Bedingungen der Geldleistung im Handels­ verkehr zwischen Verkäufer und Käufer. Beispiele sind etwa folgende: • Freibleibend, d. h., der Kaufvertrag ist für beide Seiten bindend, der Kaufpreis wird jedoch nur mittelbar festgesetzt, der Verkäufer kann den Kaufpreis bis zum aktuellen Marktpreis bei Lieferung heraufsetzen, das Risiko der Preisentwicklung trägt also der Käufer, • ändernd, d. h., der Verkäufer hat das Recht, vom Kaufvertrag gegen die Verpflichtung der Abgabe eines neuen Angebots zurück zu treten, • vorbehaltend, d. h., der Verkäufer behält sich vor, bei Preisnachteil vom Vertrag zurückzutreten, er kann ein neues Angebot unterbreiten, das der Käufer aber ablehnen kann, • schwankend, d. h., der Käufer kann vom Vertrag zurücktreten, wenn er die Ware anderweitig günstiger einkaufen kann, der Verkäufer kann vom Vertrag zurücktreten, wenn er die Ware anderweitig günstiger verkaufen kann. In Abwicklungsklauseln werden die Begleitumstände von Zeitpunkt sowie Art und Weise des Austauschs von Ware und Geld geregelt. Beim Geld vor Ware-Prinzip sind folgende Möglichkeiten denkbar: • Vorauszahlung (Cash before delivery), d. h., der Käufer zahlt bei Auftrags­ erteilung oder zu einem festgesetzten Zeitpunkt vor Lieferung den vollen Kaufpreis, • Anzahlung (Down payment), d. h., der Käufer zahlt bei Auftragserteilung oder zum festgesetzten Zeitpunkt vor Lieferung einen Teil des Kaufpreises, • Zahlung gegen (offene) Rechnung (Clean payment), d. h., der Käufer zahlt gegen Vorlage der Rechnung netto Kasse, • Zahlung gegen Lieferschein, d. h., der Käufer zahlt gegen Vorlage des Lieferscheins (losgelöst von der Ware), • Zahlung gegen Verladepapiere, d. h., der Käufer zahlt gegen Übergabe der Dokumente, • Zahlung per Nachnahme (Cash on delivery), d. h., Aushändigung der Ware an den Empfänger gegen Zahlung des Rechnungsbetrags.

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7. Die technische Auftragsbearbeitung

Beim Zug um Zug-Prinzip wird gelieferte Ware sofort bezahlt. Denkbar sind folgende Möglichkeiten: • Zahlung gegen Frachtbrief-Duplikat, d. h., Zahlung mit Anspruch auf Herausgabe der Lieferung vom Spediteur auf Grund einer Zweitschrift des Frachtbriefs, • Kassa gegen Dokumente, d. h., Aushändigung der Dokumente an den Käufer gegen Zahlung des Kaufpreises, die Dokumente variieren dabei je nach Lieferungsbedingungen, Versandart und Landesvorschriften, z. B. Zollfaktura bzw. Konsulatsfaktura, Versicherungsnachweis, Ursprungszeugnis, • Dokumente gegen Akkreditiv, d. h., Übergabe der Dokumente an den Käufer gegen Sicherstellung des Kaufpreises durch Eröffnung eines Akkreditivs zugunsten des Verkäufers bei einer Bank, die den Kaufpreis an den Verkäufer bzw. dessen Bank erst gegen Übergabe entsprechender Dokumente auszahlt, • Dokumente gegen Akzept, d. h., Aushändigung der Dokumente an den Käufer gegen Akzeptierung eines Wechsels als sichergestellter Kredit. Beim Ware vor Geld-Prinzip sind folgende Möglichkeiten gegeben: • Zahlung nach Erhalt der Ware, d. h., die Waren- erfolgt zeitlich vor der Geldübergabe, aber ohne Zahlungsziel, sondern sofort, • Zahlung für Ziel, d. h., als offener Buchkredit ohne Rechnungsdatum mit periodischer Sammelabrechnung, • Zahlung auf Ziel, d. h., als zeitlich fixierter Lieferantenkredit, wobei frühzeitige Zahlung zum Skontoabzug berechtigt. Das Zahlungsziel kann als Datum oder als Frist ausgewiesen sein. Als Valuta kann Auslands-, Inlands- oder Drittwährung vereinbart werden. Bereitstellungsklauseln regeln den Übergang der Warenleistung zwischen den Transaktionspartnern. Typische Bereitstellungsklauseln sind etwa folgende: • Bei Frei Haus trägt der Verkäufer alle Kosten bis zum Bestimmungsort der Lieferung. Der Käufer ist also von jeglichen Transport-, Lager-, Versicherungs- und Organisationskosten freigestellt. • Bei Frachtfreier Lieferung (frei Abladestation) trägt der Verkäufer alle Kosten zur Versandstation, die Kosten der Verladung und die Frachtkosten bis zur letzten Empfangsstation. Ab da trägt der Käufer Kosten und Gefahren. • Bei Frachtbasis wird ein einheitlicher, auch fiktiver Übergabepunkt zugrunde gelegt, von dem ab die Transportkosten und -gefahren vom Verkäufer auf den Käufer übergehen. • Bei Frankogrenze kalkuliert der Verkäufer pauschale Transportkosten in den Fabrikabgabepreis ein, unabhängig davon, wie hoch diese im Einzelfall sind.

7.5 Transportentscheid

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• Bei Zonenpreis werden die Transportkosten ebenfalls pauschaliert, jedoch nach Entfernungszonen, meist konzentrisch um den Abgangsstandort ausgelegt, differenziert. • Bei frei Umladestation (unfrei) übernimmt der Verkäufer alle Kosten bis zur Bereitstellung der Ware an der ersten Versandstation. Alle Kosten / ​Risiken, die zur Überbrückung bis zum Standort des Käufers anfallen, werden von diesem bezahlt. • Bei Ab Werk wird die Ware vom Verkäufer an der Grenze seines Standorts („Werkstor“) bereit gestellt. Alle Kosten bis zum Standort des Käufers trägt dann dieser. Diese Vereinbarungen sind jedoch im Detail vielfach anfechtbar und müssen in jedem Einzelfall neu verhandelt werden. Daher kommen im grenzüberschreitenden Warenverkehr zumeist standardisierte Incoterms zur Anwendung (s. u.).

7.5 Transportentscheid Im Zentrum vertrieblicher Entscheide stehen der Transportmittelbetrieb und die Transportmittelwahl. Dabei ergeben sich im Grundsatz die Alternativen des Make or buy, also des Eigen- oder Fremdbetriebs in Bezug auf den Betrieb sowie die Optionen verschiedener Transportmittel für den Einsatz.

7.5.1 Einflussfaktoren Für den Transportentscheid sind mehrere Einflussfaktoren von Bedeutung, so u. a. folgende: • die Versandart, d. h. persönlich, durch Boten, mit eigenem Fahrzeug oder durch Frachtführer etc., • die Frachtbasis, d. h. der Ort, von dem ab der Käufer die Frachtkosten tragen muss, unabhängig vom tatsächlichen Abgangsort, • die Frachtparität, d. h. der Ort, bis zu dem der Verkäufer die Frachtkosten tragen muss, unabhängig vom tatsächlichen Ankunftsort, • die Lieferzeit, d. h. sofort abgehend, sofort abnehmend (nach Gesetz), mit Frist, nach Datum, mit Nachfrist etc., • der Erfüllungsort, d. h. der Ort, an dem der Schuldner durch rechtzeitige und mangelfreie Leistung von seiner vertraglichen Verpflichtung frei wird, • die Entfernung zwischen den zu überbrückenden Orten im Nah- oder Fern­ verkehr,

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7. Die technische Auftragsbearbeitung

• der Gerichtsstand, d. h. Ort des Beklagten (für Geldschulden der Ort des Käufers, für Warenschulden hingegen der Ort des Verkäufers nach Gesetz), • die Organisation, d. h. durch interne Ressourcen oder extern beauftragte Servicer bzw. kombiniert im logistischen Vor- und Nachlauf. Von diesen Einflussfaktoren sind Transportentscheide in erheblichem Ausmaß abhängig.

7.5.2 Transportmittelbetrieb Es stellen sich vor allem die Fragen nach der Wahl der Transportmittel und deren Betrieb. Bei den Transportmitteln handelt es sich im Einzelnen um Schiff, Flugzeug, Zug und Automobil. Beim Betrieb sind Eigen- oder Fremdbetrieb möglich. Für den Betrieb ist eine Entscheidung zwischen Eigen- und Fremdbetrieb, die sich grundsätzlich bei jedem Transportmittel stellt, zu treffen. Im Eigenbetrieb erfolgt der Einsatz der Fahrzeuge nach Bedarf und Tourenplan. Es besteht keine Genehmigungs- und Versicherungspflicht. Im Nahbereich kann dadurch der Kundenservice erhöht werden. Für den Eigenbetrieb im Werksverkehr sprechen die bessere Kontrolle über Leistungen, vor allem die Lieferzeit, und über Waren, vor allem die Qualität. Außerdem ist der Einsatz von Spezialausrüstungen möglich. Die Verkehrsmittel können zugleich als (akzidentelle)  Werbeträger genutzt werden. Es ist eine erhöhte, vor allem kurzfristige Flexibilität des Einsatzes gegeben. Auch entsteht ein stärkerer Abnehmer-Lieferanten-Bezug, der akquisitorisch wirkt, z. B. kann eine Kaufnachbereitung vor Ort vorgenommen werden. Nachteilig sind jedoch häufige Leerzeiten, weil Fremdtransporte nicht gestattet sind, außerdem Standzeiten bei Spezialfahrzeugen wegen ungleichmäßigen Transportanfalls sowie der Fixkostencharakter von Fahrzeugen und Personal. Für den Fremdbetrieb hingegen sprechen die Gewährleistung von spezialisierten, professionellen Services, die größere räumliche Abdeckung aus dem Verkehrsmitteleinsatz, die reklamationsfähige Delegation von Pflichten und Verantwortung gegen Rechnung, eine willkommene Fixkostenersparnis durch fehlende Investitionen und Instandhaltungsaufwendungen sowie die freie Transportmittelwahl nach den Umständen des Einzelfalls. Zwischen diesen Einflussgrößen ist in jedem Einzelfall eine unternehmerische Abwägung als optimale Lösung zu treffen.

7.5 Transportentscheid

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7.5.3 Transportmittelwahl In der Transportlogistik lassen sich verschiedene Transportmittel unterscheiden. Im Folgenden wird auf Schiff, Flugzeug, Bahn, Automobil (LKW) eingegangen. Der Reihenfolge nach zunächst zur Schifffahrt. Zu unterscheiden ist nach See- und Binnenschifffahrt. Entscheidungen um­fassen hier vor allem die Hafenwahl, z. B. in Abhängigkeit von den dort befindlichen Verladeanlagen, die Reederwahl, z. B. in Abhängigkeit von der Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Verfrachter und die Wahl der Transportart, z. B. in Abhängigkeit von der Präferenz für Linien- oder Trampschifffahrt. Linienschiffe bieten Vorteile aus • klarer Terminkalkulation, da sie nach festen Routenplänen verkehren, • Anlauf bestimmter Standardhäfen in verlässlichen, regelmäßigen Zeitabständen, • guter Klassifizierung der eingesetzten Schiffe für den speziellen Transportzweck, • vorhersehbarem, festen Ankunftstermin für die Organisation des logistischen Vor- und Nachlaufs. Nachteile betreffen die • Kostenhöhe durch eine kartellähnliche Marktstruktur unter den Anbietern, • Bindung an zugeteilte Schifffahrtslinien, die auf den jeweiligen Routen verkehren, • langen Lieferzeiten durch geringe Geschwindigkeit, • Bindung an oft weit entfernte Häfen, • Gefährdung der Termintreue durch Natureinflüsse. Vorteile der Trampschiffe (auch Charter genannt) sind • frei aushandelbaren Frachtraten, die sich allein nach Angebot und Nachfrage richten, • eine hohe Flexibilität in der Routenwahl, die auf individuelle Bedürfnisse abgestimmt werden kann. Nachteile liegen in • oftmals leicht mangelnder Seriosität und Bonität von Reederei und Schiff, • mangelnder Eignung des Schiffes für den qualitätstreuen Transport der jeweiligen Güter, • problematischer Kostenüberschaubarkeit, da die Preise im Vorhinein durch schwankende Auslastung schwer kalkulierbar sind. Als Frachtinhalt kommt für den Schiffstransport vor allem Massengut oder Stückgut in Betracht. Die Binnenschifffahrt hat oft eine Vor- oder Nachtransport­

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7. Die technische Auftragsbearbeitung

aufgabe (gebrochener Güterverkehr). Man unterscheidet Motor-, Schlepp- und Schubschifffahrt. Die wesentlichen Beurteilungsparameter für die Eignung der Luftfracht zum Transport liegen hinsichtlich der Vorteile darin, dass • die Transportdauer unvergleichlich kurz ist, • der Zielflughafen meist näher am Bestimmungsort liegt als der Zielseehafen, so dass auch binnenländische Destinationen gut erreicht werden können, • eine erhöhte Lieferfähigkeit durch Einsatz der Luftfracht die Wettbewerbsfähigkeit des Lieferanten steigert, • bei hohem spezifischen Warenwert (d. h. Wert der Ware pro Gewichtseinheit) der Transportkostenanteil an den Gesamtkosten schrumpft, • der Verpackungsaufwand bei Luftfracht gemindert wird, da eine äußerst schonende Manipulation gegeben ist, • die Versicherungsprämien niedriger sind, da bezogen auf die transportierten Mengen die Luftfahrt als sehr sicheres Verkehrsmittel gilt, • eine geringere Kapitalbindung durch höhere Schnelligkeit der Lieferung erreicht wird. Als wesentlicher Nachteil sind sicherlich zu nennen: • die absolute Kostenhöhe, vor allem, wenn man die Luftfrachtraten mit Seefrachtraten vergleicht, • die, verglichen mit dem Straßengüterverkehr, Bindung an weitmaschige Flug­ häfen und inflexible Flugpläne, • die absolute Gewichtsbegrenzung im Transport, relativ zum Eisenbahngüterverkehr. Im Eisenbahngüterverkehr sind Waggonladungen oder Stückgut als normales Frachtgut oder als Eilgut zu befördern. Be- und Entladungen übernehmen dabei Absender bzw. Empfänger. Berechnungsbasis ist der Eisenbahntarif. Vorteile dieser Transportart liegen in der • Eignung für fast jede Güterart durch die hohe Variabilität der Transportmittel der Bahnen, • weitgehenden Unabhängigkeit von Verkehrsaufkommen und Witterung, • der Eignung für sicheren Landtransport, der wenige Risiken des Verlustes birgt, • der guten Erreichbarkeit des Abnehmers durch die große Zahl von Bahnhöfen, • der schonenden Behandlung des Frachtguts bei der Be- und Entladung sowie während der Fahrt.

7.5 Transportentscheid

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Als Nachteile sind vor allem folgende zu nennen: • Bindung an vorgegebene Trassen und Güterbahnhöhe, gebrochener Verkehr ist daher meist unvermeidlich, • Bindung an feste Zeitpläne mit Wartezeiten und Zwischenstopps, • komplizierte, intransparente Tarifstruktur, • vorwiegend bürokratisches Prozedere. Beim Schienengüterverkehr unterscheidet man Wagenladungs-, Stückgut-, Expressgut- und Dienstgutverkehr (werksintern). Der Straßengüterverkehr steht in hartem Verdrängungswettbewerb zum Eisenbahngüterverkehr, bisweilen auch zur Binnenschifffahrt. Vorteile liegen in • der faktischen Haus-zu-Haus-Beförderung, auch als vor- bzw. nachgeschaltete Transportart (Vor- / Nachlauf), • hoher Flexibilität des Transports durch freie Vereinbarung von Routen, Zeiten und Kapazitäten, • der oft unerlässlichen Notwendigkeit als vor- und nachgelagerte Transportart, • der hohen Anzahl von Anbietern mit relativ freiem Preiswettbewerb. Von Nachteil ist hingegen • das relativ geringe gemeinsame Transportvolumen je Verkehrseinheit, • Sekundäreffekte wie Umweltbelastung durch Schadstoffemission, Lärmbelästigung und Verkehrsgefährdung, • die hohe mechanische Beanspruchung des Transportguts, • die hohe Unfallgefahr auch für andere Straßenverkehrsteilnehmer. Beim Straßengüterverkehr unterscheidet man Nah- und Fernverkehr auf gewerblicher Basis. Daneben gibt es den werksinternen Verkehr. Anhand der unterschiedlichen fixen und variablen Kosten der Transportmittel kann ein Zusammenhang zwischen diesen und der Versandmenge hergestellt werden. So ist mit steigender Menge die Reihenfolge Luftfracht mit niedrigen fixen, dafür hohen variablen Kosten, über Straße und Bahn bis zu Schiff mit hohen fixen, dafür niedrigen variablen Kosten gegeben. Eine wichtige Hilfe sind Transportbehältnisse. Durch die Verwendung von Containern als Normverpackung wird der Stückguttransport rationalisiert. Umverpackungen entfallen, Beladung und Löschung werden vereinfacht. Kleinere Ladungen können zu Sammelladungen kombiniert werden, um die Containerkapazität optimal auszunutzen. Ein weiteres wichtiges Transportsystem sind Pipelines, z. B. als Rohöl- oder Produkterohrleitungen, wobei hier der immobile, un-

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7. Die technische Auftragsbearbeitung

flexible Charakter eine Besonderheit darstellt. Die Güterbeförderung kann auch durch Postdienste erfolgen.

7.6 Lagerungsentscheid Als Lager bezeichnet man den Bestand an Gütern, die noch nicht, nicht mehr oder vorübergehend nicht am Produktionsprozess teilnehmen. Man unterscheidet gewollte Läger und zu vermeidende Läger, die durch Friktionen im Wertschöpfungsprozess entstehen und Unwirtschaftlichkeit bedeuten. Ziele der Lagerhaltung sind die Aufrechterhaltung der Verkaufsbereitschaft durch den Ausgleich zwischen Beschaffung und Absatz, die Möglichkeit der Wahrnehmung von besonders günstigen Angeboten bzw. der Ausnutzung von Mengenrabatten, dies bei niedrigen Lagerkosten. Zwischen diesen Größen besteht ein Zielkonflikt. Im Zentrum betrieblicher Entscheide stehen die Erfüllung der Lagerfunktionen sowie die Wahl des Lagerstandorts und der Lagerbetrieb.

7.6.1 Lagerfunktionen Dem Lager kommen wichtige Funktionen im Absatz zu, so die: • zeitliche Ausgleichsfunktion bei voneinander abweichendem Materialzufluss und -bedarf, • Sicherungsfunktion bei unvorhergesehenen Produktions-/Absatzschwankungen, • Assortierungsfunktion zur Sortimentsbildung, • Spekulationsfunktion zur Bevorratung bei vermuteten Preiserhöhungen, • Veredelungsfunktion zur Qualitätsverbesserung etwa durch Alterung, Gärung, Reifung, Trocknung etc. Das Lager lässt sich unter verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Die beiden wichtigsten sind folgende. Nach dem Standort unterscheidet man Zentralläger und Dezentralläger. Nach dem Eigentum unterscheidet man Eigenbetrieb und Fremdbetrieb durch Lagerhalter. Spezialfälle sind Konsignationsläger, d. h., das Lagergut befindet sich noch im Eigentum des Lieferanten, aber schon im Besitz des Abnehmers, und Gemeinschaftsläger, d. h. mehrere Unternehmen betreiben gemeinsam ein Eigenlager. Läger können nach Warenfluss, Unterbringungsart, baulichen Gegebenheiten und Einlagerungsweise wie folgt unterteilt werden: • Nach dem Warenfluss sind die Warenannahme, Lagerung und Warenausgabe in zeitlicher, räumlicher, inhaltlicher und kostenmäßiger Abstimmung zu beachten.

7.6 Lagerungsentscheid

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• Nach der Unterbringungsart handelt es sich um eine Lagerung im Freien als offene Läger, die nur bei witterungsbeständigen Waren mit relativ geringem Wert möglich ist, oder um eine Lagerung in Räumen als Innenlagerung, für Waren, die höheren Schutz, größere Sicherheit und bessere Kontrolle erfordern. • Nach den baulichen Gegebenheiten handelt es sich um eingeschossige Läger, bei denen anliefernde Fahrzeuge, Lagerplatz und übernehmende Fahrzeuge auf einer Ebene bewegt werden, oder mehrgeschossige Stockwerkläger, die zusätzliche technische Einrichtungen zur Überbrückung des Höhenunterschieds erfordern, dafür aber mit geringerer Grundfläche auskommen. • Nach der Einlagerungsweise gibt es Stapellager, wo Waren in die Höhe gestapelt werden. Voraussetzung ist dabei eine entsprechende Belastbarkeit der Warenverpackung. Im Hochregallager werden die Waren in mehreren Regalebenen untergebracht. Für die Einlagerung kann eine bestimmte Lagerstelle reserviert oder die jeweils nächste freie Lagerstelle bestimmt werden (= chaotische Lagerung). Im ersten Fall muss nur die Lagerstelle markiert werden, im zweiten Fall jedes einzelne Lagerstück. Voraussetzung sind entsprechende Lagereinrichtungen, Verlade- und Beförderungsmittel sowie Informations- und Sicherungsvorrichtungen. Kommissionierung bezeichnet allgemein die Zusammenstellung verschiedener Artikel für einen Auftrag nach einem vorgegebenem Bedarf aus dem Lager. Dabei kann es sich um einen oder mehrere Aufträge handeln. Der Auftrag wird manuell durch den Kommissionierer oder automatisch durch Kommissioniersysteme zusammengestellt. Bei eindimensionaler Kommissionierung werden Artikel nur bis zur Greifhöhe entnommen, bei zweidimensionaler Kommissionierung bewegt sich ein hubfähiges Regalförderzeug zu den Artikeln. Eine auftragsorientierte Kommissionierung erfolgt auf Basis des einzelnen Kundenauftrags. Das hat jedoch zur Folge, dass eine Vielzahl unterschiedlicher Artikelstandorte im Lager wiederholt aufgesucht werden muss, um den gleichen Artikel für verschiedene Aufträge zu kommissionieren. Die Kommissionierung kann dabei seriell, d. h. Auftrag für Auftrag nacheinander, erfolgen, oder aber parallel, d. h. für mehrere Aufträge zugleich in einem Arbeitsdurchgang, wodurch zumindest eine gewisse Rationalisierung erreicht wird. Bei der serienorientierten Kommissionierung wird eine Vielzahl von Kundenaufträgen nach artgleichen Artikeln mengenmäßig zerlegt. Dadurch werden die notwendigen Artikel auf einmal entnommen und dann nach den jeweiligen Aufträgen verteilt. Die Kontrolle der entnommenen Artikel erfolgt manuell oder automatisch (z. B. beleglos durch optische Anzeige). Die Kommissionierungszeit setzt sich im Einzelnen aus der Basiszeit für die Arbeitsbereitschaft, der Wegezeit zu den Artikeln, der Greifzeit für diese Artikel, der Totzeit als Wartezeiten und der Verteilzeit als Sozialzeiten zusammen.

426

7. Die technische Auftragsbearbeitung

Man unterscheidet verschiedene Kommissionierungsverfahren: • Beim Ringsammelverfahren werden alle Waren eines Auftrags von einem Kommissionierer-Team auf einem ringförmigen Weg eingesammelt. • Das Sternsammelverfahren ist eine Kommissionierung, bei der Teile von Aufträgen parallel oder nacheinander in einzelnen Lagerbereichen unabhängig kommissioniert werden. • Das Umlaufverfahren ist eine Kommissionierung, bei der Lagereinheiten zu einem Kommissionierplatz und nach der Warenentnahme wieder an den Lagerplatz gebracht werden. • Das Karussellverfahren ist eine Kommissionierung, die eine Verbindung mit der Umlaufkommissionierung derart darstellt, dass die Ware zusätzlich an einen Stellplatz gebracht wird, an dem sie sich an dem Kommissionierer vorbei bewegt und von diesem eingesammelt wird. • Das Durchlaufverfahren ist eine Kommissionierung, bei welcher die Lagereinheiten in Durchlaufregalen gelagert und automatisch oder manuell zusammen gestellt werden.

7.6.2 Lagerstandort Der Entscheidung zwischen zentralem oder dezentralem Lagerstandort liegt folgende Überlegung zugrunde. Mit steigender Zahl dezentraler Lagerstätten sinken zwar die Transportkosten von den einzelnen Lagerstätten zu den jeweiligen Kunden, gleichzeitig steigen jedoch die Lagerhaltungsfixkosten für den Betrieb dieser Lagerstätten sowie die Transportkosten vom Lieferanten zu den Lagerstätten. Zwischen diesen beiden gegenläufigen Entwicklungen ergibt sich ein relatives Optimum beim Gesamtkostenminimum. Umgekehrt steigen bei zentraler Lagerstätte die Transportkosten von diesem Lager zu den jeweiligen Kunden, gleichzeitig sinken jedoch die Lagerhaltungskosten sowie die Kosten für den Transport vom Lieferanten zur Lagerstätte. Auch hier ergibt sich aus den beiden gegenläufigen Entwicklungen ein relatives Optimum. Der Vergleich beider relativer Optima bei ansonsten gleichen Bedingungen führt zur Entscheidung für oder gegen einen zentralen oder mehrere dezentrale Lagerstandorte. Das Zentrallager bietet folgende Vorteile für Abnehmer: • Erhöhung der Artikelpräsenz, verbesserte Sortimentspolitik, schnellere Nachlieferung, Reduzierung der Bestände, Verringerung des administrativen Aufwands, Senkung der Transport- und Verpackungskosten, Chancen zur Konditionenverbesserung, Einsatzmöglichkeiten von Lager-, Kommissionier- und Beförderungstechnik.

7.6 Lagerungsentscheid

427

Dem stehen folgende Nachteile für Abnehmer gegenüber: • nicht geeignet für alle Sortimentsarten, höhere Kapitalbindung, hoher Umstellungsaufwand, Verwundbarkeit durch Streik, Boykott etc. Das Zentrallager bietet folgende Vorteile für Lieferanten: • Übersicht über Art und Menge der Lagergüter, rationelle Nutzung der Räume und Einrichtungen, geringe Kapitalbindung in den Waren und geringer Personalbedarf, reduziertes Handling, Erfüllung höherer Serviceanforderungen der Abnehmer, Reduzierung der Bestände, reduzierte Distributionskosten, flexibler Ausbau der technischen Einrichtungen, flexible Verteilsysteme. Dem stehen folgende Nachteile für Lieferanten gegenüber: • größeres Risiko durch Kundenferne und längere Transportwege bei der Auslieferung, Zusammenlagerungsverbot bestimmter Waren wie z. B. genmanipulier­ tes und natürliches Getreide, Verbot der Lagerung gefährlicher Waren in bestimmten Gegenden, z. B. Sprengstoffe in Wohngebieten, keine Nutzung von Speziallagerräumen, hohe Kapitalbindung. Für das Dezentrallager ergeben sich spiegelbildlich die genannten Vor- und Nachteile des Zentrallagers. Im Wesentlichen handelt es sich um Vorteile wie große Übersichtlichkeit, leichte Bestandserfassung, Zugriff auf alle Lagerdaten, gute Lagerplanung, einfache Bestands- und Bewegungskontrollen, weniger Administrationskosten. Sowie um Nachteile wie längere Transportwege zu Kunden, damit potenzielle Störungen und höhere Kosten des Transports. Eine verbreitete Form des Dezentrallagers ist das Regionallager (auch Auslieferungslager) als Puffer­ lager zwischen Produktion und Absatz, das auf regionaler Ebene den Lieferservice sicherstellt.

7.6.3 Lagerbetrieb Bei der Verwaltung des Lagers sind Eigen- und Fremdbetrieb möglich. Eigenbetrieb bietet sich vor allem dann an, wenn: • die Nachfrage stabil ist, also ein erforderlicher Warenpuffer kontinuierlich verfügbar sein muss. Dann gebietet die Notwendigkeit auf schnellen Zugriff den autonomen Unterhalt, • die Märkte räumlich stark konzentriert sind, man also mit einem oder wenigen Standorten auskommt. Dies lässt sich aber nur bei vergleichsweise kurzen Wegen zu den Abnehmern realisieren, da ansonsten Wegevorteile zugleich Zeitnachteile mit sich bringen, die wiederum Wettbewerbsnachteile bedeuten, • ein hoher Lagerdurchsatz gewährleistet scheint, ein Lager also gleichmäßig ausgelastet ist. Dann werden die vergleichsweise hohen Fixkostenanteile durch entsprechende Auslastung zu Nutzkosten relativiert,

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7. Die technische Auftragsbearbeitung

• eine direkte Kontrolle erforderlich bleibt, die aus Qualitätssicherungsgründen ungern delegiert wird. Es ist zu Zeiten von TQM eine unerlässliche Voraussetzung, dass hohe Eingangsqualität nicht durch Lagerung leidet und so reklamationsfähig wird, • gesonderte Ausrüstungen zur Manipulation nötig werden, die anderweitig nur schwerlich verfügbar sind. Dies gilt vor allem bei Investitionsgütern, wo weitgehend nicht standardisierte Waren manipuliert werden, • eine spezielle, obgleich unwesentliche Be- oder Verarbeitung vor der Auslieferung erforderlich ist. Dabei stellt sich allerdings zunehmend die Alternative des Outsourcing als Auftragsvergabe an externe Be- und Weiterverarbeiter. Fremdbetrieb bietet sich hingegen an, wenn: • die Nachfrage im Zeitablauf erheblich schwankt, also kein kontinuierlicher Warenpuffer erforderlich ist. Dies verhindert eine unzureichende Auslastung der Fixkosten und lässt absolut höhere variable Kosten vorziehenswürdig erscheinen, die Nutzkosten darstellen, • Märkte räumlich stark verstreut liegen, so dass mehrere Läger nur unrentabel zu betreiben sind. Dann ist es im Sinne des Wettbewerbsfaktors Zeit günstiger, Lagerstandorte in der Nähe großer Abnehmer fallweise oder dauerhaft anzu­ mieten, • Märkte häufiger wechseln, etwa wenn es sich um spezialisierte Waren mit wechselnden Abnehmerstandorten handelt. Dann bedeutet ein Eigenbetrieb eine unnötige Fixierung der Tätigkeiten in einem offensichtlich flexiblen Markt, • verschiedene Transportmittel eingesetzt werden, die intern nicht vorgehalten werden können. Als Alternative bietet sich dann nur noch das Leasing als Form der nutzungskonformen Abzahlung an, • das implizierte Lagerrisiko besser eine Verantwortungsdelegation angezeigt erscheinen lässt. Insofern können Gewährleistungsansprüche eingefordert werden und gehen nicht zulasten eigener Rechnung, • eine Produktgruppe erst neu eingeführt werden soll, der erforderliche Lagerbedarf also noch ungewiss ist. Nach Ablauf einer Zeitspanne kann dann die erforderliche Lagerraumdimensionierung besser abgeschätzt werden.

7.7 Redistribution Grundlage der Redistribution ist das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG), das Hersteller als Inverkehrbringende für die Rückführung von Verpackungen und Waren, die sie in Umlauf bringen, verantwortlich macht. Daraus ergeben sich wichtige Einzeltätigkeiten der Abfall- und Überschussmaterialbeseitigung bzw. -rückführung, der Reduktion von Schadstoffemissionen und der Sammlung, Auf-

7.7 Redistribution

429

bereitung und Umformung von Verwertungsprodukten. Die hohe Sensibilisierung der Öffentlichkeit führt hier berechtigterweise dazu, dass diesem Problemkreis besonderes Augenmerk zufällt. Bei der Redistribution handelt es sich um die Umkehrung des Waren- (und evtl. Geld-)flusses im Absatzkanal. Der Redistributionskanal bezeichnet insofern die Art und Weise, wie die zu verwertenden Konsumrückstände aufgrund der Arbeitsteilung zwischen den beteiligten Wirtschaftssubjekten vom Nutzer wieder zurück zum Verursacher oder dessen Verwerter gelangen. Dabei handelt es sich um Verpackungen, Umverpackungen, Transportverpackungen einerseits sowie Altprodukte andererseits. Es geht um die ökonomisch und ökologisch effiziente Ausgestaltung aller Tätigkeiten der Überbrückung von Konsumrückständen vom Anfallort bis zum Ort der erstmaligen Weiterverarbeitung oder Wiederbearbeitung, wobei die Reststoffe in ihrem ursprünglichen Zustand eine abgeschlossene Distribution durchlaufen. Der Logistik kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Sie schließt den Stoffkreislauf zwischen Produktgebrauch/-verbrauch und Recycling durch Rückführung von Altprodukten bzw. deren Rückständen in die Produktion als Verwertung oder den erneuten Gebrauch als Verwendung. Statt von Reststoffen ist es bei Verpackungen und Produkten besser, von Konsumrückständen zu sprechen, da ansonsten Produktionsrückstände mit in die Redistribution einzubeziehen wären. Ökonomische Effizienz bedeutet praktisch insgesamt eine kostenneutrale Systemgestaltung. Redistribution muss dazu bereichsübergreifend an der gesamten Prozesskette ansetzen. Ziel ist die Rückführung der herstellereigenen Konsumrückstände in künstliche Recyclingkreisläufe zu deren Aufarbeitung und Wiedereinsatz in die Produktion bzw. zur Energieerzeugung. Dabei geht es um die für die Entstehung von Transaktionen unabdingbare Überbrückung von zeitlichen, räumlichen, quantitativen und qualitativen Diskrepanzen zwischen dem Entstehungsbereich von Konsumabfällen und dem Verwendungsbereich dieser Konsumrückstände. Diese Funktionen werden durch beteiligte Unternehmen wahrgenommen und stellen sich wie folgt dar: • quantitative Konsumrückstandsumgruppierung, d. h., Zusammenfassung der zu verwertenden Verpackungen und Produkte zu größeren Lade- und Transporteinheiten durch Sammelrhythmus bei Konsumenten und entsprechende Logistiksysteme, • qualitative Konsumrückstandsumgruppierung, d. h., Sortierung und Trennung der verschiedenen Konsumrückstände für eine spätere Verwertung durch Klassifikation der Wertstoffarten und Qualitätsgruppen bzw. deren Reinigung, • Raumüberbrückung, d. h., Transport zwischen den verschiedenen Rückstandsstationen und dem Verwertungsweg nach Wahl des Transportmittels und der Lade­hilfsmittel,

430

7. Die technische Auftragsbearbeitung

• zeitlicher Ausgleich, d. h., Kontinuierung von Mengenschwankungen zur gleichmäßigen Auslastung der verschiedenen Verwertungsanlagen. Weiterhin sind folgende zu nennen: • Rückstandsermittlung, d. h., Bekanntmachung redistributiver Maßnahmen durch deren Anbieter und Identifizierung des Redistributionssystems mit einem Hersteller, • Rückstandslenkung, d. h., Bekanntmachung des Steuerungsbedarfs der Rückstände zu geeigneten Sammel- und Verwertungsstellen, • Entgelttragung, d. h., angemessene Verteilung der dabei anfallenden Lasten und Kosten gemäß dem realisierten Koordinationsprinzip, • Logistikanforderung, d. h., Bereitstellung der Konsumrückstände zum richtigen Zeitpunkt, in der richtigen Menge und am richtigen Ort. Eine einfache Umkehrung der Gestaltung des herkömmlichen Distributions­ kanals scheitert aber daran, dass • neue Institutionen in das Verhaltenssystem des Herstellers eintreten, dazu gehört auch die Entsorgungswirtschaft, die durch die Distribution nicht tangiert ist, • Marktpartner aus den ursprünglichen Absatzbeziehungen neue und / ​oder erweiterte Aufgaben übernehmen, nämlich neben der Abgabe von Leistungen auch deren Rücknahme, • unterschiedliche Transportanforderungen zwischen neuwertigen und gebrauchten Gütern bestehen, dies bezieht sich u. a. auf die Qualitäts- und Zeitsensibilität, • weder die Kapitalbindung noch die Verfügbarkeit der Konsumrückstände eine bedeutende Rolle spielt, wie das bei Neuwaren regelmäßig der Fall ist, • die Volumendifferenzen zwischen neuwertigen und gebrauchten Gütern teilweise immens sind, • ein zusätzlicher Teil der hoch rationell genutzten Betriebsfläche der Distributionsakteure beansprucht werden kann, • Verbraucher mit privaten Verhaltensmustern als Ausgangspunkt von Warenströmen auftreten, die Notwendigkeit der Redistribution führt hier zu Dissonanz und Nutzenentgang, daher wird eine Minimierung des Aufwands angestrebt, so dass der Bequemlichkeitsfaktor zu berücksichtigen ist, was wiederum steigende Kosten verursacht. In Bezug auf die Redistribution lassen sich Hol- und Bringsysteme unterscheiden. Bei Holsystemen werden die Mengen unmittelbar am Anfallort bei Konsumenten abgeholt. Dadurch steigt die Motivation zur Sammlung und Beteiligung, allerdings entstehen auch hohe Transportkosten. Zur Anpassung können mehrstufige Holsysteme dienen. Beim Bringsystem werden die Konsumrückstände von Konsumenten an einen Sammelort verbracht. Dadurch steigt jedoch der Ent-

7.7 Redistribution

431

ledigungsaufwand, mithin sinkt die Motivation zur Teilnahme, dafür sind aber die Transportkosten geringer. Denkbar ist auch eine Kombination in Treffsystemen, d. h., der erste Halbweg wird im Bringsystem bis zu Sammelstellen zurückgelegt, der zweite Teilweg im Holsystem bis zum Verwertungspunkt, wobei die Aufteilung der Strecken zu diskutieren ist. Eine weitere Möglichkeit ist die gesetzliche Verpflichtung zur Verbringung von Konsumrückständen wie Elektronikschrott, Arzneimittel etc. Das Redistributionssystem kann eigen- oder fremdgestaltet sein. Eigengestaltet bedeutet, dass jeder Hersteller selbst für die Rückholung seiner Altverpackungen und -produkte Sorge trägt (= direkter Weg). Dies scheint allerdings wenig praktikabel. Fremdgestaltet bedeutet, dass Hersteller diese Aufgabe an Dritte vergeben (= indirekter Weg). Dabei kann es sich um eine dezentrale Vergabe handeln, die im Effekt aber den Nachteilen der Eigengestaltung nahekommt, oder um eine zentrale Vergabe, bei der sich mehrere (alle) Verursacher eines gemeinsamen Dritten zur Funktionserfüllung bedienen (z. B. DSD). Dabei kann es sich um Hersteller einer Branche, um Hersteller verschiedener Branchen oder Verursacher verschiedener Wirtschaftsbereiche (z. B. Hersteller und Handel) handeln. In diesem Fall ist eine zwei- oder mehrstufige Redistribution unter Einschaltung von Mittlern oder Helfern gegeben. Allerdings müssen die rückgeführten Verpackungen und Altprodukte nicht unbedingt beim Verursacher auftauchen, sondern dieser kann sich zur Entsorgung gleichfalls Dritter bedienen, die gegen positives oder negatives Entgelt bzw. gegen Warentausch Rohstoff gegen Recyclat tätig werden und nur die Gestaltung der Redistribution übernehmen. Bei indirekter Redistributionsstrategie können viele Mittler auf einer Stufe eingeschaltet werden, damit möglichst alle Konsumrückstände flächendeckend wieder- und weiterverwertet werden können. Oder nur wenige, qualitativ ausgewählte Mittler, um ökonomische Randbedingungen einzuhalten, oder aber nur ein Mittler wie in Form des DSD bei Verpackungen. Zudem sind vielfältige Kooperationen denkbar, zumal sich Verwertungen meist nur bei hohem und stetigem Einsatzmaterialaufkommen rechnen, weshalb vielfach bereits Abfallmenge fremd zugekauft wird. Im B-t-c-Bereich funktioniert die Redistribution in Deutschland wie folgt. Die Hersteller bringen ihre Verpackungen in Umlauf und haben damit die Pflicht zu deren Entsorgung. Diese wird haushaltsnah durch das Duale System Deutschland organisiert. Das DSD schreibt Aufträge an Entsorger für das Erfassen, Sortieren, Aufbereiten, Bereitstellen und Entsorgen von Packungsabfall aus. Die Entsorger unterhalten Verträge in Zusammenarbeit von Kommunen und Kreisen mit Haushalten / ​Bürgern, die sich verpflichten, Packungsabfälle in ihnen dafür bereitgestellte Behältnisse (Gelbe Tonne / ​Gelber Sack) zu entsorgen. Die Entsorger liefern die Wertstoffe an Recycler, die diese wiederum mit materialspezifischen Quoten an die Industrie weitergeben. Der nicht verwertbare Rest wird thermisch entsorgt (Müllverbrennungsanlage).

432

7. Die technische Auftragsbearbeitung

7.8 Logistische Absatzhelfer

Spediteur Frachtvertrag

Lieferung

Speditionsvertrag

Absender

Frachtführer Umschlag

Empfänger

Abbildung 78: Beteiligte im Versand

Logistische Absatzhelfer sind vor allem Transport- und Lagerunternehmen wie Spedition, Paketdienst, Verkehrs- und Depotbetrieb etc. Sie organisieren den Zeit- und Raumtransfer von Waren, ohne dabei deren Eigentümer zu werden (siehe Abbildung 78: Beteiligte im Versand). Der Spediteur übernimmt im eigenen Namen, aber auf Rechnung des Auftraggebers die Planung und Durchführung des Transports vom Absender zum Empfänger inklusive aller Nebendienste (7.8.1). Der Frachtführer verbringt hingegen die Waren selbst, muss aber nicht mit dem Spediteur identisch sein (7.8.2). Der Lagerhalter trägt für die Einhaltung der Qualität und Quantität der Ware Sorge (7.8.3).

7.8.1 Spediteur Der Spediteur ist selbstständiger Kaufmann im logistischen Bereich, der gewerbsmäßig in eigenem Namen, aber für fremde Rechnung des Versenders die Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle der Beförderung von Gütern vom Absender zum Empfänger durch einen Frachtführer oder durch Verfrachter von Seeschiffen besorgt (§§ 453 ff. HGB). Er tritt damit als Transportvermittler auf und übernimmt meist alle zum Transport gehörenden Nebenleistungen wie Versicherung, Zwischenlagerung, Dokumentenbeschaffung, Verzollung etc. Die Vermittlung beinhaltet die kaufmännische Verwaltung und organisatorische Handlung und Kontrolle der Frachtführer. Oft übernimmt der Spediteur auch selbst die Funktion des Frachtführers, indem er die Ware mit eigenen Transportmitteln befördert, und evtl. auch die Funktion des Lagerhalters. Wird der Versand zu bestimmten Beförderungskosten durchgeführt, hat er nur die Rechte und Pflichten

7.8 Logistische Absatzhelfer

433

eines Frachtführers. Der Versandspediteur übernimmt im Vorlauf Sendungen bei verschiedenen Versendern, stellt diese Sendungen nach Verkehrsrichtungen zusammen und sorgt für den Transport im Hauptlauf als Sammelladung. Der Empfangsspediteur wird beauftragt, im Nachlauf die Ladung in Empfang zu nehmen, sie zu entladen, nach Einzelsendungen zu sortieren und dem einzelnen Empfänger auszuliefern. Dabei sind auch Zwischenspediteure eingeschaltet. Spediteure im gewerblichen Güternah- und -fernverkehr werden behördlich zugelassen. Vertragsgrundlage sind die Allgemeinen Deutschen Spediteursbedingungen (ADSp). Sie schließen Frachtverträge ab und erscheinen auf Frachtbriefen als Absender. Der Spediteur erhält als Vergütung Provision und Übernahme-/Auslagenersatz, hat ein gesetzliches Pfandrecht am Beförderungsgut, wenn der Versender seiner Zahlungspflicht nicht nachkommt, kann auch selbst als Frachtführer in die Ausführung des Vertrags eintreten und wählt in Abstimmung die bestgeeignete Beförderung. Der Spediteur haftet bei Verlust oder Beschädigung bei nachweisbarem Verschulden. Er hat seine Sorgfaltspflicht bei der Ausführung des Transportgeschäfts walten zu lassen, insb. bei der Auswahl eines geeigneten Frachtführers, und die Interessen als Treuhänder seiner Kunden zu wahren. Und er hat Weisungen gegenüber dem Versandauftrag des Auftraggebers zu befolgen und (Gewährleistungs-)Rechte gegenüber seinem Auftraggeber zu wahren. Das Speditionsbuch ist Teil der betrieblichen Buchführung einer Spedition, das Aufträge und ausgeführte Leistungen in einem entsprechenden Ordnungssystem enthält. Die Eintragungen erfolgen chronologisch und sind jeweils zur Kontrolle mit einer Identnummer als Kennung versehen. Bei der Gebietsspedition werden regional zusammenliegenden Lieferanten Spediteure zugeordnet, welche die einzelnen Beschaffungsvorgänge konsolidieren und einen oder mehrere Abnehmer in Sammelladungen beliefern. Damit werden alle mit gleicher Versandrichtung zu befördernden Güter zusammengefasst. Das bringt einen Kostenvorteil, zugleich aber auch einen Zeitnachteil. Es lassen sich vier Generationen von Logistik-Services unterscheiden: • First party logistics bezeichnet die Beauftragung von Frachtführern zur Übernahme logistischer Dienstleistungen, die vom Unternehmen selbst organisiert werden, • Second party logistics bezeichnet die Beauftragung von Spediteuren mit denlogistischen Leistungen TUL also Transport, Umschlag, Lagerung, die diese von Frachtführern ausführen lassen, • Third party logistics bezeichnet die dauervertragliche Übernahme von Logistikdienstleistungen (TUL) durch Spediteure im Rahmen der Kontraktlogistik, • Fourth party logistics bezeichnet das komplette Outsourcing von Logistik-Services an entsprechende Dienstleister, die nach vorgegebenen Standards (auch Service level agreements) zu vereinbarten Festkonditionen eigenverantwortlich diese Aufgaben mit Absatzhelfern koordinieren, ohne sie selbst auszuführen.

434

7. Die technische Auftragsbearbeitung

Die Tätigkeiten des Spediteurs sind dabei vielfältig: • Beratung und Besorgung für Wahl des Frachtführers, des Transportmittels/ -wegs, Aushandeln von Frachtraten und Konditionen, Abschluss von Frachtverträgen, Beschaffung von Dokumenten, • Beförderung mit Durchführung von Frachtführertätigkeiten für den Fall des Selbsteintritts, • Beratung über geeignete Lagermöglichkeiten, Durchführung des Ein- und Auslagerns, Lagerung, Warenmanipulation, Lagerbestandsmanagement, Kommissionierung, • Sammeln, Verteilen, Durchführen des Spediteur-Sammelgutverkehrs, • Besorgen und Durchführen des physischen Güterumschlags, • Verpackung, Markierung, Entfernung von Herkunftszeichen, Umpacken, Um­ signieren, Bemusterung, Mengen- und Qualitätsfeststellung, • Warenversicherung und Ausführung spezieller Dienste in Treuhänderfunktion, • Inkasso bei Fracht- und Warennachnahmen, • Zollbehandlung, • Ausführung spezieller Services als Treuhänder zwischen Käufer und Verkäufer, insb. im Auslandsabsatz, • Abwicklung von Anlagetransporten, Spezialverkehr etwa für Frucht, Gefahrgut, Kühlgut, Möbel etc.

7.8.2 Frachtführer

Versender

Speditionsauftrag

Spediteur

Empfänger

evtl. weitere Spediteure Besorgung und Selbstausführung

Frachtführer

Frachtvertrag Besorgung und Fremdausführung evtl. weitere Frachtführer

Abbildung 79: Warenumschlag über Frachtführer

7.8 Logistische Absatzhelfer

435

Als Frachtführer zur Güterbeförderung gilt, wer sich als selbstständiger Kaufmann durch Abschluss eines Beförderungsvertrags gewerbsmäßig verpflichtet, die Beförderung von Gütern per Schiene, Straße, See, Luft, Binnengewässer oder in einer Kombination dieser Transportarten je nach Zweckmäßigkeit durchzuführen (§ 437 HGB, § 442 HGB). Der Frachtführer verbringt Waren selbst, ohne sich jedoch mit den zum Transport erforderlichen Vor- und Hilfsleistungen zu befassen (siehe Abbildung 79: Warenumschlag über Frachtführer). Die Beförderung erfolgt in eigenem Namen, aber für fremde Rechnung, sie gilt als erfüllt, wenn Gut und Frachtbrief beim Empfänger übergeben werden. Sichtbare Mängel der Fracht sind sofort zu rügen, versteckte Mängel innerhalb einer Woche nach Annahme. Der Frachtführer hat ein Recht auf Ausstellung eines Frachtvertrags, meist als Frachtbrief, welcher die Bedingungen für die Beförderung enthält, und übergibt den Frachtbrief und alle Begleitpapiere. Er hat außerdem ein gesetzliches Pfandrecht am Beförderungsgut bei Zahlungsverweigerung für begründete Forderungen, und erhält die Transportkosten incl. Auslagen vom Auftraggeber erstattet. Dafür leistet er fristgerechte Beförderung und Erfüllung aller vertraglichen Pflichten, befolgt Weisungen des Auftraggebers, benachrichtigt diesen unverzüglich bei Ablieferungshindernissen und haftet für Verlust, Lieferfristüberschreitung und Beschädigung sowie Nichtbefolgung nachträglicher Verfügungen des Absenders. Der Frachtführer hat dem Absender die Ladebereitschaft anzuzeigen, die Güter mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu befördern und an den berechtigten Empfänger am vereinbarten Entladeplatz zur Verfügung zu stellen. Der Frachtführer haftet für Schäden, sofern ihn oder seine Erfüllungsgehilfen ein Verschulden trifft. Den Entlastungsbeweis muss er führen, sofern aus dem Vertrag nichts Gegenteiliges hervorgeht. Die Haftungshöhe ist unbegrenzt, sofern nicht anders vertraglich vereinbart. Er hat die Weisungen des Empfängers zu befolgen und alle vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen, vor allem die Übergabe der Ware und die Ausstellung eines Ladescheins. Der Frachtführer erhält ein gewichtsbezogenes Rollgeld für den Transport von Waren vom Lager des Versenders bis zum Versandbahnhof bzw. vom Bestimmungsbahnhof bis zum Lager des Empfängers. Ablader ist derjenige, der aufgrund eines zwischen Befrachter und Verfrachter geschlossenen Beförderungsvertrags Güter zur Beförderung mit Seeschiffen übergibt. Der Luftfracht-Agent ist ein Absatzhelfer, der speziell die Abwicklung des Vor- und Nachtransports, die Verpackung und die Versicherung bei Luftfracht übernimmt. Teilweise erledigt er seine Dienste auch in Terminals außerhalb des Flughafens. Zudem werden kleinere Versandmengen von ihm kostengünstig zusammengefasst.

436

7. Die technische Auftragsbearbeitung

7.8.3 Lagerhalter Der Lagerhalter ist ein selbstständiger Kaufmann, der gewerbsmäßig und gegen Entgelt die Lagerung und Aufbewahrung von Gütern übernimmt zum Ausgleich von Produktionsschwankungen, Absatzschwankungen oder zur Veredelung (§ 467 HGB). Er ist praktisch häufig identisch mit dem Frachtführer oder Spediteur. Für das eingelagerte Gut wird ein Lagerschein ausgestellt, der ein Inhaberpapier, Namenspapier oder Orderpapier sein kann. Lagerfähig sind bewegliche Sachen, nicht jedoch Geld, Wertpapiere oder Tiere. Das Lagergeschäft wird von Spediteuren, Transportunternehmen sowie den staatlichen und privaten Lagerhausgesellschaften betrieben. Der Lagervertrag kommt durch Antrag und Annahme zustande und ist formfrei. Leistungen sind meist Einlagern, Lagern, Auslagern sowie damit verbundene Nebenleistungen. Die Art der Lagerung bestimmt sich aus den bauund feuerpolizeilichen Vorschriften, der Art der Güter und den Anweisungen des Auftraggebers. Für die eingelagerten Waren wird eine Lagerkartei geführt. Die Spesen richten sich nach Stückzahl, Gewicht, Fläche und Zeit der Lagerung. Der Lagerhalter trägt für die Einhaltung der Qualität und Quantität der Ware während einer Zeitüberbrückung Sorge. Rechte des Lagerhaltes sind sein Anspruch auf Lagergeld und Aufwendungsersatz, das Pfandrecht am Gut bei Nichtzahlung der Lagerkosten durch den Einlagerer, der Selbsthilfeverkauf des Lagerguts und die Kündigung des Lagervertrags. Pflichten des Lagerhalters sind neben der Lagerung und sorgfältigen Behandlung des Guts die Warenprüfung des einzulagernden und die laufende Kontrolle des eingelagerten Guts, die Erlaubnis zur Besichtigung des Guts, zur Entnahme von Proben und die Rückgabe des Guts durch den Einlagerer, die Ausstellung eines Lagerscheins bei Übernahme, die Benachrichtigung des Einlagerers bei drohender Verschlechterung des Guts durch Wertminderung / ​Verderb, die Versicherung der gelagerten Ware und Aushändigung an den Empfangsberechtigten, die Verhinderung der Vermischung während der Lagerung und die Haftung bei Verletzung der Sorgfalts- und Benachrichtigungspflicht. Bei der Einzel-(Sonder-)lagerung wird das Lagergut des Kunden getrennt von anderen Gütern gehalten, auch wenn eine Vermischung möglich wäre. Der Kunde hat also die Gewissheit, dass seine Ware jederzeit genau identifizierbar bleibt. Dadurch steigt allerdings der Lageraufwand. Bei Sammellagerung ist eine Vermischung / ​Vermengung des Lagerguts verschiedener Eigentümer erlaubt, wenn diese damit einverstanden und die Lagergüter im Übrigen gleichwertig sind.

8. Die Verkaufsdurchführung Problemerkennung

Initialphase

Problemweckung

Bedarfsbestimmung

Konzeptionsphase

Anforderungsprofil

Marktanalyse

Sondierungsphase

Kontaktberücksichtigung

Anfragenerstellung

Anfragephase

Anfragenakquisition

Angebotssichtung

Angebotseinholungsphase

Angebotserstellung

Angebotsvergleich

Angebotsbewertungsphase

Bewertungsbeeinflussung

Zuliefererpräferenz

Anbieterauswahlphase

Anbieterpräferenz

Konkretisierung

Nachverhandlungsphase

Zugeständnisse

Empfang / Annahme

Kaufabwicklungsphase

Lieferung / Leistung

Integration

Neubewertungsphase

Nachbereitung

Nachfrageraktivitäten

Synchronisationsphasen

Anbieteraktivitäten

Abbildung 80: Nachfrager- und Anbieteraktivitäten in der Transaktion

Im Folgenden wird der Versuch unternommen, die einzelnen Phasen des gewerblichen Beschaffungsprozesses chronologisch aufzuzeigen und die Aktivitäten in den jeweiligen Phasen zu analysieren. Diese spiegeln dann die entsprechenden Vertriebsaktivitäten (siehe Abbildung 80: Nachfrager- und Anbieteraktivitäten in der Transaktion).

8.1 Beschaffungsprozess In Abhängigkeit von den Interessen der Käuferseite, denen verkäuferseitig entsprochen werden sollte, können mehrere Phasen der Verkaufsdurchführung unterschieden werden. Dabei handelt es sich im Detail um die Initialisierung (8.1.1), die Bedarfskonzeption (8.1.2), die Anbietersondierung (8.1.3), die Anfragenerstellung (8.1.4), die Angebotseinholung (8.1.5), die Angebotsbewertung (8.1.6), die An-

438

8. Die Verkaufsdurchführung

bieterauswahl (8.1.7), die Nachverhandlung (8.1.8), die eigentliche Kaufabwicklung (8.1.9) und die Nachbewertung (8.1.10). Dazu wird im Folgenden Stellung genommen.

8.1.1 Initialisierung In der Initialphase erfolgt die eigentliche Problemerkennung. Diese kann initiativ vom Nachfrager ausgehen oder, wie heute häufig, durch den Anbieter proaktiv induziert werden, d. h., der Anbieter macht auf ein Problem aufmerksam, das dem Nachfrager so noch gar nicht bewusst war, denkbar ist auch eine Initialisierung durch Externe.

Gewinneinfluss hoch niedrig

Beschaffungsrisiko niedrig

hoch

Standardprodukte

Engpassprodukte

Schlüsselprodukte

Strategische Produkte

Abbildung 81: Beschaffungsrisiko-Gewinneinfluss-Matrix

Die Aktivitäten in der Initialphase sind vor allem davon abhängig, ob es sich beim zu beschaffenden Produkt oder Service um einen solchen mit hohem oder niedrigem Versorgungsrisiko und Beschaffungsvolumen handelt. Dies wird meist in Form eines Portfolios veranschaulicht, wobei folgende Produkte unterschieden werden (siehe Abbildung 81: Beschaffungsrisiko-Gewinneinfluss-Matrix): • Strategische Produkte weisen ein hohes Versorgungsrisiko und ein hohes Beschaffungsvolumen auf. Daher bedarf es nachfragerseitig einer präzisen Bedarfsprognose und sicherer, langfristiger Lieferantenbeziehungen. Evtl. ist auch eine Entscheidung über Eigenfertigung oder Zukauf (Make or buy) erforderlich. • Engpassprodukte weisen ein hohes Versorgungsrisiko, aber ein niedriges Beschaffungsvolumen auf. Hier geht es dem Abnehmer in erster Linie um die Mengensicherung des beschafften Produkts, flankiert von Ausweichplänen für den Notfall von Lieferausfällen.

8.1 Beschaffungsprozess

439

• Schlüsselprodukte weisen ein niedriges Versorgungsrisiko, aber ein hohes Beschaffungsvolumen auf. Hier gilt es anbieterseitig, die Einkaufsmacht des Abnehmers für günstige Konditionen auszugleichen und zu den gezielt selektierten Lieferanten zu gehören. • Standardprodukte weisen ein niedriges Versorgungsrisiko und ein niedriges Beschaffungsvolumen auf. Insofern werden nachfragerseitig eine Standardisierung der Produkte und eine Optimierung der Auftragsmengen angestrebt. Entsprechend der Produktklasse, in die ein angebotenes Produkt fällt, sind Aussagen über die Nachfrageraktivitäten möglich. Neben der Produktklasse spielt jedoch auch der Lieferantenstatus beim Kunden eine wichtige Rolle. Dabei werden zumeist vier Klassen unterschieden: • Strategische Lieferanten sind solche, für die aus Kundensicht anderweitig keine wirklich akzeptablen Alternativen am Markt zu finden sind und die ein hohes Entwicklungspotenzial darstellen. Insofern nimmt der Lieferant hier eine starke Position ein. Ziel jedes Lieferanten muss es daher sein, bei seinen Kunden ein A-Lieferant zu werden und zu bleiben. Nachfragerseitige Aktivitäten sind hier der Aufbau einer langfristigen Zusammenarbeit, eine Single sourcing-Politik, die Förderung aktiver Beschaffungsmarktforschung, intensive Untersuchung von Make or buy und die Unterstützung von Standardisierungsbemühungen. • Engpasslieferanten sind solche, für die aus Kundensicht immerhin Alternativen am Markt bereits vorhanden sind oder herangezogen werden können, auf die jedoch zumindest nicht unmittelbar ausgewichen werden kann. Hier besteht also eine Positionsbalance bei hohem Entwicklungspotenzial. Nachfragerseitige Aktivitäten sind hier die Sicherstellung der Versorgung über langlaufende Lieferverträge, die Vermeidung eines kurzfristigen Lieferantenwechsels, die Konzentration auf „sichere“ Lieferanten, der Aufbau geplanter Bestände zur Risikovermeidung und die Förderung neuer Lieferanten. • Kernlieferanten sind solche, die aus Kundensicht in ihrer Leistung austauschbar zu vielfältigen Anderen sind, allenfalls ein gewisses Entwicklungspotenzial bieten, das sich zur Lieferantenentwicklung anbietet. Daraus leitet sich ihre Attraktivität ab. Nachfragerseitige Aktivitäten sind hier ein offensives Auftreten am Beschaffungsmarkt, die Nutzung von Nachfragemacht, die intensive Suche nach neuen Lieferanten, der internationale Lieferantenvergleich, die Verlagerung von Qualitätssicherung und Vorratshaltung zum Lieferanten hin und die Überprüfung der Preisbestandteile in einer Preisstrukturanalyse. • Standardlieferanten sind solche, die aus Kundensicht in ihrer Leistung austauschbar zu vielfältigen anderen sind und ein geringes Entwicklungspotenzial aufweisen. Daher befinden sich Lieferanten hier in einer schwachen Position und Preise und Konditionen werden zu vordergründigen Absatzargumenten. Nachfragerseitige Aktivitäten sind hier der Aufbau von IuK-Techniken im Einkaufsprozess, die Anwendung „leaner“ Versorgungskonzepte und der Übergang von Eigenfertigung zu Fremdbezug.

440

8. Die Verkaufsdurchführung

Daraus folgt unmittelbar, dass es das Ziel jedes Anbieters sein muss, ein wenig oder nicht austauschbares, uniques Produkt zu offerieren. Für die konkrete Kontaktaufnahme sind anbieterseitig zwei Ansätze möglich. Passivität bedeutet, dass nicht proaktiv angesetzt wird, vielmehr wird abgewartet, bis Anfragen eingehen. Dies wird bei vergleichsweise hoher Markttransparenz durch wenige Anbieter und wenige Nachfrager möglich, d. h., man wird angefragt. Allerdings entsteht ein Bindungseffekt durch fortschreitende Festlegung von Entscheidungsalternativen mit Mitbewerbern im Zeitablauf, d. h., andere Anbieter haben möglicherweise einen Angebotsvorteil allein aus der Tatsache heraus, dass sie früher mit dem potenziellen Abnehmer interagiert haben. Aktivität bedeutet, dass proaktiv eingegriffen wird. Dazu wird meist gezielte Kommunikationspolitik zur Stimulierung des Bedarfs eingesetzt, d. h. ein Signaling, dass man als Anbieter zu einer bestimmten Problemlösung fähig ist und auch willens, diese Problemlösung mit dem potenziellen Abnehmer zu finden. Nur dieser Ansatz ist aus Vertriebssicht zweckmäßig. Denn es ist eminent wichtig, so früh wie möglich und so lang wie nötig im Kontakt mit der Nachfrageseite zu stehen, denn über diese Zeitachse hinweg entsteht begleitend eine gegenseitige Einstimmung und Annäherung der Positionen im Creeping commitment. Damit hat derjenige Anbieter die besten Chancen, zum Abschluss zu gelangen, der am längsten mit der Nachfrageseite interagiert und dies ist wiederum derjenige, der als erster die Interaktion proaktiv initiiert.

8.1.2 Bedarfskonzeption Für die Konzeptionsphase ist eine möglichst exakte Beschreibung der nachfragergewünschten Problemlösung erforderlich. Dazu dient äquivalent dem AngebotsSignaling auf Anbieterseite das Bedarfs-Screening auf Nachfragerseite. Das Lastenheft gibt dabei eine objektive, meist technische Problemdefinition (Was), für die eine Lösung durch Zukauf gesucht wird. Es geht um die Summe der Forderungen, Bedürfnisse und Erwartungen an das zu beschaffende Erzeugnis hinsichtlich Liefer- und Leistungsumfang. Dazu gehören die Projektvorstellung, die Beschreibung der Istsituation, die Aufgabenstellung, die Bestimmung der Integration, die technischen Anforderungen, die Anforderungen an Inbetriebnahme / ​ Einsatz, die Qualitätsmaßstäbe, die Projektabwicklung, die Aufwandskalkulation sowie spezifische infrastrukturelle und personelle Forderungen. Der Pflichtenkatalog enthält dann die denkbare oder präferierte Lösungskonzeption für das technische Problem (Wie). Er beschreibt die Produkteigenschaften / ​Produktionsverfahren. Es geht um die Umsetzung der Kundenforderungen in Entwicklungs- und Produktionsparameter unter Beachtung aller Randbedingungen und äußeren Einflüsse wie Marktsituation, Entwicklungsziel, technische Para-

8.1 Beschaffungsprozess

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meter, Qualität, Einhaltung der Vorschriften / ​Verordnungen / ​Gesetze / ​Normen / ​ Patente, Stückzahlen, Liefertermine, Kosten / ​Preise, personelle Forderungen etc. Dasjenige Angebot hat die größte Chance, zum Zuge zu kommen, das in seinen Merkmalen der Beschreibung von Lastenheft und / ​oder Pflichtenkatalog am ehesten entspricht. Daher ist es anbieterseitig sinnvoll, bereits auf diese Beschreibung proaktiv derart Einfluss zu nehmen, dass die dort beschriebenen Angebotsmerkmale möglichst gut mit den tatsächlichen Merkmalen des eigenen Angebots übereinstimmen. Dies geschieht in der Regel, indem ein gewiefter Vertriebsbeauftragter den potenziellen Käufer in der Konzeption seines Kaufobjekts berät oder einen entsprechend ausgearbeiteten Vorschlag unterbreitet. Im Grunde geht es dabei um den zentralen Hebel der Geschäftsbeziehung aus Lieferantensicht, nämlich die Entlastung des Abnehmers von Arbeitsaufwand, Zeitaufwand und Risiko. Generell muss es das Ziel sein, das wahrgenommene Risiko des Käufers zu senken, da dieses als Barriere zwischen Verkäufer und Abschluss steht. Dieses Käuferrisiko lässt sich im Einzelnen in mindestens fünf Teilrisiken aufspalten. Das Qualitätsrisiko beinhaltet die Ungewissheit, ob das angebotene Produkt den Erwartungen und Anforderungen im Hinblick auf seine objektive, meist technische Problemlösungsfähigkeit entspricht. Hier muss Risikoreduktion durch aussagefähige Funktionsnachweise herbeigeführt werden, welche die Zweckeignung der Problemlösung belegen. Das Herstellerrisiko beinhaltet die Unsicherheit des Abnehmers hinsichtlich der fachlichen Qualifikation und Zuverlässigkeit des Lieferanten. Hier muss Risikoreduktion herbeigeführt werden, indem vertrauenswürdige Informationen über den Hersteller geboten werden, z. B. seine Branchenstellung, seine Betriebserfahrung, seine Anerkennung im Markt. Das Preisrisiko beinhaltet die Unsicherheit des Abnehmers darüber, einen unangemessen hohen Preis für das ihm angebotene Produkt zu zahlen. Hier muss Risikoreduktion herbeigeführt werden, indem der Preis statt absolut relativ als Preis-Leistungs-Verhältnis argumentiert und die tatsächliche Vergleichbarkeit vom Nachfrager zum Vergleich herangezogener Alternativen erschüttert wird. Das Informationsrisiko beinhaltet die Unsicherheit des Abnehmers, nicht über das erforderliche Maß an Informationen zur Bewertung angebotener Lösungen zu verfügen. Hier muss Risikoreduktion herbeigeführt werden, indem Kaufinteressenten gerade soviel Information zur Verfügung gestellt wird, wie funktional sinnvoll ist. Denn ein Übermaß an Information ist ebenso schädlich wie ein Zurückhalten relevanter Informationen. Das Sozialrisiko beinhaltet die Unsicherheit des Abnehmers darüber, wie der Kaufentscheid in seinem sozialen privaten und beruflichen Umfeld aufgenommen wird. Hier muss Risikoreduktion durch die Anführung von Referenzkunden

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8. Die Verkaufsdurchführung

herbeigeführt werden, die als Vergleichsmaßstab für die Tauglichkeit der eigenen Entscheidung dienen. Parallel dazu ergeben sich relevante Risiken auch auf der Verkäuferseite: • Das Akquisitionsrisiko beinhaltet die Unsicherheit, ob eine Chance zum Auftragserhalt besteht oder die Bemühungen erfolglos verlaufen. • Das Preisrisiko beinhaltet die Unsicherheit, für das Produkt die gewünschten / ​ erforderlichen Konditionen beim Abnehmer durchsetzen zu können. • Das Kostenrisiko beinhaltet die Unsicherheit, ob unausweichliche Erlösschmälerungen eintreten, die den Gewinn vermindern. • Das Referenzrisiko beinhaltet die Unsicherheit, ob die Transaktion auch so abgewickelt werden kann, dass sie referenztauglich für andere Abschlüsse ist.

8.1.3 Angebotssondierung

Single sourcing

Global sourcing

Cooperative sourcing

Dual sourcing

Local sourcing

Modular sourcing

Multiple sourcing

Domestic sourcing

Systems sourcing

Sole sourcing

Process sourcing

Particular sourcing

Abbildung 82: Wichtige Sourcing-Strategien

In der Sondierungsphase geht es Kaufinteressenten um die konkrete Suche nach Lieferanten vorgegebener Eigenschaften. Dazu werden nachfragerseitig verschiedene Beschaffungsstrategien eingesetzt, die sich nach Anzahl, Herkunft und Aufgabenumfang gliedern lassen. Zunächst zur Anzahl der Lieferanten (siehe Abbildung 82: Wichtige Sourcing-Strategien): • Mit Single sourcing ist gemeint, dass der Abnehmer sich in jeder Produktgruppe auf genau einen Lieferanten festlegt. Als In-supplier hat man dabei im Wesent­ lichen die Aufgabe, den Kunden in der Richtigkeit seiner Partnerwahl zu bestätigen und irritierende Informationen, die ihn zu einem neuerlichen Angebotsvergleich motivieren könnten, zu neutralisieren. • Mit Dual sourcing ist gemeint, dass der Abnehmer sich in einer Produktgruppe alternierend zweier Lieferanten bedient, meist im Mengenverhältnis ca. 70 : 30. Motiviert ist diese Sourcing-Strategie durch ein Sicherheitsdenken. Hier

8.1 Beschaffungsprozess

443

muss es das Ziel des dominierenden Lieferanten sein, seinen Anteil zu verteidigen und nach Möglichkeit in Richtung Single sourcing auszubauen. Das Ziel des subordinaten Lieferanten muss es hingegen sein, seinen Anteil auszubauen und nach Möglichkeit mit dem des dominanten Lieferanten zu tauschen. • Mit Multiple sourcing ist gemeint, dass der Kaufinteressent sich in jeder Produktgruppe mehrerer Lieferanten bedient, die er einem Angebotsvergleich unterzieht, um beim jeweils günstigsten von ihnen zu bestellen. In einer solchen Situation gilt es, den Kreis der Mitbewerber zu verkleinern und den eigenen Lieferanteil zu vergrößern, da ansonsten ein kontinuierliches Wettrennen um die besten Konditionen einsetzt, das kaum erfolgreich durchzuhalten ist. • Mit Sole sourcing ist gemeint, dass der Kaufinteressent sich in jeder Produktgruppe nur einem Lieferanten gegenüber sieht. Dadurch entsteht in den seltenen Fällen absoluter Monopole eine Angebotsmacht. Wird diese überzogen, können vom Käufer Alternativen bewusst entwickelt werden. Daher darf keinesfalls die Schmerzgrenze der Akzeptanz des Kunden überzogen werden, da damit solche Alternativen, auch im eigenen Haus durch Rückwärtsintegration, geradezu provoziert werden. Eine weitere Unterscheidung geht nicht von der Zahl der Anbieter, sondern vom räumlichen Gebiet, innerhalb dessen ein Kaufinteressent nach Lieferanten sucht, aus. Dabei kommt es zu drei Formen: • Beim Global sourcing erfolgt eine räumlich unbegrenzte, internationale Lieferantensuche. Dies ist eine unangenehme Situation, wenn ein Lieferstandort unveränderliche Nachteile aufweist, welche die Wettbewerbsfähigkeit des eigenen Angebots in Mitleidenschaft ziehen. • Beim Local sourcing erfolgt eine auf den Betriebsstandort bezogene Lieferantensuche. Das heißt, jeder, auch internationale, Standort des Abnehmers bestimmt seine Lieferanten unter der Auswahl der im jeweiligen lokalen Umfeld ansässigen Lieferanten. Dies zwingt Anbieter, die globalisierte Unternehmen beliefern, zur Internationalisierung ihrer Aktivitäten, da sie ansonsten für einzelne Standorte nicht mehr als Lieferanten in Betracht gezogen werden können. • Beim Domestic sourcing werden nur inländische Lieferanten berücksichtigt. Dies ist häufig bei Local content-Vereinbarungen der Fall, die etwa im jeweiligen Ausland aus Protektionismusgründen vorgegeben werden. Dann ist es unvermeidlich, das Liefervolumen in inländische und ausländische Anteile aufzusplitten. Zugleich ergeben sich Möglichkeiten zu Gegengeschäften. Beschaffungsüberlegungen gehen aber weit über die eigene Prozessstufe hinaus und betreffen erweiterte Aufgabenumfänge. Dabei findet eine zunehmende Inte­ gration der Wertschöpfungskette zwischen Lieferant und Abnehmer statt (Process sourcing). Diese Wertschöpfungskettenverschränkung bezieht sich im Einzelnen auf:

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8. Die Verkaufsdurchführung

• Produktionsprozesse, d. h. die Kombination der Produktionsfaktoren in der Wertschöpfung durch Quality audits, Design to cost oder Wertanalyse, • Logistikprozesse, d. h. die (Zwischen-)Lagerung und der (Zwischen-)Transport von Leistungen durch Kanban-Prinzip, Just in time-Prinzip oder Efficient consumer response / ​ECR, • Know-how-Prozesse, d. h. Problemlösungen, die aus Produkten und begleitendem Wissen bestehen durch Lebenszeitvertrag, Simultaneous engineering / ​SE oder Betreibermodell, • Nachhaltigkeitsprozesse, d. h. die Sichtweise des gesamten Lebenszyklus, nicht nur der Anschaffung durch Öko-Audit, Total cost of ownership / ​TCO oder Redistribution. Im Rahmen der Wertkettendenkweise ist etabliert, dass jeder Wertschöpfende sich auf denjenigen Ausschnitt der gesamtwirtschaftlichen Wertkette konzentrieren soll, der seiner Kernkompetenz entspricht. Alles andere unterfällt dem ­Outsourcing an Dritte, deren jeweilige Kernkompetenz dies ist. Von diesem Prozess des Outsourcing profitieren Anbieter im Rahmen des gesamtwirtschaftlichen Beschaffungsvolumens. Denkbar ist aber auch das Insourcing im eigenen Unternehmen, indem Kernkompetenz-Lieferanten ihren Wertschöpfungsanteil am Ort des Abnehmers erbringen. Dies geht von Industriepark-Modellen über verselbstständigte Arbeitsstationen bis zu Betreibermodellen als Pay on production, die faktisch, jedoch nicht rechtlich als Pacht, einem Leasing gleichkommen. Die gesamtwirtschaftliche Wertkette besteht somit aus den addierten einzelwirtschaftlichen Wertketten, die miteinander verschränkt sind. Um die Komplexität dieser Beziehungen einzelwirtschaftlich zu limitieren, wird eine Lieferantenhierarchie angestrebt. Dabei werden vereinfachend drei Stufen unterschieden: • Systemlieferanten (Systems sourcing) sind solche, die dem Anbieter am Endkundenmarkt komplexe Funktionssysteme anliefern, von denen sie alle Anteile selbst gefertigt haben, die ihrer Kernkompetenz entsprechen, und von denen sie alle anderen Anteile fremd zugekauft haben. • Komponentenlieferanten (Modular sourcing) sind solche, die dem Systemlieferanten abgegrenzte Funktionskomponenten anliefern, von denen sie alle Anteile selbst gefertigt haben, die ihrer Kernkompetenz entsprechen und den Rest ihrerseits fremd zukaufen. • Teilelieferanten (Particular sourcing) sind solche, die dem Komponentenlieferanten einfache Funktionsteile anliefern, die sie selbst gefertigt haben. Es ist unmittelbar einsichtig, dass es gilt, ein Unternehmen innerhalb der Lieferantenhierarchie als Systemlieferant zu positionieren. Denn erstens hat nur dieser noch unmittelbaren Kontakt zum Anbieter am Endkundenmarkt (OEM) und zweitens bieten nur komplexe Systeme die Chance der Einbringung von Wissens-

8.1 Beschaffungsprozess

445

vorteilen. Schon bei Komponentenlieferanten sind die Know-how-Anforderungen begrenzt, statt dessen spielen Preisargumente eine große Rolle. Dies gilt erst recht für Teilelieferanten, die am Ende der Lieferantenhierarchie weitgehend austauschbar und einem stetigen Preiskampf ausgesetzt sind. Die Beschaffung kann weiterhin individuell oder kooperativ erfolgen. Für eine kooperative Auslegung (Collective sourcing) spricht vor allem die Möglichkeit zur Nutzung von Kostendegressionen. Wenn mehrere Abnehmer ihr jeweiliges Abnahmevolumen poolen, können sie potenziellen Lieferanten gegenüber ihre Einkaufsmacht erhöhen. Dies ist für alle Einkaufsobjekte möglich, die nicht strategischen Charakter haben, also keine komparativen Konkurrenzvorteile (KKVs) begründen. Dies sind in aller Regel Objekte, die nicht kundenwahrnehmbar sind, beim Pkw etwa das meiste, was unter dem Blech und außerhalb des Innenraums stattfindet, oder nicht kundenwichtig, beim Pkw etwa gesetzlich vorgeschriebene Funktionsausstattungen. Dies gilt weiterhin für Einkaufsobjekte, die nicht in das Endprodukt eingehen. Die kooperative Beschaffung erfolgt dann zumeist über Internet-Marktplätze.

8.1.4 Anfragenerstellung Die Anfrage soll eine möglichst genaue Beschreibung der Art des gewünschten Produkts bzw. des zu lösenden Problems incl. der anzuwendenden Standards bieten. Dazu gehören möglichst konkrete Angaben über die gewünschte Kapazitätsauslegung, Hinweise auf den geplanten Rohstoffeinsatz sowie das verfügbare Personal, außerdem Aussagen über absatzmarktbestimmte Anforderungen an die zu erzeugenden Leistungen insb. hinsichtlich ihrer Qualität, Angaben über Integrationsmöglichkeiten bzw. -notwendigkeiten beim Betreiber, Vorstellungen über gegebene Restriktionen, bedingt durch Standort, Klima, Umweltauflagen, staatliche Vorschriften etc., dann Lieferzeitvorstellungen, Garantiewünsche incl. Vertragsstrafen bei Nichteinhaltung, weiterhin Bedingungen des Nachfragers bzgl. der Übernahme und Heranziehung von Eigenleistungen, gleiches gilt für Leistungen Dritter, Finanzierungsmöglichkeiten bzw. -grenzen und allgemeine Geschäftsbedingungen. Dabei sind auf Abnehmerseite auf einander aufbauend mehrere Entscheidungen erforderlich: • Die Budgetentscheidung bestimmt, welche Anschaffungen überhaupt finanzierbar sind. Dazu kann der Finanzierungsrahmen gezielt ausgeweitet werden. ­Daher gehören differenzierte Absatzfinanzierungsmaßnahmen (Financial engineering) zum Standardrepertoire jedes wettbewerbsfähigen Anbieters. • Die Produktgruppenentscheidung bestimmt, welche Anschaffungen am dringlichsten durchzuführen sind. Hier kann die Problemlösungsfähigkeit eines Pro-

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8. Die Verkaufsdurchführung

dukts dramatisiert werden, so dass die betreffende Gruppe zu dessen Anschaffung priorisiert wird. • Die Lieferantenentscheidung bestimmt, welche Lieferanten für die jeweiligen Anschaffungen ins Auge gefasst werden. Hier muss darauf hingewirkt werden, dass das eigene Unternehmen zumindest zum Kreis der präferierten Lieferanten („Preferred suppliers“) gehört. • Die Mengenentscheidung bestimmt, welche Beschaffungsvolumina jeweils notwendig sind. Dabei wird aus Konditionengründen zumeist eine Regelung über Rahmenverträge angestrebt, die eine lieferantenseitige Kommissionierung von Waren ohne Vorfinanzierung oder eine Sukzessivlieferung vorsehen. • Die Zeitentscheidung bestimmt, wann die Lieferungen jeweils zu erfolgen haben. Dabei wird im Regelfall eine bedarfssynchrone Lieferung vereinbart, bei der Produkte exakt zu dem Zeitpunkt bereitgestellt werden, zu dem sie erforderlich sind, also Just in time / ​Demand tailored sourcing. In Bezug auf die Anfragephase ist der In-supplier an der Aufrechterhaltung bestehender Geschäftsbeziehungen zum Abnehmer interessiert, an der Erhöhung der Kundenbindung seitens des Nachfragers und an der mengen- und wertmäßigen Ausweitung des Transaktionsvolumens. Persönliche Beziehungen spielen hier eine kaum zu unterschätzende Rolle angesichts objektiv zunehmend vergleichbarer Leistungen. Dabei sieht er sich kontinuierlich vorgetragener Verdrängungsversuche von Out suppliers gegenüber. Der Out-supplier zielt auf die Änderung des Interaktionsverhaltens zwischen Nachfrager und Lieferant ab. Er will eine In-supplier-Position erreichen und muss dazu bestehende In-suppliers verdrängen. Er ist an einer Bekanntheitsgradsteigerung seines Angebots und an dessen positiver Beurteilung interessiert. Er wirkt auf die Neubewertung der Lieferanten hin und auf eine zumindest probeweise Aufnahme von Geschäftsbeziehungen. Out-suppliers sind somit generell an der Anbahnung bzw. Wiederaufnahme der Interaktion mit einem Kunden interessiert, wohingegen In suppliers vornehmlich am Ausbau ihres Lieferanteils im Share of customer interessiert sind. Häufig wird vor allem im staatlichen Sektor das formalisierte Verfahren der Ausschreibung nach LSP (Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten) bzw. VPöA (Verordnung über die Preise bei öffentlichen Aufträgen) als Auftragsvergabe gewählt, bei der entweder ein begrenzter Kreis von Anbietern als beschränkte Ausschreibung oder die Gesamtheit am Markt auftretender Anbieter als offene Ausschreibung öffentlich zur Angebotsabgabe aufgefordert wird. Grundlage ist dabei ein detailliertes Leistungsverzeichnis ohne Nachverhandlungsmöglichkeit. Oft wird neben dem offiziellen Angebot nach vorgegebenen Spezifikationen ein zweites Parallelangebot mit veränderter Spezifikation abgegeben, das den abweichenden Empfehlungen eines Anbieters entspricht. Im Unterschied dazu ist die freihändige Auftragsvergabe durch einen geringen Formalisierungs-

8.1 Beschaffungsprozess

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grad gekennzeichnet. Meist werden drei formlose Angebote eingeholt als Triple pitch, und das unter Berücksichtigung aller Umstände günstigste daraus, nicht unbedingt das billigste, erhält den Zuschlag.

8.1.5 Angebotseinholung Die Angebotseinholung ist der nächste Schritt zur Anbahnung des Geschäftsabschlusses. Dabei kommt es auf vielfältige Angebotsbestandteile an, die berücksichtigt werden müssen. Im Folgenden sind die wichtigsten Elemente genannt. Der gesetzliche Erfüllungsort ist dort, wo der Schuldner seinen Wohnsitz oder gewerblichen Sitz hat, d. h. für die Warenlieferung der Ort des Verkäufers, für die Kaufpreiszahlung der Ort des Käufers. Vertraglich kann jedoch davon beliebig abgewichen werden. Meist einigt man sich auf einen gemeinsamen Erfüllungsort, normalerweise der Ort des Verkäufers für Lieferung und Zahlung, außer bei Nachfragemacht. Gesetzlich sind Warenschulden Holschulden, es gilt also der Ort des Verkäufers als Übergabepunkt für Kosten und Risiken, es sei denn, die Übergabe der Waren kann ihrer Natur nach erst am Ort des Käufers erfolgen, z. B. Heizöleinfüllung in Haustank, oder den Verkäufer trifft ein Verschulden an Warenuntergang oder -beschädigung. Geldschulden sind Schickschulden, es gilt also der Ort des Käufers als Übergabepunkt für Kosten und Risiken. Der Gerichtsstand ist der Ort, an dem sich bei Leistungsstörungen ergebende Streitigkeiten ausgetragen werden. Gesetzlicher Gerichtsstand ist der Wohn- bzw. Geschäftssitz des Schuldners, d. h. für die Warenschuld der des Verkäufers, für die Geldschuld der des Käufers. Vertraglich kann Abweichendes vereinbart werden, sofern es sich nicht um ein Geschäft mit Privaten handelt, ist dies meist der Ort des Verkäufers für Ware und Geld, analog zum Erfüllungsort. Art, Güte und Beschaffenheit der Waren dienen zur eindeutigen Spezifikation des Auftragsobjekts, meist anhand von Abbildungen und Beschreibungen als Konstruktionszeichnung, Muster / ​Entwurf und Proben dieser Waren. Vielfach ist auch eine Standardisierung durch Güteklassen, Handelsgruppen, Typen, Warenund Gütezeichen möglich. Ersatzweise können auch Angaben zu Warenherkunft als Provenienz oder Warenalter als Orientierung gelten. Häufig ist hingegen eine detaillierte Warenzusammensetzung angegeben, etwa bei Spezialitäten. Der Preis pro Wareneinheit basiert auf gesetzlichen Maßeinheiten, Stückzahlen oder auch handelsüblichen Mengenbezeichnungen. Außerdem muss außerhalb der EU die Abrechnungswährung bestimmt werden, also die lieferanteneigene, die kundeneigene oder eine dritte, neutrale Währung. Die Lieferungsbedingungen haben erheblichen Einfluss auf die Profitabilität eines Auftrags. Zu denken ist an Transportkosten, Verpackungskosten und Lieferzeitgestaltung. Die gesetzliche Regelung sieht vor, dass der Käufer die Ware beim

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8. Die Verkaufsdurchführung

Verkäufer abzuholen hat. Beim Platzkauf trägt der Käufer alle Beförderungskosten, beim Versendungskauf trägt der Verkäufer die Kosten bis zur Versandstation, alle weiteren Kosten trägt der Käufer. Abweichend davon können andere Regelungen vereinbart werden, z. B. international auf Grundlage der Incoterms. Die Verpackungskosten werden nach Gesetz vom Käufer getragen. Sie können aber auch bereits im Preis eingerechnet sein. Bei der Lieferzeit gilt nach Gesetz, dass Waren sofort zu liefern sind. Abweichende Vereinbarungen betreffen verbreitet den Terminkauf, der die Lieferung zu einem exakt festgelegten Zeitpunkt / ​Datum vorsieht, den Fristkauf, der die Lieferung innerhalb einer vereinbarten Frist vorsieht, und den Kauf auf Abruf, wobei der Käufer bei der häufigen Form als Rahmenvertrag Waren innerhalb einer bestimmten Frist anfordern kann. Besonders die Zahlungsbedingungen haben erheblichen Einfluss auf die Profitabilität eines Auftrags. Zu denken ist vor allem an Zahlungszeitpunkt und Preisnachlässe (Erlösschmälerungen). Die Zahlung kann vor der Lieferung per Anzahlung / ​Vorauszahlung, bei der Lieferung Zug um Zug oder nach der Lieferung per Zielkauf / ​Ratenkauf vereinbart werden. Gesetzlich ist eine sofortige Bezahlung der Waren vorgesehen. Bei Lieferung mit Zahlungsziel kann vom Abnehmer bei vorzeitiger Zahlung ein Skontoabzug einbehalten werden. Außerdem erfolgt die Lieferung meist unter Eigentumsvorbehalt, d. h., die Ware bleibt bis zur vollständigen Kaufpreisbegleichung im Eigentum des Lieferanten. Kernpunkt des Angebots ist aber zumeist die preispolitische Entscheidung über Höhe und Feinsteuerung. Außerdem sind sowohl eine Erlössicherung wegen des möglichen langen Zeitraums zwischen Anbahnung und Abschluss eines Geschäfts, z. B. durch Festpreis, Preisvorbehalt, Preisgleitklausel, als auch eine Zahlungs­ sicherung über die Vertragslaufzeit durch Festpreis, Gleitpreis nach Preisindexierung, Preisvorbehalt bei Ausgangsdatenveränderung erforderlich. Oft erfolgen auch Submissionen, vor allem bei staatlichen Institutionen und anderen juristischen Personen als Auftraggebern. Diese erfordern klar definierte Qualitäten und Quantitäten, so dass der Preis bei normierter, vergleichbarer Leistung zum entscheidenden Auswahlkriterium wird. Durch computergestützte Angebotssysteme werden bieterseitig die Abgabe korrekter und treffender Angebote, der aktuelle Informationsstand für alle Mitarbeiter, die sichere Beurteilung des Kunden bzw. seines Bedarfs, die zielgenaue Nutzung der eigenen Vertriebskapazität, die Abstimmung zwischen Vertrieb und Produktion sowie der Know-how-Transfer erleichtert. Dafür sind im Einzelnen eine Kundendatenbank, ein elektronischer Produktkatalog, eine Know-how-Datenbank, eine Zeichnungsdatenbank und eine rechnergeführte Bedarfserhebung erforderlich sowie ein Konfigurator („Angebots-Baukasten“) zur Kalkulation, Preisfindung, Finanzierungsberatung, Folgekostenabschätzung, Zuordnung von Informationen, Angebotsdokumentation und Angebotsverfolgung. Auf Wunsch von Nachfragern ist eine finanzielle Sicherheit (Bietungsgarantie) zu hinterlegen, die Gewähr dafür bieten soll, dass ein Anbieter sein Angebot

8.1 Beschaffungsprozess

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nicht nach Erhalt des Zuschlags wieder zurückzieht. Eine weitere Sicherungsvorkehrung ist der positive Gewährleistungsnachweis, durch den der Lieferant sicherstellt, dass er die vertraglich vereinbarte Leistung tatsächlich zu erbringen imstande ist. Eine weitere Vorbedingung, um als Anbieter in die engere Wahl zu gelangen, ist oftmals die Erfüllung des Nachweises über die grundsätzliche Leistungsfähigkeit als Präqualifikation bzw. Referenz. Sie bezieht sich auf bereits erfolgreich abgewickelte, vergleichbare Projekte des Anbieters und bietet damit eine wünschenswerte Risikoreduktion. Schließlich wird durch die Anfrage gelegentlich auch erst eine grob strukturierte, technisch-ökonomische Vorstudie (auch Scope of work) zur Problemlösung im Engineering initiiert.

8.1.6 Angebotsbewertung Bei der Angebotsbewertung ist entscheidend, welche Beurteilungsregeln der potenzielle Kunde anlegt. Es lassen sich vier wesentliche Beurteilungsregeln unterscheiden, drei davon nicht-kompensatorisch. Die konjunktive Regel besagt, dass durch den Nachfrager für jedes Angebotsattribut ein Mindestanspruchsniveau festgelegt wird. Es wird dasjenige Angebot ausgewählt, das hinsichtlich aller Attribute diesem Mindestanspruch genügt. Die Nichterfüllung eines Attributs kann dieses Manko selbst durch die Übererfüllung anderer Attribute nicht ausgleichen. Beispiel: Für den Kauf eines Lkw-Modell wird 200 als Mindest-kW-Zahl vorausgesetzt. Alle Lkw-Modelle, die weniger als 200 kw-Motorleistung aufweisen, entfallen damit als Kaufalternativen, unabhängig davon, welche vorteilhaften Angebotsattribute wie ansonsten aufweisen. Die disjunktive Regel besagt, dass durch den Nachfrager als unverzichtbar angesehene Angebotsattribute festgelegt werden. Es wird nur dasjenige Angebot ausgewählt, das alle diese Attribute erfüllt. Ein Angebot, das einzelne dieser Attribute nicht erfüllt, kommt nicht zum Zuge, unabhängig wie gut es anderweitig sein mag Beispiel: Für den Kauf eines Computers wird vorausgesetzt, dass er über 27"-Display, DVD-Brenner und WLAN-Karte verfügt. Nur ein Modell, das kumulativ diese Voraussetzungen erfüllt, kommt als Kaufalternative in Betracht. Modelle, die nur einzelne dieser Attribute aufweisen, entfallen. Die lexikografische Regel besagt, dass durch den Nachfrager die verschiedenen Angebote hinsichtlich ihrer wichtigsten Attribute verglichen werden. Es wird dasjenige Angebot gewählt, das in diesen kundenwichtigen Attributen die besten Ausprägungen hat. Untererfüllungen bei diesen können auch durch besondere Leistungen bei anderen Attributen nicht ausgeglichen werden. Beispiel: Für den Kauf eines Firmenwagens werden die Kriterien kW-Zahl, Kofferraumvolumen, Sicherheitsausstattung, Verbrauch im Drittel-Mix und Wertver-

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8. Die Verkaufsdurchführung

lust in Ansatz gebracht. Alle anderen Kriterien bleiben bei der Bewertung unberücksichtigt. Es wird diejenige Kaufalternative gewählt, die bei diesen Kriterien am besten abschneidet. Die kompensatorische Regel besagt, dass durch den Nachfrager die verschiedenen Angebote hinsichtlich ihrer wichtigsten Attribute verglichen werden. Negative Ausprägungen hinsichtlich einzelner Attribute können dabei, im Unterschied zu den vorgenannten Regeln, durch positive Ausprägungen hinsichtlich anderer Attribute ausgeglichen werden. Beispiel: Für den Kauf eines Fotokopierers werden die Kriterien Kopiergeschwindigkeit, Stromverbrauch, Papiervorratsvolumen und Tonerkosten als relevant erachtet. Jede Kaufalternative wird hinsichtlich jedes dieser Kriterien einzeln punktbewertet. Es wird dasjenige Gerät gekauft, das über alle Kriterien hinweg addiert die höchste Punktzahl aufweist. Dabei können die Kriterien untereinander auch noch gewichtet werden (Auswahlmodell). Im Fall kooperativer Entwicklung ist auch die Fähigkeit eines Lieferanten zur Vorentwicklung von Bedeutung. Darunter versteht man den Funktionsnachweis einer technischen Problemlösung und die Umsetzung in Form eines Prototyps (Prototyping). Darüber hinaus ist die Prüfung der Produktionsverfahren wichtig. Nur so ist gewährleistet, dass die alles entscheidende unzweifelhaft hohe Qualität bereits im Serienanlauf eines Neuprodukts bzw. unmittelbar nach Lieferantenwechsel eingehalten wird. Dies bedeutet zwar erhebliche Vorinvestitionen seitens des Lieferanten, dafür winkt jedoch bei Erfolg ein Rahmenvertrag für die gesamte Produktgenerationsdauer als Lifetime contract. Zur Verfeinerung werden die einzelnen Angebotsattribute meist einem Punktbewertungsverfahren unterzogen. Werden dabei nur quantitative Kriterien zugrunde gelegt, handelt es sich um ein Scoring. Auf die zur Bewertung herangezogenen Kriterien soll anbieterseitig möglichst proaktiv Einfluss genommen werden, und zwar hinsichtlich ihrer tatsächlichen Berücksichtigung / ​Nichtberücksichtigung, aber auch hinsichtlich ihrer graduellen Gewichtung. Häufig sind es gerade die qualitativen Kriterien, die für eine Auftragserteilung ausschlaggebend sind. Dann ist es für den potenziellen Kunden erforderlich, diese im Rahmen der Angebotsbewertung zu quantifizieren. Dies erfolgt über eine Nutzwertanalyse. Dabei werden bestimmten Ausprägungsspannen qualitativer Kriterien Punkte zugeordnet, die dann für jedes Angebot addiert werden. Nicht selten wird dabei allerdings eine Scheingenauigkeit vorgespiegelt. Daher kann auch hier auf die Kriterien und die zugeordneten Punktwerte Einfluss genommen werden, um das Ergebnis zu modellieren. Zunehmend werden von Auftraggebern aber auch komplexe, leistungsfähigere Verfahren zur Angebotsbewertung eingesetzt. Dabei handelt es sich etwa um folgende:

8.1 Beschaffungsprozess

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• Im Rahmen der Wertgestaltung versuchen Abnehmer, die Einsatzkosten für die Erfüllung bestimmter Funktionen im Endprodukt am dafür von Nachfragern wahrgenommenen Nutzen auszurichten. Alle Funktionen, die in ihrem Kostenanteil über deren Wertanteil liegen, sind daher entweder in ihrer Konzeption soweit zu vereinfachen, dass sie zu günstigeren Kosten herstellbar sind oder in ihrer Wertschätzung durch Nachfrager soweit anzuheben, dass sie die gegebenen Kosten in der Kundenwahrnehmung rechtfertigen. Mittel dazu ist die Wertanalyse, die versucht, die gleiche Funktionserfüllung zu niedrigeren Kosten bzw. eine bessere Funktionserfüllung zu gleichen Kosten zu erreichen. Daher ist es hilfreich, wenn eine solche Nutzenwahrnehmung bei nachgelagerten Nachfragern, also stufenübergreifend, nachgewiesen werden kann (siehe Abbildung 83: Schema der Wertgestaltung).

objektiver Kostenanteil in %

Kostenanteil > Leistungsanteil daher Kostensenkung oder Anmutungssteigerung

Kostenanteil < Leistungsanteil daher Qualitäts- bzw. Funktionsverbesserung

wahrgenommener Leistungsanteil in % Abbildung 83: Schema der Wertgestaltung

• Aus der Wertgestaltung ergibt sich im Rahmen der Zielpreisermittlung eine exakte Vorstellung für Kostenobergrenzen bei Lieferanten. Deren Selbstkosten, die Allowable cost, dürfen dann, nach Zuschlag des von ihnen gewünschten Gewinns, dem Target profit, maximal so hoch sein, wie es der Preisbereitschaft des Abnehmers für die damit realisierten Funktionen entspricht. Produkte, deren Einstandskosten darüber liegen, sind für Abnehmer nur akzeptabel, sofern es ausnahmsweise andere Produkte gibt, deren Einstandskosten unter ihrer Preisbereitschaft für die Funktionserfüllung liegen. Ansonsten ist für Lieferanten

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8. Die Verkaufsdurchführung

eine Reduktion der Kosten unverzichtbar (Drifting cost), sollen Marktakzeptanz oder Zielgewinn nicht gefährdet werden (siehe Abb. 84: Prinzip der Zielkostenkalkulation). möglicher Angebotpreis minus fester Zielgewinn = Zielselbstkosten minus Istselbstkosten (bei aktuellem Preis) Saldo pos. = Zusatzgewinn einbehalten, unverändert

oder

Saldo neg. = Zusatzkosten nicht akzeptabel, daher entweder • Angebotspreis erhöhen oder Selbstkosten senken • falls beides nicht möglich, Verzicht auf Angebot Abbildung 84: Prinzip der Zielkostenkalkulation

• Eine weitere wichtige Größe für Betriebsmittel (Anlagevermögen) sind die Lebenszykluskosten, d. h., die direkten und indirekten Kosten, die mit einer betrieblichen Nutzung verbunden sind. Dazu gehören neben den Einstandskosten (= Netto-Kaufpreis plus Bezugskosten) die laufenden Betriebskosten, z. B. für Wartung, Software, Ersatzteilversorgung, Energie, Lizenzgebühren. Hinzu kommen die indirekten Kosten der Administration, z. B. Schulung, Infrastruktur, kalkulatorische Kosten. Davon abzusetzen sind dann Erlöse aus der Verwertung, z. B. Restverkaufspreis. Letztlich fallen diese gesamten Kosten für den Einsatz eines Betriebsmittels an und sind daher für die Entscheidung über dessen Vorziehenswürdigkeit anzulegen (siehe Abb. 85: Prinzip der Lebenszyklus­ kostenrechnung) und nicht nur die Nutzungskosten und -erlöse. Vorlaufkosten Nutzungskosten Nachlaufkosten Nachlauferlöse Nutzungserlöse Vorlauferlöse

Abbildung 85: Prinzip der Lebenszykluskostenrechnung

8.1 Beschaffungsprozess

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8.1.7 Anbieterauswahl In der Anbieterauswahlphase geht es um die Festlegung eines präferierten Lieferanten, mit dem der Kaufprozess zunächst fortgesetzt wird. Erst wenn bei einem der noch ausstehenden, offenen Punkte unüberwindbar erscheinende Hindernisse auftauchen, wird auf einen anderen Lieferanten gewechselt. Von zentraler Bedeutung für die Anbieterauswahl ist die Logistik, weil logistische Prozesse die tatsächliche Kontaktaufnahme mit dem Markt limitieren. Nachfragerseitige Anforderungen, die in diesem Zusammenhang an die Lieferfähigkeit gestellt werden, beziehen sich auf folgende Aspekte (s. o.): • kurze Lieferzeit, gute Lieferzuverlässigkeit, hohe Lieferflexibilität, belastbare Lieferbereitschaft, einwandfreie Lieferbeschaffenheit. Vorläufiges Ergebnis der Verhandlungen ist oft ein Letter of intend (LoI) als Absichtserklärung des Abnehmers, den Auftrag an den Adressaten zu vergeben, ohne dass daraus aber bereits formaljuristische Ansprüche des Anbieters erwachsen. Es handelt sich vielmehr eher um eine moralische Verpflichtung. Zumeist dauert jedoch die Ausarbeitung vertraglicher Details so lange, dass dem Abnehmer zur Beschleunigung der Geschäftsprozesse daran gelegen ist, diese Absichtserklärung zu geben. Außerdem stellt der LoI dem Lieferanten sicher, dass ihm Aufwendungen, die er zur Vorbereitung der Geschäftsabwicklung ab Unterzeichnung eines LoI tätigt, von Kunden auch ersetzt werden, falls es nicht zum Geschäftsabschluss kommt. Letztlich geht es dem Nachfrager um die gleichzeitige Erfüllung von vier Anspruchsgrößen: Preis, Qualität, Zeit und Individualisierung: • In Bezug auf den Preis ist es naturgemäß das Ziel des Abnehmers, den niedrigstmöglichen Preis für ein Einkaufsobjekt zu realisieren. • Zugleich ist es sein Ziel, dafür die höchstmögliche Qualität zu erreichen. Die gleichzeitige Umsetzung beider Ziele führt zur Anstrebung des günstigsten Preis-Qualitäts-Verhältnisses. • Dabei ist die Zeit als immer wichtigerer Leistungsparameter anzusehen, so dass Zeitvorteile ein bedeutsames Argument sind. • Weiterhin ist es unerlässlich, mit einem Partner zusammen zu arbeiten, der in der Lage ist, Individualisierung (auch Customization) durch einzeln maßgeschneiderte Problemlösungen zu erreichen. Ein Abnehmer kann sich aufgrund opportunistischen Verhaltens nicht sicher sein, dass er in seinen Lieferanten die jeweils günstigste Kombination dieses magischen Vierecks realisiert. Dazu bedarf es vielmehr der Leistungsmessung. Ein probates Mittel dazu ist das Benchmarking. Darunter versteht man den Vergleich eines spezifischen Anbieters unter Konkretisierung in Ergebnissen, Verfahren und Potenzialen mit anderen, in Bezug auf diese Größen vergleichbaren Anbietern, die beispielgebende Leistungen erbringen, also Best in class sind, sowie die Über-

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8. Die Verkaufsdurchführung

tragung der dabei gewonnenen Erkenntnisse auf das eigene Unternehmen. Dies funktioniert freilich nur auf gegenseitiger Basis der Reziprozität, so dass sich zum gegenseitigen Nutzen Benchmarking-Networks herausgebildet haben. Das Benchmarking kann sich auf verschiedene Inhalte beziehen. Strategisches Benchmarking hat den Vergleich von Geschäftsmodellen zum Inhalt, operatives Benchmarking hat den Vergleich von Geschäftsprozessen zum Inhalt. Internes Benchmarking bezieht sich auf den Vergleich ähnlicher Geschäftseinheiten zum gleichen Prozess innerhalb eines Unternehmens, externes Benchmarking auf den Vergleich mit anderen Unternehmen. Dabei sind folgende Formen möglich: • Kompetitives Benchmarking bezieht sich auf den Abgleich gleicher Prozesse mit ähnlichen Unternehmen der selben Branche. • Bei funktionalem Benchmarking geht es um den Abgleich gleichartiger Prozesse mit Unternehmen anderer Branchen. • Bei sektoralem Benchmarkting geht es um den Abgleich verschiedenartiger Prozesse mit Unternehmen der selben Branche. • Und bei generischem Benchmarking geht es um den Abgleich adaptierbar erscheinender, anderer Prozesse in branchenfremden Unternehmen.

8.1.8 Nachverhandlung Nach der Anbieterauswahl geht es in der Nachverhandlungsphase darum, die Details eines Abschlusses festzuschreiben. Der Kaufvertrag ist das gewünschte Ergebnis und enthält im Einzelnen mindestens Angaben zu folgenden Inhalten: • Vertragsgegenstand, genauer Leistungs- und Lieferumfang der Lieferorganisation incl. begleitender Dienste, • einzuhaltende Normen / ​Standards, • Termine, meist nach Zwischen-, Eck- und Endterminen für isolierte Teilleistungen gesplittet, • Preis, d. h. Preishöhe, Preisgleitung, Währung mit Wertstichtag, Abrechnung der Nebenkosten etc., • Zahlungsbedingungen, vor allem Termine, Teilzahlungsbedingungen, Zahlungs­ verzug, • Eigentums- und Gefahrenübergang, für gewöhnlich gemäß Incoterms bestimmt, • Verpackung, meist als handelsüblich, Transport mit Verkehrsmittelwahl, Verzollung bzw. Zollfreistellung, • Versicherung, • Inbetriebnahme, wie Probebetrieb, Leistungsnachweise, Übergabe,

8.1 Beschaffungsprozess

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• Abnahme in Bezug auf Termine, Abnahmeerklärung, Abnahmeprotokoll für Mängel, Teilabnahmen, • Gewährleistung bzw. Garantie, • Vertragsstörungen vor bzw. nach Abnahme, Mängelfolgeschäden, • anzuwendendes Recht des Käuferlandes, des Verkäuferlandes, eines Drittlandes, • Schiedgerichtsvereinbarung, salvatorische Klausel. Dabei ist von antinomischen Zielsetzungen auf Verkäufer- und Käuferseite auszugehen. Wer sich dabei durchsetzt, ist zumeist eine Frage von Macht und Taktik. Hinsichtlich ersterem liegt häufig eine Nachfragemacht vor, die den Spielraum des Anbieters erheblich einengt. Hinsichtlich letzterem kann zumindest eine klügere Verhandlungstaktik eingesetzt werden. Hinsichtlich der Verhandlungstaktik werden meist vier Einstellungen unterschieden. Beim harten Verhandlungsstil geht es um die Durchsetzung der eigenen Position, Ziel ist es dabei, einen Sieg über die andere Partei zu erringen. Auf beiden Seiten herrscht Misstrauen vor, beide Seiten agieren daher verdeckt. Der Konflikt wird geradezu gesucht. Zugeständnisse werden als Zeichen von Schwäche angesehen. Und jedes Mittel ist recht, den Gegenüber unter Druck zu setzen. Dazu dienen auch manipulative Taktiken. Die Verhandlung wird als Nullsummen-Spiel gesehen, die eine Seite kann nur bekommen, was sie der anderen abringt. Daher ist man hart in der Sache und hart im Stil. Beim weichen Verhandlungsstil sollen partnerschaftliche Beziehungen aufrecht erhalten werden, Ziel ist die Übereinkunft mit der anderen Partei. Dazu werden auch einseitige Zugeständnisse gemacht, die aus Zurückstellung der eigenen Interessen resultieren. Sobald Druck von der anderen Seite aufkommt, wird daher nachgegeben. Dabei geraten die ursprünglichen Absichten oft genug aus dem Auge. Die Verhandlung ist weich in der Sache und weich im Stil. Daraus folgen folgende Kombinationen: • Trifft ein harter Verhandler auf einen anderen harten Verhandler entsteht ein kompromissloser Willenskampf zur Durchsetzung der eigenen Position. Es wird gegenseitiger Druck aufgebaut, es geht darum, wer sich letztlich durchsetzt, ein persönlicher Machtkampf entbrennt. Daraus entsteht eine ineffiziente Loselose-Situation. • Trifft ein harter Verhandler auf einen weichen Verhandler, übt ersterer Druck aus und erhält dafür Entgegenkommen, allerdings ist die Wahrscheinlichkeit zu weiteren Transaktionen gering, so dass ein Pyrrhus-Sieg entsteht als ineffiziente Lose-lose-Situation. • Trifft ein weicher Verhandler auf einen weichen Verhandler kommt es für gewöhnlich zu einer schnellen, harmonischen Lösung. Beide Seiten nehmen Rücksicht aufeinander, jedoch erfolgt keine inhaltliche Auseinandersetzung, so

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8. Die Verkaufsdurchführung

dass keine der beiden Seiten wirklich zufrieden ist. Es entsteht zwar eine Winwin-Situation, die aber ineffizient bleibt. In der Harvard-Methode geht es um die Erreichung einer effizienten Win-winSituation. Dazu werden vier Grundsätze der Verhandlung stipuliert: • Es darf keine Vermengung von Menschen (Verhandlern) und Problemen geben, es geht darum, Respekt vor dem Anderen zu zeigen, ihm zuzuhören und seine Sicht der Dinge zu verstehen, damit seine Schlüsse nachvollzogen werden können. Es sind nur angemessene Äußerungen zielführend, Emotionen sollen durch Vernunft dominiert werden, also hart in der Sache, aber weich im Stil. • In der Verhandlung soll eine Fokussierung auf Felder gemeinsamer Interessen erfolgen. Solche Interessensschnittmengen sind zu identifizieren und zum Ausgangspunkt für eine konstruktive Einigung zu machen. • Es gibt nicht die eine Lösung, sondern es sind jeweils mehrere Lösungsoptionen zu entwickeln. Dabei ist gezielt nach pragmatischen Lösungen zu fahnden, die für beide Seiten zielgerecht sind. • Um die Eignung der Lösungsoptionen zu bewerten, sind vorab dafür neutrale Expertenmeinung, Bewertungskriterien zu vereinbaren, etwa aus Gutachten / ​ Vergleichsfällen, Theorien / ​Modellen etc. Diejenige Lösung, die diesen Bewertungskriterien am Besten entspricht, ist die zu präferierende. Beim Tit for tat gibt die Gegenseite den Stil der Verhandlungen vor. Begonnen wird mit einem kooperativen Verhandlungsstil. Solange die Gegenseite sich ebenfalls kooperativ verhält, wird dieser Stil fortgesetzt. Sobald sie jedoch antinomisch reagiert, wird auch der eigene Verhandlungsstil auf Antinomie umgestellt. Die Gegenseite soll merken, dass sie durch ihr antinomisches Verhalten keine Vorteile erlangen kann und so von selbst wieder zu einem kooperativen Stil zurückkehren. Erfolgt dies, wird der eigene Stil sofort wieder auf Kooperation umgestellt, ohne nachtragend zu sein. Geschieht dies nicht, wird dagegen gehalten, weil davon auszugehen ist, dass die Gegenseite ohnehin an keinen fairen Verhandlungen interessiert ist, man also keine Chancen vernichtet. Schwenkt die Gegenseite jedoch ein, wird dies als Signal interpretiert, dass sie an ernsthaften Verhandlungen interessiert ist, so dass ein Nachkarten die Abschlusschancen nur vermindern würde. Werden diese Schwenks mehrfach während eines Gesprächs wiederholt, durchschaut die Gegenseite zwar die Taktik, aber sie muss sich schließlich entscheiden, wie nachhaltig sie das Gespräch sucht. Außerdem sind die Nachverhandlungen davon abhängig, ob schon Geschäfts­ beziehungen zwischen den prospektiven Vertragspartnern bestehen oder bestanden haben, oder ob die Geschäftsbeziehung erstmals eingegangen wird. Bei Erstauftragserteilung sind naturgemäß umfangreichere Klärungen erforderlich als wenn es sich um „Running business“ handelt. Zur Nachverhandlungsphase liegen zahlreiche Interaktionsstudien der Verhandlungsforschung vor. Der Korrespondenzhypothese zufolge sind analoge Erwartun-

8.1 Beschaffungsprozess

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gen und Einstellungen in Bezug auf den Verhandlungsrahmen, insb. die organisatorische Stellung des Verhandlungsteams, und den Verhandlungsinhalt förderlich. Demnach laufen Interaktionen eher erfolgreich ab, wenn korrespondierende Funktions-, Hierarchie- und Entscheidungsstrukturen, ähnliche Anspruchsniveaus und Interaktionsmuster („Chemie“) bestehen. Dabei kann nur mit einem Anbieter oder mit mehreren Anbietern zugleich oder nacheinander verhandelt werden. Am Ende der Nachverhandlungsphase steht eine formal verbindliche Lieferantenvereinbarung. Darin werden über die rein juristischen Vertragsinhalte hinaus vor allem Anhaltspunkte zur prozessualen Zusammenarbeit zwischen Lieferant und Abnehmer fixiert. Dies ist für Abnehmer umso bedeutsamer, je mehr ihr eigener Markterfolg vom Funktionieren der Lieferanten abhängt, also bei geringer Fertigungstiefe und Single sourcing. Die Ausgestaltung der Inhalte hängt im Einzelnen von der relativen Verhandlungsmacht und dem Geschick der Beteiligten ab. Von Bedeutung ist dabei vor allem eine unvermeidliche Informationsasymme­ trie zwischen Abnehmer und Lieferant, denn der Lieferant weiß zunächst sehr wohl, wie er zu leisten gedenkt, der Abnehmer aber kann nur hoffen, dass der Lieferant sich an seine Bekundungen hält, etwa durch Garantiezahlung besichert. Umgekehrt weiß der Abnehmer sehr wohl, wie sein späteres Zahlungsverhalten ausfällt, der Lieferant hingegen kann nur hoffen, dass seine Forderung nach Leistung auch beglichen wird, etwa durch Zahlungsbedingungen besichert. Beide Seiten haben daher ein Interesse daran, Sicherheit zu gewinnen. Dies geschieht vor allem durch Anreize, die jedem Partner in Aussicht gestellt werden, wenn er sich an seine Zusagen hält, z. B. Skonto bei vorzeitiger Zahlung, und Beiträge, die jeder Partner leisten muss, wenn er sich nicht an seine Zusagen hält, z. B. Fälligkeit von Vertragsstrafen. Nur wenn Anreize bzw. Beiträge größer sind als die Ausnutzung eines spezifischen Informationsvorsprungs durch opportunistisches Verhalten, wird die Transaktion funktional ablaufen. Zur Vermeidung von Friktionen empfehlen sich Vereinbarungen über Konfliktlösungsmechanismen. Zwar kann eine verbindliche Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten nur von staatlichen Gerichten getroffen werden. Ausnahmsweise kann jedoch auch durch formlose Abrede bzw. Handelsbrauch vorgesehen werden, an die Stelle der Gerichte private Schiedsrichter zu setzen. Dabei unterwerfen sich die Streitparteien durch freie Vereinbarung dem Spruch eines oder mehrerer Schiedsrichter, meist drei, je einer von jeder Seite bestellt sowie ein neutraler Dritter. Eine wirksame Schiedsgerichtsabrede begründet, wenn ein Beteiligter dennoch ein ordentliches Gericht anruft, eine Einrede, die zur Abweisung der Klage als unzulässig führt. Schiedsgerichte fällen Schiedssprüche, die nur bei Verletzung bestimmter Grundsätze eines ordnungsgemäßen Verfahrens von einem ordentlichen Gericht aufgehoben, ansonsten aber für vollstreckbar erklärt werden können. Zusätzlich werden in einem Schiedsrichtervertrag die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien und den Schiedsrichtern geregelt. Erst wenn sich die unterlegene Partei dem Schiedsspruch entzieht, kann eine Klärung durch ein ordentliches Gericht eingeleitet werden.

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8. Die Verkaufsdurchführung

8.1.9 Kaufabwicklung Für Verbrauchsgüter ist die Durchführung des Bestellverfahrens in der Kaufabwicklungsphase von zentraler Bedeutung. Darauf wirken vor allem die Beschaffungszeit, also die Zeitspanne zwischen Auftragserteilung und tatsächlicher Verfügbarkeit bestellter Waren, und die Einhaltung optimaler Bestellmengen, also die Minimierung der Kapitalbindungskosten bei gegebenem Servicegrad, ein. Das Bestellrhythmusverfahren ist eine Bestelldoktrin, bei der zu einem festen Liefertermin disponiert wird. Der Bestellrhythmus ist dasjenige Intervall, das zwischen den Bestellprüfungen bzw. -auslösungen liegt. Wird wiederum jeweils bis zum Grundbestand aufgefüllt, ergeben sich folgende Techniken: • Bei der t, q-Technik wird zu einem festen Zeitpunkt eine konstante Bestellmenge bei Unterschreitung des Mindestbestands disponiert (= BestellrhythmusBestellmengen-Verfahren). Alle „t“ Zeiteinheiten wird das Lager mit einer festen Menge „q“ wieder aufgefüllt. Auffüllmenge und Auffülltermin sind fix. • Bei der t, S-Technik wird zu einem festen Zeitpunkt eine veränderliche Bestellmenge bei Unterschreitung des Mindestbestands disponiert (= BestellrhythmusGrundbestands-Verfahren). Alle „t“ Zeiteinheiten wird der Lagerbestand auf den Sollbestand „S“ aufgefüllt. Die Auffüllmenge ist variabel, der Auffülltermin hingegen fix. • Bei der s, q-Technik wird eine konstante Bestellmenge disponiert, die jeweils bei Mindestbestandsunterschreitung ausgelöst wird (= Bestellpunkt-Bestellmengen-Verfahren). Wenn der Meldebestand „s“ erreicht ist, wird das Lager mit der festen Menge „q“ wieder aufgefüllt. Die Auffüllmenge ist fix, der Auffülltermin hingegen variabel. • Bei der s, S-Technik wird eine veränderliche Bestellmenge disponiert, die jeweils bei Mindestbestandsunterschreitung ausgelöst wird (= BestellpunktGrundbestands-Verfahren). Wenn der Meldebestand „s“ erreicht ist, wird der Lagerbestand auf den Sollbestand „S“ aufgefüllt. Auffüllmenge und Auffülltermin sind variabel. Das Kontrollrhythmusverfahren (auch Bestellpunktverfahren) ist eine Be­ stelldoktrin, bei der zu einem jeweils veränderlichen Liefertermin disponiert wird. Der Bestellpunkt ist diejenige Menge, bei der eine Beschaffung ausgelöst wird. Wird dabei jeweils bis zum Grundbestand aufgefüllt, ergeben sich folgende Techniken: • Bei der t, s, q-Technik wird eine konstante Bestellmenge disponiert, die bei intervallbezogener Prüfung des Mindestbestands ausgelöst wird (= BestellpunktBestellmengen-Zeitintervall-Verfahren). Alle „t“ Zeiteinheiten wird der Lagerbestand überprüft, wenn der Meldebestand „s“ erreicht ist, wird das Lager mit einer festen Menge „q“ aufgefüllt.

8.1 Beschaffungsprozess

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• Und bei der t, s, S-Technik wird eine veränderliche Bestellmenge disponiert, die bei intervallbezogener Prüfung des Mindestbestands ausgelöst wird (= Bestellpunkt-Grundbestands-Zeitintervall-Verfahren). Alle „t“ Zeiteinheiten wird der Lagerbestand überprüft, wenn der Meldebestand „s“ erreicht ist, wird das Lager auf den Sollbestand „S“ aufgefüllt. Ziel dieser Doktrinen ist jeweils, die Fehlmengenkosten, d. h. die Opportunitätskosten aufgrund nicht realisierter, abrechenbarer Leistungen, zu minimieren. Dabei entsteht allerdings ein Zielkonflikt derart, dass diese Minimierung zum Aufbau hoher Kapitalbindung im Umlaufvermögen führt. Gerade dies ist aber zu Zeiten von Lean production nicht tolerierbar. Daher ist eine Optimierung beider Kostenverläufe im Gesamtkostenminimum erforderlich. Besonders offensichtlich sind die Konsequenzen von Fehlmengen bzw. Kapitalbindung im Handel. Dort führt die Nichtlieferfähigkeit einer Ware womöglich zum Wechsel des Lieferanten mit Umsatzverlust nicht nur für die nicht-vorrätige Ware, sondern für die gesamte Einkaufsmenge, evtl. sogar auf Dauer. Zugleich ist die Verkaufsfläche der limitierende Faktor für den Geschäftserfolg, muss also angesichts verbreitet schmaler Margen bestmöglich genutzt werden. Ansätze zur Optimierung sind durch die Kürzel ECR, DPP und CPFR bezeichnet. Die Lieferanten werden häufig in ABC-Klassen eingeteilt: • A-Lieferanten sind solche, für die aus Kundensicht anderweitig keine wirklich akzeptablen Alternativen am Markt zu finden sind. Insofern nimmt der Lieferant hier eine starke Position ein. Ziel jedes Lieferanten sollte es daher sein, bei seinen Kunden ein A-Lieferant zu werden und zu bleiben. Man spricht vom Status des Preferred supplier, der bei jedem einschlägigen Bedarf angefragt wird. • B-Lieferanten sind solche, für die aus Kundensicht immerhin Alternativen am Markt bereits vorhanden sind oder herangezogen werden können, auf die jedoch ausgewichen werden kann. Hier besteht also eine Positionsbalance. Man spricht von einem Accepted supplier, der im Set der angefragten Anbieter normalerweise vertreten ist. • C-Lieferanten sind solche, die aus Kundensicht in ihrer Leistung austauschbar zu vielfältigen Anderen sind. Daher befinden sich Lieferanten hier in einer ausgesprochen schwachen Position. Insofern werden Preise und Konditionen zu vordergründigen Absatzargumenten. Man spricht auch von Restricted suppliers, die allenfalls in bestimmten Beschaffungskonstellationen berücksichtigt werden. Darüber hinaus gibt es D-Lieferanten (Rejected suppliers), die für eine weitere Zusammenarbeit nicht in Betracht kommen. Die Gründe dafür können vielfältig sein, wie z. B. gravierende Qualitätsmängel in Produkten oder Services, wiederholte Vertragserfüllungsprobleme in der Vergangenheit, fehlende Einhaltung gesetzlicher (Lieferkettengesetz etc.) oder freiwilliger betrieblicher Standards (ESG etc.), mangelnde Flexibilität, überhöhter Preis.

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8. Die Verkaufsdurchführung

8.1.10 Nachbewertung Den Abschluss bildet die administrative Durchführung als Erledigung des Auftrags, dazu gehören die Auftragserstellung, -übermittlung und -erteilung, dann Informationen zu Liefermodalitäten, Kundenbonität, Bestandsdisposition, Produktionsplanung, Versandpapieren, Kommissionierung, Transportmittelwahl und Fakturierung. Von einer vorgabegerechten und reibungslosen Abwicklung dieses „Paperwork“ können beachtliche akquisitorische Wirkungen ausgehen, indirekt auch über Lieferservice, kurze Lieferzeiten und hohe Liefergenauigkeit. Abgewickelte Projekte sind immer wichtige Referenzen für Aufträge anderer potenzieller Nachfrager, daher ist Kulanz bei Abnahme bzw. Gewährleistung angezeigt, damit man sich positive Multiplikatoren erhält. Das ist auch für den Abnehmer interessant, weil er gewiss sein kann, dass der Anbieter sein Bestes gibt, allerdings wirken Referenzen oft auch als Markteintrittsbarrieren, d. h., weil für einen Anbieter keine Referenz vorliegt, kann von ihm kein Projekt abgewickelt werden, weshalb es auch in Zukunft an einer Referenz fehlt. Eine Referenz ist wegen des hohen Risikos hilfreich und daher meist als Präqualifikation erforderlich. Sie kann sich auf das gesamte System zur Abwicklung komplexer Großprojekte als Anlagenreferenz, einzelne Auftragsteile als Komponentenreferenz, Kenntnisse und Fertigkeiten als Know-how-Referenz oder eine gegebene Koalition als Anbietergemeinschaftsreferenz beziehen. Für die Errichtung einer technologisch neuartigen Lösung werden dem Besteller oft vergünstigte Konditionen mit der Auflage eingeräumt, dass das Ergebnis für eine gewisse Zeit dem Hersteller zu Demonstrationszwecken zur Verfügung steht, ähnlich einem Musterhaus im Immobilienbereich. Darauf wird dann nach Fertigstellung und / ​oder Verkauf bei absatz- und / ​oder beschaffungspolitischen Entscheidungen innerhalb mindestens eines weiteren Kauf-/Verkaufsprozesses Bezug genommen.

Vorkaufphase

Nachkaufphase

kaufmännischer Inhalt

kaufmännische Vorkauf-Kundendienste

kaufmännische Nachkauf-Kundendienste

technischer Inhalt

technische Vorkauf-Kundendienste

technische Nachkauf-Kundendienste

Abbildung 86: Inhalt und Zeitpunkt von Kundendiensten

Weiterhin sind Kundendienste als produktverbundene Dienstleistungen anzutreffen, vorwiegend technischer oder kaufmännischer Natur, hier im Nachkaufbereich sowie in mehr oder minder enger Beziehung zur eigentlichen Transaktion stehend. Oft ist nur dadurch angesichts zunehmender objektiver Austauschbarkeit

8.1 Beschaffungsprozess

461

von Angeboten noch eine positive Differenzierung im Markt möglich, so dass Kundendiensten eine erhebliche absatzpolitische Bedeutung zukommt (siehe Abbildung 86: Inhalt und Zeitpunkt von Kundendiensten). Beispiele für Kundendienste im B-t-b-Bereich sind folgende: • technische Vorkauf-Kundendienste als Technikberatung, Systemanalyse, Feasibility study, Produktdemonstration, Projektierung, • kaufmännische Vorkauf-Kundendienste als Finanzierungshilfe, Wirtschaftlichkeitsanalyse, Bestelldienst, Absatzgarantie, • technische Nachkauf-Kundendienste als Montage, technische Anpassung, Wartung / ​Inspektion, Reparatur, Recycling / ​Entsorgung, • kaufmännische Nachkauf-Kundendienste als Kundenschulung, Managementvertrag, Personalvermittlung, Absatzunterstützung, Infocenter. In Bezug auf das Ausmaß des Angebots an Kundendiensten sind zwei Ansichten verbreitet. Die eine lautet, Kunden durch umfangreiche und so nicht erwartete Gratis-Services zu begeistern und damit eng an einen Anbieter zu binden. Die andere lautet, sich auf das Kernangebot zu konzentrieren und zusätzliche Leistungen nur gegen Extra-Entgelt anzubieten („No frills“). Letztere Ansicht hat sich durchgesetzt, denn entweder werden Services von Kunden als nutzenstiftend angesehen, dann sind diese im Zweifel auch bereit, dafür zu zahlen, oder Kunden empfinden Services nicht als nutzenstiftend, dann führt auch deren kostenloses Angebot nicht zu einer gesteigerten Zufriedenheit. Außerdem sind einmal kostenlos angebotene Services praktisch nicht mehr zurücknehmbar, da Kunden glauben, einen Anspruch darauf erworben zu haben und daher bei Wegfall eine Preisermäßigung erwarten. Das aber führt zwangsläufig zu einem Erlösproblem. Im B-t-b-Geschäft hingegen sind umfangreiche Kundendienste seit langem unverzichtbarer Bestandteil von Systemgeschäften als Turn key projects. Weiterhin geht es um die Reduktion kundenseitig auftretender Dissonanzen. In der Nachkaufphase tauchen wohl unvermeidlich Beschwerden auf, sei es, um nachträglich Preisbestandteile zurück zu gewinnen, oder sei es mit tatsächlicher Berechtigung. Diese Beschwerden haben neben ihrer juristischen Komponente als Reklamationen vor allem eine verkaufsbezogene, ist doch die Nachkaufphase entscheidend für den empfundenen Zufriedenheitsgrad der Kunden. Dann nämlich nimmt jeder Kunde einen Vergleich seiner Erwartungen vor der Transaktion mit seinem Erlebnis bei / ​nach der Transaktion vor. Übertrifft die Erwartungskomponente die Erlebniskomponente, entsteht Unzufriedenheit mit der Gefahr des Anbieterwechsels. Dann aber besteht für den Verkäufer keine Chance mehr, den betreffenden Kundenlebenszeitwert zu realisieren. Ebenso ist die Beschwerdebehandlung zur Erhaltung der Referenzfähigkeit einer Transaktion gegenüber potenziellen Kunden zentral bedeutsam.

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8. Die Verkaufsdurchführung

Im Falle von Reklamationen ist es hilfreich, ein Reuegefühl und Anteilnahme zu zeigen bzw. um Verständnis zu bitten. Auch kann man sich pauschal entschuldigen, freilich ohne konkretes Schuldeingeständnis. Auf jeden Fall soll angemessene Wiedergutmachung angeboten werden (auch auf Kulanzbasis) und die organisatorische Zuständigkeit dafür festgelegt werden.

8.2 Verkaufsgesprächsablauf Es gibt vielfältige Ansätze, den Ablauf von Verkaufsgesprächen zu standardisieren, indem eine Abfolge von Phasen unterstellt wird. Der älteste Ansatz ist der der AIDA-Formel: A = Attention, I = Interest, D = Desire und wieder A = Action. Ein weiterer Ansatz ist die DIBABA-Formel: D = Definitionsstufe, I = Identifizierungsstufe, B = Beweisstufe, A = Annahmestufe, B = Begierdestufe und A = Abschlussstufe. Besonders ausführlich ist der Ansatz der VERKAUFSPLAN-Formel: • V = Vorplanung, E = Erfassung der Grunddaten, R = Referenzausstattung feststellen, K = Kontaktaufnahme, A = Appell an die Motivation, U = Untersuchung der Bedarfslage, F = Fassung des Angebots, S = Spezifische Angebotsvorteile, P = Prüfung der Argumente, L = Liquidierung von Einwänden, A = Abschlussvorgang und N = Nachfass. Weitere merkfähige Stufenkonzepte der Verkaufsgesprächsführung sind folgende: • BEDAZA für Begrüßung, Eröffnung, Demonstration, Abschluss, Zusatzverkauf, Abschiedstechnik, • KOALA für Kontakt, Orientierung, Argumentation, Lösung, Abschluss, • EPOS für Einfachheit der Formulierung im Gespräch, Prägnanz der Darstellung in der Demonstration, Ordnung der Inhalte in der Argumentation und Stimulanz für den Abschluss. Da jedes Verkaufsgespräch so individuell ist wie die Personen, die daran beteiligt sein, kommt diesen Phasenansätzen eher didaktischer Wert zu denn konkrete Erklärungskraft. So ist keineswegs zwangsläufig, dass jeweils alle Stufen im Gespräch durchlaufen werden, vielmehr werden je nach Routinisierung auch einzelne oder mehrere Stufen übersprungen. Außerdem müssen die Phasen durchaus nicht in der angegebenen Reihenfolge durchlaufen werden, vielmehr können je nach Zweckmäßigkeit Phasen getauscht werden. Dennoch wird im Folgenden zur Orientierung die Abfolge von Kontaktphase (8.2.1), Präsentationsphase (8.2.2) und Abschlussphase (8.2.3) (siehe Abbildung 87: Phasen der Verkaufsgesprächs­ führung).

8.2 Verkaufsgesprächsablauf

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Kontaktphase Vorbereitung Terminvereinbarung Überwindung von Kontaktwiderständen Präsentationsphase Kundenqualifizierung Demonstration und Vorteilsargumentation Einwandbehandlung Abschlussphase Preisverteidigung Closing

Abbildung 87: Phasen der Verkaufsgesprächsführung

8.2.1 Kontaktphase 8.2.1.1 Vorbereitung Ein gepflegtes Äußeres fördert jedes Gesprächsklima. Man weiß, dass attraktiv erscheinende Personen bevorzugt werden, wobei dies weniger eine Frage natürlicher Benachteiligung ist als vielmehr eine solche bewusster Typwahl. Die Kleidung sollte seriös und ordentlich sein, aber nicht zu auffällig und fein. Frauen achten generell mehr auf modische Kleidung ihres Gesprächspartners als Männer. Der Augenkontakt zwingt den Gesprächspartner, sich dem Gesprächsthema zuzuwenden. Ein offener, lebhafter Blick intensiviert die Wirkung des gesprochenen Wortes. Starren hingegen wirkt als unangenehm. Ein unsteter, den Augen des Gegenüber ausweichender Blick wird häufig als Unsicherheit gedeutet und führt zu einem Wirkungsverlust. Störend wirken auch Ablenkungen wie Fingertrommeln, gedankenverlorenes Spielen mit Gegenständen, leere Floskeln, nicht zur Sache passende Dauerreden, sprunghafter Themenwechsel, unmotiviertes Anfassen etc. Bei der Begrüßung ist mit dem Entgegenstrecken der Hand zu warten, bis der andere die Hand reicht, sonst kann das aufdringlich wirken. Der Händedruck sollte weder zu

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8. Die Verkaufsdurchführung

lasch noch zu kräftig ausfallen. Ein leichter Diener bei der Begrüßung von Frauen, aber keine Verbeugung, ist angebracht. Abhängig von der Situation sollte sich der Verkäufer mit Namen vorstellen und seine Funktion erläutern. Dazu gehört dann auch der Austausch von Visitenkarten. Die Anerkennung des Gesprächspartners und die Rücksichtnahme auf sein Geltungsbedürfnis fördern einen erfolgreichen Anlauf. Dies erreicht man etwa durch kurze Anerkennungsbemerkungen, die sich leicht in die Gesprächseröffnung einstreuen lassen. Gesichtsausdruck und Haltung sollen Einfühlung und Verständnis ausstrahlen. Jeder Mensch fühlt sich beachtet, wenn er mit seinem Namen angeredet wird. Vielen Menschen schmeichelt es, wenn man ihre Titel kennt und diese Kenntnis im Gespräch geschickt durchblicken lässt. Ausgesuchte Höflichkeit, ohne Katz­buckeln, ist dabei selbstverständlich. Vorsicht ist jedoch bei unangenehmen Gesprächen wie Reklamationen o. Ä. in Anwesenheit Dritter geboten. Dann führt die Personifizierung leicht zu einer Verhärtung der Gesprächsatmosphäre. Gleiches gilt für Tabuthemen wie Politik, Moral, Religion etc., die man tunlichst meiden sollte. Aber als Verkäufer sollte man sich hüten, zuviel zu reden und statt dessen vielmehr Fragen einsetzen. Bei Gruppen sind dabei zudem immer alle Beteiligten einzubeziehen. Vor allem ist eine positive Einstellung zum Gesprächspartner wichtig, denn die Einstellung spiegelt sich untrüglich im Verhalten wider, und wer den Kunden nicht akzeptiert, wird dies früher oder später im Gespräch verraten und damit seine Chancen verspielen. Auch soll dem Kunden nichts verkauft werden, er erhält vielmehr die Chance, einen subjektiven Vorteil zu erwerben. Dieser Nutzen ist zentral in den Mittelpunkt zu stellen. Produktvorteile sind bewusst festzuhalten, da man nicht davon ausgehen kann, dass Selbstverständlichkeiten ausreichend erkannt und gewürdigt werden. Außerdem sollte immer eine partnerschaftliche Ansprache (Sie!) erfolgen. Ansonsten gilt es, aktiv zuzuhören, also Interesse am Kunden zu zeigen, durch Fragen zu führen und alle Anwesenden in das Gespräch einzubeziehen. Kundenzufriedenheit ist dabei das oberste Gebot, und Diskussionen haben letztlich immer nur einen Verlierer, den Verkäufer. 8.2.1.2 Terminvereinbarung Kein Besuch soll ohne Terminvereinbarung erfolgen, außer dies ist in einer Branche oder bei einem Kunden ausnahmsweise so üblich. Denn ohne Gesprächsterminierung riskiert der Verkäufer, dass seine Kontaktperson keine Zeit für ihn frei hat. Das bedeutet nicht nur eine vergebene Kontaktchance, sondern auch den Verlust der vorgeleisteten Aufwendungen, z. B. für Anfahrt oder Gesprächsvorbereitung, und den Ausfall von Abschlusschancen in anderen Gesprächen, die während dieser Zeiten hätten geführt werden können (Opportunitätskosten). Außerdem kann es sich kaum ein Gesprächspartner seriös leisten, trotz Terminvereinbarung keine Zeit für den Verkäufer zu haben, insofern steht der Verkäufer zumindest psychologisch in einer günstigen Position.

8.2 Verkaufsgesprächsablauf

465

Die Terminvereinbarung kann auf verschiedenen Wegen erfolgen: • als Halbduplex-Kommunikation schriftlich oder elektronisch (E-Mail), • als Vollduplex-Kommunikation per Telefon, und zwar als passiver (Inbound) oder aktiver Telefonkontakt (Outbound). Am weitesten verbreitet ist der Telefonkontakt. Der aktive Telefonkontakt will jedoch gelernt sein, denn leider wird weit verbreitet unvorteilhaft telefoniert. Obwohl sich kaum jemand dessen bewusst ist, muss man Telefonieren nämlich genauso lernen wie alle anderen Dinge im Vertrieb. Mehr noch, das Telefonverhalten ist die „Visitenkarte“ des Verkäufers. Eine korrekte Begrüßung besteht aus folgenden Elementen: • Grußformel, Tageszeit, • Nennung des Nachnamens, • Nennung des Vornamens und Wiederholung des Nachnamens, • Firma, hier reicht die Kurzform, • Ort zur näheren Orientierung. Eine etwas kürzere Form besteht aus den Elementen: • Vorname, Nachname, • Firma, Grußformel wie „Guten Morgen.“ (bis 10.00 Uhr), „Guten Tag.“ „Guten Morgen, Herr Klöbner, mein Name ist Schmitt, Wolfgang Schmitt, von der Firma Wohnungsbau in Karlsruhe“, kürzer: „Wolfgang Schmitt hier von der Firma Wohnungsbau, guten Morgen, Herr Klöbner“. Oft wird eine organisatorische Trennung zwischen bloßer Kontaktanbahnung (Sales lead generation / ​Innendienst) und eigentlichem Verkaufsgespräch durch den Verkäufer selbst vorgenommen. Denn der Verkauf über Telefon ist ausgesprochen schwierig, da das Spektrum der Kommunikationsmöglichkeiten auf Inhalt und Akustik reduziert ist und keinerlei Einblick in die spezifische Umfeldsituation des Angerufenen besteht. Bei jedem Anruf sollte man zunächst fragen, ob Zeit vorhanden ist („Drei Minuten“ dient hier als Anhaltspunkt). Ist dies nicht der Fall, wird alternativ ein neuer Termin für den Anruf ausgemacht. Unbedingt soll vor jedem Gespräch ein Ziel definiert und nach dem Gespräch kontrolliert werden, ob es erreicht wurde und warum evtl. nicht. Wenn Zeit signalisiert wurde, kann man diese auch getrost ausnutzen. Leider ist es üblich, Anrufer durch Sekretariate „filtern“ zu lassen. Dabei sollte man Assistenten nicht übergehen, sondern einbeziehen (positiver Kompetenzdruck). Dies geht etwa wie folgt: • Anwesenheitscheck („Ist Herr Lüdenscheidt im Haus?“), wenn ja, durchstellen, wenn nein:

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8. Die Verkaufsdurchführung

• Aufwertung („Sie sind doch sicher seine persönliche Assistentin.“), wenn nein, durchstellen, wenn ja: • Kompetenzdruck („Darf ich fragen, inwieweit Sie mit Beschaffungsentscheidungen des Unternehmens befasst sind?“), wenn nein, kann man auf das Durchstellen zum Entscheider insistieren. Eine Ablehnung darf am Telefon nicht hingenommen, sondern muss nach Gründen hinterfragt werden (Warum ist das so?). Aus den damit gewonnenen Informationen heraus kann erneut argumentiert werden. Wichtig ist dabei zu bedenken, dass am Anfang ohnehin immer die Absage des Kunden steht, daher kann das Ergebnis nur besser werden, nicht aber mehr schlechter. Stets ist zu vermeiden, im Übereifer bereits zu viele Informationen über Verkaufsobjekte abzugeben. Vielmehr soll der Angerufene nur neugierig gemacht werden (Teasing). Denn zuviel Information verwirrt nur, die positiven Argumente treten in der Erinnerung in den Hintergrund und die negativen gewinnen an Bedeutung. Das Sprechtempo soll eher langsamer sein als im persönlichen Gespräch und gezielte Sprechpausen vorsehen. Auch ist eine normale Lautstärke einzuhalten. Für das Verständnis sind kurze, klare Sätze, keine Fremdwörter, eine anschauliche Sprache und bildhafte Vergleiche hilfreich. Dabei sollte Bezug auf das genommen werden, was der Gesprächspartner gesagt hat. Insgesamt gilt es, die Emotionalität zu betonen. Dabei sollte man möglichst im Stehen telefonieren wegen des größeren Atemvolumens oder zumindest aufgerichtet sitzen. Wichtig ist auch eine freundliche Stimme, das buchstäbliche Lächeln am Telefon. Profis stellen sich zur Kontrolle einen Spiegel an ihren Telefonarbeitsplatz. Zum Aufbau einer persönlichen Beziehung ist eine positive Einstellung zum Kunden unerlässlich, denn der Kunde stört uns nicht bei der Arbeit, der Kunde ist unsere Arbeit. Das wirkt sich auf die Tonalität aus und führt zu einer angenehmeren Gesprächsatmosphäre. Hilfreich ist es auch, die Augen zu schließen, um sich bei schwierigen Telefonaten besser konzentrieren zu können. Beim Zuhören ist es sinnvoll, hin und wieder Aufmerksamkeit zu signalisieren, damit der Gesprächspartner ein Feedback erhält. Von zentraler Bedeutung ist die Festlegung eines Ziels für das Telefonat und die Ansteuerung dieses Ziels bis zur Erreichung bzw. die eigene Ursachenanalyse für den Fall des Verfehlens. Im passiven Telefonkontakt werden vielfache Fehler gemacht. Inakzeptabel sind Aussagen wie „Hallo?“, „Ja, bitte.“ oder „Worum geht es?“. Ebenso ist das Wort „muss“ in der Akquisition tabu, der Anrufer muss rein gar nichts. Dafür sollen „Sie“-Formulierungen eingesetzt werden. Bei guten Kunden ist auch eine persönliche Redewendung einsetzbar (z. B. „Das ist ja prima, dass Sie sich melden.“). Probleme sollten nicht bereits den Einstieg in das Telefonat darstellen.

8.2 Verkaufsgesprächsablauf

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Zur eigentlichen Terminvereinbarung werden häufig Formulierungen wie: „Wann hätten Sie denn Zeit?“, „Machen Sie einen Vorschlag, ich richte mich da ganz nach Ihnen.“, „Wann passt es Ihnen am besten?“ eingesetzt. Statt dessen sind Alternativtermine abzufragen, zunächst als Alternativwochentage, dann als Alternativuhrzeiten („Ist Ihnen Mittwoch Nachmittag oder Donnerstag Vormittag nächster Woche lieber?“, „Gut Donnerstag, dem 1.7., passt es Ihnen da besser am frühen oder am späten Vormittag?“). Es hat sich zudem bewährt, Termin und Ort zu wiederholen, um ärgerliche Missverständnisse zu vermeiden („Dann also bis übermorgen, 11.00 Uhr, bei Ihnen.“). Hilfreich ist auch eine kleine Motivation zum Abschluss der Terminvereinbarung („Ich freue mich darauf, Sie kennenzulernen.“ oder „Ich bin schon gespannt, was Sie zu unserer tollen neuen Problemlösung sagen werden.“). Das Aufschalten von Anrufbeantwortern ist während der normalen Geschäftszeiten zu vermeiden und führt evtl. zu Kontaktabbruch wegen Aufsprechhemmung, zumindest aber zu einem schlechten Eindruck über die Betriebsbereitschaft eines Anbieters. Besser ist eine automatische Gesprächsweiterleitung oder eine Umleitung auf Mobiltelefon. Außerdem sollten mehrere Leitungen geschaltet sein. Dabei können die Komfortleistungsmerkmale moderner Telefonanlagen eingesetzt werden. Im Verkauf sollte es selbstverständlich sein, dass sich Mitarbeiter an Nebenstellen vor Verlassen des Platzes an der Zentrale abmelden oder auf einen anderen Platz, an dem sie zu erreichen sind, umstellen oder auch auf ihr Mobiltelefon. Die inflationär verbreiteten Musikbänder, die beim Durchstellen endlos ablaufen, sind umstritten, denn sie stören die Konzentration und wirken leicht nervig. Häufig erlebt man auch, dass der Angerufene während des Telefonierens weiterarbeitet, man erkennt dies an Zwischenrufen an oder von anderen oder am Klappern der PC-Tastatur. Dies ist selbstverständlich nicht akzeptabel. Wenn man dennoch etwas begleitend eintippen will, sollte man dies dem Gesprächspartner mitteilen, damit er nicht irritiert ist. Wichtig ist weiterhin, den Gesprächspartner öfter mit Namen anzusprechen, richtige Aussprache vorausgesetzt. Dazu gilt es, sich den oft nicht einfachen Namen des Anrufers zu merken. Eine entsprechende Nachfrage ist zu Beginn des Gesprächs zweckmäßig, allerdings nicht durch: „Wer spricht da?“, sondern „Verzeihung, ich habe Ihren Namen nicht ganz verstanden.“. Im Text soll immer wieder mal der Name des Partners eingestreut werden, z. B. „Wie Sie ja wissen, Herr / ​ Frau …“. In jedem Fall ist das Follow-up zu sichern, also nicht: „Melden Sie sich doch einfach wieder, wenn Sie klarer sehen.“, sondern etwa: „Wenn dieses Produkt für Sie nicht in Frage kommt, möchte ich Ihnen unser neuestes Modell auf der Messe zeigen. Sie sind doch sicher auch da, nicht wahr?“ Als nachteilig hat sich die direkte Erwähnung von Konkurrenten erwiesen, weil das beim Anrufer zu Erinnerungsunsicherheit führen kann, erst recht, wenn dies herabsetzend erfolgt. Auf gar keinen Fall darf eine Anfrage abgelehnt werden, weil gerade kein passendes Angebot vorhanden ist. Vielmehr ist der Bedarf unbedingt vorzumerken.

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8. Die Verkaufsdurchführung

Besuchstermine ohne passendes Angebot sind allerdings gefährlich, weil darunter die Wiederholungskontaktchance leidet. Vielleicht ist auch ein Umlenken des Bedarfs möglich („Ich habe da ein Produkt im Programm, das, so glaube ich, viel besser zu Ihrem Bedarf passt. Hören Sie sich das bitte kurz einmal an.“). Wenn Unterlagen versandt worden sind, gilt es, immer nachzufassen. Auch dies erfolgt regelmäßig telefonisch. Der Nachfass sollte nicht zu schnell erfolgen, das erweckt womöglich Misstrauen, dass man es wohl nötig hat. Selbstverständlich sollte es sein, alle relevanten Unterlagen beim Gespräch immer in Griffweite zu haben und das angebotene Produkt genau zu kennen, wirklich in allen Details. Der Gesprächseinstieg kann dann aber nicht sein: „Haben Sie unsere Unterlagen erhalten?“, sondern etwa: „Sie interessieren für eine leistungsfähige Computeranlage. Was gefällt Ihnen da an unserem Produkt besonders?“ Eine „funktionierende“ Telefonzentrale leitet jedes Telefonat nach Zuständigkeit weiter. Ist die Zuständigkeit ausnahmsweise unklar oder ist der durchgestellte Telefonplatz nicht erreichbar, muss unbedingt die Telefonnummer des Anrufers notiert und ein Rückruf angekündigt und dieses Versprechen auch einhalten werden. Nach Möglichkeit soll eine Notiz als „Gesprächsaufhänger“ für den Angerufenen angefertigt werden. Wichtig ist es, Anrufer anzuhören, bevor man durchstellt, und dabei mitzuteilen, zu wem man weiterleitet (Name / ​Funktion) und warum. Zur Professionalität gehört es, dass der Hörer sofort nach dem Klingeln abgehoben wird, max. darf es bis zu vier Mal läuten. Längere Wartezeiten sind am Telefon inakzeptabel. Zur Dokumentation sind aussagefähige Telefonnotizen während des Gesprächs hilfreich, evtl. ist auch ein „lautes Mitschreiben“ angebracht, damit der Gesprächspartner weiß, das und was man mitschreibt. Solche Notizen sind aber nur dienlich, wenn sie vollständig sind, also mit Name, Rufnummer, Zweck des Anrufs, Uhrzeit, Vereinbarung etc. Zweckmäßig ist dazu der Einsatz eines entsprechenden Formulars. 8.2.1.3 Überwindung von Kontaktwiderständen Tatsächlich ergeben sich immer wieder vielfältige Widerstände gegen eine Kontaktaufnahme. Dafür seien im Folgenden einige Beispiele für Kontaktwiderstände mit entsprechender Entgegnung genannt. Terminproblem: Es gehört zum guten Ton, keine Zeit zu haben, und wer doch Zeit hat, ist nicht ausgelastet. Also schieben viele Gesprächspartner tatsächliche oder häufiger vermeintliche Terminprobleme vor. Beispiel: • Kunde: „Ich habe keine Zeit für ein Gespräch. Wissen Sie eigentlich, wie ich hier rotiere?“

8.2 Verkaufsgesprächsablauf

469

• Verkäufer: „Gerade, weil Ihre Zeit so knapp ist, sollte Ihnen daran gelegen sein, sich so effektive Informationen wie möglich zu verschaffen. Im persönlichen Gespräch kann ich alle Ihre Fragen gleich an Ort und Stelle klären. Das spart unnötige Nachfragen und entlastet Sie damit.“ Ignoranz: Viele Gesprächspartner sind auch erstaunlich ignorant gegenüber neuen Produkten und / ​oder Lieferanten, obgleich es zur professionellen Einstellung gehören sollte, für alle Neuheiten offen zu sein, bevor der Wettbewerb sie entdeckt. Hier kann man unterstellen, dass dem Einkäufer am Kontakt zu den besten Lieferanten gelegen sein muss. Beispiel: • Kunde: „Warum sollte ich mir Ihr Produkt erst ansehen?“ • Verkäufer: „Ich nehme an, Sie wollen für Ihr Unternehmen immer die besten Lieferanten nutzen. Können Sie mein Angebot da unter professionellen Gesichtspunkten guten Gewissens ungeprüft ausschlagen?“ Prospektsammler: Es entspricht der Sammler- und Jägerherkunft des Menschen, zunächst einmal wahre Unmengen an Prospektpapier zu horten, um es dann nach einiger Zeit ungelesen zu entsorgen. Auf diese Weise kann kein Kontakt erfolgreich sein. Das persönliche Gespräch kann ungleich mehr Informationen transportieren als jeder noch so toll aufgemachte Verkaufsprospekt. Zudem kann man ankündigen, zum Gespräch aussagefähige Pläne, Detailzeichnungen oder ein Produktmodell gleich mitzubringen. Beispiel: • Kunde: „Ich brauche zunächst ausführliche Produktinformationen.“ „Andere Anbieter schicken mir doch auch zuerst ihre Prospekte.“ • Verkäufer: „Das kann ich gut verstehen, aber in unserem Gespräch erhalten Sie ungleich mehr Informationen als durch jeden, noch so toll aufgemachten Verkaufsprospekt, der am Ende wenig aussagefähig ist.“ Überlastung: Häufig wird Überlastung vorgeschoben, um sich einen ungelegen kommenden Verkäuferbesuch vom Hals zu halten. Dies ist zwar unhöflich, aber praktisch. Auch das ist verständlich, doch wenn Anforderungs- und Leistungsprofil stimmen, was recht schnell festgestellt werden kann, lohnt sich die investierte Mühe auf jeden Fall. Beispiel: • Kunde: „Ich kann mir doch nicht jeden Verkäufer anhören.“ • Verkäufer: „Das sollen Sie auch gar nicht, aber so wie sich mir Ihr Bedarf darstellt, passen die Leistungsmerkmale unseres Produkts optimal auf Ihr Anforderungsprofil, so dass sich ein Gespräch wirklich für Sie lohnt.“

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8. Die Verkaufsdurchführung

Telefonkontakt: In Zeiten moderner Telekommunikationsmittel scheint Kunden oft genug die telefonische Auskunft über ein Angebot / ​Unternehmen ausreichend. Dies mag zwar durchaus zutreffen, kann jedoch nicht im Interesse des Verkäufers liegen, will er Informationsverluste vermeiden. Beispiel: • Kunde: „Das können Sie mir doch genauso gut auch am Telefon sagen.“ • Verkäufer: „Ein Produkt dieser Qualität kann man am Besten durch eine Demonstration erfassen, Zuhören reicht da erfahrungsgemäß nicht aus. Und Ihnen als Kunde steht in jeder Hinsicht die bestmögliche Information zu.“ Arroganz: Zu Zeiten des weit verbreiteten Käufermarkts können Kunden sich auch ein gehöriges Maß an Arroganz im Kontakt leisten. Das ist nicht einmal persönlich gemeint und muss daher an Verkäufern abprallen. Es macht wenig Sinn, diese Absicht ernsthaft abzustreiten. Aber ebenso ist der Einkäufer daran interessiert, lohnende Marktkontakte aufzubauen und zu unterhalten. Beispiel: • Kunde: „Sie wollen mir doch nur etwas verkaufen, was soll das ganze also?“ • Verkäufer: „Natürlich lebe ich vom Verkaufen, wie Ihr Unternehmen auch, aber wie Sie auch weiß ich genau, dass mir das nur gelingen wird, wenn Sie von den gebotenen Produktvorteilen hundertprozentig überzeugt sind.“ Kein Bedarf: Wenn tatsächlich kein Bedarf besteht, darf das keinesfalls zu einem Abbruch der Kontaktaufnahme verleiten. Denn die allermeisten Produkte werden wiederholt gekauft, und der Kunde hat nicht nur Bedarf an einem Produkt. Daher ist Nachhaken angezeigt. Deshalb ist es jetzt erforderlich, das Angebot vorzustellen. Beispiel: • Kunde: „Ich habe doch gerade erst ein anderes Produkt / ​bei einem anderen Lieferanten gekauft.“ • Verkäufer: „Es ärgert mich natürlich, dass Sie nicht bei mir gekauft haben. Deshalb möchte ich Ihnen mein Produkt jetzt vorstellen, damit ich beim nächsten Mal eine Chance habe, in die engere Wahl zu kommen.“

8.2.2 Präsentationsphase 8.2.2.1 Kundenqualifizierung Der eigentliche Gesprächseinstieg erfolgt regelmäßig nur durch aktives Zuhören. Verkäufer glauben leider häufig fälschlicherweise, dass es zu ihrem Berufsbild gehöre, viel zu reden. Genau das Gegenteil ist der Fall, denn „Reden ist ein

8.2 Verkaufsgesprächsablauf

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Bedürfnis, Zuhören aber ist eine Kunst“ (Goethe). Am Anfang gilt es vielmehr, den Interessenten durch Fragen zu qualifizieren, denn „wer fragt, der führt“. Dabei ist aktives Zuhören erforderlich, d. h. mit Abgabe von Aufmerksamkeitsbezeugungen. Der Redefluss des Kunden soll zunächst nicht unterbrochen werden, allenfalls kurze Zwischenfragen sind sinnvoll. Praktische Gesprächsaufhänger sind etwa folgende: • Berichte aus Fachzeitschriften, allgemeine Presseberichte, Wirtschaftsinformationen, wissenschaftliche Erkenntnisse, gesetzliche Bestimmungen, Gutachten etc. • Neuprodukt, Produktverbesserung, Produkterfolge, Referenzen, Serviceleistungen, Entwicklungsresultate, Sicherheitsfaktoren, Verarbeitungsstandards, Materialveränderungen etc. • Testergebnisse, Auszeichnungen, Jubiläum, betriebliche Ereignisse, Prüfzeugnisse, Forschungsergebnisse, organisatorische / ​personelle Veränderungen, Seminarangebote etc. Fragen sind das mächtigste Werkzeug, dessen man sich im Verkaufsgespräch bedienen kann. Verkäufer werden immer wieder darauf trainiert zu reden. Allerdings ist es viel wichtiger, gerade zu Beginn eines Verkaufsgesprächs, zuzuhören. Dabei gilt es, den Einkäufer durch offene Fragen, also solche, die keine Beantwortung mit „ja“ oder „nein“ zulassen, zu qualifizieren, d. h. sein Problem zu identifizieren. Erst wenn der Bedarf des Kunden eindeutig ermittelt worden ist, kann gezielt verkauft werden. Ansonsten ist der Erfolg allein schon deshalb gering, weil kein Nutzen geboten werden kann. Dazu einige Beispiele aus dem Immobilienverkauf: • „Wann möchten Sie spätestens einziehen?“ • „Worauf legen Sie bei Ihrem Immobilienwunsch besonderen Wert?“ • „In welcher Lage genau suchen Sie denn ein Haus?“ • „Wie lange suchen Sie schon?“ • „Was haben Sie bisher alles unternommen?“ • „Wie viele Objekte haben Sie bereits besichtigt?“ • „Welche Hinderungsgründe waren denn bei diesen Objekten gegeben?“ • „Wie viel Eigenmittel wollen Sie einsetzen?“ Der Einsatz von Fragetechniken ist Voraussetzung für jede Bedarfsermittlung und Nutzenargumentation. Dabei sollen Einstellungen / ​Meinungen ermittelt werden, um später gezielt Übereinstimmung herzustellen (siehe Abbildung 88: Häufige Fragetechniken zur Kundenqualifizierung). Bei der Alternativfrage sind zwei für den Verkäufer jeweils positive Antwortreaktionen möglich:

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8. Die Verkaufsdurchführung

Alternativfrage

Informationsfrage

Motivationsfrage

Ergänzungsfrage

Ja-Frage

Rhetorische Frage

Fangfrage

Kontrollfrage

Suggestivfrage

Gegenfrage

Provozierende Frage

Abbildung 88: Häufige Fragetechniken zur Kundenqualifizierung

• „Möchten Sie lieber einen Ring in Rotgold- oder Platin-Ausführung?“ • „Was entspricht mehr Ihren Vorstellungen bei der Darlehensauszahlung, ein höheres Disagio bei geringerer laufender Belastung oder eine kürzere Laufzeit ohne Disagio?“ Ziel der Ergänzungsfrage ist es, präzisere Informationen über die kundenseitige Idealvorstellung eines Angebots zu ermitteln: • „Denken Sie bei Ihrem Wunsch nach einer Armbanduhr an eine solche mit Analoganzeige?“ • „Wenn Sie sagen, Sie möchten die Sonne auch in Ihrer Wohnung genießen, meinen Sie da einen Balkon oder eine Loggia?“ Durch die Fangfrage sollen unbewusste Kaufgründe zu Tage gefördert werden: • „Besitzen Sie schon weitere Schmuckstücke in dieser Preisklasse?“ • „Ist Ihnen bewusst, wie hoch Ihr derzeitiger persönlicher Steuersatz in der Progressionsspitze schon liegt?“ Mit Hilfe der Gegenfrage gewinnt man die Initiative zurück und erreicht einen besseren Wissensstand, sie ist allerdings vorsichtig einzusetzen, da sie leicht als unhöflich aufgefasst werden kann: • „Ist Ihre Auswahl nicht etwas gering?“ – „Was vermissen Sie denn ganz konkret in meinem Sortiment?“ • „Immobilien sind doch immer eine zweischneidige Sache.“ – „Wann haben Sie persönlich denn zuletzt schlechte Erfahrungen mit einer Immobilienanlage gemacht?“ Durch die Informationsfrage sollen objektive Daten über die Bedarfslage des Interessenten ermittelt werden: • „Um welches Schmuckstück möchten Sie Ihre Kollektion denn ergänzen?“ • „Wie groß sollte das Grundstück sein, das Sie sich zum Erwerb vorstellen?“

8.2 Verkaufsgesprächsablauf

473

Auf Ja-Fragen gibt es nur ein Ja als einzig sinnvolle Antwort, sie bringen das Gespräch daher konstruktiv voran: • „Ein Schmuckstück ist doch wirklich eine der schönsten Arten, Geld anzulegen, nicht wahr?“ • „Die eigenen vier Wände sind nun mal viel besser als lebenslang Miete zu zahlen, oder nicht?“ Die Kontrollfrage stellt eine bereits erreichte Übereinstimmung zwischen den Partnern fest, um diese für den Gesprächsfortschritt zu sichern: • „Ich habe Sie also recht verstanden, dass Sie ein erstklassig verarbeitetes Schmuckstück suchen.“ • „Können Sie sich denn eine Immobilienanlage unter den genannten Voraussetzungen vorstellen oder nicht?“ Die Motivationsfrage zielt auf die Offenlegung seither ungenannter Beweggründe ab: • „Soll es sich bei diesem Armreif um ein Geschenk handeln?“ • „Ist Ihnen bei dieser Immobilie die Möglichkeit zur sofortigen Steuerersparnis wichtiger oder die langfristige Wertsteigerung?“ Die rhetorische Frage beantwortet sich von selbst, sie hat damit rein instrumentellen Charakter: • „Den Ärger über einen höheren Preis vergisst man ganz schnell, der Ärger über eine schlechte Qualität aber bleibt auf Dauer bestehen, nicht wahr?“ • „Ist eine Anlageform für Sie interessant, bei der Sie ab sofort 20 % Steuern sparen und dabei noch Vermögen bilden?“ Durch die Suggestivfrage soll eine Beeinflussung des Gesprächspartners erreicht werden, sie ist allerdings vorsichtig einzusetzen, da dieser sich leicht bevormundet fühlen kann: • „Sie sind doch sicherlich auch der Meinung, dass ein Chronometer immer auch den Lebensstil seines Besitzers zum Ausdruck bringt?“ • „Sie stimmen mir doch zu, dass der Steuervorteil heute ein ganz wichtiges Argument für die Geldanlage in Immobilien ist?“ Die provozierende Frage dient der emotionalen Anreizung, doch ist Vorsicht vor Überaktivierung geboten: • „Ist Ihnen auch bewusst, dass es sich bei dieser Uhr um ein wertvolles Einzelstück handelt?“ • „Soll man denn dem Vermieter wirklich immer höhere Monatsmieten abführen, ohne dass er den Wohnwert entsprechend steigert?“

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8. Die Verkaufsdurchführung

8.2.2.2 Demonstration und Vorteilsargumentation Die Demonstration soll didaktisch • vom Einfachen zum Komplizierten, • vom Bekannten zum Unbekannten, • vom Detail zur Ganzheit, vorgehen. Wichtig ist zu berücksichtigen, dass eigene Aktivität des Interessenten (schätzungsweise 90 % Erinnerungsquote als Anhaltspunkt) vor Wahrnehmung durch Sehen und Hören (ca. 50 %) vor nur bildlicher Wahrnehmung (ca. 30 %), vor nur auditiver Wahrnehmung (ca. 20 %) und vor nur schriftlicher Wahrnehmung (ca. 10 %) geht. Die Demonstration soll wirkungsvoll eingeübt werden und immer so erfolgen, dass dabei erläutert wird, was gerade passiert und der Nutzen ausdrücklich ausgelobt wird. Bei der Erläuterung soll auf Konkurrenzprodukte kein direkter Bezug genommen werden, denn das wertet diese nur unnötig auf. Produktmuster müssen zudem immer pfleglich behandelt werden. Teilweise versuchen Verkäufer, die Robustheit ihrer Produkte durch bewusst rauen Umgang mit ihnen zu betonen. Das sollte vermieden werden, es sei denn, man hat für solche Zwecke (Torture test) ein gesondertes Produkt parat. Auch darf auf keinen Fall das Demonstrationsprodukt verkauft werden, sondern immer ein „unbenutztes“ („originalverpackt“). Wichtig ist die Förderung von Aha-Erlebnissen beim Gegenüber, meist durch „Selbermachen“. Dies erfolgt durch Inszenierung / ​Dramatisierung der Produktleistung. Dadurch können auch Selbstverständlichkeiten überzeugend wirken. Zudem sollen nur zwei Alternativen gleichzeitig demonstriert werden, weil sonst leicht Überforderung oder Konfusion eintreten kann, bei größerer Auswahl ist dazu sukzessiv vorzugehen. Bei der Vorteilsargumentation geht es darum, aus absenderbezogenen Angebotsmerkmalen als Character selling, z. B. „Diese Maschine schafft 5.000 Umdrehungen / ​Min.“ adressatenbezogene Kundennutzen als Benefit selling werden zu lassen, z. B. „Diese Maschine verschafft Ihnen einen Wettbewerbsvorsprung.“. Denn Kunden sind nur daran interessiert, was ihnen ein Angebot an Nutzen bringt. Daher kommt es darauf an, für jedes Angebotsmerkmal den rationalen oder auch emotionalen Kundennutzen auszuloben. Mögliche Nutzen hängen von der Motivation ab, diese ist durch Bedarfe geprägt, die wiederum aus der Kundenqualifizierung bekannt sein sollten. Man geht dabei von einer Nutzenhierarchie aus, bei der alle Vor- und Zwischennutzen in Endnutzen münden (Endbenefits), die Leistung, Kennerschaft, Trendzugehörigkeit und Prestige lauten. Dabei geht man von einer Zweck-Mittel-Kette zum Endnutzen aus (auch Means-end chain). So etwa folgendermaßen (bei einem Pkw): • konkrete Eigenschaft: langgezogene Motorhaube,

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8.2 Verkaufsgesprächsablauf

• abstrakte Eigenschaft: hohe Unfallsicherheit, • funktionaler Nutzen: geringeres Verletzungsrisiko, • psychologischer Nutzen: sich sicher fühlen, • instrumenteller Wert: körperliche Unversehrtheit, • terminaler Wert: länger gesund bleiben (Lebensfreude). Dies wissend, kann man sich in der Argumentation auf ein immer höheres Nutzenniveau hangeln, darf dabei aber auch nicht zu abstrakt werden.

Annahme

Praktischer Vergleich

Übertreibung

Empfehlung

Pro-Contra

Kaufvorschlag

Falsche Wahl

Reserveargument

Vorteilhaftigkeit

Feststellung

Trägheit

Zusammenfassung

Entscheidungseinschränkung

Abbildung 89: Häufige Gesprächstechniken zur Vorteilsargumentation

Zur Vorentscheidung können eine Reihe von Gesprächstechniken eingesetzt werden, wie etwa folgende (siehe Abbildung 89: Häufige Gesprächstechniken zur Vorteilsargumentation). Die Annahme setzt die hypothetische Zustimmung des Kunden schon einmal argumentativ voraus: • „Wenn Sie bei diesem Ring hier bleiben, kann ich Sie zu Ihrer Entscheidung nur beglückwünschen.“ • „Unterstellen wir im Folgenden einmal, Sie entscheiden sich für diese Wohnung, dann sieht Ihre ganz persönliche Renditerechnung folgendermaßen aus: …“ Bei der Empfehlung erfolgt eine Wahl des Verkäufers im Urteil des Käufers, quasi objektiviert: • „Als Fachfrau sage ich Ihnen da nur, mit dieser Halskette können Sie einfach gar nichts falsch machen.“ • „Aus meiner langjährigen Erfahrung im Metier rate ich Ihnen, auf jeden Fall die Wohnung mit den höheren Mieteinnahmen und den weitaus größeren Steuervorteilen zu wählen.“

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8. Die Verkaufsdurchführung

Die falsche Wahl leitet durch deren Ablehnung indirekt auf die eigentlich zum Verkauf gewünschte Alternative über: • „Wenn Sie Standard-Schmuckware suchen, liegen Sie bei diesem Set hier richtig.“ • „Warum nutzen Sie nicht das vermeintlich billigere Konkurrenzangebot und warten ab, ob Sie damit im Endeffekt wirklich so gut bedient sind wie es Ihnen versprochen worden ist.“ Die Feststellung zielt auf eine Ja-Verkettung ab: • „Sie wollen eine sichere Wertanlage?“ – „Ja.“ – „Das bedingt eine erstklassige Verarbeitung.“ – „Ja.“ – „Sie wollen aber auch ein blendendes Aussehen, nicht wahr?“ – „Ja.“ – Dann kommt für Sie nur dieser Ring hier in Betracht.“ • „Die Lage sagt Ihnen also zu. Der Preis ist für Sie finanzierbar. Sie legen Wert auf steigende Mieteinnahmen. Dann ist das genau das richtige Objekt für Sie.“ Im praktischen Vergleich wird vor allem der Erlebniswert eines Produkts betont: • „Die Einstellung der Uhrzeit ist sicherlich kompliziert.“ – „Das hat vielleicht den Anschein, aber die Einstellungen erfolgen automatisch. Drücken Sie nur einmal diesen Knopf hier, Sie sehen, dass …“ • „Nehmen Sie nur einmal auf der Terrasse Platz und genießen den Blick auf den herrlichen alten Baumbestand, wie man ihn heutzutage nurmehr ganz selten ­findet.“ Durch Pro-contra wird die Bilanz aller Argumente gezogen, natürlich mit mehr Pros als Cons: • „Was also spricht für den Kauf dieses Schmuckstücks – und was dagegen? Nun, ziehen wir einmal Bilanz, da ist zunächst …“ • „Die Wohnung liegt zwar im Parterre, aber dafür sichern Sie sich praktisch auch die Gartenwohnung in diesem Haus.“ Reserveargument bedeutet das Nachschieben eines wichtigen Arguments ganz zum Schluss der Argumentationsphase: • „Ach, fast hätte ich noch vergessen Ihnen zu sagen, dass …“ • „Es versteht sich ja eigentlich von selbst, aber ich sollte noch erwähnen, dass Sie als Ersterwerber natürlich provisionsfrei kaufen.“ Durch Trägheit werden die beständig gleichen Produktvorteile wiederholt und penetriert: • „Ich glaube, ich sagte schon, dass es sich bei diesem Stück um eine handwerkliche Einzelanfertigung handelt, wie sie heute kaum mehr zu finden ist.“ • „Ich darf noch einmal daran erinnern, Fertighäuser sind heute genauso dauerhaft und stabil wie konventionell gebaute Häuser.“

8.2 Verkaufsgesprächsablauf

477

Bei der Übertreibung wird dem Kunden ein vorsichtiger, nicht unverschämt überzogener Vorschlag gemacht: • „Möchten Sie gleich das ganze Schmuck-Set erwerben?“  – „Nein, nein, das Armband reicht fürs Erste völlig.“ • „Was halten Sie davon, wenn wir anstelle der Parterre-Einheit einmal die Maisonette-Wohnung kalkulatorisch durchgehen?“ – „Nein, es kommt nur Parterre in Betracht.“ Ein Kaufvorschlag dient dazu, das Gespräch voranzubringen, wenn es an einem toten Punkt angekommen oder festgefahren scheint: • „Was halten Sie davon, dieses Collier hier mit diesen Ohrclips dort zu kombinieren? Das sieht wirklich fantastisch aus, wie füreinander gemacht.“ • „Nehmen wir nur einmal diese Wohnung hier und schauen uns deren Grundrissplan etwas genauer auf Ihre Anforderungen hin an.“ Vorteilhaftigkeit stellt auf die gute Gelegenheit ab, die man sich als Kunde nicht entgehen lassen sollte: • „Bedenken Sie bitte, dass es sich dabei um ein Einzelstück aus einer Serie handelt, die nicht mehr hergestellt wird.“ • „Diese Wohnung ist deshalb so preisgünstig, weil wir sie preiswert erworben haben und diesen Kostenvorteil nun voll an Sie als unseren Kunden weitergeben.“ Die Zusammenfassung dient als Resümee der Verankerung von Argumenten im Gedächtnis des Kunden: • „Was bleibt denn unter dem Strich? Wichtig ist doch für Sie vor allem, dass Sie …“ • „Halten wir also fest, die Fußbodenheizung erübrigt störende Heizkörper an der Wand, spart zudem Heizkosten und kann problemlos auf alternative Energieträger umgerüstet werden.“ Die Entscheidungseinschränkung bleibt als letzte Möglichkeit, wenn alle anderen Argumente versagen: • „Da es sich um ein Geschenk handelt, kann ich Ihnen ausnahmsweise eine Umtauschmöglichkeit dafür einräumen.“ • „Ich nehme für Sie schon einmal eine Kaufoption in meine Unterlagen auf, und Sie sagen mir dann bitte bis zum Montag nächster Woche, ob wir den Abschluss machen können.“ Wichtig ist es, sich die gängigen Argumente auch im Detail zurecht zu legen, damit man sie jederzeit in das Verkaufsgespräch einflechten kann. Dazu einige Beispiele aus der Immobilienbranche:

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8. Die Verkaufsdurchführung

Allgemeine Argumente für Immobilienobjekte: • hohe Grundstücksqualität, • Sonnenscheindauer auf Wohnseite, • Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln, • Frequenz der Verkehrsmittel, • Einkaufsmöglichkeiten in Reichweite, • Pkw-Minuten zum Autobahnanschluss, • Naherholungsgebiete, • Nähe zur Innenstadt, • Fahrradminuten zur Schule, • städtebauliches Umfeld, Baukörpergestaltung, Fassade, Grundrissgestaltung, Außenanlagen, • Pkw-Abstellmöglichkeit, • Wärmeschutz, • Fensterausführung, • Decken, Schallschutz, • Wohnungseingangstür, • Sondereinrichtungen wie Gäste-WC, hängende Becken, Spiegelschrank, Abstellschrank, Waschmaschinenplatz, Küchenentlüftung, Kabelfernsehanschluss, Treppenhausgestaltung, Gardinenschienen, Generalschlüssel, Rollläden, Fahrradkeller, Kinderwagenabstellraum, Außensteckdose, Blumenkästen, Müllschlucker, Hausmeisterdienst, Bepflanzung / ​Grünflächen, Garagen / ​Einstellplätze etc. 8.2.2.3 Einwandbehandlung Einwände sind entscheidende Kaufwiderstände, zugleich aber auch Hilferufe des Kunden. In dieser heiklen Phase des Verkaufsgesprächs gilt es, überzeugend zu argumentieren. Dazu ist es hilfreich, alle möglichen Einwände für ein Produkt zu sammeln und jeweilige Gegenargumente bereitzulegen, so dass man gar nicht erst in Verlegenheit kommt, lange überlegen zu müssen, wie man einem Einwand begegnet. Dazu stehen eine Reihe von Gesprächstechniken bereit (siehe Abbildung 90: Häufige Techniken zur Einwandbehandlung).

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8.2 Verkaufsgesprächsablauf

Entlastung

Papageientechnik

Umkehrung

Isolierung

Referenz

Umformulierung

Ja, aber-Technik

Salamitechnik

Vergleichstechnik

Korkenzieher

Seitliche Arabeske

Vorwegnahme

Kompensation

Transformation

Zurückstellung

Unbeantwortete Frage

Abbildung 90: Häufige Techniken zur Einwandbehandlung

Durch die Entlastung sollen die mit einem Einwand verbundenen Probleme entkräftet werden, dies ist jedoch vorsichtig einzusetzen: • „Selbst wenn eine Verharzung im Uhrwerk auftreten sollte, ist unser Kundendienst zur Stelle, um Ihnen sofort zu helfen.“ • „Ihnen ist also der Tiefgaragenplatz nicht geheuer? Da kann ich Sie beruhigen, die tatsächlichen Gefahren liegen heutzutage viel eher im immer dichteren Straßenverkehr als in einem Abstellplatz.“ Die Isolierung hilft durch Klärung des „letzten“ Einwands gegen endloses Hinauszögern des Entscheids im Gespräch: • „Kann ich davon ausgehen, dass außer der Klärung des Liefertermins aus Ihrer Sicht nichts mehr gegen einen Abschluss spricht?“ • „Wenn meine Vergleichsrechnung Ihnen zeigt, dass dieses Objekt anderen in der Summe seiner Eigenschaften überlegen ist, sind Sie dann vom Kauf überzeugt?“ Die Ja, aber-Technik signalisiert scheinbare Zustimmung, allerdings mit Verkehrung ins Gegenteil: • „Das ist in der Tat ein wichtiger Punkt, den Sie da ansprechen, der sich aber relativiert, wenn man folgendes bedenkt: …“ • „Ja, es kommt vor, dass viele Einheiten in einer Wohnanlage nicht ohne Probleme sind. Aber bedenken Sie bitte, egal, wie groß oder klein ein Gebäude auch ist, Sie haben es immer nur mit maximal vier Nachbarn zu tun, zwei links und rechts und je einer unten und oben.“ Der Korkenzieher dient dazu, die hinter einem Vorwand liegenden Einwände hervor zu locken:

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8. Die Verkaufsdurchführung

• „Gold ist nicht sonderlich wertbeständig.“ – „Welche Bedenken haben Sie denn gegen einen seit Jahrtausenden im internationalen Handel verwendeten Wertmesser?“ • „Die Wohnung liegt zu weit außerhalb.“ – „Warum ist es für Sie wichtig, in unmittelbarer Nähe der Innenstadt zu wohnen?“ Die Kompensation besteht darin, einen Nachteil des eigenen Produkts einzugestehen, um größere Vorteile dagegen zu stellen: • „Dieses Bedenken ist in der Tat ernst zu nehmen, aber unumstößlich bleibt dabei dennoch der Vorteil, dass …“ • „Nun haben Sie endlich eine Wohnung gefunden, die Ihren Wünschen fast perfekt entspricht. Wollen Sie da Ihre Entscheidung wirklich davon abhängig machen, ob Ihre alte Schrankwand ins Wohnzimmer passt oder nicht?“ Die Papageientechnik besteht darin, einen genannten Einwand zu wiederholen, damit erkennbar ernst zu nehmen, vor allem aber zugleich Zeit zu gewinnen: • „Dieses Armband ist mir zu protzig.“ – „Dieses Armband ist Ihnen also zu protzig. Können Sie mir bitte erläutern, warum Sie das so empfinden?“ • „Sie sind also, wenn ich das recht verstehe, der Meinung, dass Ziegel ein besserer Baustoff sind als Beton? Nun, dazu möchte ich Ihnen Folgendes dar­ legen: …“ Als Referenz dient der Bezug auf Kundenautoritäten, evtl. auch leicht geschönt, denen eine absichernde Wirkung zukommt: • „Einer meiner anspruchsvollsten Kunden hat sich erst letztens für ein ganz ähnliches Schmuckstück entschieden. Und ist hoch zufrieden damit, wie er mir erst neulich noch bestätigte.“ • „Die anderen Einheiten sind bereits von Kunden gekauft worden, die schon das zweite oder dritte Mal mit uns zusammen arbeiten. Das würden die ja wohl kaum tun, wenn sie nicht vollauf zufrieden wären.“ Mit der Salamitechnik wird ein komplexer Einwand zergliedert und kann dadurch einzeln abgearbeitet werden: • „Die Qualität ist ja wohl nicht so toll.“ – „Zunächst sollte man die exzellente Verarbeitung dieses Stücks betrachten. Schauen Sie nur einmal die Krone an. Dann bedenken Sie bitte die ausgesuchten Rohmaterialien, die hier verarbeitet worden sind. Auch die ausgesprochen geschmackvolle Gestaltung ist bestechend. Nehmen Sie nur einmal …“ • „Die Ausstattung der Wohnung ist schlecht.“ – „Lassen Sie uns doch zuerst einmal gemeinsam die Ausstattungsmerkmale der einzelnen Räume genauer anschauen. Da ist zunächst …“

8.2 Verkaufsgesprächsablauf

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Bei der seitlichen Arabeske wird ein nicht weg zu diskutierender Nachteil stillschweigend hingenommen, aber sogleich übersprungen: • „Der Stein ist mir zu klein.“ – „Andererseits sollten Sie die hervorragende Verarbeitung des Ringes bedenken, wie man sie nur selten findet.“ • „Ein Aufzug im Haus verursacht hohe Nebenkosten.“ – „So ein Aufzug steigert aber auch ganz erheblich den Mietwert, und das zahlt sich später doppelt und dreifach aus.“ Durch die Transformation wird die Begründung für einen Einwand abgefragt, doch darf man dabei keinesfalls die Höflichkeit einschränken: • „Die Stoppfunktion fehlt ja bei dieser Uhr auch.“ – „Können Sie mir bitte s­ agen, wann Sie die Stoppfunktion an einer Armbanduhr zuletzt gebraucht h­ aben?“ • „Der Grundriss der Wohnung ist langweilig.“ – „Was genau würden Sie denn an diesem Grundriss interessanter gestaltet haben wollen?“ Die Umkehrung bedeutet, aus einem vermeintlichen Nachteil einen Vorteil zu machen: • „Eben weil das Design, wie Sie sagen, so ausgefallen ist, geht es im alltäglichen Einerlei nicht unter.“ • „Die Wohnung ist zwar vermietet, aber dadurch können Sie sie auch um ca. 20 % günstiger erwerben als eine vergleichbare, freie Wohnung.“ Mit Hilfe einer Umformulierung kann ein harter Einwand abgeschwächt werden: • „Vereinfacht gesagt, vertreten Sie also die Meinung, dass …“ • „Dass soll mein Anwalt erst mal richtig prüfen.“ – „Es bleibt Ihnen natürlich unbenommen, sich hinsichtlich der Vertragsinhalte noch mit Ihrem Anwalt zu besprechen. Aber er wird Ihnen bestätigen, dass …“ Im Vergleich sollen abstrakte Angebotsvorteile konkret anschaulich gemacht werden: • „Bei gesellschaftlichen Anlässen stellt man doch immer wieder fest, welche Bedeutung hochwertigem Schmuck zugemessen wird.“ • „Wenn Sie sagen, alle Makler sind unseriös, dann ist das geradeso, als wenn Sie behaupten, alle Arbeitslosen sind arbeitsscheu oder alle Zahnärzte geldgierig. Natürlich gibt es hier und da schwarze Schafe, aber so allgemein stimmt das wahrhaftig nicht. Makler sind wichtige Mittler bei …“ Bei der Vorwegnahme geht es darum, Einwände proaktiv zu entschärfen, doch gilt Vorsicht, dadurch können auch leicht „schlafende Hunde“ geweckt werden: • „Eine Frage, die in diesem Zusammenhang oft gestellt wird, ist die Folgende: …“ • „Nun könnte man meinen, dass die Bausubstanz dieses Hauses zu alt ist. Aber damals hat man sich zum Bauen noch richtig Zeit genommen und auch wesentlich mehr Material verarbeitet als heute üblich.“

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8. Die Verkaufsdurchführung

Durch die Zurückstellung lässt sich Zeit gewinnen, evtl. wird der Einwand sogar im Zeitablauf vergessen: • „Das Design sollten wir uns gleich nachher in der Ausstellung genauer ansehen.“ • „Darf ich Ihren Hinweis auf die Ihrer Meinung nach zu kleine Küche noch einmal aufnehmen, nachdem wir uns die anderen Wohnräume angeschaut haben?“ Bei der unbeantworteten Frage ergänzt der Kunde die Antwort im Kopf: • „Ist eine glückliche Ehefrau nicht das Wertvollste, was man als Mann haben kann?“ • „Wer weiß schon, wie lange diese steuerlichen Absetzungsmöglichkeiten noch in vollem Umfang gewährt werden?“ Am besten ist es, alle wahrscheinlichen Einwände für jedes Kaufobjekt zu erfassen und adäquate Gegenargumente dafür bereit zu legen. Dass dies selbst für die schwierigsten Einwände möglich ist, dazu im Folgenden einige Beispiele aus der Immobilienbranche.

8.2.3 Abschlussphase 8.2.3.1 Preisverteidigung

Appell

Nutzenentgang

Verkleinerung

Differenz

Qualität

Vergrößerung

Do ut des

Relativierung

Verzögerung

Nachteil

Sandwich

Zerlegung

Nutzen

Zugabe

Abbildung 91: Häufige Techniken zur Preisverteidigung

Der stets zu hohe Preis stellt zweifelsfrei das größte Abschlusshindernis dar. Da der Preis aber ohnehin immer zu hoch ist, braucht man ihn nicht weiter zu entschuldigen, sondern kann ihn offensiv argumentieren. Dafür stehen zahlreiche Gesprächstechniken zur Verfügung (siehe Abbildung 91: Häufige Techniken zur Preisverteidigung). Der Appell spricht das Sicherheitsbedürfnis der Kunden an: • „Sagen Sie selbst, wann sind Sie schon einmal mit einem billigeren Produkt und der schlechteren Qualität zufriedener gewesen?“

8.2 Verkaufsgesprächsablauf

483

• „Was meinen Sie, wie Ihre Kinder sich über ihre eigenen Zimmer freuen werden, da hat man als Vater ja auch eine hohe Fürsorgepflicht.“ Bei der Differenz wird nur der Mehrpreis zum Standard argumentiert und nicht mehr die gesamte Preishöhe: • „Für dieses Stück hier, das unverhältnismäßig besser verarbeitet ist als jenes dort, zahlen Sie damit nur 125 € mehr.“ • „Per Saldo kostet dieses schicke Loft nur 175 € mehr nach Steuern pro Monat als eine langweilige 08/15-Eigentumswohnung, wie es sie an jeder Ecke gibt.“ Do ut des macht ein Preiszugeständnis von einer Gegenleistung abhängig: • „Na gut, Sie sind ein harter Verhandler und ich bin bereit, Ihnen eine verlängerte Valuta zu gewähren, wenn Sie das komplette Set abnehmen.“ • „Ich biete Ihnen den geforderten Preisnachlass an, aber der gilt dann nur hier und jetzt.“ Der Nachteil bezieht sich auf billigere Alternativen, um die aufwändigere Alternative verkaufen zu können: • „Das Laufwerk der Uhr dort kommt von einem koreanischen Hersteller. Das Werk dieser Uhr ist hingegen aus schweizerischer Präzisionsproduktion.“ • „Ich mache Sie nur darauf aufmerksam, dass die andere Wohnung weder über einen Balkon noch über einen Garagenplatz verfügt. Das läuft auf eine schlechtere Vermietbarkeit hinaus.“ Der Nutzen stellt klar, dass vor allem die Qualitätsforderung des Kunden selbst den Preis seines Wunschprodukts bestimmt: • „Wenn Sie bereit sind, Abstriche an Ihren Ansprüchen zu machen, kann ich Ihnen natürlich auch Ware zeigen, die einen niedrigeren Preis hat.“ • „Vielleicht wird es tatsächlich etwas teurer als ursprünglich geplant, aber dafür wird man Sie ganz sicher auf Jahre hinaus um die hochwertige Ausstattung Ihrer Wohnung beneiden.“ Der Nutzenentgang betont die Konsequenzen eines Nichtkaufs: • „Sie sollten selbst beurteilen, ob Sie mit einem Konsumstandard unter Ihrem Anspruchsniveau auf Dauer glücklich sein werden oder nicht.“ • „Bedenken Sie nur, was Sie allein dieses Jahr wieder sinnlos an Steuern zahlen. Dieses Geld könnte schon der erste Baustein für Ihr eigenes Haus sein.“ Die Betonung der Qualität hebt auf eine höhere Leistung für einen höheren Preis ab: • „Wie oft im Leben kauft man schon ein so hochwertiges Collier?“

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8. Die Verkaufsdurchführung

• „Überlegen Sie bitte, was höher wiegt, die momentane Kosteneinsparung bei weniger Qualität oder eine dauerhafte, ärgerliche Komforteinbuße für Sie und Ihre Familie.“ Die Relativierung erfolgt durch Vergleich des Produktpreises mit anderen gewohnten Ausgaben: • „Wenn man bedenkt, was man heute schon für ein verlängertes Wochenende in einem ordentlichen Hotel ausgeben muss, erscheint der Preis für diesen dauerhaften Wert doch gleich in einem ganz anderen Licht.“ • „Die laufenden Nebenkosten betragen 60 €, aber das wendet ein Raucher auch leicht für seine monatliche Zigarettenration auf.“ Beim Sandwich wird der Preis zur Verteidigung durch Produktvorteile vorher und nachher eingerahmt: • „Die Vorteile dieses Angebots liegen in … Der Preis dafür beträgt 250 €. Dafür erhalten Sie dann aber auch die folgende Komplettleistung: …“ • „Die Lage ist zweifellos 1-a, da ist der Preis von 200.000 € fast schon traumhaft zu nennen, zumal auch die Bauausführung erstklassig ist.“ Bei der Verkleinerung wird der Preis pro Einzeleinheit oder Zeitspanne ausgedrückt und damit verkleinert: • „Diese High tech-Uhr kostet nur bescheidene 850 €, inklusive poliertem Stahlgliederarmband.“ • „Die Darlehenssumme wird in für Sie gut verkraftbaren Monatsraten von 750 € über die Jahre verteilt.“ Bei der Vergrößerung wird die im Preis beinhaltete Stückzahl oder Ausstattung eingebracht: • „Für diesen Preis erhalten Sie einen Chronometer mit vielseitigen Funktionen wie …“ • „Allein für die eingebauten Zusatzausstattungen müssten Sie bei einer anderen Wohnung leicht 500 € mehr Miete per anno einkalkulieren.“ Die Verzögerung besteht darin, zunächst die Produktvorteile und dann erst den Preis zu nennen: • „Dieses Armband ist ausgesprochen hochwertig verarbeitet, mit Brillanten besetzt und von edlem Design. Der Preis beträgt, gemessen daran, bescheidene 990 €.“ • Die Lage ist 1-a, der Grundriss einfallsreich und die Bauausführung erstklassig. Das alles kann ich Ihnen zum Gesamtpreis von 195.000 € anbieten.“

8.2 Verkaufsgesprächsablauf

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In der Zerlegung wird die Gesamtleistung auf Einzelleistungen zurückgeführt, deren Preise jeweils optisch niedrig erscheinen: • „Bedenken Sie bitte, dass allein der Brillantenbesatz dieses Colliers beinahe ein halbes Karat ausmacht.“ • „Die Summe setzt sich zusammen aus 40.000 € Grundstücksanteil, 5.000 € für den Garagenplatz und 150.000 € für die eigentliche Wohnfläche.“ Die Zugabe erfolgt durch das Angebot geldwerter Vorteile: • „Eine individuell gestaltete Namensgravur auf der Rückseite kann ich Ihnen bei diesem Stück gratis dazu anbieten.“ • „Wenn Ihnen der Teppichboden nicht gefällt, lasse ich ihn auf unsere Kosten bis zu Ihrem Einzugstermin gegen eine gleichwertige Ware Ihrer Wahl austauschen.“ Wichtig ist, in der Preisverhandlung den tatsächlichen Spielraum adäquat einzuschätzen. Er liegt zwischen der anbieterseitigen Preisuntergrenze für einen Abschluss und der diesbezüglichen, nachfragerseitigen Preisobergrenze. Nur wenn beide Grenzen einander überlappen, besteht eine realistische Geschäftschance. Ist dies nicht der Fall, können beide Seiten dennoch auf diese Grenzen nach eigenem Willen einwirken (siehe Abbildung 92: Spielraum in der Preisverhandlung). 8.2.3.2 Closing Nun ist es wichtig, den „Sack zuzumachen“, vertriebstechnisch spricht man vom Closing. Hier werden von Kunden oftmals Vorwände eingebracht, die aus Angst um die Endgültigkeit des Abschlusses entstehen und gefährliche Abschlusshindernisse darstellen. Solche Vorwände darf man im Verkauf nicht gelten lassen. Dazu einige Beispiele. Vertrösten: Will der Kunde vertrösten, gilt es, den Abschluss hier und jetzt durchzusetzen. Hier muss man hinterfragen, welche Informationen denn zur Entscheidung aktuell noch fehlen. In jedem Fall muss ein Nachfass erfolgen: • Kunde: „Ich rufe Sie dieser Tage wieder an.“ • Verkäufer: – „Welche Informationen fehlen Ihnen da noch, um sich jetzt zu entscheiden?“ – „Welche Situation hat sich denn bis dahin für Sie so entscheidend geändert, dass Sie warten wollen?“ – „Warum sollte Ihre positive Beurteilung von jetzt in ein paar Tagen anders ausfallen?“ – „Ich bin viel unterwegs, so dass Sie mich vielleicht nicht erreichen. Daher rufe ich Sie übermorgen an. Wann passt es Ihnen besser, …“

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8. Die Verkaufsdurchführung

Zielpreis Verkäufer = 1.000 € Preisuntergrenze Verkäufer = 800 € Verhandlungsspielraum 0 € Preisobergrenze Käufer = 600 € Zielpreis Käufer = 400 €

Zielpreis Verkäufer = 1.000 € Preisobergrenze Käufer = 800 € Verhandlungsspielraum 200 € Preisuntergrenze Verkäufer = 600 € Zielpreis Käufer = 400 €

Abbildung 92: Spielraum in der Preisverhandlung

Entscheidungsflucht: Will der Kunde ausweichen, gilt es, dennoch den Abschluss zu schaffen. Der Verkäufer kann anbieten, gerade wegen des Zeitmangels, Entscheidungshilfen zu liefern, die den Einkäufer entlasten: • Kunde: „Ich habe jetzt keine Zeit, mich damit intensiv zu beschäftigen.“ • Verkäufer: – „Ich bin dafür da, Ihnen zu helfen, die für Sie optimale Entscheidung trotz Ihrer Zeitknappheit zu treffen. Machen Sie davon Gebrauch. Wo kann ich Ihnen Entscheidungshilfen bieten, die Sie noch benötigen?“ Desinteresse: Hat der Kunde kein Interesse am Abschluss, muss man unbedingt hinterfragen, woran das liegt. Hierbei soll ermittelt werden, welche Gründe dafür ausschlaggebend sind, dass ein leistungsfähiges Angebot als nicht interessant qualifiziert wird:

8.2 Verkaufsgesprächsablauf

487

• Kunde: „Ich habe kein Interesse an Ihrem Angebot.“ • Verkäufer: – „Welche Gründe sind dafür ausschlaggebend, dass Sie ein leistungsfähiges Produkt wie dieses nicht interessiert?“ – „Habe ich Sie recht verstanden, dass Sie tatsächlich kein Interesse an einer Lösung haben, die Ihnen einen Kostenvorteil von annähernd 12 % pro Jahr bringt?“ Alternativangebotseinholung: Will der Kunde erst noch Angebote vergleichen, sollte man unbedingt an Ort und Stelle Präferenzen nutzen. Hier kann überlegt werden, ob man den Einkäufer auf Knackpunkte hinweist, auf die es beim Angebotsvergleich ankommt, damit nachher keine schiefen Vergleiche zu eigenem Nachteil gezogen werden: • Kunde: „Sie sind der erste Anbieter, mit dem ich in dieser Sache gesprochen habe. Ich will erst noch andere Angebote prüfen.“ • Verkäufer: „Das ist verständlich, daher biete ich Ihnen an, Sie vorher noch auf einige Knackpunkte hinzuweisen, auf die es bei einem solchen Produkt ankommt, damit Sie anschließend sachgerecht vergleichen können.“ Kein Entscheidungsdruck: Verspürt der Kunde keinen Entscheidungsdruck, kann versucht werden, diesen zu wecken. Dies liegt gerade bei lang laufenden Projekten nahe, wo es auf ein paar Tage nicht anzukommen scheint. Daher soll daran erinnert werden, dass man, je früher man agiert, später desto weniger unter Zeitdruck gerät: • Kunde: „Für eine Entscheidung ist es jetzt noch zu früh.“ • Verkäufer: – „Je früher Sie mit der Anschaffungsplanung beginnen, desto weniger kommen Sie nachher unter Zeitdruck, wenn es eng wird.“ – „Aber bedenken Sie bitte, dass Sie jetzt noch unter mehreren Sondermodellen auswählen können. Später sind diese wahrscheinlich so nicht mehr verfügbar.“ Vorwände: Bei auftretenden Vorwänden gilt es, Lösungen aufzuzeigen. Der Verkäufer kann hier z. B. auf die vorteilhaften Möglichkeiten der Absatzfinanzierung zu sprechen kommen: • Kunde: „Aber ich habe doch gar kein Budget frei.“ • Verkäufer: – „Sind Sie denn am Kauf interessiert, wenn ich Ihnen Wege und Mittel aufzeige, wie Sie das Produkt bequem finanzieren können?“

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8. Die Verkaufsdurchführung

– „Könnte es sein, dass Sie nur deshalb zur Zeit weniger Budgetmittel frei haben, weil Ihre laufenden Kosten zu hoch sind? Da kann Ihnen unser Produkt effizient sparen helfen.“ – „Bei einem Gespräch über eine maßgeschneiderte Finanzierungsmöglichkeit können Sie nur gewinnen, denn Nein sagen können Sie ja immer noch.“ Kompetenzmangel: Der Einkäufer gibt an, allein nicht entscheiden zu können, obgleich dies wohl nicht zutrifft. Hier kann der Verkäufer auf einen gemeinsamen Termin hinwirken, um etwaige Unklarheiten bei dieser Gelegenheit sofort zu klären. Auf keinen Fall sollte man Berührungsängste zeigen: • Kunde: „Ich will das Angebot erst noch mit meinem Controller besprechen.“ • Verkäufer: – „Das ist eine gute Idee. Ich schlage vor, dass wir diesen Termin gemeinsam wahrnehmen, so kann ich Ihnen die bei der Prüfung auftauchenden Fragen gleich beantworten.“ – „Ihr Controller kann Sie nur beraten, die Entscheidung liegt nach wie vor bei Ihnen. Es kommt darauf an, ob Sie von meinem Produkt überzeugt sind, nicht Ihr Controller.“ Eigene Ablehnung: Bei einer Ablehnung sollte der Verkäufer sachlich gegenhalten, denn, was hat er schon zu verlieren? Zunächst soll man erfragen, ob ein anderweitiger Vertrag wirklich schon unterschrieben ist, wenn nein, kann der Einkäufer nur gewinnen, wenn er ein weiteres Angebot zum Vergleich einholt. Wenn ja, kann man immer noch sportlich gratulieren: • Kunde: „Ich habe mich für einen anderen Anbieter entschieden.“ • Verkäufer: – „Darf ich fragen, ob der Vertrag schon unterschrieben ist?“, wenn nein: „Sie können doch nur gewinnen, wenn Sie mein Angebot zum Vergleich hinzuziehen.“, wenn ja: „Herzlichen Glückwunsch und viel Erfolg mit Ihrem neuen Lieferanten. Darf ich fragen, aus welchem Grund Sie sich gegen unser Angebot entschieden haben?“ Ablehnung durch Dritte: Der Einkäufer schiebt vor, es hätten Dritte das Angebot abgelehnt, obgleich er ihm positiv gegenüber eingestellt ist. Dann kann der Verkäufer vorsichtig abfragen, welche bessere Lösung diese Dritten denn vorgeschlagen haben. Gegen diese Lösung kann dann anargumentiert werden: • Kunde: „Mein Controller hat mir abgeraten.“ • Verkäufer: – „Erlauben Sie mir nur aus Interesse die Frage, welche bessere Lösung er denn parat hat, damit Sie mit Ihrem Kostenblock konkurrenzfähig bleiben und die Preise der koreanischen Anbieter kontern können?“

8.3 Einsatz unfairer Gesprächspraktiken

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– „Sind Sie sicher, dass er wirklich alle relevanten Einzelheiten kennt und berücksichtigt hat? Ich helfe da gern weiter, wenn Sie Zweifel daran haben. Das ist doch ganz in Ihrem Sinne.“ Unsicherheit: Der Einkäufer ist unsicher in der Notwendigkeit der Anschaffung. Es kommt nicht darauf an, das wievielte Angebot es ist, sondern es kommt nur darauf an, ob das Angebot passt. Wenn es gleich das erste ist, umso besser: • Kunde: „Es sind doch gar keine signifikanten Kosteneinsparungen mehr möglich.“ • Verkäufer: – „Auf welche Erkenntnisse stützt sich Ihre Ansicht?“ – „Erlauben Sie mir eine Frage: Hat man das beim Kostenniveau von vor drei Jahren nicht auch schon gesagt, und um wie viel liegt Ihr Unternehmen heute darunter?“ Ansonsten soll nach dem Vertragsabschluss der persönliche Kontakt auf jeden Fall aufrecht erhalten werden. Dazu gilt es, Anlässe zu finden, das reicht von der Gratulation zur richtigen Entscheidung über die Wiederholung wichtiger Kaufargumente zur Dissonanzreduktion bis zur Abfrage etwaiger Irritationen, bevor diese kulminieren. Denn unzufriedene Kunden reklamieren nicht notwendigerweise beim Anbieter, sie meiden ihn womöglich einfach zukünftig und werden zudem als negative Multiplikatoren im sozialen Umfeld aktiv. Daher sollen Beschwerdegründe minimiert und Beschwerdeäußerungen stimuliert werden. Auch Querulanten sind zuvorkommend zu behandeln (s. o.).

8.3 Einsatz unfairer Gesprächspraktiken Spätestens seit Zeiten eines Ignazio Lopez ist der Einsatz unfairer Gesprächspraktiken im Einkauf verbreitet. Dabei macht sich die Käuferseite die Tatsache der regelmäßig anzutreffenden Käufermarktsituation zunutze, in welcher Verkäufer mehr Anstrengungen unternehmen müssen, um einen Abnehmer zu finden als der Abnehmer Anstrengungen unternehmen muss, Lieferanten zu finden. Die Versuchung ist groß, dieses Machtgefälle auf Käuferseite zu nutzen, wenngleich dies nicht die feine Art ist. Doch die Geschäftswelt ist der moderne Dschungel und der Überlebenskampf dort existenziell. Bei diesen unfairen Gesprächspraktiken handelt es sich häufig um folgende. Wartenlassen: Wenn der Einkäufer den Verkäufer über Gebühr lang warten lässt, ist es gerechtfertigt, sich nach einiger Zeit in Erinnerung zu bringen, erst recht, wenn es sich um einen angemeldeten Termin handelt. Dann geht der moralische Druck auf den Gesprächspartner über. Zusätzlich kann man zwei neue Terminvorschläge unterbreiten, und notfalls sollte man auch, nach Ablauf eines

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8. Die Verkaufsdurchführung

individuell zumutbaren Zeitlimits, den Mut haben zu gehen. Das zeigt Charakter und schafft wieder Respekt. Zeitdruck ausüben: Setzt der Einkäufer den Verkäufer unter Zeitdruck („Fassen Sie sich bitte kurz, ich habe noch wichtige Termine.“), kann man argumentieren, dass die komplexe Problemlage gerade im Interesse des Käufers eine angemessene Behandlung verdient. Notfalls kann man einen neuen Termin vereinbaren. Hilfreich ist auch die Vereinbarung eines Zeitrahmens vor dem Gespräch, der dann auch eingehalten werden sollte. Hält der Einkäufer sich nicht daran, kann man das durchaus berechtigt hinterfragen. Schweigen: Es gibt Einkäufer, die sich aus Taktik so wenig wie möglich zur Sache äußern. Hier soll der Verkäufer mit offenen Fragen arbeiten, die den Gesprächspartner veranlassen, seine Meinung kund zu tun. Notfalls kann man mit nahe liegenden Annahmen operieren, die der Einkäufer schon zurückweisen wird, wenn sie nicht zutreffen. Auf keinen Fall darf man aber die Zeit mit Monologen vertun, sondern muss den Dialog erreichen, notfalls auch durch leicht provozierende Fragen. Frühere Abwicklungsprobleme: Einkäufer werden auch darauf trainiert, Verkäufer mit früheren Abwicklungsproblemen zu konfrontieren, die meist auch noch dramatisiert sind. Daher ist es unerlässlich, vor dem Termin die Transaktionshistorie gründlich zu studieren. Nur dann kann man erfolgversprechend argumentieren. Meist ist die Sachlage nämlich gar nicht so eindeutig wie unterstellt. Der Verkäufer sollte konkret nachweisen, welche Vorkehrungen getroffen sind, dass derartige Probleme nicht mehr entstehen oder wie Wiedergutmachung geleistet worden ist oder werden kann. Überraschende Gremien: Verkäufer sehen sich nicht selten völlig überraschend und entgegen Absprachen einem Einkaufsgremium gegenüber. In diesem Fall wird die Einkaufsseite zur Erklärung angehalten oder ein neuer Termin vereinbart bzw. das Gremium verkleinert oder aufgelöst. Allein gegen Gremien aufzutreten, ist praktisch chancenlos. Bestechlichkeit: Entgegen gängiger Betriebsvereinbarungen spekulieren Einkäufer dennoch vielfach auf persönliche Vorteile aus einer Transaktion. Hier darf sich der Verkäufer auf keinen Fall in die Hand des Einkäufers begeben und dadurch erpressbar machen. Aufgrund rigider Bestimmungen liegt es auch näher, anzunehmen, dass es sich dabei um eine Falle handelt, in die man keinesfalls tappen darf. Abwesenheit: Wenn der Einkäufer während der Verhandlungen häufiger den Raum verlässt, kann der Verkäufer höflich nachfragen, ob man das Gespräch kurz unterbrechen soll, damit andere „Baustellen“ bereinigt werden können. Jedenfalls ist ein „Brieftauben-Meeting“ unproduktiv und dient damit auch nicht dem Unternehmen. Das gleiche gilt bei wiederholtem Telefonieren während des Gesprächs, hier kann auch das Interesse hinterfragt werden.

8.3 Einsatz unfairer Gesprächspraktiken

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Rabattjäger: Einkäufer fordern immer wieder undifferenziert Rabatte. Es spricht auch nichts gegen die Gewährung geeigneter Preisnachlässe, sofern diesen konkrete Gegenleistungen des Einkäufern gegenüberstehen. Ein Verschleudern von Rabatten macht hingegen nur die Seriosität der Kalkulation unglaubwürdig. Vor allem ist das „Einmal ist keinmal“-Argument keines, da es die Falltür für weitere Rabattforderungen öffnet. Fingierte Wettbewerbsangebote: Einkäufer präsentieren gern auch fingierte, unschlagbar vorteilhafte Wettbewerbsangebote, um den Preis zu drücken. Dabei kommt es auf die tatsächliche Vergleichbarkeit dieser Angebote an, denn meist stellt sich heraus, dass das vermeintlich billigere Angebot eine schlechtere Leistung beinhaltet. Auch sollte man um den konkreten Nachweis des Angebots bitten, um die Vergleichbarkeit nachvollziehen zu können. Probeaufträge: Einkäufer versuchen häufig, von kleinen Auftragsgrößen zu großartig ausgemalten Absatzmengen aufzusteigen, um den damit verbundenen Rabattsatz von Anfang an in Anspruch nehmen zu können. Hier kommt es darauf an, dass sich der Einkäufer für diese Aufträge verbindlich verpflichtet. Dennoch ist sicher zu stellen, dass sich jeder Auftrag für sich rechnet. Ansonsten türmen sich Rabattkumulationen auf, von denen man nicht mehr herunter kommt. Abweichendes Protokoll: Der Einkäufer kann auch eine schriftliche Gesprächsbestätigung mit Inhalten präsentieren, die beim letzten Mal so nicht verabredet worden sind. Zunächst sollte man sich Absender, Datum und Inhalt der Bestätigung zeigen lassen. Wenn dies verweigert wird, kann man darauf hinweisen, dass man ansonsten schlecht Stellung zu deren Inhalt nehmen kann. Auch sollte nach den Ursachen des Missverständnisses gefragt werden, ohne den Einkäufer freilich als Lügner darzustellen. Drohung mit Lieferantenwechsel: Wenn der Einkäufer mit der Beendigung einer bestehenden Geschäftsbeziehung droht, sollte man sachlich nach den Be­ weggründen für eine Auftragsvergabe an die Konkurrenz fragen und die vorgeschobenen Argumente einzeln wegargumentieren. Dabei muss mit der Sicherheit einer bestehenden Geschäftsbeziehung argumentiert werden. Hilfreich ist, zu erkunden, um welchen Konkurrenten es sich konkret handelt. Außerdem kommt es auf den Kundenstatus an, denn nicht jeder Kunde muss um jeden Preis gehalten werden. Nein-Sager: Wenn der Einkäufer sich als notorischer Nein-Sager darstellt, gilt es, ihm die konkreten Nutzen des Angebots für sein Unternehmen aufzuzeigen, derer er sich begibt, wenn er dieses Angebot nicht annimmt. Allerdings können sich hinter dem Nein auch Einwände verbergen, die einen Abschluss blockieren und daher zunächst hinterfragt und wegargumentiert werden müssen. Parallele Verhandlungen: Einkäufer laden häufig mehrere / ​alle Mitbewerber zeitgleich zu Vertragsverhandlungen ein. Für den einzelnen Verkäufer ändert sich dadurch nichts an seiner Verhandlungssituation, denn dem Konkurrenzvergleich

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8. Die Verkaufsdurchführung

muss er sich ohnehin stellen, ob hier und jetzt oder später und woanders. Daher darf man sich dadurch nicht nervös machen lassen und keine übereilten Zusagen machen, die man später nicht mehr zurückziehen kann. Feilschen: Einkäufer versuchen häufig, immer wieder neue Zugeständnisse herauszuholen, um den Preis zu drücken. Der Verkäufer muss daher klar machen, dass das Gespräch nicht nach beliebigem Feilschen abläuft, sondern strikt leistungsgebundene und daher faire Konditionen sachlich begründet vereinbart werden. Wenn der Einkäufer Fakten schafft, die Rabatte begründen, ist es eine Freude, diese zu offerieren. Notorisches Misstrauen: Wenn der Einkäufer ein notorisches Misstrauen gegenüber dem Verkäufer, seinen Produkten oder seinem Unternehmen an den Tag legt, sollte man ihn auffordern, konkret die Gründe dafür zu nennen. Diese sind dann zumeist im Einzelfall leicht wegzuargumentieren. Kompetenzanzweiflung: Schwierig ist auch, wenn der Einkäufer pauschal die Kompetenz des Verkäufers anzweifelt. Hier ist die Frage, ob Rangadäquanz zwischen Einkaufs- und Verkaufsseite gegeben ist oder nicht. Wenn ja, gibt es keinen ernsthaften Grund zur Kompetenzanzweiflung, wenn nein, sollte das Gespräch mit rangadäquaten Partnern, wenn so gewünscht, neu terminiert werden. Schmeicheln: Hier wird das Gegenteil versucht, der Einkäufer schmeichelt Verkäufern ob ihres Verhandlungsgeschicks oder ihrer Sachkundigkeit. Dabei handelt es sich im Regelfall um „vergiftete“ Komplimente, die dazu führen sollen, dass man von seiner Verhandlungslinie abweicht. Daher an dieser Stelle freundlich bedanken und zur Tagesordnung zurückkehren. Vertagen: Hierbei werden Verhandlungen unterbrochen, wobei zugleich die Fortsetzung zu einem späteren Zeitpunkt in Aussicht gestellt wird. Absicht ist es, Verkäufer zu übereilten Zugeständnissen zu bewegen. Stattdessen sollte man darauf drängen, bereits kassierte Punkte als Verhandlungsstand festzuschreiben bzw. Zugeständnisse für eine spätere Fortsetzung einzufordern.

8.4 Verbale Kommunikationselemente Die Kommunikationselemente werden meist in vier Bereiche eingeteilt: • Paralanguage, also Stimmlage, Lautstärke, Pausen etc., diese werden als verbal bezeichnet, • Kinesics, also Gestik, Augenkontakt, Kopfhaltung, Lächeln etc., sowie Physics, also Erscheinung, Kosmetik, Kleidung etc., diese werden als non-verbal persönlich bezeichnet, • Proxemics, also Distanz, relative Position, Berührung etc., diese werden als non-verbal situativ bezeichnet (siehe Abbildung 93: Kommunikationselemente).

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8.4 Verbale Kommunikationselemente

Stimmklang Stimmlage Dialekt verbale Elemente Modulation Gestik/Kopfhaltung

Lautstärke

Mimik non-verbale Elemente

Sprechtempo

Kleidung Soziale Distanzen

Ausstattungen

Raummodalitäten Situative Elemente Zeitablauf Vor-/Nachbereitung

Abbildung 93: Kommunikationselemente

Zunächst zu den verbalen Kommunikationselementen, also Stimmklang, Stimmlage, Dialekt, Modulation, Lautstärke und Sprechtempo. Der Stimmklang ist eine Variable, die für Menschen nur schwer beeinflussbar ist, da sie mit Veranlagung und Sozialisation zu tun hat. Dennoch ist es möglich, hier zumindest ansatzweise gestaltend Einfluss zu nehmen. Allgemein wird eine sonore, eher tiefe Stimmlage als eindrucksvoller und seriöser empfunden als eine schrille, eher hohe Stimmlage. Dies benachteiligt implizit häufig Frauen, obwohl sie generell die deutlich besseren Kommunikatoren sind. Männer mit eher hoher Stimmlage sind ebenso meist im Nachteil. Man kann die Stimmlage in Maßen beeinflussen, wenn man sich zwingt, eher am unteren Ende des individuellen Stimmspektrums zu sprechen. Zum Stimmklang gehört auch der Dialekt. Allgemein wird ein leichter, nicht penetranter Dialekt durchaus als angenehm empfunden. Abhängig von der Kommunikationssituation ist auch hier eine Variation sinnvoll. So kann ein Dialekteinschlag bei Kunden mit Dialekt durchaus vertrauenserweckend wirken, bei einem Vortrag vor einem Einkaufsgremium aber ist sicherlich akzentfreies Hochdeutsch von Vorteil.

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8. Die Verkaufsdurchführung

Eine weitere Variable ist die Modulation der Stimme. Die Artikulation kann eher hart und prononciert erfolgen oder eher weich und dezent. Frauen verstehen es meist besser, ihre Stimme nachgiebig und einfühlsam zu variieren. Das kann vor allem verhärtete Verhandlungssituationen entkrampfen. Allerdings wird durch diese Modulation gelegentlich die Nachdrücklichkeit eines Vortrags vom Gegenüber unterschätzt. Eine harte und prononcierte Artikulation macht diese hingegen deutlich, verschärft aber eine ohnehin angespannte Gesprächssituation noch weiter. Die Lautstärke ist ein offensichtliches Gestaltungselement, das allerdings meist unzweckmäßig eingesetzt wird. So ist eine deutliche Anhebung der Lautstärke im Zuge einer Auseinandersetzung ausgesprochen dysfunktional, signalisiert sie dem Gegenüber doch die erhebliche emotionale Aufladung des Sprechers. Dies kann er geschickt nutzen, indem er heikle Details anspricht und darauf hofft, dass der Sprecher sich im Zuge seiner Erregung zu unvorsichtigen Äußerungen hinreißen lässt. Daher ist es unerlässlich, die Lautstärke zu beherrschen. Grundsätzlich ist die gewählte Lautstärke von den situativen Umständen abhängig, z. B. von der Raumgröße, der Anzahl der Zuhörer oder den akustischen Bedingungen. Im normalen Gespräch hat sich eine etwas größere als die als normal empfundene Lautstärke bewährt. Dies sichert dem Sprecher die Aufmerksamkeit des Gegenüber, sorgt für bessere phonetische Verständlichkeit und gibt der ge­äußerten Stellungnahme ein höheres Gewicht. Unbewusst wirkt der mit etwas lauterer Stimme Vortragende zugleich überzeugender. In Bezug auf das Sprechtempo sind zwei entgegen gesetzte Meinungen verbreitet. Anhänger einer eher langsamen, getragenen Vortragsweise verweisen darauf, dass es damit für den Gegenüber möglich ist, komplexe Argumentationen besser begreifbar und nachvollziehbar zu machen. Die einzelnen Sätze und ihre Fakten erhalten dadurch mehr Gewicht, können sich dem / ​der Zuhörer / ​in besser einprägen und überfordern dadurch nicht seine / ​ihre Aufnahmefähigkeit. Allerdings wirkt eine langsame Sprechgeschwindigkeit auch leicht eintönig und einschläfernd. Dies behindert aber gerade die Absicht der besseren Verständlichkeit und Inszenierung. Die Anhänger einer eher forcierten, dynamischen Sprechgeschwindigkeit verweisen demgegenüber darauf, dass es auf diese Weise möglich ist, Zuhörer für einen Vortrag einzunehmen und ihre Aufmerksamkeit zu fesseln. Auf den ersten Anhieb nicht verständliche Fakten oder Zusammenhänge erklären sich im Regelfall durch die unvermeidliche Redundanz der Sprachinhalte von selbst, so dass dadurch die gleiche Transportleistung erreicht, einem Absinken der Aufmerksamkeit aber entgegengewirkt wird. Wie immer, kommt es sicherlich darauf an, über welche Sachverhalte und vor welchem Auditorium man spricht. Grundsätzlich ist eine eher forcierte, dynamische Sprechgeschwindigkeit jedoch zu bevorzugen. Keinesfalls darf dabei aber der Eindruck des Gehetztseins entstehen. Außerdem muss unbedingt sichergestellt bleiben, dass die Gedanken immer noch schneller sind als das gesprochene Wort.

8.5 Non-verbale Kommunikationselemente

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Am besten ist eine Variation der Sprechgeschwindigkeit, um die Vorteile beider Meinungen zu nutzen. Eine eher langsame Ausdrucksweise ist etwa sinnvoll, wenn den Ausführungen besonders hohes Gewicht beigemessen werden soll sowie generell dann, wenn der Gegenüber Anzeichen kognitiver Überforderung zeigt. Eine eher forcierte Ausdrucksweise ist angezeigt, wenn es um die Darstellung von Routineinhalten geht, wenn Inhalte und Zusammenhänge wiederholt und zusammengefasst werden sowie generell dann, wenn der Gegenüber Zeichen von Ablenkung zeigt.

8.5 Non-verbale Kommunikationselemente Tatsächlich sind im Verkaufsgespräch die non-verbalen Gesprächselemente wesentlich bedeutsamer als die verbalen. Dabei kann nach persönlichen und situativen Elementen unterschieden werden. Zu den persönlichen Elementen gehören vor allem Gestik / ​Kopfhaltung, Mimik, Kleidung und Ausstattungen (8.5.1), zu den situativen Elementen Soziale Distanzen, Raummodalitäten, Zeitablauf und Vor-/Nachbereitung (8.5.2).

8.5.1 Persönliche Elemente Die Gestik umfasst alle Signale der Körperhaltung, vor allem der Extremitäten, des Rumpfes und des Kopfes, nicht hingegen den Gesichtsausdruck. Aus der Gestik sind bei entsprechender Sensibilisierung unmittelbar bestimmte Gemütszustände und Denkhaltungen ablesbar. Anders als beim gesprochenen Wort, bei dem Lügen bei einiger Übung ausgesprochen leichtfällt, erfordert das „Lügen“ in der Gestik, also die Suggestion eines anderen Gemütszustands und einer anderen Denkhaltung als den tatsächlich gegebenen, intensives Training. Wenn man weiß, dass bestimmte Gestiken zumindest in der abendländischen, mitteleuropäischen Kultur von anderen Personen in bestimmter Weise interpretiert werden, kann man sich diese Körpercodes zunutze machen. Bekannte Gesten und deren Interpretation sind folgende: • Häufiges Abnehmen der Brille: Nervosität, • Arme vor der Brust verschränkt: Schutzhaltung, man ist nicht bereit, sich der Idee, der Einstellung oder dem Gesagten des Gesprächspartners zu öffnen, • schnelles, gepresstes Ausatmen: innere Erregung, • Begrüßung mit weit ausgestrecktem Arm: Distanz, Ablehnung, • Beine beim Sitzen parallel gestellt oder fest aneinander gedrückt: innere Anspannung, Verkrampfung, Angst,

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8. Die Verkaufsdurchführung

• Beine um die Stuhlbeine geschlungen: innere Anspannung, Angst, • Beine beim Sitzen breit auseinander: selbstbewusst, unbekümmert, • Finger zeigt auf die andere Person: Schuldzuweisung, Angriff, • mit den Fingern trommeln: Ungeduld, Nervosität, • auf den Fußspitzen stehen: Arroganz, Person möchte größer erscheinen als sie ist, • sich mit der Hand in das Haar fahren: innere Anspannung, Eitelkeit, • Hand beim Sitzen unter die Oberschenkel geschoben: Unsicherheit, Angst, • Hand umklammert die Armlehne des Stuhls: verkrampfte Haltung, Angst, • Hand vor dem Mund gehalten (beim Sprechen): Worte sollen zurück gehalten werden oder die Wahrheit soll nicht ausgesprochen werden, • Hand vor dem Mund gehalten (nach dem Sprechen): das Gesagte soll zurück genommen werden, • Hand zur Faust geballt: Wut, Anspannung, Verdeutlichung des eigenen Standpunkts, • Hände am Jackenrevers: Halt suchend, Unsicherheit, • Hände in den Taschen: locker, unangebrachte Lässigkeit, • Hände leicht angehoben: Unterbrechungsgeste, • Hände reiben: selbstzufrieden, selbstgefällig, • weicher, kraftloser Händedruck: Desinteresse, mangelnder Tatendrang, Unsicher­ heit, • Kopf vom Gesprächspartner weggedreht: Desinteresse, um in Ruhe überlegen zu können, • Oberkörper zurückgelehnt: Entspannung, Desinteresse, • Schultern hochgezogen mit dem Zeigen leerer Hände: Ratlosigkeit und Demonstration der eigenen Machtlosigkeit, • Sitzhaltung auf der Stuhlkante: Unsicherheit, Angst, jederzeit zur Flucht bereit, • Sitzhaltung genüsslich zurückgelehnt: Selbstsicherheit bis Arroganz, • erhobener Zeigefinger: Belehrung, Rechthaberei. Die Mimik umfasst alle Signale des Gesichtsausdrucks, vor allem die Stellung der Augen / ​Pupillen, der Stirnfalten und des Mundes. Diesen Signalen kommt deshalb besondere Bedeutung zu, weil das Gesicht im Gespräch als Fixationspunkt gilt. Den Gegenüber anzusehen, jedoch nicht anzustarren, ist ein Gebot der Höf-

8.5 Non-verbale Kommunikationselemente

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lichkeit. Auch hier werden in der abendländischen, mitteleuropäischen Kultur mimische Ausdrucksweisen in übereinstimmender Weise interpretiert. Bekannte Mimiken und deren Interpretation sind etwa folgende: • Augen weit offen: besondere Aufmerksamkeit, Aufnahmebereitschaft, Sympathie, • Augen zugekniffen: Abwehrhaltung, • Augenkontakt wird vermieden, Person schaut an die Wand, aus dem Fenster: Desinteresse, Ende des Gesprächs, • Blick in Richtung Boden: Niedergeschlagenheit, Mutlosigkeit, evtl. auch Nachdenken, • Blick in Richtung Decke: Nachdenken, Überdenken, • Blick wandert über die Person: Ab- und Einschätzung des anderen, • häufiger Blickkontakt: Sympathie, • Blickkontakt mit erweiterten Pupillen: Freude, • Blickkontakt mit starrem Blick: feindselige Haltung, • Stirn hochgezogen mit Faltenbildung / ​Stirnrunzeln: Anspannung, • Mund zusammengepresst: Anspannung, Reserviertheit, Verbohrtheit, • die Augenbrauen heben: Überraschung, Aufmerksamkeit, • die Mundwinkel senken: Ablehnung, • die Lippen zusammenpressen: Stress, Entschlossenheit, • an den Lippen kauen: Zweifel, Unsicherheit.

Damit ist die Mimik nicht nur ein probates Mittel der Signalaussendung an andere, sondern vor allem ein hilfreicher Sensor für den Signalempfang von anderen. Da diese anderen sich ihrer Mimik selten bewusst sind, erhält man auf diese Weise gedanklich und sprachlich anderweitig unverzerrte Hinweise von erheblichem Wert. Daher ist es unerlässlich, den Gegenüber in regelmäßigen Abständen anzuschauen und seine Mimik beiläufig zu decodieren. Entsprechend kann die eigene Kommunikation feinjustiert werden. Von großer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch die Kleidung, denn Kleider machen Leute. Die Wahl der Kleidung signalisiert, allein schon, weil sie nicht zu übersehen ist, viel über die damit bekleidete Person. Variable der Kleiderwahl sind vor allem die Farbe, die Musterung, der Schnitt sowie die Zusammenstellung und Angemessenheit der Kleidungsstücke. Grundsätzlich gilt, für Frauen mehr noch als für Männer, dass modische Kleidung vorteilhaft ist, wobei

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8. Die Verkaufsdurchführung

diese immer dem jeweiligen Anlass angemessen sein muss und nicht übertrieben werden darf. Mit altmodischer, unpassender oder unangemessener Kleidung setzt man sich den kritischen Einschätzungen Anderer aus, was einen entscheidenden Verhandlungsnachteil bedeuten kann. Wichtig ist, dass man sich in seiner Kleidung wohl fühlt, also nicht zu eng, nicht zu weit, nicht dem eigenen Geschmack entsprechend etc. Ein wesentliches Element des Erscheinungsbilds sind auch Ausstattungen, mit denen Menschen sich umgeben, wie z. B. Brillengestell, Armbanduhr, Schmuck, Schreibgerät, Tasche. Diese sagen unweigerlich viel über die Person, die sich dieser Ausstattungen bedient, aus. Daher gehört zur bewussten Gestaltung des Erscheinungsbilds gerade auch die Wahl dieser Ausstattungen. Dabei kommt es weniger auf die Gebrauchseignung an, diese ist in der weit überwiegenden Zahl der Fälle ohnehin gegeben, sondern vielmehr auf die Signalwirkung, die von diesen Accessoires ausgeht. Dies sind in aller Regel die Marke als Branding, das Design in Reduktion und das Material durch Hochwertigkeit. Dabei gelten bestimmte Ausstattungen als professionell, so dass ein Verkäufer, der prima vista als professionell angesehen werden will, um deren Verwendung kaum umhin kommt. Sie sind bereits in einem einfachen Beratungsgespräch ohne Weiteres signalsetzend und auch nicht zu verbergen. Daher sind sie mit Bedacht zu wählen.

8.5.2 Situative Elemente Zu den situativen Kommunikationselementen gehören vor allem Soziale Distanzen, Raummodalitäten, Zeitablauf und Vor- und Nachbereitung. Soziale Distanzen zwischen Gesprächspartnern sind enorm bedeutsam zur Sicherung des eigenen, imaginären „Reviers“. Dieses Revier ist keulenförmig um den Körper herum nach vorn gerichtet, zu unterscheiden sind dabei die Intimdistanz (ca. 70 cm Abstand), die (persönliche) Gesprächsdistanz (120 cm), die (gesellschaftliche) Wahrnehmungsdistanz (220 cm) und die öffentliche Distanz (400 cm). Werden diese Normen verletzt, etwa indem ein Verkäufer die gesellschaftliche Distanz unterschreitet, fühlen wir uns unwohl, weil unterbewusst angegriffen, z. B. das beklemmende Gefühl in einem engen Aufzug. Dabei können Reviere nicht nur durch Personen, sondern auch durch Gegenstände verletzt werden. So bedeutet die an sich unbedachte Platzierung einer Aktentasche auf dem Schreibtisch des Gegenübers nicht mehr und nicht weniger als ein Eindringen in dessen Revier, das dieser intuitiv missbilligt, ohne es zu sagen. Weiterhin sind vor allem die Raummodalitäten der Lage, der Größe und der Einrichtung von Bedeutung. Sowohl bei der Wahl des eigenen Geschäftssitzes als auch bei Außengesprächen mit Interessenten und Kunden ist die Wahl des Standorts vielsagend. Aus einer Geschäftslage im Industriegebiet kann beinahe mühelos auf Unternehmenswerte wie Effizienz, Kostenbewusstsein, Rationalität etc.

8.5 Non-verbale Kommunikationselemente

499

geschlossen werden, ebenso aus einer Geschäftslage in einem Villenviertel auf Status, Lebensstil oder Preisbereitschaft. Innerhalb der Lage ist die Raumgröße ein wichtiger Indikator. Auch hier ist es nicht zufällig, dass wichtigere Personen über großzügigere Raumverhältnisse disponieren als andere. In hierarchisch strukturierten Unternehmen geht das bis in für Außenstehende verwunderlich erscheinende Dimensionen wie Stockwerk, möglichst in einer oberen Etage, Raumanordnung, möglichst in Ecklage, Fensterzahl, möglichst hoch, benachbarte Büros, möglichst für Stabsstellen etc. Daraus kann mit ziemlicher Sicherheit auf die Position / ​organisationale Bedeutung des Gesprächspartners geschlossen werden. Als dritte wichtige Einflussgröße ist die Einrichtung des Raums zu nennen. Sie sagt unweigerlich etwas über die Werthaltung der Organisation und / ​oder der Person innerhalb dieser Organisation aus. Dies gilt sowohl für übertrieben gediegene als auch funktionalistisch reduzierte Einrichtungen. Das Bewusstsein über die Wirkung solcher, zudem manifester Signale ist sehr bedeutsam. Der persönliche Verkauf bedarf im Zeitablauf normalerweise einer Vorlaufund Nachlaufphase, denn neben den reinen Fakten (Sachinhaltsebene / ​was) geht es immer auch um die Atmosphäre des Gesprächs (Beziehungsebenen / ​wie). Dies bedarf, auch bei ausschließlich professionellem Gesprächsinhalt, einer gewissen Zeitspanne. Problematisch ist dabei, dass die Zeitmodalität beim Gesprächspartner eine andere sein kann als beim Verkäufer. Daher empfiehlt es sich, zu Gesprächsbeginn das Zeitbudget des Gegenübers abzufragen oder die eigene Zeitplanung mitzuteilen und nachzuhören, ob diese akzeptabel ist. Je enger der Zeitrahmen, desto eher ist die Atmosphärik gefährdet. Denn konstruktive Kommunikation bedarf auch kleiner Episoden zum Entspannen zwischen den reinen Sachinhalten, um die „Chemie“ zwischen den Gesprächspartnern herzustellen und auszubauen. Unabhängig vom Zeitbudget sollte man alles vermeiden, was nach Gehetztheit aussieht. Dazu gehören nervöses Hantieren mit Utensilien, Hektik beim Suchen nach Unterlagen, der mehrfache Blick auf die Uhr, eine sprunghafte Haltung, überschnelles Sprechen etc. Der Gesprächspartner glaubt subjektiv ein Recht darauf zu haben, für sein Anliegen die Zeitspanne zur Verfügung gestellt zu erhalten, die aus seiner Sicht dafür erforderlich ist. Die Effizienz von Gesprächen ist zudem durch eine kurze Vorbereitung enorm steigerbar, denn die Zeit, die man in diese Vorbereitung investiert, holt man durch bessere Gesprächsergebnisse mehrfach wieder heraus. Vor allem ist davor zu warnen, Termine aus falsch verstandenem Streben nach Effizienz zu eng zu takten. Passiert dann etwas Unvorhergesehenes, purzeln Folgetermine der Reihe nach im Dominoeffekt. Besser ist es, Zeitpuffer einzubauen, auch um Berichte, Aktualisierungen etc. vorzunehmen.

500

8. Die Verkaufsdurchführung

verdeckte Transaktion

überkreuzte Transaktion

parallele Transaktion

8.6 Käufer-Verkäufer-Interaktion Eltern-Ich

Eltern-Ich

Erwachsenen-Ich

Erwachsenen-Ich

Kindheits-Ich

Kindheits-Ich

Eltern-Ich

Eltern-Ich

Erwachsenen-Ich

Erwachsenen-Ich

Kindheits-Ich

Kindheits-Ich

Eltern-Ich

Eltern-Ich

Erwachsenen-Ich

Erwachsenen-Ich

Kindheits-Ich

Kindheits-Ich

Abbildung 94: Prinzip der Transaktionsanalyse

Es gibt vielfältige Ansätze zur Charakterisierung der Käufer-Verkäufer-Interaktion. Zu den wichtigsten von ihnen gehören die Erkenntnisse der Transaktionsanalyse (8.6.1) sowie die Kategorisierung in Käufertypen (8.6.2) einerseits und Verkäufertypen (8.6.3) andererseits. Diese geben zumindest erste Anhaltspunkte, um sich auf den Gegenüber einstellen zu können, wenngleich es sich hierbei eindeutig um Stereotype handelt (siehe Abbildung 94: Prinzip der Transaktionsanalyse).

8.6.1 Transaktionsanalyse Die Transaktionsanalyse beschäftigt sich mit dem Denken, Fühlen und den Äußerungen von Personen in der Kommunikation zwischen Sender und Empfänger und ist damit im Verkauf hilfreich. Dafür gibt es verschiedene Unteransätze. Die Strukturanalyse unterstellt drei Kategorien von Ich-Zuständen. Es gibt Ich- Zustände, die dem Ich-Zustand einer elternähnlichen, elternhaft handelnden Person entsprechen und Unterstützung oder Strukturierung bieten. Dies ist das ­Eltern-Ich (EL). Es enthält alle gespeicherten, unüberprüft übernommenen Normen, Ge- und Verbote, Prinzipien und Maximen sowie die damit zusammen hängenden Erfahrungen. Der Eltern-Ich-Zustand entspricht also in den Verhaltensweisen den Einstellungen und der Art, auf Andere zuzugehen, wie wir es als Kind

8.6 Käufer-Verkäufer-Interaktion 

501

bei den elterlichen Vorbildern erlebt und von ihnen übernommen haben, etwa strafend oder belehrend. Das Eltern-Ich unterteilt sich weitergehend in ein kritisches und ein fürsorgliches. Das kritische Eltern-Ich ist ständig kritisierend, unterdrückend, autoritär und intolerant eingestellt. Es sucht Fehler bei anderen und lehnt Änderungen ab. Das fürsorgliche Eltern-Ich ist positiv, ausgleichend, motivierend und mitfühlend eingestellt. Es zeigt Verständnis und Geduld und spricht Lob aus. Kritisches Eltern-Ich: Verkäufer an Kunde: „Warum sollen die Eintauschpreise für Gebrauchtwagen nicht realistisch sein?“ Fürsorgliches Eltern-Ich: Verkäufer an Kunde: „Nein, nein, da brauchen Sie sich keine Gedanken darüber zu machen. Ich werde dafür sorgen, dass das bei Ihrem Auto berücksichtigt wird.“ Dann gibt es Ich-Zustände, in denen sich das Individuum mit der Realität seiner Umwelt objektiv auseinandersetzt, bedacht und sachlich überlegt entscheidet. Dies ist das Erwachsenen-Ich (ER). Es dient der Realitätsüberprüfung, der Wahrscheinlichkeitsabschätzung und der objektivierten Informationssammlung. Der Erwachsenen-Ich-Zustand entspricht also dem Erleben der Diskrepanz zwischen den Aussagen der Eltern und den eigenen Gegebenheiten der Wirklichkeit. Dies ist eine eher objektive Sichtweise, sachlich und rational. Das Erwachsenen-Ich ist positiv, entscheidungsfreudig, sachlich und realitätsbezogen eingestellt. Es sammelt Informationen für situationsadäquate, konstruktive Lösungen. Das Handeln ist selbstständig und schätzt Wahrscheinlichkeiten kühl ein. Kunde an Verkäufer: „Das möchte ich mir noch genau überlegen, aber wahrscheinlich ist das tatsächlich ein gutes Angebot. Wie viel kostet diese Sonderausstattung denn?“ Und schließlich gibt es Ich-Zustände, die regressiv sind und Gemeinsamkeiten mit dem Verhalten von Kindern verschiedener Altersstufen aufweisen. Dies ist das Kindheits-Ich (KI). Es enthält alle Impulse, die während der Kindheit angelegt worden sind, ist natürlich, entweder intuitiv angepasst oder rebellisch ausgelegt. Der Kindheits-Ich-Zustand verkörpert also diejenige Gefühlslage, in der sich all das manifestiert, was uns an Spontaneität und Stimmung mitgegeben ist, wir fühlen uns wie einst als Kinder, unkontrolliert, unüberlegt, verspielt oder wütend. Das Kindheits-Ich unterteilt sich weitergehend in ein rebellisches, ein natürliches und ein fügsames. Das rebellische Kindheits-Ich denkt positiv-negativ, zeigt infantilen Trotz, Auflehnung und Verweigerung, ist aber auch unvoreingenommen kreativ. Das natürliche Kindheits-Ich ist fantasievoll, impulsiv, freudig oder traurig. Es missachtet Tabuschwellen und denkt und fühlt in Konkurrenzschemata. Das fügsame Kindheits-Ich ist unauffällig, hilflos und nachgiebig ausgelegt. Es passt sich den von der Umwelt geforderten Normen widerspruchslos an und bemitleidet sich deshalb. Rebellisches Kindheits-Ich: Kunde an Verkäufer: „Natürlich nehme ich das beste Soundsystem, das Sie haben. Kann ich sowieso alles von der Steuer absetzen.“

502

8. Die Verkaufsdurchführung

Natürliches Kindheits-Ich: Kunde an Verkäufer: „Cool mit dem neuen Auto, jetzt bin ich endlich so schnell wie Hamilton.“ Fügsames Kindheits-Ich: Kunde an Verkäufer: „Könnten Sie mir bitte noch einmal erklären, was ein Mild hybrid-Fahrzeug ist? Ich habe das nicht verstanden.“ Jeder dieser Ich-Zustände bildet eine geschlossene Einheit. Sie differenzieren sich durch Mimik, Gestik, Artikulation, Vokabular etc. Dabei besteht die Möglichkeit, in Transaktionen aus den verschiedenen Ich-Zuständen heraus mit einer anderen Person in kommunikative Beziehung zu treten. Diese andere Person wiederum kann aus den verschiedenen Ich-Zuständen heraus reagieren. Dabei unterscheidet man im Wesentlichen drei Transaktionstypen. Bei Komplementärtransaktionen laufen Stimulus als Reiz und Response als Reaktion parallel zwischen den Ich-Zuständen ab. Diese Art der Interaktion ist problemlos, allerdings relativ selten gegeben (= 1. Kommunikationsregel). Dazu je zwei Beispiele: • Kunde an Verkäufer: „Ist dieser Fernseher denn auch HDTV-fähig?“ (ER an ER) Verkäufer an Kunde: „Ja, das Gerät ist für den Empfang hoch auflösender Fernsehsignale bereits vorbereitet.“ (ER an ER) • Kunde an Verkäufer: „Wir verfolgen die Gesprächsbeiträge der Kollegen und rufen dann Bullshit Bingo.“ (KI an KI) Verkäufer an Kunde: „Oh ja, das wird bestimmt spaßig und lockert die Atmosphäre auf.“ (KI an KI) • Kunde an Verkäufer: „Warum dauert die Abwicklung meines Auftrags solange. Ich bin als Kunde wohl nicht mehr interessant für Sie?“ (EL an KI) Verkäufer an Kunde: „Es tut mir wirklich leid, ich habe Sie schlicht vergessen. Ich werde das schnellstmöglich wieder in Ordnung bringen.“ (KI an EL) • Verkäufer an Kunde: „Ich bin noch ganz geschafft von der Präsentation vor Ihrem Gremium.“ (KI an EL) Kunde an Verkäufer: „Aber wieso denn, es ist doch alles prima gelaufen.“ (EL an KI) Bei Überkreuztransaktionen verläuft der Stimulus auf einer anderen Ebene als die Reaktion, die Reaktion erfolgt also nicht aus dem vom Absender intendierten Ich-Zustand heraus, sondern aus einem anderen. Dies resultiert in gefährlichen Kommunikationsstörungen, wenn nicht sogar in Zusammenbruch der Kommunikation (= 2. Kommunikationsregel). Dazu zwei Beispiele: • Kunde an Verkäufer: „Ich brauche dieses Angebot bis spätestens heute 16.00 Uhr. Können Sie das für mich vorbereiten?“ (ER an ER) Verkäufer an Kunde: „Sie können wirklich von Glück sagen, dass ich mich immer so für Sie einsetze.“ (KI an EL)

8.6 Käufer-Verkäufer-Interaktion 

503

• Kunde an Verkäufer: „Das Angebot ist immer noch nicht bei mir eingegangen. Allmählich pressiert es.“ (ER an KI) Verkäufer an Kunde: „Nun hetzen Sie mich bitte nicht so, unter Zeitdruck wird die Qualität bestimmt nicht besser.“ (EL an KI) Verdeckte Transaktionen dienen dazu, latente Konflikte auf einer anderen Ebene auszutragen und derart zu gewinnen, dass der Transaktionspartner verletzt wird. Es sind also immer zwei Ich-Zustände zugleich betroffen. Die Transaktionen, die auf der verdeckten Beziehungsebene ablaufen, sind zentral für den Ausgang der Interaktion. Dazu gehören vor allem psychologische Spiele, deren Gewinn (auch Pay-off) ist, dass der andere sich schlecht fühlt. Ein Ausweg besteht in der Vermeidung oder der Unterbrechung solcher Spiele. Verdeckte Transaktionen finden immer auf zwei Ebenen statt, einer offensichtlichen und einer verdeckten. Dazu zwei Beispiele: • Verkäufer an Kunde: „Das ist wirklich ein sportliches Modell. Aber vielleicht wollen Sie ja gar nicht so einen rassigen Wagen?“ (offiziell ER an ER, aber latent ER an KI) Kunde an Verkäufer entweder: „Ja, wo kann man heute denn schon noch schnell fahren?“ (ER an ER) oder: „Doch, doch, das ist schon genau der Richtige für mich.“ (KI an ER) • Verkäufer an Kunde: „In welcher Position haben Sie denn wohl die Projektreserve versteckt?“ (offiziell ER an ER, latent ER an KI) Kunde an Verkäufer entweder: „Die Zeiten von geheimen Reserven sind schon lange vorbei.“ (ER an ER) oder: „Da bin ich gespannt, wo das Versteck sein soll.“ (KI an ER). Wichtig ist daher, auf parallele Transaktionen zu achten bzw. verdeckte Transaktionen zu vermeiden oder zumindest bewusst einzusetzen. Dazu wiederum drei Beispiele: • EL an KI: Kunde an Verkäufer: „Sie haben wieder vergessen, das Büromaterial rechtzeitig zu liefern.“ Verkäufer an Kunde: Alternative EL an EL: „Sie haben doch wohl auch schon mal das eine oder andere vergessen, oder etwa nicht?“ Alternative ER an EL: „Ich warte noch auf das Fotokopierpapier im Sonderangebot, sobald das verfügbar ist, geht die Lieferung sofort an Sie raus.“ Alternative KI an EL: „Entschuldigung, eine Verspätung kommt gewiss nicht wieder vor.“ • ER an ER: Kunde an Verkäufer: „Denken Sie übrigens daran, wieder das gestrichene Fotokopierpapier zu liefern.“

504

8. Die Verkaufsdurchführung

Verkäufer an Kunde: Alternative: EL an ER: „Sie tun geradeso, als ob ich das dauernd vergessen würde, dabei ist das gar nicht der Fall.“ Alternative ER an ER: „Natürlich, denn die Druckqualität darauf ist ja wesentlich besser, da fällt der geringe Mehrpreis überhaupt nicht ins Gewicht.“ Alternative KI an ER: „Ich verspreche, dass ich ganz bestimmt daran denken werde, nur gestrichenes Papier zu liefern.“ • KI an EL: Kunde an Verkäufer: „Würden Sie mir als gutem Kunden den Gefallen tun und meine Büromateriallieferung vorziehen?“ Verkäufer an Kunde: Alternative EL an KI: „Das ist doch selbstverständlich, Sie brauchen mich durchaus nicht zusätzlich zu drängen.“ Alternative ER an KI: „Natürlich, Sie sagten ja, dass Ihr Vorrat zur Neige geht und ohne Büromaterial werden die Kollegen ganz schön sauer sein.“ Alternative KI an KI: „Vielen Dank für Ihren Hinweis, ich verpflichte mich, die Bestellung sofort zu bearbeiten und freue mich, Sie als guten Kunden zufrieden stellen zu können.“ Die Reaktionen hängen weiterhin auch vom Lebenskonzept ab. Dies sind die Lebensanschauungen oder Grundpositionen zu uns selbst und zu unserer Umwelt. Die eine Grundeinstellung ist problemfrei in der Kommunikation, bei den anderen sind Konflikte unvermeidlich: • nicht O. K.: Wer so denkt, steht unter dem bedrückenden Gefühl von Hilflosigkeit, Unfähigkeit, Unbeholfenheit und Versagertum. • O. K.: Diese Personen halten Menschen im Allgemeinen für klug, erfolgreich, korrekt, tüchtig und selbstsicher. Aus diesen Grundeinstellungen ergeben sich vier Kombinationen zwischen Sender und Empfänger: • Ich bin O. K. – Du bist O. K.: Diese Menschen sind konstruktiv und positiv eingestellt, sie kommunizieren aus dem Erwachsenen-Ich-Zustand heraus und lösen Probleme. Dies ist die angestrebte Relation. Beispiel: Kunde an Verkäufer: „Ihnen ist da ein Fehler bei der Lieferung unterlaufen, aber wer ist schon fehlerlos, das könnte mir wohl genauso gut passiert sein.“ • Ich bin O. K. – Du bist nicht O. K.: Diese Menschen kommunizieren weitgehend aus dem Eltern-Ich-Zustand heraus und versuchen, Umfeldprobleme zu steuern und Beziehungen zu manipulieren. Sie sind kontaktabweisend.

8.6 Käufer-Verkäufer-Interaktion 

505

Beispiel: Kunde an Verkäufer: „Das mit der Lieferung haben Sie denkbar schlecht geregelt. Mir könnte so ein Patzer nicht passieren.“ • Ich bin nicht O. K. – Du bist O. K.: Diese Menschen haben Minderwertigkeitskomplexe. Sie kommunizieren meist aus dem Kindheits-Ich-Zustand heraus. Beispiel: Kunde an Verkäufer: „Also ich bewundere Ihren Arbeitseinsatz, ich könnte das nicht durchhalten.“ • Ich bin nicht O. K. – Du bist nicht O. K.: Diese Menschen haben das Zutrauen in das Leben verloren, sie resignieren und haben aufgehört, zu kämpfen. Beispiel: Kunde an Verkäufer: „Also es hat gar keinen Zweck, dass wir die Lieferpapiere suchen, in diesem Laden wird man aber schon durch die kleinste Unstimmigkeit zurückgeworfen.“

8.6.2 Käufertypologie Charaktertypen

Konstitutionstypen

Temperamentstypen

Richtungs- / Werttypen

Körperbautypen

Gehirnstrukturtypen

Abbildung 95: Heuristische Käufertypologien

Bei der Gestaltung der Interaktion zwischen Anbieter und Nachfrager helfen Typisierungen der Verhandlungspartner (siehe Abbildung 95: Heuristische Käufertypologien). Die Einteilung nach Charaktertypen ergibt folgende Ausprägungen, oft auch in Analogie zu Tiercharakteren gesetzt. Der Aggressive ist provozierend, ständig schlecht gelaunt und sieht nur Probleme. Er reklamiert dauernd, ist unzufrieden, zum Teil auch erregt, unterbricht öfter, unterstreicht seinen Ärger durch Mimik und Gestik und erwartet daraufhin Zugeständnisse. Hier ist es hilfreich, Verständnis zu signalisieren und immer wieder Übereinstimmung zu erreichen. Man sollte ihn zunächst reden lassen, Interesse und Verständnis für seine Situation zeigen, sich auf nichts einlassen und Ruhe bewahren, stets sachlich bleiben, den Kunden beruhigen, öffnende Fragen stellen und eine Vertrauensbasis schaffen. Der Schüchterne ist unsicher, zögerlich und leicht zu irritieren. Er wirkt labil, spricht mit Unterbrechungen, ist eher wortkarg und relativ unentschlossen, errötet manchmal, vermeidet längere Gespräche und verhält sich allgemein sehr vorsichtig. Hier ist es sinnvoll, keine Alternativen aufzuzeigen, Vertrauen zu gewinnen

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8. Die Verkaufsdurchführung

und Garantieerklärungen abzugeben. Man sollte ihn nicht drängen, nicht zu viele Details des Angebots ansprechen, die Meinung des Kunden, sofern vertretbar, bejahen, um ihm Erfolgserlebnisse zu bieten, ihm Sicherheit durch Bestätigung vermitteln, Bedürfnisse durch Fragen ermitteln, sein Selbstvertrauen heben, ihn zum Reden ermuntern und nicht allzu sehr auf sofortige Entscheidungen drängen. Der Vielredner ist egozentrisch und weitschweifig. Er lässt seinen Gesprächspartner kaum oder gar nicht zu Wort kommen, unterbricht den Gesprächspartner öfter, sucht Selbstbestätigung, schweift oft vom Thema ab und erzählt gern von sich selbst. Hier gilt es, ihn auf den Punkt zu bringen, seinen Sprachschwall zu reduzieren und Klarheit zu schaffen. Man sollte ihn zunächst reden lassen, interessiert zuhören, ihn in ruhigem, aber bestimmtem Ton ansprechen, bei sich bietender Möglichkeit taktvoll unterbrechen, sein Selbstwertgefühl positiv ansprechen und durch geschlossene Fragen zum Kern führen. Der Schweiger ist misstrauisch, ablehnend und schwer integrierbar. Er weist eine starre Mimik und abrupte Gestik auf, er hat meist schlechte Laune, provoziert sehr gern und das in einem aufbrausenden Tonfall. Hier ist es wichtig, sein Vertrauen zu gewinnen und das Gespräch aufzulockern und ihn einzubeziehen. Man sollte ruhig bleiben, ihn bei seinem Ehrgeiz packen, sein Wissen und seine Erfahrungen hervorheben sowie Formulierungen verwenden, die Übereinstimmung signalisieren. Der Rechthaberische widerspricht gern, ist besserwisserisch und tritt energisch auf. Er weiß alles besser, beharrt auf seiner Meinung, hat ein energisches Auftreten und ein hohes Geltungsbedürfnis, sucht Auseinandersetzung und neigt zu endlosen Monologen. Hier soll man als Verkäufer besser nicht widersprechen und ihn durch geschlossene Fragen lenken. Man sollte ruhig bleiben, auf enge Gesprächsführung achten, ihm viel Zustimmung und Lob geben, sein Geltungsbedürfnis befriedigen, Belehrungen vermeiden und sich im Gespräch nicht auf Randgebiete einlassen. Der Nervöse ist unkonzentriert, aktionistisch und ständig eilig. Er macht sich und anderen permanent Stress, ist überfordert und chaotisch. Hier hilft eine knappe Beratung und der sichtbare Respekt vor der tatsächlichen oder vorgespiegelten Terminnot des Gegenübers. Dabei darf man sich von seiner Nervosität nicht anstecken lassen und ebenso agieren, sondern soll im Gegenteil versuchen, einen ausgleichenden Ruhepol darzustellen. Der Arrogante ist überheblich, kritikempfindlich und eitel. Er lässt den Gesprächspartner gern seine Überlegenheit spüren, gibt sich betont selbstsicher, ist sehr anspruchsvoll, verträgt keinen Widerspruch und legt Wert auf Status. Hier werden Suggestivformulierungen und Referenzaussagen sinnvoll zur Bestätigung eingesetzt. Man sollte Interesse zeigen, ihn ausführlich und kompetent beraten, besonders intensiv auf die persönlichen Bedürfnisse des Kunden eingehen, ihm häufig zustimmen und ihn nicht kritisieren. Der Positive ist sanftmütig, konstruktiv und selbstsicher. Er geht lächelnd auf den Gesprächspartner zu, hat zumeist eine offene Körperhaltung, zeigt Interesse

8.6 Käufer-Verkäufer-Interaktion 

507

und lässt sich gern beraten. Er geht zügig und direkt auf sein Ziel zu, ohne dabei hinterhältig oder sonstwie schwierig zu sein. Man sollte ihn freundlich ansprechen, das Selbstwertgefühls des Kunden bestätigen, verbindliche sachliche Aussagen treffen und dem Kunden ausreichend Zeit zur Entscheidung geben. Der Träge ist uninteressiert, wortkarg und gelangweilt. Er spricht wenig und ist tendenziell verschlossen, antwortet häufig mit einzelnen Worten statt mit ganzen Sätzen, wirkt unbeteiligt und demonstriert weithin Passivität. Hier ist es wichtig, den Punkt seines Interesses zu finden und ihn darauf anzusprechen. Man sollte ihn besonders freundlich und ruhig ansprechen, auffordern, von sich zu erzählen, Interesse signalisieren und ausreichend Zeit zum Antworten geben. Der Trickser ist gewitzt und wartet nur darauf, dass man in die von ihm aufgestellten Verhandlungsfallen tappt, um dann zuzuschlagen. Er ist wachsam und abwartend, ziemlich wortkarg, sucht den Punkt, wo er einhaken kann, um dann dort penetrant nachzuhaken und will überzeugt werden. Man sollte für ihn kurz, präzise und prägnant formulieren, Vertrauen aufbauen, Sicherheit ausstrahlen, sich nicht durch Fragen hereinlegen lassen, aktiv zuhören, seine Fragen durch Gegenfragen beantworten und im Gespräch besonders wachsam sein. Die Einteilung nach Temperamentstypen ergibt folgende Ausprägungen: • Der Sanguiniker (lebhaft / ​temperamentvoll) ist ein heiterer Typ und Lebenskünstler, aber nicht immer verlässlich. Er gilt in seinem Wesen als extravertiert und stabil, führend, gesellig, gesprächig, großzügig, lebhaft, mitteilsam, sorglos und verständnisvoll. • Der Choleriker (jähzornig / ​starrköpfig) ist leicht reizbar und durcheinander zu bringen, hat aber einen positiven Kern. Er gilt in seinem Wesen als extravertiert und instabil, aggressiv, aktiv, impulsiv, optimistisch, unruhig und wechselhaft. • Der Phlegmatiker (träge / ​antriebsarm) ist durch Ruhe und Beständigkeit geprägt, kann aber auch schwerfällig sein. Er gilt in seinem Wesen als introvertiert und stabil, ausgeglichen, beherrscht, friedlich, nachdenklich, passiv, ruhig, sorgfältig und zuverlässig. • Der Melancholiker (schwermütig / ​bedrückt) ist zwar niedergeschlagen und trübsinnig, aber oft beharrlich. Er gilt in seinem Wesen als introvertiert und instabil, ängstlich, launisch, nüchtern, pessimistisch, starr, still, ungesellig und zurückhaltend. Allerdings hängt das Verhalten tatsächlich mindestens ebenso viel von momentanen Erlebnissen und Eindrücken ab wie vom Temperament. Ein weitere Einflussfaktor ist der Körperbau. Bei den Körperbautypen unterscheidet man folgende: • Der Athletiker ist durch muskulöse Physiognomie, breite Schultern und stattlichen Brustkorb gekennzeichnet. Er ist, dem Vorurteil entsprechend, schwerfällig, nüchtern, wortkarg und verlässlich.

508

8. Die Verkaufsdurchführung

• Der schmal gebaute Leptosome hat einen großen, aufgeschossenen Körperbau, ist schmalwüchsig, mit langen Extremitäten, engem Brustkorb, länglichem Kopf und schwacher Muskulatur ausgestattet. Er ist zäh, systematisch, formalistisch, wenig anpassungsfähig und leicht verwirrbar. • Der korpulente Pykniker hat einen gedrungenen, kleinen Körperbau, kurze Extremitäten, breite Hüften, Bauchansatz, einen kurzen, massiven Hals und ein weiches, breites Gesicht. Er sieht das Ganze, vernachlässigt das Detail, reagiert wechselhaft, ermüdet schnell, ist mitteilungsbedürftig und zu unüberlegten Äußerungen reizbar. Bei den Konstitutionstypen unterscheidet man folgende: • Der zyklothyme Typ als Gefühlmensch wechselt die Gefühle zwischen heiterer und trauriger Stimmung, er ist gutmütig, aber auch unbeständig und wenig konzentriert. • Der visköse Typ als Tatenmensch hat einen starken Bewegungs- und Betätigungsdrang, er ist zäh, ausdauernd, kann aber auch engstirnig und pedantisch sein. • Der schizothyme Typ als Verstandesmensch stellt Abstraktionsfähigkeit und folgerichtiges Denken in den Vordergrund, er ist stark Ich-bezogen und zutiefst ernsthaftig. Weitere Typisierungen sind Richtungstypen als extravertiert / ​progressiv-regressiv oder introvertiert / ​progressiv-regressiv-ambivalent sowie Werttypen als theasisch, ästhetisch, religiös, mächtig, sozial oder ökonomisch. Inwieweit diese Aspekte aber im Verkaufsgespräch weiter helfen, bleibt fraglich. Hoch relevant hingegen sind die Gehirnprioritäten (Neuroökonomie). Die Einteilung nach solchen Gehirnstrukturtypen ergibt folgende Ausprägungen: • Der Stammhirn-Typ („grün“ / Balance) sucht und findet rasch persönlichen Kontakt, hat ein Gespür für Menschen, ist beliebt, baut auf Bekanntem auf, wird von Erfahrungen geleitet, meidet radikale Veränderungen, verfügt über Intuition und Sensibilität, erfasst Signale aus dem Unbewussten, kann sich auf erste Eindrücke verlassen und hat Erfolg durch Sympathie. • Der Zwischenhirn-Typ („rot“ / Dominanz) besitzt natürliche Autorität und Überlegenheit, misst sich gern mit und an Anderen, erfasst den Augenblick, entscheidet spontan, ist von mitreißender Dynamik, denkt konkret und praktisch, erkennt das Machbare, neigt zum Probieren, ist gut im Improvisieren und hat Erfolg durch Imponieren. • Der Großhirn-Typ („blau“ / Stimulanz) braucht Abstand, gewinnt erst bei längerem Kennenlernen, lässt nicht in sich hineinschauen, muss alle Konsequenzen erst zu Ende denken, tut nichts ohne Plan, teilt die Zeit fest ein, denkt syste­matisch, hat hohes Abstraktionsvermögen und beherrscht die Sprache als Werkzeug.

509

8.6 Käufer-Verkäufer-Interaktion 

8.6.3 Verkäufertypologie

gering

hoch

gering

für den Beruf leider ungeeignet (Freisetzung einleiten)

unsensibler Technokrat (Qualifizierung durch Verhaltenstraining notwendig)

hoch

Sympathie (Mögen) des Verkaufsberaters

Kompetenz (Achten) des Verkaufsberaters

netter Kumpel (Qualifizierung durch Wissensschulung notwendig)

idealer Verkäufer (Motivierung und Bindung an den Betrieb)

Abbildung 96: Heuristische Verkäufertypologien

Für den Verkäufer ist seine Reputation ein entscheidender Erfolgsfaktor. Diese wird durch die Dimensionen Sympathieausstrahlung, also Mögen, und Kompetenzbeeindruckung, also Achten, bestimmt. Geht man bei beiden Dimensionen jeweils von den Ausprägungen gering und hoch aus, ergeben sich vier Kombinationen (siehe Abbildung 96: Heuristische Verkäufertypologien): • Verkäufer mit sowohl geringer Sympathieausstrahlung als auch Kompetenzbeeindruckung. Diese sind leider für den Beruf gänzlich ungeeignet. Bei ihnen ist daher zu prüfen, inwieweit eine sozialverträgliche Freisetzung oder anderweitige Verwendung im Betrieb (Back office) möglich ist. • Verkäufer mit geringer Sympathieausstrahlung und hoher Kompetenzbeeindruckung. Diese wirken meist als unsensible Technokraten. Bei ihnen ist zur Erfolgssteigerung dringend eine Qualifizierung durch Verhaltenstraining notwendig. Dies stellt sich allerdings praktisch als äußerst schwierig heraus. • Verkäufer mit hoher Sympathieausstrahlung und geringer Kompetenzbeeindruckung. Sie kommen als nette Kumpel daher, was für den Verkaufserfolg aber nicht mehr ausreicht. Daher ist eine Qualifizierung durch Wissensschulung notwendig. Dies ist vergleichsweise gut erreichbar. • Verkäufer mit sowohl hoher Sympathieausstrahlung als auch Kompetenzbeeindruckung. Sie sind die idealen Verkäufer. Bei ihnen kommt es darauf an, Motivierung und Bindung an das Unternehmen zu erreichen. Zur Analyse der Käufer-Verkäufer-Beziehung werden allgemein zwei Dimensionen (Verkäufer-Grid) zugrunde gelegt, das Interesse des Verkäufers am Verkauf (gering / ​hoch) und das Interesse des Verkäufers am Kunden (gering / ​hoch). Daraus ergeben sich dann vier Kombinationen: • Geringe Partner- sowohl als auch Leistungsorientierung drückt sich in folgender Einstellung aus: „Ich lege dem Kunden meine Produkte vor, und diese ver-

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8. Die Verkaufsdurchführung

kaufen sich ohne mein Zutun. Wie und wann, das liegt primär an den Produkten selbst und nicht an mir.“ • Hohe Partner- bei geringer Leistungsorientierung drückt sich in folgender Einstellung aus: „Ich bin der Freund meines Kunden. Ich möchte ihn verstehen und auf seine Gefühle und Interessen reagieren, damit er mich mag. Er kauft bei mir wegen unserer persönlichen Beziehungen, weniger wegen der Ware.“ • Hohe Leistungs- bei geringer Partnerorientierung drückt sich in folgender Einstellung aus: „Ich überfahre den Kunden und dränge ihm alles auf. Ich bediene mich dabei aller Tricks, die nötig sind, ihn zum Kauf zu veranlassen. Das ist letztlich reine Notwehr.“ • Hohe Partner- sowohl als auch Leistungsorientierung drückt sich in folgender Einstellung aus: „Ich berate mich mit dem Kunden, um seine Bedürfnisse, die meine Produkte befriedigen können, zu erfahren. Wir erarbeiten gemeinsam eine angemessene Strategie, die ihm die Vorteile bringt, die er von mir erwartet.“ Weiterhin kann vom Verkäufer zumindest ansatzweise das Interesse des Käufers analysiert werden. Dabei werden wiederum zwei Dimensionen (Käufer-Grid) zugrunde gelegt, das Interesse des Käufers am Kauf mit geringer / ​hoher Leistungsbetonung und das Interesse des Käufers am Verkäufer mit geringer / ​hoher Partnerorientierung. Auch daraus ergeben sich vier Kombinationen: • Geringe Partner- sowohl als auch Leistungsbetonung drückt sich in folgender Einstellung aus: „Wenn ich kann, gehe ich Verkäufern aus dem Weg. Wenn die Gefahr besteht, dass ich mich beim Kauf irren könnte, dann soll der Chef oder sonstwer meine Entscheidung absegnen.“ • Hohe Partner- bei geringer Leistungsbetonung drückt sich in folgender Einstellung aus: „Wenn ein Verkäufer, der mir sympathisch ist, mir etwas empfiehlt, dann muss es wohl gut sein. Also bin ich geneigt, es zu kaufen. Ich scheine mehr zu bestellen als ich gebrauchen kann.“ • Hohe Leistungs- bei geringer Partnerbetonung drückt sich in folgender Einstellung aus: „Kein Verkäufer soll aus mir Vorteile ziehen können. Im Gegenteil: Ich bin der Überlegene, und wenn ich kaufe, will ich für mein Geld soviel wie möglich bekommen.“ • Hohe Partner- sowohl als auch Leistungsbetonung drückt sich in folgender Einstellung aus: „Ich kann die Grundbedürfnisse meines Unternehmens gut abschätzen und sehe mich nach den Produkten um, die mich zu einem Preis, den ich vertreten kann, zufriedenstellen.“

8.7 Gesprächsrahmen

511

8.7 Gesprächsrahmen Wenn die Terminvereinbarung und die Überwindung von Kontaktwiderständen gelungen sind, gilt es als Nächstes, sich auf die Rahmenbedingungen der eigentlichen Gesprächsführung vorzubereiten. Dazu sind mehrere Überlegungen erforderlich, insb. hinsichtlich der Gesprächsteilnehmer, Anlass und Vorbereitung eines Gesprächs, dessen Zeitpunkt und Dauer sowie Aufbau und Ablauf (siehe Abbildung 97: Rahmenbedingungen der Gesprächsführung). Teilnehmer auf Käuferseite Teilnehmer auf Verkäuferseite Anlass des Verkaufsgesprächs Gesprächsvorbereitung Zeitpunkt/Dauer des Verkaufsgesprächs

Gesprächsaufbau Gesprächsablauf

Abbildung 97: Rahmenbedingungen der Gesprächsführung

8.7.1 Gesprächsteilnehmer Dabei kann nach den Teilnehmern auf der Käufer- oder Verkäuferseite unterschieden werden. zunächst geht es um die Anzahl der käuferseitig angemeldeten oder zu erwartenden Teilnehmer (großer Kreis / ​kleiner Kreis). Eine Information darüber ist äußerst wichtig, weil sie die gesamte Anlage und den Ablauf des Verkaufsgesprächs beeinflusst. Hierbei geht es um die Zusammensetzung der Teilnehmer auf Kundenseite (homogen / ​heterogen). Dies lässt Rückschlüsse darüber zu, inwieweit von Interessen­identitäten auf der Kundenseite auszugehen ist oder Diskrepanzen dort wahrscheinlich sind. Diese Information ist in Konfliktsituationen von großer Bedeutung. Wortführer können positiv oder negativ verstärkend wirken. Diese zu identifizieren ist wichtig, um sie konstruktiv in die Argumentation einzubinden, etwa durch persönliche Ansprache. Fraglich ist, inwieweit der Wortführer zugleich Entscheider ist.

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8. Die Verkaufsdurchführung

Die Einstellung der Beteiligten zur Abteilungsräson (autonom / ​eingebunden) gibt Anhaltspunkte für Art und Inhalt der Argumentation und ist daher von hoher Bedeutung für das Verkaufsgespräch. Hinsichtlich der Anzahl der verkäuferseitig Beteiligten soll Fachkompetenz überall dort angeführt werden, wo dies hilfreich erscheint, zugleich sollen aber keine „überflüssigen“ Personen mitgeführt werden. Es gilt also so viel wie nötig, aber so wenig wie möglich. Aus der Zusammensetzung der relevanten Arbeitsbereiche auf Kundenseite kann antizipiert werden, welche Punkte in der Argumentationslinie verkaufsseitig vorbereitet werden sollen. Dabei sollte zu jedem Kundenteilnehmer ein direkt korrespondierender Verkäuferteilnehmer vorgesehen werden. Die Gesprächaufteilung gewährleistet eine gewisse Struktur im Gesprächsablauf und verhindert, dass wichtige Punkte zu kurz kommen oder Chaos entsteht. Die Struktur erfolgt zumeist anhand einer Agenda, die Themenabfolge und Gesprächsübergabe bestimmt. Fraglich ist, wie diszipliniert sich die Teilnehmer in Bezug darauf verhalten. Beim frontaler Platzanordnung sitzen sich Kunden- und Verkäuferseite gegenüber, beim gemischten Prinzip ist die Sitzordnung aufgelockert, häufig dient dabei der runde Tisch als Symbol gleicher Augenhöhe der Beteiligten.

8.7.2 Anlass und Vorbereitung Bei einem Routinemeeting handelt es sich um eine turnusmäßige Zusammenkunft, die das geringste Maß an spezifischer Vorbereitung verlangt, da es sich im Wesentlichen um routinisierte Inhalte handelt (häufig als Jour fixe institutionalisiert). Das Gegenteil ist ein Ad hoc-Gespräch. Solche außerplanmäßigen Zusammenkünfte entstehen anlassbezogen, häufig allerdings aus Krisen- oder Überraschungsgründen. Diesen Terminen ist höchste Beachtung zu widmen, denn sie bedingen zumeist besonderen Stress. Allgemein sind verschiedene Gesprächssituationen denkbar, eigeninitiiert oder aufgefordert, mit allgemeinem oder konkretem Inhalt, allein oder in Konkurrenz. Von diesen Situationen hängt das Gesprächsverhalten entscheidend ab. Pünktlichkeit zum vereinbarten Termin hat oberste Priorität. Dies bedingt die rechtzeitige Abfahrt und die Wahl eines geeigneten Verkehrsmittels, um stressfrei anzukommen. Ggf. kommt eine Übernachtung hinzu. In jedem Fall ist eine ausreichende Zeitreserve einzuplanen, denn kaum etwas ist peinlicher, als sich schon zu Beginn des Gesprächs für eine Verspätung entschuldigen zu müssen oder schon, bevor es eigentlich richtig losgeht, abgespannt zu sein.

8.7 Gesprächsrahmen

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Hinsichtlich des Kleidungsstandards (Fashion code) ist es wichtig, business-like gekleidet zu sein, also weder over- noch underdressed. Hier gilt der alte Anspruch, wonach Kleider Leute machen. Dabei kommt es vor allem auf die Angemessenheit der Kleidung für den Gesprächsanlass und den Kundenstatus an. Nicht zu unterschätzen ist auch die Bequemlichkeit. Das Rehearsal ist ein Probelauf zur Vereinbarung von Gesprächszielen, zur Festlegung der Dramaturgie und zur Rollenaufteilung. Am besten erfolgt dies durch Durchspielen des Ablaufs am Gesprächsort. Dies dient über die Einübung hinaus auch der Vermittlung von Sicherheit für alle Beteiligten. In Bezug auf das Gesprächsumfeld ist an Faktoren wie Raum, Klima, Licht etc. zu denken. Wichtig ist die Wahl weder zu großer noch zu kleiner Räume, beide werden als unangenehm empfunden. Frische Luft ist immer willkommen, ebenso eine ausreichend helle Beleuchtung, beides steigert die Konzentrationsfähigkeit. Bei Service / ​Catering geht es um Getränke, Gebäck, Telekommunikationseinrichtungen, Störungsfreiheit etc. Diese dienen der Vermittlung eines angenehmen Gesprächsumfelds, wie es selbstverständlich sein sollte. Service und Catering sagen auch etwas über die Wertschätzung des Gesprächspartners.

8.7.3 Zeitpunkt und Dauer Es kommt durchaus immer wieder mal vor, dass sich beide Gesprächsparteien auf den Weg zur jeweilig anderen Adresse machen oder für Termine versehentlich falsche Tage oder Uhrzeiten eingetragen werden. Daher ist eine Termin-/Ortsbestätigung durchaus üblich. Die Fixierung des Zeitrahmens dient der Disziplinierung aller Beteiligten und erlaubt ein verlässliches Timing der einzelnen Gesprächselemente. Der Zeitrahmen muss vor Gesprächsbeginn fixiert werden, damit alle Beteiligten sich darauf einstellen können. Es ist durchaus nicht immer notwendig, dass alle Teilnehmer während des gesamten Gesprächs anwesend sind, störend sind aber unmotiviert oder mehrfach hinzu- oder zurückkommende Teilnehmer mit geringer Verweildauer, die über den jeweils aktuellen Gesprächsstand umständlich informiert werden müssen. Eine Pausenvereinbarung dient nicht nur der Erfrischung oder der körperlichen Stärkung, sondern vor allem auch dem informellen Austausch über Zwischenergebnisse und Ziele zwischen den Teilnehmern auf jeder Seite bzw. auf beiden Seiten. Pausen haben eine kaum zu unterschätzende Bedeutung im Beziehungsmanagement. Mentalitätsbesonderheiten sind vor allem bei immer häufiger multikulturell zusammengesetzten Gesprächsrunden und im internationalen Verkauf zu beach-

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8. Die Verkaufsdurchführung

ten und haben entscheidende Erfolgsbedeutung. „Stockfehler“ können hier verheerende Folgen haben.

8.7.4 Aufbau und Ablauf Das Begrüßungsritual ist nicht nur ein Zeichen der Höflichkeit, sondern leitet das eigentliche Gespräch auch durch eine Smalltalk-Phase ein. Dazu gehören auch Floskeln nach Gemütszustand („Wie geht es Ihnen?“) oder Transfer („Haben Sie gut hierher gefunden?“), die nicht mit einer ernstzunehmenden Schilderung zu beantworten sind. Vor allem sollte man Gesprächspartner nicht mit eigenen Problemen nerven. Die Vorstellung der Teilnehmer dient der gegenseitigen Einordnung von Positionen und Funktionen einzelner Personen in der Organisation. Dabei erfolgt zumeist ein Austausch von Visitenkarten, die häufig mit beeindruckenden Titeln versehen sind. Es ist ein Zeichen der Höflichkeit, diese zu würdigen, vor allem in fernöstlichen Kulturen. Beim Anlass des Gesprächs geht es vor allem um die Einstimmung der Beteiligten auf die zu erwartenden Gesprächsinhalte. Denn es ist durchaus nicht vorauszusetzen, dass alle Kundenteilnehmer genau über Anlass und Absicht des Treffens im Bilde sind, und daher ansonsten womöglich von falschen Voraussetzungen ausgehen. Jedem Gespräch sollte unbedingt eine Agenda über die abzuarbeitenden Tagesordnungspunkte zugrunde liegen. Diese gehört zum Gespräch auf den Tisch und dient als eine Art Leitfaden durch das Procedere. Insofern ist jeder jederzeit instruiert. Zur Illustration einige Hinweise bei traditionellen Gesprächen mit chinesischen Geschäftspartnern: • Händeschütteln nicht zu rustikal, sondern eher schwach. Vermeiden von Körperkontakt wie Schulterklopfen o. Ä. Dem Gegenüber nicht zu lange in die Augen schauen. Anrede immer mit Titel und Ehrenzeichen. Smalltalk nicht über sensible Themen wie Religion, Menschenrechte, Taiwan / ​Hongkong, Ein-KindPolitik etc.). Vermeiden der Zahl 4, diese steht für Unglück, die Zahl 8 steht hingegen für Glück. Winken mit der Handfläche nach unten zum Zeichen für Näherkommen. • Es ist davon auszugehen, dass der Ranghöchste als erster den Raum betritt. Die Teilnehmer stellen sich hierarchisch geordnet auf. Visitenkarten sind mit beiden Händen zu nehmen / ​zu überreichen und genau zu lesen. Bei der Begrüßung kann man klatschen. Ein „Ja“ bedeutet keinesfalls Zustimmung, sondern nur „Verstanden“. Ein direktes Nein ist zu vermeiden, der andere verliert dann sein

8.7 Gesprächsrahmen

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Gesicht. Bereits abgehakte Agendapunkte können jederzeit wieder hervorgeholt werden. Hohe Lautstärke bedeutet nicht unbedingt Stress, sondern auch Interesse / ​Aufmerksamkeit. Möglichst Geschenke für alle Beteiligten mitbringen. Regelmäßigen Kontakt zu Geschäftspartnern halten. • Geschäftsessen haben eine hohe Bedeutung. Dabei wird viel Alkohol getrunken, daher ggf. gute Ausrede ausdenken. Schmatzen und Schlürfen sind völlig normal. Essensreste auf dem Teller zeigen, dass man satt geworden ist. Hinsichtlich des Stils ist eine Kombination aus Härte in der Sache und Verbindlichkeit im Ton optimal. Dies gelingt nur, wenn Sachinhalt und handelnde Personen voneinander getrennt werden. Leider wird häufig eine Widrigkeit in der Sache in den Gegenüber hineinprojiziert. Das ist unzweckmäßig. Hinsichtlich der Form des Gesprächs ist die Wahl eines Stils wichtig, der straff im Inhalt, aber locker in der Form ist. Dazu gehört, nicht flapsig oder distanziert oder besserwisserisch aufzutreten, sondern sympathisch, kooperativ und kompetent. Alle Teilnehmer sollen in das Gespräch einbezogen werden. Dazu gehören die Suche von Augenkontakt und die Beobachtung von Mimik und Gestik der jeweiligen Teilnehmer. Die Lautstärke sollte nicht zu aufdringlich, aber deutlich vernehmbar sein. Gerade bei wichtigen Passagen bietet es sich an, die Aufmerksamkeit der Zuhörer durch stärkeren Tonlevel zu provozieren. Bei der Wortwahl ist auf erklärte Fremdwörter und den Einsatz stimmiger Fachbegriffe zu achten. Oft wird versucht, durch komplizierte Ausdrucksweise zu beeindrucken, ein Unterfangen, das regelmäßig ins Gegenteil umschlägt. Sätze sollten wegen der besseren Verständlichkeit eher kurz gewählt werden. Verschachtelte Sätze führen dazu, dass am Satzende vergessen ist, worum es am Satzanfang eigentlich ging. Dies ist ein verheerender Effekt. Der Auftritt sollte bescheiden, aber selbstbewusst sein. Luther hatte hier die Weisheit: „Tritt keck auf, mach’s Maul auf, hör’ bald auf!“ Dem ist nichts hinzuzufügen. Der Einsatz unterstützender Gestik und Mimik lässt eher den „Funken überspringen“. Verständnisfragen sollten sofort, alle anderen Fragen erst in der Diskussion gestellt werden. Dies ist sinnvoll, um einerseits den Präsentationsfluss nicht allzu häufig zu unterbrechen, andererseits aber sicher zu stellen, dass alle Beteiligten ihm folgen können. Bei der Aufteilung zwischen Vortrag zu Diskussion ist es wichtig, genügend Zeit für die Diskussion einzuplanen, denn sie ist der eigentlich gewinnende Teil des Gesprächs und dient dem Ausräumen verbliebener Bedenken, ohne die ein Abschluss letztlich nicht erreichbar ist. Dabei ist Zuhören und Hinterfragen wichtig, um Einwände hinter Vorwänden zu entschlüsseln. Diese stehen ansonsten einem Erfolg unverrückbar im Wege. Die Diskussionsbeiträge sollten einen Kompromiss aus Nachgiebigkeit und Entschlossenheit darstellen, d. h., es gilt, nicht durch Bockigkeit negativ aufzufallen, doch flexibel den eigenen Standpunkt zu verteidigen. Bei Meinungsverschieden-

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8. Die Verkaufsdurchführung

heiten auf Kundenseite gilt strikte Neutralität, Meinungsverschiedenheiten auf Verkäuferseite dürfen nicht vorkommen. Auf Verkäuferseite sollte immer die Fachkompetenz für eine Stellungnahme ausschlaggebend sein. Es darf also nicht geschwafelt werden, wenn doch gerade niemand kompetent ist, kann man die Stellungnahme auf einen späteren Termin zurückstellen oder in einer Pause Informationen dazu im Unternehmen einholen. Das Gespräch wird erst durch die Nachbereitung abgeschlossen. Dazu gehört die Zusammenfassung der Gesprächsergebnisse als Protokoll. Dies stellt sicher, dass die gemeinsam verhandelten Inhalte von den Teilnehmern auch gleichermaßen verstanden worden sind. Dies ist allein schon aus Gründen der Rechtssicherheit sinnvoll. Außerdem ist das Timing für Entscheidungen und nächste Schritte festzulegen. Die Interaktion darf nicht auslaufen, denn „nach dem Kauf ist vor dem Kauf“.

9. Die Vertriebssteuerung Zur Vertriebssteuerung gehören zentral die Aspekte des Kundenmanagements (9.1), dabei insb. wieder die Aspekte der Kundenbindung (9.1.1), der Kunden­ entwicklung (9.1.2), des Kundenlebenszyklus (9.1.3), sowie der Zufriedenheits­ erfassung (9.2) und des Unzufriedenheitshandlings (9.3) und der Organisation der Marktverantwortung (9.4).

9.1 Kundenmanagement Das Kundenmanagement umfasst die Aspekte der Kundenbindung und -entwicklung („Kundenleiter“) sowie die verschiedenen Phasen des Kundenlebenszyklus aus Verkäufersicht, also die Interessentenauswahl, die Kundenakquisition, der Beziehungsaufbau, die Produktwert- bzw. Produktanzahlerhöhung, die Referenzierung / ​Weiterempfehlung, der Informations- und Integrationsnutzen, die Kundenevaluierung, ggf. die Kundenreaktivierung bzw. die Kundenausgrenzung sowie schließlich die Kündigungsprävention und die Kundenrückgewinnung.

9.1.1 Kundenbindung Primäres Ziel des Vertriebs ist ein nachhaltiges Kundenmanagement. Dafür ist die Erreichung von Kundenbindung zentral. Darunter versteht man alle Maßnahmen eines Unternehmens mit dem Ziel, die bisherigen Verhaltensweisen sowie die zukünftigen Verhaltensabsichten eines Kunden gegenüber einem Anbieter oder dessen Leistungen positiv zu gestalten, um die Beziehung zu diesem Kunden für die Zukunft zu stabilisieren und auszuweiten. Voraussetzungen dafür sind wiederum Kundennähe und Kundenzufriedenheit. Kundennähe bezeichnet ein bestimmtes Anbieterverhalten, wobei die Marketingaktivitäten an den Bedürfnissen der Stammkunden ausgerichtet sind. Kundenzufriedenheit ist Folge der weitgehenden Übereinstimmung der Angebotsleistung mit der Nachfragererwartung. Daraus folgt eine loyale Verhaltensweise als Markenbzw. Geschäftsstättentreue als Kaufverhalten, bei der Kunden eine verringerte Wechselbereitschaft zeigen. Diese führt im Ergebnis zu einer Kundenbindung, die meist durch aktivierende Prozesse der Verpflichtung bzw. Verbundenheit zu einem Anbieter infolge eines positiven Nettonutzens als Differenz aus monetären und nicht-monetären Kosten

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9. Die Vertriebssteuerung

sowie Gesamtnutzen entsteht. Daraus wiederum folgt der Kundenwert als alleinige Rentabilitätsquelle des Unternehmens. Der Wiederkauf ist das beobachtbare Verhalten einer Person, das einen erneuten Kauf im Hinblick auf einen bestimmten Bedarf bei dem gleichen Anbieter zur Folge hat. Dem kann eine Entscheidungsfindung mit Angebotsvergleich zur Präferenzbildung vorausgegangen sein oder auch nur ein gewohnheitsmäßiges Wiederkaufverhalten. Die Wiederkaufwahrscheinlichkeit ist u. a. von den Wechselkosten abhängig. Dies sind alle Kosten, die als nicht-monetäre Kosten bei einem Markenoder Anbieterwechsel anfallen. Dazu zählen Such- und Informationskosten, die bei der Auswahl neuer Alternativen anfallen sowie alle Kosten, die durch den Wegfall anbieterspezifischer, also auf andere Anbieter nicht übertragbarer, Nutzenelemente anfallen wie anderweitig vorhandenes Vertrauen, Risikowahrnehmung etc. Zur Wiedergewinnung bereits abgewanderter Kunden bzw. Reaktivierung inaktiver Kunden bedarf es der Schaffung von Anlässen, die eine Wiederaufnahme bzw. Intensivierung der Geschäftsbeziehungen initiieren. Dies ist vor allem deshalb schwierig, weil diese ehemaligen Kunden häufig negative Erfahrungen mit dem Anbieter gemacht haben und insofern eine erhebliche Hürde zu überwinden ist. Proaktiv wird das Ziel verfolgt, die Wechselbereitschaft der Kunden durch die Erzeugung und Intensivierung von faktischen oder emotionalen Bindungen zu minimieren bzw. temporär deren Wechsel auszuschließen. Faktische, erzwungene Kundengebundenheit wird vor allem durch vertragliche Bindungsursachen provoziert, z. B. Leasingvertrag, Wartungsvertrag, Abonnementvertrag. Eine ökonomische Bindung liegt hingegen vor, wenn der Wechsel für eine Seite unverhältnismäßig hohe Wechselkosten bedingt, z. B. beim Rückkaufwert von Lebensversicherungen. Eine technisch-funktionale Bindung liegt vor, wenn Beschaffungs- oder Kompatibilitätsprobleme zu erwogenen Produkten fremder Anbieter auftreten, z. B. bei Computerschnittstellen. Emotionale, freiwillige Kundenverbundenheit entsteht über einen hohen Grad von Kundenzufriedenheit mit der erhaltenen Leistung und Vertrauen in die zukünftige Leistung des Anbieters aus Präferenz oder Bequemlichkeit. Dazu dienen z. B. Kundenkontaktprogramme, die auch die persönliche Beziehung zwischen Anbieter und Kunde stärken und fallweise, also zu vom Anbieter ausgelösten Anlässen, aktiviert werden, z. B. Firmenjubiläum, IPO, Merger, oder anlassbezogen, also zu vom Nachfrager ausgelösten, individuellen Zeitpunkten, z. B. Kaufdatum, Geburtstag, Interessentenanfrage.

9.1 Kundenmanagement

519

9.1.2 Kundenentwicklung

Abbildung 98: Phasen der Kundenentwicklung

Im Zuge der Entwicklung der Beziehungen zu diesen Kunden ist es zweckmäßig, grob vier Phasen des Beziehungsmanagement (die 4 Rs) zu unterscheiden (siehe Abbildung 98: Phasen der Kundenentwicklung). Die erste Phase ist die der Erreichung neuer Kundenbeziehungen (Customer recruitment / ​A kquisitionsmarketing). Dabei geht es um die erstmalige Aufnahme einer Geschäftsbeziehung zwischen Anbieter und Nachfrager. Dazu sind anbieterseitig regelmäßig hohe Akquisitionsaufwendungen erforderlich. Zudem bleibt die Erfolgswahrscheinlichkeit angesichts verstärkten Wettbewerbs eher begrenzt. Zur Forcierung wird das Vorkaufmarketing eingesetzt. Die zweite Phase ist die der Pflege dieser Kundenbeziehungen (Customer retention / ​Bindungsmarketing). Denn Kunden werden erst profitabel, wenn sie über den Erstabschluss hinaus in regelmäßigen, möglichst kurzen Abständen Umsätze mit dem Unternehmen durch Wiederkauf tätigen. Insofern ist es erforderlich, die einmal akquirierten Kunden gegen die Akquisitionsbemühungen der Kon­ kurrenz zu verteidigen und an sich zu binden. Dies erfolgt durch Maßnahmen zur Steigerung der Kundenverbundenheit freiwillig und Kundengebundenheit erzwungen. Die dritte Phase ist die des Ausbaus der bestehenden Kundenbeziehung (Customer reinforcement / ​Bestärkungsmarketing). Denn ist eine Kundenbeziehung erst einmal stabilisiert, bietet sie hervorragende Möglichkeiten der Ausweitung des Geschäftsumfangs, zum einen wegen der umfassenderen Informationen über Kundenbedarfe auf Lieferantenseite, zum anderen wegen der erarbeiteten Vertrauensbasis auf Abnehmerseite.

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9. Die Vertriebssteuerung

Die vierte Phase schließlich ist, falls es doch zum Kundenverlust kommen sollte, die des Wiederaufbaus zerbrochener Kundenbeziehungen (Customer recovery / ​ Rückgewinnungsmarketing). Angesichts stagnierender Märkte darf die Abwanderung von Kunden zum Mitbewerb nicht hingenommen werden, sondern muss mit der Absicht deren Rückholung in den Kundenstamm beantwortet werden. Nur dies sichert den langfristigen Markterfolg. Die Phasen 2–4 finden nicht mehr in der Vorkauf- sondern in der Nachkaufphase statt. Dadurch ist es erklärlich, dass der Fokus der Aktivitäten im Marketing sich immer mehr zugunsten der Nachkaufphase verschiebt. Außer bei Aufbau eines neuen Geschäfts (Existenzgründung) oder angesichts stark expandierender Märkte (z. B. Telekommunikation) kann das beste Neugeschäft immer mit bestehenden Kunden erreicht werden. Zumal die Bedienung bestehender Kunden um ein Vielfaches kostengünstiger zu bewerkstelligen ist als die Akquisition neuer. Ziel ist daher die Realisierung einer progressiven Kundenleiter. Die Abfolge ist dabei Kundennähe, dies führt zu Kundenzufriedenheit, dies resultiert in Kundenbindung und dies materialisiert sich in Kundenwert (s. o.). Diese „Kundenleiter“ geht mit einer typischen „Produktkarriere“ einher, die sich wie folgt darstellt: • Eine Person ist potenzieller Nachfrager als Nichtverwender und erhält die Verwendungskenntnis. Sie wird Problemlösungsinteressent. • Die Person entwickelt sich zum Kaufinteressenten für das entsprechende Produkt. Zum Interesse kommt also die Kaufabsicht für eine Gattung. • Eine Person wird Erstkäufer der Gattung, indem sie die Gattung akzeptiert und eine Marke kennenlernt, sie entwickelt im günstigen Fall Kaufinteresse für diese Marke. • Eine Person wird Probierkäufer der Marke / ​des Herstellers. Nunmehr kommt es auf die Nutzungserfahrung an, ob sie markentreu wiederkauft oder nicht. • Eine Person präferiert günstigenfalls die gewählte Marke / ​den Hersteller und wird Wiederkäufer. Wiederholt sich der markentreue Kauf häufiger, wird sie damit zum Stammkunden. • Der Kunde wird Exklusivkäufer, d. h., er entwickelt günstigenfalls eine Monoloyalität zu seiner Marke / ​seinem Hersteller. • Der Kunde wird Intensivkäufer, d. h., die Kaufmenge steigt als Heavy user, indem der Bedarf stimuliert wird. • Der Kunde wird Aufstiegskäufer. d. h., er kauft nunmehr wertigere Produktversionen im Up buying innerhalb der gleichen Kategorie derselben Marke. • Der Kunde wird Mehrfachkäufer, d. h., er kauft außer dem betrachteten Produkt weitere Produkte anderer Kategorien desselben Herstellers als Cross buying,

9.1 Kundenmanagement

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in denen er bisher keine Produkte oder aber Produkte konkurrierender Hersteller gekauft hat. • Der Kunde wird Weiterempfehler, indem er seinerseits weitere Erstkäufer für die Marke gewinnt. Im Fokus steht damit der Kundenwert („Customer equity“), d. h. der Überschuss aller Einzahlungen aus direkten und indirekten Umsätzen mit einem Kunden im Laufe seiner Nachfragepräsenz am Markt über alle Auszahlungen zur Gewinnung und Betreuung dieses Kunden (s. o.). Dieser ergibt sich über alle Phasen des Kundenlebenszyklus hinweg.

9.1.3 Phasen des Kundenlebenszyklus 9.1.3.1 Interessentenauswahl

Interessentenauswahl

Informations-/Integrationsnutzen

Kundenakquisition

Kundenevaluierung

Beziehungsaufbau

Kundenreaktivierung

Produktwerterhöhung

Kundenausgrenzung

Produktanzahlerhöhung

Kündigungsprävention

Referenzierung/Weiterempfehlung

Kundenrückgewinnung

Abbildung 99: Phasen im Kundenlebenszyklus

Aus der Perspektive der Verkäuferseite ergeben sich mehrere Phasen im Verlauf eines Kundenlebenszyklus. Diese werden im Folgenden dargestellt (siehe Abbildung 99: Phasen im Kundenlebenszyklus). Es handelt sich dabei um die Auswahl potenzieller Kunden, die Akquisition neuer Kunden, den Beziehungsaufbau zu diesen Kunden, die Produktwerterhöhung, die Produktanzahlerhöhung, die Referenzierung und Weiterempfehlung, den zu erreichenden Informations- und Integrationsnutzen, die Kundenevaluierung, die Reaktivierung inaktiver Kunden, die Ausgrenzung nicht-profitabler Kunden, die Kündigungsprävention profitabler Kunden und schließlich die Rückgewinnung abgewanderter Kunden. Bei der Interessentenauswahl bzw. Kundenidentifizierung ist zwischen aktivem Anfragen und passiven Angefragtwerden zu unterscheiden. Bei aktiven Anfragen geht die Initiative vom Unternehmen aus, das bei potenziellen Nachfragern anfragt,

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9. Die Vertriebssteuerung

ob die Einleitung einer Geschäftsbeziehung objektiv möglich oder subjektiv erwünscht ist. Dazu ist eine Strukturierung solcher potenzieller Nachfrager erforderlich. Denkbar ist dabei eine Produktorientierung, d. h., man recherchiert in der Branche, welche die eigenen Produkte für gewöhnlich einsetzt, nach solchen Unternehmen, die noch nicht Kunden sind. Dies bietet sich vor allem an, wenn das eigene Produkt nur oder vorwiegend nur in einer Branche Verwendung findet. Denkbar ist aber auch eine Gebietsorientierung, bei der potenzielle Kunden in Absatzgebieten gesucht werden, in denen bereits Kunden des Unternehmens ansässig sind. Dies bietet sich an, weil in diesen Markträumen schon eine verkäuferische Infrastruktur besteht und zusätzliche Kunden ohne großen logistischen Mehraufwand mitbedient werden können. Denkbar ist aber auch eine Kundenorientierung, z. B. dann, wenn ein Konzernauftraggeber über selbstständige Schwester- oder Tochtergesellschaften verfügt. Dann kann die bestehende Beziehung zum Anlass genommen werden, weitere Geschäftsbeziehungen einzuleiten. Zur Recherche ist Sekundärmarktforschung erforderlich. Entsprechende Quellen finden sich in Messekatalogen bzw. Ausstellerverzeichnissen, Mitgliedslisten von Verbänden, IHKen oder Firmennachschlagewerken. Potenzielle Kunden (auch Prospects / ​Leads) können aber nicht nur durch den Vertrieb, sondern durchaus auch aus anderen Quellen herrühren. Zu denken ist etwa an den Hinweis von Unternehmensmitarbeitern auf mögliche Kunden oder von Dritten, die als Privatakquisiteure Kontakte herstellen. Derartig vorhandenes Wissen sollte unbedingt dokumentiert und in einer Datenbank abgespeichert und nicht der Fluktuation von Mitarbeitern überlassen werden. Ebenso muss die Kontakthistorie erfasst werden. 9.1.3.2 Kundenakquisition Die Kundenakquisition hat die Gewinnung von Aufträgen durch Umwandlung von Anfragen bzw. Angeboten in Erst- oder Probeaufträge zum Ziel. Ein Interessent wird dadurch erst zum Kunden. Daher gilt es, jede bearbeitete Anfrage und jedes abgegebene Angebot nach zu verfolgen. Erstaunlich häufig ist es Vertrieblern vergleichsweise gleichgültig, was aus einer bearbeiteten Anfrage oder einem erstellten Angebot wird. Dies ist jedoch betriebswirtschaftlich völlig widersinnig, denn der Aufwand zur Anfragenbearbeitung bzw. Angebotserstellung ist ja bereits erfolgt, so dass die Nachverfolgung keinen nennenswerten Zusatzaufwand bedingt, aber allein die eingesetzten Ressourcen retten kann. Vom Erstauftrag an sollte die Transaktionshistorie detailliert dokumentiert werden. Dazu gehören auch Daten über Ansprechpartner und deren entscheidungswichtigen, geschäftlichen wie privaten Merkmale. Das Nachhaken erfolgt durch anlassbezogene Kontakthaltung, durch Nachfrage zum Stand der Reaktion oder auch durch gezielte Einflussnahme auf die Kontakt-

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9.1 Kundenmanagement

bewertung. Man muss jedenfalls fest davon ausgehen, dass man nicht alleine angefragt worden ist bzw. ein Angebot abgegeben hat und dass Konkurrenten sehr wohl eine solche Nachverfolgung betreiben. Insofern ist auch zu überlegen, inwieweit man die Zuschlagschance erhöhen kann. Denkbar sind hier Maßnahmen wie das intelligente Angebot von Einstiegsprodukten, einer attraktiven Absatzfinanzierung oder einer maßgeschneiderten Problemlösung. Als Maßzahl für den Erfolg der Akquisition gilt die Hitrate, d. h., der Anteil der beauftragenden Kunden an allen anfragenden oder angebotserhaltenden Nachfragern. Er schwankt zwischen 0 und 1. Die Hitrate (auch Auftragserfolgsquote  / ​ Conversion rate) weist somit im Geschäftskundenbereich aus, wie viel Prozent der abgegebenen Angebote tatsächlich zu einem Auftrag führen: Hitrate =

akquiriertes Auftragsvolumen in einer Periode offeriertes Angebotsvolumen in dieser Periode

× 100

Rechenbeispiel: • akquiriertes Auftragsvolumen: 100.000 € • angebotenes Auftragsvolumen: 500.000 € • Hitrate (in %): 20, d. h. nur jedes fünfte Angebot führt zum Auftrag. Der Auftragserfolg ergibt sich aus der Bearbeitung eingegangener Anfragen passiv oder aus der Vorlage unterbreiteter Angebote aktiv. Die Ausarbeitung solcher Anfragen / ​Angebote erfordert, je nach Sachlage, einen oft hohen Aufwand. Insofern sind Unternehmen auf den Rücklauf in Form von Umsatz angewiesen, soll eine Profitabilität gewährleistet sein. Außerdem ist bei diskontinuierlicher Auftragsbearbeitung der Nachschub von Aufträgen aus der Akquisitions-Pipeline erforderlich, um ein hohes Beschäftigungsniveau aufrecht zu erhalten. Da sich erfahrungsgemäß nur ein mehr oder minder hoher Anteil der Akquisitionsbemühungen in Aufträgen materialisiert, ist ein entsprechender Überschuss an Anfragen / ​ Angeboten erforderlich. Die Auftragserfolgsquote kann vor allem gesteigert werden, indem • die potenziellen Nachfrager bewusster ausgewählt werden, • proaktiv akquiriert wird, also bereits bevor das nachfragende Unternehmen eine Anfrage plant, um den daraus resultierenden Zeitvorsprung für sich zu nutzen, • der Problemlösungsbedarf des nachfragenden Unternehmens genauer qualifiziert wird, • abgegebene Angebote aktiv nachbearbeitet werden, • auch zu normierten Anfragen individuelle, subjektiv besser geeignete Angebote abgegeben werden,

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9. Die Vertriebssteuerung

• dem nachfragenden Unternehmen Arbeit abgenommen wird, z. B. durch Hilfe bei der Ausschreibungserstellung, produktbegleitende Kundendienste oder Absatzfinanzierung, • die Kontaktsuche zum anfragenden Unternehmen erfolgt, um Präferenzen aufzubauen, erster Schritt zur Customer integration. 9.1.3.3 Beziehungsausbau Ist der Erstauftrag erfolgt, gilt es, die Kundenbeziehung zu stabilisieren und in Wiederkäufe zu überführen, dies führt zur Kundenentwicklung. Denn nach dem Erstkauf verbleibt aufgrund hoher Akquisitionsaufwendungen zumeist noch ein negativer Kundenwert, gegen den mit Folgekäufen erst angearbeitet werden muss. Dabei handelt es sich um die Erlöse innerhalb der bestehenden Produktgruppe, in der ein Kunde Geschäftspartner des Unternehmens ist. Dazu kann an zwei Stellschrauben gedreht werden, dem Preis und der Menge. Beim Preis kann wiederum auf den Bruttopreis oder den Nettopreis abgezielt werden. Da Preissteigerungen in aller Regel kaum durchsetzbar sind, kann versucht werden, den Bruttopreis zu steigern, indem zusätzlich zum Grundpreis Zusatzverkäufe realisiert werden. Dabei kann es sich um Sach- und / ​oder Dienstleistungen handeln. Bei Sachleistungen ist vor allem an Zubehör wie Peripherie, Ausstattungen oder Nebenprodukte zu denken. Da diese zur Nutzung des Produkts erforderlich sind oder diese zumindest verbessern, kann der Rechnungsbetrag eines Abschlusses erhöht werden. Die Automobilindustrie beweist, dass dabei Zuschläge von 20 % auf den Grundpreis keine nennenswerte Hürde darstellen. Bei Dienstleistungen ist an produktbegleitende Kundendienste im Nachkaufbereich zu denken. Dazu gehören etwa Wartungs- oder Ersatzteilservices, Helplines / ​ Hotlines, Schulungen etc. Denkbar ist auch eine Verbesserung des Nettopreises, also der effektiven Erlöse aus einem Geschäftsabschluss. Zwischen Brutto- und Nettopreis liegen Preisnachlässe, die erhebliche Ausmaße annehmen können. Ursache dafür sind entweder Einstiegskonditionen, die, leichtfertig vergeben, ein Erlösniveau etablieren, von dem man als Anbieter kaum mehr herunter kommt, oder das Ausspielen von Nachfragemacht durch den Vertragspartner. Bei diesen Nachlässen handelt es sich um Rabatte und andere Erlösschmälerungen wie Zugaben, Vertragsstrafen, Gutschriften, Provisionen, Zahlungsausfall, Wechselkursänderungen etc. Der Bestandskundenanteil (BKA, auch Wiederholungskaufrate genannt) ist das Komplement zum Neukundenanteil und ergibt sich wie folgt: Kundenzahl/-umsatz mit Geschäftsbeziehung in der / ​den Vorperiode(n) BKA = × 100 Gesamtkundenzahl / -umsatz

9.1 Kundenmanagement

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Bestandskunden sind damit Wiederholungskäufer und weisen eine gewisse Käuferloyalität auf. Problematisch ist zu bestimmen, ab wann Bestandskunden als Stammkunden zu qualifizieren sind, also solche, die eine überhöhte Loyalität aufweisen. Die Bindung von Bestandskunden kann aus Gebundenheit, also unfreiwilliger Bindung aus technischen, vertraglichen oder ökonomischen Gründen, resultieren oder aus Verbundenheit, also freiwilliger Bindung aus emotionalen oder habituellen Gründen. Die Abwanderung von Bestandskunden ist im Wesentlichen durch Unzufriedenheit mit der Betreuung oder, selbst bei Zufriedenheit, mit der emotional motivierten Suche nach Abwechslung zu erklären. Eine Absatzmengensteigerung, je Auftrag oder in erhöhter Frequenz, ist durch die Erhöhung des Lieferanteils in der Produktgruppe als Share of customer möglich. Dabei soll erreicht werden, dass ein Kunde möglichst große Anteile seines Bedarfs in einer Produktgruppe beim eigenen Unternehmen kauft oder eine andere Produktgruppe durch die eigen angebotene substituiert. Prinzipiell ist die Obergrenze des Absatzes erst erreicht, wenn ein Kunde seinen gesamten Bedarf in einer Produktgruppe beim eigenen Unternehmen deckt als Single sourcing. Solange dies nicht erreicht ist oder substituierbare Produktgruppen anderweitig zugekauft werden, ist die Absatzmengensteigerung eine vordringliche Aufgabe des Vertriebs, weil dort Mehrabsätze relativ am leichtesten erreichbar sind. Der Share of customer (auch Kundenlieferanteil) gibt aus Sicht des Lieferunternehmens an, welcher Anteil der Ausgaben eines Kundenunternehmens in einer Produktkategorie auf eigene Produkte dieser Kategorie entfällt. Die Formel lautet: Umsatz des eigenen Unternehmens bei einem Kunden in einer Produktkategorie (alt. Umsatz der eigenen Produkte an allen Produkten in der eigenen Produktgruppe) SoC = × 100 Gesamte Ausgaben des Kundenunternehmens in dieser Kategorie

Rechenbeispiel: • Beschaffungsvolumen eines Abnehmers in einer Produktgruppe: 1.000.000 € p. a. • eigener Lieferanteil in dieser Produktgruppe: 250.000 € p.a. • Der Share of customer beträgt 25 %. • Das korrespondierende Umsatzsteigerungspotenzial beträgt 300 %. Primäres Ziel jedes Lieferunternehmens sollte es sein, Single sourcing-Lieferant bei seinen Kunden zu werden. Das bedeutet, dass der Umsatz des eigenen Unternehmens bei einem Kunden in einer Produktkategorie den gesamten Ausgaben des Kundenunternehmens in dieser Kategorie entspricht (SoC = 1). Solange der Quotient < 1 ist, bleibt ein mehr oder minder erhebliches Wachstumspotenzial für mehr Umsatz mit bestehenden Kunden, das in aller Regel leichter und kostengünstiger zu erschließen ist als Umsatzwachstum durch Akquisition.

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9. Die Vertriebssteuerung

9.1.3.4 Produktwerterhöhung Es ist durchaus typisch für Nachfrager, dass diese im Laufe ihres Lebenszyklus eine „Produktkarriere“ vollziehen, d. h., sich von einem Einstiegsprodukt durch steigende Anforderungen in Richtung anspruchsvollerer Produkte fortentwickeln. Um von dieser Entwicklung profitieren zu können, ist es für einen Anbieter unerlässlich, dem Kunden eine solche anbietertreue Produktkarriere zu ermöglichen (Up selling). Dies wiederum setzt das Angebot anspruchsvollerer Produkte im eigenen Programm voraus. Als Mittel wird dazu eine Produktdifferenzierung erforderlich. Dabei handelt es sich um abgestufte Versionen eines Produkts, das Kunden auf verschiedenen Anspruchsniveaus offeriert wird. Häufig geht damit eine vertikale Markenhierarchie einher, d. h., die anspruchsvolleren Produkte werden unter einer Premiummarke angeboten. Dadurch bleibt die Absatzmenge stabil, es sei denn, es gelingt, dem Kunden zusätzlich zur Erstmarke auch die Premiummarke anzudienen. Dies ist etwa möglich, wenn der Kunde selbst Wiederverkäufer ist oder eigene Produkte verschiedenen Anspruchsniveaus als Weiterverarbeiter herstellt. Eine weitere Möglichkeit der Produktwerterhöhung besteht durch Add-ons (wie Zubehör). Oft sind diese Items deutlich großzügiger kalkuliert als das eigentliche Kernprodukt. Eine klassische Kennzahl betrifft den durchschnittlichen Umsatz (Bon) pro Produktgruppe je Kunde. Dieser ergibt sich wie folgt: ø Umsatz pro Produktgruppe t2 Produktwert = ø Umsatz pro Produktgruppe t1

Rechenbeispiel: • ø Umsatz pro Produktgruppe t1 : 500 € • ø Umsatz pro Produktgruppe t2 : 550 € • Der Produktwert hat sich c. p. um 10 % erhöht, analog auch der Gewinn. Ein Quotient > 1 indiziert eine Produktwerterhöhung, sofern andere Einflussfaktoren wie Preiserhöhung, technischer Fortschritt, Kaufstrukturveränderungen etc. ausgeschlossen werden können.

9.1.3.5 Produktanzahlerhöhung Dabei geht es darum, einem Kunden, zu dem Geschäftsbeziehungen in einer Produktgruppe unterhalten werden, auch eine oder mehrere andere Produktgruppen, die im eigenen Programm vertreten sind, anzudienen (Cross selling / ​Share of wallet). Es geht also um die Steigerung des eigenen Anteils an allen Ausgaben des Kundenunternehmens. Dies ist immer dann möglich, wenn es sich beim Abneh-

9.1 Kundenmanagement

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mer um eines der verbreiteten Mehrprodukt- oder diversifizierten Unternehmen handelt oder dort mit Handelsware gearbeitet wird. Eine Obergrenze ist hier zumindest theoretisch erst erreicht, wenn ein Kunde alle Produktgruppen aus dem eigenen Programm bezieht. Eine Messung der Zielerreichung ist durch die Cross selling-Rate möglich, d. h. die Anzahl der durch einen Kunden bezogenen Produktgruppen zu allen Produktgruppen im Anbieterprogramm. Dieser Quotient schwankt zwischen 0 und 1. Rechenbeispiel: • Anzahl der durch den Kunden A bezogenen Produktgruppen im Programm: 3 • Anzahl der für diesen Kunden relevanten Produktgruppen im Programm: 12 • Die Cross selling-Rate beim Kunden A beträgt dann 1/4, d. h. 25 %. • Die Steigerungsfähigkeit bezogen auf diese Cross selling-Rate beträgt bei diesem Kunden allein 300 %.

9.1.3.6 Referenzierung und Weiterempfehlung Das Empfehlungs- und Referenzmanagement hebt auf die Nutzung einer Kundenbeziehung zum Aufbau weiterer Kundenbeziehungen ab. Eine solche Referenzierung ist von potenziellen Kunden vielfach gewünscht, reduziert sie doch das mit jeder Aufnahme einer neuen Geschäftsbeziehung verbundene Risiko. In zahlreichen Märkten entsteht dadurch sogar eine Schließung für Anbieter, denn da diese nicht in der Lage sind, Referenzen beizubringen, werden sie bei der Auftragsvergabe nicht berücksichtigt und erhalten deshalb auch keine Chance auf eine Referenz. Nach dem Ausmaß sind verschiedene Stufen zu unterscheiden. Eine Passivreferenz bedeutet, dass man bei Prospects auf andere Kunden in dem Sinne hinweist, dass zu diesen erfolgreiche, laufende oder ausgelaufene Geschäftsbeziehungen bestehen / ​bestanden. Dies ist aber in vielen Fällen zu schwach. Eine Aktivreferenz bedeutet daher, dass man auf Kunden derart hinweist, dass potenzielle Abnehmer sich bei diesen über die Qualität der Geschäftsbeziehung zum eigenen Unternehmen informieren können. Dies setzt naturgemäß voraus, dass dies mit den aktiv referenzierenden Kunden abgesprochen worden ist, meist unter Angabe eines zuständigen Mitarbeiters. Eine Weiterempfehlung bedeutet, dass ein Kunde aufgefordert / ​unaufgefordert Geschäftsfreunden gegenüber empfehlend für das eigene Unternehmenauftritt. Dies ist die überzeugendste Form. Sie kann forciert werden, indem Kunden für diesen Fall Vorteile in Aussicht gestellt werden, z. B. Werbegeschenke bei „Kunden werben Kunden“-Aktionen. Außerdem ist es sinnvoll, bei neuen Kundenkontakten nach solchen Weiterempfehlungen gezielt zu fragen.

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9. Die Vertriebssteuerung

Die Referenz kann sich auf verschiedene Inhalte beziehen. Denkbar ist die Produktreferenz, die sich auf die Qualität der gelieferten Produkte bezieht, die Prozessreferenz, die sich auf die Zuverlässigkeit der Interaktion bezieht wie z. B. die Einhaltung von Kostenvoranschlägen oder verabredeten Timings. Außerdem können sich Referenzen auf Know-how, Koalitionen oder Integration beziehen. Als Kennzahl ergibt sich die Cross reference-Rate in den verschiedenen Ausprägungen, d. h. die Anzahl akquirierter Aufträge auf Basis der Referenzierung / ​ Weiterempfehlung an allen vorgenommenen Referenzierungen. Rechenbeispiel: • Anzahl vorgenommener Referenzierungen bei Interessenten im Zeitraum 2018– 2022 : 20 • Anzahl akquirierter Aufträge unter Bezugnahme auf diese Referenzierung im gleichen Zeitraum: 8 • Die Cross reference-Rate beträgt daher 40 %.

9.1.3.7 Informations- und Integrationsnutzen Der Informationsnutzen einer bestehenden Geschäftsbeziehung ist kaum zu unterschätzen. Allein die Tatsache, dass man den Status des In supplier innehat, führt zu vielfältigen Informationen, die, wenn nur eine Antenne dafür ausgeprägt ist, zu multiplen Vorteilen führen. So erhalten Verkäufer von ihren Kunden wichtige Hinweise auf neue Produkte, die ins Programm aufgenommen, oder bestehende, die eliminiert werden sollen, auf Produktvariationen und anstehende Facelifts, auf die Eröffnung neuer oder Schließung alter Betriebsstätten, die Bearbeitung zusätzlicher oder Aufgabe bestehender Gebietsmärkte, anstehende organisatorische Veränderungen etc. Und dies jeweils im Regelfall, bevor diese Inhalte ansonsten außerhalb des Unternehmens bekannt werden. Schließlich folgen aus Running business auch Hinweise auf Konkurrenzaktivitäten gegenüber den eigenen Kunden und Einstellungen entscheidender Mitarbeiter gegenüber dem eigenen Unternehmen. In diesen Fällen gilt es, unmittelbar zu überlegen, welche Geschäftschancen sich aus diesen Veränderungen ergeben und proaktiv tätig zu werden. Auf diese Weise können langwierige Ausschreibungsrunden abgekürzt, wenn nicht sogar ganz vermieden werden. Ein enormer Kooperationsnutzen entsteht durch die zunehmende Verschränkung der Wertschöpfungsketten durch Kundenintegration. Im Rahmen des Outsourcing und der Bildung von Wertkettennetzwerken werden die Aktivitäten von Lieferanten und Kunden immer feinteiliger getaktet. So ist Kunden eine autonome Veränderung kaum mehr möglich, ohne ihre Lieferanten frühzeitig und vollständig zu informieren. Diese Information ist nicht nur unerlässlich, sondern auch ge-

9.1 Kundenmanagement

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wünscht, kann doch auf diese Weise die Kernkompetenz der Netzwerkpartner erst ausführlich genutzt werden. Aus dieser Verschränkung folgt nicht selten eine Kundengebundenheit, d. h., der Kunde kann dem Lieferanten nicht ohne Weiteres aufkündigen, weil dieser nicht ad hoc austauschbar ist. Dies gilt umso mehr, je stärker sich der Lieferant mit der Wertkette des Kunden verschränkt hat durch technische Inkompatibilität der Produkte, juristische Bindung an den Lieferanten aus Rahmenvertrag oder ökonomische Wechselbarrieren. Problematisch ist die Quantifizierung dieser Nutzen. Am ehesten wird man dem durch einen Multiplikator > 1 in Bezug auf die zugrunde gelegte Erfolgsgröße (Umsatz, Absatz, Deckungsbeitrag o. Ä.) gerecht. Anhaltspunkte dafür sind InsourcingUmfang, Spezifität der Zulieferung, Beziehungsdauer, erlebte Kundennähe etc.

9.1.3.8 Kundenevaluierung Aber nicht zu allen Kunden können profitable Geschäftsbeziehungen unterhalten werden. Bevor solche Geschäftsbeziehungen vorschnell aufgegeben werden, ist in jedem Fall zu prüfen, wie ein positiver Kundenwert realisiert werden kann. Dafür bieten sich zwei Ansatzpunkte: die Senkung der Einzahlungen in den Kunden und die Steigerung der Auszahlungen von dem Kunden. Die Senkung der Einzahlungen in Kunden kann auf mehrfache Weise erfolgen, vor allem durch folgende. Bei der Betreuungsumstellung von Push auf Pull ist sowohl an geringeren Aufwand zur Kundenpflege, etwa niedrigere Besuchshäufigkeit, gedacht als auch an den vollständigen oder zumindest teilweisen Ersatz des Persönlichen Verkaufs im Face to face durch E-Commerce. Dafür nimmt allerdings womöglich die Kundenbindung ab. Dadurch können die Anbahnungs- und Unterhaltskosten erheblich vermindert werden. Zugleich geht damit eine Steigerung des Servicegrads einher, da das Angebot nunmehr, personenunabhängig, zeit- und ortsungebunden in Anspruch genommen werden kann. Durch geeignete Konfiguratoren kann den Kundenwünschen weitgehend entsprochen werden. Sind die Features mit einem Kalkulationsprogramm hinterlegt, können zugleich Standardangebotspreise ausgewiesen werden, durch deren Bestätigung der Kunde die Lieferung auslösen kann. Bei der Absatzwegeumstellung ist an eine Umstellung von direktem Absatzweg auf indirekten Absatzweg gedacht. Durch die Funktionsübernahme seitens der Absatzmittler entfällt vielfältiger Aufwand der Kundenbedienung. Dafür sind die Erlöse um die Handelsspanne niedriger. Diese Effekte gilt es, gegeneinander abzuwägen. Bei der Kundenweitergabe ist an den „Verkauf“ einer Kundenbeziehung gegen Provision oder Abschlag an Kollegenanbieter mit günstigerer Kostenstruktur gegen

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9. Die Vertriebssteuerung

Ausgleichszahlung gedacht. Denn womöglich können Anbieter mit anderer Kostenstruktur einen Kunden profitabler bzw. rentabler bedienen. Bei der proaktiven Vermeidung von Kundenwiedergewinnungsaufwand ist sowohl an Aktivitäten zur Kundenverbundenheit, vor allem durch Zufriedenheit und Präferenz zu denken, als auch an solche zur Kundengebundenheit. Die Steigerung der Auszahlungen von Kunden kann ebenfalls auf mehrfache Weise erfolgen, vor allem durch folgende. Bei einer Preiserhöhung ist an die Durchsetzung höherer Preise je Leistungseinheit gedacht. Fraglich ist allerdings, ob dies, etwa angesichts nachfragemächtiger Kunden, tatsächlich realisierbar ist. Bei der bewussten Vorenthaltung von Leistungen ist an die Forderung von Mindestauftragsgrößen oder Mindermengenzuschlägen gedacht, um zu höheren Auftragsvolumina je Transaktion zu gelangen. Womöglich werden potenzialstarke Kunden dadurch jedoch abgeschreckt. Beim Bundling ist an die Bündelung mehrerer Produkte zu größeren Auftragseinheiten gedacht. Zugleich kann davon ein höherer Kaufanreiz ausgehen, etwa durch ganzheitliche Problemlösung, Preisvorteil etc. Bei der Koevolution mit dem Kunden ist daran gedacht, dass Kunden sich wirtschaftlich positiv entwickeln und insofern im Zeitablauf ihren Betreuungsaufwand mehr als rechtfertigen. Die Kundenwertermittlung darf aufgrund ihrer weit reichenden Konsequenzen keine einmalige, fallweise eingesetzte Anstrengung bleiben, sondern muss in regelmäßigen, zumindest jährlichen Abständen neu vorgenommen werden. Dabei werden die relevanten Inputfaktoren für den Kundenwert neuerlich hinsichtlich ihrer Berechtigung und Höhe überprüft. Um diese Änderungen einbeziehen zu können, ist wiederum eine kontinuierliche Erfassung aller relevanten Informationen erforderlich. In wesentlichen Fällen ist auch eine unterjährige Korrektur angezeigt, etwa wenn politisch-rechtliche, ökonomische, technische, ökologische oder soziale Veränderungen zu einer erheblichen Neubewertung einer Kundenbeziehung veranlassen. Bei Kunden, deren Kundenwert nicht akzeptabel ist und auch durch Maßnahmen der Auszahlungssteigerung bzw. Einzahlungssenkung nicht verbesserungsfähig scheint, ist eine Ausgrenzung vorzunehmen. Das heißt, es ist betriebswirtschaftlich sinnvoll, sich von diesen Kunden zu trennen. Dadurch entfällt deren Aufwand vollständig, allerdings auch deren Ertrag. Dies führt zur Kundenausgrenzung. Für die anderen lohnt sich eine Investition in Gefährdungsphasen zur Kündigungsprävention und Kundenrückgewinnung.

9.1 Kundenmanagement

531

9.1.3.9 Kundenreaktivierung Bei vielen Kundenbeziehungen ist schwierig zu unterscheiden, ob es sich überhaupt noch um eine bestehende Kundenbeziehung handelt oder ob der Kunde bereits abgewandert ist. Als Anhaltspunkt kann die durchschnittliche Wiederkauffrist dienen, d. h. die Zeitspanne, die normalerweise zwischen Kaufakten vergeht und von der Art des Produkts, der Kundengröße, der Geschäftsart etc. abhängig ist. Ist eine Kundenbeziehung inaktiv insoweit, als während einer üblichen Wiederkauffrist keine Bestellung erfolgt ist, so stellt dies ein unbedingtes Alarmsignal dar. Denn entweder benötigt der Abnehmer das entsprechende Produkt nicht mehr oder er deckt seinen Bedarf bereits anderweitig durch ein substitutives Produkt oder von einem anderen Anbieter. Daher ist spätestens damit eine gezielte Ansprache inaktiv gewordener Kunden erforderlich. Je nach Status mündet dies in eine Wiederbelebung der Kundenbeziehung oder in eine Kundenrückgewinnung. Die Kundenwanderung ergibt sich als Saldo aus hinzu gewonnenen und verloren gegangenen Kunden einer Periode, konkret: Anzahl / ​Umsatz der in einer Periode hinzu gewonnenen Kunden − Anzahl / ​Umsatz der in dieser Periode verloren gegangenen Kunden. Rechenbeispiel: • Anzahl der in einer Periode hinzu gewonnenen Kunden: 100 • Umsatz der in dieser Periode hinzu gewonnenen Kunden: 10.000 € • Anzahl der in einer Periode verloren gegangenen Kunden: 120 • Umsatz der in dieser Periode verloren gegangenen Kunden: 14.000 € • Mengenbezogene Kundenabwanderung: − 20 • Wertbezogene Kundenabwanderung: − 4.000 € Als Kunden zählen dabei nur solche, die innerhalb der Periode tatsächlich Umsätze getätigt haben. Bei endlichen Ressourcen bedeutet der Ressourceneinsatz in der Akquisition meist die Vernachlässigung bestehender Kunden, die daraufhin für Abwerbungen durch Konkurrenten anfällig werden. Da die Kundengewinnung aber ungleich kostenaufwändiger ist als die Kundenbindung, resultiert erfolgreiche Akquisition allzu oft in fluktuierender Kundschaft, d. h., die neu hinzu gewonnenen Kunden ersetzen nur die zwischenzeitlich verloren gegangenen, bestehenden Kunden. Aufgrund der Kostenasymmetrie ist damit jedoch eine immer geringere Profitabilität verbunden. Um die Abwanderung von Kunden zu verhindern, bietet sich die Aufteilung in zwei Ziele an, nämlich die freiwillige Kundenverbundenheit oder die erzwungene

532

9. Die Vertriebssteuerung

Kundengebundenheit. Kundenverbundenheit beruht auf der Generierung von Präferenz und der Ausnutzung von Gewohnheitsverhalten, Kundenverbundenheit beruht auf technischen, rechtlichen oder kaufmännischen Wechselbarrieren. Letztlich kann auch versucht werden, bereits verloren gegangene Kunden zurück zu gewinnen als Churn management. Dies bedeutet allerdings vermeidbare Kosten und ist im Übrigen auch ausgesprochen schwierig.

9.1.3.10 Kundenausgrenzung Die Kundenausgrenzung bezieht sich darauf, sich quantitativ von nicht profita­ blen bzw. zahlungssäumigen oder qualitativ, von querulanten Kunden zu trennen. Dies kann auf zwei Wegen erfolgen. Erstens durch die offizielle Aufkündigung der Geschäftsbeziehung. Damit ist zwar ein klarer Schlussstrich gezogen, jedoch ist zugleich auch der Weg zu einer Revitalisierung dieser Kundenbeziehung unter geänderten Vorzeichen versperrt. Daher ist eine „inoffizielle“ Beendigung ratsam, bei der man zunächst versucht, die Kundenbeziehung profitabel zu machen und wenn dies nicht gelingt, der Kunde selbst die Beziehung einstellt. Dafür sind verschiedene Maßnahmen denkbar: • Änderung der Produkteigenschaften, die das Produkt für diese Kundensegmente uninteressant machen, • Vorenthalt neuer Unternehmensleistungen, z. B. Garantie, oder Verfügbarkeitslimitation, • Produktelimination bei Kunden, die dieses Produkt ordern, • Erhöhung der Preise und Verschlechterung der Konditionen für Unternehmensleistungen mit Preisdiskriminierung, • Verlängerung der Auftragsbearbeitungs- bzw. Lieferzeiten, • Verfall von Gutschriften, • Veränderung / ​Verschlechterung der Zahlungsbedingungen, • Veränderung / ​Verkürzung der Kündigungsfristen, • Beendigung der Werbemaßnahmen, • erkennbar bevorzugte Behandlung anderer Kunden mit vorteilhafterer Trans­ aktionshistorie, • reduzierte Kontaktzeit je Kundenbesuch oder längere Wartezeiten am Telefon, • Bepreisung bisher kostenlos angebotener Services bzw. Einführung von Gebühren,

9.1 Kundenmanagement

533

• Hinweis auf notleidenden Kundenstatus mit Aufforderung zur Verhaltensänderung, • reduzierte Anzahl der Besuchskontakte je Periode, • Abbau vorhandener Distributionswege, die diese Kundensegmente frequentieren, z. B. Schließung von Filialen, • Verweigerung des Zugriffs auf neue Distributionswege. Die Kundenausgrenzung trifft im Vertrieb weit verbreitet auf Widerstand, denn natürlich liebt jeder Verkäufer seine Kunden, die er vielleicht selbst akquiriert, zumindest aber intensiv betreut hat. Und die Tatsache eines positiven Deckungsbeitrags signalisiert ihm vordergründig, dass dieser Kunde neben der Fixkostendeckung im gesamten Unternehmen auch zu dessen Gewinn beiträgt, damit also aus seiner Sicht profitabel ist. Aber erstens reicht das nicht aus, sondern er muss mindestens die Rendite einer risikolosen anderweitigen Geldanlage plus einer Risikoprämie erwirtschaften und zweitens ist eine statische, vergangenheits- und gegenwartsbezogene Betrachtung nicht hinreichend, vielmehr muss die prognostizierte Geschäftsentwicklung dieses Kunden eingerechnet werden. Und angesichts dieser Faktoren ist es sinnvoller, knappe Ressourcen auf im Kundenwert stärkere Abnehmer zu fokussieren. Da die Mittel aber begrenzt sind, geht dies nur zulasten kundenwertschwächerer Abnehmer, mithin durch Ausgrenzung gering profitabler Kunden. Man muss nicht alle Kunden haben, sondern nur die profitablen, die anderen gönnt man der Konkurrenz. Dennoch ist es wichtig, die Gestaltung der Kundenbeziehungen selbst bei Herunterfahren des Aktivitätenniveaus oder gar Kundenausgrenzung immer so vorzunehmen, dass dadurch kein Schaden beim konkreten Kundenkontakt entsteht. Denn dieser kann zu einem Schaden im Markt, etwa durch negative Meinungsmultiplikation, oder zu Widerstand, etwa im Fall einer später gewünschten Wiederaufnahme bzw. Intensivierung der Geschäftsbeziehung, führen. Am Ende ist es wichtig, einen möglichst treuen Stamm von Kunden zu haben, der ein hohes Verbundenheitsgefühl zum Anbieter empfindet. 9.1.3.11 Kündigungsprävention Jede Kündigung eines Kunden ist ein Alarmsignal, bricht doch dadurch der Kundenwert in sich zusammen. Daher ist der Einsatz selbst erheblicher Ressourcen zur Kundenrückgewinnung gerechtfertigt (s. u.). Weitaus wirtschaftlicher ist es jedoch, durch ein sensibles Frühwarnsystem bereits erste Anzeichen dafür auszumachen, dass ein Kunde „auf dem Absprung“ ist. Denn selten erfolgt eine Aufkündigung der Geschäftsbeziehung schlagartig und unerwartet, regelmäßig gibt es vielmehr frühzeitig Indikatoren, die bei sorgfältiger Sichtung auf eine Gefährdung der Kundenbeziehung hinweisen. Dabei handelt es sich etwa um folgende:

534

9. Die Vertriebssteuerung

• nachlassendes Interesse des Kunden an den Anbieteraktivitäten, • Kunde hat keine Zeit mehr für Gesprächstermine, • Kunde lädt nicht mehr zu eigenen Informationsveranstaltungen ein, • Kunde sucht geradezu Kleinigkeiten, um sich zu beschweren, • neue Spezifikationen erhalten die Referenzwerte von Konkurrenten, • kein Zugang mehr zum Abschluss von Rahmenverträgen, • Kunde darf nicht mehr als Referenz genannt werden. Der Erfolg der Kündigungsprävention wird durch die Retention rate wie folgt gemessen: Anzahl der tatsächlich wiederkaufenden Kunden Retention rate =  × 100 Anzahl der kündigungsgefährdeten Kunden

Rechenbeispiel: • Anzahl der kündigungsgefährdeten Kunden in Periode t1: 300 • Anzahl der davon tatsächlich wiederkaufenden Kunden in Periode t2: 285 • Die Retention rate beträgt 95 %, was ein sehr respektabler Wert ist. 9.1.3.12 Kundenrückgewinnung Zur Vermeidung einer Abwanderung können vielfältige Maßnahmen eingeleitet werden. Diese erfordern immer eine Analyse der Ursachen für drohende Kündigungen. Dafür kommen vor allem drei Ursachengruppen in Betracht. Pushed-away clients sind solche, die aus Gründen der Unzufriedenheit mit dem Anbieter zur Konkurrenz wechseln wollen. Hier gilt es, die Unzufriedenheitsstifter abzustellen. Diese können sowohl im Produkt selbst als auch den betreuenden Mitarbeitern oder technischen Rahmenbedingungen wie Auftragsabwicklung, Termin- und Kostentreue etc., liegen. Pulled-away clients sind solche, die trotz hinlänglicher Zufriedenheit durch vorgeblich oder tatsächlich noch vorteilhaftere Angebote der Konkurrenz abgeworben zu werden drohen. Hier ist im Detail nachzuvollziehen, worin diese Überlegenheiten bestehen und ob diese im Einzelfall betriebswirtschaftlich gerechtfertigt egalisiert werden können oder auch nur wirklich vorhanden sind. Broken-away clients sind solche, die aus objektiven Gründen nicht mehr als Kunden in Frage kommen. Gründe dafür können sein, dass das Unternehmen insolvent geworden ist, die Produktion, für welche die Lieferung relevant war, aufgegeben oder der Produktionsstandort verlagert worden ist. Hier liegt kein Ver-

9.2 Zufriedenheitserfassung

535

schulden des Anbieters vor, dennoch ist unbedingt zu überlegen, wie profitable Kunden auch in diesem Fall gehalten oder weiter genutzt werden können, etwa durch Weiterreichung an Kollegenanbieter. Als Kennzahl für den Erfolg der Kündigungsprävention gilt die Retention rate, d. h. der Anteil aller wiederkaufenden Kunden an allen gefährdeten Kunden. Die Kundenrückgewinnung ist ein aufwendiges Unterfangen, denn warum sollte ein Kunde, der eine Geschäftsbeziehung zu einem Anbieter gerade aufgegeben hat, wieder zu diesem zurückkehren. Abgesehen vom Fall der Suche nach Abwechslung als Variety seeking dürften erhebliche Unzufriedenheiten mit dem Anbieter ursächlich sein, die Kunden angesichts intensiven Wettbewerbs und hoher Leistungsstandards nicht hinnehmen müssen. Zudem besteht als Out-supplier üblicherweise gar kein direkter Zugriff mehr auf den Kunden. Um dennoch zum Erfolg zu gelangen, werden erhebliche Aufwendungen, etwa als Gutschriften, Geschenke, Preisvorteile etc., eingesetzt, die nur vor dem Hintergrund des damit zu rettenden Restlebenszeitwerts nachvollziehbar sind. Dies lohnt dennoch im Regelfall. Weitaus effizienter ist aber eine Kündigungsprävention (s. o.). Da Vertrieb „People business“ ist, kann eine Kundenrückgewinnung auch bereits durch einen Wechsel in der Kundenbetreuung erreicht werden. Als Kennzahl für den Erfolg der Kundenrückgewinnung gilt die Churn rate, d. h. der Anteil der die Geschäftsbeziehung nach erfolgter Kündigung / Abwanderung durch Rückgewinnungsaktivitäten wiederaufnehmenden Kunden an allen die Geschäftsbeziehung kündigenden Kunden. Rechenbeispiel: • Anzahl der in einer Periode kündigenden Kunden, an die sich Rückgewinnungsmaßnahmen richten: 10 • Anzahl dieser Kunden, welche die Geschäftsbeziehung wieder aufnehmen: 2 • Die Churn rate beträgt demnach 1/5, d. h. 20 %.

9.2 Zufriedenheitserfassung Die Kundenzufriedenheit ist in jüngerer Vergangenheit zum zentralen Faktor des Vertriebsmanagements geworden. Unter Kundenzufriedenheit versteht man die Erfüllung von Erwartungen von Nachfragern an die Merkmale einer Leistung durch das Erlebnis dieser Leistung selbst. Wichtig ist, dass es dabei nicht auf die objektive, technische Qualität einer Leistung ankommt, sondern nur auf die subjektive Wahrnehmung dieser Qualität. Weil es sich bei Zufriedenheit um eine subjektive Größe handelt, führen auch objektive Messgrößen wie Umsatz, Marktanteil, Eroberungs- bzw. Loyalitätsraten etc. in die Irre. Vielmehr müssen subjektive Mess-

536

9. Die Vertriebssteuerung

verfahren genutzt werden. Dafür bieten sich Verfahren der Qualitätsvermutung und der subjektiven Zufriedenheit an. Bei der subjektiven Qualitätsvermutung geht es um verschiedene Ansätze. Die Expertenbeobachtung versucht, durch Ermittlung der Eindrücke geschulter Fachleute Anhaltspunkte für den Zufriedenheitsgrad in der Kundschaft zu erreichen. Ein Beispiel ist das Supermarkt-Barometer. Es reflektiert folgende Aspekte: – erster Eindruck: Außenansicht, Werbung / ​Plakatierung, Eingangsbereich, Einkaufswagen, – Obst + Gemüse: Warenfrische, Warenfülle, Sauberkeit der Abteilung, Ordnung der Abteilung, – Atmosphäre: Aufgeräumter Laden, Sauberkeit / ​Hygiene, Beleuchtung, Aktionsflächen, – Mitarbeiter: Bekleidung, Namensschilder, Aufmerksamkeit, Hilfsbereitschaft, Umgangston, – Warenangebot Fleisch / ​Wurst / ​Käse: genügend Ware, genügend Personal, informiertes Personal, freundliches Personal, Sauberkeit, – Verkaufsbereitschaft allgemein: Sind die Regale aufgefüllt / ​Lücken, sind sie aufgeräumt, sauber, aussagefähig beschildert, – Leergutabwicklung: Personal vorhanden, Bedienung, Sauberkeit, – Brot, Kuchen, Mopros, TKK, Eiscreme: genügend Ware, Warenfrische (MHD), – Kassen: Besetzung, Schnelligkeit, Sauberkeit, Freundlichkeit, – Ausgangsbereich: Sauberkeit, Ordnung. Die Aussagefähigkeit darf jedoch bezweifelt werden. Der Testkäufereinsatz leitet dieses Ergebnis aus exemplarischen Kontaktsituationen zwischen Anbieter und Scheinnachfragern ab. Auch dies scheint problematisch. Neutrale Tests versuchen hingegen, aus der Qualität eines Produkts auf die mutmaßliche Zufriedenheit von Käufern zu schließen. Auch das ist fehlleitend. Das Willingness to pay-Verfahren schließlich schließt aus der Preisbereitschaft für ein Produkt auf dessen mutmaßliche oder erlebte Zufriedenheit. Bei der subjektiven Zufriedenheitsmessung gibt es im Einzelnen explorative, merkmalsorientierte, ereignisorientierte und problemorientierte Ansätze. Explorative Verfahren arbeiten mit Befragungen. Die Globalbeurteilung versucht dabei, ganzheitlich die Zufriedenheit mit einem Anbieter / ​Angebot zu erfassen. Dies greift jedoch zu kurz. Fokusgruppen-Verfahren, etwa als Kundenforen, wollen aus der Diskussion um das Beurteilungsobjekt unter Kunden die Zufriedenheit ableiten. Beim Tell a story-Verfahren werden Kunden gebeten, typische Erlebnisse mit dem Anbieter / ​Angebot zu schildern. Daraus wird dann auf deren Zufriedenheit

537

9.2 Zufriedenheitserfassung

Leistungswahrnehmung

Leistungserwartung niedrig

hoch

niedrig

Verbesserung unerlässlich

große Kundenenttäuschung

hoch

gefährdete Konkurrenzfähigkeit

Zufriedenheit auf hohem Niveau

Abbildung 100: Servqual-Messkombinationen

geschlossen. Multiattributive Verfahren wollen das komplexe Zufriedenheitsurteil mittels Erhebung in eine Vielzahl dies verursachender Einzelelemente aufsplitten. Dies ist zwar theoretisch gut gestützt, praktisch aber sehr aufwändig. Merkmalsorientierte Verfahren erheben einzelne Leistungsmerkmale und leiten daraus die Zufriedenheit ab. Das bekannteste Verfahren ist sicherlich Servqual. Dabei werden 22 standardisierte Merkmale anhand zweier fünfstufiger, polarer Skalen (gut – schlecht) jeweils danach erhoben, was ein Kunde an Leistung wahrnimmt und wie idealerweise diese Leistung ausgeprägt sein soll. Aus der Diskrepanz zwischen Ist und Soll wird auf den Zufriedenheitsgrad geschlossen (siehe Abbildung 100: Servqual-Messkombinationen). Die Vignette-Methode leitet Zufriedenheit aus Schlüsseleindrücken ab, die stellvertretend für den gesamthaften Eindruck eines Anbieters / ​Angebots stehen. Kundenmonitore erheben Zufriedenheiten auf großer, repräsentativer Fallzahl anhand grob gerasterter Merkmale. Als zufriedenheitskritische Merkmale werden solche unterschieden, deren Vorhandensein Unzufriedenheiten vorbeugt, aber noch nicht Zufriedenheit schafft sowie solche, deren Fehlen allein noch keine Unzufriedenheit, deren Vorhandensein aber Begeisterung hervorruft. Außerdem gibt es Leistungsmerkmale (je mehr, desto besser). Ereignisorientierte Verfahren stellen konkrete Interaktionen zwischen Anbieter und Nachfrager in den Mittelpunkt. Die Kritische Ereignismessung geht von subjektiv als besonders bedeutsam erlebten Ereignissen aus. Das können besonders positive aber auch besonders negative Erlebnisse sein, die prägend für den Zufriedenheitseindruck eines Anbieters / ​Angebots sind. Bei der sequenziellen Ereignismessung gehen Kunden in Form eines chronologischen Ablaufs alle von ihnen wahrnehmbaren Ereignisse in der Interaktion durch. Daraus leiten sich dann die Erfordernisse zur Sicherung der Zufriedenheit auch im nicht-kundenwahrnehmbaren Bereich ab. Problemorientierte Verfahren machen an einzelnen problembeladenen Aspekten der Interaktion zwischen Anbieter und Nachfrager fest. Die Problementdeckungs­

538

9. Die Vertriebssteuerung

methode schafft Aussagen über die Dringlichkeit einer Problembehebung zweidimensional anhand der Häufigkeit des Problemauftritts und der Bedeutung dieser Probleme. In die gleiche Richtung arbeitet die Frequenz-Relevanz-Analyse für Probleme, die zusätzlich das Verärgerungsausmaß und die angekündigte Beschwerdereaktion erfasst (siehe Abbildung 101: FRAP-Matrix).

Problemrelevanz

Problemfrequenz niedrig

hoch

niedrig

unterste Priorität

mittlere Priorität

hoch

mittlere Priorität

oberste Priorität

Abbildung 101: FRAP-Matrix

Insgesamt lassen sich vier verbreitete Quellen für Unzufriedenheiten erkennen. Erstens die Lücke zwischen dem, was ein Kunde bzw. Interessent für wichtig hält und dem, was der Anbieter glaubt, dass für diese wichtig ist, als Informationslücke. Zweitens die Lücke zwischen den betrieblichen Auffassungen über Kundenerwartungen und der Umsetzung der daraus resultierenden Qualitätsstandards als Normierungslücke. Drittens die Lücke zwischen den Spezifikationen dieser Qualitätsstandards und der überwiegend tatsächlich erfolgenden Leistungsausführung als Umsetzungslücke. Und viertens die Lücke zwischen der an Kunden gerichteten Information und der tatsächlichen Leistungsausführung als Kommunikationslücke. Die Summe dieser Lücken ist das Maß enttäuschter Kundenerwartungen, mithin der Unzufriedenheiten.

9.3 Unzufriedenheitshandling Kundenunzufriedenheit drückt sich idealerweise in Beschwerden aus. Beschwerden sind Artikulationen von Unzufriedenheit seitens der Kunden, anderer Personen oder Organisationen, die gegenüber dem Anbieter direkt, Angehörigen des eigenen sozialen Umfelds oder Drittinstitutionen mit dem Zweck geäußert werden, auf als schädigend empfundene Sachverhalte des Anbieters hinzuweisen und deren Änderung zu erreichen bzw. die Verhandlung / ​Wiedergutmachung erlittener Schäden.

9.4  Marktverantwortung

539

Reklamationen sind diejenige Teilmenge der Beschwerden, die juristisch durchsetzbar sind. Neben aktiven Beschwerdern gibt es vielfach auch Personen (inaktive Beschwerder), die sich, obgleich sie einen objektiven Beschwerdegrund haben, nicht beschweren, sondern statt dessen den Anbieter meiden und ihre Unzufriedenheit hinsichtlich des Beschwerdeverursachers an andere Personen multiplizieren, oft unter Übertreibung des Sachverhalts. Daneben gibt es auch Personen, die sich, obgleich sie keinen objektiven Beschwerdegrund haben, dennoch als Querulanten beschweren. Diese Personen sind ebenso ernst zu nehmen wie aktive Beschwerder. Zur Beschwerdeerfassung gehört eine möglichst umfassende Beschwerdeinformation, also die Erfassung des Beschwerdeproblems, des Beschwerdezeitpunkts, des Beschwerdeorts, des eigentlichen Beschwerdevorfalls und der Beschwerdefrequenz. Weiterhin die Erfassung der gewünschten Falllösung, des Beschwerdeführers, des Beschwerdeobjekts, der Beschwerdeannahme und des Beschwerdeadressaten. Dann geht es um die Beschwerdebearbeitung und die Problemlösung. Um eine gewisse Vollständigkeit zu gewährleisten, bietet sich hierzu der Einsatz von Bildschirmmasken an. Hinsichtlich der Beschwerdebearbeitung ist eine zentrale oder dezentrale Zuständigkeitsregelung denkbar. Dabei geht ein eindeutiger Trend in Richtung dezentraler Zuständigkeit durch Empowerment. Ebenso ist eine Einzelfallprüfung oder eine pauschale Anerkennung von Beschwerden als Kulanz denkbar. Hier spricht alles für eine pauschale Anerkennung, denn ein guter Kunde hat ohnehin immer Recht, weil er Kunde ist. In der Beschwerdeauswertung muss gesichert werden, dass jede Beschwerdeursache dauerhaft abgestellt wird. Insofern muss man jedem Beschwerder dankbar sein, denn er macht kostenlose Verbesserungsvorschläge.

9.4 Marktverantwortung Hinsichtlich der Marktverantwortung sind aufbauorganisatorische Einteilungen nach vertretenen Produkten (9.4.1), abgedeckten Gebieten (9.4.2), betreuten Kundenwerten (9.4.3) oder bearbeiteten Branchen (9.4.5) sowie organisationale Mischformen (9.4.5), die sich in der Vertriebspraxis gebildet haben, möglich.

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9. Die Vertriebssteuerung

9.4.1 Produktorientierte Vertriebsorganisation Geschäftsleitung

andere Funktionen

Vertrieb

andere Funktionen

Vertrieb Fruchtsäfte

Vertrieb Mineralwässer

Vertrieb Limonaden

Abbildung 102: Produktorientierter Vertrieb (Prinzip)

Bei der produktorientierten Arbeitsfeldeinteilung im Vertrieb bilden Produktgruppen oder einzelne Produkte die strukturelle Basis der Organisation (siehe Abbildung 102: Produktorientierter Vertrieb (Prinzip)). Nachfragern werden diese, gebietsübergreifend und unabhängig von der jeweiligen Kundenwertigkeit, angeboten. Daraus resultieren wichtige Vorteile. Dies ermöglicht eine weitgehende Anpassung der Vermarktungsaktivitäten an Produktbesonderheiten. Dadurch wird der Verkäufer zum Produktspezialisten, was ihm eine hohe Akzeptanz bei Nachfragern verleiht. Nachfragetrends und daraus abzuleitende Bedarfsveränderungen können frühzeitig erkannt werden. Da Einkäufer häufig produktspezialisiert eingesetzt werden, kann damit eine passende Zuordnung erreicht werden. Allerdings gibt es auch eine Reihe von Nachteilen. So entstehen bei räumlich weit verteiltem Bedarf lange Wegstrecken zwischen den einzelnen Nachfragern. Es ist keine Spezialisierung des Verkäufers auf einzelne Branchen möglich, so dass in vielen Fällen der Support von Spezialisten hinzu gezogen werden muss, was störende Interaktionseffekte bewirken kann. Es kann nur eingeschränktes Cross selling betrieben werden, es sei denn, Kollegenprämien werden weitergegeben. Nur bei A-Produkten kann vorausgesetzt werden, dass die Overheads produktspezialisierter Verkäufer tragbar sind. Es kann vorkommen, dass bei einem Kunden mehrere Verkäufer eines Lieferanten auftauchen, was keinen gut organisierten Eindruck hinterlässt. Das Programminteresse des Unternehmens gerät womöglich aus den Augen. Und Kunden denken verstärkt in Angebotssystemen statt in Einzelprodukten.

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9.4  Marktverantwortung

9.4.2 Gebietsorientierte Vertriebsorganisation Geschäftsleitung

andere Funktionen

Vertrieb

andere Funktionen

Vertrieb Nordeuropa

Vertrieb Mitteleuropa

Vertrieb Südeuropa

Abbildung 103: Gebietsorientierter Vertrieb (Prinzip)

Nahe liegend ist die Arbeitsfeldeinteilung im Vertrieb nach bearbeiteten Verkaufsgebieten, wobei jeweils verschiedene Branchen und abweichende Kundenwertigkeiten angesprochen werden (siehe Abbildung 103: Gebietsorientierter Vertrieb (Prinzip)). Dabei dienen meist Bundesländer, Postleitzahlzonen, Nielsen-Gebiete und deren Unterteilungen o. Ä. als Basis. Daraus ergeben sich eine Reihe von Vorteilen. Am vordergründigsten leuchtet der Vorteil der kurzen Wegstrecken ein, so dass Reisezeiten und damit -kosten eingespart werden können. Auch ist eine klare Zuständigkeit gegeben, da der Standort des Kunden eindeutige Auskunft über die Zuständigkeit im Verkauf gibt. Allerdings ergeben sich bereits Probleme bei Unternehmen mit verschiedenen Betriebsstandorten oder Holdings mit verschiedenen Unternehmensstandorten. Da in einem Gebiet meist Abnehmer aus verschiedenen Branchen vertreten sind, kommt es zu einem guten Risikoausgleich zwischen Branchenentwicklungen und damit zu einer Stabilisierung des Einkommens. Die Neukundenakquisition wird begünstigt, da von einem Erfahrungsaustausch von Abnehmern innerhalb einer Region auszugehen ist, welche die Identifizierung und Erschließung dieser Nachfrager erleichtert. Zugleich wird auch die Nachbetreuung erleichtert, da am Reiseweg liegende Bestandskunden anlassbezogen mitbesucht werden können. Allerdings gibt es auch eine Reihe von Nachteilen. So ist zumindest a priori keine Spezialisierung der Verkäufer auf einzelne Branchen oder Kundenwertigkeiten möglich. Dies erschwert die Argumentation und Betreuung und kann auch durch fallweises Hinzuziehen von Branchenspezialisten oder Großkundenbetreuern nicht kompensiert werden. Die Produktsteuerung ist schwierig, da aufgrund der abweichenden Abnehmerstrukturen in verschiedenen Gebieten individuelle geldliche Bevorzugungen oder Benachteiligungen von Verkäufern entstehen, die durch komplizierte Vorgabesysteme wieder ausgeglichen werden müssen. Der Ver-

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9. Die Vertriebssteuerung

käufer trägt ein erhebliches Einkommensrisiko aus der wirtschaftlichen Entwicklung des von ihm bearbeiteten Gebiets. Dies gilt nicht nur für strukturschwache Gebiete, deren Effekt durch Absatzpotenzialberechnungen ausgeglichen werden kann, sondern auch für Monostrukturen nach Branchen. Im Zuge der zunehmenden Internationalisierung der Abnehmerstandorte wird auch der Vertrieb internationalisiert. Dies bedeutet, dass verbreitet z. B. globale Zuständigkeiten in Verticals für einen Großabnehmer vorzufinden sind, z. B. in der Automobilzulieferindustrie. Probleme entstehen dabei im Verhältnis zu den Mitarbeitern der nationalen Vertriebsorganisation, die dann ihre größten Umsatzträger an ein Global key account-Management abtreten müssen. Wenn man noch bedenkt, dass es sowohl Spannungen zwischen Landesgesellschaften und Konzernführung bei Abnehmern als auch solche bei Lieferanten gibt, entsteht ein Eindruck der Komplexität der Vertriebsbezüge, obgleich gute Beziehungen im Verkauf von alles entscheidender Bedeutung sind.

9.4.3 Kundenwertorientierte Vertriebsorganisation Geschäftsleitung

andere Funktionen

Vertrieb

andere Funktionen

Vertrieb Discounter

Vertrieb Warenhäuser

Vertrieb Filialisten

Abbildung 104: Kundenwertorientierter Vertrieb (Prinzip)

Die Einteilung des Arbeitsfelds im Vertrieb nach Kundenwertigkeiten ist eine sehr nahe liegende, kann doch vereinfachend unterstellt werden, dass 20 % der Kunden, die A-Kunden / ​Preferred accounts, für 80 % der Erlöse stehen, nicht unbedingt der Erträge, da nachfragemächtige Großkunden regelmäßig bessere Konditionen erreichen und damit je Absatzeinheit weniger profitabel sind. Dabei werden Kunden über alle Verwenderbranchen und Verkaufsgebiete hinweg einheitlich angesprochen (siehe Abbildung 104: Kundenwertorientierter Vertrieb (Prinzip)). Dafür sprechen noch weitere Vorteile. Wenn eine hohe wirtschaftliche Abhängigkeit von wenigen großen Abnehmern gegeben ist, ist es nahe liegend, diese durch besonders qualifizierte Mitarbeiter, die Key account manager, betreuen zu lassen und nicht durch mehr oder minder zufällig zugeordnete Verkäufer. Groß-

543

9.4  Marktverantwortung

abnehmer haben oft über ihre reine Umsatzbedeutung hinaus auch einen Multiplikatoreffekt als Referenzkunden oder können in die Entwicklung neuer Produkte als Lead user eingebunden werden, was eine besonders kenntnisreiche Betreuung erfordert. Dagegen sprechen jedoch folgende Nachteile. Häufig entwickelt sich unter den Verkaufsaußendienstmitarbeitern ein Neid „normaler“ Verkäufer auf die Schlüsselkundenbetreuer, die oft deutlich besser bezahlt werden und vermeintlich leicht akquirierte Aufträge erzeugen. Bei Wachstum oder Schrumpfung eines Kundenunternehmens ist zumeist ein Wechsel des betreuenden Verkäufers erforderlich, wodurch die Kundenbindung nicht unbedingt erhöht wird. Gerade im Bereich um die vorgegebene Größenordnungsgrenze, die zudem dynamisch ist und häufig in ihrer Setzung einer gewissen Willkür nicht entbehrt, sind Zuständigkeitsprobleme unvermeidlich. Schlüsselkundenbetreuer sind von der wirtschaftlichen Entwicklung meist eines oder weniger Großabnehmer abhängig, so dass ihr individuelles Arbeitsplatz- und Einkommensrisiko deutlich erhöht ist, weil ein Risikostreuungseffekt fehlt. Es ist schwierig, Verkäufer mit gutem Standing bei wichtigen Kunden auszu­ tauschen, da dabei die Geschäftsbasis in Gefahr gerät. Zugleich sind solche Mitarbeiter vom Mitbewerb stark gesucht, so dass eine hohe Abwerbungsgefahr besteht.

9.4.4 Branchenorientierte Vertriebsorganisation Geschäftsleitung

andere Funktionen

Vertrieb

andere Funktionen

Gewerbeimmobilienbau

Wohnimmobilienbau

Wohnungsrenovierung

Abbildung 105: Branchenorientierter Vertrieb (Prinzip)

Eine weitere Möglichkeit stellt die Gliederung der Marktverantwortung nach bearbeiteten Verwenderbranchen, also unabhängig von Produkten, Gebieten und Kundenwertigkeiten, dar (siehe Abbildung 105: Branchenorientierter Vertrieb (Prinzip)). Dies bietet einige gravierende Vorteile. So ist eine Spezialisierung auf die Bedürfnisse einer bestimmten Branche möglich, was die Akzeptanz dort erhöht. Durch gute Kenntnis der Branche erschließen sich vielfältige Neugeschäftspoten-

544

9. Die Vertriebssteuerung

ziale. Auch können frühzeitig Branchentrends erkannt werden, auf die sich das Unternehmen durch Feedback einstellen kann. Als Nachteile sind jedoch folgende zu nennen. Da Nachfragern bekannt ist, dass der Branchenverkäufer nicht nur das eigene Unternehmen, sondern auch die unmittelbaren Konkurrenten in der selben Branche betreut, ist ein immanentes Vertrauensproblem gegeben. Dies betrifft vor allem die kooperative Entwicklung neuer Produkte oder Anwendungen, die einem Abnehmer einen Wettbewerbsvorsprung verschaffen sollen, von dem dieser aber nicht sicher sein kann, ob dieses Knowhow auch seinen Mitbewerbern zugute kommt. Es ist eine starke Abhängigkeit von der Branchenkonjunktur gegeben. Dies verursacht schwankende Einkommen bei Verkaufsaußendienstmitarbeitern. Der Verkäufer ist regelmäßig nur innerhalb einer Branche einsetzbar, woraus eine gewisse Inflexibilität entsteht, vor allem, wenn es sich um Branchen am Ende ihres Lebenszyklus handelt. Dem Unternehmen entsteht aufgrund der Branchenspezialisierung seiner Mitarbeiter die große Gefahr der Abwerbung, vor allem wenn es sich um aufstrebende Branchen handelt.

9.4.5 Organisationale Mischformen Da jede dieser Arbeitsfeldeinteilungen ernst zu nehmende Nachteile birgt, wird in der Praxis meist eine Overlay-Struktur als mehrstufige Arbeitsfeldeinteilung umgesetzt. Dabei handelt es sich typischerweise um eine Kombination der Ausrichtung nach Verwenderbranchen, Verkaufsgebieten und Kundenwertigkeiten. Denkbar sind dabei zwei Prinzipien. Innerhalb der Ausrichtung nach Verkaufsgebieten auf der obersten Ebene, z. B. internationale Vertriebsleitung, kontinentale Vertriebsleitung, nationale Vertriebsleitung, regionale Vertriebsleitung ist eine Spezialisierung nach Verwenderbranchen möglich, z. B. nationale Vertriebsleitung für die Finanzdienstleistungsbranche. Meist werden Key accounts als Besonderheit getrennt davon organisiert (siehe Abbildungen 106: Organisationale Mischformen). Innerhalb der Ausrichtung nach Verwenderbranchen auf der obersten Ebene, z. B. direkt belieferter Einzelhandel, Großhandel, Versender / ​C & C, industrielle Abnehmer, wird eine Spezialisierung nach Verkaufsgebieten vorgenommen, z. B. industrielle Abnehmer in Nielsen IV. Meist werden auch hier die Key accounts getrennt organisiert. Eine reine Einteilung nach Kundenwertigkeiten ist praktisch kaum anzutreffen. Aus den genannten Beispielen wird deutlich, dass die Verantwortung der Verkaufsaußendienstmitarbeiter für einen Kunden schwierig zu organisieren ist. Dies gilt erst recht, wenn ein Kundenunternehmen in einem belieferten Produktbereich ein Großabnehmer ist, daher durch den Key account manager betreut wird, in einem anderen belieferten Produktbereich aber Kleinabnehmer. Zu fragen ist dann, ob dieser Kunde in beiden Produktbereichen durch den Key account manager betreut

545

9.4  Marktverantwortung

Vertriebsleitung

Key account A

X

Y

Z

Branche

Y1

Y2

Y3

Gebiet

Key account B

Key account C

Vertriebsleitung

Key account A

1

2

3

Gebiet

2.1

2.2

2.3

Branche

Key account B

Key account C

Abbildung 106: Organisationale Mischformen

wird, obgleich der eine Produktbereich dies vom Volumen her nicht rechtfertigt, oder ob der Kunde durch zwei Verkäufer betreut wird, einen Key accounter und einen „normalen“ Verkäufer, was womöglich zu Friktionen führt. Ein anderer Problemfall entsteht, wenn ein Unternehmen in vielen belieferten Produktbereichen nur Kleinabnehmer ist, in der Summe dieser Lieferungen aber einen Großabnehmer des Lieferanten darstellt. Dann können branchenspezialisierte Verkäufer eingesetzt werden oder aber ein „kundenspezialisierter“ Key accounter. Gegen eine produktorientierte Organisation spricht zumeist die Beschaffungsstruktur des Abnehmerunternehmens. Werden alle Aufträge dort gebündelt erteilt, macht es wenig Sinn, beim Einkäufer verschiedene Verkaufsmitarbeiter für ihre jeweiligen Produkte auftreten zu lassen. Werden die Aufträge hingegen dezentral, vielleicht sogar international in einem Konzern, vergeben, ist ein Key accounter ebenso rasch überfordert. Die kleinste organisatorische Einheit im Unternehmen ist die Stelle. Wenn man für jede Stelle deren jeweilige Arbeitsinhalte definiert, ist zugleich der Arbeitsumfang der gesamten Organisation definiert. Auch werden Überschneidungen oder Lücken zwischen Stellen sichtbar. Diese Definition der Arbeitsinhalte erfolgt gemeinhin in der Stellenbeschreibung.

546

9. Die Vertriebssteuerung

Die Arbeitsinhalte im Vertrieb sind vielfältig. Nachfolgend Beispiele der Stelleninhalte von Außen-, Kunden- und Innendienstmitarbeitern: • Stelleninhalte von Außendienstmitarbeitern: Pflege des vorhandenen Kundenstamms, Betreuung von Vertragspartnern, Erreichung der Umsatzziele für eine definierte Region, Produkt- oder Kundengruppe, Berichtswesen an Verkaufsleiter bzw. Marketingleiter, Suche nach Kaufinteressenten und Potenzialklärung, Kundenbesuche und Kundenqualifizierung, Neukundengewinnung, Stammkundensicherung, -pflege bzw. Handelsbetreuung, Kundenberatung, Problemlösungsberatung, Verkaufsverhandlungen von Preisen und sonstigen Konditionen, Produktvorstellungen und Präsentationen, Marktbeobachtung, Wettbewerbsforschung beim Kunden, Abklärung von Warenverfügbarkeit und Lieferzeiten (mit Innendienst), Abklärung von Beanstandungen, Reklamationen (mit Innendienst), Austausch von Nutzungserfahrungen der Kunden mit dem Produktmanagement, Mitarbeit an Verkaufsförderungsaktionen, Messen und Ausstellungen, Mitarbeit an strategischer und operativer Marketingplanung. • Stelleninhalte von Kundendienstmitarbeitern: Technische Beratung und Betreuung des Kundenstamms, spezielle Produktaufklärung und Beratung im Rahmen der Neukundengewinnung, Erfüllung der mit Wartungsaufträgen verbundenen Verpflichtungen, Bericht an Verkaufs- bzw. Marketing- oder Technikleitung, enge Abstimmung mit Produktmanagement sowie Forschung und Entwicklung, allgemeine technische Beratung, auch präventiv, Prüfung von Einbau-, Betriebsund Installationsbedingungen, Koordinierung rund um den Kauf, Angebot und Verkauf von Serviceverträgen, Aufstelldienst, Inbetriebnahme, Herstellungsbetreuung, Überprüfung von Spezifikationen, Ersatzteilservice, Garantiereparaturen, Geräteumtausch, Folgebedarfsfeststellung, Wettbewerbsbeobachtung, Vereinbarung von Außendienst-Besuchsterminen, Weiterleitung von Kundenanregungen und Beanstandungen, Mithilfe bei der Markteinführung neuer Produkte. • Stelleninhalte von Innendienstmitarbeitern: Order processing, d. h. Abwicklung der laufenden Kundenvorgänge, Mitarbeit bei der Kundenbetreuung, Unterstützung des Außendienstes, Berichtswesen an die Verkaufs- bzw. Marketingleitung, Unterstützung für den Außendienst bei Bedarfsklärungen, Folgebedarfsabklärungen, eigenverantwortliche Kleinkundenbetreuung, allgemeine telefonische und schriftliche Vorgangsabwicklung, Angebotsbearbeitung, Fakturierung, Nachhalten von Kundenbonitäten, Auskunftseinholung, Abwicklung von Reklamationen, Weiterverfolgung von Kundenanregungen, Abstimmung mit Logistik, vor allem Lieferzeitenkontrolle, Unterstützung für Handel und andere Vertriebspartner, Mitarbeit an Mailing-Aktionen bzw. Telemarketing, allgemeine Beratung und Hotline-Service, Mitarbeit bei Messen und Verkaufsförderungsaktionen, Betreuung bei Kundenbesuchen im Stammhaus, Überwachung des E-Commerce-Geschäfts.

10. Spezialaspekte des Vertriebs Nachfolgend werden besondere Aspekte des Vertriebsmanagements dargestellt, die sich auf die Distribution in Auslandsmärkten (10.1), das Kaufverhalten im Geschäftskunden-Vertrieb (10.2) und das Kaufverhalten im Privatkunden-Vertrieb (10.3) beziehen. Dabei handelt es sich um die zumeist wichtigsten Spezialaspekte.

10.1 Distribution in Auslandsmärkten Für den Vertrieb im internationalen Bereich stellen sich vor allem die Fragen der Marktwahl (10.1.1), der Optionen des Markteintritts (10.1.2) und der Marktbearbeitung (10.1.3). Die Marktwahl beantwortet dabei die Frage, in welchen internationalen Märkten man vertrieblich aktiv werden soll und in welchen nicht. Der Markteintritt beantwortet die Frage, wie diese Aktivität vollzogen werden soll. Und die Marktbearbeitung beantwortet die Frage, welcher Konzeption die Vertriebsaktivität dabei folgen soll. Als Spezialaspekt kommen die internationalen Handelsbräuche (Incoterms) hinzu (10.1.4).

10.1.1 Marktwahl Die Marktwahlfrage ist, im Vergleich zum nationalen Markt, durch ein allgemeines Informationsdefizit gekennzeichnet. Die Verhältnisse auf Auslandsmärkten sind bei Weitem nicht so transparent und treffend einschätzbar wie im Inland. Daher ist es zunächst erforderlich, den Informationsstand über die relevanten Auslandsmärkte zu verbessern. Auf Basis dieser Informationen ist dann eine bessere Auswahl der zu bearbeitenden Märkte möglich. Relevante Informationsbereiche betreffen dazu vor allem folgende: • politische Rahmenfaktoren, welche die Voraussetzungen für jegliche Aktivität bilden, • ökonomische Rahmenfaktoren, welche die unternehmerische Tätigkeit fördern oder begrenzen, • soziale Bedingungen, die in vielfacher Weise die betriebliche Tätigkeit prägen und fordern, • technologische Bedingungen, die als infrastrukturelle Voraussetzungen wirken,

548

10. Spezialaspekte des Vertriebs

• ökologisch-natürliche Anforderungen, welche jegliche wirtschaftliche Aktivitäten limitieren, • rechtliche Anforderungen, welche die unerlässliche Voraussetzung jeder Markttätigkeit bilden. Diese Faktoren werden meist im Zuge der PESTEL-Analyse gesichtet und bewertet. Dabei spielen vor allem die dabei implizierten Risiken eine entscheidende Rolle. Denn ein unvermeidliches Informationsdefizit macht sich vor allem in einem höheren wahrgenommenen einzelwirtschaftlichen Risiko bemerkbar. Dabei sind vor allem drei Risiken beachtenswert: • Ein Dispositionsrisiko entsteht durch Beeinträchtigungen der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit durch die Auslandsmarktregularien. • Ein Transferrisiko entsteht durch Beeinträchtigung der finanziellen Transaktionen in das Ausland hinein bzw. aus dem Ausland heraus. • Ein Enteignungsrisiko entsteht durch entschädigungslosen Zugriff ausländischer Staaten auf das Eigentum eines Unternehmens dort. Hinzu kommen zahlreiche allgemeine Risiken, etwa von Elementarschäden oder Kursschwankungen. Nachdem diese Risiken für jeden relevanten Auslandsmarkt recherchiert worden sind, gilt es, sie zu bewerten. Dazu gibt es verschiedene Konzepte. Problematisch ist dabei vor allem, dass zahlreiche qualitative Risiken gegeben sind, die für eine Bewertung ggf. erst noch zu quantifizieren sind. Eine solche Quantifizierung impliziert immer die subjektive Verzerrung objektiver Daten und kann damit zu falschen Entscheidungen führen. Am bekanntesten ist in diesem Zusammenhang sicherlich der BERI-Index (Business environment risk information). Er umfasst drei Subindices, den Political risk index / ​PRI, den Operation risk index / ​ORI und den Remittance and repatriation risk index / ​RFI, die zusammen den Risikowert, den Profit opportunity risk index / ​PORI, ergeben. Die Basis der Bewertung bilden dabei Expertenschätzungen, im Ergebnis kommt es zu einer Empfehlung über die Aufnahme und Art der Geschäftstätigkeit in einem Land oder den Verzicht darauf. Daraus folgen dann Ländereinteilungen in Cluster. Die Informationen werden darüber hinaus durch vielfältige leistungsergänzende Absatzhelfer zur Verfügung gestellt. Dazu gehören Industrie- und Handelskammern / ​IHK, insb. Außenhandelskammern / ​AHK, bilaterale Handelskammern und die Internationale Handelskammer / ​ICC. Weitere Informationen stammen von Bundesämtern, wie dem Statistischen Bundesamt, der German trade and invest / ​ GTAI, dem Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft, Zentralbank und auswärtigem Dienst. Weitere unterstützende Institutionen sind Ländervereine, Kreditinstitute, Marktforschungsunternehmen, der Verband der deutschen Messewirtschaft / ​ AUMA, wirtschaftswissenschaftliche Institute und Interessenvertretungen. Diese stellen hoch detaillierte, sehr aktuelle und aussagefähige Informationen zu jed-

10.1 Distribution in Auslandsmärkten

549

weden Auslandsmärkten zur Verfügung, so dass in Bezug darauf zwischenzeitlich ein erhebliches Maß an Transparenz erreicht werden kann. Für die Vertriebspolitik kommen mehrfache Stellgrößen in Betracht, so nach • der Anzahl der Auslandsmärkte ein bearbeitetes Land, wenige Länder, viele Länder, dies ist ein Indikator für den Internationalisierungsgrad eines Unternehmens, der im Mittelstand oft deutlich stärker ausgeprägt ist als bei Großunternehmen, • dem Wettbewerbsverhalten kompetitiv sich dem Wettbewerb stellend, kollusiv sich dem Wettbewerb annähernd, autonom unabhängig vom Wettbewerb oder konjektural am Wettbewerb ausgerichtet, • der Raumerstreckung jeweils angrenzende Länder, Länder der gleichen Region, Triade-Länder (Americas, Europe, Far East) oder global gestreut,

Export Grenzüberschreitender Handel

Veredelungsgeschäft Kompensationsgeschäfte Lizenzierung Kontraktmanagement

Absatz auf Vertragsbasis

(Master-)Franchising Kooperation Strategische Allianz Beteiligung

Direkter Auslandsabsatz

Übernahme Neugründung Mischformen

Abbildung 107: Markteintrittsoptionen im Auslandsabsatz

550

10. Spezialaspekte des Vertriebs

• der Intensität der Aktivitäten über alle Länder gleichmäßig verteilt oder verdichtet / ​gespreizt von Land zu Land unterschiedlich. Im Folgenden werden aber vor allem drei Stellgrößen näher betrachtet und nachstehend ausgeführt: • die Eintrittsform im Außenhandel, auf Vertragsbasis oder über ­Direktinvestition, • die Zeitabfolge als zeitgleich im Sprinkler-Prinzip oder zeitverschoben im Wasserfall-Prinzip, • die Umsetzung standardisiert (geo-), differenziert (poly-), fallweise adaptiert (regio-) oder generell isoliert (ethnozentriert). Nachdem die Entscheidung über die Wahl der zu distribuierenden Märkte gefallen ist, ist zu bestimmen, in welcher Weise der Markteintritt dort vollzogen werden soll. Üblicherweise entspricht dieser dem Expansionspfad im internationalen Kontext im Zeitablauf (siehe Abbildung 107: Markteintrittsoptionen im Auslandsabsatz), also Aktivitäten durch Außenhandel, Vertragsbasis, Direktinvestition.

10.1.2 Optionen des Markteintritts 10.1.2.1 Außenhandel Im Bereich des Außenhandels stellen sich im Wesentlichen verschiedene Möglichkeiten des Exports. Export bedeutet grenzüberschreitenden Waren- und Dienste­verkehr mit dem Ausland. Beim direkten Export tritt das Unternehmen unmittelbar in Kontakt mit ausländischen Abnehmern, ohne dass Dritte dabei zwischengeschaltet sind. Beim indirekten Export sind zu diesem Zweck Dritte in Form von Absatzmittlern zwischengeschaltet. Diese können wiederum im Inland oder im Ausland oder im In- und Ausland ansässig sein. Für den direkten Export sprechen mehrere Vorteile: • unmittelbarer Einfluss auf die Marktbearbeitung im Ausland, • große Kunden- und Marktnähe, • Aufbau von spezifischem Ländermarkt-Know-how und Marktüberblick, • Kostenersparnis durch Wegfall der Handelsspanne. Nachteile sind hingegen folgende: • hohes Transaktionsrisiko mit möglicherweise fremdem Auslandsmarkt, • hoher Ressourcenbedarf in der Disposition für Manpower, Zeit, Kosten etc., • ggf. fehlt Absatz- und Internationalisierungs-Know-how, • die Internationalisierungsgeschwindigkeit wird auf diese Weise gebremst.

551

10.1 Distribution in Auslandsmärkten

Beim direkten Export werden häufig Gebietsrepräsentanten als Absatzhelfer genutzt. Diese sind zwar selbstständig, werden jedoch nur für Rechnung und / ​oder im Namen des vertretenen Unternehmens tätig.

Abnehmer

Abnehmer

Abnehmer

Absatzmittler Absatzmittler

Grenze

indirekter Absatz

Absatzmittler

indirekter Export

direkter Absatz

Absatzmittler

Lieferant

Lieferant

indirekter Export

indirekter Absatz

Lieferant

direkter Export

direkter Export

direkter Absatz

Lieferant

Abnehmer

Abbildung 108: Absatzwege im Außenhandel

Beim indirekten Export sind Händler, meist mit spezifischer Länder- oder Ländergruppenorientierung, zwischengeschaltet. Sie verfügen über Kenntnisse des jeweiligen Landes / ​der Region und gute Kontakte zu dort ansässigen Abnehmern. Diese stellen sie gegen Kalkulationsaufschlag Lieferanten zur Verfügung (siehe Abbildung 108: Absatzwege im Außenhandel). Für den indirekten Export sprechen mehrere Vorteile: • die Marktbearbeitung ist kostengünstig darstellbar, • es ist ein geringes Risikopotenzial gegeben, da der Absatz der Waren / ​Dienste an den Absatzmittler erfolgt und nicht an ausländische Endkunden, • das spezifische Wissen der Händler kann für den Produkterfolg genutzt werden, • auf diese Weise können auch mehrere Länder parallel bearbeitet werden. Nachteile sind hingegen folgende: • die Absatzaktivitäten im Zielland sind nur gering beeinflussbar, • es entsteht eine vergleichsweise große Markt- und Kundenferne, • das Marktpotenzial kann womöglich nicht voll ausgeschöpft werden, • es kommt zu einer gewissen Abhängigkeit vom Exportmittler. Daneben gibt es Kompensationsgeschäfte (auch Bartering) als Abwicklungen, bei denen die Zahlung einer Warenlieferung nur teilweise oder gar nicht in Geld-

552

10. Spezialaspekte des Vertriebs

form erfolgt. Dabei sind sowohl die Inzahlungnahme von Gebrauchtware und deren Anrechnung auf den Kaufpreis als auch ein direkter oder indirekter Naturaltausch von Neuwaren denkbar. Ein Verkauf ist also davon abhängig, dass umgekehrt vom Abnehmer spezifizierte Güter oder Dienste gekauft oder für weitere Abnehmer vermittelt werden. Variable betreffen die Tauschquote als vollständig / ​teilweise, die Anzahl der Beteiligten als zwei / ​mehr als zwei, die Verwertung nach eigen / ​fremd, die Zeitabfolge als zeitgleich / ​zeitverschoben, Anzahl der Verträge ein / ​zwei etc. Häufig sind verschiedene Ausprägungen anzutreffen: • Einfacher Barter: ein einziger Vertrag für beide Teilgeschäfte, zeitgleiche Abwicklung von Kauf und Gegenkauf, reiner Gütertausch ohne Zahlungsströme, Vollkompensation, keine Einschaltung Dritter, • Gegengeschäft: ein einziger Vertrag für beide Teilgeschäfte, Fakturierung in einer vereinbarten Währung, getrennte Güter- und Zahlungsströme, Voll-, Teiloder Überkompensation, Einschaltung Dritter möglich, • Parallelgeschäft: zwei getrennte Verträge, Fakturierung in einer vereinbarten Währung, getrennte Güter- und Zahlungsströme, Voll-, Teil- oder Überkompensation, zeitgleiche Abwicklung oder nachgelagerter Gegenkauf, Einschaltung Dritter möglich, • Junctim-Geschäft: wie Parallelgeschäft, jedoch mit zeitlich vorgezogenem Gegenkauf, • Buyback-Geschäft: zwei getrennte Verträge sowie weitere Verträge für Kredit-, Lieferungs-, Zahlungsbedingungen etc., kann als Barter oder mit Zahlungsströmen erfolgen, zeitlich nachgelagerter Gegenkauf, Voll-, Teil- oder Überkompensation möglich, Einschaltung Dritter möglich, • Offset-Geschäft: zwei getrennte Verträge sowie weitere Ergänzungsverträge für Kredit-, Lieferungs- und Zahlungsbedingungen, zeitlich vorgelagerter Gegenkauf (direkter Offset) oder zeitgleiche oder nachgelagerte Abwicklung (indirekter Offset), Voll-, Teil- oder Überkompensation möglich, getrennte Güter- und Zahlungsströme, keine Einschaltung Dritter, häufig Zusatzklauseln, • Clearing-Geschäft: bilaterales Handelsabkommen zwischen Regierungen, gegenseitige Verpflichtung, während eines festgelegten Zeitraums zu einem bestimmten Wert Güter voneinander abzunehmen, Durchführung bleibt den in den beteiligten Ländern ansässigen Unternehmen überlassen, Abrechnung über Verrechnungskonten bei den jeweiligen Zentralbanken (Rahmenabkommen), • Switch-Geschäft: Abtretung etwaiger Clearing-Guthaben zum Ende des Verrechnungszeitraums an Dritte.

10.1 Distribution in Auslandsmärkten

Fremdveredelung

Betriebsveredelung

passiver Transfer

passive Fremdveredelung

passive Betriebsveredelung

aktiver Transfer

aktive Fremdveredelung

aktive Betriebsveredelung

553

Abbildung 109: Optionen der Veredelung

Eine weitere Form stellt die Veredelung dar (siehe Abbildung 109: Optionen der Veredelung). Darunter versteht man die vorübergehende Ausfuhr von Waren zu deren Bearbeitung, Verarbeitung oder Ausbesserung im Ausland und deren Rücksendung als höherwertigere Ware in das Herkunftsland. Große Teile des Exports sind tatsächlich solche Veredelungen („Basar-Ökonomie“), die zur Nutzung ausländischer Standortvorteile dienen oder zur Wahrung des „Made in …“-Effekts (i. d. R. 40 % der Wertschöpfung und die letzte wesentliche Arbeitsstufe). Schließlich gibt es den Transithandel, indem Inländer Waren im Ausland erwerben und sie wieder ins Ausland veräußern, ohne dass diese physisch ins Inland verbracht werden (et vice versa). Den logistischen Vorgang bezeichnet man als Durchfuhr. 10.1.2.2 Dauervertrag Hierbei stellen sich im Wesentlichen die Möglichkeiten der Lizenzierung und der Kooperation. Für die Lizenzierung ergeben sich verschiedene Ausprägungen (siehe Abbildung 110: Optionen der Lizenzierung). Unter Lizenzierung versteht man die Erteilung der Erlaubnis an einen ausländischen Partner, Unternehmensleistungen in seinem Marktgebiet zu vermarkten. Eine solche Lizenz kann nach dem Umfang vollständig oder sachlich, räumlich oder zeitlich beschränkt erteilt werden. Sie kann nach dem Ausmaß ausschließlich, also exklusiv, oder einfach, also nicht-exklusiv, erteilt werden. Und sie kann nach dem Zugang unmittelbar vom Rechteinhaber ausgehen oder mittelbar von einem Master-Lizenzgeber, dieser kann wiederum im Inland oder Ausland sitzen und je Land verschieden oder über viele bzw. alle Länder hinweg gleich sein. Die Lizenz kann verschiedene Inhalte haben. Eine Vertriebslizenz bedeutet, dass ein ausländischer Lizenznehmer (Licensee) das Recht erhält, das neue Produkt nach Maßgabe der Rahmenbedingungen im Ausland zu vertreiben. Das neu einzuführende Produkt wird ihm dazu endfertig angeliefert.

554

10. Spezialaspekte des Vertriebs

vollständig Übertragungsumfang teilweise einfach Übertragungsausmaß ausschließlich pauschaliert Rechteentgelt

umsatz-/absatzabhängig

Mischformen unmittelbar Rechteinhaberschaft mittelbar

Abbildung 110: Optionen der Lizenzierung

Für eine Vertriebslizenz sprechen mehrere Vorteile aus Sicht des Gebers: • Markteintrittsbarrieren können umgangen werden, da der Lizenznehmer Inländer ist, • ein rascher und kostengünstiger Marktzugang im Ausland wird möglich, • durch die Lizenzgebühren (Fees) entstehen Zusatzeinnahmen, • eine Expansion ohne eigenen Kapiteleinsatz ist darstellbar. Nachteile sind hingegen folgende: • Es entstehen Steuerungs- und Kontrollprobleme, die durch Überprüfung auf Einhaltung gelöst werden müssen, • aus dem Lizenznehmer kann später ein potenzieller Konkurrent erwachsen, • bei Problemen entsteht ein negativer Imagetransfer auf den Lizenzgeber, • das Lizenzentgelt kann geringer ausfallen als ein eigener Gewinn. Eine Produktionslizenz (auch Contract manufacturing) bedeutet, dass ein ausländischer Lizenznehmer das Recht erhält, das Produkte nach vorgegebenen Prozessen zu veredeln und dann auch zu vertreiben. Er darf dabei insb. das Markenzeichen des Lizenzgebers (Licensor) verwenden. Sinnvollerweise übt dieser daher eine Qualitätskontrolle aus.

10.1 Distribution in Auslandsmärkten

555

Für eine Produktionslizenz (Kontraktfertigung) sprechen mehrere Vorteile aus Sicht des Gebers: • Es entsteht kein Investitionsrisiko im Auslandsmarkt, • die eigene Wettbewerbsfähigkeit auf dem Auslandsmarkt wird verbessert, • es fließen sofort Erträge aus Lizenzeinnahmen zu, • ein positiver Country of origin-Effekt des Auslands kann genutzt werden. Nachteile sind hingegen folgende: • Teile des Betriebsgewinns müssen an einen Partner abgetreten werden, • es besteht die Gefahr von Know-how-Abfluss und Qualitätsproblemen, • aus dem Lizenznehmer kann leicht ein Wettbewerber erwachsen, • es entsteht eine Abhängigkeit vom Lizenznehmer. Eine Know-how-Lizenz bedeutet das Recht, das Produkte nach vorgegebenen Einsatzstoffen, Rezepturen, Prozessen und Assemblierungen selbst im Ausland zu produzieren, zu veredeln und dann auch zu vertreiben. Dabei gehen auch Betriebsund Geschäftsgeheimnisse an den Lizenznehmer über, so dass dazu ein besonderes Vertrauensverhältnis erforderlich ist. Für eine solche Know-how-Lizenz sprechen mehrere Vorteile (aus Sicht des Gebers): • Es entsteht ein geringer Kapitalbedarf und Kosteneinsatz, womöglich können Zusatzeinnahmen erlöst werden, • die eigene Betriebskonzeption kann durchgesetzt werden, • das Markteintrittsrisiko bleibt begrenzt, • es kann auf eine hohe Eigenmotivation des Licensee gesetzt werden. Nachteile sind hingegen folgende: • Es bestehen aufwändige Steuerungs- und Kontrollerfordernisse, • daraus resultieren hohe Koordinationskosten, • das System ist wenig flexibel, • es besteht die große Gefahr von Know-how-Abfluss und Konkurrenzaufbau. Eine Systemlizenz beinhaltet darüber hinaus die Möglichkeit des Auftritts des Lizenznehmers unter dem Markendach des Lizenzgebers als Franchise-System. Nach außen hin ist ohne Weiteres nicht erkennbar, dass der Franchisenehmer / ​ Franchisee selbstständig ist, sondern es entsteht der Eindruck, es handele sich bei seinem Betrieb um eine Filiale des Franchisegebers / ​Franchisor.

556

10. Spezialaspekte des Vertriebs

Franchising bietet zahlreiche Vorteile (aus Sicht des Franchisor): • Ein Markteintritt ist unter weitgehendem Verzicht auf Einsatz eigener Finanzmittel möglich, • dabei können sogar Erlöse durch Beitrittszahlungen zum System generiert werden, • es erfolgt eine Risikoteilung zwischen den Systempartnern, • es kann ein hohes Tempo der Marktabdeckung eingehalten werden. Nachteile sind hingegen folgende: • Der Marktauftritt muss erst einmal finanziert, d. h. etabliert und aktualisiert, werden, • eine negative Imageabstrahlung vom selbstständigen Franchisee auf den Franchisor ist möglich, • es besteht ein hohes Maß an Abhängigkeit von den Franchisenehmern zum Gelingen des Systems, • vielfältige Risiken der Principal-Agent-Relation kommen zum Tragen. Am weitesten geht eine Betriebslizenz (auch Contract management). Sie führt zu einem Betreibermodell. Dieses steht am Ende einer Entwicklungskette. Diese beginnt typischerweise mit einem Produktgeschäft, z. B. der Lieferung von Lacken an die Autoindustrie. Daraus folgt später die Abstimmung von Werkstoffen und Betriebsmitteln mit den Herstellern der Lackierstraßen als „Piggyback“ im Systemgeschäft. Sowie das Angebot von kompletten Lackierstraßen an Autohersteller im Anlagengeschäft. Daraus wird schließlich der Betrieb der Anlage durch Integration in die Fließfertigung der Autohersteller mit Bezahlung nach erstellten Leistungen als Pay on production. Auch im Dienstleistungsbereich findet eine solche Trennung zwischen Eigentum und Betrieb statt, etwa bei den internationalen Hotelketten, die Immobilien bewirtschaften, die Investoren gehören. Eine weitere Form der Vertriebsaktivität auf Vertragsbasis ist die internationale Kooperation. Unter Kooperation versteht man allgemein jede auf freiwilliger Basis beruhende, vertraglich geregelte Zusammenarbeit rechtlich selbstständig bleibender Unternehmen, die ihre wirtschaftliche Selbstständigkeit in Bezug auf den Kooperationszweck einschränken, um eine Verbesserung ihrer individuellen Leistungsfähigkeit zu erreichen. Nach der Relation der Kooperationspartner zueinander lassen sich folgende Auslegungen unterscheiden (siehe Abbildung 111: Formen der Kooperation): • Nach dem Grad der Institutionalisierung ergeben sich eine dauervertragliche Zusammenarbeit, eine Kooperation über Verflechtung, eine virtuelle Kooperation im Netzwerk oder eine Kooperation durch Kapitalbeteiligung.

557

10.1 Distribution in Auslandsmärkten

gleiche Wertschöpfungsstufe horizontale Kooperation

+

gleiche Wirtschaftsbranche andere Wertschöpfungsstufe vertikale Kooperation

+

gleiche Wirtschaftsbranche mediale Kooperation

gleiche Wertschöpfungsstufe +

diagonale Kooperation laterale Kooperation

andere Wirtschaftsbranchen

andere Wertschöpfungsstufe +

konglomerale Kooperation

andere Wirtschaftsbranchen

Abbildung 111: Formen der Kooperation

• Nach der Kooperationsrichtung kann diese vertikal, marktstufenübergreifend in derselben Branche, horizontal auf derselben Wertschöpfungsstufe, konglomeral, also auf derselben Wertschöpfungsstufe verschiedener Branchen, oder lateral erfolgen (verschiedene Wertschöpfungsstufen verschiedener Branchen). • Nach den Beteiligten kann es sich um branchengleiche oder branchenverschiedene handeln. • Nach der Partnerzahl kann die Kooperation bilateral (zwei) oder multilateral (> zwei) angelegt sein. • Nach der Machtrelation ist die Kooperation gleichgewichtig oder ungleichgewichtig. • Die Zeitspanne der Kooperation kann kurz-, mittel- oder langfristig bzw. zunächst auf Dauer ausgelegt sein. • Die Kooperationspartner kommen aus zwei oder mehr verschiedenen Ländern oder Regionen. Für eine Kooperation sprechen mehrere Vorteile: • Es wird ein schnellerer Markteintritt als auf eigenständiger Basis möglich, • es besteht Zugang zu Potenzialen und Ressourcen des Partnerunternehmens, dies schont eigene Kosten und Risiken und schafft Rationalisierungs- und Synergieeffekte,

558

10. Spezialaspekte des Vertriebs

• Markteintrittsbarrieren sind auf diese Weise leichter überwindbar, • der ausländische Kooperationspartner ist dort wahrscheinlich besser akzeptiert. Nachteile sind hingegen folgende: • Die wirtschaftliche Selbstständigkeit wird eingeschränkt, • oft entstehen hohe Koordinationskosten zum gegenseitigen Interessenausgleich, • es können Verteilungs- und Nutzungskonflikte der Erträgnisse der Tätigkeit entstehen, • es besteht die Gefahr von Know-how-Abfluss. Die Inhalte können sich auf wettbewerbssensible oder allgemeine Funktionen beziehen. Erstere beziehen sich auf die primäre Wertschöpfung und Disposition. Bei letzteren handelt es sich hingegen um administrative und exekutive Funktionen, dies ist dann eine einfache Kooperation. Eine weitreichendere Form der Kooperation ist die Strategische Allianz. Dabei handelt es sich um die Kooperation aktueller oder zumindest potenzieller Konkurrenten in Bezug auf erfolgswichtige Wertaktivitäten. Dazu gehören vor allem die Markterschließung, die Realisierung von Economies of large scale, die Verteilung von Kosten und Risiken sowie die Poolung von Kernkompetenzen. Solange dabei keine wettbewerbsbeschränkenden Abreden getroffen werden, ist dies auch rechtlich unbedenklich. 10.1.2.3 Direktinvestition Die weitreichendste Form der Auslandsmarktbearbeitung aber stellt die Direktinvestition dar. Diese impliziert ein direktes Kapitalengagement des Unternehmens im Ausland zum Zweck des Vertriebs. Übliche Formen sind dabei die Beteiligung, die Übernahme und die Neugründung. Für eine Direktinvestition sprechen mehrere Vorteile: • Es gibt eine eigene Präsenz auf dem Auslandsmarkt, • Standortvorteile im Ausland können auf diese Weise am besten genutzt werden, • Importrestriktionen und Paritätenschwankungen lassen sich vermeiden, • Ansiedlungen im Ausland werden nicht selten durch Subventionen / ​Steuererleichterungen gefördert. Nachteile sind hingegen folgende: • Evtl. besteht die Notwendigkeit zur Minderheitsbeteiligung ausländischer Staaten, • viele Direktinvestitionsländer bergen erhebliche ökonomische Risiken, • der erforderliche Kapitaleinsatz muss gestemmt werden, • ein Abbau des Engagements ist nicht ohne Weiteres möglich.

10.1 Distribution in Auslandsmärkten

559

Die Direktinvestitionsform der Beteiligung bedeutet eine Teilakquisition von Unternehmen (1 – < 95 %). Diese können auf gleicher, vor- oder nachgelagerter Marktstufe tätig sein sowie in der selben, einer verwandten oder einer gänzlich anderen Branche. Nach dem Akquisitionsgrad (jeweils am Beispiel der AG) sind folgende Stufen zu unterscheiden: • 1 – < 25 %: damit kann noch kein entscheidender Einfluss auf die Geschäfts­ politik des Unternehmens genommen werden, die Beteiligung hat eher symbolischen Charakter, • 25 – < 50 %: Minoritätsbeteiligung, damit können zumindest wichtige Entscheidungen gegen die eigenen Interessen blockiert werden, jedoch kann kein aktiver Einfluss erfolgen, • 50 %: Paritätsbeteiligung, damit können zumindest keine Entscheidungen gegen das eigene Unternehmen getroffen werden, ein aktiver Einfluss ist aber nach wie vor nicht möglich, • 51 – < 75 %: Majoritätsbeteiligung, damit können Entscheidungen gegen die Interessen Anderer getroffen werden, es besteht die Möglichkeit zu aktivem Einfluss auf die Geschäftspolitik, • 75 – < 95 %: qualifizierte Mehrheit, damit können auch wichtige Entscheidungen gegen die Interessen Anderer getroffen werden. Bei der Übernahme wird das übernommene Unternehmen voll und ganz in das übernehmende integriert. Dazu ist ein Anteil von mindestens 95 % erforderlich. Dann können außenstehende Anteilseigner herausgedrängt werden. Insofern sind also volle Leitung und Kontrolle gegeben. Allerdings müssen dabei Bestimmungen der Fusionskontrolle und Kontrolle marktbeherrschender Unternehmen beachtet werden. Bei der Neugründung wird ein neues Unternehmen im Ausland gegründet. Dabei kann es sich um eine Alleingründung handeln oder um eine Gemeinschaftsgründung mit einem anderen, meist dort ansässigen Unternehmen als Joint venture. Dabei sind zahlreiche konstitutive Entscheidungen zu fällen, vor allem in Bezug auf Rechtsformenwahl und Standortwahl. Hinsichtlich der Partner bei einem Joint venture kann es sich um solche der gleichen (organisch) oder einer anderen Wertschöpfungsstufe (anorganisch) handeln, sowie um zwei (bilateral) oder mehr Partner (multilateral) aus zwei oder mehr Ländern. Joint ventures werden häufig in Paritätsbeteiligung gegründet. Wichtige Gestaltungen betreffen die Gewinn- / ​ Verlustverteilung, die Kompetenzbesetzung, die Rechtenutzung, Ausstiegsregelungen etc.

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10. Spezialaspekte des Vertriebs

10.1.3 Optionen der Marktbearbeitung Hinsichtlich der Marktbearbeitung ist zu entscheiden, ob die gesellschaftlichen Vermarktungsbedingungen im Ausland zu denen im Inland als ähnlich angesehen werden oder nicht. Vorausgesetzt, ein Unternehmen ist im Inland mit zeitlichem Vorlauf zum Ausland bereits erfolgreich, spricht einiges dafür, diese erfolgreiche Marktbearbeitung im Inland auf das Ausland zu übertragen. Dies führt zur Ethnozentralität der Marktbearbeitung (nach Perlmutter). Weichen die gesellschaftlichen Vermarktungsbedingungen im Ausland jedoch von denen des Inlands ab, ist eher eine individuelle Ausgestaltung der Marktbearbeitung angezeigt (Fokussierung der Vermarktung), da eine einfache Übertragung nicht zum Erfolg führen dürfte. Sofern mehrere Länder parallel bearbeitet werden, können dazu Ländergruppen gebildet werden, deren gesellschaftliche Vermarktungsbedingungen untereinander hinlänglich gleichartig sind, also intern homogen, von Land zu Land jedoch verschiedenartig, also heterogen. Dies führt zur Regiozentralität der Markt­ bearbeitung. Sofern Land für Land sukzessiv erschlossen werden soll, ist für jedes Land, das andersartig zu vorherigen ist, eine eigene Strategie zu entwickeln. Dies führt zur Polyzentralität der Marktbearbeitung. Dies wird vor allem als von der Kultur abhängig angesehen (Culture bound). Von diesen Überlegungen sind allenfalls solche Produkte ausgenommen, die sich kulturübergreifend in allen oder zumindest sehr vielen Ländern weitgehend gleichartig vermarkten lassen (Culture free). Diese können losgelöst von einzelnen Märkten konzipiert werden, weil anzunehmen ist, dass ein Konzept in allen Märkten gleichermaßen funktioniert. Dies führt zur Geozentralität der Markt­ bearbeitung. Oder es wird bewusst eine Generalisierung der Vermarktung angestrebt, also gänzlich losgelöst von einzelnen Ländermärkten. Per Saldo bietet die Generalisierung einen Vorteil an Effizienz, die Fokussierung jedoch einen Vorteil an Effektivität. Letztlich geht es bei der Entscheidung um die Abwägung dieser Vor- und Nachteile zueinander. Ist die Präsenz im Inland noch nicht erfolgt oder war sie nicht erfolgreich, stellt sich die Frage, ob zwei oder mehr Länder zeitlich parallel bearbeitet werden sollen (sog. Sprinkler-Ansatz) oder ob sukzessiv Land für Land vorgegangen werden soll (sog. Wasserfall-Ansatz). Dabei kann ein Landesmarkt als Orientierungsbasis dienen (Lead country). Denkbar ist aber auch eine ein- oder mehrmalige Ablösung zwischen Sprinkler- und Wasserfall-Ansätzen.

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10.1.4 Incoterms Gerade im internationalen Handel kommt der vertraglichen Gestaltung der Geschäftsbeziehungen hohe Bedeutung zu, weil sich oftmals Partner gegenüber stehen, die an unterschiedliche nationale Regelungen gewöhnt sind. Zwar besteht grundsätzlich Vertragsfreiheit, im Streitfall existieren jedoch oftmals für spezielle Vertragsinhalte keine Präzedenzfälle oder die Partner interpretieren die Inhalte abweichend. Für gewöhnlich haben die Vertragspartner entgegen gesetzte Interessen, so dass die Regelung, welche der Klauseln zum Einsatz kommt, von der Machtverteilung zwischen ihnen abhängig ist, oder von der Zweckmäßigkeit. Aus Tradition sind daher kaufmännische Verkehrssitten entstanden, die, meist ohne schriftlich fixiert zu sein, in einer Branche dennoch bindende Wirkung unter ehrbaren Kaufleuten haben. Sie vereinfachen Geschäftsabschlüsse und schaffen Rechtssicherheit. An die Stelle eines fehlenden, internationalen Privatrechts tritt somit der von berufenen Organen wie Börsen oder Handelskammern festgestellte und veröffentlichte Handelsbrauch, welcher die allgemein anerkannten Usancen der (Außen-)Handelspraxis festlegt und der als verbindliche Willenserklärung von Gerichten anerkannt wird. Da an jedem Ausfuhrort andere Handelsbräuche üblich sind, ist es von großer Bedeutung, gleiche Bedingungen zugrunde zu legen. Um Missverständnissen vorzubeugen, die trotz gleicher Bezeichnung orts- bzw. landesbedingt entstehen können, empfiehlt es sich, Lieferklauseln gemäß den internationalen Regeln für die Auslegung der handelsüblichen Vertragsformeln als rechtsverbindliche Fassung zu vereinbaren. Diese Incoterms stellen allerdings kein allgemein gültiges Recht dar, sondern erlangen erst durch ausdrückliche Bezugnahme im Kaufvertrag Rechtsgültigkeit. Sie regeln die Lieferpflicht des Verkäufers und die Abnahme- und Zahlungspflicht des Käufers, incl. der Nebenpflichten wie Versicherung, Dokumente etc., die Kostenzurechnung etwa für Zoll, Verpackung, Qualitätsprüfung etc. sowie die Gefahr- und Risikotragung der Partner. Davon hängt ab, in welchem Ausmaß Leistungen im Rechnungspreis enthalten sind, also der Kostenübergang, und wann das Risiko für Beschädigung der Ware oder Verlust auf den Empfänger entfällt, also der Gefahrenübergang. Aufgabe der Incoterms ist es, eine verbindliche und klare Aufteilung von Transportkosten für den Kostenübergang, Transportrisiko für den Risikoübergang und Sorgfaltspflicht für die Geschäftsabwicklung zwischen Lieferant und Abnehmer zu erreichen. Nicht geregelt werden hingegen Eigentumsübergang, Mängelrügen, Zahlungsbedingungen und Gerichtsstand. Incoterms regeln auf der Verkäuferseite die Lieferung vertragsgemäßer Waren, Lizenzen, Genehmigungen und Formalitäten, den Beförderungs- und Versicherungsvertrag, Gefahrenübergang, Kostenteilung, die Benachrichtigung des Käufers, Liefernachweis, Transportdokument oder entsprechende elektronische Mitteilung, die Prüfung, Verpackung, Kennzeichnung sowie sonstige Verpflichtungen.

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10. Spezialaspekte des Vertriebs

Sie regeln auf Käuferseite entsprechend die Zahlung des Kaufpreises, Lizenzen, Genehmigungen und Formalitäten, den Beförderungsvertrag, Annahme, Gefahrenübergang, Kostenteilung, die Benachrichtigung des Verkäufers, Liefernachweis, Transportdokument oder entsprechende elektronische Mitteilung, Prüfung der Ware sowie sonstige Verpflichtungen. Solche Klauseln entstammen der Praxis und sind als Internationale Handelsbräuche (auch International trade usages) standardisiert. Weil solche Regeln in Verträgen angewendet werden, ohne sie näher zu erläutern, und weil unter Kaufleuten u. U. Schweigen Zustimmung ist, ist es wichtig, sich über die Bedeutung dieser Incoterms im klaren zu sein. Evtl. ist es sinnvoll, die Incoterms zu variieren, zu kürzen oder zu ergänzen, was im Rahmen der Vertragsfreiheit jederzeit möglich ist. Damit wächst allerdings auch wieder die Rechtsunsicherheit. Bei Auslegungsproblemen bieten sich dennoch ein Schiedsverfahren, oft bei der ICC, oder eine Wirtschaftsmediation an. Bei Einpunktklauseln der Incoterms gehen Kosten und Gefahren in einem gemeinsamen Punkt über. Dazu gehören Ex works (EXW), Free carrier (FCA), Free alongside ship (FAS), Free on board (FOB), Delivered at place unloaded (DPU), Delivered at place (DAP), Delivered duty paid (DDP). Bei Zweipunktklauseln der Incoterms fällt der Übergang von Kosten und Gefahren raum-zeitlich auseinander. Dazu gehören Cost and freight (CFR), Cost, insurance and freight (CIF), Carriage paid to (CPT) und Carriage and insurance paid to (CIP). Es gibt elf verschiedene Lieferklauseln. Dabei nehmen die Pflichten des Verkäufers fortschreitend zu und die des Käufers entsprechend ab. Alle Klauseln werden durch drei Buchstaben bezeichnet, sie lassen sich in vier Klassen einteilen. Aus der Sicht des Verkäufers ist die E-Klausel (EXW) die günstigste, da er die Ware lediglich auf seinem Gelände zur Verfügung stellen muss (Abholklausel). Bei den drei F-Klauseln FCA, FAS, FOB muss der Verkäufer die Ware dem vom Käufer bestimmten Frachtführer übergeben, d. h., der Hauptlauf ist vom Käufer zu bezahlen. Bei den vier C-Klauseln CFR, CIF, CPT, CIP muss der Verkäufer den Beförderungsvertrag (Hauptlauf) auf eigene Kosten abschließen. Allerdings geht die Gefahr mit der Übergabe an den Frachtführer auf den Käufer über, Kosten- und Gefahrenübergang erfolgen dabei nicht am selben Ort (Zweipunktklausel). Bei den drei D-Klauseln DAP, DPU, DDP muss der Verkäufer alle Kosten und Risiken bis zum Bestimmungsort tragen (Ankunftsklauseln). Sieben Klauseln können für alle Transportarten angewendet werden (EXW, FCA, CPT, CIP, DDP, DAP, DPU). Speziell nur für den See- oder Binnenschiffstransport sind FAS, FOB, CFR, CIF vorgesehen. Für den Luft- und Eisenbahntransport bieten sich FCA und DPU an. Die Incoterms sind branchen- und länderunabhängig. Oft finden sich aber branchenspezifische Modifikationen. Sofern vertraglich nicht anders vereinbart, gilt immer die neueste Fassung der Incoterms in der englischsprachigen Originalversion.

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• Ex works (EXW): Hier hat der Verkäufer dem Käufer die Ware zum vereinbarten Zeitpunkt oder innerhalb der vereinbarten Frist auf seinem Gelände (Werk, Lager etc.) transportgerecht verpackt zur Verfügung zu stellen und den Käufer zu benachrichtigen. Der trägt die Gefahren des Verlusts oder der Beschädigung der Ware sowie alle Kosten, bis die Ware dem Käufer in der genannten Weise zur Verfügung gestellt worden ist. Der Verkäufer trägt die Kosten für Bereitstellung und Kennzeichnung auf seinem Grundstück. Der Gefahrenübergang erfolgt, wenn die Ware auf dem Grundstück zur Verfügung gestellt wird. Der Verkäufer übernimmt die transportgerechte Verpackung der Ware. Der Kostenübergang ist identisch mit dem Gefahrenübergang. Der Verkäufer muss die Ware nicht auf das Transportmittel des Kunden verladen. Die Kosten einer Qualitätsprüfung der Ware trägt der Käufer. Der Verkäufer trägt die Gefahr bis zur ordnungsgemäßen Zurverfügungstellung der Ware am richtigen Ort und in der richtigen Zeit. Der Verkäufer kann dem Käufer bei der Beschaffung der Exportdokumente behilflich sein, allerdings geschieht dies zu Kosten und auf Risiko des Käufers. Der Verkäufer stellt die Handelsrechnung aus. Der Käufer muss die Ware vertragsgemäß oder in der üblichen Zeit abholen. Der Verkäufer muss den Käufer über Ort und Zeit der Abnahme informieren. • Free carrier (FCA): Dies wird bei Abfertigung im kombinierten Verkehr angewendet bei Güterbahnhof, Flughafen, Seehafen, Straßenfiliale etc. Der Verkäufer übergibt auf seine Kosten und Gefahr die Sendung dem Frachtführer am Abgangsort. Der Gefahrenübergang erfolgt bei Übergabe an diesen Frachtführer. Der Verkäufer hat die Ware also zum vereinbarten Zeitpunkt oder innerhalb der vereinbarten Frist dem vom Käufer benannten Frachtführer am benannten Ort oder an der benannten Stelle zu übergeben. Der Käufer trägt die Gefahren des Verlusts oder der Beschädigung der Ware sowie alle anfallenden Kosten von dem Zeitpunkt an, in dem die Ware dem Frachtführer übergeben worden ist. Die Klausel kann für jede Beförderungsart, auch multimodalen Transport, verwendet werden. Findet die Lieferung beim Verkäufer statt, ist er für die Verladung verantwortlich, ansonsten ist dafür der Käufer zuständig. Der Verkäufer trägt die Transportkosten bis zur Übergabe an den Frachtführer sowie die Versicherungskosten bis zur Übergabe. Der Verkäufer trägt die Kosten der Beschaffung der Ausfuhrbewilligung und der Zollpapiere. Die Gefahr geht mit der Übergabe der Ware auf den Käufer über. Der Verkäufer beschafft die Ausfuhrbewilligung und Zollpapiere. Er benachrichtigt den Käufer nach erfolgter Übergabe der Ware an den Frachtführer. Der Käufer beschafft die Konnossemente oder lässt sie auf seine Kosten beschaffen. Der Verkäufer beschafft den Liefernachweis. • Free alongside ship (FAS). Hierbei hat der Verkäufer die Sendung rechtzeitig, also zum vereinbarten Zeitpunkt oder innerhalb der vereinbarten Frist, im vereinbarten Verschiffungshafen längsseits des Schiffs auf seine Kosten und Gefahren zu liefern. Der Käufer hat den Schiffsraum zu buchen und den Verkäufer darüber zu benachrichtigen. Einschließlich Schiffsverladung trägt der Käufer alle weiteren Kosten und Risiken. Kostenübergang ist bei Bereitstellung am be-

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10. Spezialaspekte des Vertriebs

nannten Kai im Verschiffungshafen. Gefahrenübergang ist bei Ablage der Ware längsseits des Seeschiffs (daher nicht für andere Transportmittel anwendbar). Der Verkäufer trägt die Kosten der Ausfuhrbewilligung und der Zolldokumente. Er trägt die Transport- und Versicherungskosten bis Längsseite des Schiffes. Ebenso trägt er die Kai-Gebühren. Die Kosten der Schiffsverladung gehen hingegen zulasten des Käufers. Der Verkäufer hat den Käufer von der Längsseitslieferung zu informieren. Der Käufer muss vorher den Namen des Schiffes, den Ladeplatz und die Lieferzeit dem Verkäufer mitteilen. Der Verkäufer bringt Dokumente zum Nachweis der Lieferung bei. • Free on board (FOB): Dabei hat der Verkäufer die Ware ordnungsgemäß verpackt und fristgerecht an Bord des vom Käufer benannten Schiffs rechtzeitig vor dem angegebenen Abfahrtstermin zum vereinbarten Zeitpunkt oder innerhalb der vereinbarten Frist an Bord des Schiffes im benannten Verschiffungshafen zu bringen. Der Verkäufer trägt die Gefahren des Verlusts oder der Beschädigung der Ware sowie alle Kosten zur Verladung an Bord im Verschiffungshafen bei Überschreiten der Schiffsreling. Er hat den Abnehmer von der Verladung unverzüglich zu benachrichtigen, ein reines Versanddokument über den Nachweis der Anbordnahme sowie die erforderlichen Ausfuhrdokumente zu beschaffen und auf Kosten und Risiko des Käufers ein reines Bordkonnossement sowie auf Verlangen des Käufers ein Ursprungszeugnis, eine Konsulatsfaktura und sonstige Dokumente für die Einfuhr bereitzustellen. Der Käufer besorgt den Schiffsraum auf eigene Kosten und benachrichtigt den Verkäufer rechtzeitig über Schiffsnamen, Ladeplatz und Ladezeit. Der Käufer trägt alle anfallenden Kosten und Gefahren für den Verlust oder die Beschädigung der Ware ab dem Zeitpunkt, ab dem die Sendung die Reling des Schiffs im benannten Verschiffungshafen überquert hat, sowie alle Kosten und Risiken aus der Verspätung des Schiffes oder aus der nicht rechtzeitigen Benennung von Ladeplatz, Ladezeit oder Schiff. Er hat die Ware vertragsgemäß zu bezahlen und alle Kosten für die in seinem Auftrag beschafften Dokumente und das Bordkonnossement zu tragen. Problematisch ist dabei, dass die Schiffsreling häufig keine praktische Bedeutung mehr hat (z. B. RoRo- oder Containertransport). Der Verkäufer muss die Schiffsverladung organisieren. Der Käufer hat auf eigene Kosten und Gefahr einen Beförderungsvertrag mit einem Reeder abzuschließen. • Cost and freight (CFR): Dies umfasst der Angebotspreis neben den Kosten bis zur Verladung im Verschiffungshafen auch die Seefracht bis zum Bestimmungshafen. Der Verkäufer muss zwar den erforderlichen Schiffsraum beschaffen, hat die Ware zum vereinbarten Zeitpunkt oder innerhalb der vereinbarten Frist an Bord des Schiffes im Verschiffungshafen zu liefern. Er trägt die Gefahren des Verlusts oder der Beschädigung der Ware sowie alle Kosten, bis die Ware die Schiffsreling im Verschiffungshafen überschritten hat. Außerdem zahlt er die Fracht zum benannten Bestimmungshafen. Der Käufer trägt die Gefahren des Verlusts oder der Beschädigung der Waren sowie alle Kosten außer der Fracht von dem Zeitpunkt an, in dem die Ware die Schiffsreling im benannten

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Verschiffungshafen überschritten hat. Problematisch ist dabei wiederum, dass die Schiffsreling häufig keine praktische Bedeutung mehr hat (z. B. RoRo- oder Containertransport). Der Verkäufer muss einen Beförderungsvertrag mit einem Reeder über die Beförderung der Ware bis zum Bestimmungshafen abschließen. Der Käufer schließt einen Versicherungsvertrag für den Transport der Ware vom Verladehafen bis zum Bestimmungsort ab. • Cost, insurance and freight (CIF): Hier hat der Verkäufer die Ware zum vereinbarten Zeitpunkt oder innerhalb der vereinbarten Frist an Bord des Schiffes im Verschiffungshafen zu liefern. Er trägt die Gefahren des Verlusts oder der Beschädigung der Ware sowie alle Kosten, bis die Ware die Schiffsreling im Verschiffungshafen überschritten hat. Außerdem zahlt er die Fracht zum benannten Bestimmungshafen und die Prämie einer Seetransportversicherung auf Grundlage der F. P. A.-Klausel gegen die vom Käufer zu tragende Gefahr des Verlusts oder der Beschädigung der Ware während des Transports. Wenn nicht anders vereinbart, ist der Verkäufer nur verpflichtet, eine Mindestversicherung abzuschließen, die den Kaufpreis (CIF-Wert) plus 10 % fiktivem Gewinnentgang deckt und auf die Währung des Kaufvertrags lautet. Der Käufer muss lediglich die Kosten für das Löschen der Sendung sowie die weiteren Übernahme- und Transportkosten im Importland incl. Zoll und sonstiger Abgaben bezahlen. Der Lieferant hat die Ware also ordnungsgemäß verpackt, fristgerecht auf das Seeschiff im Verschiffungshafen zu verladen, er hat den Abnehmer von der Verladung unverzüglich zu benachrichtigen, den Seefrachtvertrag abzuschließen und ein reines, begebbares Bordkonnossement mit dem Frachtvermerk „bezahlt“ (paid)  zu beschaffen. Der Käufer hat auf eigene Kosten alle Genehmigungen und Unterlagen für die Ausfuhr zu beschaffen und alle Kosten für Prüfungen zu tragen und dem Abnehmer auf dessen Verlangen und Kosten weitere Transportrisiken zu versichern sowie ein Ursprungszeugnis, eine Konsulatsfaktura oder andere Dokumente zu beschaffen, die für die Einfuhr benötigt werden. Soweit die Löschkosten im Bestimmungshafen in der Fracht nicht enthalten sind, hat sie der Käufer zu tragen, außer bei CIF landed. Der Gefahrenübergang erfolgt bei Überschreiten der Schiffsreling. Problematisch ist dabei, dass die Schiffsreling häufig keine praktische Bedeutung mehr hat (z. B. RoRo- oder Containertransport). Der Käufer hat die Dokumente aufzunehmen und den vertragsgemäßen Preis zu zahlen. • Carriage paid to (CPT): Dabei hat der Verkäufer die Ware zum vereinbarten Zeitpunkt oder innerhalb der vereinbarten Frist dem ersten Frachtführer zu übergeben. Er zahlt die Fracht bis zum Bestimmungsort, trägt aber die Gefahren des Verlusts oder der Beschädigung der Ware nur bis zur Übergabe der Ware an den Frachtführer. Der Käufer übernimmt alle während des Transports anfallenden Kosten, außer der Fracht. Die Klausel kann für jede Beförderungsart, auch multimodalen Transport, verwendet werden. Der Verkäufer trägt die Kosten der Verpackung sowie die Transportkosten bis zum benannten Bestimmungsort. Der Verkäufer trägt auch die Kosten der Ausfuhrbewilligung und der Zollformalitäten.

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• Carriage and insurance paid to (CIP): Der Verkäufer hat die Ware zum vereinbarten Zeitpunkt oder innerhalb der vereinbarten Frist dem ersten Frachtführer zu übergeben. Er zahlt die Fracht bis zum Bestimmungsort, trägt aber die Gefahren des Verlusts oder der Beschädigung der Ware nur bis zur Übergabe der Ware an den Frachtführer. Zusätzlich ist von ihm noch die Transportversicherung gegen die vom Käufer zu tragende Gefahr des Verlusts oder der Beschädigung der Ware während des Transports abzuschließen und die Versicherungsprämie dafür zu zahlen. Wenn nicht anders vereinbart, ist der Verkäufer nur verpflichtet, eine Mindestversicherung abzuschließen, die den Kaufpreis plus 10 % fiktivem Gewinnentgang deckt und auf die Währung des Kaufvertrags lautet. Die Klausel kann für jede Beförderungsart, auch multimodalen Transport, verwendet werden. Der Verkäufer muss die Versicherungspapiere bis zum Bestimmungsort beschaffen. • Delivered at place unloaded (DPU): Der Exporteur hat für die Ware einen Beförderungsauftrag bis zum benannten Bestimmungsort abzuschließen und dort zu entladen sowie ggf. die Ausfuhr- bzw. Transitabfertigungsmodalitäten durchzuführen und zu bezahlen. Der Verkäufer trägt alle Kosten und Gefahren der Beförderung der Ware bis zum benannten Bestimmungsort incl. der Entladekosten und stellt die Ware zum vereinbarten Zeitpunkt bereit. Dies gilt auch beim Einsatz mehrerer Transportmittel. Der Importeur unterstützt bei der Beschaffung der Dokumente. • Delivered at point (DAP): Hierbei gilt die Ware durch den Verkäufer als geliefert, sobald sie dem Käufer auf dem ankommenden Beförderungsmittel an dem näher zu benennenden Bestimmungsort zur Verfügung gestellt wird. Alle Gefahren, die im Zusammenhang mit der Beförderung zum benannten Ort stehen, werden vom Verkäufer getragen. Der Bestimungsort sollte so präzise wie möglich spezifiziert werden. Der Verkäufer ist nicht verpflichtet, die Ware zur Einfuhr freizumachen. Diese Klausel eignet sich insb. dann, wenn mehrere Transportmittel innerhalb eines Warentransports zum Einsatz kommen. • Delivered duty paid (DDP): Der Verkäufer hat dem Käufer die Ware zum vereinbarten Zeitpunkt oder innerhalb der vereinbarten Frist am benannten Ort im Einfuhrland zur Verfügung zu stellen. Er trägt die Gefahren des Verlusts oder der Beschädigung der Ware sowie alle Kosten, bis die Ware dem Käufer in der genannten Weise zur Verfügung gestellt worden ist. Zusätzlich hat er auch die bei der Einfuhr anfallenden Zölle, Steuern und andere Abgaben zu übernehmen. Diese Klausel ist für jede Transportart geeignet. Der Verkäufer trägt die Einfuhrkosten (Zölle, Steuern, Papiere etc.) und muss die Einfuhrformalitäten erledigen. Dies entspricht der Maximalverpflichtung für den Verkäufer. Beim Seetransport von Containern gelten besondere Bestimmungen. Bei FCL – FCL (Full container load) packt der Absender den Container, und erst beim Empfänger wird der entladen. Bei LCL  – LCL (Less than container load)  wird der

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Container im Abgangshafen gepackt, weil nur Sendungen mehrerer Absender einen kompletten Container füllen, und im Bestimmungshafen entladen. Bei FCL – LCL packt der Absender den Container und lässt ihn bis zum Bestimmungshafen befördern, dort erfolgt die Verteilung der Einzelsendungen an die verschiedenen Empfänger. Und bei LCL – FCL wird der Container im Abgangshafen gepackt und erst beim Empfänger entladen.

10.2 Kaufverhalten im Geschäftskunden-Vertrieb Am Zustandekommen von Kaufentscheidungen in Organisationen sind meist mehrere Personen beteiligt. Dies ist immer dann problematisch, wenn keine homogene Präferenzstruktur aller Beteiligten bei einheitlichen Zielsetzungen gegeben ist, sondern die einzelnen Personen verschiedene Ziele verfolgen, nach Art und Höhe unterschiedliche Mittel einsetzen wollen und / ​oder verschiedene Wahrnehmungen der Realität haben. Kollektive Kaufentscheide laufen zumeist als extensive Entscheidungsprozesse ab, die durch mehrere, aufeinander folgende Phasen gekennzeichnet sind. Dabei ist der Einfluss der einzelnen Mitglieder nach Art und Status ihrer sozialen Macht und ihrer sozialen Rolle unterschiedlich.

10.2.1 Besonderheiten der gewerblichen Beschaffung Für organisationale Analysen ist die Thematisierung des kollektiven Charakters der Beschaffungsentscheidung erforderlich. So kommt es zu Buying centers / ​ Selling centers, den Promotoren-Opponenten- und den Simplifier-Clarifier-Konzepten. Diese Ansätze haben den Nachteil, monoorganisational zu sein, d. h. nur vertikal eine Organisationsseite zu berücksichtigen. Jede Beschaffung ist jedoch ein Prozess zwischen zwei Partnern, die sich gegenüberstehen. Dabei sind vor allem die Verhandlungsprozesse von Interesse. Dabei wird, ausgehend von eher konfliktären Zielsetzungen eine wachsende gegenseitige Bindung als Creeping commitment erzeugt, die bei Überschreiten einer gewissen Schwelle zu Einigung und Abschluss führt, ansonsten aber zum Abbruch der Verhandlungen. Wird nur auf das beschaffende Individuum abgehoben und die sie umgebende Organisation außer acht gelassen, zeigt sich rasch, dass diese Erkenntnisse nicht ausreichen. Außerdem sind emotionale, nicht-aufgabengerechte und nicht-ökonomische Determinanten einflussstark. Daher wird meist eine begrenzte Rationalität unterstellt. Insofern gewinnen verhaltenstheoretische Aspekte an Einfluss. Im Mittelpunkt steht dabei die Lieferantenauswahl in Abhängigkeit von Kaufsituation, Persönlichkeitsvariablen, Organisationsregelung und Risikoempfinden. So kann nach dem Grad der Neuartigkeit, dem Wert des Kaufobjekts, der Notwendigkeit zur Umstellung der Ablauforganisation, dem Informationsverhalten etc. unterschieden werden.

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Zu den Marktbesonderheiten in der gewerblichen Beschaffung gehören folgende: • Es ist für gewöhnlich eine überschaubare Anzahl von Anbietern und nur eine beschränkte Zahl von Nachfragern gegeben. Dadurch ist meist bekannt, wer in der Lage ist, ein Einkaufsgut anzubieten, und den Anbietern wiederum ist bekannt, wer als Abnehmer dafür in Frage kommt. • Charakteristisch sind stabile Marktpartnerbeziehungen. Zum einen sind nur geringe Ausweichmöglichkeiten gegeben, zum anderen gibt Erfahrung aus der Zusammenarbeit der Vergangenheit willkommene Sicherheit für die Geschäftsbeziehungen in der Zukunft. • Dem Kauf gehen oft lange, meist harte Entscheidungsprozesse voraus. Angebote werden selten unverhandelt akzeptiert oder abgelehnt. Vielmehr birgt die Komplexität der Materie meist das Erfordernis der Erläuterung und Hinterfragung. • Jeder Verkaufsakt repräsentiert einen hohen Umsatzwert für den Anbieter infolge langer Kaufintervalle und hohen Warenwerts. Dementsprechend bedeutsam ist es, den Abschluss jetzt zu erreichen und nicht erst später. • Jedes Kaufobjekt involviert für gewöhnlich einen hohen Projektwert für den Nachfrager einzeln oder kumuliert. Damit lohnt sich für ihn eine umfangreiche Informationssuche, zumal auch meist eine hohe Bindungsdauer gegeben ist. • Es sind im Regelfall kurze Absatzwege vorhanden, da Direktvertrieb als nullstufiger Absatz vorherrscht. Dies erfordert umfangreiche Kapazitäten für den technischen Vertrieb zur Kundenberatung und -betreuung. • Durch die Abhängigkeit von Primärmärkten liegt vielfach eine hohe Konjunkturempfindlichkeit vor. Die Nachfrage ist dann eine abgeleitete Größe aus konsumnäheren Märkten und verstärkt deren Ausschläge im Bullwhip-Effekt. • Oft erfolgt eine kundenindividuelle Leistungserstellung durch „Maßanfertigung“. Dabei wird jeweils auf den konkreten, von Fall zu Fall abweichenden Bedarf des potenziellen Käufers abgestellt. • Das Angebot besteht meist aus komplexen Hardware-Software-Kombinationen. Gerade „schlüsselfertige“ Projektauslegungen sind noch in der Lage, etwaige Preisnachteile zu kompensieren. • Die endgültige Ausgestaltung des Projekts erfolgt oft erst unter Abnehmereinfluss. Dies wirft Zeit- und Kostenprobleme bei der Erstellung und vor allem der Kalkulation auf. • Häufig kommt es auch zum Drittparteieneinfluss durch Fachberater wie Architekten, Betriebsingenieure, Consultants etc. • Aufgrund der Umfeldbedingungen herrscht weitgehender Preiskonservatismus vor. Dies bezieht sich weniger auf die Preishöhe als auf die Konditionentaktik, die Nachlässe von Gegenleistungen abhängig macht.

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10.2.2 Procurement Die Beschaffung ist in gewisser Hinsicht das Spiegelbild des Absatzes als Reverse marketing. Insofern liegt es nahe, das übliche absatzpolitische Instrumentarium entsprechend zu modifizieren. Dafür gibt es vielfältige Ansätze. So wird etwa unterschieden in: • Quantitätspolitik. Diese umfasst die Beschaffungsdefinition nach Menge, die Voraussetzungen, d. h. Bedarfs- und Vorratsplanung, und die Entscheidungsparameter wie Make or buy, Subcontracting, Leasing, Kooperation, Bestellmengen, Lagerung oder Recycling. • Qualitätspolitik. Diese umfasst die Beschaffungsdefinition nach Güte, die Voraussetzungen, d. h. Produktionsbedingungen und Marktgegebenheiten, und die Entscheidungsparameter wie Standardisierung / ​Normung / ​Typung, Qualitätsprü­ fung, Lebenszyklus, Garantie- und Serviceleistungen, ABC- und Wertanalyse. • Preispolitik. Diese umfasst die Beschaffungsdefinition nach Entgelt, die Voraussetzungen, d. h. Marktforschung und Mengenvorgaben, und die Entscheidungsparameter wie Marktgegebenheiten, -formen, Preiselastizität, -differenzierung, Preiszusätze und -strategie. • Selektionspolitik. Diese umfasst die Definition der Marktauswahl, die Voraussetzungen, d. h. Beschaffungsziele und Umweltkonstellationen, und die Entscheidungsparameter wie Direkt-/Indirektbeschaffung, Eigen-/Fremdbeschaffung, externer / ​interner Materialfluss und Organisation. • Informationspolitik. Diese umfasst die Definition der Marktpflege, die Voraussetzungen der Ausformulierung der Beschaffungsphilosophie, und die Entscheidungsparameter wie Gewinnung / ​Erhaltung / ​Erhöhung von Leistungsfähigkeit, -willigkeit und Vertragstreue der Lieferanten. Diese und andere Ansätze lassen jedoch Zweifel daran aufkommen, ob es ein Beschaffungsmarketing überhaupt in nennenswertem Ausmaß gibt. Denn Marketing ist von der Voraussetzung des Käufermarkts abhängig, d. h., die Nachfrager „sitzen am längeren Hebel“. Wenn dem aber so ist, ist kaum einsichtig, warum diese Nachfrager Anstrengungen zur Transaktion unternehmen sollten. Diese wären nur auf Verkäufermärkten erforderlich. So ist es für einkaufende Unternehmen nicht erforderlich, Beschaffungsmarketing zu betreiben, können sie doch als Nachfrager unter mehr oder minder vielen Anbietern auswählen. Eine Ausnahme bilden lediglich die seltenen Fälle, in denen ein Angebotsmonopol gegeben oder Kapazitätsengpässe vorhanden sind und einkaufende Unternehmen um die Beziehungsaufnahme und -pflege werben müssen. Die Bedeutung der Beschaffung steigt in letzter Zeit erheblich, weil die Fertigungstiefe der Produktion sinkt, gleichzeitig steigt das Transportaufkommen. Im Industriestandard liegt sie z. B. bereits deutlich unter 50 %, d. h. aber, mehr als die

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Hälfte des Umsatzes wird durch zugekaufte Waren gebildet und damit auch mehr als die Hälfte des Gewinnpotenzials im Einkauf erzielt. Dieser in der Vergangenheit eher vernachlässigte Bereich entwickelt sich damit zum Bottle neck. Der Microwagen Smart wird von Mercedes-Benz z. B. mit einer Fertigungstiefe von nur 18 % produziert, dabei kommen noch 107 Bauteile zum Einsatz, die von sechs Systemlieferanten beschafft, produziert und im Herstellerwerk montiert werden. Infolge international verflochtener Konzernstrukturen dominieren dabei globale Aspekte. Dazu werden einzelne Teile spezialisierten Zulieferern zugewiesen und deren Experten-Know-how und Facilitäten dann weltweit genutzt. Und zwar unter Ausspielung der Nachfragemacht der Einkäufer. Dies resultiert aber nicht nur in niedrigeren Einstandspreisen nach Design to costs, ohne Overengineering, sondern auch in höheren Qualitäts- und Serviceansprüchen. Bei der heute anzutreffenden, überwiegend vollautomatisierten Fertigung streiken Handhabungsroboter bereits bei Überschreitung geringster Maßtoleranzen. Hinzu kommt die lagerlose Anlieferung der Waren zum Produktionszeitpunkt, also Just in time. Dies ist oft nur durch Lagerstätten in unmittelbarer Nähe der Abnehmer realisierbar und zwingt Zulieferer zur Globalisierung. Deshalb werden Lieferanten bereits frühzeitig in den Entwicklungsprozess neuer Komponenten einbezogen. Das geht bis zur Einbindung in die Datenfernübertragung des Kunden. Motivation zu Höchstleistungen winkt durch Auszeichnungen und lang laufende Abnahmeverträge. Lieferanten werden zudem zunehmend zur Systemlieferung veranlasst. Dazu wird ein Produkt in Module zerlegt, die von jeweils einem Systemlieferanten komplett verantwortet werden. Je komplexer die angelieferte Problemlösung ist, desto unentbehrlicher macht sich dabei der Lieferant. Je weitreichender er sich aber den Bedürfnissen eines Abnehmers anpasst, desto mehr wächst auch seine Abhängigkeit von ihm. Denn Kunden unterziehen ihre Lieferanten rigorosen Bewertungsverfahren, die zum Ausschluss führen, sobald rigide Standards nicht mehr erfüllt werden. Oder dafür sorgen, dass man erst gar nicht in den Kreis potenzieller Lieferanten aufgenommen wird. Dieses Benchmarking versucht, die jeweils besten Standards im Unternehmen, beim Mitbewerb, bei Substitutionsgutanbietern, am Markt generell als Maßstab zu setzen. Ebenso wird angestrebt, wettbewerbsneutrale Teile gemeinsam mit Mitbewerbern bei einem Lieferanten einzukaufen, um durch Auftragskonzentration dort Kostenvorteile zu realisieren. Dies bedeutet einerseits unternehmensübergreifende Standardisierung, andererseits unternehmensintern ein Gleichteilekonzept mit möglichst später Individualisierung dieser Teile im Produktionsfortschritt. Unter wettbewerbsneutralen Teilen versteht man solche, die nicht die Kernkompetenz eines Anbieters repräsentieren. Solche Kernkompetenzen schaffen den Zugang zu einer Vielzahl von Märkten, leisten einen signifikanten Beitrag zum wahrgenommenen Kundennutzen und sind nur schwer vom Wettbewerb imitierbar.

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10.2.3 Kennzeichen geschäftlicher Transaktionen Geschäftliche Transaktionen sind allgemein dadurch gekennzeichnet, dass ein Kontakt zwischen mindestens zwei Individuen, die nicht privat handeln, in einer zeitlichen Abfolge von Aktion und Reaktion bei Interdependenz der Handlungen der Interaktionspartner erfolgt. Eine Einteilung der Kennzeichen organisationaler Käufe ergibt sich aus der Typik hinsichtlich ihrer: • Multitemporalität, d. h., der Kaufentscheid läuft in mehreren Phasen ab, diese sind oft nicht eindeutig voneinander abzugrenzen, gehen fließend ineinander über, werden aber auch bei Bedarf übersprungen oder wiederholt. • Multioperativität, d. h., es ergibt sich eine längere Transaktionsperiode, die sich durchaus über mehrere Jahre hinziehen kann, und zwar umso länger, je komplexer das jeweils zur Beschaffung anstehende Objekt ist. • Multiorganisationalität, d. h., es sind mehrere Stellen im Betrieb daran beteiligt, wobei im Einzelnen unklar bleiben kann, in welcher Funktion und mit welchem Einfluss sie dabei engagiert sind. • Multipersonalität, d. h., es sind auch mehrere Personen im Betrieb daran beteiligt, dies folgt logisch aus der Einbindung mehrerer Stellen, die meist arbeitsteilig und weniger in Personalunion wahrgenommen werden. Probleme rühren daher, dass Konflikte zwischen den Entscheidungsbeteiligten entstehen, die Entscheider dabei Rollenstrukturen einnehmen und sich situationsbezogen flexibel verhalten. Solche Konflikte sind stark bei Entbehrlichkeit gemeinsamer Entscheidungen, Abweichungen der Zielvorstellungen und unterschiedlichen Wahrnehmungen der Realität. Gemeinsame Entscheidungen sind umso weniger entbehrlich, je stärker die gegenseitige Abhängigkeit von beschränkten Ressourcen und planerischen Aktivitäten ist. Die Zielvorstellungen werden umso ähnlicher sein, je kohärenter die Zielplanung erfolgt. Und die Wahrnehmungen werden umso näher beieinander liegen, je mehr die Mitarbeiter durch die gemeinsame Unternehmenskultur geprägt sind. Geschäftliche Transaktionen sind überwiegend kosten-nutzen-orientiert und werden von den Interaktionspartnern nur fortgesetzt, wenn beide Seiten aus der Erfahrung ihrer Interaktion heraus das Gefühl haben, für ihr Verhalten belohnt zu werden. Für die Analyse dieser Interaktion gibt es mehrere Ansätze. Nach den Beteiligten unterscheidet man folgende: • Personale Ansätze. Sie analysieren den Einfluss von personellen Eigenschaften von Verkäufern und Käufern, z. B. nach Ähnlichkeit, Machtsaldo. Es gibt die einzentrige Willensbildung, die entweder nur auf der Nachfrageseite individuell oder sowohl auf der Nachfrage- wie auf der Angebotsseite dyadisch vorhanden ist, sowie die mehrzentrige Willensbildung in Gruppen, die entweder nur auf der

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10. Spezialaspekte des Vertriebs

Nachfrageseite vertikal oder sowohl auf der Nachfrage- wie auf der Angebotsseite horizontal vorhanden ist. So geht der dyadische Ansatz von Ähnlichkeiten in ökonomischen, sozialen und physischen Merkmalen zwischen Anbieter und Nachfrager als wesentlicher Erfolgsvoraussetzung aus. Der multilaterale Ansatz stellt Hierarchiestrukturen / ​Rollenerwartungen und Machtverhältnisse / ​Beziehungsmuster in den Mittelpunkt der Untersuchung, wobei auch die Möglichkeit von Koalitionen auf einer Seite denkbar ist. • Organisationale Ansätze. Sie sind auf bestimmte Rollen ausgerichtet, die in Einkaufs- und Verkaufsgremien eingenommen werden. Monoorganisationale Ansätze gehen davon aus, dass die Verhandlungsseiten ungebunden, d. h. rechtlich und wirtschaftlich selbstständig, sind. Dies ist in einer zunehmend verflochtenen Wirtschaftsstruktur allerdings immer seltener der Fall. Multiorganisationale Ansätze hingegen berücksichtigen die Einbindung mehrerer Organisationen auf beiden Seiten in Gruppen, z. B. als Konsortien. Die dadurch entstehenden Beziehungen werden in Netzwerkansätzen untersucht, die Organisationen als Systeme auffassen, die durch ihre Elemente Beziehungen untereinander und zur Umwelt haben, wobei mehrere Transaktionsepisoden, wie Anfragen- / Vorstudienphase, Angebotsphase, Nachverhandlungsphase, Lieferphase, Gewährleistungsphase, vorausgesetzt werden. Nach den Einflussgrößen unterscheidet man folgende: • Strukturelle Ansätze stellen Organisationsmerkmale in den Vordergrund und nehmen Beziehungen zwischen Organisationen und deren Umweltbeziehungen in die Untersuchung mit auf. Dadurch wird der Komplexität der Wirtschaftsrealität besser Rechnung getragen. • Prozessuale Ansätze richten ihr Interesse auf bestimmte Phasen des Transaktionsprozesses, die sich gegenseitig abgrenzen. Sie stellen somit eine Abfolge von Transaktionsepisoden dar. Dabei ist auch der ablaufbezogene Verhandlungsstil von Bedeutung.

10.2.4 Kaufsituationen 10.2.4.1 Akteure Im Gewerbekundengeschäft sind verschiedene Akteure aktiv. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um folgende: • Fertigproduktehersteller (Industrie) stellen Komplettleistungen über alle Wertschöpfungsstufen her und verkaufen diese im Direktabsatz oder indirekt an Wiederverkäufer oder an Weiterverarbeiter (als OEM), • Rohstoffanbauer/-abbauer in der Agrarwirtschaft und industriellen Förderung stellen die erste Wertschöpfungsstufe dar und verkaufen ihre Erzeugnisse (Commodities) an gewerbliche Weiterver-/-bearbeiter,

10.2 Kaufverhalten im Geschäftskunden-Vertrieb 

573

• Teilehersteller (Zulieferer) stellen Halbfertigprodukte über eine / ​wenige Wertschöpfungsstufen aus Rohstoffen her und verkaufen diese an gewerbliche Weiterverarbeiter, • Komponentenhersteller (Zulieferer) stellen Halbfertigprodukte auf Basis angelieferter Teile her, ergänzt durch eigene Leistungsanteile über mehrere eigene Wertschöpfungsstufen, • Systemhersteller (Zulieferer) stellen Fertigprodukte auf Basis von Komponenten her, ergänzt über mehrere eigene Wertschöpfungsstufen, • gleichgestellt sind Importeure bzw. Exporteure von Halbfertig- und Fertigprodukten sowie Online-Anbieter von Halbfertig- und Fertigprodukten und markenlose Handelswaren-Anbieter, • Wiederverkäufer (Händler) kaufen Fertigprodukte ein und verkaufen diese ohne wesentliche Be- oder Verarbeitung an gewerbliche Endabnehmer (GH / ​PVH) oder private Abnehmer (EH / ​Handwerkshandel), • Gebrauchtwarenverkäufer überarbeiten Investitionsgüter (revamping / ​meist Anlagen) und Produktionsgüter (refurbishing / ​meist Betriebs- und Geschäftsausstattung) und bieten diese zum Secondhand-Preis an. • Industrielle Dienstleister (Service provider) erstellen selbstständige oder produktbegleitende Services für gewerbliche Abnehmer, meist in mittelständischer Betriebsform, • Handwerker erstellen technische Reparatur- und Wartungsservices für gewerbliche Abnehmer, meist in kleinständischer Betriebsform, • Freiberufler (Professional service) steuern leistungsergänzende kaufmännische oder technische Beratungsservices für gewerbliche Abnehmer bei, • Absatzhelfer begleiten den Warenfluss in der Supply chain durch Kreditierung und Absicherung (Finanzen), durch Transport, Umladung, Lagerung und Entsorgung (Logistik) oder durch Datenbereitstellung, -aufbereitung, -verdichtung (Information). Diese Akteure stehen teils in komplementärem Verhältnis zueinander und arbeiten in Wertschöpfungsketten symbiotisch zusammen, teils stehen sie aber auch in substitutivem Verhältnis und kämpfen um ihren Bedeutungsanteil in der Wertschöpfungskette. Dabei kommt es zu einem Wettbewerb der Geschäftsmodelle. Insofern ist die jeweilige Interessenlage ausschlaggebend für Vertriebsaktivitäten.

574

10. Spezialaspekte des Vertriebs

10.2.4.2 Kauftypen

modifizierter Wiederholungskauf reiner Wiederholungskauf

Komplexitätsgrad

Neuheitsgrad

Erstkauf

automatisierter Nachkauf

Abbildung 112: Kauftypen

Im organisationalen Bereich ergeben sich vier Typen von Kaufentscheidungen (siehe Abbildung 112: Kauftypen). Beim Erstkauf (auch New task) stehen die Beteiligten vor einer völlig neuen Problemstellung, bei der bisherige Erfahrungen wenig helfen. Dementsprechend besteht großer Informationsbedarf. Erstkäufe lassen sich kennzeichnen durch individuelle Kaufprozesse, die neuartig sind, deren Leistungsinhalt und -umfang also jeweils neu festgelegt werden muss, die extensive Entscheidungsprozesse darstellen, bei denen regelmäßig ein vergleichsweise hoher Auftragswert gegeben ist und bei denen eine einzelfallabhängige Lieferantenbewertung erfolgt. Es ist ein neues, vorher nicht gegebenes Problem mit oft noch sehr wenig strukturiertem Bedarf vorhanden. Der Anstoß zum Kauf kann von außerhalb des Unternehmens kommen oder auf interne Anregung. Es gibt nur geringe oder keine diesbezügliche Käufererfahrung. Daraus resultieren ein hohes Informationsbedürfnis und die Notwendigkeit, alternative Problemlösungen und alternative Anbieter zu suchen. Erstkäufe treten unregelmäßig auf, sind aber von großer Bedeutung für nachgelagerte Entscheidungen. Der modifizierte Wiederholungskauf (auch Modified rebuy) ist seiner Art nach nicht neu, weicht jedoch von Erfahrungswerten ab. Daher müssen ergänzende Informationen eingeholt werden. Der Kaufentscheid ist nicht innovativ, wie beim Erstkauf, aber auch nicht routinisiert, wie beim reinen Wiederholungskauf. Man kann daher von einem adaptiven Verhalten sprechen. Es liegen bekannte Kaufalternativen vor, die sich aufgrund äußerer Ereignisse oder interner Einflüsse geändert haben, so dass zusätzlicher Informationsbedarf besteht. Der Kaufprozess wird dazu nur teilweise wieder aufgerollt. Insofern ist der Informationsbedarf auf die Unterschiede zu den bereits bekannten Produkten reduziert. Beim reinen Wiederholungskauf (auch Straight rebuy) handelt es sich um wiederkehrende Problemstellungen bei völlig ausreichender Informationslage. Solche Routinetransaktionen sind charakterisiert durch habitualisierte Kaufprozesse, die

10.2 Kaufverhalten im Geschäftskunden-Vertrieb 

575

sich vergleichsweise häufig wiederholen, im Rahmen derer dieselben, normierten und ggf. vorproduzierten Leistungen nachgefragt werden, die eine vergleichsweise geringe Komplexität aufweisen, bei denen ein vergleichsweise geringer Auftragswert gegeben ist und eine Neubewertung von Lieferanten nur vergleichsweise selten geschieht, z. B. bei Nachbestellungen. Daher ist kaum noch Informationssuche notwendig. Der Lieferant stammt aus dem Kreis von Anbietern, mit denen bereits Geschäftsbeziehungen bestehen. Dazu liegt explizit oder implizit eine Liste der möglichen Lieferanten vor. Neue Lieferanten werden nicht berücksichtigt. Kaufobjekt, Preis, Lieferzeit etc. können in diesem Rahmen durchaus variieren, und zwar von Kauf zu Kauf solange, bis sich die Aufgabe so verändert hat, dass eine neue Lieferquelle in die Überlegungen aufgenommen wird. Dabei sieht sich der In supplier kontinuierlich vorgetragenen Verdrängungsversuche von Out suppliers gegenüber. Beim automatisierten Nachkauf (Virtual rebuy) treten nicht mehr Personen in Interaktion um einen Kaufentscheid, sondern dieser wird nach vordefinierten Kriterien durch Computer selbstständig ausgelöst, ausgeführt und abgeschlossen. Dies erfolgt etwa bei Rahmenverträgen mit Teilabrufen, bei Managed inventories im Handel oder Transaktionen auf Internet-Marktplätzen. Das bedeutet, dass keine aktive Auseinandersetzung mit dem Kaufentscheid mehr stattfindet, vor allem individuelle Präferenzen keine Rolle mehr spielen. Vielmehr wird die Transaktion weitgehend präferenzfrei nach objektiven Kriterien vollzogen. Dies ist im Vertrieb eine gefährliche Entwicklung, denn bei überwiegend austauschbaren Produkten auf hohem Niveau spielt dann der Preis eine, wenn nicht die, dominante Rolle. Da aber ein manifester Trend in Richtung solcher automatisierter Nachkäufe stattfindet, gibt es nur eine Chance, nämlich proaktiv tätig zu werden, also bevor Computer das Kommando übernehmen, auf die Auswahlkriterien im Sinne eigener Vorteilhaftigkeit Einfluss zu nehmen. Dabei sind Beschaffer dahingehend zu beraten, Kriterien vorzusehen, die das eigene Angebot bevorteilen, zugleich aber bekannte Wettbewerbsangebote diskriminieren.

10.2.5 Vertikalmodelle zur Erklärung 10.2.5.1 Buying center-Konzept Einkaufsentscheidungen ab einer gewissen Größenordnung werden typischerweise nicht mehr von Einzelpersonen getroffen, sondern von Einkaufsgremien, weil die damit verbundene Verantwortung für eine einzelne Person als zu hoch empfunden wird. Diese Gremien, Buying centers, bestehen aus unterschiedlichen Personen, die verschiedene Funktionen wahrnehmen. Denkbar ist aber auch, dass ein Mitglied mehrere Funktionen gleichzeitig oder nacheinander übernimmt oder mehrere Mitglieder dieselbe Funktion übernehmen. Einzelne Funktionen können auch von externen Dritten übernommen werden.

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10. Spezialaspekte des Vertriebs

Türöffner Entscheider Einkäufer

Anwender

Beeinflusser

Abbildung 113: Buying center (Schema)

Folgende Typen lassen sich im Buying center als hybrider Organisationsform, die nicht eigens aufbauorganisatorisch verankert ist, unterscheiden (siehe Abb. 113: Buying center (Schema)): • Der Vorselektierer (Gatekeeper) übernimmt die Informationssammlung, die Identifikation der in Betracht kommenden Kaufalternativen und trifft damit die Entscheidungsvorbereitung. Informationen, die diese Schleuse nicht passieren können, gelangen damit erst gar nicht zur engeren Beurteilung. Daher ist es für Verkäufer hoch bedeutsam, sicherzustellen, dass Informationen, die Entscheidungsgrundlage sind, auch tatsächlich im Buying center ankommen. Die Funktion des Gatekeeper wird häufig von einer Stabsstelle übernommen, dies können aber auch die Sekretärin oder der Assistent sein. • Der Entscheider (Decider) übernimmt die Letztauswahl des Kaufobjekts bzw. dessen Lieferanten. Dabei handelt es sich meist um eine Person in leitender Stellung mit Positionsmacht, welche die vorgeleistete Gremiumsarbeit durch ihr Votum sanktioniert. Je nach Einmischungsgrad in die operative Ebene übt sie mehr oder minder großen formalen Einfluss auf die Beschaffungsentscheidung aus. Sie erteilt die Kaufgenehmigung, verwaltet einen eigenen Etat und verfügt über Budgets, sie kann Mittel freigeben und hat eine Veto-Macht. Der Entscheider konzentriert sich gemeinhin auf die Auswirkungen des Kaufs auf das Unternehmen und das Geschäftsergebnis. • Der Einkäufer (Buyer) trifft die Vorauswahl der Lieferanten, indem eine Transaktion ausgeschrieben und potenzielle Partner zur Angebotsabgabe aufgefordert werden. Er schließt außerdem formal den Kaufvertrag ab, führt die Nachverhandlungen en detail und überwacht die Kaufabwicklung incl. aller Vor- und Nacharbeiten. Oft hat der Einkäufer bei hoch spezialisierten Kaufobjekten lediglich administrative Funktion. Er gehört der Einkaufsabteilung an und erledigt Routinetransaktionen auch allein. • Der Anwender (User) bringt den Kaufentscheidungsprozess in Gang, indem er einen empfundenen Mangelzustand signalisiert. Er definiert Anforderungsmaßstab und Verfügbarkeitstermin. Außerdem beurteilt er nachher die Eignung der gekauften Betriebsmittel. Denn er ist Erfahrungsträger in Hinblick auf die Pro-

10.2 Kaufverhalten im Geschäftskunden-Vertrieb 

577

duktqualität, sein Einsatzverhalten ist wichtig für die gesamte Beschaffungsaktion. Er ist persönlich durch die Anschaffung betroffen, sowohl bei Erfolg wie bei Misserfolg. Folglich konzentriert er sich auf die Funktionserfüllung und will konkrete Nutzen haben. Gelegentlich wird hiervon die Funktion des Auslösers (Initiator) unterschieden. Dies ist immer dann der Fall, wenn die Bedarfsmeldung nicht vom Verwender selbst, sondern von einer anderen Stelle ausgeht. • Der Beeinflusser (Influencer) nimmt durch Fachkompetenz Einfluss auf die Beurteilung der Kaufobjekte und die Entscheidung zugunsten einer Alternative. Oft handelt es sich dabei um einen externen Berater oder Mitarbeiter einer internen Service-Abteilung, der nicht unmittelbar von den Konsequenzen des Kaufs betroffen ist und deshalb vermeintlich vorurteilsfrei werten kann. Problematisch ist dabei zumeist, dass die den einzelnen Funktionen zugehörigen Personen nicht vorab identifiziert werden können und deren tatsächlicher Entscheidungsanteil verschwommen bleibt, obgleich diese Informationen gerade von höchster Bedeutung sind. Gemeinhin wird eine eher rationale Entscheidungsfindung unterstellt, obgleich dies in praxi stark anzuzweifeln ist.

10.2.5.2 Potenzial-Konzept Bei Kaufentscheidungen in Organisationen lassen sich unterschiedliche Rollenauffassungen feststellen. Das Potenzial-Konzept unterscheidet dabei zwischen Promotoren als Machtpromotoren und Fachpromotoren (auch Champion power). Es basiert auf einer Untersuchung zur Durchsetzung von Innovationen, gegen die sich technologische, ökonomische und umfeldbezogene Widerstände ergeben, z. B. Willensbarrieren aus weltanschaulichen, sachlichen oder persönlichen Gründen. Promotoren fördern Veränderungen, Opponenten behindern, d. h. verhindern, verzögern oder fraktionieren, Veränderungen. Machtpromotoren verfügen aufgrund ihrer hierarchischen Stellung in der Organisation über Entscheidungsmacht. Sie sind intern legitimiert, Vertragsabschlüsse bindend zu tätigen. Sie können Vorgänge durch Anordnung, Sanktion gegenüber „Bremsern“ und Unterstützung treibender Kräfte in Richtung und Tempo maßgeblich beeinflussen. Sie haben dabei weniger technisch-organisatorische Details im Sinn als vielmehr deren Auswirkungen auf das Unternehmen insgesamt. Fachpromotoren zeichnen sich, unabhängig von ihrer hierarchischen Stellung, durch spezifisches Wissen aus. Sie nehmen aufgrund fachlicher Legitimation auf die Entscheidung Einfluss. Fachpromotoren sind typischerweise im Middle management angesiedelt. Promotoren sind Personen, die einen Beschaffungsprozess initiieren und bis zum Schluss aktiv und intensiv fördern. Der Promoter ist also eher jemand, der Initiative ergreift, sich engagiert, als jemand, der nur mit Umsicht und Gelassenheit seine Pflicht erfüllt und einschlägige Vorschriften beachtet.

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10. Spezialaspekte des Vertriebs

Selten treten Macht- und Fachpromotoren in Personalunion auf. Macht- und Fachpromotoren können aber gemeinsam auftreten, was ihnen besondere Effektivität verleiht. Gelegentlich werden Prozesspromotoren ergänzt, die für die Durchsetzung von Entscheidungen in der Organisation Sorge tragen. Sie wirken mittels Kenntnis der organisatorischen Prozesse ein. Opponenten (auch Veto power, Inhibitoren) hemmen den Innovationsprozess bei der erstmaligen Anschaffung neuer Einkaufsobjekte ebenso wie Promotoren ihn fördern. Folglich unterscheidet man Machtopponenten qua hierarchischer Stellung, Fachopponenten qua Spezialistenwissen und Prozessopponenten qua Kenntnis interner organisationaler Abläufe. Wer im spezifischen Fall freilich Opponent und wer Promotor ist, ist vom Standpunkt des Betrachters abhängig. Außerdem gibt es verdeckte Opponenten und verborgene Promotoren. 10.2.5.3 Reagierer-Konzept Das Reagierer-Konzept unterscheidet zwischen den Prototypen des Clarifier und des Simplifier. Der Clarifier als „zerlegender“ Faktenreagierer ist für die Einkaufsentscheidung an möglichst viel Information interessiert, die er dann sichtet und verarbeitet, um zu einem fundierten Ergebnis zu gelangen. Ihn ist an einer möglichst vollständigen, abgerundeten Beurteilung hinsichtlich der angebotenen Produkte für sich selbst gelegen. Dabei werden alle für die Anwendung im Unternehmen relevanten Gesichtspunkte geprüft, um das Entscheidungsrisiko zu senken. Wichtig ist daher eine detaillierte, aussagefähige, schriftliche und / ​oder mündliche Argumentation. Dem Simplifier als „sammelndem“ Imagereagierer ist hingegen gleich an verdichteten Informationen gelegen, die für ihn einfach zu verarbeiten sind. Es kommt also nicht auf die Vollständigkeit der Informationen an, sondern nur auf die Vorlage als wichtig erachteter Schlüsselinformationen, die einen Gesamteindruck über die angebotenen Alternativen erlauben. Dabei ist jeweils der Nutzen aus dem Einsatz der anzuschaffenden Produkte zu betonen. Als Mischtyp aus beiden gilt der Reaktionsneutrale. Ihm ist an einer ausgewogenen Relation aus punktuell vertiefenden Informationen bei gleichzeitiger Wahrung eines gesamthaften Überblicks gelegen. In jedem Fall geht es bei Gruppenentscheidungsprozessen darum, festzustellen, wer genau an einer Kaufentscheidung beteiligt ist, also Name, Funktion, Position, Rolle etc. Weiterhin müssen die Kommunikationsstruktur im Netzwerk, die Art der Kommunikation einseitig / ​zweiseitig und die Position isoliert, verbunden, Brücke, Zentrale, Randfigur, Gatekeeper, Meinungsführer etc. identifiziert werden. Dazu sind die Konflikte zwischen Personen und Gruppen im Netzwerk ebenso zu analysieren wie deren Macht und Einfluss aus Machtbasis, individuelle Taktik der Einflussnahme etc.. Daraus leitet sich schließlich der Versuch einer Prognose des Kaufentscheidungsprozesses ab.

10.2 Kaufverhalten im Geschäftskunden-Vertrieb 

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10.2.6 Horizontalmodelle zur Erklärung Bei den horizontalen Ansätzen geht es nicht mehr nur um die Betrachtung einer Organisationsseite, sondern um die wechselseitige Beziehung zwischen Anbieter- und Nachfragerseite. So steht dem Buying center auf Einkaufsseite meist ein Selling center auf Verkaufsseite gegenüber. Zum Selling center gehören für gewöhnlich folgende Teilnehmer: • Techniker als Äquivalent zum User, • Schlüsselkundenberater als Äquivalent zum Buyer, • Anwendungsberater als Äquivalent zum Influencer, • Außendienstler als Äquivalent zum Gatekeeper, • Geschäftsführer als Äquivalent zum Decider. Auf Handelsseite sieht sich ein derart besetztes Selling center meist einem folgendermaßen besetzten Buying center gegenüber: • Ressorteinkäufer in der Funktion des User, • Chefeinkäufer in der Funktion des Buyer, • Vertriebsleiter in der Funktion des Influencer, • Verkaufsförderer in der Funktion des Gatekeeper, • Geschäftsführer in der Funktion des Decider. Als strategische Verhaltensalternativen stehen dabei, je nach relativer Stärke der Seite, der Kampf bei beidseitiger Dominanz, die Abstimmung bei beidseitiger Subordination, die Anpassung oder die Umgehung, jeweils bei einseitiger Dominanz bzw. Subordination, zur Verfügung.

Personenbeteiligung Organisationsbeteiligung

Käuferseite (vertikal)

Verkäuferseite (vertikal)

Buying center/ Potenzial-Konzept/ Reagierer-Konzept

Selling center: Key accounter, Verkaufsinnen-/-außendienst

beschaffendes Unternehmen absetzendes Unternehmen als Rechtspersönlichkeit als Rechtspersönlichkeit

Abbildung 114: Personale und organisationale Austauschbeziehungen

Im Modell von Bonoma / ​Zaltman / ​Johnston wird die industrielle Beschaffung als multiorganisationaler Austauschprozess aufgefasst. Dabei wird unterstellt, dass

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10. Spezialaspekte des Vertriebs

Personen in sozialen Austauschbeziehungen solchen Transaktionen den Vorzug geben, bei denen sie auf kurze oder lange Sicht eine äquivalente Gegenleistung zur eigenen Leistung zu erhalten erwarten. Es gibt vier Austauschbeziehungen (siehe Abbildung 114: Personale und organisationale Austauschbeziehungen): • personal-vertikal: Die Mitglieder des Buying center erbringen für ihr Unternehmen die Leistung, den Einkauf zieladäquat durchzuführen und damit zur Lösung des anstehenden Problems beizutragen. Dafür beziehen sie Gehalt, • personal-horizontal: Der Verkäufer bietet den Mitgliedern des Buying center Information und Beratung an. Wenn es zum Kauf kommt, wird ihm dafür der Abschluss als Erfolg zugerechnet, was wiederum direkt einkommenswirksam ist, • organisatorisch-vertikal: Die Austauschbeziehung zwischen dem Verkäufer und seinem Arbeitgeber besteht darin, dass der Verkäufer im Sinne des Unternehmens Verkaufsanstrengungen unternimmt und dafür entlohnt wird, • organisatorisch-horizontal: Zwischen verkaufendem und beschaffendem Unternehmen schließlich findet der Austausch von zu erbringender Leistung und vereinbarter Bezahlung statt. Diese Beziehungen werden noch durch wechselseitige Vorstellungsbilder beeinflusst.

10.2.7 Interaktionsmodelle zur Erklärung 10.2.7.1 Relationen-Konzept Zwei oder mehr Partner orientieren ihre verbalen und nonverbalen Aktionen sinngemäß aneinander, wobei ihre Aktion und Reaktion interdependent ist. Zwischen den Beteiligten entsteht ein zeitlich begrenztes, aufgabenorientiertes Transaction center aus Mitgliedern der kaufenden und der verkaufenden Seite. Strukturansätze sind statisch erfasste Beziehungsmerkmale zu einem Zeitpunkt. Prozessansätze hingegen sind komparativ-statisch und vergleichen Veränderungen im Zeitablauf. Werden zwei Partner analysiert, handelt es sich um dyadische Beziehungsmuster, bei mehr als zwei Partnern um multilaterale. Handelt es sich bei den Parteien um Personen, spricht man von personenbezogenen Ansätzen, handelt es sich um Organisationen, spricht man von organisationsbezogenen Ansätzen. Daraus entstehen vier Kombinationen: • Bei dyadisch-personalen Interaktionsansätzen stehen Matching-Studien im Vordergrund, d. h. Ähnlichkeiten zwischen Käufer und Verkäufer. Danach ist derjenige Verkäufer am erfolgreichsten, der dem jeweiligen Käufer am ähnlichsten ist. Daraus kann man schließen, sich im Verkaufsgespräch durch kongruentes Rollenverhalten an den Käufer anzupassen im Adaptive selling oder Verkäufer

10.2 Kaufverhalten im Geschäftskunden-Vertrieb 

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organisatorisch nach Affinität zuzuordnen bei einer Kundenorganisation. Es können aber auch die Machtbeziehungen in der personalen Dyade untersucht werden, dabei erfolgt die Beeinflussung durch eine Kombination aus Kompetenz und Sympathie. Nur Kompetenz („Der ekelhafte Könner“) oder nur Sympathie („Der nette Taugenichts“) reichen nicht aus. Auch ist der Verkaufserfolg vom Involvement der Verhandlungspartner abhängig, je höher dieses ist, sei es aus Eigenmotivation oder äußerem Druck, desto wahrscheinlicher ist ein Erfolg. • Bei multilateral-personalen Interaktionsansätzen wird untersucht, inwieweit Statusprobleme mit der hierarchischen Struktur der Beteiligten auf beiden Seiten entstehen können und inwieweit es zur Bildung von Koalitionen horizontal oder Absprachen vertikal kommt. Wichtig ist die Adäquanz von Kompetenzen, Sozial- und Rangpositionen zwischen den Angehörigen der potenziell kaufenden und verkaufenden Seiten. Außerdem sind meist bestimmte Rollen verteilt. So gibt es den Angreifer, der aggressiv in das Gespräch einsteigt, den Nachfasser, der unterstützend zur Seite steht, den Moderator, der das Gespräch leitet, den Ausgleicher, der Standpunkte wieder aufeinander zuführt, den Faktenkenner, der die Munition bei Gegenargumenten liefert, den Vertrauten, der Verständnis für die andere Seite zeigt etc. • Die dyadisch-organisationalen Interaktionsansätze untersuchen die intra-organisationalen und die inter-organisationalen Beziehungen zwischen Käufer und Verkäufer. Danach ist vor allem die Kongruenz von Erwartungen an und Erleb­ nissen in der Interaktion bedeutsam. Es geht um eine Problemlösungsaufgabe der Entwicklung und Auswahl einer neuartigen technisch-organisatorischen Konzeption sowie die Konflikthandhabungsaufgabe zur Erzielung von Konsens über die von beiden Seiten zu erbringenden Leistungen und Gegenleistungen. Nach dem Delegationsmodell macht der Anbieter automon Vorschläge, die der Abnehmer annimmt oder ablehnt, nach dem Zusammenarbeitsmodell erarbeiten Anbieter und Abnehmer gemeinsam tragfähige Lösungen. Ersteres ist für den Käufer bei relativ anspruchslosen Problemlösungen mit frühzeitiger Bindung an einen Lieferanten effizient, letzteres bei eher anspruchsvollen Problemlösungen mit Verhandlungen bei mehreren Anbietern. • Bei multilateral-organisationalen Interaktionsansätzen werden meist chrono­ logisch Episoden als kollektive Planungs-, Entscheidungs- und Verhandlungsprozesse zwischen und innerhalb von Organisationen in Bezug auf die Anbahnung, den Abschluss und die Abwicklung einer Transaktion unterschieden. Episodeninformationen sind alle, die in der konkreten Einzeltransaktion zur Gestaltung des Leistungserstellungsprozesses im Hinblick auf die Erzielung von Kundenvorteilen von Bedeutung sind. Zeitlich vorgelagerte Episoden schaffen dabei Chancen- und Risikenpotenziale für nachfolgende. Eine Transaktions­ episode umfasst die Gesamtheit aller Interaktionen, die mit der Entwicklung, Vereinbarung und Realisation der interessierenden Transaktion verbunden sind. Potenziale wie Macht, Wissen, Konsens etc. beeinflussen den Ablauf des Trans­ aktions­prozesses.

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10. Spezialaspekte des Vertriebs

10.2.7.2 Netzwerk-Konzept Das Netzwerkkonzept stellt eine Erweiterung der organisationalen Interaktionsansätze um episodenübergreifende Informationen dar. Dabei werden Organisationen als soziale Systeme durch ihre Elemente, die Beziehungen zwischen den Elementen und durch die Beziehungen zur Umwelt charakterisiert. Daraus entstehen als Hauptelemente der Interaktionsprozess selbst, die beteiligten Personen, die Umwelt und die Atmosphäre. Das Verhalten von Personen ist nicht nur durch sie selbst bestimmt, sondern vor allem durch ihre Beziehungen zu anderen Personen geprägt. Diese Beziehungsstruktur soll für Zwecke des Anbieters genutzt werden bzw. Veränderungen zu seinen Gunsten daran bewirken. Am wichtigsten sind bei diesen Netzwerken die Kommunikationsbeziehungen. Dabei können verschiedene Typen von Aktoren unterschieden werden: • Isolierte im Netzwerk sind Personen, die höchstens mit einer einzigen anderen Person kommunizieren, nicht aber mit weiteren Personen des Netzwerks. • Verbinder (Liaison) sind Positionen, die zwei oder mehr Untergruppen („Cliquen“) miteinander verbinden. Sie sind damit Gatekeeper für den Informations­ fluss zwischen Untergruppen. Entfallen sie, fallen auch die Untergruppen in Gruppen auseinander. • Brücken (Linking pins) sind Personen, die als Mitglied einer Clique Kommunikationsbeziehungen zu einem Mitglied einer anderen Untergruppe unterhalten. • Grenzgänger (Boundary role)  stellen die Verbindung des Unternehmens zur Umwelt her. Sie sind psychologisch, organisational und meist auch physisch von der Gruppe entfernt angesiedelt. • Zentralen (Stars) sind Personen, die direkt untereinander durch Kommunikation verbunden sind. Von der Position einer Person im Netzwerk hängt es ab, inwieweit sie auf Entscheidungen der Gruppe Einfluss nehmen kann. Dabei stehen ihr Ressourcen zur Verfügung, die sie unmittelbar kontrollieren kann wie Fachwissen, Budget etc., diese dienen als Machtbasen, sowie Ressourcen, die sie nur mittelbar kontrollieren kann wie Kontakte zu anderen Personen. Der Einfluss ist umso größer, je vielfältiger die Beziehungen sind, die eine Person zu einer anderen in der eigenen Gruppe und zu fremden Gruppen unterhält, sowohl nur aufgabenbezogene, formale als auch private, informelle. Und er ist um so größer, je zentraler die Position einer Person im Netzwerk ist.

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10.3 Kaufverhalten im Privatkunden-Vertrieb

10.3 Kaufverhalten im Privatkunden-Vertrieb

Emotion

Normen

Motivation

Subkultur

Einstellung

Soziale Schicht

Involvement Risikoempfinden

Gruppe Familie

Lebensstil Wahrnehmung Lernen

Soziologische Determinanten

Psychologische Determinanten

Zur Erklärung des Konsumentenverhaltens dienen Struktur- und Prozessansätze. Erstere betrachten vornehmlich psychologische und soziologische Aspekte der Kaufentscheidung (10.3.1/10.3.2). Letztere betrachten nicht das Ergebnis des Kaufentscheids, sondern dessen Zustandekommen (10.3.3). Daraus können jeweils Rückschlüsse auf die Beeinflussung des Kaufentscheids gezogen werden (siehe Abb. 115: Strukturelemente des Konsumentenverhaltens).

Meinungsführer

Gedächtnis Abbildung 115: Strukturelemente des Konsumentenverhaltens

10.3.1 Strukturell-psychologische Determinanten Die psychologischen Determinanten innerhalb von Strukturmodellen können in drei Gruppen eingeteilt werden: die Erklärung durch aktivierende, durch individuelle oder durch kognitive Determinanten. Aktivierende Determinanten beschreiben innere Erregungszustände, welche den Organismus mit Energie versorgen und in einen Zustand erhöhter Leistungsbereitschaft und -fähigkeit versetzen. Man unterscheidet nach dem Aktivierungsniveau tonisch und im Zeitablauf nach Aktivierungsschwankungen phasisch. Die Leistung ist dabei bei mittlerer Erregung (Arousal level) am höchsten. Zu geringe Erregung führt zur Lethargie, zu hohe Erregung zu Hektik. Beides ist der Leistung bzw. Zielverfolgung nicht dienlich. Vielmehr muss ein mittlerer Erregungsgrad angepeilt werden. Dies spricht eindeutig gegen „Hochdruckverkauf“ und seine Protagonisten. Bei den aktivierenden Determinanten handelt es sich im Einzelnen um Emotion, Motivation und Einstellung. Emotion ist eine psychische Erregung, die subjektiv

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10. Spezialaspekte des Vertriebs

wahrgenommen wird durch Interesse, Freude, Überraschung, Kummer, Zorn, Ehre, Geringschätzung, Furcht, Scham, Schuldgefühl etc. Die Erregung bestimmt dabei das Maß der physiologischen Aktivierung, die Richtung die Art der Aktivierung steigend oder fallend, die Qualität das Erlebnis der Aktivierung als angenehm oder unangenehm und das Bewusstsein den Wahrnehmungsgrad der Aktivierung bewusst oder subliminal. Auslöser für Emotionen sind Schlüsselreize, also Reize, die mehrere Teilinformationen über das Wahrnehmungsobjekt in sich bündeln. Dabei handelt es sich z. B. um das Markenlogo, Gütesiegel oder Referenzaussagen. Motivation gilt als mit Antrieb versehener und auf Behebung ausgerichteter Bedarf. Je dringlicher dieser Bedarf ist, desto eher soll er befriedigt werden. Mit der Befriedigung eines Bedürfnisses erhält automatisch das nächstfolgende Priorität. Es gibt primäre Motive, die angeboren sind, z. B. Versorgung, Arterhaltung, Nachteilsvermeidung, und sekundäre Motive, die erworben sind, z. B. Prestige, Macht, Lebensqualität, und in großer Mehrheit verhaltensrelevant sind. Weiterhin intrinsische Motive, die eine Selbstbelohnung / ​Vermeidung von Bestrafung zum Inhalt haben, und extrinsische Motive, die außengeleitet sind, sowie unbewusste Motive, die unterhalb der eigenen Wahrnehmungsschwelle liegen, also Verhalten im Verborgenen steuern, und bewusste Motive, die sich oberhalb befinden und denen gezielt nachgegangen werden kann. Sind die Antriebe widersprüchlich, entstehen Motivkonflikte. Ein AppetenzAppetenz-Konflikt liegt vor, wenn ein Käufer zwei oder mehr Motive als positiv wahrnimmt, sich aber für eines von ihnen entscheiden muss, also die Qual der Wahl haben. Ein Appetenz-Aversions-Konflikt liegt vor, wenn ein identisches Ziel sowohl positive als auch negative Wahrnehmungen auslöst, die gegeneinander abzuwägen sind, also hin- und hergerissen sein. Ein Aversions-Aversions-Konflikt liegt vor, wenn ein Käufer sich zwischen zwei oder mehr, von ihm sämtlich als negativ wahrgenommenen Alternativen entscheiden muss, also das geringere Übel wählen. Es sind verschiedene Modelle zur Motivationseinordnung entwickelt worden, am bekanntesten ist wohl das Modell von Maslow. Es sieht fünf Hierarchiestufen in einer Bedürfnispyramide vor, nacheinander physiologische, sicherheitsbezogene, sozialkontaktbezogene, profilierende und selbstverwirklichende Elemente. Je höherwertiger ein angesprochenes Motiv ist, desto kaufauslösender wirkt es. Einstellung ist die relativ stabile innere Bereitschaft (Prädisposition) eines Käufers, auf bestimmte Stimuli konsistent positiv oder negativ zu reagieren. Mehrdimensionale Einstellungen werden Images genannt. Einstellungen führen zu organisierten Überzeugungen, Vorurteilen, Meinungen etc. Positive Einstellun­ gen erhöhen die Kaufchance, negative vermindern sie. Einstellungen haben die Merkmale des Objektbezugs, d. h., sie sind immer auf ein bestimmtes Bezugsobjekt wie Sache, Person, Thema, Angebot gerichtet, der Erworbenheit, d. h., sie entspringen allein dem Sozialisationsprozess als Lernen aus Erfahrung, und des Systemcharakters, d. h., sie unterteilen sich in eine affektive Komponente, welche die gefühlsmäßige Einschätzung betrifft, eine kognitive Komponente, welche die

10.3 Kaufverhalten im Privatkunden-Vertrieb

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verstandesmäßige Beurteilung betrifft, und eine konative Komponente, welche die handlungsmäßige Konsequenz betrifft. Es ist strittig, ob eine Einstellungsänderung zuerst Voraussetzung für neues Verhalten ist oder nicht. Der Involvement-Ansatz geht davon aus, dass es ohne Einstellungsänderung keine Verhaltensänderung gibt (E – V-Hypothese), der Dissonanz-Ansatz (V – E) geht hingegen davon aus, dass neues Verhalten Voraussetzung für eine Einstellungsänderung ist. Ersteres dürfte für High interest-Kaufobjekte gelten, letzteres für Low interest-Kaufobjekte. Individuelle Determinanten unterteilen sich in die Elemente Involvement, Risikoempfinden und Lebensstil. Unter Involvement versteht man einen inneren Zustand der Aktivierung, der die Informationsaufnahme, -speicherung und -verarbeitung beeinflusst. Diese Aktivierung ist personen-, situations- und reizabhängig. High involvement-Situationen sind solche, die für den Käufer wichtig sind, weil sie ein hohes Risiko persönlich aus Selbsteinschätzung, finanziell aus Geldmitteleinsatz, sozial aus Fremdeinschätzung oder psychologisch aus Dissonanzen bergen. Low involvement-Situationen sind hingegen weniger wichtig und risikoreich, so dass es nicht sinnvoll erscheint, sich mit sorgfältiger Abwägung, Vergleich vieler Alternativen und Verwendung umfangreicher Informationen auseinander zu setzen. Die Low involvement-Hierarchie unterstellt daher, dass es zu Verhalten ohne vorherige kognitive Auseinandersetzung kommen kann. Die High involvement-Hierarchie unterstellt hingegen, dass ohne Einstellungsbildung kein Verhalten erfolgen kann. Sinnvoll ist die Überführung eines Kaufobjekts in den High involvement-Bereich. Das Risikoempfinden beschreibt die als nachteilig empfundenen Folgen des Kaufs oder Nichtkaufs, die nicht vorhersehbar sind. Diese Unsicherheit kann vor dem Kauf als Vorkaufdissonanz oder vor allem nach dem Kauf als Nachkaufdissonanz auftreten. Dissonanzen sind meist kognitiv bedingt. Der Grad des wahrgenommenen Risikos ist von der individuellen Risikobereitschaft abhängig und hat einen finanziellen, funktionalen, sozialen und psychologischen Aspekt. Zweifel an der Richtigkeit einer Entscheidung wollen vom Menschen zur Konsonanz ausgeglichen werden. Insofern ist eine Dissonanzreduktion erforderlich. Diese erfolgt auf vielfache Weise, so durch Änderung im Umfang der Kognition, durch Hinzufügung neuer Kognitionen oder Ausschaltung dissonanter Kognitionen, durch Änderung von Inhalten der Kognition, nachträgliche Aufwertung der gewählten Kaufalternative bzw. nachträgliche Abwertung der verworfenen Kaufalternativen, Unterstellung der Gleichartigkeit der gewählten zu der / ​den verworfenen Alternative(n) oder Rückgängigmachung des Kaufs. Käufern sind entsprechende Hilfen zur Reduktion anzubieten. Das Element Lebensstil wird durch Werte und Typologien gebildet. Werte sind allgemein Auffassungen über Wünschenswertes. Sie unterliegen einem stetigen, manchmal auch sprunghaften Wandel (Wertewandel / ​Paradigmawechsel). Wertestrukturen kommen in Lebensstilen zum Ausdruck, die neben beobachtbaren Aktivitäten auch emotionale Interessen und kognitive Meinungen im AIO-Ansatz ent-

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10. Spezialaspekte des Vertriebs

halten. Solche Lebensstile lassen sich, um den Preis einer gewissen Vergröberung, zu repräsentativen Merkmalskombinationen zusammen fassen, die hinsichtlich ihrer Werthaltungen hinreichend homogen zu charakterisieren sind und als Typologien ausgewiesen werden. Diese sind vor allem für die Zielgruppenbestimmung und Kommunikationsmaßnahmen an Marktsegmente hilfreich. Kognitive Determinanten betreffen die gedankliche Organisation des Käufers in seinem Umfeld und bestehen aus den Elementen Wahrnehmung, Lernen und Gedächtnis. Wahrnehmung umfasst den Prozess der Aufnahme und Selektion von Informationen sowie deren Organisation und Interpretation durch den Käufer über Aktivität, Subjektivität und Selektivität. Aktiv meint, dass Wahrnehmung ein vom Käufer initiativ ausgehender Prozess ist, subjektiv, dass gleiche Objekte individuell abweichend wahrgenommen werden können, und selektiv, dass infolge der Wahrnehmungsbeschränkung einzelne Informationen herausgefiltert werden. Wahrnehmung ist nur oberhalb einer minimalen Reizschwelle möglich. Reize darunter können lediglich unterschwellig (subliminal) wahrgenommen werden und führen zur unkontrollierten Verhaltenssteuerung, über deren absichtliche Herbeiführung ein eindeutiges moralisches Unwerturteil besteht. Eine relative Reizschwelle ist der Unterschied zwischen zwei Reizen, der gerade noch wahrgenommen werden kann. Die Wahrnehmung unterliegt dabei zahlreichen verzerrenden Gesetzmäßigkeiten und Effekten. Das kognitive Lernen beinhaltet die systematische Änderung des Verhaltens aufgrund erworbener Erfahrungen. Das Lernen durch Einsicht / ​Verstehen beruht auf strukturierter Umweltwahrnehmung und Identifikation. Dieses erlaubt es, Lösungskonzepte nicht nur auf gleiche, sondern auch auf ähnliche Situationen anzuwenden. Das Lernen am Modell / ​Leitbild beruht auf der Nachbildung vorbildlicher Leitfiguren. Das Ausmaß des Lernens ist hierbei vom Beobachter, von der beobachteten Situation und von der beobachteten Person abhängig. Das Gedächtnis ermöglicht Informationsverarbeitungsprozesse, indem zwischen Stimuli und Reaktionen darauf verstandesmäßig gesteuerte Prozesse angenommen und erklärt werden. Im Ultrakurzzeitgedächtnis (auch sensorischer Speicher) werden Eindrücke nur sehr kurzzeitig zwischengespeichert und zu Reizkonstellationen kombiniert. Die Speicherkapazität ist dort sehr hoch, die Zugriffsgeschwindigkeit hoch, die Behaltensdauer aber nur sehr kurz. Im Kurzzeitspeicher werden die Reize zu Informationen umgewandelt, indem auf Erfahrungen zurückgegriffen wird. Irrelevante Reize werden bereits gelöscht. Im Langzeitspeicher werden die verarbeiteten Informationen langfristig gesichert. Allerdings kommt es zum Absinken der Information als Funktion der Zeit oder zur Überlagerung impactschwächerer Informationen durch impact-stärkere infolge Interferenz, so dass diese im Entscheidungszeitpunkt nicht mehr verfügbar sind. Im ersten Fall des autonomen Verfalls wird angenommen, dass sich die zeitlich am Weitesten zurückliegenden Informationen löschen, insofern kommt es auf eine hohe Penetration von Botschaften an. Im zweiten Fall entsteht eine proaktive Hemmung der Speicherung durch

10.3 Kaufverhalten im Privatkunden-Vertrieb

587

frühere Informationen, gegen die man sich durchsetzen muss, und eine retroaktive Hemmung durch spätere Informationen, gegen die man bestehen muss.

10.3.2 Strukturell-soziologische Determinanten Soziologische Determinanten innerhalb von Strukturmodellen gehen nicht von der einzelnen Person, sondern vom Zusammenleben der Personen als Erklärungsgröße für das Konsumentenverhalten aus. Dabei handelt es sich im Einzelnen um die Elemente Kultur, Gruppenstruktur, Familie, Rollenbeziehungen und Meinungsführerschaft. Unter Kultur versteht man ein kollektives Wertesystem, das durch Normen Toleranzgrenzen für konformes Verhalten innerhalb der Gesellschaft festlegt. Bei Muss-Normen handelt es sich um Ge- oder Verbote, bei Soll-Normen um erwünschtes, jedoch noch nicht negativ sanktioniertes Verhalten, und bei Kann-Normen um Verhaltensalternativen, die allesamt akzeptiert sind und dem Individuum einen gewissen Ermessensspielraum lassen. Die Sanktionierung erfolgt durch Belohnung bzw. Vermeidung von Bestrafung bei Normeneinhaltung sowie Entzug von Belohnung bzw. Bestrafung bei Normenverstoß. Käufe werden im Regelfall daraufhin untersucht, ob sie normenkonform sind. Subkulturen sind in sich relativ geschlossene Gruppen der Gesellschaft, die sich z. B. nach ethnischen, altersmäßigen oder räumlichen Gesichtspunkten bilden. Sie gliedern die Gesellschaft horizontal und werden von spezifischen, von der allgemeinen Wertestruktur teilweise abweichenden Normen geeint. Subkulturen bieten sehr gute Ansatzpunkte für spezifisch passende Produkte. Eine soziale Sicht ist durch die Gleichartigkeit ihrer Lebensumstände charakterisiert. Sie führt zu einer vertikalen Gliederung der Gesellschaft. Dazu werden meist demografische Kriterien herangezogen wie Alter, Geschlecht, Beruf, Einkommen etc. Diese verlieren allerdings angesichts eines historischen Wandels von der Schichten- zu einer Lebensstilgesellschaft an Bedeutung. Zielgruppen eint damit nicht mehr eine ähnliche Demografie, sondern ein gleicher Lebensstil bei heterogener Demografie. Bei Gruppen unterscheidet man Kleingruppen mit direktem Kontakt der Mitglieder und Großgruppen, weiterhin temporäre und dauerhafte Gruppen sowie familiäre Primär- und außerfamiliäre Sekundärgruppen. Das Ausmaß des Gruppeneinflusses auf Kaufentscheidungen hängt von der Identifikation des Individuums mit der Gruppe ab. Informelle Gruppen sind nur durch Kommunikationsbeziehungen untereinander gekennzeichnet, formelle Gruppen stehen in einem rechtlich begründeten Verhältnis zueinander. Weiterhin unterscheidet man Mitgliedschaftsgruppen, die durch bloße Teilnahme am Gruppenleben entstehen oder nominell durch Aufnahme und Teilhabe begründet werden. Sowie Bezugsgruppen, in denen keine Mitgliedschaft besteht, mit denen eine Person sich aber identifiziert bzw. von

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10. Spezialaspekte des Vertriebs

der sie sich absetzen will. Diese Referenzgruppen werden häufig zum Vergleich mit der eigenen Lebenssituation herangezogen. Zur Konfliktvermeidung werden Nachahmung und Konformität bzw. bewusste Absetzung betrieben. Bei positiven Bezugsgruppen (Peer groups) sind das Verhalten und die Wertungen dieser komparativen Gruppe normierend, die für gewöhnlich eine halbe Klasse über der eigenen sozialen Klasse liegt. Der Abstand hat jedoch nach unten eine Toleranzgrenze, wird er zu groß durch relative Deprivation, ohne dass dafür plausible Erklärungen erkennbar sind, wird dies als ungerecht betrachtet (Neidfaktor). Produkte, welche die Bezugsgruppe nutzt oder empfiehlt, haben eine besondere Attraktivität, weil sie helfen, zumindest konsumtiv deren Mitglied zu werden durch demonstrativen Konsum. Daher sollte diese Eigenschaft herausgestellt werden. Die wohl intensivst erlebte Gruppe ist die Familie. Nach dem relativen Anteil an der Kaufentscheidung durch Familienmitglieder unterscheidet man Kaufobjekte, die primär männlich dominiert sind, etwa im Bereich Technik, Geldanlage etc., primär weiblich dominiert, etwa im Bereich von Kinderbedarf, Haushaltswaren etc., die partizipativ entschieden werden, etwa im Bereich Urlaub, Möblierung etc. oder automon, etwa im Bereich Kleidung, Hobbyausstattung etc. Die traditionelle Rollenverteilung gerät allerdings angesichts gesellschaftlicher Veränderungen ins Wanken, zumal auch Kinder verstärkt an nicht nur sie betreffenden Entscheidungen beteiligt sind. Im Familienlebenszyklus werden verschiedene Phasen in Abhängigkeit nach Alter, Familienstand, Haushaltsgröße, Berufstätigkeit, Kaufkraft und Besitz unterschieden, die zu jeweils spezifischem Kaufverhalten führen und einen spezifischen Produktbedarf haben. Hinsichtlich der Interaktion in Gruppen in Rollenbeziehungen können Positions-, Kommunikations- und Machtbeziehungen unterschieden werden. Die relative Position verschiebt sich vor allem in Abhängigkeit von der Sozialen Schicht. Die informationellen Beziehungen der Gruppenmitglieder sind vielfältig gestaltet. Die Macht in der Gruppe beruht auf den Potenzialen der Belohnung, Bestrafung, Legitimation, Identifizierung und des Expertentums. Dabei treten InterrollenKonflikte auf, wenn durch die gleichzeitige Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Bezugsgruppen abweichende gesellschaftliche Erwartungen von außen an eine Person herangetragen werden, sowie Intrarollen-Konflikte, wenn unterschiedliche Motive in einer Person vorliegen, die sie abweichende Ziele verfolgen lassen müsste. Produkte können helfen, diese Konflikte zu mindern. Bei Meinungsführern wird davon ausgegangen, dass sich die Kommunikation zwischen Botschaftsabsender und Rezipienten nicht nur direkt und diffus, sondern auch zweistufig vollzieht. Nämlich vom Botschaftsabsender an bestimmte Meinungsbildner (Opinion leaders) in der Gesellschaft und von diesen an weitere Personengruppen. Die Meinungsführer nehmen die Botschaft auf und versuchen, etwaige Informationsdefizite durch Kontaktsuche zu Promotoren als professionellen Experten zu füllen. Gleichzeitig suchen weitere Personengruppen Kontakt zu diesen Meinungsbildnern, die auf sie dann in der zweiten Stufe ihren Einfluss

10.3 Kaufverhalten im Privatkunden-Vertrieb

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ausüben. Dies macht sie aufnahmefähig für Anbieternachrichten mit Niveau und Gehalt, die sie bei Gelegenheit ihrerseits an ihr soziales Umfeld weitergeben. Diese Eigenschaft beruht auf informeller Kompetenz, selten auch auf Macht, und wechselt interpersonell je nach Themenstellung. Denkbar ist auch ein Informationsfluss zu Meinungsfolgern sowohl direkt vom Anbieter aus als auch indirekt über zwischengeschaltete Meinungsbildner. Diese sind in allen Sozialen Schichten anzutreffen, kommunikationsfreudiger als der Durchschnitt, inhaltlich vorwiegend auf ein bestimmtes Thema spezialisiert, häufig Nutzer von Fachmedien, an ein höheres Anspracheniveau gewöhnt und mit informeller Kompetenz ausgestattet, zudem sind sie meist Heavy users. Sie geben kostenlose Akquisitionsanstöße, die sogar glaubwürdiger und effizienter sind als Werbeaussagen, weil man unterstellt, dass die Person aus ihrer Empfehlung keinen Vorteil zieht.

10.3.3 Prozessuale Determinanten Prozessmodelle untersuchen nicht das Ergebnis des Kaufentscheids, sondern dessen Zustandekommen. Der Entscheidungsnetz-Ansatz arbeitet mit Kaufprotokollen (auch Think aloud technique), welche die Entscheidungsfindung des Individuums offenlegen sollen. Der Informationsansatz setzt beim Auswahlprozess an und unterscheidet ein Vorgehen nach verschiedenen Kaufalternativen oder nach verschiedenen Produkteigenschaften. Der Adoption liegt eine Differenzierung der Population nach dem Grad / ​der Schnelligkeit der Übernahme bzw. Durchsetzung von Neuerungen zugrunde. Dafür sind personenbedingte Einflüsse, umweltbedingte Einflüsse sowie produktbedingte Einflüsse von Bedeutung. Dabei kommt es kumulativ zu den Stufen von Neuheitserkennung, -interesse, -bewertung, -versuch und -umsetzung. Auf jeder dieser Stufen kann es zu Ablehnung und Abbruch, oder Zustimmung und Fortsetzung, bis hin zum Wiederholungskauf, kommen. Allgemein adoptionsfördernd wirken eine hohe Glaubwürdigkeit des Botschaftsabsenders, eine leichte Überprüfbarkeit der behaupteten Herstelleraussage, ein gering eingeschätztes endogenes und exogenes Risiko, ein hohes Ego-Involvement bei erfolgter Übernahme, eine Profilierung durch Übernahme des Produkts im sozialen Umfeld und eine hohe Übereinstimmung mit dem eigenen Anforderungsprofil. Daraus ergeben sich konkrete Ansätze für die Verkaufsargumentation. Die Diffusion stellt das aggregierte Ergebnis der individuellen Übernahmeentscheidung dar. Unterstellt man dafür modellhaft eine Gauss’sche Normalverteilung innerhalb der Gesamtpopulation, so können die Klassen der Innovatoren (idealtypisch 2,5 % aller Bedarfsträger), der frühen Übernehmer (13,5 %), der frühen Mehrheit (34 %), der späten Mehrheit (34 %), der späten Übernehmer (13,5 %) und der Nachzügler (2,5 %) unterschieden werden. Im Zeitablauf erfordern diese verschiedenen Klassen unterschiedliche Maßnahmen zur Vermarktung.

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Stichwortverzeichnis A-Geschäft 375 ABC-Analyse  399, 400 ABC-Lieferantenklassen 459 ABCD-Analyse  397, 399 Abgabeprinzip 154 Abrechnungsklauseln 417 Absatz (Begriff)  29 Absatz, druckmediengestützt  140 Absatz, exklusiv  39 Absatz, funkmediengestützt  145 Absatz, gesplittet  66 Absatz, intensiv  42 Absatz, mediengestützt  140 Absatz, mehrstufig-indirekt  53 Absatz, selektiv  40 Absatz, ubiquitär  45 Absatzfinanzierung  372, 374 Absatzform, eigengestaltet  81 Absatzform, fremdgestaltet  82 Absatzform, gebundengestaltet  82 Absatzhelfer, akquisitorisch  119, 120 Absatzhelfer, leistungsergänzend  128 Absatzhelfer, logistisch  119 Absatzkanal, Akteure  33, 34 Absatzkanal, Begriff  29 Absatzkanal, Beteiligte  34 Absatzkanal, Breitendimension  36, 37 Absatzkanal, geschlossen  38 Absatzkanal, Konfliktpotenziale  193 Absatzkanal, Kooperationen  200 Absatzkanal, Leistungsströme  32 Absatzkanal, Macht  196 Absatzkanal, offen  38 Absatzkanal, Tiefendimension  47, 48 Absatzkanalbeziehungen 35 Absatzkanaldesign, Optionen  55, 56, 60 Absatzkanalgestaltung  29, 36 Absatzkanalkonflikte 190 Absatzkanalpräsenz 187 Absatzmethode 76 Absatzmittler 150

Absatzwege 47 Abschluss, Produktanzahlerhöhung  527 Abschluss, Produktwerterhöhung  526 Abschlusshindernis Alternativangebote  487 Abschlusshindernis Desinteresse  486 Abschlusshindernis Entscheidungsflucht 486 Abschlusshindernis Kompetenzmangel  488 Abschlusshindernis Vorwände  487 Abschlussvertreter 121 Abwicklungsklausel Geld vor Ware  417 Abwicklungsklausel Ware vor Geld  418 Abwicklungsklausel Zug um Zug  418 Adoption (Käuferverhalten)  589 Affiliate, Banner  296 Affiliate, Bezahlungsformen  301 Affiliate, Tracking  299 Affiliate, Vergütungszurechnung  300 Affiliate network  295, 298 Affiliation 295 Agenturvertrieb 207 Akquisitionsform 154 Akquisitionsmarketing 519 Aktivierende Determinanten  584 Alleinfinanzierung 375 Alleinvertreter 122 Anbindung (Handel)  155 Anfrage 407 Anfrage, Entscheidungen  445 Anfrageneinholung 357 Angebot 408 Angebotsannahme 409 Angebotsbestandteile 361 Angebotserstellung 362 Angebotsinhalte 364 Angebotskalkulation 361 Angebotsmacht Hersteller  197 Angebotsmanagement 354 Angebotsverfolgung 371 Angebotsvergleich 409 Anpassungstheorie 182

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Stichwortverzeichnis

Arbeitsentgelt, Bezugsgrößen  97 Arbeitsentgelt, Formen  95 Artikelart (Handel)  155 Auftragsbearbeitung, kaufmännisch  354 Auftragsbearbeitung, technisch  407 Auftragsbestätigung 410 Auftragsdurchführung 359 Auftragswert 381 Ausgleichsgeber 238 Ausgleichsnehmer 238 Ausgleichsprinzip (Kalkulation)  239 Auslandsabsatz, Marktbearbeitung  560 Auslandsabsatz, Markteintrittsoptionen  550 Auslandsabsatz, Marktwahl  547 Auslandskooperation 557 Auslandslizenz, Betrieb  556 Auslandslizenz, Know-how  555 Auslandslizenz, Produktion  555 Auslandslizenz, System  556 Auslandslizenz, Vertrieb  554 Ausschreibung 446 Außen-Großhandel 176 Außenhandel  550, 551 Automatenverkauf 170 Avalkredit 376 B-Geschäft 375 Beeinflussungs-Mix 154 Benchmarking 453 Benefit selling  474 BERI-Index 548 Bereitstellungsklauseln 418 Beschaffung, Anbieterauswahl  453 Beschaffung, Anfragenerstellung  445 Beschaffung, Angebotsbewertung  449 Beschaffung, Angebotseinholung  447 Beschaffung, Angebotssondierung  442 Beschaffung, Bedarfskonzeption  440 Beschaffung, Initialisierung  438 Beschaffung, Kaufabwicklung  458 Beschaffung, Nachbewertung  460 Beschaffung, Nachverhandlung  454 Beschaffungsportfolio 438 Beschaffungsprozess 437 Beschwerde 538 Beschwerdehandling 539 Bestandskundenanfragen 357 Bestellerkredit 373

Bestellrhythmusverfahren (Bestell­doktrin) ​ 458 Bestellung 410 Beteiligung (Ausland)  559 Betriebseinteilung 148 Betriebsgröße (Handel)  154 Beweispapiere 412 Beziehungsausbau (Kunden)  524 Bezirksvertreter 122 Bezugsrisiken 441 Bindungsmarketing 519 Bonus 387 Bookbuilding 139 Börsen 139 Bringdienste 164 B-t-b, Akteure  573 B-t-b-Vertrieb, Beteiligte  572 B-t-b-Vertrieb, Kennzeichen  571 B-t-b-Vertrieb, Marktbesonderheiten  568 B-t-c-Vertrieb, Prozess  589 B-t-c-Vertrieb, Psychologie  584 B-t-c-Vertrieb, Soziologie  587 B-t-b-Vertrieb, Typik  574 Bürgschaft 376 Buying center-Konzept  576 Buying center, Beteiligte  576 C-Geschäft 375 Cafeteria-System 103 Captcha 292 Cash & carry-Großhandel (C&C)  174 Category management  275 Character selling  474 Charaktertypen (Verkauf)  505 Churn rate  535 Co-managed inventory (CMI)  273 Collaborative planning forecasting replenish­ment (CPFR)  282 Collective sourcing  445 Convenience store  170 Cross channel distribution  76 Cross docking  274 Cross reference  528 Cross selling  527 Customer journey  299 Customer touchpoint  299 Debitkartenzahlung 322

Stichwortverzeichnis Debitorenausfall 391 Demonstrationsladen 78 Depot-System 209 Diffusion (Käuferverhalten)  590 Digitalwährung 326 Direct mailing  141 Direct response-Anzeige  145 Direct response-Fernsehspot  145 Direct response-Hörfunkspot  145 Direktabsatz, Alternativen  84 Direktabsatz, extern  60, 86, 87 Direktabsatz, halbstufig  48 Direktabsatz, intern  60, 85 Direktabsatz, nullstufig  49 Direktabsatz, offline  84 Direktabsatz, online  62 Direkte Produkt-Profitabilität  262, 263 Direkte Produkt-Rentabilität  264, 265, 267 Direktinvestition 559 Disintermediation 177 Disjunktive Beurteilung  449 Dissonanzen  461, 585 Distribution, exklusiv  37 Distribution, geschlossen  38 Distribution, gewünscht  37 Distribution, intensiv  36 Distribution, selektiv  37 Distribution, ubiquitär  36 Distributionsgrad, gewichtet  46 Distributionsgrad, gewünscht  37 Distributionsgrad, numerisch  45 Distributionsgrad, realisiert  37  Distributionslogistik  414, 415 Distributionsqualität 46 Domestic sourcing  443 Domizilprinzip 82 Drittfinanzierung 379 Drogeriemarkt 171 Druckmedien 141 Dual sourcing  442 Durchverkauf 35 EANCOM 281 E-Commerce, Absatzhelfer  62 E-Commerce, Angebotspräsentation  313 E-Commerce, Absatzmethode  295 E-Commerce, Absatzweg  293 E-Commerce, Arbeitsvoraussetzungen  311

597

E-Commerce, Auftragskommunikation  331, 332 E-Commerce, Auftragslogistik  334, 335 E-Commerce, Direktabsatz  62 E-Commerce, Einteilung  290 E-Commerce, Erlöse  288 E-Commerce, Erreichbarkeit  291 E-Commerce, Informationspflichten  350 E-Commerce, Kassen-Checkout  318 E-Commerce, Katalog  313 E-Commerce, Kaufvorbereitung  316 E-Commerce, Kaufabsicherung  328, 329 E-Commerce, Kennzahlen  344 E-Commerce, Marktzugriff  290 E-Commerce, Mixed player  307 E-Commerce, Pure player  303 E-Commerce, Prozess  310, 311 E-Commerce, Rechtsrahmen  350 E-Commerce, Retourenhandling  338, 339 E-Commerce, Zahlvorgang  321, 322 E-Commerce-Metrics, Affiliate-bezogen ​ 349 E-Commerce-Metrics, Display-bezogen  348 E-Commerce-Metrics, E-Mail-bezogen  347 E-Commerce-Metrics, Landing page-­ bezogen 348 E-Commerce-Metrics, website-bezogen  345 E-Mail-Zahlung 325 Efficient consumer response (ECR)  272 Efficient consumer response, Voraussetzungen ​279 Efficient product introduction (EPI)  278 Efficient promotion (EP)  278 Efficient replenishment (ERP)  272 Efficient store assortment (ESA)  277 Efficient unit loads (EUL)  275 Eigentumsvorbehalt 378 Einfirmenvertreter 121 Einheitspreisladen 172 Einkaufsverband 168 Einkaufszentrum 165 Einschreibung 135 Einstellung (Käuferverhalten)  585 Einzelhandel, Erfolgscontrolling  262 Einzelhandelsabsatz, einstufig-indirekt  61 Einzelhandelsbetriebsformen, Einteilungskriterien  152, 153 Einzelhandelsbetriebsformen, modern  155

598

Stichwortverzeichnis

Einzelhandelsbetriebsformen, preisaggressiv ​155 Einzelhandelsbetriebsformen, primär nichtstationär 163 Einzelhandelsbetriebsformen, primär ­stationär  155 Einzelhandelsbetriebsformen, sekundär nicht-stationär 169 Einzelhandelsbetriebsformen, sekundär stationär 167 Einzelhandelsbetriebsformen, spezielle  169 Einzelhandelsbetriebsformen, traditionell ​ 155 Einzelhandelsbetriebsformen, Typologie ​155 Einzelhandelscontrolling 262 Eisenbahngüterverkehr 422 Eltern-Ich (Käuferverhalten)  500 Emotion (Käuferverhalten)  584 Entlohnungsform, immateriell  102 Entlohnungsform Bezugsgrößen  97 Entlohnungsform Festgehalt  95 Entlohnungsform Prämie  101 Entlohnungsform Provision  96 Erfüllungsort 447 Erlöscontrolling 381 Erlöse (Online-Handel)  288 Erlösschmälerungen, nicht-planbar  388 Erlösschmälerungen, planbar  385 Erstkauf 574 Erwachsenen-Ich (Käuferverhalten)  501 Export, direkt  550 Export, indirekt  551 Fabrikationsrisiko 369 Fachdiscounter 160 Fachgeschäft 156 Fachmarkt 159 Fachversandhandel 163 Factoring 379 Factory outlet  77 Factory outlet center  167 Familie (Käuferverhalten)  588  Festgehalt 95 Filiale 77 Flagship store  77 Forderungsabtretung 378 FRAC-Verfahren 398 Frachtführer 434

Franchising-System  210, 556 FRAP-Verfahren 538 FRAT-Verfahren 396 Freiwillige Kette  167 Führungsmodelle, eindimensional  104 Führungsmodelle, dreidimensional  106 Führungsmodelle, zweidimensional  105 Funkmedien 145 Funktionsrabatt 386 Garantie  390, 448 Gattungsware 228 Gedächtnis (Käuferverhalten)  587 Gegenmachttheorie 181 Gehirnstrukturtypen 508 Gemischtwarenladen 157 General specific general-Zyklus  181 Generalvertreter 122 Genossenschaft 169 Gerichtsstand 365 Geschäftsmodell 287 Geschäftsstättenmarke 230 Geschlossenes Waren-Wirtschafts-System (GWWS) 256 Geschlossenes Waren-Wirtschafts-System, Datenerfassung 259 Geschlossenes Waren-Wirtschafts-System, Module 256 Gerichtsstand 447 Gestik 495 Gewährleistung 390 Global sourcing  443 Großhandel, Aktionsgebiet  176 Großhandel, Betriebsformen  174 Großhandel, Logistikleistung  175 Großhandel, Marktausrichtung  176 Großhandel, Serviceumfang  175 Großhandel, Sortimentsplanung  176 Großhandel, Streckengeschäft  175 Großhandel, Warenarten  176 Großhandel, Warenübergang  174 Großhandelsabsatz, einstufig-indirekt  60 Großhandelsbetriebsformen, Bedeutung  177 Großhandelsbetriebsformen, Einteilung ​ 173, 174 Großhandels-Einzelhandelsabsatz, zweistufig indirekt  61

Stichwortverzeichnis Gruppen (Käuferverhalten)  588 GTIN (EAN)  279 Handel, Aktionsparameter  221, 223 Handel, Erfolgskennziffern  239 Handel, Kundenakquisitionsfunktion  151 Handel, Markenpolitik  223 Handel, Mengenausgleichsfunktion  152 Handel, Raumüberbrückung  150 Handel, Vorzugsplätze  244 Handel, Wettbewerbsposition  186 Handel, Zeitüberbrückung  151 Handelsbetrieb, Einteilung  148 Handelsbetriebsformen, Dynamik  179 Handelsbetriebsformen, Erklärungs­ ansätze 179 Handelsbetriebsformen, Polarisierung  182, 183 Handelsdokumente, Arten  411 Handelsdokumente, Inhaberpapiere  414 Handelsdokumente, Orderpapiere  413 Handelsdokumente, Rektapapiere  413 Handelsdokumente, Übertragungsform  413 Handelsdominanz 189 Handelsinstitutionen 148 Handelsmakler 127 Handelsmarke, Einzelangebot  224 Handelsmarke, Sortiment  224 Handelsmarke, Teilsortiment  224 Handelsmarke, Warengruppe  224 Handelsplatz, Blockplatzierung  244 Handelsplatz, Gruppenplatzierung  244 Handelsplatzauftritt, Ladenfront  242 Handelsplatzauftritt, Schaufenstergestaltung 242 Handelsplatzauftritt, Verkaufsinnenraum 243 Handelsspanne 240 Handelsversteigerer 128 Handelsvertreter, Beziehung  123 Handelsvertreter, Einteilungskriterien  120 Handelsvertreter, Pflichten  120 Handelsvertreter, Rechte  120 Handelswerbung, Innenraum  243 Handelswerbung, Ladenfront  242 Handelswerbung, Schaufenster  242 Hausbesuche 78 Haushaltsverteilung 143

599

Herstellerdominanz (im Absatzkanal)  188 Herstellergestützter Mittelstandskreis  203 Hitrate 523 Home party  78 Hybrider Verbraucher  184 Impressums-Inhalte (WWW)  352 In-supplier 446 Inbound-Anfragen 358 Incoterms, Carriage and insurance paid to ​ 566 Incoterms, Carriage paid to  566 Incoterms, Cost and freight  565 Incoterms, Cost insurance freight  565 Incoterms, Delivered at place unloaded  566 Incoterms, Delivered at point  567 Incoterms, Delivered duty paid  567 Incoterms, Ex works  563 Incoterms, Free alongside ship  564 Incoterms, Free carrier  563 Incoterms, Free on board  564 Indirektabsatz, einstufig  50 Indirektabsatz, mehrstufig  53, 54, 61 Indirektabsatz, offline  148 Indirektabsatz, online  63 Indirektabsatz, zweistufig  52 Informationsnutzen (Kunden)  528 Informationsstrom 33 Inhaberpapiere 414 Innenverkauf, Aufgaben  117 Insourcing 444 Integrationsform (Handel)  155 Integrationsnutzen 528 Interactive television (I-TV)  145 Interessentenansprache 355 Interessentenauswahl 522 Interessentensichtung 355 Internationale Lokations-Nummer (ILN) 279 Involvement (Käuferverhalten)  585 Inzahlungnahme 368 Kalkulationsaufschlag 240 Kapazitätsberechnung (VADM)  108, 110 Katalogschauraum 170 Kauf, Typen  574 Kaufabsicherung, Anforderungen  328, 329 Käufer-Grid 510

600

Stichwortverzeichnis

Käufertypologie 505 Kaufhaus 157 Kaufvertrag 454 Kennzahlensystem (DPR)  266 Kindheits-Ich (Käuferverhalten)  501 Körperbautypen (Verkauf)  507  Kommissionär 125 Kommissionärsbeziehung 125 Kommissionierungsverfahren 426 Kommunikationselemente, non-verbal  495 Kommunikationselemente, paralingual  492, 493 Kommunikationselemente, persönlich  495 Kommunikationselemente, situativ  498 Kompensationsgeschäft  368, 552  Kompensatorische Beurteilung (Käufer­ verhalten) 450 Komplementärtransaktion (TA)  502 Konditionensystem 392 Konflikte im Angebots-Mix  193 Konflikte im Gegenleistungs-Mix  194 Konflikte im Informations-Mix  194 Konflikte im Verfügbarkeits-Mix  195 Konjunktive Beurteilung (Käuferverhalten ​ 449 Konsignationsvertrieb 208 Konstitutionstypen (Verkauf)  508 Konsumentenverhalten (Struktur­ elemente) 583 Kontaktwiderstand Ignoranz / Arroganz  469, 470 Kontaktwiderstand kein Bedarf  470 Kontaktwiderstand Prospektsammler  469 Kontaktwiderstand Terminproblem  468 Kontaktwiderstand Überlastung  469 Kontraktmarketing  83, 201 Kontraktmarketing, Formen  220 Kontrollrhythmusverfahren (Bestell­ doktrin) 458 Konzession 206 Kooperation  200, 557 Kreditkartenzahlung 322 Kultur (Käuferverhalten)  587 Kundenakquisition  519, 522 Kundenausgrenzung 532 Kundenauszahlungen  406, 407 Kundenbestärkung 519 Kundenbeziehungsaufbau 519

Kundenbindung  517, 519 Kundendienst 460 Kundeneinzahlungen  406, 407 Kundenentwicklung 519 Kundenerfolgsgrößen 403 Kundenevaluierung, Senkung der Einzah­ lungen 529 Kundenevaluierung, Steigerung der Aus­ zahlungen 530 Kundengebundenheit 518 Kundenintegration 528 Kundenkapital 395 Kundenkapital-Portfolio 401 Kundenlebenszeitwert, Einflussfaktoren ​405 Kundenlebenszeitwert, primär  403 Kundenlebenszeitwert, quartär  404 Kundenlebenszeitwert, sekundär  403 Kundenlebenszeitwert, tertiär  403 Kundenlebenszyklus 521 Kundenleiter (Produktkarriere)  520 Kundenlieferanteil 525 Kundenmanagement 517 Kundennähe 517 Kundenprofitabilität 404 Kundenreaktivierung 531 Kundenrentabilität 404 Kundenrückgewinnung  520, 534 Kundenverbundenheit 530 Kundenwanderung 531 Kundenwert 395 Kundenwertermittlung 406 Kundenzufriedenheit 517 Kündigungsprävention 533 Ladenhandwerk 172 Ladenorganisation 243 Lagerbetrieb 427 Lagerfunktionen 424 Lagerhalter 436 Lagerstandort, dezentral  427 Lagerstandort, zentral  426 Lagerungsdokumente 412 Lagerungsentscheid 424 Landwirtschaftliche Direktvermarktung  171 Lastenheft 440 Lastschriftverfahren 323 Leasing 379 Lebensstil (Käuferverhalten)  586

Stichwortverzeichnis Lebenszykluskosten 452 Lebenszyklustheorie 180 Legitimationspapiere 412 LEH-Discounter 160 Lernen (Käuferverhalten)  586 Letter of intend (LoI)  453 Lexikografische Beurteilung (Käufer­ verhalten) ​449 Lieferantenkredit 373 Lieferantenstatus 439 Lieferantenvereinbarung 457 Lieferbereitschaft 416 Lieferbeschaffenheit 416 Lieferfähigkeit 453 Lieferflexibilität 415 Lieferprozesszeit 415 Lieferungsbedingungen  417, 447 Lieferzuverlässigkeit 415 Linienschifffahrt 421 Lizenzierung, Betrieb  556 Lizenzierung, Know-how  555 Lizenzierung, Produktion  555 Lizenzierung, System  556 Lizenzierung, Vertrieb  554 Lizitation 133 Local sourcing  443 Lock in-Effekt (Online-Handel)  286 Logfile 292 Logistikentscheid, Lagerbetrieb  427 Logistikentscheid, Lagerstandort  426 Logistikentscheid, Transportmittel­ betrieb 420 Logistikentscheid, Transportmittelwahl  421 Logistikservice-Generationen 433 Lombardkredit 377 Luftfracht 422 Management by-Techniken  106 Markenpolitik 223 Marketing (Begriff)  29 Marketingsystem 31 Marktbearbeitung, ethnozentral  560 Marktbearbeitung, geozentral  561 Marktbearbeitung, polyzentral  560 Marktbearbeitung, regiozentral  560 Marktbearbeitungskonditionen 394 Märkte (Marktveranstaltung) 138 Marktlückentheorie 180

601

Marktstimulierung 185 Marktveranstaltungen, Anbieterkonkurrenz  133 Marktveranstaltungen, Börsen  139 Marktveranstaltungen, freie Formen  136 Marktveranstaltungen, Nachfrager­ konkurrenz 134 Marktveranstaltungen, organisierte Formen  133 Marktverantwortung, branchenorientiert  543 Marktverantwortung, gebietsorientiert  541 Marktverantwortung, kundenwertorientiert 542 Marktverantwortung, produktorientiert  540 Mehrfirmenvertreter 121 Mehrkanalabsatz, Designoptionen  60 Mehrkanalabsatz, gesplittet  66 Mehrkanalabsatz, parallel  64 Mehrkanalabsatz, nach Abnehmerbranchen  72 Mehrkanalabsatz, nach Absatzgebieten  74 Mehrkanalabsatz, nach Kundenwerten  70 Mehrkanalabsatz, nach Produkten  69 Mehrkanalabsatz, Prinzip  57 Meinungsführer (Käuferverhalten)  589 Mengenrabatt 386 Messe  136, 137 Mimik 496 Mixed player-Prinzip  289, 307 Mobiler Handel  164 Modular sourcing  444 Motivation 584 Motivkonflikte 584 Multi channel distribution (MCD)  69 Multi channel marketing  57 Multi level marketing (MLM)  79 Multiple sourcing  443 Musterung 139 Nachfragemacht Handel  196 Nachkauf, automatisiert  575 Nachnahme 326 Nachverhandlung  371, 409 Nachverkaufphase 76 Naturalrabatt 386 Netzwerkeffekt 285 Netzwerk-Konzept 582

602

Stichwortverzeichnis

Neugründung (Ausland)  560 Nichtleistungskonditionen 197 Niederlassung 77 Nominalgüterstrom 32 Nummer der Versandeinheit (NVE)  280 Offline-Medien 140 Online-Absatz, Anbietererreichbarkeit  291 Online-Absatz, einstufig indirekt  293 Online-Absatz, generalisiert  290 Online-Absatz, geschlossen  291 Online-Absatz, Gewerbekunden  291 Online-Absatz, Marktzugriffsbreite  290 Online-Absatz, nullstufig direkt  61, 293 Online-Absatz, offen  291 Online-Absatz, Rahmenbedingungen  285 Online-Absatz, spezialisiert  290 Online-Absatz, zielgruppenspezifisch  291 Online-Absatz, zweistufig indirekt  293 Online-Börse 306 Online-Marktplatz, anbietergetrieben  305 Online-Marktplatz, Ausprägungen  306 Online-Marktplatz, horizontal  305 Online-Marktplatz, mittlergetrieben  305 Online-Marktplatz, nachfragergetrieben  305 Online-Marktplatz, vertikal  305 Online-Shop, Elemente  304 Online-Shop, Software  303 Online-Tracking 292 Online-Zahlung Debitkarte  322 Online-Zahlung Digitalwährung  326 Online-Zahlung E-Mail  325 Online-Zahlung In-app  326 Online-Zahlung Kontoeinzug  323 Online-Zahlung Kreditkarte  322 Online-Zahlung Lastschrift  323 Online-Zahlung Nachnahme  326 Online-Zahlung Prepaid-Karte  322 Online-Zahlung Rechnung  324 Online-Zahlungsverfahren Sofortüberweisung 324 Online-Zahlungsverfahren Vorkasse  324 Orderpapiere 413 Out of stock-Anteil  46 Out-supplier 446 Paketdesign  334, 335 Parallelabsatz 64

Partievermarktung 172 Persönlicher Verkauf, Beurteilung  116 Pflichtenkatalog 440 Pop-up store  172 Posten-Großhandel 176 Postwurfsendung 143 Potenzial-Konzept, Opponenten  578 Potenzial-Konzept, Promotoren  577 Prämie (Entlohnung)  101 Pränumerando-Geschäft 367 Preisfallklausel 389 Preisgestaltung (Handel)  154 Preisgleitklausel 388 Preispolitischer Ausgleich  238 Preissicherung  389, 448 Preisspezifikation (Angebot)  366 Preisverhandlung 486 Preiszuschlag 383 Printkatalog 143 Process sourcing  443 Procurement 569 Produktionsverbindungshandel, herstellerorientiert 73 Produktionsverbindungshandel, länder­ orientiert 73 Produktionsverbindungshandel, produktorientiert 73 Produktionsverbindungshandel, verwenderorientiert 73 Projektfinanzierung 380 Provision 387 Provisionsverlauf 99 Pull 34 Pure player-Prinzip  289, 303 Push 34 Pyramidensystem 80 Rabattarten 386 Rabattkumulierung 387 Rabattspreizung 387 Rabattstaffel 386 Rack jobber  206 Rahmenvereinbarung (mit der Handelsstufe) ​202 Raumvermietungsgeschäfte (des Handels) ​ 203 Reagierer-Konzept, Clarifier  578 Reagierer-Konzept, Simplifier  579

Stichwortverzeichnis Realgüterstrom 32 Rechnungsgeschäft 368 Redistribution  392, 428 Redistribution, Bringsystem  430 Redistribution, fremdgestaltet  431 Redistribution, indirekt  431 Referenzierung  460, 527  Refinanzierung, dingliche Sicherheiten  377  Refinanzierung, personale Sicherheiten  376 Regaloptimierung (Einzelhandel)  269 Regaloptimierung, Maßnahmen  270 Regalplatzknappheit, Situation  198 Regalplatzknappheit, Knappheitsfaktoren ​ 198, 199 Regalspiegel 267 Reisender, Kostenvergleich  130 Reklamation 538 Rektapapiere 413 Relationen-Konzept 581 Relativrabatt 386 Residenzprinzip 82 Ressourcenverfügbarkeit (Auftrag)  359 Retail brand  230 Retourenhandling, präventiv  339, 340 Retourenhandling, reaktiv  341, 342 RFID 260 RFMR-Verfahren 397 Risikoabdeckung 369 Risikoempfinden (Käuferverhalten)  585 Roll cage sequencing (RCS)  275 Routenplanung 111 Rückgewinnungsmarketing 520 SB-Geschäft 159 SB-Warenhaus 157 Schiedsgericht 457 Schlüsselkompetenzen 92 Schneeballsystem 80 Schuldbeitritt 376 Secondhand-Geschäft 171 Selling center  579 Service-Großhandel 175 Servqual 537 Share of customer  525 Shop in the shop-System  203 Shoppingcenter 165 Showrooming 308 Sicherungsübereignung 377

603

Single sourcing  442 Skonto 385 Social commerce  309 Sofortüberweisung 324 Sole sourcing  443 Sonderangebotseffizienz 238 Sonderpreisaktion 236 Sortiment, Bestandteile  235 Sortiment, Dimensionen  232 Sortiment, Hierarchie  234 Sortiment, Zuschnitt  232 Sortimentsbreite 152 Sortimentsinhalt 153 Sortimentsniveau 153 Sortimentstiefe 153 Sortimentsveränderung 233 Sortimentsverbund 234 Sourcing-Strategien 442 Soziale Distanzen  498 Spediteur 432 Spezialgeschäft 156 Spezifikationsdokumente 412 Sprachlautstärke 494 Sprechtempo 494 Standortwahl (Handel)  154 Standortwahl, Analogmethode  249 Standortwahl, Bedeutung  247 Standortwahl, Checklistentechnik  248 Standortwahl, Distanzenbetrachtung  251 Standortwahl, gesetzliche Restriktionen  252 Standortwahl, Gravitationsmodell  250 Standortwahl, Potenzialmodell  251 Standortwahl, Raumgebietsmodell  250 Stellenbeschreibung (Vertrieb)  546 Storebrand 231 Store in the store-System  205 Straßengüterverkehr 423 Strategische Allianz  558 Strecken-Großhandel 175 Submission 133 Supermarkt 158 Supply chain management (SCM)  272, 274 Systems sourcing  444 Telefaxverkauf 146 Telefonverkauf, aktiv  146, 465 Telefonverkauf, passiv  146, 466 Temperamentstypen (Verkauf)  507

604

Stichwortverzeichnis

Tender 139 Tourenplanung 111 Trading down  183 Trading up  183 Tragfähigkeitsprinzip (Kalkulation)  238 Trampschifffahrt 421 Transaktionsaktivitäten 437 Transaktionsanalyse 500 Transportdokumente 411 Transportmittel Eisenbahn  422 Transportmittel Flugzeug  422 Transportmittel Lastkraftwagen  423 Transportmittel Schiff  421 Transportmittelbetrieb, eigen  420 Transportmittelbetrieb, fremd  420 Transportmittelwahl 421 Treffprinzip 82 Treueorientierung (Handel)  155 Überkreuztransaktion (TA)  502 Umsatzrendite 240 Umschlaghäufigkeit 269 Unfaire Gesprächspraktik Abwesenheit  490 Unfaire Gesprächspraktik Feilschen  492 Unfaire Gesprächspraktik Gremien  490 Unfaire Gesprächspraktik Misstrauen  492 Unfaire Gesprächspraktik Nein-Sager  491 Unfaire Gesprächspraktik Parallelverhandlung 491 Unfaire Gesprächspraktik Probeauftrag  491 Unfaire Gesprächspraktik Rabattjäger  491 Unfaire Gesprächspraktik Schmeicheln  492 Unfaire Gesprächspraktik Schweigen  490 Unfaire Gesprächspraktik Vertagen  492 Unfaire Gesprächspraktik Wartenlassen  489 Unfaire Gesprächspraktik Zeitdruck  490 Universalversandhandel 163 Unzufriedenheitshandling 538 Up selling  526 Valutageschäft 367 Vendor managed inventory (VMI)  273 Verbrauchermarkt 158 Verdeckte Transaktion (TA)  503 Veredelung (Auslandsabsatz)  553 Verhaltenstraining 94 Verhandlungsstil Harvard  455 Verhandlungsstil Tit for tat  456

Verkäufer-Grid 509 Verkäufertypologie 509 Verkauf (Begriff)  30 Verkauf, Leistungsarten  112 Verkaufsdurchführung 437 Verkaufsgespräch, Abschlussphase  482 Verkaufsgespräch, Aufbau  514 Verkaufsgespräch, Dauer  513 Verkaufsgespräch, Einwandbehandlung  478, 479 Verkaufsgespräch, Fragetechniken  472 Verkaufsgespräch, Führung  463 Verkaufsgespräch, Gesprächsteilnehmer ​ 511 Verkaufsgespräch, Kontaktphase  463 Verkaufsgespräch, Kontaktwiderstände  468 Verkaufsgespräch, Kundenqualifizierung ​ 470 Verkaufsgespräch, Präsentationsphase  470 Verkaufsgespräch, Preisverteidigung  482 Verkaufsgespräch, Rahmenbedingungen ​ 511 Verkaufsgespräch, Teilnehmer  511 Verkaufsgespräch, Terminvereinbarung  464 Verkaufsgespräch, Vorbereitung  463, 512 Verkaufsgespräch, Vorteilsargumentation ​ 474, 475 Verkaufspunkt (Handel)  154 Vermittlungsvertreter 120 Verrechnungskontor 168 Versand 432 Versanddienstleister  336, 337, 338, 339 Versicherungsdokumente 412 Versteigerung 134 Vertical 170 Vertragshandel (Ausland) 554 Vertragshändler-System 216 Vertragsstrafen 391 Vertrauensgut (Online-Handel)  286 Vertrieb (Begriff)  30 Vertrieb, Abgrenzung  29 Vertrieb, Deckungsbeitragsrechnung  381 Vertrieb, Kostenträgerzeitrechnung  382 Vertrieb, Kostenträgerstückrechnung  383 Vertriebs-Franchising 212 Vertriebsentlohnung, Bezugsgrößen  97 Vertriebsentlohnung, immateriell  102 Vertriebsmanagement 31

Stichwortverzeichnis Vertriebsmitarbeiter, Arbeitslastverfahren ​ 109 Vertriebsmitarbeiter, Auswahl  88 Vertriebsmitarbeiter, Berichtswesen  115 Vertriebsmitarbeiter, Beschaffung  88 Vertriebsmitarbeiter, Besuchsnormen  113 Vertriebsmitarbeiter, Beurteilung  92 Vertriebsmitarbeiter, Einsatz  108 Vertriebsmitarbeiter, Entgeltbemessung  95 Vertriebsmitarbeiter, Führungsstile  104 Vertriebsmitarbeiter, Gebietsaufteilung  108 Vertriebsmitarbeiter, Leistungsanreize  101 Vertriebsmitarbeiter, Leistungsarten  112 Vertriebsmitarbeiter, Qualifizierung  92 Vertriebsmitarbeiter, Schlüsselqualifika­ tionen ​92 Vertriebsmitarbeiter, Umsatzpotenzial­ verfahren ​108 Vertriebsmitarbeiter, Zeitbudgetierung  111 Vertriebsorganisation, branchenorientiert ​543 Vertriebsorganisation, gebietsorientiert  541 Vertriebsorganisation, kundenwertorientiert ​ 542 Vertriebsorganisation, Mischformen  544 Vertriebsorganisation, produktorientiert  540 Vertriebssteuerung 517 Vertriebssystem, ausgegliedert  78 Vertriebssystem, dezentral  77 Vertriebssystem, zentral  77 Vorkassenüberweisung 324 Vorverkaufsphase 76 Vorzugsplatzierungen (im Einzelhandel) ​ 244 Wahrnehmung (Käuferverhalten)  586 Warenhaus 156 Warenplatzierung (Einzelhandel)  267

605

Warenplatzierung, Regalspiegel  267 Warenverkaufsgeschäfte (des Handels)  209 Warenvermittlungsgeschäfte (des Handels) ​ 207 Warenwertpapiere 412 Warenwirtschaft des Handels  254, 255 Webrooming 308 Wechselkursrisiko 369 Weiterempfehlung 527 Wertgestaltung 451 Wheel of retailing  179 Wiederholungskauf, modifiziert  575 Wiederholungskauf, rein  575 Wiederverkäufermarkt (Kennzeichen)  221 Wissensschulung 94 Zählpixel 292 Zahlungsausfallrisiko 369 Zahlungsbedingungen  394, 448 Zahlungsdokumente 412 Zahlungssicherung 448 Zahlungsverfahren (E-Commerce)  322 Zeitrabatt 386 Zielkostenkalkulation 452 Zielpreisermittlung 451 Zinsänderungsrisiko 370 Zolldokumente 412 Zufriedenheitserfassung 535 Zufriedenheitsmessung, ereignisorientiert ​ 537 Zufriedenheitsmessung, explorativ  536 Zufriedenheitsmessung, merkmalsorientiert  ​536 Zufriedenheitsmessung, problemorientiert ​ 537 Zugabe (Drein-/Draufgabe)  385 Zuschlagskalkulation (Handel)  178