Vertriebsmanagement: Die Distributions- und Verkaufspolitik im Marketing [2 ed.] 9783428542048, 9783428142040, 9783428585342

Erfolg im Vertrieb ist von vitaler Bedeutung für jedes Unternehmen. Daher ist die Professionalisierung dieses zentralen

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Vertriebsmanagement: Die Distributions- und Verkaufspolitik im Marketing [2 ed.]
 9783428542048, 9783428142040, 9783428585342

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WERNER PEPELS

Vertriebsmanagement

Vertriebsmanagement Die Distributions- und Verkaufspolitik im Marketing

Von Werner Pepels

2., erweiterte und komplett überarbeitete Auflage

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlagbild: © Coloures-Pi – Fotolia.com Alle Rechte vorbehalten

© 2014 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: TextFormArt, Daniela Weiland, Göttingen Druck: Books on Demand GmbH, Norderstedt Printed in Germany ISBN 978-3-428-14204-0 (Print) ISBN 978-3-428-54204-8 (E-Book) ISBN 978-3-428-84204-9 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die Zeiten des hemdsärmeligen „Schulterklopf-Verkaufens“ sind endgültig vorbei. Im Zuge der Professionalisierung auf der Beschaffungsseite wird ein mindestens ebenbürtiges, profundes Vertriebsmanagement unerlässlich. Dies ist auch deshalb relevant, weil der Vertrieb die einzige nennenswerte Erlösquelle jedes Unternehmens darstellt. Nur dadurch, dass Kunden in regelmäßigen, möglichst kurzen Abständen immer wieder Geld im Gegenzug für erhaltene Leistungen zur Verfügung stellen, kann jedes Unternehmen letztlich nur existieren. Und dieses Geld wird vom Vertrieb unter zunehmend widrigen Umständen beständig erlöst. Gemessen an dieser fundamentalen Bedeutung des Vertriebs ist dessen Stellenwert bis heute unterrepräsentiert. In vielen Unternehmen dominieren immer noch Technik und Finanzen, der Vertrieb hat nicht selten ein Schmuddelimage. In der Literatur gibt es nur vergleichsweise wenige Titel, die sich seriös mit dieser vitalen Funktion befassen. Der Autor, selber zwölf Jahre im Dienstleistungsvertrieb als Key accounter tätig, hat daher seine theoretischen Erkenntnisse und praktischen Erfahrungen im Buch „Vertriebsmanagement“ zusammengefasst, dessen zweite Auflage im Verlag Duncker & Humblot nunmehr vorliegt. Das Buch umfasst neun Kapitel, welche die Aspekte des direkten und indirekten Absatzes, der kaufmännischen und technischen Auftragsabwicklung, der Verkaufsplanung, -durchführung und -kontrolle sowie des Handels- und Spezialabsatz­ handlings umfassen. Besonderer Dank für die Realisierung gilt dabei dem Verlag, vor allem seinem Geschäftsführer, Dr. Florian R. Simon, und Lars Hartmann aus der Herstellungsabteilung. Ansonsten ist es in Vorworten üblich, weiteren zahl­reichen Helfern zu danken. Dies entfällt hier, weil die Inhalte durch den Autor allein erstellt wurden. Folglich gehen auch trotz sorgfältiger Lektorierung etwaig verbleibende Fehler allein zu seinen Lasten. Der vorliegende Band richtet sich an Studierende der Vertiefungsrichtungen Marketing/Absatz an Universitäten, Fachhochschulen, Berufsakademien und sonstige akademische Ausbildungseinrichtungen. Er wendet sich aber ebenso an Fachund Führungskräfte im Bereich Marketing und Vertrieb. Und zwar sowohl an erfahrene ManagerInnen zum Zweck eines Brush up ihres Wissensstands im Fachkontext als auch an Quereinsteiger zur Darstellung einer anspruchsvollen Vertriebspraxis. Weiterhin profitieren Teilnehmer an Weiterbildungsmaßnahmen bei IHK’en, VWA’en, Berufskollegs etc. von den Inhalten. Die Konzeption des Bandes ist an der Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis positioniert. Aus der Theorie ist die systematische Strukturierung im Aufbau

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Vorwort

übernommen, aus der Praxis die Transferorientierung der Inhalte. Damit ist dieser Band „praktischer“ als rein wissenschaftliche Literatur und analytischer als „Praktiker­titel“. Die Inhalte sind durch Seminare mit Berufspraktikern aus dem In- und Ausland über viele Jahre verfeinert worden und entsprechen damit dem State of the art. Dennoch werden Verbesserungsvorschläge gern gesehen. Ihnen als Leser dieses Bandes sei nun aller erdenkliche Erfolg bei der Nutzung der dargebotenen Inhalte in Beruf und Studium gewünscht. Selbst wenn Sie nur eine Handvoll Ideen oder Fakten mitnehmen, hat sich der Einsatz bereits mehr als bezahlt gemacht. Krefeld, im Oktober 2013

Werner Pepels

Inhaltsübersicht Prolog: Die Zuordnung von Marketing und Vertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1. Die Gestaltung des Absatzkanals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2. Der Direktabsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 3. Der Indirektabsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 4. Die kaufmännische Auftragsbearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 5. Die technische Auftragsbearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 6. Die Durchführung des Verkaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 7. Die Planung und Kontrolle des Verkaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 8. Der Handel als Mittler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 9. Spezialaspekte des Vertriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 582 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590

Inhaltsverzeichnis Prolog: Die Zuordnung von Marketing und Vertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1. Die Gestaltung des Absatzkanals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1.1 Leistungsströme im Absatzkanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1.2 Akteure im Absatzkanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 1.3 Breitendimension des Absatzkanals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1.3.1 Alternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1.3.2 Exklusiver Absatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1.3.3 Selektiver Absatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1.3.4 Intensiver Absatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 1.3.5 Ubiquitärer Absatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 1.3.6 Distributionsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 1.4 Tiefendimension des Absatzkanals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 1.4.1 Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 1.4.2 Indirektabsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 1.4.2.1 Einstufig indirekter Absatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 1.4.2.2 Zweistufig indirekter Absatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1.4.2.3 Mehrstufig indirekter Absatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 1.4.2.4 Alternative Absatzkanaldesigns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 1.5 Mehrkanalabsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 1.5.1 Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 1.5.2 Absatzkanaldesigns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 1.5.3 Anlage nach Produkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 1.5.3.1 Paralleler Absatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 1.5.3.2 Gesplitteter Absatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 1.5.4 Anlage nach Kundenwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 1.5.5 Anlage nach Verwenderbranche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 1.5.6 Anlage nach Absatzgebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 1.5.7 Cross channel distribution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

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Inhaltsverzeichnis 1.6 Absatzmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 1.6.1 Vertriebssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 1.6.2 Absatzform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

2. Der Direktabsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 2.1 Alternativen im Direktabsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 2.2 Absatzhelfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 2.2.1 Akquisitorische Absatzhelfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 2.2.1.1 Handelsvertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 2.2.1.2 Kommissionär . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 2.2.1.3 Handelsmakler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 2.2.1.4 Handelsversteigerer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 2.2.2 Vergleich Reisender vs. Handelsvertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2.3 Führung der Vertriebsmitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 2.3.1 Beschaffung und Auswahl von Mitarbeitern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 2.3.2 Beurteilung und Qualifizierung der Mitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 2.3.3 Arbeitsentgeltbemessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 2.3.3.1 Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 2.3.3.2 Variable Bezugsgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 2.3.4 Leistungsanreize . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 2.3.5 Führungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 2.3.6 Führungsstile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 2.3.7 Motivationsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 2.4 Einsatz der Vertriebsmitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 2.4.1 Gebietsaufteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 2.4.2 Zeitbudgetierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 2.4.3 Besuchsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 2.4.4 Berichtswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 2.5 Beurteilung des Persönlichen Verkaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 2.6 Aufgaben des Innenverkaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 2.7 Mediengestützter Absatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 2.7.1 Elektronische Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 2.7.1.1 e-Commerce . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 2.7.1.1.1 Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

Inhaltsverzeichnis

11

2.7.1.1.2 Einsatzfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 2.7.1.1.3 Virtuelle Marktplätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 2.7.1.1.4 e-Sales-Geschäftsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 2.7.1.2 e-Mail-Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 2.7.1.3 m-Sales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 2.7.2 Non-Internet-Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 2.7.3 Social media commerce . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 2.7.4 Affiliate-Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 2.7.5 Geprintete Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 2.8 Absatzflankierung durch Kundenclubs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 3. Der Indirektabsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 3.1 Handelsinstitutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 3.2 Handelsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 3.3 Einzelhandelsbetriebsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 3.3.1 Einteilungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 3.3.2 Primäre, stationäre Einzelhandelsbetriebsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 3.3.2.1 Traditionelle Betriebsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 3.3.2.2 Moderne Betriebsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 3.3.2.3 Preisaggressive Betriebsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 3.3.3 Primäre, nicht-stationäre Einzelhandelsbetriebsformen . . . . . . . . . . . . . 175 3.3.4 Sekundäre, stationäre Einzelhandelsbetriebsformen . . . . . . . . . . . . . . . 176 3.3.5 Sekundäre, nicht-stationäre Betriebsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 3.3.6 Spezielle Einzelhandelsbetriebsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 3.3.7 Ladenhandwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 3.4 Großhandelsbetriebsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 3.4.1 Einteilungskriterien und Ausformungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 3.4.2 Bedeutung des Großhandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 3.5 Dynamik der Handelsbetriebsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 3.5.1 Theoriebasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 3.5.2 Betriebsformenpolarisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 3.5.3 Absatzkanalpräsenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 3.6 Horizontale Konzentration im Absatzkanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 3.6.1 Nachfrage- und Angebotsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202

12

Inhaltsverzeichnis 3.6.2 Konflikte im Absatzkanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 3.6.3 Regalplatzknappheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 3.7 Vertikale Kooperation im Absatzkanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 3.7.1 Abstimmung mit der Handelsstufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 3.7.1.1 Rahmenvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 3.7.1.2 Herstellergestützter Mittelstandskreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 3.7.2 Raumvermietungsgeschäfte des Handels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 3.7.2.1 Shop in the shop-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 3.7.2.2 Store in the store-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 3.7.2.3 Hersteller-Rack jobber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 3.7.2.4 Konzession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 3.7.3 Warenvermittlungsgeschäfte des Handels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 3.7.3.1 Agenturvertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 3.7.3.2 Konsignationsvertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 3.7.4 Kooperative Warenverkaufsgeschäfte des Handels . . . . . . . . . . . . . . . . 217 3.7.4.1 Depotsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 3.7.4.2 Franchising . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 3.7.4.2.1 Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 3.7.4.2.2 Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 3.7.4.3 Vertragshändler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 3.8 Absatz über Marktveranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 3.8.1 Organisierte Anbieterkonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 3.8.2 Organisierte Nachfragerkonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 3.8.3 Freie Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 3.8.4 Börsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240

4. Die kaufmännische Auftragsbearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 4.1 Angebotserstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 4.1.1 Interessentensichtung und -ansprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 4.1.2 Anfrageneinholung bei Neu- und Bestandskunden . . . . . . . . . . . . . . . . 246 4.1.3 Bearbeitung von Inbound-Anfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 4.1.4 Auftragsdurchführbarkeit und Ressourcenverfügbarkeit . . . . . . . . . . . . 249 4.1.5 Kalkulation der Angebotsbestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 4.1.6 Durchführung der Angebotserstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 4.1.7 Preisdefinition nach Lastenheft/Pflichtenkatalog . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256

Inhaltsverzeichnis

13

4.1.8 Risikoabdeckung der Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 4.1.9 Nachlaufphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 4.2 Absatzfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 4.2.1 Basisformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 4.2.2 Refinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 4.2.2.1 Sicherheiten in der Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 4.2.2.2 Sicherheiten in der Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 4.2.3 Drittfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 4.3 Erlösschmälerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 4.3.1 Planbare Erlösschmälerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 4.3.2 Nicht planbare Erlösschmälerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 4.3.3 Konditionensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 4.3.3.1 Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 4.3.3.2 Konkrete Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 5. Die technische Auftragsbearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 5.1 Vertragliche Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 5.2 Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 5.2.1 Dokumentarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 5.2.2 Transportdokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 5.2.2.1 Konnossement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 5.2.2.2 Sonderformen des Konnossements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 5.2.2.3 Konnossementähnliche Transportpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . 286 5.2.3 Lagerungsdokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 5.2.4 Versicherungsdokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 5.2.5 Zahlungsdokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 5.2.6 Zolldokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 5.2.7 Spezifikationsdokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 5.3 Lieferklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 5.3.1 Eigentumsübergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 5.3.2 Handelsbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 5.3.3 Formen der Incoterms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 5.3.4 E-Klausel der Incoterms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 5.3.5 F-Klauseln der Incoterms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299

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Inhaltsverzeichnis 5.3.6 C-Klauseln der Incoterms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 5.3.7 D-Klauseln der Incoterms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 5.4 Logistisches Distributionssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 5.4.1 Bedeutung der Marketinglogistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 5.4.2 Technik der Logistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 5.4.2.1 Beschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 5.4.2.2 Eingangslogistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 5.4.2.3 Wareneinteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 5.4.3 Logistikentscheidung Transport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 5.4.3.1 Transportmittelbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 5.4.3.2 Transportmittelwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 5.4.3.2.1 Schiff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 5.4.3.2.2 Eisenbahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 5.4.3.2.3 Lastkraftwagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 5.4.3.2.4 Flugzeug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 5.4.3.2.5 Sonstige Transportmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 5.4.4 Logistikentscheidung Lagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 5.4.4.1 Lagerfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 5.4.4.2 Lagerstandort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 5.4.4.3 Lagerbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 5.4.5 Redistribution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 5.4.6 Logistische Absatzhelfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 5.4.6.1 Spediteur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 5.4.6.2 Frachtführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 5.4.6.3 Lagerhalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330

6. Die Durchführung des Verkaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 6.1 Verkauf-Kauf-Synchronisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 6.1.1 Initialphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 6.1.2 Konzeptionsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 6.1.3 Sondierungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 6.1.4 Anfragephase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 6.1.5 Angebotseinholungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 6.1.6 Angebotsbewertungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 6.1.7 Anbieterauswahlphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347

Inhaltsverzeichnis

15

6.1.8 Nachverhandlungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 6.1.9 Kaufabwicklungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 6.1.10 Neubewertungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 6.2 Verkaufsgesprächsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 6.2.1 Phasen des Verkaufsgesprächs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 6.2.2 Gesprächsanbahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 6.2.2.1 Vorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 6.2.2.2 Terminvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 6.2.2.3 Überwindung von Kontaktwiderständen . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 6.2.3 Kundenqualifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 6.2.4 Demonstration und Vorteilsargumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 6.2.5 Einwandbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 6.2.6 Preisverteidigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 6.2.7 Abschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 6.2.8 Einsatz unfairer Gesprächspraktiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 6.3 Verbale Kommunikationselemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 6.4 Non-verbale Kommunikationselemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 6.4.1 Persönliche Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 6.4.2 Situative Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 6.5 Käufer-Verkäufer-Interaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 6.5.1 Transaktionsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 6.5.2 Käufertypologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 6.5.3 Verkäufertypologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 6.6 Rahmenbedingungen der Gesprächsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 6.6.1 Gesprächsteilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 6.6.2 Anlass/Vorbereitung des Verkaufsgesprächs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 6.6.3 Zeitpunkt/Dauer des Verkaufsgesprächs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 6.6.4 Ablauf/Aufbau des Verkaufsgesprächs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 7. Die Planung und Kontrolle des Verkaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 7.1 Marktverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 7.1.1 Produktorientierte Vertriebsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 7.1.2 Gebietsorientierte Vertriebsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417

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Inhaltsverzeichnis 7.1.3 Kundenwertorientierte Vertriebsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 7.1.4 Branchenorientierte Vertriebsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 7.1.5 Organisationale Mischformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 7.2 Kundencontrolling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 7.2.1 Auftragswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 7.2.2 Kundenwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 7.2.3 Kundenlebenszeitwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 7.3 Kundenmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 7.3.1 Kundenbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 7.3.2 Kundenleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 7.3.3 Phasen des Kundenlebenszyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 7.3.3.1 Interessentenauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 7.3.3.2 Kundenakquisition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 7.3.3.3 Beziehungsausbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 7.3.3.4 Produktwerterhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 7.3.3.5 Produktanzahlerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 7.3.3.6 Referenzierung und Weiterempfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 7.3.3.7 Informations- und Integrationsnutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 7.3.3.8 Kundenevaluierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 7.3.3.9 Kundenreaktivierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 7.3.3.10 Kundenausgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 7.3.3.11 Kündigungsprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 7.3.3.12 Kundenrückgewinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 7.4 Zufriedenheitserfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 7.5 Unzufriedenheitshandling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457

8. Der Handel als Mittler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 8.1 Aktionsparameter des Handels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 8.1.1 Kennzeichen des Wiederverkäufermarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 8.1.2 Markenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 8.1.2.1 Handelsmarke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 8.1.2.2 Gattungsware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 8.1.2.3 Geschäftsstättenmarke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 8.1.3 Sortimentszuschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 8.1.3.1 Sortimentsdimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 8.1.3.2 Sortimentsbestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471

Inhaltsverzeichnis

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8.1.4 Preis und Kalkulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 8.1.4.1 Sonderpreisaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 8.1.4.2 Preispolitischer Ausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 8.1.4.3 Erfolgskennziffern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 8.1.5 Handelsplatzauftritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 8.1.5.1 Außenwerbemittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 8.1.5.2 Innenwerbemittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 8.1.6 Ladenorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 8.1.7 Standortwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 8.1.7.1 Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 8.1.7.2 Checklisttechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 8.1.7.3 Analogmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 488 8.1.7.4 Raumgebietsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 488 8.1.7.5 Distanzenbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 8.1.7.6 Gesetzliche Restriktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 8.2 Warenwirtschaft des Handels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 8.2.1 Geschlossenes Waren-Wirtschafts-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494 8.2.1.1 Module . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494 8.2.1.2 Datenerfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 8.2.2 Einzelhandelscontrolling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 8.2.2.1 Direkte Produkt-Profitabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 8.2.2.2 Direkte Produkt-Rentabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503 8.2.2.3 Kritische Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506 8.2.3 Warenplatzierungskonsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 507 8.2.3.1 Regalspiegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 507 8.2.3.2 Regaloptimierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 509 8.2.4 Efficient consumer response . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 8.2.4.1 Supply chain management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 8.2.4.2 Category management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 8.2.4.3 Informationstechnische Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 518 8.2.5 Collaborative planning forecasting replenishment . . . . . . . . . . . . . . . . . 521 9. Spezialaspekte des Vertriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 9.1 Sektorale Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 9.1.1 Vertrieb in Auslandsmärkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 9.1.1.1 Marktwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 9.1.1.2 Optionen des Markteintritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527 9.1.1.2.1 Außenhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527

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Inhaltsverzeichnis 9.1.1.2.2 Vertragsbasis (Lizenzierung/Kooperation) . . . . . . . 531 9.1.1.2.3 Direktinvestition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536 9.1.1.3 Optionen der Marktbearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537 9.1.2 Vertrieb von Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538 9.1.2.1 Kennzeichen von Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538 9.1.2.2 Absatz von Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542 9.2 Funktionale Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 9.2.1 Verkaufsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 9.2.1.1 Inhalt und Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 9.2.1.2 Erzeugung von Aufmerksamkeit und Kontakt . . . . . . . . . . . . . 545 9.2.1.3 Ausbau von Interesse und Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 548 9.2.1.4 Auslösung und Umsetzung des Kaufakts . . . . . . . . . . . . . . . . 552 9.2.2 Handelsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555 9.2.2.1 Notwendigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555 9.2.2.2 Händler-Panel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556 9.3 Institutionale Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559 9.3.1 Kaufverhalten im Geschäftskunden-Vertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559 9.3.1.1 Besonderheiten der gewerblichen Beschaffung . . . . . . . . . . . . 559 9.3.1.2 Procurement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561 9.3.1.3 Kennzeichen geschäftlicher Transaktionen . . . . . . . . . . . . . . . 563 9.3.1.4 Kaufsituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565 9.3.1.4.1 Kauftypen-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565 9.3.1.4.2 Kaufphasen-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566 9.3.1.5 Vertikalmodelle zur Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 568 9.3.1.5.1 Buying center-Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 568 9.3.1.5.2 Potenzial-Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569 9.3.1.5.3 Reagierer-Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570 9.3.1.6 Horizontalmodelle zur Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571 9.3.1.7 Interaktionsmodelle zur Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572 9.3.1.7.1 Relationen-Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572 9.3.1.7.2 Netzwerk-Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574 9.3.2 Kaufverhalten im Privatkunden-Vertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575 9.3.2.1 Strukturell-psychologische Determinanten . . . . . . . . . . . . . . . 575 9.3.2.2 Strukturell-soziologische Determinanten . . . . . . . . . . . . . . . . 579 9.3.2.3 Prozessuale Determinanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 581

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 582 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1:

Abgrenzung Vertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

Abbildung 2:

Marketingsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

Abbildung 3:

Übersicht Gestaltung des Absatzkanals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

Abbildung 4:

Beteiligte im Absatzkanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

Abbildung 5:

Absatzkanalbeziehung Push . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

Abbildung 6:

Absatzkanalbeziehung Pull . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

Abbildung 7:

Absatzkanalbeziehung Durchverkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

Abbildung 8:

Einteilung der Absatzkanalgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

Abbildung 9:

Darstellung der Absatzkanalbreite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

Abbildung 10: Alternative Absatzwege (mit und ohne Handelsstufe) . . . . . . . . . . . . . . 45 Abbildung 11: Darstellung der Absatzkanaltiefe (Warenfluss/Geldgutschrift) . . . . . . . . 45 Abbildung 12: Darstellung der Absatzkanaltiefe (Geldfluss/Warenretoure) . . . . . . . . . . 46 Abbildung 13: Einstufig indirekter Absatz (Warenfluss/Geldgutschrift) . . . . . . . . . . . . 47 Abbildung 14: Zweistufig indirekter Absatz (Warenfluss/Geldgutschrift) . . . . . . . . . . . 49 Abbildung 15: Möglicher Aufbau eines mehrstufig indirekten Absatzkanals . . . . . . . . . 51 Abbildung 16: Alternative Absatzkanaldesigns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Abbildung 17: Prinzip des Mehrkanalabsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Abbildung 18: Mehrkanal-Absatzdesigns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Abbildung 19: Einteilung der Multi channel distribution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Abbildung 20: MCD-Anlage nach Verwenderbranchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Abbildung 21: MCD-Anlage nach Absatzgebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Abbildung 22: Elemente der Absatzmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Abbildung 23: Alternativen der Absatzform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Abbildung 24: Alternativen der eigengestalteten Absatzform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Abbildung 25: Übersicht Direktabsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Abbildung 26: Alternativen des Direktabsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Abbildung 27: Interner Direktabsatz (Warenfluss/Geldgutschrift) . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Abbildung 28: Externer Direktabsatz (Warenfluss/Geldgutschrift) . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Abbildung 29: Arten von Absatzhelfern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Abbildung 30: Rechtsstellung der Absatzhelfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung 31: Kriterien für Handelsvertretertypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Abbildung 32: Handelsvertreterbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Abbildung 33: Kommissionärsbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Abbildung 34: Kostenvergleich Handelsvertreter vs. Reisender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Abbildung 35: Entlohnungsformen im Verkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Abbildung 36: Alternative Provisionsverläufe (Bezugsgröße zu Bezugshöhe) . . . . . . . 108 Abbildung 37: Kapazitätsberechnung Vertriebsaußendienstmitarbeiter . . . . . . . . . . . . . 123 Abbildung 38: Berechnungsbeispiel der VADM-Kapazität und -Kosten . . . . . . . . . . . . 125 Abbildung 39: Alternative Verfahren zur Tourenplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Abbildung 40: Einordnung des e-Commerce . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Abbildung 41: Formen des mediengestützten Vertriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 Abbildung 42: Betriebseinteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 Abbildung 43: Übersicht Indirektabsatz (I) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Abbildung 44: Übersicht Indirektabsatz (II) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Abbildung 45: Übersicht Indirektabsatz (III) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 Abbildung 46: Funktionen des Handels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 Abbildung 47: Kriterien für Betriebsformen des Einzelhandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Abbildung 48: Typologie der Betriebsformen des Einzelhandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Abbildung 49: Betriebsformen des Großhandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 Abbildung 50: Streckengeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 Abbildung 51: Wandel der Betriebsformen des Handels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Abbildung 52: Alternativen der Marktstimulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Abbildung 53: Wettbewerbspositionsmatrix im Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 Abbildung 54: Alternativen der Absatzkanalpräsenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Abbildung 55: Pipelineeffekte zum besseren Marktdurchgriff für Hersteller . . . . . . . . . 197 Abbildung 56: Faktoren der Regalplatzknappheit im Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Abbildung 57: Vertikale Zusammenarbeit im Absatzkanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Abbildung 58: Formen des Kontraktmarketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 Abbildung 59: Vertragshändlerbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Abbildung 60: Beispiele von Kontraktmarketingformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Abbildung 61: Absatz über Marktveranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Abbildung 62: Formen organisierter Marktveranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Abbildung 63: Formen virtueller Marktplätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Abbildung 64: Ausprägungen von Internet-Marktplätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Abbildung 65: Phasen der Angebotserstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244

Abbildungsverzeichnis

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Abbildung 66: Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Abbildung 67: Progressives Kalkulationsschema im Außenhandel . . . . . . . . . . . . . . . . 303 Abbildung 68: Retrogrades Kalkulationsschema im Außenhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 Abbildung 69: Zentrale Anforderungen an die Logistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 Abbildung 70: Entscheidungen in der Distributionslogistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 Abbildung 71: Optionen der Transportmittelwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 Abbildung 72: Beteiligte im Versand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 Abbildung 73: Warenumschlag über Frachtführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 Abbildung 74: Verkauf-Kauf-Synchronisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 Abbildung 75: Nachfrager- und Anbieteraktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 Abbildung 76: Beschaffungsmarktrisiko-Gewinneinfluss-Matrix . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 Abbildung 77: Wichtige Sourcing-Strategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 Abbildung 78: Kaufheuristiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 Abbildung 79: Schema der Wertgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 Abbildung 80: Inhalt und Zeitpunkt von Kundendiensten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 Abbildung 81: Durchführung des Verkaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 Abbildung 82: Phasen der Verkaufsgesprächsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 Abbildung 83: Fragetechniken zur Kundenqualifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 Abbildung 84: Techniken der Vorteilsargumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 Abbildung 85: Techniken zur Einwandbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 Abbildung 86: Techniken zur Preisverteidigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 Abbildung 87: Gesprächselemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 Abbildung 88: Kommunikationselemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 Abbildung 89: Käufertypologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 Abbildung 90: Verkäufertypologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 Abbildung 91: Rahmenbedingungen der Gesprächsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 Abbildung 92: Übersicht Planung und Kontrolle des Verkaufs (I) . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 Abbildung 93: Übersicht Planung und Kontrolle des Verkaufs (II) . . . . . . . . . . . . . . . . 416 Abbildung 94: Produktorientierter Vertrieb (Prinzip) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 Abbildung 95: Gebietsorientierter Vertrieb (Prinzip) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 Abbildung 96: Kundenwertorientierter Vertrieb (Prinzip) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 Abbildung 97: Branchenorientierter Vertrieb (Prinzip) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 Abbildung 98: Organisationale Mischformen (I) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 Abbildung 99: Organisationale Mischformen (II) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung 100: Vertriebs-Deckungsbeitragsrechnung mit stufenweiser Fixkostendeckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 Abbildung 101: Kostenträgerzeitrechnung (Erfolgsrechnung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 Abbildung 102: Kostenträgerstückrechnung (Beispiel Auftrag E) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 Abbildung 103: RFMR-Modell (Schema) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 Abbildung 104: FRAC-Modell (Schema) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 Abbildung 105: ABCD-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 Abbildung 106: ABC-Analyse nach Kundenanteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 Abbildung 107: Kundenwert-Portfolio (I) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 Abbildung 108: Kundenwert-Portfolio (II) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 Abbildung 109: Kundenerfolgsgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 Abbildung 110: Einflussgrößen auf den Kundenlebenszeitwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 Abbildung 111: Kundenleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 Abbildung 112: Kundenlebenszyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 Abbildung 113: Verfahren zur Kundenzufriedenheitsmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 Abbildung 114: Servqual-Messkombinationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 Abbildung 115: FRAP-Matrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 Abbildung 116: Beschwerderkategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 Abbildung 117: Aktionsparameter des Handels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 Abbildung 118: Sortimentsdimensionen (Beispiel: Schuhhandel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 Abbildung 119: Sortimentshierarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 Abbildung 120: Warenwirtschaft des Handels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 Abbildung 121: DPP-Kennzahlensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 Abbildung 122: Generationen von Supply chain-Abläufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 Abbildung 123: Übersicht Auslandsabsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 Abbildung 124: Optionen im Auslandsmarktzugang durch Export . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 Abbildung 125: Absatzwege im Außenhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529 Abbildung 126: Optionen der Veredelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530 Abbildung 127: Schema des (echten) Transits (oben) und der Durchfuhr (unten) . . . . . . 531 Abbildung 128: Optionen der Lizenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 Abbildung 129: Formen der Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535 Abbildung 130: Dienstleistungsproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 540 Abbildung 131: Parameter der Verkaufsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 544 Abbildung 132: Kauftypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566 Abbildung 133: Vertikale und horizontale Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571 Abbildung 134: Strukturelemente des Konsumentenverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 578

Abkürzungsverzeichnis ADM Außendienst-Mitarbeiter AFRA Affinity frequency recency amount of purchase AGB Allgemeine Geschäfts-Bedingungen AHK Außenhandelskammer AIDA Attention interest desire action BERI Business environment risk information B-t-b Business to business (Geschäftskunden) B-t-c Business to consumer (Privatkunden) C & C Cash and carry (Abhol-Selbstbedienung) CAD Computer aided design CAS Computer aided selling CBT Computer based training CFR Cost and freight CIF Cost insurance freight CIP Cost and insurance paid to CPFR Collaborative planning forecasting replenishment CPT Carriage paid to CRM Customer relationship management DAP Delivered at point DAT Delivered at terminal DDP Delivered duty paid DPP Direkte Produkt-Profitabilität DPR Direkte Produkt-Rentabilität DR-R Direct response radio DR-TV Direct response television DSD Duales System Deutschland ECR Efficient consumer response EDI Electronic data interchange eG Eingetragene Genossenschaft EH Einzelhandel EHP Einheitspreisladen EP Efficient promotions EPI Efficient product introduction ERG Existence relatedness growth ERM Enterprise resource management ERP Efficient replenishment ESA Efficient store assortment EXW Ex works FAP Fabrikabgabepreis FAS Free alongside ship FCA Free carrier

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Abkürzungsverzeichnis

FCR Forwarders certificate of receipt FCT Forwarders certificate of transport FOB Free on board FOC Factory outlet center FRAC Frequency recency amount of purchase category FRAP Frequenz-Relevanz-Analyse für Probleme FRAT Frequency recency amount of purchase type of merchandise GBG Geschlossene Benutzer-Gruppe GE Geldeinheit GH Großhandel GLN Global location number GTIN Global trade item number GVO Gruppenfreistellungs-Verordnung GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen GWWS Geschlossenes Waren-Wirtschafts-System HGB Handelsgesetzbuch HWK Handwerkskammer ICC International chamber of commerce IPO Initial public offering I-TV Interactive television J-i-t Just in time KKV Komparativer Konkurrenz-Vorteil KMU Klein- und Mittelunternehmen LEH Lebensmitteleinzelhandel LoI Letter of intend LSP Leitsätze zur Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten MCD Multi channel distribution MDE Mobile Daten-Erfassung MRO Maintenance repair operations OCR Optical character recognition OEM Original equipment manufacturer OR Operations research POS Point of sale PVH Produktions-Verbindungs-Handel QR Quick response RCS Roll cage sequencing RFID Radio frequency identification RFMR Recency frequency monetary ratio RFP Request for proposal RFQ Request for quotation SB Selbstbedienung S-R Stimulus response SSCS Serial shipping container code TCO Total cost of ownership TQM Total quality management UE Unterhaltungs-Elektronik UGC User generated content UWG Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb

Abkürzungsverzeichnis VADM Verkaufsaußendienstmitarbeiter VAN Value added network VPöA Verordnung über die Preise bei öffentlichen Aufträgen WKZ Werbekostenzuschuss

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Prolog: Die Zuordnung von Marketing und Vertrieb Die Zuordnung der Begriffe Marketing und Vertrieb/Absatz/Verkauf ist nicht ganz einfach, da diese vielfältig, gerade im Business to business-Sektor, als Wechselvokabeln verwendet werden. Dennoch kann bei näherem Hinsehen eine Abstufung im Aktivitätenniveau erkannt werden: •• Der Begriff Marketing umfasst neben dem Instrument der Distributions- und Verkaufspolitik noch die komplementären Instrumente der Angebots- und Sortiments-, der Preis- und Gegenleistungs- sowie der Informations- und Präsentationspolitik. Vertrieb ist also nur ein Ausschnitt des Marketing. •• Der Begriff Absatz beschreibt die planvolle Anlage des Instruments der Distributionspolitik im Marketing. Nicht hingegen sind die übrigen Marketing-MixInstrumente damit abgedeckt. Insofern kann nicht von einem systematischen Ansatz ausgegangen werden. •• Der Begriff Vertrieb beinhaltet nurmehr das Umfeld zur unmittelbaren Herbeiführung der Tauschakte, also der Akquisition von, der Transaktion mit und der Nachbereitung bei Kunden. •• Am Engsten ist der Begriff Verkauf ausgelegt, der sich allein auf den unmittelbaren Vollzug der ökonomischen Transaktion bezieht.

Abbildung 1: Abgrenzung Vertrieb

Jede Leistung im Vertrieb setzt sich aus Potenzial, Prozess und Ergebnis zusammen. Unter Potenzial versteht man die Bereitstellung von Kapazitäten, also

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Prolog: Die Zuordnung von Marketing und Vertrieb

von Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit. Unter Prozess versteht man den Ablauf des Absatzaktes, also die Abfolge von Andienung und Annahme von Wert (Produkt) und Gegenwert (Kaufpreis). Unter Ergebnis versteht man die vollzogene Transaktion, also die Hingabe eines Gegenwertes für den Erhalt eines Wertes. Inhalt des Marketing ist es allgemein, Austauschpartner zu finden, die für eine angebotene Leistung den höchstmöglichen Wert empfinden bzw. für gegebene Werte das kostengünstigste Angebot bereitstellen. Dazu muss womöglich das Nutzenempfinden bei Marktpartnern forciert oder auch überhaupt erst entwickelt werden. Marketing setzt dabei mindestens zwei beteiligte Parteien voraus. Jede der Parteien muss etwas haben, was für die andere von subjektivem Wert ist. Die Parteien müssen untereinander in Kontakt treten (Informationsaustausch) und die Tauschobjekte (Ware/Geld) übergeben können. Jede Partei muss weiterhin frei in der Annahme oder Ablehnung sein. Und jede Partei muss zu Aktivitäten bereit sein. Management bezeichnet allgemein dispositive Aktivitäten zur Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle betriebswirtschaftlicher Maßnahmen. Vertriebsmanagement ist daher die Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle von Aktivitäten zur Akquisition von, Transaktion mit und Nachbereitung bei Kunden. Das Denkmodell für dieses Vertriebsmanagement ist der Absatzkanal.

Abbildung 2: Marketingsystem

1. Die Gestaltung des Absatzkanals 1.1 Leistungsströme im Absatzkanal

Abbildung 3: Übersicht Gestaltung des Absatzkanals

Das Absatzkanalmanagement stellt sich zunehmend als eigenständiger Engpass innerhalb des Engpasses der Vermarktung heraus. Dabei geht es im Einzelnen um die zielgerichtete Gestaltung des Flusses von Waren, Geldern und Informationen zwischen den Marktakteuren. Im Zentrum der Problematik stehen dabei indirekte

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals

Absatzwege, also solche, bei denen zwischen Hersteller und Endabnehmer Absatzmittler bzw. -helfer zwischengeschaltet sind. Diese sind unter zwei Aspekten von Interesse. Zum einen in Bezug auf den Fluss zwischen Hersteller und Absatzmittlern bzw. -helfern. Und zum anderen in Bezug auf den Fluss zwischen diesen Absatzmittlern bzw. -helfern und Endabnehmern. Der Absatzkanal ist ein System zum Austausch von Waren-, Geld- und Informationsströmen zwischen den Marktakteuren Hersteller (ggfs. deren Absatzhelfern), ggfs. Absatzmittlern und (gewerblichen wie privaten) Abnehmern. Realgüterströme betreffen die Distribution der Handelsobjekte von der Produktion zum Verbrauch und in umgekehrter Richtung im Rahmen der Redistribution (Reklamation, Retoure, Entsorgung). Diese werden dabei je nach Lage der Dinge von Ort zu Ort durch den Raum bewegt, gelagert, gesammelt, aufgeteilt, umgepackt, kommissioniert und aussortiert, manipuliert, markiert, sortiert und um Dienste ergänzt. Nominalgüterströme betreffen die Distribution von Entgeltobjekten vom Geund Verbrauch zur Produktion bzw. Nachbesserung/Verwertung. Diese werden als Zahlungsmittel, Zahlungs- und Gebührenbelege von Ort zu Ort übertragen, als raumüberbrückende Verbindung zum Forderungs- und Verbindlichkeitsausgleich hergestellt (Umtausch, Gutschrift), zur Festlegung und Überwachung von Zahlungs- und Fälligkeitsterminen für Gebührenzahlungen, zum Sammeln und Aufteilen von Zahlungsbelegen und -beträgen, Ausgleich von Forderungen und Verbindlichkeiten, Ausgleich zwischen zur Zahlung von Entsorgungsgebühren verpflichteter Wirtschaftssubjekte und deren Empfänger (DSD) und zur Bestimmung der Zahlungsarten oder -sicherheiten sowie zur Preis- und Spannenfindung. Informationsströme betreffen die Distribution von Nachrichten über den Realund Nominalgüterstrom zwischen Produktion, Verbrauch und Verwertung. Diese finden durch Übermittlung der Daten von Ort zu Ort, durch Datenspeicherung, durch Sammeln, Aufteilen, Sortieren, Scannen von Daten und durch Verdichten, Verknüpfen, Kombinieren, Interpretieren von Daten, Bestimmen der Kommunikationsmedien, Ermittlung neuer Daten und Beschwerdehandling statt. Diese Ströme fließen sowohl von Herstellern zu Absatzmittlern, als auch von Herstellern zu Endabnehmern und Absatzmittlern zu Endabnehmern, aber auch in Umkehrung von Endabnehmern zu Absatzmittlern und Hersteller als auch von Absatzmittlern zu Herstellern im Rahmen einer Feedbackschleife. Diese Beziehungen sind, wie unschwer erkennbar, äußerst komplex. Die Aufgabe des Vertriebsmanagements ist es, diese Beziehungen effizient und effektiv zu gestalten. Dazu können Absatzkanäle vielfältig gestaltet werden (so autonom oder kooperativ, physisch oder virtuell, direkt oder indirekt, einkanalig oder mehrkanalig). Diese Elemente werden im Folgenden erläutert.

1.2 Akteure im Absatzkanal

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1.2 Akteure im Absatzkanal Der Absatzkanal kann in zwei Dimensionen gestaltet werden, hinsichtlich seiner Breitendimension nach der Anzahl der Akteure, mit denen auf einer Stufe interagiert werden soll, und hinsichtlich seiner Tiefendimension nach der Anzahl der Stufen, auf denen mit Akteuren interagiert werden soll. Bei diesen Akteuren handelt es sich anbieterseitig um Hersteller und Händler, nachfragerseitig um gewerbliche oder private Abnehmer. Das heißt, im Absatzkanal des Endabnehmerbereichs sind typischerweise vier Gruppen von Akteuren einbezogen, Hersteller oder deren Absatzhelfer zum Großhandel, Großhändler oder deren Absatzhelfer zum Einzelhandel, Einzelhändler und Endabnehmer, im Absatzkanal des Weiterverarbeiterbereichs drei Gruppen, Hersteller oder deren Absatzhelfer zum Verbindungshandel, Verbindungshändler oder deren Absatzhelfer zum Gewerbeabnehmer und Gewerbliche Abnehmer (als Produzenten, Weiterverarbeiter oder Großabnehmer).

Abbildung 4: Beteiligte im Absatzkanal

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals

Zwischen diesen Beteiligten bestehen verschiedenartige Beziehungen. Unter Push versteht man den Hineinverkaufsdruck vom Hersteller an den Handel bzw. von der vor- an die nachgelagerte Handelsstufe zu Endabnehmern. Dadurch soll ein Lagerdruck ausgeübt werden, der dazu führt, dass die derart bevorrateten Absatzmittler verstärkte Abverkaufsbemühungen unternehmen, wodurch sich der Absatz insgesamt erhöht, das Lager leert und damit die Chance zu erneutem Push bietet.

Abbildung 5: Absatzkanalbeziehung Push

Unter Pull versteht man den Herausverkaufssog von Endabnehmern beim Handel bzw. von der nach- an die vorgelagerte Handelsstufe. Dadurch soll ein Überbedarf erzeugt werden, der Absatzmittler dazu veranlasst, sich verstärkt mit dem nachgefragten Produkt zu bevorraten. Auch das erhöht den Abverkauf, da der Handel bemüht ist, Fehlverkäufe zu vermeiden. Dies führt dazu, dass er sich stärker bevorratet als dies ohne Pull-Effekt geschieht.

Abbildung 6: Absatzkanalbeziehung Pull

Unter Durchverkauf (Push & pull) versteht man den gleichzeitigen Hineinverkaufsdruck vom Hersteller und Herausverkaufssog von Endabnehmern innerhalb derselben Pipeline. Um zu vermeiden, dass sich „gepushte“ Ware im Absatzkanal staut und in Verstopfung resultiert bzw. „gepullte“ Ware sich verknappt und

1.3 Breitendimension des Absatzkanals

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zu Vorratslücken führt, sind beide Aktivitäten möglichst parallel anzulegen. Sonst entsteht eher Frustration, weil der Handel feststellt, dass die reinverkaufte Ware offensichtlich nicht ausreichend abfließt bzw. er sich Endabnehmern gegenüber, die gezielt nach bestimmten Produkten fragen, als nicht ausreichend bevorratet zu erkennen geben muss.

Abbildung 7: Absatzkanalbeziehung Durchverkauf

1.3 Breitendimension des Absatzkanals 1.3.1 Alternativen Die Breitendimension des Absatzkanals gibt an, mit wie vielen Akteuren auf einer nachfolgenden Absatzstufe zugleich interagiert werden soll. Hinsichtlich der Absatzkanalbreite sind verschiedene Abstufungen zu unterscheiden. Von ubiquitärer Distribution spricht man, wenn alle objektiv überhaupt in Frage kommenden Akteure in den Absatzkanal einbezogen werden. Dies ist außerordentlich schwierig zu realisieren und ansatzweise nur bei Arzneimitteln, Softdrinks, Schokoriegel, Presseartikeln und Tabakwaren gelungen. Von intensiver Distribution spricht man, wenn möglichst viele, mit vertretbarem Aufwand zu erfassende Akteure in den Absatzkanal einbezogen werden. Dies sorgt zwar für eine hohe Erhältlichkeit im gewählten Absatzgebiet, bedingt aber auch eine sehr heterogene Struktur der Absatzmittler. Von selektiver Distribution spricht man, wenn bewusst nur ausgewählte Akteure in den Absatzkanal aufgenommen werden. Dies entspricht dann einer eher geringen Erhältlichkeit im gewählten Absatzgebiet, führt aber zur homogenen Struktur der Absatzmittler (z. B. nur Fachhandel). Von exklusiver Distribution spricht man, wenn das Absatzgebiet so aufgeteilt ist, dass es zur relativen Monopolstellung der Akteure kommt. Dies ist aus wettbewerbspolitischen Gründen nur in Ausnahmefällen wünschenswert und ansatzweise bei Automobilen, Mineralölprodukten etc. gegeben.

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals

Zu unterscheiden ist jeweils zwischen dem realisierten und gewünschten Distributionsgrad. Insofern ist auch zwischen Zustands- und Prozesssichtweise zu unterscheiden. Eine empirisch festgestellte intensive Distribution kann durchaus nur ein Zwischenstadium bei der Ausweitung zur Ubiquität oder der Einschränkung zur Selektivität sein. Die Zielerreichung ergibt sich als Relation von tatsächlicher zu gewünschter Distributionsbreite. Die Distributionswahl ist dabei von situativen Faktoren wie Zeit (Lebenszyklusstadium), Intension (Zielsetzung), Image (Up grading/Down grading) und Produktart abhängig. Von einem geschlossenen Absatzkanal spricht man, wenn die Anzahl der beteiligten Akteure auf den Absatzmittler-/-helferstufen im Vorhinein fixiert ist und bestehende Akteure ein vertragliches Recht darauf haben, in den Absatzkanal eingeschlossen zu bleiben, neue Akteure hingegen nur mit Zustimmung dieser bestehenden Akteure und/oder des Herstellers aufgenommen werden können. Meist ist ein geschlossener Absatzkanal mit Gebietsschutz verbunden. Die Aufnahme neuer Akteure ist dann nur in seither noch nicht bedienten Absatzgebieten möglich, sofern bestehende Akteure darauf nicht ein Recht des ersten Zugriffs haben, oder durch feinteiligere Abgrenzung der einzelnen Gebiete, was regelmäßig nur gegen Kompensation der Bestandshalter durchsetzbar ist. Je nach Vertrag muss das Absatzrecht bei Ausscheiden eines Absatzmittlers im geschlossenen System dem Hersteller angedient oder aber kann getrennt verkauft werden. Von einem offenen Absatzkanal spricht man hingegen, wenn die Anzahl der beteiligten Akteure auf den Absatzmittler-/-helferstufen nicht fixiert ist, bestehende Akteure also kein Recht darauf haben, dass neue aktivitätswillige Akteure ausgeschlossen bleiben, diese neuen Akteure aber jederzeitig die Möglichkeit zur Aufnahme in den Absatzkanal haben. Offene Absatzkanäle entsprechen im Regelfall dem wettbewerbspolitischen Ziel. So ist der Aufbau künstlicher Markteintrittsschranken nicht erlaubt, die einen solchen gewünschten, freien Zutritt erschweren oder verhindern. Nach § 20 GWB ist für die Zulässigkeit eines geschlossenen Absatzkanals zu prüfen, ob eine Behinderung oder eine unbillige Benachteiligung ohne sachlich gerechtfertigten Grund beim Geschäftsverkehr vorliegt, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist. Dies wird regelmäßig nur gegenüber marktmächtigen Händlern bei Herstellern ohne absolute/relative Marktmacht verneint. Ansonsten erfolgt ein Eingriff in die Dispositionsfreiheit des Herstellers hinsichtlich seiner Auswahl belieferter Absatzmittler. Nicht zu beanstanden ist allerdings, wenn die Auswahl der Akteure im Absatzkanal aufgrund objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art, die sich auf deren fachliche Eignung, die Personal- und Sachmittelausstattung beziehen, erfolgt, sofern diese Kriterien einheitlich für alle in Betracht kommenden Wiederverkäufer festgelegt und ohne Diskriminierung angewendet werden. Stellt man sich die Breitendimension des Absatzkanals dabei als Kontinuum vor, so markieren ubiquitäre und exklusive Distribution die beiden Endpole, intensive und selektive Distribution bewegen sich dazwischen, wobei die Übergänge fließend sind.

1.3 Breitendimension des Absatzkanals

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Abbildung 8: Einteilung der Absatzkanalgestaltung

1.3.2 Exklusiver Absatz Die Vor- und Nachteile der exklusiven Distribution aus Herstellersicht sind die Folgenden. Zunächst zu den Vorteilen: •• Es kommt zu einer Minderung der Wettbewerbsintensität für das betreffende Produkt bzw. die belieferten Absatzmittler. Vor allem ist eine gewisse Sicherheit vor aggressivem Preiswettbewerb gegeben. •• Durch die Auswahlmöglichkeit kann ein hoher Anspruch an die Einsatzbereitschaft und Leistungsfähigkeit der Absatzmittler durchgesetzt werden. Dies gilt freilich nur insoweit, als diese das exklusiv distribuierte Produkt für attraktiv halten. •• Infolge der guten Überschaubarkeit der Strukturen ist eine potenziell große Effektivität der Marketingaktivitäten gegeben. Wenige Absatzmittler, klare Vereinbarungen und hohe Transparenz untereinander führen zu schneller, kostengünstiger Organisation. •• Es kommt zu einer engen Bindung der Absatzmittler an den Hersteller mit ausgeprägtem Engagement auf deren Seite. Dies allein schon deshalb, um das vertretene Produkt nicht aus dem Sortiment zu verlieren. Folgende Nachteile sind zu nennen: •• Es ist eine große Abhängigkeit von Motivation und Fähigkeit einiger weniger Absatzmittler gegeben. Setzen diese sich nicht wie gewünscht ein, besteht nicht ohne Weiteres die Möglichkeit, auf andere Absatzmittler auszuweichen.

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals

•• Sofern die Erhältlichkeit beim Produkt eine kaufentscheidende Rolle spielt, besteht ein Nachteil gegenüber Angeboten mit höherem Distributionsgrad. Denn der Aufwand für Nachfrager zur Erreichbarkeit ist größer. •• Die Einflussnahmemöglichkeit auf Absatzmittler stößt auf relativ enge wettbewerbsrechtliche Grenzen. Dabei ist vor allem an Bestimmungen des Diskriminierungsverbots im GWB zu denken. Die Vor- und Nachteile der exklusiven Distribution aus Händlersicht sind die Folgenden. Zunächst zu den Vorteilen: •• Es ist ein relativer Konkurrenzschutz durch eine limitierte Anzahl anderer Absatzstellen gegeben. Dies mindert die Vergleichbarkeit eines Angebots mit dem anderer Händler im Einzugsgebiet. •• Daraus entsteht eine implizite Aufwertung der Geschäftsstättenanmutung. Denn ohne die Ausweichmöglichkeit auf Alternativen steuert Nachfrage unausweichlich auf die exklusiv distribuierten Händler zu. •• Eine hohe Ausschöpfung des gebietsspezifischen Nachfragepotenzials ist möglich. Denn jeder Händler konzentriert in hohem Umfang für die entsprechende Ware disponierte Kaufkraft auf sich. •• Eine nachhaltige Herstellerunterstützung durch partnerschaftliche Kooperation kann vorausgesetzt werden. Denn es liegt im Interesse des Herstellers, seine Händler bestmöglich für die Präsentation und Verkäuflichkeit der Ware zu präparieren. Folgende Nachteile sind zu nennen: •• Es ist eine Anfälligkeit für Nachfrageabwanderung zu Substitutionsangeboten gegeben. Beim parallelen Angebot mehrerer Produkte aus einer Warengruppe besteht hingegen für Händler die Chance, die Kaufkraft dennoch an sich zu binden. •• Eine Abhängigkeit vom Hersteller ist durch enge Einbindung in seinen Absatzkanal vorhanden. So kann nicht ohne Weiteres auf andere Hersteller ausge­ wichen werden, wenn es zu Konflikten im Absatzkanal kommt. •• Die Sortimentsfreiheit ist durch die Pflicht zur Sortimentierung eingeschränkt. Damit ist vor allem keine Konzentration nur auf besonders attraktive Teile des Programms möglich, die eine hohe Umschlaggeschwindigkeit und Rendite erbringen. •• Die hohe Standardisierung des Angebots führt zur Vergleichbarkeit mit anderen Absatzstellen außerhalb des Gebiets. Dies ist Folge der Absicht der Hersteller zur gleichmäßig anmutenden Darstellung der Produkte.

1.3 Breitendimension des Absatzkanals

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1.3.3 Selektiver Absatz Die Vor- und Nachteile der selektiven Distribution aus Herstellersicht sind die Folgenden. Zunächst zu den Vorteilen: •• Eine Rationalisierung des Vertriebs wird durch die Beschränkung auf weniger, dafür aber größere Abnehmer möglich. Die Hebelwirkung, die von deren Akquisitionsbemühungen ausgeht, ist größer und leichter fassbar. •• Diese Handelsabnehmer können für eine bessere Vermarktung nachhaltig kontaktiert und unterstützt werden. Vor allem kann auf sie leichter zurück gegriffen werden, wenn es darum geht, Konzepte rasch und konsistent im Markt zu verbreiten. •• Die überschaubare Absatzstruktur lässt jederzeitige Korrekturen auf der Ab­ satzmittlerstufe zu. So können wenig engagierte oder anderweitig als unfähig angesehene Händler gegen andere im gleichen Einzugsgebiet ausgetauscht werden. •• Die distribuierten Absatzmittler haben ein gesteigertes Interesse an der Förderung des Angebots. Ihren Leistungen sollen Erträge gegenüber stehen, die sich nur einstellen, wenn die selektiv distribuierten Sortimentsteile auch entsprechend forciert werden. Folgende Nachteile sind zu nennen: •• Es besteht ein hohes Distributionsrisiko bei Ausfällen und Verschiebungen innerhalb des Absatzkanals, da die Möglichkeit zur Aufnahme neuer Händler in das System nicht ohne Weiteres besteht. Dies erfordert vielmehr eine schwer durchsetzbare neue Gebietsabgrenzung. •• Der niedrige Erhältlichkeitsgrad des Produkts birgt die Gefahr einer geringeren Kapitalisierung dessen akquisitorischen Potenzials. Immer dann, wenn Nachfrager Geschäftsstätten kontaktieren, in denen das Produkt nicht vertreten ist, droht, Umsatz verloren zu gehen. •• Die Einbindung neuer, preisaggressiver Betriebsformen im Rahmen der Dynamik der Betriebsformen ist schwierig. Denn diese sind meist nicht bereit, die Verpflichtungen einzugehen, die für Hersteller erst die selektive Distribution interessant werden lassen. •• Außerdem sind wettbewerbsrechtliche Restriktionen zu beachten. Die Vor- und Nachteile der selektiven Distribution aus Händlersicht sind die Folgenden. Zunächst zu den Vorteilen: •• Durch die geringe Anzahl anderer Absatzstellen im Gebiet kommt es zu einem relativen Konkurrenzschutz. Der einzelne Absatzmittler ist aus der unmittelbaren Vergleichbarkeit seines Angebots zumindest bedingt herausgenommen.

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals

•• Die daraus folgende geringere Wettbewerbsintensität führt zu sicherer Handelsspanne. Denn es besteht keine Notwendigkeit zur gegenseitigen Preisunterbietung, um möglichst viele Nachfrager von Konkurrenzhändlern abzuziehen. •• Es ist eine Partizipation am hoch stehenden Hersteller-/Markenimage möglich. Dieses strahlt auf die Geschäftsstätte ab und wertet damit deren gesamtes Angebot, nicht nur das selektiv distribuierte, auf. •• Eine nachhaltige Herstellerunterstützung durch Kooperation ist wahrscheinlich. Denn Hersteller sind an intensiver Unterstützung ihrer Partner interessiert, da davon letztlich ihr eigener Erfolg abhängig ist. Folgende Nachteile sind zu nennen: •• Es bestehen viele vergebene Akquisitionschancen. Und zwar immer dann, wenn Nachfrager Absatzstellen kontaktieren, die in der gesuchten Warengruppe nicht zum selektiv distribuierten Händlerkreis gehören. •• Es ist ein hohes Maß an Abhängigkeit vom Geschick des Herstellers gegeben. Weil regelmäßig nicht auf beliebig viele andere Hersteller ausgewichen werden kann, wenn dessen Leistungsfähigkeit nachlässt oder nicht mehr ausreicht. •• Die sortimentspolitische Freiheit wird durch Nebenpflichten eingeschränkt. Denn der Hersteller kombiniert seinen Anreiz (Distribution) für gewöhnlich mit Beiträgen (Einsatz) zur konkreten Absatzförderung seines Programms. •• Durch hohe Standardisierung des Angebots kommt es zur Vergleichbarkeit mit konkurrierenden Absatzstellen. Dies ist Konsequenz der zentral durch Hersteller unterstützten Darbietung von Waren.

1.3.4 Intensiver Absatz Die Vor- und Nachteile der intensiven Distribution aus Herstellersicht sind die Folgenden. Zunächst zu den Vorteilen: •• Es kommt zu einer weitgehenden Marktausschöpfung als vernünftigem Kompromiss zwischen Aufwand und Nutzen der Distribution. Zwar werden nicht alle, aber doch hinlänglich viele Absatzstellen erreicht. •• Der breite Endabnehmerzugriff der großen Handelskonzerne kann effektiv genutzt werden. Insofern bedeutet die Listung in der Zentrale die Verfügbarkeit des Produkts auf breiter Basis, wenngleich nicht die tatsächliche Order. Dazu muss vielmehr vor Ort nachgefasst werden. •• Die breite Erhältlichkeit schöpft das Vorverkaufspotenzial der Produkte gegenüber Zielgruppen angemessen aus. Beinahe überall, wo Bedarf entsteht, und Markenbekanntheit gegeben ist, besteht die Chance zum Umsatzakt.

1.3 Breitendimension des Absatzkanals

39

•• Vor allem handelt es sich um einen vernünftigen Kompromiss zwischen Einfach­ heit und Marktausschöpfung. Folgende Nachteile sind zu nennen: •• Es kommt zu keiner vollständigen Liquidierung von Kaufchancen durch Vorhandensein bewusster Distributionslücken. Dies gilt vor allem für impulsiv gekaufte Produkte, deren Kaufentscheid sich nach realer Verfügbarkeit am Ort und zur Zeit des Bedarfs richtet. •• Es ist ein hoher Marketingaufwand zum Aufbau und Erhalt eines intensiven Distributionsgrads erforderlich. Trotz der Handelskonzentration muss Kontakt zu einer Vielzahl von Absatzstellen gehalten und gepflegt werden. •• Die mögliche Konkurrenz zwischen verschiedenen belieferten Handelskonzernen stellt einen kontinuierlichen Unruhefaktor dar. Es kommt zum Gruppenwettbewerb der Betriebsformen untereinander, bei dem ein Bedarf immer nur einmal liquidiert werden kann. •• Bei Top down-Vorgehen kommt einer Distributionsausweitung nur nachlassende Effizienz durch Zuwachs immer kleinerer Absatzstellen zu. Damit verschlechtert sich das Kosten-Nutzen-Verhältnis kontinuierlich. Die Vor- und Nachteile der intensiven Distribution aus Händlersicht sind die Folgenden. Zunächst zu den Vorteilen: •• Es besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, bekannte und vertraute Produkte zu führen. •• An weit verbreitet stattfindenden ungeplanten Käufen kann so durch bloße Angebotsphysis partizipiert werden. •• Durch möglichst komplette Sortierung entsteht eine Bequemlichkeitsverbesserung. Es gehört zur Erwartungshaltung vieler Nachfrager, am Ort des Verkaufs eine Auswahl gängiger Produkte dargeboten zu erhalten und unter diesen auswählen zu können. •• Durch preisgünstigeres Angebot ist eine willkommene Konkurrenzabhebung möglich. Denn für gängige Produkte ist die Preislage aus Erfahrung bekannt, so dass eine Abweichung davon nach unten gut erkannt und honoriert wird. Folgende Nachteile sind zu nennen: •• Wegen der großen Absatzmittlerzahl ist nur von einer begrenzten Hersteller­ unterstützung auszugehen. Insofern zählen primär die eigenen Aktivitäten, es sei denn, durch Nachfragemacht kann ein entsprechender Support erwirkt werden. •• Bestandslücken führen zur Mindereinschätzung durch potenzielle Käufer. Von einzelnen, nicht distribuierten Produkten wird so im Wege der Analogie darauf

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals

geschlossen, dass auch andere wichtige Produkte nicht am Handelsplatz verfügbar sind. •• Es besteht eine hohe Austauschbarkeit der Absatzstellen untereinander aus Kundensicht. •• Entsprechend kommt es zu einem verschärften Wettbewerb, denn letztlich ist es gleichgültig, wo man einkauft, da ja eine breite Erhältlichkeit gegeben ist.

1.3.5 Ubiquitärer Absatz Die Vor- und Nachteile der ubiquitären Distribution aus Herstellersicht sind die Folgenden. Zunächst zu den Vorteilen: •• Es kommt zu einer vollständigen Marktausschöpfung durch maximale Kontakthäufigkeit der Nachfrager mit dem gegebenen Angebot. Somit kann werblicher Vorverkauf bestmöglich liquidiert werden. •• Dadurch ist eine umfassende Kapitalisierung der geleisteten Marketingaufwendungen durch kompletten Zugang zu Endabnehmern möglich. Jede Bedarfssituation kann zum Umsatz genutzt werden. •• Durch zufälligen Kontakt zwischen Produkt und potenziellen Abnehmern kommt es zur Initiierung ungeplanter Käufe. Damit sind sogar Situationen, die ursprünglich gänzlich ohne Bedarf waren, kapitalisierbar. •• Eine weitgehende Vermeidung der Abhängigkeit des Herstellers von einzelnen Absatzmittlern ist gegeben. Diese sind zwar austauschbar, aber nicht verzichtbar, da keine nennenswerten Distributionslücken entstehen dürfen. Folgende Nachteile sind zu nennen: •• Ein extremer Distributionsaufwand zur Bedienung aller möglichen Absatz­ stellen flächendeckend im Markt ist erforderlich. Dies ist praktisch nurmehr über zweistufig indirekten Vertrieb darstellbar. •• Es besteht die Gefahr der Beeinträchtigung des Produktimages durch stark abweichende, diffuse Geschäftsstättenimages. Dies ist Konsequenz der „wahl­ losen“ Einschaltung von Absatzstellen über größtmögliche Erhältlichkeit. •• Auch ist eine schwierige Kontrolle der Präsentations- und Absatzbedingungen auf Handelsebene gegeben. Die Absatzbeziehungen sind so intransparent und vielfältig, dass deren Pflege und gezielte Beeinflussung sich als sehr schwierig herausstellen. •• Weil eine ubiquitäre Distribution meist nur durch eine mindestens zweistufige Absatzkanalgestaltung realisierbar ist, entsteht eine Spannenproblematik.

1.3 Breitendimension des Absatzkanals

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Die Vor- und Nachteile der ubiquitären Distribution aus Händlersicht sind die Folgenden. Zunächst zu den Vorteilen: •• Der Handel hat die relative Sicherheit, hoch bekannte und vertraute Produkte zu führen. •• Er kann an ungeplanten Käufen durch die bloße Angebotsphysis sicher partizipieren, ohne sonderliche Bedarfsweckungsanstrengungen unternehmen zu müssen. •• Der Eindruck vollkompletter Sortierung führt zur Imagesteigerung. Denn eine wichtige Erwartungshaltung vieler Nachfrager ist die einer Auswahl von Produkten der gleichen Warengruppe, unter denen sie auswählen können. •• Ein preisgünstigeres Angebot führt zur willkommenen Konkurrenzabhebung. Denn der Einkaufsmehraufwand zur Realisierung des günstigeren Angebots hält sich aus Käufersicht in engen Grenzen. Folgende Nachteile sind zu nennen: •• Durch weitgehende Angebotsvergleichbarkeit entsteht eine Rentabilitätsbelastung. So kann es sich kein Handelsanbieter leisten, dauerhaft vom Preisniveau seiner zahlreichen Konkurrenten nach oben abzuweichen. •• Bestandslücken führen zur Mindereinschätzung der Geschäftsstätte durch potenzielle Käufer. Bei Produkten, die ubiquitär vertrieben werden, bedeutet deren physische Nichtverfügbarkeit ein schweres Image-Handicap für den Händler.

Abbildung 9: Darstellung der Absatzkanalbreite

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals

•• Aus Kundensicht ist mehr oder minder eine volle Austauschbarkeit der Absatzstellen untereinander gegeben. Damit müssen Anstrengungen in Haupt-(Preis) oder Nebenleistung (Service) unternommen werden, um noch eine wünschenswerte Profilierung herbeizuführen. •• Dies führt eher zur Wettbewerbsverschärfung. Jeder einzelne, ubiquitär distribuierte Händler steht in Konkurrenz zu allen anderen Händlern in seinem Einzugsgebiet, für die dies gleichermaßen gilt. Die verschiedenen Ausprägungen der Absatzkanaltiefe und der Absatzkanalbreite lassen sich zu alternativen Absatzkanaldesigns kombinieren. Wie dieses Design ausgelegt ist, liegt in der Entscheidungshoheit des Herstellers.

1.3.6 Distributionsgrad Der Distributionsgrad gibt die Intensität der Distribution eines Produkts auf der letzten Stufe des Absatzkanals an. Dies ist wichtig bei Konsumgütern des täglichen Bedarfs, bei denen sich der konkrete Kauf häufig erst aus der Präsenz eines Produkts am Ort des Verkaufs ergibt bzw. die fehlende Präsenz dieses Produkts dort zum ersatzweisen Kauf eines anderen, vom Nachfrager für weitgehend vergleichbar erachteten Produkts (Relevant set of brands) führt. Der Distributionsgrad kann hinsichtlich verschiedener Dimensionen ausgewiesen werden. Am gebräuchlichsten sind die nummerische (führende) und die gewichtete (führende) Distribution. Die Formeln dazu lauten wie folgt:

Nummerische Distribution = (%)



Anzahl der Geschäfte, die ein bestimmtes Produkt im Zeitpunkt t führen Anzahl der Geschäfte, die zum Zeitpunkt t irgendein Produkt der zugehörigen Warengruppe führen Umsatz aller Geschäfte, die ein bestimmtes Produkt im Zeitpunkt t führen, in der Warengruppe im Erhebungszeitraum

Gewichtete Distribution =  Umsatz aller Geschäfte, die zum Zeitpunkt t die zugehörige Wa(in %) rengruppe führen, in dieser Warengruppe im Erhebungszeitraum Rechenbeispiel: •• Anzahl der Geschäfte, die ein bestimmtes Produkt führen:

40.000 Outlets

•• Anzahl der Geschäfte, welche die zugehörige Warengruppe führen:

50.000 Outlets

•• Umsatz aller Geschäfte, die ein bestimmtes Produkt führen, in der Warengruppe:

500.000 €

•• Umsatz aller Geschäfte, welche die zugehörige Warengruppe führen, in dieser Warengruppe: •• Ergebnis: Nummerische Distribution: •• Ergebnis: Gewichtete Distribution:

600.000 €

80 % (40.000 : 50.000) 83 % (500.000 : 600.000)

1.3 Breitendimension des Absatzkanals

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Die zur Ermittlung des Distributionsgrads erforderlichen Werte sind nur aus Handelspanels verfügbar. Diese Werte werden von großen Marktforschungs­ instituten (A.  C.Nielsen, GfK, G  &  I) in regelmäßigen Abständen (Stichtag: zweimonatlich) oder laufend (via Scanner-Daten) ermittelt und an Interessenten verkauft. Die Daten sind statistisch vielfach herunter gebrochen und werden für verschiedene Branchen, Handelsformen etc. getrennt ausgewiesen. Diese Erhebung erfolgt durch physische Inventur (traditionell) oder durch Auswertung der elektronisch verfügbaren Warenwirtschaftsdaten (elektronisch). Eine hohe nummerische Distribution besagt, dass ein Hersteller bereits in vielen, die Warengruppe überhaupt führenden Handelsgeschäften mit seinem Produkt vertreten ist. Bei sehr hohen Werten (intensive Distribution, > 90 %) ist die Effi­ zienz einer weiteren Distributionsgradsteigerung daher fraglich, da der Aufwand zur Einbeziehung auch der noch ausstehenden Outlets überproportional steigt. Eine hohe gewichtete Distribution besagt, dass ein Hersteller bereits in solchen Handelsgeschäften mit seinem Produkt vertreten ist, die für mehr Umsatz in der Warengruppe stehen als andere, mutmaßlich also in Großbetriebsformen unter den Outlets. Dies ist eine sehr günstige Ausgangsposition. Liegt die gewichtete Distribution höher als die nummerische, was der Regelfall ist, bedeutet dies, dass ein Hersteller mit seinem Produkt bereits in den für diese Warengruppe bedeutenderen Handelsgeschäften vertreten ist, ein weiterer Zuwachs an nummerischer Distribution also eher auf kleinere Outlets treffen wird, so dass das Aufwands-Nutzen-Verhältnis problematisch wird. Der Quotient aus gewichteter und nummerischer Distribution wird Distributionsqualität genannt (im Rechenbeispiel: 1,0375). Je größer dieser ist, desto „bessere“, d. h. in der Warengruppe umsatzstärkere Outlets werden distribuiert. Bei Belieferung auf direktem und indirektem Weg wird außerdem in direkten und indirekten Distributionsgrad unterschieden, die Summe aus direktem und indirektem Distributionsgrad ergibt dann den totalen Distributionsgrad. Die Distribution von Absatzstellen bedeutet aber leider nicht automatisch, dass dort das Produkt auch vorrätig ist. Der Out of stock-Anteil beschreibt daher die Situationen, in denen Käufer (Konsumenten) zum Kaufzeitpunkt in einem Ladengeschäft ein bestimmtes Produkt erstehen wollen, dieses aber, obgleich das Geschäft ein gewünschtes Produkt grundsätzlich führt, gerade nicht verfügbar ist:

Out of stock-Anteil (in %) =



Zahl der Geschäfte, die ein distribuiertes Produkt im Zeitpunkt t nicht vorrätig haben Zahl der Geschäfte, die mit einem Produkt distribuiert sind

Rechenbeispiel: •• Zahl der Geschäfte, die ein distribuiertes Produkt im Zeitpunkt t nicht vorrätig haben: 250 •• Zahl der Geschäfte, die mit einem Produkt distribuiert sind: •• Out of stock-Anteil (in %)

25.000 1

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals

Die Out of stock-Situation ist für jeden Markenartikler eine sehr problema­ tische, denn sie führt leicht zum Markenwechsel. Dies liegt darin begründet, dass aus Konsumentensicht zumeist mehrere Produkte parallel als präferiert angesehen werden (Relevant set of brands). Innerhalb dieses Sets werden immer dasselbe oder aber wechselnde Produkte vorgezogen. Ist/sind diese(s) Produkt(e) einmal nicht vorrätig, wird auf ein anderes Produkt im Set ausgewichen. Bei der im Markt verbreiteten hohen Qualität aller Angebote bedeutet dies, dass aus dem durch eine Out of stock-Situation erzwungenen erstmaligen Wechsel ein dauerhafter Markenwechsel werden kann. Auf diese Weise gehen dem Markenartikler unverschuldet Kunden verloren. Zur Verhinderung dieser gefährlichen Out of stock-Situation sind seitens des Anbieters Push- und Pull-Maßnahmen einsetzbar. Push-Maßnahmen beziehen sich auf das „Hineindrücken“ von Ware vom Hersteller in die Pipeline zum Handel. Dies stößt jedoch aufgrund der verbreiteten Nachfragemacht des Handels auf zunehmenden Widerstand. Daher ist das „Heraussaugen“ von Ware sinnvoll, indem auf das Signal der Handelsstufe hin Produkte vom Hersteller so bereitgestellt werden, dass immer Ware vorrätig ist, zugleich aber keine vermeidbare Kapitalbindung durch Überbevorratung entsteht. Dies ist im Detail schwierig zu steuern, wird aber durch ECR-Systeme (Efficient consumer response) und zukunftsbezogen auch CPFR-Systeme (Collaborative planning forecasting replenishment) zu erreichen versucht (s. u.).

1.4 Tiefendimension des Absatzkanals 1.4.1 Bedeutung Die Tiefendimension des Absatzkanals bestimmt die Anzahl der Stufen, mit denen interagiert werden soll und betrifft somit die ein- oder mehrstufige Auslegung für den gegenseitigen Fluss von Waren, Geldern und Informationen zwischen Hersteller, Absatzmittlern und Endabnehmern. Auch dafür können verschiedene Abstufungen unterschieden werden. Beim Direktabsatz (s. u.) treten Hersteller unmittelbar mit gewerblichen oder privaten Endabnehmern, also unter Auslassung zwischengeschalteter Absatzmittlerstufen, in Kontakt. Diese Alternative kommt ohne den Handel aus (daher auch nullstufiger Absatz genannt). Stattdessen treten Geschäftsleitung, Verkaufsabteilung, Verkaufsniederlassung, Verkaufsaußendienst, Vertriebsholding, Direktaussendung, Telefonverkauf, e-Commerce oder Werksverkauf in Kraft. Dies bietet sich bei Produkten an, die stark erklärungsbedürftig sind, für die Garantie/Service vor Ort geleistet werden muss, deren hoher Preis eine Lagerhaltung für den Handel wirtschaftlich untragbar macht, die transportempfindlich sind, sich an einen kleinen Abnehmerkreis wenden oder an Abnehmer, die regional stark konzentriert

1.4 Tiefendimension des Absatzkanals

Abbildung 10: Alternative Absatzwege (mit und ohne Handelsstufe)

Abbildung 11: Darstellung der Absatzkanaltiefe (Warenfluss/Geldgutschrift)

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46

1. Die Gestaltung des Absatzkanals

Abbildung 12: Darstellung der Absatzkanaltiefe (Geldfluss/Warenretoure)

sind, in größeren Zeitabständen gekauft bzw. aus betriebsstrategischen Gründen direkt verkauft werden oder im Endverkaufspreis vom Absender bestimmt werden sollen. Beim Indirektabsatz treten Hersteller nur mittelbar mit Endabnehmern, also unter Einschaltung zwischengeschalteter Absatzmittlerstufen, in Kontakt. Dies bietet sich eher bei Produkten an, die sich seitens des Absenders nicht zielbewusst, effizient vermarkten lassen, eine flächenmäßig weit verteilte Nachfrage aufweisen, eine Einordnung in ein Sortiment zum Verkauf erforderlich machen oder die Kosten einer direkten Belieferung nicht tragen. Der Indirektabsatz kann wiederum unterschiedlich ausgelegt sein. Einstufig indirekter Absatz bedeutet, dass im Absatzkanal nur eine Absatzmittlerstufe zwischengeschaltet ist. Meist handelt es sich dabei um Einzelhändler, und zwar Großbetriebsformen (Key accounts). Weiterhin aber auch um Großhändler, die ihrerseits an gewerbliche Endabnehmer liefern, und Verbindungshändler, die an Produzenten (Weiterverarbeiter) liefern. Zweistufig indirekter Absatz bedeutet, dass im Absatzkanal zwei Absatzmittlerstufen nacheinander zwischen geschaltet sind. Meist handelt es sich dabei um Großhändler und Einzelhändler, die nacheinander aktiv werden. Ausnahmsweise aber auch um Verbindungshändler, die an Weiterverarbeiter (Handwerk o. Ä.) liefern, und Exporteure im Außenhandel, die an fremdgebietsansässige Importeure liefern.

1.4 Tiefendimension des Absatzkanals

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Mehrstufig indirekter Absatz bedeutet, dass im Absatzkanal mehr als zwei Absatzmittlerstufen zwischengeschaltet sind. Dies ist durchaus nicht selten der Fall, wenn sich Groß- und Einzelhandelsstufe ihrerseits in Teilstufen aufteilen. So sind im Weinhandel Winzergenossenschaften, Weingroßhandlungen, Lebensmittelgroßhandlungen, Gastronomiebetriebe bzw. Facheinzelhandel und LEH sowie Import- und Exportbetriebe nacheinander zwischen geschaltet, so dass der Warenweg äußerst komplex wird, zumal es auch Direktabsatz gibt. Dabei kann nicht nur ein Absatzkanal allein von einem Hersteller bedient werden, sondern es können auch zwei oder mehr Absatzkanäle nebeneinander oder zueinander versetzt bedient werden (Mehrkanalabsatz, s. u.). Daraus resultiert allerdings ein erhöhter Grad an Komplexität.

1.4.2 Indirektabsatz 1.4.2.1 Einstufig indirekter Absatz

Abbildung 13: Einstufig indirekter Absatz (Warenfluss/Geldgutschrift)

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals

Die Vor- und Nachteile des einstufig indirekten Absatzes aus Herstellersicht sind die Folgenden. Zunächst zu den Vorteilen: •• Es kommt zu einer Einsparung von Distributionsspanne gegenüber zwei- und mehrstufigem Absatz und deren Nutzung für Preisvorteil oder Zusatzgewinn. Daraus ergeben sich wichtige Wettbewerbsvorteile. •• Die gegebene Qualifikation und erworbene Marktkenntnis der Absatzmittler kann genutzt werden. Insofern resultiert aus der Arbeitsteilung eine bessere Funktionserfüllung und höhere Effektivität. •• Übertragungsverzerrungen und Zeitaufwand können vermindert werden, wie sie ansonsten in zweistufig indirekten Absatzkanälen auftauchen und durch Schnittstellen zu erheblichen Verzerrungen führen. Folgende Nachteile sind zu nennen: •• Ein Großteil der Distributionsfunktion verbleibt als Organisations- und Geldaufwand beim Hersteller. Dies bindet Kapazitäten im Personal-, Betriebsmittelund Kapitalbereich, die anderweitig womöglich besser genutzt sind. •• Es erfolgt nur eine geringe Nutzung der Multiplikationsfunktion zwischen­ geschalteter Absatzmittler für die Ausweitung der Geschäftsbeziehungen. Damit kommt es zu einer Untererfassung des Nachfragepotenzials. •• Die Abhängigkeit von wenigen großen Handelsnachfragern und deren Interessenlage ist wahrscheinlich. Dies ist im Rahmen der Nachfragemacht des Handels allerdings beinahe unvermeidlich geworden. Die wesentlichen Vor- und Nachteile des einstufig indirekten Absatzes (Wegfall der Groß- oder der Einzelhandelsstufe) sind aus Händlersicht die Folgenden. Zunächst zu den Vorteilen: •• Es ist ein unmittelbarer Kontakt zu Lieferanten mit der Möglichkeit enger Einbindung in deren Absatzförderung gegeben. Damit entfallen Filtereffekte, die ansonsten zwangsläufig zu Verunsicherungen führen. •• Die Erzielung vergleichsweise besserer Spannen durch Einsparung weiterer Absatzstufen wird möglich. Diese können alternativ auch für Preisvorteile gegenüber zweistufig indirekt belieferten Konkurrenten genutzt werden. •• Es besteht ein unmittelbarer Kontakt zu Endabnehmern auch auf der Großhandelsstufe. Allerdings entstehen im Konsumgüterhandel rechtliche Probleme (etwa bei den Ladenöffnungszeiten oder der Preisauszeichnung). •• Die Gefahr der Verwässerung der Absatzpolitik durch andere Absatzstufen wird eingedämmt. Damit können eigene Zielvorstellungen erfolgreicher am Markt durchgesetzt werden.

1.4 Tiefendimension des Absatzkanals

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Folgende Nachteile sind zu nennen: •• Es ergibt sich die Notwendigkeit zur Übernahme aufwändiger, teils sachfremder Vermarktungsfunktionen, die ansonsten von anderen Absatzstufen erbracht, nun aber kombiniert erfüllt werden müssen. •• Die Bündelungs- bzw. Dispersionswirkung vor- bzw. nachgeschalteter Absatzstufen entfällt. Insofern wird die Erschließung des Marktpotenzials deutlich erschwert oder ist sogar ganz unmöglich. •• Evtl. ist eine Abhängigkeit von großen Lieferanten oder Endabnehmern ge­ geben. Hier kommt die Mittlerrolle des Handels ohne wesentliche eigene Wertschöpfung zum Tragen. 1.4.2.2 Zweistufig indirekter Absatz

Abbildung 14: Zweistufig indirekter Absatz (Warenfluss/Geldgutschrift)

Die Vor- und Nachteile des zweistufig indirekten Absatzes aus Herstellersicht sind die Folgenden. Zunächst zu den Vorteilen: •• Die weitestgehende Auslagerung der Distributionsfunktion bewirkt eine interne Organisationsvereinfachung und Kosteneinsparung. Fixkosten werden dabei im Sinne der Flexibilisierung gegen variable Kosten getauscht.

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals

•• Die Marktbreite kann durch doppelte Baumverzweigungsstruktur der Distribution in hohem Maße ausgeschöpft werden. So kommt es zu einer möglichst vollständigen Kapitalisierung des akquisitorischen Potenzials. •• Es bestehen überschaubare Liefer-, Abrechnungs- und Informationsbeziehungen mit wenigen großen Abnehmern, da die Verzweigung in die Breite erst auf der nachgeschalteten Stufe erfolgt. Folgende Nachteile sind zu nennen: •• Die eigene Gewinnspanne verkürzt sich um das Entgelt für die Tätigkeit der Betriebsformen auf zwei Absatzstufen. Letztlich geht es um eine Abwägung der Kostenersparnis einerseits gegen den Gewinnentgang andererseits. •• Durch die Selbstständigkeit auf zwei Stufen fehlt weitgehend die Kontrolle der Darbietung der Produkte gegenüber Endabnehmern. Daraus können Image­ probleme resultieren, die absatzhemmend wirken. •• Interaktionen der Absatzstufen untereinander führen zu Komplexität und Effi­ zienzeinbußen. Dabei stehen die jeweiligen Interessen der Absatzmittler im Vordergrund, und das Herstellerinteresse tritt in den Hintergrund. Die Vor- und Nachteile des zweistufig indirekten Absatzes sind aus (Groß- und Einzel-)Händlersicht die Folgenden. Zunächst zu den Vorteilen: •• Es kommt zu einer verbesserten Funktionsteilung im Absatzkanal. Jede Absatzstufe konzentriert sich auf diejenigen Aufgaben, die sie am Besten beherrscht und ergänzt damit die Spezialisierung der anderen. •• Die professionellere Leistungserstellung ermöglicht die Nutzung von Mengenund Spezialisierungseffekten. Insofern kann die Effizienz in der Wahrnehmung der Distributionsaufgabe wesentlich gesteigert werden. Folgende Nachteile sind zu nennen: •• Der unmittelbare Kontakt zu Lieferanten bzw. Endabnehmern geht verloren, da eine weitere Absatzstufe zwischengeschaltet ist. Darunter leiden wichtige Faktoren wie Kundenbindung und Informationsfluss. •• Es entsteht eine Komplizierung der Austauschprozesse zwischen den Beteiligten. Etwaige Fehler und Missverständnisse auf den einzelnen Stufen kumu­lieren und führen somit zu suboptimalen Ergebnissen. •• Die Abfolge bedeutet eine Einbuße von Spanne bzw. Konkurrenzvorteil, weil eine weitere Absatzstufe ihre Honorierung fordert. Damit entsteht ein Nachteil gegenüber einstufig indirekt belieferten Konkurrenten.

1.4 Tiefendimension des Absatzkanals

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1.4.2.3 Mehrstufig indirekter Absatz

Abbildung 15: Möglicher Aufbau eines mehrstufig indirekten Absatzkanals

Die Vor- und Nachteile des mehrstufig indirekten Absatzes aus Herstellersicht sind die Folgenden. Zunächst zu den Vorteilen: •• Es entsteht eine weit gehende Entlastung von Distributionsaufgaben im Absatzkanal, da nunmehr gleich mehrere Absatzmittlerstufen diese übernehmen. •• Die Spezialisierungsvorteile der einzelnen Absatzstufen können bestmöglich genutzt werden, so dass es insgesamt zu einer funktionaleren Aufgabenerfüllung kommt. •• Es wird eine breite Markterfassung realisierbar, da die mehrstufige Auslegung die bestmögliche Ausschöpfung des Nachfragepotenzials erlaubt. •• Die vorgelagerten Absatzstufen üben Absatzdruck (Push) auf die jeweils nachgelagerten aus und begünstigen damit den Markterfolg der Herstellerware.

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals

Folgende Nachteile sind zu nennen: •• Die Komplexität im Absatzkanal steigt immens, damit wird eine effiziente Steuerung in der Distributionspolitik erschwert. Dieser Nachteil kann evtl. Vorteile allein überkompensieren. •• Verbunden damit, treten verstärkte Interessenkonflikte zwischen den Beteiligten auf, die zu ungebührlichen Kompromissen und Ineffektivitäten führen. •• Die Kostenbelastung der gehandelten Waren steigt, da jede Stufe für die von ihr übernommenen Funktionen eine Handelsspanne einbehält. Die Vor- und Nachteile des mehrstufig indirekten Absatzes sind aus Händlersicht die Folgenden. Zunächst zu den Vorteilen: •• Spezialisierungsvorteile entstehen durch weiter verbesserte Funktionsteilung im Absatzkanal. Dadurch lassen sich selbst unübersichtliche Marktverhältnisse konstruktiv beeinflussen und ausschöpfen. •• Es kommt zu einer Professionalisierung auf allen Absatzstufen. Die kombinierte Expertise der jeweiligen Spezialisten kommt im Ergebnis allen Beteiligten durch bessere Erlöse zugute. •• Aufgrund der Komplexität der Vermarktungssituation ist eine andere Organisation oft überhaupt nicht praktikabel. Dabei liegen oft starre, historisch gewachsene Verhältnisse oder spezielle Marktcharakteristika vor. Folgende Nachteile sind zu nennen: •• Es kommt zu einer weiteren Komplizierung der Austauschprozesse zwischen den Beteiligten. Der Absatzkanal droht, intransparent und damit für eine zielgerichtete Steuerung unpraktikabel zu werden. •• Es entsteht eine weitere Einbuße von Spanne bzw. Konkurrenzvorteil, weil mehrere Absatzstufen ihre Honorierung fordern. Denn distributiv erbrachte Leistungen wollen naturgemäß honoriert werden. 1.4.2.4 Alternative Absatzkanaldesigns Unterscheidet man die Dimensionen der Absatzkanalbreite, wie geschehen, nach •• ubiquitär, intensiv, selektiv, exklusiv, und die Dimensionen der Absatzkanaltiefe nach •• intern direkt, extern direkt, einstufig indirekt, zweistufig indirekt, so ergeben sich für das Absatzkanaldesign aus diesen beiden Dimensionen logisch 16 Kombinationen.

1.4 Tiefendimension des Absatzkanals

53

Für die Auslegung des Designs kommt es wohl weniger auf die spezifische Kombination an, sondern auf deren Ausformung in der Umsetzung. So gibt es zu allen Kombinationen erfolgreiche, aber auch nicht erfolgreiche Designs. Zumal sich ein Anbieter im Vertrieb nicht auf ein Design festlegen muss, sondern sich zwei oder mehr verschiedener bedienen kann. Allerdings ist ein deutlicher Trend zur Verkürzung der Absatzkanaltiefe, also zur Ausschaltung von Handelsstufen, unübersehbar. Und es stellt sich die Frage, ob der Handel, zumindest in den stationären Einzelhandelsbetriebsformen, noch überlebensfähig ist. Dies darf allgemein bezweifelt werden. Was nicht bedeutet, dass einzelne Formen ihre Berechtigung behalten werden (wie der Erlebnishandel oder der Nahversorgungshandel). Aber der Online-Handel kommt massiv, auch in Bereichen, die bisher als vernachlässigt galten (wie Nahrungsmittel oder Bekleidung). Zusätzlich übernehmen immer mehr Hersteller selbst den Vertrieb im Internet, auch in vertriebspolitisch sensiblen Bereichen wie Automobil oder Finanzdienstleistungen (durch Non-Banks). Eine weitere Substitution erfolgt durch Makler und Mittler (etwa bei Dienstleistungen). Schließlich expandiert auch der stationäre Einzelhandel in virtuelle Vertriebskanäle (z. B. Media-Markt). Selbst der Katalog-Versandhandel migriert dorthin (z. B. Otto-Versand). Hinzu kommen restriktive Umfeldbedingungen, wie die angespannte Verkehrssituation in Innenstädten oder Zeitknappheit durch Berufsengagement, und manifeste gesellschaftliche Trends, wie Cocooning oder Mobiles Always-on. Dies alles führt dazu, dass immer größere Teile der Kaufkraft aus dem Indirektabsatz abwandern. Die Großhandelsstufe ist unter dieser Disintermediation bereits erheblich ausgedünnt worden.

Abbildung 16: Alternative Absatzkanaldesigns

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals

1.5 Mehrkanalabsatz 1.5.1 Inhalt Neben dem eingleisigen Absatzkanal (Monodistribution) ist es durchaus üblich, verschiedene Absatzkanäle zwei- oder mehrgleisig zu bedienen (Dual- oder Polydistribution). Dabei können mehrere Formen der Multi channel distribution unterschieden werden. Nach den Absatzkanälen gibt es folgende: •• ein einstufiger Kanal, ein zwei- oder mehrstufiger Kanal (Dualdistribution), •• mehrere einstufige Kanäle, kein zwei- oder mehrstufiger Kanal (direkte Polydistribution), •• mehrere zwei- oder mehrstufige Kanäle, kein einstufiger Kanal (indirekte Poly­ distribution), •• mehrere einstufige Kanäle, mehrere zwei- oder mehrstufige Kanäle (differenzierte Polydistribution). Der Begriff Mehrkanalabsatz (Multi channel distribution/MCD) unterstellt, dass ein Unternehmen nicht nur einen Absatzkanal distribuiert, sondern zwei (Dual­ distribution) oder mehrere (Polydistribution).

Abbildung 17: Prinzip des Mehrkanalabsatzes

Allgemeine Chancen des Mehrkanalabsatzes sind folgende: •• Bei Nutzung nur eines Absatzkanals lassen sich bestimmte Marktsegmente u. U. nicht erreichen. Eine Ausweitung der Distributionswege ermöglicht somit eine bessere Ausschöpfung des Marktpotenzials.

1.5 Mehrkanalabsatz

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•• Durch die Nutzung mehrerer Absatzkanäle kann den unterschiedlichen Bedürfnissen der Kunden besser entsprochen und der Kundennutzen gesteigert werden. •• Die in den verschiedenen Absatzkanälen gesammelten Kundeninformationen lassen sich integriert zusammenführen. Aufbauend auf diesen Daten über das Kaufverhalten des Kunden lassen sich neue kundengerechte Absatzkonzepte entwickeln. •• Werden kostenintensive durch kostengünstigere Absatzkanäle ergänzt, lassen sich Kostensenkungspotenziale realisieren, so dass die Wirtschaftlichkeit der Distribution gesteigert wird. •• Im Falle einer Ausweitung der Absatzkanäle lassen sich Abhängigkeiten von einzelnen Kundengruppen oder Absatzmittlern vermeiden. Insb. aufgrund der Machtkonzentration im Handel kommt diesem Aspekt eine zentrale Bedeutung zu. Dem stehen u. a. folgende Risiken gegenüber: •• Wird Kunden das gleiche Produkt über mehrere Absatzkanäle angeboten, kann es zur Verwirrung und Überforderung kommen, da sie u. U. nicht mehr in der Lage sind, die komparative Vorteilhaftigkeit der unterschiedlichen Distributions­ wege eindeutig zu beurteilen. Auch eine uneinheitliche Markierung bzw. Sortimentsstruktur und -zusammensetzung können zu einer Verunsicherung der Kunden führen. •• Da die verschiedenen Absatzkanäle miteinander in Konkurrenz stehen, können sich bestehende Absatzmittler durch die Einführung neuer Distributionswege bedroht fühlen, so dass es zu kontraproduktiven Konflikten kommt. •• Mit zunehmender Anzahl von Absatzkanälen steigt die Komplexität des Distributionssystems, insb. bei nur beschränkter Transparenz der Kanäle besteht die Gefahr eines Kontrollverlusts des Anbieters. •• Da mit unterschiedlichen Absatzkanälen divergierende Anforderungen an den Anbieter verbunden sind, besteht das Risiko, dass der Anbieter mit zunehmender Zahl von Absatzkanälen nicht mehr in der Lage ist, den jeweiligen Anforderungen in optimaler Weise gerecht zu werden. •• Mit dem Aufbau eines neuen Absatzkanals sind u. U. hohe Implementierungskosten verbunden. Aufgrund häufig unsicherer Zusatzerlöse und Kostensenkungspotenziale kann dies ein erhebliches Wirtschaftlichkeitsrisiko bedeuten. Die Vorteile der Mehrkanaldistribution aus Herstellersicht liegen in Folgendem: •• Verringerung der Gefahr der Abhängigkeit von einem belieferten Absatzkanal und dessen Nachfragemacht, •• Chance zur Rationalisierung durch Konzentration auf die jeweils stärksten Absatzstellen je Kanal,

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals

•• breite Nachfrageerfassung über Marktsegmentgrenzen hinweg, die bei verschiedenartigen Absatzstellen einkaufen, •• Nutzung dynamischer, neuer neben konservativen, alten Betriebsformen des Handels in den Absatzkanälen. Nachteile der Mehrkanaldistribution aus Herstellersicht liegen in Folgendem: •• Notwendigkeit zur Anpassung der Marketingkonzepte an differenzierte Erfordernisse der Absatzkanäle, •• Schaffung komplizierter arbeitsorganisatorischer Voraussetzungen für die Betreuung und Kontrolle mehrfacher Aktivitäten, •• Gefahr der Beeinträchtigung des Produktimages durch Irritation auf Endabnehmerseite über das Angebotsprofil, •• Querelen zwischen Absatzkanälen („Futterneid“), die praktisch unvermeidlich sind (horizontale Konflikte). Die Vorteile der Mehrkanaldistribution aus Händlersicht liegen in Folgendem: •• Zugang zu Produkten, die bei eingleisiger Distribution nicht unbedingt zugänglich wären, •• Vorteile gegenüber den nicht-belieferten Absatzstellen des eigenen Absatzkanals, •• Nutzung von systemimmanenten Absatzkanalvorteilen bei dynamischen, aggressiv auftretenden Betriebsformen des Handels. Nachteile der Mehrkanaldistribution aus Händlersicht liegen in Folgendem: •• eine erhöhte Erhältlichkeit auf Endabnehmerstufe führt zu verschärften Wettbewerbsbedingungen, •• eine geteilte Zuwendung des Herstellers durch mehrfache Absatzaktivitäten entsteht, •• Benachteiligung eines (objektiv oder subjektiv) komparativ leistungsunter­ legenen Absatzkanals gegenüber Endabnehmern. Problematisch ist, dass neben den unvermeidlichen Konflikten zwischen Hersteller und Handel innerhalb des Absatzkanals (vertikal) weitere Konflikte zwischen den distributiven Akteuren in den Absatzkanälen (horizontal) auftreten. Dies erhöht die Gefahr dysfunktionaler Spannungen. Denn letztlich greifen alle Kanäle zu wesentlichen Teilen auf dieselbe Kaufkraft zu. Zudem führen Unter-, Schnittund Leermengendesigns zu einem erhöhten Grad an Komplexität im Absatz­kanal. Gerade Komplexitäten sind aber zwischenzeitlich als Kostentreiber hinlänglich identifiziert und werden daher versucht, unter allen Umständen zu verhindern. Hier werden sie jedoch bewusst gezüchtet, so dass eine Abwägung zwischen entgehendem Nutzen bei paralleler Distribution und zuwachsenden Komplexitäts­ kosten bei gesplitteter Distribution vorzunehmen ist.

1.5 Mehrkanalabsatz

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1.5.2 Absatzkanaldesigns

Abbildung 18: Mehrkanal-Absatzdesigns

Absatzkanäle können verschiedenartige Ausgestaltungen annehmen: •• Der (interne) Direktabsatz vom Hersteller an Endabnehmer über unternehmenseigene Organe (VADM). Bei diesen handelt es sich um Mitarbeiter des Herstellerunternehmens. Je nach Produktart können dabei unterschiedliche Akteure tätig werden, etwa Geschäftsleitungsmitglieder bei Industriegütern, Schlüsselkundenbetreuer bei Großabnehmern, Reisende in der Feldorganisation etc. Vorteilhaft sind dabei vor allem die hohe Problemlösungskompetenz der Mitarbeiter, die Gewinnung von Marktinformationen und die sehr gute Steuerung und Lenkung des Absatzes. Nachteilig sind jedoch die hohe Kapitalbindung, der große Organisationsaufwand und die mangelnde Ausschöpfung des Markt­ potenzials. •• Der (externe)  Direktabsatz vom Hersteller an Endabnehmer über unter­ nehmensfremde Organe, also Absatzhelfer. Bei diesen handelt es sich um vor allem Handelsvertreter, Kommissionäre und Handelsmakler. Allen ist gemein, dass sie nicht Eigentümer der gehandelten Produkte werden. Handelsvertreter sind in fremden Namen und auf fremde Rechnung tätig. Kommissionäre sind zwar in eigenem Namen, aber auf fremde Rechnung tätig. Bei Reklamationen ist also der Kommissionär Ansprechpartner, die wirtschaftlichen Konsequenzen daraus hat jedoch der Hersteller zu tragen. Handelsmakler sind nur mit dem Nachweis von Abschlusschancen beschäftigt. Sie haben außerdem die Interessen beider vertretenen Seiten zu berücksichtigen, auch wenn sie nur von einer Seite beauftragt werden.

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals

•• Der einstufig-indirekte GH-Absatz vom Hersteller über den zwischengeschalteten Produktionsverbindungshandel an gewerbliche Endabnehmer. Hier werden Investitions- und Produktionsgüter gehandelt, Erstere sind Gebrauchsgüter und gehen in das Anlagevermögen des abnehmenden Unternehmens über, Letztere sind Verbrauchsgüter und gehen entweder als wesentlicher oder unwesentlicher Bestandteil in die Produktion mit ein (Rohstoff, Hilfsstoff) oder sind zur Aufrechterhaltung der Produktion erforderlich (Betriebsstoff). •• Der einstufig-indirekte EH-Absatz vom Hersteller über zwischengeschaltete Einzelhändler an private Endabnehmer. Bei diesen Einzelhändlern handelt es sich meist um Großbetriebsformen des Einzelhandels. Betriebsformen unter­ teilen sich allgemein in primäre und sekundäre. Primäre Betriebsformen des Einzelhandels sind originäre Betriebsformen, sekundäre abgeleitete. Innerhalb der primären Betriebsformen kann wiederum nach stationären oder nicht-statio­ nären unterteilt werden. Stationäre Betriebsformen des Einzelhandels verfügen über ein Ladengeschäft, bei nicht-stationären Betriebsformen fehlt dieses. •• Der zweistufig-indirekte GH-EH-Absatz vom Hersteller über zwischengeschaltete Groß- und Einzelhandelsstufen. Neben die Einzelhandelsstufe tritt somit die vordistribuierende Großhandelsstufe. Großhandel ist immer Handel unter Kaufleuten. •• Der mehrstufig-indirekte Absatz vom Hersteller über mehr als eine zwischen­ geschaltete Großhandelsstufen bis hin zur Einzelhandelsstufe. Bei den Großhandelsstufen handelt es sich zumeist um beschaffungsorientierte, kollektierende sowie absatzorientierte, dispersierende Formen. Dies bietet sich vor allem bei fraktionierten Beschaffungsmärkten, wie etwa in der Landwirtschaft, an, bei denen vor der Warenverteilung eine Warensammlung zweckmäßig ist. •• Der (interne) Online-Direktabsatz vom Hersteller über das Internet in Form von e-Commerce an private und/oder gewerbliche Endabnehmer. Dazu muss der Hersteller zunächst eine Webpräsenz implementieren. Dabei können mehrere Formen unterschieden werden, z. B. Prestige-Sites mit Verweis auf andere Medien zur eigentlichen Transaktion, wertschöpfende Präsenzen mit Trans­aktion im Internet oder Cyber malls als virtuelle Einkaufszentren. Da es sich beim Internet um ein Pull-Medium handelt, ist es unerlässlich, Kontakte zur Web­ präsenz zu generieren. Dies kann wiederum innerhalb des Internet auf anderen als den eigenen Seiten erfolgen, am Besten in Portalen, die einen hohen Traffic aufweisen (z. B. durch Crossverlinkung, Affiliate-Programme oder Suchmaschineneinträge), oder außerhalb des Internet, also Offline (z. B. durch Printoder Elektronikmedienwerbung). •• Der externe Online-Direktabsatz vom Hersteller über Online-Absatzhelfer (wie Preisagenturen, Powershopper, Auktionsplattformen etc.). Internet-Absatzhelfer sind im Regelfall Makler, d. h., sie nehmen Anbieter/Angebote in ihre Webpräsenz auf, sorgen für Traffic auf ihrer Präsenz und profitieren von Listungs­

1.5 Mehrkanalabsatz

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gebühren für den Eintrag, Mittlerprovision bei Abschluss und Werbeeinnahmen. Damit Internet-Absatzhelfer von Abnehmern in Anspruch genommen werden, müssen sie einen Leistungsvorteil bieten. Dieser liegt z. B. in Preisnachlass, Informationsvorteil oder Service. Der Abschluss kommt dann zwischen Hersteller und Abnehmer unmittelbar zustande, ebenso wie der Warenfluss, beim Geld- und Informationsfluss ist der Absatzhelfer meist eingeschaltet. Sowohl im B-t-b- als auch im B-t-c-Bereich haben sich vor allem Auktionsplattformen etabliert, die durch verschiedene Formen dynamischer Preisbildung und ergänzende Serviceleistungen geprägt sind. •• Der Online-Indirektabsatz vom Hersteller über das Internet an Online-Absatzmittler, und von dort an gewerbliche oder private Endabnehmer. Online-Absatz­ mittler sind virtuelle Händler, die Leistungen von Herstellern einkaufen, um sie ohne wesentliche Be- und Verarbeitung mit Aufschlag wieder an Abnehmer zu verkaufen. Online-Absatzmittler betreiben eigene Webpräsenzen, für die sie Traffic durch Pull-Effekt generieren müssen. Dies kann wiederum online oder offline erfolgen. Im B-t-b-Bereich sind etwa Gebrauchtwaren-Händler verbreitet, die maschinelle Anlagen aufkaufen, aufbereiten und meist mit ergänzenden Services zum Verkauf anbieten. Im B-t-c-Bereich sind etwa Buch(z. B. ­Amazon) und Reise-Händler (z. B. Expedia) verbreitet, auch hier mit Preisvorteil oder ergänzenden Services. Weiterhin der (interne) Offline-Direktabsatz vom Hersteller über Offline-­Medien. Dabei ist an verschiedene Formen zu denken, unabhängig davon, ob dies im Make or buy funktioniert: •• Der Direktabsatz über Telefon kann Inbound oder Outbound erfolgen, also passiv über Initiierung von Anrufen durch Interessenten oder aktiv über Anruf bei potenziellen Abnehmern. •• Für Verkauf über Telefax gelten ebenso wie bei Telefon erhebliche rechtliche Restriktionen. Im Übrigen wird Telefax-Werbung angesichts von Mobilfunkund e-Mail-Nachrichten zunehmend obsolet. •• Außerhalb des stationären Bereichs ist der Verkauf über Mobiltelefon denkbar, und zwar durch tatsächlichen Absatzvollzug bei digitalen Leistungen (wie Klingeltönen) oder durch Bestellung bei materiellen Leistungen. Rechtlich sind hier ebenfalls enge Restriktionen zu beachten. •• e-Mail bedient sich des Push-Service, drückt also Text- und Standbild- sowie über Anhänge auch Bewegtbild-, Daten- und Tonnachrichten an Empfänger. Zu Absatzzwecken ist dies nur erlaubt, wenn bestehende Kundenbeziehungen vorliegen oder der Empfänger seine ausdrückliche Erlaubnis dazu erteilt hat (dazu dient das Double opt-in-Verfahren, d. h. der Empfänger erteilt die Erlaubnis zum Versand der akquisitorischen e-Mail und bestätigt dies nach Empfang der ersten e-Mail nochmals, außerdem muss ihm die Möglichkeit zum jederzeitigen Rückzug seiner Erlaubnis gegeben werden/Opt-out).

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals

•• Die traditionelle Alternative zur e-Mail ist die geprintete Direktaussendung. Direct mailings sind immer erlaubt, da das Interesse des akquirierenden Absenders am Absatz juristisch höher gewichtet wird als das Interesse des Adressaten, nicht gestört zu werden. •• In ausführlicher geprinteter Form ist schließlich der Katalog zu nennen. Dabei handelt es sich um ein schriftlich geführtes Verkaufsgespräch. Der Katalog unterliegt in seiner Gestaltung zahlreichen verkaufsfördernden Erkenntnissen und ist sowohl im B-t-c- als auch im B-t-b-Bereich nach wie vor nicht wegzudenken. •• Der Direktabsatz über Fernsehen/Hörfunk erfolgt durch Direct response-Werbe­ spots, Werbelangsendungen mit integrierter Bestellmöglichkeit oder auf speziellen Verkaufskanälen durch Dauerwerbesendungen. Dabei ist jedoch immer ein Medienwechsel erforderlich, der zukünftig durch Interactive-TV entfallen wird. •• Der Direktabsatz über Printmedien erfolgt durch Direct response-Anzeigen, also solche mit Reaktionsmöglichkeit durch integrierten Coupon bzw. eingedruckte Telefonnummer, Website- oder e-Mail-Adresse. Diese zehn Optionen geben alle denkbaren Absatzkanaldesigns wieder, wobei jede Möglichkeit nochmals vielfach unterteilt ist. Mehrkanaldistribution liegt nunmehr vor, wenn die Distribution eines Herstellers über mehr als einen dieser Absatzkanäle erfolgt. Als Ziele werden dabei vorrangig zwei verfolgt. Erstens die Verringerung der herstellerseitigen Abhängigkeit von einem oder einem dominanten Absatzkanal durch Aufbau und Nutzung alternativer Absatzkanäle. Dadurch kann der Hersteller die Nachfragemacht einzelner Abnehmer, sei es Endabnehmer oder Wiederverkäufer, mindern. Daraus wiederum folgen erhöhte Margen. Zweitens die breitere Erfassung des Marktes, um auf diese Weise Abnehmer bedienen zu können, die im ursprünglichen Absatzsystem aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen nicht bedient werden konnten. Daraus folgt dann verstärkter Absatz. Beides scheint so verlockend, dass zunehmend Hersteller vom Einkanal- zum Mehrkanalabsatzsystem überschwenken. Allerdings darf dabei nicht übersehen werden, dass zusätzlich zu den bereits erwähnten vertikalen Konflikten im Absatzkanal zwischen Hersteller und Zwischenbzw. Endabnehmer jedes Absatzkanals nunmehr zusätzlich horizontale Konflikte zwischen den jeweils distribuierten Absatzkanälen entstehen. Denn die verschiedenen Absatzkanäle treten in Konkurrenz zueinander um die Erschließung der grundsätzlich gleichen Nachfrage/Budgets. Und ein Abschluss, der im einen Absatzkanal erzielt wird, kann mit Sicherheit nicht im anderen Absatzkanal geschafft werden. Die Entscheidung für Multi channel distribution setzt also eine Abwägung, wiederum nach dem Anreiz-Beitrags-Prinzip, voraus. Den Anreizen besserer Marge und erhöhten Absatzes durch Mehrkanaldistribution stehen die Beiträge durch Effi­zienz- und Effektivitätsverluste infolge horizontaler Konflikte zwischen den distribuierten Absatzkanälen gegenüber. Je nachdem, was man höher gewichtet, wird man daher die eine oder andere Entscheidung fällen.

1.5 Mehrkanalabsatz

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1.5.3 Anlage nach Produkten Nach dem in den Absatzkanälen vertriebenen Programm gibt es folgende Einteilungen: •• identisches Programm in den distribuierten Absatzkanälen (vollständig parallele Distribution), d. h. die Absatzprogramme sind in allen Kanälen gleich, •• teilweise identisches Programm in den distribuierten Absatzkanälen (partiell parallele Distribution), d. h. das Absatzprogramm in einzelnen Kanälen ist Teil des Absatzprogramms in anderen Kanälen, •• anteilig überschneidendes Programm in den distribuierten Absatzkanälen (partiell gesplittete Distribution), d. h. die Absatzprogramme der Kanäle sind unterschiedlich, Überschneidungen sind aber teilweise vorhanden, •• komplett unterschiedliches Programm in den distribuierten Absatzkanälen (vollständig gesplittete Distribution), d. h. die Absatzprogramme sind in allen Kanälen komplett unterschiedlich.

Abbildung 19: Einteilung der Multi channel distribution

Denkbar ist dabei weiterhin eine Einteilung dahingehend, ob Abnehmer selbst bestimmen können, welche Produkte sie in den diese distribuierenden Absatz­ kanälen erstehen oder ob dies nicht der Fall ist. Im Falle fehlender Zugriffs­ beschränkung kann sich dies nur auf den parallelen oder teilweise gesplitteten Vertrieb beziehen, im Falle der Zugriffsbeschränkung auf den total gesplitteten Vertrieb. Die Fremdzuordnung der Nachfrager zu bestimmten Absatzkanälen hat aufgrund systematischer Erwägungen zu erfolgen. Dafür bieten sich solche der

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals

Marktsegmentierung an, wie u. a. demographische, geographische, psychographische und verhaltensorientierte Kriterien. Dabei wird von temporären Multi channel-Aktivitäten abgesehen (wie Bahnfahrkarten bei Lidl, Air Berlin-Tickets bei Penny, Deutsche BA-Tickets bei Aldi). 1.5.3.1 Paralleler Absatz Geschieht der Mehrkanalabsatz mit dem weitgehend identischen Hersteller­ programm, so spricht man von parallelem Absatz, d. h., das gesamte Programm wird nebeneinander über zwei oder mehr verschiedene Absatzkanäle vertrieben, die sich voneinander durch vielfältige Kriterien unterscheiden wie •• Stufigkeit (Einzel- und Großhandel), •• Rechtsstellung (Absatzmittler und Absatzhelfer), •• Betriebsform (gemäß homogener Betriebsformen des Handels), •• Physis (nur real, real und virtuell oder nur virtuell im e-Commerce, m-Commerce, t-Commerce). Die Vor- und Nachteile des Parallelabsatzes aus Herstellersicht sind die Folgenden. Zunächst zu den Vorteilen: •• Die Verringerung der Gefahr der Abhängigkeit von einem belieferten Absatzkanal und dessen Nachfragemacht ist gegeben. Es besteht die Möglichkeit des Ausweichens, die Macht erodieren lässt. •• Die Chance zur Rationalisierung durch Konzentration auf die jeweils stärksten Absatzstellen je Kanal steigt. Dadurch können die spezifischen Vorzüge bestmöglich genutzt werden, ohne gleichzeitig deren Probleme in Kauf nehmen zu müssen. •• Es kommt zu einer breiten Nachfrageerfassung über Marktsegmentgrenzen hinweg, die sich in verschiedenartigen Absatzstellen monetarisiert. Vor allem können Käufer in beiden Absatzkanälen erreicht werden. •• Auch ist die Nutzung dynamischer, neuer neben konservativen, alten Betriebsformen des Handels in den Absatzkanälen möglich. Diese Flexibilität ermöglicht eine stete Aktualisierung im Mix der Absatzstellen und das Eingehen auf innovative Entwicklungen. Folgende Nachteile sind zu nennen: •• Es besteht die Notwendigkeit zur Anpassung der Marketingkonzepte an differenzierte Erfordernisse der Absatzkanäle. Dadurch steigt der Vermarktungsaufwand, um wirklich erfolgversprechende Ergebnisse zu erreichen.

1.5 Mehrkanalabsatz

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•• Für die Betreuung und Kontrolle gesplitteter Aktivitäten ist die Schaffung kompli­zierter arbeitsorganisatorischer Voraussetzungen erforderlich. Dies bindet Manpower und bedeutet damit einen erhöhten Kostenaufwand. •• Es besteht die Gefahr der Beeinträchtigung der Produktimages durch Irritation auf Endabnehmerseite über das Angebotsprofil. Dies resultiert etwa aus der Wahrnehmung der Produktpräsentation in unterschiedlichen Umfeldern. •• Auch kommt es zu unvermeidlichen Querelen zwischen den Absatzkanälen („Futterneid“). Denn jeder Kauf kann an einem Ort zu einer Zeit nur einmal getätigt werden, und zwar in einer Geschäftsstätte des einen oder aber des anderen Absatzkanals. Die Vor- und Nachteile des Parallelabsatzes aus Händlersicht sind, wenn denn eine Absatzmittlerstufe zwischengeschaltet ist, die Folgenden. Zunächst zu den Vorteilen: •• Der einzelne distribuierte Händler erhält Zugang zu Produkten, die ihm bei eingleisiger Distribution nicht unbedingt zugänglich wären. Insofern ist es besser, parallel mit anderen distribuiert zu werden als gar nicht. •• Der einzelne distribuierte Händler hat Vorteile gegenüber den nicht belieferten Absatzstellen des eigenen Absatzkanals. Denn der schärfste Konkurrent des einzelnen Händlers ist der gleichartige Händler um die Ecke. •• Dynamische Betriebsformen des Handels können ihre systemimmanenten Absatzkanalvorteile einsetzen und nutzen. Durch ihre Einbeziehung können sie ihr überlegenes Know-how auch für diese Produktgruppe kapitalisieren. •• Es besteht eine hohe Akquisitionschance bei Absatzkanalwechslern. Diese werden erfreut reagieren, wenn sie feststellen, dass von ihnen präferierte Produkte auch in diesem anderen Absatzkanal erhältlich sind. Folgende Nachteile sind zu nennen: •• Die insgesamt erhöhte Erhältlichkeit auf der Endabnehmerstufe führt zu verschärften Wettbewerbsbedingungen. Denn die Auswahl der Nachfrager hinsichtlich ihrer Geschäftsstättenwahl erhöht sich, und die händlerindividuelle Chance, gewählt zu werden, verringert sich. •• Der Händler erfährt nur geteilte Zuwendung durch den Hersteller infolge der gesplitteten Absatzaktivitäten. Insofern kommt zur Konkurrenz innerhalb des eigenen Absatzkanals noch die Konkurrenz von Betrieben in anderen Absatzkanälen. •• Ein komparativ leistungsunterlegener Absatzkanal erfährt bei Endabnehmern eine objektive Benachteiligung. Darunter haben sogar die leistungsfähigen Händler innerhalb dieses Kanals zu leiden.

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals

•• Die Nachfragemacht gegenüber Herstellern ist eher eingeschränkt. Diesen bleibt immer noch die Alternative des Ausweichens, bevor sie sich gezwungen sehen, den Forderungen von Händlern nachzugeben. Außer der vollständig parallelen Distribution kann in einzelnen Absatzkanälen auch nur ein Teil des gesamten Angebots distribuiert werden (partiell parallele Distribution), ein oder mehrere Absatzkanäle sind also eine/mehrere Teilmenge(n) eines oder mehrerer anderer Absatzkanäle. Dann besteht eine interne Konkurrenzsituation nur hinsichtlich dieser in beiden/allen Kanälen verfügbaren Angebote. Die Konkurrenzintensität ist damit also gemindert. Ein Beispiel ist der Süßwarenhersteller Ferrero, der ausgewählte Produkte neben dem traditionellen LEH auch bei Discountern distribuiert. Ein paralleler Mehrkanalabsatz findet sich bei Tchibo, mit den Kanälen Tchibo-Filiale, Direct mailing, m-Commerce, t-Commerce, TV-Spots, Katalog, Internet, Bäckereien, Depots im LEH. Eine weiteres Beispiel ist Bree (Taschen/Gepäck) mit Herstellerfilialen, Factory outlet stores, Franchise-Betrieben und Shop in the shop-Systemen. Nivea (pflegende Kosmetik) wird in Drogerien, Drogeriemärkten, Flagship stores und im Lebensmittelhandel distribuiert.

1.5.3.2 Gesplitteter Absatz Der gesplittete Absatz ist eine Weiterentwicklung des parallelen Absatzes. Auch dabei werden zwei oder mehr Absatzkanäle bedient, zusätzlich werden dort jedoch jeweils voneinander abweichende Konzepte gefahren. Die gesplittete Distribution geht davon aus, dass horizontale Konflikte zwischen Absatzkanälen dadurch vermindert werden können, dass nicht alle Kanäle auf dieselbe(n) Nachfrage/Budgets zugreifen, sondern die Absatzkanäle in Bezug auf die Kaufkraft gespreizt werden. Dazu bestehen zwei Ansatzpunkte als Schnittmenge und Leermenge. Werden die Absatzkanäle derart gespreizt, dass in jedem Absatzkanal sowohl Angebote realisiert werden, die auch in anderen Absatzkanälen verfügbar sind, als auch solche, die nur absatzkanalexklusiv verfügbar sind, handelt es sich um eine partiell gesplittete Distribution. Dann beziehen sich Konflikte nur auf den, mehr oder minder großen Anteil des Programms, der in zwei oder mehr Kanälen gleichermaßen verfügbar ist, nicht jedoch auf den Teil, der nur in einzelnen Kanälen verfügbar ist. Denn Absätze dort wären in anderen Kanälen mangels Verfüg­barkeit gar nicht möglich gewesen. Die Konkurrenzintensität wird damit weiter gemindert. Angebote können auf die Absatzkanäle aber auch derart aufgeteilt werden, dass jeder Absatzkanal exklusiv nur bestimmte von ihnen anbieten kann und keine Überlappungen vorhanden sind (vollständig gesplittete Distribution). Vorausgesetzt, es gibt keine Verbundbeziehungen zwischen den Aktivitäten, kann angenommen werden, dass beide/alle Absatzkanäle auf unterschiedliche Nachfrager/ Budgets zugreifen, sie also kaum in nennenswerter Konkurrenz zueinander stehen.

1.5 Mehrkanalabsatz

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Dadurch kann vor allem der Hauptnachteil des Parallelabsatzes, nämlich die unvermeidliche Konkurrenz der distribuierten Absatzkanäle um im Prinzip gleiche Kunden (Intrabrand competition), vermindert werden. Zugleich kann auf die spezifischen Anforderungen der im jeweiligen Absatzkanal nachfragenden Kunden durch den dort jeweils angebotenen eigenen Aktivitätsausschnitt besser eingegangen werden. Dafür vermindert sich für Hersteller wie Händler die Marktausschöpfung, und es kommt zu einer Komplizierung des Distributionsdesigns beim Hersteller. Zu den Vorteilen des gesplitteten Absatzes aus Herstellersicht zählen folgende: •• Die Bedienung unterschiedlicher Abnehmersegmente im von ihnen jeweils präferierten Absatzkanal und mit einen speziellen Aktivitätsausschnitt ist möglich. Dies bewirkt eine bessere Ausschöpfung des Marktpotenzials. •• Es besteht ein Kostensenkungspotenzial durch gezieltere Distribution in die präferierten Kaufstätten der jeweiligen Zielgruppe hinein. •• Auf diese Weise ist die Erschließung eines größeren Absatzmittlernetzes möglich, da die Intrabrand competition gemindert wird. •• Durch das spezielle Angebot kann den unterschiedlichen Bedürfnissen der Kunden besser entsprochen und damit der Kundennutzen gesteigert werden. •• Die kaufverhaltensrelevant gesammelten Informationen lassen sich absatzkanal­ übergreifend zusammenführen und für neue kundengerechte Absatzkonzepte nutzen. •• Die Abhängigkeit von einzelnen Kundengruppen/Absatzmittlern und die daraus folgende Nachfragemacht lassen sich mindern. Zu den Nachteilen aus Herstellersicht gehören folgende: •• Es besteht die Gefahr der Endabnehmerirritation/-frustration durch unterschiedliche Angebotsstrukturen und -zusammensetzungen der verschiedenen Absatzkanäle. •• Ein erhöhter Aufwand (Komplexität) für die Marketing-Kommunikation gegenüber Endabnehmern und distribuierten Absatzmittlern entsteht. •• Ein unvermeidlich uneinheitlicher Markenauftritt in verschiedenen Absatz­ kanälen führt zur Verwirrung und Überforderung der Nachfrager. •• Mit zunehmender Zahl der Absatzkanäle kann der Anbieter deren jeweilig abweichenden Anforderungen nicht mehr in geeigneter Weise gerecht werden. •• Für den Aufbau eines neuen Absatzkanals entstehen hohe Implementierungskosten, deren Wirtschaftlichkeit latent gefährdet ist. •• Mehrfach belieferte Absatzkanäle führen zur Konkurrenz der dort beteiligten Absatzmittler untereinander und münden womöglich in Konflikten.

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals

Die Vorteile und Nachteile aus Händlersicht, wenn denn eine Absatzmittlerstufe zwischengeschaltet ist, sind die Folgenden. Zunächst zu den Vorteilen: •• Der einzelne distribuierte Händler erhält Zugang zu Absatzchancen, die ihm bei eingleisiger Distribution womöglich nicht zugänglich wären. •• Er hat zudem komparative Vorteile gegenüber nicht distribuierten Absatzstellen anderer Absatzkanäle. Auch dies verschafft ihm einen Marktvorsprung. •• Dynamische Betriebsformen des Handels können ihre systemimmanenten Vorteile einsetzen und nutzen und somit zumindest in Bezug auf den distribuierten Angebotsausschnitt profitieren. •• Es besteht eine hohe Akquisitionschance für Absatzkanalwechsler aufgrund des differenzierten Angebots in den einzelnen Kanälen. Zu den Nachteilen gehören folgende: •• Die insgesamt höhere Erhältlichkeit auf der Endabnehmerstufe führt zu verschärftem Wettbewerb der distribuierten Absatzstellen untereinander. •• Der einzelne Händler erfährt bei begrenzten Ressourcen nur eine reduzierte Zuwendung durch den Hersteller i. S. d. Vorverkaufsunterstützung. •• Ein komparativ leistungsunterlegener Absatzkanal wird objektiv am Markt benachteiligt, da er in Konkurrenz zu leistungsüberlegenen anderen Absatzkanälen steht. •• Die Nachfragemacht gegenüber Herstellern bleibt eingeschränkt, da sich die Lieferanteile auf verschiedene Akteure verteilen. Im Kosmetikkonzern L’Oréal erfolgt der Mehrkanalabsatz über Parfümerien und Duty free-Shops (mit den Produktlinien Lancome, Biotherm, Helena Rubinstein etc.), über den Lebens­mitteleinzelhandel (mit den Produktlinien L’Oréal de Paris, Garnier) und über Friseursalons (mit der Produktlinie L’Oréal Professional). Der Büroartikelhersteller Herlitz vertreibt seine Produkte über Postämter und McPaper & Co, über Rack jobber-Systeme in Warenhäusern, über Präsentationssysteme in Fachmärkten (wie Staples), über den Quelle-Versand (Schreibwaren) und über Tankstellen (Glückwunschkarten).

Zu entscheiden ist nunmehr, nach welchen Kriterien der Absatzkanal-Split vor­ genommen werden soll. Dafür kommen, neben den bereits betrachteten Produkten/gruppen drei in Betracht: Kundenwerte, Verwenderbranchen und Absatzgebiete.

1.5 Mehrkanalabsatz

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1.5.4 Anlage nach Kundenwert Ein Mehrkanalabsatz nach Kundenwert bedeutet, dass alle Produkte in allen Absatzgebieten nach allen Branchen, aber differenziert nach dem Kundenwert der jeweiligen Abnehmer distribuiert werden. Dabei kann seitens dieser Abnehmer eine Selbstwahl oder eine Fremdwahl angewendet werden. Ersteres bedeutet, dass Kunden sich selbst einem Absatzkanal zuordnen, Letzteres bedeutet, dass sie durch den Hersteller einem Absatzkanal zugeordnet werden, also Zugriffsbeschränkungen bestehen. Hinsichtlich der Selbstwahl ist vom Anreiz-BeitragsSystem zur Präferenzbildung auszugehen, d. h., die Wahl erfolgt nach dem empfundenen Übergewicht von Anreizen (durch z. B. Preisvorteil, Bequemlichkeit, Individualität) oder Beiträgen (durch z. B. Eigenleistungsanteil, Informations­ aufwand, Erreichbarkeit). Die Möglichkeit gemäß individueller Präferenz schränkt jedoch die Vertriebssteuerung ein. Insofern wird verbreitet eine Fremdwahl bevorzugt. Ein Beispiel dafür ist der autorisierte (indirekte) Vertrieb. Dabei stimmt ein Hersteller mit der Großhandelsstufe ab, welche Einzelhändler unmittelbar vom und welche nur mittelbar durch den Hersteller bedient werden sollen. Dazu wird zunächst mit den beteiligten Geschäftspartnern eine unverbindliche Absichtserklärung geschlossen, wonach sich der Hersteller verpflichtet, nur noch mit ausgewählten Großhändlern zusammen zu arbeiten, während diese sich ihrerseits verpflichten, nur ausgewählte Einzelhändler zu beliefern. Zu deren Auswahl werden objektive Kriterien definiert (wie Standort, Serviceumfang, Ausstattung etc.). Großhändler, die ein Mindestabsatzpotenzial entsprechender Einzelhändler nachweisen, qualifizieren sich für einen Vertrag. Die dabei angeführten Einzelhändler sind ab sofort tabu für die Herstellerakquisition. Gleichzeitig darf der Großhändler keine anderen Einzelhändler als die benannten mit der Herstellerware beliefern. Die Einzelhändler verpflichten sich ihrerseits, die Vertragsware ausschließlich bei ihrem Großhändler zu beziehen, deren Endabsatz nach Kräften zu fördern und Querlieferungen zu unterlassen. Dafür erhalten sie vom Hersteller über den Großhandel Absatzförderungsunterstützungen. Problematisch ist die Zuordnung von Einzelhändlern, die vordem die Vertragsware bei mehreren Großhändlern bezogen haben. Praktisch bedeutet dies, dass Großhändler Anträge von Einzelhändlern mit gutem Absatzpotenzial abgeben, für die ein Händlerprofil eingereicht wird, worauf die Einzelhändler einen Zulassungs- und Verpflichtungsschein erhalten (Inhalt u. a.: Bezug nur beim Großhändler, Absatz nach besten Kräften unterstützen, nur an private Endverbraucher liefern). Die Großhändler verpflichten sich, nur bei zugelassenen Einzelhändlern zu akquirieren und keine anderen Abnehmer zu beliefern (Weiterveräußerung ausgeschlossen), den Absatz nach Kräften zu unterstützen, Kunden zu pflegen etc. Einzelhändler, die nicht gut betreut werden, können dabei einem anderen Großhändler zugeschlagen werden. Über Verkäufe wird Buch geführt. Bei Vereinbarungserfüllung gibt es einen Bonus, bei Untererfüllung läuft der Vertrag aus. Wichtige Vorteile der konkreten Anlage nach Kundenwert aus Herstellersicht sind folgende: •• Aus gewöhnlichen Großhändlern werden starke Partner, die abgesichert in Auf- und Ausbau ihres eigenen Distributionsnetzes investieren können, weil sie nicht fürchten müssen, dass in Bezug auf die Herstellerware andere Großhändler oder der Hersteller selbst von ihnen aufgebaute und betreute Kunden abwerben. Durch die Übersichtlichkeit des Absatzkanals können Querlieferungen und Preisschleuderei vermieden werden, so dass das Ver-

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals marktungskonzept weitgehend frei von Störungen umsetzbar ist. Insgesamt kann eine breite Marktabdeckung gesichert werden, die von ausgewählten Partnern noch unter­stützt wird. Wichtige Nachteile aus Herstellersicht sind folgende: •• Die Implementierung des Systems ist nicht ohne Tücken, denn zunächst geht der Umsatz der nicht mehr belieferten Groß- und Einzelhändler sofort verloren, ohne dass Gewissheit besteht, ob bzw. wann ein Ausgleich dazu stattfindet. Die Starrheit des Systems, die allen Beteiligten willkommene Sicherheit bietet, behindert ein angemessenes Eingehen auf aktuelle Marktentwicklungen, so können etwa rasch wachsende Einzelhandelsbetriebe nicht mehr einstufig indirekt beliefert werden, sondern gehören zum Interessenfeld des betreffenden Großhändlers. Die volle Einhaltung und strikte Anwendung der Regelungen, die Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit ist, schafft einen latenten Konflikt zur Wettbewerbsgesetzgebung. Insofern ist auch keine Gewährleistung von Preisdisziplin gegeben.

Allgemeine Vorteile der Anlage nach Kundenwert sind folgende: •• Vertrautheit mit den spezifischen Problemen und Bedarfen der Kunden(-gruppen) ist gegeben, eine gezielte Bearbeitung einzelner Kunden/gruppen durch spezialisierte Absatzmethoden und Verkaufstechniken ist möglich, Berücksichtigung der Bedeutung der einzelnen Kunden/gruppen bei der Allokation der Absatzaktivitäten, schnelle und flexible Reaktion auf Marktveränderungen und Nachfragetrends, Unterstützung des Cross selling, da der Kunde alle Leistungen aus einer Hand erhält, die Mitarbeiter des Anbieters werden zu vertrauten Ansprechpartnern. Dem stehen folgende Nachteile gegenüber: •• Hohe Kosten durch Multiplizierung aller Vertriebsanstrengungen, hoher Koordinationsaufwand bei der Führung der Mitarbeiter und der Wahrnehmung kunden(gruppen-)übergreifender zentraler Absatzaktivitäten, dies setzt eine tragfähige Marktsegmentierung voraus, die häufig nur schwer implementierbar ist. Problematisch ist dabei jedoch die Ermittlung des zugrunde gelegten Kundenwerts. Denkbar sind Größen wie Umsatz, Absatz, Deckungsbeitrag oder Gewinn. Hinzu kommt die Zeitperspektive bei dynamischer Betrachtung, die angezeigt ist. Außerdem ist fraglich, wer im Einzelfall „Kunde“ ist, etwa die Konzernzentrale oder eine bestellende Dependance (s. u.).

1.5.5 Anlage nach Verwenderbranche Der Mehrkanalabsatz nach Verwenderbranche differenziert nur nach dieser, gilt ansonsten aber für alle Produkte, Absatzgebiete und Kundenwerte. Dabei ergibt sich eine prinzipielle Einteilung nach Privatkundengeschäft (B-t-c) und Firmenkundengeschäft (B-t-b). Hinsichtlich des Privatkundengeschäfts werden die Nachfrager anhand geeigneter demographischer, aktiographischer, psychologischer, soziologischer, neuroökonomischer oder typologischer Kriterien segmentiert und durch verschiedene Absatzkanäle bedient. Dabei können in Bezug auf diese Absatz-

1.5 Mehrkanalabsatz

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kanäle Zugriffsbeschränkungen bestehen oder nicht, d. h. die Nachfrager werden vom Hersteller den Absatzkanälen zugeordnet oder ordnen sich diesen selbst zu.

Abbildung 20: MCD-Anlage nach Verwenderbranchen

Gleiches gilt im Firmenkundengeschäft, wobei sich dafür spezifische Betriebsformen herausgebildet haben. Zu denken ist vor allem an folgende. Der (rechtlich und wirtschaftlich selbstständige) Produktionsverbindungs-(PVH)Großhandel handelt mit Investitions- und Produktionsgütern, die an Gewerbetreibende als Endabnehmer oder Weiterverarbeiter sowie gewerbliche (ausnahmsweise auch große private) Endabnehmer verkauft werden. Der PVH beschafft schwerpunktmäßig Güter, um sie unverändert bzw. nach handelsüblicher Manipulation an Organisationen weiter zu veräußern, die damit ihrerseits Güter für die Fremdbedarfsdeckung erstellen. Man unterscheidet den: •• Produktorientierten PVH für Massengüter (Massenguthandel/Bulk products) oder aber Spezialitäten (Spezialitätenhandel/Specialities), Bei Massengütern handelt es sich entweder um Rohstoffe ohne wesentlich Be- oder Verarbeitung oder um normierte Produkte (Commodities). Der Handel ist durch weitgehend standardisierte Geschäftsprozesse gekennzeichnet, der Preis spielt dabei eine dominante Rolle. •• Herstellerorientierten PVH (rechtlich selbstständig, aber wirtschaftlich konzerngebunden in Werkshandelsgesellschaften, oft mit zugekaufter Handelsware/ OEM). Eine weitere Form sind konzerneigene Werksverkaufs-/-handelsgesellschaften (direkt/indirekt). Diese sind zwar rechtlich selbstständig, aber wirtschaftlich unselbstständig (konzerngebunden) tätig und übernehmen die Funktionen

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals

ansonsten selbstständiger Absatzmittler als Andienungsstelle für konzernintern erstellte Leistungen (ggfs. plus zugekaufter, fremderstellter Handels­ware/OEM). Letztlich lohnt dies, sofern hierarchisierte Transaktionen vorteilhafter sind als solche über die Marktmechanik (Transaktionskostenbetrachtung). •• Länderorientierten PVH (meist nach Ländergruppen oder Regionen ausgerichtet). Dies ist naturgemäß beim Außenhandel von Bedeutung. Der länderorientierte PVH kann sich im Inland auf bestimmte Auslandsmärkte kaprizieren oder im Ausland auf bestimmte Bezugsgebiete. Dies hängt mit Markttransparenz und Erfahrung in diesen Gebieten zusammen, die willkommene Sicherheit bei ansonsten risikobeladenem Außenhandel bietet. •• Verwenderorientierten PVH (nach Branchen oder Anwenderproblemen zur Lösung abwicklungs- oder beschaffungstechnischer Probleme). Der Handwerks-Großhandel erfüllt den Kleinbedarf des Handwerks, das handelsnahe Funktionen in Verbindung mit Herstellung oder Werkvertrag erfüllt. Zum Ladenhandwerk gehören etwa Bäcker, Konditoren, Fleischer, Optiker, Uhrmacher, Augenoptiker, Goldschmiede, Friseure etc., zum Verrichtungshandwerk gehören etwa Elektriker, Fliesenleger, Kfz-Mechaniker etc. Allgemeine Vorteile der Anlage nach Verwenderbranchen sind folgende: •• Hohe Effizienz durch Spezialisierungsmöglichkeit in der Organisation, Einsatz spezifischer Absatzmethoden und Verkaufstechniken, fokussierte Ausbildung der Mitarbeiter im Vertrieb mit hoher Motivation durch ihren Expertenstatus, gute Kommunikations- und Informationsbedingungen zwischen allen Unternehmensfunktionen innerhalb einer Sparte. Dem stehen folgende Nachteile gegenüber: •• Komplexitätssteigerung mit hohen Kosten durch Multiplizierung der Absatz­ anstrengungen, hohe Kosten im Verkauf, Irritation und Frustration der Abnehmer aufgrund der parallelen Betreuung, hoher Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern, aufwändige Steuerung übergreifender Absatzaktivitäten.

1.5.6 Anlage nach Absatzgebieten Ein Mehrkanalabsatz kann sich auch an Absatzgebieten orientieren. Dabei wird nur nach diesen differenziert, nicht aber nach Produkten, Kundenwerten und Branchen. Dafür bietet sich eine Einteilung nach landesspezifisch tätigen Absatzkanälen (intranational), ländergruppenallgemeinen Absatzkanälen (transnational) und länderübergreifenden Absatzkanälen (supranational) an. Problematisch ist hierbei, an welchem Standort sich das Absatzgebiet orientiert, z. B. am Standort der Konzernzentrale oder an dem der betreffenden Dependance. Ebenso können im Zuge einer Internationalisierung von Abnehmern Absatzkanal­ divergenzen entstehen.

1.5 Mehrkanalabsatz

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Die Anlage nach Absatzgebieten kann in mehreren Abstufungen erfolgen: •• Eine lokale Anlage unterscheidet nach einzelnen Standorten, dies ist wichtig hinsichtlich der physischen Erreichbarkeit des Angebots, etwa bei Dienstleistungen in Abhängigkeit von der Passatenfrequenz oder Kaufintensität. •• Eine nationale Anlage unterscheidet meist in kaufkraftstarke und -schwache Gebiete, typischerweise also städtische und ländliche. Die Distribution in Ersteren lohnt häufig mehr (z. B. für Waren des gehobenen Bedarfs). •• Ein internationale Anlage unterscheidet nach grenzüberschreitenden Absatz­ gebieten. Dabei kann es sich um einzelne ausländische Märkte, honogene Ländermarktgruppen oder eine globale Dimension handeln.

Abbildung 21: MCD-Anlage nach Absatzgebieten

Allgemeine Vorteile der Anlage nach Absatzgebieten sind folgende: •• intensive, überschneidungsfreie Bearbeitung der Märkte, hohe Effizienz im Vertrieb, Schulung der Mitarbeiter im Hinblick auf regionale Besonderheiten, Motivationseffekt durch eindeutige Aufgaben- und Ergebniszuordnung, geringer Koordinationsaufwand und gute Ergebniskontrolle im Management, Unterstützung von Cross selling. Dem stehen folgende Nachteile gegenüber: •• Hohe Anforderungen an Mitarbeiter, erschwerte Durchsetzung einer an übergeordneten Zielen orientierten, einheitlichen Absatzpolitik, Mentalitätsunterschiede erschweren die Marktbearbeitung, Abstimmungsprobleme bei Abnehmern mit mehreren Standorten.

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals

1.5.7 Cross channel distribution Zumindest denkbar, wenngleich praktisch nicht unbedingt empfehlenswert, sind auch Kombinationen der genannten Anlagen, also eine mehrfache Zuordnung nach Produkt und Kundenwert, Produkt und Absatzgebiet, Produkt und Branche, Produkt, Kundenwert und Absatzgebiet, Produkt, Absatzgebiet und Branche sowie Produkt, Kundenwert, Absatzgebiet und Branche. Zusammenfassend liegen die Vorteile der Multi channel distribution in Folgendem: •• Es können neue Zielgruppen erreicht werden. Es wird eine größere Kundennähe realisierbar. Der Share of customer erhöht sich. Auch stark fragmentierte Märkte können gut bedient werden. Es entstehen Wettbewerbsvorteile. Und die Absatzbasis kann gesichert werden. Es werden zusätzliche Kontaktpunkte (Customer touch points) geschaffen. Die Abhängigkeit vom einzelnen Absatzkanal sinkt. Die Dialogfähigkeit des Anbieters steigt. Es kommt zu einem internen Risiko­ausgleich. Dem stehen folgende allgemeine Nachteile gegenüber: •• Es kann zu Kannibalisierungseffekten kommen. Evtl. wird die kritische Masse je Absatzkanal nicht erreicht. Zugleich entsteht ein hohes Maß an Komplexität. Dieses erfordert einen hohen Abstimmungsaufwand. Es kann zur Kundenverwirrtheit durch heterogene Auftritte kommen. Es entstehen horizontale Machtkonflikte um die Handelsspanne. Vor allem gibt es Konflikte zwischen alten und neu hinzukommenden Kanälen (Wahrnehmungs-, Rücksichtslosigkeits-, Verteilungskonflikte). Eine weitere Dimension ergibt sich durch Cross channel-Distribution. Diese befasst sich mit der Aufteilung des Absatzkanals auf bestimmte Teilaufgaben in der Distribution. Dabei kann zwischen Interaktionsaufgaben und Transaktionsauf­ gaben unterschieden werden. Erstere beziehen sich auf die Kommunikation zwischen Lieferant und Abnehmer. Hierfür stehen unterschiedliche Kanäle bereit, die es nach Inhalt, Form, Zeit und Raum aufeinander abzustimmen gilt. Dies ist primär Aufgabe der Kommunikationspolitik. Letztere beziehen sich auf den Übergang von Sachleistungen (und Geldleistungen) zwischen Lieferant und Abnehmer. Dies ist primär eine Aufgabe der Distributionspolitik. Die Phasen der Distribution und damit die Aufgaben können wie folgt rubriziert werden: •• Vorverkaufsphase (Interessentenauswahl, Kundenakquisition), •• Nachverkaufsphase (Beziehungsaufbau, Produktwerterhöhung, Produktanzahl­ erhöhung, Referenzierung und Weiterempfehlung, Informations- und Integrationsnutzen, Kundenrevitalisierung, Kundenreaktivierung, Kundenausgrenzung, Kündigungsprävention, Kundenrückgewinnung).

1.6 Absatzmethode

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Dafür stehen reale und virtuelle Absatzkanäle zur Verfügung. Daraus kann jeder Phase der Distribution ein Absatzkanal zugeordnet werden. Diese Zuordnung kann dabei in Bezug auf den Absatzkanal disjunkt oder überlappend erfolgen. Disjunkt bedeutet, dass je Absatzkanal genau eine Distributionsaufgabe zugeordnet wird. Partiell überlappend bedeutet, dass ein Absatzkanal zwei oder mehr Distributionsaufgaben übernimmt bzw. eine Distributionsaufgabe durch zwei oder mehr Absatzkanäle übernommen wird. Komplett überlappend bedeutet, dass mehrere Absatzkanäle mehrere Distributionsaufgaben übernehmen. Insb. können die Absatzkanäle dabei in Bezug auf Offline (real direkt, real indirekt) oder Online (virtuell) unterschieden werden und die Distributionsaufgaben in Bezug auf die Vorkaufphase (Recruitment) oder Nachkaufphase (Retention, Reinforcement, Recovery). Je nach Zuordnung von Distributionsaufgabe und Absatzkanal kann somit ein individuelles Cross channel-Marketingprofil erzeugt werden.

1.6 Absatzmethode Zur Absatzmethode gehört, nicht ganz überschneidungsfrei neben dem bereits dargestellten Absatzweg, das Vertriebssystem und die Absatzform.

Abbildung 22: Elemente der Absatzmethode

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals

1.6.1 Vertriebssystem Beim Vertriebssystem kann man eine zentrale, dezentrale oder ausgegliederte Gestaltung unterscheiden. Beim zentralen Vertriebssystem findet der Absatz über das Top-Management oder die eigene Marketingabteilung/Innenverkauf statt. Alle Absatzfunktionen werden zentral initiiert, durchgeführt und koordiniert. Dieses System impliziert eine relativ große Marktferne und ist daher vor allem in Branchen zu finden, in denen sich die Marketingdenkhaltung vielfach noch nicht massiv durchgesetzt hat, so etwa bei Investitionsgütern. Beim dezentralen Vertriebssystem findet der Absatz über unternehmenseigene Absatzstellen statt. Dabei kann es sich um mehrere Systeme handeln: •• Niederlassungen (Zweigstellen) verfügen über einen eigenen Erfüllungsort und Gerichtsstand (z. B. Mercedes-Benz). Sie handeln damit in eigenem Namen. •• Filialen teilen sich den Erfüllungsort und Gerichtsstand mit der Zentrale (z. B. WMF, Nordsee, Hush Puppies, Rodier, Rosenthal, Betty Barclay, Salamander, Bally, Bijou Brigitte). Der Unterschied zur Zentrale ist, dass beide Formen über kein eigenes Vermögen verfügen. Niederlassungen/Filialen akquirieren Aufträge eigenständig, organisieren deren Abwicklung und sorgen auch für eine entsprechende Nachbereitung. Durch die räumliche Ausgliederung kann meist marktnäher agiert werden, zumal wenn andere Spezialisierungen hinzukommen. Niederlassungen und Filialen können vielfache, besondere Ausprägungen haben, so vor allem die nachfolgenden: •• Flagship stores/Brand stores dienen als Demonstrationsläden/Filialen des Herstellers. Sie sind in markenadäquaten Lagen (meist hochwertig, 1a-Lage) lokalisiert, führen nur die Produkte des betreffenden Herstellers und sind häufig zusätzlich durch Gastronomiebetriebe, Büroflächen etc. abgesichert. Sie dienen der Emotionalisierung des Markenerlebnisses, dem Aufbau von Käuferbindung und auch Marktforschungszwecken, der Verkauf ist nachgeordnet. Mittelfristig kann darin aber eine neue Direktvertriebsschiene liegen, um vom Handel unabhängiger zu werden. Allerdings verursachen sie auch hohe Kosten bei geringen Umsätzen. Beispiele von Flagship stores sind Nike Town, Apple, Tiffany, Prada (alle New York). Beispiele von Brand stores in Deutschland sind Nescafé-Shop, Ferrero Nutella-Bar, Chiquita Fruit Bar, Frosta Bistro, Dr.Oetker Pizzeria, Maggi Kochstudios-Treff, Milram’s Milk & More oder Nivea-Haus.

•• Factory outlets sind Verkaufsstellen, ursprünglich nur am Ort der Herstellung und für Mitarbeiter, die während bestimmter Öffnungszeiten ausgewählte Sortimente (z. B. II. Wahl oder Auslaufartikel) für das Publikum anbieten. Dies führt

1.6 Absatzmethode

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im Ergebnis zu einer Verstopfung der Pipeline und zur Substitution von Handels­ absätzen. Sie sind aus Fabrikläden als Verkaufsstellen für Betriebsangehörige meist unmittelbar am Ort der Produktionsstätte entstanden. Das Sortiment besteht meist überwiegend aus Bekleidung (Schuhe, Sportartikel, Hausrat, Lederwaren etc.), die Artikel stammen aus Produktionsübergängen (Overrun), Auslaufmodellen (Discontinued), Vorjahresmodellen (Past season), irregulärer Ware (Factory second), Musterprodukten oder speziell für FO’s produzierter Ware. Die Preissetzung ist aggressiv. Kunden sind meist jüngere Personen mit hohem Preis- und Markenbewusstsein (Smart shopper), die im Einzugsgebiet von ca. zwei Autofahrstunden wohnen, sich ca. drei Stunden dort aufhalten und ca. 100 € pro Kopf ausgeben. Eine berühmt-berüchtigte Ballung von Fabrikverkaufsstellen gibt es in Metzingen: Hugo Boss, Bally, Escada, Joop, Tommy Hilfinger, Schiesser, Strenesse und Uhlsport.

•• Demonstrationsläden sind repräsentative Geschäftslokale in hoch frequentierten Lagen, in denen die Produkte des Herstellers vorgeführt und beraten werden. Dadurch wird der Kontakt zu den eigenen Produkten intensiviert, der sich in Käufen im Handel konkretisiert. Das heißt, dort findet kein Absatzvollzug statt, sondern nur die Absatzvorbereitung. Beim ausgegliederten Vertriebssystem findet der Absatz über rechtlich getrennte Absatzorgane statt. Zu nennen sind verschiedene Systeme, vor allem die Folgenden: •• Bei Hausbesuchen kontaktieren (meist hauptberufliche) Repräsentanten Haushalte im Door to door selling-System und bieten dort ihre Waren an. Dabei kann es sich um vorselektierte (heiße) Adressen handelt, die der Hersteller zur Ver­fügung stellt und die dementsprechend größere Erfolgschancen bieten (z. B. Vorwerk, Haka, Avon, Felicitas), oder um wahllos aufgesuchte Haushalte (kalte Adressen), deren Erfolgschancen eng begrenzt sind (z. B. Abonnentenwerbung der Verlage). Zudem sind rechtliche Beschränkungen im Vertragsabschluss zu beachten (Haustürgeschäfte). Die Vertreter führen meist einen kleinen Warenvorrat mit sich (Handlager), sind mit Werbemitteln ausgestattet, leisten Beratung, nehmen Aufträge entgegen und führen das Inkasso sowie die Reklamations­abwicklung durch. Dadurch sind Anschlusskäufe (Zubehör) und markentreue Folgekäufe wahrscheinlich. Allerdings leidet dieser Absatzweg unter dem schlechten Image vieler unseriöser Geschäftemacher. •• Bei Home parties veranstaltet ein nebenberuflicher Repräsentant für Personen seines sozialen Umfelds in seiner Wohnung ein gemütliches Treffen mit an­ regender Präsentation und informellem Verkauf von Waren. Dabei wird auf professionelle Vorbereitung großer Wert gelegt (z. B. Tupperware, Amway, Pierre Lang, Jafra, Mary Kay, AMC). Der Verkauf erfolgt eher beiläufig, auf Basis der Sympathie und Authentizität von Bezugspersonen, also fernab jedes Hard selling in der entspannten Heimatmosphäre. Auf Schulungen erfahren die Han-

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals

delnden, wie sie taktisch geschickt eine verkaufsfördernde Stimmung schaffen, das Gespräch unauffällig in Richtung des vertretenen Produkts lenken, überzeugend argumentieren und nachhaken. •• Bei Sammelbestellern handelt es sich um (nebenberuflich tätige) Personen ohne kaufmännische oder sachkundliche Ausbildung, die in ihrem sozialen Umfeld Bestellungen im Versandhandel entgegennehmen, zusammenstellen und weiterleiten. Dadurch erreichte Rationalisierungseffekte werden in Form von Preisnachlässen durch den Hersteller an Handlungsgehilfen (evtl. auch eigentliche Besteller) weitergegeben. Außerdem übernehmen sie akquisitorische und leistungsergänzende Vorleistungen. Die logistischen Leistungen (Zustellung, Umtausch, Montage etc.) werden direkt vom Hersteller erledigt. Ein Beispiel dafür ist der Otto-Versand. Hier gibt es auch hauptberufliche Absatzhelfer mit Bestellläden (nicht zu verwechseln mit Katalogschauräumen). Beim Multi level marketing (MLM, auch Strukturvertrieb, Netzwerk-Marketing) handelt es sich um den Direktvertrieb von Waren und Dienstleistungen vom Hersteller an private Endabnehmer. Die der Direktvertriebsorganisation angehörenden Vertriebsrepräsentanten betreiben ihr Engagement neben- oder hauptberuflich als selbstständige Gewerbetreibende, ohne Lagerbestände führen oder Abnahmeverpflichtungen eingehen zu müssen. Zusätzlich bietet die Organisation jedem Vertriebsrepräsentanten die Möglichkeit, nach Vorgaben des Unternehmens, das die betreffende Organisation unterhält, neue Vertriebsrepräsentanten zu gewinnen, einzuarbeiten, zu schulen und weiterhin laufend zu betreuen. Dadurch entstehen im Zeitablauf vielstufige Vertriebslinien. Zur Kompensation für die im Verkauf von Produkten und Dienstleistungen selbst erzielten Leistungen erhält jeder Vertriebsrepräsentant Verkaufsprovisionen. Als Gegenleistung für die Rekrutierung, Betreuung, Ausbildung und Führung von Vertriebsrepräsentanten werden jedem höherstufigen Vertriebsrepräsentanten Leitungsprovisionen (Superprovision) gezahlt. Die Provisionshöhen ergeben sich ebenso wie die ggfs. zu erreichenden Beförderungsstufen aus dem jeweils geltenden transparenten Karriereplan, den jeder Vertriebsrepräsentant durchläuft und der als Anreizsystem gleichermaßen für alle Vertriebsrepräsentanten gilt. Die Vertriebsrepräsentanten handeln im Eigenhandel, als Kommissionär (ohne Eigentumserwerb) oder als Handelsvertreter. Das System ist derart angelegt, dass Absatzhelfer oberer Stufen an den Abschlüssen von Absatzhelfern unterer Stufen partizipieren, die mit steigendem Erfolg selbst auf eine immer höhere Stufe avancieren und immer mehr profitieren. Die Tätigkeit kann hauptberuflich oder nebenberuflich ausgeübt werden (z. B. DVAG, VB, AWD, Quinz, Bonnfinanz, MLP, Plansecur, HMI). Verbreitet sind MLM-Systeme in den Branchen Kosmetik/Körperpflege, Vitamin-/Nahrungsergänzungsprodukte, Düfte, Wasch-/Putzmittel, Lebensmittel, Haushaltswaren, Modeschmuck, Textilien, Telekommunikation, Touristik, Spielwaren, Elektrokleingeräte, Umwelttechnik etc. Anbieter sind etwa Amway, Ouixstar, Alticor (Haushalt), Herbalife (Nahrungsergänzung), LifePlus (Nahrungsergänzung), Tahitian Noni (Nahrungsergänzung), Tiscali (Internet-Service-Provider), Tupperware (Haushalt). Weitere

1.6 Absatzmethode

77

Branchen sind Schlankheitsmittel, Sicherheitsanlagen, Anzeigen, Dessous, Bücher, Clubs etc. Im Unterschied zu legalen MLM-Systemen ist es verboten, andere zu veranlassen, Waren im Depot abzunehmen und in erst noch aufzubauende Vertriebsstrukturen hinein zu verkaufen (Progressive Kundenwerbung). Dies ist beim Schneeballsystem der Fall. Ein Systemträger schließt dabei mit Kunden Verträge ab, die dem Systemträger weitere Abnahmeverträge von Nachfolgekunden sichern. Der vom Kunden zu begleichende Kaufpreis wird bezahlt, indem der betreffende Kunde den Abschluss weiterer Abnahmeverträge an Nachfolgekunden vermittelt und dafür besondere Provisionen, Boni etc. erhält. Kennzeichen sind nur gering werthaltige Produkte und kein originäres Absatzförderungsinteresse. Eine ähnliche Form ist das Pyramidensystem. Dabei veranlasst ein System­träger Kunden zur Warenabnahme in einen derartig hohen Ausmaß, dass diese Kunden praktisch weitere Kunden zur Warenabnahme motivieren müssen, die wiederum weitere Kunden zur Warenabnahme gewinnen etc. Der Systemträger schließt nur mit der zuerst kaufenden Kundenebene einen Kaufvertrag ab, diese wiederum schließen Kaufverträge mit weiteren Kunden ab etc. Die Produkte werden entsprechend weitergereicht. Beim Weiterverkauf wird in aller Regel ein Preisaufschlag vorgenommen. Die Gewinnerzielung wird also durch Einzahlung von Geldbeträgen erreicht. Als juristisches Trennkriterium gilt meist, ob ein Systemmitglied das ange­ botene Produkt auch erwerben würde, wenn es keine Provision für dessen Weiterverkauf erhielte und ob die Verdienstmöglichkeiten überwiegend aus den Vorteilen bestehen, die für die Anwerbung neuer Systemmitglieder gewährt werden. Insofern entsteht die Unlauterkeit und Strafbarkeit aus der dominanten Progression des Systems durch ständige Neuaufnahme weiterer Teilnehmer. Neue Teilnehmer werden genötigt, für den Erhalt ihrer Provisionsberechtigung mehr Waren/Dienste zu kaufen als für den Eigenbedarf benötigt, so dass dadurch ein Zwang zum Werben weiterer Teilnehmer begründet wird. Solche Systeme kollabieren rasch. Dazu ein Beispiel. Die Systeme haben verschiedene Teilnehmerstufen: •• 1. Stufe: Anwärter •• 2. Stufe: Repräsentant •• 3. Stufe: Leitender Repräsentant •• 4. Stufe: Hauptrepräsentant •• 5. Stufe: Chefrepräsentant •• 6. Stufe: Direktionsrepräsentant •• 7. Stufe: Direktionshauptrepräsentant

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals Unterstellt sei, dass jedes Mitglied zehn neue Mitglieder werben muss, um eine Stufe höher zu rücken. Dann bedeutet dies: •• 1. Stufe: 10 Teilnehmer •• 2. Stufe: 100 Teilnehmer •• 3. Stufe: 1.000 Teilnehmer •• 4. Stufe: 10.000 Teilnehmer •• 5. Stufe: 100.000 Teilnehmer •• 6. Stufe: 1.000.000 Teilnehmer •• 7. Stufe: 10.000.000 Teilnehmer. Bereits daraus wird die Irrealität des Vorhabens erkennbar.

1.6.2 Absatzform

Abbildung 23: Alternativen der Absatzform

1.6 Absatzmethode

79

Bei der Absatzform kann man nach Eigengestaltung, Fremdgestaltung und gebundener Gestaltung unterscheiden. Eigengestaltung liegt beim Persönlichen Verkauf durch Unternehmensrepräsentanten vor. Dieser kann nach drei Prinzipien erfolgen.

Abbildung 24: Alternativen der eigengestalteten Absatzform

Beim Residenzprinzip findet der Absatz in den Räumlichkeiten des Verkäufers statt. Der Käufer begibt sich dazu an den Ort des Verkaufs, im Handel etwa in das Ladengeschäft des Händlers. Dies gilt aber auch für den Verkauf großer Mengen/ hoher Werte durch das Top-Management beim Abnehmer (etwa bei Investitionsgütern). Beim Domizilprinzip findet der Absatz in den Räumlichkeiten des Käufers statt. Der Verkäufer begibt sich dazu an den Ort des Kaufs, etwa die Wohnung der Privatperson oder das Büro des Gewerbetreibenden. Dieser Außenverkauf ist typisch für die meisten Formen des Business to business-Kontakts. Eine verbreitete Form des Domizilabsatzes sind die Tiefkühl-Heimdienste. Diese besuchen private Haushalte oder kleingewerbliche Gastronomiebetriebe turnusmäßig oder nach Vereinbarung am Wohn-/Geschäftssitz und bieten Produkte nach Katalogauswahl an. Das Sortiment ist breit und flach, das Preisniveau hoch. Der Trend zu Convenience food und Cocooning sowie die demographische Entwicklung lassen hier einen steigenden Bedarf erwarten.

Beim Treffprinzip findet der Absatz in „neutralen“ Räumlichkeiten statt. Sowohl der Verkäufer als auch der Käufer begeben sich dazu an diesen dritten Ort, etwa den Messestand bei Marktveranstaltungen, auf denen dann formalisierte oder aber ungeplante Transaktionen ablaufen. Beim Distanzprinzip findet hingegen kein persönlicher Verkauf, sondern nur ein medialer Kontakt statt. Die Willenserklärungen zu Verkauf und Kauf erfolgen also über geprintete Medien, wie Anzeigencoupon, Mailing, Katalog etc., oder über

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1. Die Gestaltung des Absatzkanals

elektronische Medien wie Telefon, Telefax etc. sowie in verstärktem Maße über ­e-Commerce (s.  u.). Fremdgestaltung liegt beim Absatz über wirtschaftlich und rechtlich selbstständige Absatzorgane vor. Die Absatzfunktion wird also vom Ersteller der Leistung abgetrennt und an externe Absatzorgane delegiert. Dabei handelt es sich um zwei Gruppen: •• Absatzmittler sind in eigenem Namen und auf eigene Rechnung als Händler tätig. Sie werden Eigentümer der gehandelten Ware und veräußern diese wiederum ohne wesentliche Be- und Verarbeitung. •• Absatzhelfer sind in fremdem Namen und auf fremde oder eigene Rechnung, dauerhaft oder fallweise tätig. Sie werden selbst nicht Eigentümer der gehandelten Ware. Absatzhelfer sind akquisitorisch, logistisch oder leistungsergänzend aktiv. Gebundene Gestaltung liegt beim Verkauf über rechtlich selbstständige, wirtschaftlich aber unselbstständige Absatzorgane vor. Es handelt sich um eine Zwischenform weder völliger Ausgliederung noch Eigenwahrnehmung der Absatzfunktion. Drei wichtige Formen betreffen hier: •• die Verkaufsholding als rechtlich selbstständigem, wirtschaftlich gebundenem Konzernteil, an den andere verbundene Konzernteile die Verkaufsfunktion ihrer Betriebe abtreten, •• das Verkaufssyndikat als rechtlich gebundener, wirtschaftlich selbstständiger Kartellteil, bei dem Syndikalisten nur die Verkaufsfunktion ihrer Betriebe an ein gemeinsames Organ abtreten (dies ist wettbewerbsrechtlich außerordentlich problematisch), •• das Kontraktmarketing als vertikale Kooperation zwischen Hersteller- und Handelsstufen zur Förderung der Verkaufsfunktion im Absatzkanal (dies ist eine völlig legale Auslegung).

2. Der Direktabsatz 2.1 Alternativen im Direktabsatz

Abbildung 25: Übersicht Direktabsatz

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2. Der Direktabsatz

Die Funktionen, die im Absatzkanal anfallen, sind unabhängig von den Institutionen, die sie wahrnehmen. Sie können von Handelsbetrieben wahrgenommen werden, die für die Erfüllung dieser Funktionen eine Handelsspanne einbehalten. Sie können aber auch von Herstellerbetrieben oder Endabnehmerbetrieben bzw. -haushalten wahrgenommen werden. („Handel ist nicht verzichtbar, Händler sind es schon.“) Jedes Unternehmen muss für sich ermitteln, ob die Wahrnehmung dieser Funktionen kostengünstiger selbst, verbunden mit der Einsparung von Handelsspanne, oder durch Handelsbetriebe, verbunden mit der Abtretung von Handelsspanne, erfüllt werden können, oder ob Funktionen auf Endabnehmer verlagert werden können (Externalisierung), regelmäßig gegen Preisnachlass. Diese Entscheidung fällt von Unternehmen zu Unternehmen verschieden aus. Letztlich geht es um eine Abwägung der Anreize (Zusatzgewinn, Konkurrenzvorteil) und Beiträge (Funktionswahrnehmung). Der Direktabsatz erfolgt vom Hersteller unmittelbar an Endabnehmer, also unter Ausschaltung zwischengeschalteter Absatzmittler. Dies kann durch unternehmenseigene Absatzorgane (= interner Direktabsatz) oder unternehmensfremde Absatzhelfer (= externer Direktabsatz) erfolgen. Bei Ersteren handelt es sich etwa um Reisende (VADM), bei Letzteren um Absatzhelfer. Beispiele für Direktabsatz im B-t-c-Sektor sind: •• AMC, Alfa Metalcraft Corp., Apona-Schiller, Aras Tiernahrung, Avon Cosmetics, Bacchus Weinhaus, BioComfort, Creative Memories, Deesse, Willi Drache, EMG Elektround Metallwaren, Gonis, Haka, Heim & Haus, Inmediaone, Jafra Cosmetics, Kurfuersten Weinkellerei, Lux, Mary Kay Cosmetics, Niederthaler Hof-Weingut, PartyLife, Pierre Laforest, Pierre Lang Schmuck, Reichsgraf von Ingelheim Weingut, Vorwerk, Weekenders, Weingut St. Katharinen. Beispiele für Direktabsatz im B-t-b-Sektor sind: •• Behrendsohn (Werbeartikel), Würth (Montage-/Befestigungsmaterial), Friweg (­Werkzeuge), Schäfer-Shop (Bürobedarf), Staples (Bürobedarf).

Abbildung 26: Alternativen des Direktabsatzes

Die Vor- und Nachteile des direkten Absatzes über unternehmenseigene Organe sind die Folgenden. Zunächst zu den wesentlichen Vorteilen. Eine Einsparung der Distributionsspanne und deren Instrumentalisierung für Preisvorteil oder Zusatzgewinn ist möglich. Daraus entstehen Wettbewerbsvorteile, welche die Zugkraft der Produkte verstärken.

2.1 Alternativen im Direktabsatz

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Abbildung 27: Interner Direktabsatz (Warenfluss/Geldgutschrift)

Es kommt zu einer effizienten Steuerung und Kontrolle der Absatzaktivitäten unter eigener Bestimmung. Anders als bei selbstständigen Kaufleuten im Handel, die regelmäßig ihr eigener Souverän sind. Der direkte Kontakt zu Abnehmern fördert die Kundenbindung und schafft einen besseren Informationsfluss. Damit können auch schwache Signale zur Risikenvermeidung und Chancennutzung wahrgenommen werden. Weitere Vorteile sind folgende: •• Hohe Produktkompetenz der Vertriebsmitarbeiter und hohe Anpassungsflexibilität an Kundenbedarfe, •• meist gute Möglichkeit zur Zielgruppenbildung, •• gute Voraussetzungen für den Aufbau einer Stammkundschaft, verbunden mit guten Kundenbonitätskenntnissen, •• gute Bedingungen für eine rasche Markterschließung und intensive Marktdurchdringung, •• rasche und zuverlässige Rückkopplung vom Markt mit guter Abschätzbarkeit des Kundenbedarfs, •• Vertriebskontrolle bis zum Endabnehmer bietet gute Bedingungen zur Kontaktverstetigung, •• gute Potenziale für innovative Produktideen. Folgende Nachteile sind hingegen zu nennen. Ein hoher Organisationsaufwand zur Planung und Kontrolle ist erforderlich. Vor allem stellt der Absatzbereich einen Fixkostenblock dar, der die Flexibilität des Herstellers nachhaltig beeinträchtigt. Akquisitionschancen, die außerhalb des Verfügungsbereichs des eigenen Unternehmens liegen, sind nicht nutzbar. Dadurch kann das objektiv erreichbare Absatzpotenzial nicht vollständig monetarisiert werden.

84

2. Der Direktabsatz

Ein hoher Kapitaleinsatz zur Etablierung sowie hohe laufende Aufwendungen sind bei breiter Abdeckung erforderlich. Vor allem in der Anlaufphase sind die Gefahren für Unwirtschaftlichkeiten hoch. Weitere Nachteile sind allerdings folgende. •• Hohe Kosten der Kommunikation für Kundengewinnung, persönliche und telefonische Kundenberatung, •• Kapitalbindung durch Messebeschickung und Niederlassungsleitung, •• schwierige Steuerung der Vertriebsmitarbeiter, •• großer Aufwand zur Gewinnung und Schulung der Mitarbeiter, •• hohe Fluktuationsrate der Vertriebsmitarbeiter, •• teils hohe Abwicklungs- und Logistikkosten, •• hohe Abhängigkeit von der kommerziellen und persönlichen Kompetenz der Mitarbeiter. Die Vor- und Nachteile des (halbstufig-)direkten Absatzes über unternehmensfremde Absatzhelfer sind die Folgenden.

Abbildung 28: Externer Direktabsatz (Warenfluss/Geldgutschrift)

Zunächst zu den wesentlichen Vorteilen. Die Kontakt- und Akquisitionsfunktion kann an eigenverantwortliche Absatzhelfer abgetreten werden. Diese werden, je nach Lage der Dinge, in eigenem oder fremdem Namen, für eigene oder fremde Rechnung aktiv. Es kommt zur Monetarisierung zusätzlicher Kontakte im Markt zugunsten des eigenen Unternehmens, die aus der Erfahrung und dem Know-how der eingeschalteten Absatzhelfer resultieren. Die Substitution von Fixkosten durch variable Kosten trägt zur Risikoreduktion bei. Absatzhelfer arbeiten regelmäßig ausschließlich oder weit überwiegend er-

2.2 Absatzhelfer

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folgsbezogen, verursachen also nur Kosten, wenn diesen auch Erlöse gegenüberstehen. Ein hohes Maß an Anpassungsflexibilität ist gegeben. So können Absatzhelfer zumindest in Maßen ausgetauscht werden, weiterhin können ihre Arbeitsbedingungen den Geschäftszielen angepasst werden. Ebenso sind sehr gute Marktkenntnisse (Potenziale, Bedarfe, Bonitäten etc.) gegeben. Dieses Know-how kommt vor allem neuen Anbietern zugute, die sich nicht so gut auskennen und Beziehungen erst aufbauen müssen. Folgende Nachteile sind zu nennen. Ein Entgelt für die Akquisitionsaktivitäten der Absatzhelfer ist in Form von zu zahlender Provision notwendig. Dies schmälert die Gewinnspanne oder zwingt zum Aufschlag auf den Ab Werk-Preis. Die Selbstständigkeit der eingeschalteten Absatzhelfer kann durchaus eine instabile Absatzbasis bewirken. So besteht die Gefahr hoher Fluktuationsraten mit vagabundierenden Kundenpotenzialen. Es entsteht Koordinations- und Abwicklungsaufwand für die Kommunikation mit Absatzhelfern. Diese bedürfen der umfassenden Unterstützung im eigenen Sinne mit Verkaufs- und Werbemitteln. Teilweise bestehen restriktive gesetzliche Regelungen. Diese beziehen sich auf die Strenge der Beziehung zwischen Unternehmen und Absatzhelfer sowie auf den Interessenschutz der Absatzhelfer (z. B. Ausgleichszahlung).

2.2 Absatzhelfer

Abbildung 29: Arten von Absatzhelfern

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2. Der Direktabsatz

2.2.1 Akquisitorische Absatzhelfer Neben Absatzmittlern sind auch Absatzhelfer im Absatzkanal tätig. Sie begleiten den Weg der Ware vom Hersteller zum Endabnehmer, ohne, im Gegensatz zu Absatzmittlern, dabei selbst Eigentümer der Ware zu werden. Sie sind im Einzelnen akquisitorisch, logistisch oder leistungsergänzend tätig. Zunächst zu den akquisitorischen Absatzhelfern. Es handelt sich im Wesentlichen um Handelsvertreter, Kommissionäre sowie um Handelsmakler und Handelsversteigerer.

Abbildung 30: Rechtsstellung der Absatzhelfer

2.2.1.1 Handelsvertreter Der Handelsvertreter ist in fremdem Namen und auf fremde Rechnung tätig. Handelsvertreter ist, wer als selbstständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Er ist Kaufmann kraft Grundhandelsgewerbe und wird auch Agent genannt, sein Geschäftsbetrieb ist eine Agentur. Seine Alimentierung erfolgt auf Provisionsbasis. Auf diese hat er Anspruch, wenn Geschäfte während des Vertragsverhältnisses zustande kommen, diese auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind und rechtlich wirksam werden. Der Provisionsanspruch umfasst auch Folgegeschäfte und ggfs. Inkasso und Delkredere. Im ersten Jahr kann das Vertragsverhältnis mit einer Frist von einem, im zweiten Jahr mit einer Frist von zwei Monaten, im dritten und vierten Jahr mit einer Frist von drei Monaten, nach mehr als fünf Jahren mit einer Frist von sechs Monaten beidseitig gekündigt werden. Aus wichtigem Grund kann jederzeit fristlos gekündigt werden. Platzvertreter bearbeiten immer das gleiche Gebiet, Rotationsver-

2.2 Absatzhelfer

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treter wechseln ihr Gebiet. Handelsvertreter können nach verschiedenen Kriterien eingeteilt werden, es muss sich nicht um eine natürliche Person handeln.

Abbildung 31: Kriterien für Handelsvertretertypen

Nach der Ermächtigung zum Verkaufsabschluss gibt es Vermittlungsvertreter, die keine Geschäftsabschlüsse tätigen dürfen, sondern Nachfrage nur sondieren und Erklärungen mit Wirkung für und gegen das vertretene Unternehmen entgegennehmen und zur Entscheidung an dieses weiterleiten, sowie Abschlussvertreter, die für den Auftraggeber verbindlich zu dessen Konditionen Geschäftsabschlüsse tätigen dürfen, also Handlungsvollmacht haben. Im Zweifel ist vom Vermittlungsvertreter auszugehen, der nur Empfangsbote ist, der Antrag kann dann vom Vertretenen angenommen oder abgelehnt werden, bei Annahme kommt der Vertrag direkt zwischen Vertretenem und Kunden zustande. Es sind also Außen- und Innenverhältnis zu unterscheiden. Insofern nimmt der Abschlussvertreter eine sehr viel höhere Vertrauensstellung ein, denn von ihm abgeschlossene Verträge sind in jedem Fall im Außenverhältnis für das vertretene Unternehmen bindend. Im Innenverhältnis kann es natürlich auf den Abschlussvertreter zurückgreifen, wenn dieser sich entgegen Weisungen verhalten hat oder anderweitig grob fahrlässig. Mit welcher Art von Handelsvertreter man es zu tun hat, ist leicht feststellbar. Reicht der Vertreter einen Antrag des Interessenten an das vertretene Unternehmen zur Annahme ein und erfolgt von dort erst die Auftragsannahme als Kunde, so handelt es sich um einen Vermittlungsvertreter, der häufigere Fall. Wird der Antrag hingegen, womöglich noch an Ort und Stelle, durch Gegenzeichnung angenommen, um einen Abschlussvertreter. Nach der Zahl der übernommenen Vertretungen sind Einfirmenvertreter, die ausschließlich für einen Auftraggeber tätig sind, was jedoch eher die Ausnahme darstellt, sowie Mehrfirmenvertreter zu unterscheiden, die für mehrere, jedoch nicht konkurrierende, Auftraggeber zugleich tätig sind und den Regelfall darstellen. Der Konkurrenzausschluss ist, wie das gesamte Handelsvertreterrecht, abdingbar, d. h., bei genügender Nachfragemacht kann ein Handelsvertreter darauf hinwirken, dass die gemeinsamen Anbieter von ihm auch dann vertreten werden,

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2. Der Direktabsatz

wenn sie untereinander konkurrieren. Dies ist etwa bei Vermögensanlageberatern (wie Bonnfinanz, AWD/Swiss Life, MLP) der Fall, die für verschiedene Finanzdienstleister tätig werden und zusätzlich auch im Eigenhandel Finanzprodukte abschließen. Nach dem Umfang der Rechte sind Alleinvertreter, die für das vertretene Unternehmen in ihrem Bezirk ausschließlich allein tätig sind, wobei jedoch Anfragen von Bedarfsträgern aus Kollegenbezirken bearbeitet werden dürfen, sowie Bezirksvertreter zu unterscheiden, die Anspruch auf Provision aus allen Geschäften haben, die mit Abnehmern ihres Bezirks abgeschlossen werden, unabhängig davon, ob sie dabei selbst tätig geworden sind oder nicht. Der Handelsvertretervertrag kann zwar die aktive Akquisition in fremden Gebieten untersagen (Outbound), nicht jedoch die passive Bearbeitung von Anfragen aus anderen Gebieten (Inbound). Nun ist der Vertretungsgeber bestrebt, auch solche passiven Bearbeitungen zu verhindern, dies ist jedoch rechtlich unzulässig. Daher wird das Konstrukt des Bezirksvertreters gewählt. Dieser hat Anspruch auf einen Provisionsanteil für Abschlüsse mit allen Kunden in seinem Bezirk auch wenn er daran selbst nicht aktiv beteiligt war. Insofern ist die Motivation eines Alleinvertreters, Anfragen aus anderen Bezirken zu bearbeiten, begrenzt, denn es entfällt zwar der gesamte Aufwand auf ihn, aber der Lohn der Arbeit ist von ihm zu teilen. Daher liegt es nahe, dass bei Anfragen aus fremden Gebieten von ihm auf den dortigen Bezirksvertreter verwiesen wird. Im Effekt werden so auch InboundAktivitäten unterbunden. Nach der Berufsausübung gibt es hauptberufliche Handelsvertreter und nebenberufliche Handelsvertreter. Letztere sind keine Kaufleute und haben z. B. keinen Anspruch auf Ausgleichszahlung, Erstere immer. Häufig sind nebenberufliche Handelsvertreter für Generalvertreter tätig, welche die Vermittlungstätigkeit für das vertretene Unternehmen durch eigene Untervertreter ausüben lassen, also über eine eigene Absatzorganisation verfügen. Nach der Stellung im Absatzkanal sind Vertreter auf Großhandelsstufe, die den Hersteller gegenüber dem Großhandel vertreten, Vertreter auf Weiterverarbeiterstufe, die den Hersteller oder Großhandel gegenüber Weiterverarbeitern vertreten, Vertreter auf Einzelhandelsstufe, die den Hersteller, oder auch den Großhandel, gegenüber dem Einzelhandel vertreten, und Vertreter auf Endabnehmerstufe zu unterscheiden, die den Hersteller, Groß- oder Einzelhandel gegenüber der End­ abnehmerschaft vertreten. Die Handelsvertreterbeziehung kennzeichnen umfangreiche Rechte und Pflichten auf beiden Seiten. Zu den wichtigsten gehören, dass der Handelsvertreter seine Tätigkeit frei gestalten und seine Arbeitszeit selbst bestimmen kann. Er soll das Interesse des vertretenen Unternehmens wahren und hat Anspruch auf Provision für Abschlüsse und alle gleichartigen Folgegeschäfte, die er durch Bucheinsicht nachprüfen (lassen) kann. Die Provisionszahlung ist normalerweise unabhängig davon,

2.2 Absatzhelfer

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Abbildung 32: Handelsvertreterbeziehung

ob mangelfrei und rechtzeitig geliefert wird oder nicht. Geschäfte mit „faulen“ Kunden bringen allerdings keine Provision. Die Abrechnung erfolgt spätestens zum Ende des Folgemonats des Abschlussmonats. Inkassoprovision ist für das Einziehen von Forderungen und Delkredereprovision für die schriftliche Haftung für Zahlungseingänge fällig. Die Provisionspflicht gilt auch für Nachbestellungen (Folgeprovision), zahlbar bis zum Ende des Folgemonats (nur Abschluss­vertreter). Der Handelsvertreter kann über alle zum Verkauf nötigen Unterlagen disponieren (wie Produktmuster, Preislisten, Prospekte etc.) und wird unverzüglich über die Annahme oder Ablehnung von ihm vermittelter Geschäfte benachrichtigt. Bei Auflösung der Vertretung hat er Anspruch auf eine angemessene finanzielle Abfindung (Ausgleichszahlung), die sich nach einer festen Formel berechnet. Es besteht die Pflicht zur dauernden Geheimhaltung über bekanntgewordene betriebliche Verhältnisse des Auftraggebers, auch nach Vertragsauflösung, und zum Wettbewerbsverbot für gleiche oder gleichartige Vertretungen (es sei denn, alle Beteiligten sind damit einverstanden). Außerdem ist das vertretene Unternehmen unverzüglich von jedem Auftrag zu informieren und die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns in allen geschäftlichen Belangen walten zu lassen. Inhalte eines Handelsvertreter-Vertrags sind folgende: •• vertragsschließende Parteien, •• Präambel mit genauer Vertragsbezeichnung, Zweck und Ziele des Vertrags, gegenseitigen Zusicherungen, •• Vertragsobjekt: Produkt, spätere Aufnahme neuer Produkte in den Vertrag, •• Vertragsgebiet: geografische Abgrenzung des Gebiets, in dem der Handelsvertreter tätig ist, •• Verpflichtungen des Handelsvertreters: erschöpfende Aufführung, nicht nur generelle Klauseln,

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2. Der Direktabsatz •• Verpflichtungen des Vertretenen, •• Weisungsrechte des Vertretenen in umfassender Aufzählung, •• Provisionsanspruch des Handelsvertreters: Entstehen, Abrechnung, Zahlungsfristen, Zahlungswährung, •• Vorbehaltskunden des Vertretenen: Gruppenbezeichnung oder Kundenliste im Anhang des Vertrags, •• Vertragsdauer: Befristete Probezeit, danach Vertrag auf Zeit oder mit unbeschränkter Dauer, •• Vertragskündigung: Kündigungsgründe, Fristen, Formerfordernisse, •• Konfliktregelung: Arbitrage oder Schiedsgericht unter Verzicht auf Anruf ordentlicher Gerichte, mit Schiedsklausel, •• Ausgleichsanspruch: Abgeltung des Handelsvertreters bei vorzeitiger Kündigung bzw. bei Kündigung ohne Rechtsgrund, Berechnungsmodalitäten, •• Anwendbares Recht, •• Gerichtsstand (falls keine Schiedsklausel), •• Inkrafttreten des Vertrags, •• Wettbewerbsverbote während des Vertrags und nach dessen Beendigung, •• Haftung des Handelsvertreters für von ihm verursachte Schäden, •• Teilnahmepflicht des Handelsvertreters bei Klagen und anderen rechtlichen Maßnahmen zum Schutz seiner Interessen.

Handelsvertretersysteme finden sich z. B. bei Versicherungen/Bausparkassen, Reisebüros (z. B. als Lufthansa-Agentur), Anzeigen (für Insertionsaufträge), Lotto-/ Totoannahmestellen (für die lokale Lotteriehoheit), Markentankstellen (für Mineralölkonzerne), Deutsche Post/DHL (als Postagentur), Verlagen (für Abonnentenwerbung), Mediaagenturen oder im Versandhandel (als Sammelbesteller). Ein Problem speziell bei Einfirmen-Handelsvertretern ist immer der Anschein der Scheinselbstständigkeit. Diese ist nach Gesetz zu bejahen, wenn drei der nachfolgenden fünf Indizien gegeben sind: •• keine sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer, •• ausschließlich für einen Auftraggeber tätig, •• eine alternative Verrichtung durch Beschäftigte ist möglich, •• kein kaufmännisch eingerichteter Geschäftsbetrieb, •• eine ähnliche Tätigkeit wie als Arbeitnehmer zuvor. Die Vermutung der Scheinselbstständigkeit kann widerlegt werden. Wird diese jedoch bejaht, ist der Auftraggeber des Einfirmen-Handelsvertreters für diesen sozialversicherungsabgabenpflichtig.

2.2 Absatzhelfer

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2.2.1.2 Kommissionär Der Kommissionär ist in eigenem Namen, aber (regelmäßig) auf fremde Rechnung tätig, indem er Waren oder Anrechte kauft oder verkauft. Er ist Kaufmann kraft Grundhandelsgewerbe und kann in einem dauernden oder nur fallweisen Vertragsverhältnis stehen. Nach dem Funktionsbereich kann es sich um einen Einkaufs- oder Verkaufskommissionär handeln, Ersterer erwirbt zunächst das Eigentum am Kommissionsgut solange, bis er es an den Kommittenten übereignet, Letzterer erwirbt kein Eigentum am Kommissionsgut, jedoch an der Forderung aus dem Verkauf (eigener Name), die er an den Kommittenten abtritt. Eigentlich liegen somit zwei Verträge vor, einer zwischen dem Kommittenten und dem Kommissionär, in dem sich der Kommissionär verpflichtet, sich um den Verkauf zu bemühen, und ein weiterer zwischen Kommissionär und Käufer, in dem der Kommissionär alle Pflichten und Rechte eines Verkäufers einnimmt. Damit ist allein der Kommissionär Vertragspartner des Käufers, folglich steht ihm auch die Kaufpreisforderung zu. Der Geschäftsbetrieb eines Kommissionärs wird auch Agentur genannt.

Abbildung 33: Kommissionärsbeziehung

Die Entlohnung erfolgt über Provision für ausgeführte Geschäfte und Auslagenersatz für alle Fremdkosten durch den Auftraggeber. Überschüssige Ware oder Geld ist exakt herauszugeben. Der Kommissionär nimmt das Interesse des Kommittenten wahr und folgt dessen Weisungen, andernfalls ist er schadenersatzpflichtig. Ein Selbsteintritt für Geschäfte ist möglich, d. h. Verkauf aus Eigentum bzw. Kauf in Eigentum. Er kann auch Ware als Pfand für unbefriedigte, fällige Ansprüche einbehalten. Preisabweichungen von der Order sind auf Anzeige und ohne Widerspruch des Auftraggebers möglich (Schweigen ist Zustimmung). Ansonsten hat der Kommissionär den Anweisungen des Kommittenten zu folgen und die Sorg-

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2. Der Direktabsatz

falt eines ordentlichen Kaufmanns walten zu lassen. Er haftet für Verlust und Beschädigung von Ware in seinem Besitz und ist zur unverzüglichen Benachrichtigung bei Geschäftsausführung verpflichtet. Vorteilhaft bei der Einschaltung eines Kommissionärs ist, dass kein eigenes Lager erforderlich ist, da der Kommissionär seinerseits ein Konsignationslager unterhält, dass kurze Lieferzeiten möglich sind, da der Kommissionär im Regelfall sofort lieferfähig ist, und dass kurze Transportwege bestehen, da dezentrale Standorte mehrerer Kommissionäre die Entfernungen zu Kundenstandorten minimieren. Ein Kommissionärs-Vertrag sieht folgende Inhalte vor: •• vertragschließende Parteien, •• Vertragsbezeichnung und -definition unter Bezug auf Handelsrecht, •• Präambel mit Zweck und Zielen des Vertrags, gegenseitigen Erklärungen und Zusagen, •• Weisungsbefugnisse des Kommittenten: Einhalten der Verkaufspreise, Lieferungs- und Zahlungsbedingungen, •• Sonstige Weisungsrechte des Kommittenten, •• Vergütung des Kommissionärs: Provision auf ausgeführte Aufträge und ggfs. Ersatz von im Vertrag bestimmten Kosten, •• Entstehung des Provisionsanspruchs, Berechnungsgrundlage, Abrechnung, Zahlungstermine und Zahlungswährung, •• Pflicht zur sofortigen Mitteilung bei abgeschlossenen Verkäufen (Ausführungsanzeige), •• Widerspruchsrecht des Kommittenten gegen Ausführung von Aufträgen mit Begründung und Fristbindung, •• Ausschluss des Selbsteintrittsrechts des Kommissionärs, •• Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts eingegangener Zahlungen zur Verrechnung auf Provisions- und andere Ansprüche, •• falls Lagerhaltung des Kommissionärs: Vorschriften über Warenaufbewahrung, Sicherung und Schutz vor Verlust bzw. Beschädigung, •• Vertragsdauer und Vertragsbeendigung, ggfs. Probevertrag (befristet), danach Vertrag auf Zeit bzw. auf Dauer, •• Vertragskündigung: Gründe, Fristen, Formvorschriften, •• Ausgleichsanspruch des Kommissionärs: Gründe, Berechnung, Zahlungsfristen, Ausschlussfristen, •• Verfügung über Waren und sonstiges Eigentum, Verkaufsunterlagen bei Vertragsende, •• Wettbewerbsverbote während der Laufzeit und ggfs. nach Beendigung des Vertrags.

Eine im B-t-b-Sektor häufige Form ist die des Konsignationslagers. Der Lieferer liefert dabei Ware in das Lager des Abnehmers, die dieser erst bezahlt, wenn er sie dem Lager entnimmt. Das Lager des Lieferanten befindet sich damit praktisch

2.2 Absatzhelfer

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am Abnehmerstandort. Bei Unterschreiten von Mindestmengen füllt der Lieferant das Lager wieder auf. Die Abrechnung kann auch periodisch erfolgen. Vorteile für den Abnehmer sind folgende: •• Absicherung logistischer Risiken, Befreiung von Lagerverwaltung und Kapitalbindung, Warenrisiko verbleibt beim Lieferer, Kapitalfreisetzung durch verzögerten Eigentumsübergang der Waren, Bestandshöhe auf Pufferniveau, Erhöhung der Lieferflexibilität, Reduzierung der Prozesskosten, Steigerung der Kundenzufriedenheit. Der Lieferer hat folgende Vorteile: •• Reduzierung der Konkurrenz durch Single sourcing für Konsignations-Identnummern, Optimierung der Produktionslosgrößen, Ausgleich der Produktionsplanung, Reduzierung der Lagerhaltung. 2.2.1.3 Handelsmakler Der Handelsmakler ist in fremdem Namen und auf fremde Rechnung nur mit der fallweisen, gewerblichen Vermittlung von Abschlüssen befasst, ohne selbst in den Warenfluss eingeschaltet zu sein. Gewerbsmäßig bedeutet, dass die Tätigkeit auf planmäßige Gewinnerzielung gerichtet ist. Dazu reicht der bloße Nachweis von Abschlussgelegenheiten nicht aus. Er ist Kaufmann kraft Grundhandelsgewerbe und vermittelt Geschäftsabschlüsse durch Kontakt zu mehreren potenziellen Käufern und Verkäufern und erhält dafür Provision (= Courtage), normalerweise von beiden Parteien je zur Hälfte. Er ist zur Interessenwahrung beider Seiten verpflichtet und haftet für durch Verschulden von ihm verursachte Schäden. Denn der Handelsmakler tritt mit beiden Parteien in vertragliche Beziehungen, auch wenn er nur von einer Partei beauftragt wird. Über das vermittelte Geschäft wird eine Schlussnote an jede Partei erstellt und unverzüglich zugestellt. Ein Tagebuch dient dem Nachweis der Tätigkeit als Entlohnungsvoraussetzung. Er hat den Parteien auf Verlangen Auskunft über seine Geschäftsanbahnungsaktivitäten zu geben. Er bewahrt Warenmuster beim Kauf nach Probe auf und kann bei fehlendem Beauftragungsnachweis einer Partei selbst in das Geschäft eintreten. Ein Maklerlohn wird nur fällig, wenn der Geschäftsabschluss rechtswirksam zustande gekommen ist, abhängig von Bedingungen, aber unabhängig von der Ausführung. Bei Widerruf besteht kein Anspruch auf Maklerlohn, es sei denn, das Geschäft wird nur widerrufen, um danach einen Direktabschluss ohne Makler­ vermittlung durchzuführen. Der Handelsmakler hat ein Anrecht auf Auslagen­ ersatz, er darf keine Zahlungen der Parteien entgegennehmen. Bei allen gesetz­ lichen Regelungen handelt es sich um abdingbares Recht.

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2. Der Direktabsatz

Typisch sind Waren-, Wertpapier-, Versicherungs-, Frachten- und ­Schiffsmakler. Nicht hierzu gehört der Zivilmakler. Makelung ist in bestimmten Bereichen restriktiv geregelt (so für Arbeitsplätze oder Adoptionen). Zivilmakler befassen sich mit BGB-Verträgen, sie haben bereits bei Nachweis einer Gelegenheit Anspruch auf Courtage (Nachweismakler). Leistungsergänzende Absatzhelfer fördern den Absatz durch Finanzierung (z. B. als Kreditinstitut), Absicherung (z. B. als Versicherung), Information (z. B. als Auskunftei) und Beratung (z. B. als Werbeagentur). Sie sind parallel zum Waren­fluss selbstständig tätig, ohne dabei deren Eigentümer zu werden. Da sie jedoch unverzichtbares Komplement zum Warenfluss sind, kommt ihnen dabei erhebliche Bedeutung zu. 2.2.1.4 Handelsversteigerer Der Handelsversteigerung ist in fremdem Namen und auf fremde Rechnung tätig. Die Entlohnung erfolgt durch Aufgeld (meist vom Käufer) + Spesen (meist vom Verkäufer) aus dem Auktionserlös. Der Versteigerer tritt auf öffentlich angekündigten Marktveranstaltungen auf, um nicht fungible Waren im Wege des Bieteverfahrens an denjenigen zu versteigern, der das beste (höchste/niedrigste) Gebot dafür abzugeben bereit ist. Dabei handelt es sich für gewöhnlich um schnell verderbliche Waren (z. B. Obst und Gemüse), Waren mit stark schwankender Qualität (z. B. Rohstoffe), Notversteigerungen als Verwertung (z. B. von Pfändern) oder Sammlerstücke für Liebhaber (z. B. Kunst). Versteigerer bedürfen einer Erlaubnis nach GewO. Diese wird vom Ordnungsamt/Gewerbeamt erteilt (evtl. mit öffentlicher Bestellung und Vereidigung für öffentliche Versteigerungen durch die IHK), sofern keine Zweifel an der Zuverlässigkeit bestehen (z. B. wegen bestimmter Vorstrafen, ungeordneter Vermögensverhältnisse). Versteigerungen sind vorab anzuzeigen und es ist Gelegenheit zur Besichtigung des Versteigerungsguts durch potenzielle Bieter zu geben. Der Handelsversteigerer darf selbst nicht mitbieten, auch nicht durch Verwandte oder Bekannte mitbieten lassen und keine Objekte versteigern, mit denen er selbst handelt oder an denen er Pfandrechte besitzt. Die Versteigerung ist ein öffentliches Bietverfahren mit Zuschlag für das Höchstgebot und Barzahlungspflicht für physisch vorhandene Güter, die nicht standardisierbar sind (§ 156 BGB). Die Preisgebote der Nachfrager gehen von unten nach oben (auf Aufstrich). Stellt der Anbieter hingegen eine Preisforderung, geht diese von oben nach unten (auf Abstrich/Veiling). Es handelt sich damit um die Organisation des Marktes für ein bestimmtes Angebot durch Anziehung einer Mehrzahl von Kaufinteressenten zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort. Die Präsenz der Auktionsobjekte am Ort bzw. in dessen Nähe ist gegeben. Deren Inaugenscheinnahme durch Kaufinteressenten kann erfolgen. Die Abgabe von Preisgeboten bewirkt eine Tendenz zum gegenseitigen Überbieten. Den Zuschlag erhält jeweils das Höchstgebot bzw. die Höchstannahme. Versteigerungen sind zu

2.2 Absatzhelfer

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bevorzugen, wenn es auf einen sicheren und schnellen Absatz ankommt, für den sich ein adäquater Preis erst noch bilden muss, wie dies bei nicht-fungiblen Waren notwendig ist. Die Verkäufer ordnen dem ihr Preisinteresse unter, worin wiederum die Attraktivität für potenzielle Käufer liegt. Beispiele finden sich bei Kunstobjekten, Antiquitäten, Nutztieren, Immobilien, Rechten, Zollaservaten, Pfändern etc. Elemente jeder Versteigerung sind ein Mindestpreis, das Gebotsinkrement und die Verbindlichkeit der Gebote (keine Spaßbieter). Die Zeitdauer ist vorgegeben (früher durch Kerzenabbrennen). Auktionen nehmen damit mehrere Funktionen wahr: •• die Koordinationsfunktion besagt, dass sie markträumende Preise ermitteln, die das Angebot und die Nachfrage so koordinieren, dass alle Produkte abgesetzt werden, •• die Preisbildungsfunktion besagt, dass sie auch für kaum oder selten gehandelte Güter (wie Unikate) Preise ermitteln können, ohne auf Schätzungen angewiesen zu sein, •• die Allokationsfunktion besagt, dass sie auch als Zuweisungsmechanismus für schwer zu vermarktende Produkte (z. B. Restplätze auf einem Linienflug) dienen können, •• die Distributionsfunktion besagt, dass sie geeignet sind, eine große Zahl von Bietern anzuziehen und damit einen separaten Absatzkanal darstellen. Vorteile des Verkäufers sind die Konzentration der Nachfrage, ein großer Umsatz in kurzer Zeit, ein besserer Preis durch gegenseitiges Überbieten und die Einschaltmöglichkeit von Absatzhelfern. Nachteile des Verkäufers sind der Preisdruck bei geringer Nachfrage und ein schwieriger Absatz bei geringer Qualität der Lose. Vorteile der Käufer sind der gute Überblick über die Marktlage, bei Überangebot ein günstiger Einkaufspreis auch bei kleinen Mengen und die vorherige Besichtigungsmöglichkeit der Ware. Nachteile der Käufer sind der oft zu hohe Preis durch Überbieten sowie die meist erforderliche Übernahme der Makelungsgebühren und Lagerspesen.

2.2.2 Vergleich Reisender vs. Handelsvertreter Häufig ist beim Direktabsatz die Entscheidung zwischen unternehmenseigenen Verkäufern als angestellte Reisende (Verkaufsaußendienstmitarbeiter) und unternehmensfremden Verkäufern als selbstständige Handelsvertreter zu treffen. Dafür können qualitative und/oder quantitative Kriterien zugrunde gelegt werden. Reisende haben Arthandlungsvollmacht für eine bestimmte Art von Rechtsgeschäften, Generalhandlungsvollmacht für alle Rechtsgeschäfte oder Spezialhandlungsvollmacht für einzelne Rechtsgeschäfte. Meist wird der Vergleich zwischen (selbstständigen Einfirmen-) Handelsvertretern und (unselbstständigen) Reisenden im Außenverkauf gezogen. Für die Präferenz zwischen beiden sind sowohl quali-

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2. Der Direktabsatz

tative wie quantitative Aspekte bedeutsam. Zunächst zu den qualitativen, die Effektivität betreffenden. Der Reisende hat folgende komparativen Vorteile auf seiner Seite: •• Es ist eine Detailsteuerung durch den Auftraggeber wegen strikter Weisungsgebundenheit als Angestellter möglich. Es können Besuchsnormen und Reiserouten vorgegeben werden, deren Kontrolle im Berichtswesen jederzeit nachvollziehbar ist. Ein Motivationsschub durch Zulagen oder ähnliche Anreize ist jederzeit möglich. Die Spezialisierung auf das Angebot eines Hersteller- oder Handelsbetriebs führt zu hoher Identifikation und Überzeugungskraft für diesen. Es besteht eine Interessenidentität mit dem eigenen Betrieb. Ein Ausgleichsanspruch bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses besteht nicht. Gebietskorrekturen sind leicht und ohne Abfindung oder Änderungskündigung machbar. Ein direkter Kontakt zwischen Kunde und Betrieb bleibt erhalten. Komparative Vorteile des Handelsvertreters sind hingegen folgende: •• Es entstehen nur oder weit überwiegend erfolgsabhängige variable Kosten, die bei Umsatzrückgang die Rentabilität nicht belasten. Intensive Verkaufsbemühungen aus originärer Unternehmerinitiative führen mutmaßlich zu erhöhter Effizienz. Vielseitige vorhandene Kundenkontakte schaffen in der Aufbauphase eine schnelle und kostengünstige Akquisition. Die Reklamationsabwicklung ist wegen der Neutralität unproblematischer. Es besteht nur ein geringer organisatorischer Aufwand durch eigenverantwortliche Arbeitsplanung, -durchführung und -nachbereitung. Bei eigener Lagerhaltung ist eine hohe Lieferbereitschaft für Ad hoc-Abschlüsse gegeben. Die Nachteile der jeweiligen Gestaltungsform ergeben sich aus den genannten Vorteilen der jeweils anderen Gestaltungsform.

Abbildung 34: Kostenvergleich Handelsvertreter vs. Reisender

2.3 Führung der Vertriebsmitarbeiter

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Quantitativ, also die Effizienz betreffend, liegen mit steigender Absatzmenge die Kosten eigener Verkaufsmitarbeiter, die Fixum und Prämie erhalten, unter denen selbstständiger Absatzhelfer, die auf Provisionsbasis arbeiten. Dementsprechend ist zu Beginn der Geschäftstätigkeit eher ein Einsatz von Absatzhelfern empfehlenswert, auch wegen der qualitativen Aspekte, mit zunehmendem Geschäftserfolg aber ab einem Break even-Punkt der Umstieg auf eigene Mitarbeiter ratsam. Dies kann rechnerisch und grafisch dargestellt werden. Beispiel: •• Reisender: Fixum p.a. 24.000 €, Umsatzprämie: 1 % ab einem Absatz von 12 ­Einheiten p. a. •• Handelsvertreter: Home office-Kostenbeitrag: 3.000 € p.a., Umsatzprovision: 4 % •• Produktpreis: 50.000 € 24.000 + 0,01 (x – 600.000) 24.000 + 0,01 x – 6.000 15.000 + 0,01 x 15.000 1.500.000 x

= = = = = =

3.000 + 0,04 x 3.000 + 0,04 x 0,04 x 0,03 x 3 x 500.000

•• Break even: 10 Einheiten, d. h. bei Absatz von bis zu 10 Einheiten à 50.000 € p.a. ist der Einsatz eines Handelsvertreters kostengünstiger als der Reisendeneinsatz, ab der 11. abgesetzten Einheit ist der Einsatz eines Reisenden kostengünstiger. Tatsächlich liegt der Break even bei einer höheren Menge, da bei einem Wechsel von Handelsvertreter auf Reisenden auch noch die Ausgleichszahlung des ausscheidenden Handelsvertreters berücksichtigt werden muss.

In der Praxis sind die Unterschiede freilich nicht so gravierend. Die Trennung von einzelnen Absatzhelfern ist bei geeigneter Vertragsgestaltung trotz eines evtl. Ausgleichsanspruchs unkompliziert, denn die Ausgleichszahlung wird meist vom Nachfolger übernommen, da ihm Einnahmen zufließen, für deren Erschließung er keinen Arbeitseinsatz geleistet hat. Auch werden Zusatzaufgaben übernommen, wie ansonsten nur bei eigenen Mitarbeitern üblich. Demgegenüber kann sich die Trennung von eigenen Mitarbeitern als durchaus schwierig erweisen, wenn der Betriebsrat entscheidend mitredet. Auch ist deren Steuerung durchaus nicht problemlos, dazu bedarf es vielmehr ausgefeilter Planungs- und ­Kontrollmechanismen.

2.3 Führung der Vertriebsmitarbeiter 2.3.1 Beschaffung und Auswahl von Mitarbeitern Die Personalbeschaffung von Vertriebsmitarbeitern erfolgt auf mehreren Wegen. Betriebsexterne Beschaffungsquellen sind Stellenanzeigen in Zeitungen oder Fachzeitschriften, zunehmend auch im Internet auf der eigenen oder intermediären Seiten, die Einschaltung von Personalberatern, Personal-Leasing, die Beauf-

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2. Der Direktabsatz

tragung der Arbeitsagentur, die Auswertung von Blind- und Vorratsbewerbungen sowie die Nutzung persönlicher Kontakte. Bei den Stellenanzeigen ist neben der Wahl geeigneter Medien vor allem die informative Gestaltung des Inhalts bedeutsam. Die Dienste von Headhunters machen nur bei der Suche von leitenden Mitarbeitern Sinn, zumal ein hohes Vermittlungsentgelt (drei Monatsgehälter) fällig wird. Der Datenbestand der Arbeitsagenturen ist oft unzureichend. Initiativbewerbungen sind eine gute Quelle, weil einerseits von Aktivität seitens des potenziellen Bewerbers ausgegangen werden kann und andererseits eine gewisse Affinität zum kontaktierten Unternehmen unterstellt werden kann. Zumal dafür keine weiteren Recherchekosten und Zeitaufwendungen anfallen. Daher sollten solche Bewerbungen, selbst wenn aktuell kein Bedarf besteht, unbedingt mit einer entsprechenden kurzen Nachricht annonciert in den Bewerbungsvorrat übernommen werden, um bei Bedarf darauf zurückzugreifen. Am wirkungsvollsten ist sicherlich die Nutzung persönlicher Kontakte, weil man dabei ein recht genaues Leistungsprofil des potenziellen Bewerbers als bekannt und dessen Übereinstimmung mit dem Anforderungsprofil voraussetzen kann. Hinzu kommen betriebsinterne Quellen wie die interne Stellenausschreibung in Intranet/Extranet, die Versetzung im Rahmen von Job rotations oder die Umschulung qualifizierbar erscheinender Mitarbeiter. Interne Ausschreibungen haben mehrere wichtige Funktionen. Zum einen steigern sie die Effektivität des Unternehmens, indem sie Arbeitspräferenzen von Mitarbeitern für den Einsatz nutzen, zum anderen erhöhen sie deren Motivation, die Aufgaben wahrzunehmen, für die sie sich am besten geeignet halten. Sie beugen auch Neid und Missgunst vor, die oft Quereinsteigern von außen entgegengebracht wird, die nicht erkennbar besser qualifiziert sind als vergleichbare Mitarbeiter anderer interner Bereiche oder gleicher Hierarchiestufen. Und schließlich ist die Gewissheit der Leistungsfähigkeit bei bekannten Mitarbeitern weitaus größer als bei jedem von außen kommenden Bewerber. Planvolle Versetzungen innerhalb von Abteilungen bzw. Betrieben helfen nicht nur, aktuelle Personalbedarfsprobleme zu lösen, sondern bewirken als willkommenen Nebennutzen eine Ausweitung an Kenntnissen und Fertigkeiten der Mitarbeiter, die per Saldo wiederum dem Betrieb zugute kommt. Selbst wenn zwischen dem aktuellen Leistungsprofil eines Mitarbeiters und dem Anforderungsprofil einer zu besetzenden Stelle eine Qualifikationslücke klafft, ist zu überlegen, ob nicht die Weiterbildung eines Mitarbeiters sinnvoller ist als eine Neu­besetzung, und zwar aus motivatorischen ebenso wie aus Effektivitätsgründen. Wichtig sind vor allem aussagefähige Ausschreibungsunterlagen. So gehören zum Mindestumfang die ausgeschriebene Position mit einer kurzen Beschreibung der Aufgaben, Kompetenzen und internen Einordnung sowie die Darstellung von Aufstiegschancen, Ausschreibungsgründen und Besetzungstermin. Ebenso ist die geforderte formale und materielle Qualifikation darzustellen, also Fähigkeiten, Berufserfahrungen, Kenntnisse, Ausbildung, Altersspanne etc. Bei externer Suche ist zudem eine Beschreibung des suchenden Unternehmens erforderlich, so hin-

2.3 Führung der Vertriebsmitarbeiter

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sichtlich Branche, Aktivitäten, Standort, Größe und Firmenstil. Dazu gehört auch die Nennung einer Ansprechperson für die Kontaktaufnahme. Fakultativ ist eine Auslobung des Angebots hinsichtlich Gehalt, Weiterbildungschancen, Sozialleistungen, Einarbeitungshilfen etc. Geschickt aufgemachte Unterlagen werden von professionellen Unternehmen längst als akzidentelle Werbemittel genutzt. Sie bieten einen guten Anlass, die Eigenschaften, die ein Unternehmen besonders auszeichnen, auszuloben und weisen durch Inhalt und Form auf Selbstverständnis und Bedeutung eines Absenders hin. Die Qualität von Internet-Bewerbungen ist in Bezug auf Vertriebsmitarbeiter als nicht immer aussagefähig zu beurteilen. Die Bewerberauswahl kann durch unpersönliche oder persönliche Verfahren erfolgen. Zu den unpersönlichen Verfahren gehört die Ansicht eingereichter Bewerbungsunterlagen (Zeugnis, Lebenslauf, Anschreiben etc.), die Anhörung von Referenzpersonen, die Einholung eines graphologischen Gutachtens oder die Auswertung eines biographischen Fragebogens. Zu den persönlichen Verfahren gehört das Vorstellungsgespräch, und zwar einzeln, seltener auch in Gruppen, unter Stress, in mehreren Etappen durch verschiedene Beurteiler oder strukturiert. Weitere Möglichkeiten betreffen das Assessment center oder den Einsatz psycholo­ gischer Testverfahren (wie Rorschach-Test, Thematischer Apperzeptions-Test, Picture frustration-Test etc.). Die Arbeitsinhalte im Vertrieb sind vielfältig. Nachfolgend Beispiele der Stelleninhalte von Außen-, Kunden- und Innendienstmitarbeitern: •• Stelleninhalte von Außendienstmitarbeitern: Pflege des vorhandenen Kundenstamms, Betreuung von Vertragspartnern, Erreichung der Umsatzziele für eine definierte Region, Produkt- oder Kundengruppe, Berichtswesen an Verkaufsleiter bzw. Marketingleiter, Suche nach Kaufinteressenten und Potenzialklärung, Kundenbesuche und Kundenqualifizierung, Neukundengewinnung, Stammkundensicherung, -pflege bzw. Handelsbetreuung, Kundenberatung, Problemlösungsberatung, Verkaufsverhandlungen von Preisen und sonstigen Konditionen, Produktvorstellungen und Präsentationen, Marktbeobachtung, Wettbewerbsforschung beim Kunden, Abklärung von Warenverfügbarkeit und Lieferzeiten (mit Innendienst), Abklärung von Beanstandungen, Reklamationen (mit Innendienst), Austausch von Nutzungserfahrungen der Kunden mit dem Produktmanagement, Mitarbeit an Verkaufsförderungsaktionen, Messen und Ausstellungen, Mitarbeit an strategischer und operativer Marketingplanung. •• Stelleninhalte von Kundendienstmitarbeitern: Technische Beratung und Betreuung des Kundenstamms, spezielle Produktaufklärung und Beratung im Rahmen der Neukundengewinnung, Erfüllung der mit Wartungsaufträgen verbundenen Verpflichtungen, Bericht an Verkaufs- bzw. Marketing- oder Technikleitung, enge Abstimmung mit Produktmanagement sowie Forschung und Entwicklung, allgemeine technische Beratung, auch präventiv, Prüfung von Einbau-, Betriebs- und Installationsbedingungen, Koordinierung rund um den Kauf, Angebot und Verkauf von Serviceverträgen, Aufstelldienst, Inbetriebnahme, Herstellungsbetreuung, Überprüfung von Spezifikationen, Ersatzteilservice, Garantie­ reparaturen, Geräteumtausch, Folgebedarfsfeststellung, Wettbewerbsbeobachtung, Vereinbarung von Außendienst-Besuchsterminen, Weiterleitung von Kundenanregungen und Beanstandungen, Mithilfe bei der Markteinführung neuer Produkte.

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2. Der Direktabsatz

•• Stelleninhalte von Innendienstmitarbeitern: Order processing, d. h. Abwicklung der laufenden Kundenvorgänge, Mitarbeit bei der Kundenbetreuung, Unterstützung des Außen­ dienstes, Berichtswesen an die Verkaufs- bzw. Marketingleitung, Unterstützung für den Außendienst bei Bedarfsklärungen, Folgebedarfsabklärungen, eigenverantwortliche Kleinkundenbetreuung, allgemeine telefonische und schriftliche Vorgangsabwicklung, Angebotsbearbeitung, Fakturierung, Nachhalten von Kundenbonitäten, Auskunftseinholung, Abwicklung von Reklamationen, Weiterverfolgung von Kundenanregungen, Abstimmung mit Logistik, vor allem Lieferzeitenkontrolle, Unterstützung für Handel und andere Vertriebspartner, Mitarbeit an Mailing-Aktionen bzw. Telemarketing, allgemeine Beratung und Hotline-Service, Mitarbeit bei Messen und Verkaufsförderungsaktionen, Betreuung bei Kundenbesuchen im Stammhaus, Überwachung des e-Commerce-Geschäfts.

Für die Verkaufstätigkeit gelten meist die Inhalte einer Betriebsordnung. Diese bestimmt: •• Geltungsbereich, •• Einstellung und Anstellungsvertrag (Unterlagen der Mitarbeiter, Veränderungsmeldungen, Krankenversicherungspflicht, Tätigkeitsbereich, Einführung und Patenschaft), •• Geheimhaltung und Betriebstreue, •• Arbeitszeit, Pausen und Mehrarbeit (Pünktlichkeit, Arbeitsbeginn, Verspätung, Arbeitszeitkontrolle), •• Arbeitsentgelt (Höhe der Lohn- und Gehaltszahlung, Einwendungen, freiwillige Leistungen, Abtretung und Pfändungen, Personalkauf), •• Urlaub (Anspruch, Planung, Sonderfälle), •• Arbeitsversäumnis (Abwesenheitsmeldung, Krankmeldung, Gesundheitsfürsorge), •• Pflichten des Mitarbeiters (Grundsätze, Umgang mit Kunden, Maßnahmen bei Verstößen), •• Zusammenarbeit und Beschwerden der Mitarbeiter (Schlichtung, Zurecht­ weisung), •• Ordnung und Ordnungshilfsmittel (Mitteilungen, Aufenthalt im Betrieb, Erscheinungsbild der Mitarbeiter, Sauberkeit, Verpflegung, Alkoholverbot, Haftung bei Schäden, private Telefonate/Internetnutzung, Benutzung von Firmenfahrzeugen, Betriebsfrieden, Kontrollen, Rauchverbot), •• Sicherheitsvorschriften (Unfallverhütung, Verhalten bei Unfällen, Schadens­ verhütung), •• Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Kündigung, Ansprüche, Rückgabe von Betriebseigentum, fristlose Entlassung).

2.3 Führung der Vertriebsmitarbeiter

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2.3.2 Beurteilung und Qualifizierung der Mitarbeiter Die Beurteilung von Mitarbeitern im Vertrieb bezieht sich meist auf die Schlüsselqualifikationen, also Fach-, Methoden-, Sozial- und Individualkompetenzen. Als fachliche Kompetenzen sind zu nennen: •• Pkw-Führerschein, einwandfreier finanzieller Status, polizeiliches Führungszeugnis, Mindestberufserfahrung in der Branche, abgeschlossene Berufsausbildung mit Weiterbildung, PC-Anwenderkenntnisse (z. B. MS-Office-Paket), Produktkompetenz, Kenntnisse über aktuelle Markt- und Konkurrenzentwicklungen, Berücksichtigung von Wechselwirkungen bei Entscheidungen, konzeptionelles Planen, Akzeptanz von Zielsetzungen und deren erfolgsorientierte Verfolgung, Entwicklung eigener Zielvorstellungen und kreativer Ideen, Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Ideen, Engagement für Veränderungen, proaktives Denken und Handeln, bewusste Ausrichtung des Verhaltens an Benchmarks, ertragsorientierte Ausrichtung, Fähigkeit, andere für seine Ziele zu gewinnen. Als methodische Kompetenzen sind zu nennen: •• präzise, eindeutige und aktive Artikulation, Einsatz kurzer, prägnanter Sätze, Vermeidung von Weitschweifigkeit, flüssige, klare und verständliche Formulierung, Vermittlung der eigenen Begeisterung, Erkennung des Wesentlichen und Setzung erfolgsorientierter Prioritäten, Identifizierung potenzieller Kunden und Schätzung deren Potenzials, Planung von Kontakten und Nutzung von Anlässen zur Kundenansprache, rechtzeitige Analyse und Erkennung von Wettbewerbssituationen, Beschaffung erforderlicher Informationen, gezielte Vor- und Nachbereitung von Gesprächen, effiziente Zeitplanung und -nutzung, genaues und sorgfältiges Arbeiten, Selbstorganisation, konsequente Arbeit im Kundenstamm, eröffnet Gespräche aktiv und gewinnend, führt Gespräche zielbezogen weiter, gibt den Kunden ausreichende Informationen, analysiert und qualifiziert Bedarfe bei Kunden, hört aktiv und konzentriert zu, weckt proaktiv Bedarfe und spricht Motive an, argumentiert sicher, flexibel und nutzenorientiert, kommt stringent zum Abschluss, präsentiert sicher und wirkt stressstabil, gibt die für die Zielerreichung relevanten Informationen, setzt Anreize zum Zuhören, präsentiert Konzepte und Leistungen überzeugend, bietet das gesamte Programm aktiv an, löst Sog für gemeinsame Ziele aus, ergreift das Wort, ohne dominant zu werden, vertritt Positionen und Interessen klar und bestimmt, argumentiert sachlich und überzeugend, vermeidet vorschnelle Kompromisse und stimmt nicht ungeprüft zu, überwindet Widerstände flexibel und geht sicher mit Einwänden um, führt ein Gespräch zielorientiert, fasst Vor- und Nachteile seiner Lösungen geschickt zusammen, holt aktiv die Zustimmung seiner Zuhörer ein. Als soziale Kompetenzen sind zu nennen: •• erreicht eine teamorientierte Kooperation mit allen Prozessbeteiligten, gibt Informationen offen weiter, engagiert sich für Teamziele, berücksichtigt andere

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2. Der Direktabsatz

Meinungen und Vorschläge, erzeugt ein offenes und konstruktives Arbeitsklima, motiviert zur Mitarbeit, engagiert sich mit Anregungen/Ideen und Informationen, übernimmt im Team Aufgaben, die seinen Kompetenzen entsprechen, kann Eigeninteressen im Sinne der Sache zurückstellen, gibt ein rollenadäquates und konstruktives Feedback, wird in seiner Arbeitsumgebung respektiert, geht auf andere Menschen zu und knüpft Kontakte, begeistert Partner von seiner Aufgabe, akzeptiert vereinbarte Spielregeln, entwickelt von sich aus vielfältige Beziehungen und Kontakte, zeigt eine unverkrampfte Grundhaltung, erkennt und berücksichtigt Motive und Gefühle, baut eine Vertrauensbasis auf, kann sich leicht auf verschiedene Gesprächspartner einstellen, zeigt ein gutes Gespür für Stimmungen bei Gesprächspartnern, hat situatives Einfühlungsvermögen, wird unter Stress nicht aggressiv, reagiert nicht sofort mit Abwehrmechanismen wie Entschuldigung oder Angriff, analysiert Konflikte und deren Ursachen objektiv, reflektiert selbstkritisch die eigene Rolle im Konflikt, versucht eigenständig Konfliktlösungen zu erreichen. Als individuelle Kompetenzen sind zu nennen: •• angemessenes Erscheinungsbild (Kleidung), einwandfreie Umgangsformen/ Höflichkeit, sicherer und souveräner Auftritt, realistische Einschätzung der eigenen Fähigkeiten, positive Grundeinstellung zu Leben und Beruf, Setzung herausfordernder, aber realistischer Ziele, Begeisterungsfähigkeit, flexible Einstellung auf neue Situationen, Antriebsstärke und Ausdauer, schwierige Auf­ gaben als Herausforderung annehmen, Initiative entwickeln, sich in der Verfolgung seiner Ziele engagieren, Bereitschaft zur kontinuierlichen Weiterbildung zeigen, die Folgen seines Handelns bedenken, auf eine ausgewogene Balance der Interessen achten, arbeitsplatzbedingte Risikofaktoren berücksichtigen, Entscheidungen treffen und Verantwortung dafür übernehmen, das eigene Verhalten mit dem Ziel des Lernens reflektieren. Angesichts zunehmend komplexer Vermarktungssituationen ist es für Vertriebsmitarbeiter unerlässlich, sich kontinuierlich weiter zu qualifizieren. Dafür stehen die Möglichkeiten des Verhaltenstrainings und der Wissensschulung bereit. Das Verkaufstraining für Verhaltenskompetenzen erfolgt häufig durch On the job-Methoden (meist durch Assistenz- oder Stellvertretertätigkeit erlernt) wie •• Job enrichment als Aufwertung des Arbeitsinhalts durch Übertragung von mehr Verantwortung, •• Job enlargement als Ausweitung des Aufgabenumfangs und/oder der Kontrollspanne, •• Job rotation als Erweiterung des Erfahrungsspektrums durch Ausübung verschiedener Stellen.

2.3 Führung der Vertriebsmitarbeiter

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Daneben können eingesetzt werden: •• Into the job-Methoden, die der beruflichen Ausbildung und Anlernung dienen, •• Along the job-Methoden, die im Wesentlichen in Vertriebsassistenz/Zuarbeit bestehen, •• Near the job-Methoden, die der Einarbeitung dienen (etwa Projekt, Qualitätszirkel), •• Parallel to the job-Methoden, die durch Mentoring-/Coachingprogramme verwirklicht werden, •• Off the job-Methoden, die losgelöst von der operativen Tätigkeit erfolgen, z. B. durch Fallstudien, Planspiele, Rollenspiele, Workshops, •• Out of the job-Methoden, die bei Freisetzung greifen, wie Outplacement, Ruhestandsvorbereitung, gleitender Ruhestand etc. Die Faktenschulung für Fachkompetenzen bedient sich unpersönlicher oder persönlicher Verfahren. Zu den unpersönlichen Verfahren gehören die Auswertung von Büchern und Zeitschriften, das Selbststudium durch Lehrbriefe, programmierte Unterweisungen, die Vorführung von DVD’s sowie das computerunterstützte Training (CBT) im Internet oder offline auf CD/DVD, auch durch Education channels (Company-TV/Extranet). Zu den persönlichen Verfahren gehören der Besuch von Vorträgen und Kon­ gressen, die Teilnahme an Seminaren und Diskussionen, die Erarbeitung von Fallstudien und Simulationen/Planspielen sowie die Übung in Rollenspielen und Gruppenarbeiten. Dabei steht das Learning by doing im Vordergrund.

2.3.3 Arbeitsentgeltbemessung 2.3.3.1 Formen Die Mitarbeiterentlohnung bezieht sich auf das regelmäßige Entgelt und hat im Einzelnen dreierlei Anforderungen zu genügen. Als betriebsspezifische Anforderungen sind vor allem die Berücksichtigung aller relevanten Ziele, ein angemessener Flexibilitätsgrad, hohe Wirtschaftlichkeit, weitgehende Leistungsorientierung, geeignete Führungs- und Steuerungsfähigkeit, sinnvolle Einkommensrelationen und eine gewisse Dauerhaftigkeit der Geltung zu nennen. Als mitarbeiterspezifische Anforderungen gelten vor allem die Sicherung einer Mindestentlohnung, ein attraktives Gesamtniveau, gute Übersichtlichkeit und Nachprüfbarkeit, strikte Gerechtigkeit und ein nachvollziehbares Kausalitätserlebnis. Als rechtliche Anforderungen sind vor allem die Einhaltung von gesetzlichen und tariflichen Normen in Betriebsvereinbarungen, Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten sowie die Berücksichtigung des Gleichberechtigungs-/Antidiskriminierungsgrundsatzes zu nennen.

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2. Der Direktabsatz

Dabei bieten sich verschiedene Möglichkeiten der Entlohnung an. Allgemein lassen sich als Entlohnung unterscheiden: nur Festgehalt, Festgehalt und Provision oder nur Provision. Dabei geht der Entlohnungscharakter sukzessiv von fix nach variabel über.

Abbildung 35: Entlohnungsformen im Verkauf

Das Festgehalt (analog Zeitlohn) ist über einen gewissen, längeren Zeitraum konstant, variiert aber periodenbezogen. Es bietet sich bei Schwerpunkt auf verkaufsbegleitenden Tätigkeiten an, bei langen Verkaufsintervallen (wie bei Investitionsgütern), bei starken saisonalen Schwankungen, bei arbeitslastbezogener Gebietseinteilung, bei Teamtätigkeit und während der Aufbauphase eines Marktes. Vorteile liegen darin, dass es einfach und übersichtlich zu handhaben ist, ein finanzielles Sicherheitsgefühl vermittelt, die Relation zwischen Innen- und Außendienst wahrt, der Kundenpflege dient, bei Gebietsänderung oder -versetzung vereinfachend wirkt und Mengendegressionseffekte aufweist. Nachteile liegen darin, dass Unwirtschaftlichkeiten gefördert werden, eine eher geringe Motivation besteht, die Leistungsgerechtigkeit problematisch ist und eine störende Starrheit der Bemessung vorliegt. Bei fallenden Umsätzen entstehen zudem steigende Kosten pro abgesetzter Einheit, und es besteht die Gefahr der Abwanderung der besten Mitarbeiter und des Verbleibs der weniger leistungsfähigen. Die Provision (analog Leistungslohn) ist eine von einer Bezugsgröße abhängige, relative Entlohnungsform. Sie bietet sich für rein verkaufsbezogene Tätigkeiten an, sofern diese direkt beeinflusst werden können und einer objektivierten Beurteilung zugänglich sind. Die Provision findet allerdings vorwiegend auf selbstständige Absatzhelfer Anwendung. Vorteile liegen darin, dass ein unmittelbarer, starker Leistungsanreiz besteht, Kontrollmaßnahmen reduziert werden können und ein variabler Kostencharakter gegeben ist. Nachteile liegen darin, dass die Gefahr von Fehlanreizen bei falscher Bezugsgrößenwahl gegeben ist, dass die Kundenzufriedenheit als zentraler Erfolgsfaktor

2.3 Führung der Vertriebsmitarbeiter

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unter möglichem Hard selling leidet, die Beziehung zwischen Verkaufsinnenund -außendienst problematisch wird, Anpassungswiderstände bei Versetzung bzw. Gebietsänderung gegeben sind, die Einkommen konjunkturell und saisonal schwanken, Ungerechtigkeiten bei der Zurechnung von externen Effekten entstehen sowie die Zielgrößen diffus sind und eine angemessene Höhe schwierig zu bestimmen ist. Es kann zur Vernachlässigung indirekter (vor- und nachbereitender) Verkaufsaufgaben kommen, und die Integration neuer Mitarbeiter in das Provi­ sionssystem ist schwierig. Sammelentlohnungen als Gruppenprovision gelten nicht mehr nur für einen Verkäufer, sondern für mehrere gemeinsam. Die Entlohnung kann an die Gruppe gemeinsam oder jedes einzelne Mitglied gerichtet sein. Letzteres kann wiederum mit einheitlichen oder differenzierten Beträgen erfolgen. Vorteile liegen vor allem in der Vermeidung von Zurechnungsproblemen auf einzelne Personen, in gruppen­dynamischen Prozessen zur Leistungssteigerung und der Einbeziehung verkaufsbegleitender Arbeiten (z. B. Telefonkontakt, Kundendienst). Nachteile liegen jedoch in der Nivellierung der Leistung, möglicher Frustration bei höher leistungsfähigen Mitarbeitern, fehlendem Wettbewerb untereinander, schwieriger leistungsgerechter Zurechnung und Stress durch überzogene Gruppenerwartungen. Mischsysteme sollen die jeweiligen Vorteile der Einzelentlohnungssysteme kombinieren und deren Nachteile vermeiden. Zum Beispiel stellt die Kombination aus Fixum (zeitabhängig) und Provision (leistungsabhängig) einen Kompromiss zwischen dem Sicherheitsbedürfnis auf Seiten des Mitarbeiters und dem Leistungsanreiz auf Seiten des Arbeitsgebers dar. So können z. B. Festgehalt und Provision parallel berechnet werden, wobei dann immer der höhere Wert zur Auszahlung kommt. Zu klären ist die Relation zwischen Fixum und Provision. Empfohlen wird höchstens eine Relation von 80 : 20. Dies kann nach der Zeitrelation der verkaufsvorbereitenden und -abwickelnden Tätigkeiten zu den eigentlich verkaufsbewirkenden geschehen. Zu Ersteren gehören z. B. Tourenplanung, Terminvereinbarung, Angebotsabgabe, Wege- und Wartezeiten bzw. Auslieferung, Reklamationsbearbeitung, Letztere betreffen nur den Verkaufsakt selbst. In der Praxis wird der Anteil des Fixums jedoch immer geringer und meist auf einen niedrigen Absolutbetrag basiert. Auch die Behandlung des zeitlichen Aspekts der variablen Vergütungsanteile während eines lang laufenden Projekts, wie es etwa im Anlagenbau häufig gegeben ist, muss geregelt werden. Üblich sind hier Zahlungen nach Projektfortschritt, z. B. ¹⁄³ bei Vertragsabschluss, ¹⁄³ bei Auslieferung der Anlage und ¹⁄³ bei planmäßigem Zahlungseingang.

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2. Der Direktabsatz

2.3.3.2 Variable Bezugsgrößen Als Bemessungsgrundlagen werden meist Umsatz, Absatz, Gewinn oder Deckungs­ beitrag angewandt. Am Verbreitetesten ist die Umsatzprovision, die sich auf Gesamtumsatz, differenzierte Umsatzanteile, Umsatzvorgaben oder sonstige Größen beziehen kann. Oft wird eine Mindestprovision garantiert, die nur bei Überschreiten einer Zielvorgabe oder auch nur bei deren Einhaltung fällig wird. Der Vertrieb kann seinen Erfolgsbeitrag vor allem auf der Erlösseite leisten. Da eine isolierte Steigerung von Umsätzen ohne Berücksichtigung der Kosten wenig sinnvoll ist, ist es besser, den Gewinn als Summe der Deckungsbeiträge abzgl. der Fixkosten zu definieren. Da die Fixkosten wiederum wenig beeinflussbar sind, bleibt als hauptsächliche Bezugsgröße der Deckungsbeitrag. Der Gesamtdeckungsbeitrag bestimmt sich wiederum aus dem Produkt von Einzeldeckungs­ beiträgen (DS/Deckungsspannen) und Absatzmengen. Dies sind zugleich die beiden „Einfallstore“ zur Optimierung, wobei Nebenbedingungen durch Einsatzfaktorkapazitäten gegeben sind. Es geht also, vereinfacht, um die Maximierung der Deckungsspannen und der Absatzmengen unter Restriktionen, zu denen auch die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter gehört, denn diese ist wichtig zur Motivation und Bindung erwünschter Mitarbeiter. Der Deckungsbeitrag hat als Vorgabegröße eine Reihe immanenter Vorteile: •• Deckungsbeitragsziele führen zu einer starken Orientierung des Verkaufs an der Rentabilität, damit werden die stärksten Verkaufsaktivitäten auf die rentabelsten Produkte gelenkt. •• Ein deckungsbeitragsorientiert arbeitender Mitarbeiter wird versuchen, hohe Erlösschmälerungen zu vermeiden, da diese überproportional auf den Deckungsbeitrag durchschlagen. Insofern kommt es zu ertragsbewusstem Handeln. Allerdings stehen der praktischen Realisierung einer solchen Zielvorgabe einige Probleme entgegen: •• Es ist schwierig, den Deckungsbeitrag korrekt auszuweisen, weil sich die tatsächlichen Kosten (etwa gegenüber einer Vorkalkulation) ändern. Daher werden meist Verrechnungssätze angewendet, die mit Normalkosten arbeiten, aber mehr oder minder weit vom realen Deckungsbeitrag abweichen können. •• Zudem besteht bei offenem Ausweis der Deckungsbeiträge selbst die Gefahr, dass Mitbewerber oder Kunden vermeidbaren Einblick in die Ertragslage des Unternehmens bzw. eines spezifischen Auftrags erhalten. Denn es ist nicht auszuschließen, dass entsprechende Unterlagen in fremde Hände geraten. •• Von einer solchen Vorgabe müssen außerdem strategisch wichtige, aber aktuell noch wenig rentable Produkte/Aufträge ausgenommen werden. Hier sind ersatzweise Verrechnungswerte anzuwenden.

2.3 Führung der Vertriebsmitarbeiter

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•• Außerdem wird der Deckungsbeitragswert durch die Provisionszahlung selbst ebenso beeinflusst wie durch vom Verkäufer nicht steuerbare Kostenblöcke. Dadurch kommt es zur Benachteiligung neuer Produkte (etwa durch hohe Vor­ kosten). •• Schließlich kommt es auch zur Verwechslung von Deckungsbeitrag und Gewinn, d. h. ein positiver Deckungsbeitrag wird als Gewinn interpretiert, obgleich er zusätzlich noch sämtliche Fixkosten abzudecken hat. Alternativ ist denkbar, als Steuergröße ein an Deckungsbeiträgen orientiertes Punktesystem einzusetzen. Werden diese Punktwerte im Markt bekannt, ist der Schaden weitaus geringer als wenn die dahinter stehenden Deckungsbeitragswerte bekannt würden. Zudem besteht die Flexibilität, in der Steuerung auch abweichend von Deckungsbeitragswerten vorzugehen. Dabei sind diese Punktwerte jederzeit veränderbar, auch unabhängig von konkreten Erfolgsgrößen. Außerdem entgeht man der durchaus nicht so fern liegenden Gefahr, dass Verkäufer Deckungsbeitragswerte mit Gewinn verwechseln und eine gefährliche Preisnachgiebigkeit an den Tag legen. Allerdings ändern sich bei Preisänderungen die Punktwerte nicht unbedingt auto­matisch mit, so dass diese immer wieder nachzujustieren sind. Gleiches gilt bei Erlösschmälerungen. Außerdem leidet die Transparenz des Ansatzes durch hohen Administrationsaufwand. Als alternative Bezugsgrößen kommen folgende in Betracht. Der Gewinn erfordert eine ausdifferenzierte Kosten- und Leistungsrechnung. Über die Anforderungen, die daran hinsichtlich des Deckungsbeitrags gestellt werden, hinaus müssen hier alle Kostenbestandteile berücksichtigt werden. Da die Mehrzahl der Kosten typischerweise aber nicht im Vertriebs- sondern in anderen Unternehmensbereichen verursacht wird, stellt sich die Frage der Sinnhaftigkeit dieser Steuergröße. Der Umsatz ist einfach zu ermitteln und weder Kunden noch Mitbewerber oder Mitarbeiter erhalten dadurch ungewollt Einblick in die Ertragssituation des Unternehmens. Bei Preisänderungen erfolgt weiterhin eine automatische Anpassung ohne administrativen Aufwand. Jedoch besteht die Gefahr, dass dann Umsätze „um jeden Preis“ gemacht werden, wobei Erlösschmälerungen überproportional auf den Gewinn/Deckungsbeitrag durchschlagen. Ebenso ist eine Steuerung auf spezielle Produkte/Kunden/Gebiete schwierig. Die Vertriebskosten gehen in den Umsatzwert gar nicht ein, so dass eine Kostensteuerung dort problematisch ist. Außerdem sagt der Umsatz noch nichts über die Profitabilität eines Abschlusses aus. Die Mengengröße Absatz wird häufig anstelle der Wertgröße Umsatz zur Steuerung eingesetzt. Diese bietet den Vorteil, dass sie sehr leicht messbar ist und auf die Verrechnung im Vertrieb ohnehin schwer erfassbarer Kostengrößen verzichtet. Außerdem kann bei üblicherweise hohem Fixkostenanteil unterstellt werden, dass Aktivitäten umso rentabler sind, je mehr Menge sie repräsentieren (Kostendegressionseffekt). Ebenso werden inflationäre Effekte neutralisiert. Allerdings bedeutet

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2. Der Direktabsatz

eine solche Leistungsbasis auch, dass auf jegliche Profitabilitätsüberlegungen als Steuergröße verzichtet wird. Sonstige Bezugsgrößen für Provisionen beziehen sich vor allem auf Rabatte und Spesen. Bei Ersteren werden neben dem Umsatz die gewährten Rabatte berücksichtigt, sofern der Verkaufsmitarbeiter die Kompetenz zur Rabattgewährung hat. Dadurch werden Erlösschmälerungen ins Kalkül einbezogen. Bei Letzteren werden neben dem Umsatz die entstandenen Auslagen berücksichtigt. Dabei bleibt meist ein Spesensockel unberücksichtigt, um kontraproduktiven Effekten (z. B. kein Besuch weit entfernter Kunden oder Betrieb verschmutzter Geschäftswagen) vorzubeugen. Der Provisionsverlauf kann linear, d. h. als gleich bleibender Satz bei Bezugsgrößenänderung, progressiv, d. h. steigend gegenüber der Bezugsgröße, degressiv, d. h. sinkend gegenüber der Bezugsgröße oder s-förmig gestaltet sein.

Abbildung 36: Alternative Provisionsverläufe (Bezugsgröße zu Bezugshöhe)

Bei linearer Auslegung ist ein gleich bleibender Provisionssatz unabhängig von der Bezugsgröße gegeben. Vorteile liegen in der Einfachheit und Übersichtlichkeit dieser Regelung sowie in ihrem variablen Kostencharakter. Nachteile liegen in der gleich gewichtigen Einrechnung sowohl leicht als auch schwer zu erzielender Abschlüsse. Bei progressiver Auslegung steigt der Provisionssatz mit steigender Höhe der Bezugsgröße. Die Berechnung erfolgt (eher selten) integral progressiv, d. h. bezogen auf die gesamten Bezugsgröße, wobei an den Berechnungsschwellen mehr oder minder erhebliche Provisionssprünge entstehen, oder (häufiger) differenziell progressiv, d. h. bezogen auf das Überschreiten festgelegter Schwellen von Bezugsgrößen, wodurch eine gewisse Kontinuität erreicht wird. Vorteile liegen in der Eignung zum Aufbau neuer Gebiete, im steigenden Anreiz für wachsende Abschlüsse und in der Vermeidung von Saturationseffekten. Nachteile liegen im Einkommensverfall bei Gesamtumsatzrückgang, in der Gefahr von Hochdruckverkauf zu Lasten der Kundenzufriedenheit und in steigender Kostenbelastung im Vertrieb. Bei degressiver Auslegung sinkt der Provisionssatz mit steigender Höhe der Bezugsgröße. Wiederum kann dies integral oder differenziell degressiv geschehen.

2.3 Führung der Vertriebsmitarbeiter

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Vorteile liegen in der Stabilisierung des Umsatzes und der Produktion sowie in der Relation von Verkaufsinnendienst- und -außendiensteinkommen. Nachteile liegen in etwaig mangelnder Motivierung der Mitarbeiter, die als Umsatzbremse wirkt. Daher ist diese Auslegung praktisch nur selten anzutreffen. Bei s-förmiger Auslegung ist eine Kombination aus progressiver, linearer und degressiver Provision im Ablauf steigender Bezugsgröße gegeben. Dies nutzt weitgehend die jeweiligen Vor- und vermeidet deren Nachteile. Zu Beginn werden somit kräftige Erfolgsanreize gesetzt, in einer Phase oberhalb der Normalleistung wird der Einkommenszuwachs linearisiert und danach zur Vermeidung von Überbeanspruchungen wieder abgeschwächt. Jedoch ist diese Auslegung ziemlich kompliziert. Der Verlauf ist treppenförmig. Das Basiseinkommen jedes Mitarbeiters ist, meist in Abhängigkeit von Lebensalter, Betriebszugehörigkeitsdauer, Qualifikationsprofil etc., zu justieren. Dieses Einkommen ergibt sich als Summe aus fixem und variablem Anteil, wenn die Vorgaben für den variablen Anteil zu 100 % erfüllt werden, und ist damit Ausgangspunkt der Entlohnungsstaffel. Üblich ist dabei eine Zoneneinteilung im Verlauf mit einem Mindesteinkommen, d. h. einem fixen Anteil, der dem Mitarbeiter eine auskömmliche Existenz auch dann sichert, wenn Absatzerfolge vorübergehend ausbleiben, sowie einem Höchsteinkommen, das den variablen Anteil deckelt, weil bei auffällig hoher Übererfüllung der Leistungsstandards daran zu zweifeln ist, dass die Vorgabewerte realistisch sind. Für den Fall, dass das komplette Einkommen variabel ist, wird meist eine Untergrenze als Einkommenssicherung eingezogen. Der Provisionsverlauf ist dann treppenförmig. Hemmend wirken hier allerdings die Unübersichtlichkeit der Kriterien und der administrative Aufwand zur Berechnung. Dabei können auch Einflussfaktoren berücksichtigt werden wie „Renner“- und „Penner“-Produkte, Auftragsgrößen (um Kleinstaufträge zu reduzieren), Kundengruppen (um Kunden mit guter Perspektive zu fördern), Saison (die antizyklische Anreize setzt) oder Absatzgebiet. Denkbar ist auch, die Mitarbeiter selbst über die Aufteilung von fixen und variablen Einkommensbestandteilen entscheiden zu lassen. Dies ermöglicht nicht nur eine stärkere Identifikation mit den Vorgabezielen, sondern offenbart zugleich auch die Leistungserwartung jedes Mitarbeiters (Self selection). Verzerrend wirkt dabei allerdings, dass exogene Ereignisse, auf welche der Mitarbeiter selbst keinen Einfluss hat, auf sein Einkommen durchschlagen, wie er aber auch an Mitnahmeeffekten (Windfall profits) partizipiert.

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2. Der Direktabsatz

2.3.4 Leistungsanreize Leistungsanreize sollen punktuell die besondere Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter entfalten. Dafür kommen materielle oder immaterielle Anreize in Betracht. Die Prämie als materieller Anreiz stellt eine variable Entlohnungsform dar, die immer zusätzlich zu anderen Größen verwendet wird. Prämien werden fallweise für spezielle Absatzziele, die durch Festgehalt oder Provision so nicht erreichbar scheinen, in Form von Absolutwert, Punktzahl, Korrekturfaktor zur sonstigen Entlohnung oder Zuschlagssatz eingesetzt. Prämien sind diskontinuierlich angelegt. Solche Sonderziele sind z. B. Spitzenleistung, Neukundengewinnung, Neuprodukteinführung, Lagerabbau, Besuchsfrequenz, Distributionsaufbau bzw. -haltung, Inkasso, Planerfüllung, Saison, Kundenzufriedenheit, Auftragswert, Aktionsrunde. Diese Ziele können kurz- oder langfristig angestrebt werden, sich auf Haupt- oder Nebenleistungen beziehen, quantitativer oder qualitativer Natur sein. Vorteile liegen in der Flexibilität des Einsatzes, der Zusatzmotivation der Verkäufer und einer hohen Gerechtigkeit. Nachteile liegen in einer gewissen Unübersichtlichkeit sowie in Gefahren für Fehlanreize und Verzerrungen. Zudem sind Prämien nur schwer rückgängig zu machen. Die Festlegung der Prämienhöhe erfolgt unterschiedlich. Beim fixen Prämienfonds wird ein vorher definierter Geldbetrag analog der Leistung auf alle prämienberechtigten Verkäufer im Anteil ihrer Leistungen aufgeteilt. Beim variablen Prämienfonds ist dieser Geldbetrag von einer Bezugsgröße abhängig (z. B. Umsatz oder Gewinn). Dann ist der auszuschüttende Betrag allerdings im Vorhinein nicht bekannt. Die Prämie kann aber auch als gleicher Geldbetrag je Verkäufer definiert sein, sich auf Grundlage seines jeweiligen Festgehaltsockels berechnen oder durch individuelle Zu- und Abschläge beeinflusst sein. Bei Poolprämien partizipieren alle Gruppenmitglieder gleichmäßig unabhängig von ihrer individuellen Leistung. Neben diesen quantitativen kommen auch qualitative Zielgrößen in Betracht, die allerdings der subjektiven Verzerrung unterliegen (z. B. nach Besuchsberichten, Kundenzufriedenheitsgrad, Verkaufsgesprächsführung). Gratifikationen und Boni stehen normalerweise dem gesamten Personal eines Betriebs zu, nicht nur den Vertriebsmitarbeitern und werden erst nach Perioden­ ende vergütet (z. B. Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld). Dabei ist der Zusammenhang zwischen individueller Leistung und Belohnung jedoch nur sehr indirekt einsichtig. Außerdem ist eine Erfolgsbeteiligung möglich. Sie bemisst sich als Leistungsbeteiligung nach Akquisition, Produktivität, Kostenersparnis, als Ertragsbeteiligung nach Umsatz, Rohertrag, Wertschöpfung, Nettoertrag oder als Gewinnbeteiligung nach Betriebsgewinn, Division-Gewinn, Ausschüttungsgewinn oder Substanz. Es ergibt sich zunehmend eine Verlagerung von fixer zu erfolgsabhängiger Entlohnung und von materieller zu ideeller Vorteilsgewährung. Incentives sind i. d. R. ein steuerpflichtiger Sachbezug. Die Geldbewertung von Sachbezügen ist mit den üblichen Endpreisen am Abgabeort anzusetzen und

2.3 Führung der Vertriebsmitarbeiter

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als geldwerter Vorteil zu versteuern. Bei Incentive-Reisen wird wegen der eingeschränkten Disposition der Teilnehmer darüber ein Abschlag von ca. ¹⁄³ vorgenommen. Eine pauschale Umlage von Kosten auf die Teilnehmer ist nicht zulässig. Der Transport zum Zielort gehört jedoch zu den Reisekosten, ebenso Mahlzeiten und Übernachtungen auf dem Weg zum Zielort. Eine Aufsplittung in einen steuerpflichtigen und einen steuerfreien Teil ist nicht zulässig. Entscheidend ist, dass der Vorteil angenommen wurde, auch eine Verpflichtung zur Teilnahme wirkt nicht befreiend. Incentive-Reisen sind insb. keine Betriebsversammlungen (weil nicht allen Mitarbeitern zugänglich). Für das veranstaltende Unternehmen stellen Incentives eine Betriebsausgabe dar, die sich auf den steuerlichen Gewinn mindernd auswirkt. Außer, das Incentive wird als Geschenk ohne Gegenleistung gewährt, dann darf dieses als Betriebsausgabe veranschlagt werden, wenn eine Anschaffungsobergrenze pro Kalenderjahr nicht überschritten wird. Bei Selbstständigen (Handelsvertreter etc.) stellen Incentives umsatzsteuerpflichtige Entgelte dar, allerdings nicht als Eigenverbrauch. Bei Absatzmittlern werden Incentives als „Preisnachlass“ des Lieferanten verstanden, daher muss der Vorsteuerabzug berichtigt werden. Neben den monetären gibt es auch indirekt materielle und immaterielle Entlohnungssysteme. Erstere betreffen geldwerte Sach- und/oder Dienstleistungen, die Verkäufern unentgeltlich oder subventioniert zur Verfügung gestellt werden. Letztere betreffen emotionale Idealleistungen, die Verkäufer im Betrieb hervorheben. Dabei ist an Anerkennungen (z. B. 100 %-Club), Leistungsauszeichnungen (Verkäufer des Monats o. Ä.) oder Ernennungen (Titel) zu denken. Weitere Formen sind aufwertende Stellenbeschreibungen, Aus- und Weiterbildungsangebote, Statussymbole wie reservierter/nahe gelegener Parkplatz, Raumgröße/Etage/Anzahl Fensterachsen/Eckbüro, Sekretariatszuweisung/Assistenz, Berufung in Gremien, Ausstattungsfreiheit bei Büroausstattung, Spesenbudget/Firmenkreditkarte, Travel upgrading etc. Am Motivierendsten ist aber wohl die Ausgestaltung der Tätigkeit selbst. Allerdings kommt es auch hier zu Wear out-Effekten, und die Chancengleichheit der Teilnehmer ist durchaus fraglich. Außerdem wird die Attraktivität der Anreize interpersonell stark unterschiedlich bewertet. Weiterhin besteht die Gefahr, dass diese Anreize im Verlauf der Zeit als fester Vergütungsbestandteil angesehen werden und weder abbaubar noch mehr sonderlich leistungsfördernd sind. Als sehr wirksam haben sich die Vereinbarung einer Laufbahnperspektive oder anlassbezogene Karrieregespräche herausgestellt. Weit verbreitet ist das Cafeteria-System. Dabei hat der Mitarbeiter die Auswahl, sich unter verschiedenen Anreizen (Fringe benefits) zu entscheiden. Zu denken ist etwa an folgende: •• Zusätzlicher Urlaub, kürzere Tagesarbeitszeit, kürzere Wochenarbeitszeit, kürzere Jahresarbeitszeit, freie Arbeitstage, Langzeiturlaub (Sabbatical), Vorruhe-

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2. Der Direktabsatz

standsregelung/Frühpensionierung, Teilzeitarbeit, Job sharing, Geld statt Urlaub, Heimarbeit (Teleworking), •• Urlaubsangebote, flexible Arbeitszeiten, •• Arbeitgeberdarlehen, Kapitalanlagen, Investivlohn, Vermögensbeteiligung/Stock options, Gewinnbeteiligung/Profit sharing, Studien-/Erziehungsgelder, zusätzliche betriebliche Altersversorgung, •• Bildungsurlaub, Auslandsaufenthalt, Forschungsmöglichkeiten, Kongressteilnahme, •• Lebensversicherung/Direktversicherung, zusätzliche Krankenversicherung (zahnärztlich, stationär, augenärztlich etc.), Unfallversicherung, Arbeitsunfähigkeits-/ Invaliditätsversicherung, Haftpflichtversicherung, Rechtschutzversicherung, Versicherung gegen Vermögensschäden, •• periodische kostenlose ärztliche Vorsorgeuntersuchung, •• kostenlose/vergünstigte Rechts- und Steuerberatung, Geldanlageberatung, •• Firmenwagen, Firmenwohnung, Firmeneinkäufe, Entlohnung in Naturalien, verbesserte Büroausstattung, reservierter Parkplatz, Sportangebote, FlugreisenUpgrades, längere Kündigungsfristen. Um die Bezahlungsstruktur unproblematisch zu halten, wird häufig eine Teamhonorierung vorgezogen. Allerdings stellt sich dann die Frage nach einem „gerechten“ Verteilungsschlüssel, damit keine Fehlanreize entstehen. Die Gerechtigkeit kann sich auf den Arbeitsinput beziehen oder auf den Leistungsoutput, auf individuelle Disposition oder soziale Aspekte. Bei Änderungen der Vergütung ist zudem regelmäßig die Zustimmung des Betriebsrats, und zwar auch bei außer­ tariflich angestellten Mitarbeitern, einzuholen.

2.3.5 Führungsmodelle Über die Notwendigkeit der Führung von Mitarbeitern bestehen kontroverse Vorstellungen. Für die konkrete Ausgestaltung der Mitarbeiterführung gibt es eine ganze Reihe von Führungsmodellen, im Folgenden werden drei zentrale von ihnen kurz charakterisiert. Trainingsprogramme sollen Mitarbeiter entlang dieser Führungsstile entwickeln. Beim eindimensionalen Führungsmodell lassen sich zwei Grund- und jeweils vier Untertypen unterscheiden. Die autoritäre Grundhaltung ist generell dadurch gekennzeichnet, dass der Vorgesetzte entscheidet und anordnet: •• Beim despotischen Führungsstil handelt es sich um einen charismatischen Herr im Haus-Standpunkt, bei dem das Eigentum an Produktionsmitteln Herrschaftsdenken legitimiert.

2.3 Führung der Vertriebsmitarbeiter

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•• Beim patriarchalischen Führungsstil entscheidet immer noch der Vorgesetzte allein, allerdings ist aber bestrebt, seine Untergebenen zu überzeugen, bevor er anordnet. •• Auch beim paternalischen Führungsstil dominiert das autokratische Herrschen, jedoch besteht ein Verantwortungsgefühl für die Belange der Mitarbeiter, ohne diese aber aktiv zu beteiligen. •• Beim pädagogischen Führungsstil wird die Selbstständigkeit der Mitarbeiter gefördert und entwickelt, indem Fragen gestattet werden, um die Akzeptanz von Entscheidungen zu erhöhen. Die demokratische Grundhaltung ist generell dadurch gekennzeichnet, dass der Vorgesetzte lenkt und koordiniert: •• Beim partnerschaftlichen Führungsstil fordert der Vorgesetzte seine Mitarbeiter auf, an der Zielfindung mitzuwirken und informiert diese über anstehende Entscheidungen. •• Beim partizipativen Führungsstil werden Entscheidungsvorlagen unter Einbeziehung von Wissen, Können und Interesse der Mitarbeiter gemeinsam erarbeitet, die der Vorgesetzte sanktioniert. •• Beim kollektiven Führungsstil zeigt der Vorgesetzte das Problem und den Handlungsspielraum auf und überlässt es Mitarbeitern, unter seiner Anleitung selbstständig Lösungen zu erarbeiten. •• Beim autonomen Führungsstil entscheidet die Gruppe selbst, und der Vor­ gesetzte vertritt deren Gruppenmeinung nach innen und außen mit formaler Kompetenz. Von den zweidimensionalen Führungsmodellen ist das von Blake/Mouton am bekanntesten. Es besteht aus einer Matrix mit den Gestaltungsdimensionen Mitarbeiterorientierung und Aufgabenorientierung, jeweils unterteilt in niedrig und hoch, aus denen sich vier Extrempositionen und eine Mittelposition wie folgt ergeben: •• Glaceehandschuh-Management (Country club): Die Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter nach zufriedenstellenden zwischenmenschlichen Beziehungen (hohe Mitarbeiterorientierung) sorgt für ein gemächliches und freundliches Betriebsklima und Arbeitstempo (niedrige Aufgabenorientierung). •• Gruppen-Management (Team): Es ist eine hohe Arbeitsleistung von engagierten Mitarbeitern gegeben (hohe Aufgabenorientierung). Die Interdependenz im gemeinschaftlichen Einsatz für das Unternehmensziel verbindet die Menschen in Vertrauen und gegenseitiger Achtung (hohe Mitarbeiterorientierung). •• Überlebens-Management (Impoverished): Eine minimale Anstrengung zur Erledigung der geforderten Arbeit (niedrige Aufgabenorientierung) genügt gerade

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2. Der Direktabsatz

noch, sich im Unternehmen zu halten. Das Management denkt an sich selbst immer zuerst (niedrige Mitarbeiterorientierung). •• Befehls-Gehorsam-Management (Task): Hier ist ein optimales Einrichten der Arbeitsbedingungen (hohe Aufgabenorientierung), das die Wirkung persön­ licher Faktoren auf ein Minimum beschränkt (niedrige Mitarbeiterorientierung), die Grundlage des Betriebserfolgs. •• Organisations-Management (Middle of the road): Eine angemessene Leistung wird ermöglicht durch die Herstellung eines Gleichgewichts zwischen der Notwendigkeit, die Arbeit zu tun und der Aufrechterhaltung einer zufriedenstellenden Betriebsmoral. Bei den dreidimensionalen Führungsmodellen sind ist der Ansatz von Reddin hervorzuheben. Er unterscheidet, aufbauend auf Blake/Mouton, bei der Aufgabenbzw. Mitarbeiterorientierung jeweils noch ineffektive und effektive Dimensionen. Entsprechend ergeben sich vier Positionen: •• Der Verfahrensstil ist durch starre Regeln und Vorschriften geprägt und nicht auf Situationen mit hoher Dynamik anwendbar. Aus Angst vor Verantwortung flüchtet der Vorgesetzte in Paragraphen und Dienstanweisungen (Kneifer/ineffektiv) oder sorgt für reibungsloses Funktionieren des Unternehmens (Verwalter/effektiv). •• Der Beziehungsstil bemüht sich um ein gutes Verhältnis zu Mitarbeitern. Der Vorgesetzte geht dabei allen Unstimmigkeiten und Problemen aus dem Weg und vermeidet Konflikte (Gefälligkeitsapostel/ineffektiv) bzw. sorgt für eine vertrauensvolle Atmosphäre und motiviert Mitarbeiter zur Selbstverwirklichung (Förderer/effektiv). •• Der Aufgabenstil stellt Leistung und Arbeitsergebnis in den Vordergrund. Dies erfolgt durch Druckausübung mit Reibungsverlusten (Autokrat/ineffektiv) bzw. durch Erfahrung, Fleiß und Initiative mit Entscheidungsrecht in der Gruppe (Macher/effektiv). •• Der Integrationsstil bedeutet Berücksichtigung sowohl der Aufgaben- als auch der Beziehungskomponente. Dies erfolgt durch Zwang zu Kompromissen mit langer Bearbeitungszeit von Problemen (Kompromissler/ineffektiv) bzw. Akzeptierung der Persönlichkeit von Mitarbeitern mit Koordination ihrer Aktivitäten anhand hoher Maßstäbe (Integrierer/effektiv).

2.3 Führung der Vertriebsmitarbeiter

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2.3.6 Führungsstile Führungsstile haben sich als Management by-Techniken etabliert, die es in zahlreichen, auch ironischen Ausprägungen gibt. Im Nachfolgenden sind einige im Vertrieb wichtige skizziert: •• Management by objectives (Mbo) als zielorientierte Führung durch die Vereinbarung operationalisierter Ziele auf jeder Hierarchiestufe der Vertriebsorganisation auf Basis von Zielerreichungszusagen durch die beteiligten Mitarbeiter sowie ein System von Commitments, Budgetierungen und Kontrollen. Es entstehen konkrete Ergebnisverantwortung, persönliche Arbeitsziele und ein relativer Freiheitsgrad für die Realisierung. •• Management by delegation (Mbd) bedeutet die Übertragung von Aufgaben, Verantwortungen und Rechten an nachfolgende Instanzen und Personen durch selbstständiges Arbeiten innerhalb des jeweiligen Kompetenzbereichs. Dadurch entsteht eine hohe Akzeptanz der Unternehmensziele durch die Mitarbeiter und eine Transparenz über die Prozesse. •• Management by exception (Mbe) erlaubt Eingriffe in einen beliebigen Prozess durch das Management, sofern Abweichungen von vereinbarten Toleranzgrenzen aufteten. Als Indikatoren dafür gelten Abweichungs- und Problemanalysen sowie Methoden zur Stabilisierung von Prozessen. Insofern kommt es zu einer Entlastung des Management, hoher Selbstverantwortung der Mitarbeiter und Motivation durch Ergebnisbeteiligung. •• Management by control (Mbc) stellt Ergebnis-, Verhaltens- und Leistungs­ kontrollen für die Überwachung aller Prozesse und der damit beauftragten Personen durch ein System von Kennziffern in den Mittelpunkt. Dadurch ergeben sich kurze Reaktionszeiten und ein hoher Beeinflussungsgrad. •• Management by coordination (Mbcoo) bedeutet die Zusammenfassung von Teilaktivitäten im Hinblick auf vertriebsweite Ziele mit einer Viezahl von Koordinationsaufgaben in sachlicher, organisatorischer, personeller, finanzieller, informationeller und zeitlicher Hinsicht. Dies führt zu einer Entlastung des Management und zur Arbeitsteilung zwischen personellen und fachlichen Aufgaben. •• Management by communication (Mbcom) sieht eine funktionierende Kommunikation als Voraussetzung für jede effektive Führung an. Es kommt zu einer starken Betonung der zwischenmenschlichen Beziehungen mit Übergang von der fachlichen Anweisung zur sozialen Interaktion mit hohen Anforderungen an die Sozialkompetenz der Manager. Dabei erfolgt eine Einbindung der Führungskräfte in den Problemlösungsprozess der Teams. •• Management by development (Mbdev) bezieht sich auf die Aus- und Weiter­ bildung und das Training einzustellender oder vorhandener Mitarbeiter für neue Aufgaben zur Erzielung eines hohen Standards. So sollen die Schlüsselqualifi-

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2. Der Direktabsatz

kationen entwickelt werden. Dadurch ist eine langfristige Sicherung qualifizierter Mitarbeiter im Vertrieb bei sich ändernden Aufgaben gegeben. •• Management by motivation (Mbmot) hebt auf die Erzielung einer größtmög­ lichen Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter durch Anreize ab, die ihren Motiven entsprechen. Als Ziel gilt die Selbstverwirklichung des Menschen im Beruf. Anreizsysteme stellen die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen sicher. Dadurch kann eine konstruktive Verhaltenssteuerung erreicht werden (Sozialtechnik). •• Management by systems (Mbsys) hat eine Gesamtschau der Prozesse i. S. e. Regel­kreises zum Inhalt. Komplexitäten und Interdepdenzen können auf diese Weise dargestellt und durchschaubar gemacht werden. Allerdings kommt dem eher ein didaktischer, denn ein praktischer Nutzwert zu. Dennoch ist allein die Verdeutlichung des Systems häufig eine große Hilfe.

2.3.7 Motivationsmodelle Da im Vertrieb Menschen als Mitarbeiter den Engpass darstellen, liegt es nahe zu überlegen, in welcher Weise ihre Motivation gesteigert werden kann. Dazu gibt es eine ganze Reihe von Ansätzen, die versuchen, Erklärungen zu liefern. Im Folgenden sind die wichtigsten kurz skizziert. Maslow geht in der wohl bekanntesten Motivationstheorie davon aus, dass ein Motiv nur dann und nur solange verhaltensbestimmend wirkt, wie es nicht vollständig befriedigt ist. Er unterscheidet dabei fünf Gruppen von Motiven: Physiologie, Sicherheit, Soziales, Achtung (= Defizitbereiche, die über das Individuum bestimmen) und Selbstverwirklichung (= Wachstumsbereich, der durch das Individuum selbst bestimmt wird). Seine Rangfolgethese besagt, dass die Befriedigung von Motiven auf der höheren Ebene erst dann erfolgt, wenn Motive auf der niedrigeren Ebene zufriedenstellend erfüllt sind. Die Umsetzung erfolgt durch verschiedene Maßnahmen, z. B. auf der ersten Stufe durch Lohn und Gehalt, Urlaubsregelung, Kantinenverpflegung, ärztliche Betreuung, verbilligte Einkaufs- und Wohnmöglichkeiten, auf der zweiten Stufe durch großzügigen Kündigungsschutz, Alterversorgungszusage, Versorgung bei Krankheit und Unfall, auf der dritten Stufe durch Kommunikation am Arbeitsplatz, Information, Pro­ blemlösungsgespräche, Zugehörigkeit zu Teams, auf der vierten Stufe durch Übertragung von Kompetenzen, verbale und materielle Anerkennung, Erlangung von Status und Ehrentiteln, Bereitstellung eines Dienstfahrzeugs, und auf der fünften Stufe durch Erfüllung auf Grund von Aufgabenstellung, Selbstverantwortung bei der Arbeitsgestaltung und Pausenregelung, Weiterbildungsangebot, Aufstiegsmöglichkeiten. Diese Ansicht ist jedoch vielfältiger Kritik unterworfen. Am Häufigsten werden in diesem Zusammenhang genannt, dass sich für die unterstellte Hierarchisierung keine empirische Bestätigung findet und dass die Inhaltsbeschreibung

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von Selbstverwirklichung als oberstem, anzustrebenden Ziel durchaus fraglich ist. Menschen unterscheiden sich deutlich darin, in welchem Ausmaß sie ein niedrigeres Bedürfnis befriedigt wissen wollen, bevor sie sich auf die Befriedigung des nächsthöheren konzentrieren. Oft sind im Arbeitsprozess egoistische Bedürfnisse wichtiger als soziale. Viele reale Kategorien überlappen allerdings einander, z. B. Gehalt bietet sowohl Sicherheit als auch Anerkennung, und Bedürfnisse können einander substituieren, z. B. mehr Anerkennung rechtfertigt weniger Gehalt. Allerdings ist dieser Ansatz wegen seiner Prägnanz didaktisch gut geeignet. Herzberg entwickelt einen Zweifaktoren-Ansatz der Motivation. Die Satis­ faktoren oder Motivatoren wie Leistung, Anerkennung, Arbeit selbst, Verantwortung, Aufstieg, Wachstum etc. eignen sich dazu, die Zufriedenheit mit der Arbeit zu erhöhen. Dabei handelt es sich um intrinsische Faktoren. Dissatisfaktoren oder Hygienefaktoren wie Unternehmenspolitik, Führung, Beziehung zu Vorgesetzten, Arbeitsbedingungen, Gehalt, Beziehungen zu Kollegen, persönliche Lebensbedingungen, Beziehungen zu Unterstellten, Status, Arbeitssicherheit etc. verhindern hingegen nur, dass Unzufriedenheit entsteht bzw. bauen Unzufriedenheit ab, sind jedoch nicht selbst imstande, Zufriedenheit zu erzeugen. Motivatoren helfen, das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung zu befriedigen, führen somit bei positiver Arbeitseinstellung zu Zufriedenheit. Sie stehen in direktem Zusammenhang mit dem Arbeitsinhalt, sorgen für hohe Arbeitsleistung, wirken langfristig und reichern den Arbeits- und Aufgabenbereich an. Hygienefaktoren hängen nicht mit der Arbeit selbst zusammen, sondern mit den Bedingungen, welche die Ausführung der Arbeit lediglich umgeben, analog zur medizinischen Hygiene, die nicht heilen kann, aber Gesundheitsrisiken mindert. Ihre angemessene Erfüllung wird als selbstverständlich angesehen, führt also noch zu keiner gesteigerten Arbeits­ leistung. Empfehlenswert ist daher eine Anreicherung der „normalen“ Arbeit um Elemente wie Initiative, Selbstkontrolle und Verantwortung, um Mitarbeiter aus der Suche nach Unzufriedenheitsstiftern in die Suche nach Zufriedenheitsstiftern zu versetzen. Problematisch ist allerdings die Messung dieser Faktoren. Auch werden Gründe für Unzufriedenheit eher bei anderen gesucht. Außerdem wurden die ursprünglichen Schlussfolgerungen aus Befragungen über Extremsituationen bei kleinen Testgrupppen gezogen, sind also wohl nicht generalisierbar. Und einige Faktoren können sowohl Zufriedenheit als auch Unzufriedenheit stiften, z. B. flexible Arbeitszeit. Unbewusste Faktoren werden nicht berücksichtigt, auch ist keine Kausalität erkennbar. Alfelder unterscheidet in der Motivationspsychologie drei Gruppen von Bedürfnissen, Existence (E), Relatedness (R) und Growth (G), weshalb dieser Ansatz auch als ERG-Ansatz bezeichnet wird. G-Bedürfnisse betreffen die Selbsterfüllung und sind Zufriedensteller oder Motivationszustand, R-Bedürfnisse betreffen die Beziehungen und E-Bedürfnisse Dasein und Existenz als Unzufriedensteller. Jedoch müssen die unteren Ebenen hierbei nicht zuerst erfüllt sein, damit Bedürfnisse der oberen Ebene in Aktion treten, ebenso wie Bedürfnisse, die auf oberen Ebenen blockiert sind, durch Substitution auf unterer Ebene dennoch motivatorisch wirken

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2. Der Direktabsatz

können. Nun werden vier grundlegende Prinzipien dafür behauptet: Die Frustrationshypothese besagt, dass ein unbefriedigtes Bedürfnis dominant wird. Die Befriedigungs-Progressionshypothese besagt, dass, sobald ein Bedürfnis befriedigt ist, das in der Hierarchie nächsthöhere Bedürfnis dominant wird. Die FrustrationsRegressionshypothese besagt, dass, wenn ein Bedürfnis nicht befriedigt ist, das in der Hierarchie niedrigere Bedürfnis dominant wird. Die Frustrations-Progressionshypothese besagt, dass, auch wenn ein Bedürfnis nicht befriedigt wird, höhere Bedürfnisse aktiviert werden, weil diese Frustrationserfahrung zur Entwicklung der Persönlichkeit und ihres Anspruchsniveaus beitragen kann. Das bedeutet insgesamt, Bedürfnisse der unteren Ebenen müssen nicht zuerst erfüllt sein, damit Bedürfnisse der oberen Ebenen wirksam werden. Und die Bedürfnishierarchie arbeitet durchaus auch in umgekehrter Richtung, wodurch auch zufriedengestellte Bedürfnisse motivatorisch wirken können. Kritik bezieht sich vor allem auf die mangelnde empirische Bestätigung der zugrunde liegenden Annahmen. McClelland hat einen Vierfaktoren-Ansatz der Motivation entwickelt. Er geht davon aus, dass Bedürfnisse aus der kulturellen Umwelt erlernt werden und eine verhaltensbeeinflussende Konfiguration einnehmen. Die vier Motive sind: Das Leistungsmotiv als Bedürfnis zum Setzen von Zielen bzw. aus Befriedigung durch Zielerreichung, in Begeisterung an der Arbeit selbst und an der Bedeutung von Effizienz und Effektivität. Typisch ist dafür das Streben nach innovativen Aufgaben, die ein kalkuliertes Risiko von Eigenverantwortung und schnellem Feedback bringen. Dann das Machtstreben, das sich im Versuch äußert, eine Position der Überlegenheit gegenüber anderen Personen zu realisieren. Analog zur psychosexuellen Entwicklung wird dabei in vier Reifestadien unterschieden. Diese Phasen gelten auch für Unternehmen. Weiterhin das Bedürfnis nach Zugehörigkeit als Wunsch, Bestandteil einer Gruppe zu sein und dort Sicherheit zu finden. Personen mit hohem Bedarf daran präferieren konfliktfreie Situationen und Interaktionen mit geringem Wettbewerb. Schließlich das Vermeidungsstreben, das darauf gerichtet ist, die Eintrittswahrscheinlichkeiten für Versagen, Ablehnung, Erfolg und Macht zu beeinflussen. Es folgt aus der Erfüllung eines Grundmotivs bzw. aus einer zum Grundmotiv entgegengesetzten Größe. Alle Faktoren unterliegen allerdings kurzfristigen Schwankungen, ändern sich im Zeitablauf und sind situationsabhängig dominiert. Nach McGregor gibt es Menschenbilder als vereinfachte Muster menschlicher Verhaltensweisen, die sich Personen im Laufe der Zeit aufgrund ihrer Erfahrungen und Einstellungen zurechtlegen. Daher findet eine dualistische Diskussion auf Basis eingängiger, stark simplifizierender Beschreibung von Extremtypen statt. Die Annahme ist dabei, dass jede Führungsentscheidung auf einer Reihe von Hypo­ thesen über die menschliche Natur und Verhaltensweise beruht, die nicht expliziert werden, jedoch das Verhalten desjenigen beeinflussen, der von diesen Annahmen ausgeht. Menschenbild X entspricht dabei folgenden Annahmen: Der normale Mensch hat eine angeborene Abneigung gegen Arbeit und wird sie deshalb vermeiden. Daher müssen Untergebene gezwungen, kontrolliert, geführt und sanktioniert werden, um zu „funktionieren“. Der normale Mensch wird gern geführt und

2.3 Führung der Vertriebsmitarbeiter

119

weicht Verantwortung aus, er ist nicht ambitioniert und strebt nach Ruhe. Menschenbild Y entspricht entgegengesetzt folgenden Annahmen: Physische und geistige Anstrengungen sind völlig normal. Zielerreichung und -verpflichtung werden durch Selbstkontrolle und Eigeninitiative erreicht. Die Mitarbeiter identifizieren sich mit den Organisationszielen. Das Kreativitätspotenzial der Menschen wird nur unvollkommen genutzt. Als Kritik ist einzuwenden, dass sowohl Menschenbild X als auch Y jeweils zur Self fulfilling prophecy neigen, d. h. Menschen, die eng geführt werden, entwickeln sich zur Unselbstständigkeit, was die Führungsnotwendigkeit für Vorgesetzte begründet. Menschen, die zur Selbstständigkeit angehalten werden, entwickeln sich eigengesteuert, was die Führungsnotwendigkeit für Vorgesetzte erübrigt. Oder umgekehrt, wenn ein Mitarbeiter keine Verantwortung übernehmen möchte, führt auch das Einräumen eines Autonomiespielraums nicht zwingend zum Gefallen an eigenverantwortlichem Handeln bei ihm. Das Menschenbild Z ist als Kompromiss aus X und Y gedacht. Danach benötigen Mitarbeiter humane Arbeitsbedingungen, sowohl um die Produktivität als auch um die eigene Zufriedenheit und das Selbstbewusstsein zu steigern. Mitarbeiter partizipieren an Entscheidungsprozessen. Ziel sind Konsensentscheidungen. Die kommunikative und interpersonelle Kompetenz der Mitarbeiter wird als wichtig anerkannt und gefördert. Das Unternehmen ist dem psychischen und physischen Wohlergehen der Mitarbeiter aller Ebenen verpflichtet. Zwischen den Mitarbeitern wird über die Hierarchieebenen hinweg ein Klima des Vertrauens gefördert. Nach Vroom ergibt sich die Motivation aus drei Faktoren: der Erwartung, d. h., der subjektiven Einschätzung für eine bestimmte Handlung und einem damit erreichbaren Ergebnis, der Instrumentalität, d. h., der Unterstellung eines Mit­ arbeiters, dass ein bestimmtes Ergebnis seines Handelns zu einem konkreten, persönlichen Ziel führt, und der Valenz, d. h., dem Wert, den ein Mitarbeiter mit der Attraktivität des Ergebnisses seines Handelns verbindet, positiv bei Appetenz, negativ bei Aversion (daher auch VIE-Ansatz genannt für Valenz = Stärke des individuellen Verlangens gegenüber einem Ziel, Instrumentalität = subjektive Einschätzung der Zielerreichung, Erwartung = Erfolgswahrscheinlichkeit). Dabei setzt sich die Anstrengungsbereitschaft einer Person funktional aus der subjektiven Wertigkeit des Ziels (Valenzmodell) und aus dessen Wahrscheinlichkeit der Realisierung zusammen (Kraftmodell), d. h., die Anstrengung ist davon abhängig, mit welcher Wahrscheinlichkeit sie zu einem bestimmten Ergebnis führt (z. B. Gehaltserhöhung) und mit welcher Wahrscheinlichkeit das Ergebnis zur persönlichen Zielerreichung beiträgt (z. B. neues Auto kaufen). Ressourcen werden dahingehend geprüft, inwieweit sie fähig sind, den gewünschten Zielzustand zu erreichen. Das Individuum strebt stets danach, diejenige Verhaltensalternative unter mehreren zu wählen, deren subjektiv erwarteter Nutzen am höchsten ist. Daher müssen Wege zur besseren Zielerreichung durch das Management aufgezeigt oder Aufwertungen des Ziels vorgenommen werden, weil dadurch der Arbeitseinsatz steigt. Als Kritik ist zu nennen, dass vor allem die Unterscheidung der zwei Ergebnisarten Schwierigkeiten bereitet.

120

2. Der Direktabsatz

Der Erwartungs-Valenz-Ansatz nach Porter/Lawler fordert, dass Belohnungen, die erreicht werden können, den Mitarbeitern hoch genug erscheinen sollen. Das Erreichen der Endziele soll durch ein Leistungsbeurteilungssystem erfolgen, das objektiv und nachvollziehbar ist. Und es sollen Bedingungen geschaffen werden, die dem Einzelnen sein Leistungsergebnis durch eigene Anstrengungen beeinflussbar erscheinen lassen. Inwieweit Belohnungen zur Zufriedenheit führen, hängt von der subjektiven Vorstellung der Person ab, was als gerechte Belohnung für eine erbrachte Leistung angesehen wird. Vorwiegend intrinsisch motivierte Personen sind an der Leistungserbringung aus eigenem inneren Antrieb interessiert, bedürfen also nicht so sehr der externen Belohnung, vorwiegend extrinsisch motivierte Personen erfahren eine Belohnung erst aus der positiven Einschätzung ihrer Leistung durch Dritte. Basis sind dabei eigene oder fremde Erfahrungen, die der Mitarbeiter in seine Ressourcenplanung einfließen lässt, die Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und sein Selbstbewusstsein, interne/externe Einflussfaktoren, Fähigkeiten, Erfahrungswerte für Belohnung und Zufriedenheit durch Leistungserfüllung. Daraus ergeben sich die Anstrengungserwartung und die Konsequenzerwartung (positiv z. B. Lob durch Vorgesetzten, negativ z. B. Kräfteverschleiß). Kausale Beziehungen sind durch diese Verknüpfung allerdings nur schwer darstellbar. Nach Mitchell sind Attributierungen Urteile von Personen über die Ursachen ihres eigenen Verhaltens und über das Verhalten anderer Personen. Sie sind oft vereinfachend (holzschnittartig) und unzutreffend (vorurteilsbeladen). Es liegt ein zweiphasiger Prozess vor. Er umfasst eine Diagnosephase, in welcher der Vorgesetzte die Ursache für die schlechte Leistung festlegt, und eine Entscheidungsphase, in der eine bestimmte Reaktion aus einer Menge von Alternativen heraus ausgewählt wird. Dabei spielen Vorurteile eine verhängnisvolle Rolle. Erfolge werden oft der eigenen Person, Misserfolge hingegen anderen oder den „Umständen“ zugeschrieben. Führer nehmen Attributierungen vor, die dem ähnlich sind, was die Geführten sich selbst zuschreiben. Leichte Fehler, Entschuldigungen, generelle Leistungsschwäche und soziale Beliebtheit führen tendenziell zu geringerer Bestrafung. Umgekehrt haben Mitarbeiter Führungsprototypen im Sinn und akzeptieren einen Vorgesetzten umso eher, je mehr dieser ihrem Prototyp in Verhalten und Erscheinungsbild entspricht. Nach Festinger empfindet ein Individuum, das eine Entscheidung getroffen und umgesetzt hat, immer ein Reuegefühl, da nicht zu verhindern ist, dass weitere Informationen über die Entscheidung zugänglich sind. Dabei kommt es immer dann zu Problemen, wenn die ursprünglich der Entscheidung zugrunde liegenden Informationen zu neuen Erkenntnissen in Widerspruch stehen. Die Größe der Dissonanz hängt dann von der Bedeutung der Alternative und der relativen Attraktivität der gewählten Alternativen ab. Dissonanzreduktion erfolgt z. B. durch Erhöhung der subjektiven Attraktivität der gewählten Alternative, durch gezielte Suche nach neuen Informationen, durch die sich die Richtigkeit der getroffenen Entscheidung bestätigen lässt, durch gezielte Missinterpretation oder Ausklammerung von In-

2.3 Führung der Vertriebsmitarbeiter

121

formationen, welche die kognitive Dissonanz erhöhen oder durch Herbeiführung einer Einstellungsänderung bei den Personen, die sich bisher gegen die gewählte Alternative ausgesprochen haben. Das Anspruchsniveau wird also an die Soll­ vorstellungen angepasst. Mitarbeiter sind demnach nicht zur Selbstkontrolle und -beurteilung fähig, weil sie Tatbestände in der gezeigten Form subjektiv umwerten. Adams (Gleichheitstheorie) geht bei der Motivation davon aus, dass Zufriedenheitsurteile auf der Interpretation von Gerechtigkeit beruhen, vor allem in Bezug auf die in eine Transaktion investierten Kosten und die daraus entstehenden Nutzen. Ziel einer Person ist danach ein Ertrag, der von ihr im sozialen Vergleich als gerecht für den erbrachten Einsatz angesehen wird. Steht dem hohen Input kein hoher Output gegenüber, entsteht danach Unzufriedenheit, auch wenn dies rein ökonomisch betrachtet unsinnig sein mag. Sie zielt also auf das Anstreben eines Gleichgewichts zwischen erbrachter Leistung und dafür erhaltener Belohnung ab. Dafür gelten drei Axiome: Menschen beurteilen ihre Beziehungen nach dem Verhältnis von Geben und Nehmen. Menschen leiden darunter, wenn das, was sie in eine Beziehung eingeben, nicht dem entspricht, was sie herausbekommen. Menschen, die in ihren Beziehungen derart leiden, wollen die Ausgewogenheit wieder herstellen. Dies unterstellt erstens den Erhalt einer Gegenleistung für einen wie immer auch gearteten Einsatz und zweitens, dass dieser Ertrag im Vergleich zu anderen beurteilt wird. Einsatz ist dabei alles, was als für die Tauschbeziehung relevant erachtet wird, Ertrag alles, was als relevante Gegenleistung erachtet wird. Jedes Ungleichgewicht führt zu Spannungen, die abzubauen versucht werden. Folglich ist nicht die absolute, sondern nur die relative Höhe von Einsatz und Ertrag ausschlaggebend. Nach Grossman werden zwei Triebmechanismen unterschieden. H ­ omöostatische Triebe beziehen sich auf Verhaltensweisen, die „Lust“ zur Folge haben (Appetenz) und das Überleben des Individuums oder seiner Spezies sichern. Sie wirken motivatorisch. Nicht-homöostatische Triebe hingegen bedrohen das Überleben und bewirken daher Unlust (Aversion). Sie wirken demotivatorisch. Im Gehirn sind Strukturen vorhanden, die bei Erregung „Lust“ oder „Unlust“ vermitteln und damit bestimmen, welches Verhalten bleibt und welches eliminiert wird. Externe Reize führen so, vorausgesetzt sie überschreiten einen Schwellenwert, der im Organismus gesteuert wird, zu Reaktionen (S-R-Modell), „Lust“-Reize sind etwa Hunger, Durst, Schlaf etc., „Unlust“-Reize sind etwa Emotion, Exploration, Er­ regung etc. Diese Theorie konnte neuerdings durch Erkenntnisse der Neuroökonomie bestätigt werden.

122

2. Der Direktabsatz

2.4 Einsatz der Vertriebsmitarbeiter 2.4.1 Gebietsaufteilung Der Vertrieb bedingt zu seiner effektiven Steuerung eine zweckmäßige Auf­ teilung der Verkaufsbezirke. Dazu dienen vor allem zwei Verfahren. Das Umsatzpotenzialverfahren ist von seiner Anlage her output-orientiert, geht damit davon aus, dass die Produktivität jedes Verkäufers in Bezug auf den Umsatz der Kunden gleich hoch, er also in der Lage ist, in einem bestimmten Zeitraum die gleichen Umsätze zu erzielen wie jeder seiner Kollegen auch. Das Verfahren geht wie folgt vor. Zunächst wird das Marktpotenzial ermittelt. Daraus ergibt sich das Umsatzpotenzial als wertmäßiger Marktanteil. Insofern lässt sich der Arbeits­ umfang jedes einzelnen Mitarbeiters ermitteln. Dividiert man das Umsatzpotenzial durch den Arbeitsumfang, ergibt sich daraus die Anzahl der Verkaufsbezirke. Vorteile des Umsatzpotenzialverfahrens sind vor allem der mögliche direkte Wettbewerb zwischen den Außendienstmitarbeitern, da jeder von ihnen a priori gleiche Verkaufschancen hat, sowie die einfache und verständliche Provisionsregelung. Nachteile liegen in der unvermeidlich ungleichen Gebietsgröße und damit unterschiedlichem Reiseaufwand und unterschiedlicher Arbeitslast. Vor allem aber liegt ein logischer Zirkelschluss vor, wenn die Zahl einzusetzender Verkäufer aus einem geschätzten Abschlussvolumen hergeleitet wird. Gerade dieses soll ja durch den Einsatz der Verkäufer erst beeinflusst werden. Beispiel: Gegeben sei folgende Umsatzverteilung: Umsatz (€)

Umsatzpotenzial in € p. a.

Zuordnung ADM

Kunde Meier

100.000

+ 20 % = 120.000

ADM 2

Kunde Schmidt

200.000

0 % = 200.000

ADM 1

Kunde Schulze

300.000

+ 100 % = 600.000

ADM 1

Kunde Müller

200.000

+ 50 % = 300.000

ADM 1

Kunde Linde

100.000

+ 50 % = 150.000

ADM 2

Kunde Hoffmann

300.000

+ 30 % = 390.000

ADM 2

Kunde Peters

200.000

+ 40 % = 280.000

ADM 2

Kunde Schröder

200.000

+ 15 % = 230.000

ADM 2

Kunde Landmann

300.000

0 % = 300.000

ADM 3

Kunde Fischer

400.000

+ 10 % = 440.000

ADM 3

Kunde Goltz

400.000

+ 15 % = 460.000

ADM 3

Kunde Herget

100.000

+ 50 % = 150.000

ADM 2

2.4 Einsatz der Vertriebsmitarbeiter

123

Aufteilung nach Umsatzpotenzial: •• ADM 1: 1.100.000 € Umsatzpotenzial bei 200 Arbeitstagen = 5.500 € je Arbeitstag, davon 400.000 € Zusatzumsatz 3 Kunden (Schmidt, Schulze, Müller) •• ADM 2: 1.300.000 € Umsatzpotenzial bei 200 Arbeitstagen = 6.500 € je Arbeitstag, davon 320.000 € Zusatzumsatz 6 Kunden (Meier, Linde, Hoffmann, Peters, Schröder, Herget) •• ADM 3: 1.200.000 € Umsatzpotenzial bei 200 Arbeitstagen = 6.000 € je Arbeitstag, davon 100.000 € Zusatzumsatz 3 Kunden (Landmann, Fischer, Goltz).

Abbildung 37: Kapazitätsberechnung Vertriebsaußendienstmitarbeiter

Das Arbeitslastverfahren ist hingegen input-orientiert, basiert also auf der Grundidee, dass jeder Verkäufer dieselbe Arbeitslast in Bezug auf den Aufwand für Kunden bewältigen kann. Zur Ermittlung der Anzahl der Verkaufsbezirke ist es nötig, den gesamten Arbeitsaufwand zu ermitteln, der für die Bearbeitung des anvisierten Marktes notwendig ist. Dazu geht das Verfahren wie folgt vor. Potenzielle Kunden werden nach ihrem Umsatzpotenzial eingeteilt. Dann wird die Besuchshäufigkeit pro Zeiteinheit je nach Bedeutung der Kunden festgelegt. Daraus ergibt sich das Produkt aus Kundenzahl und Besuchshäufigkeit. Dagegen werden

124

2. Der Direktabsatz

die Arbeitstage je Verkäufer gestellt. Dividiert man die Bruttobesuchstage durch diese Arbeitstage, ergibt sich die Anzahl der erforderlichen Verkäufer. Vorteile des Arbeitslastverfahrens sind vor allem die faire Verteilung des Betreuungsaufwands sowie seine Einfachheit und Verständlichkeit. Nachteile liegen in den unterschiedlichen Umsatzpotenzialen, die in der Provisionsregelung zu berücksichtigen sind. Zudem müssen auch neue Kunden akquiriert werden. Beispiel: Gegeben sei folgende Arbeitslastverteilung für drei VADM: Besuchstage

Vor- und Nach­ bereitungstage

Fahrtzeiten

Besuchshäufigkeit

Summe p.a.

Kunde Meier

1

1

2

12

48

Kunde Schmidt

2

2

3

1

7

Kunde Schulze

3

3

1

12

84

Kunde Müller

2

2

1

6

30

Kunde Linde

1

1

3

3

15

Kunde Hoffmann

3

3

1

6

42

Kunde Peters

2

2

1

6

30

Kunde Schröder

2

2

1

3

15

Kunde Landmann

3

1

1

3

15

Kunde Fischer

4

5

1

6

60

Kunde Goltz

4

4

3

12

132

Kunde Herget

1

1

3

3

15

Neugeschäft ADM 1

3

5

-

4

32

Neugeschäft ADM 2

4

5

-

4

36

Neugeschäft ADM 3

5

5

-

4

40

Aufteilung nach Arbeitslast: •• ADM 1: 4+1 Kunden: Meier, Schmidt, Schulze, Müller, Neugeschäft = 201 Arbeitstage •• ADM 2: 5+1 Kunden: Linde, Hoffmann, Peters, Schröder, Fischer, Neugeschäft = 198 Arbeitstage •• ADM 3: 3+1 Kunden: Landmann, Goltz, Herget, Neugeschäft = 202 Arbeitstage.

Es empfiehlt sich, die Aufteilung der Verkaufsbezirke nur in Abstimmung mit den betroffenen Mitarbeitern vorzunehmen und dann mittelfristig unverändert beizubehalten. Denkbar ist aber auch die umgekehrte Vorgehensweise, also von der gegebenen Arbeitslast auf die erforderliche Zahl der ADM’s.

2.4 Einsatz der Vertriebsmitarbeiter

Abbildung 38: Berechnungsbeispiel der VADM-Kapazität und -Kosten

125

126

2. Der Direktabsatz

2.4.2 Zeitbudgetierung Die Tourenplanung bezieht sich auf die Festlegung der Anzahl der Kunden, die auf derselben Tour besucht werden. Am Häufigsten geht man dabei wie folgt vor. Um den Sitz jedes Außendienstlers herum wird anhand einer Landkarte konzentrisch sein Verkaufsbezirk abgegrenzt. Dieser Verkaufsbezirk wird wiederum in fünf Abschnitte („Kuchenprinzip“) unterteilt, wobei jeder Abschnitt für einen Arbeitstag der Woche steht. Analog können mehr oder weniger Abschnitte bestimmt werden, in Abhängigkeit von den jeweils festgelegten (nicht unbedingt als gleichmäßig zu unterstellenden) Besuchshäufigkeiten. Nach dem Sprungtourenverfahren werden die Segmente so gewählt, dass sie an aufeinander folgenden Arbeitstagen möglichst weit entfernt liegen. So können außerplanmäßige Termine kurzfristig „am Weg“ aufgefangen werden. Bei längeren Besuchsabständen ist auch eine Aufteilung des Verkaufsbezirks nach Wochenturnus möglich. Die Kunden eines Segments werden dann innerhalb einer Woche besucht, die des nächsten Segments in der nächsten Woche. Die Segmente ergeben sich jeweils asymmetrisch, wenn der Wohnort des Verkaufsaußendienstmitarbeiters nicht in der Mitte oder außerhalb des jeweiligen Gebiets liegt. Die Routenplanung betrifft die Reihenfolge der Kundenbesuche, die meist computergestützt in Abhängigkeit von Entfernungen zwischen zu besuchenden Kunden, Arbeitszeiten der Mitarbeiter, Reise- und Verweilzeiten bei den einzelnen Kontakten etc. ermittelt wird. Dazu dienen komplexe mathematische Verfahren (Travelling salesman problem/OR), die umso schwieriger beherrschbar sind, je mehr Parameter dabei einbezogen werden. Zumindest ansatzweise ist somit theoretisch eine Optimierung möglich. Bei n Zielorten gibt es n! Kombinationen, dies ist nicht praktikabel. Praktisch werden innerhalb jedes Segments die Besuchsadressen an den Gebietsrändern als Kette verbunden (Außenring), jeweils startend und endend mit dem Sitz des Außendienstlers (bei größeren Gebieten mit Zwischenstopp). Die einzelnen Kundenstandorte werden dann im Innenring derart miteinander verbunden, dass möglichst keine spitzen Winkel, keine Kreuzungen von Strecken und keine gegenläufig zurück zu legenden Strecken entstehen. So ergibt sich die Reiseroute (vorausgesetzt, das Verkehrsnetz spricht nicht dagegen). Alternativ kann durch Navigationssystem computergestützt die optimale Route ermittelt werden. Dabei werden sinnvollerweise Zeitreserven eingeplant, um unvorhergesehene oder unvermeidliche Ausfälle zu kompensieren (etwa bei Kundendienstfahrten, bei denen die Termine eines Tages nicht planbar sind oder bei Paketdiensten, die Pakete auch abholen). Da Leistung Arbeit in der Zeit ist, geht es im zweiten Effizienzaspekt um die verschiedenen Leistungsarten, die in der Zeitbudgetierung im Verkauf unterschieden werden können.

2.4 Einsatz der Vertriebsmitarbeiter

127

Abbildung 39: Alternative Verfahren zur Tourenplanung

Nutzleistung ist die dem eigentlichen Verkauf dienende Zeit, d. h. die Situation „vor Kunde“, gleich ob diese erfolgreich verläuft oder nicht. Dies ist der „Auftritt“ des Verkaufsaußendienstmitarbeiters, jede Minute hier ist daher bestens angelegt. Stützleistung ist die für vor- und nachbereitende Arbeiten anfallende Zeit, die zwar nicht unmittelbar dem Verkauf dient, aber erforderlich ist, um erfolgreich Verkaufen zu können (z. B. Fahrtzeiten, Vorgabe- und Ergebniswesen). Mit wachsender Komplexität im Verkauf werden diese Aktivitäten immer anspruchsvoller. Blind-

128

2. Der Direktabsatz

leistung ist die Zeit, die weder der Vor- oder Nachbereitung noch der eigentlichen Durchführung des Verkaufs dient, aber unvermeidlich ist (z. B. Krankheitstage, Urlaubstage, Fortbildungszeiten). Diese Zeiten sind meist tarif- oder einzelvertraglich festgelegt und machen einen erheblichen Teil des Zeitbudgets aus. Fehlleistung ist die Zeit, die vermeidbar ineffizient ist und daher minimiert werden muss (z. B. Stauzeiten, Pannen, Wartezeiten beim Kunden, ausfallende Termine). Mit zunehmender Hektik im Umfeld nehmen auch diese Zeitanteile immer mehr zu. Ziel der Touren- und Routenplanung ist eine Gebietsoptimierung derart, dass die Gebiete den Feldmitarbeitern so zugeordnet sind, dass die Kosten der Bearbeitung bei gleichmäßiger Auslastung der Mitarbeiter minimiert werden. Neben dem Standort des Mitarbeiters sind dazu auch der Besuchsrhythmus und die Besuchsdauer zu bestimmen. Zur Ermittlung gibt es statische Verfahren, die voraussetzen, dass alle Informationen bekannt sind und unverändert bleiben, so dass die Planung nur einmalig zu erfolgen hat, und dynamische Verfahren, die annehmen, dass die Informationen nicht alle bekannt sind und sich ändern können. Es bieten sich folgende Methoden an: •• Einkreis-Methode: Dabei werden Zielorte und Standort in einer Landkarte markiert, die Tour ergibt sich als Kreise analog Blütenblättern. •• Hauptstraßenmethode: Die Zielorte werden entlang einer Hauptverkehrsader (z. B. BAB) eingezeichnet und gruppiert. •• Sprungverfahren: Das Gebiet wird in Segmente aufgeteilt und naheliegende Ziele in zwei oder mehr Segmenten werden auf einer gemeinsamen Tour besucht.

2.4.3 Besuchsnormen Zu den wichtigsten Aufgaben im Verkauf gehören zweifellos die Besuchs­ aktivitäten. Dabei geht es um Besuche bei verschiedenen Kaufentscheidern, die Initiierung von Besuchen durch andere Mitarbeiter des anbietenden Unternehmens (z. B. Fachspezialisten, Geschäftsleitung) sowie Besuche kooperierender Anbieter (z. B. in Konsortien). Daneben stehen die Kommunikationsaktivitäten des Verkaufsaußendienstes, also vor allem die inhaltliche Gestaltung der Kommunikation zwischen Nachfrager und Anbieter, die gemeinsame Entwicklung von Problemlösungsvorschlägen mittels kundenindividueller Angebote sowie das Durchsetzen von Preisforderungen bzw. das Aushandeln von Konditionen im Vordergrund. Hinzu treten interne Aufgaben wie die Ausarbeitung von Angeboten, die Verfolgung dieser Angebote, die Überwachung der damit verbundenen administrativen Prozesse (Auftragsbearbeitung, Rechnungslegung, Zahlungseingang, Garantieabwicklung) und auch die eigenständige Fortbildung. Für die Koordinierung und Auswertung dieser Aktivitäten stehen Informationssysteme zur Verfügung.

2.4 Einsatz der Vertriebsmitarbeiter

129

Weiterhin liegen der Vertriebstätigkeit meist Besuchsnormen zugrunde, die standardisiert oder kundengruppenspezifisch ausgelegt sein können. Basis dieser Regelung ist eine Sales response-Funktion über die mutmaßliche funktionale Beziehung zwischen der Anzahl der Besuche und dem Verkaufsergebnis bei Abnehmern. Damit kann z. B. vermieden werden, dass Verkaufsaußendienstmitarbeiter Besuche bei unangenehmen, aber ertragreichen Kunden nur ungern angehen und statt dessen Kunden mit besserem Arbeitsklima vorziehen, die aber betriebswirtschaftlich wenig attraktiv sind. Die Besuchsaktivitäten sollen auch unter Kostenaspekten geplant werden. Gerade in geografisch großen Verkaufsgebieten ist dabei eine Optimierung der Reisekosten und -zeiten erforderlich. Die Steuerung kann anhand verschiedener Parameter erfolgen. Dabei ist allerdings eine Gratwanderung erforderlich, denn eine zu enge Vorgabe von Besuchsstandards kann zur Inflexibilität und Demotivation der Mitarbeiter führen. Dennoch ist die beabsichtigte Einflussnahme auf das Verhalten zur Erreichung der von der Geschäftsleitung vorgegebenen Ziele unerlässlich. Unter Besuchsvorgaben versteht man allgemein Standards in Bezug auf die Betreuung von Kunden. Dazu gehören vor allem folgende. Die Häufigkeit der Kundenbesuche innerhalb einer Periode variiert je nach Bedeutung der zu besuchenden Kunden. A-Kunden (Key accounts) werden häufiger besucht als B- und C-Kunden. Evtl. wird auf den Besuch der C-Kunden auch ganz verzichtet und deren Betreuung von der persönlichen auf die mediale Kommunikation (Direktansprache) umgestellt. Oder vom Push-Prinzip auf das Pull-Prinzip des e-Commerce. Einfluss auf die Besuchshäufigkeit haben Bestellrhythmen und Mitarbeiterkapazitäten. Auch die Besuchsdauer bemisst sich im Wesentlichen an der Bedeutung der Kunden. A-Kunden rechtfertigen längere Besuchszeiten als B- oder gar C-Kunden. Leider haben Verkäufer die Tendenz, gern bei den falschen, wenig werthaltigen Kunden präsent zu sein, weil die werthaltigen, großen Kunden „feindliche“ Umfeldbedingungen bieten, kleine Kunden hingegen häufig freundliche. Dies verleitet dazu, immer wieder Ausreden zu finden, warum Termine bei A-Kunden nicht wahrgenommen werden können oder zu kurz ausfallen. Dies ist verhängnisvoll für die Profitabilität. Interessentenkontakte sind in ausgewogenem Verhältnis zur Bestandskundenbetreuung erforderlich. Zwar hat die Betreuung der Bestandskunden unbedingten Vorrang, da sie im Regelfall ertragreicher ist als jede Akquisition, dennoch ist zur Auffüllung des unvermeidlichen Abwachses an Kunden und zur Induzierung zusätzlicher Wachstumseffekte immer auch der Kontakt zu Prospects erforderlich, den Reisende häufig scheuen, weil er vergleichsweise selten zu unmittelbaren Abschlüssen führt. Präsentationen bei Bestandskunden und/oder Interessenten führen zwar selten zu unmittelbaren Abschlüssen und sind daher im Vertrieb unbeliebt. Dennoch sind

130

2. Der Direktabsatz

sie unerlässlich, um Bestandskunden über neue Produkte im Programm angemessen zu informieren und Interessenten von den Vorteilen des Eingehens einer Geschäftsbeziehung mit dem vertretenen Anbieter zu überzeugen. Die Anfragengenerierung sollte sich idealerweise auf die erfolgversprechendsten Produkte mit der höchsten Profitabilität konzentrieren. Damit es dazu kommt, ist ein entsprechender Vorverkauf dieser Leistungen erforderlich, statt auf die am Leichtesten anzudienenden Produkte zu reflektieren. Nur dadurch können Anfragen erreicht und damit die Chancen auf eine Auftragserteilung geschaffen werden. Selbst Routineaufträge innerhalb bestehender Geschäftsbeziehungen werden kaum mehr ohne formale Angebotseinholung erteilt. Insofern hat die Vernachlässigung des Angebotswesens einen entscheidenden Sperrklinkeneffekt. Vor allem kommt es darauf an, die Qualität der Angebote so auszugestalten, dass sie eine realistische Chance auf Erfolg haben (ablesbar an der Hitrate, d. h. der Relation aus erhaltenen Aufträgen zu abgegebenen Angeboten). Die Nutzung von Verkaufsaktivitäten auch bei Servicekontakten führt gerade bei Kunden mit zufriedenstellend behobenen Reklamationen und Kunden, die aktuell den guten Service eines Anbieters erleben, zu hohen Chancen auf Abschlüsse. Dies kann sich auf Nachverkäufe (Zubehör), Ersatz- oder Erweiterungsanschaffungen oder weitere (entgeltliche) Nachkaufservices beziehen. Dem Vertriebsmitarbeiter werden dabei zahlreiche Verkaufshilfen zur Hand gegeben, wie Salesfolder (zum Verbleib beim Kunden), Verkaufshandbuch (zur Einsicht), Argumenter (kurzgefasste Information zur eigenen Vorbereitung), Ordersatzbeilage (im Handel), Produktmuster (zur Ansicht), Give away (zur Einstimmung), Präsentationskoffer und Werbemittelgrundausstattung.

2.4.4 Berichtswesen Von hoher Bedeutung im Vertrieb ist das Vorgabe- und Ergebniswesen, also die Informationierung seitens des Unternehmens vor jedem Besuch und seitens der Verkaufsmitarbeiter nach jedem Besuch bei Kunden. Wichtig ist dabei eine Orientierung an den Erfordernissen des Kundenmanagements. Informationen sind daher so anzulegen, dass sie in Bezug auf diese Orientierung aussagefähig sind. Ein modernes Berichtswesen muss so ausgestaltet sein, dass es zweckdienliche Erkenntnisse zu z. B. Indikatoren für Kundenunzufriedenheiten, die Anzeichen einer bevorstehenden Kündigung sein können, Begründungen zur Ablehnung von Angeboten, Informationen über die Aufnahme neuer Lieferanten oder Anhebung anderer Lieferanten in den Status eines „Preferred supplier“ liefert. Über diese routinemäßigen Informationen hinaus sind zusätzliche Informationen bedeutsam, z. B. über die Eröffnung neuer Geschäftsfelder beim Kunden, bevorstehende Akquisitionen, Personal- oder Zuständigkeitsveränderungen.

2.5 Beurteilung des Persönlichen Verkaufs

131

Das Berichtswesen erfolgt zunehmend computergestützt. Dazu werden verschiedene Systeme der Sales automation eingesetzt. Es handelt sich vor allem um folgende. •• Computergestützte Abwicklungssysteme disponieren über eingebundene Warenwirtschafts-, Auftragsabwicklungs- und Fakturierungssysteme. •• Vertriebsinformationssysteme umfassen Database marketing (z. B. als Kundendatenbank) als Salesmen information-Systeme für die Verkaufsaußendienstmannschaft, Product information-Systeme, meist in Form von Produktkatalogen, Office preparation-Systeme für die Schnittstelle zum Back office sowie Customer service support-Systeme für die Kundendienstunterstützung, •• Kundenfokussierte Systeme beziehen sich auf CRM-Systeme, die den Kundenlebenszyklus begleiten und Customer integration-Systeme, bei denen eine informationelle Wertkettenverschränkung stattfindet. •• Außerdem gibt es die spezifische Unterstützung zur Außendienststeuerung in Form von Computer aided selling-Systemen (CAS).

2.5 Beurteilung des Persönlichen Verkaufs Der Persönliche Verkauf sieht sich zunehmend der Verdrängung durch den mediengestützten Vertrieb ausgesetzt. Zur Abschätzung der Potenziale ist es daher sinnvoll, eine kurze Beurteilung des Persönlichen Verkaufs vorzunehmen. Der Persönliche Verkauf verursacht erhebliche Kosten im Humanfaktor, die zudem im Wesentlichen Fixkostencharakter haben, was eine flexible Anpassung der Aktivitätslevels an Marktschwankungen kaum möglich macht. Für das Wachstum stellt sich die Qualität der Vertriebsmitarbeiter als erheblicher Engpass heraus. Denn der Einsatz geeigneter Mitarbeiter bedingt neben deren Beschaffung auch ihre Qualifizierung, weniger in Bezug auf allgemeine Leistungsmerkmale als vielmehr in Bezug auf den Fit mit der Unternehmenskultur, das Wissen um die spezifischen Angebotsvorteile und die Vermittlung von Kundenund Produktkenntnissen. Zudem liegt ein Problem häufig in der Abstimmung mit den Programminhalten. So tragen einzelne Programminhalte keine teueren, qualifizierten Außendienstmitarbeiter, oder Kunden erwarten eine Problemlösung, die aus mehr als dem Angebot des eigenen Programms besteht. In beiden Fällen ist zu überlegen, inwieweit komplementäre Angebote auch verschiedener Unternehmen im Persönlichen Verkauf gebündelt werden können, was jedoch erhebliche Konfliktpotenziale birgt. Der Verkaufsaußendienstmitarbeiter gilt dem Nachfrager zudem nicht als neutraler Gesprächspartner, sondern als von Eigeninteressen geleitet. Das erschwert den Aufbau einer tragfähigen Vertrauensbasis zwischen Verkäufer und Abnehmer.

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2. Der Direktabsatz

Gelegentlich sind zu diesem Zweck vermeintlich neutrale Mittler (z. B. Makler, Berater) zwischengeschaltet, die jedoch bei näherem Hinsehen meist nur zu erhöhter Komplexität führen. In zunehmendem Maße wird der Persönliche Verkauf zudem durch mediale Kontakte, insb. Online-Transaktionen, obsolet. Dort greifen auch die vertrauensbildenden Maßnahmen der Verkäufer nicht mehr, stattdessen werden, bei weithin standardisierten Beschaffungsobjekten, rein sachliche Parameter wie Preis und Lieferfähigkeit dominant. Allerdings können engagierte und ambitionierte Verkaufsaußendienstmitarbeiter sich hochgradig für das Unternehmen einsetzen und die Marketingkonzeption eines Anbieters nachhaltig umsetzen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Möglichkeit zur konsequenten Ausschöpfung des kumulierten Wissens über Kunden im Unternehmen. Dadurch kann eine starke Kundenbindung aufgebaut werden, die neben den aktuellen Umsätzen auch die zukünftigen Umsätze sicherer macht. Weiterhin kann der Austauschbarkeit im Zuge virtueller Marktplätze entgangen werden, indem Kunden bereits im Vorfeld, bei Bedarfserkennung oder sogar durch Bedarfsgenerierung, maßgeschneiderte Problemlösungen aus der Kenntnis um deren Vermarktungssituation heraus angeboten werden können, die nicht standardisierbar sind oder sie evtl. von einer weiteren Ausschreibung absehen lassen, weil sie gut kalkuliert sind. Durch Qualität im Persönlichen Verkauf dokumentiert ein Anbieter zudem die Qualität seiner Leistungserstellung, d. h., fähige Mitarbeiter bauen bei Abnehmern eine Vertrauensbasis auf, die auf die angebotenen, oftmals im Vorhinein unbekannten Produkte übertragen wird und damit zu einem Alleinstellungsmerkmal werden kann. Dies macht allerdings die Qualifizierung im Außendienst hoch bedeutsam. Über eigene Mitarbeiter können die Distributions- und Verkaufsstrategien bestmöglich umgesetzt werden, da eine feinteilige Ausrichtung und eine reibungsarme Umsetzung möglich sind. Dies vermindert Reibungsverluste und erlaubt eine hohe Aktionsfähigkeit, angesichts des vorherrschenden Zeitwettbewerbs ein immer wichtigeres Argument. Neben der Akquisitions- und Transaktionsphase wird die Nachbetreuungsphase immer wichtiger, da dort die Basis für erfolgreiche Wiederkäufe gelegt wird. Und eine solche Nachbetreuung ist am Besten im Persönlichen Verkauf möglich. Große Vertriebsorganisation im B-t-b-Sektor in Deutschland sind folgende: Jungheinrich, 3 M, Zeppelin, SKF, Klaus Steilmann Institut, H. F. & Ph.H. Reemtsma, Azupharma, Cewe Color, Bauknecht Hausgeräte, EKO Stahl, Varta, Privatbrauerei Diebels, AGCO, Vogt ­Electronic.

2.6 Aufgaben des Innenverkaufs

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2.6 Aufgaben des Innenverkaufs Für die Realisierung der vielfältigen Aufgaben des Vertriebs ist es erforderlich, diesen zielgerichtet zu organisieren. Üblicherweise besteht der Vertrieb neben dem Verkaufsaußendienst aus Mitarbeitern des Vertriebsinnendienstes (Back office), der den Außendienst bei administrativen Aufgaben entlastet. Diese Mit­ arbeiter werden überwiegend fest honoriert, obgleich sie zum Gelingen oder Ausbleiben von Abschlüssen ebenso beitragen wie die Mitarbeiter „an der Kundenfront“. Daraus resultieren häufig gravierende Einkommensunterschiede mit der Gefahr von Friktionen. Häufig werden erfolgreiche Innendienstmitarbeiter auch zu Außendienstmitarbeitern befördert, was nicht unbedingt adäquat sein muss, da die Anforderungsprofile der Stellen doch erheblich voneinander abweichen (z. B. Hard skills vs. Soft skills). Die Aufgaben des Innenverkaufs sind ausgesprochen vielfältig. Dabei geht es um die hauptverantwortliche, ständige Überwachung der reibungslosen Auftragsabwicklung und die Weitergabe der gewonnenen Erfahrungen und Informationen in der Vertriebsorganisation. Weiterhin erfolgt die Segmentierung von Kunden aufgrund der Vorgaben der Verkaufsleitung und eine Modularisierung zur rationell vereinheitlichenden und dennoch individuell erscheinenden Kundenberatung, insb. in Bezug auf Angebotsund Verkaufsschwerpunkte gemäß vorhandenen bzw. entwickelbaren Umsatz­ potenzialen. Die laufende Aktualisierung aller kundenindividuellen Steuerungsdaten als erforderliche Grundlage für Aktivitäten in Kooperation mit der internen Absatz­ organisation gehört ebenso zu den Aufgaben wie die Mitwirkung bei der Bonitätsüberwachung. Auch soll eine ständige Verbesserung durch Besuchsvorbereitungstechniken, Argumentationslisten, Angebotschecklisten, Verkaufsförderungsprogramme, Kundendiensteinsätze, Auslieferungsverfahren, Werbeaktionen, Coop-Aktionen oder besondere Vertragsgestaltungen für einzelne Spezialkunden erreicht werden. Unterstützend wirkt die Anregung besonderer Aktionen speziell für diese Kunden bei der Vertriebsleitung oder beim Kunden selbst mit Ausarbeitung der dazugehörigen Strategie und Überwachung der Durchführung mit dem Ziel von Syner­ gieeffekten. Hinzu kommt die Durchführung der laufenden Bearbeitung von Sonderkunden nach Routine und bei besonderen Anlässen sowie die Erstellung und Aktualisierung von Prognosen über die Absatzentwicklung und Analyse deren Einkaufs­ verhaltens. Ein ständiger Kooperationskontakt mit Kundenmitarbeitern, die Einkaufs- und Aktionsentscheidungen treffen und Abverkaufsverantwortung tragen, wird gepflegt,

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2. Der Direktabsatz

verbunden mit dem Recht, bei allen Stellen Informationen einzuholen, Einsicht in Unterlagen zu nehmen und alle benötigten Daten abzurufen (interne Kommunikation und Schnittstelle). In Abstimmung mit der internen Absatzorganisation erfolgt die Verfolgung der absprachegemäßen Auftragsausführung durch Kooperation mit den Bereichen Verkaufsförderung, Kategoriemanagement und Vertriebsleitung. Es werden Information über die Wettbewerbssituation der Kunden allgemein zusammengestellt, um Beratungsgespräche besser fundieren und Vorschläge für die spezifische Vermarktungspolitik in Bezug auf Spezialkunden erarbeiten zu können. Erforderlich ist auch die ständige Ermittlung des Trainings- und Schulungs­ bedarfs der Mitarbeiter und die Förderung deren Weiterbildung etwa durch Interpretation der Bedeutung der Bestandskundenerfahrung für die Betreuung anderer Kunden. Zentral sind die Unterstützung der Vertriebsleitung für einen reibungslosen Arbeitsübergang zur Außendienstbetreuung und Mitentscheidung über Sonderkonditionen, den Einsatz von Merchandisern, Sonderaktionen und die Neuaufnahme bzw. Eliminierung von Spezialkunden. Eigenständig werden Entscheidungen über den Ablauf der Arbeiten innerhalb des Bereichs, über die Weiterleitung von Anregungen, Reklamationen, Beobachtungen und Vorschlägen getroffen. Weitere Aufgaben sind die Auftragsbearbeitung (Order processing), die Mitarbeit in der Kundenbetreuung, die Unterstützung des Außendienstes, die eigenverantwortliche Kleinkundenbetreuung, die Fakturierung, das Nachhalten von Kundenbonitäten, das Beschwerdehandling, die Abstimmung der Logistik, der Teleabsatz, die Mitarbeit auf Messen und die Kundenbetreuung im Stammhaus.

2.7 Mediengestützter Absatz 2.7.1 Elektronische Medien 2.7.1.1 e-Commerce 2.7.1.1.1 Technik Unter Electronic commerce (e-Commerce) versteht man den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien zur elektronischen Integration von Lieferant und Abnehmern. Dies erlaubt die umfassende digitale Abwicklung von Geschäftsprozessen mit Kunden über öffentliche und private Netze. Dies gilt vor allem für die Förderung des Austauschs von Gütern und Diensten. Unter Geschäf-

2.7 Mediengestützter Absatz

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ten ist jede Art wertschöpfender Aktivitäten zu verstehen. Dies betrifft somit alle Kernleistungen (wie Beschaffung, Produktion, Absatz, Logistik, Kundendienst). e-Commerce ist vor allem aus dem B-t-c-Bereich bekannt, so von Buchversendern oder Online-Banken. Eine weitaus größere Bedeutung kommt ihm allerdings im B-t-b-Bereich zu.

Abbildung 40: Einordnung des e-Commerce

Dabei werden grundsätzlich zwei Varianten des e-Commerce unterschieden: •• Electronic data interchange (EDI) als elektronischer Austausch von Geschäfts­ dokumenten auf Basis standardisierter Datenstrukturen (Protokoll). Dadurch können Daten automatisiert im Maschine-zu-Maschine-Dialog ausgetauscht werden. Eine EDI-Botschaft enthält z. B. als Bestellung Informationen über Besteller, bestellte Güter, Bestelldatum und Logistikdaten in kompatibler Form. •• Internet commerce (i-Commerce) als nicht weiter standardisierter Austausch von Daten, der nur dem Internet-Protokoll (TCP) folgt. Beide bedienen sich als Netzwerk vornehmlich des Internet. EDI bewegt sich allerdings überwiegend in Geschlossenen Benutzergruppen (GBG’s), d. h., der Austausch erfolgt nur mit ausgewählten im Netz explizit angeschlossenen Unternehmen, während i-Commerce sowohl unternehmensintern (Intranet) als auch mit ausgewählten Unternehmen (Extranet) oder offen (also global) erfolgen kann. EDI erfordert unter den Beteiligten im Einzelnen Vereinbarungen über Art und Umfang ausgetauschter Daten, betroffene Geschäftsprozesse und Art und Umfang der Verarbeitung. Vor allem sind eine sichere Netzwerkumgebung und eine zielgerichtete Lenkung der EDI-Botschaften erforderlich. Die Übersetzung der Daten wird durch einheitliche Übertragungsprotokolle gewährleistet. Allerdings gibt es

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2. Der Direktabsatz

derzeit noch vielfältige „Dialekte“ von EDI, so dass eine sichere Nutzung nur im Rahmen eines organisierten, privat betriebenen Netzwerks (Value added network/ VAN) möglich ist. Ein Wechsel zwischen Netzwerken (etwa wenn Transaktionspartner in verschiedenen VAN’s integriert sind) ist in Maßen durch Transferstellen (Interconnecting gateways) möglich. EDI über Internet ist jedoch ungleich kostengünstiger als über Extranets. Der technische Prozess von EDI im Falle einer Bestellung sieht etwa folgende Phasen vor. Im Einkaufssystem des Abnehmers wird eine Bestellung generiert (sei es auf Basis einer spezifischen Materialanforderung, also manuell, oder eines automatischen Aufrufs, etwa bei Erreichen der Mindestbestandsmenge). Diese Bestellung wird in eine strukturierte EDI-Nachricht übersetzt. Das EDI-System des Abnehmers sendet diese Nachricht an das EDI-System des Lieferanten. Dort wird die EDI-Nachricht in ein Format übersetzt, das verständlich für das Auftragsabwicklungssystem des Lieferanten ist. Dabei ist das EDI-System jedes Geschäftspartners dafür verantwortlich, die Nachricht im korrekten Format an den richtigen Abnehmer zu steuern und ggfs. auftretende Übertragungsfehler zu korrigieren bzw. zu melden. Für Klein- und Mittelunternehmen oder bei nicht-intensiver Nutzung der Transaktionsmöglichkeiten bietet sich jedoch das Internet als Übertragungsmedium an. Allerdings liegt dann eine Schnittstelle zwischen externer (öffentlicher) und unternehmensinterner (privater) Kommunikation vor, die Eingriffe erfordert. Auch ist die Datensicherheit im öffentlichen Netz weitaus geringer. Der Austausch erfolgt dann über Web-Formulare (Datenmasken) und Nachrichtendepots (Mailboxes). Zusätzlich können Programmsprachen eingesetzt werden, die einen von der Plattform unabhängigen Datenaustausch sicherstellen. Es ist erforderlich, die Transaktionspartner zusammen zu bringen, also den Kontakt zwischen Anbieter und Nachfrager herzustellen (z. B. durch die Installation einer Website) und diese Partner in die Lage zu versetzen, beabsichtigte Transaktionen auch durchzuführen (z. B. durch eine kurze Benutzerführung). Dabei ist sicher zu stellen, dass die Partner ihren Verpflichtungen auch angemessen nachkommen können (z. B. durch Liefer- und Zahlungsfähigkeitsnachweise). Dabei sind Schnittstellen in den Prozessen zu berücksichtigen, und zwar nicht nur unternehmensinterne Lieferanten-Kunden-Beziehungen, sondern auch unternehmensübergreifende sowohl als Nahtstellen wie auch als Outsourcing (Auslagerung vormals eigener Aktivitäten an Externe) oder Insourcing (Übernahme vormals fremder Aktivitäten in das Unternehmen). Typischerweise greifen dabei mehrere Prozesse ineinander. Eine erfolgversprechende Vertriebsanwendung im Firmenkundengeschäft sollte z. B. ­folgende Bausteine vorsehen: •• Sehr effiziente, d. h. übersichtliche und flach strukturierte, Kundenschnittstelle, •• vergleichende Darstellung von Produkten und Dienstleistungen,

2.7 Mediengestützter Absatz

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•• elaborierte Suchmöglichkeiten (vom Produkt oder vom Begriff aus), •• Anzeige meistverkaufter Produkte, neuer Produkte und aktionierter Produkte, •• einfache Bestell- und Bezahlverfahren aufgrund kundendefinierter Kriterien, •• automatische Benachrichtigung über Angebote aufgrund kundendefinierter Parameter, •• intelligente Verknüpfung begleitender Dienstleistungsangebote, •• Auftragsverfolgung in jedem Stadium der Abwicklung, •• aktive Beratung während des Einkaufsvorgangs, evtl. mit Durchgriff auf Vertriebsmit­ arbeiter, •• Online-Auktionen von Rest- und Sonderposten, •• Multimedia-Unterstützung auf Wunsch (z. B. 3-D-Darstellung, Videospots), •• Downloads von einfachen Produktkatalogen, •• bedarfsgerechte Informationsbündelung (also nicht nach Produkten, sondern Problem­ lösungen), •• Online-Transaktionshistorie.

e-Commerce führt in gewisser Weise zu einer „Demokratisierung“ des Marktes, d. h., kleine und mittlere Unternehmen (KMU) haben prinzipiell keine nennenswerten Nachteile mehr gegenüber großen. Es kommt allein auf die Geschäftsidee an. Zugleich sind bereits alle Bausteine für eine effiziente und effektive Reali­ sierung des e-Commerce vorhanden. Der Pionier hat zudem die Aussicht auf komparative Wettbewerbsvorteile. Insofern spricht alles dafür, das gerade KMU’s frühzeitig diese für sie einmalige Chance nutzen, aus ihrem „Small business“ ein „Big business“ werden zu lassen. 2.7.1.1.2 Einsatzfelder Aus der e-Commerce-Nutzung leiten sich zumindest potenzielle Wettbewerbsvorteile ab. Auf Lieferantenseite sind die Folgenden zu nennen: •• Die Kosten für Kundenfindung und -bindung können gegenüber traditionellen Formen des Kontakts, wie Persönlicher Verkauf, Direktansprache oder telekommunikative Ansprache, deutlich gesenkt werden. •• Die Absatzmärkte können mit minimalen Zusatzkosten global ausgedehnt werden. Durch Einstellung von Informationen in das Internet werden geografische Marktrestriktionen zumindest potenziell aufgehoben. •• Die Informationskosten (z. B. über Produkte und Services) können gesenkt werden. Dies gilt vor allem für schnell veraltende Informationen, wie sie im Bereich technischer Güter häufig anzutreffen sind.

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2. Der Direktabsatz

•• Die Informationen sind ohne Zeitverzug, wo immer gewünscht, verfügbar. Dies erlaubt ein „Turbo-Marketing“ (Kotler), also die unmittelbare Reaktion bzw. Aktion in Richtung der Kunden. Auf Abnehmerseite sind folgende Vorteile zu nennen: •• Die Einstandskosten können signifikant gesenkt werden. Dies gilt vor allem für den Einkauf von Produkten mit geringem Stückwert oder in geringer Menge. Diese verursachen traditionell vergleichsweise hohe bestellfixe Kosten (wie in der Prozesskostenrechnung ausgewiesen). •• Es wird ein globales Sourcing möglich, d. h. über Internet können alle verfüg­ baren Quellen ermittelt, ausgewertet und verglichen werden. Bei standardisierten Teilen können somit erhebliche Ersparnisse realisiert werden. •• Es sind virtuelle Organisationsstrukturen darstellbar. Dabei ist an die vollständige oder teilweise, vertikal strukturierte oder vernetzte Kooperation mit Dritten zu denken, um gemeinsam eine Leistung zu erstellen. Die dem e-Commerce als virtuellem Absatzkanal zugrunde liegenden Geschäfts­ modelle lassen sich nach Beteiligten, Handelsobjekten, Interaktion und Einkünften rubrizieren: •• Nach den Handelsbeteiligten handelt es sich um Gewerbetreibende (Business/B), Private (Consumer/C) oder Verwaltungen (Administration/A), die miteinander in Kontakt treten, entsprechend ergeben sich B-t-B-, B-t-C-, B-t-A-, C-t-C-, Ct-A-, A-t-A-, C-t-B-, A-t-C-, A-t-B-Beziehungen als Kombination. •• Nach den Handelsobjekten handelt es sich um digitale Inhalte wie z. B. Textnachrichten, Musikdateien, Videostreams, um Dienstleistungen wie z. B. Suchauftragsergebnisse, Zahlungsauthorisierung, Fulfillment, Kataloge, oder um Waren, die der anderweitigen, physischen Distribution bedürfen. •• Nach der Interaktion der Partner handelt es sich um indirekte Kontakte über Intermediäre wie Agenten, Co-Shopper, Makler für Börsen, Malls, Auktionen etc. oder direkte Kontakte zwischen Anbieter und Nachfrager. Indirekte Kontakte erfolgen meist über virtuelle Marktplätze. •• Und nach den Einkünften des Veranstalters handelt es sich um solche aus Werbeeinschaltungen (Banner u. Ä.), Weiterleitungen auf andere Websites und deren Transaktionen (Affiliations) auf Basis hoher Besucherfrequenz, Abonnements von Inhalten oder Diensten (Subcriptions), Verkäufen angebotener Leistungen oder Veranstalter-/Abschluss-Provisionen. In Web-Katalogen erhalten autorisierte Interessenten ortsunabhängig und permanent Informationen durch virtuelle Präsentation von Produkten und kundenspezifische Problemlösungen. Diese Kataloge können Funktionalitäten zur direkten Bestellung oder nur zur Einsicht bieten, sie können nur die Angebote eines Anbieters oder die mehrerer Anbieter vereinen und Produktinhalte oder auch nur Adress­

2.7 Mediengestützter Absatz

139

inhalte (analog zu Gelben Seiten) enthalten. Die Preise sind feststehend, es erfolgt keine Individualisierung, außer durch übliche Rahmenverträge, Rabatt­staffeln o. Ä. Der Verkauf via Electronic mail erfolgt über verschiedene Formen. Newsletters sind regelmäßige elektronische Zusendungen an einen im Voraus bestimmten Personenkreis (analog zum Print-Abonnement). e-Mail packages sind elektronische Direktwerbestücke, die aus mehreren Elementen bestehen (analog zum Print-Direct mail package). Und Stand-alone Mails sind Einmalaussendungen (analog zum Werbebrief). Für diese Formen gelten restriktive rechtliche Rahmenbedingungen. 2.7.1.1.3 Virtuelle Marktplätze Virtuelle Marktplätze können nach vielfachen Kriterien eingeteilt werden. Pragmatisch kann nach der Relation von Anbieter(n) und Nachfrager(n) unterschieden werden: •• Die Relation zwischen je einem Anbieter und Nachfrager wird im e-Shop verwirklicht. Dieser kann auf verschiedene Weise realisiert werden, etwa in Eigenregie programmiert, als Fertigprodukt fremd zugekauft, als Fertigprodukt gemietet mit der Möglichkeit kontinuierlicher Updates, aus Open source-Software kostenlos bereitgestellt und nach eigenen Vorstellungen modifiziert oder in Untermiete von Category killers (Amazon, Ebay). Die wichtigsten Elemente jedes eShops betreffen folgende. Eine Produktdatenbank gibt möglichst detailliert und aussagefähig Auskunft über die im Sortiment angebotenen Artikel. Die Stammdatenverwaltung ist wichtig, um Artikel und Besteller sicher zuordnen und verwalten zu können. Das Präsentationssystem sorgt für eine attraktive Darstellung der Produkte und Dienste im Internet. Ein Empfehlungsdienst gibt Erfahrungen anderer Nutzer weiter und wirkt dadurch risikoreduzierend. Das Bezahlverfahren muss sicher, eindeutig und bequem sein, Anforderungen, die gerade in einem offenen System wie dem Internet nur schwer zu erfüllen sind. Konfiguratoren sollen einen akquisitorischen Eindruck vom individuell genutzten Angebot vermitteln. •• Die Relation zwischen vielen Anbietern und einem Nachfrager wird in den Marktveranstaltungsformen der Lizitation und der Submission (Ausschreibung) genutzt. Bei der Lizitation unterbieten sich Anbieter gegenseitig in ihrer Preisforderung für die Erbringung einer vorgegebenen Leistung solange, bis der Bieter mit der niedrigsten Forderung den Zuschlag erhält. Dabei kennen alle Bieter alle Gebote. Bei der Submission geben Anbieter öffentlich oder nach Aufforderung ihre Preisforderung für die Erbringung einer vorgegebenen Leistung verdeckt ab. Die Bieter kennen also nur ihr eigenes Gebot, nicht aber die Gebote der anderen Bieter. Ein einmal abgegebenes Gebot kann nicht zurückgezogen, wohl aber nachgebessert werden. Die Abgabe erfolgt bis zu einer Deadline (Ausschlussfrist). Nach Ablauf der Ausschlussfrist werden die Gebote offengelegt und der Bieter mit der niedrigsten Preisforderung, genauer dem günstigsten Preis, erhält den Zuschlag. Beide Verfahren setzen eine starke Käufermarktsituation voraus.

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2. Der Direktabsatz

•• Die Relation zwischen vielen Nachfragern und einem Anbieter wird in den Marktveranstaltungsformen der Auktion und der Einschreibung genutzt. Bei der Auktion überbieten sich Nachfrager gegenseitig in ihrem Preisgebot für den Erhalt einer vorgegebenen Leistung solange, bis der Bieter mit dem höchsten Gebot den Zuschlag erhält. Dabei kennen alle Bieter alle Gebote. Bei der Einschreibung geben Nachfrager öffentlich oder nach Aufforderung ihr Preisgebot für den Erhalt einer vorgegebenen Leistung verdeckt ab. Die Bieter kennen also nur ihr eigenes Gebot, nicht aber die Gebote der anderen Bieter. Ein einmal abgegebenes Gebot kann normalerweise nicht zurückgezogen, wohl durch ein höheres ersetzt werden. Die Abgabe erfolgt bis zu einer Deadline (Ausschlussfrist). Nach deren Ablauf werden die Gebote offengelegt und der Bieter mit dem höchsten Preisgebot erhält den Zuschlag. Teilweise wird diesem nur der Preis des Zweithöchstbietenden berechnet (Vickrey-Verfahren). •• Die Relation zwischen je vielen Anbietern und Nachfragern wird in den Marktveranstaltungsformen von Messe, Markt, Musterung und Börse verwirklicht. Die virtuelle Messe ist ein Abschlussmarkt, bei dem bewusst und geplant Anbieter und Nachfrager in großer Zahl zum Zwecke des Abschlusses zusammengeführt werden. Messen werden von Mittlern (Messeveranstaltern) organisiert, die sich aus „Standgebühren“, Zugangspreisen und Werbung refinanzieren. Die virtuelle Musterung ist wie eine Messe zu sehen, jedoch werden die Produkte oder Dienste anhand von Prototypen präsentiert. Die aus dieser Präsentation abfolgende Nachfragereaktion dient dann erst zur Entscheidung über das Marktangebot nach Art und Menge. Dies wird häufig zur Reduktion des Innovationsrisikos eingesetzt, etwa im Crowdsourcing. Der virtuelle Markt ist eine formlose Zusammenkunft von Anbietern und Nachfragern zum Zweck des Abschlusses. Er kann räumlich (Einzugsgebiet), zeitlich (Aktionsphase), sachlich (gehandelte Produkte/Dienste) oder personell (Zugang) limitiert sein. Die Börse ist aber die verbreiteteste Form der Marktveranstaltung im Internet. Ihr kommt eine hohe Bedeutung im B-t-b-Sektor zu. Virtuelle Börsen können nach vielfachen Kriterien eingeteilt werden. Als dort gehandelte Produkte sind vor allem Hilfsstoffe (gehen als unwesentlicher Bestandteil in das Endprodukt ein), C-Produkte (machen nur einen geringen Ergebnis-/Volumenanteil im Unternehmen aus), digitale Produkte (sind konstitutiv auf das Internet als Angebotsform angewiesen), Commodities (durch Normen standardisierte und damit weitgehend generische Güter), indirekte Produkte (gehen überhaupt nicht in das Endprodukt ein) und Betriebsstoffe (dienen dem Lauf der Betriebsmittel) zu nennen. Börsen können auf eine Produktart (horizontal), eine Branche (vertikal), mehrere Produkte und Branchen (lateral) oder nur eine Branche und ein Produkt (fokussiert) ausgerichtet sein. Die Initiative zum Betrieb kann von der Anbieterseite ausgehen, von der Nachfragerseite (häufigster Fall), von Maklern (als deren Hauptaufgabe) oder von Mittlern (als Nebenaufgabe, wie Verbände, Kammern etc.). Der Zugang kann öffentlich (als Gast), meist aber registriert (über Anmeldeformular) oder geschlossen (durch Zuweisung eines Pass-

2.7 Mediengestützter Absatz

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worts nach Anmeldung) ausgelegt sein, gelegentlich ist er auch nicht öffentlich (nur nach Aufforderung). Börsen können für eine einmalige Transaktion ausgelegt sein, sich temporär regelmäßig oder unregelmäßig wiederholen oder dauerhaft stattfinden. Die Preisbildung dort ist statisch (Optionsfixiererprinzip) oder dynamisch, d. h., der Preis ergibt sich erst aus der Interaktion von Anbieter und Nachfrager heraus und ist beiden Seiten im Vorhinein unbekannt. Im letzteren Fall sind zahlreiche Sonderformen denkbar (englisch, holländisch, geheim, invers etc.). 2.7.1.1.4 e-Sales-Geschäftsmodelle Ein Geschäftsmodell ist allgemein der institutionelle Rahmen der Geschäfts­ prozesse, also des Flusses der externen Ressourcen in das Unternehmen hinein und ihrer Transformation gemeinsam mit dem Einsatz interner Ressourcen im betrieblichen Leistungssystem bis zum Fluss der Leistung aus dem Unternehmen heraus an den externen Markt. Es beschreibt damit die Organisation der betrieblichen Wertschöpfung. Ein Geschäftsmodell besteht allgemein aus einer •• konzeptionellen Komponente mit je einem Strategie-, Ressourcen- und Netzwerkmodell, •• wertschöpfenden Komponente mit je einem Beschaffungs-, Produktions- und Finanzmodell, •• marktlichen Komponente mit je einem Leistungsvorteils-, Kundensegment- und Erlösmodell. Das Geschäftsmodell ist allgemein die systematisch-analytische Abbildung derjenigen Unternehmensaktivitäten, die erklären, wie Informationen/Rechte sowie Produkte und/oder Dienste durch Integration von Strategiebasis als Input (= Wertausstattung), Erstellungsarchitektur als Throughput (= Wertkette) und Markt- bzw. Kundenzugang als Output (= Wertversprechen) entstehen, um durch deren innovative Konfiguration komparative Wettbewerbsvorteile zu erreichen, die Kernkompetenz auszuschöpfen und die Wissensvorräte zu nutzen. Die Wertausstattung des Unternehmens wird im Einzelnen durch die Strategie, die Ressourcen und das Netzwerk gebildet. Die Strategie ist der leitende Gedanke der Unternehmensführung, die Ressourcen bestehen aus Produktionsfaktoren und das Netzwerk stellt die Verschränkungen in der Wertschöpfung dar. Die Wertkette ergibt sich durch die Elemente Beschaffung, Produktion und Finanzierung. Die Beschaffung umfasst die zugekaufte Fremdleistung, die Produktion die Eigenleistung in der Wertschöpfung und die Finanzierung weist die Herkunft bzw. Verwendung von Geldmitteln aus. Das Wertversprechen entsteht aus dem angebotenen Leistungsnutzen, dem angesprochenen Kundensegment und dem verwendeten Erlösmodell. Der Leistungsnutzen ist der Mehrwert des Angebots über das zu leistende Preisopfer hinaus, das Kundensegment ist die anvisierte Kernzielgruppe der Aktivitäten und das Erlösmodell gibt die Quellen zur Einnahmen­ erzielung an.

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2. Der Direktabsatz

Im Rahmen des e-Commerce haben sich im Internet vier Geschäftsmodelle durchgesetzt (in Anlehnung an Wirtz). Das erste Geschäftsmodell hat die Sammlung, Selektion, Systematisierung und Kompilierung von Inhalten auf einer publikumszentrierten, personalisierten Plattform zum Inhalt (Content). Die F ­ inanzierung erfolgt über indirekte Erlöse (Werbung/Links). Die Angebote betreffen folglich (jeweils Beispiele): •• Informationen, d. h. politische, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Inhalte, vorwiegend über indirekte Erlösformen (Werbeeinnahmen) finanziert (Spiegel Online), •• Unterhaltung, d. h. unterhaltende Inhalte wie e-Music (mp3), e-Games (Moorhuhn), e-Movies, e-Books, •• Infotainment, d. h. Hybridformen aus Information und Unterhaltung, •• Bildung, d. h. Wissensplattformen. Das zweite Geschäftsmodell hat die Anbahnung und Aushandlung von Geschäftsbedingungen sowie die Abwicklung von Geschäftstransaktionen in Ergänzung bzw. Substitution traditioneller Transaktionen zum Inhalt (Commerce). Die Finanzierung erfolgt über direkte (Provisionszahlung) und/oder indirekte Erlöse. Die Angebote betreffen folglich: •• Bannerschaltung, Shopping malls (Immoscout 24), •• Auktionen (Ebay), Preisagenturen (Priceline), •• Finanzmakler, Zahlungsabwicklung (Onvista), Auslieferung (Amazon), •• Rewardingsysteme (z. B. Webmiles). Das dritte Geschäftsmodell hat die Klassifizierung und Systematisierung von im Internet verfügbaren Informationen zur Komplexitätsreduktion und Erleichterung der Navigation zum Inhalt (Context). Die Finanzierung erfolgt über indirekte Erlöse. Die Angebote betreffen folglich: •• Suchmaschinen (Google), •• Metasuchmaschinen (Metager), •• Web-Kataloge (Yahoo). Und das vierte Geschäftsmodell hat die Herstellung des Informationsaustauschs auf technologischer, kommerzieller oder kommunikativer Basis in Netzen zum Inhalt (Connection). Die Finanzierung erfolgt über direkte Erlöse. Die Angebote betreffen folglich: •• Communities (Portale wie Ciao, Nutzeraustausch, Informationsaustausch) •• Internet-Zugang (AOL, T-Online). Als besonders e-Commerce-geeignet sind alle standardisierten Produkte in „Selbstbedienung“ des Kunden anzusehen. Individualisierte Produkte sind hingegen

2.7 Mediengestützter Absatz

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weniger geeignet. Allerdings kann eine Annäherung durch Modularisierung von Standardprodukten erreicht werden, die durch Nachfrager je nach deren Bedarfen zu quasi-individuellen Produkten konfigurierbar sind. In Extranets können Schlüsselkunden mit ihren Bedarfen enger in die Unternehmensprozesse eingebunden werden. Dabei wird der Datensicherheit dadurch Rechnung getragen, dass neben einer Authorisierung des Zugangs (Password) auch eine Verschlüsselung der eigentlichen Kommunikation stattfindet. Diese Sicherheit kann durch den Einsatz virtueller privater Netzwerke (VPN’s) noch gesteigert werden, die allerdings durch Standleitungen sehr kostenintensiv sind (dafür ist die Übertragungsgeschwindigkeit ggfs. höher). Auch ist dann eine hohe Kritische Masse an Datenbewegungen der Teilnehmer zur Effizienz ­erforderlich. Die Distribution im e-Commerce kann als klassischer Direktvertrieb angelegt sein, d. h., Abnehmer werden unmittelbar vom Unternehmen angesprochen bzw. haben die Möglichkeit, auf dessen Angebot zuzugreifen. Dies ist aber im Falle des Parallelvertriebs, also wenn neben elektronischem auch traditioneller Absatz mit den gleichen Produkten stattfindet, problematisch, weil bestehende Absatzmittler und -helfer sich ausgebootet fühlen und durch diese gehaltene Kundenbeziehungen erodieren können. Die Distribution im e-Commerce kann aber auch als Integrationsvertrieb erfolgen, d. h., der Kontakt erfolgt zwar direkt zwischen Abnehmer und Unternehmen, die Auftragsabwicklung vollzieht sich jedoch über zwischengeschaltete Absatzmittler/ -helfer, die dafür Provision erhalten. Auf diese Weise können Kundenbeziehungen erhalten werden, allerdings vermindert sich die Rendite des Geschäfts. Bei diesem „inversen Streckengeschäft“ wird also nur die Auftragsabwicklung durch Absatzmittler/-helfer bewerkstelligt, die -durchführung erfolgt vom Unternehmen. Die Distribution kann schließlich auch in einer modernen Form des Indirektvertriebs erfolgen, wobei die Absatzmittler/-helfer mit ihren Geschäftsprozessen in das e-Commerce-treibende Unternehmen einbezogen werden. Bei diesem Lagergeschäft werden sowohl die Auftragsabwicklung als auch -durchführung durch Absatzmittler/-helfer bewerkstelligt. In jedem Fall verbessert sich die Datenbasis über aktuelle und potenzielle (anfragende) Abnehmer erheblich. Nutzerprofile etwa ergeben sich zwangsläufig durch eine Reihe unvermeidbar hinterlassener Datenspuren (Logfiles), so per: •• Cookie, entsprechend den Nutzerangaben, •• Log-in-Protokoll, mit Informationen zu Browserart, Browserversion, Betriebs­ system/-version, Computerart, •• IP-Datenbank, mit Informationen zu Land (Top level domain), Gebiet (Bundesland, Vorwahl), Branche, •• Internet-Zugang, entsprechend dem Provider,

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2. Der Direktabsatz

•• Content aus Session-ID’s, mit Informationen zu Sucheingaben, Besuchsfrequenzen, e-Mails, Bestell-/Kaufvorgängen, Formulareinträgen, Directory, Sektion, Seite. Es gilt allerdings die rechtliche Grenze zu beachten, dass e-Mails im gewerb­ lichen Bereich nur erlaubt sind, wenn bereits Geschäftsbeziehungen bestehen bzw. anzunehmen ist, dass der Adressat den Informationsinhalt im Rahmen seines Geschäftsbetriebs nutzbringend einsetzen kann. Empfehlenswert sind dennoch die Einholung der vorherigen Erlaubnis des Adressaten für den (wiederholten) e-MailVersand, das Angebot einer Auswahloption zum e-Mail-Abruf und ein kurzer, persönlicher Stil der e-Mail. Zum privaten Bereich hin sind unangemeldete e-Mails an Nichtkunden stets verboten. Als Maßgaben für die Gestaltung eines Website-Angebots gelten die Folgenden: •• logische Angebotsstruktur (bedarfsorientiert), übersichtliches Bildschirm­layout, max. drei Mausklicks bis zum ersten Produkt, Aktionsseite mit Sonderangeboten, tagesgenaue Preisangaben, komplette Programmübersicht, klare Angaben zu Lieferungs- und Zahlungskonditionen, Preiszuschläge für Bestellungen nur mit Gegenleistung, Bestellanreize bieten, einfache, automatisch erzeugte Bestellformulare mit Warenkorb, Abtrennung von Sonderkundenbereichen. Der Website-Einsatz erfordert die Einhaltung einiger Grundsätze: •• Integration der Online-Werbung in den gesamten Kommunikations-Mix, •• Angabe der WWW-Adresse auf allen Publikationen und Unterlagen, um Traffic zu erzeugen, •• Aufnahme in Verweise (Links) anderer Adressen und eigener Verweis auf diese anderen Adressen, •• medienspezifische Adaptation, nicht einfach Kopie des Printauftritts, •• Bereitstellung interessanter Informationen über den engen Kreis des eigenen Angebots hinaus, •• stetige Aktualisierung der Inhalte, um Wiederholungsbesuche zu motivieren, •• Kontaktaufnahme mit dem Unternehmen/Repräsentanten ermöglichen, •• stetige Anpassung an technische Aktualisierungen, um auf der Höhe der Zeit zu bleiben, •• evtl. Werbung auf Portal-Seiten (trotz hoher Kosten), •• große Abbildungen erst nach erneuter Anwahl laden, •• Verzicht auf Tonuntermalung (wegen Speicherbedarf), •• „Under construction“-Meldung vermeiden, besser ist, nur mit komplettem Auftritt starten.

2.7 Mediengestützter Absatz

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2.7.1.2 e-Mail-Marketing e-Mail-Marketing umfasst im Einzelnen Stand alone-e-Mails und e-News­ letters. e-Newsletters sind regelmäßige Zusendungen elektronischer Nachrichten an einen im Vorhinein bestimmten Personenkreis. Eine Stand alone-e-Mail hingegen ist einmalig und besteht meist aus Anschreiben und Anhang. Um das Postfach von unverlangt zugesandten Nachrichten freizuhalten, setzen e-Mail-Clients Spam-Filter ein. Diese suchen nach Stichwörtern und verteilen daraufhin Scores (der Schwellenwert ist einstellbar). Außerdem werden Blacklists abgeglichen, d. h. bekannte Spammail-Adressen. Daher stößt ein unvorbereiteter Versand auf enge Restriktionen. Um diese zu umgehen, ist eine Erlaubnis (Permission-Marketing) erforderlich (außer bei bestehender Kundenbeziehung/B-t-c oder wenn ein Interesse des Adressaten vermutet werden kann/B-t-b, wofür der Absender im Zweifel beweispflichtig ist). Rechtlich wird dabei ein Double opt-in verlangt, d. h. erstens die aktive Anforderung einer e-Mail (Single opt-in, etwa durch Anfrage, in den Verteiler aufgenommen zu werden oder durch Eintrag in den Verteiler/Initialisierung), zweitens die Bestätigung der Anforderung (Confirmed opt-in/Quittierung) und drittens die Bestätigung der Bestätigung (Double opt-in, um unerwünschte Einträge durch Dritte zu verhindern). Dies muss protokolliert werden. Weiterhin ist ein deutlicher Hinweis auf die jederzeitige Widerrufmöglichkeit erforderlich (Opt-out). Werbemails müssen als solche erkennbar sein. Die e-Mails müssen zudem mit einer Anbieter-/Absenderkennzeichnung (Impressum mit Name, Postanschrift, Vertretungsberechtigte, Telefonnummer, e-MailAdresse, Handelsregisternummer, Umsatzsteueridentifikationsnummer) und einem Datenschutzhinweis (Datensparsamkeit) versehen sein. Werden bei jeder Interaktion zusätzliche Daten abgefragt, kann dennoch ein Adressatenprofil daraus erstellt werden (Name, Postadresse, Interessen etc.). Für die Erstellung eines Newsletter ist dessen technisches Format (ASCII, HTML, PDF, Flash etc.) zu bestimmen. Die Adressgenerierung erfolgt durch Kauf von Adressen (vorausgesetzt, die Adressaten haben dem zugestimmt), durch deren Miete (zur einmaligen Nutzung bei bestätigter Anmeldung), durch Tausch von Adressen oder durch Eigengenerierung (etwa in Werbemaßnahmen mit Weiterleitung auf die Anmeldung). Weitere Quellen sind Adressen aus Freemailers (wie gmx), aus Geschäftsaufgaben im Web oder aus Gewinnspielen, die dann allerdings nicht zielgruppensegmentiert sind. Bei Kauf und Miete wird die Qualität der Adressen oft als zweifelhaft angesehen. Die Eigengenerierung erfolgt aus Kundendaten, Hinweis auf den Newsletter in der Korrespondenz oder Initial-e-Mails. Ebenso kann auf der eigenen Homepage (z. B. durch Banner) darauf aufmerksam gemacht werden (etwa durch Vorschau auf Inhalte oder eine Archivfunktion). Außerdem können Anreize zur Registrierung gegeben werden (wie Informations-/Preisvorteil, bevorzugte Behandlung etc.). Bei den Eingabefenstern (Templates) ist auf Plausibilitätskontrolle und Eingabefeh-

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2. Der Direktabsatz

lertoleranz zu achten (nur gültige Zeichen, mindestens acht Zeichen Adresslänge, nach dem @-Zeichen mindestens vier Zeichen). Vorteilhaft ist die Individualisierung von Newsletters durch dynamischen Content, z. B. durch Zusammensetzung aus unterschiedlichen Textbausteinen oder auto­matische Anpassung an das Klickverhalten des Adressaten. Für die Umsetzung ist zunächst die Aussendungsfrequenz zu bestimmen, etwa wöchentlich, vierzehntäglich oder monatlich. Ebenso ist eine Landing page einzurichten, d. h. die Webseite, auf die von Links in Newsletters weitergeleitet wird. Ob die Weiterleitung richtig funktioniert, kann durch Testversand ermittelt werden. Dabei sind auch die anderen Gestaltungselemente der e-Mail prüfbar, wie Betreffzeile, Formate, Überschriften, Abbildungen etc. Weiterhin ist der Aussendungszeitpunkt zu bestimmen (Wochentag, Uhrzeit). Das Responsemanagement bezieht sich auf mehrere Parameter. Erstens die Identifizierung von Stichworten für Autoresponder (z. B. für Auftragsbestätigung, AGB’s, Preislisten, FAQ’s, Bestellformulare, Bedienungsanleitung). Zweitens auf die Abmeldung, die mehr oder minder einfach gestaltet werden kann. Und drittens auf Hilfefunktionen, etwa bei vergessenem Passwort o. Ä. Dann muss der Newsletter bekannt gemacht werden. Dies kann offline erfolgen, z. B. durch Angabe in klassischen Medien, auf Packungen, bei Events, oder online. Dabei ist ein Zielgruppenabgleich erforderlich, etwa aus den Profildaten der Registrierung, dem Interaktionsverhalten oder der Inhaltsindividualisierung. Der Versand selbst kann über einen Servicer oder interne Ressourcen erfolgen. Die Programmierung kann individuell oder über Standardsoftware als Komplettlösung vorgenommen werden. Wichtige Funktionalitäten sind die Anmeldung, die Weiterempfehlungsfunktion, die Erfassung von Rückläufern, ein Autoresponder und ggfs. ein Online-Shop mit Anbindung an bestehende CRM- und ERM-Systeme. Wichtig ist eine aussagefähige, aber kurze Betreffzeile. Der Newsletter selbst besteht aus dem Kopf- (Headline), dem Text- (Angebot) und dem Fußteil (Verstärker). Die Schriftgröße sollte mindestens 11 Punkt haben, die Texte sollen möglichst kurz gehalten sein. Eingearbeitete Links müssen vollständig sein, auf Ausrufe- und Prozentzeichen ist möglichst zu verzichten, da diese als Indiz für Spams gelten und im Posteingang herausgefiltert werden können. Da nur Interessierte sich für einen Newsletter anmelden dürften, kann im Zweifel eine sehr genaue Zielgruppensteuerung erreicht werden. Dennoch ist eine Erfolgskontrolle erforderlich. Kennzahlen sind hier die Rückweisungsrate (nicht zustellbare e-Mails, nach Hard bounces/falsche Adresse und Soft bounces/überfüllter Briefkasten), die Öffnungsrate (Opening rate), die Click through-Rate (bei Ausführen von Klicks/Hyperlinks in Bezug auf Kontakte und Reichweite) oder die Umwandlungsrate (Conversion rate) in gewünschte Aktionen wie Bestellung, Informationsanforderung etc. Daraus lässt sich die Kostenwirtschaftlichkeit ermitteln (Cost per thousand, per click, per order). Hinzu kommen qualitative Daten wie Befragungsergebnisse zu Abmeldegründen, Bewertungen beliebtester Inhalte etc.

2.7 Mediengestützter Absatz

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2.7.1.3 m-Sales Mobile sales (auch m-Commerce) befasst sich allgemein mit der Anbahnung und Abwicklung von Transaktionen über elektronische Netzwerke unter Nutzung räumlich flexibler Endgerät. Als wesentliche Merkmale gelten dabei die: •• Mobilität, sofern eine ausreichende Netzabdeckung gegeben ist, •• Erreichbarkeit, durch permanentes Online-sein (Always on), •• Lokalisierung, über Netzzellen, innerhalb derer der Standort eines Mobilgeräts bestimmbar ist, •• Identifizierung, durch automatische Nutzerkennung des mobilen Empfangs­ geräts. Mit diesen Elementen der Allgegenwärtigkeit, der Kontextsensitivität, der Personalisierung und der Telemetrie gehört den m-Sales die Zukunft. Endgeräte im M-Commerce sind überwiegend Mobiltelefone, aber auch ­Pager, Palm-Tops, Personal digital assistants (PDA) und portable Computer (Notebook/ Subnotebook/Laptop/Tablet). Zur Funktionsfähigkeit bedarf es elaborierter technologischer Grundlagen. Für die Datenübertragung sind dazu derzeit im Gebrauch: •• Universal mobile telecommunications system (UMTS/3 G), mit sehr hohen Datenübertragungsraten und aktueller Standard, •• Long term evolution (LTE/4G), zukünftiger Mobilfunkstandard, •• Bluetooth für die Übertragung über Kurzstreckenfunk bis 10 m ohne Sichtkontakt zwischen Sende- und Empfangsgerät, •• Nearfield communication (NFC) als Übertragungsstandard zum kontaktlosen Austausch von Daten per Funk über kurze Strecken, •• Wireless LAN (Local area network) als kabellose lokale Netzwerke, die im Umkreis von Hotspots funktionieren. Über diese Netze können verschiedene, in aller Regel entgeltliche, Dienste in Anspruch genommen werden. Vor allem handelt es sich um: •• Short message service (SMS), geeignet für alphanummerische Mitteilungen begrenzter Länge (160 Zeichen), •• Multi media service (MMS), wodurch auch die Übertragung von Stand- und Bewegtbildern möglich ist, •• Wireless application protocol (WAP), webähnlich, sofern die Seiten in Wireless markup language (WML) programmiert sind, •• (Compact-)C-HTML, das voll WWW-kompatibel ist.

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2. Der Direktabsatz

Diese Dienste bieten sich wiederum für verschiedene marketingrelevante Anwendungen an, so im •• Privatkundenbereich für Finanzdienstleistungen (Mobile banking), Bezahlsysteme (Mobile payment), Identifikation (als Zugangsberechtigung), Einkauf (Mobile shopping), Unterhaltung (Mobile entertainment, z. B. Spiele), Navigation (Tracking, z. B. Verkehrsinformation) etc. •• Geschäftskundenbereich für Supply chain management (z. B. ­Datenbankabfrage, Lagerbestandsübermittlung, Auftragsstatus), Sendungsverfolgung (Tracing), Telemetrie (Fernwarten) etc.

Abbildung 41: Formen des mediengestützten Vertriebs

2.7 Mediengestützter Absatz

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Wichtige Leistungsangebote betreffen u. a. folgende: •• Treuhanddienst für die Bezahlung/Zahlungsabsicherung, elektronische Rechnungsstellung und Zahlung, Streitschlichtung, Benachrichtigung bei Transportübergabe etc. Erlöse für diese Services stammen aus verschiedenen Quellen, im Einzelnen handelt es sich um •• Banner-Schaltung, SMS-Werbung (sofern erlaubt), Werbespots in Audio-/VideoFiles, Sponsoring von Content, Push-Services (RSS), Transaktions­erlöse aus eigenem Verkauf und Provisionen für Drittverkäufe (Affiliate), Verkauf von Kundenprofilen, Nutzung für Umfragen/Testmarkt und Verkauf der Ergebnisse, Pay per use (nur bei tatsächlicher Nutzung), Pay per click (schon bei Anwahl), Abo-Gebühren, Pay for availability (bereits für Bereitstellung), Cross media bundling (mit anderen Online- oder Offline-Medien), Pay per visitor (je Nutzer), Bartering (von Inhalten, Adressen etc.), Hosting (Space providing), Storage (Zurverfügungstellung von Speicherplatz), Mobile publishing services (Nachrichten). m-Commerce gehört die Zukunft, da etwaige Probleme wie geringe Displaygrößen, unbefriedigende Übertragungsgeschwindigkeit oder mangelnder Datenschutz im Zuge des technischen Fortschritts rasch behoben werden können. Die Netzdichte steigt, die Endgeräte werden komfortabler und bieten mehr Funktionalitäten. Es dürfte daher im Laufe der Zeit t-Commerce, also den medialen Verkauf über Festnetztelefone, verdrängen.

2.7.2 Non-Internet-Medien Bei Direct response-Fernseh-Spots (DR-TV) handelt es sich um klassische Fernsehspots, die neben ihrer Kommunikationsaufgabe auch die Verkaufsaufgabe erfüllen sollen. Dazu wird im TV-Spot angegeben, auf welche Art man dort beworbene Artikel bestellen kann. Meist erfolgt ein Hinweis auf eine Telefonnummer (meist 0800/0180/Vanity) oder eine Internetadresse (Homepage). Eine besondere Ausprägung des mediengestützten Non-internet-Absatzes ist das Teleshopping. Dabei besteht das Programm auf besonderen TV-Verkaufskanälen oder bei Werbelangsendungen auf „normalen“ Kanälen aus Verkaufsangeboten, die (kontinuierlich oder fallweise) vorgestellt und promotet werden. Bei Direct response-Hörfunk-Spots (DR-R) handelt es sich um klassische Hörfunkspots, die neben ihrer Kommunikationsaufgabe auch noch die Verkaufsaufgabe erfüllen sollen. Dazu wird im HF-Spot angegeben, auf welche Art man dort beworbene Artikel bestellen kann. Im Regelfall erfolgt ein Hinweis auf eine Telefonnummer (meist 0800/0180/Vanity), seltener auch eine Internetadresse (Homepage). Der Verkauf via Interactive Television (I-TV) erfolgt durch Fernsehspots, Werbe­ langsendungen oder Shopping-Kanäle bei digitaler Breitbandübertragung mit

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2. Der Direktabsatz

einem schmalbandigen Rückkanal (Settop box). Der Rückkanal identifiziert und lokalisiert den I-TV-Zuschauer und erlaubt einerseits individualisierte Sende­ inhalte für jeden einzelnen Teilnehmer, hier in Form von Bestellangeboten, und andererseits die Rückmeldung der Beauftragung an den Absender. Der Verkauf via Festnetztelefon kann Inbound oder Outbound erfolgen, Ersteres bedeutet, dass Interessenten eine ihnen bekanntgegebene Telefonnummer anrufen, um Bestellungen für spätere Lieferungen aufzugeben oder sofort entgeltlich ab­zurufen, Letzteres bedeutet, dass der Anbieter Kunden oder Interessenten seinerseits anruft, um Aufträge zu akquirieren. Dieses ist im Privatkunden- wie Geschäftskundengeschäft engen rechtlichen Restriktionen unterworfen. Beim Inbound-Telefonverkauf handelt es sich häufig um gebührenfreie Rufnummern (0800). Sowohl beim Inbound- als auch beim Outbound-Telefonverkauf werden zumeist Call center eingesetzt. Aktiver Telefonverkauf (Outbound) eignet sich vor allem für die Kontaktanbahnung mit Interessenten/Neukunden, zur Aktivierung von Altkunden, zur Kundenbindung nach dem Kauf und zum Zusatzverkauf. Die Kontaktaufnahme darf im Endabnehmerbereich allerdings nur bei bestehender Geschäftsbeziehung (kein Cross selling) oder ausdrücklicher, in aller Regel schriftlicher, Zustimmung von Interessenten erfolgen, im gewerblichen Bereich nur, soweit das vertretene Angebot dem Gewerbezweck des Angerufenen entspricht. Passiver Telefonverkauf (Inbound) besteht in der Entgegennahme von Anrufen für Aufträge, Terminwünsche, Kurzinformationen etc. Oft wird eine personen­ bezogene Trennung zwischen bloßer Kontaktgenerierung (Sales lead generation) und eigentlichem Verkaufsgespräch (durch den Verkäufer selbst) vorgenommen. Denn der Verkauf über Telefon erweist sich als ausgesprochen schwierig, da das Spektrum der Kommunikationsmöglichkeiten auf Inhalt und Akustik reduziert ist und kein Einblick in die spezifische Umfeldsituation des Angerufenen besteht. Der Verkauf via Telefax kann ebenfalls Inbound oder Outbound erfolgen. Ersteres bedeutet, dass Interessenten einen Faxabruf mit Informationen anwählen, die gebührenpflichtig sind oder per Fax Aufträge erteilen. Zu unterscheiden ist in: •• Polling: Der Anrufer stellt dabei sein Faxgerät auf Abruf um, wählt die Nummer des Polling-Dienstes und erhält das Angebot via Fax. •• Fax on demand: Der Anrufer wählt die Leistung, die ihm per Fax übermittelt werden soll, auf der Tastatur seines Telefons an. •• Faxback: Der Anrufer gibt die Fax-Nummer, auf der er ein Angebot erhalten will, über Telefon an. Letzteres bedeutet, dass Kunden oder Interessenten auf dem Faxweg Angebote vorgelegt werden, die zur Auftragserteilung führen sollen. Dies erfolgt als Fax broadcasting, d. h. der Versand eines Angebots erfolgt an beliebig viele Empfänger.

2.7 Mediengestützter Absatz

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Der Telefaxverkauf ist ebenfalls engen rechtlichen Restriktionen unterworfen, die denen des Telefonverkaufs entsprechen. Ein Beispiel für die Expansion in elektronische Medien ist der Otto-Konzern (zu dem auch SportScheck, mToys, BonPrix und Witt Weiden gehören): •• 1963: telefonische Bestellung, 1991: Teleshopping, 1994: Katalog als CD-ROM, 1995: Website im Internet, 2000: Angebot via Mobiltelefon/PDA, 2005: t-Commerce via I-TV.

2.7.3 Social media commerce Das Web 2.0 verkörpert sich in Sozialen Medien. Diese sind gegenüber dem kommerziellen Web 1.0 dadurch gekennzeichnet, dass nicht nur eine unidirek­ tionale Kommunikation mit vorgegebenem Content stattfindet, sondern zusätzlich auch eine bidirektionale Kommunikation mit eigenem Content, d. h., Nutzer erstellen Content, der von anderen genutzt wird (UGC). Im Wesentlichen werden hier vier Gruppen von Sozialen Medien unterschieden: •• Blogging betrifft die Bereitstellung von Authoring tools zur Erstellung von virtuellen Tagebüchern, zum Hosting von Blogs und zu deren Kategorisierung, dies bedeutet eine ungefilterte, persönliche Publikationsmöglichkeit für jedermann. •• File exchange & sharing betrifft die Bereitstellung von Online-Speicherplatz zur Systematisierung rubrizierter Inhalte (Bewegtbild, Foto, Audio, Business charts etc.), dies bedeutet letztlich Broadcasting für jedermann. •• Tagging (Social bookmarking) betrifft die zentrale Archivierung und ubiquitäre Verfügbarmachung von Lesezeichen incl. deren Verschlagwortung durch Zugriff auf Links anderer Nutzer. •• Social networking betrifft die Selbstpräsentation der Nutzer, die Vernetzung dieser Nutzer untereinander und mit interessierenden Inhalten, dadurch kommt es zu einer Mediation sozialer privater oder geschäftlicher Kontakte durch virtuelle Interaktion. Hinzu kommen einige besondere Anwendungen wie Bewertungsportale zur Aggre­ gation von Produktinformationen, subjektiven Produktbewertungen und Preisvergleichen zur Unterstützung von Entscheidungs- und Kaufprozessen, oder Wikis als Tools zur Erstellung und Editierung von Inhalten durch Nutzer auf einer Plattform, welche die Suche, Darstellung und Aggregation themenspezifischer Informationen bietet (Nutzer fungieren dabei als freie, kollektive Redaktion). Hinzu kommen unterstützende Techniken wie Podcasts (Audio-/Videoinhalte mit Abonnierbarkeit und automatischer Aktualisierung) oder RSS-Feeds (einfache und strukturierte Mitteilung von Änderungen auf Websites). Mash-ups stellen die Verknüpfung von Basisdaten mit zusätzlichen Informationen (z. B. GPS-Daten) dar.

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2. Der Direktabsatz

2.7.4 Affiliate-Marketing Affilates sind ein internetgestütztes Geschäftsmodell, das aus drei Parteien besteht, einem Anbieter/Werbungtreibenden (Merchant), mehreren Werbedurchführenden (Affiliates) und ggfs. einem Werbemittler (Affiliate network), die ein virtuelles Mittlernetz auf zielgruppen- bzw. themenorientierten Websites bilden. Die Affiliates platzieren dazu Displaywerbung auf ihrer Website, die beim Anklicken zum Merchant durchverbindet. Je nach vereinbarter Aktion erhalten die Affiliates darauf eine Provision. Zur Erleichterung der Durchführung werden Affiliate networks zwischengeschaltet, die den Kontakt zwischen der Partnern herstellen sowie die technische und kaufmännische Abwicklung organisieren. Alternativ dazu kann der Merchant diese Aufgaben auch selber übernehmen und erspart sich dann die Kosten (Make or buy). Die Erfassung (Tracking) erfolgt reaktiv oder nicht-reaktiv durch Cookies, URL’s, Sessions, Webbugs etc., die üblicherweise 30 Tage nachverfolgt werden. Dazu werden die Werbemittel des Merchant auf dem Link mit einem Partnercode versehen. Durch eine CSV-Datenbank können damit Besucheraktivitäten dem jeweiligen Partner zugeordnet werden. Die Angebote werden so automatisch nach Maßgabe des Merchant platziert und aktualisiert. Die Kennung weist z. B. eine Provision bei Transaktion innerhalb 24 Stunden nach Aufruf zu. Merchant-seitige Ziele der Aktivität sind etwa die Erhöhung seiner Bekanntheit, der Anstieg der Website-Besucherzahlen, die Gewinnung von Newsletter-Abonnenten, der Verkauf von Leistungen etc. Für den Merchant ist Affiliate-Marketing damit eine kostengünstige Alternative zu anderen Werbeformen. Die Präsenz der Leistung kann vervielfältigt werden, eine Vergütung ist i. d. R. nur im Erfolgsfall fällig. Dies erlaubt eine effiziente Werbeerfolgskontrolle, zusätzlich werden Informationen über das Surf-Verhalten der Besucher der Website erlangt. Affiliate-seitige Ziele sind die Erzielung von zusätzlichen Einnahmen und die Erhöhung der Site-Attraktivität. Affiliate-Netzwerkbetreiber (wie Affilinet, Zanox, Tradedoubler etc.) übernehmen administrative Aufgaben wie die Bereitstellung der Technologie, Einrichtung des Programms und Einblendung der Partner bis hin zur Abrechnung. Vorteile für den Merchant sind vor allem folgende: •• geringer Handling-Aufwand, niedrige Anlaufkosten, juristisch geprüfte Standardverträge, Werbemultiplikation für das Netzwerk, Verbreitung über zahlreiche Affiliates parallel, gesammelte Abrechnung, Update der Programme. Nachteile sind hingegen: •• Entrichtung einer Einrichtungsgebühr (Setup fee), Kaution für Provisionen, Provisionsteilung mit dem Network (Split commission), einzelfallgeprüfte Zulassung zum Netzwerk, ungeeignet für Nischenprodukte.

2.7 Mediengestützter Absatz

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Für die Bezahlung sind verschiedene Modelle üblich, hier die gebräuchlichsten: •• Cost per click, dabei wird die Provision pro erfolgtem Klick auf das Werbemittel fällig, •• Cost per lead, dabei wird die Provision bei Kundenidentifikation gezahlt, •• Cost per order, dabei wird die Provision bei Geschäftsabschluss fällig, •• Pay per click out, dabei wird die Provision nur fällig, wenn sie zu einem vorgemerkten Anbieter weiterleitet, •• Cost per link, dabei wird das bloße Einblenden des Werbemittels auf der Webseite bezahlt, •• Cost per view, dabei wird die Provision bei jedem Aufruf einer Webseite mit Werbemittel fällig, •• Pay per sign up, dabei wird die Provision fällig, wenn sich ein Interessent auf der Seite des Merchant registriert, •• Lifetime-Provision, hier werden auch die Folgekäufe eines Kunden mit Erstkontakt über den Affiliate provisioniert.

2.7.5 Geprintete Medien Beim Verkauf via Direct mailing handelt es sich um eine adressierte, individualisierte Aussendung an Personen, die Kunden sind oder als Kunden in Betracht kommen (Zielgruppe). Es kann einstufig oder mehrstufig (Teaser, Roll out, Reminder) ausgelegt sein und enthält immer ein Response-Element, das den Adressaten vorgibt, auf welche Art sie reagieren sollen. Meist handelt es sich um eine Antwortkarte mit Umschlag, alternativ auch um eine Telefonnummer, eine Internet-Adresse oder ein Formular für die Faxversendung. Bei nicht-adressierten, nicht-individualisierten Aussendungen handelt es sich um Haushaltsverteilungen (privat) oder Postwurfsendungen (Post). Der Verkauf via Printkatalog erfolgt von Herstellern oder über Universal- und Fachversandhandel. Dabei kann es sich um eine geprintete oder elektronische (Offline-)Angebotstechnik handeln. Für die verkaufsfördernde Gestaltung von Printkatalogen stehen umfangreiche Erkenntnisse zur Verfügung. Diese beziehen sich vor allem auf die Gestaltung der (Vor- und Rück-)Coverseiten, der Cover­ innenseiten sowie der Mitteninnenseiten, außerdem auf die Anordnung und Aufteilung von Produkten auf Seiten. Bei Direct response-Anzeigen handelt es sich um klassische Anzeigen, die neben ihrer Kommunikationsaufgabe auch noch die Verkaufsaufgabe erfüllen sollen. Dazu wird in der Anzeige angegeben, auf welche Art man dort beworbene Artikel

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2. Der Direktabsatz

bestellen kann. Meist erfolgt dazu ein Hinweis auf einen Coupon, der auszuschneiden und einzusenden ist, oder eine Telefonnummer oder Internetadresse.

2.8 Absatzflankierung durch Kundenclubs Kundenclubs sind von Unternehmen (Hersteller/Händler) initiierte und geführte Vereinigungen bestehender und/oder potenzieller Kunden, denen exklusive Leistungen sowie die Befriedigung ihrer sozialen Bedürfnisse angeboten werden, um durch emotionale Anbieterbindung mittels intensiven, dialogischen Kontakts weitere Marketingziele zu erreichen. Der Kundenclub deckt die Teilmenge der besonders ertragreichen oder er­ folgversprechenden Kunden innerhalb der Zielgruppe ab. Diese sollen aktiviert und durch Aufbau und Unterhalt einer emotionalen Beziehung an den Anbieter gebunden werden. Der Kundenclub bietet hohe wahrgenommene Nutzen für seine Mitglieder durch ein Package unterschiedlicher Maßnahmen, die geldwerte Vorteile bieten. Dabei anfallende Daten können im Rahmen des Database management genutzt werden, um alle Unternehmensbereiche mit relevanten Informationen zu versorgen. Abzugrenzen sind Kundenclubs von: •• Clubs als Absatzkanal in der Distributionspolitik (z. B. Buchclubs), •• Fan- und Jugendclubs, die nicht von Unternehmen, sondern Organisationen initiiert werden (z. B. Sport, Musik, Film), •• Clubs, die Interessenvertretungen sind (wie Verbraucherclubs oder Autofahrerclubs), •• Preisnachlassprogrammen, denen die Cluborganisation fehlt (z. B. Miles & More/ Lufthansa), •• Kundenkarten des Handels, bei denen reine Zahlungsleistungen im Vordergrund stehen. Kundenclubs sollen die Beziehungen zwischen Anbieter und Kunde langfristig stabilisieren. Clubziele sind daher die: •• Kundenbindung durch Aufbau ökonomischer Wechselbarrieren und Schaffung eines emotionalen Mehrwerts, dafür ist die Ausgestaltung als Service- und Imageclub gedacht. Der Club richtet sich an alle Kunden und bietet ihnen finanzielle Anreize wie Prämien, besondere Bestell- und Lieferservices, Exklusiv­ angebote etc. Die Zugangsbarrieren sind niedrig. Im Mittelpunkt stehen die Bindung an das Unternehmen, die Erhöhung der Kauffrequenz und die Steigerung der Kauftreue. Dieser Clubtyp wird häufig bei Verticals eingesetzt (z. B. IKEAFamily-Club).

2.8 Absatzflankierung durch Kundenclubs

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•• Neukundengewinnung mit Zuwanderung von Multiplikatoren wegen der in Aussicht gestellten Clubvorteile, dafür ist die Ausgestaltung als Lifestyleclub gedacht. Der Club stellt die gehobene Zielgruppe in den Fokus und versucht sie im Rahmen ihres Lebensstils durch Reisen, Veranstaltungen etc. zu attrahieren. Die Leistungen müssen den sich verändernden Werthaltungen rasch angepasst werden. Dadurch verändert sich der Stil des Clubs im Zeitablauf oft erheblich. Dabei ist die Abgrenzung der gewünschten Mitglieder schwierig zu bewerkstelligen (z. B. Davidoff-Club). •• Umsatzsteigerung bei bestehenden Kunden, dafür ist die Ausgestaltung als Kundenvorteilsclub gedacht. Der Club ist mitgliederseitig auf erlösstarke Stammkunden (VIP’s) begrenzt. Daraus entsteht ein exklusiver Zirkel, der einen intensiven und regelmäßigen Informationsaustausch beinhaltet. Allerdings besteht die Gefahr, dass dieser Austausch sich verselbstständigt und außerhalb des Clubs und damit losgelöst vom Unternehmen eskaliert. Zur Privilegierung gehören geldwerte Leistungen und besondere Services (z. B. Airport Club Frankfurt). •• Schaffung einer Dialogplattform vom Anbieter zu seinen wichtigsten Kunden (Heavy user), dafür ist die Ausgestaltung als Kundenaktivierungsclub gedacht. Der Club zeichnet sich dann durch eine besondere emotionale Bindung der Mitglieder an den Absender aus. Eintrittsbarrieren sind meist nicht vorhanden, jedoch sind die Leistungen nur für solche Personen attraktiv, die eine besondere Nähe zum Angebot verspüren. Das Hauptziel ist die Stützung und Verbesserung des Markenimage. Hinzu kommt der Verkauf von Produkten und Merchan­ dising-Artikeln (z. B. Dr.Oetker-Backclub). Periphere Ziele sind außerdem die Öffentlichkeitswirkung (Kommunikationseffekt), Marktforschungszwecke (Datengewinnung) und Unterstützung der Handelsstufe durch Erzeugung eines Pull-Effekts. Eintrittsmotive für Kunden sind vor allem folgende: •• Informationssuche (verbesserte Produkt- und/oder Unternehmensinformationen), •• Kontaktbedarf (kommunikativer Austausch mit Gleichgesinnten), •• Sozialprestige der Mitgliedschaft (Heraushebung aus der Masse), •• bessere Nutzung der Grundleistungen (durch leistungsergänzende Angebote), •• Schnäppchensuche durch Vorteilsangebote (Smart shopping), •• private Unterhaltung/Annehmlichkeiten (Zerstreuung, Spaß, Erlebnisse). Zur Refinanzierung von Kundenclubs sind mehrere Ansätze denkbar: •• Die Erhebung von Mitgliedsbeiträgen hat zugleich eine Filterfunktion für den Zugang, die Höhe der Beiträge richtet sich dann nach der Kaufkraft der Zielgruppe und den Leistungsvorteilen.

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2. Der Direktabsatz

•• Der Verkauf von Clubprodukten, z. B. in limitierten Sonderauflagen oder als Merchandising-Artikel, begeistert die Fans, allerdings ist das finanzielle Risiko von Produktion, Logistik und Vertrieb zu tragen (Letzteres erfolgt häufig über Club-Shops oder Clubmagazine). •• Die Provisionserhebung auf die Vermittlung von Leistungen Dritter bezieht sich auf Ergänzungsleistungen von Reiseveranstaltern, Versicherungen, Hotelketten etc. sowie auf den Verkauf herstellerfremder Produkte von Kooperationspartnern. •• Der Verkauf von Eintrittskarten bezieht sich auf Clubveranstaltungen. Eintrittspreise erhöhen die subjektive Anziehungskraft, sofern sie als angemessen empfunden werden. •• Die Aufnahme von Fremdwerbung im Clubmagazin durch Anzeigen/Beilagen bezieht sich meist auf Kooperationspartner des Clubs oder Anbieter mit inhaltlicher Nähe zum Clubangebot (z. B. Werbung für Veranstaltungen). Allerdings darf dabei eine niedrige Zumutbarkeitsgrenze nicht überschritten werden. Der Eintritt in den Kundenclub kann ohne (offener Club) oder mit Eintritts­ barrieren (geschlossener Club) versehen sein. Denkbar ist auch eine Mischung innerhalb des Clubs, aber mit getrennten Leistungen. In geschlossenen Kundenclubs sind Mitgliedsvoraussetzungen zu erfüllen (z. B. Kundeneigenschaft, Leistungsabnahmevolumen). Sie weisen regelmäßig einen Aufnahme- und/oder Mitgliedsbeitrag (evtl. kaschiert durch Abonnement eines Clubmagazins) auf, dadurch fließen dem Unternehmen zugleich Refinanzierungsmittel zu. Außerdem kommt es zu einer genaueren Fokussierung der Zielgruppe auf harte Anhänger, was die Effizienz der Kundenansprache erhöht und Streuverluste mindert. Die Kosten des Club­ unterhalts bleiben wegen der geringeren Mitgliederzahl begrenzt. Durch den Finanzierungsbeitrag der Mitglieder können eher besondere Leistungen angeboten werden, was die Exklusivität und Attraktivität erhöht. Problematisch sind jedoch die zweckmäßige Festlegung des Selektionskriteriums und dessen Durchsetzung Bei offenen Clubs sind hingegen keine Vorbedingungen zu erfüllen, außer dass man Kunde ist oder werden will. Es bestehen keine rechtlichen oder finanziellen Zugangsbeschränkungen (keine Mitgliedsbeiträge). Eine spezielle Zielgruppe steht dabei nicht im Fokus, vielmehr wird die Gesamtzielgruppe des Unternehmens angesprochen. Daher haben solche Clubs, wenn sie attraktiv gestaltet sind, häufig viele Mitglieder. Problematisch ist insofern der mit der mutmaßlich größeren Mitgliederzahl verbundene höhere Kostenapparat, so dass die zugrunde liegenden Kommunikationsziele evtl. durch andere Maßnahmen kostengünstiger zu erreichen sind. Da offene Clubs nur geringe Kundendeckungsbeiträge erwirtschaften, werden sie meist aus dem Marketingetat finanziert. Dadurch bleiben die Clubleistungen aber häufig limitiert, was wiederum deren Attraktivität tangiert. Die Clubleistungen können mehr oder minder nahe an der Unternehmensleistung liegen, je näher, desto besser (Kompetenzaufbau, Clubhandling). Vor allem bei Low involvement-Produkten sind jedoch ferner liegende Leistungen unver-

2.8 Absatzflankierung durch Kundenclubs

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meidlich. Es sollte eine Mischung aus materiellen (Sonderpreise etc.) und immateriellen Vorteilen geboten werden (Limited editions etc.). Der Übersicht wegen ist eine nicht zu große Zahl von Clubleistungen empfehlenswert. Auch sollte das Club­angebot im Zeitablauf wechseln, so dass es immer aktuell bleibt. Sinnvoll ist eine Abstufung der Aktivitäten und Inhalte nach Kundenwert, obgleich dies eine Komplizierung der Anlage bedeutet, etwa weil Kunden up- oder downgegradet werden müssen. Für das konkrete Leistungsangebot des Kundenclubs sind häufig bereits die im Unternehmen ohnehin vorhandenen, bislang eher unsystematisch eingesetzten Mittel ausreichend. Sie müssen im Sinne der Fokussierung meist nurmehr zu Bündeln kombiniert und entsprechend konsistent ausgelobt werden. Dazu ist häufig nur noch eine Ergänzung bzw. Abrundung des Programms erforderlich. Wichtig ist, dass es sich dabei ausschließlich um einen Kundennutzen stiftende Leistungen handelt. Was genau kundennutzenstiftend ist, muss durch Pretests erhärtet werden. Leistungen, die keine oder nur geringe Nutzenrelevanz haben, schaden nur, denn sie verursachen Kosten, denen keine Kundenbindung gegenüber steht. Wichtig ist auch, dass die Clubleistungen die Positionierung des Angebots unterstützen, also sein Profil schärfen und stärken. Dabei ist durchaus an Chancen wie dem Markt-Pretest neuer Angebote in der Kernzielgruppe oder dem Cross selling-Potenzial mit eigenen (oder auch fremden) Angeboten zu denken (Letzteres gegen Provisionseinzug). Jedoch sind hohe Aufwendungen zur Führung eines Kundenclubs einzurechnen. Dabei sind die Initialaufwendungen noch gut überschaubar, weitaus stärker ins Gewicht fallen die laufenden Aufwendungen für Ausbau und Unterhalt des Clubs. Vor allem die Pflege des Adressbestands und die gewünschte Inter­aktion mit Kunden sind kostentreibend. Evtl. können aber Insertionseinnahmen aus Club-Publikationen, Rückvergütungen aus Kreditkarteneinnahmen etc. dagegen gerechnet werden. Zentrale Clubleistungen bestehen im Allgemeinen aus Clubkarte, Clubmagazin und Bonussystem. Die Clubkarte hat eine Legitimations- und Ausweisfunktion und belegt die Clubmitgliedschaft. Sie ist zudem Werbeträger. Sie identifiziert den Halter als berechtigt, bestimmte Leistungen des Karteneditors in Anspruch zu nehmen. Die Clubkarte trägt meist neben dem Namen des Absenders und des Berechtigten eine Kartennummer, unter der die persönlichen Daten des Kunden erfasst werden (wie Kauffrequenz, Kaufvolumen, Kaufzeitpunkt etc.). Primär dient sie der Informationsgewinnung für Kundendaten. So können Präferenzen (Produktart, Kaufort etc.) festgestellt und durch gezielte Angebote bedient werden (One to one-Marketing). Clubkarten ohne Zahlungsfunktion verbriefen vor allem Serviceleistungen, Sammelbonuspunkte oder Spezialangebote. Clubkarten mit Zahlungsfunktion erlauben nach Bonitätsprüfung eine bargeldlose Zahlung beim Karteneditor, meist verbunden mit erweitertem Zahlungsziel, kostenloser Kontoführung, Guthabenverzinsung etc. Dadurch können auch Impulskäufe initiiert

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2. Der Direktabsatz

werden. Clubkarten mit Kreditfunktion (z. B. durch Co-Branding) erlauben den universellen Einsatz auch bei anderen Anbietern als dem Karteneditor. Ein Kreditinstitut sorgt dabei für die anbieterübergreifende Anerkennung der Zahlungsverpflichtung. Beispiele für Clubkarten finden sich bei Adler, Bofrost, Bonus & More, Douglas, Ededa, Eismann, Esprit, Görtz, Hagebau, Happy Digits, Ikea, Jacques Wein-Depot, Lufthansa, Payback, Rewe, Shell Clubsmart, Tegut etc. Das Clubmagazin erfüllt die Informationsbedürfnisse der Clubmitglieder. Es ist Dialogbasis und berichtet im Wesentlichen über Aktivitäten im Kundenclub, Mitgliederneuigkeiten sowie Unternehmensnachrichten. Es kann durch anlassbezogene Newsletters und Direct mailings flankiert werden. Bonussysteme hängen von Kaufvolumen, Loyalitätsdauer o. Ä. ab. ­Problematisch ist der damit verbundene Verwaltungsaufwand zu beurteilen. Außerdem können Kunden in mehreren Programmen parallel Mitglied sein, was zu Mitnahmeeffekten führt. Eine Inhaltsdifferenzierung über Leistungen wird dann schwierig. Zum Standardangebot gehören auch Club-Hotline bzw. Club-Website. Hinzu kommt die Ausrichtung von in mehr oder minder großen Abständen stattfindenden Clubtreffen und -events. Evtl. können auch lokale Clubzentren eingerichtet werden. Dazu bedarf es freilich einer erheblichen innerbetrieblichen Infrastruktur oder der Auslagerung dieser Ressourcen an Service providers. Letzteres ist vor allem überlegenswert, weil Kundenclubs recht schnell zu komplexen Gebilden heranwachsen, die neben dem Unternehmen auch externe Partner, Finanzpartner und Clubmitglieder verschiedener Gruppen umfassen. Zwischen diesen Beteiligten finden zahlreiche Interaktionen statt, die Informationen, Sachmittel und Geldmittel betreffen. Nur eine reibungslose Abwicklung aller Club­ aktivitäten wirkt bei den Mitgliedern kundenbindend. Denkbar ist auch eine Aufteilung in konzeptionelle Kernleistungen, die unternehmensintern erbracht, und administrative Stützleistungen, die extern vergeben werden. Die effiziente Führung einer Kundendatenbank setzt voraus, dass die Kundendaten in geeigneter Form erfasst und entscheidungsbezogen aufbereitet sind. Dies ist leider sehr viel schwieriger als zu vermuten und großenteils praktisch noch nicht hinreichend gelöst. Kundenclubs müssen nicht zwingend gewinnbringend geführt werden, dafür ist der Kundenbindungseffekt zu wichtig. Sie sind nicht nur im Nachkaufmarketing des B-t-c-Bereichs einsetzbar, sondern gerade auch im B-t-b-Bereich. Hier setzen Profi-Clubs an, deren Mitglieder Handelspartner und Geschäftskunden sind. Bei der Clubgestaltung sind jedoch zahlreiche rechtliche Restriktionen zu beachten.

3. Der Indirektabsatz 3.1 Handelsinstitutionen Institutional werden die Träger der Handelstätigkeit unterschieden, vor allem der Einzelhandel als Handel mit privaten Endabnehmern und der Großhandel als Handel mit Wiederverkäufern (und Weiterverarbeitern bzw. Großabnehmern). Es können aber durchaus noch weitere Stufen im Absatzkanal einbezogen sein. Ein Betrieb ist eine technische, soziale, wirtschaftliche, umweltbezogene Einheit mit selbstständiger Entscheidung und eigenen Risiken. Betriebe zur Fremdbedarfsdeckung werden auch Unternehmen genannt, Betriebe zur Eigenbedarfsdeckung Haushalte. Bei den Betrieben zur Fremdbedarfsdeckung gibt es Gewinnungs­ betriebe, Be- und Verarbeitungsbetriebe sowie Dienstleistungsbetriebe, zu denen Handelsbetriebe gehören. Der Handel stellt eine Mischung aus Warenprozess- und Dienstleistung dar, wobei der Dienstleistungsanteil teilweise kaum mehr wahrnehmbar ist (z. B. Selbstbedienungsgeschäfte). Dennoch wird der Handel dem Dienstleistungssektor zugeordnet. Von besonderer Bedeutung für die Leistungserstellung ist der Mensch als Dienstleister. Von ihm hängt der Aufbau eines akquisitorischen Potenzials (= Kundenpräferenz) entscheidend ab. Zugleich stellt der Mensch aber auch den Engpass für den Markterfolg dar. Der Wiederverkäufermarkt ist die Drehscheibe zwischen Herstellern als Vorverarbeiter und Abnehmern als Weiterverarbeiter oder Endabnehmern. Im Reinverkauf ergibt sich eine Bündelungswirkung, im Raus­verkauf eine Dispersionswirkung. Daraus leitet sich die überragende Bedeutung des Handels im Absatzkanal ab. Absatzmittler übernehmen bei der Vermarktung viele Funktionen. Da die Waren selbst meist unverändert bleiben, wurde allerdings die Produktivität des Handels früher in Zweifel gezogen (Physiokraten). Damit eng verbunden ist die moralische Berechtigung für den Einbehalt eines Gewinnaufschlags. Der Wiederverkäufer ist vom ihm zur Verfügung gestellten Warenangebot seiner Zulieferer abhängig, denn dieses bestimmt seine akquisitorische Wirkung in der Zielgruppe. Ist kein vorteilhaftes Angebot verfügbar, reagiert der Handel durch Angebot eigener Waren (Handelsmarken). Diese treten zunehmend in Konkurrenz zu den Herstellerwaren. Es herrscht eine latente Konfliktsituation zwischen Hersteller- und Handelsstufe vor, beide verfolgen eigenständige Ziele, die untereinander in einer Vielzahl von Fällen konfliktär sind. In vielen Fällen haben Händler von Herstellern die Führerschaft im Absatzkanal übernommen. Der Wiederverkäufermarkt ist durch einen hohen Konzentrationsgrad gekennzeichnet. Die daraus resultierende Nachfragemacht nutzt der Handel zur Durchsetzung eigener Interessen. Die dabei eingesetzten Mittel sind nicht immer frei von Kritik durch die Markt-

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3. Der Indirektabsatz

partner. Die Marktstruktur ist sehr heterogen. Dies drückt sich durch verschiedene Geschäftsmodelle, Marktarten, Geschäftsgrößen etc. aus, die in Betriebsformen des Handels zusammengefasst werden. Diese rubrizieren die Vielfalt der Realität zu intern einigermaßen homogenen Gruppen. Es herrscht eine Orientierung am Preis als wesentlichem Konkurrenzparameter vor. Dies drückt sich durch vielfältige Aktionen aus, die wiederum günstige Einkaufskonditionen vorausbedingen. Andere Aktionsparameter setzt der Handel nur zögerlich ein, mit verhängnisvollen Ergebnissen für die Branche. Es ist ein Geschäftsstättenwettbewerb gegeben, d. h., die Markenpräferenz der Industriestufe wird in eine Geschäftsstättenpräferenz der Absatzmittlerstufe umgewertet, bei der jeder Händler um die Ecke der schärfste Mitbewerber ist (von der Interbrand competition zur Intrabrand competition). Die Warenumschlaggeschwindigkeit ist von großer Bedeutung für den Betriebserfolg. Sie bestimmt über Kapitalbindungskosten und Flächenproduktivität unmittelbar die Rentabilität des Betriebs. Daher rückt sie im Controlling über integrierte Erfolgsermittlungssysteme in den Vordergrund.

Abbildung 42: Betriebseinteilung

3.2 Handelsfunktionen Funktional lassen sich diverse Handelsfunktionen unterteilen, die von den Handelsbetrieben wahrgenommen werden und neben dem reinen Waren- und Geldfluss auch den Informationsfluss umfassen. Diese werden im Folgenden näher beleuchtet.

3.2 Handelsfunktionen

Abbildung 43: Übersicht Indirektabsatz (I)

Abbildung 44: Übersicht Indirektabsatz (II)

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3. Der Indirektabsatz

Abbildung 45: Übersicht Indirektabsatz (III)

Aus der Kennzeichnung des Handels als Dienstleister folgt, dass die von ihm erbrachten Leistungen in vielen Fällen nicht unmittelbar erkennbar sind. Handelsfunktionen können in vier umfassende Bereiche eingeteilt werden: die Raumüberbrückung, die Zeitüberbrückung, die Kundenakquisition und den Mengenausgleich. Zunächst zur Raumüberbrückung. Diese bedeutet die Anpassung von Angebot und Nachfrage durch inner- und zwischenbetrieblichen Transport. Der Handel gleicht den von der Erstellung räumlich abweichenden Bedarf aus, indem er Waren vom Ort der Herstellung an den Ort des Ge- oder Verbrauchs bzw. zumindest in dessen unmittelbare Nähe verbringt. Ohne den Handel ist eine flächendeckende, differenzierte Versorgung des Publikums somit nur schwer vorstellbar. Die Zeitüberbrückung bedeutet die Anpassung von Angebot und Nachfrage durch Lagerung und Vordisposition. Der Handel gleicht damit den von der Nachfrage zeitlich abweichenden Anfall von Angebot und allgemeine Nachfrageschwankungen (z. B. Saisons) durch eigene Vorratshaltung aus. Dabei achtet er darauf, eine kontinuierliche Versorgung mit einem für ihn repräsentativen Angebot zu ermöglichen, ohne dabei unnötig hohe Vorräte aufzubauen. Die Kundenakquisition bedeutet die Absatzsteigerung der Waren des Herstellers. Dies erfolgt auf vielfältige, essentielle Weise, so durch:

3.2 Handelsfunktionen

163

•• Kreditgewährung als Absatzfinanzierung des Handels an Endabnehmer, dadurch wird deren diskretionäre Kaufkraft erhöht, die von diesen in vermehrte Warenkäufe umgesetzt wird. •• Nachfragegenerierung über Informationsabgabe in Medien (Händlereigenwerbung) oder persönlich durch Anfragenbearbeitung, Bemusterung, Vorführung etc. •• Angebots- und Nachfrageermittlung bzw. -lenkung über Bedarfserfassung und -beeinflussung, d. h. Eruierung der Bedarfe und Fahndung nach Waren, die diese befriedigen können bzw. Veränderung von Nachfrage und Angebot zur Markträumung und Potenzialnutzung. •• Markterschließung für Hersteller beim Angebot von Neuprodukten, die zunächst noch unbekannt sind und daher vom Handel auf eigenes Risiko ins Sortiment aufgenommen und Abnehmern initiativ angedient werden müssen. •• Flexible Preisgestaltung, dadurch ist die gezielte Positionierung und Förderung bestimmter Waren darstellbar. •• Veredelung der Waren im Angebotsumfeld (Erlebnishandel) zur Stimulierung des Einkaufs durch ein Bündel aus Hardware und Software, also purer Ware und verbundenem Serviceeinsatz. •• Beratung beim Kaufentscheid sowie Services davor und danach, wobei die Kompetenz und Akzeptanz des Handelsberaters einen immateriellen Mehrwert zugunsten des empfohlenen Produkts darstellt und dieses damit aktiv forciert. •• Endkundenkontakt und Absatzvollzug mit physischer Warenübergabe und Inkasso, also konkrete Interaktion zwischen Kunde und Produkt mit Waren-, Geld- und Informationsübergang. •• Kundenpflege über Erzielung von Käuferpräferenz, diese fördert über Kundenzufriedenheit die Marken- und Geschäftsstättenloyalität, dazu gehört auch das Handling von Reklamation, Kulanz, Umtausch etc. •• Gewährleistung von Einkaufsbequemlichkeit und -schnelligkeit, dadurch wird eine vergleichsweise leichte Bedarfsdeckung für anspruchsvolle und zeitlimitierte Nachfrager möglich. Der Mengenausgleich bedeutet die Strukturierung des Angebots nach manifesten oder vermuteten Nachfragerwünschen. Dies erfolgt durch: •• Aufsplittung großer angelieferter Lose in verbrauchsgerechte Teilmengen, denn Hersteller stellen Waren in Losgrößen bereit, die für Abnehmer nur ausnahmsweise interessant ist. •• Warenumgruppierung nach Handels- und Güteklassen, so werden Lieferungen verschiedener Hersteller zu homogenen Einheiten aufgebrochen und neu angeordnet, dies schafft eine bedarfsgerechte Qualitätsübersicht.

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3. Der Indirektabsatz

•• Preisanpassung nach Tragfähigkeit einzelner Waren im Rahmen des Sortimentsverbunds, dies kommt durch interne Subventionierung von Ausgleichsnehmern durch Ausgleichsgeber zustande. •• Zusammenstellung von Einzelbedarfen zu rentablen Auftragslosen, die gemeinsam geordert und abgerufen werden können, um eine unkomplizierte, differenzierte Bedarfsdeckung zu ermöglichen. •• Sortimentsgestaltung nach ausgedrückter oder vermuteter Bedarfsstruktur der Abnehmer, wobei der Handel umso erfolgreicher ist, je kongruenter sich sein Sortiment zu den Bedarfen seiner Zielgruppe darstellt.

Abbildung 46: Funktionen des Handels

3.3 Einzelhandelsbetriebsformen 3.3.1 Einteilungskriterien Es wurde bereits ausgeführt, dass der Wiederverkäufermarkt äußerst heterogen strukturiert ist. Um dennoch etwas Übersicht darin zu gewinnen, hat man bereits früh begonnen, nach Klassifikationen zu suchen bzw. die Handelsbetriebe zu typologisieren, um zu Betriebsformen des Einzelhandls zu gelangen. Dazu bedarf es jedoch zugrunde zu legender Kriterien. Dabei handelt es sich wiederum um die Folgenden.

3.3 Einzelhandelsbetriebsformen

165

Abbildung 47: Kriterien für Betriebsformen des Einzelhandels

Die Sortimentsbreite gibt die Anzahl verschiedenartiger, additiver Artikel innerhalb des Handelsangebots wieder. Eine hohe Sortimentsbreite meint, dass der Handel viele verschiedenartige Warengruppen führt, und umgekehrt. Eine hohe Sortimentsbreite führt in Richtung des Universalhandels, eine geringe in Richtung des Spezialhandels. Die Sortimentstiefe gibt die Anzahl gleichartiger, alternativer Artikel innerhalb des Handelsangebots wieder. Eine hohe Sortimentstiefe meint, dass der Handel viele verschiedene Varianten innerhalb einer Warengruppe führt, und umgekehrt. Bei gleicher Geschäftsgröße geht eine hohe Sortimentstiefe zu Lasten der Sortimentsbreite und umgekehrt. Das Sortimentsniveau gibt den allgemeinen Qualitätslevel wieder, auf dem das Warenangebot einzuordnen ist. Denkbar sind Abstufungen von anspruchslos über gediegen bis zu luxuriös, wobei die Spannbreite mehr oder minder groß sein kann. Am Markt prosperieren sowohl hoch qualitativ angelegte Sortimente als auch solche, die nur bescheidenen Ansprüchen genügen.

166

3. Der Indirektabsatz

Der Sortimentsinhalt bezieht sich auf die wahrgenommene Artikelart, z. B. nach Kaufbedeutung (High interest/Low interest), Warenselbstverkäuflichkeit (problemlos/erklärungsbedürftig), Entscheidungsbedeutung (Gewohnheits-, Spontan-, Sozialkauf) oder Kauffristigkeit (langlebig/kurzlebig). Dies hat entscheidende Konsequenzen für das Profilmarketing des Handels. Die Preisgestaltung bezieht sich auf die geforderte Gegenleistung der Abnehmer für das Warenangebot. Denkbar sind hier Abstufungen von aggressiv über konventionell bis exklusiv, wobei diese Preise durchgängig starr oder flexibel gehalten sein können. Aggressiv sind Preise, die beständig und erheblich unter dem marktüblichen Niveau liegen und umgekehrt. Flexible Preise sind von wechselnden Sonderangeboten durchbrochen. Die Standortwahl beschreibt die gewählte Geschäftslage. Bestimmend sind hier mikro- oder makroökonomische Kennzeichen, die bei Ersteren zu Einteilungen in zentrale Haupt-(City-)Lage, innerstädtische Neben-(City-)Lage, Wohngebiets(Stadtrand-)Lage, Rand-(Vorort-)Lage, Außenlage (grüne Wiese) etc. führen, bei Letzteren zu Einflussgrößen wie Verkehrsanbindung, Betriebsmittelbeschaffung, Steuerbestimmungen etc. Die Betriebsgröße ist ein häufig genanntes Kriterium. Problematisch ist dabei jedoch einerseits der dafür anzulegende Maßstab (Umsatz, Fläche, Mitarbeiterzahl etc.), andererseits die Vermutung, dass diese eher Resultante des Betriebserfolgs denn Aktionsparameter als solcher ist. Insofern ist fraglich, ob es sich dabei um ein selbstständiges Kriterium handelt. Dennoch wird es allein seiner Praktikabilität wegen oft angewendet. Der Beeinflussungs-Mix umfasst das Profilmarketing des Handels, also Kommu­ nikation, Konditionen und Service, die zur Kundengewinnung und -bindung eingesetzt werden, wie Merchandising, Rabattierung, Kundendienste etc. Da damit immer zugleich auch Kostenpositionen verbunden sind, kann eine durchaus abweichende Politik eingeschlagen werden. Die Akquisitionsform meint den Warenübergang und die Bedienung. Dabei kann nach Hol- (Residenz-, z. B. Laden- und Lagergeschäft) oder Bringprinzip (Domizil-, z. B. Haustür- und Versandhandel) unterschieden werden, wobei Erstere wiederum primär entnahme- (z. B. Selbstbedienung und Medien) oder übergabeorientiert (z. B. Fremdbedienung und Vorwahl) sein können. Dazwischen sind beliebige Abstufungen und Kombinationen umsetzbar. Das Abgabeprinzip betrifft in verschiedenen Abstufungen die Erhältlichkeit angebotener Waren. Dies kann von undifferenzierter Verfügbarkeit (z. B. Auto­ matenverkauf) bis zu unterschiedlicher persönlicher Privilegierung gehen (z. B. Mitarbeiter, Gewerbetreibende, Verbandsmitglieder). Jede Art der Selektion muss allerdings enge wettbewerbsrechtliche Restriktionen beachten. Der Verkaufspunkt meint die Standortfixierung des Betriebs. Denkbar sind immobile Verkaufspunkte (z. B. in Form von Ladengeschäften) oder mobile Verkaufs­

3.3 Einzelhandelsbetriebsformen

167

punkte, wobei diese regelmäßig wiederkehrend (z. B. Wochenmarkt), regelmäßig wechselnd (z. B. Verkaufswagen) oder unregelmäßig wechselnd sein können (z. B. Hausierhandel). Hinzu kommen virtuelle Verkaufspunkte im medialen Verkauf des Versandhandels. Die Integrationsform betrifft die wirtschaftliche Organisation des Betriebs. Denkbar sind Ausprägungen wie der klassische Einzelbetrieb, filialisierte Betriebe an dezentralen Standorten innerhalb von Handelsketten (Standortspaltung in Regiebetrieben) oder angebundene Betriebe in Gemeinschaftsstandorten (Standort­ agglomeration als aus Einzelbetrieben abgeleiteten, sekundären Betriebsformen). Die Anbindung betrifft die Eingliederung des Betriebs. Denkbar sind die Ausprägungen der Selbstständigkeit oder der Abhängigkeit. Letztere kann durch horizontale, primär rechtliche (z. B. Konzernübernahme) oder vertikale, primär wirtschaftliche Anbindung (z. B. Kontraktmarketing) verursacht sein. Der Trend geht dabei zum Zusammenschluss von Einzelbetrieben zu Ketten und von Ketten zu Holdings. Die Treueorientierung betrifft die Sortimentsausrichtung. Diese kann sich an der Homogenität angebotener Artikel in Bezug auf gleiche Materialien (z. B. alles aus Keramik), gleiches Wissen (z. B. Arzneimittel) oder gleiche Problemlösung (z. B. Do it yourself) orientieren. Ziel ist dabei immer die Realisierung von Synergieeffekten bei Werkstoffen, Verfahren und Anwendungen. Die Güterart schließlich setzt bei der Warentypologie an und charakterisiert die unterschiedlichen Waren, die das Sortiment des Handels ausmachen. Zu unterscheiden sind Konsumtivgüter für Ge- und Verbrauch (Food/Nonfood) sowie Produktivgüter für Investition und Produktion.

3.3.2 Primäre, stationäre Einzelhandelsbetriebsformen

Abbildung 48: Typologie der Betriebsformen des Einzelhandels

Betriebsformen des Handels gelten als häufig vorkommende Kombinationen spezifischer Ausprägungen dieser genannten Kriterien. Dementsprechend lassen sich verschiedene prototypische Handelsgeschäfte unterscheiden, die anhand der wichtigsten Kriterien charakterisiert werden können. Bei primären Betriebsfor-

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3. Der Indirektabsatz

men des Einzelhandels handelt es sich um originäre Formen der Kombination spezifischer Ausprägungen, bei stationären um solche mit fixiertem Verkaufspunkt. Dabei sind vor allem die Folgenden zu nennen, die sich in drei Gruppen (traditionell, modern, preisaggressiv) aufteilen lassen. 3.3.2.1 Traditionelle Betriebsformen Zu den traditionellen Betriebsformen zählen vor allem folgende: •• Fachgeschäft (z. B. Spielwarenfachhandel, Sportartikelhandel). Merkmale sind: •• eher enges, dafür tiefes Sortiment, •• gediegenes Sortimentsniveau, •• konventionelle Preisbildung, •• zentrale Lage, •• klein- bis mittelständische Betriebsgröße, •• geringer Einsatz des Beeinflussungs-Mix (Ausnahme: Service), •• Akquisition durch Ladengeschäft mit Fremdbedienung, •• stationärer Einzelstandort, •• Unabhängigkeit, evtl. horizontale Integration. •• Spezialgeschäft (z. B. Brautmoden, Jagdwaffen, Tee, Juwelier, Porzellanwaren, Regenschirm). Merkmale sind: •• engeres, dafür tieferes Sortiment als beim Fachgeschäft, •• mindestens gediegenes, oft luxuriöses Sortimentsniveau, •• exklusive Preisbildung, •• zentrale Lage, •• kleinständische Betriebsgröße, •• geringer Einsatz des Beeinflussungs-Mix (Ausnahme: Service), •• Akquisition durch Ladengeschäft mit Fremdbedienung, •• stationärer Einzelstandort, •• Unabhängigkeit. •• Warenhaus (z. B. Galeria Kaufhof, Karstadt). Merkmale sind: •• sehr breites, flaches Sortiment, •• anspruchsloses Sortimentsniveau (neuerdings aber Trading up),

3.3 Einzelhandelsbetriebsformen

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•• flexible Preisbildung, durchsetzt von aggressiven Preisen, •• zentrale Lage, •• Großbetriebsform, •• intensiver Einsatz des Beeinflussungs-Mix (insb. Kommunikation), •• Akquisition durch Ladengeschäft mit Selbst- und Fremdbedienung, •• dezentrale Standortspaltung mit stationären Verkaufspunkten, •• starke horizontale Integration im Konzern. •• Kaufhaus (z. B. C & A, P & C). Merkmale sind: •• schmaleres Sortiment als ein Warenhaus bei höherer Tiefe, •• anspruchsloses Sortimentsniveau (aber Trading up), •• konventionelle Preisbildung, durchsetzt von aggressiven Preisen, •• zentrale oder Cityrandlage, auch in Vorortzentren vertreten, •• Großbetriebsform, jedoch kleiner als Warenhaus, •• intensiver Einsatz des Beeinflussungs-Mix, aber weniger als Warenhaus, •• Akquisition durch Ladengeschäft mit dominanter Fremdbedienung, •• dezentrale Standortspaltung mit stationären Verkaufspunkten, •• horizontale Integration in Konzern, jedoch geringer als Warenhaus. •• Gemischtwarenladen (z. B. „Tante Emma-Geschäft“, „Onkel Ali-Bude“). Merkmale sind: •• enges, sehr flaches Sortiment, •• anspruchsloses Sortimentsniveau, meist täglicher Bedarf, •• starre, konventionelle Preisbildung, •• Cityrand- oder Vorortlage, •• kleinständische Betriebsform, •• geringer systematischer Einsatz des Beeinflussungs-Mix, •• Akquisition durch Ladengeschäft mit Fremdbedienung, •• stationärer Einzelstandort, •• Unabhängigkeit, evtl. horizontale Integration (Kooperation).

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3. Der Indirektabsatz

3.3.2.2 Moderne Betriebsformen Zu den modernen Betriebsformen zählen vor allem folgende: •• SB-Warenhaus (z. B. Marktkauf, Real, Globus, Kaufland). Merkmale sind: •• extrem breites, ausreichend tiefes Sortiment, •• anspruchsloses Sortimentsniveau, •• aggressive, flexible Preisbildung, •• Stadtrandlage oder „grüne Wiese“, •• Großbetriebsform (über 5.000 qm /Food und Nonfood), •• mittlerer Einsatz des Beeinflussungs-Mix (vor allem Kommunikation), •• Akquisition durch Ladengeschäft in dominanter Selbstbedienung, •• stationärer Einzelstandort durch Agglomeration, häufig arrondierende Betriebe, •• horizontale Integration in Konzern. Das SB-Warenhaus führt vorwiegend Lebensmittel (ca. 60 % Umsatzanteil) sowie ein breites Sortiment an Ge- und Verbrauchsgütern bei weitgehendem Verzicht auf modische Waren. SB-Warenhäuser führen ca. 28.000 Artikel. Es werden Konzessionärsflächen im Eingangsbereich geboten, außerdem viele Pkw-Stellplätze. Eingeschossige Bauten dominieren. Die Lage ist verkehrs­ orientiert, auch in Stadt- und Stadtteilzentren. •• Verbrauchermarkt (z. B. Comet, E-Center, Extra, Familia, Toom). Merkmale sind: •• sehr breites, ausreichend tiefes Sortiment, •• anspruchsloses Sortimentsniveau, •• aggressive, flexible Preisbildung, •• Stadtrandlage oder „grüne Wiese“, •• Großbetriebsform (1.000 bis unter 5.000 qm /Food und Nonfood), •• geringer Einsatz des Beeinflussungs-Mix (Ausnahme: Kommunikation), •• Akquisition durch Ladengeschäft in dominanter Selbstbedienung, •• stationärer Einzelstandort durch Agglomeration, •• horizontale Integration in Konzern. Verbrauchermärkte führen vorherrschend Lebensmittelangebote zur periodischen Bedarfsdeckung und einen vergleichsweise hohen Anteil an NearfoodArtikeln. Mit zunehmender Größe verlagert sich der Schwerpunkt zu Sortimenten mit aperiodischer Bedarfsdeckung, soweit diese für Selbstbedienung

3.3 Einzelhandelsbetriebsformen

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geeignet sind und rasch umgeschlagen werden können. Verbrauchermärkte führen ca. 17.500 Artikel, ca. 70 % des Umsatzes entfallen auf Lebensmittel. Sie sind in Nahversorgungszentren, Stadtteilzentren, Einkaufszentren gelegen. •• Supermarkt (z. B. Minimal, E-Neukauf, Spar). Merkmale sind: •• breites, flaches Sortiment, •• anspruchsloses Sortimentsniveau, •• aggressive, flexible Preisbildung, •• Cityrand- oder Vorortlage, •• Großbetriebsform (400–1.000 qm /Food und Nonfood), •• geringer Einsatz des Beeinflussungs-Mix (Ausnahme: Kommunikation), •• Akquisition durch Ladengeschäft in dominanter Selbstbedienung, •• dezentrale Standortspaltung mit stationären Verkaufspunkten, •• horizontale Integration in Konzern (Filialisierung). Supermärkte führen ca. 7.500 Artikel, davon ca. zwei Drittel Lebensmittel und ein Drittel Nearfood. Einzelne Betreiber setzen verstärkt auf große Sortimentsanteile von Bio-Produkten, zugleich werden Grundsortimente angeboten, die preislich mit Hard-Discounters konkurrieren. Als Lage kommen vorwiegend Nachbarschaftslage, Stadtteilzentren, in Kleinstädten häufig auch Innenstadt, in Mittelstädten im Randbereich des Zentrums in Betracht. •• SB-Geschäft (z. B. Kaiser’s, Rewe, Edeka). Merkmale sind: •• schmales, eher flaches Sortiment, •• anspruchsloses Sortimentsniveau, •• konventionelle, flexible Preisbildung, •• Cityrand- und Vorortlage, •• mittelständische Betriebsform (unter 400 qm /nur Food oder Nearfood), •• geringer Einsatz des Beeinflussungs-Mix (Ausnahme: Kommunikation), •• Akquisition durch Ladengeschäft in dominanter Selbstbedienung, •• dezentrale Standortspaltung mit stationären Verkaufspunkten, •• horizontale Integration in Konzern (Filialisierung). SB-Geschäfte bieten Lebensmittel als spezialisierter Einzelhandelsbetrieb an. Sie befinden sich vorwiegend in Nachbarschaftslagen. Meist werden auch Frischwaren sowie kleinere Nonfood-Sortimente über Selbstbedienung vertrieben, vorwiegend in Nachbarschaftslage.

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3. Der Indirektabsatz

3.3.2.3 Preisaggressive Betriebsformen Zu den preisaggressiven Betriebsformen zählen vor allem folgende: •• Fachmarkt (z. B. Saturn, Media-Markt, Bauhaus, OBI). Merkmale sind: •• sehr breites, sehr tiefes Sortiment, •• gediegenes Sortimentsniveau, •• flexible Preisbildung, tendenziell aggressiv, •• Cityrandlage, •• mittelständische Betriebsform, je Standort jedoch groß, •• hoher Einsatz des Beeinflussungs-Mix (insb. Kommunikation), •• Akquisition durch Ladengeschäft mit Fremdbedienung, •• dezentrale Standortspaltung mit stationären Verkaufspunkten, •• horizontale Integration in Konzern. •• Fachdiscounter (z. B. Basic, Adler, Roller). Merkmale sind: •• enges, tiefes Sortiment, branchenbeschränkt, •• anspruchsloses Sortimentsniveau, allerdings Trading up, •• aggressive, starre Preisbildung, •• zentrale Lage, •• Großbetriebsform, •• hoher Einsatz des Beeinflussungs-Mix (insb. Kommunikation), •• Akquisition durch Ladengeschäft mit Fremdbedienung, •• dezentrale Standortspaltung mit stationären Verkaufspunkten, •• horizontale Integration in Konzern. •• LEH-Discounter (z. B. Aldi, Lidl, Norma, Netto). Merkmale sind: •• enges, flaches Sortiment, •• anspruchsloses Sortimentsniveau, oft Gattungsware, •• aggressive, starre Preisbildung, •• Stadtrandlage, •• mittelständische Betriebsform, •• geringer Einsatz des Beeinflussungs-Mix (Ausnahme: Kommunikation),

3.3 Einzelhandelsbetriebsformen

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•• Akquisition durch Ladengeschäft mit Selbstbedienung, •• dezentrale Standortspaltung mit stationären Verkaufspunkten, •• starke horizontale Integration in Konzern (Filialisierung). Man unterscheidet Hard-Discounter und Soft-Discounter. Bei beiden entfallen durchschnittlich 82 % des Sortiments auf Lebensmittel, der Anteil ist jedoch fallend. Beide vertreiben ausschließlich in Selbstbedienung. Hard-­Discounter haben ein stark begrenztes Sortiment (800–1.000 Artikel) mit hoher Umschlaggeschwindigkeit. Der Sortimentsschwerpunkt sind Eigenmarken. Der Sortimentsanteil von Markenartikeln liegt bei max. 30 %. Außerdem werden Bekleidungs-, Elektro-, Unterhaltungselektronik- und Hausratsposten angeboten, sowie Obst/Gemüse, Backwaren und Tiefkühlwaren. Der Aufwand für Warenpräsentation, Ladeneinrichtung und Service ist vergleichsweise gering, wenngleich die Läden eine ansprechende Gestaltung erfahren. Die Fläche beträgt bis 1.200 qm Verkaufsfläche (je Geschoss), meist jedoch unter 800 qm. Sie sind an Ein- und Ausfallstraßen und in Gewerbegebieten gelegen. Soft-Discounter führen ein erweitertes Sortiment mit 2.000–2.500 Artikeln und sind häufig durch Bäcker oder Metzger ergänzt. Der Sortimentsschwerpunkt liegt bei Markenartikeln, bevorzugt werden Nachbarschaftslagen. Eine der größten Erfolgsgeschichten im Einzelhandel betrifft sicherlich Aldi. Hier ein kurzer Abriss der frühen Aktivitäten: •• 1946: Theodor und Karl Albrecht übernehmen den Krämerladen ihrer Mutter Anna in ­Essen, •• 1950: Die Brüder Albrecht übernehmen weitere Läden im gesamten Ruhrgebiet, •• 1961: Die Albrecht-Brüder teilen ihre mittlerweile 300 Geschäfte auf und gehen fortan getrennte Wege, Karl erhält die Läden südlich des Ruhrgebiets, Theo die nördlichen, •• 1962: Theo Albrecht eröffnet in Dortmund den ersten Albrecht-Discounter (Aldi), •• 1967: Aldi beginnt mit der Expansion im Ausland, Karl übernimmt die Ladenkette Hofer in Österreich, •• 1976: Aldi Süd expandiert in die USA und übernimmt dort die 50 Läden von Benner Tea of Iowa, •• 1980: Aldi Nord steigt mit 6,2 % bei der US-Kette Albertson’s Inc. in Boise (Idaho) ein, •• 1984: Mit Ulrich Wolters übernimmt der erste familienfremde Manager bei Aldi Süd das Amt des Verwaltungsratschefs, •• 1996: Aldi startet mit dem Verkauf von Personalcomputern, •• 1998: Das Buch des ehemaligen Aldi-Managers Dieter Brandes sorgt für Aufsehen, •• 2000: Aldi Süd grenzt sich deutlich von Nord ab, die Mülheimer fügen dem Firmenlogo den Zusatz „Süd“ hinzu, •• 2000: Aldi Süd rüstet alle Filialen mit Scannerkassen aus, •• 2000: Aldi Süd expandiert nach Australien,

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3. Der Indirektabsatz

•• 2002: Erstmals in der Firmengeschichte muss Aldi Einblick in seine Bilanzen gewähren, •• 2003: Aldi Nord führt Scannerkassen und integrierte Obst- und Gemüsewaagen ein. Die wichtigsten Aldi-Geschäftsprinzipien, die dem Erfolg zugrunde liegen, sind die Folgenden: •• Wir wollen, dass die Verbraucher die wichtigsten Lebensmittel ganz in der Nähe, immer frisch, immer von hoher Qualität und immer zum günstigen Preis kaufen können. Daraus haben wir ein Prinzip gemacht: Qualität ganz oben, Preis ganz unten. •• Wir kaufen von leistungsstarken Lieferanten in so großen Mengen, dass wir die Qualität bestimmen, die Frische garantieren und selbstverständlich günstiger einkaufen als alle, die weniger davon einkaufen. •• Wir garantieren hohe Qualität und lassen uns diese durch ständige, unabhängige Lebensmittelkontrollen bestätigen. •• Wir sparen bei allem, was Ware üblicherweise verteuert. Unsere Läden sind nicht zu groß, unser Sortiment ist nicht zu breit, die Warenpräsentation nicht aufwändig. Unsere Logistik ist äußerst rationell. •• Wir liefern, was wir versprechen. Produkte von hoher Qualität, in großer Frische, so günstig, wie nur Aldi es kann. •• Wir sind stolz auf unsere freundlichen und zuverlässigen Mitarbeiter. Und unseren Erfolg. 85 % aller Haushalte kaufen bei Aldi, das sind mehr, als bei jedem anderen Lebensmittelanbieter. •• Wir danken für die Treue und garantieren, falls ein Produkt einmal nicht den Geschmack treffen sollte, Rücknahme und Kaufpreiserstattung ohne Nennung von Gründen. •• Wir versprechen, dass wir zum Nutzen der Kunden immer und überall unser Aldi-Prinzip konsequent einhalten. Davon kann sich jeder selbst überzeugen, jeden Tag.

Dennoch scheint es, als sei der Lebenszyklus der Discounter im Höhepunkt angekommen. Als Gründe für die zwischenzeitliche Stagnation der Discounter gelten vor allem folgende: •• Die Geiz ist geil-Welle ist ausgereizt und kommt nicht mehr weiter voran. •• Das Wachstum der Discounter war zuletzt vor allem durch Neueröffnungen getrieben, nunmehr ist die Standortdichte bereits sehr hoch. •• Discounter kannibalisieren sich mittlerweile vorwiegend gegenseitig, statt anderen Betriebsformen Kunden weg zu konkurrieren. •• Lebensmittel sind im Preis allgemein an der absoluten Untergrenze angekommen. •• Die Aktionsartikel wiederholen sich zunehmend und locken nicht mehr so viele Kunden an. •• Sortimentsausweitungen um Frischwaren wie Brot und Obst erhöhen die Handlingkosten und vermindern die Umschlaggeschwindigkeit.

3.3 Einzelhandelsbetriebsformen

175

•• Die Expansion im Ausland kommt nicht so schnell voran wie erwartet, da dort durch andere Konsumverhältnisse Widerstände auftreten. •• Viele ältere Standorte haben nicht genug Parkplätze oder eine schlechte Verkehrsanbindung.

3.3.3 Primäre, nicht-stationäre Einzelhandelsbetriebsformen Primäre, nicht-stationäre Betriebsformen des Einzelhandels zeichnen sich allgemein dadurch aus, dass sie keinen festen Verkaufspunkt haben. Dazu gehören folgende: •• Universalversandhandel (z. B. Otto). Merkmale sind: •• sehr breites, relativ flaches Sortiment, gestaffelt nach Jahreszeiten, Sonder­ anlässen, Thematiken etc. •• anspruchsloses Sortimentsniveau (Trading up über Spezialitäten), •• starre, konventionelle Preisbildung, teilweise aggressiv, •• Großbetriebsform, •• intensiver Einsatz des Beeinflussungs-Mix (insb. Kommunikation), •• Akquisition durch Distanzprinzip (Katalog) und Bestellung (Auftrag), evtl. Telefon, Vertreter, Sammelbesteller etc., •• horizontale Integration in Konzern. •• Fachversandhandel (z. B. Baur, Oppermann, Witt). Merkmale sind: •• eher enges, ausreichend tiefes Sortiment, meist beschränkt auf eine Branche oder verwandte Produktgruppen (z. B. Schmuck, Mode), •• gediegenes Sortimentsniveau, •• starre, konventionelle Preisbildung, teilweise aggressiv, •• mittelständische Betriebsform, •• intensiver Einsatz des Beeinflussungs-Mix, •• Akquisition durch Distanzprinzip (Katalog) und Bestellung (Auftrag), evtl. auch über Telefon, Vertreter, Sammelbesteller etc., •• horizontale Integration in Konzern. •• Der Mobile Handel findet in verschiedenen Formen statt, so als •• Markthandel (z. B. Wochenmarkt für Produkte des täglichen oder täglichhäufigen Bedarfs, vor allem Frischwaren),

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3. Der Indirektabsatz

•• Straßenhandel (z. B. Verkaufswagen/Frischedienst, vor allem zur Abdeckung chronisch unterversorgter Gebiete), •• Hökerhandel (z. B. Trödel-/Andenkenstand, die eher provisorisch ausgerichtet sind), •• Hausierhandel (z. B. Haustürverkauf, der nicht durch Hersteller gesteuert ist), •• Wanderhandel (z. B. Teppichverkauf, wo oft nur temporäre Geschäftslokale unterhalten und diese nach Abwicklung aufgelöst werden), •• Pop up shops (die kurzfristig in provisorischen Verkaufsstellen eröffnet werden und Posten, die durch Social media bekannt gemacht werden, preis­ aggressiv anbieten, bis diese ausverkauft sind, danach wird das Geschäft aufgelöst, die Präsentation ist spartanisch).

3.3.4 Sekundäre, stationäre Einzelhandelsbetriebsformen Sekundäre Betriebsformen entstehen durch Konzentration primärer Betriebsformen, und zwar räumlich (stationär) oder formal (nicht-stationär), also nach Einheit des Standorts (Agglomeration) oder der Führung (rückwärts/vorwärts gerichtet) gekennzeichnet. Hinsichtlich der räumlichen Konzentration handelt es sich um Einkaufszentren, als Shopping centers, vorwiegend an peripheren Standorten (z. B. CentrO, Oberhausen), oder als überdachte Einkaufspassagen (Malls), vorwiegend an zentralen Standorten (z. B. Kö-Galerie, Hanse-Viertel, Levanthe-Haus, Höfe Fünf, Mädler-Passage), geführt. Beim Einkaufszentrum handelt es sich um die gewachsene oder aufgrund einer Planung entstandene räumliche Konzentration von Einzelhandels- und Dienstleistungsbetrieben verschiedener Art und Größe. Es wird meist als Einheit vom Betreiber als Konzentration kooperativ tätiger Gewerbetreibender geplant, errichtet und verwaltet und besteht aus einer größeren Anzahl rechtlich selbstständiger Gewerbetreibender. Es befindet sich meist in einheitlichem Besitz. Entscheidungen werden durch Verwaltungsgesellschaft und Mietervereinigung getroffen. Die Miete ist fix, umsatzabhängig oder kombiniert ausgestaltet. Die Ausrichtung erfolgt auf das Einzugsgebiet mit eigenen Parkplätzen, verkehrsgünstig gelegen, oft als City-Center in geplantem Gebäudekomplex. Die Frage des optimalen Mieter-Mix ist im Einzelnen von den jeweiligen Betriebsformen, Sortimentsinhalten und Geschäftsgrößen abhängig. So bedarf es einerseits einer gewissen Anzahl von Impuls-Outlets, die Waren des täglichen oder täglich häufigen Bedarfs führen und als Frequenzbringer dienen. Zu viele dieser Impuls-Outlets bergen jedoch die Gefahr, die hochwertige Anmutung zu unterminieren. Ebenso bedarf es einer gewissen Anzahl Edel-Outlets, die Flair und Extravaganz verbreiten und auf die gesamte Betriebsform abstrahlen lassen. Hinzu kommen Gastronomie-Betriebe, die zum Verweilen einladen, und Ladenhand-

3.3 Einzelhandelsbetriebsformen

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werksbetriebe, die den Bequemlichkeitscharakter betonen. Dann ist deren relative Lage innerhalb des Einkaufszentrums zu bestimmen, etwa nahe am Eingang oder „in der Tiefe des Raumes“. Schließlich ist auch für Sauberkeit (Reinigungstrupps) und Ordnung (Sicherheitsteams) zu sorgen. Hilfreich sind ebenso anlassbezogene unterhaltende oder informative Veranstaltungen, um im Gespräch zu bleiben. Dafür sorgt auch kontinuierliche Kommunikation, die als Kollektivwerbung angelegt ist und durch Werbekostenumlage der Zentrumsmieter finanziert wird. Es lassen sich Betriebsformen verschiedener Generationen unterscheiden, solche der: •• 1. Generation (ca. 1965–1975), deren Merkmale sind grüne Wiese-Lage, groß, offen, ebenerdig angeordnet, anspruchslose Architektur, •• 2. Generation (ca. 1975–1985), deren Merkmale sind meist innerstädtische Lage, kleiner, geschlossen (Klimatisierung etc.), mehrgeschossig, multifunk­ tionale Auslegung, •• 3. Generation (ca. 1985–1995), deren Merkmale sind innerstädtische Lage, kleiner, als Galerie ausgestaltet, mehrgeschossig, mit Freizeitanbindung, •• 4. Generation (ab 1995), deren Merkmale sind grüne Wiese-Lage, mittlere Größe, als Galerie ausgestaltet, ebenerdig, multifunktionale Auslegung. •• 5. Generation (ab 2005), deren Merkmale sind die Ergänzung der Einkaufsmöglichkeiten um Erlebniselemente (Gastronomie, Freizeit, Kino etc.). Man unterscheidet weiterhin nach: •• der Zuordnung (in Wohnsiedlungsgebiete) integrierte oder nicht-integrierte Einkaufszentren, •• der Hierarchie Unterzentren (für den Basisbedarf), Mittelzentren (für Basisund gehobenen Bedarf), Oberzentren (für den gehobenen Bedarf), •• dem Einzugsgebiet Nachbarschaftszentrum (bis 15.000 Personen im Umkreis), Stadtteilzentrum (bis 100.000 Personen) oder Regionalzentrum (ab 100.000 Personen), •• dem Sortiment spezialisierte (nur Betriebe einer Branche) oder nicht spezia­ lisierte Einkaufszentren (Betriebe mehrerer Branchen), •• dem Layout die Anordnung als Ladenzeile, als Innenhof oder als Wegesystem. Übergreifende Merkmale von Einkaufszentren sind die Folgenden: •• sehr breites, ausreichend tiefes Sortiment mehrerer Anbieter, •• je nachdem anspruchsloses bis gediegenes/luxuriöses Sortimentsniveau, •• je nachdem aggressive, flexible bis exklusive, starre Preisbildung,

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3. Der Indirektabsatz

•• Großbetriebsform mehrerer ansonsten selbstständiger Einzelhändler, •• je nachdem geringer bis hoher Einsatz des Beeinflussungs-Mix, •• Akquisition durch Ladengeschäfte in Selbst- oder in dominanter Fremdbedienung, •• stationärer Einheitsstandort durch Agglomeration, •• Unabhängigkeit und Einmaligkeit. Darüber hinaus haben sich in neuerer Zeit zahlreiche Sonderformen von Einkaufszentren herausgebildet: •• Power centers bieten einen Mix aus normalerweise mindestens drei Magnet­ betrieben (Category killers wie Toys ’ ’ Us) und wenigen arrondierenden Kleinbetrieben. Die Magnetbetriebe machen dabei gemeinsam den weitaus größten Flächenanteil des Center aus. •• Off price centers werden aus nicht branchenüberschneidenden Handelsbetrieben gebildet, die qualitativ hochwertige Markenartikel des Nonfood-Bereichs nachhaltig unter dem vergleichbaren Verkaufspreis in traditionellen Outlets anbieten. Häufig handelt es sich dabei um Ware aus Überschussproduktion, Auslaufmodelle, Saison- und Endware, Reklamationsware, Ware zweiter Wahl oder aus Konkursen (Postengeschäft). •• Theme centers weisen eine Agglomeration auf, die gemeinsam einen Bedarfsbereich, meist hochpreisig, abdeckt (z. B. Stilwerk/Düsseldorf mit Einrichtungsbedarf). •• Urban entertainment centers kombinieren Freizeitanlagen und Einkaufs­ möglichkeiten (z. B. Centerparc, Cinemaxx). Das Angebot beschränkt sich allerdings auf Impulswaren mit ausgeprägtem Fun-Charakter. •• Factory outlet centers bestehen aus einer Agglomeration herstellerinitiierten Filialbetriebe unter einem Dach, die Waren aus eigener Produktion zu niedrigeren als den am Markt üblichen Preisen abgeben. Meist wird nur behauptete Ware zweiter Wahl, aus Überbeständen oder Retouren verkauft. FOC’s werden von Betreibergesellschaften geplant, entwickelt und geführt. Die Gesamtverkaufsfläche beträgt mehrere tausend Quadratmeter. Das Sortiment besteht aus Markenartikeln, die Preise liegen deutlich unter denen des traditionellen Einzelhandels. Das Mall-Konzept ist überdacht, das Village-Konzept unter offenem Himmel. Standortanforderungen sind verkehrsgünstige Lage, akzeptable Grunderwerbskonditionen, ausreichende Distanz zum lokalen Fachhandel, mögliche Expansionsflächen etc. Dafür kommen vor allem ländliche Räume, Industriebrachland, Grenzstandorte etc. in Betracht. Die Umsätze gehen überwiegend zu Lasten des lokalen Einzelhandels. Es gibt in Europa an die 200 FOC’s, in Deutschland besteht ein erheblicher Nachholbedarf, jedoch ist die Genehmigung sehr schwierig zu erreichen.

3.3 Einzelhandelsbetriebsformen

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3.3.5 Sekundäre, nicht-stationäre Betriebsformen Sekundäre, nicht-stationäre sind formal konzentrierte Betriebsformen des Einzelhandels. Innerhalb dieser Verbundgruppen sind vor allem Freiwillige Ketten und Einkaufsverbände zu nennen. Freiwillige Ketten sind Zusammenschlüsse von Einzelhandelsbetrieben auf Initiative und unter Beteiligung der Großhandelsstufe (Top down), um Koopera­ tionsvorteile zu nutzen. Diese liegen bei den Einzelhändlern vor allem in der Kostendegression großer Lose durch Zentraleinkauf und im Erfahrungsaustausch, beim Großhändler in der engeren Einbindung der Einzelhändler für dauerhafte Geschäftsbeziehungen. Beispiele sind Freiwillige Ketten im Lebensmittelbereich, so Spar und A & O. Ausgangspunkt ist dabei die Situation des Großhandels, der sich zunehmend mit der Gefahr seiner Ausschaltung konfrontiert sieht. Um seine Absatzbasis zu sichern, hat er daher ein Interesse daran, seine Abnehmer im Einzelhandel enger an sich zu binden, damit diese gegenüber Anfechtungen einstufig indirekter Belieferung immunisiert werden. Zugleich kann der Großhandel die Interessen der ihm verbundenen Einzelhändler geschlossen bei Herstellern geltend machen (auch im Preis). Einkaufsverbände basieren auf der Übereinkunft von Einzelhändlern, ihr Sortiment ganz oder teilweise über eine gemeinsame Großhandelszentrale zu beschaffen (Bottom up), um von den dabei entstehenden Verhandlungsvorteilen zu profitieren. Die Initiative geht dabei von den Einzelhändlern aus, ist also im Unterschied zur Freiwilligen Kette rückwärts gerichtet. Beispiele finden sich in der UE-Branche z. B. mit AERA, Interfunk, Electronic Partner, Euronics. Auch hierbei geht es um die Bündelung der Interessen, wobei eher eine defensive Wettbewerbseinstellung traditioneller Betriebsformen gegeben ist, die ihren Bestand gegenüber aggressiven Großbetriebsformen durch Bündelung ihrer Kräfte zu retten suchen. Bei beiden Formen sind Verrechnungskontore denkbar und häufig auch ge­ geben. Der Lieferant stellt dann nur eine Sammelrechnung für alle angeschlossenen Einzelhandelsbetriebe aus, die vom GH-Kontor gesammelt beglichen wird. Das GH-Kontor bündelt die Rechnungen verschiedener Lieferanten an einen Handelsbetrieb und zieht von diesem den Rechnungsbetrag ein. Da das GH-Kontor damit das Einzugsrisiko für die bezahlten und eingezogenen Beträge gegenüber dem Lieferanten übernimmt, das Delkredere, wird von diesem dafür eine Provision gefordert. Dadurch ergeben sich vielfältige Möglichkeiten für Wettbewerbsvorteile. So kommt es zu einer effektiveren Zuordnung durch Zentralisieren bzw. Dezentra­ lisieren geeigneter Aktivitäten sowie zum Verlagern auf andere Einheiten oder nach außen. Eine höhere Effektivität ergibt sich auch durch Straffung der Abläufe, Standardisierung bzw. Pauschalierung von Vorgängen sowie durch bessere Kapazitätsauslastung. Gemeinsam sind zudem bessere Arbeitsvoraussetzungen mög-

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3. Der Indirektabsatz

lich, so durch IT-Einsatz, Anlage-/Bauinvestitionen und organisatorische Hilfsmittel. Doppelarbeiten können völlig wegfallen, andere Arbeiten sind in geringerem Umfang bzw. mit geringerer Frequenz möglich. Zugleich wird eine bessere Qualitätssicherung erreicht. Die Abstimmung führt auch zu weniger Stress durch „Blitzaktionen“. Häufig sind Verbundgruppen juristisch in der Form von Genossenschaften organisiert. Genossenschaften (eG) sind Personenvereinigungen mit nicht geschlossener Mitgliederzahl (mindestens sieben), welche die Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb bezwecken, ohne dass diese persönlich für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft haften. Der Vorstand wird von der Generalversammlung oder dem Aufsichtsrat gewählt und führt die Geschäfte eigenverantwortlich. Die Generalversammlung wählt den Aufsichtsrat. Jeder Genosse darf an der Generalversammlung teilnehmen, sofern nicht eine Vertreterversammlung (bei über 3.000 Mitgliedern) vorgesehen ist. Abstimmungen erfolgen nach Köpfen, nicht nach Geschäfts­ anteilen. Die Bedeutung der Genossenschaft liegt im Zusammenschluss der wirtschaftlich Schwachen im Wettbewerb mit Großbetrieben. Die Genossen sind zugleich der Kundenstamm der Genossenschaft. Die Verhandlungsposition verbessert sich sowohl im Ein- wie im Verkauf. Man unterscheidet Warengenossenschaften zum Bezug landwirtschaftlicher Bedarfsstoffe, zur Erfassung, Vermarktung und Verwertung landwirtschaftlicher Erzeugnisse, und Einkaufsgenossenschaften zum Großeinkauf von Waren und zur Materialbeschaffung. Beispiele sind •• im Handel: Rewe/Nahrungs- und Genussmittel, Neuform/Gesundheitskost, Esüdro/Drogeriewaren, Intersport/Sport und Camping, MSE/Sport und Camping, Interfunk/Unterhaltungselektronik, Vedes/Spielwaren, Tawagro/Tabakwaren, Hadeka/Textilien und Bekleidung, Sütex/Textilien und Bekleidung, Ariston/Schuhe, Garant/Schuhe, Nord-West-Ring/ Schuhe, Nordwest/Hausrat, EK/Hausrat, Nürnberger Bund/Hausrat, GDB/Bürobedarf, Büro actuell/Bürobedarf, Noweda/Arzneimittel, •• im Handwerk: Bäko/Brot- und Backwaren, Zentrag/Fleischereibedarf, Zedach/Dachdeckerei- und Sanitärbedarf, EVG/Glasereibedarf, Deutag/Raumausstattung. •• Daneben gibt es Konsumgenossenschaften als Vereine zum gemeinschaftlichen Einkauf von Lebensmitteln oder Wirtschaftsbedürfnissen im Großen und Absatz im Kleinen (z. B. Edeka/Nahrungs- und Genussmittel). Sie stellen hilfswirtschaftliche Zusammenschlüsse von privaten Haushalten dar, um diese zu möglichst günstigen Preisen zu versorgen. Allerdings dürfen auch Nichtmitglieder beliefert werden (Erwerbswirtschaftlichkeit).

3.3 Einzelhandelsbetriebsformen

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3.3.6 Spezielle Einzelhandelsbetriebsformen Spezielle Betriebsformen des Einzelhandels bestehen abseits des Mainstream und betreffen etwa die im Folgenden genannten Ausprägungen. Der Nebenverkauf betrifft Absatzstellen in Kantinen von Betrieben oder Verwaltungen. Dort werden ausschließlich Kleinpreisartikel des Impulssortiments im Nebengeschäft abgegeben, wobei jedoch erhebliche Umsätze zustande kommen. Dazu gehören des Weiteren auch die Verkäufe in Szenelokalen, Fußballstadien, Hotels, Ferien- und Freizeitclubs etc. Der Automatenverkauf erfolgt z. B. für Zigaretten, Getränke, Süßwaren, Snacks, Blumen, Kaugummi, Kondome. Als Vorteile sind die Unabhängigkeit von Ladenöffnungszeiten und spezielle Standortmöglichkeiten zu nennen, als Nachteile die Anlagenintensität, der stete Nachfüllbedarf, die technische Störanfälligkeit und die eingeschränkte Wareneignung. Man unterscheidet: •• Innenautomaten ohne freien Zugang (in öffentlichen oder privaten Gebäuden), etwa in Kantinen, Pausenräumen, Schulen, Behörden etc., •• Außenautomaten mit freiem Zugang (bedienungslos) an Straßenrändern, auf Plätzen etc., •• Automatenläden als dauergeöffnete Geschäftslokale mit totaler Selbstbedienung durch mechanisierte Wahl, Bezahlung, Entnahme und Betriebsbereitschaft, etwa an Bahnhöfen, Flughäfen, Freizeitparks etc. Der Katalogschauraum bietet die Möglichkeit, aus einem Katalog Waren auszuwählen, die dann unmittelbar nach Kauf vom Lager ausgehändigt oder beim Hersteller bestellt werden. Fallweise können Probeexemplare der Waren besichtigt, geprüft und weitergehende Informationen, oft unter Zuhilfenahme elektronischer Kommunikationsmittel, eingeholt werden. Hierzulande bieten einige Otto-Bestellcenters diese Möglichkeit. Näherungsweise ist dies auch bei IKEA gegeben, wo die Vorwahl nach einem Katalog stattfindet, und die Ware dann aus dem Lager in verpackter Form von Kunden selbst entnommen oder vom Anbieter kommissioniert wird. Dabei handelt es sich jedoch um keine Handelsform, sondern um ein Herstellerniederlassungssystem (Vertical). Verticals (Mono label stores) sind Herstellerfilialen, also Formen des Direktabsatzes. Hersteller werden hier funktional zu Händlern, bleiben institutional aber Produzenten. Der Anteil der Eigenware beträgt 100 %. Beispiele im DOB-Haka-Bereich sind Hennes & Mauritz, K & L, Ruppert, Orsay, Jean Pascale, New Yorker, Ernstings’s Family, Ulla Popken, M & S Moden, Bonita, Esprit, Zero. Bei Händlern mit Eigenmarken verhält es sich genau umgekehrt, sie sind funktional Produzenten, institutional aber Händler. Bei diesen Händlern kann der Eigenmarkenanteil mehr oder minder hoch liegen (z. B. Deichmann, Aldi, DM). Je niedriger der Anteil der Eigen­ marken, desto mehr wird der Eigenmarken- zum Fremdmarkenhändler, im Grenzfall dann zum reinen Wiederverkäufer im Indirektabsatz.

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3. Der Indirektabsatz

Convenience stores bieten ein breites, aber sehr flaches, schnell drehendes Sortiment an Waren des kurzfristigen Bedarfs auf vergleichsweiser kleiner Geschäftsfläche an (Impulshandel, Kioske). Das Sortiment umfasst Tabakwaren, Zeitschriften, Getränke, Spirituosen, Süßigkeiten u. Ä. und ist hochpreisig kalkuliert und fremdbedient, der Standort ist meist in unmittelbarer Nachbarschaft zu Wohngegenden, es wird kaum Beeinflussungs-Mix geboten. Die Ladenschlusszeiten gelten nur eingeschränkt. Hierzu gehören auch Tankstellenshops, seit der Anteil der Nicht-Mineralöl-Produkte am Umsatz dieser Betriebsformen in immer stärkerem Maße zunimmt. Sie führen alle Produkte, die als Autofahrerbedarf deklariert werden können. Drogeriemärkte sind die modernen Nachfolger der klassischen Drogerien und verbinden deren Fachgeschäftscharakter mit der Anmutung von SB-Geschäften. Hierzulande konzentrieren die Ketten DM und Rossmann die weitaus größten Umsatzanteile auf sich. Das Sortiment erstreckt sich neben klassischen Drogerie­waren auch auf allgemeine Verbrauchsartikel, Parfüms und dekorative bzw. pflegende Kosmetika. Hinzu kommen Aktionsartikel im Gebrauchswarenbereich. Zunehmend an Bedeutung gewinnen auch die Bahnhöfe als Einkaufsorte. Moderne Bahnhöfe (z. B. Leipzig, Berlin) sind mit kompletten Einkaufszeilen ausgestattet, in denen alles, was zum Reisebedarf gehört, frei von Ladenschlusszeiten verkauft werden darf. In ähnlicher Weise werden Flughäfen nach Rückgang des Duty free-Geschäfts mit großzügigen, hochpreisigen Ladengeschäften ausgestattet (z. B. Frankfurt). In Urlaubsgebieten werden spezielle Einkaufsmöglichkeiten für Touristen geboten. Das Angebot beschränkt sich nicht unbedingt auf Artikel ethnischer Herkunft, sondern umfasst auch alltägliche Produkte (z. B. Bekleidung, Schmuck), die in der Euphorie des Urlaubs unter Hintanstellung von Preis-Leistungs-Vergleichen erworben werden. Im Trend zu natürlicher Ernährung gewinnt auch die landwirtschaftliche Direkt­ vermarktung auf Bauernmärkten oder Bauernhöfen an Bedeutung. Dort werden Naturprodukte, also Fleisch, Käse, Wurst etc., aber auch verarbeitete Naturprodukte, wie Teppiche, Decken, Oberbekleidung etc., hochpreisig angeboten. Eine wichtige Rolle spielt dabei das „Landlust“-Ambiente, die Frische der Waren ist hingegen in Zweifel zu ziehen. Das Second hand-Geschäft wird in vielfältiger Weise betrieben. So gibt es spezielle Gebrauchtwarenläden, die vor allem technische Geräte und andere Hartwaren anbieten (Kinderspielzeug, Damenoberbekleidung, Computer-Hardware/ -Software etc.). Häufig werden diese Läden von Migranten oder Jugendlichen betrieben. Kommerzialisiert ist zwischenzeitlich auch das Angebot auf Trödelmärkten. Je nach Produktgattung kann es sich dabei um nennenswerte Volumina handeln. Eine Abwandlung sind Dritte-Welt-Läden (Fair trade). Bei neueren Betriebsformen des Einzelhandels handelt es sich auch um Partievermarkter (Tchibo, Tankstellenshops, Aldi, Plus etc.) und Restpostengeschäfte

3.3 Einzelhandelsbetriebsformen

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(Inferno, Zeeman). Beide haben ein branchenübergreifendes Sortiment, das nicht fest, sondern regelmäßig oder unregelmäßig, aber inhaltlich nur begrenzt voraussehbar, wechselnd ausgelegt ist. Bei den Artikeln handelt es sich um besonders preisgünstige Handelswaren. Das Sortiment kann isoliert vermarktet (Restposten) oder themenzentriert vermarktet (Partie) werden. Die Partie- und Restpostenvermarktung kann ausschließlich (ohne Stammsortiment) oder ergänzend zum Stammsortiment erfolgen. Es handelt sich weit überwiegend um markenlose Ware. Weiterhin gibt es Einheitspreisläden (EHP). Dort wird ein wechselndes Sortiment zu artikelgleichen Preisen oder absolut sehr niedrigen Preisen geführt (Tedi). Angesichts besorgniserregender Verarmungstendenzen in der Gesellschaft und Geizdenken sind diese Outlets vor allem in ansonsten Fach- und Spezialgeschäften vorbehaltenen Lagen auf dem Vormarsch. Mehrfachgeschäfte sind Betriebsformen des Einzelhandels, die verschiedene, mehr oder minder verbundene Sortimente in Ausschnitten vorhalten, z. B. Dänisches Bettenlager: Bettwäsche, Dekoration und Möbel, Strauss Innovation: Bekleidung, Accessoires und Genussmittel.

3.3.7 Ladenhandwerk Eine weitere Sonderform stellt das Ladenhandwerk dar, dies sind Handwerker, die ihre Leistungen in ihrer Betriebsstätte anbieten. Jeder Handwerksbetrieb ist in der Handwerksrolle der zuständigen Handwerkskammer eingetragen. Es gibt zulassungspflichtige, zulassungsfreie und handwerksähnliche Gewerbe. Zu den zulassungspflichtigen handwerklichen Gewerben gehören z.Zt. 41 Berufe, die in der Anlage A des Gesetzes zur Ordnung des Handwerks aufgeführt sind. Für die Zulassung, die Eintragung und den Betrieb sind ein Qualifikationsnachweis in Form einer Meisterprüfung und eine Rechtsform erforderlich. Zu den zulassungsfreien Handwerken, die in der Anlage B1 der Handwerksordnung aufgeführt sind, zählen z.Zt. 53 Berufe. Für deren Eintragung sind kein Qualifikationsnachweis und keine Zulassungsnachweise erforderlich. Ein Eintrag bei der HWK erfolgt dennoch. Außerdem gibt es z.Zt. 57 handwerksähnliche Gewerbe, die in der Anlage B2 der Handwerksordnung aufgeführt sind. Sie erfordern ebenfalls keinen Qualifikationsnachweis, sind jedoch bei der HWK einzutragen. Was genau ein handwerksmäßiger Betrieb ist, ist dennoch nicht definiert. Es gibt in Deutschland knapp 1 Mio Betriebe mit über 5 Mio. Beschäftigten (= 12,6 % aller Beschäftigten). Nur 18,4 % aller Betriebe haben mehr als zehn Mitarbeiter. Handwerksbetriebe sind zumeist inhabergeführt und lokal tätig. Die Ausbildungsquote liegt hoch, der Anteil von Frauen und Akademikern ist unterdurchschnittlich. Abnehmer der Leistungen sind zu ungefähr gleichen Teilen private Haushalte und Unternehmen, 13 % stammen von der Öffentlichen Hand, 2 % aus dem Auslandsgeschäft.

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3. Der Indirektabsatz

3.4 Großhandelsbetriebsformen 3.4.1 Einteilungskriterien und Ausformungen Die Aufgabe, die dem Großhandel in einer arbeitsteilig gegliederten Volkswirtschaft zufällt, ist identisch mit den Handelsfunktionen des gesamten Handels, nämlich bestehende Spannungen zwischen Produktion und Konsumption in zeitlicher, räumlicher, qualitativer und quantitativer Hinsicht auszugleichen. Infolgedessen sind die einzelnen Betriebe aufgrund ihrer jeweils spezifischen, nach Distributionsökonomisierung strebenden Leistungsangebote am gesamtwirtschaftlichen Prozess der Wertschöpfung beteiligt. Funktionaler Großhandel ist die wirtschaftliche Tätigkeit der Beschaffung und des Absatzes von Waren an Produzenten, Weiterverarbeiter, Wiederverkäufer und Großabnehmer sowie der Umschlag von relativ großen Mengen pro Verkaufsakt. Im institutionellen Großhandel werden jene marktlichen Transaktionsprozesse erfasst, die von solchen Betrieben durchgeführt werden, die diese Handelsfunktionen wahrnehmen. Der Großhandel ist durch seine Position zwischen Lieferanten und Zwischen- oder Endabnehmern determiniert. Dabei gibt es eine Vielzahl von Betriebsformen. Diese betreffen die Art und Weise, mit der Handelsbetriebe auf der Großhandelsstufe ihre Distributionsauf­ gaben im Hinblick auf den Umfang, die Intensität der Funktionsausübung und die Art der Kombination der Betriebsfaktoren wahrnehmen. Allerdings sind die Grenzen zwischen den einzelnen Betriebsformen aufgrund der Dynamik fließend. Dennoch lassen sich Betriebsformen des Großhandels bestimmen. Dafür gibt es charakterisierende Kriterien zur Einteilung. Der Warenübergang kann am Ort des Großhändlers (Residenzprinzip) oder am Ort des Abnehmers (Domizilprinzip) erfolgen. Dementsprechend handelt es sich um den Abhol-Großhandel (auch Cash & carry-GH genannt) oder den ZustellGroßhandel (welcher die Regel ist). Ein C & C-GH ist durch die Merkmale Selbstbedienung, Barzahlung, Kommissionierung und Warentransport durch Abnehmer gekennzeichnet. Dies erfolgt ansonsten allenfalls bei kleinen Warenmengen. Er ist seit geraumer Zeit (auch) zur Bruttopreisauszeichnung verpflichtet, an die Ladenschlusszeiten gebunden und zu strikten Zutrittskontrollen über Einkaufsausweise angehalten. Die Logistikleistung kann die Warenprozessleistung beinhalten (also mit Warenlagerung) oder ausschließen (also ohne Warenlagerung). Dementsprechend handelt es sich um den Lager-Großhandel oder den Überlager-Großhandel (der die Regel ist), auch Strecken-Großhandel. Bei diesem sind der Realgüterstrom einerseits und die Nominalgüter- und Informationsströme andererseits voneinander getrennt, Ersterer läuft auf direktem Absatzweg zwischen Hersteller und Endabnehmer, Letztere laufen über den indirekten Absatzweg. Dadurch werden die Vorteile, aber auch die Nachteile beider Absatzwege kombiniert. Das Streckengeschäft bietet sich an, wenn auf dem Absatzweg aufwändige logistische Manipulationen er-

3.4 Großhandelsbetriebsformen

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forderlich sind (Umladung, Zwischenlagerung), die auf diese Weise eingespart werden können. Allerdings laufen Handelsbetriebe, die Streckengeschäfte zulassen, Gefahr, sich selbst weg zu rationalisieren. Dies entspricht im Übrigen dem Trend zur Disintermediation für die Kosten- und Zeiteinsparung.

Abbildung 49: Betriebsformen des Großhandels

Abbildung 50: Streckengeschäft

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3. Der Indirektabsatz

Der Serviceumfang kann die reine Warenverfügbarkeit betreffen oder darüber hinaus die Auffüllung, Pflege und Abrechnung der Platzierung auf angemieteter EH-Fläche. Es handelt sich um Regalflächen im Einzelhandel, die in eigener Regie durch Großhändler mit eigenständigem Sortiment bestückt und wirtschaftlich betreut werden. Der Service umfasst u. a. die Zurverfügungstellung von Ware, die Betreuung, Kontrolle, Auffüllung und Pflege angemieteter Flächen, die verkaufstechnische Unterstützung, Lagerung, Transport und Rücknahme. Man spricht in diesem Fall vom Service-Großhandel (GH-Rack jobbing), der sich im Haarmoden-, Toiletteartikel-, Kurz-, Papier-, Schreib-, Spiel- und Haushaltswarenbereich, bei Kleintextilien, Strümpfen, Tonträgern etc. findet. Service-GH haben einen Full service-Vertrag für alle Funktionen oder einen Part service-Vertrag, z. B. nur für die Bestandsaufnahme, Bedarfsermittlung und Sortimentspflege. Die Vorteile für den Einzelhandel liegen in der Verminderung des Informationsaufwands, der Verringerung der Bestellkosten, der Bereitstellung von Verkaufseinrichtungen, der einheitlichen Warenpräsentation, der Verlagerung des Absatzrisikos und zusätzlichen Aktionen. Nachteile betreffen die fehlende Disposition über Regalfläche, den geringen Einfluss auf die Preisgestaltung und die Einbuße an Entscheidungsfreiheit. Die Bezahlung der Verkaufsfläche erfolgt durch Mietzins oder umsatzabhängige Vergütung bei getrennter Abrechnung der Erlöse. Der Sortimentsplanung kann Waren als durchgängiges Programm oder fallweise Spots vorsehen. Dementsprechend handelt es sich um den Sortiments-Großhandel (bei breitem Angebot) bzw. den Spezial-Großhandel (bei engem Angebot) einerseits sowie den Posten-Großhandel (Partievermarkter) andererseits. Der Sortiments-Großhandel erlaubt aufgrund der Vielfalt die unkomplizierte Transaktion mit einem Geschäftspartner, der Spezial-Großhandel bietet jedoch die individuellere Transaktion, der Posten-Großhandel eignet sich nur zum Ausgleich unvorhergesehener Bedarfsspitzen und für reine Mitnahmegeschäfte. Er hat kein festes Sortiment und verkauft Waren nur solange der Vorrat reicht. Dabei kann es sich ausschließlich (Havariehandel) oder teilweise um Partien handeln. Die Marktausrichtung kann am Warenaufkauf, also einkaufsorientiert, oder am Warenabsatz, also verkaufsorientiert, erfolgen. Dementsprechend handelt es sich um den Aufkauf-Großhandel oder den Absatz-Großhandel, Ersterer ist sammelnd, rückwärts integrierend angelegt und bündelt Bezugsquellen, Letzterer ist verteilend, vorwärts integrierend angelegt und bedient Verkaufsstellen, die nicht private Endabnehmer sind. Bei den Warenarten kann es sich um eine erzeugungsnahe oder verbrauchsnahe Orientierung handeln. Dementsprechend gibt es den naturnahen Großhandel oder den konsumnahen Großhandel. Naturnaher Großhandel handelt mit Ur- und Rohstoffen, die zur Be- oder Verarbeitung in Produktionsbetrieben bestimmt sind, konsumnaher Großhandel handelt mit ge- und verbrauchsreifen Produkten, die keiner weiteren Be- oder Verarbeitung mehr zu ihrer Nutzung bedürfen.

3.4 Großhandelsbetriebsformen

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Das Aktionsgebiet kann sich auf den Inlandsmarkt oder auf Auslandsmärkte erstrecken. Dementsprechend handelt es sich um den Binnen-Großhandel oder den Außen-Großhandel. Der Außen-GH befasst sich mit Export, d. h. dem Verkauf inländischer Waren im Ausland, dem Import, d. h. dem Verkauf ausländischer Waren im Inland, dem Transit, d. h. dem Ankauf/Verkauf ausländischer Waren in Drittländern, und der Durchfuhr, d. h. dem Ankauf/Verkauf ausländischer Waren und deren Verbringung in weitere Drittländer. Entsprechend diesen Kriterien lassen sich dann Betriebsformen des Großhandels als praktisch häufig vorkommende Kombinationen bilden. Der derzeitige Wettbewerb im Großhandel ist durch Großbetriebe und Verbundsysteme gekennzeichnet, die eine Vielzahl kleiner und mittlerer Betriebe eliminiert haben. Vor allem besteht die Gefahr der Ausschaltung aus dem Absatzkanal bzw. der Reduktion der Großhandelsfunktionen auf die reine Logistikfunktion (Großhandelsspediteure), die mit erheblichen Spanneneinbußen verbunden ist.

3.4.2 Bedeutung des Großhandels Der Großhandel ist historisch gewachsen. Zum einen verstand sich das produzierende Gewerbe lange Zeit als technisch und nicht unbedingt kaufmännisch orientiert. Von daher war es bestrebt, seinen Vertriebsaufwand so gering wie möglich zu halten. Der Großhandel entlastete hier die Hersteller von der Notwendigkeit, umfangreiche Geschäftsbeziehungen zu zahlreichen Abnehmern zu unterhalten. Zum anderen gerieten ihre Organisationskapazitäten mit sich ausweitendem Absatz an die Grenzen, so dass es erforderlich wurde, die Geschäftsbeziehungen zu bündeln, um sie noch angemessen bewältigen zu können. Der Großhandel ermöglichte hier eine von der eigenen Administration unabhängige Absatzausweitung. In neuerer Zeit wird seitens der Hersteller jedoch ein starker Trend zur Ausschaltung von Absatzstufen hin zu einem immer direkteren Absatzweg sichtbar (Disintermediation). Denn jede Handelsstufe behält naturgemäß ihren Distributionsgewinn in Form von Kalkulationsaufschlag/Handelsspanne ein, der den Endverkaufspreis verteuert und damit die Wettbewerbsfähigkeit erschwert. Können Stufen umgangen werden, hier vor allem der Großhandel, erhöht dies bei gleichem Endverkaufspreis den Nettoertrag des Herstellers. Es stellt sich daher die Frage, welche spezifischen Vor- und Nachteile aus der Sicht des Herstellers die Einschaltung des Großhandels in den Absatzweg erbringt. Wesentliche Vorteile aus der Einschaltung des Großhandels im Absatzkanal sind folgende: •• Der großhandelseigene Außendienst wird zur Akquisition von Aufträgen eingesetzt, die mit Waren des Lieferanten abgewickelt werden. Dadurch vergrößern sich die Akquisitionschancen und generieren Erlöse, die anderweitig nicht anfallen, bei Kunden, zu denen der Hersteller normalerweise keinen Zugang hat.

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3. Der Indirektabsatz

•• Zusätzlicher Werbedruck entsteht durch Aufnahme der Waren in großhandels­ eigene Werbemittel, die sich an die Einzelhandelsstufe richten. Dadurch ent­ stehen Kontaktchancen zwischen Warenangebot und Zielpersonen, die anderweitig nicht vorhanden sind. •• Auch Kleinaufträge sind auf diese Weise für den Hersteller kostengünstig ab­ wickelbar, indem auftragsfixe Kosten vermieden werden, die ansonsten die Rendite stark belasten. •• Vorhandene Kundenbeziehungen des Großhandels führen zu einer schnelleren Markterschließung. Dies gilt gerade für neue Produkte und Hersteller, die dadurch Marktzutrittsschranken überwinden können. •• Auch weit verteilte, kaufkraftschwache Gebiete mit geringer Gewerbedichte können für den Absatz erschlossen werden, da der Großhandel flächendeckend arbeitet und hohe Transportkosten aus Zentralstandort vermeidet. Nachteile sind hingegen folgende: •• Das eigene Produkt wird wegen des breiten Sortiments im Großhandel zu wenig gefördert. Es steht zudem in direkter Konkurrenz zu gleichartigen anderen Produkten von Mitbewerbsherstellern. •• Die Akquisition beim Großhandel erfordert ihrerseits eine eigene Außendienstorganisation, welche die Rentabilität, wenngleich weniger als bei direktem Vertrieb, belastet. •• Konflikte im Absatzkanal sind möglich, wenn der Großhandel egoistische eigene Ziele, die von denen der Hersteller abweichen, verfolgt und durchsetzt. Solche Konfliktpotenziale sind vielfältig latent vorhanden und brechen immer wieder durch. •• Womöglich entsteht eine Abhängigkeit von großen Großhändlern durch fehlenden eigenen Zugriff auf die Einzelhandelsstufe. Die damit verbundene Nach­ fragemacht engt Entscheidungsspielräume ein. •• Der Einbehalt einer Distributionsspanne durch die Großhandelsstufe verteuert die Ware am Markt bzw. schmälert die Herstellermarge. Rechenbeispiel: Herstellerverkaufspreis = 100 € Großhandelseinkaufspreis (100 €) + Kosten/Gewinn des GH (10 % = 10 €) Großhandelsverkaufspreis für die grundsätzlich identische Ware = 110 € Einzelhandelseinkaufspreis/110 €) + Kosten/Gewinn des EH (10 % = 11 €) Einzelhandelsverkaufspreis/Endabnehmereinkaufspreis für die grundsätzlich identische Ware = 121 €. Verteuerung der Waren durch zwei Handelsstufen um (im Beispiel) 21 % bei wesentlich unveränderter Ware.

3.5 Dynamik der Handelsbetriebsformen

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Der Großhandel versucht zudem, durch leistungsergänzende Aktivitäten seinen Bestand im Absatzkanal zu sichern. Dazu gehören etwa die: •• Unterstützung in der Betriebsorganisation bei den belieferten Einzelhändlern, •• Hilfe bei der Absatzförderung durch Mittel zur Präsentation, Dekoration etc., •• Zielorientierte Produktservicierung für Sortimentsauswahl, Mengen, Bestellzeitpunkte etc., •• Finanzierung durch vorteilhafte Kreditierung (Zinssatz, Laufzeit) von Lieferungen, •• Personalentwicklung in Bezug auf Beschaffung, Auswahl, Schulung etc., •• Beratung bei der Kommunikation in Werbung, Aktionen, Events etc., •• Logistik durch Hilfen bei Transport und Lagerung, •• Entwicklung von Hausmarken und deren Absatzunterstützung.

3.5 Dynamik der Handelsbetriebsformen 3.5.1 Theoriebasis Der Handel vollzieht im Zeitablauf zahlreiche Entwicklungen. Er ist also nicht statisch zu sehen, sondern dynamisch. Handelsbetriebe unterliegen damit einem Wandel ähnlich den Produkten, der von Entstehung und Aufstieg neuer Formen bis zu deren Reife und Assimilation geht. Neue Betriebsformen entstehen und alte verschwinden damit am Markt bzw. passen sich Wandlungen an. Man spricht auch von der Dynamik der Betriebsformen. Dafür gibt es verschiedene Erklärungs­ ansätze. Der bekannteste Ansatz ist der des Wheel of retailing (McNair). Danach ver­ suchen neue Betriebsformen des (Einzel-)Handels, mit niedrigeren Preisen, niedrigeren Margen und niedrigerem Imagestatus Fuß im Markt zu fassen. Sie setzen damit vor allem auf die Wirkung aggressiver Preispolitik. Dies hat Konsequenzen auf die Gestaltung ihrer betrieblichen Prozesse. Im Laufe der Marktpräsenz werden jedoch die nicht preislichen Parameter zunehmend betont. Auf diese Weise nähert sich der ehemalige Newcomer seinen etablierten Vorgängern an. Dies öffnet den Markt für neue, preisaggressive Anbieter. Insofern kommt es zum Wettbewerb zwischen den Betriebsformen, moderne, leistungsfähigere setzen sich gegenüber tradierten, überkommenen durch und verdrängen diese über kurz oder lang. Gegen diese Theorie sprechen jedoch praktische Beispiele, die sowohl ein erfolgreiches Einsteigen in den Markt „von oben“ zeigen (z. B. Boutique), als auch das erfolgreiche Verharren auf der Betonung des Preisparameters (z. B. Discounter). Nieschlag hat diesen Ansatz insofern erweitert, als er nicht nur auf den Preis als

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3. Der Indirektabsatz

Verdrängungsinstrument abgehoben hat, sondern auch auf andere Aktionsparameter. Dafür hat er den Ausdruck „Dynamik der Betriebsformen“ geprägt, der Ansatz wird als Verdrängungstheorie bezeichnet. Eine Verallgemeinerung dieses Ansatzes findet sich in der Lebenszyklus­theorie von Institutionen. Dabei werden, analog zum Lebenszyklus von Produkten oder Märkten, vier Phasen behauptet, die Innovationsphase, in der Handelsbetriebe mit der Konkurrenz überlegenem Angebot auf den Markt kommen, die Wachstumsphase, in der diese äußerst erfolgreich am Markt agieren, die Reifephase, in der die Dynamik nachlässt und bereits Komplexitätsprobleme auftreten, sowie die Niedergangsphase, in der die Handelsbetriebe ihrerseits von vitalen Konkurrenten verdrängt werden. Fraglich ist jedoch, ob sich diese Aussagen auf ganze Betriebsformen oder tatsächlich nur auf einzelne Handelsbetriebe beziehen. So gibt es innerhalb einer stagnierenden Betriebsform durchaus erfolgreiche einzelne Handelsbetriebe und umgekehrt (z. B. Fielmann bei Augenoptikern, Kamps bei Bäckereien). Dies kann sowohl als Ausnahme von der Regel wie gerade auch als Widerlegung der Gültigkeit eben dieser Regel gedeutet werden. Die Theorie dialektischer Prozesse geht in Bezug auf Betriebsformen des Handels davon aus, dass bestehende erfolgreiche Institutionen (These) durch erfolgshungrige andere Institutionen (Antithese) heraus gefordert werden. Die Aktionsparameter beider Gruppen sind im Allgemeinen entgegengesetzt ausgelegt. Zur Nutzung des Erfolgspotenzials bietet es sich daher an, die Merkmale beider Gruppen bestmöglich zu kombinieren (Synthese). Dies geschieht, indem etablierte Betriebsformen einzelne Aktionsparameter der aufstrebenden Betriebsformen in ihr Konzept übernehmen und damit einen Teil deren Erfolgs zu kappen vermögen (z. B. Fachgeschäfte mit partiell aggressiver Preisbildung), und aufstrebende Betriebsformen in Zuge ihrer Saturierung einzelne Aktionsparameter der etablierten Betriebsformen übernehmen, die sich als bewährt erwiesen haben (z. B. Discounter mit Markenartikel-Präsenz). Das Crisis change-Modell geht von vier Phasen der Auseinandersetzung zwischen etablierten und neuen Anbietern aus. Zunächst kommt es zu einer merklichen Schockphase für die etablierten Anbieter angesichts des Aufkommens wettbewerbsüberlegener Konkurrenten. Daraus folgt in einer zweiten Phase der Versuch dieser etablierten Anbieter, Markteintrittsschranken aufzubauen oder zu erhöhen, um das eigene Terrain gegen Newcomer zu schützen. Da dies in marktwirtschaftlich organisierten Strukturen kaum möglich ist, wird in einer dritten Phase notgedrungen das eigene Konzept auf den Prüfstand gestellt und untersucht, inwieweit es angesichts der Konkurrenz aktualisiert werden kann (etwa durch Kooperationen). In einer vierten Phase entscheidet sich dann, ob diese Anpassung vom Markt honoriert wird, entsprechend vermögen die etablierten Anbieter, ihrerseits Andere zu schocken. Andernfalls werden sie selbst vom Markt verdrängt. Die Marktlückentheorie postuliert, dass neue Betriebsformen des Handels den Markt bereichern, indem sie Lücken im Profil der bestehenden Betriebsformen

3.5 Dynamik der Handelsbetriebsformen

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nutzen (z. B. Fachmärkte die Lücke zwischen Fachgeschäft und Verbrauchermarkt). Zunächst sind diese Lücken nur von begrenztem Potenzial, und es ist ungewiss, inwieweit sie sich überhaupt als tragfähig für eine neue Betriebsform erweisen. Ist dies nicht der Fall, verschwinden diese Ansätze rasch wieder vom Markt. Wird jedoch eine grundsätzliche Marktakzeptanz erreicht, weiten sich diese Lücken zu respektablen Angebotsfeldern aus. Insofern die Märkte insgesamt stagnieren, kann dieser Zuwachs nur zu Lasten der weniger erfolgreichen Betriebsformen in den übrigen Marktfeldern gehen. Diese verschwinden damit vom Markt, die Newcomer ihrerseits werden bedeutsamer. Bis weitere Anbieter neue Marktlücken entdecken, die sie initiativ bedienen, und sich dieser Kreislauf wiederholt. Der General specific general-Zyklus unterstellt eine fortwährende Assimilierung von institutionalen Besonderheiten (Specific) durch die institutionale Allgemeinheit (General). Als Ausgangspunkt wird dabei eine stabile Struktur der Betriebsformen des Handels am Markt unterstellt. Einzelne Anbieter haben darin nur eine Chance, spezifisch zu prosperieren, wenn es ihnen gelingt, aus dieser Allgemeinheit positiv hervor zu stechen. Dies erreichen sie durch bewusst anders gesetzte Parameter als der Rest der Anbieter. Für den Fall, dass dies keine aus­ reichende Marktakzeptanz findet, verschwinden diese Anbieter vom Markt oder passen sich rasch wieder dem Mainstream an. Für den Fall aber, dass dies vom Markt akzeptiert wird, entsteht daraus eine erfolgreiche Alleinstellung. Dieser Erfolg reizt die übrigen Anbieter an, sich ähnlich zu verhalten wie der nunmehr profilierte Konkurrent, um an dessen Erfolg zu partizipieren. Damit aber wird die Besonderheit zur Allgemeinheit, die breit am Markt vertreten ist. Abweichende Betriebsformenmerkmale werden also entweder assimiliert oder erledigen sich von selbst. Diese Allgemeinheit ist dann Ausgangspunkt für die nächste profilierende Abweichung. Die Gegenmachttheorie bezieht auch die Nachfrageseite des Marktes in die Dynamik der Betriebsformen mit ein. Danach haben Nachfrager ein Interesse daran, sich nicht allzu sehr von einer bestimmten Gruppe von Handelsanbietern abhängig zu machen. Sobald also eine solche Gruppe zu erfolgreich wird, unterstützen Nachfrager bewusst oder intuitiv Anbieter anderer Betriebsformen, um deren Erfolg zu stärken. Zugleich wird der Erfolg der ersten Gruppe gedämpft. Insofern kommt es zu einem stetigen Wechsel der Präferenzen der Nachfrager für bestimmte Betriebsformen und damit auch zu einer stetigen Bewegung der Proportionen dieser Betriebsformen innerhalb der Handelsinstitutionen. Folglich verändert sich die Struktur der Betriebsformen des Handels fortwährend. In gleicher Weise wird Macht auch zwischen den Handelsstufen (Groß- und Einzelhandel) aus­ balanciert. Der evolutionstheoretische Ansatz setzt bei der Darwin’schen These des Sur­ vival of the fittest an. Danach entstehen, mehr oder minder zufällig und ohne langfristige Strategie, neuartige Kombinationen von Betriebsformenmerkmalen am Markt. Erweisen sich diese gegenüber ihren etablierten Konkurrenten als leis-

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3. Der Indirektabsatz

tungsüberlegen, werden diese Merkmale von vielen anderen Anbietern übernommen und setzen sich somit am Markt durch. Zugleich verliert die etablierte Kombination von Betriebsformenmerkmalen an Impetus und wird kannibalisiert. Da fortwährend neue Ausformungen durch zufällige Merkmalskombination entstehen, sind die Betriebsformen des Handels einer stetigen Entwicklung auf ein höheres Leistungsniveau unterworfen, das nur die Leistungsfähigsten erreichen. Dieser Ansatz stellt also auf die Flexibilität und schnelle Lernfähigkeit von Handels­ betrieben ab. Die Anpassungstheorie (ähnlich als makroanalytischer Ansatz) vertritt die Auffassung, dass die Dynamik der Betriebsformen sich aus den Anforderungen des Vermarktungsumfelds ergibt und Ausdruck der Anpassung des Handels an diese Veränderungen ist. Die Dynamik entsteht also nicht initiativ aus der Handels­ politik heraus, sondern entspringt dem Bemühen, sich durch andere Merkmalsausprägungen in den Aktionsparametern an die sich verändernden Rahmenbedingungen anzupassen (z. B. Wertvorstellungen, z. B. Dritte Welt-Läden, technische Entwicklung, z. B. Online-Shops, Bildungsgrad, z. B. Fachmärkte, Kaufkraft, z. B. Boutiquen, Rechtsprechung, z. B. Cash & carry). Der Erfolg dieser Reaktion hängt davon ab, ob die Anpassung rasch genug und adäquat vollzogen wird. Dem­ entsprechend entstehen bei Erfolg neue Betriebsformen, die den Platz verharrender Betriebsformen einnehmen. Der mikroökonomische Modellansatz (verwandt zum transaktionskostentheo­ retischen Ansatz) erklärt das Entstehen neuer Betriebsformen des Handels aus einer Gegenüberstellung der Kosten der Inanspruchnahme des Handels und den alternativen Erträgen anderweitiger Aktivitäten. Die Inanspruchnahme des Handels verursacht für Nachfrager Transaktionskosten, die nur dann eingegangen werden, wenn dadurch Nutzen erreichbar sind, die höher eingeschätzt werden als diese Kosten und die ansonsten entgehen würden. Je mehr Handelsfunktionen eine Betriebsform durch ihre Aktionsparameterwahl übernimmt, desto geringer sind die Kosten der Nachfrager für die Beschaffung. Die dadurch freiwerdenden Ressourcen können sie anderweitig einsetzen. Je nachdem als wie werthaltig diese anderweitige Nutzung angesehen wird, sind sie bereit, diese durch mehr oder minder hohe Preise zu honorieren. Dies ist auch erforderlich, weil zugleich die Betriebskosten des Handels steigen. Neue Betriebsformen entstehen demnach dann, wenn die Merkmalsausprägung eine nutzbringende Entlastung der Nachfrager erreicht und damit bei diesen soviel Preisbereitschaft erzeugt, dass die entstehenden höheren Kosten damit kompensiert werden können (z. B. Versandhandel).

3.5 Dynamik der Handelsbetriebsformen

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3.5.2 Betriebsformenpolarisierung Im Rahmen der Theorie der Betriebsformenpolarisierung vollzieht sich der Wandel parallel in zwei Richtungen, einerseits hin zum Erlebnishandel durch ein Trading up und andererseits zum Versorgungshandel hin durch ein Trading down. Dies wird an dieser Stelle vertieft.

Abbildung 51: Wandel der Betriebsformen des Handels

Trading up bedeutet Imagedominanz durch Verbesserung der betriebsindividuellen Leistungsstandards bei Sortiment, Personal, Ausstattung, Zusatzleistung etc. Dazu gehört die Betonung der Sortimentstiefe bei traditionell sortimentsbreiten Händlern und umgekehrt. Hinzu kommt die Aufnahme vorwiegend höherwertigerer Artikel, die zwar zur Einengung des Kundenpotenzials, aber zugleich zur Erhöhung des Einkaufswerts je Besuch führt. Es erfolgt die Eingliederung in horizontale und vertikale Kooperationen zur Nutzung betriebswirtschaftlicher Vorteile, die nicht immer ohne Weiteres von außen erkennbar ist. Ziel ist die Verbesserung der Angebotspräsentation, die Nutzung agglomerierter Standorte (z. B. Gemeinschaftswarenhaus, Ladenpassage), die Intensivierung der Kundenberatung, etwa durch Anwendung dominanter Fremdbedienung. Die Betonung liegt dabei auf der Erlebniskomponente des Einkaufs. Dies führt zum Angebot eher beratungsintensiver Produkte mit hohem Nutzen. Qualität und Image werden zu Hauptargumenten im Verkauf. Die Vermittlung von Freude am Einkauf durch ein anregendes Verkaufsumfeld steht im Mittelpunkt. Die attraktive Präsentation der Artikel genießt Priorität gegenüber der Rationalisierung. Trading down bedeutet demgegenüber Preisdominanz durch Senkung der Betriebskosten und Spannen. Dazu gehört die kostengünstigere Standortwahl, die

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preisliche Zugeständnisse möglich werden lässt, die ihrerseits neue Kundenkreise anspricht. Wiederum ist die Beteiligung an Kooperationen oder die Konzentration betriebswirtschaftlich vorteilhaft. Bei geringerer Sortimentsbreite bzw. -tiefe werden mit den verbleibenden Artikeln größere Absatzmengen und höhere Umschlaggeschwindigkeiten realisiert. Zugleich werden Servicekürzungen akzeptabel. Dies drückt sich in weniger Verkaufsberatern und Übergang zu dominanter Selbstbedienung aus, in schlichterer Warenpräsentation durch Einsparung an Dekoration, Medienwerbung und Ladenwerbemittel. Daraus folgt ein Gefühl der Cleverness beim Einkauf auf Seiten der Kunden. Die Priorität liegt hier auf der schnellen und einfachen Versorgung beim Einkauf mit dem Preis als Hauptargument. Dies bedingt das Angebot problemloser, selbsterklärender Waren. Betriebswirtschaftliche Kostenrechnung mit schnell drehenden Artikeln, niedrigen Einstandspreisen und hoher Flächenausnutzung genießt Priorität vor der Emotion. Parallel zur Polarisierung des Angebots ergibt sich auch eine solche bei der Nachfrage. Hybride Verbraucher trennen dabei nach Grundnutzen, als der ­Eignung einer Sach- oder Dienstleistung, den gestellten Anforderungen gebrauchstechnisch, d. h. in Bezug auf ihre Funktionserfüllung, gerecht zu werden, und Zusatz­nutzen, als deren differenzierende Wirkung im affektiven Bereich. Sie sind dadurch charakterisiert, dass ihre Einkaufsprogramme für beide Arten von Leistungen, Grundnutzen- und Zusatznutzen-Produkte, voneinander abweichen. Sie handeln also nicht mehr konsistent, sondern gespalten, eben hybrid. Grundnutzenprodukte sind dem Low interest-Bereich zuzuordnen und werden unter dominanter Preisorientierung gekauft. Dies führt zur Bevorzugung von Gattungsware. Als Einkaufsstätte wird dafür der Versorgungshandel gewählt. Im Vordergrund stehen dann Rational­ argumente mit dem Ziel der Einsparung von Haushaltsbudget. Anders hingegen bei Zusatznutzenprodukten. Sie sind dem High interest-Bereich zuzuordnen und werden unter dominanter Leistungsorientierung gekauft. Dies führt zu einer Bevorzugung von Markenartikeln. Als Einkaufsstätte wird der Erlebnishandel gewählt. Im Vordergrund stehen also Emotionalargumente, mit der Möglichkeit, die im Grundnutzenbereich eingesparten Geldmittel hier zusatznutzenstiftend einzusetzen. Das heißt, die Einsparungen im Grundnutzenbereich werden nicht gehortet, sondern in diesen, emotional viel wichtigeren Bereich investiert. Daher können auch beide Gruppen des Handels, Erlebnis- bzw. Trading up-Outlets und Versorgungs- bzw. Trading down-Outlets, nebeneinander prosperieren, denn es kaufen dort jeweils dieselben, hybriden Verbraucher ein. Diese Marktpolarisierung ist auch durch die Porter-U-Kurve erklärbar. Danach gibt es einen Zusammenhang zwischen Betriebserfolg (Gewinn/ROI) und Mengenoutput (Absatz/Marktanteil) derart, dass der Betriebserfolg hoch ist, wenn der (relative) Mengenoutput entweder sehr niedrig (= Präferenzposition/Differenzierung) oder sehr hoch ist (= Preis-Mengen-Position/Kostenführerschaft), und niedrig, wenn der (relative) Mengenoutput nur ein mittleres Niveau erreicht. Von daher muss jeder Betrieb entweder eine Präferenzposition anstreben, bei der zwar nur kleinere Mengen abgesetzt werden, sich jedoch aufgrund des akquisitorischen

3.5 Dynamik der Handelsbetriebsformen

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Potenzials höhere Preise am Markt realisieren lassen, die zu hoher Rendite führen, oder eine Preis-Mengen-Position, bei der zwar nur niedrigere Preise realisiert werden, die jedoch über große Absatzmengen letztlich wieder zu einer stimmigen Rendite führen. Die Präferenzposition entspricht dem Erlebnishandel (Trading upTendenz, z. B. Boutiquen), die Preis-Mengen-Position dem Versorgungshandel (Trading down-Tendenz, z. B. Discounters).

Abbildung 52: Alternativen der Marktstimulierung

Problematisch ist allerdings die Position dazwischen. Diese gilt etwa für Warenhäuser. Sie werden von ihren Kunden weder als hochwertig genug erlebt, als dass sie gleichwertig zum Erlebnishandel eingestuft würden, noch als preisgünstig genug, als dass sie mit dem Versorgungshandel konkurrieren könnten. Moderne Fachabteilungskonzepte (z. B. Galeria Kaufhof) führen durch die notwendige Beibehaltung der dem Warenhaus typischen Kriterien wie Großflächigkeit, Massenpublikum, Teilselbstbedienung etc. nicht dazu, die Einkaufsstätte anders einzuschätzen und deshalb die Preisbereitschaft zu erhöhen. Umgekehrt führen preisaggressive Konzepte (z. B. Kaufhof Kaufhalle) aufgrund des betriebstypischen Kostenniveaus, verursacht durch Faktoren wie Fachpersonal, Ausstattungsaufwand, Zentralstandort etc., nicht zu einer Konkurrenzfähigkeit gegenüber Einkaufsstätten mit Trading down-Charakter. Damit zieht es die preissensible Kundschaft aber nach wie vor dorthin, während die erlebnissensitive Kundschaft besser gleich originäre Trading up-Einkaufsstätten aufsucht. Die Warenhäuser befinden sich also in einer Zwi-

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schen den Stühlen-Position, aus der auch Diversifikationsbemühungen nur unvollkommen herausführen. Diese, ehemals erfolgreichste, Einzelhandelsform scheint sich in der Dynamik der Betriebsformen überlebt zu haben.

Abbildung 53: Wettbewerbspositionsmatrix im Handel

Wie eine unzureichende strategische Orientierung sogar branchenweit zu heftigen Problemen führen kann, ist im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) zu beobachten. Dort liegt schon seit geraumer Zeit die Inventurdifferenz (die im Wesentlichen durch Diebstähle von Kunden und Mitarbeitern zustande kommt) höher als die Umsatzrendite, und es herrscht ein überzogener Preiskampf vor (mit weit verbreiteten Untereinstandspreisverkäufen). Die Gründe dafür sind offensichtlich. So hat die überwiegend vorhandene eigentümerorientierte Struktur (z. B. in Form von Genossenschaften) wenig Investitionsfähigkeit und auch -bereitschaft zur Folge, so dass ein konstanter Eigenkapitalmangel vorhanden ist (der etwa eine notwendige Internationalisierung des LEH hemmt). Übereilt eröffnete neue Standorte, vor allem in den Neuen Bundesländern, führen zu einem Flächenwachstum das über dem Nachfragevolumen angesichts deutlich erkennbarer Sättigungserscheinungen im Markt liegt. Diese Standorte können dann nur durch Verdrängung von Mitbewerbern halbwegs rentabel betrieben werden. Teilweise herrscht eine anta­ gonistische Sichtweise zwischen Hersteller einerseits und Handel andererseits vor, statt eine dringend erforderliche Symbiose voranzutreiben. Traditionell bestimmen immer noch die Einkäufer mit ihrer handelstypischen „PfennigfuchserMentalität“ die Organisation („der Gewinn liegt im Einkauf“). Daraus folgt, dass eine notwendige Absatzmarktorientierung, etwa durch Händlermarkenprofilierung (außer bei Aldi) kaum vorhanden ist. Die Organisationen sind denn gegeneinander auch weitgehend austauschbar. So wird seit Jahrzehnten unverständlicherweise fast völlig auf die Ausprägung von Dienstleistungen (wie Wickelräume, Weinund Fischseminare etc.) verzichtet. Da dann der Preis in der Tat zum entscheidenden Wettbewerbsparameter wird, ist Aktionismus Tür und Tor geöffnet. Diese überharte Verdrängungskonkurrenz hat zu einer Verwilderung der Geschäfts­ sitten in der Branche geführt, die in kollektiv dysfunktionalem Verhalten mündet (z. B. 50 % Grundrabatt auf Möbel).

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3.5.3 Absatzkanalpräsenz Überlegt man, wie diese Limitationen überwunden werden können, so ist es hilfreich, sich den Absatzkanal als Pipeline vorzustellen, die durch Anzahl, Abmessung und Struktur den Markterfolg begrenzt. Am einen Ende füllen Hersteller Waren in diese Pipeline hinein, der Handel nimmt eine Ventilfunktion in dieser Pipeline wahr, und am anderen Ende fließen Waren an Endabnehmer ab. Limitationen in dieser Pipeline lassen sich durch verschiedene Maßnahmen überwinden.

Abbildung 54: Alternativen der Absatzkanalpräsenz

Angesichts restriktiver Vermarktungsbedingungen stellt sich die Frage, wie sich Hersteller- und Handelsstufe erfolgversprechend miteinander arrangieren können. Dabei ist der Anspruch auf die Kanalführerschaft der einen oder anderen Seite von Bedeutung. Dafür ergeben sich vier Kombinationen.

Abbildung 55: Pipelineeffekte zum besseren Marktdurchgriff für Hersteller

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3. Der Indirektabsatz

Eine Dominanz des Herstellers bei Subordination des Handels unter Nutzung besserer Kontrollmöglichkeiten seitens des Herstellers bedeutet, dass hierbei vor allem an direkten Absatz unter Ausschaltung der Absatzmittler zu denken ist. Damit sind jedoch regelmäßig erhebliche investive Aufwendungen verbunden, die vor allem in der Aufbauphase die meisten Hersteller überfordern. Als Optionen stellen sich insgesamt aber mehrere Möglichkeiten: •• Der Aufbau einer eigenen Pipeline strebt eigene Herstellerabsatzstellen (Direkt­ absatz) an. Dies ist nur in Einzelfällen ein Ausweg, wenn Investitionen problemlos getätigt oder durch (vertikale) Kooperationsformen im Absatzkanal limitiert werden können. Allerdings stellt sich durch e-Commerce die Möglichkeit einer geschäftsstättenlosen und damit investitionsschonenden Distribution. •• Eine Substitution der Pipeline bedeutet den Wechsel in einen neuen Absatzkanal. In der Praxis bleibt diese Chance allerdings eher marginal, weil für große, marktmächtige Absatzmittler nicht so leicht Ersatz zu schaffen ist. Ein Ausweichen auf andere ist daher unweigerlich mit hohen Verlusten an Kontaktchancen (= Regalplatz) verbunden. Außerdem verändert sich dadurch die Qualität der Absatzstellen. •• Eine Erweiterung der Pipeline bedeutet die Mehrkanaldistribution in zwei/ mehreren Absatzkanälen. Meist sind damit jedoch Konfliktsituationen verbunden, denn die dabei parallel distribuierten Absatzmittler fürchten zu Recht Geschäftseinbußen infolge des jeweilig anderen Absatzkanals. Deshalb ist dies nur bei gleichzeitiger Programmaufteilung derart sinnvoll, dass jeder Absatzkanal bestimmte Waren für sich exklusiv erhält. •• Eine Vergrößerung des Durchmessers der Pipeline strebt die Distributionsgradsteigerung an. Der hohe allgemeine Konzentrationsgrad führt jedoch dazu, dass bei etablierten Produkten eine Erhöhung der nummerischen Distribution nur von einem weit unterproportionalen Zuwachs der gewichteten Distribution begleitet wird. Ein aktiver Einfluss auf die Gestaltung des Absatzkanals bei Außerachtlassung etwaiger Handelsreaktion darauf, um die Herstellerinteressen durchzusetzen (Konflikt), bietet sich vor allem bei geringer Austauschbarkeit des Angebots an, ansonsten weicht der Handel auf kooperativere Lieferanten aus. Nur „Pflichtartikel“ des Handels, die wegen ihrer extrem hohen Publikumsvertrautheit und -nachfrage im Handelssortiment praktisch unverzichtbar sind, können sich ein solches Vorgehen erlauben. Ob es sinnvoll ist, muss selbst dann bezweifelt werden. Im Wesentlichen stellen sich zwei Alternativen: •• Druckerzeugung in die Pipeline hinein erfolgt durch Push über Inaussichtstellung materieller oder ideeller Vorteilsgewährung in Abhängigkeit von absatzförderndem Verhalten. Materielle Incentives schlagen jedoch voll auf die Rentabilität durch, ideelle Incentives unterliegen einem Abnutzungseffekt durch Gewöhnung. Werbemittelunterstützung stellt dabei oft nur einen verdeckten

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Nachlass dar, der sich dauerhaft nicht in mehr Facing auswirkt und bald in den Besitzstand des Handels übergeht. •• Sogerzeugung aus der Pipeline heraus erfolgt durch Pull, meist als Sprungwerbung der Hersteller direkt an Endabnehmer. Diese sollen ein Produkt ziel­sicher anderen vorziehen, so dass der Handel es sich nicht leisten kann, das massenmedial beworbene Produkt nicht zu führen. Durch Kombination mit dem PushAnsatz kann der Warenumschlag je Regalflächeneinheit erhöht und diese damit für alle Seiten effektiver genutzt werden. Eine Dominanz des Handels bei Subordination der Hersteller als Abgabe der Kanalführerschaft an den Handel bedeutet in Anbetracht der hohen Macht­ konzentration auf der Handelsstufe und fehlenden eigenen Zugriffs auf Endabnehmer einen sehr risikoreichen Ansatz. Der Hersteller begibt sich damit in die Abhängigkeit, wenn kein ausreichendes Profil bei aktuellen und potenziellen Kunden besteht, das Nachfrageattraktivität ausübt. Die Finanzmittel dazu sind bei die Konditionen drückender Abnahmepolitik des Handels auch nur schwerlich zu erwirtschaften. Insofern entsteht ein Teufelskreis. Diese Aspekte werden im Rahmen der Konzentration im Absatzkanal, vor allem der Nachfragemacht der Handelsstufe, diskutiert (s. u.). Die Vergrößerung des Anteils an der Pipeline als wichtige Möglichkeit strebt die Regalplatzausdehnung an. Da der Regalplatz der Engpass für den Geschäftserfolg des Handels und zugleich streng limitiert ist, scheint das vermehrte Facing eines Angebots nur zu Lasten dessen direkten Mitbewerbs über den Nachweis der betriebswirtschaftlichen Vorteilhaftigkeit dieses Austauschs (aus dem Verkauf selbst oder über Nebenleistungen) möglich. Eine gleichzeitige Subordination von Hersteller und Handel als Kooperation und Interessenintegration wird als Weg verstärkt eingeschlagen, da Auseinandersetzungen leicht dysfunktionale Züge tragen und keinen der Beteiligten befriedigen. Daher werden gemeinsame Interessenfelder identifiziert und im Rahmen der Co-Organisation bearbeitet. Entsprechende Lösungsmöglichkeiten werden im Rahmen des Kontraktmarketing praktiziert (s. u.). Die Verringerung des Fließwiderstands in der Pipeline als wichtiger Bestandteil bedeutet einen erhöhten Durchsatz durch Anreize. Dies geschieht meist durch Nutzung informationeller Abstimmung im Absatzkanal. Dafür stehen umfangreiche Techniken zur Verfügung, insb. Warenwirtschaft, DPP/DPR, Efficient consumer response/ECR, CPFR. Diese führen zu Win-win-Partnerschaften zwischen Hersteller und Handel. Wie schwierig die deutsche Handelslandschaft sich tatsächlich darstellt, zeigt, nach dem Scheitern von Carrefour, Promodes, Virgin, Marks & Spencer etc., deutlich auch der Fall des mit weitem Abstand weltgrößten Einzelhändlers, Walmart/USA, der 90 % seines Umsatzes in den USA realisiert. Walmart ist durch vielfältige Erfolgsfaktoren bekannt wie •• Walmart-Family: alle Mitarbeiter sind Partner für den Erfolg, •• Walmart-Cheer: Motivation durch Absingen der Firmenhymne zu Arbeitsbeginn im Verkaufsraum,

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•• Auszeichnungen für herausragende Mitarbeiter, Erfolgsgeschichten, •• EDLP: Every day low price/Dauerniedrigpreis statt Aktionspreis, •• Rollback-Garantie: Findet ein Kunde das betreffende Produkt woanders billiger (50 km Umkreis), wird der Preis umgehend reduziert, •• 10 Feet-Regel: Verkaufsberater sprechen Kunden in weniger als ca. drei Meter Umkreis freundlich an, •• Sundown-Regel: Kundenanfragen und Aufgaben sind noch am gleichen Tag zu erledigen, •• einheitlicher Grundriss in allen Stores zur leichten Orientierung, •• Data mining: aus Kundendaten lernen. Gründe für das Scheitern in Deutschland sind dennoch vielfältig. Eigengründungen waren durch gesetzliche Reglementierungen (Baunutzungsverordnung) von vornherein auf eine kleine Zahl von Standorten begrenzt. Für diese gab es zudem viele Bewerber und langwierige behördliche Genehmigungsverfahren. Demgegenüber erhielten mittelgroße Handelsbetriebsformen leichter Standortgenehmigungen. Diese Umfeldfaktoren waren beim Markteintritt offensichtlich ignoriert worden. Die ersatzweise aufgekauften 74 Interspar-Märkte hatten durchweg eine schlechte Standortqualität. Investitionsmittel zur Verbesserung der Bauqualität wurden nicht bewilligt. Die Kultur der ebenfalls übernommenen 21 Wertkauf-Märkte galt ohnehin als zerrüttet. Ein Teil der Standorte musste denn auch umgehend wieder stillgelegt werden. Ausländische Manager, die auf Zeit nach Deutschland geschickt wurden, waren mit den Spezifika des heimischen Marktes nicht vertraut. Hinzu kam eine offen gewerkschaftsfeindliche Einstellung (Ablehnung des Flächentarifvertrags) und die Missachtung der gesetz­ lichen Publizitätspflichten für große GmbH’s (Bußgeldzahlungen). Die Einbindung deutscher Berater und Lieferanten wurde rundweg abgelehnt. Das Sortiment war Nonfood-lastig, während bei deutschen Discounters ein Schwerpunkt bei Food üblich ist. Nonfood wird traditionell in der Innenstadt, teils im Fachhandel, gekauft. Daher ist Food-Kompetenz sehr wichtig (Frische, Auswahl, Qualität etc.), die ­Walmart fehlte. Die Walmart-Eigenmarken galten hierzulande als völlig unbekannt, die Produktbezeichnungen und -auslobungen waren großenteils in Englisch. Gängige deutsche/europäische Marken fehlten hingegen. Zudem gelang es nicht, ein Preisführerschaftsimage aufzubauen, stattdessen wurde eher auf Preise anderer mit Sonderangeboten reagiert. Rollback-Garantien wurden unzureichend eingehalten. Die viel gerühmte Walmart-Servicekultur konnte nicht auf das ungeschulte, fluktuierende und unzufriedene Personal sowie die differierende Servicementalität in Deutschland übertragen werden. Hinzu kamen logistische Probleme, die zu Out of stock-Situationen und geringer Flächenproduktivität führten, obwohl Walmart für sein an sich perfektes Warenwirtschaftssystem berühmt ist. Die Kostensituation war ungünstig, da die Niedriglohnpolitik aus den USA nicht übertragen werden konnte und Fernsehwerbung zur Erzeugung eines Pull-Effekts wegen geringer Ausdeckung nur bei hohem Kontaktpreis möglich war.

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Auch das Herauskonkurrieren deutscher Einzelhändler aus dem Markt misslang, da einerseits die Discounter jede Preissenkung mitmachten oder sogar noch überboten und andererseits eine ungewohnte Solidarisierungswelle dafür sorgte, dass auch partiell notleidende Händler überleben konnten. Ein Gegenentwurf ist das sehr erfolgreiche Geschäftsmodell der Modekette Zara. Sie hat eine vollständig eigengesteuerte Wertschöpfungskette über alle Stufen von Design bis zu Verkauf realisiert und konzentriert sich auf modische Kleidung mit extremem Aktualitätsgrad für junge Leute. Dies widerspricht zwar dem eindeutigen Trend zum Outsourcing, der besagt, dass sich jedes Unternehmen auf denjenigen Teil der Wertschöpfungskette konzentrieren soll, der seiner Kernkompetenz entspricht, und alle anderen Teile an Partner vergeben soll, deren Kernkompetenz der jeweilige Wertkettenausschnitt entspricht. Zara nimmt jedoch bewusst die mit der kompletten Integration der Wertkette verbundenen Effizienz- und damit Kostennachteile in Kauf, um mit maximaler Geschwindigkeit auf Kundenwünsche reagieren zu können. So gehören Zara (Inditex) bereits die „Wollproduzenten“. Während normalerweise zunächst die Wolle eingefärbt und dann zu Modellen verarbeitet wird, handhabt Zara dies genau umgekehrt. Zuerst wird zugeschnitten und dann erst die Halbfertigware eingefärbt. Dadurch kann man noch auf allerneueste Farbtrends reagieren, während sich bereits „falsch“ eingefärbte Ware möglicherweise nicht mehr absetzen lässt oder umgefärbt werden muss. Außerdem wird nur ein geringer Teil der Ware vorproduziert, die restliche Auflage wird je nach Marktsituation flexibel nachproduziert. Dadurch wird das modische Risiko minimiert. Innerhalb von zwei Wochen wechseln 70 % der geführten Artikel im Sortiment. Damit wird eine permanente Aktualisierung erreicht. Dies erfordert eine sehr leistungsfähige Logistik und einen schnellen Datenaustausch über anspruchsvolle Informations- und Kommunikationssysteme. Damit im Zeitwettbewerb die Qualität nicht leidet, ist eine rigorose Qualitätssicherung implementiert. Hinzu kommen vergleichsweise autoritäre Regeln für die G ­ eschäftsabwicklung. Alle Aktivitäten sind auf das schnelle Timing am POS zugeschnitten. Die Auslobung der Ware erfolgt dementsprechend ausschließlich dort, vor allem durch übersichtliche Ladengestaltung und wertige Kaufatmosphäre. Von zentraler Bedeutung ist dabei das Schaufensterdesign (Visual merchandising). In der Summe reicht das Geschäftsmodell aus, Zara zum globalen Benchmark bei Textilketten zu machen und ehemals hoch gelobte Mitbewerber wie H & M hinter sich zu lassen. Zara ist mit seinen Kollektionen schneller am Markt als H & M und kann daher erheblich höhere Preise in der gleichen Zielgruppe durchsetzen. Diese höheren Erlöse sind allerdings auch nötig, um die mit dem Geschäftsmodell immanent verbundenen höheren Kosten gewinnbringend abzudecken.

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3.6 Horizontale Konzentration im Absatzkanal 3.6.1 Nachfrage- und Angebotsmacht Auf der Handelsstufe hat die Konzentration im Absatzkanal zur Bildung von Großbetriebsformen mit Nachfragemacht gegenüber konzentrierten Lieferanten der Industrie geführt. Der Markt wandelt sich so zu einem – wettbewerbspolitisch unerwünschten – engen Oligopol. Die Kanalführerschaft geht damit zunehmend auf die Handelsstufe als Inhaber des Regalplatzes über. Die Beziehungen sind weitgehend durch Gruppenwettbewerb gekennzeichnet. Die größten internationalen Handelsketten sind Wal-Mart, Carrefour, Home Depot, ITM Intermarché, Ahold und Tesco. Große deutsche Handelsketten sind Aldi, Tengelmann (Grosso, Magnet, Kaiser’s, LeDi, KD etc.), Metro (Real, Extra, Kaufhof etc.), Spar, Rewe (Toom, HL, Globus, Penny, Netto etc.), Edeka (Marktkauf, Depot, E-Aktiv etc.), Lidl & Schwarz, Lekkerland, Dohle (Hit, Marktfrisch etc.), Norma, Quelle-Karstadt. So verfügen die drei Handelskonzerne Metro, Rewe und Edeka/AVA allein über folgende Vertriebsschienen (Vertriebsschienen sind gleiche oder überwiegend ähnliche Handels­ betriebsformen, die zu Geschäftsstättenmarken ausgebaut werden sollen): •• Metro: Extra, Comet (Verbrauchermarkt), Real (SB-Warenhaus), Wirichs (Baumarkt), Media-Markt, Saturn, Flachsmarkt (Elektrofachmarkt), Kaufhof-Horten, •• Rewe: Minimal, Kafu, Lör (Supermarkt), Globus, Kaufpark, Rewe-Center, Merkur (Verbrauchermarkt), Penny, Mondo (Discounter), Idea, Bipa (Drogeriemarkt), Toom, Klee, Frick (Baumarkt), ProMarkt (Elektrofachmarkt), •• Edeka/AVA: E-Neukauf, SB-Halle, Reichelt (Supermarkt), Dixi, Delta, E-Center, EZB, Herkules, V-Markt (Verbrauchermarkt), Marktkauf (SB-Warenhaus), NP, Diska, Treff, Kodi (Discounter), Elkos, V-Special (Drogeriemarkt), Cerec (Baumarkt), Herkules (Elektrofachmarkt).

Dem stehen allerdings nicht minder große Hersteller gegenüber. Dies sei am Beispiel der Konsumgüterhersteller im LEH illustriert: Nestlé, Procter & Gamble, Unilever, PepsiCo, Kraft Foods, AB Inbev, Coca-Cola, Archer Daniels Midland, Philip Morris, Japan Tobacco, L’Oréal, British American Tobacco, Groupe Danone, Heineken, JBS, Altria Group, Asahi Breweries, Kirin Breweries, Colgate Palmolive, Diageo, Kimberley Clark, General Mills, Johnson & Johnson, SAB Miller, Tyson Foods, Kellogg Comp., Dean Foods, Conagra, Reckitt Benckiser, Imperial Tobacco, KAO, Avon, Sara Lee Corp., Carlsberg, H. J.Heinz, Royal Friesland Campina, Henkel, Pernod Ricard, Yamazaki Baking, Grupo Bimbo, Ajinomoto, SCA, Reynolds America, LVMH, Bunge Limited, Estée Lauder, Glaxo Smith Kline, Campell, Brasil Foods, Beiersdorf.

Im Zuge der fortschreitenden Konzentration kommt es zu vermehrten Geschäftsschließungen vor allem bei Klein- und Mittelbetrieben des Handels, teils mit der Tendenz zur Unterversorgung ganzer Landstriche („Dörfer ohne Läden“).

3.6 Horizontale Konzentration im Absatzkanal

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Dies betrifft vor allem die unzureichende Bereitstellung von Produkten zur Deckung des täglichen oder täglich häufigen Bedarfs durch Handel und Handwerk, die sich darin äußert, dass die Wohnbevölkerung sich nurmehr unter Hinnahme erheblicher Einkaufsanstrengungen versorgen kann. Dies gilt auch für städtische Randlagen und „Schlafsiedlungen“ in Großstadtvororten. Dort reicht die Kaufkraft oft nicht mehr aus, die Existenz von Einzelhandelsbetrieben zu ermöglichen, weil einerseits die optimale Betriebsgröße für Absatzmittler gestiegen ist und andererseits eine höhere Mobilität der Konsumenten Kaufkraft in lokale Einkaufszentren abzieht (= objektive Unterversorgung). Davon werden vor allem weniger kaufkräftige, z. B. ältere, immobile, Personen betroffen. Außerdem sind für anspruchsvolle Käufer im näheren Umkreis, wenn überhaupt, nur wenig differenzierte Sortimente verfügbar (= subjektive Unterversorgung).

3.6.2 Konflikte im Absatzkanal Es ist immer noch die Ansicht verbreitet, dass die Interessen von Hersteller und Handel weitgehend deckungsgleich und beide gemeinsam bemüht sind, den Markt zu erobern. Dies ist jedoch mitnichten der Fall. Vielmehr haben Hersteller einerseits und Händler andererseits vielfältig abweichende Interessen, die im Absatz­ kanal zu Konflikten führen. Diese erstrecken sich über alle Marketingparameter, also bei Angebot, Gegenleistung, Information, Verfügbarkeit und Strategie. Im Angebots-Mix betreffen sie folgende Aspekte. Hersteller sind daran interessiert, das Image ihrer Produkte/Marken zu individualisieren und auszuprägen, also zum Wettbewerb hin abzugrenzen und gegenüber den Konsumenten zu profilieren. Händler wollen demgegenüber das Image des von ihnen angebotenen, geschlossenen Sortiments, also die Zusammenfassung der Angebote verschiedener Hersteller, durchsetzen. Hersteller zeichnet oft eine hohe Innovationsrate aus, erzwungen aus der Umsetzung technischen und/oder geschmacklichen Fortschritts sowie als Konkurrenzreaktion oder -antizipation, was eine zyklische Neuordnung des Angebots bedingt. Händler stehen Innovationen regelmäßig abwartend gegenüber, sind doch mit jedem neuen Angebot organisatorische Umstellungen und Risiken aus der Abnehmerakzeptanz verbunden. Hersteller zielen auf eine Individualisierung ihrer Marke ab, d. h. auf eine Abhebung vom Mitbewerb und eine Hervorhebung bei Kunden des Handels. Händler haben ein Interesse an der Etablierung und Forcierung eigener (Handels-)Marken, um die Abhängigkeit von Herstellern zu vermindern und neue, besonders preissensitive Käufergruppen für sich zu erschließen. Hersteller denken immer in Einzelangeboten, d. h. Produkten bzw. Ranges, oder in eigenen Programmdimensionen. Händler funktionalisieren Produkte zur geziel-

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ten Schließung von Sortimentslücken, damit Kunden das Fehlen bestimmter Waren nicht als beeinträchtigend empfinden und beim Geschäftsbesuch reklamieren. Für Hersteller dient die Packung in erster Linie der Profilierung und positiven Differenzierung des eigenen Angebots gegenüber allen anderen vergleichbaren, was oft in außergewöhnlichen, eigenständigen Kreationen resultiert. Eben diese Extravaganzen behindern Händler in der Rationalisierung ihres Warenhandling, weshalb sie auf standardisierte Größen, normierte Formen und gewohnte Mate­ rialien Wert legen. Im Gegenleistungs-Mix betreffen Konflikte folgende Felder. Hersteller sind meist an konventioneller Preisgestaltung interessiert, um Irritationen auf Nachfrageseite über Preishektik zu vermeiden. Händler verfolgen indes die Absicht preislicher Differenzierung von ihren regionalen Mitbewerbern, was ihrer Ansicht nach vor allem über punktuell aggressive Preisgestaltung als besonderer Anreiz gelingt. Hersteller sind eher an einheitlichen, hohen Preisen interessiert, nicht so hoch, als dass sich das Käuferpotenzial einschränkt, aber auch nicht so niedrig, als dass sich damit Qualitätszweifel verbinden. Händler bevorzugen markant niedrige Preise, da der sich im Preisvergleich dann ergebende Vorteil ihnen vom Publikum erfahrungsgemäß als eigene Leistung zugeschrieben wird. Sonderangebote etablieren allerdings in Dauer und Breite eine völlig unrealistische Preiseinschätzung am Markt, die das betreffende Produkt zum Normalpreis kaum mehr absetzbar macht. Hersteller sind an hohen Fabrikabgabepreisen (FAP) interessiert, die bei minimaler Handelsspanne dennoch zu einem konkurrenzfähigen Abverkaufspreis führen. Der Händler sieht dies naturgemäß völlig anders, er ist an niedrigen Einkaufspreisen (EK) interessiert, damit der Kalkulationsaufschlag höher ausfallen kann oder bei üblichem Kalkulationsaufschlag ein besonders konkurrenzfähiger Preis zustande kommt (ein klassischer Interessenkonflikt). Hersteller wollen möglichst hohe Einführungspreise für neue Angebote (Skimming), vor allem um eine Innovatorenrente abzuschöpfen, das Image hoch anzusiedeln und Spielraum für spätere Preissenkungen zu lassen. Händler wollen demgegenüber niedrige Einführungspreise (Penetration), um eine rasche Penetration in der Kundschaft zu erreichen, die Drehgeschwindigkeit zu erhöhen und sich einen angemessenen Absatzanteil zu sichern. Hersteller setzen auf Klimaverbesserung und Partnerschaftsappelle, die helfen sollen, von Konditionenverhandlungen abzulenken. Händler fordern hingegen Nichtleistungskonditionen, die nur auf Macht beruhen. Im Informations-Mix betreffen Konflikte folgende Felder. Hersteller sind an der Generierung von Markentreue interessiert, also Kunden, die mit hoher Frequenz unbeirrt immer wieder die eigene Marke kaufen, gleich in welchem Handels­ geschäft. Händler sind an Einkaufsstättentreue interessiert, also Kunden, die mit hoher Frequenz unbeirrt immer wieder das eigene Geschäftslokal aufsuchen, fast gleichgültig, welche Waren sie dabei kaufen.

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Hersteller verfolgen in ihrer Kommunikation den Aufbau von Produktimage und -profilierung. Händler verfolgen demgegenüber den Aufbau von Geschäftsstättenimage und -profilierung, was etwas ganz Anderes bedeutet. Hersteller müssen zur Aktivierung ihres Absatzpotenzials eine maximale Reichweite für die Bekanntheit/Vertrautheit ihres Produkts im gesamten Verbreitungsgebiet erreichen. Händler wollen nur eine maximale Bekanntheit/Vertrautheit für ihre Betriebsstätte in deren lokalem Einzugsgebiet erreichen. Alle nicht punktuell wirksamen Maßnahmen sind für sie daher wertlos. Hersteller zielen primär auf eine positive Einstellung und Motivation im Vorfeld der Kaufentscheidung ab. Vor allem geht es darum, in den Evoked set of brands eines möglichst großen Zielgruppenanteils zu gelangen. Händler wollen hingegen die Auslösung unmittelbarer Kaufbereitschaft am POS, also Begierde und spontane Handlungswirkung. Hersteller wünschen eine Präsentationsunterstützung durch eigenständigen Auftritt und aktuelle Dekoration. Händler fordern demgegenüber Merchandising als unbezahlte Abverkaufshilfe am POS, Incentives für besondere Dekorationen und Werbekostenzuschüsse für anderweitige Kommunikationsmaßnahmen. Für Hersteller ist der einheitliche Auftritt ihrer Werbeaktivitäten hoch bedeutsam, um ein konsistentes Markenbild aufzubauen (CD/Look & feel). Händler stellen ihren am Outlet bezogenen Aktionsauftritt in den Vordergrund, der Marken instrumentalisiert und sorgsam aufgebautes Image oft genug mit dem „Schweinebauch“ erschlägt. Im Verfügbarkeits-Mix betreffen Konflikte folgende Felder. Herstellern ist an möglichst hohen Bestellmengen in langen Lieferintervallen gelegen, da dies zur rationellen Auftragsbearbeitung und -ausführung beiträgt und Druck in der Pipeline erzeugt. Händler disponieren demgegenüber kurzfristig gestaffelte Bestellmengen analog dem Markterfolg, weil dies die Kapitalbindung reduziert. Hersteller sind regelmäßig an hoher Distributionsdichte bis hin zur Ubiquität ihres Angebots interessiert, weil dies über mehr Facing ihre Absatzchancen erhöht. Händler präferieren eher selektive bis exklusive Distribution mit begrenztem Wettbewerbsschutz durch Marktzutrittsschranken, hoher Ausschöpfung des Nachfrage­potenzials und umfangreicher Unterstützung des Herstellers. Hersteller wollen die absolut beste Platzierung für ihr Produkt innerhalb des Handelsbetriebs. Händler streben eine optimale innerbetriebliche Platzierung an, die abhängig ist von Größen wie Gesamtdeckungsbeitrag, Kundenstrom und Präsentations­umfeld. Hersteller wünschen eine vollständige und permanente Bevorratung ihres Programms am Handelsplatz im „Full line“-Prinzip (keine Out of stocks). Händler wünschen eine möglichst niedrige Vorratshaltung mit sachlich und zeitlich ausgewählten Artikeln nach dem „Rosinenpicker“-Prinzip.

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3. Der Indirektabsatz

Herstellern ist an einem intensiven Beratungsservice vor Ort (POS) gelegen, vor allem wenn es sich um erklärungsbedürftige Produkte handelt, deren komparative Leistungsvorteile nicht offensichtlich sind. Dafür sind sie auch zu Schulungs- und Trainingsmaßnahmen bereit. Händler hingegen wollen eine möglichst rationelle Personalorganisation, d. h. keine übertriebene Spezialisierung, sondern flexibler Einsatz nach Arbeitsanfall, Ausfallzeiten und Fluktuation. Konflikte im Strategie-Mix sind übergreifend und betreffen folgende Felder. Hersteller zielen auf die Ausweitung ihrer Einflussnahme auf Endabnehmer ab, indem sie handelsstufenübergreifend unmittelbar auf diese mittels Sprungwerbung intensiv einwirken. Dies soll Händler umgehen, die dann nur noch die herstellerinduzierten Wünsche ihrer Kunden ausführen. Dem stellt der Handel eine Verstärkung seines Einflusses durch Rückwärtsintegration entgegen. Dies betrifft die Durchsetzung angemeldeter Produktwünsche, die Abwälzung originärer Handelsfunktionen und die Herstellung eigener Handelsmarken. Hersteller versuchen, ihre Produkte zu Pflichtmarken des Handels zu stilisieren, bei denen es sich kein Händler mehr leisten kann, sie nicht zu führen, weil er damit rechnen muss, dass Kunden, welche die gewünschte Ware nicht finden, verärgert das Outlet wechseln, und zwar nicht nur hinsichtlich des nicht geführten Produkts, sondern auch hinsichtlich anderer Produkte, die zum Einkauf vorgesehen waren. Der Handel setzt den Profitabilitätsnachweis von Produkten als Voraus­setzung für die Sortimentsaufnahme dagegen (DPP/DPR).

3.6.3 Regalplatzknappheit Die Distribution im Absatzkanal stellt für Hersteller zunehmend den Engpass für ihren Markterfolg dar. Vor allem kennzeichnet der Kampf um den Regalplatz die Marktsituation. Wobei Regalplatz hier nicht konkret zu verstehen ist, sondern abstrakt als Punkt der gedanklichen Konfrontation prospektiver Kunden mit Waren zum Zwecke der Umsatzerzielung von Hersteller und Händlern. Die Realität im Absatzkanal ist durch ausgeschöpfte Kapazitäten gekennzeichnet, so dass die Etablierung eines neuen Angebots beinahe zwangsläufig nur zu Lasten der Verdrängung eines anderen, bestehenden möglich ist. Dies sollte, durch die Brille des Herstellers betrachtet, möglichst kein eigenes, sondern ein Konkurrenzprodukt sein. Weil die Konkurrenz das aber ganz genauso sieht, wird der Kampf um den Regalplatz mit äußerster Verbissenheit geführt. Knappheitsfaktoren liegen dabei sowohl im Konsumenten-, im Hersteller- als auch im Handelsbereich. Knappheitsfaktoren im Konsumentenbereich betreffen folgende Ursachen. Zunehmende Bedürfnisdifferenzierung resultiert aus der Proliferation der Anbieterprogramme und führt somit zu verstärkter Nachfrage nach Regalplatz. In einer pluralistischen Gesellschaft (Multi options society) hat derjenige Anbieter

3.6 Horizontale Konzentration im Absatzkanal

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die besten Chancen, zum Zuge zu kommen, dessen Angebot den geringsten wahrgenommenen Abstand zum idealen Nachfragerbedürfnis aufweist. Wandlungen im Einkaufsverhalten durch Bequemlichkeitsstreben führen zur Erwartung der Überallerhältlichkeit von Waren (zumindest des täglichen Bedarfs). Dazu tragen (immer noch) beschränkte Ladenöffnungszeiten, zunehmende Berufstätigkeit des Haushaltsführers, aber auch knappes Parkplatzangebot und hohe Nahverkehrspreise bei. Ebenso beanspruchen erwartete Zusatzleistungen Regalplatz.

Abbildung 56: Faktoren der Regalplatzknappheit im Handel

Knappheitsfaktoren im Herstellerbereich betreffen folgende Ursachen. Stark steigende Warenvielfalt, auch bedingt durch zunehmende Anzahl ausländischer Anbieter, führt zur Ausweitung des Warenangebots durch Innovation, Diversifizierung, Produktdifferenzierung und Markentransfer. Zwar scheitern die weitaus meisten Neuprodukteinführungen, aber diejenigen, die durchkommen, belasten dann den Regalplatz. Monomarken werden durch Angliederung verwandter Produktgruppen (Flankers) zu Dachmarken, die eine Vielzahl von Artikeln unter sich vereinen. Bestehende Marken werden durch Abwandlungen in der Produktgruppe (Line extenders nach Geschmack, Farbe, Gebindegröße etc.) stärker „gemolken“. Schließlich kommen auch produktgruppenfremde Marken durch Transfer hinzu, die gleich mehrfach Regalplätze beanspruchen. Diese Tendenz verstärkt sich eher noch. Das Streben nach hoher Distributionsdichte ist bei verbreiteter Impulskaufneigung die notwendige Voraussetzung für Aussicht auf Geschäftserfolg. Bei gleich-

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3. Der Indirektabsatz

artig wahrgenommenen Artikeln gibt meist die reale Verfügbarkeit am Handelsplatz den Ausschlag für den Kaufentscheid. Denn nicht präsente Ware kann nun einmal nicht gekauft werden. Für jeden Artikel bestehen Bemühungen zur Vergrößerung der Ausstellungs­ fläche je Platzierung (Facing) bzw. um Mehrfachplatzierungen. Je größer die Kontaktstrecke bzw. -wahrscheinlichkeit mit einer Ware, desto höher ist gemeinhin auch die Kaufwahrscheinlichkeit. Dies bedeutet aber eine wachsende Verkaufsflächenbeanspruchung durch Dauerzweitplatzierungen. Knappheitsfaktoren im Händlerbereich betreffen folgende Ursachen. Die Grenzen der Vermehrbarkeit von Regalplatz sind durch hohe Kosten für Fläche und Personal sowie immer rarer werdende attraktive Standorte erreicht. I a-Lagen sind heute kaum mehr zu finanzieren, Stadtrandlagen werden durch Baunutzungsverordnungen der Kommunen und Gemeinden (zum Schutz der innerstädtischen Infrastruktur) vereitelt. Darüber hinaus ist seit Jahren ein verbreitetes Ladensterben vor allem bei Outletgrößen zu beobachten, die Rentabilität nicht mehr gewährleisten. Der Regalplatz geht also dort real zurück. Der Handel neigt zu einer konzentrierten Regalplatzvergabe an wenige, große und verlässlich berechenbare Lieferanten. Denn auch auf der Herstellerstufe hat ein enormer, vor allem internationaler, Konzentrationsprozess stattgefunden. Dies wirkt für Markteinsteiger als Zutrittsschranke, außer sie sind bereit, exzessive Eintrittsgelder zu zahlen. Die zu beobachtende Verdrängungskonkurrenz durch eine steigende Zahl von Handelsmarken und deren Bevorzugung bei der Regalplatzvergabe führt zu verstärktem Eigenbedarf am POS der Händler. Dies geht zu Lasten der Herstellermarken.

3.7 Vertikale Kooperation im Absatzkanal Die Formen der vertikalen dauervertraglichen Kooperation im Absatzkanal werden gemeinhin unter dem Begriff Kontraktmarketing (Controlled and regulated distribution) zusammen gefasst. Ihr primäres Ziel ist die Überwindung der latent oder manifest vorhandenen Interessenkonflikte im Absatzkanal, die zahlreich und mit starken Machtmitteln versehen, vorhanden sind. Solche vertikalen Kooperationen im Absatzkanal treten in vielfältigen ­Anlagen auf: •• Der Inhalt kann sich auf bestimmte Produktgruppen (Alleinvertrieb), Absatzgebiete (Gebietsschutz, Export, Reimport, Weiterexport), Angebotsfristen (Termin-/Lagerklauseln) oder Kundengruppen beziehen (Direktlieferung, Rücklieferung, Vorbehalts-/Selektionsklauseln).

3.7 Vertikale Kooperation im Absatzkanal

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•• Nach der Art gibt es offene und eingeschränkte Systeme (selektive Bindungen bestehen zu mehreren Partnern eines Inhalts, exklusive Bindung besteht nur zu einem Partner je Inhalt). •• Nach der Richtung kann die Verpflichtung einseitig (von der marktschwächeren Seite ausgehend) oder gegenseitig ausgelegt sein. •• Nach dem Fokus kann es sich um inputbezogene (Beschaffung, Eingangslogistik), throughputbezogene (Produktion, Administration) oder outputbezogene Aktivitäten handeln (Verkauf, Kundendienst). •• Die Stufigkeit kann sich auf Hersteller und Großhandel, Hersteller und Einzelhandel oder Großhandel und Einzelhandel (Verbundgruppe) beziehen. Dabei können zwei oder mehr Absatzstufen involviert sein.

Abbildung 57: Vertikale Zusammenarbeit im Absatzkanal

Die wesentlichen Ausprägungen dieser Anlagen werden im Folgenden vorgestellt, so die Abstimmung mit Handelsstufen, die Raumvermietungsgeschäfte des Handels, die Warenvermittlungsgeschäfte des Handels und die Warenverkaufsgeschäfte des Handels.

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3. Der Indirektabsatz

3.7.1 Abstimmung mit der Handelsstufe Innerhalb der Abstimmung mit der Handelsstufe ergeben sich wiederum die Ausprägungen der Rahmenvereinbarung und des Herstellergestützten Mittelstandskreises.

Abbildung 58: Formen des Kontraktmarketing

3.7.1.1 Rahmenvereinbarung Die Rahmenvereinbarung ist eine Absichtserklärung im Zuge des planvereinbarten Marketing, in der zwischen Hersteller und Handel die Eckpunkte des Geschäftsinhalts in Bezug auf Zielumsatz, Bestellsortiment, Stammplatzierung, Umsatzprämie, Leistungen des Abnehmers wie Listungsstandard halten, Neulistungen, Umlistungen, Aktionsrunden, Leistungen des Lieferanten wie Grundkonditionen, Zentralkonditionen, Werbekostenzuschüsse, Zielabstimmung etc. für das nächste Jahr definiert werden. Daran nehmen Key account- bzw. Trade-Manager des Herstellers sowie Zentraleinkäufer des Handels als Repräsentanten ihrer Organisationen teil, die das Gespräch auch detailliert vorbereiten, da es sich für

3.7 Vertikale Kooperation im Absatzkanal

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beide Seiten um ein sensibles Unterfangen handelt. Praktisch werden Rahmenvereinbarungen nur zwischen großen Markenartiklern und wichtigen Absatzmittlern (Großbetriebsformen des Handels) abgeschlossen. Es handelt sich deswegen um ein sensibles Unterfangen, weil die ausgehandelten Konditionen hohen Einfluss auf die Ertragssituation im Geschäftsjahr nehmen, zumal diese quasi als Besitzstand auf den Handel übergehen und im folgenden Geschäftsjahr nicht mehr Ergebnis, sondern vielmehr Ausgangspunkt von Verhandlungen sind. Davon gab es in neuerer Zeit nur eine Ausnahme, im Zuge von Kapazitätsengpässen unmittelbar nach der Wiedervereinigung Deutschlands. Inhalte einer solchen Rahmenvereinbarung sind u. a. folgende: •• Umsatzziele in € nach Vertriebslinien und Produkten getrennt, Leistungen zur Erreichung dieser Ziele, Leistungen des Kunden (Halten des bisherigen Listungsstands, Neulistungen, Umlistungen, Aktionen etc.), Leistungen des Lieferanten (Grundkonditionen, Zentralkonditionen, Anreizkonditionen, Werbekostenzuschüsse etc.), Aktionsplan über Leistungen des Kunden und Leistungen des Lieferanten, Zwischenkontrollen (Milestones) monatlich/ quartalsweise mit nachfolgenden Gesprächen, Marktpreise und Leistungsziele (Auswirkungen von Marktpreisveränderungen auf Kundenumsätze, WKZ’s und Zielerreichungsprämien, Stufenplan nach Zielerreichungsgrad auf Basis von Absatz/Umsatz etc.), Staffelpreise/Sonderpreise/Rabatte, Zahlungs- und Lieferungsbedingungen, Auslieferungsquote, Regalbeteiligung, Merchandising, Delkrederevereinbarung, Qualitätsparameter, Laufzeit der Rahmenbedingungen, Technologie- und Know-how-Transfer, Wettbewerbsklauseln.

3.7.1.2 Herstellergestützter Mittelstandskreis Der herstellergestützte Mittelstandskreis ist ein Zusammenschluss klein- und mittelständischer Händler zur Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Großbetriebsformen der Branche, wobei deren Teilnehmer ausnahmsweise Verabredungen treffen, die Marktwirksamkeit haben. Hersteller dürfen dort auf Ini­ tiative der Händler, meist konstituiert durch einen Beirat, partizipieren, allerdings nicht Mitglied werden, sich engagieren, jedoch keinerlei Druck zur Durchsetzung ausüben. Vielmehr muss die Einigung allein auf Händlerebene zustande kommen. Die kleine und mittlere Größe definiert sich dabei nicht absolut, sondern in Relation zu den Großen der Handelsbranche. So gehören im Handel selbst Großbetriebsformen zum Adressatenkreis. Mittelstandskreise dürfen ihren Mitgliedern gegenüber Empfehlungen aussprechen, auch in Bezug auf Preise, die intern bekannt zu geben und ausdrücklich nur als unverbindlich zu bezeichnen sind (dieser Zusatz ist aber nicht in den Werbemitteln erforderlich). Alle ausgesprochenen Empfehlungen müssen die Leistungsfähigkeit der Beteiligten gegenüber den Branchenriesen zu fördern geeignet sein. Dann brauchen sie nicht beim Kartellamt angemeldet zu werden. Dieses beobachtet jedoch Mittelstandskreise und beanstandet sie bei Missbrauch. Hersteller bieten oft an, bestimmte Produktlinien nur über Mitglieder des Mittelstandskreises zu vertreiben. Diese erhalten dadurch einen Wettbewerbsvorteil und sind aus der Preisvergleichbarkeit herausgenommen. Beispiele

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3. Der Indirektabsatz

finden sich in der Elektrobranche bei Weißer oder Brauner Ware (Rowenta). Als Rechtsform kommt eine GbR in Betracht, die interne Organisation erfolgt durch Selbstverwaltung. Die wichtigsten Vorteile aus Herstellersicht sind stabile Preislagen in größeren Regionen, eine höhere Motivation der Händler für „exklusive“ Mittelstandsware, bessere Produktionsplanung und harmonische Abstimmung im Absatzkanal. Die wichtigsten Nachteile sind die kartellrechtliche Anfechtbarkeit wegen der Selektion der Mitglieder im Handel und des Engagements des Herstellers, zudem die fehlende Mengenwirkung und Distributionskraft der Großbetriebsformen des Handels.

3.7.2 Raumvermietungsgeschäfte des Handels Auch bei den Raumvermietungsgeschäften des Handels (Flächenpartnerschaften) ergeben sich verschiedene Ausprägungen, das Shop in the shop-System, das Store in the store-System, der Rack jobber und die Konzession. 3.7.2.1 Shop in the shop-System Das Shop in the shop-System basiert auf der Untervermietung von Geschäftsfläche im größeren Handel (Dachgeschäft) an Hersteller, wobei diesen ein bestimmter Platz im Laden zugewiesen wird, der auch der eigenständigen Präsentation dient („Koje“). Neben Mietzahlungen werden auch Merchandising-Leistungen wie Möbel, Musik, Werbemittel etc. geboten. Daneben gibt es eine händlereigene Abteilung derselben Category. Vorteile für den Einzelhandel liegen in Folgendem. Es kommt zu einer Auflockerung der Warenpräsentation und zu einer Anreicherung des Sortiments um prominente Marken. Dies erhöht die Attraktivität des Ladengeschäfts. Die Betriebseinnahmen können durch Mietzins erhöht werden. Insgesamt kommt es zu einer Risikominderung und zur Vermeidung von Kapitalbindung. Nachteile entstehen dem Handel aus der Einbuße an Autonomie und der Gefahr der Verwässerung der Corporate identity. Zudem kommt es zu einer Angebotsidentität mit konkurrierenden Dachgeschäften. Synergieeffekte zum eigenen Angebot sind nur begrenzt nutzbar. Vorteile für den Hersteller liegen in Folgendem. Es kommt zur Sicherung knapper Regalplätze an den vorteilhaftesten Standorten. Dabei kann die Corporate identity gewahrt bleiben. Durch den direkten Kontakt zu Endkunden kommt es zu einem Erfahrungsgewinn. Die Kundenfrequenz (Traffic) des Einzelhandels kann genutzt werden, zudem entsteht eine Partizipation an den Werbeaktivitäten des Dachgeschäfts. Gegenüber eigenen Filialen kann zudem die Schwellenangst bei Nachfragern gesenkt werden. Nachteile entstehen Herstellern aus dem erhöhten Organisations- und Abwicklungsaufwand. So kommt etwa die Akquisition, Einsetzung und Steuerung des Personals als Zusatzaufwand hinzu. Es besteht die Ge-

3.7 Vertikale Kooperation im Absatzkanal

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fahr, dass die Dachgeschäfte das Herstellerkonzept kopieren. Außerdem sind meist res­triktive Auflagen des Dachgeschäfts zu beachten. Es handelt sich also um Unterabteilungen, denen Magnetwirkung in I a-Lagen zukommt. Im Ergebnis profitiert der Handel von einer Auflockerung der Präsentation und einer Anreicherung des Sortiments um prominente Marken, der Hersteller sichert sich knappen Regalplatz an besten Standorten und kann dabei noch sein Corporate design wahren. Beispiele dafür sind Esprit, S.Oliver, Tom Tailor, Lerros, Oui, Mustang, Casamoda, Street One, Wrangler. Shop in the shop-Mietregelungen sehen im Einzelnen Folgendes vor: •• Mietgegenstand: Standort des Shop innerhalb des Shop, Regelungen bei Standortveränderungen, Änderung des Mietgegenstands, Kaufoption für Einrichtungsgegenstände bei Vertragsablauf, •• Vertragsdauer und Kündigung: Laufzeit, Kündigungsgründe, Verlängerung, Folgen bei höherer Gewalt, Folgen bei Insolvenz/Vergleich, Zustand der vermieteten Fläche, •• Kostenverteilung zwischen Shop-Mieter und Shop-Vermieter, Steuerabführungen bei Umbaumaßnahmen und Reparaturen, Versicherungen, Streikauswirkungen, •• Mietzins: Höhe der Miete, Feststellung der Miete, Fälligkeit der Miete, Verzugsfolgen, Pfandrecht des Shop-Vermieters, Rückvergütung bei Dysproportionalität, •• Anfangsinvestitionen: für Shopeinrichtung und für sonstige Geschäftsausstattung, •• Angebot von Serviceleistungen des Shop-Vermieters, •• Verwendung des Mietgegenstands: Sortiment, Preislage, Shopname, äußeres Erscheinungsbild, •• Konkurrenzverbot: für den Shop-Mieter, für den Shop-Vermieter, •• Führungs- und Verkaufspolitik des Shops, Handhabung bei Reklamationen, Geschäftszeiten (normal, außergewöhnlich), •• Werbung: Verwendung der Firmierung des Partners, Verwendung der Kundenkartei des Partners, •• Mitarbeiter: Zugehörigkeit, Weisungsbefugnis, Hausordnung, Personalkäufe/-rabatte, •• Haftung: u. a. für Verschulden der Mitarbeiter, gegenüber Rechtsansprüchen Dritter, •• Standards wie Vollständigkeit des Lagerbestands, Servicelevels, Benutzung der Zentralkasse, •• Geheimhaltungsklausel: allgemein, speziell über Erkenntnisse aus der Mietfeststellung, Publizitätsverbot oder -absprache, •• Versorgung durch den Shop-Vermieter mit Strom, Wasser, Klima etc., Erstausrüstung (Leitungen, Rohre etc.), Telefon (Installation, Gebühren), •• Schiedsstelle: für Vertragspartner, für Auseinandersetzungen mit Kunden, •• Schlussklauseln: Haftung, Auswirkungen mündlicher Vereinbarungen, Änderungen und Ergänzungen, allgemeine Gültigkeitsklauseln, Gerichtsstand.

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3. Der Indirektabsatz

3.7.2.2 Store in the store-System Das Store in the store-System ist eine weitergehende Form der Untervermietung, bei der eine komplette Abteilung des Ladenlokals einem Dritten (Hersteller oder Großhandel) zur Bewirtschaftung überlassen wird. Oder ein Laden innerhalb eines Gemeinschaftswarenhauses zugewiesen wird. Daneben gibt es keine händlereigene Abteilung derselben Category. Dieser führt die überlassene Fläche wie ein eigenständiges Geschäft, trägt alle Kosten, behält Gewinne ein und leistet dafür eine Mietzahlung. Beispiele sind Spar-Lebensmittelabteilungen oder Saturn-Unterhaltungselektronikabteilungen bei Galeria Kaufhof. Nur auf diese Weise sind für diese noch attraktive City-Lagen verfügbar. Oft handelt es sich jedoch um frequenzabhängige Abteilungen, die infolge hoher Mietkosten, aufwändiger Präsentation und dauerniedriger Preise kaum rentabel zu führen sind. Weitere Beispiele sind McCafé (McDonald’s), Lavazza, Dinea Restaurant oder Frisör Klier. 3.7.2.3 Hersteller-Rack jobber Beim Hersteller-Rack jobber handelt es sich um einen geringeren Grad der Präsentation und Untervermietung, nämlich nur in Form von Regalflächen, die von Hersteller fest angemietet und selbst bewirtschaftet werden. Die Erlöse werden getrennt abgerechnet. Der Rack jobber übernimmt auf eigene Rechnung die Warenbereitstellung und das Merchandising, also die Platzierung der Warengruppen und Artikel, die Gestaltung der Schaufläche, die Auszeichnung der Waren, die Aufstellung von Displays/Verkaufshilfen, die Abwicklung von Reklamationen und die logistische Organisation. Der Händler stellt somit nur den Platz zur Präsentation zur Verfügung. Ersterer profitiert von der Agglomerationswirkung der frequentierten Geschäftsstätten, Letzterer von der Arrondierung seines Sortiments und der Zahlung von Miete und Umsatzprovision. Rack jobber eignen sich für den Handel bei kleinpreisigen Ergänzungssortimenten und problemlosen (selbst­bedienungsfähigen) Artikeln, die verkaufsförderungsbetont und risikobehaftet sind, denn der Rack jobber trägt Beschaffungs-, Lagerungs-, Transport-, Bereitstellungs-, Service- und Rücknahmerisiken. Beispiele sind Herlitz Schreibwaren, Alpha Bild- und Tonträger oder Wenco Haushaltswaren. Ein weiteres Beispiel ist das Tchibo-Präsentation im LEH, dort werden in der Regie von Tchibo Kaffee und Merchandising-Artikel platziert, disponiert und dekoriert. Vorteile für den Hersteller sind der direkte Kontakt zu Endabnehmern, die Erzielung von Wettbewerbsvorteilen dadurch und der Zuwachs von Marktkenntnissen. Nachteile liegen in der Übernahme der Distributionsfunktion und der Abhängigkeit von der Handelsstufe. Vorteile für den Händler sind die Verringerung des Absatzrisikos und -aufwands sowie die Verantwortungsdelegation, der Anfall konstanter Einnahmen mit aktuel-

3.7 Vertikale Kooperation im Absatzkanal

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ler Ware. Nachteile liegen in der Abhängigkeit vom Hersteller, Ausfällen bei eigenen Umsätzen und der Autonomieeinbuße. 3.7.2.4 Konzession Die Konzession betrifft Händler, die im Rahmen eines Untervermietungs­ systems in Ladenpassagen, Einkaufszentren, Gemeinschaftswarenhäusern etc. sortimentsergänzende oder periphere Angebote machen und dafür Verkaufsfläche als Ladenlokal eingeräumt erhalten (zur Abgrenzung von Konzessionären in der Gastronomie mit Ausschankerlaubnis durch Brauereien oder von Lizenznehmern). Konzessionäre sind rechtlich selbstständig, jedoch in strenge Generalklauseln eingebunden. Aufgrund des Pachtcharakters stehen ihnen die Erträgnisse ihrer Tätigkeit voll zu, sie leisten dafür jedoch, teils erfolgsabhängige, Pachtzinszahlungen. Der Verpächter profitiert von der Abrundung seines Serviceangebots (One stop shopping) und erhöht damit die Attraktivität seiner gesamten Geschäftsstätte, zudem erhält er Mieteinnahmen, die Pächter profitieren von der Agglomerationswirkung der Einkaufsstätte, die einen Traffic generiert, den sie selbst nicht darzustellen imstande wären. Nachteilig sind die Einschränkung der Dispositionsfreiheit beim Pächter und der Verwaltungsaufwand beim Verpächter. Beispiele sind Pächter wie Bäckereien, Fachhändler für Tierbedarf, Gastronomiebetriebe wie Cafés oder Schnellrestaurants, Dienstleistungsflächen für Friseure, Schlüsseldienste, Reinigungen, Lotto-Toto-Annahmestellen etc. im Vorraum von Einkaufszentren. Denkbar ist auch die Nutzung von Außenflächen, etwa für eine Tankstelle auf dem Parkplatz oder für ambulante Händler für Schmuck, Mobiltelefonie, Fotografie etc. im Eingangsbereich.

3.7.3 Warenvermittlungsgeschäfte des Handels Bei den Warenvermittlungsgeschäften des Handels gibt es zwei unterschied­ liche Ausgestaltungsformen, den Agenturvertrieb und den Konsignationsvertrieb. 3.7.3.1 Agenturvertrieb Beim Agenturvertrieb wirken Distributoren als Handelsvertreter für Hersteller und vertreiben Ware für deren Rechnung und in deren Namen als Agenten. Damit verbunden sind ein einheitliches Präsentationskonzept und Gebietsschutz. Da die Handelsstufe nur als Absatzhelfer agiert, ist sie weisungsgebunden hinsichtlich aller Auftragsparameter. Daraus ergeben sich als Vorteile aus Herstellersicht eine hohe Distributionsdichte durch Gewinnung kleinerer Händler, eine einfache Einsatzlenkung und

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3. Der Indirektabsatz

leichte Kommunikation, die Möglichkeit der festen Preisvorgabe, eine bevorzugte Platzierung durch Empfehlung der Agenturware und die Feinsteuerung durch differenzierte/variierte Provisionssätze. Nachteile, die sich daraus aus Herstellersicht ergeben, sind, dass die Finanzierungs- und Umsatzrisiken allein beim Hersteller liegen, ein Rückgaberecht der Absatzhelfer für nicht verkaufte Ware besteht, die Versuchung zur gegenseitigen Preisunterbietung durch Provisionsweitergabe gegeben ist, Einbußen an Wettbewerbsflexibilität durch starre Preisangaben entstehen und preisaggressive, moderne Betriebsformen hier nur schwierig einzubinden sind, da sie sich ihres wichtigsten Wettbewerbsparameters begeben. Vorteile aus Absatzhelfersicht sind hingegen die Folgenden. Es kommt zur Ausschließung des Preiswettbewerbs in Bezug auf die Agenturware, gesicherte Spannen sind durch feste Provision für jedes vermittelte abgeschlossene Geschäft gegeben, nur eine begrenzte Anzahl konkurrierender Absatzhelfer im Einzugsgebiet ist vorhanden, und die enge Anbindung macht umfangreiche akquisitorische Unterstützung des Herstellers möglich. Nachteile aus Absatzhelfersicht sind vor allem folgende. Es besteht Vergleichbarkeit der Absatzstellen durch Ausfall des wichtigsten Wettbewerbsparameters Preis, die Bevorzugung der Agenturware geht zu Lasten der Präsentation des übrigen Sortiments, eine hohe Abhängigkeit von einer dauerhaft erfolgreichen Geschäftspolitik des Herstellers der Agenturware ist gegeben und hohe Investitionen in ein Vertriebsinformationssystem sind erforderlich. Beispiele finden sich bei Mineralölkonzernen (Marken-Tankstellen) und Reiseunternehmen (Lufthansa-Agentur) etc. 3.7.3.2 Konsignationsvertrieb Beim Konsignationsvertrieb erfolgt der Absatz im Handel zwar in eigenem Namen, aber auf fremde Rechnung. Der Kommittent (Hersteller) bleibt auf diese Weise Eigentümer (nicht Besitzer) der Ware und kann weitreichenden Einfluss auf deren Vermarktung nehmen. Der Abnehmer (Kommissionär) schließt mit seinem Lieferanten einen Kommissionsvertrag ab, wobei der Lieferer Eigentümer der Ware bleibt, der Abnehmer aber deren Besitzer wird. Endkunden können nur durch Nachprüfung erkennen, wem die Ware gehört. Der Erlös geht in vollem Umfang an den Kommittenten, dieser erstattet dem Kommissionär eine Provision darauf. Oder der Kommissionär zieht die Provision gleich vom eingezogenen Betrag ab und leitet den Restbetrag weiter. Für nicht verkaufte Ware hat er ein Rückgaberecht. Meist wird deren Wert dem Rechnungsbetrag für die nächste Lieferung gutgeschrieben. Daraus ergeben sich als Vorteile aus Herstellersicht, dass festgesetzte einheit­ liche Preise vorgegeben werden können, eine straffe Organisation und rasche Aktionsfähigkeit gegeben ist und ein direkter Informationsfluss vom Absatzhelfer an Hersteller besteht. Nachteile, die sich aus Herstellersicht ergeben, sind das erforderliche hohe Finanzierungsvolumen durch zumindest einmalige Vorfinanzierung

3.7 Vertikale Kooperation im Absatzkanal

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der Ware, die schwierige Einbindung preisaggressiver, moderner Betriebsformen und die wettbewerbsrechtliche Problematik. Vorteile für Absatzhelfer sind hingegen die Folgenden. Es besteht kein Absatzund Finanzierungsrisiko für die Kommissionsware, es ist eine gesicherte Rendite bei Absatz gegeben, einige der akquisitorischen Tätigkeiten werden vom Hersteller übernommen. Nachteile aus Absatzhelfersicht sind vor allem folgende. Ein eigenständiges Marketing zur Differenzierung vom Mitbewerb ist durch zahlreiche Vorgaben erschwert, die unvoreingenommene Umsetzung der eigenen Absatzstrategie ist durch die wirtschaftliche Abhängigkeit behindert, und Erfolg und Image des Kommittenten beeinflussen die eigene Geschäftsstätte und engen Transferbedingungen ein. Ein Beispiel findet sich im Tchibo-Nebengeschäft der Bäckereien, die in Bezug auf Brot und Backwaren Absatzmittler sind, in Bezug auf Kaffee und Merchandising-Artikel aber Kommissionäre. Tchibo bietet dabei ein erprobtes Filialkonzept, schlüsselfertige Läden, Shopbewertung und Umsatzprognose zur besseren Planung, fortlaufende betriebswirtschaftliche Erfolgskon­ trolle incl. Betriebsvergleich, Einarbeitung und laufende Schulungen, Ansprechpartner im Außendienst etc. Tchibo fordert im Gegenzug Erfahrung im Verkauf/Gastronomie und im Umgang mit Kunden, Erfahrung in der Personalführung, kaufmännische Kenntnisse, Kostenbewusstsein, Organisationstalent, Einhaltung eines einheitlichen Shopauftritts, Verzicht auf andere berufliche Tätigkeiten etc. Die Einstiegsgebühr beträgt 10.000 €, hinzu kommt eine Kaution über 20.000 € (auch als Bankbürgschaft).

Weitere Beispiele sind Autohändler (Gebrauchtwagen), ebay-Shop, Kartenvorverkauf in Reisebüros, Kunst- und Antiquitätenhandel, Briefmarkenhandel etc.

3.7.4 Kooperative Warenverkaufsgeschäfte des Handels Bei den kooperativen Warenverkaufsgeschäften des Handels (vertikale Vertriebsbindungen) bestehen wiederum mehrere Möglichkeiten, das Depot-, das Franchising- und der Vertragshändlersystem. 3.7.4.1 Depotsystem Beim Depotsystem im Eigenhandel beliefert der Hersteller den Handel ­selektiv unter der Voraussetzung der Sortimentsabnahmepflicht (Franchise- und Vertragshändler-Systeme sind exklusiv). Dadurch führen ausgewählte Händler ein repräsentatives Angebot der Marke, beraten diese kompetent und bevorzugt und präsentieren sie prominent. Ansonsten sind sie frei in der Geschäftsführung. Der Hersteller leistet umfangreiche Marketing-Hilfestellung, vor allem durch attraktive Produkte und vorverkaufende Werbung. Beispiele sind hochwertige Kosmetik­marken in Parfümerien oder exklusive Uhrenmarken bei Juwelieren. Im Unterschied zu Warenvermittlungsgeschäften wird der Depothändler Eigen-

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tümer der Ware und trägt daher auch alle damit verbundenen Kosten und Risiken. Dafür ist er frei in der Geschäftsführung. Da es sich bei der Depotware um vorverkaufte, hoch attraktive Produkte handelt, deren Produzent jedoch auf einer vertikalen Vertriebsbindung besteht, ist er bereit, als Gegenleistung für die Aufnahme in die Distribution bestimmte Verpflichtungen einzugehen. Dazu gehört die Führung eines repräsentativen Sortiments, da der Hersteller bei nur begrenzter Distribution darauf angewiesen ist, dass in den wenigen Absatzstellen sein Programm möglichst vollständig vertreten ist. Dazu gehört auch die bevorzugte Beratung der im Depot geführten Waren, indem die Präferenz des Herstellers für den Absatzmittler von diesem an seine Endabnehmer weitergegeben wird. Und die prominente Präsentation der Depotwaren im Innenraum/Eingangsbereich und Schaufenster, damit Kunden dieses Angebot zuvörderst gewahr werden. Das Depotsystem des hoch preisigen Unterhaltungselektronik-Herstellers Bang & Olufsen sieht folgende Stufen vor. Das B 1-Center führt ausschließlich B & O-Produkte und ist damit der herstellerexklusive Point of sale. Das B 2-Center führt hauptsächlich B & O-Produkte sowie ergänzende Randprogramme anderer Hersteller. Und der Studiohändler führt ausgewählte B & O-Produkte mit bevorzugter Präsentation am Handelsplatz.

3.7.4.2 Franchising 3.7.4.2.1 Inhalt Das Franchising ist ein vertikal kooperativ organisiertes Absatzsystem rechtlich selbstständig bleibender Unternehmen auf Basis eines vertraglichen Dauerschuldverhältnisses. Dieses System tritt am Markt einheitlich auf und wird durch ein arbeitsteiliges Leistungsprogramm der Systempartner geprägt, sowie durch ein Weisungs- und Kontrollsystem zur Sicherung systemkonformen Verhaltens. Beispiele sind McDonald’s (zwischen Hersteller und Einzelhandel), Coca Cola (zwischen Hersteller und Großhandel), Ihr Platz (zwischen Großhandel und Einzelhandel). Franchise-Systeme bilden u. a. Foto Quelle, Schülerhilfe, Ouick Schuh, Studienkreis, FirstReisebüros, Musikschule Fröhlich, McDonald’s, Sunpoint, OBI, Cleanpark, Ayk Beauty Sun, Wap Waschbär, Yamaha Musikschulen, Portas, Getifix, Kleenothek, Aufina, Biffar, Der Teeladen, Joey’s Pizza.

Das Leistungsprogramm des Franchisegebers besteht aus einem umfangreichen und vielfältigen Beschaffungs-, Absatz- und Organisationskonzept, das ständig weiterentwickelt wird, der Nutzungsmöglichkeit von Gewerblichen Schutzrechten, der Aus- und Weiterbildung des Franchisenehmers und der Verpflichtung, diesen aktiv und laufend zu unterstützen, der Bereitstellung von Produkt-, Firmen- und Markenzeichen, der Überlassung von System-Know-how, der Gewährung von Nutzungsrechten am Systemimage, der Hilfe bei Betriebsaufbau, Wer-

3.7 Vertikale Kooperation im Absatzkanal

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bung, Verkaufsförderung, Aktionen, Sortimentsplanung, laufender Beratung auf allen Betriebsgebieten, betriebswirtschaftlichen Dienstleistungen und Organisationshilfsmitteln, Erfahrungsaustausch, Belieferung bzw. Nachweis von Bezugsgelegenheiten zu festgesetzten Konditionen, Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit des Systems, Gewährung von Gebietsschutzrechten etc. Der Franchisenehmer liefert im Gegenzug dazu Arbeit, Kapital und Information an, führt das Geschäft nach vorgegebenen Richtlinien, verwendet Marke und Zeichen des Franchisegebers, setzt sich vorbehaltlos für das System ein, wahrt alle Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, meldet periodisch Daten und Ergebnisse, bezieht ausschließlich beim Franchisegeber oder bei von diesem vorgegebenen Bezugsquellen, duldet Kontrollen und Inspektionen im Betrieb, erkennt das Weisungsrecht des Franchisegebers an, bildet Sortimente nach einzuhaltenden Systemstandards, nutzt das Dienstleistungsangebot etc. Franchisesysteme lassen sich somit anhand der Merkmalsgruppen System, Franchisegeber und Franchisenehmer beschreiben. Wesentliche Systemmerkmale sind folgende: •• vertikale Kooperationsform selbstständiger Unternehmen, langfristig orientierte vertragliche Bindung, bilaterales Dauerschuldverhältnis zur Erfüllung des Systemzwecks, einheitliches Auftreten am Markt, Präsentation ähnlich einem Filial­ system, arbeitsteiliges Leistungsprogramm der Systembeteiligten. Wesentliche Franchisegeber-Merkmale sind folgende: •• Bereitstellung von Nutzungsrechten für Marken, Namen und Patentrechte gegen Gebühr, Bereitstellung eines umfassenden Leistungspakets und von gewerb­ lichem Know-how, Bereitstellung eines bewährten Absatz- und Organisationssystems, Berechnung einer einmaligen und/oder laufenden Franchisegebühr, umfassende Weisungs- und Kontrollrechte. Wesentliche Franchisenehmer-Merkmale sind folgende: •• rechtliche und wirtschaftliche Selbstständigkeit, Nutzung von Marken, Einsatz von persönlicher Arbeitskraft und eigenem Kapital, Übernahme unter­ nehmerischen Risikos, Pflicht zu systemkonformem Verhalten, Informationspflicht. Als Erfolgsfaktoren des Franchisesystems sind vor allem folgende zu nennen: •• arbeitsteilige Konzentration auf die jeweiligen Kernkompetenzen mit Funktions­ bündelung, Nutzung der Motivation, von Synergiepotenzialen und Größeneffekten des gesamten Systems, Schaffung von Marktzutrittsbarrieren für potenzielle Konkurrenten bei gleichzeitiger Steigerung der Attraktivität für Interessenten, sich an diesem System zu beteiligen, Standardisierung der internen und externen Leistungen, marktnahe, individuelle Kundenbetreuung unter einem gemeinsamen Markendach.

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Zweck des Franchisesystems ist es, filialähnliche Systeme zu bilden, in denen durch interorganisationale Arbeitsteilung Produktions- und Koordinationskosten gesenkt und zugleich die strategische Flexibilität verbessert werden kann. Franchising kann sich auf den Vertrieb von Produkten, die Erbringung und den Vertrieb von Dienstleistungen oder die Produktion und den Vertrieb von Produkten beziehen: •• Beim Vertriebsfranchising verkauft der Franchisenehmer bestimmte, fremd hergestellte Waren in seinem Geschäft, welches den Namen seines Franchisegebers trägt. Beispiele sind OBI, Der Teeladen oder Yves Rocher. •• Beim Dienstleistungsfranchising erstellt der Franchisenehmer mit Hilfe des Know-how, das er vom Franchisegeber vermittelt erhält, eine Dienstleistung selbst, die er auch verkauft. Beispiele sind McDonald’s, Burger King, Holiday Inn, Musikschule Fröhlich. •• Beim Produktionsfranchising vertreibt der Franchisenehmer Produkte, die er selbst nach Produktionsverfahren bzw. Rezeptur des Franchisegebers hergestellt, bearbeitet oder veredelt hat. Dazu nutzt er das Know-how seines Franchise­ gebers. Der Unterschied zum reinen Lizenzsystem liegt im mit­gelieferten Organisations- und Vermarktungskonzept. Beispiele sind Portas oder Biffar. Hinsichtlich der Stufigkeit kann beim Vertriebsfranchising die Produktion der Produkte auch beim Franchisegeber liegen, dann fungiert dieser als Hersteller (Herstellerfranchising). Oder der Franchisegeber bezieht die abzusetzende Produkte seinerseits von einem Hersteller, dann fungiert er als Großhändler (Großhandelsfranchising). Bekanntestes Beispiel ist hier Coca-Cola. Aus dem Vertrag ergeben sich umfangreiche gegenseitige Pflichten zur Förderung der gemeinsamen Ziele, so z. B. Know-how-Transfer durch Systemerfahrung und Reglementierung des Informationsaustauschs, Marketingimageaufladung durch Partizipation und Förderung eines Vertrauensverhältnisses, Motivation, Betriebsaufbau durch Hilfe bei Standortwahl bis zur schlüsselfertigen Übergabe, Services für Werbemittel, Finanzierung, Betriebsführung, Geschäftsplanung, Ausrüstungs-, Warengestellung durch Qualitätsstandards für erfolgreiche und erprobte Produkte seitens des Franchisegebers, aber auch z. B. Engagement durch Initiative, Risikoübernahme durch unternehmerische Selbstständigkeit, ökonomische Transparenz durch Erfahrungsaustausch und Weiterentwicklung, Marktdurchdringung mit Gebietsschutz, laufende Gebührenzahlung für Miete, Werbeumlage, Abschreibung, Lizenzentgelt, Warenzahlung für Großeinkauf unter Bezugsbindung seitens des Franchisenehmers.

Organisatorischer Kern des Franchisesystems ist die Systemzentrale. Sie betreibt die erfolgreiche Entwicklung des Geschäftskonzepts sowie die Etablierung und Weiterführung der Franchisebetriebe. Dazu wird zunächst ein Franchise­paket entwickelt. Alle zukünftigen Bestandteile werden darin weitestgehend festgelegt und in einem eigenen Pilot­betrieb getestet sowie die Geschäftsprozesse und die Ausstattung bestimmt. Dann sucht die Systemzentrale geeignete Partner, um das

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Konzept zu vervielfältigen. Die Partner werden langfristig eingebunden. Die Auswahl erfolgt anhand strenger Kriterien. Kontinuierlich geht es um die Pflege und Weiterentwicklung des Systems. Die vorgegebenen Standards müssen auf ihre Einhaltung hin kontrolliert werden. Die Franchisenehmer sollen sich auf ihre operativen Kernaufgaben konzen­ trieren, den Verkauf von Produkten, die Erbringung von Dienstleistungen und die Führung der Mitarbeiter. Daraus wird ersichtlich, dass der Franchisegeber in zwei Märkten aktiv ist, zum einen im Markt potenzieller Franchisenehmer, und zum anderen im Markt der Endkunden. Basis der Zusammenarbeit ist der Franchisevertrag. Nach deutschem Recht gibt es kein gesondertes Franchiserecht, sondern es sind unterschiedliche Bestandteile des Lizenz-, Know-how-, Gesellschafts-, Warenlieferungs- und Kaufvertrags involviert. Zwischenzeitlich sind zahlreiche Gerichtsurteile dazu aufgelaufen. Außerdem gibt es einen Verhaltenskodex für Franchising. Aufgrund der Vertragsfreiheit ist die Gestaltung der Inhalte grundsätzlich frei. In einer Präambel wird eine Zusammenfassung des jeweiligen Franchisekonzepts gegeben und die Selbstständigkeit des Franchisenehmers betont. Dann werden die Pflichten des Franchisegebers genannt, z. B. die Überlassung der Marken-/Firmenzeichennutzung und die Übertragung von Know-how. Für Details wird auf das Franchisehandbuch verwiesen, das jeweils dem aktuellen Stand angepasst werden kann. Bei den Pflichten des Franchisenehmers geht es vor allem um die Zahlung von einmaligen und laufenden Gebühren sowie Wettbewerbsverbote. Abschließend folgen Regelungen zur Vertragsverlängerung, zu Kündigungsbestimmungen, Abfindungsansprüchen etc. Die Inhalte stellen sich dann ungefähr wie folgt dar: •• Präambel, Gegenstand des Franchise, Vertragsgebiet, Lage und Gestaltung des Franchisebetriebs, Vertragspartner des Franchisevertrags, Leistungspflichten des Franchisegebers, Schulungen des Franchisenehmers, Mitwirkungspflichten des Franchisenehmers, Werbung/Öffentlichkeitsarbeit, Franchisehandbuch, Leistungspflichten des Franchisenehmers, Bezugsverpflichtung des Franchisenehmers, gegenseitige Unterrichtung und Geheimhaltungspflicht, Gewerbliche Schutzrechte des Franchisegebers, Wettbewerbsverbot, Franchisegebühr, Kon­ trollrechte des Franchisegebers, Berichtswesen und Buchführung, Übertragbarkeit und Vorkaufsrecht, Vertragsdauer und Kündigung, Folgen der Vertragsbeendigung, Vertragsstrafe, Haftung des Franchisenehmers, Nebenabreden und Teilnichtigkeit, Belehrung über das Widerrufsrecht, Vertragsausfertigungen, Sub-Franchisen, Versicherungen des Franchisenehmers. Im Franchisehandbuch sind sämtliche Informationen über das System in Wort und Bild festgehalten. Sie beziehen sich auf die Organisation des Franchise­ betriebs, dessen Einrichtung und Ausstattung, Anweisungen zur Ausführung der Leistungen, Informationen über das Bestell- und Lieferwesen, Marketing und Werbung sowie Formulare. Die Inhalte werden in Schulungen für das tägliche Geschäft nutzbar gemacht. Solche Schulungen finden üblicherweise vor Geschäfts­

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3. Der Indirektabsatz

eröffnung statt sowie fortlaufend aktualisiert oder bei organisatorischen Veränderungen. Je nach System werden dafür Kostenbeiträge fällig. Eine rechtliche Notwendigkeit ergibt sich aus der GruppenfreistellungsVO für Franchising. Damit sind anderweitig als wettbewerbsbeschränkend auszulegende Sachverhalte legal, sofern ein Franchisesystem vorliegt. Zum Nachweis eines solchen Systems dient u. a. das Handbuch. Da dessen Inhalte einem stetigen Wandel unterworfen sind, ist es zweckmäßig, sie nicht explizit zum Vertragsbestandteil zu machen, sondern auf die Dokumentation als Vertragsbestandteil hinzuweisen. Dort ist der tatsächliche Rahmen der Zusammenarbeit zwischen Franchisegeber und Franchisenehmer niedergelegt. Die Inhalte können einseitig durch den Franchisegeber geändert werden, sofern damit nicht gegen andere Gesetze verstoßen wird. Die Franchisenehmer zahlen für die Weitergabe des Know-how an sie, für ihre Nutzung eines fremden Markenzeichens etc. eine Franchisegebühr. Diese Gebühr ist grundsätzlich frei aushandelbar, darf jedoch nicht gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen (z. B. Wucher). Die Gebühr unterteilt sich in eine einmalige Eintrittsgebühr, durch welche die Übernahme des Geschäftsmodells abge­golten wird sowie laufende Gebühren, durch welche die Fortentwicklung des Systems durch den Franchisegeber abgegolten wird. Der Verlauf dieser Gebühren kann linear, progressiv oder degressiv ausgelegt sein und bezieht sich zumeist auf den Umsatz als Basisgröße. Gelegentlich wird auch eine Mindestgebühr oder Pauschale vereinbart. Hinzu kommt häufig eine Werbegebühr, durch welche die Bekanntmachung/-haltung des Systems abgegolten wird. Die Höhe der Gebühren ist individuell abweichend. Es kommt auch vor, dass keine laufende Gebühr zu entrichten ist, dann besteht aber eine Warenbezugsverpflichtung, in die dieser Betrag bereits eingerechnet ist (verdeckte Franchisegebühr). Für gewöhnlich installieren neue Franchisesysteme einen Pilotbetrieb, welcher die Umsetzungsfähigkeit des Systems beweist. Oft wird dieser Betrieb durch den Franchisegeber selbst geführt. Er dient auch der laufenden Optimierung der Angebotsbestandteile. 3.7.4.2.2 Beurteilung Wesentliche Chancen des Franchisenehmers sind folgende: •• Risikominderung: Ein erprobtes Geschäftskonzept und die Hilfestellung der Systemzentrale sichern den Weg in die berufliche Selbstständigkeit ab. Ein wesentlicher Teil der bei einer Unternehmensgründung anfallenden Aufgaben wird dem Franchisenehmer von qualifizierten Spezialisten aus der Systemzentrale abgenommen. Dadurch kann er typische Gründungsfehler vermeiden und sich auf die in der Startphase entscheidenden Absatzbemühungen konzentrieren. Aber auch in den späteren Phasen der Geschäftsentwicklung hilft ihm das wirtschaftliche, organisatorische und branchenspezifische Know-how

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des Franchisegebers, Fehler zu vermeiden. Durch Arbeitsteilung kann sich der Franchise­nehmer um die Erfüllung von Kundenwünschen und die Lösung von Kundenproblemen kümmern, statt sich bei der Erledigung einer Vielzahl von Aufgaben aufzureiben. •• Renommee: Die an einem erfolgreichen System beteiligten Franchisenehmer können erhebliche Vorteile aus einem bereits bekannten Markenverbund ziehen. Schon in der Startphase lassen sich mit einem bekannten und imageträchtigen Namen Markteintrittsbarrieren leichter überwinden und der Zugang zum Markt beschleunigen. So sorgt die Beteiligung an einem renommierten Franchisesystem für einen Vertrauensvorschuss auf Seiten der Kreditgeber. Auch im Kundenkreis stößt der Franchisenehmer auf einen bereits vorhandenen Goodwill gegenüber seinem Angebot. Im harten Wettbewerb erweisen sich Bekanntheitsgrad und positive Imagefaktoren im Zweifelsfall als entscheidend. •• Koordination: Die Franchisezentrale erhöht durch Koordination der Maßnahmen aller Beteiligten die Schlagkraft des Systems. Durch das sich erweiternde Franchisenetz erfährt das System eine Stärkung seiner Marktmacht, die z. B. bei gemeinschaftlichen Einkäufen gezielt zur Erlangung von Mengenrabatten eingesetzt werden kann. Auch lassen sich manche Marketinginstrumente erst ab einer gewissen Größenordnung und Marktpräsenz effizient einsetzen. Die Kostenvorteile stärken die Wettbewerbsposition des gesamten Systems. •• Kooperation: Die Zusammenarbeit innerhalb des gemeinsamen Systems trägt zur Steigerung der beidseitigen Leistungsfähigkeit bei und verschafft Franchise­ systemen unübersehbare Wettbewerbsvorteile. Der in einem funktionierenden partnerschaftlichen System anzutreffende Teamgeist setzt eine Eigendynamik in Gang, von welcher die Beteiligten profitieren. Der Erfahrungsaustausch innerhalb des Systems und die fortgesetzte Betreuung durch die Systemzentrale helfen dem einzelnen Franchisenehmer, auch schwierige Phasen der Geschäfts­ entwicklung erfolgreich zu überstehen. •• Produktivität: Durch den Erfahrungsvorsprung des Franchisegebers bei der Eröffnung eines neuen Betriebs kann die Vorbereitungs- und Anlaufzeit der Unternehmung deutlich verkürzt werden. Dies ermöglicht eine Reduktion der Gründungskosten. Die für Franchisesysteme charakteristische Arbeitsteilung erlaubt eine rationellere Betriebsführung als sie einem individuellen Unternehmer möglich wäre. Auf diese Weise kann er die Produktivität der ausgeübten Tätigkeit gegenüber klassischen Existenzgründungen steigern und innerhalb kürzerer Zeit die Gewinnzone erreichen. Wesentliche Risiken des Franchisenehmers sind folgende: •• Anforderungen: Von einem Franchisenehmer werden regelmäßig soziale Fähigkeiten erwartet, wie sie ihm in diesem Ausmaß zuvor nur selten abverlangt wurden. Er soll sich nicht nur zu einen zielstrebigen Unternehmer entwickeln, sondern mit hohem Einfühlungsvermögen seine Mitarbeiter motivieren, mit der

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3. Der Indirektabsatz

Systemzentrale konstruktiv kommunizieren sowie sich in ein Team letztlich womöglich konkurrierender Partner integrieren. In der Praxis erweisen sich diese gegenläufigen Anforderungen bisweilen als Quadratur des Kreises und sorgen für Frustration und Irritation. •• Leistungsbewertung: Die angemessene Bewertung der Leistungen eines Franchisegebers ist überaus schwierig. So mangelt es vielfach an Transparenz aufgrund von Geheimhaltungserfordernissen. Nur selten lassen sich Angebote wirklich vergleichen. Entsprechend schwierig ist es für einen künftigen Franchisenehmer, die Angemessenheit der geforderten Gegenleistungen zu beurteilen. Dies gilt umso mehr, als sich nicht mit Sicherheit voraussagen lässt, in welcher Weise der Franchisegeber seine Verpflichtungen erfüllen wird. Bei seinen Erkundigungen ist der künftige Franchisenehmer auf Aussagen Dritter angewiesen, die sich auf Vergangenheitsdaten beziehen. Daher ist es unerlässlich, vorab Referenzen einzuholen. •• Bindungen: Nach Abschluss des Franchisevertrags sieht sich der Franchise­ nehmer einer Vielzahl von Verpflichtungen gegenüber. Insb. muss er das Weisungs- und Kontrollrecht des Franchisegebers akzeptieren, welches der Umsetzung des Franchise-Konzepts zugrunde liegt. Gleichzeitig ist er gezwungen, seiner eigenen Kreativität Zügel anzulegen, um nicht die Grenzen des Franchise­ konzepts zu sprengen. •• Abhängigkeit: Obgleich der Franchisenehmer als selbstständiger Unternehmer angesehen wird, ist er in hohem Maße von der Geschäftspolitik und den Entscheidungen des Franchisegebers abhängig. Nicht immer entsprechen die Leistungen des Franchisegebers den in sie gesetzten Erwartungen, was den Geschäftserfolg beeinträchtigt. Auch muss der Franchisenehmer u. U. mit seinem eigenen Geschäft für Fehler einstehen, welche der Franchisegeber und/oder andere Franchisees zu verantworten haben. Als Gemeinschaft haben alle Partner die Folgen etwaiger Imageverluste ihres Systems zu tragen. •• Einschränkungen: Nach Beendigung der Franchisevereinbarung kann der Franchisenehmer in der Regel nicht frei über seinen Betrieb verfügen. So wird sich der Franchisegeber aus nachvollziehbaren Schutzbedürfnissen heraus die Möglichkeit vorbehalten, den Käufer oder Erben des Betriebs als Nachfolger abzulehnen bzw. ein eigenes Vorkaufsrecht wahrzunehmen. Wesentliche Chancen des Franchisegebers sind folgende: •• Personalkosten: Als selbstständige Unternehmer, die eigene Mittel in den Betrieb investiert haben, sind die Franchisenehmer meist hoch motiviert und engagiert. Dies ermöglicht in der Systemzentrale vergleichsweise schlanke Strukturen und niedrige Personalkosten. Die Spezialisten in der Zentrale werden von der operativen Routine nicht tangiert und können sich auf strategische Fragen, die Entwicklung des Systems sowie die Einarbeitung und Beratung ihrer Partner vor Ort konzentrieren. Bei Personalproblemen des Franchise­nehmers

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beschränkt sich die Systemzentrale grundsätzlich auf Hilfestellung, da diese Aufgaben im Rahmen der Arbeitsteilung sinnvoller von den Partnern vor Ort wahrgenommen werden können. Dadurch wird der Franchisegeber mit den Kosten und Risiken des Personalwesens nicht selbst belastet. •• Expansion: Die wirtschaftliche Expansion birgt erhebliche finanzielle Risiken. Im Vergleich zur Gründung eigener Filialen ist das unternehmerische Risiko des Franchisegebers beim Aufbau von Franchisebetrieben gering, da die rechtlich selbstständigen Partner ihre Investitionen und laufenden Kosten selbst tragen. Jeder erfolgreiche Franchisebetrieb stärkt finanziell und imagebezogen das gesamte System und trägt so zu einem beschleunigten Ausbau bei. •• Kapitalbedarf: Die Vervielfältigung eines erfolgreichen Pilotprojekts ermöglicht schnelle Umsatzsteigerungen. Da sich die Franchisenehmer mit ihren Gebühren und Investitionen an den Kosten der Expansion beteiligen, kann der Kapital­bedarf des Franchisegebers deutlich gesenkt werden. Die Systemzen­ trale muss auf diese Weise weniger Eigenkapital in Anspruch nehmen und hat geringere Zinsen für Fremdkapital aufzubringen. Dadurch lässt sich die Expansion deutlich beschleunigen. •• Kundennähe: Franchisenehmer bringen ihre Fähigkeiten, Erfahrungen und Kontakte vor Ort in die Partnerschaft ein. Erfahrungsgemäß bemühen sich selbstständige Franchisenehmer intensiver als angestellte Manager um ihre Kunden. Auf diese Weise schließt die partnerschaftliche Orientierung von Franchise­ systemen die Kundenbeziehung mit ein. Da das Franchisesystem nur den Rahmen ihrer Tätigkeit absteckt, können die einzelnen Partner vor Ort schnell und flexibel auf veränderte Kundenwünsche und Konkurrenzaktivitäten reagieren. In dem sich verschärfenden Wettbewerbsumfeld wird die Maximierung des Kundennutzens bei Wahrung einer angemessenen Rendite zum Schlüssel des wirtschaftlichen Erfolgs. •• Marktbeobachtung: Der Franchisegeber stützt sich bei der Ausgestaltung des Marketing-Mix und der Weiterentwicklung des Systems auf die Informationen seiner Partner, die ihre Kenntnisse und Erfahrungen ständig untereinander austauschen und an die Zentrale weiterleiten. Mit dem kontinuierlichen Informationsfluss aus den Franchisebetrieben steht der Systemzentrale ein exzellentes Marktinformationsinstrument zur Verfügung. Die Bedeutung einer zentralen Kundendatenbank zur Erstellung von detaillierten Kundenprofilen kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. •• Frühwarnsystem: Zur frühzeitigen Wahrnehmung der vielschichtigen, wechselhaften und miteinander verbundenen Strömungen des Marktes benötigen Unternehmen immer empfindsamere Antennen. Aufgrund der engen Kontakte, die Franchisenehmer mit ihren Kunden pflegen, stoßen sie wahrscheinlich früher auf neue Strömungen als die Experten in der Zentrale. Erfolgreiche Franchisegeber sorgen für eine schnelle Weiterleitung und umgehende Auswertung der

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3. Der Indirektabsatz

Beobachtungen, mit deren Hilfe sie schnell, flexibel und adäquat auf veränderte Marktbedingungen und Nachfragetrends reagieren können. Wesentliche Risiken des Franchisegebers sind folgende: •• Partnerwahl: Die Auswahl künftiger Geschäftspartner ist für den Franchisegeber eine ebenso wichtige wie schwierige Aufgabe. Größere Systeme haben dafür detaillierte Auswahlverfahren entwickelt. Jeder seriöse Franchisegeber verfügt über ausführliche Franchisenehmerprofile, anhand derer er seine Kandidaten prüft. Dabei spielen vor allem persönliche Eigenschaften, fachliche Qualifikation und Berufserfahrung sowie finanzielle Voraussetzungen eine Rolle. Jeder Irrtum kann schwerwiegende Folgen für das System nach sich ziehen, die über eine bloße Vertragskündigung hinausreichen. •• Umsetzung: Obgleich der Franchisegeber über ein Weisungs- und Kontrollrecht verfügt, kann er seine Vorgaben meist nicht ohne intensive Überzeugungs­ arbeit durchsetzen. Die Umsetzung zentral gesteuerter Maßnahmen erfolgt deshalb häufig mit zeitlicher Verzögerung. Allerdings wird dieser Nachteil durch die positiven Effekte einer offenen Diskussion häufig ausgeglichen. Die EUGruppenfreistellungsverordnung setzt den Weisungs- und Kontrollrechten des Franchisegebers im Interesse von Wettbewerb und Unabhängigkeit der Franchisenehmer engere Grenzen. Ansonsten droht die Umwidmung des Franchisevertrags in einen Arbeitsvertrag (mit der Folge von Sozialabgaben und Schutzrichtlinien). •• Gewinnspanne: Die Einnahmen des Franchisegebers aus dem Franchisesystem beschränken sich meist auf die Eintrittsgebühr und laufende Franchise-Lizenzgebühren. Zum Teil werden bei Bezugsbindungen auf die Vertragsware für den Franchisegeber noch Aufschläge einkalkuliert. Für den Franchisegeber wären eigene Betriebe oft rentabler, doch lägen seine Verlustgefahren dann auch deutlich höher. •• Konfliktbewältigung: Zu Missverständnissen und Interessengegensätzen kommt es in Franchisesystemen paradoxerweise vor allem bei geschäftlichem Erfolg. Denn der einzelne Franchisenehmer führt den wirtschaftlichen Erfolg verständlicherweise auf das eigene Engagement zurück und empfindet die Hilfestellung des Franchisegebers zunehmend als lästige Bevormundung. Bleibt in dieser Phase eine partnerschaftliche Regelung aus, können Reibereien zu Rechts­ streitigkeiten ausufern und in der Auflösung des Partnerschaftsverhältnisses münden. Allerdings sollten gerichtliche Auseinandersetzungen möglichst vermieden werden, da diese Zeit, Geld und Nerven kosten und man häufig den Ausgang des Verfahrens nicht sicher abschätzen kann. An deren Stelle treten zunehmend Schlichtungsverfahren oder Mediationen. •• Vertragsbeendigung: Die Beendigung eines Franchiseverhältnisses ist mit mannigfachen Problemen verbunden, wobei insb. für die Zukunft des Betriebs sowie den Verbleib der Einrichtungsgegenstände und des Warenlagers eine faire Lö-

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sung gefunden werden muss. Darüber hinaus sind etwaige Ausgleichsansprüche und nachvertragliche Konkurrenzprobleme zu regeln. Wird keine einvernehm­ liche Lösung gefunden, sind negative Auswirkungen auf andere Franchisenehmer oder Franchiseinteressenten nicht auszuschließen. Da Franchisegeber sowohl hinsichtlich der Partnergewinnung als auch der Geschäftstätigkeit auf ihren guten Ruf angewiesen sind, müssen die Folgen etwaiger Imageschäden immer bedacht werden. Bei McDonald’s zahlen die Franchisenehmer neben einer einmaligen Einstiegsgebühr eine monatliche laufende Gebühr. Das Mindestinvestitionsvolumen für ein McDonald’s-Restaurant beträgt 0,75 Mio. €, bestehend aus 46.000 € Einstiegsgebühr, 214.000 € für die Innenausstattung, 320.000 € für das sonstige Equipment, 70.000 € für Werbeinstallationen und 60.000 € für Außenanlagen sowie Vorlaufkosten. Die Franchise-Gebühr beträgt 5 %, bei Pacht kommen 5 % hinzu und weitere 5 % für Werbeinvestitionen (jeweils vom Nettoumsatz). Der durchschnittliche Jahresumsatz liegt bei ca. 1,5 Mio. €. Mit dem Franchisevertrag wird dem Franchisenehmer das Recht und die Pflicht übertragen, an einem bestimmten Ort das McDonald’s-System zu nutzen. Um dies erfolgreich gestalten zu können, wird er durch die Fachabteilungen im nationalen und regionalen Service unterstützt: •• Alle McDonald’s Restaurants profitieren in gleicher Weise von den Bemühungen der Fachabteilungen, die besten Produkte zu den günstigsten Preisen zu beschaffen. Die Franchisenehmer in allen McDonald’s-eigenen Restaurants haben die gleichen Einkaufspreise und werden durch ein einheitliches Distributionssystem beliefert. Alle Vorteile und Sonderkonditionen kommen direkt jedem Franchisenehmer in gleicher Weise zugute. Durch ständige Qualitätskontrollen wachen die Abteilungen Beschaffung und Qualitätssicherung darüber, dass die festgelegten Qualitätsstandards von unabhängigen Lieferanten eingehalten werden. •• Von Beginn der Ausbildung an wird der Franchisenehmer durch die Franchiseberater in der Service-Abteilung beraten und unterstützt. Der Franchiseberater ist der direkte Ansprechpartner des Franchisenehmers in allen Fragen, welche den Betrieb des Restaurants betreffen und unterstützt ihn bei der Zusammenarbeit mit anderen Fachabteilungen. Darüber hinaus kontrolliert der Franchiseberater die Einhaltung der verbindlichen Richt­ linien, um ein einheitliches Auftreten von McDonald’s zu gewährleisten. Die konsequente Einhaltung dieser Richtlinien ist Voraussetzung für den langfristigen Erfolg des Restaurants und des gesamten McDonald’s-Systems. •• Die Finanzabteilung errechnet in Absprache mit der Immobilienabteilung die Konditionen des Restaurants, um die Basis für einen wirtschaftlichen Erfolg zu schaffen. Darüber hinaus hilft sie dem Franchisenehmer bei der Entwicklung seiner Betriebsabrechnung und unterstützt ihn bei der Sichtung seiner Finanzdaten. •• Der Franchisevertrag enthält die Verpflichtung, mindestens 5 % des Umsatzes für Werbung, Absatzförderung und PR auszugeben. Dies geschieht in Form einer nationalen oder lokalen Werbegemeinschaft, bei welcher die Franchisenehmer über die Verwendung der Werbegelder abstimmen. Darüber hinaus führt jedes Restaurant laufend im eigenen Einzugsbereich Marketingmaßnahmen durch. Die Marketingabteilung entwickelt in Zusammenarbeit mit zum Teil internationalen Werbe- und PR-Agenturen Ideen und Konzepte, um McDonald’s als Markenprodukt für die Gäste bekannter zu machen. Sie überprüft durch Marktforschung die Wirkung der Werbung und gewinnt dadurch Erkenntnisse, die

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3. Der Indirektabsatz jedem Einzelnen wieder bei der künftigen Gestaltung seiner Werbung helfen. Marketing arbeitet ebenfalls an der sinnvollen Weiterentwicklung der Produktpalette und nimmt dabei die Anregungen der Franchisenehmerschaft auf.

•• Operations Entwicklung Deutschland obliegt die Weiterentwicklung von Arbeitsverfahren und die Einhaltung der Normen im Restaurant. Sie testet nicht nur neue Produkte, sondern ist auch verantwortlich für den Service. Sie verbessert in Zusammenarbeit mit der Einkaufsabteilung die bestehende Produktpalette. Änderungen im Ernährungsbewusstsein der Kunden sind dabei ein wichtiger Aspekt. Die gleiche Sorgfalt wendet sie bei der Weiterentwicklung der standardisierten Küchenausstattungen und Veränderungen im Betrieb an. •• Die Abteilung Personalentwicklung und Training organisiert die Aus- und Weiterbildung der Franchisenehmer und deren Personals und führt diese in den McDonald’s-eigenen Trainingszentren durch, die nach dem Vorbild der Hamburger University in den USA gestaltet sind. Die Aus- und Weiterbildung ist eine Verpflichtung des Franchisenehmers und wird von McDonald’s im Rahmen des Franchisevertrags kostenlos durchgeführt. Das nach der Zahl der Absatzstellen größte Franchisesystem ist zwischenzeitlich Subway. Subway wurde 1965 in Bridgeport/Connecticut von Fred DeLuca als Peter’s Submarine Sandwiches gegründet und 1974 als Franchise Doctors’s Associate umgebaut. Es ist das am schnellsten wachsende Franchisesystem und in 83 Ländern mit über 25.000 Restaurants vertreten, seit 1999 auch in Deutschland mit über 300 Absatzstellen. Pro Jahr werden an die 1.000 neuen Absatzstellen eröffnet, darunter sind keine eigenen. Logo und Design sind stark an die New Yorker Untergrundbahn angelehnt, daher kam es zur Umbenennung in Subway. Noch heute sind Netzpläne der New Yorker U-Bahn an den Wänden der Restaurants plakatiert. Produkte sind Sandwiches als Baguettes/Weißbrote in fünf verschiedenen Brot­ sorten. Dazu wird ein Hauptbelag gewählt (Geflügel, Schweine-, Rindfleisch), vegetarisch als Thunfisch, dann folgt eine Salatauswahl und Saucen/Gewürze. Daraus lassen sich über 2 Mio., Kombinationen darstellen. Außerdem werden Wraps (Teigfladen), Bagels (Frühstücksbrötchen), Suppen, Kekse und Getränke (sieben Limonaden/Wässer) angeboten. Außerdem wird auf lokale Vorlieben eingegangen. Die Zubereitung dauert unter zwei Minuten, ist frisch und individuell, zum Mitnehmen oder Restaurantverzehr. Es gibt einen Partyund einen Home-Service. Bei allem wird eine Hochpreisstrategie gefahren. Subway legt Wert auf politisch korrektes Verhalten und bietet damit Kritikgruppen nur geringe Angriffsfläche. Die Positionierung erfolgt als Anbieter von frischem, modernem, bewusstem Essen, das gesund, lifestylig und fettarm ist. Es herrscht striktes Rauchverbot. Zur Stimmung trägt dezente Hintergrundmusik bei. Ein Franchisenehmer führt im Regelfall mehrere Restaurants, so dass Kannibalisierungs­ effekte vermieden werden. Es herrscht eine flache Hierarchie vor, Area Development Mana­ ger, Development Agent und Field Agent. Die Franchise-Gebühr beträgt 8 % des Umsatzes, zusätzlich fällt eine Marketinggebühr von 4,5 % des Umsatzes an, dafür wird vor allem werbliche Unterstützung geboten (z. B. durch Product placement, wie Austin Powers und Kampagnen mit Kultfigur Jared Fogle). Die Eintrittsgebühr beträgt 25.000 €.

An seriöse Franchisegeber sollen folgende Anforderungen gestellt werden. Der Franchisegeber ist der IHK und dem DFV (Deutscher Franchise Verband) bekannt. Eine Auskunft über seine Kreditwürdigkeit ist positiv. Der Gebietsschutz

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wird nicht in den Vordergrund gestellt, er schützt nur vor weiteren Franchisenehmern des gleichen Systems, nicht aber vor Konkurrenz. Es gibt Pilotbetriebe, die der Franchisenehmer in eigener Regie führt und deren Bilanzen er offen legt. Das Konzept ist sorgfältig zusammen gestellt sowie sauber und systematisch aufgebaut. Der Franchisenehmer hat auf seinen Marken und Produkten Schutzrechte eingetragen und nicht nur Anmeldungen. Es existiert eine Zentrale, die jederzeit ansprechbar ist und klar definierte Aufgaben übernimmt. Die Selbstständigkeit des Franchisenehmers wird nicht unnötig stark eingeschränkt, insb. verkauft er in eigenem Namen und auf eigene Rechnung. Die Preise für die vom Franchisegeber zu beziehenden Waren sind marktgerecht und nicht überzogen. Gleiches gilt für die Endverkaufspreise, sofern sie dem Franchisenehmer vorgeschrieben sind. Das System wird individuell präsentiert und nicht in einer Show einer Masse von Interessenten standardisiert angeboten. 3.7.4.3 Vertragshändler Der Vertragshändler übernimmt als rechtlich selbstständig bleibender Absatzmittler das Herstellerabsatzkonzept in eigenem Namen und auf eigene Rechnung. Dies wird durch weit reichende Vereinbarungen sanktioniert, diese betreffen Vertrieb, Beschaffung, Schulungsteilnahme, Werbemaßnahmen, Lagervorhaltung etc.

Abbildung 59: Vertragshändlerbeziehung

Der Vertragshändler ist selbstständiger Kaufmann, der durch ein Dauerschuldverhältnis in die Vertriebsorganisation eines Lieferunternehmens eingegliedert ist. Es handelt sich um einen Sukzessivliefervertrag auf der Grundlage eines generellen Rahmenvertrags und eines Kaufvertrags über jede einzelne Lieferung. Er ist verpflichtet, sich aktiv um den Absatz der Produkte dieses Lieferanten zu bemühen und Konkurrenzerzeugnisse nur mit ausdrücklicher Gestattung des Vertragspartners zu vertreiben. Die Bindung ist teils mit regionalen Ausschließlichkeitsrechten

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3. Der Indirektabsatz

als Alleinhändler oder Exklusivhändler verbunden. Sofern die Ware unter Eigentumsvorbehalt erworben wird, liegt eine Rechtsstellung ähnlich dem Kommissionär vor. Der Vertragshändler erhält jedoch keine gesonderte Vergütung. Er alimentiert sich allein aus der Handelsspanne. Das System ist auch nicht einmalig oder laufend gebührenpflichtig (anders als beim Franchising), der Handel verpflichtet sich aber insbesondere zur Förderung des Vertragswarenabsatzes und zum Konkurrenzausschluss und erhält dafür Gebietsschutz und umfangreiche Dienstleistungen (wie beim Depotsystem). Beispiele finden sich bei Automobilen, Tankstellen, Bosch Profi-Handwerksgeräten, Kärcher Profi-Reinigungsgeräte etc. Meist wird eine mehrfache Exklusivität vereinbart: in Bezug auf die allein­ geführte Marke, in Bezug auf die Abgrenzung des Marktverantwortungsgebiets, in Bezug auf den Ausschluss der Konkurrenz und in Bezug auf die Erfüllung qualitativer Anforderungen. Weitreichende Wettbewerbsberuhigungen, die sie früher vertraglich vereinbart wurden, sind nach GVO verboten. So ist entweder der Verkauf an Wiederverkäufer bei Exklusivität möglich oder das Anbieten mehrerer Marken bei Weitergabeverbot. Eine räumliche Einschränkung der Tätigkeit des Vertragshändlers ist untersagt. Serviceleistungen dürfen, falls nicht selbst übernommen, nur an autorisierte Werkstätten delegiert werden. Jede Werkstatt, welche nachvollziehbare Servicestandards erfüllt, muss als Vertragswerkstatt zugelassen werden. Das Herstellermonopol für den Vertrieb von Originalersatzteilen entfällt. Wesentliche Pflichten des Vertragshändlers lauten: •• Die Einrichtung des Verkaufs erfolgt nach den Vorstellungen des Herstellers, die dieser detailliert festlegt und überprüft. Produkte anderer Hersteller in derselben Preisklasse dürfen nicht in das Sortiment aufgenommen werden. Es bestehen vorgegebene Mindestabnahmemengen pro Zeitraum, woraus ein gewisser Verkaufsdruck resultiert. Das Sortiment ist auf die Produkte eines oder weniger Hersteller begrenzt. Es sind Mindestlagerbestände zu beachten, um eine jederzeitige Lieferbereitschaft zu gewährleisten. Die Imageübernahme vom Lieferanten erfolgt im Wege der Adaptation dessen Signalisation am Handelsplatz. Die Kundendienstübernahme betrifft die Gewährleistung ausreichender Nachverkaufsservices. Werbemaßnahmen schaffen eine Forcierung der vertretenen Produkte im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Die Übernahme der Marktbeobachtung für den Hersteller und die Niederlegung aller Geschäftsvorgänge in einem standardisierten Reporting werden meist vereinbart. Es darf nicht in andere Vertragsgebiete hinein akquiriert werden, jedoch dürfen „Kommkunden“ bedient werden. Wesentliche Rechte des Vertragshändlers lauten: •• Der Händler vertreibt in seinem Gebiet die Produkte ausschließlich, und er kann Unterorganisationen aufbauen. Der Händler kann das Herstellerzeichen verwenden und profitiert so von dessen Goodwill. Der Hersteller ist aufgrund seiner Kontakte bemüht, den Absatz des Händlers zu sichern. Der Hersteller un-

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terstützt ihn auch bei der Ausbildung seiner Mitarbeiter durch Schulung und Training. Die Betriebsberatung des Herstellers gibt Aufschluss über Optimierungschancen und relativen Erfolg verglichen mit anderen Händlerkollegen. Es wird Verkaufsförderung am POS und in Medien gewährt. Ebenso erfolgt die Ersatzteil-/Zubehörversorgung mit qualitätsnormierten Teilen und entsprechenden Applikationshilfen (Warenträger, Werkzeuge etc.). Als Vertragshändler-Vertragsinhalte gelten im Wesentlichen folgende: •• Wahrnehmung der Marktverantwortung gemäß der Jahreszielvorgabe, Vorhalten eines Bestands an Ausstellungs-, Lager- und Vorführwaren, intensives Bemühen um den Absatz von Neu- und Gebrauchtprodukten, Respektieren der Direktlieferungsvorbehalte des Herstellers, Unterhalt einer Werkstatt mit den vorgeschriebenen Spezialwerkzeugen, Mess- und Testgeräten, Durchführung des Kundendienstes gemäß gültigen Richtlinien, Verwendung von Originalersatzteilen bei Gewährleistungsreparaturen, Einrichtung und Unterhaltung eines adäquaten Ersatzteillagers, Einrichtung eines Geschäftsbetriebs, der in Größe, Ausstattung und äußerem Erscheinungsbild den Erwartungen der Kunden an die Marke gerecht wird, Herausstellung des Eindrucks der Zugehörigkeit zum Vertriebsnetz des Herstellers durch Signalisation, Verwendung des Herstellerzeichens im Geschäftsverkehr, Nutzung der Bauberatung des Herstellers, Übermittlung von Betriebsdaten in der vom Hersteller vorgegebenen Form (Betriebsvergleich), Anfertigung von Berichten über Marktlage, Lagerbestände und voraussichtlichen Bedarf (Planung), Verwendung der vom Hersteller vorgeschriebenen IT, Zulassung der Einsichtnahme in Geschäftsunterlagen.

Beispiele finden sich vor allem im Kfz-Vertrieb. Automobilhersteller können dabei zwischen exklusivem und selektivem Vertrieb entscheiden. Exklusivrechte in einem Marktverantwortungsgebiet gelten aber nur, wenn der Verkauf von Händlern an nicht-autorisierte Wiederverkäufer (z. B. Supermärkte) unbeschränkt möglich ist. Alternativ dazu kann Vertragshändlern der Verkauf an nicht-autorisierte Wiederverkäufer vom Automobilhersteller verboten werden (Selektivoption), sofern die Vertragshändler überall in Europa frei Verkaufsniederlassungen oder Auslieferungslager eröffnen dürfen. Händler dürfen dann mehrere Automarken nebeneinander verkaufen, Hersteller können jedoch wegen der Verwechslungsgefahr auf einer optischen Separierung durch markenspezifische Verkaufsbereiche bestehen. Von Herstellern unabhängige Leasinggesellschaften können die gleichen Rabatte erhalten wie Großabnehmer, die teilweise höher liegen als die Händlerrabatte, daher entsteht ein Wettbewerb mit den Vertragshändlern. Automobilhersteller müssen schriftliche Gründe nennen, wenn sie einen Vertrag mit ihrem Händler auflösen wollen. Vertragshändler müssen die Wartung und Reparatur ihrer verkauften Fahrzeuge nicht selbst durchführen, sie können den Service auch nach entsprechender Schulung durch Andere (autorisierte Servicewerkstätten) erbringen lassen. Dafür ermöglichen die Automobilhersteller freien Werkstätten Zugang zu jeglichen technischen Informationen. Die Servicewerkstätten dürfen nicht vom Hersteller selektiert werden, sondern jede Vertragswerkstatt, die vorgegebene Standards erfüllt, ist zu-

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3. Der Indirektabsatz

gelassen (Nichtdiskriminierung). Werkstätten können die Ersatzteile auch von Auto­mobilzulieferern direkt beziehen, statt teure Originalersatzteile zu verwenden. Als solche gelten alle Ersatzteile, die vom Teilehersteller auf der gleichen Montagelinie wie die Erstausrüstungsteile hergestellt werden (OEM). Es gibt Hersteller, die mehrheitlich über Vertragshändler vertreiben (z. B. Volkswagen), die mehrheitlich über Herstellerniederlassungen vertreiben (z. B. Porsche) oder einen Mix aus Vertraghändlerschaft und Niederlassungen (z. B. BMW, Mercedes-Benz). Beispiel für Vertragshändler-Regelungen bei Daimler: •• Unterhaltung eines Bestands an Vorführ- und Lagerfahrzeugen, mindestens fünf Fahrzeuge aus unterschiedlichen Baureihen müssen ständig angemeldet für Probefahrtwünsche der Kunden zur Verfügung stehen. •• Der Partner muss dem Kunden aktiv die Inzahlungnahme des gegenwärtigen Fahrzeugs bei Kauf eines Neu- oder Gebrauchtfahrzeugs anbieten. •• Neue Fahrzeuge werden immer durch markenzertifiziertes Personal ausgeliefert. •• Jeder autorisierte Servicepartner muss Teile mit Hilfe eines Bestandsmanagementsystems disponieren. •• Jeder autorisierte Servicepartner muss Ersatzteilbestände gemäß der proprietären Richtlinien führen. •• Alle Teile/Zubehör-Bestellungen müssen im Daimler-Wholesales-Lager erfolgen. •• Jeder autorisierte Servicepartner muss ein definiertes Budget für Marketingaktivitäten und Verkaufsförderung für Service und Teile/Zubehör zur Verfügung stellen. •• Jeder autorisierte Servicepartner muss Daimler-vordefinierte Dienstleistungen und Service-Produkte anbieten und abwickeln. •• Jeder autorisierte Servicepartner muss Paketpreise (Teile und Lohn) für die von Daimler definierten Reparaturen (Wartung, Räder/Reifen, bestimmte Reparaturen wie Bremsen, Abgasanlage, Stoffdämpfer, Federn etc.) anbieten. •• Jeder autorisierte Servicepartner muss mindestens mit Ausrüstungen, Werkzeugen und Diagnose-Instrumenten gemäß aktueller Daimler-Werkstattausrüstungs-Shortlist ausgestattet sein. •• Jeder autorisierte Servicepartner muss mit Spezialwerkzeugen ausgestattet sein (gemäß aktueller Werkstatt-Spezialwerkzeug-Liste). •• Die Innen- und Außenausstattung im Kundenkontaktbereich muss den aktuellen Marken­ vorgaben des CI-Programms entsprechen. Die Innenausstattung zur Produktpräsentation und der gesamte Markenbereich muss dem Daimler-Presentations-System entsprechen. Bei Mehrmarkenauftritt müssen geteilte Funktionsbereiche markenneutral gestaltet werden. •• Das CI-Design im Gebäudeinnern der Betriebe muss die Marken-Anforderungen hinsichtlich Funktion, Standort und Erscheinungsbild in den Kundenkontaktbereichen erfüllen. •• Jeder autorisierte Servicepartner muss auf dem Grundstück über eine ausreichende Anzahl an Parkplätzen für Kunden verfügen.

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•• Der autorisierte Servicepartner muss über die vorgeschriebenen Berichte und Pläne verfügen. •• Der autorisierte Servicepartner muss die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung für Daimler an die Vertriebsdirektion übermitteln. •• Die Berichtsdaten müssen der Vertriebsdirektion in elektronischer Form zur Verfügung gestellt werden. •• Jeder autorisierte Servicepartner muss über die vorgeschriebenen IT-Systeme und Schnittstellen verfügen.

Die Risiken des Vertragshändlers bestehen im Einzelnen aus den Komponenten Entgelt, Ware und Lager, denn sein Entgelt ist u. a. von den Einkaufskonditionen des Herstellers abhängig, aus der Ware resultiert zugleich die Haftung für mangelfreie und rechtzeitige Lieferung, und das Lager unterliegt der Entwertungsgefahr, speziell bei Lieferantenwechsel. Verpflichtet sich der Vertragshändler zur Überlassung des Kundenstamms bei Ausscheiden (z. B. als Kundenkartei), so hat er einen Ausgleichsanspruch. Der Hersteller darf ihn im Übrigen nicht in der Freiheit der Gestaltung von Preisen und Konditionen beschränken (z. B. Hauspreise) und auch nicht diskriminieren. Der Händler ist umgekehrt und an sich selbstverständlich zur Interessenwahrung und allgemeinen Loyalität nach Treu und Glauben verpflichtet.

Abbildung 60: Beispiele von Kontraktmarketingformen

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3. Der Indirektabsatz

3.8 Absatz über Marktveranstaltungen Marktveranstaltungen stellen allgemein die bewusste Zusammenführung von Angebot und Nachfrage für eine bestimmte Leistung an einem bestimmten Ort und/ oder zu einem bestimmten Zeitpunkt dar. Sie dienen primär der Gewinnung von Informationen über die Marktlage, der Herstellung und Pflege von Kontakten zu Abnehmern und Lieferanten sowie der Anbahnung und Einholung von Aufträgen. Sofern der Abschluss dabei im Vordergrund steht, handelt es sich um, hier interessierende, Abschlussmärkte (ansonsten Repräsentationsmärkte). Diese können in organisierter Anbieter- oder Nachfragerkonkurrenz sowie freien Formen stattfinden.

Abbildung 61: Absatz über Marktveranstaltungen

3.8.1 Organisierte Anbieterkonkurrenz Die organisierte Anbieterkonkurrenz erfolgt als Lizitation oder Submission. Die Lizitation ist eine offene Bieterkonkurrenz, bei der sich Anbieter Nachfragern gegenüber im Preis ihrer angebotenen Leistung gegenseitig solange unterbieten, bis der Anbieter mit der niedrigsten Preisforderung den Zuschlag erhält. Voraussetzung ist hier eine extreme Käufermarktsituation, d. h. hoher Angebotsüberschuss. Da dies in diesem Ausmaß für entwickelte Volkswirtschaften eher untypisch ist, kommt die Lizitation recht selten vor (z. B. in der Schiffsraumvercharterung).

3.8 Absatz über Marktveranstaltungen

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Die Submission ist eine von einem Nachfrager (Submissionar) zum Zwecke des Vertragsabschlusses an potenzielle Anbieter (Submittenten) gerichtete Aufforderung, für bestimmte, durch eine Beschreibung präzisierte Leistungen schriftlich Angebote abzugeben. Diese werden unter Einhaltung genauer Verfahrens­regeln geöffnet, wobei das unter Einbeziehung aller Umstände günstigste Angebot den Zuschlag erhält. Eine Nachbesserungsmöglichkeit besteht nicht. Ein vom vorgelegten Lastenheft abweichendes Angebot kann nur zusätzlich abgegeben werden. Dieses rivalisierende, verdeckte Bewerben einer Mehrzahl von Anbietern um den Auftrag eines Nachfragers ist typisch für die Beschaffung der Öffentlichen Hand, um die Auftragsvergabe möglichst kostengünstig und präferenzfrei zu gestalten. Problematisch sind die Gefahr informeller oder auch organisierter (verbotener) Absprachen der Anbieter (Ringbildung) und die Einschränkung deren Disposi­ tionsfreiheit nach Ende der Zuschlagsfrist, weil sie an ihr Angebot gebunden sind. Vorher kann ein Gebot zurückgezogen oder durch ein neues ersetzt werden.

Abbildung 62: Formen organisierter Marktveranstaltungen

3.8.2 Organisierte Nachfragerkonkurrenz Die organisierte Nachfragekonkurrenz erfolgt als Versteigerung oder Einschreibung. Die Versteigerung ist ein öffentliches Bieteverfahren mit Zuschlag für das Höchstgebot und Barzahlungspflicht für physisch vorhandene Güter, die nicht standardisierbar sind (also über keinen Marktpreis verfügen, ansonsten wäre ein Absatz über Börsen möglich). Die Preisgebote der Nachfrager gehen von unten nach oben. Stellt der Anbieter hingegen eine Preisforderung, auf die Nachfrager reagieren, geht diese von oben nach unten (Veiling). Die Inaugenscheinnahme der Versteigerungsobjekte durch Kaufinteressenten kann an Ort und Stelle erfolgen. Die Abgabe von Preisgeboten durch verschiedene Nachfrager löst eine Tendenz zum gegenseitigen Überbieten aus. Den Zuschlag erhält jeweils das Höchst­ gebot. Versteigerungen sind zu bevorzugen, wenn es auf sicheren und schnellen Absatz ankommt, für den sich ein adäquater Preis erst noch bilden muss, wie dies bei nicht-fungiblen Waren (für die keine Marktpreise vorliegen) gegeben ist. Der Verkäufer ordnet dem sein Preisinteresse unter, worin wiederum die Attraktivität für potenzielle Käufer liegt.

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3. Der Indirektabsatz

Versteigerungen können nach vielfältigen Kriterien gegliedert werden. So nach •• der Teilnehmerzahl in freie oder begrenzte Teilnahmemöglichkeiten, •• einer zu entrichtenden Teilnahmegebühr, oft auch nur symbolisch, •• der Versteigerungsdauer in fixierte oder variable Dauer, •• einem vorhandenen Mindestgebot, und dem Verfahren, wenn dieses Gebot nicht überboten wird, •• den Regelungen, die starr oder flexibel (heikel) ausgelegt sein können, •• der Verbindlichkeit oder Unverbindlichkeit der Gebote, •• den Gebotsschritten in festen oder beliebigen Wertabständen (Inkremente). Vorteile des Verkäufers sind die Konzentration der Nachfrage, ein großer Umsatz in kurzer Zeit, ein besserer Preis durch gegenseitiges Überbieten und die Einschaltmöglichkeit von Absatzhelfern. Nachteile des Verkäufers sind der Preisdruck bei geringer Nachfrage und ein schwieriger Absatz bei geringer Qualität der Lose. Vorteile der Käufer sind der gute Überblick über die Marktlage, bei Überangebot ein günstiger Einkauf auch kleiner Mengen und die vorherige Besichtigungsmöglichkeit. Nachteile der Käufer sind der oft zu hohe Preis durch Überbieten sowie die meist erforderliche Übernahme von Mittlergebühren und Lagerspesen. Bei der Einschreibung geben potenzielle Käufer nach öffentlich verbreiteter Ankündigung ihr Gebot für ein Einzelobjekt/-los bis zu einem bestimmten Zeitpunkt schriftlich in einem verschlossenen Umschlag beim Anbieter ab. Es handelt sich also um eine verdeckte Bieterkonkurrenz. Dadurch sollen Preisabsprachen (Ringbildung) verhindert werden. Den Zuschlag erhält der am höchsten bietende Nachfrager. Die Höhe aller Gebote ist nur dem Anbieter bekannt, der die Angebote erst nach Ablauf der Bietfrist öffnet. Ein nachträgliches Überbieten ist nicht möglich, es sei denn, dies ist ausdrücklich vorgesehen. Es besteht kein Zwang zur Angebotsannahme gegenüber Kaufwilligen (daher wird meist eine Bietungsgarantie vereinbart, die bei Ablehnung verfällt und bei Annahme verrechnet wird). Vorteile des Verkäufers sind die Meidung eines zu starken Preisdrucks bei geringer Nachfrage, durch die fehlende Teilung in Lose auch der Mitverkauf von Nebenware und die Möglichkeit, ein Angebot abzulehnen. Nachteile des Verkäufers sind die Gefahr der Absprache unter den Käufern und die Unmöglichkeit einer nachträglichen Erlösverbesserung. Vorteile der Käufer liegen in der Präsenz nur weniger Großabnehmer bei überschaubarer Konkurrenz. Nachteile der Käufer sind die Unsicherheit, wie hoch die Konkurrenz bietet, somit die Notwendigkeit eines hohen Gebots, wenn die Ware gebraucht wird, und der begrenzte Abnehmerkreis mangels Losteilung.

3.8 Absatz über Marktveranstaltungen

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3.8.3 Freie Formen Die Messe ist eine zeitlich begrenzte, im Allgemeinen regelmäßig wiederkehrende Marktveranstaltung, auf der eine Vielzahl von Ausstellern das wesentliche Angebot eines oder mehrerer Wirtschaftszweige ausstellt und überwiegend nach Bestellmustern an gewerbliche Wiederverkäufer, gewerbliche Endverbraucher oder Großabnehmer vertreibt. Dazu werden bewusst und geplant Anbieter und Nachfrager in großer Zahl zusammen geführt. Es wird ein umfassendes Angebot eines oder mehrerer Wirtschaftszweige gezeigt. Messen finden in regelmäßigem Turnus (im Gegensatz zu Sonderschauen) am gleichen Ort (im Gegensatz zu Wanderschauen) statt, sie sind zeitlich limitiert (im Gegensatz zu Musterlägern/ Trade marts) und meist nicht für Endabnehmer bestimmt (im Gegensatz zu den meisten Ausstellungen), sondern für Wiederverkäufer, Weiterverarbeiter, gewerbliche Endnutzer und Großabnehmer. Sie lassen sich nach zahlreichen Kriterien rubrizieren, so nach der: •• geografischen Herkunft der Teilnehmer in regional, überregional, national, international (Export, Import), •• Art der Besucher in Fachmesse (B-t-b) oder Publikumsmesse (B-t-c), •• Güterklasse in Konsumgüter, Investitionsgüter, Dienstleistungen, •• beteiligten Wirtschaftsstufe in Landwirtschaft (primär), Industrie (sekundär), Dienstleistung (tertiär), •• Absatzrichtung in Export, Import, Inland, •• Funktion in nur Information, in Information und Order, in Information, Order und Verkauf, •• Einarbeitung von Rahmenprogramm (als Kongress), •• Verfügbarkeit von Anbietern und Angeboten am Messeort (physisch oder virtuell), •• Bedeutung als Leitmesse, Zweitmesse oder Nebenmesse, •• Zusammensetzung von Ausstellern und Exponaten als Universalmessen (mehrere Branchen, mehrere Produktarten), Spezialmessen (mehrere Branchen, eine Produktart), Branchenmessen (eine Branche, mehrere Produktarten), Monomessen (eine Branche, eine Produktart). •• Organisation (durch Verband o. Ä.), •• Ausrichtung entweder herstellerbranchenzentriert oder abnehmerinteressenzentriert. Der Absatz erfolgt im Wege des Lieferungsgeschäfts erst nach Kaufabschluss. In der Realität ist die Abgrenzung zur bekanntesten Form des Repräsentations-

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3. Der Indirektabsatz

markts, der Ausstellung, nur schwer möglich, da sich zunehmend Mischformen herausbilden, die sowohl Züge der Messe als auch der Ausstellung vereinen. Die Offizialdefinition lautet wie folgt: •• Eine Ausstellung ist eine zeitlich begrenzte Marktveranstaltung, auf der eine Vielzahl von Ausstellern ein repräsentatives Angebot eines oder mehrerer Wirtschaftszweige bei vorrangiger Ansprache des allgemeinen Publikums ausstellt und vertreibt oder über dieses Angebot zum Zwecke der Absatzförderung informiert. Die Ausstellung ist daher primär ein Instrument der Kommunikations­ politik im Marketing. •• Eine Messe ist eine im Allgemeinen regelmäßig wiederkehrende Veranstaltung, auf der das wesentliche Angebot eines oder mehrerer Wirtschaftszweige präsentiert und überwiegend nach Muster an gewerbliche Wiederverkäufer, gewerbliche Endabnehmer oder Großabnehmer vertrieben wird. Sie grenzt sich damit von der Ausstellung dadurch ab, dass Letztere nicht unbedingt zeitlich wiederkehrend ist, ein repräsentatives Branchenangebot zeigt und auch für End­ verbraucher zugänglich ist. Die Übergänge sind freilich fließend (Definition aus Gewerbeordnung, §§ 64, 65). Der Akzent liegt bei der Messe also auf der Distributionsfunktion. Messen können nach verschiedenen Kriterien typologisiert werden: •• nach der Reichweite in lokale, regionale, nationale und internationale Messen, •• nach der Angebotsbreite in Fach- und Universalmessen, •• nach dem jeweiligen Angebotsschwerpunkt (Branchen-/Produktorientierung), •• nach der Funktion, z. B. Marktneuheiten, Export, •• nach der Dauer (dauerhaft, punktuell), •• nach den vertretenen Branchen (Einbranchen-/Mehrbranchenmesse), •• nach der Absatzrichtung an Wiederverkäufer, Weiterverarbeiter, Endabnehmer, •• nach der Zielgruppe in Fach- und Publikumsmessen, •• nach dem Rahmenprogramm (ohne/mit wie z. B. Kongress, Get together), •• nach der medialen Übermittlung (real/virtuell), •• nach der Bedeutung in Leitmessen und Nichtleitmessen, •• nach dem Verbandseinfluss auf die Veranstaltung (vorhanden/nicht vorhanden). Auf Messen sind verschiedene Präsentationen der Beschicker zu unterscheiden: •• Der Reihenstand ist zu einer Seite hin offen, einfach und kostengünstig, bietet aber nur eingeschränkte Präsentationsmöglichkeiten und wenig Platz für die Infra­struktur.

3.8 Absatz über Marktveranstaltungen

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•• Der Eckstand gewährt Einblick von zwei Seiten aus und ist damit weniger abhängig von der Besucherfrequenz eines einzelnen Ganges, Kabinen/Infrastruktur sind gut in die Ecken integrierbar, allerdings bestehen beschränkte Platzverhältnisse. •• Der Kopfstand bietet einen sehr guten Standeinblick für Besucher von drei Seiten aus, große Gestaltungsfreiheit und gute Präsentationsmöglichkeiten, er erfordert aber eine erhöhte Aufmerksamkeit des Standpersonals und damit einen höheren Personalbedarf, außerdem steht wenig Wandfläche für Informationsvermittlung zur Verfügung. •• Der Blockstand/Inselstand ist von allen vier Seiten einsehbar und damit un­ abhängig vom Besucherstrom eines Ganges, er bietet ausgezeichnete Präsentationsmöglichkeiten mit hohem Aufmerksamkeitsgrad, stellt aber diffizile Anforderungen an die Standgestaltung und erfordert hohe Aufmerksamkeit des Standpersonals, verbunden mit entsprechendem Personalbedarf. •• Der Durchgangsstand (gegenüber liegende Standflächen) bietet erhöhte Aufmerksamkeit und sehr gute Gliederungsmöglichkeiten zur Demonstration etc., jedoch besteht ein hoher Personalbedarf und schwieriger Überblick mit hohen Anforderungen an die Standgestaltung, auch ist eine konstruktiv verbindende Gestaltung fraglich (wegen Messevorschriften). •• Der Zwei-Etagen-Stand hat gute, diskrete Kommunikationsmöglichkeiten im Obergeschoss, ist aber teuer und erfordert viel Personal, außerdem wirken die Messevorschriften einschränkend, der Überblick ist schwierig zu behalten. •• Pavillons (auf dem Freigelände) bieten die größte Gestaltungsfreiheit, weisen aber psychologische Eintrittsbarrieren auf und sind ausgesprochen teuer. Märkte sind raum-zeitlich definiert und meist sachlich begrenzt. Anbieter und Nachfrager treffen sich dort und schließen frei ausgehandelte Geschäfte meist formlos (durch konkludentes Handeln) ab, denen aktive Preisverhandlungen vor­ ausgehen. Ware und Geld werden dabei jeweils physisch übergeben. Der Wochenmarkt bietet frische Lebensmittel, Blumen, Pflanzen, Kleidung etc. und wird von Landwirten beschickt und von den Kommunen organisiert. Flohmärkte bieten Gebrauchtwaren, teilweise themenspezifisch, aber immer mehr mit gewerblichem Angebot, meist auf Wiesen mit angrenzenden Parkplätzen, sonn- und feiertags, in größeren Abständen, sonntags erst ab 11 Uhr beginnend (wegen Kirchgang), die Artikel stammen aus Haushaltsauflösungen, der Preis ist Verhandlungsbasis, die Besichtigung erfolgt an Ort und Stelle, der Kauf wie besichtigt. Flohmärkte eignen sich für Waren, die wegen hoher Versandkosten im Internet nicht adäquat zu vermarkten sind. Auf Krammärkten bieten gewerbliche Händler überwiegend Neuwaren an, es handelt sich um Kleinartikel. Jahrmärkte sind jährlich stattfindende Märkte mit Volksfest-Charakter, die überwiegend der Vergnügung dienen. Weitere Beispiele sind Großmärkte, Sondermärkte oder Spezialmärkte.

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3. Der Indirektabsatz

Die Musterung dient der Präsentation von Prototypen, anhand derer von Nachfragern geordert wird, und wird genutzt, um die sich einstellenden Nachfragereaktionen vorzutesten und erst danach zu produzieren. In großem Stil wird dies in der Modebranche mehrmals jährlich durch aufwändige Modeschauen praktiziert. Eine Musterung mit inländischen Anbietern im Ausland heißt Exportmusterschau, eine kontinuierlich stattfindende Musterung Musterlager. Dies sind permanent zugängliche Mustermessen für Fachleute, auf denen Muster industriell oder handwerklich gefertigter Erzeugnisse gezeigt werden. Beim Tender geben Nachfrager ihre Annahme eines Angebots zu fest stehenden Konditionen ab und erhalten den Zuschlag in der zeitlichen Reihenfolge deren Abgabe. Man spricht auch von einer Vergabe im Windhundverfahren (First come, first serve). Meist werden dazu Kaufbegehren gesammelt, bis die Tendergrenze erreicht ist. Dabei kommt es je nach Attraktivität des Angebots zu Überzeichnungen. Überschüssige Nachfrage wird nicht mehr akzeptiert, Angebot für fehlende Nachfrage wird beim Anbieter „geparkt“. Bei Repartierungen wird das Angebot hingegen gemäß der überschüssigen, insgesamt angemeldeten Nachfrage anteilig zugeteilt. Beim Book building erfolgt im Pre-Marketing zuerst die Sondierung der Wertschätzung eines Angebots bei potenziellen Nachfragern, daraus werden dann realisierbare Preis-Mengen-Kombinationen abgeleitet, indem Nachfrager angeben, wie viel Ware sie zu welchem Preis abnehmen wollen. Daraus wird weiterhin eine Preis-Absatzfunktion ermittelt, und daraus erst der Preis zur bestmöglichen Markträumung bzw. zur mutmaßlichen Gewinnmaximierung. Dies wird häufig bei IPO’s (Börsengang von AG’s) genutzt. Dazu erfolgt zunächst die Wahl eines Bookrunner (meist eine Konsortialbank). Dann wird im Pre-Marketing über Pressekonferenzen, Research-Berichte, Unternehmensdarstellungen/Equity-Stories der Kontakt zu institutionellen Investoren gesucht. Die Nachbearbeitung erfolgt in Road shows und Einzelgesprächen. Sie endet mit dem Ordertaking. Darauf erfolgt die Festsetzung des Emissionspreises mit Zuteilung der Anteile. Unmittelbar nach Emission ist eine Kursstabilisierung erforderlich.

3.8.4 Börsen Die Börse ist eine regelmäßig stattfindende, korporativ organisierte Marktveranstaltung, an der bestimmte Kaufleute nach festliegenden normierten Bedingungen und Verfahren Geschäfte in physisch nicht präsenten Objekten abschließen. Voraussetzung ist dabei die Fungibilität der Waren, d. h., jedes Einzelexemplar einer Gattung kann das Warengesamt hinreichend vertreten, die Waren sind also untereinander austauschbar und müssen daher nicht physisch am Ort des Handels vorhanden sein. Muster sind bei überbetrieblichen, zu Standards erhobenen Normen ebenso verzichtbar. Damit sind auch die Verträge fungibel, weil deren wesentliche Bestandteile, wie Vertragsmenge, Lieferungstermin, Andienungsplatz, Zahlungs-

3.8 Absatz über Marktveranstaltungen

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weise, Streitregelung etc. standardisiert sind. Durch beschränkten Zugang, straffe Organisation und raum-zeitliche Konzentration werden Transaktionen übersichtlich gestaltet und vereinfacht. Alle anderen Entscheidungsparameter als der Preis entfallen. Häufigste Erscheinungsform sind Effekten-, Devisen- und Warenbörsen. Online-Börsen im B-t-b-Bereich sind zumeist als virtuelle Marktplätze ausgestaltet, über die vorwiegend Wartungs- und Reparaturleistungen (Kundendienste) sowie Betriebsstoffe und indirekte Produkte, aber auch Restposten, Gebrauchtwaren etc. gehandelt werden (MRO-Produkte). Weiterhin werden dort C-Produkte (geringer Wertanteil im Beschaffungsbudget, direkte Produkte) ge- und verkauft. Bei beiden handelt es sich um physische Produkte/Dienste, daneben sind digitale Produkte/Dienste konstitutiv auf das Internet als Vertriebsweg angewiesen.

Abbildung 63: Formen virtueller Marktplätze

Man unterscheidet im Einzelnen nach dem Inhalt horizontale Marktplätze, auf denen für branchenübergreifende Anwendungen Angebote einer Produktgruppe offeriert werden und vertikale Marktplätze, auf denen für branchenspezifische Anwendungen Angebote verschiedener Produktgruppen offeriert werden. Eher dem B-t-c-Bereich zuzuordnen sind hingegen laterale Marktplätze mit verschiedensten Produkten für unterschiedlichste Anwendungen (Ebay) sowie fokussierte virtuelle Marktplätze, auf denen nur ein Produkt für eine Branchenanwendung gehandelt wird.

Abbildung 64: Ausprägungen von Internet-Marktplätzen

Weiterhin unterscheidet man nach der Veranlassung anbietergetriebene Marktplätze, die von Lieferanten zum Zwecke der Offerte ihrer Produkte installiert

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3. Der Indirektabsatz

werden. Dort können sich potenzielle Nachfrager einen raschen Marktüberblick verschaffen. Und nachfragergetriebene Marktplätze, die von Abnehmern zum Zwecke der Bedarfsdeckung installiert werden. Dort können sich potenzielle Lieferanten melden und ihren Lieferwunsch abgeben. Sowohl anbieter- wie auch nachfragerinitiierte Marktplätze dienen der direkten Transaktionsaufnahme. Daneben gibt es von Maklern organisierte Marktplätze, auf denen diese Angebot und Nachfrage sammeln und von der Provision (Courtage) zur Herstellung des Kontakts zwischen beiden profitieren. Dazu eröffnet der Makler (Broker) eine Plattform, auf der Anbieter und Nachfrager unabhängig voneinander Leistungen bzw. Gebote platzieren. Oft kann auch die Zahlungsabwicklung und -besicherung über diese Marktplätze vorgenommen werden. Kommt dann eine Transaktion auf diesem Marktplatz zustande, wird die Provision fällig. Außerdem gibt es von Mittlern organisierte Marktplätze, die ebenfalls der Aggregation von Angebot und Nachfrage dienen. Mittler sind dabei rechtlich nicht als Makler tätig und bestreiten ihre Einnahmen daher durch andere Quellen, meist aus Werbeeinschaltungen auf der Website oder von Eintragungsgebühren für die Notierung. Auf freien, nicht-proprietären virtuellen Marktplätzen treffen sich die Beteiligten auf Basis informeller Verabredungen. Reglementierte, proprietäre Marktplätze werden häufig durch Verbände, Konsortien o. Ä. betrieben. Hinsichtlich der Zugänglichkeit können virtuelle Marktplätze offen oder geschlossen sein. Offen bedeutet, dass sie für Jedermann zugänglich sind, der daran Interesse hat, geschlossen bedeutet, dass sie über Zugangsregularien verfügen, die nur einen limitierten Zugriff (Geschlossene Benutzer-Gruppe/Password) erlauben. Der Zugang kann dabei durch bloße Anmeldeerfordernis limitiert sein, durch die Notwendigkeit eines Antrags zur Aufnahme in den Kreis der Teilnehmer oder durch einseitige Einladung/Aufforderung des Veranstalters zur Teilnahme. Die Formen realer Marktveranstaltungen wiederholen sich virtuell in Form englischer Auktionen (auf Aufstrich) oder holländischer Auktionen (auf Abstrich), als geheime Auktion (analog zur Einschreibung), als Reverse auction (analog zur Lizitation) oder als Vickrey-Auktion (mit Zweithöchstgebots-Zuschlag). Weitere Ausprägungen sind die •• amerikanische Auktion, hier erfolgt nur die Inkrementeinzahlung zwischen dem alten und dem eigenen neuen Angebot, der Verkäufer erhält also den Preis nicht von einem, sondern kumuliert über alle Bieter, der Höchstbietende erhält den Zuschlag für Einzahlung nur seines Inkrements, •• die japanische Auktion, hier gibt es feststehende Inkremente, um die sich ein Gebot erhöht, •• e-Bay-Auktion, dies ist eine Abwandlung der Vickrey-Auktion mit der Möglichkeit der Erhöhung des Höchstgebots, wobei dieses nach außen hin unsichtbar bleibt,

3.8 Absatz über Marktveranstaltungen

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•• Niedrigstpreis-Auktion, hier erhält derjenige Bieter den Zuschlag, der das niedrigste, nur einmal abgegebene Gebot hat, zu jedem Gebot muss ein Credit gekauft werden, der nicht erstattet wird, die Auktion endet mit Zahlung des Kaufpreises, •• Scratch-Auktion, hier startet die Auktion mit einem Höchstpreis, durch Kauf eines Credit wird der Preis um ein Inkrement gesenkt, der aktuelle Preis ist unsichtbar, nur, wer einen Credit kauft, kann den Preis sehen und dann entscheiden, ob er „zuschlägt“ oder den Credit verfallen lässt, bei Kauf ist die Auktion beendet. Dem Anbieter sollte es darum gehen, diese Internet-Plattformen proaktiv zu vermeiden, denn ist man erst einmal in eine solche Börse einbezogen, kann man fast nur noch über den Preis agieren. Wo dieses Ausweichen nicht möglich ist, muss mindestens versucht werden, die Auktionsbedingungen so zu beeinflussen, dass es dem eigenen Unternehmen leichter fällt, diese zu erfüllen, als es mutmaßlich Mitbewerbern fällt. Die virtuellen Marktplätze können unter dem Zeitaspekt nur fallweise/anlassbezogen „geöffnet“ sein oder dauerhaft zu Transaktionen genutzt werden oder sich zyklisch wiederholen. Vorteile virtueller Marktplätze sind ihre grundsätzlich ständige Verfügbarkeit, d. h. Zeit (24/7) und Raum (ortsungebunden) spielen für die Nutzung keine Rolle. Die Informationsbeschaffung wird für alle Marktteilnehmer erheblich erleichtert (Angebote können rasch miteinander verglichen werden). Durch leichtere und schnellere Informations- und Kommunikationsprozesse bleiben die Transaktionskosten gering. Ebenso können grundsätzlich alle Anbieter am Markt teilnehmen. Als Ausprägungen virtueller Marktplätze sind nach den Kenngrößen Teilnehmerzahl, Abschlussprocedere und Betreiberentgelt folgende zu unterscheiden: •• ein Anbieter: ein Nachfrager (One to one-Lösung, proprietär), •• ein Anbieter: viele Nachfrager (Sell side-Lösung), •• viele Anbieter: ein Nachfrager (Buy side-Lösung), •• viele Anbieter: viele Nachfrager (Many to many-Lösung).

4. Die kaufmännische Auftragsbearbeitung 4.1 Angebotserstellung Zur Angebotserstellung wird zweckmäßigerweise ein Prozessmodell zugrunde gelegt. Jede dieser Phasen weist wiederum Teilprozessstufen auf. Ein Erfolgsschlüssel liegt sicherlich in der geeigneten Sichtung und Ansprache von Kaufinteressenten. Dabei ist zwischen Neu- und Bestandskunden sowie passiv eingehenden Anfragen zu unterscheiden. Zu Beginn der Bearbeitung ist die generelle Durchführbarkeit eines Auftrags zu prüfen. Wird diese bejaht, geht es um die zeitgebundene Ressourcenverfügbarkeit dafür. Wenn auch hier kein Problem erkennbar ist, erfolgt die Kalkulation der Angebotsbestandteile. Auf dieser Basis wird die eigentliche Angebotserstellung durchgeführt. Besonderes Augenmerk aus vertrieblicher Sicht ist dabei den kaufmännischen Bestandteilen Preis, Konditionen, Lieferungsund Zahlungsbedingungen zu widmen. Schließlich ist vor Abgabe eines Angebots eine Risikoabdeckung der Gegenleistung zu prüfen. Nach Abgabe des Angebots sind dessen Verfolgung und Nachverhandlung sowie eine Erfolgsauswertung und -ableitung daraus unerlässlich.

Abbildung 65: Phasen der Angebotserstellung

4.1 Angebotserstellung

245

Für die Angebotserstellung sind vielfältige Randbedingungen bedeutsam wie extern Referenzfähigkeit eines Auftraggebers, Share of wallet-Steigerung bei Bestandskunden, Einstieg in einen neuen Markt oder Sprungbrett bei Neukunden bzw. intern Kapazitätsauslastung, Lerneffekte im Wissensmanagement, Gewinnhaltigkeit oder Standardisierung der Leistungsabgabe. Oft werden diese Randbedingungen als Restriktionen betrachtet und führen zu nichtssagenden (unspezifizierten, unverbindlichen, letztlich irrelevanten) Angeboten. Man sollte jedoch keinesfalls vergessen, dass Markterfolg nicht immer planbar und logisch entsteht, sondern häufig Anfragen, die mit aussagefähigen Angeboten beantwortet werden, Türen aufstoßen, die in Gefilde vordringen, die man vordem nicht für möglich gehalten hatte. Daher kann nur gelten, dass man sich die Ablehnung einer Angebotsabgabe mehr als einmal gründlich überlegen sollte

4.1.1 Interessentensichtung und -ansprache Ein Erfolgsgeheimnis „passender“ Angebote ist die Selektion geeigneter Zielgruppen. Diese können sich im B-t-b-Sektor nach folgenden Kriterien ergeben: •• Identifizierung der Branchen, in denen die eigenen oder vergleichbare fremde Leistungen Verwendung finden oder finden können. Hierbei ist bedeutsam, dass die meisten Produkte in verschiedenen Branchen zum Einsatz kommen können. Gerade neu entstehende Branchen werden dabei in Zuge einer Fokussierung auf bestehende Geschäftsbeziehungen häufig außer Acht gelassen. •• Identifizierung der Unternehmen innerhalb dieser Branchen. Hierbei ist bedeutsam, dass im Zuge der Business migration Unternehmen zunehmend branchenübergreifend (als Mehrgeschäftsfeld-Unternehmen) tätig werden. Insofern können in einer Branche Player auch auftauchen, die bisher nicht „auf dem Radar“ waren. Diese gilt es zu kontaktieren. •• Identifizierung der Beschaffungsorganisation in den selektierten Unternehmen. Zumeist ist die Beschaffung in einer Einkaufsabteilung (Procurement) zentralisiert, da es sinnvoll ist, externe Aufträge, die mit einem negativen Cash-flow verbunden sind, zu kanalisieren, um Unwirtschaftlichkeiten bis zur Illiquidität vorzubeugen. Die von der Beschaffung betroffenen Fachabteilungen haben dabei häufig nur noch ein Vorschlagsrecht für die Anbieterauswahl oder das Beschaffungsobjekt. •• Identifizierung der Personen in diesen selektierten Organisationen. Entscheidungen einer gewissen Größenordnung werden nicht mehr durch Einzelpersonen, sondern in Beschaffungsgremien (Buying centers) gefällt. Hier ist die Zusammensetzung dieser Gremien zu eruieren, ebenso die Entscheidungsstruktur und -dominanz. Diese sind jedoch extern schwer, wenngleich machbar, recherchierbar.

246

4. Die kaufmännische Auftragsbearbeitung

•• Identifizierung der Bedarfe dieser Personen. Dabei sind sowohl berufliche als auch persönliche Interessen zu berücksichtigten. So gibt es Faktenreagierer (Clarifier) und Imagereagierer (Simplifier), Innovationspromotoren und -opponenten auf Fach-, Macht- und Prozessbasis und verschiedene Arten von Informationstypen. Sind Interessenten hinreichend identifiziert, gilt es, diese mit dem Ziel der Beauftragung zu kontaktieren. Dafür ergeben sich verschiedene Ansprachewege: •• Ein persönlicher Kontakt kann Face to face, fernmündlich oder informell erfolgen. Face to face ergibt er sich im Rahmen des Persönlichen Verkaufs durch Unternehmensrepräsentanten. Dies ist zweifellos der effektivste Weg, wenngleich wenig effizient. Eine Hürde ist dabei vor allem die Überwindung von Kontaktwiderständen. Dies gilt auch für die telefonische Kontaktaufnahme, die im B-t-b-­Sektor erlaubt ist, sofern das offerierte Angebot mit dem Geschäftszweck des angerufenen Unternehmens in Verbindung steht. Informelle Kontakte er­ geben sich auf Messen, Konferenzen, Kongressen, Tagungen, Events etc., wo sich Professionals immer wieder zwangsläufig treffen. •• Der schriftliche Kontakt ist der formellste und erfolgt zumeist durch ein Anschreiben mit entsprechenden Anlagen wie Prospekt, Katalog, Flyer. Gelegentlich werden hier auch bereits erste, unaufgeforderte Projektstudien angefügt, die den Prospect ködern wollen. Im B-t-b-Sektor ist auch eine Serie von Mailings möglich, die, beginnend mit einem Teaser, über den eigentlichen Rollout bis hin zu einem Reminder eine Verkettung von Interesse, Überzeugung und Aktion erreichen wollen. •• Der mediale Kontakt erfolgt über Online-Medien, hier vor allem über Internet, besonders über WWW und e-Mail, aber auch Soziale Netzwerke. Da WWW ein Pull-Medium ist, muss der Traffic auf die eigene Webpräsenz auf andere Weise gelenkt werden. Dies kann online, also im Medium, aber auf anderen Seiten erfolgen (Affiliate, Suchmaschineneintrag, Displaywerbung etc.) oder offline, also über geprintete oder persönliche Kontakt­mittel. Bei ­e-Mails ist im B-t-b-Sektor ein Outbound-Kontakt (aktiv) möglich, im Zweifel im Wege des Permission marketing (mit Double opt-in), ein Inbound-Kontakt (passiv) ist ohnehin jederzeit erlaubt. Bei Sozialen Netzwerken ist an Business-Netzwerke (Xing, LinkedIn) zu denken, in Private-Netzwerken (Face­ book, Google+) ist ein ungebetener, verkäuferischer Kontakt zumeist un­ erwünscht.

4.1.2 Anfrageneinholung bei Neu- und Bestandskunden Ein Kontakt (Lead) wird erst werthaltig, indem er zu Transaktionen genutzt werden kann. Für die Anfragengenerierung bei Neukunden gibt es daher mehrere Ansatzpunkte:

4.1 Angebotserstellung

247

•• Bei Hinzuziehung zu einer ohnehin laufenden Anfragenrunde wird ein potenzieller neuer Lieferant als weiterer Teilnehmer aufgenommen. Der Anfrager hat dabei kaum etwas zu verlieren. Stellt sich das neue Angebot als nicht leistungsfähig heraus, war der Aufwand zum Test wegen bereits eingespielter Prozesse gering, stellt es sich als leistungsfähig heraus, hat man einen geschäftlichen Vorteil für sich erreicht. Häufig stellt dieses Verfahren eine einmalige Chance dar, d. h. wird das neue Angebot als nicht leistungsfähig erachtet, hat der Anbieter kaum eine Chance, noch bei weiteren Anfragen berücksichtigt zu werden. •• Bei Anfrage für ein neu zu beziehendes Produkt kann der potenzielle neue Lieferant ein Produkt anbieten, das neu am Markt ist oder zumindest neu für das anfragende Unternehmen. Insofern sieht man sich hier nur einer begrenzten Vergleichssituation gegenüber. Limitationen ergeben sich allerdings daraus, dass im Wege einer Budgetsubstitution andere Lösungen verdrängt werden müssen oder eine neue Lösung in Konkurrenz zu anderen Anbietern steht. Dabei erweisen sich häufig Prozessumstellungen als Hindernis. •• Bei monadischer Anfrage als Orientierung fragt ein potenzieller Abnehmer an, um auf diesem Wege eine Vorstellung vom bei der neuen Lösung implizierten Aufwand zu erhalten. Dabei geht es nicht nur um den Anschaffungspreis, sondern auch um die laufenden Betriebskosten und evtl. Wiederverkaufserlöse (Total costs of ownership). Hinzu kommen ggfs. einmalige Kosten für die Umstellung von Prozessen bei Incoming und Operations. Erst dadurch kann eine grundsätzliche Eignung zur näheren Auseinandersetzung mit der neuen Lösung qualifiziert werden. •• Ein Erstauftrag von Start-ups ist oft eine zweischneidige Angelegenheit. Einerseits versprechen Start-ups potenziell ein großes Wachstum und gerade wer am Anfang eine Geschäftsbeziehung mit ihnen eingeht, darf mit einer gewissen Verbundenheit auch bei späterer Prosperität rechnen. Andererseits ist die Zahlungsfähigkeit bzw. -willigkeit womöglich gering ausgeprägt und es mangelt an einer gewissen Professionalität. Ist man zögerlich, können im Zweifel große Folgeauftragsvolumina entgehen. Wachstumschancen entstehen durch Produktwert-, Produktanzahlerhöhung, (aktive/passive) Referenzierung, Informationsund Integrationsnutzen. Die Anfrageneinholung bei Bestandskunden gehört zum Tagesgeschäft des Vertriebs. Man darf keinesfalls nur abwarten, bis man angefragt wird, sondern muss proaktiv Anfragen generieren. Nur damit kann man sicherstellen, bei Anfragen überhaupt berücksichtigt, und nicht aus Versehen oder mit Absicht übergangen zu werden. Auch hat man bei proaktivem Vorgehen zumindest die Chance der Einflussnahme auf die Anfragebedingungen, weil man in einem frühen Stadium einsteigt. Dies ist gerade der große Vorteil bei bestehenden Geschäftsbeziehungen. Es gibt einen relevanten Informations- und ggfs. auch einen Integrationsvorteil gegenüber Out suppliers.

248

4. Die kaufmännische Auftragsbearbeitung

In vielen Unternehmen werden Anfragen allerdings nur passiv entgegen genommen. Wegen der vermeintlich einfachen Aufgabenstellung wird dies zumeist dem Verkaufsinnendienst (Traffic) überlassen. Dies ist nicht akzeptabel, denn eine Anfrage ist eine Einladung zur Aufnahme einer Geschäftsbeziehung und bietet durch intelligente Lösungen immer die Chance zum Erfolg. Häufig sind gerade Kleinaufträge als Test für eine spätere Geschäftsausweitung anzusehen. Anfragen daher abzuwehren oder lieblos zu behandeln, ist ausgesprochen leichtfertig. Bei bestehenden Kunden sind auch Initiativangebote denkbar. Dabei handelt es sich um Angebote, die ohne konkrete Anfrage allein aus der Kenntnis der Problem- und Bedarfssituation des Kunden heraus abgegeben werden. Da man die Bedarfslage von Bestandskunden gut kennen sollte, hier ist Kundennähe das Zauberwort, müsste es gelingen, ein passendes Angebot zu unterbreiten. Dieses kann einen bestehenden Bedarf dort aufgreifen, oder besser, erst eine Problemweckung hervorrufen. Gerade dann hat man die Chance des ersten Zugriffs.

4.1.3 Bearbeitung von Inbound-Anfragen Neben aktiv akquirierten Anfragen (Outbound) fallen auch passive Anfragen (Inbound) an. Viele Unternehmen nehmen für solche Anfragen eine Bewertung vor, die qualifizieren soll, ob es sich überhaupt lohnt, solche Anfragen zu bearbeiten. Bewertungskriterien können hier etwa sein: Zahlungsfähigkeit (­Bonität), Wettbewerbsposition, Bedarfspotenzial, Auftragsertrag, Angebotskosten etc. Dies ist in gewisser Weise verwunderlich. Sehr aufwändige, komplizierte Anfragen werden ohnehin kaum über Inbound erzeugt werden, vielmehr wird es sich regelmäßig um Klein- oder Standardanfragen handeln. Damit ist aber praktisch ein „Steilpass“ für das anbietende Unternehmen gegeben, es entsteht ein potenzieller Kundenkontakt, ohne dass dafür Akquisitionskosten angefallen wären. Häufig werden hinter solchen Kontakten „Zählanfragen“ vermutet, die einen Triple pitch auffüllen sollen, oder Dummy-Anfragen des Wettbewerbs, um Informationen aus dem Unternehmen zu erhalten. Auch das sind keine Gründe, solchen Anfragen ablehnend gegenüber zu stehen. Im ersten Fall kommt es auf das anbietende Unternehmen an, ob es wirklich nur „Zählanbieter“ ist oder ein so überzeugendes Angebot präsentiert werden kann, dass letztlich ein Zuschlag erfolgt. Im zweiten Fall ist die Informationstransparenz durch moderne IuK-Medien ohnehin so hoch, dass kaum relevante Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse in einem Angebot preisgegeben würden, erst recht kein anderweitig ungeschütztes Wissen. Für den Fall, dass ein Unternehmen sich vor Anfragen nicht retten kann oder auf unabsehbare Zeit Kapazitätsüberlast gefahren wird, mag es sinnvoll sein, eine Anfragenselektion vorzunehmen. In allen anderen Fällen ist eine spezifische Bearbeitung ratsam. Doch wenn ein Angebot schematisiert, häufig von Hilfskräften, erstellt wird, kann man sich den Aufwand in der Tat gleich sparen.

4.1 Angebotserstellung

249

Nachdem nunmehr die vorlaufenden Aktivitäten zur Angebotserstellung erreicht worden sind, gelangt man zur eigentlichen Kernphase.

4.1.4 Auftragsdurchführbarkeit und Ressourcenverfügbarkeit Die Prüfung der Durchführbarkeit (Feasibility) eines potenziell erteilten Auftrags ist grundsätzlicher Art und bezieht sich auf mehrere Faktoren: •• Je nach Lage der Dinge kann für ein Angebot auf Erkenntnisse der Grund­ lagenforschung zurückgegriffen werden, die im eigenen Unternehmen oder gemeinsam mit anderen durchgeführt worden ist, die zugekauft wurden oder auch öffentlich zugänglich sind. Ohne diese Erkenntnisse ist die Durchführbarkeit eines Auftrags praktisch nicht gegeben. Selbst auf diesem Grundlagenwissen aufbauend ist häufig eine Anwendungsforschung notwendig, die erst in konkreten Umsetzungsmöglichkeiten mündet. Sofern keine Erfahrung vorliegt, ist zunächst eine Entwicklung hin zu Prototyp, Nullserie, Dummy etc. erforderlich. Eng damit verbunden ist die Notwendigkeit zur Erprobung dieser Anwendungen. Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist eine Feasibility gegeben. •• Damit technisches Wissen gewerblich umgesetzt werden kann, ist der Rückgriff auf eine entsprechende Prozesslandschaft erforderlich. Sofern diese nicht vorhanden ist, muss sie erst noch geschaffen werden. Dabei kommt es auf Kernprozesse an, aber auch auf Supportprozesse. Vielleicht erfordert das Angebot aber auch einen Ausnahmeprozess. Dabei ist zu prüfen, inwieweit diese Prozesse problemlos so eingesteuert werden können, dass der Wirkungsgrad stimmt, also die Relation von Nutzleistung zur Gesamtleistung (incl. Stützleistung und Blindleistung). •• Aus Gründen der Reputation und auch der Gewährleistung ist eine hoch qualitative Erbringung der angebotenen Leistung unerlässlich. Regelmäßig ist eine Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001 als Präqualifikation unverzichtbar. Tatsächlich ist aber ein weitaus höheres Qualitätsniveau branchenweit Industriestandard (Six sigma). Fehlleistungen müssen auf diesem Niveau sicher ausgeschlossen werden können. •• Wenn ein Auftrag nicht allein durchgeführt werden kann, bedeutet das nicht, dass ein Angebot unterbleiben müsste. Vielmehr können projektbezogene Anbietergemeinschaften gebildet werden, die einander ergänzende Leistungen darstellen oder durch gleiche Leistungen einen Kapazitätserweiterungseffekt schaffen. Diese Gemeinschaften können auch mehrstufig in der Wertschöpfung angelegt sein. Zu denken ist an Konsortien (horizontal/Außenwirkung), Arbeitsgemeinschaften (vertikal/Außenwirkung), Partizipationen (vertikal/Innen­ wirkung) oder Interessengemeinschaften (horizontal/Innenwirkung). •• Die Durchführung von Projekten erfordert eine geeignete Aufbauorganisation im Unternehmen. Fraglich ist, ob Mitarbeiter für dieses Projekt von ihren regu­

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4. Die kaufmännische Auftragsbearbeitung

lären Tätigkeiten freigestellt werden (reine Projektorganisation) oder zeitanteilig an einem Projekt arbeiten. Zu entscheiden ist auch die Zusammensetzung eines solchen Projektteams (cross-functional). Zudem ist eine Leitung zu bestimmen, Ressourcen sind bereitzustellen und Timings einzuhalten. Ob dies im Einzelfall zu leisten ist, muss vorab realistisch geprüft werden. Bei der Erstellung von Angeboten ist entscheidend, dass das Zeitfenster zur Erstellung der angefragten Leistung mit dem der Ressourcenverfügbarkeit im Unternehmen oder durch Outsourcing übereinstimmt. Dabei sind zwei Situationen zu unterscheiden: •• Bei Kapazitätsunterauslastung entstehen ungedeckte Fixkosten (Leerkosten) aus nicht ausgelasteten Kapazitäten. Es ist daher unbedingt angezeigt, Angebote zu erarbeiten, um dieser misslichen Situation abzuhelfen. Die Leerkosten belasten, da Fixkosten nicht oder nur ungenügend kurzfristig abbaubar sind, die Gewinn- und Liquiditätssituation. Insofern lohnt auch ein großer Aufwand bei der Erstellung von Angeboten, denn eine nicht bearbeitete Anfrage hat automatisch eine Zuschlagswahrscheinlichkeit von Null. Jede bearbeitete Anfrage aber eine solche von mehr oder minder deutlich > 0. •• Bei Kapazitätsüberauslastung ergibt sich die komfortable Situation, im Zweifel auf die Angebotserstellung verzichten zu können, weil die Auftragslage auch so mehr als ausreichend ist. Dennoch lohnt auch hier eine Angebotserstellung, sei es, um Kapazitäten auch mittelfristig auszulasten, sei es, um margenschwächere Aufträge durch margenstärkere zu substituieren, oder sei es, um daraus resultierende Aufträge durch Outside resourcing erledigen zu lassen. Allerdings ist hier eine Begrenzung des Angebotsaufwands eher nachvollziehbar. Im Grunde ist die Angebotserstellung daher wie eine Investitionsentscheidung zu betrachten. Man muss vorab einen Ressourcenumfang bestimmen, den man für die Auftragsgewinnung einsetzen will. Alle Investitionen bis zu diesem Limit sind gerechtfertigt. Aber ohne Investition zu Aufträgen zu kommen, ist ein Luxus, den sich heute kaum mehr ein Unternehmen leisten kann. Dieses Limit ermittelt sich im Wesentlichen aus dem Produkt von zwei Größen. Dem Zeitaufwand zur Angebotserstellung und der Zuschlagswahrscheinlichkeit. Der Zeitaufwand kann durch Zeitaufschreibungen mit gewichteten Stundensätzen je Arbeitsplatz in der Administration quantifiziert werden. Das Mengen- bzw. das daraus abgeleitete Wertgerüst ergibt die Investitionshöhe. Die Zuschlagswahrscheinlichkeit ist von der Spezifität der eigenen Leistung für die angefragte Konstellation sowie von der Anzahl und Qualität der, bekannten oder vermuteten, Mitbewerber bzw. dem wichtigsten Mitbewerber abhängig. Je spezifischer die Leistung, desto eher kann eine monopolistische Situation erreicht werden, je standardisierter die Leistung, desto eher ist mit vielen und fähigen Konkurrenzanbietern zu rechnen.

4.1 Angebotserstellung

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4.1.5 Kalkulation der Angebotsbestandteile Für den Ressourcenaufwand entscheidend ist auch, welcher Grad an Verbindlichkeit dem Angebot zugrunde liegt. Eine informelle Anfrage ist grundsätzlich unverbindlich. Sie wird als Kontaktanfrage (auch Request for information/RFI genannt) zur Sondierung mit einem freibleibenden Angebot beantwortet oder als (informelle) Richtanfrage (auch Request for quotation/RFQ genannt) mit einem Spannenangebot. Ersteres kann jederzeit zurückgezogen und muss auch nicht durch ein neues ersetzt werden. Letzteres gibt eine Preisspanne für eine gegebene Leistung vor, die ausgeschöpft, jedoch nach oben nicht verlassen werden darf. Kontakt- und Richtangebote sind wegen ihres unverbindlichen Charakters ressourcenschonend zu erstellen, aber wenig effektiv. Wird ein verbindliches Angebot gefordert, handelt es sich um ein Fest­angebot. Dieses bleibt nach Abgabe für eine angemessene Frist gültig und kann währenddessen auch nicht zurückgezogen oder korrigiert werden (außer bei Irrtum in einer verkehrswesentlichen Eigenschaft). Deshalb will die Abgabe eines Fest­angebots durchaus gründlicher überlegt sein. Ein noch höherer Grad der Formalisierung ist bei Ausschreibung gegeben. Dabei handelt es sich um eine Form der Marktveranstaltung, bei der Bieter aufgefordert werden, ein Angebot unter definierten Bedingungen abzugeben (auch Request for proposal/RFP genannt). Dabei kommt ein Vertrag allein durch Annahme zustande, was voraussetzt, dass alle kontraktrelevanten Details vorab geklärt sind. Eine Pflicht zur Annahme besteht nicht. Seit Jahren versuchen Anbieter, sich den Ressourcenaufwand zur Angebots­ erstellung von potenziellen Abnehmern zumindest symbolisch entgelten zu lassen. Dies hat jedoch praktisch einen Marktsperrungseffekt zur Folge, d. h. solange Abnehmer kostenlose Angebote am Markt erhalten können, ist für sie nicht einsichtig, warum sie Angebote bezahlen sollten. Auch Regelungen wie die Verrechnung einer Angebotsgebühr bei späterer Auftragserteilung vermögen hier keine Änderung im Verhalten zu bewirken. Teilweise müssen Angebote mit Selbstbindungszusagen unterlegt werden. Zu denken ist vor allem an eine: •• Bietungsgarantie, damit wird ein Rücktritt vom Vertrag nach Abschluss verteuert, •• Gewährleistungsgarantie, dies dient als Rückbehalt zum Ausgleich bei Durchführungsproblemen, •• Kreditsicherungsgarantie, bei einem Bestellerkredit gegenüber der Bank als Rückzahlungsverpflichtung, •• Lieferungsgarantie, damit wird einem Lieferverzug finanziell entgegengewirkt.

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Damit verhindern nachfragemächtige Abnehmer, dass sich Anbieter melden, die im Zweifel bei Auftragserteilung zur Ausführung dieses Auftrags nicht ordnungsgemäß in der Lage wären. Dies engt naturgemäß den Kreis potenzieller Lieferanten ein, spiegelbildlich steigt aber mutmaßlich die Qualität der Angebote. Dagegen stehen mögliche Sicherungen des Verkäufers, z. B. als Anzahlungsgarantie (Rückgewährung bei Auftragsstorno), Schlusszahlungsgarantie (kein Rückbehalt einer Sicherungsleistung bei Abnahme) oder Transfergarantie (keine Konvertierungsprobleme in Fremdwährung), sofern diese in einem Käufermarkt durchsetzbar sind. Für die Kalkulation selbst können verschiedene Verfahren herangezogen werden: •• Progressive Verfahren rechnen von den einzelnen Kostenbestandteilen unter Aufschlag einer Gewinnmarge auf den Angebotspreis. Dabei können sowohl Einzel- als auch Gemeinkosten einbezogen werden (Zuschlagskalkulation/Mark up) oder nur pagatorische Teile der Kosten (liquiditätswirksamer Break even). •• Retrograde Verfahren rechnen vom für erzielbar gehaltenen Angebotspreis auf die einzelnen Kostenbestandteile zurück. Dabei können alle Kosten und ein fester Gewinnaufschlag eingerechnet werden (Zielkostenrechnung) oder nur die variablen Anteile der Kosten mit einem Residualgewinn (Deckungsbeitragsrechnung). •• Heuristische Verfahren beruhen auf Erfahrungswerten. Denkbar ist etwa die Kilokostenmethode (Gewicht des angebotenen Gutes × Kosten je Kilo), die Schätzung aus Vergangenheitswerten (Grobprojektierung) oder die Auswertung vergangener Kosten mit Hilfe einer Regressionsgleichung (Einflussgrößen­ kalkulation). Diese Verfahren entbehren jedoch einer belastbaren Basis. •• Sonstige Verfahren setzen spezifische Auslegungen der Kostenrechnung voraus, so als Prozesskostenrechnung (z. B. bei Dienstleistungen), als Lebenszykluskostenrechnung (Anschaffungs-, Unterhaltungs-, Entsorgungsaufwand), als Deckungsbeitragsrechnung mit relativen Einzelkosten, als Zielkostenrechnung etc.

4.1.6 Durchführung der Angebotserstellung Die eigentliche Durchführung der Angebotserstellung hängt vom Standardisierungsgrad der Anfrageobjekte und den Anfragebestandteilen ab. Bei standardisierten Anfrageobjekten wie Hilfs- und Betriebsstoffen, C-Produkten, indirekten Produkten, Ersatzteilen etc., kann ein Katalogangebot erstellt werden. Das heißt, die Leistungsbestandteile sind weitgehend normiert und dementsprechend auch die Preise. Die Abgabe eines Katalogangebots legt jedoch nahe, dass bei commoditisierten Leistungen und handelsüblichen Konditionen letztlich nur der absolut niedrigste Preis zieht. Daher ist bei der lieblosen Abgabe von Standardangeboten Vorsicht geboten.

4.1 Angebotserstellung

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Es sollte vielmehr immer überlegt werden, wie eine positive Differenzierung zum Mitbewerb erreicht werden kann, es sei denn, man ist ausnahmsweise sicher, der billigste Anbieter zu sein. Eine solche Differenzierung kann auf vielerlei Art erreicht werden. Dazu einige Beispiele: •• Das beschaffte Produkt selbst ist selten schon die Problemlösung für den poten­ ziellen Kunden, diese entsteht vielmehr erst aus dem Angebot von begleitenden Dienstleistungen. Dadurch kann ein Konkurrenzvorsprung erreicht werden. •• Häufig stellt das angefragte Produkt infolge mangelnder Kenntnis des Anfragenden gar nicht die optimale Problemlösung dar, sondern ein anderes eigenes Produkt ist dazu weitaus besser in der Lage. Dann muss neben diesem auch ein alternatives, aus Sicht des Anbietenden besser geeignetes Produkt offeriert werden. Auf das Angebot des gewünschten Produkts kann meist nicht verzichtet werden, ohne damit zu riskieren, auf dem Anbieter-Set heraus zu fallen. •• Beim Angebot von Zeit- und/oder Raumvorteilen wird versucht, eine Präferenz aus einer schnelleren Verfügbarkeit der angefragten Leistung oder deren besserer räumlicher Erreichbarkeit zu schaffen. Logistik ist ein wesentlicher Konkurrenzparameter und Zeit- und Raumvorteile sind gewichtige Wettbewerbs­vorteile für potenzielle Kunden, die diesen unmittelbar einleuchten. •• Häufig sind angefragte Leistungen nicht Stand alone einsatzfähig, sondern bedürfen der oder erfordern die Integration in ein vorhandenes System. Dann wird auch ein leistungsunterlegenes Angebot akzeptiert, wenn dadurch die Investitionen in das System rationalisiert werden können (Lock in). Dazu ist allerdings die Kenntnis der implementierten Systeme beim potenziellen Kunden erforderlich (bei aktuellen Kunden sollte sie ohnedies vorhanden sein). Bei individuellen Anfrageobjekten entsteht ein hoher Rüstaufwand zur Angebotserstellung. Hilfreich sind hier Angebotsbaukästen, die aus standardisierten Angebotselementen bestehen, die miteinander individuell kombiniert werden können. Zumeist werden solche Baukästen computergestützt geführt. Dabei kann ein Angebot nach drei Prinzipien konfiguriert werden: •• Beim Modulsystem gibt es eine Vielzahl von Einzelbausteinen für die Detailgrößen eines Angebots. Die Schnittstellen zwischen diesen Modulen sind standardisiert oder werden zumindest vorab auf Kompatibilität hin geprüft. Für jede Konfiguration sind die Ressourcen- und Preiskonsequenzen ablesbar, ebenso wie Zeit- und Raumrestriktionen. Dadurch können auch komplexe Angebotsmerkmale bewältigt werden. •• Beim Plattformsystem ist eine Standardbasis als Ausgangskonfiguration gegeben. Ausgehend davon können dann spezifische Bausteine hinzuaddiert werden, um einer geforderten individuellen Auslegung zu entsprechen. Durch die Plattform wird die Anzahl möglicher Kombinationen limitiert und damit die Komplexität gesenkt. Auch ist die Ausführung der Leistungserstellung rationeller möglich.

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4. Die kaufmännische Auftragsbearbeitung

•• Beim Postponement-System wird von einer Standardkonfiguration ausgegangen, die dann durch Weglassen, Ersetzen oder Verändern von Bausteinen erst individualisiert wird. Die Anpassungsmöglichkeit ist dabei jedoch begrenzt, dafür wird die Angebotserstellung vereinfacht. Der Rationalisierungseffekt ist umso höher, je weniger Veränderungen vorgenommen werden, gleichzeitig ist das Ergebnis dann aber auch nicht mehr unbedingt individuell. Die Durchführung kann durch einen Angebotskonfigurator unterstützt werden, dieser enthält eine Kunden-/Interessentendatenbank, einen elektronischen Produktkatalog, eine Know-how-Datenbank, eine Zeichnungsdatenbank, die Bedarfserhebung etc. Daraus folgen neben Preisfindung/Kalkulation auch unverzichtbare Elemente wie Finanzierungsangebote, Folgekostenabschätzungen (TCoO), Angebotsdokumentationen, Angebotsverfolgungen etc. Das eigentliche Angebot besteht im Wesentlichen aus drei Teilen: Teil 1 ist das Anschreiben, Teil 2 der Kernteil und Teil 3 die Anlagen. Zum Anschreiben gehören wiederum mehrere Elemente: •• die genauen Adressdaten des Angebotsempfängers, •• die persönliche Ansprache des Adressaten, •• die genaue Bezeichnung des Projekts mit Projektnummer, •• differenzierte Bezugsangaben zur Zuordnung, •• Charakteristika der Anfrage und Beschreibung der Problemstellung, •• Aussagen zur eigenen Kompetenz/Reputation, •• Aussagen zur Motivation der Auftragsdurchführung, •• Hinweis auf die Kontaktaufnahme („Wiedervorlage“), •• Erweiterungen (wie Zusatzangebote zum Lastenheft). Der Kernteil besteht dann aus folgenden Inhalten: •• einzelne Angebotspositionen nach Menge, Material, Ausführung, Art, Güte, Beschaffenheit etc., •• Darstellung der technischen Lösung (Pflichtenkatalog), •• Angebot begleitender Dienstleistungen, •• Begriffsdefinitionen und Spezifikationen (z. B. gemäß DIN), häufig auch nach einzuhaltenden Standards (Handelsklassen, Typen), Waren- und Gütezeichen, Warenherkunft (Provenienz), Warenalter, Warenzusammensetzung etc., •• Erfüllungsort, gesetzlich ist der Geschäftssitz des Schuldners Erfüllungsort, also für die Warenlieferung der Ort des Verkäufers (Warenschulden sind Holschul­ den), für die Kaufpreiszahlung der Ort des Käufers (Geldschulden sind Bringschulden), vertraglich kann davon abgewichen werden, indem der Sitz des Ver-

4.1 Angebotserstellung

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käufers, der Sitz des Käufers oder ein dritter Ort für beide Vertragspartner als Erfüllungsort bestimmt wird, außer die Übergabe ist ihrer Natur nach nur am Ort des Käufer oder des Verkäufers möglich (z. B. bei Dienstleistungen), •• Gerichtsstand, dies ist der Ort, an dem bei Leistungsstörungen sich ergebende Streitigkeiten ausgetragen werden, gesetzlich ist dies immer der Geschäftssitz des Schuldners, also für die Warenschuld der Ort des Verkäufers, für die Geldschuld der Ort des Käufers, vertraglich kann Abweichendes vereinbart werden, •• Preis pro Einheit, nach gesetzlichen Maßeinheiten, Stückzahlen, handelsüb­ licher Mengenbezeichnung, Währung zur Abrechnung, Währungsbasis, Nebenkostenabrechnung, •• Lieferzeit, nach Gesetz ist unverzüglich zu liefern, außer beim Terminkauf (mit fixiertem Datum), beim Fristkauf (innerhalb einer definierten Zeitspanne) oder beim Abrufkauf (innerhalb einer Frist nach Mitteilung), bei langlaufenden Projekten auch mit Hilfe von Milestones, Teillieferungen etc., •• Eigentums- und Gefahrenübergang (Lieferungsbedingungen, Zahlungsbedingungen), Verzug, Abnahme (Abnahmeerklärung, -protokoll, Teilabnahmen), •• Nebenleistungen wie Verpackung, Verzollung, Versicherung, Transportart etc., bei Anlagen Inbetriebnahme, Probebetrieb, Leistungsnachweis, schlüsselfertige Übergabe etc., •• anzuwendendes Recht, Regelung bei Vertragsstörungen, Schiedsgerichtsklausel, Salvatorische Klausel, Vertragssprache, •• Finanzierungskonzept oder -vorschläge, •• Ergänzungen (wie After sales service, Cross selling, Garantie etc.). Die Anlagen enthalten meist folgende Punkte: •• Angebotszeichnungen (CAD), •• technische Spezifikationen, Konstruktionszeichnungen, Muster/Entwurf, •• Abbildungen/Skizzen, •• Prospekte, Warenproben, •• Referenzliste (Referenzen können sich dabei auf Projekte, Produkte, Prozessintegration, Koalitionen, Know-how etc. beziehen), •• Wirtschaftlichkeitsberechnung.

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4.1.7 Preisdefinition nach Lastenheft/Pflichtenkatalog Ausgangspunkt jeder Angebotserstellung ist normalerweise das in der Anfrage vorgegebene Lastenheft. Es definiert, welche Leistungsmerkmale eine angefragte Leistung haben muss. Aufbauend daraus definiert der Pflichtenkatalog, wie diese Leistung technisch zustande kommen soll. Der Sinn von Lastenheft und Pflichtenkatalog liegt in der späteren unmittelbaren Vergleichbarkeit der Angebote durch den Anfragenden. Bei einer freien Anfrage wird jeder Anbieter eine andere Ausführung vorschlagen. Dabei entstehen zwei Probleme. Erstens ist es Aufgabe des Anfragenden, herauszufinden, welche Problemlösung jeweils am besten geeignet ist, und zweitens sind die daraus folgenden Angebote untereinander nicht vergleichbar, sondern bedürfen zunächst einer Umrechnung, meist mit Hilfe der Nutzwertanalyse. Diesen Aufwand kann man sich als Anfrager ersparen, indem man sich vorher auf eine gewünschte Lösung festlegt, ggfs. unter Hinzuziehung von Beratern/Projekt­ entwicklern/Engineering-Unternehmen o. Ä., und auch angibt, wie diese Lösung im Einzelnen zustande kommen soll. Problematisch ist dabei der Aspekt der Kernkompetenz zu beurteilen. Denn diese besagt vereinfacht, dass alles, was ein Unternehmen besser kann als andere, von ihm nicht zugekauft, sondern selbsterstellt werden muss, und alles, was andere besser können als das eigene Unternehmen, zugekauft werden muss, und zwar bei diesen Kernkompetenzhaltern. Wenn das anfragende Unternehmen aber nunmehr im Pflichtenkatalog vorgibt, wie genau eine Lösung zustande kommen soll, dann bedeutet das in der Konsequenz, dass die Kernkompetenz eines Lieferanten ausgeschlagen wird und derjenige, der sich weniger gut mit einer Materie auskennt, demjenigen, der sich besser damit auskennt, vorgibt, wie zu verfahren ist. Das aber führt zu konkreten Wettbewerbsnachteilen. Daher wird häufig nur das Lastenheft in der Anfrage vorgegeben, also das, was die zu beauftragende Leistung können muss. Wie diese Leistung dann im Einzelnen zustande kommt, ist Bestandteil des Angebots und wird den anbietenden Unternehmen freigelassen. Auf diese Weise können diese ihre Kernkompetenz einbringen und schaffen einen Vorsprung durch niedrige Fertigungstiefe beim Abnehmer. Für Anbieter stellt sich dabei jedoch die Frage, wie sie ihr Kernkompetenz-Know-how dann noch wirksam schützen können, denn denkbar ist, dass die Ergebnisse des Pflichtenkatalogs in einer Anfrage an andere potenzielle Lieferanten weitergegeben werden, von denen ein Nachfrager sich ein niedrigeres Preisniveau verspricht. Ab­ gesehen von qualitativen Dimensionen wie Vertrauen und Reputation helfen hier Lebenszeitverträge, z. B. also Dauerschuldverhältnisse in der Beschaffung für eine komplette Modellgenerationsdauer. Hierzu gehören auch die Konditionen, Lieferungs- und Zahlungsbedingungen, die wesentlichen Ertragseinfluss haben. Rabatte sind als Funktions-, Mengen- oder Zeitrabatte ausgelegt. Lieferungsbedingungen geben den Kosten- und Gefahren-

4.1 Angebotserstellung

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übergang zwischen Lieferant und Abnehmer an (national oder international). Zahlungsbedingungen zeigen auf der Zeitachse den Austausch von Waren- und Geldleistungen an.

4.1.8 Risikoabdeckung der Gegenleistung Für den häufigen Fall der Einräumung eines Zahlungsziels ist für das Angebot zu berücksichtigen, wie die dabei involvierten Risiken abzudecken sind. Das Gesamtrisiko besteht im Einzelnen aus fünf Teilrisiken: •• Unter Fabrikationsrisiko versteht man das Risiko, dass eine erstellte Leistung vom Nachfrager nicht wie vereinbart abgenommen wird. Dieses Risiko liegt umso höher, je spezifischer die infrage stehende Leistung ist. Denn dies limitiert anderweitige Verwertungsmöglichkeiten. Leistungen hoher Spezifität sind anderweitig kaum angemessen zu verwerten, sie führen im Zweifel zu einem Totalverlust. Leistungen hoher Standardisierung sind hingegen leichter vermarktbar, jedoch entstehen womöglich Kosten für Rücktransport, Umladung und Zwischenlagerung. Diese können, je nach Lage der Dinge, nennenswerte Beträge ausmachen. Absicherungen erfolgen hier u. a. durch Hermes-Deckung, unwiderrufliches bestätigtes Akkreditiv oder Forderung einer Anzahlung. •• Unter Zahlungsausfallrisiko versteht man das Risiko, das daraus resultiert, dass der Abnehmer die angediente Leistung zwar abnimmt, nicht aber bezahlt. Hier besteht immer die Möglichkeit der Zahlungsklage, ggfs. nach vorherigen, aber nicht zwingend erforderlichen Mahnungen. Probleme entstehen jedoch aus teilweise unzumutbar langen Prozessverfahrenszeiten mit letztlich ungewissem Ausgang sowie im Ausland aus als unsicher erachteter Gerichtsbarkeit. Zudem kann der Abnehmer zwischen Abnahme und Zahlungsfälligkeit insolvent geworden sein oder das Unternehmen ist aufgelöst, aufgekauft oder umfirmiert worden, so dass die Durchsetzung der Forderung erschwert wird. Absicherungen erfolgen hier u. a. durch Zahlungsgarantie der Bestellerbank, Wechsel­ ziehung oder Forfaitierung. •• Das Wechselkursrisiko ergibt sich bei Abrechnung in Fremdwährung (des Ziellandes, eines Drittlandes), wenn die Kursparitäten zwischen der Inlands- und der Auslandswährung sich verschlechtern. Dies ist vor allem bei lang laufenden Projekten in Weichwährungsländern problematisch. Denkbar ist die Einrechnung solcher Paritätenverschiebungen im Angebotspreis (Festpreiseinschluss). Dies verteuert aber das Angebot optisch und verringert dementsprechend die Zuschlagschancen. Oder die Angebotsabgabe erfolgt unter Vorbehalt, d. h. im Falle der Paritätsverschlechterung kann der Angebotspreis auf das aktuelle Niveau angehoben werden. Dies verlagert das Kursrisiko jedoch einseitig auf den Abnehmer und ist deshalb kaum durchsetzbar. Oder es wird eine Kursgleitung vereinbart, d. h. der Angebotspreis passt sich den Paritätsverschiebungen

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ganz oder teilweise an. Als Preisgleitklauseln können ebenso Veränderungen in den Kosten der Einsatzfaktoren (Material/Lohn) bei Wertschöpfung vor Ort berücksichtigt werden. Auch dies ist schwierig durchsetzbar. Absicherungen erfolgen hier u. a. durch Devisentermin-/-optionsgeschäfte oder Fremdwährungskredite •• Bei Zinsänderungsrisiko kann ein Zinsswap-Geschäft abgeschlossen werden. Dabei vereinbart ein Lieferant einen Bestellerkredit mit der Bank zu einen variablen Zinssatz. Um sich gegen Zinsschwankungen abzusichern, schließt er gleichzeitig einen Vertrag mit einem Drittunternehmen über denselben Darlehensbetrag ab, aber auf fester Zinsbasis. Der Lieferant zahlt dann die festen Zinsen an das Drittunternehmen und erhält dafür von diesem die variablen Zinsen, mit denen wiederum die Bankzinsen bezahlt werden. Somit ist ein Schutz gegen steigendes Zinsniveau gegeben, andererseits entstehen bei fallenden Zinsen Opportunitätskosten. Dafür ist aber eine feste Kalkulationsbasis gegeben. •• Preis- bzw. Kurssicherungen können durch Termin- (oder spekulativ, aber hier nicht relevant, durch Options-)geschäfte an Waren- oder Devisenbörsen rea­ lisiert werden. Basis dafür sind unvorhersehbare Preisschwankungen an Geldund Warenmärkten. Um eine feste Kalkulationsbasis zu erhalten, werden diese zu einem festgelegten Preis von heute für die Zukunft ge- oder verkauft. Steigt der Kurs/Preis während dieser Zeit beim Verkauf, entsteht zwar ein Verlust maximal in Höhe der Einschusszahlung (meist 10 %), dafür ist aber eine sichere Planung erreicht. Sinkt der Kurs/Preis währenddessen beim Verkauf, kann zusätzlich ein Arbitragegewinn eingestrichen werden, da der höhere Terminpreis realisiert werden kann. Beim Kauf verhält es sich genau entgegengesetzt.

4.1.9 Nachlaufphase Mit der Abgabe eines Angebots ist der Akquisitionsprozess keinesfalls abgeschlossen. Im Gegenteil, bisher ist nur Aufwand aufgelaufen und erst bei Beauftragung kann diesem ein Erlös gegenüber gestellt werden. Daher ist immer eine Angebotsverfolgung erforderlich. Ist schon im Vorfeld der Erstellung eines Angebots der Kontakt zu Mitarbeitern des anfragenden Unternehmens gesucht worden, sind Ansprechpartner dort bereits bekannt. Meist aber wird dieser Kontakt vom Anfragenden ausdrücklich nicht gewünscht. Dann bietet nunmehr das abgegebene Angebot einen guten Anlass zur Kontaktaufnahme. Dies gilt vor allem, wenn innerhalb avisierter Fristen keine Rückmeldung dazu erfolgt ist (Empfangsbestätigung, Detailnachfrage, Zwischenstatus etc.). Dabei können wichtige Unklarheiten im Angebot, Missverständlichkeiten in der Formulierung oder auch fehlende, relevante Angebotselemente geheilt werden, die anderweitig vielleicht zum Ausschluss von der Beauftragung geführt hätten. Nicht alle Nachfrager machen sich die Mühe, solche Unzulänglichkeiten selbst zu recherchieren, erst recht, wenn es anderweitige Präferenzen hinsichtlich des Zuschlags gibt.

4.1 Angebotserstellung

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Bei wichtigen Anfragen erfolgt die Beauftragung meist nicht aufgrund der bloßen Aktenlage, sondern es wird eine persönliche Vorstellung erwartet. Eine Ein­ ladung zu dieser ist bereits ein gutes Zeichen, denn es dürfen im Regelfall nur solche Anbieter vortragen, deren Angebot ernsthaft in Betracht gezogen wird. Ziel dieser Nachverhandlungen ist erstens die Klärung offener Punkte zur Vervollständigung des Eindrucks, zweitens und vor allem aber auch die Drückung des Angebotspreises. Für diesen Fall ist eine Preisverteidigung unbedingt erforderlich. Guidelines dafür sind inhaltlich vor allem folgende: •• Es kommt nicht auf die absolute Preishöhe an, sondern immer nur auf das PreisLeistungs-Verhältnis. Ein höherer Preis ist allemal gerechtfertigt, wenn dem eine höhere Leistung gegenüber steht. Konkurrenzangebote mit niedrigerem Preis sind nur legitim, wenn diese ein vergleichbares Leistungsniveau repräsen­ tieren. •• Eine Preisminderung ist nur bei Gegenleistung des Partners akzeptabel (Do ut des). Ein Entgegenkommen kann nicht einseitig sein, sondern wenn auf eine Win-win-Situation abgezielt wird (und nur ein gegenseitiger Nutzen ist ein dauerhafter Nutzen), müssen beide Seiten einander entgegenkommen. Denkbar sind das Abstrippen der Leistung um nicht obligatorische Elemente sowie Änderungen in Funktionsübernahme, Mengenabnahme oder Zeitraster seitens des Auftraggebers etc. •• Es ist ein transparentes Preis- und Konditionensystem einzuhalten, d. h. ergeb­ nisorientiert, adaptierbar, logisch-nachvollziehbar. Nur dann kann glaubhaft darauf verwiesen werden, dass Preise und Konditionen sachgeleitet und seriös ermittelt worden sind und damit nicht Gegenstand beliebiger Diskussionen sein können. Am Ende jeder Angebotserstellung steht die Erfolgsauswertung und -ableitung. Dabei sind die entscheidenden Faktoren zu identifizieren, die zu einem Auftrag geführt haben. Diese gilt es zukünftig zu verstärken. Denn Erfolgstreiber aus einer Anfrage erhöhen die Zuschlagswahrscheinlichkeit auch bei anderen, nachfolgenden Anfragen. Vor allem ist ein Nachhaken aber bei solchen Angeboten ein „Must“, die nicht zum Erfolg geführt haben. Hier geht es darum, möglichst authentisch zu erfahren, welche Gründe für die Ablehnung ausschlaggebend waren. Erstens ist es für eine Nachbesserung nicht zu spät, solange der Auftrag noch nicht anderweitig vergeben worden ist. Und zweitens muss man aus Ablehnungsgründen für das nächste Angebot lernen. Ansonsten perpetuieren die immer gleichen Fehler und führen zu Misserfolgen.

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4.2 Absatzfinanzierung Die Absatzfinanzierung umfasst alle Maßnahmen zur Absatzförderung durch Einräumung von Finanzierungsmöglichkeiten seitens des Lieferanten. Dadurch fallen im Regelfall Warenschuld und Geldschuld zeitlich auseinander (Sukzessivgeschäft). Dies erlaubt dem Kunden einen Kaufentscheid auch dann, wenn auf seiner Seite nicht genügend liquide Mittel dafür verfügbar sind oder deren Abfluss vermieden werden soll. Dazu ist es im Vertrieb erforderlich, sich geradezu zwangsläufig Gedanken über Finanzierungsinstrumente zu machen. Dabei spielen verschiedene Kriterien eine Rolle: •• die Kosten der Finanzierung. Je nach gewählter Finanzierungsform entstehen dem Anbieter ganz unterschiedliche Kosten. Welche Kosten tragbar sind, hängt im Wesentlichen von der Bedeutung des Kunden und der Profitabilität des intendierten Auftrags ab, •• das Risiko der Finanzierung. Jede Absatzfinanzierung birgt gegenüber einer Zug-um-Zug-Abwicklung (Simultangeschäft) oder gar einem Pränumerando ein erhöhtes Risiko. Es hängt von der Risikopräferenz des Lieferunternehmens ab, welchen Risikograd es einzugehen bereit ist, •• die Verfügbarkeit der Finanzierung. Nicht jede Finanzierungsform steht jederzeit zur Verfügung. Bei der Alleinfinanzierung sind entsprechende eigene Finanz­mittel erforderlich, bei der Drittfinanzierung werden Banken, Near- oder Non-Banks eingeschaltet, bei staatlich unterstützten Finanzierungen müssen eng reglementierte Voraussetzungen erfüllt werden, •• die Gestellung von Sicherheiten. Bei der Refinanzierung müssen Sicherheiten seitens des Abnehmers in der Sache oder Person gestellt werden. Je werthal­ tigere Sicherheiten dabei vorhanden sind, desto leichter fällt eine evtl. Finanzierung, •• die Vorteilhaftigkeit der Finanzierung. Die Absatzfinanzierung soll Bedingungen für den Schuldner schaffen, die günstiger sind als eine Finanzierung, die er für sich selbst organisieren kann, denn nur dann ist sie von Anreiz für ihn. Oder auch eine Finanzierung, die für ihn selbst anderweitig nicht darstellbar ist, überhaupt erst realisieren. Die Absatzfinanzierung als Fremd-Außenfinanzierung kann im Einzelnen durch verschiedene Instrumente erfolgen.

4.2 Absatzfinanzierung

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4.2.1 Basisformen Die Alleinfinanzierung erfolgt aus eigenen Mitteln des Lieferanten. Beim A-Geschäft erfolgt die Finanzierung ohne Einschaltung sonstiger Instrumente. Denkbar ist ein Kontokorrentkredit, d. h. die Zurverfügungstellung einer dauerhaften Kreditlinie, die Abnehmer in Anspruch nehmen können. Hierbei übernimmt der Lieferant dann Bankfunktion, die er seinerseits durch Kreditlinien finanzieren oder aus Eigenmitteln bedienen muss. Beides ist sehr teuer. Beim B-Geschäft wird ein Abschluss auf Teilzahlungsbasis vorgenommen. Denkbar ist eine Anzahlung mit nachfolgenden Raten. Diese Raten können gleichbleibend (als Annuität), fortlaufend steigend (wegen RoI) oder fortlaufend fallend (wegen sinkenden Tilgungsanteils) verlaufen. Denkbar ist auch, dass die letzte Rate höher ausfällt („Ballon“ wegen evtl. Erlöse aus Veräußerungsrestwert) oder niedriger (Restbetrag). Denkbar ist auch eine Abschlagszahlung (à conto) nach Projektfortschritt ohne oder mit eingerechneten Zinsen. Eine Anreizwirkung entsteht nur, wenn das Zinsniveau niedriger als bei einer anderweitigen Finanzierung durch den Abnehmer ist oder die Zahlungsmodalitäten ansonsten nicht realisierbar wären. Dadurch entstehen Kosten bzw. Risiken beim Lieferanten, die gegen den Ertrag des Abschlusses gegen zu rechnen sind. Das C-Geschäft ist ein Wechselakzept, eine früher übliche, heute aber seltener anfallende Form der Absatzfinanzierung. Dabei gewährt der Lieferant (Aussteller) dem Besteller einen Kredit gegen Unterschrift (Akzept) auf einem Wechselformular (bis dahin Tratte). Diesen Wechsel legt der Aussteller bei Fälligkeit vor und zieht den Kreditbetrag dann ein. Die Fälligkeit des Wechsels kann auf ein bestimmtes Datum lauten (Tag), sie kann über eine bestimmte Frist laufen (Sicht) oder eine bestimmte Frist nach einem Datum betreffen (Nachsicht). Der Wechsel ist ein Orderpapier, d. h. eine Übertragung ist nur durch Indossament möglich. Der Aussteller kann mit dem Wechsel außer durch Vorlage beim Bezogenen verschieden agieren. Er kann ihn anstelle einer Zahlung an einen eigenen Gläubiger weitergeben, sofern dieser damit einverstanden ist. Er kann den Wechsel an seine Bank zur Diskontierung einreichen, die diesen u. U. bei der Zentralbank redis­kontieren kann. Die Bank zieht dann vom Wechselbetrag Sollzinsen, Steuern, Risiko­prämie und Bearbeitungsgebühren ab und zahlt den Restbetrag an den Geldgläubiger aus. Sie präsentiert den Wechsel bei Fälligkeit beim Bezogenen, der befreiend zahlt. Wesentliches Merkmal des Wechsels ist die Wechselstrenge, die bei Zahlungsverzug des Geldschuldners nach Protest ohne weitere Rechtsschritte unmittelbar in die Zwangsvollstreckung mündet. Ein Lieferantenkredit entsteht bei einem Sukzessivgeschäft, wenn also Lieferungs- und Zahlungstermine auseinander fallen, und zwar derart, dass der Lieferungstermin früher liegt und die Zahlung bis zum späteren Zahlungstermin kreditiert wird. Meist wird dabei vorgesehen, dass, falls das Zahlungsziel nicht ausgenutzt wird, ein Skontoabzug vom Rechnungsbetrag möglich ist. Eine Ver-

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längerung des Zahlungstermins ist vereinbar, wenn die Rechnung auf einen späteren Termin valutiert wird. Der Lieferant gewährt also ein mehr oder minder langes Zahlungsziel, die Refinanzierung des Betrags erfolgt bei seiner Hausbank durch einen Liefervertragskredit, das Kreditrisiko verbleibt beim Lieferanten. Die Ausnutzung der Skontovergütung ist immer dann sinnvoll, wenn deren Zinssatz höher ist als der Zinssatz für einen Kredit, der aufgenommen werden muss, um die vorzeitige Zahlung zu realisieren, oder als die interne Verzinsung, die anderweitig als Opportunitätskosten anfällt. Eine Nutzung der Zahlungsfrist ist hingegen sinnvoll, wenn die bezogene Ware bereits einen Zahlungseingang von Kunden ausgelöst hat, bevor die Rechnung des Lieferanten fällig ist. Dann kann der Umsatzprozess ohne Einsatz eigenen Kapitals erfolgen. Die Gewährung eines Zahlungsziels führt bei wiederholten Transaktionen so zu einem Bodensatz an dauerhaftem Kreditvolumen seitens des Lieferanten. Der Lieferant kann auch einen Bestellerkredit initiieren. Dies ist ein liefer­ gebundener Kredit, der einem Käufer nicht vom Lieferanten, sondern von einem Kreditinstitut gewährt wird, um seine Zahlungsverpflichtung gegenüber seinem Lieferanten zu begleichen. Es handelt sich also um einen zweckgebundenen Bankkredit direkt an den Besteller, der entweder allein oder gemeinsam mit dem Lieferanten das Risiko trägt. Im besonders risikoreichen Außenhandelsgeschäft ist der Kredit durch eine Ausfuhrgewährleistung/-garantie des Staates gedeckt. Der Kredit ist also zweckgebunden, umfasst max. 85 % des Auftragswerks und gilt für Beträge > 2,5 Mio. €. Die Rückzahlung erfolgt in Raten. Die Zinsen können variabel oder fix ausgehandelt werden. Es entstehen Gebühren und Risikoprämienkosten.

4.2.2 Refinanzierung Jede Absatzfinanzierung impliziert für den Lieferanten ein Risiko, das er zu vermeiden bzw. zu minimieren sucht. Dazu sind verschiedene Sicherheiten denkbar. Diese können in der Person des Schuldners oder in der Sache seines Eigentums liegen. 4.2.2.1 Sicherheiten in der Person Eine Bürgschaft bedeutet, dass sich eine dritte Person bereit erklärt, für den Fall an den Gläubiger zu leisten, dass der Schuldner nicht leistungsfähig oder -willig ist. Eine selbstschuldnerische Bürgschaft bedeutet dabei, dass der Gläubiger bei Zahlungsverzug sofort auf den Bürgen zugreifen und von ihm den vollen Schuldbetrag einfordern kann, wenn der Schuldner nicht leistet. Eine Bürgschaft unter Einrede der Vorausklage bedeutet, wenn möglich, dass der Gläubiger zunächst

4.2 Absatzfinanzierung

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alle Rechtsmittel ausschöpfen muss und erst bei Uneinbringlichkeit seiner Forderung (i. d. R. erfolglose Zwangsvollstreckung) ersatzweise auf den Bürgen zugreifen kann (Ausfallbürgschaft). Bürgschaften sind sehr selten. Sie kommen nur dann in Betracht, wenn andere Sicherheiten nicht gestellt werden können oder für nicht werthaltig erachtet werden. Die Sicherheit ist nur so gut, wie der Bürge ist. Bürgschaften von Kaufleuten sind formfrei. Die Höhe und Frist kann ggfs. begrenzt werden. Bürgschaften haben eine erhebliche Bedeutung im Kreditgeschäft, vor allem bei Auslandsabschlüssen. Dort fungiert dann der Exporteursstaat als Bürge. Der Avalkredit ist eine Bankbürgschaft. Dabei verspricht eine Bank, dem Lieferanten gegenüber für eine Schuld einzutreten, wenn sein Kunde, der Besteller, nicht leisten kann oder will. Das Kreditinstitut behält dafür eine Delkredere-(Zahlungsausfall-)provision ein. Das Bankaval bedarf der Schriftform. Der Avalkredit hat drei Beteiligte: den Bürgen (Bank), den Schuldner der verbürgten Verbindlichkeit (Bankkunde) und den Gläubiger des Bankkunden (Begünstigter). Der Anspruch des Lieferanten wird dann bei Nichtleistung des Schuldners durch die Bank erfüllt. Zugleich geht die Forderung an diese über. Dies stellt inso­ fern eine Sicherheit dar, als im Regelfall eine Bank ein geringeres Risiko verkörpert als ein beliefertes Unternehmen. Die Zahlungsgarantie ist gesetzlich nicht geregelt. Sie stellt eine Selbstverpflichtung des Garanten dar, für einen künftigen Erfolg (hier die Kreditrückzah­lung) einzugestehen oder einen künftigen Schaden (hier die Nicht- oder Schlechtleistung) zu übernehmen. Die Garantiebank gibt somit ein abstraktes Leistungsversprechen. Bei Inlandsgeschäften ist üblicherweise nur eine Bank eingeschaltet (direkte Garantie), bei Auslandsgeschäften sind es zwei Banken (indirekte Garantie), die des Lieferanten und die des Abnehmers. Auch hierbei ist eine Bank im Regelfall ein besserer „Schuldner“ als ein Unternehmen. Bei einem Schuldbeitritt erklärt sich ein Dritter, der vom Geldschuldner zu bestimmen ist, bereit, gesamtschuldnerisch mit dem Erstschuldner für einen Kreditbetrag zu haften, also nicht erst nach dem Erstschuldner, sondern bereits gemeinsam für den von ihm nicht beibringbaren Betragsanteil. Der ursprüngliche Schuldner (Kunde) scheidet damit nicht aus dem Schuldverhältnis aus (wie bei der Schuldübernahme). Der beitretende Schuldner haftet aber nicht nach dem ursprünglichen (wie bei der Bürgschaft), sondern gleichrangig. Der Gläubiger hat also zwei Hauptschuldner, von denen er nach freier Wahl Erfüllung verlangen kann. Der Schuldbeitritt ist gesetzlich nicht näher geregelt.

264

4. Die kaufmännische Auftragsbearbeitung

4.2.2.2 Sicherheiten in der Sache Ein Lombardkredit wird auf mobile Sachen als Pfand im Gegenwert eines Kreditbetrags aufgenommen. Das Pfandobjekt bleibt dabei im Eigentum des Schuldners, geht aber physisch in den Besitz des Gläubigers über, der es verwahrt oder verwahren lässt. Durch Zahlung des Kreditbetrags kann der Schuldner sein Pfand auslösen, es geht wieder in seinen Besitz über. Erfolgt die Leistung jedoch nicht, kann der Gläubiger das Pfand unmittelbar verwerten, es also zu Geld machen. Der Erlös der Verpfändung soll dann den ausfallenden Kreditbetrag ausgleichen. Im Zweifel ist die Verwertung des Pfands jedoch schwierig, zumal, wenn es nicht fungibel ist, also keinen marktgängigen Wert besitzt. Daher wird sinnvollerweise immer nur ein Teilwert des Pfands mit Kredit beliehen. Allerdings stellt sich die physische Übergabe des Pfandguts häufig als problematisch heraus. Dies betrifft Transport-, Umlade- und Lagerkosten ebenso wie Versicherungsprämien. Daher lohnt sich dies nur, wenn es sich um leicht manipulierbare Vermögensobjekte handelt (wie Effekten, Edelmetalle, Vertragsrechte etc.). Daher ist es sinnvoll, nicht die tatsächlich gelieferten Waren zu hinterlegen, sondern stattdessen solche eines hohen Liquiditätsgrads. Bei der Sicherungsübereignung verbleibt eine mobile Sache im Besitz des Schuldners, das Eigentum daran geht aber an den Gläubiger über. So kann der Schuldner die sicherungsübereignete Sache weiter nutzen. Der Gläubiger hat jedoch bei Unterbleiben der Leistung einen Herausgabe- und Verwertungsanspruch. Erfolgt hingegen die Geldleistung, sind keine weiteren physischen Transaktionen erforderlich. Daher ist die Sicherungsübereignung als Kreditsicherheit weitaus häufiger anzutreffen als die Verpfändung. Die Übereignung erfolgt durch Einigung über den Eigentumsübergang und Vereinbarung eines Besitzkonstituts. Der Kreditnehmer bleibt dabei unmittelbarer Besitzer, der Kreditgeber wird mittelbarer treuhänderischer Besitzer. Die Sicherungsübereignung ist gesetzlich nicht geregelt. Es können einzelne Sachen oder Sachgesamtheiten (z. B. Warenlager) übereignet werden, sofern der Bestimmtheitsgrundsatz eingehalten wird, d. h. die Sache genau bezeichnet ist. Die Sicherungsübereignung hat den Vorteil, dass der Gläubiger keine Logistikleistungen zu erbringen hat. Allerdings stellt sich die Frage, ob und wie die Übereignung im Zweifel verwertet werden kann, Risiken liegen hier in Wertverlust, Bewertungsfehler, Untergang, Doppelübereignung, Eigentumsvorbehalt, Vermischung/ Verbindung/Verarbeitung, Beschädigung/Zerstörung etc. Bei der Forderungsabtretung (Zession) tritt der Schuldner eigene Forderungen gegenüber Dritten an seinen Gläubiger anstelle einer eigenen Zahlung ab. Diese Abtretung kann offen oder verdeckt erfolgen, offen bedeutet, der Drittschuldner erfährt von der Forderungsabtretung und leistet befreiend unmittelbar an den Endgläubiger, verdeckt bedeutet, der Drittschuldner leistet wie normalerweise be-

4.2 Absatzfinanzierung

265

freiend an dessen Gläubiger, dieser ist verpflichtet, die Zahlung sodann an seinen Gläubiger weiter zu leiten. Die Abtretung kann sich auf definierte Rechnungen beziehen oder auf einen bestimmten Rechnungsbetrag, der sich aus mehreren Rechnungen zusammensetzt, die Abtretung kann einmalig erfolgen oder laufend. Entscheidend ist die Werthaltigkeit der abgetretenen Forderungen, weshalb ein mehr oder minder hoher Risikoabschlag eingerechnet wird. Die abgetretene Forderung geht mit allen Sicherungs- und Vorzugsrechten an den neuen Gläubiger über. Die wohl verbreiteteste Form der Kreditsicherung ist der Eigentumsvorbehalt, der in den meisten Allgemeinen Geschäfts-Bedingungen (AGB’s) standardmäßig vorgesehen ist. Dabei bleiben aktuell gelieferte Waren bis zur vollständigen Bezahlung der Rechnung (Erfüllungsgeschäft) im Eigentum des Geldgläubigers (aufschiebende Bedingung) und gehen danach automatisch, also ohne dass es einer weiteren Vereinbarung bedürfte, in das Eigentum des Schuldners über (Verpflichtungsgeschäft). Der Geldschuldner wird vorher schon Besitzer der Sache, so dass er diese nutzen kann (bei Immobilien gilt analog die Auflassungsvormerkung). Der einfache Eigentumsvorbehalt bezieht sich nur auf die gelieferte Ware. Wird diese zu einer neuen Leistung verarbeitet oder ist die Ware vor der Zahlungs­ fälligkeit bereits veräußert, geht der Anspruch unter. Daher wird ein weiter­ geleiteter Eigentumsvorbehalt vereinbart, dieser besagt, dass der Anspruch auch bei Weiterverkauf gegenüber Dritten bestehen bleibt. In einer Lieferkette kann auch ein verlängerter Eigentumsvorbehalt vereinbart werden, dieser besagt, dass der Anspruch bei Ver- oder Bearbeitung anteilig am Endprodukt entsteht. Der erweiterte Eigentumsvorbehalt schließlich koppelt den Eigentumsübergang an die Begleichung aller Schulden des Abnehmers bei einem Gläubiger, nicht nur der mit dem Eigentum vorbehaltenen Schulden.

4.2.3 Drittfinanzierung Die Drittfinanzierung betrifft Kreditsubstitute, diese kommen in der Wirkung einem Kredit gleich, obwohl sie rein rechtlich anders konstruiert sind. Beim Factoring handelt es sich um einen Forderungsverkauf. Forderungs­ käufer ist ein Factor, der den Rechnungsbetrag gegenüber dem Forderungsverkäufer bevorschusst. Beim echten Factoring werden zudem Delkredere- und Dienstleistungsfunktionen übernommen. Beim Factoring gibt es also drei Beteiligte. Der Geldgläubiger/Lieferant hat eine Forderung gegenüber einem Geldschuldner/Abneh­mer und verkauft diese an einen Factor. Dieser bevorschusst die Forderung gegenüber dem Gläubiger und zieht den Rechnungsbetrag bei Fälligkeit beim Schuldner ein. Der Geldgläubiger kann Forderungen nur „in Bausch und Bogen“ verkaufen, also nicht einzeln selektiert, ansonsten würde er nur die notleidenden Forderungen

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4. Die kaufmännische Auftragsbearbeitung

verkaufen und die sicheren selbst eintreiben. Der Verkauf kann offen erfolgen, dann tritt der Factor beim Schuldner selbst auf, oder still, dann leistet der Schuldner an seinen Gläubiger, der den Zahlbetrag an den Factor weiterleitet. Der Factor zieht vom Rechnungsbetrag Vorschusszinsen, Risikoprämie und Gebühren ab. Häufig wird auch ein Sperrbetrag einbehalten, der erst nach erfolgreicher Leistung des Schuldners freigegeben wird. Der Factoringnehmer verschafft sich damit einen Liquiditätsvorteil, außerdem verfügt er sicher über das Geld, allerdings nicht über den vollen Betrag. Oft erhöht die Einschaltung eines Factor auch die Zahlungsbereitschaft von Schuldnern. Nicht zu verwechseln ist dies allerdings mit Inkassobüros, die nicht Eigentümer der Forderungen werden, sondern nur ausstehende Forderungen gegen hohe Erfolgsbeteiligung einzutreiben helfen. Das Leasing erfolgt als Operate leasing (atypisch/Mietkauf) oder als Finance leasing (typisch). Beim Leasing gibt es drei Beteiligte, den Verkäufer eines Guts, den Käufer dieses Guts (Leasinggeber) und den Endnutzer (Leasingnehmer). Der Endnutzer benötigt ein Gut des Verkäufers, das er jedoch nicht in seinem vollen Wert, sondern nur mit seiner anteiligen Nutzung bezahlen will. Dazu verkauft der Verkäufer dieses Gut an einen Leasinggeber und erhält von diesem den Kaufpreis dafür erstattet. Das Eigentum geht damit auf den Leasinggeber über. Dieser vermietet das Gut an den Leasingnehmer. Dieser entrichtet im Gegenzug zeitanteilige Ratenzahlungen plus Zinsen und Gebühren an den Leasinggeber. Der Besitz des Guts geht an den Leasingnehmer über. Nach Ablauf der Leasingzeit kann der Leasingnehmer das Gut zurückgeben, die Leasingzeit verlängern, das Gut zurückgeben und gleichzeitig ein neues in Nachfolge leasen oder das Gut käuflich zum Teilwert erwerben. Beim Operate leasing handelt es sich um ein Standardprodukt, das bei Rückgabe rasch liquidisierbar ist, der Vertrag ist kurzfristig kündbar, so dass der Leasinggeber mehrere Verträge zur Amortisation seiner Investition braucht, wobei das finanzielle Risiko beim Leasinggeber liegt. Das Leasinggut wird beim Leasinggeber aktiviert und über die Nutzungsdauer abgeschrieben. Die Leasingraten werden als Aufwand beim Leasingnehmer verbucht. Häufig erfolgen zusätzliche Dienstleistungen wie Wartung, Reparatur etc. Beim Finance leasing handelt es sich um ein Individualprodukt, es gibt eine lang laufende, nicht kündbare Grundmietzeit, die der wirtschaftlichen Lebensdauer des Leasingobjekts entspricht (Vollamortisation), das Investitionsrisiko trägt der Leasing­nehmer, allerdings verbleibt das Kapitalbeschaffungs- und Kredit­ risiko beim Leasinggeber. Maßnahmen zur Werterhaltung obliegen dem Leasingnehmer. Leasing nimmt eine Dienstleistungs-, eine Delkredere- und eine Finanzierungsfunktion wahr. Es kann sich auf mobile Güter oder immobile Güter beziehen. Bei beiden ist auch denkbar, dass bestehende Güter verkauft und anschließend zurück-

4.3 Erlösschmälerungen

267

gemietet werden (Sale and lease back). Auf diese Weise kann gebundenes Kapital zu freiem werden. Der Zinsswap ist ein Zinsderivat, bei dem zwei Partner vereinbaren, Zinsströme während einer vereinbarten Laufzeit zu tauschen, und zwar zumeist einen festen Zinssatz und einen variablen, aber auch eine bessere Bonitätseinstufung gegen einen Zinsgewinn. Damit kann sich ein Unternehmen gegen steigende Kurz­ fristzinsen aus einer variablen Fremdfinanzierung schützen. Dadurch entsteht zumindest eine feste Kalkulationsbasis, wenngleich ein Zinsnachteil gegeben sein kann. Für die Zinshöhe ist das individuelle Rating von Bedeutung. Je besser dieses ausfällt, desto niedriger ist der Festzins. Ein Finanzierungsangebot kann darin bestehen, dass der Lieferant einen Kredit mit seinem besseren Rating beschafft und die Zinsen dafür vom Abnehmer bezahlt werden, der diese Konditionen selbst nicht realisieren könnte. Durch den Swap schützt der Lieferant sich vor unkal­ kulierbaren Zinssteigerungen. Bei der Projektfinanzierung wird die Finanzierung nicht von der Bonität des Bestellers abhängig gemacht, sondern nur von der Ertragskraft einer mit dem Kredit zu finanzierenden Wirtschaftseinheit (Projekt). Dies greift z. B. im Anlagenbau. Die Finanzierungsmittel werden dabei in Abhängigkeit von der Wirtschaftlichkeit der Anlageninvestition bereitgestellt. Dabei sind lange Laufzeiten für die Rückzahlung eines Kredits üblich. Dazu werden Cash-flow-Szenarien entwickelt, die vor allem Projektrisiken wie die Nichtfertigstellung einer Anlage oder ihre Nichtrentabilität (Kostendeckung und zeitversetzt Schuldendienst) identifizieren. Als Risikoträger dient eine, meist zu diesem Zweck gegründete, Projektgesellschaft bzw. die diese tragenden Investoren (Sponsoren). Als Kreditgeber fungieren aufgrund der Komplexität und der involvierten Beträge Banken(-konsortien).

4.3 Erlösschmälerungen Als Erlösschmälerungen wird die negative Abweichung zwischen Listen-/Bruttopreis und Effektiv-/Nettopreis bezeichnet. Der Listenpreis ist der eigentlich berechenbare Betrag (Billable amount), der Effektivpreis ist der tatsächlich erlöste Preis. Erlösschmälerungen sind eine verschleiernde Umschreibung für Gewinnentgang, denn jeder Euro Erlösschmälerung bedeutet 1:1 einen Euro weniger Gewinn. Denn hätten diese Erlösschmälerungen verhindert werden können, wäre der erlöste Preis bei ansonsten gleichen Kosten um diesen Betrag höher, mithin auch der Gewinn. Daher gilt es erstens, Erlösschmälerungen als Gewinnentgang in das Bewusstsein der handelnden Personen zu rücken und zweitens Erlösschmälerungen auf jeden Fall zu vermeiden.

268

4. Die kaufmännische Auftragsbearbeitung

4.3.1 Planbare Erlösschmälerungen Zugaben werden vom Lieferanten einem Abnehmer neben der Hauptleistung geboten. Sie können warengleich oder warenfremd sein. Warengleich sind Zu­ gaben wiederum als Draufgabe oder Dreingabe möglich. Draufgabe bedeutet, dass zu einer gekauften Menge Ware eine/mehrere weitere Waren ohne Berechnung zugefügt werden. Dreingabe bedeutet, dass innerhalb einer gekauften Menge Ware eine/mehrere Waren nicht berechnet, wohl aber übereignet werden. In beiden Fällen sinkt der Erlös je verkaufter Einheit. Bei Zugaben handelt es sich um Naturalnachlässe (im Unterschied zu Geldnachlässen). Diese haben den Vorteil, dass sie in der Wahrnehmung von Abnehmern mit deren Preis bewertet werden, in der Kostenrechnung des Lieferanten aber „nur“ mit ihren Kosten zu Buche schlagen. Zugaben sind gesetzlich limitiert. Denkbar ist aber, Auslaufartikel, Neuprodukte, Promotionsware etc. dafür zu nutzen. Skonto ist eine „Belohnung“ des Abnehmers für vorzeitige Zahlung. Lieferungen erfolgen in der Regel auf Ziel, d. h. der Abnehmer muss erst am Ende einer Frist oder zu einem vorausgesetzten Datum die Rechnung bezahlen, kann aber bereits vorher über sie verfügen. Unternehmen ist jedoch daran gelegen, infolge der regelmäßig erforderlichen Vorfinanzierung ihrer Leistungen möglichst schnell einen Zahlungseingang zu erreichen. Daher bieten sie Kunden, die ohne oder bei nur kurzer Ausnutzung des Zahlungsziels zahlen, einen Skontonachlass. Dies ist für Abnehmer immer günstig, wenn der zeitbezogene Skontosatz über dem Zinssatz für Fremdkapital oder dem internen Zinsfuß liegt. Ein Warenskonto ist ge­ geben, wenn in Höhe des Skontos eine unberechnete Mehrlieferung erfolgt, ein Kassenskonto, wenn ein Erlösabschlag in dieser Höhe auf den Geldbetrag erfolgt, was der Regelfall ist. Rabatte sind Vergünstigungen, die Abnehmern unter verschiedenen Aspekten gewährt werden. Zunächst zur Grundlage: •• Ein Funktionsrabatt wird Abnehmern gewährt, wenn und soweit diese bestimmte Absatzfunktionen übernehmen. Denkbar sind Nachlässe für Selbstabholung, für Selbstbedienung/Kommissionierung etc. Durch die Funktionsübernahme des Abnehmers entsteht dem Anbieter eine Kostenermäßigung, die dieser im Preis zurückgibt. •• Der Mengenrabatt wird in Abhängigkeit von der jeweils einzeln (= Einzel­ auftragsrabatt) oder über mehrere Kaufakte kumuliert (= Gesamtumsatzrabatt) abgenommenen Warenmenge gewährt. Die Grundlage des Mengenrabatts liegt in einer Absatzrationalisierung durch Größendegressionseffekte. •• Der Zeitrabatt wird nach dem Kaufzeitpunkt gewährt, denkbar sind dafür Frühbezug (Subskription), Kundenloyalität (Treue), Saison (bzw. Off season), Auslauf etc. Der Kunde soll dadurch dazu motiviert werden, zu einer Zeit zu kaufen, die für den Anbieter kaufmännisch günstig ist.

4.3 Erlösschmälerungen

269

Probleme bei Rabattstaffeln entstehen durch Randunschärfen, d. h. Rabattgrenzen überschneiden einander, so dass keine eindeutige Zuordnung möglich ist. Oder durch unattraktive Rabattstufen, denen keine gewünschte Anreizwirkung zukommt, oder durch unregelmäßige Klassengrößen, die nicht in eine Richtung gehen, oder durch inkonsistente Auslegung des Plans. Sehr problematisch ist auch der Hinweis „Rabatt auf Anfrage“, denn dieser lädt geradezu zum Feilschen ein. Ebenso problematisch sind Geheimrabatte, die über die Rabattierungsbasis hinaus­reichen und als besondere Anreize oder auch auf Nachfragedruck gewährt werden. Diese führen zu einer Rabattspreizung, d. h. zu leistungsunabhängig unterschiedlichen Nettopreishöhen derselben Leistung für verschiedene Abnehmer. Rabattspreizung ist dabei die Differenz zwischen dem maximal erreichbaren Rabatt für den Meistbegünstigten und dem regulär erzielbaren Rabatt aufgrund der Rabattstaffel. Es ist unvermeidlich, dass diese Geheimrabatte nicht geheim bleiben, etwa durch Mitarbeiterwechsel, Unternehmensübernahmen, Austausch zwischen Abnehmern etc., so dass bald alle Abnehmer den maximal erreichbaren Rabatt einfordern. Dann aber bricht die Ertragsstruktur des Anbieters zusammen, da es zu keinem kalkulatorischen Ausgleich mehr kommen kann. Ein weiteres Phänomen ist die Rabattkumulierung. Sie entsteht durch die so nicht geplante Aufaddierung von Einzelrabattsätzen, etwa für große Abnahmemenge, für Funktionsübernahme, für Auftragszeitraum etc. Zu deren Durchsetzung ist zumeist Nachfragemacht erforderlich. Dadurch verringert sich allerdings das Nettoerlösniveau auf unzumutbare Weise. Boni sind Gutschriften, die Abnehmern nachträglich, für gewöhnlich zum Ende eines Geschäftsjahrs, für das kumulierte Geschäftsvolumen, meist die Abnahmemenge, gewährt werden, das sie mit einem Lieferanten realisiert haben. Damit können auch solche Abnehmer gratifiziert werden, deren Einzelaufträge ander­ weitig keine Rabatte generiert haben. Der Bonus hat gegenüber zeitparallel gewährten Nachlässen den Vorteil einer Zinsersparnis auf Lieferantenseite. Denn die bonifizierten Beträge können über das Jahr hinweg einbehalten werden und entweder im Betrieb „arbeiten“ oder Sollzinsen ersparen. Daher ist ein Bonus immer einem Rabatt vorzuziehen. Die Auslegung kann als Warenbonus oder Geldbonus erfolgen. Bei einem Warenbonus wird der bonifizierte Betrag in Form von unberechneten Mehrlieferungen gewährt. Bei dem häufiger vorkommenden Geldbonus wird der bonifizierte Betrag entweder ausgezahlt oder mit bestehenden Forderungen verrechnet. Zu bedenken ist dabei die Bemessungsbasis, so können durchaus nicht alle Umsätze bonifiziert werden, sondern nur reguläre, also nicht Aktionsumsätze, die ohnehin preisreduziert erfolgen. Sinnvoll ist auch, den Bonus nur auf die Effektivpreise zu beziehen. Schließlich kann der Bonus auch erst im Laufe des Folgejahrs ausgewiesen werden. Sofern der Absatz durch Absatzhelfer unterstützt wird, erhalten diese für ihre akquisitorische Tätigkeit ein Entgelt als Provision. Dies trifft etwa auf Handelsvertreter, Kommissionäre, Makler (dort Courtage genannt) und Versteigerer (dort

e Auftragsbearbeitung

vision hängt von der jeweiligen vertraglauf. Häufig wird ein s-förmiger Verlauf rovisionsfreier Sockelbetrag. Provisionen Ende des auf die Provisionsauslösung folProvisionen haben weitgehend variablen ndite als mehr den Gewinn.

schiedener Weise erfolgen. Meist ist die slöser können aber auch eine Delkredere­ on. Delkredereprovision wird fällig, sotät eines Abnehmers verbürgt, d. h., veringen, falls der ursprüngliche Schuldner enn diese Verpflichtung jedoch eingeganne Delkredereprovision zu. Eine Inkassoelfer zugleich den Zahlungseinzug für das eist bei Kleinlieferungen aus dem Hand­ chtung, wenn diese Leistung aber über­ r Inkassoprovision entgolten, da sie über geht.

inns. Jedoch sind dagegen die Kosten für ne Absatzhelfer, bzw. die Abtretung von absatz, zu stellen sowie die positiven Efätigkeit der Absatzhelfer ergeben.

Erlösschmälerungen

n und ausgeprägten Preisschwankungen , sicher zu stellen, dass der Lieferant bei rlöst, den er bei Angebotsabgabe kalkuen abzusichern, kann eine Preisgleitklaum Schutz des Abnehmers davor, an zwizu partizipieren. Die Gleitung kann alle h nur auf einzelne von ihnen, meist MateDie Preisgleitung berücksichtigt folgende

uss,

d zum Vertragsabschlusszeitpunkt,

um Vertragsabschlusszeitpunkt,

t,

sten am Preis.

4.3 Erlössch

Für den Lieferanten bedeutet eine Prei Bei einem prozentualen Gewinnaufschla auch eine Gewinnreduzierung. Bei Einre bleibt der Gewinn, wenn dies durchsetz ist dabei die Unterstellung des alleinigen Da dem Lieferanten durch die Preisgleitu stellt diese eine einseitige Bevorteilung d

Bei einer Preisfallklausel sichert sich schen dem Zeitpunkt seiner Beauftragung senkungen stattfinden, an denen er nic kommen etwa infolge technischen Fortsch tensität oder über die Verminderung der E zugekaufte Leistungen.

Eigentlich kann die Wirksamwerdung v begrenzt werden, gerade gegenüber nachfr Preisfallklausel kaum zu verhindern. Die sein Auftrag vor Wirksamwerdung der Pre als sei er danach ergangen. Eine Preissen lutierte Aufträge in einer Erlösschmäleru ein solcher Schutz teilweise rechtlich ges

Eine Preissicherung im Auslandsgesch verschiebungen von Währungen (außerha Abschlusswährung gegenüber der Inlands in Inlandswährung erreicht werden, gehe sicherung kann durch Devisentermingesc tionskäufer das Recht zu, die aus der Zahl währung zu einem vorab festgelegten Kurs Steigt der Währungskurs bis dahin, erleide dennoch eine feste Kalkulationsbasis, sink einbußen. Dies erfordert einen Stillhalter pflichtet und für den sich die Situation gen bedingen allerdings Gebühren, die gegen d

Bei Optionsgeschäften ist nicht die tat das Ziel, sondern die Erzielung von Arb auf Währungen können sich die Preissich che Warentermin-/-optionsgeschäfte wir Unternehmens aus.

Im Falle von Schlechtlieferung ist Ge erforderlich. Diese wird im privaten Bere tung) sowie im privaten Bereich zusätzlic vertraglich (Garantie).

hmälerungen

271

isgleitung nach unten Erlösschmälerung. ag auf die (Selbst-)Kosten bedeutet dies echnung des Gewinns in absoluter Höhe zbar ist, jedoch unverändert. Fragwürdig Einflusses der Kosten auf die Preishöhe. ung eine Kostendeckung zugesichert wird, dar.

h der Abnehmer dagegen ab, dass zwig und dem Zeitpunkt der Lieferung Preis­ cht partizipiert. Solche Preissenkungen hritt zustande, durch hohe KonkurrenzinEinstandskosten (Landed costs) für extern

von Preissenkungen mit einem Start­termin ragemächtigen Abnehmern ist jedoch eine ese besagt, dass der Abnehmer, obgleich eissenkung erteilt wurde, so gestellt wird, nkung resultiert dann auch für vorher vaung. Gegenüber privaten Abnehmern ist sichert (z. B. bei Energie, Automobilen).

häft ist sinnvoll, um sich gegen Paritätenalb der EU) zu wappnen. Denn wertet die swährung ab und kann keine Abrechnung en Gewinnbestandteile verloren. Eine Abchäfte erfolgen. Dabei sichert sich der Oplung des Abnehmers resultierende Fremds später (auf Termin) verkaufen zu können. et er zwar einen Gewinnentgang, hat aber kt der Kurs, vermeidet er hingegen Gewinn­ r, der sich zum Ankauf der Währung vernau umgekehrt darstellt. Terminkontrakte das Sicherheitsdenken aufzurechnen sind.

tsächliche Umwandlung der Transaktion bitragegewinnen durch Spekulation. Statt herungen auch auf Waren beziehen. Solrken sich auf der Beschaffungsseite des

ewährleistung gegenüber dem Abnehmer eich gesetzlich geregelt (Sachmängelhafch und im gewerblichen Bereich generell

272

4. Die kaufmännische Auftragsbearbeitung

Gründe für Sachmängel sind vor allem folgende: •• Abweichung der Lieferung von der vereinbarten Beschaffenheit. Diese Beschaffenheit ist entweder vertraglich fixiert oder ergibt sich, wenn die Ware sich nicht für die nach Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, wenn sie sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet oder eine Beschaffenheit aufweist, die nicht der üblichen von Gütern gleicher Art entspricht. •• Falschlieferung (Aliud). Diese ist gegeben, wenn eine andere als die zuge­ sicherte Sache geliefert wird oder eine abweichende Menge. Damit entspricht die Ausführung eines Auftrags dann nicht der Bestellung. •• Rechtsmangel. Der Abnehmer kann über die Lieferung nicht so verfügen wie vereinbart (z. B. weil sie mit Rechten Dritter belegt ist). In diesen Fällen entsteht ein Recht auf Nacherfüllung. Diese beinhaltet für gewöhnlich die (meist zweimalige) Nachbesserung und, nachgelagert, die Preis­ minderung, die Rückabwicklung des Vertrags (Wandlung) oder den Umtausch. Ein Schadensersatz ist möglich, sofern ein Schaden entstanden ist und nachgewiesen wird. Im gewerblichen Bereich kann auf Nachbesserung verzichtet werden und eine Vertragsstrafe fällig werden. Abhilfe kann bei Letzteren durch Haftungsausschluss erreicht werden, sofern dies im Vertrag durchsetzbar ist. Bei Ersteren ist diese Pflicht nicht abdingbar, auch nicht durch AGB’s. Die Garantie ist allgemein eine Selbstbindung des Garantiegebers (Lieferant) gegenüber dem Garantienehmer (Abnehmer). Die Garantie begründet eine vom Grundgeschäft unabhängige Leistungsverpflichtung des Garanten und muss zusätzlich zum Grundgeschäft vertraglich vereinbart werden. Sie ist freiwillig und wirkt verschuldensunabhängig. Garantien sind in vielfältiger Form Gegenstand von Erlösschmälerungen, wenn sie denn in Anspruch genommen werden, so z. B. •• Bietungsgarantie (darüber, dass der Bieter bei Zuschlag auch den Abschluss tätigt), •• Anzahlungsgarantie (darüber, dass geleistete Anzahlungen bei Nichtabschluss rückerstattet werden), •• Erfüllungsgarantie (darüber, dass ein Vertrag vom Verkäufer erfüllt wird), •• Abnahmegarantie (darüber, dass gelieferte Ware auch tatsächlich abgenommen wird), •• Zahlungsausfallgarantie (darüber, dass bei Ausbleiben der Zahlung ein Garant dafür einspringt), •• Gewährleistungsgarantie (darüber, dass Mängel während der Gewährleistungsfrist abgestellt werden). Ziel muss es daher sein, Garantieverträge zu vermeiden oder, wenn dies unvermeidlich ist, dafür Sorge zu tragen, dass der Garantiefall nicht eintritt.

4.3 Erlösschmälerungen

273

Bei Strafen handelt es sich um privatrechtliche Strafzahlungen, die bei Zutreffen bzw. Ausbleiben bestimmter Voraussetzungen fällig werden. Dabei sind zwei Gruppen von Strafen zu unterscheiden. Konventionalstrafen setzen zu ihrem Fälligwerden ein schuldhaftes Verhalten des Lieferanten voraus und sind in ihrer Höhe auf den nachzuweisenden Schaden begrenzt. Ohne Verschulden wird daher keine Zahlung fällig, etwa bei höherer Gewalt (Force majeure). Pönale sind hingegen Strafen, die im (gewerblichen) Vertragsfall unabhängig vom konkreten Verschulden des Lieferanten und vom Entstehen eines Schadens beim Abnehmer in einer vorgegebenen Höhe fällig werden. Solche Pönale können nur von nachfragemächtigen Abnehmern durchgesetzt werden. Beide Strafarten stellen äußerst unangenehme Erlösschmälerungen dar. Gegen solche Schäden kann eine Betriebsschadenshaftpflichtversicherung abgeschlossen werden, die aber erstens teuer und zweitens mit einer Maximaldeckung versehen ist. Anlass für eine solche Strafe kann etwa die Vereinbarung einer Just in timeLieferung oder eines Abrufvertrags sein. Da Abnehmer hier lagerlos oder nur mit sehr geringen Pufferlägern arbeiten, bedeutet eine verspätete Anlieferung von Einsatzstoffen beinahe zwangsläufig eine Betriebsunterbrechung. Diese verursacht neben den zeitabhängigen Fixkosten Einmal­kosten für das Herunterfahren der Produktion und deren Wiederhochfahren sowie Erlösausfall i. S. v. Opportunitätskosten. Daher können hier rasch immense Beträge auflaufen. Davon abgesehen ist ein Strafzahlungsanlass immer auch eine Belastung für das Vertrauensverhältnis zwischen Lieferant und Abnehmer und gefährdet akut die Kundenverbundenheit. In wirtschaftlich volatilen Zeiten besteht verstärkt das Risiko des vollständigen oder teilweisen Debitorenausfalls. Zwar gehört eine Bonitätsauskunft zu den Standardvorkehrungen, gerade bei Geschäftsabschlüssen mit Neukunden oder im Ausland. Die wirtschaftliche Situation kann sich aber, ganz abgesehen von der Belastbarkeit dieser Auskunftsdaten, rapide verändern. Dabei ist vor allem auf die Liquidität abzuheben, also auf die Fähigkeit eines Unternehmens, seinen Zahlungsverpflichtungen betrags- und zeitgetreu nachzukommen. Dies bewirkt unmittelbar einen Insolvenzantrag, wird dieser von der Geschäftsleitung des Abnehmerunternehmens nicht gestellt, besteht die Gefahr der Insolvenzverschleppung. Im Fall der Illiquidität (oder bei juristischen Personen der Überschuldung) droht daher die völlige oder zumindest teilweise Uneinbringlichkeit einer Forderung. Dabei erfolgt im Regelinsolvenzverfahren die Befriedigung der Gläubiger im Anteil ihrer Forderungen am Restvermögen (Masse) des insolventen Unternehmens. Vorab werden aus dem Vermögen jedoch bevorrechtigte, aussonderungsund absonderungsberechtigte Forderungen sowie die Massekosten befriedigt, so dass die Restquote meist ausgesprochen gering bleibt, weitergehende Forderungen bestehen dann im Regelfall nicht mehr, der Restbetrag ist also abzuschreiben. Erfolgversprechender ist daher ein Insolvenzplanverfahren, bei dem nicht auf die Abwicklung, sondern auf die Weiterführung des Unternehmens abgezielt wird. Hier muss zwar zunächst auch auf Teile der Forderungen verzichtet werden, dafür be-

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4. Die kaufmännische Auftragsbearbeitung

steht die Hoffnung, nach Gesundung des Unternehmens die restlichen Forderungen doch noch eintreiben zu können, Erlösschmälerungen sind also womöglich nur temporär. Am Besten kann man sich vor Debitorenausfällen schützen, indem man Zahlungssicherungen mit dem Abnehmer vereinbart. Im Zuge des Kreislaufdenkens ist nicht nur das Hineinbringen von Waren in den Wirtschaftskreislauf zu organisieren und zu bezahlen, sondern auch deren geordnetes Wiederherauslösen. Die für Redistribution entstehenden Kosten sind, sofern sie nicht an Abnehmer weiterberechnet werden können, vom Lieferanten zu tragen. Dabei ist an verschiedene Elemente zu denken: •• Die Redistribution von Alt- und Gebrauchtware betrifft deren systematische Rückführung als Wertstoffe. Teilweise ist dies gesetzlich vorgeschrieben (Elektroschrott, Altauto, Arzneimittel etc.), teilweise geschieht dies freiwillig aus Gründen der unternehmerischen sozialen Verantwortung (CSR). Für die Rückführung sind teilweise logistische Helfer eingeschaltet, die zu entlohnen sind. Dies geht meist zu Lasten des Inverkehrbringenden. •• Die Redistribution von Verpackungen ist ebenfalls gesetzlich normiert und entsprechend nachzuweisen. Auch hier werden logistische Helfer (z. B. DSD) eingeschaltet, deren Leistungen zu entgelten sind. Darüber hinaus ist die Re­ distribution von Umverpackungen und Transportverpackungen zu organisieren, die ebenfalls durch Absatzhelfer vorgenommen wird. •• Sonderregelungen betreffen Getränkeflaschen als Einweg- und Mehrwegverpackungen mit und ohne Pfand. Hier entsteht ein erheblicher logistischer Aufwand, der oft nicht im Preis weitergewälzt werden kann. Bei Geschäftsabschlüssen außerhalb des EU-Raums oder solchen in einer Drittwährung stellt sich die Frage der Kurssicherung. Denn ansonsten können die realisierten Erlöse mehr oder minder erheblich von den geplanten nach unten ab­ weichen. Hierfür gibt es zwei Alternativen: Erstens die Hinnahme solcher Risiken in der Hoffnung, dass man davon schon nicht betroffen sein wird. Oder zweitens das Management solcher Risiken. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten: •• Risikovermeidung: Dies bedeutet die Unterlassung risikobehafteter Aktivitäten, also z. B. von Geschäftsabschlüssen in Auslands- oder Drittwährung. •• Risikoüberwälzung: Dies bedeutet die Abtretung des Risikos an Haftungsgemeinschaften (Versicherungen) gegen Prämienzahlung. •• Risikoteilung: Dies bedeutet eine Partitionierung des Risikos durch Einbezug von Partnern. Allerdings werden dabei auch die Chancen geteilt. •• Risikoakzeptierung: Dies bedeutet die Kompensation von Risiken innerhalb gewisser Höchstgrenzen durch Bildung entsprechender Rückstellungen. •• Risikoverminderung: Dies bedeutet die limitierte Selbsttragung verbleibender Risiken durch Streuung von Aktivitäten.

4.3 Erlösschmälerungen

275

Eine Möglichkeit zur Risikovorbeugung sind Devisengeschäfte als Termin- oder Optionsgeschäfte. Bei Termingeschäften sichert man sich jetzt einen Wechsel­ kurs für später fällig werdende Zahlungseingänge. Bei Optionsgeschäften sichert man sich das Recht, aber nicht die Pflicht, zum Verkauf von Devisen zu einem späteren Kurs. Übt man die Option nicht aus, geht der Einschussbetrag allerdings verloren.

4.3.3 Konditionensystem 4.3.3.1 Anforderungen Bei bewusst herbeigeführten Erlösschmälerungen ergibt sich, im Unterschied zu unvermeidlichen Erlösschmälerungen, die Chance zu deren bewussten Manage­ ment. Ein solches Konditionensystem unterliegt mehreren Anforderungen: •• Gegenleistungsprinzip, d. h. keine Leistung ohne Gegenleistung des Abnehmers. Es spricht nichts gegen die Gewährung von Nachlässen, gleich welcher Art, an Abnehmer, außer, dass diese gewährt werden, ohne dass dafür eine Gegenleistung erfolgt. Insofern ist bei Vereinbarungen immer darauf zu achten, dass diese Äquivalenz gewahrt bleibt. Dabei sind die jeweils erbrachten Leistungen zunächst zu bewerten. •• Gleichbehandlung, d. h. gleiche Konditionen bei gleichen Leistungen. Dies ist allein schon deshalb erforderlich, weil ansonsten der Anschein der Willkür unvermeidlich ist, der es schwierig werden lässt, sich angesichts von Nachfragemacht der Forderung nach weiteren Nachlässen zu entziehen. Zumal Konzentrations- und Kooperationsbestrebungen zu einem erhöhten Maß an Konditionentransparenz führen. •• Systemtransparenz, d. h. klare Strukturierung und gute Nachvollziehbarkeit des Systems. Dies verhindert, dass man sich im Gestrüpp der Konditionen ­verheddert bzw. diese für Marktpartner nicht mehr nachvollziehbar sind. Insofern steht es in der Entscheidung der Abnehmer, welche Leistungen sie erbringen wollen, um dafür ausgeschriebene Vergünstigungen zu beanspruchen. •• Enge Konditionenspreizung, d. h. kein zu großer Abstand der Konditionen für einzelne Abnehmer. Dies ist allein schon deshalb erforderlich, weil sich ansonsten aufgrund von Meistbegünstigungsklauseln das Konditionenniveau tendenziell auf dem niedrigsten Level einpendelt. Dies schließt dann allerdings Gefälligkeitsentscheidungen aus. •• Enge Preisspreizung, d. h. sparsamer Einsatz von Aktionskonditionen. Ab­ gesehen vom Eindruck der Preisschaukelei führt das massive Vorhandensein von Aktionskonditionen zu einer Wahrnehmung, den Aktionspreis als Normalniveau anzusehen und die Rückkehr auf den Normalpreis als vermeintliche

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4. Die kaufmännische Auftragsbearbeitung

Preiserhöhung. Außerdem sind Effekte der Preis-Qualitäts-Vermutung zu berücksichtigen. •• Wachstumsanreiz, d. h. eine Systemauslegung, bei der sich Engagement für beide Seiten lohnt. Dies hat Auswirkungen auf den Verlauf von Rabattstaffeln und die Auslegung von Rabattsystemen. So führt etwa ein inkrementaler Rabatt zum Anreiz, möglichst viel Bestellvolumen bei einem Lieferanten zu konzentrieren. •• Budgetprinzip, d. h. Konditionen sind nur insofern vertretbar, als sie im ­Budget liegen. Damit wird verhindert, dass Preisnachlässe ausufern. Es hat für jeden Abnehmer ein Konditionenbudget zu geben, das sich aus seinem Auftrags-, Bestell- und Abwicklungsverhalten ergibt. Dieses gibt die Obergrenze für Konditionen vor. •• Verantwortlichkeit, d. h. eindeutige organisatorische Zuordnung. Dabei sind häufig verschiedene Bereiche des Unternehmens angesprochen: Marketing, Vertrieb, Controlling, Accounting etc. Wenn aber viele zuständig sind, ist am Ende keiner zuständig, daher ist eine klare Verantwortlichkeit mit korrespondierender Entscheidungsbefugnis erforderlich. •• Handhabbarkeit, d. h. keine komplexen und komplizierten Systeme. Diese mögen zwar dem Gerechtigkeitsstreben innerhalb der Organisation entgegen kommen, sind aber in der praktischen Implementierbarkeit begrenzt. Nicht alle Konditionen, die möglich sind, sollten auch wirklich genutzt werden. •• Flexibilität, d. h. Möglichkeit, auf individuelle Situationen einzugehen. Ein Konditionensystem darf natürlich nicht zum Korsett werden, das keine Chance mehr dazu lässt, auf Bedarfe von Abnehmern einzugehen. Allerdings ist bei Abweichungen von der „Norm“ eine klare Entscheidungszuordnung erforderlich. •• Rechtliche Unbedenklichkeit, d. h. keine Regelungen, die nach Gesetz und Ethik angreifbar sind. Dabei ist vor allem an Bestimmungen im GWB (Diskriminie­ rungsverbot) und UWG (Lauterkeit des Wettbewerbs) zu denken, aber auch an freiwillige, darüber hinaus gehende Selbstbeschränkungen. Vor allem sind alle Nichtleistungskonditionen zurück zu weisen, das sind solche, die nicht leistungsbezogen gerechtfertigt sind, sondern nur aufgrund von Marktmacht zustande kommen. Hier hat sich leider eine große Bandbreite von Nachlässen etabliert, die, erst einmal gewährt, leicht in den Besitzstand der Abnehmer übergehen.

4.3 Erlösschmälerungen

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4.3.3.2 Konkrete Ausgestaltung Als Konsequenz der o. g. Anforderungen bietet sich eine Ausgestaltung des Konditionensystems mit vier Gruppen von Nachlässen an: Zahlungskonditionen, Mengen- und Belieferungskonditionen, Kaufvolumenkonditionen und Marktbearbeitungskonditionen bei indirektem Absatz. Bei den Zahlungskonditionen kommen folgende in Betracht: •• Skontovergütung für frühzeitige Zahlung, •• Inkassovergütung bei Absatzhelfern oder bei Zentralregulierung (Handel), sofern geleistet, •• Delkrederevergütung bei Absatzhelfern oder bei Zentralregulierung (Handel), sofern geleistet. Bei den Mengen- und Belieferungskonditionen kommen folgende in Betracht: •• Auftragsmengenvergütung nach Abnahmemenge und -struktur, •• Vordispositions-/Frühbezugsvergütung als Vorteil in der Planung. Bei den Kaufvolumenkonditionen geht es um die kumulierten Aufträge (­Bonus), die als Gutschrift/Rückvergütung nachträglich gewährt werden. Bei den Marktbearbeitungskonditionen kommen folgende in Betracht: •• Listungs- und Distributionsvergütung für die Schaffung der Verfügbarkeit, •• Messevergütung für Aktivitäten im Persönlichen Verkauf, •• Sonderstammplatz- und Zweitplatzvergütung für die besondere Präsentation, •• Aktionspreisvergütung zum Ausgleich von Mindereinnahmen, •• Werbekostenzuschuss als Nachlass auf Eigenwerbung. Statt über Erlösschmälerungen nachzudenken, macht es zudem mehr Sinn, Zuschläge durchzusetzen. Dabei handelt es sich um den Ansatz, sich alle Leistungen, die über die Hauptleistung hinaus gehen, gesondert als Zusatzleistungen vergüten zu lassen. Dabei kann es sich um begleitende Sach- oder Dienstleistungen handeln. Sind diese jedoch, im Zeichen vorauseilender Kundenbegeisterung, erst einmal kostenlos erbracht worden, ist es ausgesprochen schwer, eine getrennte Ver­gütung durchzusetzen. Daher sind einwandfreie Basisleistungen sinnvoll (No frills), die nach Abnehmerbedarf durch Zusatzleistungen gegen Zuschlag ergänzt werden können. Weitere Zuschläge sind für Verpackungskosten, Versicherungsprämien, Versandkosten, Mindermengen oder Mindestauftragsgrößen möglich. Außerdem durch Zusatzaufträge und Follow up-Geschäft (System).

5. Die technische Auftragsbearbeitung 5.1 Vertragliche Vereinbarungen Basis der vertraglichen Vereinbarungen ist im Regelfall die Anfrage eines poten­ ziellen oder aktuellen Kunden. Diese Anfrage zielt auf die Ermittlung der günstigsten unter mehreren ausgewählten Bezugsquellen ab. Sie hat keine rechtliche Bindungswirkung und dient der Einholung von Angeboten. Sie ist formfrei, unverbindlich und verpflichtet nicht zum Kauf. Der Inhalt kann allgemein gehalten oder spezifiziert sein (z. B. nach Qualität, Preis, Lieferzeit). Das Angebot ist darauf bezogen die rechtsverbindliche mündliche, fernmündliche, telekommunikative, fernschriftliche oder schriftliche Willenserklärung des Verkäufers an eine bestimmte natürliche oder juristische Person oder Personengruppe (Kaufinteressenten, nicht die Allgemeinheit), unter den angegebenen Bedingungen einen Kaufvertrag über Waren und Dienste einzugehen. Das Angebot kann verbindlich sein oder in seiner Bindung eingeschränkt oder ausschließend wirken. Üblicherweise werden mind. drei Angebote (Triple pitch) eingeholt, die hinsichtlich ihrer Bedingungen inhaltlich und formal vergleichbar sein müssen, um aussagefähig zu sein. Wird dieses Angebot ohne Einschränkung (Freizeichnung, Fristangabe etc.) abgegeben, ist der Anbieter daran gebunden. Ein verlangtes Angebot erfolgt auf Anfrage, ein unverlangtes Angebot erfolgt zur bloßen Information. Das Angebot kann an sich formlos erfolgen. Zweckmäßig sind jedoch so vollständige und unmissverständliche Angaben, dass ein Kaufvertrag durch bloße Bejahung zustande kommen kann (Angebotsinhalte sind Art, Güte, Menge und Preis der Ware, Lieferungs- und Zahlungsbedingungen, Verpackungskosten, Lieferzeit, Erfüllungsort und Gerichtsstand, Eigentumsvorbehalt, Gewährleistungen etc.). Ein Angebot an die Allgemeinheit (eine Vielzahl von Personen) ist nur als Aufforderung zur Abgabe eines Antrags anzusehen. Ein Angebot unter Anwesenden muss sofort angenommen werden, da sonst die Bindung des Antragstellers erlischt. Dies gilt für Anträge in persönlicher Form, aber auch per Telefon oder Datenendgerät, wenn eine Bestätigung oder Ablehnung seitens des Empfängers auf elektronischem Wege möglich und vorgesehen ist. Ein Angebot unter Abwesenden kann nur bis zum Zeitpunkt angenommen werden, zu dem man den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten kann. Dabei wird ein gleich schnelles Kommunikationsmedium unterstellt, wie für die Antragstellung. Ein Angebot mit Fristsetzung gilt nur bis zum Fristende. Ein Angebot wird in dem Augenblick verbindlich, in dem es den Empfänger erreicht. Ein Widerruf ist nur wirksam, wenn er vor- oder gleichzeitig mit dem Angebot eingeht.

5.1 Vertragliche Vereinbarungen

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Der Angebotsvergleich stellt abnehmerseitig eingegangene Angebote gegenüber und ermittelt die günstigste Einkaufsmöglichkeit. Dessen Lieferant erhält dann einen Auftrag. Dieser ist wiederum formfrei, regelmäßig jedoch schriftlich, und wird zur Vermeidung von Übertragungsfehlern und Missverständnissen bestätigt (Auftragsbestätigung). Wird der Inhalt eines Antrags bei der Annahme verändert, gilt dies als Ablehnung des ursprünglichen Angebots und zugleich als neuer Antrag. Wird ein Auftrag verspätet angenommen (später als unter normalen Umständen üblich), gilt dies als neuer Antrag, der wiederum annahmebedürftig ist. Wird ein Antrag freibleibend unterbreitet, kommt ein Vertrag erst bei Annahme des Käufers und (unter Kaufleuten) Auftragsbestätigung des Verkäufers zustande. Bei Zusendung unbestellter Ware wird dem Antrag durch Annahme, Bezahlung, Ge- oder Verbrauch der Ware zugestimmt (Ausnahmen gelten für Haustürgeschäfte und Teledienste). Die Auftragsbestätigung dient als zweite Willenserklärung im Rahmen eines Kaufvertrags und wird zu dessen Wirksamkeit notwendig, wenn eine Bestellung (Antrag) ohne vorheriges Angebot erfolgte. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Vertragspartner Kaufleute sind und bereits vorher in Geschäftsbeziehungen gestanden haben (denn Schweigen gilt unter Kaufleuten als Zustimmung). Dennoch empfiehlt sich auch dann allein schon aus inhaltlichen Gründen eine Auftrags­ bestätigung. Selbst bei zwei übereinstimmenden Willenserklärungen kann ein Kaufvertrag nicht zustande gekommen sein (= Nichtigkeit) oder nachträglich für unwirksam erklärt werden (= Anfechtbarkeit). Gründe für die Nichtigkeit sind die Abgabe einer Willenserklärung durch einen Geschäftsunfähigen, die fehlende Zustimmung durch den gesetzlichen Vertreter zum Rechtsgeschäft eines beschränkt Geschäftsfähigen, der Verstoß gegen die gesetzlich vorgeschriebene oder vereinbarte Form, der Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot, die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts, das Scheingeschäft und das Scherzgeschäft. Gründe für die Anfecht­ barkeit sind der Irrtum als Erklärungsirrtum (z. B. Verschreiben, Versprechen) oder Inhaltsirrtum, die unrichtige Übermittlung, die arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung. Die zuvor abgegebene Willenserklärung wird erst durch fristgerechte Anfechtung (ein Jahr nach Kenntnis der Täuschung bzw. Wegfall der Zwangslage bei arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung bzw. unverzüglich nach Feststellung bei Erklärungs- oder Inhaltsirrtum) nichtig. Die Bestellung ist die verbindliche Willenserklärung des Käufers gegenüber einem Käufer, eine bestimmte Ware oder Dienstleistung zu den angegebenen Bedingungen zu erstehen. Sie wird in dem Augenblick verbindlich, in dem sie den Empfänger erreicht. Sie kann formlos erfolgen, wird aber in der kaufmännischen Praxis schriftlich erteilt oder zumindest schriftlich bestätigt. Ein Widerruf gilt nur, wenn er vor oder gleichzeitig mit der Bestellung beim Auftragnehmer eingeht. Liegt ein Angebot zugrunde, bezieht sich die Bestellung auf dieses Angebot. Liegt kein Angebot zugrunde, werden alle Vertragsbestandteile wiederholt, die für

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5. Die technische Auftragsbearbeitung

ein Angebot typisch sind. Bei unveränderter Bestellung auf ein Angebot kommt ein wirksamer Kaufvertrag durch bloße Annahme zustande, bei abgeänderter Bestellung handelt es sich dabei um einen neuen Antrag, dem der Vertragspartner erst neu zuzustimmen hat. Auf eine unveränderte Bestellung kann eine Auftragsbestätigung als Absicherung erfolgen. Diese erfolgt auch, wenn das Angebot abgeändert, es verspätet angenommen, ohne vorheriges Angebot bestellt wird oder das Angebot freibleibend war. Die Bestellung umfasst meist standardisierte (Allgemeine Geschäftsbedingungen) und individualisierte Vertragsbestandteile (wie Menge, Zeitpunkt, Wert, Ort etc.). Die Bestellungsannahme ist die Willenserklärung des Verkäufers, mit der er sich bereit erklärt, die bestellte Ware zu den angegebenen Bedingungen zu liefern. Bei der Bestellung auf Basis eines Angebots dient die Bestellungsannahme nur der Bestätigung der getroffenen Vereinbarungen, ist also rechtlich eigentlich nicht notwendig. Bei einer Bestellung ohne Angebot ist eine Bestellungsannahme zum Zustandekommen des Abschlusses unerlässlich. Für den Kaufvertrag empfiehlt sich die Justierung mindestens folgender Inhalte: •• Gegenstand des Vertrags, •• Liefer- und Leistungsgegenstand, •• zusätzliche/ergänzende oder Folgeleistungen, •• Lieferkonditionen, •• Liefer- und Erfüllungsort, •• Lieferzeitpunkt/-zeitraum, •• Informations- und Dokumentationspflichten des Lieferanten, •• Haftung und Gewährleistung, •• Mitwirkungs- und Informationspflichten des Kunden, •• Kaufpreis incl. Nebenkosten, •• Zahlungsbedingungen, •• Kreditbedingungen und Sicherungsklauseln, •• Know-how-Transfer und Geheimhaltung, •• Änderungs-, Rücktritts- und Kündigungsmöglichkeiten, •• Formalvereinbarungen (wie Gerichtsstand, Vertragsstrafen, salvatorische Klausel etc.).

5.2 Dokumente

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5.2 Dokumente

Abbildung 66: Dokumente

Häufig sind Unvollkommenheiten in der rein operativen Auftragsabwicklung (Order processing) Grund für nachhaltige Kundenunzufriedenheiten. Insofern tut der Anbieter gut daran, sich diesem „Paperwork“ angemessen zu stellen. Vor allem im internationalen Geschäft besteht ein besonderes Sicherheitsbedürfnis hinsichtlich des Austauschs von Leistungen, d. h. in Bezug auf die Zahlung von Geld und die Abgabe von Ware und/oder Diensten. Vor allem besteht ein Risiko dahingehend, ob die vom Lieferanten erbrachten Leistungen nach Art und Umfang der geforderten Leistung des Abnehmers entsprechen, dass diese von beteiligten Dritten zutreffend beurteilt werden und den jeweiligen Status des Leistungstransfers ausweisen. Diese Funktionen übernehmen Dokumente, die im Hinblick auf die Warensendung ausgestellt werden. Sie betreffen Lieferungssicherung, Zahlungs­ sicherung, Vereinfachungen der Eigentumsübertragung und Finanzierungsmöglichkeiten. Diese Dokumente nehmen verschiedene Aufgaben wahr, so eine •• Beweisfunktion, z. B. für Gewicht, Einlagerung, •• Vertragserfüllungsfunktion, •• Sperrfunktion, d. h. die Möglichkeit, die Verfügung zu verhindern, •• Legitimationsfunktion, d. h. den Herausgabeanspruch an einer Sache, •• Wertpapierfunktion zur Vorlegung und Einlösung, •• Finanzierungsfunktion zur Bevorschussung.

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5. Die technische Auftragsbearbeitung

5.2.1 Dokumentarten Man unterscheidet bei den Dokumenten Wertpapiere, Beweispapiere und Legitimationspapiere. Als Wertpapier werden Urkunden bezeichnet, in denen ein privates Recht verbrieft wird, das durch Verfügung des Papiers ausgeübt werden kann. Wertpapiere besitzen immer eine Vorlage- und Einlösepflicht, so dass mit befreiender Wirkung nur an denjenigen geleistet werden kann, der die Urkunde vorlegt. Zugleich ist der Schuldner demjenigen zur Erfüllung verpflichtet, der die Urkunde vorweist. Bei den Wertpapieren kann man mehrere Arten unterscheiden, hier interessieren nur Warenwertpapiere als Verfügungsrecht über Waren. Hierzu gehören das Konnossement, d. h. der Seefrachtbrief, der Ladeschein, der bei der Binnenschifffahrt ausgestellt wird, sowie der Orderlagerschein. Wer diese Wertpapiere rechtmäßig besitzt, ist Eigentümer der Waren. Somit ersetzt die Übertragung dieser Papiere die Übergabe der Waren. Auf diese Weise können schwimmende oder eingelagerte Waren ohne Weiteres veräußert oder verpfändet werden. Beweispapiere sind Urkunden, bei denen weder eine Vorlage- noch eine Ein­ lösepflicht besteht. Sie dienen der vereinfachten Beweisführung als dokumentatorische Erhärtung. Der Gläubiger kann seine Berechtigung jedoch auch anders darlegen, der Schuldner kann die Rechtmäßigkeit der Vorlage auch bestreiten. Beispiele für Beweisurkunden sind Frachtbrief, Posteinlieferungsschein, Kreditversicherungspolice, Zollpapiere etc. Legitimationspapiere sind Urkunden, bei welchen der Verpflichtete ohne Prüfung der Empfangsberechtigung an den Inhaber der Urkunde leisten kann. Er ist berechtigt, jedoch nicht verpflichtet, die Verfügungsberechtigung nachzuprüfen. Sie besitzen eine Einlösepflicht, aber keine Vorlagepflicht, d. h., der Gläubiger kann seine Berechtigung auch auf andere Weise darlegen. Gläubiger der Leistung ist immer der Berechtigte. Ist in der Urkunde sein Name bezeichnet und vereinbart, dass der Schuldner an jeden Inhaber der Urkunde leisten darf, so wird der Schuldner durch die Leistung an den Inhaber frei, auch wenn es nicht der Berechtigte war. Beispiele sind Lagerempfangsschein und Versicherungspolice auf Inhaber. Legitimationspapiere können qualifiziert oder einfach erteilt werden. Erstere sind benannt oder nicht benannt, bei Letzteren handelt es sich z. B. um Gepäckschein oder Reparaturschein. Nach der Übertragungsform kann man Dokumente nach Inhaber-, Order- und Rektapapieren unterscheiden. Rektapapiere, auch Namenspapiere genannt, sind Wertpapiere, die auf den Namen einer bestimmten Person lauten und nur durch Einigung und Übergabe der zedierten Urkunde nach gewöhnlicher Abtretung (Zession), nicht durch Indossament, im Eigentum auf eine andere Person übertragen werden können. Geborene Orderpapiere werden durch eine negative Orderklausel („nicht an Order“) zu Rektapapieren. Berechtigt ist immer nur die in der Urkunde namentlich genannte Person des Erwerbers als Rechtsnachfolger. Beispiele sind Versicherungspolice, Hypothekenbrief etc.

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Unter Zession versteht man allgemein einen Abtretungsvertrag über verbriefte Rechte zwischen einem Schuldner und einem Gläubiger. Wenn der Gläubiger dem Schuldner anzeigt, dass er das Recht abgetreten hat, kann sich der Schuldner auf die Richtigkeit dieser Anzeige verlassen und an den ihm bekanntgegebenen neuen Gläubiger befreiend leisten. Die Abtretung wird durch Vorlage einer Abtretungsurkunde dokumentiert, in welcher der Zessionar namentlich bezeichnet ist. Diese Anzeige kann nur zurückgenommen werden, wenn der als neuer Gläubiger Bezeichnete dem zustimmt. Der Schuldner ist dem Zessionar gegenüber nur unter der Voraussetzung der Vorlage dieser Urkunde leistungsverpflichtet. Orderpapiere lauten auf den Namen des Berechtigten und können vereinfacht durch Einigung und Übergabe einer indossierten Urkunde übergeben werden. Berechtigter ist jeweils der letzte durch Indossament Benannte. Das verbriefte Recht können nur die durch den Aussteller benannte Person oder eine andere von den/ dem Berechtigten durch Indossament bezeichnete Person geltend machen. Man unterscheidet geborene Orderpapiere, bei denen die Orderklausel nicht konstitutiv ist, sie sind vielmehr kraft Gesetz Orderpapiere (z. B. Wechsel, Orderscheck, Namensaktie) und gekorene Orderpapiere, bei denen die Orderklausel konstitutiv ist, d. h., sie werden erst durch die Orderklausel („für mich/uns an die Order der/des …“) zu Orderpapieren (z. B. Ladeschein, Orderlagerschein, Konnossement, Transportversicherungspolice). Geborene Orderpapiere lauten auf den Namen einer bestimmten Person oder deren Order. Die Eigentumsübertragung erfolgt durch Indossament und Übergabe. Gekorene Orderpapiere können nur durch Indossament übertragen werden. Der Erwerber wird dabei Eigentümer. Ein Indossament ist eine auf einem Orderpapier verzeichnete Erklärung, aus der hervorgeht, dass der Inhaber das Eigentum und somit auch das Recht aus dem Papier auf den im Indossament genannten Indossatar überträgt. Es hat eine Transportfunktion, d. h., es überträgt alle Rechte auf den Indossatar bzw. auf den Inhaber, eine Garantiefunktion, d. h., ein Indossant haftet für die Annahme und Zahlung, und eine Legitimationsfunktion, d. h., der Inhaber beweist sich damit als Berechtigter. Mit dem Indossament überträgt der bisherige Inhaber des Wertpapiers somit das Eigentum und die Rechte aus dem Papier an den neuen Eigentümer. Dies geschieht durch Unterschrift (Blanko-Indossament, damit wird das Papier zum Inhaberwertpapier) oder durch vollständige Angabe des neuen Eigentümers (­Indossatars) als Vollindossament. Das Rektaindossament führt durch Zusatz „nicht an deren Order“ dazu, dass der Indossant bei Weitergabe nur dem direkt Nachstehenden gegenüber haftet. Das Angstindossament „ohne Obligo“ führt dazu, dass der Indossant die Haftung gegenüber Nachstehenden ausschließt. Das Inkasso­ indossament beauftragt die Bank, die Zahlung beim Schuldner zu bewirken. Die Übertragung eines Inhaberpapiers erfolgt durch Einigung und Übergabe der (einfachen) Urkunde. Berechtigter ist immer der Inhaber der Urkunde, der Erwerber wird dabei Eigentümer. Beispiele sind Inhaberscheck, Banknote, Fahrkarte etc. Ein Orderpapier wird durch Blankoindossament und Weiterreichung der Urkunde

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zu einem Inhaberpapier. (Echte) Inhaberpapiere (z. B. Inhabergrundschuldbrief) lauten auf den Inhaber der Urkunde. Ist der Berechtigte der Urkunde nicht genannt, entstehen hinkende Inhaberpapiere (z. B. Postscheck ohne Empfängereintrag). Bei den relevanten Dokumenten handelt es sich im Einzelnen um Transport-, Lagerungs-, Versicherungs-, Zahlungs-, Zoll- und Spezifikationsdokumente.

5.2.2 Transportdokumente Hierbei ist generell zwischen Transportdokumenten zu unterscheiden, welche die Ware repräsentieren (Traditionspapiere) und solchen, die nur den Versand der Ware nachweisen (Nachweispapiere). Als Traditionspapiere bezeichnet man solche, deren Vorlage für eine Verfügung über die Ware erforderlich ist. Sie berechtigen zur Herausgabe der Ware bzw. repräsentieren die Ware als selbstständigen, schuldrechtlichen Anspruch, der unabhängig vom zugrunde liegenden Rechts­ geschäft ist. Im Wesentlichen handelt es sich hier bei der Seeschifffahrt um das Konnossement oder den Seefrachtbrief, bei der Binnenschifffahrt um den Ladeschein, beim Bahnverkehr um den Eisenbahnfrachtbrief, beim Luftverkehr um den Luftfrachtbrief, beim Straßenverkehr um die Übernahmebescheinigung sowie beim Postverkehr um den Posteinlieferungsschein. Bei den Transportdokumenten kommt dem Konnossement eine überragende Bedeutung zu. 5.2.2.1 Konnossement Das Konnossement (Bill of lading, Seefrachtbrief) ist ein Transportdokument, in welchem der Empfang der Güter und die Auslieferung an den durch das Konnossement beurkundeten Berechtigten bestätigt wird. Es verbrieft einen selbstständigen schuldrechtlichen Anspruch des Berechtigten an den Verfrachter, welcher die Wertpapiereigenschaft begründet. Das Konnossement stellt der Verfrachter (Reederei) oder dessen Agent dem Lieferanten direkt oder dem vom Lieferanten beauftragten Ablader aufgrund des Seefrachtvertrags, normalerweise im Überseetransport, aus. Darin bestätigt dieser, dass er die näher bezeichneten Güter zur Beförderung auf einem bestimmten Schiff übernommen hat. Gleichzeitig verpflichtet er sich zur Herausgabe der Waren an den berechtigten Inhaber der Urkunde. Die Übergabe des Konnossements an den dort ausgewiesenen Berechtigten ersetzt dabei die körperliche Übergabe der (auf See schwimmenden) Ware. Das Konnossement ist damit eine Empfangsbescheinigung des Verfrachters, die dort aufgeführten Güter übernommen zu haben, ein Beförderungsversprechen des Verfrachters, sie auftragsgemäß zwischen Abgangs- und Bestimmungshafen zu befördern, ein Ablieferungsversprechen, sie gegen Vorlage des Originals des Konnossements an den berechtigten Empfänger auszuliefern, und verleiht zugleich die

5.2 Dokumente

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Verfügungsgewalt über die transportierten Waren. Es ergibt sich ein Herausgabeanspruch des durch ununterbrochene Indossamentkette legitimierten Inhabers gegenüber dem Verfrachter. Der Verfrachter darf an keinen Anderen leisten als den, welcher das Konnossement vorlegen kann. Der legitimierte Inhaber des Konnossements ist mittelbarer Besitzer der Ware und darüber verfügungsberechtigt. Er hat auch ein Verpfändungs- und Sicherungsübereignungsrecht daran. Das Konnossement ist begebbar und normalerweise ein Orderpapier. Beim Orderkonnossement kann neben dem Empfänger (Consignee) auch ein Anderer als Herausgabebeanspruchter der Ware benannt werden. Es wird durch ausdrück­ lichen Ordervermerk zum (gekorenen) Orderpapier. Die Übertragung von Rechten auf Dritte erfolgt durch den eingetragenen Warenempfänger (Besteller) bzw. den Berechtigten (Ablader) mittels Indossament und Übergabe des Konnossements. Durch Blankoindossament wird das Orderkonnossement zum Inhaberpapier. Beim Inhaberkonnossement hat der jeweilige Inhaber einen Herausgabeanspruch an der Ware gegenüber dem Verfrachter. Mangels eines ausdrücklichen Ordervermerks ist ein Konnossement stets ein Rektapapier (Rektakonnossement), das durch den namentlich bezeichneten Warenempfänger (Besteller) und mittels Abtretungserklärung (Zession) sowie Übergabe des Konnossements übertragen wird. Beim reinen Konnossement wird die Ware ohne äußerlich erkennbare Schäden angenommen. Beim unreinen Konnossement wird ein Beschädigungsvermerk gemacht. Dann kommt es auf die Vereinbarungen zur dokumentären Zahlungsabwicklung an, ob überhaupt weitere Leistungsschritte vollzogen werden dürfen. Man unterscheidet weiterhin das Direktkonnossement ohne Umladung und das Kurzkonnossement (mit kurzem Text). 5.2.2.2 Sonderformen des Konnossements Weitere Sonderformen des Konnossements sind die Folgenden. Teilkonnossemente werden auf Antrag des Warenempfängers unter Vorlage und Einzug des Originalkonnossements über Teilpartien der Güter ausgestellt, wenn der Warenempfänger jeweils Teile der Ware an seine Abnehmer weiterverkauft. Ein Sammelkonnossement wird für mehrere Kleinlieferungen gemeinsam ausgestellt. Das Übernahmekonnossement ist eine Bestätigung des Verfrachters (Reeder) an den Ablader über den Empfang der Güter zur Verschiffung, die aber noch nicht verladen sind, in äußerlich guter Verfassung zum Transport und zur Lagerung, bis ein geeigneter Schiffsraum zur Verfügung steht. Eine Änderung des Übernahmekonnossements in ein Bordkonnossement ist durch einen datierten Vermerk nach erfolgter Verladung der Güter auf das Schiff möglich. Das Bordkonnossement ist die Bestätigung der Reederei an den Absender über den Empfang der Güter zum Transport und über die erfolgte Verladung der Gü-

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ter auf dem bezeichneten Schiff. Das Charter-Konnossement wird von der Reederei oder deren Agent ausgestellt und belässt das Verlade- und Transportrisiko beim Ablader (Lieferant). Gegenstand ist hierbei ein (anteiliger) Schiffsraum oder ein ganzes Schiff. Ein Durchfrachtkonnossement (FBL/FIATA Combined transport bill of lading) liegt vor, wenn mehr als ein Transportunternehmen am Gesamttransport vom Verschiffungshafen bis zum Endhafen oder Endplatz der Ware beteiligt ist, also kein Linienverkehr, sondern ein gebrochener/multimodaler Verkehr vorliegt, aber nur ein durchgehendes Papier der Seereederei über den Transport erstellt wird. Es wird bei Umladung der Güter in einem oder mehreren Seehäfen oder Transport auf Schiffen verschiedener Reedereien erstellt. Die Haftung der ausstellenden Reederei erstreckt sich entweder auf alle Teilstrecken und Umladungen, ist auf die übernommene Teilstrecke begrenzt oder erfolgt gemeinschaftlich mit anderen Reedereien für die gesamte Strecke. Als Aussteller des Anschlusskonnossements fungiert ein Teilverfrachter in Verbindung mit dem Durchfrachtkonnossement. Beim echten Durchkonnossement übernimmt die ausstellende Reederei die Haftung für die ganze Strecke. Beim unechten Durchkonnossement erstreckt sich die Haftung der ausstellenden Reederei nur auf die von ihr übernommene Frachtstrecke. Und beim gemeinschaftlichen Durchkonnossement haftet jeder von mehreren beteiligten Reedereien gemeinschaftlich oder nur für die von ihr übernommene Strecke. Ein Charterpartie-Konnossement wird ausgestellt, wenn ein Lieferant nicht eine Sendung verschicken, sondern einen Schiffsraum bzw. das ganze Schiff chartern will. Dies ist bei Massengütern anzutreffen. Das Risiko für Transport und Umladungen liegt dabei beim Ablader/Exporteur. Das Hafenkonnossement ist die Bestätigung des Ausstellers über den Empfang der Güter zur Verschiffung sowie die Bescheinigung, dass das zur Aufnahme der Güter bestimmte Schiff im Verlade­ hafen bereits vor Anker liegt bzw. die Bestätigung über die Einlagerung für eine bestimmte Frist. Das Lagerhallenkonnossement bescheinigt den Empfang der Ware zur Verschiffung und vorübergehenden Einlagerung. Das FCT (Forwarders certificate of transport, internationales Spediteurskonnossement) ist ein Wertpapier, welches der Spediteur über eine Einzelsendung ausstellt und sich darin verpflichtet, die Ware nur gegen Vorlage des FCT-Originals am Bestimmungsort auszuliefern. 5.2.2.3 Konnossementähnliche Transportpapiere Konnossementähnliche Formen von Transportpapieren sind die Folgenden. Das Mate’s receipt ist eine (heute nur noch selten übliche) Quittung, welche dem Bordkonnossement als vorläufige Bescheinigung über den Empfang der Ware an Bord des Schiffes zeitlich vorausgeht. Sie wird auf Verlangen des Befrachters als Emp-

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fangsbescheinigung ausgestellt, gegen deren Vorlage der Verfrachter das Originalkonnossement als Bestätigung des ausstellenden Steuermanns bzw. Ladungsoffiziers über den Empfang der Güter und deren äußere Beschaffenheit erstellen kann. Eine Delivery order, d. h. Verpflichtung des Inhabers eines Konnossements, die Güter an einen Dritten auszuliefern, ist ein Lieferschein bzw. eine Auslieferungsanweisung, die von Treuhandgesellschaften ausgestellt wird, die sich mit der Weiterleitung von Warensendungen befassen. Sie berechtigt den Begünstigten, seinen Anteil an der Gesamtmenge der Waren in Empfang zu nehmen. Das Parcel receipt findet bei Verschiffungen von Kleinsendungen Anwendung, ist aber kein Konnossement, sondern eine Beweisurkunde. Es wird im Seefrachtverkehr bei wertvollen Paketen verwendet und dokumentiert den Empfang der Ware und die Verpflichtung zur Auslieferung an den legitimierten Inhaber. Der Ladeschein ist ein von einem Frachtführer ausgestelltes Wertpapier, in dem sich dieser verpflichtet, ein zu beförderndes Gut an den Berechtigten gegen Rückgabe des Ladescheins auszuliefern. Dies ist zudem maßgeblich für das Rechtsverhältnis zwischen Frachtführer und Empfänger (ähnlich dem Konnossement). Der Ladeschein hat also alle Merkmale des Frachtbriefs und ist zusätzlich Waren­ wertpapier. Der rechtmäßige Besitzer ist Eigentümer der Ware, er kann diese übertragen oder verpfänden. Der gewöhnliche Ladeschein ist ein Namenspapier (Rektapapier) ohne Orderklausel und bedarf zur Übertragung einer Zession (Abtretungserklärung). Der Orderladeschein ist eine Urkunde, welche der berechtigten Person das Recht verbrieft, die Herausgabe der eingelagerten Ware zu fordern. Diese Form des Lagerscheins kann problemlos an ein kreditgewährendes Institut übergeben werden, z. B. als Absicherung einer Außenhandelsfinanzierung. Der Orderladeschein wird durch die Klausel „an Order“ zum Wertpapier (ge­korenes Orderpapier) und kann durch Einigung, Übergabe oder Indossament an den neuen Berechtigten übertragen werden. Inhaberladescheine werden nicht verwendet. Der Ladeschein hat damit die gleiche rechtliche Wirkung wie das Konnossement, es wird jedoch nur ein Original als Versand- und Verfügungspapier von Binnenschifffahrtsunternehmen ausgestellt. Der Frachtbrief ist eine Beweisurkunde für den tatsächlichen Versand der Ware, die vom Absender im Hinblick auf den Frachtvertrag nach Annahme einer Sendung ausgestellt wird und den Abschluss und Inhalt eines Frachtvertrags durch den Frachtführer danach bescheinigt, die Ware an den im Frachtbrief benannten Empfänger auszuliefern. Er ist aber auch Warenbegleitpapier und Frachtrechnung für die Sendung vom Absender bis zum Empfänger, das mit dem Frachtgut ausgehändigt wird, und Sperrpapier, d. h., solange der Absender seine Ausfertigung noch nicht dem Frachtführer übergeben hat, kann er die Sendung durch nachträgliche Verfügung anhalten, zurückrufen oder umleiten. Weiterhin ist er Empfangsbescheinigung über den zu bestätigenden Erhalt des Guts, Beförderungs- und Auslieferungsversprechen. Die Annahme der Sendung verpflichtet den Empfänger

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zur Zahlung der Kosten. Der Frachtbrief ist durch Hinterlegung des Duplikats finanzierungs­fähig. Der CIM (Convention internationale de merchandises par chemins de fer, Internationaler Eisenbahnfrachtbrief) ist ein Versandpapier im europäischen Eisenbahngüterverkehr. Der internationale Frachtbrief im Straßengüterverkehr (CMR) gilt im EU-außengrenzüberschreitenden Güterverkehr mit Kraftfahrzeugen. Der Luftfrachtbrief (Air waybill) ist kein übertragbares oder begebbares Beförderungsdokument. Er dokumentiert vielmehr den Abschluss eines Luftfrachtvertrags zwischen Ablader und Fluggesellschaft, die meist der IATA angeschlossen ist. IATA steht für International Air Transport Association und betrifft u. a. die Festsetzung der Beförderungstarife und die Abstimmung der Flugpläne im internationalen Luftverkehr sowie Beratung in Fragen der Technik und des Luftrechts. Er ist eine Empfangsbestätigung und ein Ablieferungsversprechen der Fluggesellschaft, welche die Beförderung als Luftfracht übernommen hat. Er hat Beweisfunktion über den Abschluss des Frachtvertrags und belässt dem Absender ein Verfügungsrecht über die Warensendung. Solange dem Empfänger die Güter am Bestimmungsort noch nicht zur Verfügung gestellt worden sind, kann er unter Vorlage des Originals dem Frachtführer Weisung erteilen, die Warensendung anzuhalten, umzudirigieren oder zurückzubeordern. Umgekehrt ist der Besteller vor nachträglichen Verfügungen gesichert, sobald der Lieferant das Original aus den Händen gibt. Der Seefrachtbrief (Sea waybill) dokumentiert einen Frachtvertrag über einen Seetransport. Die FCR (Forwarders certificate of receipt, internationale Spediteursübernahme­ bescheinigung) ist eine schriftliche Bestätigung eines Spediteurs (Beweis­urkunde), dass er eine Ware mit der unwiderruflichen Weisung übernommen hat, sie an eine bestimmte Person oder ein bestimmtes Unternehmen zu versenden. Sie verpflichtet ihn, die Güter selbst oder durch Einschaltung eines Frachtführers zu befördern. Der Empfänger erhält dann die Güter ohne Vorlage eines gesonderten Dokuments. Beim Postversand wird eine Empfangsbescheinigung (Posteinlieferungsschein) ohne Warenbeschreibung ausgestellt, welche die Postnummer des Pakets trägt. Sie ist eine Beweisurkunde und dokumentiert die Postverpflichtungserklärung zur Beförderung an den benannten Empfänger. Es wird nur eine Ausfertigung ausgestellt, mittels derer der Absender nachträglich Weisungen bei Vorlage der Urkunde geben kann. Durch Vergleich der Nummern auf dem Einlieferungsschein und dem Paket sollen Verwechslungen bei der Aushändigung vermieden werden. Außerdem ist der Frachtstatus ermittelbar (Tracking & tracing). Im Außenhandel wird er von der Bank des Lieferanten an die mit dem Inkasso beauftragte Bank des B ­ estellers geschickt.

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5.2.3 Lagerungsdokumente Der Lagerschein (FWR/FIATA Warehouse receipt) bestätigt den Empfang der Ware durch den Lagerhalter mit der Verpflichtung, die Ware an den durch die Vorlage Berechtigten herauszugeben. Er verbrieft als Legitimationspapier entweder ein Forderungsrecht auf Herausgabe der eingelagerten Ware oder ein dingliches Recht am eingelagerten Gut. Dadurch bestätigt der Lagerhalter die Übernahme der Ware und verspricht deren Auslieferung gemäß Order oder nach Namen des Berechtigten. Der Namenslagerschein ist ein Rektapapier und verpflichtet nur zur Herausgabe an den in der Urkunde namentlich Benannten oder durch Zession ausgewiesenen. Der Orderlagerschein ist ein Warenwertpapier, das auf den Namen des Einlagerers oder jede andere Person lautet. Diese erwirbt einen unbedingten Anspruch an der eingelagerten Ware. Er verpflichtet zur Herausgabe an den namentlich Benannten oder entsprechend dessen Order. Er darf nur von staatlich ermächtigten Lager­haltern ausgestellt werden und enthält eine Orderklausel, die eine Übertragung durch Indossament auf eine andere Person ermöglicht. Der Inhaberlagerschein ist ein Warenwertpapier, das auf den jeweiligen Inhaber lautet. Es kann ohne Indossament oder Abtretungserklärung auf eine andere Person übertragen werden. Diese erwirbt damit einen unbedingten Anspruch auf Besitz an der eingelagerten Ware. Dies gilt auch für den unehrlichen Finder, der allerdings nicht Eigentümer werden kann.

5.2.4 Versicherungsdokumente Die Transportversicherung basiert auf einer Versicherungspolice und deckt jedes in Geld schätzbare Interesse an beweglichen Sachen auf dem Transportweg ab. Obergrenze der Entschädigung ist die Versicherungssumme, ausgenommen sind allerdings alle Risiken, die auf der Beschaffenheit der Ware beruhen, was im Zweifel vom Versicherer nachzuweisen ist. Man unterscheidet volle Deckung aller Risiken für alle Güter, mit Ausnahme höherer Gewalten wie Krieg, Umsturz, Natur­katastrophen etc., mittlere Deckung für „normale“ Risiken sowie weitere Sonderformen. Eine Versicherungspolice beurkundet den Abschluss eines Versicherungsvertrags zum Schutz der Ware während des Transports gegen Schäden, die nach Gesetz aus der Haftung des Verfrachters ausgenommen sind. Sie betrifft den Ersatz des Vermögensschadens bzw. die Zahlung eines vereinbarten Betrags oder einer Rente nach Eintritt des Versicherungsfalls gegen vorherige Prämienzahlung. Die Versicherungspolice enthält Art und Versicherungswert der Ware, den gedeckten Reiseweg, die Art des Beförderungsmittels und den Namen des Versicherungs­ vertreters. Sie sichert den Wert der Ware gegen Untergang oder Beschädigung.

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5. Die technische Auftragsbearbeitung

Dabei unterscheidet man in Rahmenversicherungsverträge einerseits für eher regelmäßige Transporte unter vergleichbaren Bedingungen und Einzelversicherungsverträge andererseits zur einmaligen Schadensdeckung. Der Versicherungswert setzt sich aus dem üblichen Handelswert der Ware, z. B. gemäß Rechnung, und dem imaginären Gewinn des Bestellers aus dem Weiterverkauf der Waren zusammen. Bei Überversicherung hat der Versicherungsnehmer nur Anspruch auf den Versicherungswert, bei Unterversicherung wird der Warenwert nur anteilig ersetzt. Die Versicherungsprämie ist von Faktoren wie Beschaffenheit der Ware, Reiseweg, Reisedauer, Jahreszeit, Transportmittelart, Verpackung etc. abhängig. Die Generalpolice umfasst einen Globalversicherungsvertrag, welcher den Versicherungsschutz mehrerer/laufender Warentransporte gegen gleichartige Risiken dokumentiert. Für einzelne Transporte werden Versicherungszertifikate ausgestellt. Diese Police hat Wertpapiereigenschaft, sie kann ein Rektapapier, ein Orderpapier oder ein Inhaberpapier sein. Hinsichtlich der Vereinbarungen unterscheidet man abgestuft folgende Möglichkeiten: •• A. R. (All risks) sichert alle Risiken, auch Streik, Aussperrung, Terror, Aufruhr oder Krieg/Bürgerkrieg, Beschlagnahme, Kernenergieunfall. •• F. P. A.-Klausel (Free from particular average) ist eine Klausel bei Seetransport, die den Totalverlust einer ganzen Sendung oder Teile derselben abdeckt. In Höhe einer Mindestdeckung muss sie der Lieferant bei einem Exportgeschäft abschließen. Begünstigter ist der Besteller. •• W. P. A.-Klausel (With particular average) ist eine Versicherungsgrundlage bei Seetransport, die nur bei Teilverlust einer Sendung in Kraft tritt. Dabei wird ein Selbstbehalt vereinbart. Den Verlust bezeichnet man als Havarie. Havarie bedeutet allgemein Unfall im Seeverkehr. Als große Havarie bezeichnet man Schäden oder Aufwendungen, die durch eine zur Errettung von Schiff und/ oder Ladung aus gemeinsamer Gefahr notwendige, vorsätzliche Maßnahme verursacht werden. Das geht bis zum Überbordwerfen der Ladung (Seewurf), denn Schiff und Ladung bilden rechtlich eine Schicksalsgemeinschaft. Besondere Havarie liegt vor, wenn durch ein zufällig eintretendes Ereignis Schäden oder Verluste entstehen. Die kleine Havarie bezeichnet Schäden nur am Schiff oder nur an der Ladung. Einzig die Force majeure-Klausel (Höhere Gewalt) befreit den Vertragspartner bei nicht von ihm zu vertretenden Bedingungen von seiner Leistung. Allerdings muss es sich um einen Hinderungsgrund handeln, der auch bei größtem Einsatz und vernünftiger Voraussicht nicht zu bewältigen ist. Insofern wird ein hoher Anspruch daran manifestiert. Eine Kreditversicherungspolice dokumentiert den Abschluss eines Kreditver­ sicherungsvertrags und den Versicherungsanspruch des darin namentlich genannten Berechtigten. Sie ist ein Rektapapier und kann nur durch Zession übertragen werden. Dies ist häufig im Außenhandel anzutreffen.

5.2 Dokumente

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5.2.5 Zahlungsdokumente Der Scheck ist eine Anweisung des Kontoinhabers an sein Kreditinstitut, gegen Vorlage zu Lasten seines Kontos den angegebenen Betrag zu zahlen. Der Kontoinhaber gibt den Scheck fristgemäß zahlungshalber an einen Dritten, der ihn selbst beim bezogenen Institut vorlegt oder über sein Kreditinstitut auf dem Verrechnungsweg vorlegen lässt. Er ist ein Inhaberpapier, d. h., jeder Inhaber kann den Scheck bei einem Geldinstitut einlösen oder einem Gläubiger zur Zahlung weitergeben. Der Scheckinhaber hat keinen scheckrechtlichen Anspruch auf Einlösung, wenn dafür keine Deckung gegeben ist. Der Scheck ist bei Sicht fällig. Bei Verlust wird ein Scheck, nach Meldung, vom Geldinstitut gesperrt. Man unterscheidet verschiedene Scheckarten. Nach dem Scheckaussteller gibt es Privatschecks, deren Aussteller eine NichtBank ist, und Bank-/Postschecks. Nach der Verfügungsmöglichkeit über den Scheckgegenwert gibt es Barschecks zur Barauszahlung oder Kontogutschrift und Verrechnungsschecks nur zur Kontogutschrift durch einen ausgewiesenen Bankkunden oder eine andere Bank. Nach der Berechtigung zur Ausübung der Scheckrechte gibt es Inhaber-/Überbringer-Schecks und Orderschecks. Inhaberschecks tragen bei der Angabe des Zahlungsempfängers den Zusatz „oder Überbringer“, die Übertragung erfolgt durch Einigung und Übergabe, die Auszahlung erfolgt an jeden Überbringer/Inha­ ber des Schecks. Jeder Scheck wird durch den Zusatz bei der Angabe des Zahlungsempfängers „oder Order“ zum Orderscheck. Eine Übertragung des Rechts ist nur mit Indossament auf den Begünstigten zum Rückgriff auf den Indossanten und zum Ausweis der Berechtigung möglich. Die Auszahlung ist nur an den Scheckinhaber möglich, der durch eine lückenlose Indossamentkette als letzter Berechtigter ausgewiesen ist. Ein Rektascheck (Namensschecks mit oder ohne Orderklausel) kann hingegen allein vom namentlich in der Urkunde Genannten zum Inkasso vorgelegt werden. Ein Wechsel ist ein geborenes Orderpapier, das losgelöst vom eigentlichen Schuldverhältnis als eigenständiges Wertpapier eine unabhängige Forderung verbrieft. Solange der Wechsel noch nicht akzeptiert ist, handelt es sich um eine Tratte. Das Akzept erfolgt durch „querschreiben“ des Schuldners. Bei einem gezogenen Wechsel verpflichtet der Aussteller (Lieferant) einen anderen (Bezogener), indem er den Wechsel auf diesen zieht und der Bezogene ihn akzeptiert. Bei einem Solawechsel verpflichtet sich der Aussteller selbst, d. h., Aussteller und Bezogener sind in diesem Fall identisch. Insofern wird ein Zahlungsversprechen abgegeben, die Wechselsumme zum Fälligkeitstermin an den Wechselnehmer zu zahlen. Dies dient meist zur Sicherung erhaltener Darlehen. Beim Wechsel an eigene Order behält sich der Wechselaussteller vor, diesen Wechsel an eine beliebige dritte Person weiterzugeben, die im Moment der Wech-

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5. Die technische Auftragsbearbeitung

selausstellung noch unbekannt ist. Beim Wechsel an fremde Order wird als Wechselnehmer bereits bei der Ausstellung eine dritte Person namentlich aufgeführt. Der Wechsel kann durch Indossament an den nächsten Inhaber (Indossatar) übertragen werden. Aussteller, Bezogener und Indossatar haften als Gesamtschuldner für die Wechselsumme, d. h., der letzte Wechselinhaber kann bei jedem von ihnen den gesamten Betrag einfordern. Für die Verwertung des Wechsels ergeben sich mehrere Möglichkeiten. Derjenige, der einen Wechsel annimmt, kann ihn bis zur Fälligkeit aufbewahren und dann selbst dem Bezogenen zur Zahlung vorlegen bzw. durch seine Bank einziehen lassen. Benötigt der Wechselnehmer während der Laufzeit des Wechsels selbst Geld, kann er ihn bei einem Kreditinstitut hinterlegen, das ihm daraufhin ein kurzfristiges Darlehen gewährt, das etwas niedriger ist als die Wechselsumme. Unter bestimmten Bedingungen kann der Wechselnehmer den Wechsel auch vor dem Verfallstag an ein Kreditinstitut verkaufen (diskontieren), die Wechselsumme wird nach Abzug von Zinsen, Provision und Spesen ausgezahlt. Die Weitergabe des Wechsels als Zahlungsmittel schließlich erfolgt durch Übertragungsvermerk auf der Rückseite des Wechselformulars (Indossament).

5.2.6 Zolldokumente Die Handelsrechnung (Commercial invoice) ist eine ordnungsgemäß ausgestellte Rechnung des Lieferanten als Beweisurkunde für die Vertragserfüllung bei Auslandsgeschäften. Sie dient meist als Grundlage zur Ausstellung weiterer Dokumente und enthält Angaben über Kennzeichnung der Verpackung und der Ware, Frachtund Versicherungskosten, Name und Anschrift von Lieferant und Abnehmer, Ausstellungsdatum, genaue Beschreibung der Ware (Art, Menge, Gewicht etc.), Preis je Einheit nach Rabatten, Gesamtpreis, Lieferungsbedingungen, Zahlungsbedingungen und rechtsverbindliche Unterschrift/Stempel. Sie ist auch ein wichtiges Dokument in Zusammenhang mit zoll- und devisenrechtlichen Bestimmungen im Außenhandel. Manche Länder verlangen eine Beglaubigung der IHK oder eine rechtsverbindlich unterzeichnete Erklärung der Lieferfirma, dass der Rechnungsbetrag mit den ordnungsgemäß geführten Büchern übereinstimmt und in welchem Land die Ware hergestellt worden ist. Oft wird auch ein Ursprungszeugnis verlangt. Die Konsulatsfaktura (Consular invoice) ist im Außenhandel die im Lieferland vom Konsulat des Abnehmerlands beglaubigte Beschreibung der zum Verkauf an den Besteller bestimmten Güter auf vorgegebenen Rechnungsformularen unter Angabe festgelegter, erforderlicher Daten und Vorlage der Einfuhrlizenz, der Handelsrechnung und des Konnossements. Die Konsulatsfaktura enthält die gleichen Angaben wie die Handelsrechnung, jedoch zusätzlich Angaben über das Ursprungsland und die Angemessenheit des Preises der Ware. Sie bildet die Grundlage für die Berechnung des Wertzolls. Das Konsulat des Bestimmungslands

5.2 Dokumente

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bestätigt auf einem besonderen Konsulatsvordruck, dass der berechnete Wert mit dem tatsächlichen Handelswert der Ware im Ausfuhrland übereinstimmt. Die Zollfaktura (Customs invoice) ist im Nicht-EU-Außenhandel eine vereinfachte Form der Konsulatsfaktura und gilt wie diese als Bemessungsgrundlage für den Wertzoll für Einfuhren in bestimmte Länder, in denen eine staatliche De­ visen- und Einfuhrkontrolle besteht. Die Zollfaktura ist ein Wert- und Ursprungszertifikat, das vor allem vor Manipulationen schützen soll. Der Bestätigungsvermerk kommt von der zuständigen IHK. Die Ausstellung erfolgt durch das Zollamt des Einfuhrlandes und muss vom Lieferanten unterzeichnet werden. Die Zollfaktura ist somit eine auf einem Formular der Zollbehörde des Einfuhrlandes mit den maßgeblichen Daten der Handelsrechnung, wie Angaben über die Ware und das Ursprungsland (dies erübrigt dann das Ursprungszeugnis) zu erstellende Rechnung. Der Lieferant hat darin eine vorgedruckte Erklärung zur Handelsüblichkeit des Preises und zum Ursprung der Waren abzugeben und bestätigt, dass der angegebene Warenwert dem tatsächlichen Verkehrswert in seinem Land entspricht. Die Proforma-Rechnung wird meist vor Geschäftsabschluss ausgestellt und ist identisch mit der späteren Handelsrechnung. Sie dient oftmals zur Beantragung von Einfuhrlizenzen und Devisenzuteilungen, zur Eröffnung von Importakkreditiven etc. Das Carnet TIR (Transport international de marchandise par la route) ist ein internationales Zollpapier, das die Beförderung von verplombtem Zollgut auf Lastkraftwagen unter Zollverschluss über eine oder mehrere Grenzen erlaubt. Die Fahrzeuge sind dementsprechend mit einem TIR-Schild gekennzeichnet. Das Cargo-Manifest ist als Zollpapier für den internationalen Luftverkehr bedeutsam.

5.2.7 Spezifikationsdokumente Spezifikationsdokumente belegen die Qualität oder Quantität von Waren. Die Packliste enthält die genaue Spezifizierung verpackter Waren hinsichtlich Art, Anzahl, Brutto- und Nettogewicht etc. Das Ursprungszeugnis (Certificate of origin) bescheinigt die Herkunft einer Ware und wird meist von der inländischen IHK oder von Wirtschaftsverbänden ausgestellt und beglaubigt, nicht jedoch vom Lieferanten. Es soll der Zollbehörde des Bestimmungslands die tatsächliche Herkunft nachweisen, z. B. um eine ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Zollvergünstigungen oder die Umgehung von Embargobestimmungen zu verhindern. In einfacher Form reicht auch ein Ursprungsvermerk in der Handelsrechnung. Die Warenverkehrsbescheinigung ist eine Erklärung des Lieferanten, dass die Ware entweder in einem EU-Land oder in einem mit der EU durch Assoziations-, Kooperations- oder Freihandelsabkommen verbundenen Land hergestellt worden oder in der EU zollamtlich zum freien Verkehr freigegeben ist.

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5. Die technische Auftragsbearbeitung

Ein vereinfachter Nachweis der Ursprungseigenschaft ist mit der Lieferanten­ erklärung möglich. Dies ist eine privatrechtliche Zusicherung, die eigenverantwortlich, also ohne Mitwirkung des Zolls, ausgestellt wird, um den Ursprung von Waren nachzuweisen. Das Gesundheitszeugnis ist bei der Einfuhr von Tieren und Pflanzen vor­ geschrieben und soll verhindern, dass Seuchen und ansteckende Krankheiten eingeschleppt werden. Das Inspektionszertifikat ist ein Zeugnis, das die gute Beschaffenheit der Ware kurz vor der Verladung bestätigt bzw. ein Ausweis, dass die verpackte Ware mit der Bestellung bzw. den Importbestimmungen übereinstimmt. Dies hat oft den Charakter eines nicht-tarifären Handelshemmnisses (als Schikane). Weitere Quantitäts- und Qualitätsdokumente sind Gewichtsbescheinigung, Analyse- und Abnahmezertifikat.

5.3 Lieferklauseln 5.3.1 Eigentumsübergang Zu den Lieferklauseln gehören Abrechnungs- und Abwicklungsklauseln sowie Lieferungsbedingungen. Diesen kommt eine große Bedeutung in Bezug auf die Nettoerlöse eines Auftrags zu. Abrechnungsklauseln stellen Kurzformeln zur Beschreibung der Preisbedingungen im Handelsverkehr zwischen Verkäufer und Käufer dar. Beispiele für Abrechnungsklauseln sind etwa folgende: •• freibleibend, d. h., der Kaufvertrag ist für beide Seiten bindend, der Kaufpreis wird jedoch nur mittelbar festgesetzt, der Verkäufer kann den Kaufpreis bis zum aktuellen Marktpreis bei Lieferung heraufsetzen, das Risiko der Preisentwicklung trägt also der Käufer, •• ändernd, d. h., der Verkäufer hat das Recht, vom Kaufvertrag gegen die Verpflichtung der Abgabe eines neuen Angebots zurück zu treten, •• vorbehaltend, d. h., der Verkäufer behält sich vor, bei Preisnachteil vom Vertrag zurückzutreten, er kann ein neues Angebot unterbreiten, das der Käufer aber ablehnen kann. Eine Preisschwankungsklausel bedeutet, dass der Käufer vom Vertrag zurücktreten kann, wenn er die Ware anderweitig günstiger einkaufen kann, der Ver­käufer kann vom Vertrag zurücktreten, wenn er die Ware anderweitig günstiger verkaufen kann. In Abwicklungsklauseln werden die Begleitumstände von Zeitpunkt sowie Art und Weise des Austauschs von Ware und Geld geregelt. Beim Geld vor Ware-Prinzip sind folgende Möglichkeiten denkbar:

5.3 Lieferklauseln

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•• Vorauszahlung (Cash before delivery), d. h., der Käufer zahlt bei Auftragserteilung oder zu einem festgesetzten Zeitpunkt vor Lieferung den vollen Kaufpreis, •• Anzahlung (Down payment), d. h., der Käufer zahlt bei Auftragserteilung oder zum festgesetzten Zeitpunkt vor Lieferung einen Teil des Kaufpreises, •• Zahlung gegen (offene) Rechnung (Clean payment), d. h., der Käufer zahlt gegen Vorlage der Rechnung netto Kasse, •• Zahlung gegen Lieferschein, d. h., der Käufer zahlt gegen Vorlage des Lieferscheins (losgelöst von der Ware), •• Zahlung gegen Verladepapiere, d. h., der Käufer zahlt gegen Übergabe der Dokumente, •• Zahlung per Nachnahme (Cash on delivery), d. h., Aushändigung der Ware an den Empfänger gegen Zahlung des Rechnungsbetrags. Beim Zug um Zug-Prinzip wird gelieferte Ware sofort bezahlt. Denkbar sind folgende Möglichkeiten: •• Zahlung gegen Frachtbrief-Duplikat, d. h., Zahlung mit Anspruch auf Herausgabe der Lieferung vom Spediteur auf Grund einer Zweitschrift des Frachtbriefs, •• Kassa gegen Dokumente, d. h., Aushändigung der Dokumente an den Käufer gegen Zahlung des Kaufpreises (die Dokumente variieren dabei je nach Lieferungsbedingungen, Versandart und Landesvorschriften, z. B. Zollfaktura bzw. Konsulatsfaktura, Versicherungsnachweis, Ursprungszeugnis), •• Dokumente gegen Akkreditiv, d. h., Übergabe der Dokumente an den Käufer gegen Sicherstellung des Kaufpreises durch Eröffnung eines Akkreditivs zu Gunsten des Verkäufers bei einer Bank, die den Kaufpreis an den Verkäufer bzw. dessen Bank erst gegen Übergabe entsprechender Dokumente auszahlt, •• Dokumente gegen Akzept, d. h., Aushändigung der Dokumente an den Käufer gegen Akzeptierung eines Wechsels als sichergestellter Kredit. Beim Ware vor Geld-Prinzip sind folgende Möglichkeiten gegeben: •• Zahlung nach Erhalt der Ware, d. h., die Waren- erfolgt zeitlich vor der Geldübergabe, aber ohne Zahlungsziel, sondern sofort, •• Zahlung für Ziel, d. h., als offener Buchkredit ohne Rechnungsdatum mit periodischer Sammelabrechnung, •• Zahlung auf Ziel, d. h., als zeitlich fixierter Lieferantenkredit (wobei frühzeitige Zahlung zum Skontoabzug berechtigt). Das Zahlungsziel kann als Datum oder als Frist ausgewiesen sein. Als Valuta kann Auslands-, Inlands- oder Drittwährung vereinbart werden.

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5. Die technische Auftragsbearbeitung

Ebenso von Bedeutung für den Nettopreis sind die Lieferungsbedingungen (Terms of delivery), die zwischen Lieferant und Abnehmer vereinbart werden. Hier können Abrechnungsklauseln (Beschreibung der Preisbedingungen), Abwicklungsklauseln (Begleitumstände des Austauschs von Ware gegen Geld) und Lieferklauseln (Übergang der Leistung) unterschieden werden. Typische Lieferklauseln sind etwa folgende: •• Frei Haus: Dabei trägt der Verkäufer alle Kosten bis zum Bestimmungsort der Lieferung. Der Käufer ist also von jeglichen Transport-, Lager-, Versicherungsund Organisationskosten freigestellt. •• Frachtfreie Lieferung (frei Abladestation): Hier trägt der Verkäufer alle Kosten zur Versandstation, die Kosten der Verladung und die Frachtkosten bis zur letzten Empfangsstation. Ab da trägt der Käufer Kosten und Gefahren. •• Frachtbasis: Dabei wird ein einheitlicher, auch fiktiver Übergabepunkt zugrunde gelegt, von dem ab die Transportkosten und -gefahren vom Verkäufer auf den Käufer übergehen. •• Frankogrenze: Dabei kalkuliert der Verkäufer pauschale Transportkosten in den Fabrikabgabepreis ein, unabhängig davon, wie hoch diese im Einzelfall sind. •• Zonenpreis: Dabei werden die Transportkosten ebenfalls pauschaliert, jedoch nach Entfernungszonen, meist konzentrisch um den Abgangsstandort ausgelegt, differenziert. •• frei Umladestation (unfrei): Hier übernimmt der Verkäufer alle Kosten bis zur Bereitstellung der Ware an der ersten Versandstation. Alle Kosten/Risiken, die zur Überbrückung bis zum Standort des Käufers anfallen, werden von diesem bezahlt. •• Ab Werk: Dabei wird die Ware vom Verkäufer an der Grenze seines Standorts („Werkstor“) bereit gestellt. Alle Kosten bis zum Standort des Käufers trägt dann dieser. Diese Vereinbarungen sind jedoch im Detail vielfach anfechtbar und müssen in jedem Einzelfall neu verhandelt werden. Daher kommen im grenzüberschreitenden Warenverkehr zumeist standardisierte Incoterms zur Anwendung.

5.3.2 Handelsbrauch Gerade im internationalen Handel kommt der vertraglichen Gestaltung der Geschäftsbeziehungen hohe Bedeutung zu, weil sich oftmals Partner gegenüber stehen, die an unterschiedliche nationale Regelungen gewöhnt sind. Zwar besteht grundsätzlich Vertragsfreiheit, im Streitfall existieren jedoch oftmals für spezielle

5.3 Lieferklauseln

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Vertragsinhalte keine Präzedenzfälle oder die Partner interpretieren die Inhalte abweichend. Für gewöhnlich haben die Vertragspartner entgegen gesetzte Interessen, so dass die Regelung, welche der Klauseln zum Einsatz kommt, von der Machtverteilung zwischen ihnen abhängig ist, oder von der Zweckmäßigkeit. Aus Tradition sind daher kaufmännische Verkehrssitten entstanden, die, meist ohne schriftlich fixiert zu sein, in einer Branche dennoch bindende Wirkung unter ehrbaren Kaufleuten haben. Sie vereinfachen Geschäftsabschlüsse und schaffen Rechtssicherheit. An die Stelle eines fehlenden (internationalen) Privatrechts tritt somit der von berufenen Organen wie Börsen oder Handelskammern festgestellte und veröffentlichte Handelsbrauch, welcher die allgemein anerkannten Usancen der (Außen-)Handelspraxis festlegt und der als verbindliche Willenserklärung von Gerichten anerkannt wird. Da an jedem Ausfuhrort andere Handelsbräuche üblich sind, ist es von großer Bedeutung, gleiche Bedingungen zugrunde zu legen. Um Missverständnissen vorzubeugen, die trotz gleicher Bezeichnung orts- bzw. landesbedingt entstehen können, empfiehlt es sich, Lieferklauseln gemäß den internationalen Regeln für die Auslegung der handelsüblichen Vertragsformeln als rechtsverbindliche Fassung zu vereinbaren. Diese Incoterms stellen allerdings kein allgemein gültiges Recht dar, sondern erlangen erst durch ausdrückliche Bezugnahme im Kaufvertrag Rechtsgültigkeit. Sie regeln die Lieferpflicht des Verkäufers und die Abnahme- und Zahlungspflicht des Käufers, incl. der Nebenpflichten (wie Versicherung, Dokumente etc.), die Kostenzurechnung (etwa für Zoll, Verpackung, Qualitätsprüfung etc.) sowie die Gefahr- und Risikotragung der Partner. Davon hängt ab, in welchem Ausmaß Leistungen im Rechnungspreis enthalten sind (Kostenübergang) und wann das Risiko für Beschädigung der Ware oder Verlust auf den Empfänger übergeht (Gefahrenübergang). Aufgabe der Incoterms ist es, eine verbindliche und klare Aufteilung von Transportkosten (Kostenübergang), Transportrisiko (Risikoübergang) und Sorgfaltspflicht (Geschäftsabwicklung) zwischen Lieferant und Abnehmer zu erreichen. Nicht geregelt werden hingegen Eigentumsübergang, Mängelrügen, Zahlungs­ bedingungen und Gerichtsstand. Incoterms regeln auf der Verkäuferseite die Lieferung vertragsgemäßer Waren, Lizenzen, Genehmigungen und Formalitäten, den Beförderungs- und Versicherungsvertrag, Gefahrenübergang, Kostenteilung, die Benachrichtigung des Käufers, Liefernachweis, Transportdokument oder entsprechende elektronische Mitteilung, die Prüfung, Verpackung, Kennzeichnung sowie sonstige Verpflichtungen. Sie regeln auf Käuferseite entsprechend die Zahlung des Kaufpreises, Lizenzen, Genehmigungen und Formalitäten, den Beförderungsvertrag, Annahme, Gefahrenübergang, Kostenteilung, die Benachrichtigung des Verkäufers, Liefernachweis, Transportdokument oder entsprechende elektronische Mitteilung, Prüfung der Ware sowie sonstige Verpflichtungen.

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5. Die technische Auftragsbearbeitung

Solche Klauseln entstammen der Praxis und sind als Internationale Handelsbräuche (International trade usages) standardisiert. Weil solche Regeln in Verträgen angewendet werden, ohne sie näher zu erläutern, und weil unter Kaufleuten u. U. Schweigen Zustimmung ist, ist es wichtig, sich über die Bedeutung dieser Incoterms im klaren zu sein. Evtl. ist es sinnvoll, die Incoterms zu variieren, zu kürzen oder zu ergänzen, was im Rahmen der Vertragsfreiheit jederzeit möglich ist. Damit wächst allerdings auch wieder die Rechtsunsicherheit. Bei Auslegungs­ problemen bieten sich dennoch ein Schiedsverfahren (oft bei der ICC) oder eine Wirtschaftsmediation an.

5.3.3 Formen der Incoterms Bei den Einpunktklauseln der Incoterms gehen Kosten und Gefahren in einem gemeinsamen Punkt über. Dazu gehören Ex works (EXW), Free carrier (FCA), Free alongside ship (FAS), Free on board (FOB), Delivered at terminal (DAT), ­Delivered at place (DAP), Delivered duty paid (DDP). Bei den Zweipunktklauseln der Incoterms fällt der Übergang von Kosten und Gefahren raum-zeitlich auseinander. Dazu gehören Cost and freight (CFR), Cost, insurance and freight (CIF), Carriage paid to (CPT) und Carriage and insurance paid to (CIP). Es gibt 11 verschiedene Lieferklauseln. Dabei nehmen die Pflichten des Ver­ käufers fortschreitend zu und die des Käufers entsprechend ab. Alle Klauseln werden durch drei Buchstaben bezeichnet, sie lassen sich in vier Klassen ein­ teilen. Aus der Sicht des Verkäufers ist die E-Klausel (EXW) die günstigste, da er die Ware lediglich auf seinem Gelände zur Verfügung stellen muss (Abhol­ klausel). Bei den drei F-Klauseln (FCA, FAS, FOB) muss der Verkäufer die Ware dem vom Käufer bestimmten Frachtführer übergeben, d. h., der Haupttransport ist vom Käufer zu bezahlen. Bei den vier C-Klauseln (CFR, CIF, CPT, CIP) muss der Verkäufer den Be­ förderungsvertrag (Haupttransport) auf eigene Kosten abschließen. Allerdings geht die Gefahr mit der Übergabe an den Frachtführer auf den Käufer über, Kosten- und Gefahrenübergang erfolgen dabei nicht am selbem Ort (Zweipunkt­ klausel). Bei den drei D-Klauseln (DAP, DAT, DDP) muss der Verkäufer alle Kosten und Risiken bis zum Bestimmungsort tragen (Ankunftsklauseln). Sieben Klauseln können für alle Transportarten angewendet werden (EXW, FCA, CPT, CIP, DDP, DAP, DAT). Speziell nur für den (See- oder Binnen-) Schiffstransport sind FAS, FOB, CFR, CIF vorgesehen. Für den Luft- und Eisenbahntransport bieten sich FCA und DAT an.

5.3 Lieferklauseln

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Die Incoterms sind branchen- und länderunabhängig. Oft finden sich aber branchenspezifische Modifikationen. Sofern vertraglich nicht anders vereinbart, gilt immer die neueste Fassung der Incoterms in der englischen Originalversion.

5.3.4 E-Klausel der Incoterms Bei Vereinbarung von Ex works (EXW/ab Werk) hat der Verkäufer dem Käufer die Ware zum vereinbarten Zeitpunkt oder innerhalb der vereinbarten Frist auf seinem Gelände (Werk, Lager etc.) transportgerecht verpackt zur Verfügung zu stellen und den Käufer zu benachrichtigen. Der trägt die Gefahren des Verlusts oder der Beschädigung der Ware sowie alle Kosten, bis die Ware dem Käufer in der genannten Weise zur Verfügung gestellt worden ist. Der Verkäufer trägt die Kosten für Bereitstellung und Kennzeichnung auf seinem Grundstück. Der Gefahrenübergang erfolgt, wenn die Ware auf dem Grundstück zur Verfügung gestellt wird. Der Verkäufer übernimmt die transportgerechte Verpackung der Ware. Der Kostenübergang ist identisch mit dem Gefahrenübergang. Der Verkäufer muss die Ware nicht auf das Transportmittel des Kunden verladen. Die Kosten einer Qualitätsprüfung der Ware trägt der Käufer. Der Verkäufer trägt die Gefahr bis zur ordnungsgemäßen Zurverfügungstellung der Ware am richtigen Ort und in der richtigen Zeit. Der Verkäufer kann dem Käufer bei der Beschaffung der Exportdokumente behilflich sein, allerdings geschieht dies zu Kosten und auf Risiko des Käufers. Der Verkäufer stellt die Handelsrechnung aus. Der Käufer muss die Ware vertragsgemäß oder in der üblichen Zeit abholen. Der Verkäufer muss den Käufer über Ort und Zeit der Abnahme informieren.

5.3.5 F-Klauseln der Incoterms Die Klausel Free carrier (FCA/frei Frachtführer) wird bei Abfertigung im kombinierten Verkehr angewendet (Güterbahnhof, Flughafen, Seehafen, Filiale etc.). Der Verkäufer übergibt auf seine Kosten und Gefahr die Sendung dem Fracht­ führer am Abgangsort. Der Gefahrenübergang erfolgt bei Übergabe an diesen Frachtführer. Der Verkäufer hat die Ware also zum vereinbarten Zeitpunkt oder innerhalb der vereinbarten Frist dem vom Käufer benannten Frachtführer am benannten Ort oder an der benannten Stelle zu übergeben. Der Käufer trägt die Gefahren des Verlusts oder der Beschädigung der Ware sowie alle anfallenden Kosten von dem Zeitpunkt an, in dem die Ware dem Frachtführer übergeben worden ist. Die Klausel kann für jede Beförderungsart, auch multimodalen Transport, verwendet werden. Findet die Lieferung beim Verkäufer statt, ist er für die Verladung verantwortlich, ansonsten ist dafür der Käufer zuständig. Der Verkäufer trägt die Transport-

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kosten bis zur Übergabe an den Frachtführer sowie die Versicherungskosten bis zur Übergabe. Der Verkäufer trägt die Kosten der Beschaffung der Ausfuhrbewilligung und der Zollpapiere. Die Gefahr geht mit der Übergabe der Ware auf den Käufer über. Der Verkäufer beschafft die Ausfuhrbewilligung und Zollpapiere. Er benachrichtigt den Käufer nach erfolgter Übergabe der Ware an den Frachtführer. Der Käufer beschafft die Konnossemente oder lässt sie auf seine Kosten beschaffen. Der Verkäufer beschafft den Liefernachweis. Bei Free alongside ship (FAS/frei Längsseite Seeschiff) hat der Verkäufer die Sendung rechtzeitig, also zum vereinbarten Zeitpunkt oder innerhalb der ver­ einbarten Frist, im vereinbarten Verschiffungshafen längsseits des Schiffs auf seine Kosten und Gefahren zu liefern. Der Käufer hat den Schiffsraum zu buchen und den Verkäufer darüber zu benachrichtigen. Einschließlich Schiffsverladung trägt der Käufer alle weiteren Kosten und Risiken. Kostenübergang ist bei Bereitstellung am benannten Kai im Verschiffungshafen. Gefahrenübergang ist bei Ablage der Ware längsseits des Seeschiffs (daher nicht für andere Transportmittel an­ wendbar). Der Verkäufer trägt die Kosten der Ausfuhrbewilligung und der Zolldokumente. Er trägt die Transport- und Versicherungskosten bis Längsseite des Schiffes. Ebenso trägt er die Kai-Gebühren. Die Kosten der Schiffsverladung gehen hingegen zu Lasten des Käufers. Der Verkäufer hat den Käufer von der Längsseits­ lieferung zu informieren. Der Käufer muss vorher den Namen des Schiffes, den Ladeplatz und die Lieferzeit dem Verkäufer mitteilen. Der Verkäufer bringt Dokumente zum Nachweis der Lieferung bei. Bei Free on board (FOB/frei an Bord) hat der Verkäufer die Ware ordnungs­ gemäß verpackt und fristgerecht an Bord des vom Käufer benannten Schiffs rechtzeitig vor dem angegebenen Abfahrtstermin (zum vereinbarten Zeitpunkt oder innerhalb der vereinbarten Frist) an Bord des Schiffes im benannten Verschiffungshafen zu bringen. Der Verkäufer trägt die Gefahren des Verlusts oder der Beschädigung der Ware sowie alle Kosten zur Verladung an Bord im Verschiffungshafen bei Überschreiten der Schiffsreling. Er hat den Abnehmer von der Verladung unverzüglich zu benachrichtigen, ein reines Versanddokument über den Nachweis der Anbordnahme (Mate’s receipt) sowie die erforderlichen Ausfuhrdokumente zu beschaffen und auf Kosten und Risiko des Käufers ein reines Bordkonnossement sowie auf Verlangen des Käufers ein Ursprungszeugnis, eine Konsulats­faktura und sonstige Dokumente für die Einfuhr bereitzustellen. Der Käufer besorgt den Schiffsraum auf eigene Kosten und benachrichtigt den Verkäufer rechtzeitig über Schiffsnamen, Ladeplatz und Ladezeit. Der Käufer trägt alle anfallenden Kosten und Gefahren für den Verlust oder die Beschädigung der Ware ab dem Zeitpunkt, ab dem die Sendung die Reling des Schiffs im benannten Verschiffungshaften überquert hat, sowie alle Kosten und Risiken aus der Verspätung des Schiffes oder aus der nicht rechtzeitigen Benennung von Ladeplatz, Ladezeit oder Schiff. Er hat die Ware vertragsgemäß zu bezahlen und alle Kosten für die in

5.3 Lieferklauseln

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s­einem Auftrag beschafften Dokumente und das Bordkonnossement zu tragen. Problematisch ist dabei, dass die Schiffsreling häufig keine praktische Bedeutung mehr hat (z. B. RoRo- oder Containertransport). Der Verkäufer muss die Schiffsverladung organisieren. Der Käufer hat auf eigene Kosten und Gefahr einen Beförderungsvertrag mit einem Reeder abzuschließen.

5.3.6 C-Klauseln der Incoterms Bei Cost and freight (CFR) umfasst der Angebotspreis neben den Kosten bis zur Verladung im Verschiffungshafen auch die Seefracht bis zum Bestimmungs­ hafen. Der Verkäufer muss zwar den erforderlichen Schiffsraum beschaffen, hat die Ware zum vereinbarten Zeitpunkt oder innerhalb der vereinbarten Frist an Bord des Schiffes im Verschiffungshafen zu liefern. Er trägt die Gefahren des Verlusts oder der Beschädigung der Ware sowie alle Kosten, bis die Ware die Schiffsreling im Verschiffungshafen überschritten hat. Außerdem zahlt er die Fracht zum benannten Bestimmungshafen. Der Käufer trägt die Gefahren des Verlusts oder der Beschädigung der Waren sowie alle Kosten (außer der Fracht) von dem Zeitpunkt an, in dem die Ware die Schiffsreling im benannten Verschiffungshafen überschritten hat. Problematisch ist dabei wiederum, dass die Schiffsreling häufig keine praktische Bedeutung mehr hat (z. B. RoRo- oder Containertransport). Der Verkäufer muss einen Beförderungsvertrag mit einem Reeder über die Beförderung der Ware bis zum Bestimmungshafen abschließen. Der Käufer schließt einen Ver­ sicherungsvertrag für den Transport der Ware vom Verladehafen bis zum Bestimmungsort ab. Bei Cost, insurance and freight (CIF) hat der Verkäufer die Ware zum ver­ einbarten Zeitpunkt oder innerhalb der vereinbarten Frist an Bord des Schiffes im Verschiffungshafen zu liefern. Er trägt die Gefahren des Verlusts oder der Be­ schädigung der Ware sowie alle Kosten, bis die Ware die Schiffsreling im Verschiffungshafen überschritten hat. Außerdem zahlt er die Fracht zum benannten Bestimmungshafen und die Prämie einer Seetransportversicherung auf Grundlage der F. P. A.-Klausel gegen die vom Käufer zu tragende Gefahr des Verlusts oder der Beschädigung der Ware während des Transports. Wenn nicht anders vereinbart, ist der Verkäufer nur verpflichtet, eine Mindestversicherung abzuschließen, die den Kaufpreis (CIF-Wert) plus 10 % fiktivem Gewinnentgang deckt und auf die Währung des Kaufvertrags lautet. Der Käufer muss lediglich die Kosten für das Löschen der Sendung sowie die weiteren Übernahme- und Transportkosten im Importland incl. Zoll und sonstiger Abgaben bezahlen. Der Lieferant hat die Ware also ordnungsgemäß verpackt, fristgerecht auf das Seeschiff im Verschiffungshafen zu verladen, er hat den Abnehmer von der Verladung unverzüglich zu benachrichtigen, den Seefrachtvertrag abzuschließen und ein reines, begebbares Bordkonnossement mit dem Frachtvermerk „bezahlt“ (paid) zu beschaffen. Der Käufer hat auf eigene Kosten alle Genehmigungen und Unterlagen für die Ausfuhr zu be-

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schaffen und alle Kosten für Prüfungen zu tragen und dem Abnehmer auf dessen Verlangen und Kosten weitere Transportrisiken zu versichern sowie ein Ursprungszeugnis, eine Konsulatsfaktura oder andere Dokumente zu beschaffen, die für die Einfuhr benötigt werden. Soweit die Löschkosten im Bestimmungshafen in der Fracht nicht enthalten sind, hat sie der Käufer zu tragen (außer bei CIF landed). Der Gefahrenübergang erfolgt bei Überschreiten der Schiffsreling. Problematisch ist dabei, dass die Schiffsreling häufig keine praktische Bedeutung mehr hat (z. B. RoRo- oder Containertransport). Der Käufer hat die Dokumente aufzunehmen und den vertragsgemäßen Preis zu zahlen. Bei Carriage paid to (Abkürzung CPT) hat der Verkäufer die Ware zum ver­ einbarten Zeitpunkt oder innerhalb der vereinbarten Frist dem ersten Frachtführer zu übergeben. Er zahlt die Fracht bis zum Bestimmungsort, trägt aber die Gefahren des Verlusts oder der Beschädigung der Ware nur bis zur Übergabe der Ware an den Frachtführer. Der Käufer übernimmt alle während des Transports anfallenden Kosten, außer der Fracht. Die Klausel kann für jede Beförderungsart, auch multimodalen Transport, verwendet werden. Der Verkäufer trägt die Kosten der Verpackung sowie die Transportkosten bis zum benannten Bestimmungsort. Der Verkäufer trägt auch die Kosten der Ausfuhrbewilligung und der Zollformalitäten. Bei Vereinbarung von Carriage and insurance paid to (CIP) hat der Verkäufer die Ware zum vereinbarten Zeitpunkt oder innerhalb der vereinbarten Frist dem ersten Frachtführer zu übergeben. Er zahlt die Fracht bis zum Bestimmungsort, trägt aber die Gefahren des Verlusts oder der Beschädigung der Ware nur bis zur Übergabe der Ware an den Frachtführer. Zusätzlich ist von ihm noch die Transportversicherung gegen die vom Käufer zu tragende Gefahr des Verlusts oder der Beschädigung der Ware während des Transports abzuschließen und die Versicherungsprämie dafür zu zahlen. Wenn nicht anders vereinbart, ist der Verkäufer nur verpflichtet, eine Mindestversicherung abzuschließen, die den Kaufpreis plus 10 % fiktivem Gewinnentgang deckt und auf die Währung des Kaufvertrags lautet. Die Klausel kann für jede Beförderungsart, auch multimodalen Transport, verwendet werden. Der Verkäufer muss die Versicherungspapiere bis zum Bestimmungsort beschaffen.

5.3.7 D-Klauseln der Incoterms Bei Delivered at terminal (DAT/Geliefert Terminal) gilt die Ware als geliefert, sobald sie vom ankommenden Beförderungsmittel entladen und dem Käufer an einem näher zu benennenden Terminal im Bestimmungshafen bzw. -ort zur Verfügung gestellt wird. Die Klausel gilt als Allgemeinklausel für jede Transportart. Sämtliche mit der Beförderung der Ware zusammenhängenden Gefahren zum bestimmten Terminal und der dortigen Entladung werden vom Verkäufer getragen. „Terminal“ kann jeder Ort sein, unabhängig davon, ob überdacht oder nicht, wie z. B. ein Kai, eine Lagerhalle, ein Containerdepot oder ein Straßen-, Schienen-

5.3 Lieferklauseln

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Abbildung 67: Progressives Kalkulationsschema im Außenhandel

oder Luftfrachtterminal. Diese Klausel eignet sich auch, wenn mehrere Transportmittel innerhalb eines Warentransports zum Einsatz kommen. Bei Delivered at point (DAP/Geliefert benannter Ort) gilt die Ware durch den Verkäufer als geliefert, sobald sie dem Käufer auf dem ankommenden Beförderungs­ mittel an dem näher zu benennenden Bestimmungsort zur Verfügung gestellt wird. Alle Gefahren, die im Zusammenhang mit der Beförderung zum benannten Ort stehen, werden vom Verkäufer getragen. Diese Klausel eignet sich insb. dann, wenn mehrere Transportmittel innerhalb eines Warentransports zum Einsatz kommen. Bei Delivered duty paid (DDP/geliefert verzollt) hat der Verkäufer dem Käufer die Ware zum vereinbarten Zeitpunkt oder innerhalb der vereinbarten Frist am benannten Ort im Einfuhrland zur Verfügung zu stellen. Er trägt die Gefahren des Verlusts oder der Beschädigung der Ware sowie alle Kosten, bis die Ware dem

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5. Die technische Auftragsbearbeitung

Käufer in der genannten Weise zur Verfügung gestellt worden ist. Zusätzlich hat er auch die bei der Einfuhr anfallenden Zölle, Steuern und andere Abgaben zu übernehmen. Diese Klausel ist für jede Transportart geeignet. Der Verkäufer trägt die Einfuhrkosten (Zölle, Steuern, Papiere etc.) und muss die Einfuhrformalitäten erledigen. Beim Seetransport von Containern gelten besondere Bestimmungen. Bei FCLFCL (Full container load) packt der Absender den Container, und erst beim Empfänger wird der entladen. Bei LCL – LCL (Less than container load) wird der Container im Abgangshafen gepackt, weil nur Sendungen mehrerer Absender einen kompletten Container füllen, und im Bestimmungshafen entladen. Bei FCL – LCL packt der Absender den Container und lässt ihn bis zum Bestimmungshafen befördern, dort erfolgt die Verteilung der Einzelsendungen an die verschiedenen Empfänger. Und bei LCL – FCL wird der Container im Abgangshafen gepackt und erst beim Empfänger entladen.

Abbildung 68: Retrogrades Kalkulationsschema im Außenhandel

5.4 Logistisches Distributionssystem

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5.4 Logistisches Distributionssystem 5.4.1 Bedeutung der Marketinglogistik Logistische Prozesse beschäftigen sich allgemein mit Vorgängen des Transports, der Speicherung und der Handhabung von Gütern, Lebewesen, Informationen und Energien. In logistischen Prozessen werden Objekte von einem Anfangsin einen Endzustand transformiert, wobei sich mindestens eine der Systemgrößen Zeit, Ort, Menge, Klasse ändert, ohne dass die Objekte dabei eine unerwünschte Änderung ihrer Eigenschaften erfahren. Logistik umfasst alle Tätigkeiten, in denen solche logistischen Prozesse untersucht, geplant, realisiert, betrieben und optimiert werden. Ziele sind dabei eine niedrige Kapitalbindung, niedrige Beschaffungskosten, vor allem aber die Bereitstellung der richtigen Menge der richtigen Warenart im richtigen Zustand am richtigen Ort zur richtigen Zeit, und das zu minimalen Kosten. Logistik grenzt sich deutlich gegenüber der Absatzmethode ab, denn sie umfasst ausschließlich den körperlichen Umschlag von Waren, nicht aber den damit verbundenen Geldmittel- und Informationsstrom. Von daher ist es auch korrekt, Logistik mit physischer Distribution gleichzusetzen, einem Begriff, der aus dem Militärwesen stammt, dort wiederum aus der Nachschubtechnik. Logistik wird auch im Zeitalter des e-Commerce weiterhin an Bedeutung gewinnen, weil hinter jedem elektronischen Bestellvorgang ein physischer Liefervorgang steckt (sofern es sich nicht um digitale Produkte handelt). Bei weiter steigendem internationalen Marktdruck ist die Lieferfähigkeit zu einem wichtigen Wettbewerbsparameter geworden. Zudem müssen immer mehr Waren (= Proliferation der Programme) über immer weitere Entfernungen (= Globalisierung der Märkte) verbracht werden. Hinzu kommen differenzierte Kundenwünsche mit kleineren, aber häufigeren Bestellungen sowie systemübergreifende Aufgaben in der Supply chain. Dadurch ist Logistik von einer eher routinisierten Hilfsaufgabe zu einer Kernfunktion für die Nachfragestimulierung und Wettbewerbsprofilierung geworden. Denn der Absatzerfolg ist ganz entscheidend von der tatsächlichen Präsenz der Ware abhängig. Schließlich garantiert erst die physische Produktdistribution die materielle Verfügbarkeit von Waren am Ort des Verkaufs und zur Zeit gewünschter Bedarfsdeckung. Da jegliche Produktionsund Konsumptionsvorgänge von Betrieben und Haushalten unter diesem RaumZeit-Aspekt ablaufen, bestimmt das logistische System letztlich den Umfang der Kontaktaufnahme der Unternehmen mit ihren Absatzmärkten. Dadurch wird der Aktivitätenrahmen begrenzt. Die physische Distribution von Waren ist zudem Voraussetzung für deren Honorierbarkeit am Markt und damit mitbestimmend für die Unternehmensexistenz. Denn es ist leicht einsehbar, dass, selbst bei medialen Formen der Kontaktaufnahme, nur ein solches Angebot abgesetzt werden kann, das physisch überhaupt vorhanden ist, und zwar genau dann und genau dort, wenn bzw. wo Bedarf entsteht und kaufwirksam wird. Mit der Logistik werden also alle Bewegungs- und Lagerungsvorgänge gestaltet, gesteuert oder kontrolliert, die

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5. Die technische Auftragsbearbeitung

Zeit und Raum optimal überbrücken sollen. Dazu gehört neben der Distributions­ logistik (Physical distribution) die Versorgungslogistik (Physical supply) für zu beschaffende Waren und die innerbetriebliche Logistik in der Lager- und Transportwirtschaft (Throughput). Der Lieferservice setzt sich aus den Komponenten der (kurzen) Lieferzeit, der (großen) Lieferzuverlässigkeit, der (hohen) Lieferflexibilität, der (steten) Lieferbereitschaft und der (exakten) Lieferbeschaffenheit zusammen.

Abbildung 69: Zentrale Anforderungen an die Logistik

Die Lieferprozesszeit ist definiert als die Zeitspanne der gesamten Auftrags­ abwicklung, und zwar vom Zeitpunkt der Auftragserteilung an gerechnet bis zum Eintreffen der Ware am Bestimmungsort. Die Lieferzeit setzt sich zusammen aus den Zeiten für die Übermittlung des Auftrags vom Kunden an den Lieferanten, für die Auftragsbearbeitung, die Zusammenstellung/Kommissionierung, die Warenverpackung und -verladung, den Transport zum und die Einlagerung beim Kunden. Dies entspricht der Beschaffungszeit der Kunden. Eine Verringerung der Lieferzeit bedeutet also eine Senkung des durchschnittlichen Lagerbestands, damit eine Reduktion der Kapitalbindung. Das dadurch freizusetzende Kapital schafft einen Wettbewerbsvorteil. Die höhere Umschlaggeschwindigkeit führt c. p. zu einer Absatzsteigerung beim Lieferanten. Die Lieferzuverlässigkeit stellt sicher, dass es sich bei einer Lieferung nicht um irgendwelche, sondern genau um die gewünschten Produkte handelt. Sie beschreibt die Fähigkeit zur Ausführung der Bestellung direkt ab Lager. Dies drückt aus, in welchem Umfang die tatsächlich auftretende Nachfrage während der Wiederbeschaffungszeit vom Lager aus befriedigt werden kann. Eine Quantifizierung ist durch Termintreue- bzw. Lieferbereitschafts-Kennziffern möglich. Die Lieferzuverlässigkeit wirkt akquisitorisch, jedoch auch kostentreibend beim Lieferanten, da dafür ein höherer Sicherheitsbestand erforderlich ist. Eine Lieferflexibilität ergibt sich durch die Fähigkeit zur Berücksichtigung von Änderungen oder Sonderwünschen seitens der Abnehmer beim Lieferanten. Sie

5.4 Logistisches Distributionssystem

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betrifft die Modalitäten der Auftragserteilung (z. B. Lieferklauseln, Mindestabnahmemenge, Art der Auftragsübermittlung, Zeitpunkt der Auftragserteilung, Rabattpolitik), die Information des Kunden (über Auftragsbearbeitungsstand, Liefer­ termin, zu erwartende Verzögerungen, Bearbeitung von Beschwerden etc.) und die Kompatibilität der Logistiksysteme zwischen der Absatzlogistik des Lieferanten und der Beschaffungslogistik des Kunden. Die Lieferbereitschaft ist die Sicherheit der unmittelbaren Verfügbarkeit gewünschter Waren ab Lager, wobei der subjektiv vom Markt verlangte Sicherheitsgrad u. a. abhängig ist von der Substituierbarkeit der Ware, von der Länge des Produktlebenszyklusses, den Nachfrageschwankungen der Ware, vom monopolistischen Aktionsspielraum des Anbieters, von der Kundenstruktur etc. Die Lieferbeschaffenheit stellt den Grad der Einhaltung aller bei Geschäfts­ abschluss vereinbarten Konditionen im Vergleich zu den tatsächlich bereitgestellten Waren dar. Sie ergibt sich aus der Liefergenauigkeit und dem einwandfreien Zustand der gelieferten Produkte. Ersteres meint die Lieferung in der von Kunden bestellten Art und Menge, Letzteres die Qualität der Lieferung. Dabei gibt es einen grundsätzlichen Zielkonflikt zwischen Serviceniveau als Output des Logistiksystems und Serviceaufwand als dessen Input. Dies erfordert eine Servicedifferenzierung nach Kundenmerkmalen, wobei kostenrechnerische (Vollkostendeckung) oder akquisitorische Aspekte (Kundengewinnung) im Vordergrund stehen können. Da das Logistiksystem umso effizienter arbeitet, je günstiger die Relation von generiertem Lieferservice zu dadurch verursachten Kosten ist, wird das Optimum dort erreicht, wo jede Erhöhung des Serviceniveaus in ihrem akquisitorischen Nutzen für den Anbieter durch eine Logistikkostenerhöhung überkompensiert wird bzw. jede Logistikkostensenkung zu einer Serviceniveausenkung führt, die einen vergleichsweise größeren Nutzenentgang für Nachfrager bedeutet. Eine Erfolgskontrolle ist daher auch immer zweiseitig anzulegen, umfasst also einerseits Kostenkontrolle und andererseits Leistungskontrolle. Sinnvoll ist eine nach Kundengruppen individuelle Segmentierung, wobei jedes Kundensegment nicht besser als aus dessen Sicht mindestens notwendig bedient werden soll, da einmal gewährte Serviceleistungen nur schwer wieder rückgängig gemacht werden können. Allenfalls ist eine Kompensation durch andere Zugeständnisse denkbar, die ihrerseits auch wieder kostenträchtig sind. Außerdem sollen Steigerungsmöglichkeiten offen bleiben, ohne gleich aus der Rentabilitätszone abzusinken. Die Logistikkosten ergeben sich als der bewertete Verzehr an Gütern und Diensten zur betrieblichen Warenverteilung, evtl. unter Zuschlag von Opportunitätskosten für logistikbedingten Auftragsentgang.

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5. Die technische Auftragsbearbeitung

5.4.2 Technik der Logistik 5.4.2.1 Beschaffung Die Beschaffung umfasst die Beschaffungsquelleninformation über Produkt, Markt, Lieferanten, Preis etc. aus der Beschaffungsmarktforschung. Die Bestellhäufigkeit erfolgt entweder nach Bestellzeitpunkt- (bei Meldebestand) oder Bestellrhythmusverfahren (nach festen Terminen). Die Preisplanung berücksichtigt Beschaffungspreis, Bezugskosten, Einstandspreis, Preisvergleich, Rabatte nach Menge, Zeit, Funktion und Skonto. Die Mengenplanung berücksichtigt Lieferbereitschaft und Fehlmengenkosten. Dabei lässt sich die optimale Bestellmenge ermitteln. Die Beschaffung erfolgt als Einzelbeschaffung auf Bestellung oder als Vorratsbeschaffung auf Lager. Die Beschaffungswege sind direkt oder indirekt über Beschaffungsmittler/-helfer. Die Beschaffungsorganisation erfolgt zentral über die Einkaufsabteilung oder dezentral über Funktionsabteilungen. Dabei sind Kooperationen in der Beschaffung möglich (Einkaufsvereinigung, freiwillige Kette etc.). Die Abwicklung erfolgt nach Bedarfsfeststellung und Lieferantensuche über Angebotseinholung und -abgabe durch Lieferanten. Diese enthält Angaben zu Preis, Rabatt, Skonto, Mindermengenzuschlag, Verpackung, Zahlungs-/Lieferungsbedingungen, Erfüllungsort. etc. Das Angebot kann bindend, befristet, unbefristet oder freibleibend sein. Darauf folgt die Angebotsbewertung und dann die eigentliche Auftragsvergabe (Bestellung). Beim zugrunde liegenden Kaufvertrag kann es sich um ein Spezifikations-, Gattungs- oder Fixgeschäft handeln, sowie um einen Werk- oder Werklieferungsvertrag. Nach der Art der beschafften Waren handelt es sich um Roh-, Hilfs- oder Betriebsstoffe, unfertige (Teile) oder fertige Erzeugnisse (Handelsware). Dabei stellt sich die Entscheidung über Eigenfertigung oder Fremdbezug. Die Beschaffungskosten beinhalten in Bezug auf die Bestellmenge variable und fixe Bestellkosten (Letztere sind variabel in Bezug auf die Bestellanzahl) sowie variable Anlieferungskosten in Bezug auf die Anlieferungszahl. 5.4.2.2 Eingangslogistik Aufgabe ist hier die Erfassung aller Lagerbewegungen, die Buchung der einund ausgehenden Waren nach Art und Menge und die Fortschreibung des Lagerbestands. Dabei erfolgen die Warenprüfung (Beleg-, Mengen-, Zeit-, Qualitätsprüfung) und die Rechnungsprüfung (sachlich, rechnerisch, preislich). Die Einlagerung erfolgt nach dem Freiplatzsystem mit Lagerplatznummer oder nach dem Festplatzsystem in geschlossenen, halboffenen, offenen und Hoch-Regalen. Lagerarbeiten

5.4 Logistisches Distributionssystem

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betreffen die Manipulation und Kommissionierung von Waren. Man unterscheidet dazu Zentral- und Dezentrallager, Fremd-, Konsignations-, Eigen- und Gemeinschaftsläger, Reserve-, Sammel-, Verteilungs-, Manipulations-, Umschlags-, Spekulations- und schließlich Normallager. Für den Lagerbestand ist zum Ende des Geschäftsjahres eine Inventur als Aufstellung über Vermögen und Schulden durch Messen, Zählen, Wiegen erforderlich (bzw. nach elektronischer Warenerfassung). Das Ergebnis ist das Inventar. Die Bestandsbewertung erfolgt als Einzel- oder Sammelbewertung nach dem Niederstwertprinzip (HGB). Unter Umständen sind dafür FiFo (First in – first out, d. h. es wird unterstellt, dass in der Abrechnungsperiode die zuerst eingegangenen Waren verbraucht wurden), LiFo (Last in – first out) und HiFo (Highest in – first out) nach Handels- bzw. Steuerrecht zulässig. Wichtige Einflussgröße auf die Lagerbestandsplanung sind die Fehlmengenkosten. Sie umfassen zusätzliche Kosten für Eillieferungen, Konventionalstrafen, Stillstandskosten, Einsatz höherwertigerer Güter etc., Erlösschmälerungen wegen entfallender Preisnachlässe, Opportunitätskosten durch entgangene Deckungsbeiträge bei Einschränkung der Geschäftstätigkeit in Abhängigkeit von Fehlmengen, die nicht nachgeliefert werden können und Fehlmengen, die als Auftrag verloren gehen. Eine Bestandssenkung kommt hier einer hohen Umsatzsteigerung gleich. Lagerkennzahlen umfassen Mindestbestand, Meldebestand, durchschnittlichen Bestand, Umschlagshäufigkeit und Lagerdauer. Lagerkosten umfassen Raumkosten (Abschreibung, Instandhaltung, Versicherung, Energie), Personalkosten (Löhne, Sozialaufwendungen), Risikokosten (Versicherung, Abschreibung, Schwund, Verderb, Veralterung, Preisschwankung) und Zinskosten. 5.4.2.3 Wareneinteilung Hier sind vor allem zwei Analysen zu unterscheiden, die ABC- und die XYZAnalyse. Zunächst zur ABC-Analyse. Ihr liegt die Erfahrungstatsache zugrunde, dass sich der Absatz sehr unterschiedlich auf verschiedene Produkte des Unternehmensprogramms verteilt. So gibt es einige wenige „Renner“ und viele Langsamdreher („Penner“). Betriebswirtschaftlich ist es sinnvoll, den Renner-Produkten (A) mehr Aufmerksamkeit zu widmen als weniger bedeutsamen Produkten (B) oder gar Penner-Produkten (C). Dementsprechend werden abgestufte Aktivitätslevels vorgesehen. A-Produkte werden intensiv betreut, C-Produkte extensiv und B-Produkte liegen dazwischen. Praktisch bedeutet dies, dass A-Produkte ständiger Überwachung unterliegen, während B-Produkte eher unregelmäßig und C-Produkte nur sporadisch hinsichtlich Bestand, Zu- und Abgängen kontrolliert werden. Bei der XYZ-Analyse erfolgt eine Einteilung der Materialen nach ihren Verbrauchsschwankungen. X-Produkte haben konstanten Verbrauch mit nur gelegentlichen Schwankungen und damit hoher Vorhersagegenauigkeit. Ziel ist hier die fer-

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5. Die technische Auftragsbearbeitung

tigungssynchrone Beschaffung mit geringer Reichweite der Bestände. Y-Produkte haben konstant fallenden oder steigenden Verbrauch mit saisonalen Schwankungen und daher mittlerer Vorhersagegenauigkeit. Ziel ist hier die Vorratsbeschaffung mit hoher Reichweite der Bestände. Z-Produkte haben einen völlig unregelmäßigen Verbrauch mit unvermeidlich geringer Vorhersagegenauigkeit. Ziel ist hier die bedarfsabhängige Beschaffung mit geringer Reichweite der Bestände. Die Lagerhaltungskosten steigen mit steigendem durchschnittlichen Lager­ bestand, gleichzeitig sinken jedoch die Fehlmengenkosten aus nicht ausgeführten bzw. unnötig aufwändigen Aufträgen. Zwischen beiden gegenläufigen Größen ergibt sich das Kostenminimum als Optimum. Gleichfalls steigen mit steigender Bestellgröße die Lagerhaltungskosten pro Stück, jedoch sinken die Einstandskosten je Einheit. Zwischen beiden gegenläufigen Größen ergibt sich wiederum das Kostenminimum als Optimum.

Abbildung 70: Entscheidungen in der Distributionslogistik

5.4.3 Logistikentscheidung Transport Beim Transport sind mehrere Einflussfaktoren von Bedeutung: •• die Versandart, d. h. persönlich, durch Boten, mit eigenem Fahrzeug oder durch Frachtführer, •• die Frachtbasis, d. h. der Ort, von dem ab der Käufer die Frachtkosten tragen muss, unabhängig vom tatsächlichen Abgangsort, •• die Frachtparität, d. h. der Ort, bis zu dem der Verkäufer die Frachtkosten tragen muss, unabhängig vom tatsächlichen Ankunftsort, •• die Lieferzeit, d. h. sofort abgehend, sofort abnehmend (nach Gesetz), mit Frist, nach Datum, •• der Erfüllungsort, d. h. der Ort, an dem der Schuldner durch rechtzeitige und mangelfreie Leistung von seiner vertraglichen Verpflichtung frei wird,

5.4 Logistisches Distributionssystem

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•• der Gerichtsstand, d. h. Ort des Beklagten (Geldschulden sind Schickschulden, Warenschulden hingegen Holschulden nach Gesetz). 5.4.3.1 Transportmittelbetrieb Es stellen sich vor allem die Fragen nach der Wahl der Transportmittel und deren Betrieb. Bei den Transportmitteln handelt es sich im Einzelnen um Schiff, Flugzeug, Zug und Automobil. Beim Betrieb sind Eigen- oder Fremdbetrieb ­möglich. Für den Betrieb ist eine Entscheidung zwischen Eigen- und Fremdbetrieb, die sich grundsätzlich bei jedem Transportmittel stellt, zu treffen. Im Eigenbetrieb erfolgt der Einsatz der Fahrzeuge nach Bedarf und Tourenplan. Es besteht keine Genehmigungs- und Versicherungspflicht. Im Nahbereich kann dadurch der Kundenservice erhöht werden. Für den Eigenbetrieb (Werksverkehr) sprechen die größere Kontrolle über Leistungen, vor allem die Lieferzeit, und über Waren, vor allem die Qualität. Außerdem ist der Einsatz von Spezialausrüstungen möglich. Die Verkehrsmittel können zugleich als (akzidentelle) Werbeträger genutzt werden. Es ist eine erhöhte, vor allem kurzfristige Flexibilität des Einsatzes gegeben. Auch entsteht ein stärkerer Abnehmer-Lieferanten-Bezug, der akquisitorisch wirkt (z. B. kann eine Kaufnachbereitung vor Ort vorgenommen werden). Nachteilig sind jedoch häufige Leerzeiten, weil Fremdtransporte nicht gestattet sind, außerdem Standzeiten bei Spezialfahrzeugen wegen ungleichmäßigen Transportanfalls sowie der Fixkostencharakter von Fahrzeugen und Personal. Für den Fremdbetrieb hingegen sprechen die Gewährleistung von spezialisierten, professionellen Services, die größere räumliche Abdeckung aus dem Verkehrsmitteleinsatz, die (reklamationsfähige) Delegation von Pflichten und Verantwortung gegen Rechnung, eine willkommene Fixkostenersparnis durch fehlende Investitionen und Instandhaltungsaufwendungen sowie die freie Transportmittelwahl nach den Umständen des Einzelfalls. Zwischen diesen Einflussgrößen ist in jedem Einzelfall eine unternehmerische Abwägung als optimale Lösung zu treffen. Eine weitere Funktion, die sich daran anschließt, ist die der Verwertung und Entsorgung (s. u.). Angesichts zunehmend strengerer Umwelt- und Abfallbesei­ tigungsrichtlinien ergeben sich hier wichtige Einzeltätigkeiten der Redistribution, d. h. der Abfall- und Überschussmaterialbeseitigung bzw. -rückführung, der Reduktion von Schadstoffemissionen und der Sammlung, Aufbereitung und Umformung von Verwertungsprodukten, vor allem Verpackungen. Die hohe Sensibilisierung der Öffentlichkeit führt hier berechtigterweise dazu, dass diesem Problemkreis besonderes Augenmerk zufällt. Mit ganz erheblichen Erfolgen in Sachen Ökologie, wo Deutschland noch zu den führenden Nationen zählt.

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5. Die technische Auftragsbearbeitung

Abbildung 71: Optionen der Transportmittelwahl

5.4.3.2 Transportmittelwahl 5.4.3.2.1 Schiff Beim Transportmittel Schiff ist zu unterscheiden zwischen See-, Küsten- und Binnenschifffahrt. Entscheidungen betreffen hier im Einzelnen vor allem die Hafenwahl (in Abhängigkeit von den dort befindlichen Hafenanlagen), die Reederwahl (in Abhängigkeit vom Preis-Leistungs-Verhältnis) und die Transportart als Linien- oder Trampschifffahrt. Linienschifffahrt vollzieht sich nach einem festgelegten Fahrplan auf einer im Voraus bestimmten Route. Schließen sich mehrere Reedereien zur Routenabstimmung zusammen, entsteht eine Schifffahrtskonferenz (Kartell). Die Trampschifffahrt vollzieht sich hingegen ohne vorhersehbaren Fahrplan nach wechselnden Zielen (in „wilder“ Fahrt). Der Binnenschifffahrtsverkehr benutzt das Wasserstraßennetz, dessen Ausbau, Unterhalt und Überwachung mit öffentlichen Mitteln finanziert wird. Dort verkehren Motor-, Schub- und Schleppschiffe zum Transport von Massengütern. Eigner dieser Schiffe sind Reeder und Partikulierschiffer (mit bis zu drei Schiffen). Der Frachtvertrag wird formfrei abgeschlossen, üblich ist jedoch der Schiffsbefrachtungsschein mit Vereinbarungen über Verfrachtungsart, Frachtdokumente, Güterverladung, Transportkosten, Haftungsbegrenzung etc. Die Verfrachtung kann ein Schiff als Ganzes, einzelne Laderäume oder Stückgüter betreffen. Der Absender kann vom Frachtführer die Ausstellung eines Ladescheins verlangen, der ein Empfangsbekenntnis und die Verpflichtungserklärung, dass die Güter der im Ladeschein genannten Person gegen Rückgabe des Ladescheins ausgehändigt werden,

5.4 Logistisches Distributionssystem

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enthält. Der Ladeschein ist ein Warenwertpapier. Der rechtmäßige Besitzer ist damit zugleich auch Eigentümer der Ware. Eigentumsübertragung und Verpfändung der Ware sind dadurch schon vor ihrer physischen Ankunft möglich. Der gewöhnliche Ladeschein ist ein Namenspapier (Rektapapier) und kann nur durch Zession übertragen werden. Der Orderladeschein ist durch die Klausel „an Order“ zum Wertpapier geworden (gekorenes Orderpapier) und kann durch Indossament übertragen werden. Im Allgemeinen ist der Absender dafür verantwortlich, die Güter zu verladen, er muss sich dabei an gesetzliche oder vertraglich vereinbarte Ladezeiten halten (ansonsten entstehen Überliegegelder). Der Frachtführer hat dem Absender die Ladebereitschaft anzuzeigen, die Güter mit der Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers zu befördern und an den berechtigten Empfänger am vereinbarten Löschplatz zur Entladung zur Verfügung zu stellen. Die Transportkosten setzen sich aus Frachtgebühren, die zwischen Frachtführer und Auftraggeber vereinbart werden, Kanalgebühren, die für die Benutzung künstlicher Wasserstraßen und ihrer technischen Einrichtungen fällig werden, sowie Umschlaggebühren zusammen, die bei der Umladung auf andere Transportmittel bzw. in Lagerräume entstehen (z. B. Ufergeld, Liegegeld, Benutzungsgebühr). Der Frachtführer haftet für Schäden, sofern ihn oder seine Erfüllungsgehilfen ein Verschulden trifft. Die Höhe der Ersatzleistung ist unbegrenzt, sofern der Vertrag nicht Haftungsbegrenzungen vorsieht. Bei „Rettung aus gemeinsamer Gefahr“ entstandene Schäden werden zwischen Schiffseigner, Frachtführer und Gütereigentümer nach amtlicher Schätzung geteilt. Der Seeschiffsverkehr dient dem weltweiten Austausch von Gütern über Meere und zwischen Kontinenten. Er wird von Reedereien betrieben, die Fracht-, Container-, Fähr- und Massengutschiffe sowie Tanker einsetzen. Die Schiffsgröße wird in Volumen (Registertonnen) angegeben, der gesamte Raum ist der Bruttoraum, der reine Laderaum der Nettoraum. Die Tragfähigkeit wird in Gewichtstonnen angegeben. Die Schiffe sind mit ihren Merkmalen in das Schiffsregister eingetragen (Baujahr, Eigentümer, Größe, Beleihung etc.). Der Seefrachtvertrag ist formfrei, er bezieht sich auf das Schiff als Ganzes, einen Anteil daran, einen bestimmten Raum oder einzelne Güter. Wichtige Frachtpapiere sind der Verladeschein, der vom Verfrachter bei Annahme der Güter erteilt wird, das Konnossement, das ein vom Kapitän oder einem ermächtigten Vertreter der Schifffahrtsgesellschaft ausgestelltes Wertpapier ist, in dem die Annahme der Güter und die Auslieferung an den durch das Konnossement beurkundeten Berechtigten bestätigt wird (der Inhalt des Konnossements ist maßgeblich für das Rechtsverhältnis zwischen Schiffseigentümer und Empfänger) sowie die Charterpartie, die eine Beweisurkunde über Abschluss und Inhalt eines Chartervertrags ist. Die zur Abladung vorgesehenen Güter müssen in Lagerschuppen (witterungsempfindlich) oder am Kai gestapelt werden, damit die Beladung keine unnötigen Liegekosten verursacht. Die Abfertigung wird normalerweise vom Schiffsmakler vorgenommen, der alle Unterlagen von den Hafenbehörden, der Zollverwaltung und den Ladungseignern besorgt und nötige Dokumente ausfertigt. Der Schiffsmakler am Bestimmungshafen erhält vor Ankunft des

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5. Die technische Auftragsbearbeitung

Schiffes einen Stauplan zur Vorbereitung der Entladung. Die Löschung erfolgt am Kai, unmittelbar auf Flussschiffe oder auf Barken zum Lagerhaus. Die Schiffsfrachten sind tariflich festgelegt (Linie) bzw. werden ausgehandelt (Charter). Stückgüter sind in Wertklassen und innerhalb dieser Klassen wiederum in leichte und schwere Güter eingeteilt. Güter, die spezifisch leichter als Wasser sind, werden nach Raum berechnet, solche, die schwerer sind, nach Gewicht. Schäden während der Fahrt entstehen aus Havarien. Der Kapitän hat ein weit reichendes Verfügungsrecht über die Ladung während der Fahrt, er kann sogar die Ladung über Bord werfen lassen, um Schiff und Besatzung zu retten. Bei gemeinsamer Havarie sind mehrere Beteiligte betroffen, der Schaden wird dann auf alle Versender umgelegt, auch solche, die nicht betroffen sind. Bei besonderer Havarie trägt nur der Betroffene den Schaden. Der Verfrachter haftet für Schäden, die durch Verlust oder Beschädigung in der Zeit von der Annahme bis zur Ablieferung entstehen (meist durch Transportversicherung abgedeckt). Zur Rationalisierung werden häufig Containerschiffe eingesetzt, sie ermöglichen eine durchgehende Transportkette von Haus zu Haus und werden in besonderen Hafenanlagen gelöscht. Der Weitertransport erfolgt auf Eisenbahn-Tragwagen oder Lkw-Fahrgestellen, ein Containerschiff kann bis zu 3.000 Container befördern. Einige Staaten räumen ausländischen Reedereien, die ihre Schiffe dort registrieren lassen („Billigflaggen“) Steuervorteile ein. Andere Länder begünstigen den Transport mit eigenen Schiffen bzw. benachteiligen fremde Flaggen. Die Linienschifffahrt bietet Vorteile wegen der klaren Terminkalkulation, da sie nach festen Routenplänen verkehrt, des Anlaufs bestimmter Standardhäfen in verlässlichen, regelmäßigen Zeitabständen, der guten Klassifizierung der eingesetzten Schiffe für den speziellen Transportzweck und des vorhersehbaren, festen Ankunftstermins für die Organisation des Weitertransports. Nachteile der Linienschifffahrt betreffen hingegen die Frachtraten und die Bindung an zugeteilte Schifffahrtslinien, die auf den jeweiligen Routen fest verkehren. Vorteile der Trampschifffahrt sind die frei aushandelbaren Frachtraten, die sich allein nach Angebot und Nachfrage bemessen, und die Flexibilität der Routenwahl, die auf individuelle Anforderungen abgestimmt werden kann. Nachteile der Trampschifffahrt liegen in der oftmals leicht mangelnden Seriosität und Bonität von Reederei und Schiff, der mangelnden Eignung des Schiffs für den qualitätsgetreuen Transport spezieller Waren, der latenten Gefährdung der Termintreue durch teilweise unzuverlässige Verbindungen und der problematischen Kostenplanbarkeit, da die Frachtraten durch wechselnde Auslastung unvorhersehbar schwanken. Generelle Nachteile des Transportmittels Schiff liegen in der latenten Gefährdung der Termintreue durch Natureinflüsse wie Sturm, Hochwasser etc. Außerdem handelt es sich um eine sehr langsame Beförderungsart. Zudem liegen die Häfen meist nicht am Bestimmungsort, so dass ein gebrochener Verkehr erforderlich ist. Dafür ist als wichtiger Vorteil zu nennen, dass es sich um eine, je Transporteinheit

5.4 Logistisches Distributionssystem

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gerechnet, sehr kostengünstige Transportart handelt. Auch sind sperrige, großvolumige Waren problemlos beförderbar. Die Verfahrensweise ist durch standardisierte Lieferklauseln (Incoterms) vereinfacht und differenziert möglich. 5.4.3.2.2 Eisenbahn Das Transportmittel Eisenbahn ergibt die Alternativen der Beförderung als Massengut oder Stückgut einerseits sowie als normales Frachtgut oder Eilgut andererseits. In Abhängigkeit von den Eisenbahntarifen erfolgt die Berechnung der Transportkosten. Im Eisenbahngüterverkehr sind folgende Versandarten zu unterscheiden. Nach dem Umfang gibt es Stückgüter, d. h. einzelne Sendungen (Kisten, Fässer, Ballen etc.), die am Güterbahnhof angeliefert bzw. am Stückgutort übernommen und von der Bahn verladen werden. Das Gewicht wird festgestellt, die Zustellung erfolgt meist bahnamtlich. Wagenladungen sind Sendungen, für die der Absender einen ganzen oder mehrere Güterwagen bestellt. Er hat dann selbst für die Be­ ladung zu sorgen, die Entladung ist Aufgabe des Empfängers. Nach der Schnelligkeit gibt es Frachtgut, das am Frachtschalter des Güterbahnhofs während der Schalterstunden aufgegeben und mit gewöhnlichen Güterzügen befördert wird. Bei Wagenladungen kann eine Verkürzung der Lieferfrist erreicht werden. Expressdienstgut kann am Personenbahnhof zu jeder Tages- und Nachtzeit aufgegeben werden, auch sonn- und feiertags. Es wird mit Personenund Schnellzügen befördert. Die Sendungen werden bevorzugt abgefertigt und befördert. Die Zustellung erfolgt meist bahnamtlich. Sendungen für IC-/ICE-/ EC-Kurier­dienste werden der Bahn am Gepäckschalter oder unmittelbar am Intercity-Zug zur Beförderung an jeden IC-Bahnhof auf der Fahrstrecke übergeben. Der Empfänger muss die Sendung am Zug oder am Gepäckschalter abholen. Nach dem Mittel gibt es Container, d. h. kastenartige, bahneigene Behälter, die zollsicher verschließbar, kran- und rollbar sind. Sie sind besonders geeignet zur Beförderung von unverpackten oder leicht verpackten transportempfindlichen Gütern, die ohne Umladung vom Lager des Absenders zum Lager des Empfängers gebracht werden. Die durchgehende Transportkette erspart Packmittel, Arbeit und Kosten, schont das Gut und vermindert die Diebstahlgefahr. Die Fracht wird in der Regel nur für das Gewicht des Containerinhalts berechnet. Collicos sind auf 20 % ihres Fassungsvermögens zusammenlegbare Lademittel der Bahn aus Stahl oder Leichtmetall mit eingeprägten Nummern für Ladegewichte bis 150 kg. Sie werden meist für ein Jahr vermietet. Sie sind in wenigen Handgriffen einsatz- und versandbereit, stapelbar, gewähren Sicherheit und Schutz, reisen ohne Berechnung des Eigen­gewichts, werden frachtfrei leer zurückgesandt, und ersparen eigene Investitionen und Reparaturen des Auftraggebers. Paletten sind Ladeplatten, auf denen Güter bis zu einem Gesamtgewicht von 1 t befördert werden können. Sie

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haben eine international genormte Ladefläche von 800 × 1.200 mm. Es gibt Flachpaletten ohne Aufbau, Boxpaletten mit rahmenförmigem Aufbau und Gitterboxpaletten mit Aufbau aus Gitterwänden. Box- und Gitterboxpaletten haben einen Stahl­bügelaufsatz, der ihr Aufeinandersetzen ermöglicht. Sie können mit Gabelhubwagen oder -staplern unterfahren, angehoben, bewegt und gestapelt werden. Der Frachtvertrag kommt zustande, wenn Beförderungsgut und Frachtbrief der Eisenbahn übergeben und von dieser angenommen werden. Dann verpflichtet sich diese, die übernommenen Güter vollständig, unversehrt und innerhalb der vorgesehenen Lieferfristen nach dem angegebenen Empfangsort zu befördern und dort dem genannten Empfänger auszuliefern. Der Absender verpflichtet sich zur Ausstellung eines Frachtbriefs und zur Zahlung der Fracht sowie aller Nebengebühren. Der Frachtbrief ist zugleich Beweisurkunde für die Auflieferung des Frachtguts, Begleitpapier, das mit dem Frachtgut dem Empfänger ausgehändigt wird, sowie Sperrpapier, d. h., solange der Absender seine Ausfertigung besitzt und das Transportgut noch nicht dem Empfänger übergeben ist, kann er es durch nachträgliche Verfügung unterwegs anhalten, zurück rufen oder auf einen anderen Bestimmungsbahnhof umleiten. Erst mit Aushändigung der Ausfertigung (Frachtbriefdoppel) verliert der Absender sein Verfügungsrecht. Die Frachtberechnung erfolgt nach Marktgegebenheiten, Güterart, Verladungsart, Wagenart und -anzahl, Entfernung, Gewicht und Schnelligkeit. Das Grundpreisangebot für Wagenladungen ist nach Entfernungen gestaffelt. Frachtzahler ist normalerweise der Absender, die Bahn kann den Betrag aber auch beim Empfänger einziehen. Die Bahn haftet ohne Rücksicht auf ihr Verschulden für einen Schaden, der zwischen der Annahme des Gutes zur Beförderung und der Ablieferung entsteht (Gefährdungshaftung). Sie haftet nicht, wenn der Schaden durch höhere Gewalt, Gutsbeschaffenheit, fehlende oder mangelhafte Verpackung oder durch Selbstverladung verursacht ist. Ersatzansprüche hat nur der Verfügungsberechtigte. 5.4.3.2.3 Lastkraftwagen Beim Transportmittel Lastkraftwagen unterscheidet man Nah- und Fernverkehr einerseits sowie Flotten- und Einzelbuchung andererseits. Güternahverkehr betrifft die Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen im Gebiet innerhalb eines Umkreises von 75 km, gerechnet in der Luftlinie vom Mittelpunkt des Kfz-Standorts. Er ist erlaubnispflichtig. Die Erlaubnis wird einem fachkundigen Unternehmer für seine Person erteilt. Er kann beliebig viele Fahrzeuge einsetzen. Eine Versicherung des Transportguts ist nicht vorgeschrieben. Abschluss und Erfüllung des Frachtvertrags sind formfrei. Güterfernverkehr betrifft die Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen über beliebige Entfernungen. Die Genehmigung dazu wird nur einem fachkundigen Unternehmer erteilt. Der Frachtbrief muss von den Vertragspartnern unterschrieben werden und mit dem amtlichen Kennzeichen des eingesetzten

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Fahrzeugs versehen sein. Die Erfüllung erfolgt durch Übergabe des Frachtbriefs und des Transportguts an den im Frachtbrief genannten Empfänger. Die Frachtberechnung wird frei ausgehandelt. Als Orientierung dienen die von Verkehrsverbänden veröffentlichten Preistafeln. Zur Überwachung des Güterkraftverkehrs müssen eine Reihe von Dokumenten mitgeführt werden. In das persönliche Kontrollbuch werden die Lenk- und Ruhezeiten des Fahrpersonals eingetragen. Dies erübrigt sich nur, sofern ein Fahrtenschreiber installiert ist, der Lenk- und Ruhezeiten automatisch aufzeichnet. Im Fahrtenbuch werden alle Bewegungen und Standzeiten vermerkt. Alle Güter, die im Frachtbrief eingetragen sind, gelten als versichert. Für den Güternahverkehr gilt die Verschuldenshaftung des Frachtführers, d. h., der festgestellte Schaden muss voll ersetzt werden, soweit er zu vertreten ist, im Güterfernverkehr gilt die Gefährdungshaftung, wobei Schäden durch die Versicherung ersetzt werden. 5.4.3.2.4 Flugzeug Das Transportmittel Flugzeug wird wegen des hohen Kapitalbedarfs überwiegend von großen, meist staatlichen Gesellschaften getragen. Der Frachtvertrag kommt durch Luftfrachtbrief zustande, der zugleich Beweisdokument für den Abschluss, Begleitdokument für den Transport und Frachtrechnung ist. Der Versand kann im Linienflugzeug als einzelne Sendung, Gepäck und Post oder in Charterflugzeugen als Ganzes oder in einer bestimmten Menge erfolgen. Die Haftung umfasst Flughafenaufenthalt und Flug und wird durch eine Transportversicherung abgedeckt. Die Berechnung der Fracht erfolgt nach Gewicht, bei sperrigen Gütern nach Volumen. Vorteilhaft sind Container und Paletten. Die Luftfrachtraten liegen in jeder Beziehung deutlich über den Seefrachtraten. Die Transportdauer ist dafür jedoch unvergleichlich viel kürzer. Der Zielflughafen liegt meist näher am Bestimmungsort als der Zielseehafen, so dass auch binnenländische Destinationen gut erreicht werden können. Die erhöhte Lieferfähigkeit der Luftfracht steigert die Wettbewerbsfähigkeit des Anbieters. Bei hohem spezifischen Warenwert, d. h. hohem Preis je Gewichtseinheit, schrumpft zudem der Transportkostenanteil an den Gesamtkosten. Der Verpackungsaufwand ist gegenüber anderen Transportarten gemindert, da eine äußerst schonende Manipulation gegeben ist. Die Versicherungsprämien für den Transport sind niedriger, da bezogen auf die transportierten Mengen und zurückgelegten Strecken, die Luftfahrt als sicheres Transportmittel gilt (nicht jedoch in Bezug auf die Transportzeit). Die größere Lieferschnelligkeit bewirkt zugleich eine geringere Kapital­bindung durch frühere Rechnungsstellung. In Abhängigkeit von diesen Parametern muss bestimmt werden, ob und inwieweit das Flugzeug als Transportmittel jeweilig vorteilhaft ist oder nicht.

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5.4.3.2.5 Sonstige Transportmittel In Bezug auf das Entscheidungskriterium Kostengünstigkeit kann mit steigender Menge die Reihenfolge Flugzeug, Lastkraftwagen, Eisenbahn und Schiff unterstellt werden. Eine wichtige Sonderform sind Behältnisse, die auf verschiedenen Transportmitteln befördert werden können (Container) oder auf keines von ihnen angewiesen sind (Pipeline). Der Container rationalisiert als Normverpackung den Stückguttransport, denn gesonderte Umverpackungen können entfallen. Die Beladung und Löschung von Waren wird dadurch vereinfacht. Kleinere Ladungen werden effizient zu Sammeltransporten kombiniert und nutzen Kapazitäten voll aus. Container sind transportmittelneutral und können an Terminals effizient umgeschlagen werden. Sie sind ganz entscheidend für die Bewältigung des explodierenden Transportvolumens verantwortlich. Die Pipeline für den Transport flüssiger oder granulierter Produkte stellt durch ihren immobilen, unflexiblen Charakter eine systemdurchbrechende, wenngleich bedeutsame Besonderheit dar. Sie lohnt sich nur, wenn es feste Abgangs- und Ankunftsorte gibt und eine pipelinefähige Konsistenz des Transportinhalts gegeben ist. Häufig spielen Sicherheitsaspekte eine entscheidende Rolle. Die Güterbeförderung kann auch durch Postdienste erfolgen.

5.4.4 Logistikentscheidung Lagerung 5.4.4.1 Lagerfunktionen Als Lager bezeichnet man den Bestand an Gütern, die noch nicht, nicht mehr oder vorübergehend nicht am Produktionsprozess teilnehmen. Man unterscheidet planmäßige (gewollte) Läger und unplanmäßige (zu vermeidende) Läger, die durch Friktionen im Wertschöpfungsprozess entstehen und Unwirtschaftlichkeit bedeuten. Ziele der Lagerhaltung sind die Aufrechterhaltung der Verkaufsbereitschaft durch den Ausgleich zwischen Beschaffung und Absatz, die Möglichkeit der Wahrnehmung von besonders günstigen Angeboten bzw. der Ausnutzung von Mengenrabatten, dies bei niedrigen Lagerkosten. Zwischen diesen Größen besteht ein Zielkonflikt. Dem Lager kommen wichtige Funktionen im Absatz zu, so die: •• zeitliche Ausgleichsfunktion bei voneinander abweichendem Materialzufluss und -bedarf, •• Sicherungsfunktion bei unvorhergesehenen Produktions-/Absatzschwankungen, •• Assortierungsfunktion zur Sortimentsbildung, •• Spekulationsfunktion zur Bevorratung bei vermuteten Preiserhöhungen,

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•• Veredelungsfunktion (zur Qualitätsverbesserung etwa durch Alterung, Gärung, Reifung, Trocknung etc.). Das Lager lässt sich unter verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Die beiden wichtigsten sind folgende. Nach dem Standort unterscheidet man Zentralläger und Dezentralläger. Nach dem Eigentum unterscheidet man Eigenbetrieb und Fremdbetrieb (durch Lagerhalter) (Spezialfälle sind Konsignationsläger, d. h., das Lagergut befindet sich noch im Eigentum des Lieferanten, aber schon im Besitz des Abnehmers, und Gemeinschaftsläger, d. h. mehrere Unternehmen betreiben gemeinsam ein Eigenlager). Läger können nach Konzentration, Warenfluss, Unterbringungsart, baulichen Gegebenheiten und Einlagerungsweise wie folgt unterteilt werden: •• Nach dem Warenfluss sind die Warenannahme, Lagerung und Warenausgabe in zeitlicher, räumlicher, inhaltlicher und kostenmäßiger Abstimmung zu beachten. •• Nach der Unterbringungsart handelt es sich um eine Lagerung im Freien (offene Läger), die nur bei witterungsbeständigen Waren mit relativ geringem Wert möglich ist, oder um eine Lagerung in Räumen (Innenlagerung), für Waren, die höheren Schutz, größere Sicherheit und bessere Kontrolle erfordern. •• Nach den baulichen Gegebenheiten handelt es sich um eingeschossige Läger, bei denen anliefernde Fahrzeuge, Lagerplatz und übernehmende Fahrzeuge auf einer Ebene bewegt werden, oder mehrgeschossige Stockwerkläger, die zusätzliche technische Einrichtungen zur Überbrückung des Höhenunterschieds erfordern, dafür aber mit geringerer Grundfläche auskommen. •• Nach der Einlagerungsweise gibt es Stapellager, wo Waren in die Höhe ge­ stapelt werden. Voraussetzung ist dabei eine entsprechende Belastbarkeit der Warenverpackung. Im Hochregallager werden die Waren in mehreren Regalebenen untergebracht. Für die Einlagerung kann eine bestimmte Lagerstelle reserviert oder die jeweils nächste freie Lagerstelle bestimmt werden (chaotische Lagerung). Im ersten Fall muss nur die Lagerstelle markiert werden, im zweiten Fall jedes einzelne Lagerstück. Voraussetzung sind entsprechende Lagereinrichtungen, Verlade- und Beförderungsmittel sowie Informations- und Sicherungsvorrichtungen. Kommissionierung bezeichnet allgemein die Zusammenstellung verschiedener Artikel nach einem vorgegebenem Bedarf aus dem Lager. Dabei kann es sich um einen oder mehrere Aufträge handeln. Der Auftrag wird manuell durch den Kommissionierer oder automatisch durch Kommissioniersysteme zusammengestellt. Bei eindimensionaler Kommissionierung werden Artikel nur bis zur Greifhöhe entnommen, bei zweidimensionaler Kommissionierung bewegt sich ein hub­ fähiges Regalförderzeug zu den Artikeln. Eine auftragsorientierte Kommissionierung erfolgt auf Basis des einzelnen Kundenauftrags. Das hat jedoch zur Folge, dass eine Vielzahl unterschiedlicher

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Artikelstandorte im Lager wiederholt aufgesucht werden muss, um den gleichen Artikel für verschiedene Aufträge zu kommissionieren. Die Kommissionierung kann dabei seriell, d. h. Auftrag für Auftrag nacheinander, erfolgen, oder aber parallel, d. h. für mehrere Aufträge zugleich in einem Arbeitsdurchgang, wodurch zumindest eine gewisse Rationalisierung erreicht wird. Bei der serienorientierten Kommissionierung wird eine Vielzahl von Kundenaufträgen nach artgleichen Artikeln mengenmäßig zerlegt. Dadurch werden die notwendigen Artikel auf einmal entnommen und dann nach den jeweiligen Aufträgen verteilt. Die Kontrolle der entnommenen Artikel erfolgt manuell oder automatisch (z. B. beleglos durch optische Anzeige). Die Kommissionierungszeit setzt sich im Einzelnen aus der Basiszeit für die Arbeitsbereitschaft, der Wegezeit zu den Artikeln, der Greifzeit für diese Artikel, der Totzeit als Wartezeiten und der Verteilzeit als Sozialzeiten zusammen. Man unterscheidet verschiedene Kommissionierungsverfahren: •• Beim Ringsammelverfahren werden alle Waren eines Auftrags von einem Kommissionierer-Team auf einem ringförmigen Weg eingesammelt. •• Das Sternsammelverfahren ist eine Kommissionierung, bei der Teile von Aufträgen parallel oder nacheinander in einzelnen Lagerbereichen unabhängig kommissioniert werden. •• Das Umlaufverfahren ist eine Kommissionierung, bei der Lagereinheiten zu einem Kommissionierplatz und nach der Warenentnahme wieder an den Lagerplatz gebracht werden. •• Das Karussellverfahren ist eine Kommissionierung, die eine Verbindung mit der Umlaufkommissionierung derart darstellt, dass die Ware zusätzlich an einen Stellplatz gebracht wird, an dem sie sich an dem Kommissionierer vorbei bewegt und von diesem eingesammelt wird. •• Das Durchlaufverfahren ist eine Kommissionierung, bei welcher die Lagereinheiten in Durchlaufregalen gelagert und automatisch oder manuell zusammen gestellt werden. 5.4.4.2 Lagerstandort Der Entscheidung zwischen zentralem oder dezentralem Lagerstandort liegt folgende Überlegung zu Grunde. Mit steigender Zahl dezentraler Lagerstätten sinken zwar die Transportkosten von den einzelnen Lagerstätten zu den jeweiligen Kunden, gleichzeitig steigen jedoch die Lagerhaltungskosten (Fixkostenintensität) für den Betrieb dieser Lagerstätten sowie die Transportkosten vom Lieferanten zu den Lagerstätten. Zwischen diesen beiden gegenläufigen Entwicklungen ergibt sich ein relatives Optimum beim Gesamtkostenminimum. Umgekehrt steigen bei zen-

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traler Lagerstätte die Transportkosten von diesem Lager zu den jeweiligen Kunden, gleichzeitig sinken jedoch die Lagerhaltungskosten sowie die Kosten für den Transport vom Lieferanten zur Lagerstätte. Auch hier ergibt sich aus den beiden gegenläufigen Entwicklungen ein relatives Optimum. Der Vergleich beider relativer Optima bei ansonsten gleichen Bedingungen führt zur Entscheidung für oder gegen einen zentralen oder mehrere dezentrale Lagerstandorte. Das Zentrallager bietet folgende Vorteile für Abnehmer: •• Erhöhung der Artikelpräsenz, verbesserte Sortimentspolitik, schnellere Nachlieferung, Reduzierung der Bestände, Verringerung des administrativen Aufwands, Senkung der Transport- und Verpackungskosten, Chancen zur Konditionenverbesserung, Einsatzmöglichkeiten von Lager-, Kommissionier- und Beförderungstechnik. Dem stehen folgende Nachteile für Abnehmer gegenüber: •• Nicht geeignet für alle Sortimentsarten, höhere Kapitalbindung, hoher Umstellungsaufwand, Verwundbarkeit durch Streik, Boykott etc. Das Zentrallager bietet folgende Vorteile für Lieferanten: •• Übersicht über Art und Menge der Lagergüter, rationelle Nutzung der Räume und Einrichtungen, geringe Kapitalbindung in den Waren und geringer Personalbedarf, reduziertes Handling, Erfüllung höherer Serviceanforderungen der Abnehmer, Reduzierung der Bestände, reduzierte Distributionskosten, flexibler Ausbau der technischen Einrichtungen, flexible Verteilsysteme. Dem stehen folgende Nachteile für Lieferanten gegenüber: •• Größeres Risiko (Kundenferne) und längere Transportwege bei der Auslieferung zu Kunden, Zusammenlagerungsverbot bestimmter Waren (z. B. gen­ manipuliertes und natürliches Getreide), Verbot der Lagerung gefährlicher Waren in bestimmten Gegenden (z. B. Sprengstoffe in Wohngebieten), keine Nutzung von Speziallagerräumen, hohe Kapitalbindung. Für das Dezentrallager ergeben sich spiegelbildlich die genannten Vor- und Nachteile des Zentrallagers. Im Wesentlichen handelt es sich um Vorteile wie große Übersichtlichkeit, leichte Bestandserfassung, Zugriff auf alle Lagerdaten, gute Lagerplanung, einfache Bestands- und Bewegungskontrollen, weniger Administrationskosten. Sowie um Nachteile wie längere Transportwege zu Kunden, damit potenzielle Störungen und höhere Kosten des Transports. Eine verbreitete Form des Dezentrallagers ist das Regionallager (Auslieferungslager) als Puffer­ lager zwischen Produktion und Absatz, das auf regionaler Ebene den Liefer­service sicherstellt.

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5.4.4.3 Lagerbetrieb Bei der Verwaltung des Lagers sind Eigen- und Fremdbetrieb möglich. Eigen­ betrieb bietet sich vor allem dann an, wenn: •• die Nachfrage stabil ist, also ein erforderlicher Warenpuffer kontinuierlich verfügbar sein muss. Dann gebietet die Notwendigkeit auf schnellen Zugriff den autonomen Unterhalt, •• die Märkte räumlich stark konzentriert sind, man also mit einem oder wenigen Standorten auskommt. Dies lässt sich aber nur bei vergleichsweise kurzen Wegen zu den Abnehmern realisieren, da ansonsten Wegevorteile zugleich Zeitnachteile mit sich bringen, die wiederum Wettbewerbsnachteile bedeuten, •• ein hoher Lagerdurchsatz gewährleistet scheint, ein Lager also gleichmäßig ausgelastet ist. Dann werden die vergleichsweise hohen Fixkostenanteile durch entsprechende Auslastung zu Nutzkosten relativiert, •• eine direkte Kontrolle erforderlich bleibt, die aus Qualitätssicherungsgründen ungern delegiert wird. Es ist zu Zeiten von TQM eine unerlässliche Voraus­ setzung, dass hohe Eingangsqualität nicht durch Lagerung leidet und so reklamationsfähig wird, •• gesonderte Ausrüstungen zur Manipulation nötig werden, die anderweitig nur schwerlich verfügbar sind. Dies gilt vor allem bei Investitionsgütern, wo weitgehend nicht standardisierte Waren manipuliert werden, •• eine spezielle (obgleich unwesentliche) Be- oder Verarbeitung vor der Auslieferung erforderlich ist. Dabei stellt sich allerdings zunehmend die Alternative des Outsourcing als Auftragsvergabe an externe Be- und Weiterverarbeiter. Fremdbetrieb bietet sich hingegen an, wenn: •• die Nachfrage im Zeitablauf erheblich schwankt, also kein kontinuierlicher Warenpuffer erforderlich ist. Dies verhindert eine unzureichende Auslastung der Fixkosten und lässt absolut höhere variable Kosten vorziehenswürdig erscheinen, die Nutzkosten darstellen, •• Märkte räumlich stark verstreut liegen, so dass mehrere Läger nur unrentabel zu betreiben sind. Dann ist es im Sinne des Wettbewerbsfaktors Zeit günstiger, Lagerstandorte in der Nähe großer Abnehmer fallweise oder dauerhaft anzumieten, •• Märkte häufiger wechseln, etwa wenn es sich um spezialisierte Waren mit wechselnden Abnehmerstandorten handelt. Dann bedeutet ein Eigenbetrieb eine unnötige Fixierung der Tätigkeiten in einem offensichtlich flexiblen Markt, •• verschiedene Transportmittel eingesetzt werden, die intern nicht vorgehalten werden können. Als Alternative bietet sich dann nur noch das Leasing als Form der nutzungskonformen Abzahlung an,

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•• das implizierte Lagerrisiko besser eine Verantwortungsdelegation angezeigt erscheinen lässt. Insofern können Gewährleistungsansprüche eingefordert werden und gehen nicht zu Lasten eigener Rechnung, •• eine Produktgruppe erst neu eingeführt werden soll, der erforderliche Lager­ bedarf also noch ungewiss ist. Nach Ablauf einer Zeitspanne kann dann die erforderliche Lagerraumdimensionierung besser abgeschätzt werden.

5.4.5 Redistribution Bei der Redistribution handelt es sich um die Umkehrung des Waren-(und evtl. Geld-)flusses im Absatzkanal. Der Redistributionskanal bezeichnet insofern die Art und Weise, wie die zu verwertenden Konsumrückstände aufgrund der Arbeitsteilung zwischen den beteiligten Wirtschaftssubjekten vom Nutzer wieder zurück zum Verursacher oder dessen Verwerter gelangen. Dabei handelt es sich um Ver­ packungen, Umverpackungen, Transportverpackungen und Altprodukte. Es geht um die ökonomisch und ökologisch effiziente Ausgestaltung aller Tätigkeiten der Überbrückung von Konsumrückständen vom Anfallort bis zum Ort der erstmaligen (Weiter-)Verarbeitung oder (Wieder-)Bearbeitung, wobei die Reststoffe in ihrem ursprünglichen Zustand eine abgeschlossene Distribution durchlaufen. Der Logistik kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Sie schließt den Stoffkreislauf zwischen Produktgebrauch/-verbrauch und Recycling durch Rückführung von Altprodukten bzw. deren Rückständen in die Produktion (Verwertung) oder den erneuten Gebrauch (Verwendung). Statt von Reststoffen ist es bei Verpackungen und Produkten besser, von Konsumrückständen zu sprechen, da ansonsten Produktionsrückstände mit in die Redistribution einzubeziehen wären. Ökonomische Effizienz bedeutet praktisch insgesamt eine kostenneutrale Systemgestaltung. Redistribution muss dazu bereichsübergreifend an der gesamten Prozesskette ansetzen. Ziel ist die Rückführung der herstellereigenen Konsumrückstände in künstliche Recyclingkreisläufe zu deren Aufarbeitung und Wiedereinsatz in die Produktion bzw. zur Energie­ erzeugung. Dabei geht es um die für die Entstehung von Transaktionen unabdingbare Überbrückung von zeitlichen, räumlichen, quantitativen und qualitativen Diskrepanzen zwischen dem Entstehungsbereich von Konsumabfällen und dem Verwendungsbereich dieser Konsumrückstände. Diese Funktionen werden durch beteiligte Unternehmen wahrgenommen und stellen sich wie folgt dar: •• quantitative Konsumrückstandsumgruppierung, d. h., Zusammenfassung der zu verwertenden Verpackungen und Produkte zu größeren Lade- und Transport­ einheiten durch Sammelrhythmus bei Konsumenten und entsprechende Logistiksysteme,

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5. Die technische Auftragsbearbeitung

•• qualitative Konsumrückstandsumgruppierung, d. h., Sortierung und Trennung der verschiedenen Konsumrückstände für eine spätere Verwertung durch Klassifikation der Wertstoffarten und Qualitätsgruppen bzw. deren Reinigung, •• Raumüberbrückung, d. h., Transport zwischen den verschiedenen Rückstandsstationen und dem Verwertungsweg nach Wahl des Transportmittels und der Ladehilfsmittel, •• zeitlicher Ausgleich, d. h., Kontinuierung von Mengenschwankungen zur gleichmäßigen Auslastung der verschiedenen Verwertungsanlagen, •• Rückstandsermittlung, d. h., Bekanntmachung redistributiver Maßnahmen durch deren Anbieter und Identifizierung des Redistributionssystems mit einem Hersteller, •• Rückstandslenkung, d. h., Bekanntmachung des Steuerungsbedarfs der Rückstände zu geeigneten Sammel- und Verwertungsstellen, •• Entgelttragung, d. h., angemessene Verteilung der dabei anfallenden Lasten und Kosten gemäß dem realisierten Koordinationsprinzip, •• Reverse logistics, d. h., Bereitstellung der Konsumrückstände zum richtigen Zeitpunkt, in der richtigen Menge und am richtigen Ort. Eine einfache Umkehrung der Gestaltung des herkömmlichen Distributions­ kanals scheitert aber daran, dass •• neue Institutionen in das Verhaltenssystem des Herstellers eintreten, dazu gehört auch die Entsorgungswirtschaft, die durch die Distribution nicht tangiert ist, •• Marktpartner aus den ursprünglichen Absatzbeziehungen neue und/oder erweiterte Aufgaben übernehmen, nämlich neben der Abgabe von Leistungen auch deren Rücknahme, •• unterschiedliche Transportanforderungen zwischen neuwertigen und gebrauchten Gütern bestehen, dies bezieht sich u. a. auf die Qualitäts- und Zeitsensibilität, •• weder die Kapitalbindung noch die Verfügbarkeit der Konsumrückstände eine bedeutende Rolle spielt, wie das bei Neuwaren regelmäßig der Fall ist, •• die Volumendifferenzen zwischen neuwertigen und gebrauchten Gütern teilweise immens sind, •• ein zusätzlicher Teil der hoch rationell genutzten Betriebsfläche im Handel beansprucht werden kann, •• Verbraucher mit anderen (privaten) Verhaltensmustern als Ausgangspunkt von Warenströmen auftreten (die Notwendigkeit der Redistribution führt hier zu Dissonanz und Nutzenentgang, daher wird eine Minimierung des Aufwands angestrebt, so dass der Bequemlichkeitsfaktor zu berücksichtigen ist, was wiederum steigende Kosten verursacht).

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In Bezug auf die Redistribution lassen sich Hol- und Bringsysteme unterscheiden. Bei Holsystemen werden die Mengen unmittelbar am Anfallort bei Konsumenten abgeholt. Dadurch steigt die Motivation zur Sammlung und Beteiligung, allerdings entstehen auch hohe Transportkosten. Zur Anpassung können mehrstufige Holsysteme dienen. Beim Bringsystem werden die Konsumrückstände von Konsumenten an einen Sammelort verbracht. Dadurch steigt jedoch der Ent­ ledigungsaufwand, mithin sinkt die Motivation zur Teilnahme, dafür sind aber die Transportkosten geringer. Denkbar ist auch eine Kombination in Treffsystemen, d. h., der erste Halbweg wird im Bringsystem bis zu Sammelstellen zurückgelegt, der zweite Teilweg im Holsystem bis zum Verwertungspunkt, wobei die Aufteilung der Strecken zu diskutieren ist. Eine weitere Möglichkeit ist die gesetzliche Verpflichtung zur Verbringung von Konsumrückständen (Elektronikschrott, Arzneimittel etc.). Das Redistributionssystem kann eigen- oder fremdgestaltet sein. Eigengestaltet bedeutet, dass jeder Hersteller selbst für die Rückholung seiner Altverpackungen und -produkte Sorge trägt (direkter Weg). Dies scheint allerdings wenig prakti­ kabel. Fremdgestaltet bedeutet, dass Hersteller diese Aufgabe an Dritte vergeben (indirekter Weg). Dabei kann es sich um eine dezentrale Vergabe handeln, die im Effekt aber den Nachteilen der Eigengestaltung nahe kommt, oder um eine zentrale Vergabe, bei der sich mehrere (alle) Verursacher eines gemeinsamen Dritten zur Funktionserfüllung bedienen. Dabei kann es sich um Hersteller einer Branche, um Hersteller verschiedener Branchen oder Verursacher verschiedener Wirtschaftsbereiche (z. B. Hersteller und Handel) handeln (z. B. DSD). In diesem Fall ist eine zwei- oder mehrstufige Redistribution unter Einschaltung von Mittlern oder Helfern gegeben. Allerdings müssen die rückgeführten Ver­ packungen und Produkte nicht unbedingt beim Verursacher auftauchen, sondern dieser kann sich zur Entsorgung gleichfalls Dritter bedienen, die gegen (positives oder negatives) Entgelt bzw. gegen Warentausch (Rohstoff gegen Recyclat) tätig werden und nur die Gestaltung der Redistribution übernehmen. Bei indirekter Redistributionsstrategie können viele Mittler auf einer Stufe eingeschaltet werden, damit möglichst alle Konsumrückstände flächendeckend wieder- und weiterverwertet werden können. Oder nur wenige, qualitativ ausgewählte Mittler, um ökonomische Randbedingungen einzuhalten, oder aber nur ein Mittler (wie in Form des DSD bei Verpackungen). Zudem sind vielfältige Kooperationen denkbar, zumal sich Verwertungen meist nur bei hohem und stetigem Einsatz­ materialaufkommen rechnen (weshalb vielfach bereits Abfall fremd zugekauft wird). Allgemein marktregulierend greift der Gesetzgeber ein. Die Verordnung über die Entsorgung von Altautos sieht etwa vor, dass alle Automobile, die nicht älter als 12 Jahre sind, in anerkannten Annahmestellen oder in Verwertungsbetrieben für den Halter kostenlos entsorgt werden müssen. Bei Fahrzeugabmeldung an den Zulassungsstellen verlangen diese einen Verwertungsnachweis oder eine Ver-

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bleibserklärung. Kfz-Betriebe können als anerkannte Annahmestellen für Altautos zertifiziert werden. Die Automobilhersteller sind zunächst verpflichtet, alle Fahrzeuge, die ab 2006 zugelassen wurden, kostenlos für eine ordnungsgemäße Verwertung zurückzunehmen.

5.4.6 Logistische Absatzhelfer Logistische Absatzhelfer sind vor allem Transport- und Lagerunternehmen wie Spedition, Paketdienst, Verkehrs- und Depotbetrieb etc. Sie organisieren den Zeitund Raumtransfer von Waren, ohne dabei deren Eigentümer zu werden. Der Spediteur übernimmt im eigenen Namen, aber auf Rechnung des Auftraggebers die Planung und Durchführung des Transports vom Absender zum Empfänger inklusive aller Nebendienste. Der Frachtführer verbringt hingegen die Waren selbst, muss aber nicht mit dem Spediteur identisch sein. Der Lagerhalter trägt für die Einhaltung der Qualität und Quantität der Ware Sorge.

Abbildung 72: Beteiligte im Versand

5.4.6.1 Spediteur Der Spediteur ist selbstständiger Kaufmann im logistischen Bereich, der gewerbsmäßig in eigenem Namen, aber für fremde Rechnung (des Versenders) die Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle der Beförderung von Gütern vom Absender zum Empfänger durch einen Frachtführer oder durch Verfrachter von Seeschiffen besorgt (§§ 453 ff. HGB). Er tritt damit als Transportvermittler auf und übernimmt meist alle zum Transport gehörenden Nebenleistungen wie Versicherung, Zwischenlagerung, Dokumentenbeschaffung, Verzollung etc. Die Vermittlung beinhaltet die kaufmännische Verwaltung und organisatorische Handlung

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und Kontrolle der Frachtführer. Oft übernimmt der Spediteur auch selbst die Funktion des Frachtführers, indem er die Ware mit eigenen Transportmitteln befördert, und evtl. auch die Funktion des Lagerhalters. Wird der Versand zu bestimmten Beförderungskosten durchgeführt, hat er nur die Rechte und Pflichten eines Frachtführers. Der Versandspediteur übernimmt im Vorlauf Sendungen bei verschiedenen Versendern, stellt diese Sendungen nach Verkehrsrichtungen zusammen und sorgt für den Transport im Hauptlauf als Sammelladung. Der Empfangsspediteur wird beauftragt, im Nachlauf die Ladung in Empfang zu nehmen, sie zu entladen, nach Einzelsendungen zu sortieren und dem einzelnen Empfänger auszuliefern. Dabei sind auch Zwischenspediteure eingeschaltet. Spediteure im gewerblichen Güternah- und -fernverkehr werden behördlich zugelassen. Vertragsgrundlage sind die Allgemeinen Deutschen Spediteursbedingungen (ADSp). Sie schließen Frachtverträge ab und erscheinen auf Frachtbriefen als Absender. Der Spediteur erhält als Vergütung Provision und Übernahme-/Auslagenersatz, hat ein gesetz­ liches Pfandrecht am Beförderungsgut, wenn der Versender seiner Zahlungspflicht nicht nachkommt, kann auch selbst als Frachtführer in die Ausführung des Vertrags eintreten und wählt in Abstimmung die bestgeeignete Beförderung. Der Spediteur haftet bei Verlust oder Beschädigung bei nachweisbarem Verschulden. Er hat seine Sorgfaltspflicht bei der Ausführung des Transportgeschäfts walten zu lassen (insb. bei der Auswahl eines geeigneten Frachtführers) und die Interessen als Treuhänder seiner Kunden zu wahren. Und er hat Weisungen gegenüber dem Versandauftrag des Auftraggebers zu befolgen und (Gewährleistungs-)Rechte gegenüber seinem Auftraggeber zu wahren. Das Speditionsbuch ist Teil der betrieblichen Buchführung einer Spedition, das Aufträge und ausgeführte Leistungen in einem entsprechenden Ordnungssystem enthält. Die Eintragungen erfolgen chronologisch und sind jeweils zur Kontrolle mit einer Ident-Nummer als Kennung versehen. Bei der Gebietsspedition werden regional zusammen liegenden Lieferanten Spediteure zugeordnet, welche die einzelnen Beschaffungsvorgänge konsolidieren und einen oder mehrere Abnehmer in Sammelladungen beliefern. Damit werden alle mit gleicher Versandrichtung zu befördernden Güter zusammengefasst. Das bringt einen Kostenvorteil, zugleich aber auch einen Zeitnachteil. Es lassen vier Generationen von Logistik-Services unterscheiden: •• First party logistics bezeichnet die Beauftragung von Frachtführern zur Übernahme logistischer Dienstleistungen, die vom Unternehmen selbst organisiert werden, •• Second party logistics bezeichnet die Beauftragung von Spediteuren mit logistischen Leistungen (Transport, Umschlag, Lagerung), die diese von Frachtführern ausführen lassen, •• Third party logistics bezeichnet die dauervertragliche Übernahme von Logistikdienstleistungen (TUL) durch Spediteure im Rahmen der Kontraktlogistik,

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•• Fourth party logistics bezeichnet das komplette Outsourcing von Logistik-Services an entsprechende Dienstleister, die nach vorgegebenen Standards (Service level agreements) zu vereinbarten Festkonditionen eigenverantwortlich diese Aufgaben mit Absatzhelfern koordinieren, ohne sie selbst auszuführen. Die Tätigkeiten des Spediteurs sind dabei vielfältig: •• Beratung und Besorgung für Wahl des Frachtführers, des Transportmittels/ -wegs, Aushandeln von Frachtraten und Konditionen, Abschluss von Frachtverträgen, Beschaffung von Dokumenten, •• Beförderung mit Durchführung von Frachtführertätigkeiten (bei Selbsteintritt), •• Beratung über geeignete Lagermöglichkeiten, Durchführung des Ein- und Auslagerns, Lagerung, Warenmanipulation, Lagerbestandsmanagement, Kommissionierung, •• Sammeln, Verteilen, Durchführen des Spediteur-Sammelgutverkehrs, •• Besorgen und Durchführen des physischen Güterumschlags, •• Verpackung, Markierung, Entfernung von Herkunftszeichen, Umpacken, Um­ sig­nieren, Bemusterung, Mengen- und Qualitätsfeststellung, •• Warenversicherung und Ausführung spezieller Dienste in Treuhänderfunktion, •• Inkasso bei Fracht- und Warennachnahmen, •• Zollbehandlung, •• Ausführung spezieller Services als Treuhänder zwischen Käufer und Verkäufer, insb. im Auslandsabsatz, •• Abwicklung von Anlagetransporten, Spezialverkehr (Frucht, Gefahrgut, Kühlgut, Möbel etc.). 5.4.6.2 Frachtführer Als Frachtführer zur Güterbeförderung gilt, wer sich als selbstständiger Kaufmann durch Abschluss eines Beförderungsvertrags gewerbsmäßig verpflichtet, die Beförderung von Gütern per Schiene, Straße, See, Luft, Binnengewässer oder in einer Kombination dieser Transportarten je nach Zweckmäßigkeit durchzuführen (§ 437 HGB, § 442 HGB). Der Frachtführer verbringt Waren selbst, ohne sich jedoch mit den zum Transport erforderlichen Vor- und Hilfsleistungen zu befassen. Die Beförderung erfolgt in eigenem Namen, aber für fremde Rechnung, sie gilt als erfüllt, wenn Gut und Frachtbrief beim Empfänger übergeben werden. Sichtbare Mängel der Fracht sind sofort zu rügen, versteckte Mängel innerhalb einer Woche nach Annahme. Der Frachtführer hat ein Recht auf Ausstellung eines Fracht­ vertrags (meist als Frachtbrief), welcher die Bedingungen für die Beförderung ent-

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hält, und übergibt den Frachtbrief und alle Begleitpapiere. Er hat außerdem ein gesetzliches Pfandrecht am Beförderungsgut bei Zahlungsverweigerung für begründete Forderungen, und erhält die Transportkosten incl. Auslagen vom Auftraggeber erstattet. Dafür leistet er fristgerechte Beförderung und Erfüllung aller vertraglichen Pflichten, befolgt Weisungen des Auftraggebers, benachrichtigt diesen unverzüglich bei Ablieferungshindernissen und haftet für Verlust, Lieferfristüberschreitung und Beschädigung sowie Nichtbefolgung nachträglicher Verfügungen des Absenders. Der Frachtführer hat dem Absender die Ladebereitschaft anzuzeigen, die Güter mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu befördern und an den berechtigten Empfänger am vereinbarten Entladeplatz zur Verfügung zu stellen. Der Frachtführer haftet für Schäden, sofern ihn oder seine Erfüllungsgehilfen ein Verschulden trifft. Den Entlastungsbeweis muss er führen, sofern aus dem Vertrag nichts Gegenteiliges hervorgeht. Die Haftungshöhe ist unbegrenzt, sofern nicht anders vertraglich vereinbart. Er hat die Weisungen des Empfängers zu befolgen und alle vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen, vor allem die Übergabe der Ware und die Ausstellung eines Ladescheins.

Abbildung 73: Warenumschlag über Frachtführer

Der Frachtführer erhält ein gewichtsbezogenes Rollgeld für den Transport von Waren vom Lager des Versenders bis zum Versandbahnhof bzw. vom Bestimmungsbahnhof bis zum Lager des Empfängers. Ablader ist derjenige, der aufgrund eines zwischen Befrachter und Verfrachter geschlossenen Beförderungsvertrags Güter zur Beförderung mit Seeschiffen übergibt. Der Luftfracht-Agent ist ein Absatzhelfer, der speziell die Abwicklung des Vor- und Nachtransports, die Verpackung und die Versicherung bei Luftfracht übernimmt. Teilweise erledigt er seine Dienste auch in Terminals außerhalb des Flughafens. Zudem werden kleinere Versandmengen von ihm kostengünstig zusammengefasst.

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5. Die technische Auftragsbearbeitung

5.4.6.3 Lagerhalter Der Lagerhalter ist ein selbstständiger Kaufmann, der gewerbsmäßig und gegen Entgelt die Lagerung und Aufbewahrung von Gütern übernimmt (zum Ausgleich von Produktionsschwankungen, Absatzschwankungen oder zur Veredelung) (§ 467 HGB). Er ist praktisch häufig identisch mit dem Frachtführer oder Spediteur. Für das eingelagerte Gut wird ein Lagerschein ausgestellt, der ein Inhaberpapier, Namenspapier oder Orderpapier sein kann. Lagerfähig sind bewegliche Sachen, nicht jedoch Geld, Wertpapiere oder Tiere. Das Lagergeschäft wird von Spediteuren, Transportunternehmen sowie den staatlichen und privaten Lagerhausgesellschaften betrieben. Der Lagervertrag kommt durch Antrag und Annahme zustande und ist formfrei. Leistungen sind meist Einlagern, Lagern, Auslagern sowie damit verbundene Nebenleistungen. Die Art der Lagerung bestimmt sich aus den bau- und feuerpolizeilichen Vorschriften, der Art der Güter und den Anweisungen des Auftraggebers. Für die eingelagerten Waren wird eine Lagerkartei geführt. Die Spesen richten sich nach Stückzahl, Gewicht, Fläche und Zeit der Lagerung. Der Lagerhalter trägt für die Einhaltung der Qualität und Quantität der Ware während einer Zeitüberbrückung Sorge. Rechte des Lagerhaltes sind sein Anspruch auf Lagergeld und Aufwendungsersatz, das Pfandrecht am Gut bei Nichtzahlung der Lagerkosten durch den Einlagerer, der Selbsthilfeverkauf des Lagerguts und die Kündigung des Lagervertrags. Pflichten des Lagerhalters sind neben der Lagerung und sorgfältigen Behandlung des Guts die Warenprüfung des einzulagernden und die laufende Kontrolle des eingelagerten Guts, die Erlaubnis zur Besichtigung des Guts, zur Entnahme von Proben und die Rückgabe des Guts durch den Einlagerer, die Ausstellung eines Lagerscheins bei Übernahme, die Benachrichtigung des Einlagerers bei drohender Verschlechterung des Guts (Wertminderung/Verderb), die Versicherung der gelagerten Ware und Aushändigung an den Empfangsberechtigten, die Verhinderung der Vermischung während der Lagerung und die Haftung bei Verletzung der Sorgfalts- und Benachrichtigungspflicht. Bei der Einzel-(Sonder-)lagerung wird das Lagergut des Kunden getrennt von anderen Gütern gehalten, auch wenn eine Vermischung möglich wäre. Der Kunde hat also die Gewissheit, dass seine Ware jederzeit genau identifizierbar bleibt. Dadurch steigt allerdings der Lageraufwand. Bei Sammellagerung ist eine Vermischung/Vermengung des Lagerguts verschiedener Eigentümer erlaubt, wenn diese damit einverstanden und die Lagergüter im Übrigen gleichwertig sind.

6. Die Durchführung des Verkaufs

Abbildung 74: Verkauf-Kauf-Synchronisation

6.1 Verkauf-Kauf-Synchronisation Im Folgenden wird der Versuch unternommen, die einzelnen Phasen des (gewerblichen) Beschaffungsprozesses chronologisch aufzuzeigen und die Aktivitäten in den jeweiligen Phasen zu analysieren. Diese spiegeln die entsprechenden Vertriebsaktivitäten. Wegen der Allgemeingültigkeit dieser Phasen entsteht daraus ein Referenzmodell des gewerblichen Beschaffungsprozesses in zehn Phasen.

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6. Die Durchführung des Verkaufs

Abbildung 75: Nachfrager- und Anbieteraktivitäten

6.1.1 Initialphase In der Initialphase erfolgt die eigentliche Problemerkennung. Diese kann initiativ vom Nachfrager ausgehen oder, wie heute häufig, durch den Anbieter pro­ aktiv induziert werden, d. h., der Anbieter macht auf ein Problem aufmerksam, das dem Nachfrager so noch gar nicht bewusst war (denkbar ist auch eine Initialisierung durch Externe). Die Aktivitäten in der Initialphase sind vor allem davon abhängig, ob es sich beim zu beschaffenden Produkt oder Service um einen solchen mit hohem oder niedrigem Versorgungsrisiko und Beschaffungsvolumen handelt. Dies wird meist in Form eines Portfolios veranschaulicht, wobei folgende Produkte unterschieden werden: •• Strategische Produkte weisen ein hohes Versorgungsrisiko und ein hohes Beschaffungsvolumen auf. Daher bedarf es nachfragerseitig einer präzisen Bedarfsprognose und sicherer, langfristiger Lieferantenbeziehungen. Evtl. ist auch eine Entscheidung über Eigenfertigung oder Zukauf (Make or buy) erforderlich. •• Engpassprodukte weisen ein hohes Versorgungsrisiko, aber ein niedriges Beschaffungsvolumen auf. Hier geht es dem Abnehmer in erster Linie um die Mengensicherung des beschafften Produkts, flankiert von Ausweichplänen für den Notfall von Lieferausfällen.

6.1 Verkauf-Kauf-Synchronisation

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•• Schlüsselprodukte weisen ein niedriges Versorgungsrisiko, aber ein hohes Beschaffungsvolumen auf. Hier gilt es anbieterseitig, die Einkaufsmacht des Abnehmers für günstige Konditionen auszugleichen und zu den gezielt selektierten Lieferanten zu gehören. •• Standardprodukte weisen ein niedriges Versorgungsrisiko und ein niedriges Beschaffungsvolumen auf. Insofern werden nachfragerseitig eine Standardisierung der Produkte und eine Optimierung der Auftragsmengen angestrebt.

Abbildung 76: Beschaffungsmarktrisiko-Gewinneinfluss-Matrix

Entsprechend der Kaufklasse, in die ein angebotenes Produkt fällt, sind Aussagen über die Nachfrageraktivitäten möglich. Neben der Produktklasse spielt jedoch auch der Lieferantenstatus beim Kunden eine wichtige Rolle. Dabei werden zumeist vier Klassen unterschieden: •• Strategische Lieferanten sind solche, für die aus Kundensicht anderweitig keine wirklich akzeptablen Alternativen am Markt zu finden sind und die ein hohes Entwicklungspotenzial darstellen. Insofern nimmt der Lieferant hier eine starke Position ein. Ziel jedes Lieferanten muss es daher sein, bei seinen Kunden ein A-Lieferant zu werden und zu bleiben. Nachfragerseitige Aktivitäten sind hier der Aufbau einer langfristigen Zusammenarbeit, eine Single sourcing-Politik, die Förderung aktiver Beschaffungsmarktforschung, intensive Untersuchung von Make or buy und die Unterstützung von Standardisierungs­ bemühungen. •• Engpasslieferanten sind solche, für die aus Kundensicht immerhin Alternativen am Markt bereits vorhanden sind oder herangezogen werden können, auf die jedoch zumindest nicht unmittelbar ausgewichen werden kann. Hier besteht also eine Positionsbalance bei hohem Entwicklungspotenzial. Nachfragerseitige

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6. Die Durchführung des Verkaufs

Aktivitäten sind hier die Sicherstellung der Versorgung über langlaufende Lieferverträge, die Vermeidung eines kurzfristigen Lieferantenwechsels, die Konzentration auf „sichere“ Lieferanten, der Aufbau geplanter Bestände zur Risikovermeidung und die Förderung neuer Lieferanten. •• Kernlieferanten sind solche, die aus Kundensicht in ihrer Leistung austauschbar zu vielfältigen Anderen sind, allenfalls ein gewisses Entwicklungspotenzial bieten, das sich zur Lieferantenentwicklung anbietet. Daraus leitet sich ihre Attraktivität ab. Nachfragerseitige Aktivitäten sind hier ein offensives Auftreten am Beschaffungsmarkt, die Nutzung von Nachfragemacht, die intensive Suche nach neuen Lieferanten, der internationale Lieferantenvergleich, die Verlagerung von Qualitätssicherung und Vorratshaltung zum Lieferanten hin und die Überprüfung der Preisbestandteile (Preisstrukturanalyse). •• Standardlieferanten sind solche, die aus Kundensicht in ihrer Leistung austauschbar zu vielfältigen Anderen sind und ein geringes Entwicklungspotenzial aufweisen. Daher befinden sich Lieferanten hier in einer schwachen Position und Preise und Konditionen werden zu vordergründigen Absatzargumenten. Nachfragerseitige Aktivitäten sind hier der Aufbau von IuK-Techniken im Einkaufsprozess, die Anwendung „leaner“ Versorgungskonzepte und der Übergang von Eigenfertigung zu Fremdbezug. Daraus folgt unmittelbar, dass es das Ziel jedes Anbieters sein muss, ein wenig oder nicht austauschbares (uniques) Produkt zu offerieren. Für die konkrete Kontaktaufnahme sind anbieterseitig zwei Ansätze möglich. Passivität bedeutet, dass nicht proaktiv angesetzt wird, vielmehr wird abgewartet, bis Anfragen eingehen. Dies wird bei vergleichsweise hoher Markttransparenz möglich (wenige Anbieter und wenige Nachfrager, d. h., man wird angefragt), allerdings entsteht ein Bindungseffekt durch fortschreitende Festlegung von Entscheidungsalternativen mit Mitbewerbern im Zeitablauf, d. h., andere Anbieter haben möglicherweise einen Angebotsvorteil allein aus der Tatsache heraus, dass sie früher mit dem potenziellen Abnehmer interagiert haben. Aktivität bedeutet, dass proaktiv eingegriffen wird. Dazu wird meist gezielte Kommunikationspolitik zur Stimulierung des Bedarfs eingesetzt, d. h. ein Signaling, dass man als Anbieter zu einer bestimmten Problemlösung fähig ist und auch willens, diese Problemlösung mit dem potenziellen Abnehmer zu finden. Nur dieser Ansatz ist aus Vertriebssicht zweckmäßig. Denn es ist eminent wichtig, so früh wie möglich und so lang wie nötig im Kontakt mit der Nachfrageseite zu stehen, denn über diese Zeitachse hinweg entsteht begleitend eine gegenseitige Einstimmung und Annäherung der Positionen (Creeping commitment). Damit hat derjenige Anbieter die besten Chancen, zum Abschluss zu gelangen, der am längsten mit der Nachfrageseite interagiert und dies ist wiederum derjenige, der als Erster die Interaktion proaktiv initiiert.

6.1 Verkauf-Kauf-Synchronisation

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6.1.2 Konzeptionsphase Für die Konzeptionsphase ist eine möglichst exakte Beschreibung der kundengewünschten Problemlösung erforderlich. Dazu dient (neben dem Markt-Signaling auf Anbieterseite) das Bedarfs-Screening auf Nachfragerseite. Das Lastenheft gibt dabei eine objektive (meist technische) Problemdefinition (Was), für die eine Lösung durch Zukauf gesucht wird. Es geht um die Summe der Forderungen, Bedürfnisse und Erwartungen an das zu beschaffende Erzeugnis hinsichtlich Liefer- und Leistungsumfang. Dazu gehören die Projektvorstellung, die Beschreibung der Istsituation, die Aufgabenstellung, die Bestimmung der Integration, die technischen Anforderungen, die Anforderungen an Inbetriebnahme/Einsatz, die Qualitätsmaßstäbe, die Projektabwicklung, die Aufwandskalkulation sowie spezifische infrastrukturelle und personelle Forderungen. Der Pflichtenkatalog enthält dann die denkbare oder präferierte Lösungskonzeption für das technische Problem (Wie). Er beschreibt die Produkteigenschaften/Produktionsverfahren. Es geht um die Umsetzung der Kundenforderungen in Entwicklungs- und Produktionsparameter unter Beachtung aller Randbedingungen und äußeren Einflüsse (Marktsituation, Entwicklungsziel, technische Parameter, Qualität, Einhaltung der Vorschriften/Verordnungen/Gesetze/Normen/Patente, Stückzahlen, Liefertermine, Kosten/Preise, personelle Forderungen etc.). Dasjenige Angebot hat die größte Chance, zum Zuge zu kommen, das in seinen Merkmalen der Beschreibung von Lastenheft und/oder Pflichtenkatalog am Ehesten entspricht. Daher ist es anbieterseitig sinnvoll, bereits auf diese Beschreibung proaktiv derart Einfluss zu nehmen, dass die dort beschriebenen Angebotsmerkmale möglichst gut mit den tatsächlichen Merkmalen des eigenen Angebots übereinstimmen. Dies geschieht in der Regel, indem ein gewiefter Vertriebsbeauftragter den potenziellen Käufer in der Konzeption seines Kaufobjekts berät oder einen entsprechend ausgearbeiteten Vorschlag unterbreitet. Im Grunde geht es dabei um den zentralen Hebel der Geschäftsbeziehung aus Lieferantensicht, nämlich die Entlastung des Abnehmers von Arbeitsaufwand, Zeitaufwand und Risiko. Generell muss es das Ziel sein, das wahrgenommene Risiko des Käufers zu senken, da dieses als Barriere zwischen Verkäufer und Abschluss steht. Dieses Käuferrisiko lässt sich im Einzelnen in mindestens fünf Teilrisiken aufspalten. Das Qualitätsrisiko beinhaltet die Ungewissheit, ob das angebotene Produkt den Erwartungen und Anforderungen im Hinblick auf seine objektive (meist technische) Problemlösungsfähigkeit entspricht. Hier muss Risikoreduktion durch aussagefähige Funktionsnachweise herbeigeführt werden, welche die Zweckeignung der Problemlösung belegen. Das Herstellerrisiko beinhaltet die Unsicherheit des Abnehmers hinsichtlich der fachlichen Qualifikation und Zuverlässigkeit des Lieferanten. Hier muss Risiko­ reduktion herbeigeführt werden, indem vertrauenswürdige Informationen über den

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6. Die Durchführung des Verkaufs

Hersteller geboten werden, z. B. seine Branchenstellung, seine Betriebserfahrung, seine Anerkennung im Markt. Das Preisrisiko beinhaltet die Unsicherheit des Abnehmers darüber, einen unangemessen hohen Preis für das ihm angebotene Produkt zu zahlen. Hier muss Risikoreduktion herbeigeführt werden, indem der Preis statt absolut relativ als Preis-Leistungs-Verhältnis argumentiert und die tatsächliche Vergleichbarkeit vom Nachfrager zum Vergleich herangezogener Alternativen erschüttert wird. Das Informationsrisiko beinhaltet die Unsicherheit des Abnehmers, nicht über das erforderliche Maß an Informationen zur Bewertung angebotener Lösungen zu verfügen. Hier muss Risikoreduktion herbeigeführt werden, indem Kaufinteressenten gerade soviel Information zur Verfügung gestellt wird, wie funktional sinnvoll ist. Denn ein Übermaß an Information ist ebenso schädlich wie ein Zurückhalten relevanter Informationen. Das Sozialrisiko beinhaltet die Unsicherheit des Abnehmers darüber, wie der Kaufentscheid in seinem sozialen (beruflichen) Umfeld aufgenommen wird. Hier muss Risikoreduktion durch die Anführung von Referenzkunden herbeigeführt werden, die als Vergleichsmaßstab für die Tauglichkeit der eigenen Entscheidung dienen. Eine Risikoreduktion kann sich auf folgende Absichten beziehen: •• Reduktion externer Ungewissheiten wie z. B. Besichtigung einer Referenz­ anlage des Anbieters, •• Reduktion interner Ungewissheiten wie z. B. Kontaktaufnahme zu anderen Kunden des Anbieters, •• Begrenzung externer Konsequenzen wie z. B. Order splitting auf zwei oder mehr Lieferanten, •• Begrenzung interner Konsequenzen wie z. B. organisatorische Verantwortungsdelegation auf Vorgesetzte oder Gremien. Parallel dazu ergeben sich Risiken auch auf der Verkäuferseite: •• Das Akquisitionsrisiko beinhaltet die Unsicherheit, ob eine Chance zum Auftragserhalt besteht oder die Bemühungen erfolglos verlaufen. •• Das Preisrisiko beinhaltet die Unsicherheit, für das Produkt die gewünschten/ erforderlichen Konditionen beim Abnehmer durchsetzen zu können. •• Das Kostenrisiko beinhaltet die Unsicherheit, ob unausweichliche Erlösschmälerungen eintreten, die den Gewinn vermindern. •• Das Referenzrisiko beinhaltet die Unsicherheit, ob die Transaktion auch so abgewickelt werden kann, dass sie referenztauglich für andere Abschlüsse ist.

6.1 Verkauf-Kauf-Synchronisation

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6.1.3 Sondierungsphase

Abbildung 77: Wichtige Sourcing-Strategien

In der Sondierungsphase geht es dem Kaufinteressenten um die konkrete Suche nach Lieferanten vorgegebener Eigenschaften. Dazu werden nachfragerseitig verschiedene Beschaffungsstrategien eingesetzt, die sich nach Anzahl, Herkunft und Aufgabenumfang gliedern lassen. Zunächst zur Anzahl der Lieferanten: •• Mit Single sourcing ist gemeint, dass der Abnehmer sich in jeder Produktgruppe auf genau einen Lieferanten festlegt. Als In Supplier hat man dabei im Wesentlichen die Aufgabe, den Kunden in der Richtigkeit seiner Partnerwahl zu bestätigen und irritierende Informationen, die ihn zu einem neuerlichen Angebotsvergleich motivieren könnten, zu neutralisieren. •• Mit Dual sourcing ist gemeint, dass der Abnehmer sich in einer Produktgruppe alternierend zweier Lieferanten bedient, meist im Mengenverhältnis ca. 70 : 30. Motiviert ist diese Sourcing-Strategie durch ein Sicherheitsdenken. Hier muss es das Ziel des dominierenden Lieferanten sein, seinen Anteil zu verteidigen und nach Möglichkeit in Richtung Single sourcing auszubauen. Das Ziel des subordinaten Lieferanten muss es hingegen sein, seinen Anteil auszubauen und nach Möglichkeit mit dem des dominanten Lieferanten zu tauschen. •• Mit Multiple sourcing ist gemeint, dass der Kaufinteressent sich in jeder Produktgruppe mehrerer Lieferanten bedient, die er einem Angebotsvergleich unterzieht, um beim jeweils günstigsten von ihnen zu bestellen. In einer solchen Situation gilt es, den Kreis der Mitbewerber zu verkleinern und den eigenen Lieferanteil zu vergrößern, da ansonsten ein kontinuierliches Wettrennen um die besten Konditionen einsetzt, das kaum erfolgreich durchzuhalten ist. •• Mit Sole sourcing ist gemeint, dass der Kaufinteressent sich in jeder Produktgruppe nur einem Lieferanten gegenüber sieht. Dadurch entsteht in den seltenen Fällen absoluter Monopole eine Angebotsmacht. Wird diese überzogen, können vom Käufer Alternativen bewusst entwickelt werden. Daher darf keinesfalls die Schmerzgrenze der Akzeptanz des Kunden überzogen werden, da da-

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6. Die Durchführung des Verkaufs

mit solche Alternativen (auch im eigenen Haus durch Rückwärtsintegration) geradezu provoziert werden. Eine weitere Unterscheidung geht nicht von der Zahl der Anbieter, sondern vom räumlichen Gebiet, innerhalb dessen ein Kaufinteressent nach Lieferanten sucht, aus. Dabei kommt es zu drei Formen: •• Beim Global sourcing erfolgt eine räumlich unbegrenzte, internationale Lieferantensuche. Dies ist eine unangenehme Situation, wenn ein Lieferstandort unveränderliche Nachteile aufweist, welche die Wettbewerbsfähigkeit des eigenen Angebots in Mitleidenschaft ziehen. •• Beim Local sourcing erfolgt eine auf den Betriebsstandort bezogene Lieferantensuche. Das heißt, jeder, auch internationale, Standort des Abnehmers bestimmt seine Lieferanten unter der Auswahl der im jeweiligen lokalen Umfeld ansässigen Lieferanten. Dies zwingt Anbieter, die globalisierte Unternehmen beliefern, zur Internationalisierung ihrer Aktivitäten, da sie ansonsten für einzelne Standorte nicht mehr als Lieferanten in Betracht gezogen werden können. •• Beim Domestic sourcing werden nur inländische Lieferanten berücksichtigt. Dies ist häufig bei Local content-Vereinbarungen der Fall, die etwa im jeweiligen Ausland aus Protektionismusgründen vorgegeben werden. Dann ist es unvermeidlich, das Liefervolumen in inländische und ausländische Anteile aufzusplitten. Zugleich ergeben sich Möglichkeiten zu Gegengeschäften. Beschaffungsüberlegungen gehen aber weit über die eigene Prozessstufe hinaus und betreffen erweiterte Aufgabenumfänge. Dabei findet eine zunehmende Integra­ tion der Wertschöpfungskette zwischen Lieferant und Abnehmer statt (Process sourcing). Diese Wertschöpfungskettenverschränkung bezieht sich im Einzelnen auf: •• Produktionsprozesse, d. h. die Kombination der Produktionsfaktoren in der Wertschöpfung (Stichworte sind hier Quality audits, Design to cost oder Wertanalyse), •• Logistikprozesse, d. h. die (Zwischen-)Lagerung und der (Zwischen-)Transport von Leistungen (Stichworte sind hier Kanban-Prinzip, Just in time-Prinzip oder Efficient consumer response/ECR), •• Know-how-Prozesse, d. h. Problemlösungen, die aus Produkten und begleitendem Wissen bestehen (Stichworte sind hier Lebenszeitvertrag, Simultaneous engineering/SE oder Betreibermodell), •• Nachhaltigkeitsprozesse, d. h. die Sichtweise des gesamten Lebenszyklus, nicht nur der Anschaffung (Stichworte sind hier Öko-Audit, Total cost of ownership/ TCO oder Redistribution). Im Rahmen der Wertkettendenkweise ist etabliert, dass jeder Wertschöpfende sich auf denjenigen Ausschnitt der gesamtwirtschaftlichen Wertkette konzentrieren soll, der seiner Kernkompetenz entspricht. Alles andere unterfällt dem Out-

6.1 Verkauf-Kauf-Synchronisation

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sourcing an Dritte, deren jeweilige Kernkompetenz dies ist. Von diesem Prozess des Outsourcing profitieren Anbieter im Rahmen des gesamtwirtschaftlichen Beschaffungsvolumens. Denkbar ist aber auch das Insourcing im eigenen Unternehmen, indem Kernkompetenz-Lieferanten ihren Wertschöpfungsanteil am Ort des Abnehmers erbringen. Dies geht von Industriepark-Modellen über verselbstständigte Arbeitsstationen bis zu Betreibermodellen (Pay on production), die faktisch, jedoch nicht rechtlich (Pacht), einem Leasing gleichkommen. Die gesamtwirtschaftliche Wertkette besteht somit aus den addierten einzelwirtschaftlichen Wertketten, die miteinander verschränkt sind. Um die Komplexität dieser Beziehungen einzelwirtschaftlich zu limitieren, wird eine Lieferanten­ hierarchie angestrebt. Dabei werden vereinfachend drei Stufen unterschieden: •• Systemlieferanten (Systems sourcing) sind solche, die dem Anbieter am Endkundenmarkt komplexe Funktionssysteme anliefern, von denen sie alle Anteile selbst gefertigt haben, die ihrer Kernkompetenz entsprechen, und von denen sie alle anderen Anteile fremd zugekauft haben. •• Komponentenlieferanten (Modular sourcing) sind solche, die dem Systemlieferanten abgegrenzte Funktionskomponenten anliefern, von denen sie alle Anteile selbst gefertigt haben, die ihrer Kernkompetenz entsprechen und den Rest ihrerseits fremd zukaufen. •• Teilelieferanten (Particular sourcing) sind solche, die dem Komponentenlieferanten einfache Funktionsteile anliefern, die sie selbst gefertigt haben. Es ist unmittelbar einsichtig, dass es gilt, ein Unternehmen innerhalb der Lieferantenhierarchie als Systemlieferant zu positionieren. Denn erstens hat nur dieser noch unmittelbaren Kontakt zum Anbieter am Endkundenmarkt (OEM) und zweitens bieten nur komplexe Systeme die Chance der Einbringung von Wissensvorteilen. Schon bei Komponentenlieferanten sind die Know-how-Anforderungen begrenzt, statt dessen spielen Preisargumente eine große Rolle. Dies gilt erst recht für Teilelieferanten, die am Ende der Lieferantenhierarchie weitgehend austauschbar und einem stetigen Preiskampf ausgesetzt sind. Die Beschaffung kann weiterhin individuell oder kooperativ erfolgen. Für eine kooperative Auslegung (Collective sourcing) spricht vor allem die Möglichkeit zur Nutzung von Kostendegressionen. Wenn mehrere Abnehmer ihr jeweiliges Abnahmevolumen poolen, können sie potenziellen Lieferanten gegenüber ihre Einkaufsmacht erhöhen. Dies ist für alle Einkaufsobjekte möglich, die nicht strategischen Charakter haben, also keine komparativen Konkurrenzvorteile (KKV’s) begründen. Dies sind in aller Regel Objekte, die nicht kunden-wahrnehmbar sind (beim Pkw etwa das Meiste, was unter dem Blech und außerhalb des Innenraums stattfindet) oder nicht kunden-wichtig (beim Pkw etwa vorgeschriebene Funktions­ ausstattungen). Dies gilt weiterhin für Einkaufsobjekte, die nicht in das Endprodukt eingehen. Die kooperative Beschaffung erfolgt dann zumeist über Internet-Marktplätze.

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6. Die Durchführung des Verkaufs

6.1.4 Anfragephase Die Anfrage soll eine möglichst genaue Beschreibung der Art des gewünschten Produkts bzw. des zu lösenden Problems incl. der anzuwendenden Standards bieten. Dazu gehören möglichst konkrete Angaben über die gewünschte Kapazitätsauslegung, Hinweise auf den geplanten Rohstoffeinsatz sowie das verfügbare Personal, außerdem Aussagen über absatzmarktbestimmte Anforderungen an die zu erzeugenden Leistungen insb. hinsichtlich ihrer Qualität, Angaben über Integrationsmöglichkeiten bzw. -notwendigkeiten beim Betreiber, Vorstellungen über gegebene Restriktionen (z. B. bedingt durch Standort, Klima, Umweltauflagen, staatliche Vorschriften), dann Lieferzeitvorstellungen, Garantiewünsche incl. Vertragsstrafen bei Nichteinhaltung, weiterhin Bedingungen des Nachfragers bzgl. der Übernahme und Heranziehung von Eigenleistungen, gleiches gilt für Leistungen Dritter, Finanzierungsmöglichkeiten bzw. -grenzen und allgemeine Geschäftsbedingungen. Dabei sind auf Abnehmerseite auf einander aufbauend mehrere Entscheidungen erforderlich: •• Die Budgetentscheidung bestimmt, welche Anschaffungen überhaupt finanzierbar sind. Dazu kann der Finanzierungsrahmen gezielt ausgeweitet werden. Daher gehören differenzierte Absatzfinanzierungsmaßnahmen (Financial engineering) zum Standardrepertoire jedes wettbewerbsfähigen Anbieters. •• Die Produktgruppenentscheidung (was?) bestimmt, welche Anschaffungen am Dringlichsten durchzuführen sind. Hier kann die Problemlösungsfähigkeit eines Produkts dramatisiert werden, so dass die betreffende Gruppe zu dessen Anschaffung priorisiert wird. •• Die Lieferantenentscheidung (wer?) bestimmt, welche Lieferanten für die jeweiligen Anschaffungen ins Auge gefasst werden. Hier muss darauf hingewirkt werden, dass das eigene Unternehmen zumindest zum Kreis der präferierten Lieferanten gehört (Preferred suppliers). •• Die Mengenentscheidung (wie viel?) bestimmt, welche Beschaffungsvolumina jeweils notwendig sind. Dabei wird aus Konditionengründen zumeist eine Regelung über Rahmenverträge angestrebt, die eine lieferantenseitige Kommis­ sionierung von Waren (Vorfinanzierung) oder eine Sukzessivlieferung vorsehen. •• Die Zeitentscheidung (wann?) bestimmt, wann die Lieferungen jeweils zu erfolgen haben. Dabei wird im Regelfall eine bedarfssynchrone Lieferung vereinbart, bei der Produkte exakt zu dem Zeitpunkt bereitgestellt werden, zu dem sie erforderlich sind (Just in time/Demand tailored sourcing). In Bezug auf die Anfragephase ist der In supplier an der Aufrechterhaltung bestehender Geschäftsbeziehungen zum Abnehmer interessiert, an der Erhöhung der Kundenbindung seitens des Nachfragers und an der mengen- und wertmäßigen Ausweitung des Transaktionsvolumens. Persönliche Beziehungen spielen hier

6.1 Verkauf-Kauf-Synchronisation

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eine kaum zu unterschätzende Rolle angesichts objektiv zunehmend vergleich­ barer Leistungen. Dabei sieht er sich kontinuierlich vorgetragener Verdrängungsversuche von Out suppliers gegenüber. Der Out supplier zielt auf die Änderung des Interaktionsverhaltens zwischen Nachfrager und Lieferant ab. Er will eine In supplier-Position erreichen und muss dazu bestehende In suppliers verdrängen. Er ist an einer Bekanntheitsgradsteigerung seines Angebots und an dessen positiver Beurteilung interessiert. Er wirkt auf die Neubewertung der Lieferanten hin und auf eine zumindest probeweise Aufnahme von Geschäftsbeziehungen. Out suppliers sind somit generell an der Anbahnung bzw. Wiederaufnahme der Interaktion mit einem Kunden interessiert, wohingegen In suppliers vornehmlich am Ausbau ihres Lieferanteils (Share of customer) interessiert sind. Häufig wird vor allem im staatlichen Sektor das formalisierte Verfahren der Ausschreibung als Auftragsvergabe gewählt (nach LSP, VPöA), bei der entweder ein begrenzter Kreis von Anbietern (beschränkte Ausschreibung) oder die Gesamtheit am Markt auftretender Anbieter (offene Ausschreibung) öffentlich zur Angebotsabgabe aufgefordert wird. Grundlage ist dabei ein detailliertes Leistungsverzeichnis ohne Nachverhandlungsmöglichkeit. Oft wird neben dem offiziellen Angebot nach vorgegebenen Spezifikationen ein zweites (Parallelangebot) mit veränderter Spezifikation abgegeben, das den abweichenden Empfehlungen eines Anbieters entspricht. Im Unterschied dazu ist die freihändige Auftragsvergabe durch einen geringen Formalisierungsgrad gekennzeichnet. Meist werden drei formlose Angebote eingeholt (Triple pitch), und das günstigste daraus (nicht unbedingt das billigste) erhält den Zuschlag.

6.1.5 Angebotseinholungsphase Die Angebotseinholung ist der nächste Schritt zur Anbahnung des Geschäftsabschlusses. Dabei kommt es auf vielfältige Angebotsbestandteile an, die berücksichtigt werden müssen. Im Folgenden sind die wichtigsten Elemente genannt. Der gesetzliche Erfüllungsort ist dort, wo der Schuldner seinen Wohnsitz oder gewerblichen Sitz hat, d. h. für die Warenlieferung der Ort des Verkäufers, für die Kaufpreiszahlung der Ort des Käufers. Vertraglich kann jedoch davon beliebig abgewichen werden. Meist einigt man sich auf einen gemeinsamen Erfüllungsort, normalerweise der Ort des Verkäufers für Lieferung und Zahlung. Gesetzlich sind Warenschulden Holschulden, es gilt also der Ort des Verkäufers als Übergabepunkt für Kosten und Risiken, es sei denn, die Übergabe der Waren kann ihrer Natur nach erst am Ort des Käufers erfolgen (z. B. Heizöleinfüllung in Tank) oder den Verkäufer trifft ein Verschulden an Warenuntergang oder -beschädigung. Geldschulden sind Schickschulden, es gilt also der Ort des Käufers als Übergabepunkt für Kosten und Risiken.

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6. Die Durchführung des Verkaufs

Der Gerichtsstand ist der Ort, an dem sich bei Leistungsstörungen ergebende Streitigkeiten ausgetragen werden. Gesetzlicher Gerichtsstand ist der Wohn- bzw. Geschäftssitz des Schuldners, d. h. für die Warenschuld der des Verkäufers, für die Geldschuld der des Käufers. Vertraglich kann Abweichendes vereinbart werden, sofern es sich nicht um ein Geschäft mit Privaten handelt, ist dies meist der Ort des Verkäufers für Ware und Geld (analog zum Erfüllungsort). Art, Güte und Beschaffenheit der Waren dienen zur eindeutigen Spezifikation des Auftragsobjekts, meist anhand von Abbildungen und Beschreibungen (Kon­ struktionszeichnung), Muster (Entwurf) und Proben dieser Waren. Vielfach ist auch eine Standardisierung durch Güteklassen (Handelsklassen, Typen), Warenund Gütezeichen möglich. Ersatzweise können auch Angaben zu Warenherkunft (Provenienz) oder Warenalter als Orientierung gelten. Häufig ist hingegen eine detaillierte Warenzusammensetzung angegeben (etwa bei Spezialitäten). Der Preis pro Wareneinheit basiert auf gesetzlichen Maßeinheiten, Stück­zahlen oder auch handelsüblichen Mengenbezeichnungen. Außerdem muss außerhalb der EU die Abrechnungswährung bestimmt werden (also die lieferanteneigene, die kundeneigene oder eine dritte, neutrale Währung). Die Lieferungsbedingungen haben erheblichen Einfluss auf die Profitabilität eines Auftrags. Zu denken ist an Transportkosten, Verpackungskosten und Liefer­ zeitgestaltung. Die gesetzliche Regelung sieht vor, dass der Käufer die Ware beim Verkäufer abzuholen hat. Beim Platzkauf trägt der Käufer alle Beförderungs­ kosten, beim Versendungskauf trägt der Verkäufer die Kosten bis zur Versand­ station, alle weiteren Kosten trägt der Käufer. Abweichend davon können andere Regelungen vereinbart werden (z. B. international auf Grundlage der Incoterms). Die Verpackungskosten werden nach Gesetz vom Käufer getragen. Sie können aber auch bereits im Preis eingerechnet sein. Bei der Lieferzeit gilt nach Gesetz, dass Waren sofort zu liefern sind. Abweichende Vereinbarungen betreffen verbreitet den Terminkauf, der die Lieferung zu einem exakt festgelegten Zeitpunkt/Datum vorsieht, den Fristkauf, der die Lieferung innerhalb einer vereinbarten Frist vorsieht, und den Kauf auf Abruf, wobei der Käufer Waren innerhalb einer bestimmten Frist anfordern kann (häufige Form als Rahmenvertrag). Besonders die Zahlungsbedingungen haben erheblichen Einfluss auf die Profitabilität eines Auftrags. Zu denken ist vor allem an Zahlungszeitpunkt und Preisnachlässe (Erlösschmälerungen). Die Zahlung kann vor der Lieferung (Anzahlung/ Vorauszahlung), bei der Lieferung (Zug um Zug) oder nach der Lieferung (Zielkauf/Ratenkauf) vereinbart werden. Gesetzlich ist eine sofortige Bezahlung der Waren vorgesehen. Bei Lieferung mit Zahlungsziel kann vom Abnehmer bei vorzeitiger Zahlung ein Skontoabzug einbehalten werden. Außerdem erfolgt die Lieferung meist unter Eigentumsvorbehalt, d. h., die Ware bleibt bis zur vollständigen Kaufpreisbegleichung im Eigentum des Lieferanten. Kernpunkt des Angebots ist aber zumeist die preispolitische Entscheidung (Preishöhe, Preisfeinsteuerung). Außerdem sind sowohl eine Preissicherung wegen

6.1 Verkauf-Kauf-Synchronisation

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des möglichen langen Zeitraums zwischen Anbahnung und Abschluss eines Geschäfts (z. B. durch Festpreis, Preisvorbehalt, Preisgleitklausel) als auch eine Zahlungssicherung über die Vertragslaufzeit (Festpreis, Gleitpreis nach Preis­ indexierung, Preisvorbehalt bei Ausgangsdatenveränderung) erforderlich. Oft erfolgen auch Submissionen (vor allem bei staatlichen Institutionen und anderen juristischen Personen als Auftraggebern). Diese erfordern klar definierte Qualitäten und Quantitäten, so dass der Preis bei normierter, vergleichbarer Leistung zum entscheidenden Auswahlkriterium wird. Durch computergestützte Angebotssysteme werden bieterseitig die Abgabe korrekter und treffender Angebote, der aktuelle Informationsstand für alle Mitarbeiter, die sichere Beurteilung des Kunden bzw. seines Bedarfs, die zielgenaue Nutzung der eigenen Vertriebskapazität, die Abstimmung zwischen Vertrieb und Produktion sowie der Know-how-Transfer erleichtert. Dafür sind im Einzelnen eine Kundendatenbank, ein elektronischer Produktkatalog, eine Know-how-Datenbank, eine Zeichnungsdatenbank und eine rechnergeführte Bedarfserhebung erforderlich sowie ein Konfigurator („Angebots-Baukasten“) zur Kalkulation, Preisfindung, Finanzierungsberatung, Folgekostenabschätzung, Zuordnung von Informationen, Angebotsdokumentation und Angebotsverfolgung. Auf Wunsch von Nachfragern ist eine finanzielle Sicherheit (Bietungsgarantie) zu hinterlegen, die Gewähr dafür bieten soll, dass ein Bieter sein Angebot nicht nach Erhalt des Zuschlags wieder zurückzieht. Eine weitere Sicherungsvorkehrung ist der positive Gewährleistungsnachweis, durch den der Lieferant sicherstellt, dass er die vertraglich vereinbarte Leistung tatsächlich zu erbringen imstande ist. Eine weitere Vorbedingung, um als Anbieter in die engere Wahl zu gelangen, ist oftmals die Erfüllung des Nachweises über die grundsätzliche Leistungsfähigkeit als Präqualifikation (Referenz). Sie bezieht sich auf bereits erfolgreich ab­ gewickelte, vergleichbare Projekte des Anbieters und bietet damit eine wünschenswerte Risikoreduktion. Schließlich wird durch die Anfrage gelegentlich auch erst eine grob strukturierte, technisch-ökonomische Vorstudie (Scope of work) zur Problemlösung initiiert (Engineering).

6.1.6 Angebotsbewertungsphase Bei der Angebotsbewertung ist entscheidend, welche Beurteilungsregeln der potenzielle Kunde anlegt. Es lassen sich vier wesentliche Beurteilungsregeln unterscheiden. Die konjunktive Regel besagt, dass durch den Nachfrager für jedes Angebots­ attribut ein Mindestanspruchsniveau festgelegt wird. Es wird dasjenige Angebot ausgewählt, das hinsichtlich aller Attribute diesem Mindestanspruch genügt. Die Nichterfüllung eines Attributs kann dieses Manko selbst durch die Übererfüllung anderer Attribute nicht ausgleichen.

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6. Die Durchführung des Verkaufs

Abbildung 78: Kaufheuristiken

Beispiel: Für den Kauf eines Lkw-Modell wird 200 als Mindest-kW-Zahl vorausgesetzt. Alle Lkw-Modelle, die weniger als 200 kw-Motorleistung aufweisen, entfallen damit als Kaufalternativen, unabhängig davon, welche vorteilhaften Angebotsattribute wie ansonsten aufweisen.

Die disjunktive Regel besagt, dass durch den Nachfrager als unverzichtbar angesehene Angebotsattribute festgelegt werden. Es wird nur dasjenige Angebot ausgewählt, das alle diese Attribute erfüllt. Ein Angebot, das einzelne dieser Attribute nicht erfüllt, kommt nicht zum Zuge, unabhängig wie gut es anderweitig sein mag Beispiel: Für den Kauf eines Computers wird vorausgesetzt, dass er über 27"-Display, DVDBrenner und WLAN-Karte verfügt. Nur ein Modell, das kumulativ diese Voraussetzungen erfüllt, kommt als Kaufalternative in Betracht. Modelle, die nur einzelne dieser Attribute aufweisen, entfallen.

Die lexikografische Regel besagt, dass durch den Nachfrager die verschiedenen Angebote hinsichtlich ihrer wichtigsten Attribute verglichen werden. Es wird dasjenige Angebot gewählt, das in diesen kundenwichtigen Attributen die besten Ausprägungen hat. Untererfüllungen bei diesen können auch durch besondere Leistungen bei anderen Attributen nicht ausgeglichen werden. Beispiel: Für den Kauf eines Firmenwagens werden die Kriterien kW-Zahl, Kofferraumvolumen, Sicherheitsausstattung, Verbrauch im Drittel-Mix und Wertverlust in Ansatz gebracht. Alle anderen Kriterien bleiben bei der Bewertung unberücksichtigt. Es wird diejenige Kaufalternative gewählt, die bei diesen Kriterien am besten abschneidet.

Die kompensatorische Regel besagt, dass durch den Nachfrager die verschiedenen Angebote hinsichtlich ihrer wichtigsten Attribute verglichen werden. Negative Ausprägungen hinsichtlich einzelner Attribute können dabei, im Unterschied zu den vorgenannten Regeln, durch positive Ausprägungen hinsichtlich anderer Attribute ausgeglichen werden.

6.1 Verkauf-Kauf-Synchronisation

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Beispiel: Für den Kauf eines Fotokopierers werden die Kriterien Kopiergeschwindigkeit, Stromverbrauch, Papiervorratsvolumen und Tonerkosten als relevant erachtet. Jede Kauf­ alternative wird hinsichtlich jedes dieser Kriterien einzeln punktbewertet. Es wird dasjenige Gerät gekauft, das über alle Kriterien hinweg addiert die höchste Punktzahl aufweist. Dabei können die Kriterien untereinander auch noch gewichtet werden (Auswahlmodell).

Im Fall kooperativer Entwicklung ist auch die Fähigkeit eines Lieferanten zur Vorentwicklung von Bedeutung. Darunter versteht man den Funktionsnachweis einer technischen Problemlösung und die Umsetzung in Form eines Prototyps (Prototyping). Darüber hinaus ist die Prüfung der Produktionsverfahren wichtig. Nur so ist gewährleistet, dass die alles entscheidende unzweifelhaft hohe Qualität bereits im Serienanlauf eines Neuprodukts bzw. unmittelbar nach Lieferantenwechsel eingehalten wird. Dies bedeutet zwar erhebliche Vorinvestitionen seitens des Lieferanten, dafür winkt jedoch bei Erfolg ein Rahmenvertrag für die gesamte Produktgenerationsdauer (Lifetime contract). Zur Verfeinerung werden die einzelnen Angebotsattribute meist einem Punkt­ bewertungsverfahren unterzogen. Werden dabei nur quantitative Kriterien zugrunde gelegt, handelt es sich um ein Scoring. Auf die zur Bewertung herangezogenen Kriterien soll anbieterseitig möglichst proaktiv Einfluss genommen werden, und zwar hinsichtlich ihrer tatsächlichen Berücksichtigung/Nichtberücksichtigung, aber auch hinsichtlich ihrer graduellen Gewichtung. Häufig sind es gerade die qualitativen Kriterien, die für eine Auftragserteilung ausschlaggebend sind. Dann ist es für den potenziellen Kunden erforderlich, diese im Rahmen der Angebotsbewertung zu quantifizieren. Dies erfolgt über eine Nutzwertanalyse. Dabei werden bestimmten Ausprägungsspannen qualitativer Kriterien Punkte zugeordnet, die dann für jedes Angebot addiert werden. Nicht selten wird dabei allerdings eine Scheingenauigkeit vorgespiegelt. Daher kann auch hier auf die Kriterien und die zugeordneten Punktwerte Einfluss genommen werden, um das Ergebnis zu modellieren. Zunehmend werden von Auftraggebern aber auch komplexe, leistungsfähigere Verfahren zur Angebotsbewertung eingesetzt. Dabei handelt es sich etwa um folgende: •• Im Rahmen der Wertgestaltung versuchen Abnehmer, die Einsatzkosten für die Erfüllung bestimmter Funktionen im Endprodukt am dafür von Nachfragern wahrgenommenen Nutzen auszurichten. Alle Funktionen, die in ihrem Kostenanteil über deren Wertanteil liegen, sind daher entweder in ihrer Konzeption soweit zu vereinfachen, dass sie zu günstigeren Kosten herstellbar sind oder in ihrer Wertschätzung durch Nachfrager soweit anzuheben, dass sie die gegebenen Kosten in der Kundenwahrnehmung rechtfertigen. Mittel dazu ist die Wert­ analyse, die versucht, die gleiche Funktionserfüllung zu niedrigeren Kosten bzw. eine bessere Funktionserfüllung zu gleichen Kosten zu erreichen. Daher ist es hilfreich, wenn eine solche Nutzenwahrnehmung bei nachgelagerten Nachfragern (stufenübergreifend) nachgewiesen werden kann.

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6. Die Durchführung des Verkaufs

•• Aus der Wertgestaltung ergibt sich im Rahmen der Zielpreisermittlung eine exakte Vorstellung für Kostenobergrenzen bei Lieferanten. Deren Selbstkosten (Allowable cost) dürfen dann, nach Zuschlag des von ihnen gewünschten Gewinns (Target profit), maximal so hoch sein, wie es der Preisbereitschaft des Abnehmers für die damit realisierten Funktionen entspricht. Produkte, deren Einstandskosten darüber liegen, sind für Abnehmer nur akzeptabel, sofern es ausnahmsweise andere Produkte gibt, deren Einstandskosten unter ihrer Preisbereitschaft für die Funktionserfüllung liegen. Ansonsten ist für Lieferanten eine Reduktion der Kosten unverzichtbar (Drifting cost), sollen Marktakzeptanz oder Zielgewinn nicht gefährdet werden.

Abbildung 79: Schema der Wertgestaltung

•• Eine weitere wichtige Größe für Betriebsmittel (Anlagevermögen) sind die ­Total costs of ownership, d. h., die direkten und indirekten Kosten, die mit einer betrieblichen Nutzung verbunden sind. Dazu gehören neben den Einstands­ kosten (Netto-Kaufpreis plus Bezugskosten) die laufenden Betriebskosten, z. B. für Wartung, Software, Ersatzteilversorgung, Energie, Lizenzgebühren. Hinzu kommen die indirekten Kosten der Administration, z. B. Schulung, Infrastruktur, kalkulatorische Kosten. Davon abzusetzen sind dann Erlöse aus der Verwertung (Restverkaufspreis). Letztlich fallen diese gesamten Kosten für die Nutzung eines Betriebsmittels an und sind daher auch für die Entscheidung über dessen Vorziehenswürdigkeit anzulegen.

6.1 Verkauf-Kauf-Synchronisation

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6.1.7 Anbieterauswahlphase In der Anbieterauswahlphase geht es um die Festlegung eines präferierten Lieferanten, mit dem der Kaufprozess zunächst fortgesetzt wird. Erst wenn bei einem der noch ausstehenden, offenen Punkte unüberwindbar erscheinende Hindernisse auftauchen, wird auf einen anderen Lieferanten gewechselt. Von zentraler Bedeutung für die Anbieterauswahl ist die Logistik, weil logistische Prozesse die tatsächliche Kontaktaufnahme mit dem Markt limitieren. Nachfragerseitige Anforderungen, die in diesem Zusammenhang an die Lieferfähigkeit gestellt werden, beziehen sich auf folgende Aspekte: •• kurze Lieferzeit als vergangene Zeitspanne zwischen Auftragserteilung und tatsächlicher Verfügbarkeit. Denn Zeitvorteile sind angesichts des Zeitwett­ bewerbs Wettbewerbsvorteile und daher von immenser Bedeutung, •• hohe Lieferzuverlässigkeit als Lieferung exakt der gewünschten Waren. Nur der Nachweis einer 100 %igen Bestellgenauigkeit wird von Abnehmern noch akzep­tiert, •• hohe Lieferflexibilität als Berücksichtigung von Änderungen bis möglichst kurz vor Lieferausführung. Dies stellt erhebliche Anforderungen an die betriebliche Organisation des Lieferanten, •• hohe Lieferbereitschaft als unmittelbare Verfügbarkeit gewünschter Waren. Dies steht im Konflikt zur Vermeidung von Kapitalbindung beim Erhalt der Lieferfähigkeit, •• einwandfreie Lieferbeschaffenheit als Einhaltung vereinbarter Qualitätsanforderungen. Hier sind Reklamationen inakzeptabel und führen meist zu Retouren und Geschäftsabbruch bzw. Erlösschmälerungen. Vorläufiges Ergebnis der Verhandlungen ist oft ein Letter of intend (LoI) als Absichtserklärung des Abnehmers, den Auftrag an den Adressaten zu vergeben, ohne dass daraus aber bereits formaljuristische Ansprüche des Anbieters erwachsen. Es handelt sich vielmehr eher um eine moralische Verpflichtung. Zumeist dauert jedoch die Ausarbeitung vertraglicher Details so lange, dass dem Abnehmer zur Beschleunigung der Geschäftsprozesse daran gelegen ist, diese Absichtserklärung zu geben. Außerdem stellt der LoI dem Lieferanten sicher, dass ihm Aufwendungen, die er zur Vorbereitung der Geschäftsabwicklung ab Unterzeichnung eines LoI tätigt, von Kunden auch ersetzt werden, falls es nicht zum Geschäftsabschluss kommt. Letztlich geht es dem Nachfrager um die gleichzeitige Erfüllung von vier Anspruchsgrößen: Preis, Qualität, Zeit und Individualisierung: •• In Bezug auf den Preis ist es naturgemäß das Ziel des Abnehmers, den niedrigstmöglichen Preis für ein Einkaufsobjekt zu realisieren.

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6. Die Durchführung des Verkaufs

•• Zugleich ist es sein Ziel, dafür die höchstmögliche Qualität zu erreichen. Die gleichzeitige Umsetzung beider Ziele führt zur Anstrebung des günstigsten Preis-Qualitäts-Verhältnisses. •• Dabei ist die Zeit als immer wichtigerer Leistungsparameter anzusehen, so dass Zeitvorteile ein bedeutsames Argument sind. •• Weiterhin ist es unerlässlich, mit einem Partner zusammen zu arbeiten, der in der Lage ist, Individualisierung durch einzeln maßgeschneiderte Problemlösungen zu erreichen (Customization). Ein Abnehmer kann sich aufgrund opportunistischen Verhaltens nicht sicher sein, dass er in seinen Lieferanten die jeweils günstigste Kombination dieses magischen Vierecks realisiert. Dazu bedarf es vielmehr der Leistungsmessung. Ein probates Mittel dazu ist das Benchmarking. Darunter versteht man den Vergleich eines spezifischen Anbieters unter Konkretisierung in Ergebnissen, Verfahren und Potenzialen mit anderen, in Bezug auf diese Größen vergleichbaren Anbietern, die beispielgebende Leistungen erbringen (Best in class) sowie die Übertragung der dabei gewonnenen Erkenntnisse auf das eigene Unternehmen. Dies funktioniert freilich nur auf gegenseitiger Basis (Reziprozität), so dass sich zum gegenseitigen Nutzen Benchmarking-Networks herausgebildet haben. Das Benchmarking kann sich auf verschiedene Inhalte beziehen. Strategisches Benchmarking hat den Vergleich von Geschäftsmodellen zum Inhalt, operatives Benchmarking hat den Vergleich von Geschäftsprozessen zum Inhalt. Internes Benchmarking bezieht sich auf den Vergleich ähnlicher Geschäftseinheiten zum gleichen Prozess innerhalb eines Unternehmens, externes Benchmarking auf den Vergleich mit anderen Unternehmen. Dabei sind folgende Formen möglich: •• Kompetitives Benchmarking bezieht sich auf den Abgleich gleicher Prozesse mit ähnlichen Unternehmen der selben Branche. •• Bei funktionalem Benchmarking geht es um den Abgleich gleichartiger Prozesse mit Unternehmen anderer Branchen. •• Und bei generischem Benchmarking geht es um den Abgleich vergleichbar erscheinender Prozesse in branchenfremden Unternehmen.

6.1.8 Nachverhandlungsphase Nach der Anbieterauswahl geht es in der Nachverhandlungsphase darum, die Details eines Abschlusses festzuschreiben. Der Vertrag ist das gewünschte Ergebnis und enthält im Einzelnen mindestens Angaben zu folgenden Inhalten: •• Vertragsgegenstand, genauer Leistungs- und Lieferumfang der Lieferorganisation incl. begleitender Dienste, •• einzuhaltende Normen/Standards,

6.1 Verkauf-Kauf-Synchronisation

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•• Termine, meist nach Zwischen-, Eck- und Endterminen für isolierte Teilleistungen gesplittet, •• Preis, d. h. Preishöhe, Preisgleitung, Währung mit Wertstichtag, Abrechnung der Nebenkosten etc., •• Zahlungsbedingungen, vor allem Termine, Teilzahlungsbedingungen, Zahlungsverzug, •• Eigentums- und Gefahrenübergang (für gewöhnlich gemäß Incoterms bestimmt), •• Verpackung (meist handelsüblich), Transport (Verkehrsmittelwahl), Verzollung bzw. Zollfreistellung, •• Versicherung, •• Inbetriebnahme, wie Probebetrieb, Leistungsnachweise, Übergabe, •• Abnahme (Termine, Abnahmeerklärung, Abnahmeprotokoll für Mängel, Teil­ abnahmen), •• Gewährleistung bzw. Garantie, •• Vertragsstörungen (vor bzw. nach Abnahme, Mängelfolgeschäden), •• anzuwendendes Recht (des Käuferlandes, des Verkäuferlandes, eines Drittlandes), •• Schiedgerichtsvereinbarung, salvatorische Klausel. Dabei ist von antinomischen Zielsetzungen auf Verkäufer- und Käuferseite auszugehen. Wer sich dabei durchsetzt, ist zumeist eine Frage von Macht und Taktik. Hinsichtlich Ersterem liegt häufig eine Nachfragemacht vor, die den Spielraum des Anbieters erheblich einengt. Hinsichtlich Letzterem kann zumindest eine klügere Verhandlungstaktik eingesetzt werden. Hinsichtlich der Verhandlungstaktik werden meist vier Einstellungen unterschieden: •• Harter Verhandlungsstil: Hier geht es um die Durchsetzung der eigenen Position, Ziel ist es dabei, einen Sieg über die andere Partei zu erringen. Auf beiden Seiten herrscht Misstrauen vor, beide Seiten agieren daher verdeckt. Der Konflikt wird geradezu gesucht. Zugeständnisse werden als Zeichen von Schwäche angesehen. Und jedes Mittel ist recht, den Gegenüber unter Druck zu setzen. Dazu dienen auch manipulative Taktiken. Die Verhandlung wird als Null­ summen-Spiel gesehen, die eine Seite kann nur bekommen, was sie der anderen abringt. Daher ist man hart in der Sache und hart im Stil. •• Weicher Verhandlungsstil: Hier sollen partnerschaftliche Beziehungen aufrecht erhalten werden, Ziel ist die Übereinkunft mit der anderen Partei. Dazu werden auch einseitige Zugeständnisse gemacht, die aus Zurückstellung der eigenen Interessen resultieren. Sobald Druck von der anderen Seite aufkommt, wird daher

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6. Die Durchführung des Verkaufs

nachgegeben. Dabei geraten die ursprünglichen Absichten oft genug aus dem Auge. Die Verhandlung ist weich in der Sache und weich im Stil. Trifft ein harter Verhandler auf einen anderen harten Verhandler entsteht ein kompromissloser Willenskampf zur Durchsetzung der eigenen Position. Es wird gegenseitiger Druck aufgebaut, es geht darum, wer sich letztlich durchsetzt, ein persönlicher Machtkampf entbrennt. Daraus entsteht eine ineffiziente Lose-lose-Situation. Trifft ein harter Verhandler auf einen weichen Verhandler, übt Ersterer Druck aus und erhält dafür Entgegenkommen, allerdings ist die Wahrscheinlichkeit zu weiteren Transaktionen gering, so dass ein Pyrrhus-Sieg entsteht (ineffiziente Lose-lose-Situation). Trifft ein weicher Verhandler auf einen weichen Verhandler kommt es für gewöhnlich zu einer schnellen, harmonischen Lösung. Beide Seiten nehmen Rücksicht aufeinander, jedoch erfolgt keine inhaltliche Auseinandersetzung, so dass keine der beiden Seiten wirklich zufrieden ist. Es entsteht zwar eine Win-winSituation, die aber ineffizient bleibt. •• Harvard-Methode: Hier geht es um die Erreichung einer effizienten Win-winSituation. Dazu werden vier Grundsätze der Verhandlung stipuliert. Es darf keine Vermengung von Menschen (Verhandlern) und Problemen geben, es geht darum, Respekt vor dem Anderen zu zeigen, ihm zuzuhören und seine Sicht der Dinge zu verstehen, damit seine Schlüsse nachvollzogen werden können. Es sind nur angemessene Äußerungen zielführend, Emotionen sollen durch Vernunft dominiert werden (hart in der Sache, weich im Stil). In der Verhandlung soll eine Fokussierung auf Felder gemeinsamer Interessen erfolgen. Solche Interessensschnittmengen sind zu identifizieren und zum Ausgangspunkt für eine konstruktive Einigung zu machen. Es gibt nicht die eine Lösung, sondern es sind jeweils mehrere Lösungsoptionen zu entwickeln. Dabei ist gezielt nach pragmatischen Lösungen zu fahnden, die für beide Seiten zielgerecht sind. Um die Eignung der Lösungsoptionen zu bewerten, sind vorab dafür neutrale Bewertungskriterien zu vereinbaren (etwa aus Gutachten/Expertenmeinung, Vergleichsfällen, Theorien/Modellen etc.). Diejenige Lösung, die diesen Bewertungskriterien am Besten entspricht, ist die zu präferierende. •• Tit for tat: Dabei gibt die Gegenseite den Stil der Verhandlungen vor. Begonnen wird mit einem kooperativen Verhandlungsstil. Solange die Gegenseite sich ebenfalls kooperativ verhält, wird dieser Stil fortgesetzt. Sobald sie jedoch antinomisch reagiert, wird auch der eigene Verhandlungsstil auf Antinomie umgestellt. Die Gegenseite soll merken, dass sie durch ihr antinomisches Verhalten keine Vorteile erlangen kann und so von selbst wieder zu einem kooperativen Stil zurückkehren. Erfolgt dies, wird der eigene Stil sofort wieder auf Kooperation

6.1 Verkauf-Kauf-Synchronisation

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umgestellt, ohne nachtragend zu sein. Geschieht dies nicht, wird dagegen gehalten, weil davon auszugehen ist, dass die Gegenseite ohnehin an keinen fairen Verhandlungen interessiert ist, man also keine Chancen vernichtet. Schwenkt die Gegenseite jedoch ein, wird dies als Signal interpretiert, dass sie an ernsthaften Verhandlungen interessiert ist, so dass ein Nachkarten die Abschlusschancen nur vermindern würde. Werden diese Schwenks mehrfach während eines Gesprächs wiederholt, durchschaut die Gegenseite zwar die Taktik, aber sie muss sich schließlich entscheiden, wie nachhaltig sie das Gespräch sucht. Außerdem sind die Nachverhandlungen davon abhängig, ob schon Geschäftsbeziehungen zwischen den prospektiven Vertragspartnern bestehen oder bestanden haben, oder ob die Geschäftsbeziehung erstmals eingegangen wird. Bei Erst­ auftragserteilung sind naturgemäß umfangreichere Klärungen erforderlich als wenn es sich um „Running business“ handelt. Zur Nachverhandlungsphase liegen zahlreiche Interaktionsstudien der Verhandlungsforschung vor. Der Korrespondenzhypothese zufolge sind analoge Erwartungen und Einstellungen in Bezug auf den Verhandlungsrahmen (organisatorische Stellung des Verhandlungsteams) und den Verhandlungsinhalt förderlich. Demnach laufen Interaktionen eher erfolgreich ab, wenn korrespondierende Funktions-, Hierarchie- und Entscheidungsstrukturen, ähnliche Anspruchsniveaus und Interaktionsmuster („Chemie“) bestehen. Dabei kann nur mit einem Anbieter oder mit mehreren Anbietern zugleich oder nacheinander verhandelt werden. Am Ende der Nachverhandlungsphase steht eine formal verbindliche Lieferantenvereinbarung. Darin werden über die rein juristischen Vertragsinhalte hinaus vor allem Anhaltspunkte zur prozessualen Zusammenarbeit zwischen Lieferant und Abnehmer fixiert. Dies ist für Abnehmer umso bedeutsamer, je mehr ihr eigener Markterfolg vom Funktionieren der Lieferanten abhängt, also bei geringer Fertigungstiefe und Single sourcing. Die Ausgestaltung der Inhalte hängt im Einzelnen von der relativen Verhandlungsmacht und dem Geschick der Beteiligten ab. Von Bedeutung ist dabei vor allem eine unvermeidliche Informationsasymmetrie zwischen Abnehmer und Lieferant, denn der Lieferant weiß zunächst sehr wohl, wie er zu leisten gedenkt, der Abnehmer aber kann nur hoffen, dass der Lieferant sich an seine Bekundungen hält (etwa durch Garantiezahlung besichert). Umgekehrt weiß der Abnehmer sehr wohl, wie sein späteres Zahlungsverhalten ausfällt, der Lieferant hingegen kann nur hoffen, dass seine Forderung nach Leistung auch beglichen wird (etwa durch Zahlungsbedingungen besichert). Beide Seiten haben daher ein Interesse daran, Sicherheit zu gewinnen. Dies geschieht vor allem durch Anreize, die jedem Partner in Aussicht gestellt werden, wenn er sich an seine Zusagen hält (z. B. Skonto bei vorzeitiger Zahlung) und Beiträge, die jeder Partner leisten muss, wenn er sich nicht an seine Zusagen hält (z. B. Fälligkeit von Vertragsstrafen). Nur wenn Anreize bzw. Beiträge größer sind als die Ausnutzung eines spezifischen Informationsvorsprungs (opportunistisches Verhalten), wird die Transaktion funktional ablaufen.

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6. Die Durchführung des Verkaufs

Zur Vermeidung von Friktionen empfehlen sich Vereinbarungen über Konfliktlösungsmechanismen. Zwar kann eine verbindliche Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten nur von staatlichen Gerichten getroffen werden. Ausnahmsweise kann jedoch auch durch formlose Abrede bzw. Handelsbrauch vorgesehen werden, an die Stelle der Gerichte private Schiedsrichter zu setzen. Dabei unterwerfen sich die Streitparteien durch freie Vereinbarung dem Spruch eines oder mehrerer Schiedsrichter (meist drei, je einer von jeder Seite bestellt sowie ein neutraler Dritter). Eine wirksame Schiedsgerichtsabrede begründet, wenn ein Beteiligter dennoch ein ordentliches Gericht anruft, eine Einrede, die zur Abweisung der Klage als unzulässig führt. Schiedsgerichte fällen Schiedssprüche, die nur bei Verletzung bestimmter Grundsätze eines ordnungsgemäßen Verfahrens von einem ordentlichen Gericht aufgehoben, ansonsten aber für vollstreckbar erklärt werden können. Zusätzlich werden in einem Schiedsrichtervertrag die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien und den Schiedsrichtern geregelt. Erst wenn sich die unterlegene Partei dem Schiedsspruch entzieht, kann eine Klärung durch ein ordentliches Gericht eingeleitet werden.

6.1.9 Kaufabwicklungsphase Für Verbrauchsgüter ist die Durchführung des Bestellverfahrens in der Kauf­ abwicklungsphase von zentraler Bedeutung. Darauf wirken vor allem die Beschaffungszeit, also die Zeitspanne zwischen Auftragserteilung und tatsächlicher Verfügbarkeit bestellter Waren, und die Einhaltung optimaler Bestellmengen, also die Minimierung der Kapitalbindungskosten bei gegebenem Servicegrad, ein. Das Bestellrhythmusverfahren ist eine Bestelldoktrin, bei der zu einem festen Liefertermin disponiert wird. Der Bestellrhythmus ist derjenige Intervall, der zwischen den Bestellprüfungen bzw. -auslösungen liegt. Wird wiederum jeweils bis zum Grundbestand aufgefüllt, ergeben sich folgende Techniken: •• Bei der t,q-Technik wird zu einem festen Zeitpunkt eine konstante Bestellmenge bei Unterschreitung des Mindestbestands disponiert (Bestellrhythmus-Bestellmengen-Verfahren). Alle t Zeiteinheiten wird das Lager mit einer festen Menge q wieder aufgefüllt. Auffüllmenge und Auffülltermin sind fix. •• Bei der t,S-Technik wird zu einem festen Zeitpunkt eine veränderliche Bestellmenge bei Unterschreitung des Mindestbestands disponiert (BestellrhythmusGrundbestands-Verfahren). Alle t Zeiteinheiten wird der Lagerbestand auf den Sollbestand S aufgefüllt. Die Auffüllmenge ist variabel, der Auffülltermin hingegen fix. •• Bei der s,q-Technik wird eine konstante Bestellmenge disponiert, die jeweils bei Mindestbestandsunterschreitung ausgelöst wird (Bestellpunkt-Bestellmengen-Verfahren). Wenn der Meldebestand s erreicht ist, wird das Lager mit der festen Menge q wieder aufgefüllt. Die Auffüllmenge ist fix, der Auffülltermin hingegen variabel.

6.1 Verkauf-Kauf-Synchronisation

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•• Bei der s,S-Technik wird eine veränderliche Bestellmenge disponiert, die jeweils bei Mindestbestandsunterschreitung ausgelöst wird (Bestellpunkt-Grundbestands-Verfahren). Wenn der Meldebestand s erreicht ist, wird der Lager­bestand auf den Sollbestand S aufgefüllt. Auffüllmenge und Auffülltermin sind variabel. Das Kontrollrhythmusverfahren (auch Bestellpunktverfahren) ist eine Bestelldoktrin, bei der zu einem jeweils veränderlichen Liefertermin disponiert wird. Der Bestellpunkt ist diejenige Menge, bei der eine Beschaffung ausgelöst wird. Wird dabei jeweils bis zum Grundbestand aufgefüllt, ergeben sich folgende Techniken: •• Bei der t,s,q-Technik wird eine konstante Bestellmenge disponiert, die bei inter­vallbezogener Prüfung des Mindestbestands ausgelöst wird (BestellpunktBestell­mengen-Zeitintervall-Verfahren). Alle t Zeiteinheiten wird der Lagerbestand überprüft, wenn der Meldebestand s erreicht ist, wird das Lager mit einer festen Menge q aufgefüllt. •• Und bei der t,s,S-Technik wird eine veränderliche Bestellmenge disponiert, die bei intervallbezogener Prüfung des Mindestbestands ausgelöst wird (Bestellpunkt-Grundbestands-Zeitintervall-Verfahren). Alle t Zeiteinheiten wird der Lagerbestand überprüft, wenn der Meldebestand s erreicht ist, wird das Lager auf den Sollbestand S aufgefüllt. Ziel dieser Doktrinen ist jeweils, die Fehlmengenkosten, d. h. die Opportunitätskosten aufgrund nicht realisierter, abrechenbarer Leistungen, zu minimieren. Dabei entsteht allerdings ein Zielkonflikt derart, dass diese Minimierung zum Aufbau hoher Kapitalbindung im Umlaufvermögen führt. Gerade dies ist aber zu Zeiten von Lean production nicht tolerierbar. Daher ist eine Optimierung beider Kostenverläufe im Gesamtkostenminimum erforderlich. Besonders offensichtlich sind die Konsequenzen von Fehlmengen bzw. Kapitalbindung im Handel. Dort führt die Nichtlieferfähigkeit einer Ware womöglich zum Wechsel des Lieferanten mit Umsatzverlust nicht nur für die nicht-vorrätige Ware, sondern für die gesamte Einkaufsmenge, evtl. sogar auf Dauer. Zugleich ist die Verkaufsfläche der limitierende Faktor für den Geschäftserfolg, muss also angesichts verbreitet schmaler Margen bestmöglich genutzt werden. Ansätze zur Optimierung sind durch die Kürzel ECR, DPP und CPFR bezeichnet. Die Lieferanten werden häufig in ABC-Klassen eingeteilt: •• A-Lieferanten sind solche, für die aus Kundensicht anderweitig keine wirklich akzeptablen Alternativen am Markt zu finden sind. Insofern nimmt der Lieferant hier eine starke Position ein. Ziel jedes Lieferanten sollte es daher sein, bei seinen Kunden ein A-Lieferant zu werden und zu bleiben. Man spricht vom Status des Preferred supplier, der bei jedem einschlägigen Bedarf angefragt wird. •• B-Lieferanten sind solche, für die aus Kundensicht immerhin Alternativen am Markt bereits vorhanden sind oder herangezogen werden können, auf die jedoch ausgewichen werden kann. Hier besteht also eine Positionsbalance. Man

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6. Die Durchführung des Verkaufs

spricht von einem Accepted supplier, der im Set der angefragten Anbieter normalerweise vertreten ist. •• C-Lieferanten sind solche, die aus Kundensicht in ihrer Leistung austauschbar zu vielfältigen Anderen sind. Daher befinden sich Lieferanten hier in einer ausgesprochen schwachen Position. Insofern werden Preise und Konditionen zu vordergründigen Absatzargumenten. Man spricht auch von Restricted s­ uppliers, die allenfalls in bestimmten Beschaffungskonstellationen berücksichtigt ­werden.

6.1.10 Neubewertungsphase Den Abschluss bildet die administrative Durchführung als Erledigung des Auftrags, dazu gehören die Auftragserstellung, -übermittlung und -erteilung, dann Informationen zu Liefermodalitäten, Kundenbonität, Bestandsdisposition, Produktionsplanung, Versandpapieren, Kommissionierung, Transportmittelwahl und Fakturierung. Von einer vorgabegerechten und reibungslosen Abwicklung dieses „Paperwork“ können beachtliche akquisitorische Wirkungen ausgehen, indirekt auch über Lieferservice, kurze Lieferzeiten und hohe Liefergenauigkeit. Abgewickelte Projekte sind immer wichtige Referenzen für Aufträge anderer potenzieller Nachfrager, daher ist Kulanz bei Abnahme bzw. Gewährleistung angezeigt, damit man sich positive Multiplikatoren erhält. Das ist auch für den Abnehmer interessant, weil er gewiss sein kann, dass der Anbieter sein bestes gibt, allerdings wirken Referenzen oft auch als Markteintrittsbarrieren, d. h., weil für einen Anbieter keine Referenz vorliegt, kann von ihm kein Projekt abgewickelt werden, weshalb es auch in Zukunft an einer Referenz fehlt. Eine Referenz ist wegen des hohen Risikos hilfreich und daher meist als Präqualifikation erforderlich. Sie kann sich auf das gesamte System zur Abwicklung komplexer Großprojekte (Anlagenreferenz), einzelne Auftragsteile (Komponentenreferenz), Kenntnisse und Fertigkeiten (Know-how-Referenz) oder eine gegebene Koalition (Anbietergemeinschaftsreferenz) beziehen. Für die Errichtung einer technologisch neuartigen Lösung werden dem Besteller oft vergünstigte Konditionen mit der Auflage eingeräumt, dass das Ergebnis für eine gewisse Zeit dem Hersteller zu Demon­ strationszwecken zur Verfügung steht (ähnlich Musterhaus im Immobilienbereich). Darauf wird dann nach Fertigstellung und/oder Verkauf bei absatz- und/oder beschaffungspolitischen Entscheidungen innerhalb mindestens eines weiteren Kauf-/ Verkaufsprozesses Bezug genommen. Weiterhin sind Kundendienste als produktverbundene Dienstleistungen anzutreffen, vorwiegend technischer oder kaufmännischer Natur, hier im Nachkaufbereich sowie in mehr oder minder enger Beziehung zur eigentlichen Transaktion stehend. Oft ist nur dadurch angesichts zunehmender objektiver Austauschbarkeit von Angeboten noch eine positive Differenzierung im Markt möglich, so dass Kundendiensten eine erhebliche absatzpolitische Bedeutung zukommt.

6.1 Verkauf-Kauf-Synchronisation

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Abbildung 80: Inhalt und Zeitpunkt von Kundendiensten

Beispiele für Kundendienste im B-t-b-Bereich sind folgende: •• technische Vorkauf-Kundendienste als Technikberatung, Systemanalyse, Feasibility study, Produktdemonstration, Projektierung, •• kaufmännische Vorkauf-Kundendienste als Finanzierungshilfe, Wirtschaftlichkeitsanalyse, Bestelldienst, Absatzgarantie, •• technische Nachkauf-Kundendienste als Montage, technische Anpassung, Wartung/Inspektion, Reparatur, Recycling/Entsorgung, •• kaufmännische Nachkauf-Kundendienste als Kundenschulung, Managementvertrag, Personalvermittlung, Absatzunterstützung, Infocenter.

In Bezug auf das Ausmaß des Angebots an Kundendiensten sind zwei Ansichten verbreitet. Die eine lautet, Kunden durch umfangreiche und so nicht erwartete Gratis-Services zu begeistern und damit eng an einen Anbieter zu binden. Die andere lautet, sich auf das Kernangebot zu konzentrieren und zusätzliche Leistungen nur gegen Extra-Entgelt anzubieten (No frills). Letztere Ansicht hat sich durch­ gesetzt, denn entweder werden Services von Kunden als nutzenstiftend angesehen, dann sind diese im Zweifel auch bereit, dafür zu zahlen, oder Kunden empfinden Services nicht als nutzenstiftend, dann führt auch deren kostenloses Angebot nicht zu einer gesteigerten Zufriedenheit. Außerdem sind einmal kostenlos an­ gebotene Services praktisch nicht mehr zurücknehmbar, da Kunden glauben, einen Anspruch darauf erworben zu haben und daher bei Wegfall eine Preisermäßigung erwarten. Das aber führt zwangsläufig zu einem Erlösproblem. Im B-t-b-Geschäft hingegen sind umfangreiche Kundendienste seit langem unverzichtbarer Bestandteil von Systemgeschäften (Turn key projects). Weiterhin geht es um die Reduktion kundenseitig auftretender Dissonanzen. In der Nachkaufphase tauchen wohl unvermeidlich Beschwerden auf, sei es, um nachträglich Preisbestandteile zurück zu gewinnen, oder sei es mit tatsächlicher Berechtigung. Diese Beschwerden haben neben ihrer juristischen Komponente (als Reklamationen) vor allem eine verkaufsbezogene, ist doch die Nachkaufphase entscheidend für den empfundenen Zufriedenheitsgrad der Kunden. Dann nämlich nimmt jeder Kunde einen Vergleich seiner Erwartungen vor der Trans­aktion mit seinem Erlebnis bei/nach der Transaktion vor. Übertrifft die Erwartungskom-

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6. Die Durchführung des Verkaufs

ponente die Erlebniskomponente, entsteht Unzufriedenheit mit der Gefahr des Anbieterwechsels. Dann aber besteht für den Verkäufer keine Chance mehr, den betreffenden Kundenlebenszeitwert zu realisieren. Ebenso ist die Beschwerde­ behandlung zur Erhaltung der Referenzfähigkeit einer Transaktion gegenüber poten­ziellen Kunden zentral bedeutsam. Im Falle von Reklamationen ist es hilfreich, ein Reuegefühl und Anteilnahme zu zeigen bzw. um Verständnis zu bitten. Auch kann man sich pauschal entschuldigen, freilich ohne konkretes Schuldeingeständnis. Auf jeden Fall soll angemessene Wiedergutmachung angeboten werden (auch auf Kulanzbasis) und die organisatorische Zuständigkeit dafür festgelegt werden.

6.2 Verkaufsgesprächsführung 6.2.1 Phasen des Verkaufsgesprächs Es gibt vielfältige Ansätze, den Ablauf von Verkaufsgesprächen zu standardisieren, indem eine Abfolge von Phasen unterstellt wird. Der älteste Ansatz ist der der AIDA-Formel: A = Attention, I = Interest, D = Desire und wieder A = Action. Ein weiterer Ansatz ist die DIBABA-Formel: D = Definitionsstufe, I = Identifizierungsstufe, B = Beweisstufe, A = Annahmestufe, B = Begierdestufe und A = Abschlussstufe. Besonders ausführlich ist der Ansatz der VERKAUFSPLAN-Formel: V = Vorplanung, E = Erfassung der Grunddaten, R = Referenzausstattung feststellen, K = Kontaktaufnahme, A = Appell an die Motivation, U = Untersuchung der Bedarfslage, F = Fassung des Angebots, S = Spezifische Angebotsvorteile, P = Prüfung der Argumente, L = Liquidierung von Einwänden, A = Abschlussvorgang und N = Nachfass. Weitere merkfähige Stufenkonzepte der Verkaufsgesprächsführung sind folgende: •• BEDAZA für Begrüßung, Eröffnung, Demonstration, Abschluss, Zusatzverkauf, Abschiedstechnik, •• KOALA für Kontakt, Orientierung, Argumentation, Lösung, Abschluss, •• EPOS für Einfachheit (der Formulierung im Gespräch), Prägnanz (der Darstellung in der Demonstration), Ordnung (der Inhalte in der Argumentation) und Stimulanz (für den Abschluss). Da jedes Verkaufsgespräch so individuell ist wie die Personen, die daran beteiligt sein, kommt diesen Phasenansätzen eher didaktischer Wert zu denn konkrete Erklärungskraft. So ist keineswegs zwangsläufig, dass jeweils alle Stufen im Gespräch durchlaufen werden, vielmehr werden je nach Routinisierung auch einzelne oder mehrere Stufen übersprungen. Außerdem müssen die Phasen durchaus

6.2 Verkaufsgesprächsführung

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Abbildung 81: Durchführung des Verkaufs

nicht in der angegebenen Reihenfolge durchlaufen werden, vielmehr können je nach Zweckmäßigkeit Phasen getauscht werden. Dennoch wird im Folgenden zur Orientierung die Abfolge von Gesprächsanbahnung, Kundenqualifizierung, Demonstration/Vorteilsargumentation, Einwandbehandlung, Preisverteidigung und Abschluss zugrunde gelegt.

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6. Die Durchführung des Verkaufs

Abbildung 82: Phasen der Verkaufsgesprächsführung

6.2.2 Gesprächsanbahnung 6.2.2.1 Vorbereitung Ein gepflegtes Äußeres fördert jedes Gesprächsklima. Man weiß, dass attraktiv erscheinende Personen bevorzugt werden, wobei dies weniger eine Frage natürlicher Benachteiligung ist als vielmehr eine solche bewusster Typwahl. Die Kleidung sollte seriös und ordentlich sein, aber nicht zu auffällig und fein. Frauen achten generell mehr auf modische Kleidung ihres Gesprächspartners als Männer. Der Augenkontakt zwingt den Gesprächspartner, sich dem Gesprächsthema zuzuwenden. Ein offener, lebhafter Blick intensiviert die Wirkung des gesprochenen Wortes. Starren hingegen wirkt als unangenehm. Ein unsteter, den Augen des Gegenüber ausweichender Blick wird häufig als Unsicherheit gedeutet und führt zu einem Wirkungsverlust. Störend wirken auch Ablenkungen wie Fingertrommeln, gedankenverlorenes Spielen mit Gegenständen, leere Floskeln, nicht zur Sache passende Dauerreden, sprunghafter Themenwechsel, unmotiviertes Anfassen etc. Bei der Begrüßung ist mit dem Entgegenstrecken der Hand zu warten, bis der andere die Hand reicht (kann sonst aufdringlich wirken). Der Händedruck sollte weder zu lasch noch zu kräftig ausfallen. Ein leichter Diener bei der Begrüßung von

6.2 Verkaufsgesprächsführung

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Frauen, aber keine Verbeugung, ist angebracht. Abhängig von der Situation sollte sich der Verkäufer mit Namen vorstellen und seine Funktion erläutern. Dazu gehört dann auch der Austausch von Visitenkarten. Die Anerkennung des Gesprächspartners und die Rücksichtnahme auf sein Geltungsbedürfnis fördern einen erfolgreichen Anlauf. Dies erreicht man etwa durch kurze Anerkennungsbemerkungen, die sich leicht in die Gesprächseröffnung einstreuen lassen. Gesichtsausdruck und Haltung sollen Einfühlung und Verständnis ausstrahlen. Jeder Mensch fühlt sich beachtet, wenn er mit seinem Namen angeredet wird. Vielen Menschen schmeichelt es, wenn man ihre Titel kennt und diese Kenntnis im Gespräch geschickt durchblicken lässt. Ausgesuchte Höflichkeit, ohne Katzbuckeln, ist dabei selbstverständlich. Vorsicht ist jedoch bei unangenehmen Gesprächen (Reklamationen etc.) in Anwesenheit Dritter geboten. Dann führt die Personifizierung leicht zu einer Verhärtung der Gesprächsatmosphäre. Gleiches gilt für Tabuthemen (Politik, Moral, Religion etc.), die man tunlichst meiden sollte. Aber als Verkäufer sollte man sich hüten, zuviel zu reden und statt dessen vielmehr Fragen einsetzen. Bei Gruppen sind dabei zudem immer alle Beteiligten einzubeziehen. Vor allem ist eine positive Einstellung zum Gesprächspartner wichtig, denn die Einstellung spiegelt sich untrüglich im Verhalten wider, und wer den Kunden nicht akzeptiert, wird dies früher oder später im Gespräch verraten und damit seine Chancen verspielen. Auch soll dem Kunden nichts verkauft werden, er erhält vielmehr die Chance, einen subjektiven Vorteil zu erwerben. Dieser Nutzen ist zentral in den Mittelpunkt zu stellen. Produktvorteile sind bewusst festzuhalten, da man nicht davon ausgehen kann, dass Selbstverständlichkeiten ausreichend erkannt und gewürdigt werden. Außerdem sollte immer eine partnerschaftliche Ansprache (Sie!) erfolgen. Ansonsten gilt es, aktiv zuzuhören (also Interesse am Kunden zu zeigen), durch Fragen zu führen und alle Anwesenden in das Gespräch einzubeziehen. Kundenzufriedenheit ist dabei das oberste Gebot, und Diskussionen haben letztlich immer nur einen Verlierer, den Verkäufer. 6.2.2.2 Terminvereinbarung Kein Besuch soll ohne Terminvereinbarung erfolgen, außer dies ist in einer Branche oder bei einem Kunden ausnahmsweise so üblich. Denn ohne Gesprächstermi­ nierung riskiert der Verkäufer, dass seine Kontaktperson keine Zeit für ihn frei hat. Das bedeutet nicht nur eine vergebene Kontaktchance, sondern auch den Verlust der vorgeleisteten Aufwendungen, z. B. für Anfahrt oder Gesprächsvorbereitung, und den Ausfall von Abschlusschancen in anderen Gesprächen, die während dieser Zeiten hätten geführt werden können (Opportunitätskosten). Außerdem kann es sich kaum ein Gesprächspartner seriös leisten, trotz Terminvereinbarung keine Zeit für den Verkäufer zu haben, insofern steht der Verkäufer zumindest psychologisch in einer günstigen Position.

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6. Die Durchführung des Verkaufs

Die Terminvereinbarung kann auf verschiedenen Wegen erfolgen: •• als Halbduplex-Kommunikation schriftlich oder elektronisch (e-Mail), •• als Vollduplex-Kommunikation per Telefon, und zwar als passiver (Inbound) oder aktiver Telefonkontakt (Outbound). Am Weitesten verbreitet ist der Telefonkontakt. Der aktive Telefonkontakt will jedoch gelernt sein, denn leider wird weit verbreitet unvorteilhaft telefoniert. Obwohl sich kaum jemand dessen bewusst ist, muss man Telefonieren nämlich genauso lernen wie alle anderen Dinge im Vertrieb. Mehr noch, das Telefonverhalten ist die „Visitenkarte“ des Verkäufers. Eine korrekte Begrüßung besteht aus folgenden Elementen: •• Grußformel (Tageszeit), •• Nennung des Nachnamens, •• Nennung des Vornamens und Wiederholung des Nachnamens, •• Firma (hier reicht die Kurzform), •• Ort (zur näheren Orientierung). Eine etwas kürzere Form besteht aus den Elementen: •• Vorname, Nachname •• Firma, Grußformel (wie „Guten Morgen.“ ((bis 10.00 Uhr), „Guten Tag.“) „Guten Morgen, Herr Klöbner, mein Name ist Schmitt, Wolfgang Schmitt von der Firma Wohnungsbau in Karlsruhe“, kürzer: „Wolfgang Schmitt hier von der Firma Wohnungsbau, guten Morgen, Herr Klöbner“.

Oft wird eine organisatorische Trennung zwischen bloßer Kontaktanbahnung (Sales lead generation/Innendienst) und eigentlichem Verkaufsgespräch (durch den Verkäufer selbst) vorgenommen. Denn der Verkauf über Telefon ist aus­ gesprochen schwierig, da das Spektrum der Kommunikationsmöglichkeiten auf Inhalt und Akustik reduziert ist und keinerlei Einblick in die spezifische Umfeldsituation des Angerufenen besteht. Bei jedem Anruf sollte man zunächst fragen, ob Zeit vorhanden ist („Drei Minuten“ dient hier als Anhaltspunkt). Ist dies nicht der Fall, wird alternativ ein neuer Termin für den Anruf ausgemacht. Unbedingt soll vor jedem Gespräch ein Ziel definiert und nach dem Gespräch kontrolliert werden, ob es erreicht wurde und warum evtl. nicht. Wenn Zeit signalisiert wurde, kann man diese auch getrost ausnutzen. Leider ist es üblich, Anrufer durch Sekretariate „filtern“ zu lassen. Dabei sollte man Assistenten nicht übergehen, sondern einbeziehen (positiver Kompetenzdruck). Dies geht etwa wie folgt: •• Anwesenheitscheck („Ist Herr Lüdenscheidt im Haus?“), wenn ja, durchstellen, wenn nein:

6.2 Verkaufsgesprächsführung

361

•• Aufwertung („Sie sind doch sicher seine persönliche Assistentin.“), wenn nein, durchstellen, wenn ja: •• Kompetenzdruck („Darf ich fragen, inwieweit Sie mit Beschaffungsentscheidungen des Unternehmens befasst sind?“), wenn nein, kann man auf das Durchstellen zum Entscheider insistieren. Eine Ablehnung darf am Telefon nicht hingenommen, sondern muss nach Gründen hinterfragt werden (Warum ist das so?). Aus den damit gewonnenen Informa­ tionen heraus kann erneut argumentiert werden. Wichtig ist dabei zu bedenken, dass am Anfang ohnehin immer die Absage des Kunden steht, daher kann das Ergebnis nur besser werden, nicht aber mehr schlechter. Stets ist zu vermeiden, im Übereifer bereits zu viele Informationen über Verkaufsobjekte abzugeben. Vielmehr soll der Angerufene nur neugierig gemacht werden (Teasing). Denn zuviel Information verwirrt nur, die positiven Argumente treten in der Erinnerung in den Hintergrund und die negativen gewinnen an ­Bedeutung. Das Sprechtempo soll eher langsamer sein als im persönlichen Gespräch und gezielte Sprechpausen vorsehen. Auch ist eine normale Lautstärke einzuhalten. Für das Verständnis sind kurze, klare Sätze, keine Fremdwörter, eine anschauliche Sprache und bildhafte Vergleiche hilfreich. Dabei sollte Bezug auf das genommen werden, was der Gesprächspartner gesagt hat. Insgesamt gilt es, die Emotionalität zu betonen. Dabei sollte man möglichst im Stehen telefonieren (größeres Atemvolumen) oder zumindest aufgerichtet sitzen. Wichtig ist auch eine freundliche Stimme, das buchstäbliche Lächeln am Telefon (Profis stellen sich zur Kontrolle einen Spiegel an ihren Telefonarbeitsplatz). Zum Aufbau einer persönlichen Beziehung ist eine positive Einstellung zum Kunden unerlässlich (Der Kunde stört uns nicht bei der Arbeit, der Kunde ist unsere Arbeit). Das wirkt sich auf die Tonalität aus und führt zu einer angenehmeren Gesprächsatmosphäre. Hilfreich ist es auch, die Augen zu schließen, um sich bei schwierigen Telefonaten besser konzentrieren zu können. Beim Zuhören ist es sinnvoll, hin und wieder Aufmerksamkeit zu signalisieren, damit der Gesprächspartner ein Feedback erhält. Von zentraler Bedeutung ist die Festlegung eines Ziels für das Telefonat und die Ansteuerung dieses Ziels bis zur Erreichung bzw. die eigene Ursachenanalyse für den Fall des Verfehlens. Im passiven Telefonkontakt werden vielfache Fehler gemacht. Inakzeptabel sind Aussagen wie „Hallo?“, „Ja, bitte.“ oder „Worum geht es?“. Ebenso ist das Wort „muss“ in der Akquisition tabu, der Anrufer muss rein gar nichts. Dafür sollen „Sie“-Formulierungen eingesetzt werden. Bei guten Kunden ist auch eine persönliche Redewendung einsetzbar (z. B. „Das ist ja prima, dass Sie sich melden.“). Probleme sollten nicht bereits den Einstieg in das Telefonat darstellen.

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6. Die Durchführung des Verkaufs

Zur eigentlichen Terminvereinbarung werden häufig Formulierungen wie: „Wann hätten Sie denn Zeit?“, „Machen Sie einen Vorschlag, ich richte mich da ganz nach Ihnen.“, „Wann passt es Ihnen am besten?“ eingesetzt. Statt dessen sind Alternativtermine abzufragen, zunächst als Alternativwochentage, dann als Alternativuhrzeiten („Ist Ihnen Mittwoch Nachmittag oder Donnerstag Vormittag nächster Woche lieber?“,„Passt es Ihnen besser am frühen Vormittag oder doch nachmittags?“). Es hat sich zudem bewährt, Termin und Ort zu wiederholen, um ärgerliche Missverständnisse zu vermeiden („Dann also bis übermorgen, 15.00 Uhr, bei Ihnen.“). Hilfreich ist auch eine kleine Motivation zum Abschluss der Terminvereinbarung („Ich freue mich darauf, Sie kennenzulernen.“ oder „Ich bin schon gespannt, was Sie zu unserer tollen neuen Problemlösung sagen werden.“). Das Aufschalten von Anrufbeantwortern ist während der normalen Geschäftszeiten zu vermeiden und führt evtl. zu Kontaktabbruch wegen Aufsprechhemmung, zumindest aber zu einem schlechten Eindruck über die Betriebsbereitschaft eines Anbieters. Besser ist eine automatische Gesprächsweiterleitung oder eine Umleitung auf Mobiltelefon. Außerdem sollten mehrere Leitungen geschaltet sein. Dabei können die Komfortleistungsmerkmale moderner Telefonanlagen eingesetzt werden. Im Verkauf sollte es selbstverständlich sein, dass sich Mitarbeiter an Nebenstellen vor Verlassen des Platzes an der Zentrale abmelden oder auf einen anderen Platz, an dem sie zu erreichen sind, umstellen oder auch auf ihr Mobiltelefon. Die inflationär verbreiteten Musikbänder, die beim Durchstellen endlos ablaufen, sind umstritten, denn sie stören die Konzentration und wirken leicht nervig. Häufig erlebt man auch, dass der Angerufene während des Telefonierens weiter­ arbeitet, man erkennt dies an Zwischenrufen an oder von anderen oder am Klappern der PC-Tastatur. Dies ist selbstverständlich nicht akzeptabel. Wenn man dennoch etwas begleitend eintippen will, sollte man dies dem Gesprächspartner mitteilen, damit er nicht irritiert ist. Wichtig ist weiterhin, den Gesprächspartner öfter mit Namen anzusprechen (richtige Aussprache vorausgesetzt). Dazu gilt es, sich den oft nicht einfachen ­Namen des Anrufers zu merken. Eine entsprechende Nachfrage ist zu Beginn des Gesprächs zweckmäßig (allerdings nicht durch: „Wer spricht da?“, sondern „Verzeihung, ich habe Ihren Namen nicht ganz verstanden.“). Im Text soll immer wieder mal der Name des Partners eingestreut werden (z. B. „Wie Sie ja wissen, Herr/ Frau …“). In jedem Fall ist das Follow up zu sichern, also nicht: „Melden Sie sich doch einfach wieder, wenn Sie klarer sehen.“, sondern etwa: „Wenn dieses Produkt für Sie nicht in Frage kommt, möchte ich Ihnen unser neuestes Modell auf der Messe zeigen. Sie sind doch sicher auch da, nicht wahr?“ Als nachteilig hat sich die direkte Erwähnung von Konkurrenten erwiesen, weil das beim Anrufer zu Erinnerungs­unsicherheit führen kann, erst recht, wenn dies herabsetzend erfolgt. Auf gar keinen Fall darf eine Anfrage abgelehnt werden, weil gerade kein passendes Angebot vorhanden ist. Vielmehr ist der Bedarf unbedingt vorzumerken.

6.2 Verkaufsgesprächsführung

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Besuchstermine ohne passendes Angebot sind allerdings gefährlich, weil darunter die Wiederholungskontaktchance leidet. Vielleicht ist auch ein Umlenken des Bedarfs möglich („Ich habe da ein Produkt im Programm, das, so glaube ich, viel besser zu Ihrem Bedarf passt. Hören Sie sich das bitte nur einmal an.“). Wenn Unterlagen versandt worden sind, gilt es, immer nachzufassen. Auch dies erfolgt regelmäßig telefonisch. Der Nachfass sollte nicht zu schnell erfolgen, das erweckt womöglich Misstrauen, dass man es wohl nötig hat. Selbstverständlich sollte es sein, alle relevanten Unterlagen beim Gespräch immer in Griffweite zu haben und das angebotene Produkt genau zu kennen (wirklich in allen Details). Der Gesprächseinstieg kann dann aber nicht sein: „Haben Sie unsere Unterlagen erhalten?“, sondern etwa: „Sie interessieren für eine leistungsfähige Computeranlage. Was gefällt Ihnen da an unserem Produkt besonders?“ Eine „funktionierende“ Telefonzentrale leitet jedes Telefonat nach Zuständigkeit weiter. Ist die Zuständigkeit ausnahmsweise unklar oder ist der durchgestellte Telefonplatz nicht erreichbar, muss unbedingt die Telefonnummer des Anrufers notiert und ein Rückruf angekündigt (und dieses Versprechen auch einhalten) werden. Nach Möglichkeit soll eine Notiz als „Gesprächsaufhänger“ für den An­gerufenen angefertigt werden. Wichtig ist es, Anrufer anzuhören, bevor man durchstellt, und dabei mitzuteilen, zu wem man weiterleitet (Name/Funktion) und warum. Zur Professionalität gehört es, dass der Hörer sofort nach dem Klingeln ab­ gehoben wird, max. darf es bis zu vier Mal läuten. Längere Wartezeiten sind am Telefon inakzeptabel. Zur Dokumentation sind aussagefähige Telefonnotizen während des Gesprächs hilfreich, evtl. ist auch ein „lautes Mitschreiben“ angebracht, damit der Gesprächspartner weiß, das und was man mitschreibt. Solche Notizen sind aber nur dienlich, wenn sie vollständig sind (Name, Rufnummer, Zweck des Anrufs, Uhrzeit, Vereinbarung etc.). Zweckmäßig ist dazu der Einsatz eines entsprechenden Formulars. 6.2.2.3 Überwindung von Kontaktwiderständen Tatsächlich ergeben sich immer wieder vielfältige Widerstände gegen eine Kontaktaufnahme. Dafür seien im Folgenden einige Beispiele für Kontaktwiderstände mit entsprechender Entgegnung genannt. Terminproblem: Es gehört zum guten Ton, keine Zeit zu haben, und wer doch Zeit hat, ist nicht ausgelastet. Also schieben viele Gesprächspartner tatsächliche oder häufiger vermeintliche Terminprobleme vor. Beispiel: •• Kunde: „Ich habe keine Zeit für ein Gespräch. Wissen Sie eigentlich, wie ich hier rotiere?“ •• Verkäufer: „Gerade, weil Ihre Zeit so knapp ist, sollte Ihnen daran gelegen sein, sich so effektive Informationen wie möglich zu verschaffen. Im persönlichen Gespräch kann ich

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6. Die Durchführung des Verkaufs alle Ihre Fragen gleich an Ort und Stelle klären. Das spart unnötige Nachfragen und entlastet Sie damit.“

Ignoranz: Viele Gesprächspartner sind auch erstaunlich ignorant gegenüber neuen Produkten und/oder Lieferanten, obgleich es zur professionellen Einstellung gehören sollte, für alle Neuheiten offen zu sein, bevor der Wettbewerb sie entdeckt. Hier kann man unterstellen, dass dem Einkäufer am Kontakt zu den besten Lieferanten gelegen sein muss. Beispiel: •• Kunde: „Warum sollte ich mir Ihr Produkt erst ansehen?“ •• Verkäufer: „Ich nehme an, Sie wollen für Ihr Unternehmen immer die besten Lieferanten nutzen. Können Sie mein Angebot da unter professionellen Gesichtspunkten guten Gewissens ungeprüft ausschlagen?“

Prospektsammler: Es entspricht der Sammler- und Jägerherkunft des Menschen, zunächst einmal wahre Unmengen an Prospektpapier zu horten, um es dann nach einiger Zeit ungelesen zu entsorgen. Auf diese Weise kann kein Kontakt erfolgreich sein. Das persönliche Gespräch kann ungleich mehr Informationen transportieren als jeder noch so toll aufgemachte Verkaufsprospekt. Zudem kann man ankündigen, zum Gespräch aussagefähige Pläne, Detailzeichnungen oder ein Produktmodell gleich mitzubringen. Beispiel: •• Kunde: „Ich brauche zunächst ausführliche Produktinformationen.“ „Andere Anbieter schicken mir doch auch zuerst ihre Prospekte.“ •• Verkäufer: „Das kann ich gut verstehen, aber in unserem Gespräch erhalten Sie ungleich mehr Informationen als durch jeden, noch so toll aufgemachten Verkaufsprospekt, der am Ende wenig aussagefähig ist.“

Überlastung: Häufig wird Überlastung vorgeschoben, um sich einen ungelegen kommenden Verkäuferbesuch vom Hals zu halten. Dies ist zwar unhöflich, aber praktisch. Auch das ist verständlich, doch wenn Anforderungs- und Leistungs­ profil stimmen, was recht schnell festgestellt werden kann, lohnt sich die investierte Mühe auf jeden Fall. Beispiel: •• Kunde: „Ich kann mir doch nicht jeden Verkäufer anhören.“ •• Verkäufer: „Das sollen Sie auch gar nicht, aber so wie sich mir Ihr Bedarf darstellt, passen die Leistungsmerkmale unseres Produkts optimal auf Ihr Anforderungsprofil, so dass sich ein Gespräch wirklich für Sie lohnt.“

Telefonkontakt: In Zeiten moderner Telekommunikationsmittel scheint Kunden oft genug die telefonische Auskunft über ein Angebot/Unternehmen ausreichend. Dies mag zwar durchaus zutreffen, kann jedoch nicht im Interesse des Verkäufers liegen, will er Informationsverluste vermeiden.

6.2 Verkaufsgesprächsführung

365

Beispiel: •• Kunde: „Das können Sie mir doch genauso gut auch am Telefon sagen.“ •• Verkäufer: „Ein Produkt dieser Qualität kann man am Besten durch eine Demonstration erfassen, Zuhören reicht da erfahrungsgemäß nicht aus. Und Ihnen als Kunde steht in jeder Hinsicht die bestmögliche Information zu.“

Arroganz: Zu Zeiten des weit verbreiteten Käufermarkts können Kunden sich auch ein gehöriges Maß an Arroganz im Kontakt leisten. Das ist nicht einmal persönlich gemeint und muss daher an Verkäufern abprallen. Es macht wenig Sinn, diese Absicht ernsthaft abzustreiten. Aber ebenso ist der Einkäufer daran interessiert, lohnende Marktkontakte aufzubauen und zu unterhalten. Beispiel: •• Kunde: „Sie wollen mir doch nur etwas verkaufen, was soll das ganze also?“ •• Verkäufer: „Natürlich lebe ich vom Verkaufen, wie Ihr Unternehmen auch, aber wie Sie auch weiß ich genau, dass mir das nur gelingen wird, wenn Sie von den gebotenen Produktvorteilen hundertprozentig überzeugt sind.“

Kein Bedarf: Wenn tatsächlich kein Bedarf besteht, darf das keinesfalls zu einem Abbruch der Kontaktaufnahme verleiten. Denn die allermeisten Produkte werden wiederholt gekauft, und der Kunde hat nicht nur Bedarf an einem Produkt. Daher ist Nachhaken angezeigt. Deshalb ist es jetzt erforderlich, das An­gebot vorzustellen. Beispiel: •• Kunde: „Ich habe doch gerade erst ein anderes Produkt/bei einem anderen Lieferanten gekauft.“ •• Verkäufer: „Es ärgert mich natürlich, dass Sie nicht bei mir gekauft haben. Deshalb möchte ich Ihnen mein Produkt jetzt vorstellen, damit ich beim nächsten Mal eine Chance habe, in die engere Wahl zu kommen.“

6.2.3 Kundenqualifizierung Der eigentliche Gesprächseinstieg erfolgt regelmäßig nur durch aktives Zuhören. Verkäufer glauben leider häufig fälschlicherweise, dass es zu ihrem Berufsbild gehöre, viel zu reden. Genau das Gegenteil ist der Fall, denn „Reden ist ein Bedürfnis, Zuhören aber ist eine Kunst“ (Goethe). Am Anfang gilt es vielmehr, den Interessenten durch Fragen zu qualifizieren, denn „wer fragt, der führt“. Dabei ist aktives Zuhören erforderlich, d. h. mit Abgabe von Aufmerksamkeitsbezeugungen. Der Redefluss des Kunden soll zunächst nicht unterbrochen werden, allenfalls kurze Zwischenfragen sind sinnvoll. Praktische Gesprächsaufhänger sind etwa folgende: •• Berichte aus Fachzeitschriften, allgemeine Presseberichte, Wirtschaftsinformationen, wissenschaftliche Erkenntnisse, gesetzliche Bestimmungen, Gutachten etc.

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6. Die Durchführung des Verkaufs

•• Neuprodukt, Produktverbesserung, Produkterfolge, Referenzen, Serviceleistungen, Entwicklungsresultate, Sicherheitsfaktoren, Verarbeitungsstandards, Materialveränderungen etc. •• Testergebnisse, Auszeichnungen, Jubiläum, betriebliche Ereignisse, Prüfzeugnisse, Forschungsergebnisse, organisatorische/personelle Veränderungen, Seminarangebote etc.

Fragen sind das mächtigste Werkzeug, dessen man sich im Verkaufsgespräch bedienen kann. Verkäufer werden immer wieder darauf trainiert zu reden. Allerdings ist es viel wichtiger, gerade zu Beginn eines Verkaufsgesprächs, zuzuhören. Dabei gilt es, den Einkäufer durch offene Fragen, also solche, die keine Beantwortung mit „ja“ oder „nein“ zulassen, zu qualifizieren, d. h. sein Problem zu identifizieren. Erst wenn der Bedarf des Kunden eindeutig ermittelt worden ist, kann gezielt verkauft werden. Ansonsten ist der Erfolg allein schon deshalb gering, weil kein Nutzen geboten werden kann. Dazu einige Beispiele aus dem Immobilienverkauf: •• „Wann möchten Sie spätestens einziehen?“ •• „Worauf legen Sie bei Ihrem Immobilienwunsch besonderen Wert?“ •• „In welcher Lage genau suchen Sie denn ein Haus?“ •• „Wie lange suchen Sie schon?“ •• „Was haben Sie bisher alles unternommen?“ •• „Wie viele Objekte haben Sie bereits besichtigt?“ •• „Welche Hinderungsgründe waren denn bei diesen Objekten gegeben?“ •• „Wie viel Eigenmittel wollen Sie einsetzen?“

Abbildung 83: Fragetechniken zur Kundenqualifizierung

Der Einsatz von Fragetechniken ist Voraussetzung für jede Bedarfsermittlung und Nutzenargumentation. Dabei sollen Einstellungen/Meinungen ermittelt werden, um später gezielt Übereinstimmung herzustellen. Bei der Alternativfrage sind zwei für den Verkäufer jeweils positive Antwortreaktionen möglich:

6.2 Verkaufsgesprächsführung

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•• „Möchten Sie lieber einen Ring in Rotgold- oder Platin-Ausführung?“ •• „Was entspricht mehr Ihren Vorstellungen bei der Darlehensauszahlung, ein höheres Disagio bei geringerer laufender Belastung oder eine kürzere Laufzeit ohne Disagio?“

Ziel der Ergänzungsfrage ist es, präzisere Informationen über die kundenseitige Idealvorstellung eines Angebots zu ermitteln: •• „Denken Sie bei Ihrem Wunsch nach einer Armbanduhr an eine solche mit Analog­ anzeige?“ •• „Wenn Sie sagen, Sie möchten die Sonne auch in Ihrer Wohnung genießen, meinen Sie da einen Balkon oder eine Loggia?“

Durch die Fangfrage sollen unbewusste Kaufgründe zu Tage gefördert werden: •• „Besitzen Sie schon weitere Schmuckstücke in dieser Preisklasse?“ •• „Ist Ihnen bewusst, wie hoch Ihr derzeitiger persönlicher Steuersatz in der Progressionsspitze schon liegt?“

Mit Hilfe der Gegenfrage gewinnt man die Initiative zurück und erreicht einen besseren Wissensstand, sie ist allerdings vorsichtig einzusetzen, da sie leicht als unhöflich aufgefasst werden kann: •• „Ist Ihre Auswahl nicht etwas gering?“ – „Was vermissen Sie denn ganz konkret in meinem Sortiment?“ •• „Immobilien sind doch immer eine zweischneidige Sache.“ – „Wann haben Sie persönlich denn zuletzt schlechte Erfahrungen mit einer Immobilienanlage gemacht?“

Durch die Informationsfrage sollen objektive Daten über die Bedarfslage des Interessenten ermittelt werden: •• „Um welches Schmuckstück möchten Sie Ihre Kollektion denn ergänzen?“ •• „Wie groß sollte das Grundstück sein, das Sie sich zum Erwerb vorstellen?“

Auf Ja-Fragen gibt es nur ein Ja als einzig sinnvolle Antwort, sie bringen das Gespräch daher konstruktiv voran: •• „Ein Schmuckstück ist doch wirklich eine der schönsten Arten, Geld anzulegen, nicht wahr?“ •• „Die eigenen vier Wände sind nun mal viel besser als lebenslang Miete zu zahlen, oder nicht?“

Die Kontrollfrage stellt eine bereits erreichte Übereinstimmung zwischen den Partnern fest, um diese für den Gesprächsfortschritt zu sichern: •• „Ich habe Sie also recht verstanden, dass Sie ein erstklassig verarbeitetes Schmuckstück suchen.“ •• „Können Sie sich denn eine Immobilienanlage unter den genannten Voraussetzungen vorstellen oder nicht?“

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6. Die Durchführung des Verkaufs

Die Motivationsfrage zielt auf die Offenlegung seither ungenannter Beweggründe ab: •• „Soll es sich bei diesem Armreif um ein Geschenk handeln?“ •• „Ist Ihnen bei dieser Immobilie die Möglichkeit zur sofortigen Steuerersparnis wichtiger oder die langfristige Wertsteigerung?“

Die rhetorische Frage beantwortet sich von selbst, sie hat damit rein instrumentellen Charakter: •• „Den Ärger über einen höheren Preis vergisst man ganz schnell, der Ärger über eine schlechte Qualität aber bleibt auf Dauer bestehen, nicht wahr?“ •• „Ist eine Anlageform für Sie interessant, bei der Sie ab sofort 20 % Steuern sparen und dabei noch Vermögen bilden?“

Durch die Suggestivfrage soll eine Beeinflussung des Gesprächspartners erreicht werden, sie ist allerdings vorsichtig einzusetzen, da dieser sich leicht bevormundet fühlen kann: •• „Sie sind doch sicherlich auch der Meinung, dass ein Chronometer immer auch den Lebensstil seines Besitzers zum Ausdruck bringt?“ •• „Sie stimmen mir doch zu, dass der Steuervorteil heute ein ganz wichtiges Argument für die Geldanlage in Immobilien ist?“

Die provozierende Frage dient der emotionalen Anreizung, doch ist Vorsicht vor Überaktivierung geboten: •• „Ist Ihnen auch bewusst, dass es sich bei dieser Uhr um ein wertvolles Einzelstück ­handelt?“ •• „Soll man denn dem Vermieter wirklich immer höhere Monatsmieten abführen, ohne dass er den Wohnwert entsprechend steigert?“

6.2.4 Demonstration und Vorteilsargumentation Die Demonstration soll didaktisch •• vom Einfachen zum Komplizierten, •• vom Bekannten zum Unbekannten, •• vom Detail zur Ganzheit, vorgehen. Wichtig ist zu berücksichtigen, dass eigene Aktivität des Interessenten (90 % Erinnerungsquote als Anhaltspunkt) vor Wahrnehmung durch Sehen und Hören (50 %) vor nur bildlicher Wahrnehmung (30 %), vor nur auditiver Wahrnehmung (20 %) und vor nur schriftlicher Wahrnehmung (10 %) geht. Die Demonstration soll wirkungsvoll eingeübt werden und immer so erfolgen, dass dabei erläutert wird, was gerade passiert und der Nutzen ausdrücklich

6.2 Verkaufsgesprächsführung

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aus­gelobt wird. Bei der Erläuterung soll auf Konkurrenzprodukte kein direkter Bezug genommen werden, denn das wertet diese nur unnötig auf. Produktmuster müssen zudem immer pfleglich behandelt werden. Teilweise versuchen Verkäufer, die Robustheit ihrer Produkte durch bewusst rauen Umgang mit ihnen zu betonen. Das sollte vermieden werden, es sei denn, man hat für solche Zwecke (Torture test) ein gesondertes Produkt parat. Auch darf auf keinen Fall das Demon­ strationsprodukt verkauft werden, sondern immer ein „unbenutztes“ („originalverpackt“). Wichtig ist die Förderung von Aha-Erlebnissen beim Gegenüber (meist durch „Selbermachen“). Dies erfolgt durch Inszenierung/Dramatisierung der Produktleistung. Dadurch können auch Selbstverständlichkeiten überzeugend wirken. Zudem sollen nur zwei Alternativen gleichzeitig demonstriert werden, weil sonst leicht Überforderung (Konfusion) eintreten kann, bei größerer Auswahl ist dazu sukzessiv vorzugehen. Bei der Vorteilsargumentation geht es darum, aus absenderbezogenen Angebotsmerkmalen (Character selling, z. B. „Diese Maschine schafft 5.000 Umdrehungen/Min.“) adressatenbezogene Kundennutzen werden zu lassen (z. B. „Diese Maschine verschafft Ihnen einen Wettbewerbsvorsprung.“). Denn Kunden sind nur daran interessiert, was ihnen ein Angebot an Nutzen bringt. Daher kommt es darauf an, für jedes Angebotsmerkmal den rationalen oder auch emotionalen Kundennutzen auszuloben. Mögliche Nutzen hängen von der Motivation ab, diese ist durch Bedarfe geprägt, die wiederum aus der Kundenqualifizierung bekannt sein sollten. Man geht dabei von einer Nutzenhierarchie aus, bei der alle Vor- und Zwischennutzen in Endnutzen münden (Endbenefits), die Leistung, Kennerschaft, Trendzugehörigkeit und Prestige lauten. Dabei geht man von einer Zweck-Mittel-Kette zum Endnutzen aus (Means-end-Chain). So etwa folgendermaßen (bei einem Pkw): •• konkrete Eigenschaft: lange Motorhaube, •• abstrakte Eigenschaft: hohe Unfallsicherheit, •• funktionaler Nutzen: geringeres Verletzungsrisiko, •• psychologischer Nutzen: sich sicher fühlen, •• instrumenteller Wert: körperliche Unversehrtheit, •• terminaler Wert: länger gesund leben (Leistung). Dies wissend, kann man sich in der Argumentation auf ein immer höheres Nutzenniveau hangeln. Zur Vorentscheidung können eine Reihe von Gesprächstechniken eingesetzt werden, wie etwa folgende.

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6. Die Durchführung des Verkaufs

Die Annahme setzt die hypothetische Zustimmung des Kunden schon einmal argumentativ voraus: •• „Wenn Sie bei diesem Ring hier bleiben, kann ich Sie zu Ihrer Entscheidung nur beglückwünschen.“ •• „Unterstellen wir im Folgenden einmal, Sie entscheiden sich für diese Wohnung, dann sieht Ihre ganz persönliche Renditerechnung folgendermaßen aus: …“

Bei der Empfehlung erfolgt eine Wahl des Verkäufers im Urteil des Käufers, quasi objektiviert: •• „Als Fachmann sage ich Ihnen da nur, mit dieser Halskette können Sie einfach gar nichts falsch machen.“ •• „Aus meiner langjährigen Erfahrung im Metier rate ich Ihnen, auf jeden Fall die Wohnung mit den höheren Mieteinnahmen und den weitaus größeren Steuervorteilen zu wählen.“

Die Entscheidungseinschränkung bleibt als letzte Möglichkeit, wenn alle anderen Argumente versagen: •• „Da es sich um ein Geschenk handelt, kann ich Ihnen ausnahmsweise eine Umtausch­ möglichkeit dafür einräumen.“ •• „Ich nehme für Sie schon einmal eine Kaufoption in meine Unterlagen auf, und Sie sagen mir dann bitte bis zum Montag nächster Woche, ob wir den Abschluss machen k­ önnen.“

Die falsche Wahl leitet durch deren Ablehnung indirekt auf die eigentlich zum Verkauf gewünschte Alternative über: •• „Wenn Sie Standard-Schmuckware suchen, liegen Sie bei diesem Set hier richtig.“ •• „Warum nutzen Sie nicht das vermeintlich billigere Konkurrenzangebot und warten ab, ob Sie damit im Endeffekt wirklich so gut bedient sind wie es Ihnen versprochen worden ist.“

Die Feststellung zielt auf eine Ja-Verkettung ab: •• „Sie wollen eine sichere Wertanlage?“ – „Ja.“ – „Das bedingt eine erstklassige Verarbeitung.“ – „Ja.“ – „Sie wollen aber auch ein blendendes Aussehen, nicht wahr?“ – „Ja.“ – Dann kommt für Sie nur dieser Ring hier in Betracht.“ •• „Die Lage sagt Ihnen also zu. Der Preis ist für Sie finanzierbar. Sie legen Wert auf steigende Mieteinnahmen. Dann ist das genau das richtige Objekt für Sie.“

Im praktischen Vergleich wird vor allem der Erlebniswert eines Produkts betont: •• „Die Einstellung der Uhrzeit ist sicherlich kompliziert.“ – „Das hat vielleicht den Anschein, aber die Einstellungen erfolgen automatisch. Drücken Sie nur einmal diesen Knopf hier, Sie sehen, dass …“ •• „Nehmen Sie nur einmal auf der Terrasse Platz und genießen den Blick auf den herrlichen alten Baumbestand, wie man ihn heutzutage nurmehr ganz selten findet.“

Durch Pro-contra wird die Bilanz aller Argumente gezogen, natürlich mit mehr Pros als Cons:

6.2 Verkaufsgesprächsführung

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Abbildung 84: Techniken der Vorteilsargumentation

•• „Was also spricht für den Kauf dieses Schmuckstücks – und was dagegen? Nun, ziehen wir einmal Bilanz, da ist zunächst …“ •• „Die Wohnung liegt zwar im Parterre, aber dafür sichern Sie sich quasi auch die Gartenwohnung in diesem Haus.“

Reserveargument bedeutet das Nachschieben eines wichtigen Arguments ganz zum Schluss der Argumentationsphase: •• „Ach, fast hätte ich noch vergessen Ihnen zu sagen, dass …“ •• „Es versteht sich ja eigentlich von selbst, aber ich sollte noch erwähnen, dass Sie als Ersterwerber natürlich provisionsfrei kaufen.“

Durch Trägheit werden die beständig gleichen Produktvorteile wiederholt und penetriert: •• „Ich glaube, ich sagte schon, dass es sich bei diesem Stück um eine handwerkliche Einzelanfertigung handelt, wie sie heute kaum mehr zu finden ist.“ •• „Ich darf noch einmal daran erinnern, Fertighäuser sind heute genauso dauerhaft und stabil wie konventionell gebaute Häuser.“

Bei der Übertreibung wird dem Kunden ein vorsichtiger, nicht unverschämt überzogener Vorschlag gemacht: •• „Möchten Sie gleich das ganze Schmuck-Set erwerben?“ – „Nein, nein, das Armband reicht fürs Erste völlig.“ •• „Was halten Sie davon, wenn wir anstelle der Parterre-Einheit einmal die MaisonetteWohnung kalkulatorisch durchgehen?“ – „Nein, es kommt nur Parterre in Betracht.“

Ein Kaufvorschlag dient dazu, das Gespräch voranzubringen, wenn es an einem toten Punkt angekommen oder festgefahren scheint: •• „Was halten Sie davon, dieses Collier hier mit diesen Ohrclips dort zu kombinieren? Das sieht wirklich fantastisch aus, wie füreinander gemacht.“

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6. Die Durchführung des Verkaufs

•• „Nehmen wir nur einmal diese Wohnung hier und schauen uns deren Grundrissplan etwas genauer auf Ihre Anforderungen hin an.“

Vorteilhaftigkeit stellt auf die gute Gelegenheit ab, die man sich als Kunde nicht entgehen lassen sollte: •• „Bedenken Sie bitte, dass es sich dabei um ein Einzelstück aus einer Serie handelt, die nicht mehr hergestellt wird.“ •• „Diese Wohnung ist deshalb so preisgünstig, weil wir sie preiswert erworben haben und diesen Kostenvorteil nun voll an Sie als unseren Kunden weitergeben.“

Die Zusammenfassung dient als Resümee der Verankerung von Argumenten im Gedächtnis des Kunden: •• „Was bleibt denn unter dem Strich? Wichtig ist doch für Sie vor allem, dass Sie …“ •• „Halten wir also fest, die Fußbodenheizung erübrigt störende Heizkörper an der Wand, spart zudem Heizkosten und kann problemlos auf alternative Energieträger umgerüstet werden.“ Wichtig ist es, sich die gängigen Argumente auch im Detail zurecht zu legen, damit man sie jederzeit in das Verkaufsgespräch einflechten kann. Dazu einige Beispiele aus der Immobilienbranche: Argumente für ältere Immobilien: •• Gartenanlage (oft schöne Grundstücke mit altem Baumbestand), •• gewachsenes Wohnumfeld, •• preiswert (geringere Kaufkosten als bei Neubauten gleicher Fläche), •• viel und gemütlichere Wohnflächen, •• hohe Decken, evtl. Stuck, •• Vielfalt im Angebot, Individualität, •• keine Investitionen in Außenanlagen, •• keine Bautätigkeit im Umfeld, •• niedrige Nebenkostenbelastung, •• Haustechnik ist mit wenig Mitteln auf den aktuellen Stand der Technik zu bringen, •• stabile, solide Bauweise, •• Fassaden und Verkehrsflächen in gediegener Ausführung, •• großzügige Grundrisse, •• Renovierungskosten können zumindest teilweise steuerlich geltend gemacht werden, •• Denkmalschutz (Landeszuschüsse, Abschreibungsmöglichkeiten), •• bei Eigenleistung Wertzuwachs, •• bei Renovierung Einrichtung nach eigenem Geschmack.

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Argumente für Immobilien außerhalb der Stadt: •• preiswerter als im Innenstadtbereich, größeres Grundstück, •• großzügige Bebauung (Grundstück, Aussicht, Garten), •• hoher Freizeitwert (kurzer Weg ins Grüne, gute Luft), •• vorhandene Infrastruktur, gute Verkehrsanbindung, Schulbus, kinderfreundliche Umgebung (verkehrsberuhigt), •• soziale Einbindung in meist junge Nachbarschaft, •• ruhig, unverbaubarer Blick, •• Natur vor der Tür, Tierhaltung unproblematisch, •• Naherholungsgebiet vor der Haustür, •• individuelle Bauweise möglich, •• gute Parkmöglichkeiten, •• wenig Lärmbelästigung. Argumente für Immobilien in der Innenstadt: •• großes Kommunikationsangebot (Theater, Kino, Park, Spielplatz, Restaurant, Kneipe etc.), alles ohne Auto erreichbar, •• nicht vermehrbare Lage, •• Zweitwagen entfällt, stattdessen ÖPNV-Angebot nutzen, •• bequemes Wohnen (Einkaufsmöglichkeit, Arzt, Ämter etc.), •• kurze Wege zu Arbeitsplatz, Schule, Kindergarten etc., •• Verwertung auch zur Miete, •• Städte werden immer attraktiver, Urbanisierungstrend, •• Aus- und Weiterbildungsangebote, öffentliche Versorgung, •• anonymes Wohnen, •• lebendige Atmosphäre, •• kaum Witterungsprobleme (Schnee, Glatteis etc.). Argumente für Immobilien in Großanlagen: •• umfangreicher Hausdienst gehört zur Anlage, ebenso Verwaltung, •• Anonymität, •• sicheres Wohnen in oberen Geschossen, außerdem gute Aussicht, •• preisgünstiges Wohnen, •• gute Infrastruktur (Einkaufszentren), •• Nutzung gemeinsamer Einrichtungen, zentrale Versorgung, •• Aufzug.

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6. Die Durchführung des Verkaufs

Allgemeine Argumente: •• hohe Grundstücksqualität, •• Sonnenscheindauer auf Wohnseite, •• Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln, •• Frequenz der Verkehrsmittel, •• Einkaufsmöglichkeiten in Reichweite, •• Pkw-Minuten zum Autobahnanschluss, •• Naherholungsgebiete, •• Nähe zur Innenstadt, •• Fahrradminuten zur Schule, •• städtebauliches Umfeld, Baukörpergestaltung, Fassade, Grundrissgestaltung, Außenanlagen, •• Pkw-Abstellmöglichkeit, •• Wärmeschutz, •• Fensterausführung, •• Decken, Schallschutz, •• Wohnungseingangstür, •• Sondereinrichtungen wie Gäste-WC, hängende Becken, Spiegelschrank, Abstellschrank, Waschmaschinenplatz, Küchenentlüftung, Kabelfernsehanschluss, Treppenhausgestaltung, Gardinenschienen, Generalschlüssel, Rollläden, Fahrradkeller, Kinderwagenabstellraum, Außensteckdose, Blumenkästen, Müllschlucker, Hausmeisterdienst, Bepflanzung/Grünflächen, Garagen/Einstellplätze etc. Argumente für die Anbieterwahl: •• seit vielen Jahren bewährt am Markt, •• hohe Zahl erstellter bzw. verkaufter Wohnungen, •• Kapitalbasis bzw. Vermögen der haftenden Gesellschafter, •• großzügige Gewährleistungsregelungen, •• Pflege des Wohnungsbestands, •• Kapitalbasis der Vermietungsgesellschaft, •• Vermietungsgarantien, •• zertifiziertes Qualitätssicherungssystem, •• baubegleitende Qualitätskontrolle, •• technische Bauabnahme durch Sachverständigen, •• Gütezertifikat für Bauausführung, •• sorgfältige Auswahl und Bonitätsprüfung der Mieter,

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•• regelmäßige technische Begehungen, •• Reparaturservice, •• Notfalldienst sonn- und feiertags, •• Renovierungskostenausweis, •• Mieterbetreuungsservice, •• aussagefähige Wirtschaftlichkeitsberechnungen, •• Mittelverwendung und Leistungskontrollen, •• Kaufpreiszahlung erst bei Fertigstellung, •• Festpreisgarantie für Erstellung, •• Außenanlagen im Preis enthalten, •• garantierte Mietsteigerung im Zeitablauf, •• Referenzobjekte zur Besichtigung, •• Mieter-Mix, Subunternehmer-Mix.

6.2.5 Einwandbehandlung Einwände sind entscheidende Kaufwiderstände, zugleich aber auch Hilferufe des Kunden. In dieser heiklen Phase des Verkaufsgesprächs gilt es, überzeugend zu argumentieren. Dazu ist es hilfreich, alle möglichen Einwände für ein Produkt zu sammeln und jeweilige Gegenargumente bereitzulegen, so dass man gar nicht erst in Verlegenheit kommt, lange überlegen zu müssen, wie man einem Einwand begegnet. Dazu stehen eine Reihe von Gesprächstechniken bereit.

Abbildung 85: Techniken zur Einwandbehandlung

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6. Die Durchführung des Verkaufs

Durch die Entlastung sollen die mit einem Einwand verbundenen Probleme entkräftet werden, dies ist jedoch vorsichtig einzusetzen: •• „Selbst wenn eine Verharzung im Uhrwerk auftreten sollte, ist unser Kundendienst zur Stelle, um Ihnen sofort zu helfen.“ •• „Ihnen ist also der Tiefgaragenplatz nicht geheuer? Da kann ich Sie beruhigen, die tatsächlichen Gefahren liegen heutzutage viel eher im immer dichteren Straßenverkehr als in einem Abstellplatz.“

Die Isolierung hilft durch Klärung des „letzten“ Einwands gegen endloses Hinauszögern des Entscheids im Gespräch: •• „Kann ich davon ausgehen, dass außer der Klärung des Liefertermins aus Ihrer Sicht nichts mehr gegen einen Abschluss spricht?“ •• „Wenn meine Vergleichsrechnung Ihnen zeigt, dass dieses Objekt anderen in der Summe seiner Eigenschaften überlegen ist, sind Sie dann vom Kauf überzeugt?“

Die Ja, aber-Technik signalisiert scheinbare Zustimmung, allerdings mit Verkehrung ins Gegenteil: •• „Das ist in der Tat ein wichtiger Punkt, den Sie da ansprechen, der sich aber relativiert, wenn man folgendes bedenkt: …“ •• „Ja, es kommt vor, dass viele Einheiten in einer Wohnanlage nicht ohne Probleme sind. Aber bedenken Sie bitte, egal, wie groß oder klein ein Gebäude auch ist, Sie haben es immer nur mit maximal vier Nachbarn zu tun, zwei links und rechts und je einer unten und oben.“

Der Korkenzieher dient dazu, die hinter einem Vorwand liegenden Einwände hervor zu locken: •• „Gold ist nicht sonderlich wertbeständig.“ – „Welche Bedenken haben Sie denn gegen einen seit Jahrtausenden im internationalen Handel verwendeten Wertmesser?“ •• „Die Wohnung liegt zu weit außerhalb.“ – „Warum ist es für Sie wichtig, in unmittelbarer Nähe der Innenstadt zu wohnen?“

Die Kompensation besteht darin, einen Nachteil des eigenen Produkts einzu­ gestehen, um größere Vorteile dagegen zu stellen: •• „Dieses Bedenken ist in der Tat ernst zu nehmen, aber unumstößlich bleibt dabei dennoch der Vorteil, dass …“ •• „Nun haben Sie endlich eine Wohnung gefunden, die Ihren Wünschen fast perfekt entspricht. Wollen Sie da Ihre Entscheidung wirklich davon abhängig machen, ob Ihre alte Schrankwand ins Wohnzimmer passt oder nicht?“

Die Papageientechnik besteht darin, einen genannten Einwand zu wiederholen, damit erkennbar ernst zu nehmen, vor allem aber zugleich Zeit zu gewinnen: •• „Dieses Armband ist mir zu protzig.“ – „Dieses Armband ist Ihnen also zu protzig. Können Sie mir bitte erläutern, warum Sie das so empfinden?“

6.2 Verkaufsgesprächsführung

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•• „Sie sind also, wenn ich das recht verstehe, der Meinung, dass Ziegel ein besserer Baustoff sind als Beton? Nun, dazu möchte ich Ihnen Folgendes darlegen: …“

Als Referenz dient der Bezug auf Kundenautoritäten, evtl. auch leicht geschönt, denen eine absichernde Wirkung zukommt: •• „Einer meiner anspruchsvollsten Kunden hat sich erst letztens für ein ganz ähnliches Schmuckstück entschieden. Und ist hoch zufrieden damit, wie er mir erst neulich noch bestätigte.“ •• „Die anderen Einheiten sind bereits von Kunden gekauft worden, die schon das zweite oder dritte Mal mit uns zusammen arbeiten. Das würden die ja wohl kaum tun, wenn sie nicht vollauf zufrieden wären.“

Mit der Salamitechnik wird ein komplexer Einwand zergliedert und kann dadurch einzeln abgearbeitet werden: •• „Die Qualität ist ja wohl nicht so toll.“ – „Zunächst sollte man die exzellente Verarbeitung dieses Stücks betrachten. Schauen Sie nur einmal die Krone an. Dann bedenken Sie bitte die ausgesuchten Rohmaterialien, die hier verarbeitet worden sind. Auch die ausgesprochen geschmackvolle Gestaltung ist bestechend. Nehmen Sie nur einmal …“ •• „Die Ausstattung der Wohnung ist schlecht.“ – „Lassen Sie uns doch zuerst einmal gemeinsam die Ausstattungsmerkmale der einzelnen Räume genauer anschauen. Da ist zunächst …“

Bei der seitlichen Arabeske wird ein nicht weg zu diskutierender Nachteil stillschweigend hingenommen, aber sogleich übersprungen: •• „Der Stein ist mir zu klein.“ – „Andererseits sollten Sie die hervorragende Verarbeitung des Ringes bedenken, wie man sie nur selten findet.“ •• „Ein Aufzug im Haus verursacht hohe Nebenkosten.“ – „So ein Aufzug steigert aber auch ganz erheblich den Mietwert, und das zahlt sich später doppelt und dreifach aus.“

Durch die Transformation wird die Begründung für einen Einwand abgefragt, doch darf man dabei keinesfalls die Höflichkeit einschränken: •• „Die Stoppfunktion fehlt ja bei dieser Uhr auch.“ – „Können Sie mir bitte sagen, wann Sie die Stoppfunktion an einer Armbanduhr zuletzt gebraucht haben?“ •• „Der Grundriss der Wohnung ist langweilig.“ – „Was genau würden Sie denn an diesem Grundriss interessanter gestaltet haben wollen?“

Die Umkehrung bedeutet, aus einem vermeintlichen Nachteil einen Vorteil zu machen: •• „Eben weil das Design, wie Sie sagen, so ausgefallen ist, geht es im alltäglichen Einerlei nicht unter.“ •• „Die Wohnung ist zwar vermietet, aber dadurch können Sie sie auch um ca. 20 % günstiger erwerben als eine vergleichbare, freie Wohnung.“

Mit Hilfe einer Umformulierung kann ein harter Einwand abgeschwächt werden: •• „Vereinfacht gesagt, vertreten Sie also die Meinung, dass …“

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6. Die Durchführung des Verkaufs

•• „Dass soll mein Anwalt erst mal richtig prüfen.“ – „Es bleibt Ihnen natürlich unbenommen, sich hinsichtlich der Vertragsinhalte noch mit Ihrem Anwalt zu besprechen. Aber er wird Ihnen bestätigen, dass …“

Bei der unbeantworteten Frage ergänzt der Kunde die Antwort im Kopf: •• „Ist eine glückliche Ehefrau nicht das Wertvollste, was man als Mann haben kann?“ •• „Wer weiß schon, wie lange diese steuerlichen Absetzungsmöglichkeiten noch in vollem Umfang gewährt werden?“

Im Vergleich sollen abstrakte Angebotsvorteile konkret anschaulich gemacht werden: •• „Bei gesellschaftlichen Anlässen stellt man doch immer wieder fest, welche Bedeutung hochwertigem Schmuck zugemessen wird.“ •• „Wenn Sie sagen, alle Makler sind unseriös, dann ist das geradeso, als wenn Sie behaupten, alle Arbeitslosen sind arbeitsscheu. Natürlich gibt es hier und da schwarze Schafe, aber so allgemein stimmt das nicht. Makler sind wichtige Mittler bei …“

Bei der Vorwegnahme geht es darum, Einwände proaktiv zu entschärfen, doch gilt Vorsicht, dadurch können auch leicht „schlafende Hunde“ geweckt werden: •• „Eine Frage, die in diesem Zusammenhang oft gestellt wird, ist die Folgende: …“ •• „Nun könnte man meinen, dass die Bausubstanz dieses Hauses zu alt ist. Aber damals hat man sich zum Bauen noch richtig Zeit genommen und auch wesentlich mehr Material verarbeitet als heute üblich.“

Durch die Zurückstellung lässt sich Zeit gewinnen, evtl. wird der Einwand sogar im Zeitablauf vergessen: •• „Das Design sollten wir uns gleich nachher in der Ausstellung genauer ansehen.“ •• „Darf ich Ihren Hinweis auf die Ihrer Meinung nach zu kleine Küche noch einmal aufnehmen, nachdem wir uns die anderen Wohnräume angeschaut haben?“

Am Besten ist es, alle wahrscheinlichen Einwände für jedes Kaufobjekt zu erfassen und adäquate Gegenargumente dafür bereit zu legen. Dass dies selbst für die schwierigsten Einwände möglich ist, dazu im Folgenden einige Beispiele aus der Immobilienbranche: •• „Das Grundstück ist zu klein.“ „Bedenken Sie bitte, dass ein großes Grundstück auf Dauer sehr arbeits- und kosten­ intensiv ist.“ „Der Wiederverkauf eines großen Grundstücks ist oft schwieriger, weil sich dafür nicht so viele Käufer interessieren.“ •• „Das Bad ist zu klein.“ „Eine Waschmaschine ist problemlos in der Küchenzeile einzubauen.“ „Ein separater großer Waschraum befindet sich im Keller.“ „Nutzen Sie eine Duschabtrennung in der Badewanne, wie das in guten Hotels üblich ist.“

6.2 Verkaufsgesprächsführung

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•• „Die Nebenkosten sind zu hoch.“ „Großenteils handelt es sich dabei tatsächlich nicht um Kosten, sondern um Rücklagen zur Werterhaltung Ihrer Immobilie.“ „Bisher waren auch schon Nebenkosten als Mietvorauszahlung fällig. Nur, dass Sie die zukünftig für die eigene Wohnung auslegen.“ „Dafür erhalten Sie eine Reihe bequemer Gegenleistungen wie Hausmeisterdienst, Gartenpflege, Aufzug, Reinigung etc.“ •• „Es gibt keine Loggia.“ „Um den dabei eingesparten Platz ist das Wohnzimmer größer. Und ein Zimmer ist doch viel besser nutzbar als eine Loggia.“ •• „Das Kinderzimmer ist zu klein.“ „Berücksichtigen Sie bitte, dass Spielen in Zukunft im ganzen Haus möglich ist.“ „Warum nutzen Sie nicht die wirklich praktischen, raumsparenden Kombimöbel fürs Kinder­zimmer.“ •• „Ist zu weit von der Stadt entfernt.“ „Die Fahrtzeiten in die Stadt hinein sind heutzutage oft kürzer als die innerhalb der Stadt selbst.“ „An der Peripherie befinden sich die besten Einkaufsmöglichkeiten in Reichweite.“ „Dafür wohnen sie jetzt im Grünen, da, wo die Anderen nur am Wochenende hinfahren können.“ •• „Die Terrasse ist nicht nach Süden ausgerichtet.“ „Bedenken Sie bitte, dass eine Südausrichtung zu starker Aufheizung im Sommer führt.“ bei Südostlage: „Da können Sie ein gemütliches Frühstück bei Sonnenschein genießen.“ bei Südwestlage: „Denken Sie nur an die gemütlichen Abendessen bei Sonnenschein.“ ansonsten: besserer Blick ins Tal oder kein Blick von der Straße auf die Terrasse. •• „Ich bin gegen Flachdächer.“ „Die Anlage ermöglicht Ihnen dadurch das Wohnen auf einer Ebene und vermeidet Abschattungen durch hohe Giebel.“ „Probleme mit Flachdächern gab es allenfalls früher einmal. Das ist heutzutage längst vorbei.“ „Bei etwas Pflege alle paar Jahre ist das Flachdach absolut dicht.“ •• „Es gibt zu viele Einheiten im Objekt.“ „Es gibt drei Eingänge in der Anlage, zu Ihrem Hauseingang gehören nur acht Einheiten.“ „Sie haben immer nur max. vier Nachbarn, jeweils links und rechts, über und unter Ihnen, ganz gleich, wie groß die Anlage im Einzelnen auch immer ist.“

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6. Die Durchführung des Verkaufs „Ein Interessenausgleich ist bei mehr Eigentümern viel besser gewährleistet als bei wenigen, wo es doch schon reicht, wenn einer notorisch querschießt.“

•• „Es gibt keine festen Garagen.“ „Bedenken Sie bitte, dass ein Garagenhof erhebliche Nachteile durch zusätzliche Geräusche und Abgase bedeutet.“ „Sie können ganz einfach eine räumlich flexible Fertiggarage neben der Hauswand aufstellen.“ „Ich weise Ihnen auf Wunsch eine Anmietungsmöglichkeit für eine Garage in der Nähe nach.“ •• „Die Bausubstanz ist zu alt.“ „Glauben Sie mir, damals hat man noch wesentlich solider gebaut als heute.“ „Dafür erhalten Sie einen erstklassigen Standort, der neu gar nicht mehr zu bebauen wäre.“ „Aber für den Preis dieses Hauses mit Grundstück bekommen Sie heutzutage kaum mehr ein vergleichbares Grundstück, geschweige denn ein Gebäude.“ •• „Die Ausstattung ist zu schlecht.“ „Sie haben den Vorteil, ganz nach Ihren Wünschen renovieren zu können und brauchen nicht eine 08/15-Ausstattung mitzubezahlen, die Sie doch wieder wegwerfen.“ „Durch die Renovierung können Sie zusätzliche Steuervorteile beim Finanzamt beanspruchen.“ •• „Die Küche ist zu klein.“ „Es ist ausreichend Platz für alles, was man in einer modernen Küche braucht. Und fürs Essen gibt es ja nun extra einen Essplatz im Wohnzimmer.“ •• „Die Küche hat keine Fenster.“ „Abluft durch Ventilator sorgt für eine viel bessere Belüftung als Umluft durchs Fenster.“ „Im Winterhalbjahr sparen Sie dadurch eine Menge Heizkosten.“ •• „Die Wohnung ist zu laut.“ „Dafür haben Sie alle Super-Einkaufsmöglichkeiten, Restaurants, Kulturveranstaltungen etc. der Innenstadt in der Nähe und können spontan entscheiden, während andere so etwas lange planen müssen.“ •• „Ich mag kein innen liegendes Bad.“ „Innen liegende Bäder sind viel wärmer, das spart enorm Heizkosten.“ „So gibt es mehr Platz zum Anbringen von Ablagen und Schränken an den Wänden, da hat man ja erfahrungsgemäß einen großen Bedarf.“ „Es ist kein unliebsamer Einblick von außen möglich.“

6.2 Verkaufsgesprächsführung

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•• „Es gibt keinen Keller.“ „Ich versichere Ihnen, die Zeit der Kellerparties ist längst vorbei.“ „Keller als Vorratsräume für Heizmaterial und Lebensmittel braucht man in einem modernen Haus wie diesem heute nicht mehr.“ „Es gibt mehr als genug Abstellfläche im Haus. Schauen Sie nur einmal auf den Plan.“ •• „Ich will keine Parterrewohnung.“ „Die Wohnung verfügt über eine sehr gute Sicherung, daher besteht keinerlei erhöhte Einbruchsgefahr.“ „Die Putz- und Räumarbeiten sind ohnehin umschlägig durch alle Parteien/den Hausmeisterdienst zu übernehmen.“ „Bedenken Sie bitte, Sie bewohnen praktisch die Gartenwohnung in diesem Haus.“ •• „Es gibt keinen Aufzug.“ „Das bringt Ihnen eine erhebliche Einsparung an Nebenkosten.“ „Ein Aufzug bedeutet doch letztlich nur Lärmbelästigung rund um die Uhr.“ „So können Sie jeden Tag ganz beiläufig etwas für Ihre Gesundheit tun.“ •• „Ich will kein Fertighaus.“ „In Skandinavien werden schon seit 150 Jahren Fertighäuser gebaut, die sich bestens bewährt haben.“ „Wussten Sie, dass die Fachwerkhäuser aus dem Mittelalter im Prinzip der Bauart des Fertighauses entsprechen?“ •• „Ich will keine Gasetagenheizung.“ „Es erfolgt eine separate Abrechnung nur nach Ihrem eigenen Verbrauch. Da gibt es also keinen Stress mit der Umlage.“ „Finden Sie es denn wirklich besser, sich die Heiztemperatur von anderen vorschreiben zu lassen?“ •• „Die Wohnung ist noch vermietet.“ „Dadurch ist diese Wohnung erheblich billiger zu haben als eine freie.“ „So haben Sie sichere Mieteinnahmen für Ihre Finanzierung.“ •• „Ich will keine Fußbodenheizung.“ „Dadurch fallen hässliche Heizkörper weg (als Schmutzfänger, Verletzungsgefahr).“ „Die Fußbodenheizung ist durch ihren Niedrigtemperaturbereich besonders wirtschaftlich zu betreiben und auf alternative Energien umrüstbar.“ •• „Es gibt kein Gäste-WC.“ „Der dadurch eingesparte Raum kommt komplett und dauerhaft der Wohnfläche Ihrer Familie zugute. Ist das nicht viel sinnvoller?“

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6. Die Durchführung des Verkaufs

•• „Ich habe Angst in der Tiefgarage.“ „Sie kommen trocken und warm vom Auto in Ihre Wohnung.“ „Sie steigen in ein kühles Auto im Sommer.“ „Sie ersparen sich mühseliges Eiskratzen im Winter.“ „Die umständliche Parkplatzsuche entfällt für Sie ab sofort.“ „Dadurch ist eine wesentlich bessere Optik durch Begrünung im Umfeld möglich.“ •• „Der Grundriss der Wohnung ist langweilig.“ „Die Zweckmäßigkeit des Zuschnitts werden Sie bald viel mehr zu schätzen wissen als Unbequemlichkeiten aus Grundrissen dieser kreativen, preisgekrönten Architekten.“ „Dieser Grundriss bietet Ihnen eine maximal nutzbare Wohnfläche. Und darauf kommt es Ihnen doch primär an, oder?“ „Eine fantasievolle Einrichtung, wie Sie sie zweifellos vorsehen werden, hat viel mehr Wirkung als jeder Grundriss.“ •• „Die Nachbarn sind mir unsympathisch.“ „Aufgrund der Eigentümerstruktur können Sie davon ausgehen, dass Ihre Nachbarn, genau wie Sie, gut situierte Leute sind. Wo sollten da Probleme auftreten?“ „Ihr Nachbar von heute ist nicht unbedingt Ihr Nachbar von morgen.“ •• „Das Haus ist mir zu dunkel.“ „Helle Farben bei der Renovierung, so wie sie heute modern sind, bewirken hier wahre ­Wunder.“ „Der alte Baum vor dem Fenster spendet im Sommer angenehmen Schatten, das werden Sie bald zu schätzen lernen.“ •• „Die Hochspannungsleitung in der Nähe stört.“ „Glauben Sie mir, wenn davon auch nur die geringste Gefahr ausginge, hätte es hier erst gar keine Baugenehmigung gegeben, so pingelig, wie die Behörden heute sind.“ •• „Die Provision verteuert den Objektkauf.“ „Die Courtage wird ausschließlich im Erfolgsfall fällig und ist das Honorar für die zur Herbeiführung des Erfolgs erbrachten Leistungen.“ „Sie profitieren von meinen umfangreichen Vorarbeiten, indem Sie Zugriff auf die Immobilie Ihrer Wünsche erhalten, von der Sie sonst nicht einmal wüssten.“ •• „Die Bauzeit dauert mir zu lange.“ „Dadurch, dass Sie heute kaufen, sichern Sie sich auch den Preis von heute, und billiger wird es wahrscheinlich nicht.“ „Bis Sie einziehen, haben Sie sich schon die erste Wertsteigerung gesichert.“ „Das ist eben sorgfältige Bauausführung, nicht hopplahopp.“

6.2 Verkaufsgesprächsführung

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•• „Es handelt sich um ein Erbbaugrundstück. Und was ist in 99 Jahren?“ „Dann leben Sie nicht mehr, haben Sie sonst noch Fragen zum Erbbaurecht?“ „Nach 99 Jahren gibt es eine Verlängerung des Vertrags oder eine Entschädigung zum Zeitwert.“ „Sie erzielen eine deutliche Ersparnis gegenüber einem Kaufgrundstück.“ •• „Alle Bauträger (Makler) sind unseriös.“ „Wann haben Sie persönlich denn schon einmal schlechte Erfahrungen in dieser Hinsicht gemacht?“ „Glauben Sie mir, wir wären schon längst nicht mehr am Markt, wenn wir nicht bis auf die Knochen seriös arbeiten würden.“ •• „Andere Objekte sind billiger.“ „Macht es Sie nicht misstrauisch, wenn andere um so viel billiger anbieten wollen?“ „Entscheidend ist die Wertentwicklung, und die hängt allein von Qualität und Lage ab. Und genau deshalb hat beides auch seinen Preis.“ „Was hat Sie davon abgehalten, sich für eine dieser billigeren Objekte zu entscheiden?“ (mit deren Nachteilen argumentieren) •• „Die Mieten sind zu niedrig.“ „Die Miete ist wie folgt steigerungsfähig: …

6.2.6 Preisverteidigung Der stets zu hohe Preis stellt zweifelsfrei das größte Abschlusshindernis dar. Da der Preis aber ohnehin immer zu hoch ist, braucht man ihn nicht weiter zu entschuldigen, sondern kann ihn offensiv argumentieren. Dafür stehen zahlreiche Gesprächstechniken zur Verfügung.

Abbildung 86: Techniken zur Preisverteidigung

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6. Die Durchführung des Verkaufs

Der Appell spricht das Sicherheitsbedürfnis der Kunden an: •• „Sagen Sie selbst, wann sind Sie schon einmal mit einem billigeren Produkt und der schlechteren Qualität zufriedener gewesen?“ •• „Was meinen Sie, wie Ihre Kinder sich über ihre eigenen Zimmer freuen werden, da hat man als Vater ja auch eine hohe Fürsorgepflicht.“

Bei der Differenz wird nur der Mehrpreis zum Standard argumentiert und nicht mehr die gesamte Preishöhe: •• „Für dieses Stück hier, das unverhältnismäßig besser verarbeitet ist als jenes dort, zahlen Sie damit nur 125 € mehr.“ •• „Per Saldo kostet dieses schicke Loft nur 175 € mehr nach Steuern pro Monat als eine langweilige 08/15-Eigentumswohnung, wie es sie an jeder Ecke gibt.“

Do ut des macht ein Preiszugeständnis von einer Gegenleistung abhängig: •• „Na gut, Sie sind ein harter Verhandler und ich bin bereit, Ihnen eine verlängerte Valuta zu gewähren, wenn Sie das komplette Set abnehmen.“ •• „Ich biete Ihnen den geforderten Preisnachlass an, aber der gilt dann nur hier und jetzt.“

Der Nachteil bezieht sich auf billigere Alternativen, um die aufwändigere Alternative verkaufen zu können: •• „Das Laufwerk der Uhr dort kommt von einem koreanischen Hersteller. Das Werk dieser Uhr ist hingegen aus schweizerischer Präzisionsproduktion.“ •• „Ich mache Sie nur darauf aufmerksam, dass die andere Wohnung weder über einen Balkon noch über einen Garagenplatz verfügt. Das läuft auf eine schlechtere Vermietbarkeit hinaus.“

Der Nutzen stellt klar, dass vor allem die Qualitätsforderung des Kunden selbst den Preis seines Wunschprodukts bestimmt: •• „Wenn Sie bereit sind, Abstriche an Ihren Ansprüchen zu machen, kann ich Ihnen natürlich auch Ware zeigen, die einen niedrigeren Preis hat.“ •• „Vielleicht wird es tatsächlich etwas teurer als ursprünglich geplant, aber dafür wird man Sie ganz sicher auf Jahre hinaus um die hochwertige Ausstattung Ihrer Wohnung beneiden.“

Der Nutzenentgang betont die Konsequenzen eines Nichtkaufs: •• „Sie sollten selbst beurteilen, ob Sie mit einem Konsumstandard unter Ihrem Anspruchsniveau auf Dauer glücklich sein werden oder nicht.“ •• „Bedenken Sie nur, was Sie allein dieses Jahr wieder sinnlos an Steuern zahlen. Dieses Geld könnte schon der erste Baustein für Ihr eigenes Haus sein.“

Die Betonung der Qualität hebt auf eine höhere Leistung für einen höheren Preis ab: •• „Wie oft im Leben kauft man schon ein so hochwertiges Collier?“

6.2 Verkaufsgesprächsführung

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•• „Überlegen Sie bitte, was höher wiegt, die momentane Kosteneinsparung bei weniger Qualität oder eine dauerhafte, ärgerliche Komforteinbuße für Sie und Ihre Familie.“

Die Relativierung erfolgt durch Vergleich des Produktpreises mit anderen gewohnten Ausgaben: •• „Wenn man bedenkt, was man heute schon für ein verlängertes Wochenende in einem ordentlichen Hotel ausgeben muss, erscheint der Preis für diesen dauerhaften Wert doch gleich in einem ganz anderen Licht.“ •• „Die laufenden Nebenkosten betragen 60 €, aber das wendet ein Raucher auch leicht für seine monatliche Zigarettenration auf.“

Beim Sandwich wird der Preis zur Verteidigung durch Produktvorteile vorher und nachher eingerahmt: •• „Die Vorteile dieses Angebots liegen in … Der Preis dafür beträgt 250 €. Dafür erhalten Sie dann aber auch die folgende Komplettleistung: …“ •• „Die Lage ist zweifellos I a, da ist der Preis von 200.000 € fast schon traumhaft zu nennen, zumal auch die Bauausführung erstklassig ist.“

Bei der Verkleinerung wird der Preis pro Einzeleinheit oder Zeitspanne ausgedrückt und damit verkleinert: •• „Diese High tech-Uhr kostet nur bescheidene 850 €, inklusive poliertem Stahlgliederarmband.“ •• „Die Darlehenssumme wird in für Sie gut verkraftbaren Monatsraten von 750 € über die Jahre verteilt.“

Bei der Vergrößerung wird die im Preis beinhaltete Stückzahl oder Ausstattung eingebracht: •• „Für diesen Preis erhalten Sie einen Chronometer mit vielseitigen Funktionen wie …“ •• „Allein für die eingebauten Zusatzausstattungen müssten Sie bei einer anderen Wohnung leicht 500 € mehr Miete per anno einkalkulieren.“

Die Verzögerung besteht darin, zunächst die Produktvorteile und dann erst den Preis zu nennen: •• „Dieses Armband ist ausgesprochen hochwertig verarbeitet, mit Brillanten besetzt und von edlem Design. Der Preis beträgt, gemessen daran, bescheidene 990 €.“ •• Die Lage ist I a, der Grundriss einfallsreich und die Bauausführung erstklassig. Das alles kann ich Ihnen zum Gesamtpreis von 195.000 € anbieten.“

In der Zerlegung wird die Gesamtleistung auf Einzelleistungen zurückgeführt, deren Preise jeweils optisch niedrig erscheinen: •• „Bedenken Sie bitte, dass allein der Brillantenbesatz dieses Colliers beinahe ein halbes Karat ausmacht.“ •• „Die Summe setzt sich zusammen aus 40.000 € Grundstücksanteil, 5.000 € für den Garagenplatz und 150.000 € für die eigentliche Wohnfläche.“

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6. Die Durchführung des Verkaufs

Die Zugabe erfolgt durch das Angebot geldwerter Vorteile: •• „Eine individuell gestaltete Namensgravur auf der Rückseite kann ich Ihnen bei diesem Stück gratis dazu anbieten.“ •• „Wenn Ihnen der Teppichboden nicht gefällt, lasse ich ihn auf unsere Kosten bis zu Ihrem Einzugstermin gegen eine gleichwertige Ware Ihrer Wahl austauschen.“

6.2.7 Abschluss Nun ist es wichtig, den „Sack zuzumachen“, vertriebstechnisch spricht man vom Closing. Hier werden von Kunden oftmals Vorwände eingebracht, die aus Angst um die Endgültigkeit des Abschlusses entstehen und gefährliche Abschlusshindernisse darstellen. Solche Vorwände darf man im Verkauf nicht gelten lassen. Dazu einige Beispiele. Vertrösten: Will der Kunde vertrösten, gilt es, den Abschluss hier und jetzt durchzusetzen. Hier muss man hinterfragen, welche Informationen denn zur Entscheidung aktuell noch fehlen. In jedem Fall muss ein Nachfass erfolgen: •• Kunde: „Ich rufe Sie dieser Tage wieder an.“ •• Verkäufer: „Welche Informationen fehlen Ihnen noch, um sich jetzt zu entscheiden?“ „Welche Situation hat sich denn bis dahin für Sie so entscheidend geändert, dass Sie warten wollen?“ „Warum sollte Ihre positive Beurteilung von jetzt in ein paar Tagen anders ausfallen?“ „Ich bin viel unterwegs, so dass Sie mich vielleicht nicht erreichen. Daher rufe ich Sie übermorgen an. Wann passt es Ihnen besser, …“

Entscheidungsflucht: Will der Kunde ausweichen, gilt es, dennoch den Abschluss zu schaffen. Der Verkäufer kann anbieten, gerade wegen des Zeitmangels, Entscheidungshilfen zu liefern, die den Einkäufer entlasten: •• Kunde: „Ich habe jetzt keine Zeit, mich damit intensiv zu beschäftigen.“ •• Verkäufer: „Ich bin dafür da, Ihnen zu helfen, die für Sie optimale Entscheidung trotz Ihrer Zeitknappheit zu treffen. Machen Sie davon Gebrauch. Wo kann ich Ihnen Entscheidungshilfen bieten, die Sie noch benötigen?“

Desinteresse: Hat der Kunde kein Interesse am Abschluss, muss man unbedingt hinterfragen, woran das liegt. Hierbei soll ermittelt werden, welche Gründe dafür ausschlaggebend sind, dass ein leistungsfähiges Angebot als nicht interessant qualifiziert wird: •• Kunde: „Ich habe kein Interesse an Ihrem Angebot.“

6.2 Verkaufsgesprächsführung

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•• Verkäufer: „Welche Gründe sind dafür ausschlaggebend, dass Sie ein leistungsfähiges Produkt wie dieses überhaupt nicht interessiert?“ „Habe ich Sie recht verstanden, dass Sie tatsächlich kein Interesse an einer Lösung haben, die Ihnen einen Kostenvorteil von annähernd 12 % pro Jahr bringt?“

Alternativangebotseinholung: Will der Kunde erst noch Angebote vergleichen, sollte man unbedingt an Ort und Stelle Präferenzen nutzen. Hier kann überlegt werden, ob man den Einkäufer auf Knackpunkte hinweist, auf die es beim Angebotsvergleich ankommt, damit nachher keine schiefen Vergleiche (zum eigenen Nachteil) gezogen werden: •• Kunde: „Sie sind der erste Anbieter, mit dem ich in dieser Sache gesprochen habe. Ich will erst noch andere Angebote prüfen.“ •• Verkäufer: „Das ist verständlich, daher biete ich Ihnen an, Sie vorher noch auf einige Knackpunkte hinzuweisen, auf die es bei einem solchen Produkt ankommt, damit Sie anschließend sachgerecht vergleichen können.“

Kein Entscheidungsdruck: Verspürt der Kunde keinen Entscheidungsdruck, kann versucht werden, diesen zu wecken. Dies liegt gerade bei lang laufenden Projekten nahe, wo es auf ein paar Tage nicht anzukommen scheint. Daher soll daran erinnert werden, dass man, je früher man agiert, später desto weniger unter Zeitdruck gerät: •• Kunde: „Für eine Entscheidung ist es jetzt noch zu früh.“ •• Verkäufer: „Je früher Sie mit der Anschaffungsplanung beginnen, desto weniger kommen Sie nachher unter Zeitdruck, wenn es eng wird.“ „Aber bedenken Sie bitte, dass Sie jetzt noch unter mehreren Sondermodellen auswählen können. Später sind diese wahrscheinlich so nicht mehr verfügbar.“

Vorwände: Bei auftretenden Vorwänden gilt es, Lösungen aufzuzeigen. Der Verkäufer kann hier z. B. auf die vorteilhaften Möglichkeiten der Absatzfinanzierung zu sprechen kommen: •• Kunde: „Aber ich habe doch gar kein Budget frei.“ •• Verkäufer: „Sind Sie denn am Kauf interessiert, wenn ich Ihnen Wege und Mittel aufzeige, wie Sie das Produkt bequem finanzieren können?“ „Könnte es sein, dass Sie nur deshalb zur Zeit weniger Budgetmittel frei haben, weil Ihre laufenden Kosten zu hoch sind? Da kann Ihnen unser Produkt effizient sparen helfen.“ „Bei einem Gespräch über eine maßgeschneiderte Finanzierungsmöglichkeit können Sie nur gewinnen, denn Nein sagen können Sie ja immer noch.“

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6. Die Durchführung des Verkaufs

Ablehnung: Bei einer Ablehnung sollte der Verkäufer sachlich gegenhalten, denn, was hat er schon zu verlieren? Zunächst soll man erfragen, ob ein anderweitiger Vertrag wirklich schon unterschrieben ist, wenn nein, kann der Einkäufer nur gewinnen, wenn er ein weiteres Angebot zum Vergleich einholt. Wenn ja, kann man immer noch sportlich gratulieren: •• Kunde: „Ich habe mich für einen anderen Anbieter entschieden.“ •• Verkäufer: „Darf ich fragen, ob der Vertrag schon unterschrieben ist?“, wenn nein: „Sie können doch nur gewinnen, wenn Sie mein Angebot zum Vergleich hinzuziehen.“, wenn ja: „Herz­ lichen Glückwunsch und viel Erfolg mit Ihrem neuen Lieferanten. Darf ich fragen, aus welchem Grund Sie sich gegen unser Angebot entschieden haben?“

Kompetenzmangel: Der Einkäufer gibt an, allein nicht entscheiden zu können, obgleich dies wohl nicht zutrifft. Hier kann der Verkäufer auf einen gemeinsamen Termin hinwirken, um etwaige Unklarheiten bei dieser Gelegenheit sofort zu klären. Auf keinen Fall sollte man Berührungsängste zeigen: •• Kunde: „Ich will das Angebot erst noch mit meinem Controller besprechen.“ •• Verkäufer: „Das ist eine gute Idee. Ich schlage vor, dass wir diesen Termin gemeinsam wahrnehmen, so kann ich Ihnen die bei der Prüfung auftauchenden Fragen gleich beantworten.“ „Ihr Controller kann Sie nur beraten, die Entscheidung liegt nach wie vor bei Ihnen. Es kommt darauf an, ob Sie von meinem Produkt überzeugt sind, nicht Ihr Controller.“

Ablehnung durch Dritte: Der Einkäufer schiebt vor, es hätten Dritte das Angebot abgelehnt, obgleich er ihm positiv gegenüber eingestellt ist. Dann kann der Verkäufer vorsichtig abfragen, welche bessere Lösung diese Dritten denn vorgeschlagen haben. Gegen diese Lösung kann dann anargumentiert werden: •• Kunde: „Mein Controller hat mir abgeraten.“ •• Verkäufer: „Erlauben Sie mir nur aus Interesse die Frage, welche bessere Lösung er denn parat hat, damit Sie mit Ihrem Kostenblock konkurrenzfähig bleiben und die Preise der koreanischen Anbieter kontern können?“ „Sind Sie sicher, dass er wirklich alle relevanten Einzelheiten kennt und berücksichtigt hat? Ich helfe da gern weiter, wenn Sie Zweifel daran haben. Das ist doch ganz in Ihrem Sinne.“

Unsicherheit: Der Einkäufer ist unsicher in der Notwendigkeit der Anschaffung. Es kommt nicht darauf an, das wievielte Angebot es ist, sondern es kommt nur darauf an, ob das Angebot passt. Wenn es gleich das erste ist, umso besser. •• Kunde: „Es sind doch gar keine signifikanten Kosteneinsparungen mehr möglich.“ •• Verkäufer: „Auf welche Erkenntnisse stützt sich Ihre Ansicht?“

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„Erlauben Sie mir eine Frage: Hat man das beim Kostenniveau von vor drei Jahren nicht auch schon gesagt, und um wie viel liegt Ihr Unternehmen heute darunter?“

Ansonsten soll nach dem Vertragsabschluss der persönliche Kontakt auf jeden Fall aufrecht erhalten werden. Dazu gilt es, Anlässe zu finden, das reicht von der Gratulation zur richtigen Entscheidung über die Wiederholung wichtiger Kaufargumente zur Dissonanzreduktion bis zur Abfrage etwaiger Irritationen, bevor diese kulminieren. Denn unzufriedene Kunden reklamieren nicht notwendigerweise beim Anbieter, sie meiden ihn womöglich einfach zukünftig und werden zudem als negative Multiplikatoren im sozialen Umfeld aktiv. Daher sollen Beschwerdegründe minimiert und Beschwerdeäußerungen stimuliert werden. Auch Querulanten sind zuvorkommend zu behandeln.

6.2.8 Einsatz unfairer Gesprächspraktiken Spätestens seit Zeiten eines Ignazio Lopez ist der Einsatz unfairer Gesprächs­ praktiken verbreitet. Dabei macht sich die Käuferseite die Tatsache der regelmäßig anzutreffenden Käufermarktsituation zunutze, in welcher Verkäufer mehr Anstrengungen unternehmen müssen, um einen Abnehmer zu finden als der Abnehmer Anstrengungen unternehmen muss, Lieferanten zu finden. Die Versuchung ist groß, dieses Machtgefälle auf Käuferseite zu nutzen, wenngleich dies nicht die feine Art ist. Doch die Geschäftswelt ist der moderne Dschungel und der Über­ lebenskampf dort existenziell. Bei diesen unfairen Gesprächspraktiken handelt es sich häufig um folgende. Wartenlassen: Wenn der Einkäufer den Verkäufer über Gebühr lang warten lässt, ist es gerechtfertigt, sich nach einiger Zeit in Erinnerung zu bringen, erst recht, wenn es sich um einen angemeldeten Termin handelt. Dann geht der moralische Druck auf den Gesprächspartner über. Zusätzlich kann man zwei neue Terminvorschläge unterbreiten, und notfalls sollte man auch, nach Ablauf eines individuell zumutbaren Zeitlimits, den Mut haben zu gehen. Das zeigt Charakter und schafft wieder Respekt. Zeitdruck ausüben: Einkäufer: „Fassen Sie sich bitte kurz, ich habe noch wichtige Termine.“ Setzt der Einkäufer den Verkäufer unter Zeitdruck, kann man argumentieren, dass die komplexe Problemlage gerade im Interesse des Käufers eine angemessene Behandlung verdient. Notfalls kann man einen neuen Termin vereinbaren. Hilfreich ist auch die Vereinbarung eines Zeitrahmens vor dem Gespräch, der dann auch eingehalten werden sollte. Hält der Einkäufer sich nicht daran, kann man das durchaus berechtigt hinterfragen. Schweigen: Es gibt Einkäufer, die sich aus Taktik so wenig wie möglich zur Sache äußern. Hier soll der Verkäufer mit offenen Fragen arbeiten, die den Gesprächs-

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partner veranlassen, seine Meinung kund zu tun. Notfalls kann man mit nahe liegenden Annahmen operieren, die der Einkäufer schon zurückweisen wird, wenn sie nicht zutreffen. Auf keinen Fall darf man aber die Zeit mit Monologen vertun, sondern muss den Dialog erreichen, notfalls auch durch leicht provozierende Fragen. Frühere Abwicklungsprobleme: Einkäufer werden auch darauf trainiert, Verkäufer mit früheren Abwicklungsproblemen zu konfrontieren, die meist auch noch dramatisiert sind. Daher ist es unerlässlich, vor dem Termin die Transaktionshistorie gründlich zu studieren. Nur dann kann man erfolgversprechend argumentieren. Meist ist die Sachlage nämlich gar nicht so eindeutig wie unterstellt. Der Verkäufer sollte konkret nachweisen, welche Vorkehrungen getroffen sind, dass derartige Probleme nicht mehr entstehen oder wie Wiedergutmachung geleistet worden ist oder werden kann. Überraschende Gremien: Verkäufer sehen sich nicht selten völlig überraschend und entgegen Absprachen einem Einkaufsgremium gegenüber. In diesem Fall wird die Einkaufsseite zur Erklärung angehalten oder ein neuer Termin vereinbart bzw. das Gremium verkleinert oder aufgelöst. Allein gegen Gremien aufzutreten, ist praktisch chancenlos. Bestechlichkeit: Entgegen gängiger Betriebsvereinbarungen spekulieren Einkäufer dennoch vielfach auf persönliche Vorteile aus einer Transaktion. Hier darf sich der Verkäufer auf keinen Fall in die Hand des Einkäufers begeben und dadurch erpressbar machen. Aufgrund rigider Bestimmungen liegt es auch näher, anzunehmen, dass es sich dabei um eine Falle handelt, in die man keinesfalls tappen darf. Abwesenheit: Wenn der Einkäufer während der Verhandlungen häufiger den Raum verlässt, kann der Verkäufer höflich nachfragen, ob man das Gespräch kurz unterbrechen soll, damit andere „Baustellen“ bereinigt werden können. Jedenfalls ist ein „Brieftauben-Meeting“ unproduktiv und dient damit auch nicht dem Unternehmen. Rabattjäger: Einkäufer fordern immer wieder undifferenziert Rabatte. Es spricht auch nichts gegen die Gewährung geeigneter Preisnachlässe, sofern diesen konkrete Gegenleistungen des Einkäufern gegenüberstehen. Ein Verschleudern von Rabatten macht hingegen nur die Seriosität der Kalkulation unglaubwürdig. Fingierte Wettbewerbsangebote: Einkäufer präsentieren gern auch fingierte, unschlagbar vorteilhafte Wettbewerbsangebote, um den Preis zu drücken. Dabei kommt es auf die tatsächliche Vergleichbarkeit dieser Angebote an, denn meist stellt sich heraus, dass das vermeintlich billigere Angebot eine schlechtere Leistung beinhaltet. Auch sollte man um den konkreten Nachweis des Angebots bitten, um die Vergleichbarkeit nachvollziehen zu können. Probeaufträge: Einkäufer versuchen häufig, von kleinen Auftragsgrößen zu großartig ausgemalten Absatzmengen aufzusteigen, um den damit verbundenen Rabattsatz von Anfang an in Anspruch nehmen zu können. Hier kommt es darauf

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an, dass sich der Einkäufer für diese Aufträge verbindlich verpflichtet. Dennoch ist sicher zu stellen, dass sich jeder Auftrag für sich rechnet. Ansonsten türmen sich Rabattkumulationen auf, von denen man nicht mehr herunter kommt. Abweichendes Protokoll: Der Einkäufer kann auch eine schriftliche Gesprächsbestätigung mit Inhalten präsentieren, die beim letzten Mal so nicht verabredet worden sind. Zunächst sollte man sich Absender, Datum und Inhalt der Bestätigung zeigen lassen. Wenn dies verweigert wird, kann man darauf hinweisen, dass man ansonsten schlecht Stellung zu deren Inhalt nehmen kann. Auch sollte nach den Ursachen des Missverständnisses gefragt werden, ohne den Einkäufer freilich als Lügner darzustellen. Drohung mit Lieferantenwechsel: Wenn der Einkäufer mit der Beendigung einer bestehenden Geschäftsbeziehung droht, sollte man sachlich nach den Beweggründen für eine Auftragsvergabe an die Konkurrenz fragen und die vorgeschobenen Argumente einzeln wegargumentieren. Dabei muss mit der Sicherheit einer bestehenden Geschäftsbeziehung argumentiert werden. Hilfreich ist, zu erkunden, um welchen Konkurrenten es sich konkret handelt. Außerdem kommt es auf den Kundenstatus an, denn nicht jeder Kunde muss um jeden Preis gehalten werden. Nein-Sager: Wenn der Einkäufer sich als notorischer Nein-Sager darstellt, gilt es, ihm die konkreten Nutzen des Angebots für sein Unternehmen aufzuzeigen, derer er sich begibt, wenn er dieses Angebot nicht annimmt. Allerdings können sich hinter dem Nein auch Einwände verbergen, die einen Abschluss blockieren und daher zunächst hinterfragt und wegargumentiert werden müssen. Parallele Verhandlungen: Einkäufer laden häufig mehrere/alle Mitbewerber zeitgleich zu Vertragsverhandlungen ein. Für den einzelnen Verkäufer ändert sich dadurch nichts an seiner Verhandlungssituation, denn dem Konkurrenzvergleich muss er sich ohnehin stellen, ob hier und jetzt oder später und woanders. Daher darf man sich dadurch nicht nervös machen lassen und keine übereilten Zusagen machen, die man später nicht mehr zurückziehen kann. Feilschen: Einkäufer versuchen häufig, immer wieder neue Zugeständnisse herauszuholen, um den Preis zu drücken. Der Verkäufer muss daher klar machen, dass das Gespräch nicht nach beliebigem Feilschen abläuft, sondern strikt leistungsgebundene und daher faire Konditionen sachlich begründet vereinbart werden. Wenn der Einkäufer Fakten schafft, die Rabatte begründen, ist es eine Freude, diese zu offerieren. Notorisches Misstrauen: Wenn der Einkäufer ein notorisches Misstrauen gegenüber dem Verkäufer, seinen Produkten oder seinem Unternehmen an den Tag legt, sollte man ihn auffordern, konkret die Gründe dafür zu nennen. Diese sind dann zumeist im Einzelfall leicht wegzuargumentieren. Kompetenzanzweiflung: Schwierig ist auch, wenn der Einkäufer pauschal die Kompetenz des Verkäufers anzweifelt. Hier ist die Frage, ob Rangadäquanz zwi-

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6. Die Durchführung des Verkaufs

schen Einkaufs- und Verkaufsseite gegeben ist oder nicht. Wenn ja, gibt es keinen ernsthaften Grund zur Kompetenzanzweiflung, wenn nein, sollte das Gespräch mit rangadäquaten Partnern, wenn so gewünscht, neu terminiert werden.

6.3 Verbale Kommunikationselemente Die Kommunikationselemente werden meist in vier Bereiche eingeteilt: •• Paralanguage, also Stimmlage, Lautstärke, Pausen etc., diese werden als verbal bezeichnet, •• Kinesics, also Gestik, Augenkontakt, Kopfhaltung, Lächeln etc., sowie Physics, also Erscheinung, Kosmetik, Kleidung etc., diese werden als non-verbal persönlich bezeichnet, •• Proxemics, also Distanz, relative Position, Berührung etc., diese werden als non-verbal situativ bezeichnet. Zunächst zu den verbalen Kommunikationselementen. Der Stimmklang ist eine Variable, die für Menschen nur schwer beeinflussbar ist, da sie mit Veranlagung und Sozialisation zu tun hat. Dennoch ist es möglich, hier zumindest ansatzweise gestaltend Einfluss zu nehmen. Allgemein wird eine sonore, eher tiefe Stimmlage als eindrucksvoller und seriöser empfunden als eine schrille, eher hohe Stimmlage. Dies benachteiligt implizit häufig Frauen (obwohl Frauen generell die deutlich besseren Kommunikatoren sind). Männer mit eher hoher Stimmlage sind ebenso meist im Nachteil. Man kann die Stimmlage in Maßen beeinflussen, wenn man sich zwingt, eher am unteren Ende des individuellen Stimmspektrums zu sprechen. Zum Stimmklang gehört auch der Dialekt. Allgemein wird ein leichter, nicht penetranter Dialekt als angenehm empfunden. Abhängig von der Kommunikationssituation ist auch hier eine Variation sinnvoll. So kann ein Dialekteinschlag bei Kunden mit Dialekt durchaus vertrauenserweckend wirken, bei einem Vortrag vor einem Einkaufsgremium aber ist sicherlich akzentfreies Hochdeutsch von Vorteil. Eine weitere Variable ist die Modulation der Stimme. Die Artikulation kann eher hart und prononciert erfolgen oder eher weich und dezent. Frauen verstehen es meist besser, ihre Stimme nachgiebig und einfühlsam zu variieren. Das kann vor allem verhärtete Verhandlungssituationen entkrampfen. Allerdings wird durch diese Modulation gelegentlich die Nachdrücklichkeit eines Vortrags vom Gegenüber unterschätzt. Eine harte und prononcierte Artikulation macht diese hingegen deutlich, verschärft aber eine ohnehin angespannte Gesprächssituation noch weiter. Die Lautstärke ist ein offensichtliches Gestaltungselement, das allerdings meist unzweckmäßig eingesetzt wird. So ist eine deutliche Anhebung der Lautstärke im

6.3 Verbale Kommunikationselemente

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Zuge einer Auseinandersetzung ausgesprochen dysfunktional, signalisiert sie dem Gegenüber doch die erhebliche emotionale Aufladung des Sprechers. Dies kann er geschickt nutzen, indem er heikle Details anspricht und darauf hofft, dass der Sprecher sich im Zuge seiner Erregung zu unvorsichtigen Äußerungen hinreißen lässt. Daher ist es unerlässlich, die Lautstärke zu beherrschen. Grundsätzlich ist die gewählte Lautstärke von den situativen Umständen abhängig, z. B. von der Raumgröße, der Anzahl der Zuhörer oder den akustischen Bedingungen. Im normalen Gespräch hat sich eine etwas größere als die als normal empfundene Lautstärke bewährt. Dies sichert dem Sprecher die Aufmerksamkeit des Gegenüber, sorgt für bessere phonetische Verständlichkeit und gibt der geäußerten Stellungnahme ein höheres Gewicht. Unbewusst wirkt der mit etwas lauterer Stimme Vortragende zugleich überzeugender. In Bezug auf die Sprechgeschwindigkeit sind zwei entgegen gesetzte Meinungen verbreitet. Anhänger einer eher langsamen, getragenen Vortragsweise verweisen darauf, dass es damit für den Gegenüber möglich ist, komplexe Argumentationen besser begreifbar und nachvollziehbar zu machen. Die einzelnen Sätze und ihre Fakten erhalten dadurch mehr Gewicht, können sich dem/der Zuhörer/in besser einprägen und überfordern dadurch nicht seine/ihre Aufnahmefähigkeit. Allerdings wirkt eine langsame Sprechgeschwindigkeit auch leicht eintönig und einschläfernd. Dies behindert aber gerade die Absicht der besseren Verständlichkeit und Inszenierung. Die Anhänger einer eher forcierten, dynamischen Sprechgeschwindigkeit verweisen demgegenüber darauf, dass es auf diese Weise möglich ist, Zuhörer für einen Vortrag einzunehmen und ihre Aufmerksamkeit zu fesseln. Auf den ersten Anhieb nicht verständliche Fakten oder Zusammenhänge erklären sich im Regelfall durch die unvermeidliche Redundanz der Sprachinhalte von selbst, so dass dadurch die gleiche Transportleistung erreicht, einem Absinken der Aufmerksamkeit aber entgegengewirkt wird. Wie immer, kommt es sicherlich darauf an, über welche Sachverhalte und vor welchem Auditorium man spricht. Grundsätzlich ist eine eher forcierte, dynamische Sprechgeschwindigkeit jedoch zu bevorzugen. Keinesfalls darf dabei aber der Eindruck des Gehetztseins entstehen. Außerdem muss unbedingt sichergestellt bleiben, dass die Gedanken immer noch schneller sind als das gesprochene Wort. Am Besten ist eine Variation der Sprechgeschwindigkeit, um die Vorteile beider Meinungen zu nutzen. Eine eher langsame Ausdrucksweise ist etwa sinnvoll, wenn den Ausführungen besonders hohes Gewicht beigemessen werden soll sowie generell dann, wenn der Gegenüber Anzeichen kognitiver Überforderung zeigt. Eine eher forcierte Ausdrucksweise ist angezeigt, wenn es um die Darstellung von Routineinhalten geht, wenn Inhalte und Zusammenhänge wiederholt und zusammengefasst werden sowie generell dann, wenn der Gegenüber Zeichen von Ab­ lenkung zeigt.

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6. Die Durchführung des Verkaufs

6.4 Non-verbale Kommunikationselemente Tatsächlich sind im Verkaufsgespräch die non-verbalen Gesprächselemente wesentlich bedeutsamer als die verbalen. Dabei kann nach persönlichen und situativen Elementen unterschieden werden.

Abbildung 87: Gesprächselemente

6.4.1 Persönliche Elemente Die Gestik umfasst alle Signale der Körperhaltung, vor allem der Extremitäten, des Rumpfes und des Kopfes (nicht hingegen den Gesichtsausdruck). Aus der Gestik sind bei entsprechender Sensibilisierung unmittelbar bestimmte Gemütszustände und Denkhaltungen ablesbar. Anders als beim gesprochenen Wort, bei dem Lügen bei einiger Übung ausgesprochen leicht fällt, erfordert das „Lügen“ in der Gestik, also die Suggestion eines anderen Gemütszustands und einer anderen Denkhaltung als den tatsächlich gegebenen, intensives Training. Wenn man weiß, dass bestimmte Gestiken zumindest in der abendländischen, mitteleuropäischen

6.4 Non-verbale Kommunikationselemente

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Kultur von anderen Personen in bestimmter Weise interpretiert werden, kann man sich diese Körpercodes zunutze machen. Bekannte Gesten und deren Interpretation sind folgende: •• häufiges Abnehmen der Brille: Nervosität, •• Arme vor der Brust verschränkt: Schutzhaltung, man ist nicht bereit, sich der Idee, der Einstellung oder dem Gesagten des Gesprächspartners zu öffnen, •• schnelles, gepresstes Ausatmen: innere Erregung, •• Begrüßung mit weit ausgestrecktem Arm: Distanz, Ablehnung, •• Beine beim Sitzen parallel gestellt oder fest aneinander gedrückt: innere Anspannung, Verkrampfung, Angst, •• Beine um die Stuhlbeine geschlungen: innere Anspannung, Angst, •• Beine beim Sitzen breit auseinander: selbstbewusst, unbekümmert, •• Finger zeigt auf die andere Person: Schuldzuweisung, Angriff, •• mit den Fingern trommeln: Ungeduld, Nervosität, •• auf den Fußspitzen stehen: Arroganz, Person möchte größer erscheinen als sie ist, •• sich mit der Hand in das Haar fahren: innere Anspannung, Eitelkeit, •• Hand beim Sitzen unter die Oberschenkel geschoben: Unsicherheit, Angst, •• Hand umklammert die Armlehne des Stuhles: verkrampfte Haltung, Angst, •• Hand vor dem Mund gehalten (beim Sprechen): Worte sollen zurück gehalten werden oder die Wahrheit soll nicht ausgesprochen werden, •• Hand vor dem Mund gehalten (nach dem Sprechen): das Gesagte soll zurück genommen werden, •• Hand zur Faust geballt: Wut, Anspannung, Verdeutlichung des eigenen Standpunkts, •• Hände am Jackenrevers: Halt suchend, Unsicherheit, •• Hände in den Taschen: locker, unangebrachte Lässigkeit, •• Hände leicht angehoben: Unterbrechungsgeste, •• Hände reiben: selbstzufrieden, selbstgefällig, •• weicher, kraftloser Händedruck: Desinteresse, mangelnder Tatendrang, Unsicher­ heit, •• Kopf vom Gesprächspartner weggedreht: Desinteresse, um in Ruhe überlegen zu können, •• Oberkörper zurückgelehnt: Entspannung, Desinteresse,

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6. Die Durchführung des Verkaufs

•• Schultern hochgezogen mit dem Zeigen leerer Hände: Ratlosigkeit und Demonstration der eigenen Machtlosigkeit, •• Sitzhaltung auf der Stuhlkante: Unsicherheit, Angst, jederzeit zur Flucht bereit, •• Sitzhaltung genüsslich zurückgelehnt: Selbstsicherheit bis Arroganz, •• erhobener Zeigefinder: Belehrung, Rechthaberei. Die Mimik umfasst alle Signale des Gesichtsausdrucks, vor allem die Stellung der Augen/Pupillen, der Stirnfalten und des Mundes. Diesen Signalen kommt deshalb besondere Bedeutung zu, weil das Gesicht im Gespräch als Fixationspunkt gilt. Den Gegenüber anzusehen (nicht anzustarren), ist ein Gebot der Höflichkeit. Auch hier werden in der abendländischen, mitteleuropäischen Kultur mimische Ausdrucksweisen in übereinstimmender Weise interpretiert. Bekannte Gesten und deren Interpretation sind folgende: •• Augen weit offen: besondere Aufmerksamkeit, Aufnahmebereitschaft, Sym­pathie, •• Augen zugekniffen: Abwehrhaltung, •• Augenkontakt wird vermieden, Person schaut an die Wand, aus dem Fenster: Desinteresse, Ende des Gesprächs, •• Blick in Richtung Boden: Niedergeschlagenheit, Mutlosigkeit, evtl. auch Nachdenken, •• Blick in Richtung Decke: Nachdenken, Überdenken, •• Blick wandert über die Person: Ab- und Einschätzung des Anderen, •• häufiger Blickkontakt: Sympathie, •• Blickkontakt mit erweiterten Pupillen: Freude, •• Blickkontakt mit starrem Blick: feindselige Haltung, •• Stirn hochgezogen mit Faltenbildung/Stirnrunzeln: Anspannung, •• Mund zusammengepresst: Anspannung, Reserviertheit, Verbohrtheit, •• die Augenbrauen heben: Überraschung, Aufmerksamkeit, •• die Mundwinkel senken: Ablehnung, •• die Lippen zusammenpressen: Stress, Entschlossenheit, •• an den Lippen kauen: Zweifel, Unsicherheit. Damit ist die Mimik nicht nur ein probates Mittel der Signalaussendung an Andere, sondern vor allem ein hilfreicher Sensor für den Signalempfang von Anderen. Da diese Anderen sich ihrer Mimik selten bewusst sind, erhält man auf diese Weise gedanklich und sprachlich anderweitig unverzerrte Hinweise von erheb­ lichem Wert. Daher ist es unerlässlich, den Gegenüber in regelmäßigen Abstän-

6.4 Non-verbale Kommunikationselemente

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den anzuschauen und seine Mimik beiläufig zu decodieren. Entsprechend kann die eigene Kommunikation feinjustiert werden. Von großer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch die Kleidung, denn Kleider machen Leute. Die Wahl der Kleidung signalisiert, allein schon, weil sie nicht zu übersehen ist, viel über die damit bekleidete Person. Variable der Kleiderwahl sind vor allem die Farbe, die Musterung, der Schnitt sowie die Zusammenstellung und Angemessenheit der Kleidungsstücke. Grundsätzlich gilt, für Frauen mehr noch als für Männer, dass modische Kleidung vorteilhaft ist, wobei diese immer dem jeweiligen Anlass angemessen sein muss und nicht übertrieben werden darf. Mit altmodischer, unpassender oder unangemessener Kleidung setzt man sich den kritischen Einschätzungen Anderer aus, was einen entscheidenden Verhandlungsnachteil bedeuten kann. Wichtig ist, dass man sich in seiner Kleidung wohl fühlt (nicht zu eng, nicht zu weit, nicht dem eigenen Geschmack ent­ sprechend etc.) Ein wesentliches Element des Erscheinungsbilds sind auch Accessoires, mit denen Menschen sich umgeben, wie z. B. Brillengestell, Armbanduhr, Schmuck, Schreibgerät, Tasche. Diese sagen unweigerlich viel über die Person, die sich dieser Ausstattungen bedient, aus. Daher gehört zur bewussten Gestaltung des Erscheinungsbilds gerade auch die Wahl dieser Ausstattungen. Dabei kommt es weniger auf die Gebrauchseignung an, diese ist in der weit überwiegenden Zahl der Fälle ohnehin gegeben, sondern vielmehr auf die Signalwirkung, die von diesen Accessoires ausgeht. Dies sind in aller Regel die Marke (Branding), das Design (Reduktion) und das Material (Hochwertigkeit). Dabei gelten bestimmte Ausstattungen als professionell, so dass ein Verkäufer, der prima vista als professionell angesehen werden will, um deren Verwendung kaum umhin kommt. Sie sind bereits in einem einfachen Beratungsgespräch ohne Weiteres signalsetzend und auch nicht zu verbergen. Daher sind sie mit Bedacht zu wählen.

6.4.2 Situative Elemente Soziale Distanzen zwischen Gesprächspartnern sind enorm bedeutsam zur Sicherung des eigenen, imaginären „Reviers“. Dieses Revier ist keulenförmig um den Körper herum nach vorn gerichtet, zu unterscheiden sind dabei die Intimdistanz (ca. 70 cm Abstand), die (persönliche) Gesprächsdistanz (120 cm), die (gesellschaftliche) Wahrnehmungsdistanz (220 cm) und die öffentliche Distanz (400 cm). Werden diese Normen verletzt, etwa indem ein Verkäufer die gesellschaftliche Distanz unterschreitet, fühlen wir uns unwohl, weil unterbewusst angegriffen (z. B. das beklemmende Gefühl in einem engen Aufzug). Dabei können Reviere nicht nur durch Personen, sondern auch durch Gegenstände verletzt werden. So bedeutet die an sich unbedachte Platzierung einer Aktentasche auf dem Schreibtisch des Gegenübers nicht mehr und nicht weniger als ein Eindringen in dessen Revier, das dieser intuitiv missbilligt, ohne es zu sagen.

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6. Die Durchführung des Verkaufs

Weiterhin sind vor allem die Raummodalitäten der Lage, der Größe und der Einrichtung von Bedeutung. Sowohl bei der Wahl des eigenen Geschäftssitzes als auch bei Außengesprächen mit Interessenten und Kunden ist die Wahl des Standorts vielsagend. Aus einer Geschäftslage im Industriegebiet kann beinahe mühelos auf Unternehmenswerte wie Effizienz, Kostenbewusstsein, Rationalität etc. geschlossen werden, ebenso aus einer Geschäftslage in einem Villenviertel auf Status, Lebensstil oder Preisbereitschaft. Innerhalb der Lage ist die Raumgröße ein wichtiger Indikator. Auch hier ist es nicht zufällig, dass wichtigere Personen über großzügigere Raumverhältnisse disponieren als andere. In hierarchisch strukturierten Unternehmen geht das bis in für Außenstehende verwunderlich erscheinende Dimensionen wie Stockwerk (möglichst obere Etage), Raumanordnung (möglichst Ecklage), Fensterzahl (möglichst hoch), benachbarte Büros (möglichst Stabsstellen) etc. Daraus kann mit ziemlicher Sicherheit auf die Position/organisationale Bedeutung des Gesprächspartners geschlossen werden. Als dritte wichtige Einflussgröße ist die Einrichtung des Raums zu nennen. Sie sagt unweigerlich etwas über die Werthaltung der Organisation und/oder der Person innerhalb dieser Organisation aus. Dies gilt sowohl für übertrieben gediegene als auch funktionalistisch reduzierte Einrichtungen. Das Bewusstsein über die Wirkung solcher, zudem manifester Signale ist sehr bedeutsam. Der persönliche Verkauf bedarf im Zeitablauf normalerweise einer Vorlauf- und Nachlaufphase, denn neben den reinen Fakten (Sachinhaltsebene/was) geht es immer auch um die Atmosphäre des Gesprächs (Beziehungsebenen/wie). Dies bedarf, auch bei ausschließlich professionellem Gesprächsinhalt, einer gewissen Zeitspanne. Problematisch ist dabei, dass die Zeitmodalität beim Gesprächspartner eine andere sein kann als beim Verkäufer. Daher empfiehlt es sich, zu Gesprächsbeginn das Zeitbudget des Gegenübers abzufragen oder die eigene Zeitplanung mitzuteilen und nachzuhören, ob diese akzeptabel ist. Je enger der Zeitrahmen, desto eher ist die Atmosphärik gefährdet. Denn konstruktive Kommunikation bedarf auch kleiner Episoden zum Entspannen zwischen den reinen Sachinhalten, um die „Chemie“ zwischen den Gesprächspartnern herzustellen und auszubauen. Unabhängig vom Zeitbudget sollte man alles vermeiden, was nach Gehetztheit aussieht. Dazu gehören nervöses Hantieren mit Utensilien, Hektik beim Suchen nach Unterlagen, der mehrfache Blick auf die Uhr, eine sprunghafte Haltung, überschnelles Sprechen etc. Der Gesprächspartner glaubt subjektiv ein Recht darauf zu haben, für sein Anliegen die Zeitspanne zur Verfügung gestellt zu erhalten, die aus seiner Sicht dafür erforderlich ist. Die Effizienz von Gesprächen ist zudem durch eine kurze Vorbereitung enorm steigerbar, denn die Zeit, die man in diese Vorbereitung investiert, holt man durch bessere Gesprächsergebnisse mehrfach wieder heraus. Vor allem ist davor zu war-

6.5 Käufer-Verkäufer-Interaktion

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nen, Termine aus falsch verstandenem Streben nach Effizienz zu eng zu takten. Passiert dann etwas Unvorhergesehenes, purzeln Folgetermine der Reihe nach im Dominoeffekt. Besser ist es, Zeitpuffer einzubauen, auch um Berichte, Aktualisierungen etc. vorzunehmen.

6.5 Käufer-Verkäufer-Interaktion 6.5.1 Transaktionsanalyse

Abbildung 88: Kommunikationselemente

Die Transaktionsanalyse beschäftigt sich mit dem Denken, Fühlen und den Äußerungen von Personen in der Kommunikation zwischen Sender und Empfänger und ist damit im Verkauf hilfreich. Dafür gibt es verschiedene Unteransätze. Die Strukturanalyse unterstellt drei Kategorien von Ich-Zuständen. Es gibt IchZustände, die dem Ich-Zustand einer elternähnlichen, elternhaft handelnden Person

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6. Die Durchführung des Verkaufs

entsprechen und Unterstützung oder Strukturierung bieten. Dies ist das Eltern-Ich (EL). Es enthält alle gespeicherten, unüberprüft übernommenen Normen, Ge- und Verbote, Prinzipien und Maximen sowie die damit zusammen hängenden Erfahrungen. Der Eltern-Ich-Zustand entspricht also in den Verhaltensweisen den Einstellungen und der Art, auf Andere zuzugehen, wie wir es als Kind bei den elterlichen Vorbildern erlebt und von ihnen übernommen haben, etwa strafend oder belehrend. Das Eltern-Ich unterteilt sich weitergehend in ein kritisches und ein fürsorgliches. Das kritische Eltern-Ich ist ständig kritisierend, unterdrückend, autoritär und intolerant eingestellt. Es sucht Fehler bei anderen und lehnt Änderungen ab. Das fürsorgliche Eltern-Ich ist positiv, ausgleichend, motivierend und mitfühlend eingestellt. Es zeigt Verständnis und Geduld und spricht Lob aus. Kritisches Eltern-Ich: Verkäufer an Kunde: „Warum sollen die Eintauschpreise für Gebrauchtwagen nicht realistisch sein?“ Fürsorgliches Eltern-Ich: Verkäufer an Kunde: „Nein, nein, da brauchen Sie sich keine Gedanken darüber zu machen. Ich werde dafür sorgen, dass das bei Ihrem Auto berücksichtigt wird.“

Dann gibt es Ich-Zustände, in denen sich das Individuum mit der Realität seiner Umwelt objektiv auseinandersetzt, bedacht und sachlich überlegt entscheidet. Dies ist das Erwachsenen-Ich (ER). Es dient der Realitätsüberprüfung, der Wahrscheinlichkeitsabschätzung und der objektivierten Informationssammlung. Der Erwachsenen-Ich-Zustand entspricht also dem Erleben der Diskrepanz zwischen den Aussagen der Eltern und den eigenen Gegebenheiten der Wirklichkeit. Dies ist eine eher objektive Sichtweise, sachlich und rational. Das Erwachsenen-Ich ist positiv, entscheidungsfreudig, sachlich und realitätsbezogen eingestellt. Es sammelt Informationen für situationsadäquate, konstruktive Lösungen. Das Handeln ist selbstständig und schätzt Wahrscheinlichkeiten kühl ein. Kunde an Verkäufer: „Das möchte ich mir noch genau überlegen, aber wahrscheinlich ist das tatsächlich ein gutes Angebot. Wie viel kostet diese Sonderausstattung denn?“

Und schließlich gibt es Ich-Zustände, die regressiv sind und Gemeinsamkeiten mit dem Verhalten von Kindern verschiedener Altersstufen aufweisen. Dies ist das Kindheits-Ich (KI). Es enthält alle Impulse, die während der Kindheit angelegt worden sind, ist natürlich, entweder intuitiv angepasst oder rebellisch ausgelegt. Der Kindheits-Ich-Zustand verkörpert also diejenige Gefühlslage, in der sich all das manifestiert, was uns an Spontaneität und Stimmung mitgegeben ist, wir fühlen uns wie einst als Kinder, unkontrolliert, unüberlegt, verspielt oder wütend. Das Kindheits-Ich unterteilt sich weitergehend in ein rebellisches, ein natürliches und ein fügsames. Das rebellische Kindheits-Ich denkt positiv-negativ, zeigt infantilen Trotz, Auflehnung und Verweigerung, ist aber auch unvoreingenommen kreativ. Das natürliche Kindheits-Ich ist fantasievoll, impulsiv, freudig oder traurig. Es missachtet Tabuschwellen und denkt und fühlt in Konkurrenzschemata. Das fügsame Kindheits-Ich ist unauffällig, hilflos und nachgiebig ausgelegt. Es passt sich den von der Umwelt geforderten Normen widerspruchslos an und bemitleidet sich deshalb.

6.5 Käufer-Verkäufer-Interaktion

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Rebellisches Kindheits-Ich: Kunde an Verkäufer: „Natürlich nehme ich das beste Soundsystem, das Sie haben. Kann ich sowieso alles von der Steuer absetzen.“ Natürliches Kindheits-Ich: Kunde an Verkäufer: „Cool mit dem neuen Auto, jetzt bin ich endlich so schnell wie Schumi.“ Fügsames Kindheits-Ich: Kunde an Verkäufer: „Könnten Sie mir diesen Euro-Betrag bitte in DM umrechnen. Es tut mir leid, aber ich rechne immer noch in DM.“

Jeder dieser Ich-Zustände bildet eine geschlossene Einheit. Sie differenzieren sich durch Mimik, Gestik, Artikulation, Vokabular etc. Dabei besteht die Möglichkeit, in Transaktionen aus den verschiedenen Ich-Zuständen heraus mit einer anderen Person in kommunikative Beziehung zu treten. Diese andere Person wiederum kann aus den verschiedenen Ich-Zuständen heraus reagieren. Dabei unterscheidet man im Wesentlichen drei Transaktionstypen. Bei Komplementärtransaktionen laufen Stimulus (Reiz) und Response (Reaktion) parallel zwischen den Ich-Zuständen ab. Diese Art der Interaktion ist problemlos, allerdings relativ selten gegeben (= 1. Kommunikationsregel). Dazu je zwei Beispiele: •• Kunde an Verkäufer: „ Ist dieser Fernseher denn auch HDTV-fähig?“ (ER an ER) Verkäufer an Kunde: „Ja, das Gerät ist für den Empfang hoch auflösender Fernsehsignale bereits vorbereitet.“ (ER an ER) •• Kunde an Verkäufer: „Wir verfolgen die Argumente der Kollegen und rufen dann Bull­ shit Bingo.“ (KI an KI) Verkäufer an Kunde: „Oh ja, das wird bestimmt spaßig und lockert die Atmosphäre auf.“ (KI an KI) •• Kunde an Verkäufer: „Warum dauert die Abwicklung meines Auftrags solange. Ich bin als Kunde wohl nicht mehr interessant für Sie?“ (EL an KI) Verkäufer an Kunde: „Es tut mir wirklich leid, ich habe Sie schlicht vergessen. Ich werde das schnellstmöglich wieder in Ordnung bringen.“ (KI an EL) •• Verkäufer an Kunde: „Ich bin noch ganz geschafft von der Präsentation vor Ihrem Gremium.“ (KI an EL) Kunde an Verkäufer: „Aber wieso denn, es ist doch alles prima gelaufen.“ (EL an KI)

Bei Überkreuztransaktionen verläuft der Stimulus auf einer anderen Ebene als die Reaktion, die Reaktion erfolgt also nicht aus dem vom Absender intendierten Ich-Zustand heraus, sondern aus einem anderen. Dies resultiert in gefährlichen Kommunikationsstörungen, wenn nicht sogar in Zusammenbruch der Kommunikation (= 2. Kommunikationsregel). Dazu zwei Beispiele: •• Kunde an Verkäufer: „Ich brauche dieses Angebot bis spätestens heute 16.00 Uhr. Können Sie das für mich vorbereiten?“ (ER an ER) Verkäufer an Kunde: „Sie können wirklich von Glück sagen, dass ich mich immer so für Sie einsetze.“ (KI an EL)

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6. Die Durchführung des Verkaufs

•• Kunde an Verkäufer: „Das Angebot ist immer noch nicht bei mir eingegangen. Allmählich pressiert es.“ (ER an KI) Verkäufer an Kunde: „Nun hetzen Sie mich bitte nicht so, unter Zeitdruck wird die Qualität bestimmt nicht besser.“ (EL an KI)

Verdeckte Transaktionen dienen dazu, latente Konflikte auf einer anderen Ebene auszutragen und derart zu gewinnen, dass der Transaktionspartner verletzt wird. Es sind also immer zwei Ich-Zustände zugleich betroffen. Die Transaktionen, die auf der verdeckten Beziehungsebene ablaufen, sind zentral für den Ausgang der Interaktion. Dazu gehören vor allem psychologische Spiele, deren Gewinn (Pay off) ist, dass der Andere sich schlecht fühlt. Ein Ausweg besteht in der Vermeidung oder der Unterbrechung solcher Spiele. Verdeckte Transaktionen finden immer auf zwei Ebenen statt, einer offensichtlichen und einer verdeckten. Dazu zwei Beispiele: •• Verkäufer an Kunde: „Das ist wirklich ein sportliches Modell. Aber vielleicht wollen Sie ja gar nicht so einen rassigen Wagen?“ (offiziell ER an ER, aber latent ER an KI) Kunde an Verkäufer entweder: „Ja, wo kann man heute denn schon noch schnell fahren?“ (ER an ER) oder: „Doch, doch, das ist schon genau der Richtige für mich.“ (KI an ER) •• Verkäufer an Kunde: „In welcher Position haben Sie denn wohl die Projektreserve versteckt?“ (offiziell ER an ER, latent ER an KI) Kunde an Verkäufer entweder: „Die Zeiten von geheimen Reserven sind schon lange vorbei.“ (ER an ER) oder: „Da bin ich gespannt, wo das Versteck sein soll.“ (KI an ER).

Wichtig ist daher, auf parallele Transaktionen zu achten bzw. verdeckte Transaktionen zu vermeiden (oder zumindest bewusst einzusetzen). Dazu wiederum drei Beispiele: •• EL an KI: Kunde an Verkäufer: „Sie haben wieder vergessen, das Büromaterial rechtzeitig zu liefern.“ Verkäufer an Kunde: Alternative EL an EL: „Sie haben doch wohl auch schon mal das eine oder andere vergessen, oder etwa nicht?“ Alternative ER an EL: „Ich warte noch auf das Fotokopierpapier im Sonderangebot, sobald das verfügbar ist, geht die Lieferung sofort an Sie raus.“ Alternative KI an EL: „Entschuldigung, eine Verspätung kommt gewiss nicht wieder vor.“ •• ER an ER: Kunde an Verkäufer: „Denken Sie übrigens daran, wieder das gestrichene Fotokopierpapier zu liefern.“ Verkäufer an Kunde: Alternative: EL an ER: „Sie tun geradeso, als ob ich das dauernd vergessen würde, dabei ist das gar nicht der Fall.“ Alternative ER an ER: „Natürlich, denn die Druckqualität darauf ist ja wesentlich besser, da fällt der geringe Mehrpreis überhaupt nicht ins Gewicht.“

6.5 Käufer-Verkäufer-Interaktion

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Alternative KI an ER: „Ich verspreche, dass ich ganz bestimmt daran denken werde, nur gestrichenes Papier zu liefern.“ •• KI an EL: Kunde an Verkäufer: „Würden Sie mir als gutem Kunden den Gefallen tun und meine Büromateriallieferung vorziehen?“ Verkäufer an Kunde: Alternative EL an KI: „Das ist doch selbstverständlich, Sie brauchen mich durchaus nicht zusätzlich zu drängen.“ Alternative ER an KI: „Natürlich, Sie sagten ja, dass Ihr Vorrat zur Neige geht und ohne Büromaterial werden die Kollegen ganz schön sauer sein.“ Alternative KI an KI: „Vielen Dank für Ihren Hinweis, ich verpflichte mich, die Bestellung sofort zu bearbeiten und freue mich, Sie als guten Kunden zufrieden stellen zu können.“

Die Reaktionen hängen weiterhin auch vom Lebenskonzept ab. Dies sind die Lebensanschauungen oder Grundpositionen zu uns selbst und zu unserer Umwelt. Die eine Grundeinstellung ist problemfrei in der Kommunikation, bei den anderen sind Konflikte unvermeidlich: •• nicht O. K.: Wer so denkt, steht unter dem bedrückenden Gefühl von Hilflosigkeit, Unfähigkeit, Unbeholfenheit und Versagertum. •• O. K.: Diese Personen halten Menschen im Allgemeinen für klug, erfolgreich, korrekt, tüchtig und selbstsicher. Aus diesen Grundeinstellungen ergeben sich vier Kombinationen zwischen Sender und Empfänger: •• Ich bin O. K. – Du bist O. K.: Diese Menschen sind konstruktiv und positiv eingestellt, sie kommunizieren aus dem Erwachsenen-Ich-Zustand heraus und lösen Probleme. Dies ist die angestrebte Relation. Beispiel: Kunde an Verkäufer: „Ihnen ist da ein Fehler bei der Lieferung unterlaufen, aber wer ist schon fehlerlos, das könnte mir wohl genauso gut passiert sein.“

•• Ich bin O. K. – Du bist nicht O. K.: Diese Menschen kommunizieren weitgehend aus dem Eltern-Ich-Zustand heraus und versuchen, Umfeldprobleme zu steuern und Beziehungen zu manipulieren. Sie sind kontaktabweisend. Beispiel: Kunde an Verkäufer: „Das mit der Lieferung haben Sie ganz schlecht geregelt. Mir könnte so ein Patzer nicht passieren.“

•• Ich bin nicht O. K. – Du bist O. K.: Diese Menschen haben Minderwertigkeitskomplexe. Sie kommunizieren meist aus dem Kindheits-Ich-Zustand heraus. Beispiel: Kunde an Verkäufer: „Also ich bewundere Ihren Arbeitseinsatz, ich könnte das nicht durchhalten.“

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6. Die Durchführung des Verkaufs

•• Ich bin nicht O. K. – Du bist nicht O. K.: Diese Menschen haben das Zutrauen in das Leben verloren, sie resignieren und haben aufgehört, zu kämpfen. Beispiel: Kunde an Verkäufer: „Also es hat gar keinen Zweck, dass wir die Lieferpapiere suchen, in diesem Laden wird man aber schon durch die kleinste Unstimmigkeit zurückgeworfen.“

6.5.2 Käufertypologien

Abbildung 89: Käufertypologien

Bei der Gestaltung der Interaktion zwischen Anbieter und Nachfrager helfen Typisierungen der Verhandlungspartner. Die Einteilung nach Charaktertypen ergibt folgende Ausprägungen (oft in Analogie zu Tiercharakteren gesetzt). Der Aggressive ist provozierend, ständig schlecht gelaunt und sieht nur Probleme. Er reklamiert dauernd, ist unzufrieden, zum Teil auch erregt, unterbricht öfter, unterstreicht seinen Ärger durch Mimik und Gestik und erwartet daraufhin Zugeständnisse. Hier ist es hilfreich, Verständnis zu signalisieren und immer wieder Übereinstimmung zu erreichen. Man sollte ihn zunächst reden lassen, Interesse und Verständnis für seine Situation zeigen, sich auf nichts einlassen und Ruhe bewahren, stets sachlich bleiben, den Kunden beruhigen, öffnende Fragen stellen und eine Vertrauensbasis schaffen. Der Schüchterne ist unsicher, zögerlich und leicht zu irritieren. Er wirkt labil, spricht mit Unterbrechungen, ist eher wortkarg und relativ unentschlossen, errötet manchmal, vermeidet längere Gespräche und verhält sich allgemein sehr vorsichtig. Hier ist es sinnvoll, keine Alternativen aufzuzeigen, Vertrauen zu gewinnen und Garantieerklärungen abzugeben. Man sollte ihn nicht drängen, nicht zu viele Details des Angebots ansprechen, die Meinung des Kunden, sofern vertretbar, bejahen, um ihm Erfolgserlebnisse zu bieten, ihm Sicherheit durch Bestätigung vermitteln, Bedürfnisse durch Fragen ermitteln, sein Selbstvertrauen heben, ihn zum Reden ermuntern und nicht allzu sehr auf sofortige Entscheidungen drängen.

6.5 Käufer-Verkäufer-Interaktion

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Der Vielredner ist egozentrisch und weitschweifig. Er lässt seinen Gesprächspartner kaum oder gar nicht zu Wort kommen, unterbricht den Gesprächspartner öfter, sucht Selbstbestätigung, schweift oft vom Thema ab und erzählt gern von sich selbst. Hier gilt es, ihn auf den Punkt zu bringen, seinen Sprachschwall zu reduzieren und Klarheit zu schaffen. Man sollte ihn zunächst reden lassen, interessiert zuhören, ihn in ruhigem, aber bestimmtem Ton ansprechen, bei sich bietender Möglichkeit taktvoll unterbrechen, sein Selbstwertgefühl positiv ansprechen und durch geschlossene Fragen zum Kern führen. Der Schweiger ist misstrauisch, ablehnend und schwer integrierbar. Er weist eine starre Mimik und abrupte Gestik auf, er hat meist schlechte Laune, provoziert sehr gern und das in einem aufbrausenden Tonfall. Hier ist es wichtig, sein Vertrauen zu gewinnen und das Gespräch aufzulockern und ihn einzubeziehen. Man sollte ruhig bleiben, ihn bei seinem Ehrgeiz packen, sein Wissen und seine Erfahrungen hervorheben sowie Formulierungen verwenden, die Übereinstimmung signalisieren. Der Rechthaberische widerspricht gern, ist besserwisserisch und tritt energisch auf. Er weiß alles besser, beharrt auf seiner Meinung, hat ein energisches Auftreten und ein hohes Geltungsbedürfnis, sucht Auseinandersetzung und neigt zu endlosen Monologen. Hier soll man als Verkäufer besser nicht widersprechen und ihn durch geschlossene Fragen lenken. Man sollte ruhig bleiben, auf enge Gesprächsführung achten, ihm viel Zustimmung und Lob geben, sein Geltungsbedürfnis befriedigen, Belehrungen vermeiden und sich im Gespräch nicht auf Randgebiete einlassen. Der Nervöse ist unkonzentriert, aktionistisch und ständig eilig. Er macht sich und anderen permanent Stress, ist überfordert und chaotisch. Hier hilft eine knappe Beratung und der sichtbare Respekt vor der tatsächlichen oder vorgespiegelten Terminnot des Gegenübers. Dabei darf man sich von seiner Nervosität nicht anstecken lassen und ebenso agieren, sondern soll im Gegenteil versuchen, einen ausgleichenden Ruhepol darzustellen. Der Arrogante ist überheblich, kritikempfindlich und eitel. Er lässt den Gesprächspartner gern seine Überlegenheit spüren, gibt sich betont selbstsicher, ist sehr anspruchsvoll, verträgt keinen Widerspruch und legt Wert auf Status. Hier werden Suggestivformulierungen und Referenzaussagen sinnvoll zur Bestätigung eingesetzt. Man sollte Interesse zeigen, ihn ausführlich und kompetent beraten, besonders intensiv auf die persönlichen Bedürfnisse des Kunden eingehen, ihm häufig zustimmen und ihn nicht kritisieren. Der Positive ist sanftmütig, konstruktiv und selbstsicher. Er geht lächelnd auf den Gesprächspartner zu, hat zumeist eine offene Körperhaltung, zeigt Interesse und lässt sich gern beraten. Er geht zügig und direkt auf sein Ziel zu, ohne dabei hinterhältig oder sonstwie schwierig zu sein. Man sollte ihn freundlich ansprechen, das Selbstwertgefühls des Kunden bestätigen, verbindliche sachliche Aussagen treffen und dem Kunden ausreichend Zeit zur Entscheidung geben. Der Träge ist uninteressiert, wortkarg und gelangweilt. Er spricht wenig und ist tenden­ziell verschlossen, antwortet häufig mit einzelnen Worten statt mit ganzen Sätzen, wirkt unbeteiligt und demonstriert weithin Passivität. Hier ist es wichtig, den Punkt seines Interesses zu finden und ihn darauf anzusprechen. Man sollte ihn besonders freundlich und ruhig ansprechen, auffordern, von sich zu erzählen, Interesse signalisieren und ausreichend Zeit zum Antworten geben. Der Trickser ist gewitzt und wartet nur darauf, dass man in die von ihm aufgestellten Verhandlungsfallen tappt, um dann zuzuschlagen. Er ist wachsam und abwartend, ziemlich

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6. Die Durchführung des Verkaufs

wortkarg, sucht den Punkt, wo er einhaken kann, um dann dort penetrant nachzuhaken und will überzeugt werden. Man sollte für ihn kurz, präzise und prägnant formulieren, Vertrauen aufbauen, Sicherheit ausstrahlen, sich nicht durch Fragen hereinlegen lassen, aktiv zuhören, seine Fragen durch Gegenfragen beantworten und im Gespräch besonders wachsam sein.

Die Einteilung nach Temperamentstypen ergibt folgende Ausprägungen: •• Der Sanguiniker (lebhaft/temperamentvoll) ist ein heiterer Typ und Lebenskünstler, aber nicht immer verlässlich. Er gilt in seinem Wesen als extravertiert und stabil, führend, gesellig, gesprächig, großzügig, lebhaft, mitteilsam, sorglos und verständnisvoll. •• Der Choleriker (jähzornig) ist leicht reizbar und durcheinander zu bringen, hat aber einen positiven Kern. Er gilt in seinem Wesen als extravertiert und instabil, aggressiv, aktiv, impulsiv, optimistisch, unruhig und wechselhaft. •• Der Phlegmatiker (träge/antriebsarm) ist durch Ruhe und Beständigkeit geprägt, kann aber auch schwerfällig sein. Er gilt in seinem Wesen als introvertiert und stabil, ausgeglichen, beherrscht, friedlich, nachdenklich, passiv, ruhig, sorgfältig und zuverlässig. •• Der Melancholiker (schwermütig) ist zwar niedergeschlagen und trübsinnig, aber oft beharrlich. Er gilt in seinem Wesen als introvertiert und instabil, ängstlich, launisch, nüchtern, pessimistisch, starr, still, ungesellig und zurückhaltend. Allerdings hängt das Verhalten tatsächlich mindestens ebenso viel von momentanen Erlebnissen und Eindrücken ab wie vom Temperament. Ein weitere Einflussfaktor ist der Körperbau. Bei den Körperbautypen unterscheidet man folgende: •• Der Athletiker ist durch muskulöse Physiognomie, breite Schultern und statt­ lichen Brustkorb gekennzeichnet. Er ist, dem Vorurteil entsprechend, schwerfällig, nüchtern, wortkarg und verlässlich. •• Der schmal gebaute Leptosome hat einen großen, aufgeschossenen Körperbau, ist schmalwüchsig, mit langen Extremitäten, engem Brustkorb, länglichem Kopf und schwacher Muskulatur ausgestattet. Er ist zäh, systematisch, formalistisch, wenig anpassungsfähig und leicht verwirrbar. •• Der korpulente Pykniker hat einen gedrungenen, kleinen Körperbau, kurze Extremitäten, breite Hüften, Bauchansatz, einen kurzen, massiven Hals und ein weiches, breites Gesicht. Er sieht das Ganze, vernachlässigt das Detail, reagiert wechselhaft, ermüdet schnell, ist mitteilungsbedürftig und zu unüberlegten Äußerungen reizbar. Bei den Konstitutionstypen unterscheidet man folgende: •• Der zyklothyme Typ (Gefühlmensch) wechselt die Gefühle zwischen heiterer und trauriger Stimmung, er ist gutmütig, aber auch unbeständig und wenig konzentriert.

6.5 Käufer-Verkäufer-Interaktion

407

•• Der visköse Typ (Tatenmensch) hat einen starken Bewegungs- und Betätigungsdrang, er ist zäh, ausdauernd, kann aber auch engstirnig und pedantisch sein. •• Der schizothyme Typ (Verstandesmensch) stellt Abstraktionsfähigkeit und folgerichtiges Denken in den Vordergrund, er ist stark Ich-bezogen und zutiefst ernsthaftig. Weitere Typisierungen sind Richtungstypen als extravertiert/progressiv-regressiv oder introvertiert/progressiv-regressiv-ambivalent sowie Werttypen als theasisch, ästhetisch, religiös, mächtig, sozial oder ökonomisch. Inwieweit diese Aspekte aber im Verkaufsgespräch weiter helfen, bleibt fraglich. Hoch relevant hingegen sind die Gehirnprioritäten (Neuroökonomie). Die Einteilung nach solchen Gehirnstrukturtypen ergibt folgende Ausprägungen: •• Der Stammhirn-Typ („grün“/Balance) sucht und findet rasch persönlichen Kontakt, hat ein Gespür für Menschen, ist beliebt, baut auf Bekanntem auf, wird von Erfahrungen geleitet, meidet radikale Veränderungen, verfügt über Intuition und Sensibilität, erfasst Signale aus dem Unbewussten, kann sich auf erste Eindrücke verlassen und hat Erfolg durch Sympathie. •• Der Zwischenhirn-Typ („rot“/Dominanz) besitzt natürliche Autorität und Überlegenheit, misst sich gern mit und an Anderen, erfasst den Augenblick, entscheidet spontan, ist von mitreißender Dynamik, denkt konkret und praktisch, erkennt das Machbare, neigt zum Probieren, ist gut im Improvisieren und hat Erfolg durch Imponieren. •• Der Großhirn-Typ („blau“/Stimulanz) braucht Abstand, gewinnt erst bei längerem Kennenlernen, lässt nicht in sich hineinschauen, muss alle Konsequenzen erst zu Ende denken, tut nichts ohne Plan, teilt die Zeit fest ein, denkt systematisch, hat hohes Abstraktionsvermögen und beherrscht die Sprache als Werkzeug.

6.5.3 Verkäufertypologie Für den Verkäufer ist seine Reputation ein entscheidender Erfolgsfaktor. Diese wird durch die Dimensionen Sympathieausstrahlung (Mögen) und Kompetenzbeeindruckung (Achten) bestimmt. Geht man bei beiden Dimensionen jeweils von den Ausprägungen gering und hoch aus, ergeben sich vier Kombinationen: •• Verkäufer mit sowohl geringer Sympathieausstrahlung als auch Kompetenz­ beeindruckung. Diese sind leider für den Beruf gänzlich ungeeignet. Bei ihnen ist daher zu prüfen, inwieweit eine sozialverträgliche Freisetzung oder anderweitige Verwendung im Betrieb (Back office) möglich ist. •• Verkäufer mit geringer Sympathieausstrahlung und hoher Kompetenzbeeindruckung. Diese wirken meist als unsensible Technokraten. Bei ihnen ist zur Erfolgssteigerung dringend eine Qualifizierung durch Verhaltenstraining notwendig. Dies stellt sich allerdings praktisch als äußerst schwierig heraus.

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6. Die Durchführung des Verkaufs

•• Verkäufer mit hoher Sympathieausstrahlung und geringer Kompetenzbeeindruckung. Sie kommen als nette Kumpel daher, was für den Verkaufserfolg aber nicht mehr ausreicht. Daher ist eine Qualifizierung durch Wissensschulung notwendig. Dies ist vergleichsweise gut erreichbar. •• Verkäufer mit sowohl hoher Sympathieausstrahlung als auch Kompetenzbe­ eindruckung. Sie sind die idealen Verkäufer. Bei ihnen kommt es darauf an, Motivierung und Bindung an das Unternehmen zu erreichen.

Abbildung 90: Verkäufertypologien

Zur Analyse der Käufer-Verkäufer-Beziehung werden allgemein zwei Dimensionen (Verkäufer-Grid) zugrunde gelegt, das Interesse des Verkäufers am Verkauf (gering/hoch) und das Interesse des Verkäufers am Kunden (gering/hoch). Daraus ergeben sich dann vier Kombinationen: •• Geringe Partner- sowohl als auch Leistungsorientierung drückt sich in folgender Einstellung aus: „Ich lege dem Kunden meine Produkte vor, und diese verkaufen sich ohne mein Zutun. Wie und wann, das liegt primär an den Produkten selbst und nicht an mir.“ •• Hohe Partner- bei geringer Leistungsorientierung drückt sich in folgender Einstellung aus: „Ich bin der Freund meines Kunden. Ich möchte ihn verstehen und auf seine Gefühle und Interessen reagieren, damit er mich mag. Er kauft bei mir wegen unserer persönlichen Beziehungen, weniger wegen der Ware.“ •• Hohe Leistungs- bei geringer Partnerorientierung drückt sich in folgender Einstellung aus: „Ich überfahre den Kunden und dränge ihm alles auf. Ich bediene mich dabei aller Tricks, die nötig sind, ihn zum Kauf zu veranlassen. Das ist letztlich reine Notwehr.“ •• Hohe Partner- sowohl als auch Leistungsorientierung drückt sich in folgender Einstellung aus: „Ich berate mich mit dem Kunden, um seine Bedürfnisse, die meine Produkte befriedigen können, zu erfahren. Wir erarbeiten gemeinsam eine angemessene Strategie, die ihm die Vorteile bringt, die er von mir erwartet.“

6.6 Rahmenbedingungen der Gesprächsführung

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In gleicher Weise kann das Interesse des Käufers analysiert werden. Dabei werden wiederum zwei Dimensionen (Käufer-Grid) zugrunde gelegt, das Interesse des Käufers am Kauf (geringe/hohe Leistungsbetonung) und das Interesse des Käufers am Verkäufer (geringe/hohe Partnerorientierung). Auch daraus ergeben sich vier Kombinationen: •• Geringe Partner- sowohl als auch Leistungsbetonung drückt sich in folgender Einstellung aus: „Wenn ich kann, gehe ich Verkäufern aus dem Weg. Wenn die Gefahr besteht, dass ich mich beim Kauf irren könnte, dann soll der Chef oder sonstwer meine Entscheidung absegnen.“ •• Hohe Partner- bei geringer Leistungsbetonung drückt sich in folgender Einstellung aus: „Wenn ein Verkäufer, der mir sympathisch ist, mir etwas empfiehlt, dann muss es wohl gut sein. Also bin ich geneigt, es zu kaufen. Ich scheine mehr zu bestellen als ich gebrauchen kann.“ •• Hohe Leistungs- bei geringer Partnerbetonung drückt sich in folgender Einstellung aus: „Kein Verkäufer soll aus mir Vorteile ziehen können. Im Gegenteil: Ich bin der Überlegene, und wenn ich kaufe, will ich für mein Geld soviel wie möglich bekommen.“ •• Hohe Partner- sowohl als auch Leistungsbetonung drückt sich in folgender Einstellung aus: „Ich kann die Grundbedürfnisse meines Unternehmens gut abschätzen und sehe mich nach den Produkten um, die mich zu einem Preis, den ich vertreten kann, zufriedenstellen.“

6.6 Rahmenbedingungen der Gesprächsführung Wenn die Terminvereinbarung und die Überwindung von Kontaktwiderständen gelungen sind, gilt es als Nächstes, sich auf die Rahmenbedingungen der eigentlichen Gesprächsführung vorzubereiten. Dazu sind mehrere Überlegungen erforderlich.

Abbildung 91: Rahmenbedingungen der Gesprächsführung

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6. Die Durchführung des Verkaufs

6.6.1 Gesprächsteilnehmer Dabei kann nach den Teilnehmern auf der Käufer- oder Verkäuferseite unterschieden werden. zunächst geht es um die Anzahl der käuferseitig angemeldeten oder zu erwartenden Teilnehmer (großer Kreis/kleiner Kreis). Eine Information darüber ist äußerst wichtig, weil sie die gesamte Anlage und den Ablauf des Verkaufsgesprächs beeinflusst. Hierbei geht es um die Zusammensetzung der Teilnehmer auf Kundenseite (homo­gen/heterogen). Dies lässt Rückschlüsse darüber zu, inwieweit von Inte­ ressenidentitäten auf der Kundenseite auszugehen ist oder Diskrepanzen dort wahrscheinlich sind. Diese Information ist in Konfliktsituationen von großer Bedeutung. Wortführer können positiv oder negativ verstärkend wirken. Diese zu identifizieren ist wichtig, um sie konstruktiv in die Argumentation einzubinden (etwa durch persönliche Ansprache). Fraglich ist, inwieweit der Wortführer zugleich Entscheider ist. Die Einstellung der Beteiligten zur Abteilungsräson (autonom/eingebunden) gibt Anhaltspunkte für Art und Inhalt der Argumentation und ist daher von hoher Bedeutung für das Verkaufsgespräch. Hinsichtlich der Anzahl der verkäuferseitig Beteiligten soll Fachkompetenz überall dort angeführt werden, wo dies hilfreich erscheint, zugleich sollen aber keine „überflüssigen“ Personen mitgeführt werden. Es gilt also so viel wie nötig, aber so wenig wie möglich. Aus der Zusammensetzung der relevanten Arbeitsbereiche auf Kundenseite kann antizipiert werden, welche Punkte in der Argumentationslinie verkaufsseitig vorbereitet werden sollen. Dabei sollte zu jedem Kundenteilnehmer ein direkt korrespondierender Verkäuferteilnehmer vorgesehen werden. Die Gesprächaufteilung gewährleistet eine gewisse Struktur im Gesprächs­ ablauf und verhindert, dass wichtige Punkte zu kurz kommen oder Chaos entsteht. Die Struktur erfolgt zumeist anhand einer Agenda, die Themenabfolge und Gesprächsübergabe bestimmt. Fraglich ist, wie diszipliniert sich die Teilnehmer in Bezug darauf verhalten. Beim frontaler Platzanordnung sitzen sich Kunden- und Verkäuferseite gegenüber, beim gemischten Prinzip ist die Sitzordnung aufgelockert, häufig dient dabei der runde Tisch als Symbol gleicher Augenhöhe der Beteiligten.

6.6 Rahmenbedingungen der Gesprächsführung

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6.6.2 Anlass/Vorbereitung des Verkaufsgesprächs Bei einem Routinemeeting handelt es sich um eine turnusmäßige Zusammenkunft, die das geringste Maß an spezifischer Vorbereitung verlangt, da es sich im Wesentlichen um routinisierte Inhalte handelt (häufig als Jour fixe institutio­ nalisiert). Das Gegenteil ist ein Ad hoc-Gespräch. Solche außerplanmäßigen Zusammenkünfte entstehen anlassbezogen, häufig allerdings aus Krisen- oder Über­ raschungsgründen. Diesen Terminen ist höchste Beachtung zu widmen, denn sie bedingen zumeist besonderen Stress. Allgemein sind verschiedene Gesprächssituationen denkbar, eigeninitiiert oder aufgefordert, mit allgemeinem oder konkretem Inhalt, allein oder in Konkurrenz. Von diesen Situationen hängt das Gesprächsverhalten entscheidend ab. Pünktlichkeit zum vereinbarten Termin hat oberste Priorität. Dies bedingt die rechtzeitige Abfahrt und die Wahl eines geeigneten Verkehrsmittels, um stressfrei anzukommen. Ggfs. kommt eine Übernachtung hinzu. In jedem Fall ist eine ausreichende Zeitreserve einzuplanen, denn kaum etwas ist peinlicher, als sich schon zu Beginn des Gesprächs für eine Verspätung entschuldigen zu müssen oder schon, bevor es eigentlich richtig losgeht, abgespannt zu sein. Hinsichtlich des Kleidungsstandards (Fashion code) ist es wichtig, businesslike gekleidet zu sein, also weder over- noch underdressed. Hier gilt der alte Anspruch, wonach Kleider Leute machen. Dabei kommt es vor allem auf die Angemessenheit der Kleidung für den Gesprächsanlass und den Kundenstatus an. Nicht zu unterschätzen ist auch die Bequemlichkeit. Das Rehearsal ist ein Probelauf zur Vereinbarung von Gesprächszielen, zur Festlegung der Dramaturgie und zur Rollenaufteilung. Am besten erfolgt dies durch Durchspielen des Ablaufs am Gesprächsort. Dies dient über die Einübung hinaus auch der Vermittlung von Sicherheit für alle Beteiligten. In Bezug auf das Gesprächsumfeld ist an Faktoren wie Raum, Klima, Licht etc. zu denken. Wichtig ist die Wahl weder zu großer noch zu kleiner Räume, beide werden als unangenehm empfunden. Frische Luft ist immer willkommen, ebenso eine ausreichend helle Beleuchtung, beides steigert die Konzentrationsfähigkeit. Bei Service/Catering geht es um Getränke, Gebäck, Telekommunikations­ einrichtungen, Störungsfreiheit etc. Diese dienen der Vermittlung eines angenehmen Gesprächsumfelds, wie es selbstverständlich sein sollte. Service und Catering sagen auch etwas über die Wertschätzung des Gesprächspartners.

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6. Die Durchführung des Verkaufs

6.6.3 Zeitpunkt/Dauer des Verkaufsgesprächs Es kommt durchaus immer wieder mal vor, dass sich beide Gesprächsparteien auf den Weg zur jeweilig anderen Adresse machen oder für Termine versehentlich falsche Tage oder Uhrzeiten eingetragen werden. Daher ist eine Termin-/Orts­ bestätigung durchaus üblich. Die Fixierung des Zeitrahmens dient der Disziplinierung aller Beteiligten und erlaubt ein verlässliches Timing der einzelnen Gesprächselemente. Der Zeitrahmen muss vor Gesprächsbeginn fixiert werden, damit alle Beteiligten sich darauf einstellen können. Es ist durchaus nicht immer notwendig, dass alle Teilnehmer während des gesamten Gesprächs anwesend sind, störend sind aber unmotiviert oder mehrfach hinzu- oder zurückkommende Teilnehmer mit geringer Verweildauer, die über den jeweils aktuellen Gesprächsstand umständlich informiert werden müssen. Eine Pausenvereinbarung dient nicht nur der Erfrischung oder der körperlichen Stärkung, sondern vor allem auch dem informellen Austausch über Zwischen­ ergebnisse und Ziele zwischen den Teilnehmern auf jeder Seite bzw. auf beiden Seiten. Pausen haben eine kaum zu unterschätzende Bedeutung im Beziehungsmanagement. Mentalitätsbesonderheiten sind vor allem bei immer häufiger multikulturell zusammengesetzten Gesprächsrunden und im internationalen Verkauf zu beachten und haben entscheidende Erfolgsbedeutung. „Stockfehler“ können hier verheerende Folgen haben.

6.6.4 Ablauf/Aufbau des Verkaufsgesprächs Das Begrüßungsritual ist nicht nur ein Zeichen der Höflichkeit, sondern leitet das eigentliche Gespräch auch durch eine Small talk-Phase ein. Dazu gehören auch Floskeln nach Gemütszustand („Wie geht es Ihnen?“) oder Transfer („­Haben Sie gut hierher gefunden?“), die nicht mit einer ernstzunehmenden Schilderung zu beantworten sind. Vor allem sollte man Gesprächspartner nicht mit eigenen Problemen nerven. Die Vorstellung der Teilnehmer dient der gegenseitigen Einordnung von Positionen und Funktionen einzelner Personen in der Organisation. Dabei erfolgt zumeist ein Austausch von Visitenkarten, die häufig mit beeindruckenden Titeln versehen sind. Es ist ein Zeichen der Höflichkeit, diese zu würdigen (vor allem in fernöstlichen Kulturen). Beim Anlass des Gesprächs geht es vor allem um die Einstimmung der Betei­ ligten auf die zu erwartenden Gesprächsinhalte. Denn es ist durchaus nicht vorauszusetzen, dass alle Kundenteilnehmer genau über Anlass und Absicht des Tref-

6.6 Rahmenbedingungen der Gesprächsführung

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fens im Bilde sind, und daher ansonsten womöglich von falschen Voraussetzungen ausgehen. Jedem Gespräch sollte unbedingt eine Agenda über die abzuarbeitenden Tagesordnungspunkte zugrunde liegen. Diese gehört zum Gespräch auf den Tisch und dient als eine Art Leitfaden durch das Procedere. Insofern ist jeder jederzeit ­instruiert. Zur Illustration einige Hinweise bei Gesprächen mit chinesischen Geschäftspartnern: •• Händeschütteln nicht zu rustikal, sondern eher schwach. Vermeiden von Körperkontakt (Schulterklopfen o. Ä.). Dem Gegenüber nicht zu lange in die Augen schauen. Anrede immer mit Titel und Ehrenzeichen. Smalltalk nicht über sensible Themen (Religion, Menschenrechte, Taiwan, Ein-Kind-Politik etc.). Vermeiden der Zahl 4 (steht für Unglück), die Zahl 8 steht hingegen für Glück. Winken mit der Handfläche nach unten zum Zeichen für Näherkommen. •• Es ist davon auszugehen, dass der Ranghöchste als Erster den Raum betritt. Die Teil­ nehmer stellen sich hierarchisch geordnet auf. Visitenkarten sind mit beiden Händen zu nehmen/zu überreichen und genau zu lesen. Bei der Begrüßung kann man klatschen. Ein „Ja“ bedeutet keinesfalls Zustimmung, sondern nur „Verstehen“. Direktes Nein vermeiden (der Andere verliert dann sein Gesicht). Bereits abgehakte Agendapunkte können jederzeit wieder hervorgeholt werden. Hohe Lautstärke bedeutet nicht unbedingt Stress, sondern auch Interesse/Aufmerksamkeit. Möglichst Geschenke für alle Beteiligten mitbringen. Regelmäßigen Kontakt zu Geschäftspartnern halten. •• Geschäftsessen haben eine hohe Bedeutung. Dabei wird viel Alkohol getrunken, ggfs. gute Ausrede ausdenken. Schmatzen und Schlürfen sind völlig normal. Essensreste auf dem Teller zeigen, dass man satt geworden ist.

Hinsichtlich des Stils ist eine Kombination aus Härte in der Sache und Verbindlichkeit im Ton optimal. Dies gelingt nur, wenn Sachinhalt und handelnde Personen voneinander getrennt werden. Leider wird häufig eine Widrigkeit in der Sache in den Gegenüber hineinprojiziert. Das ist unzweckmäßig. Hinsichtlich der Form des Gesprächs ist die Wahl eines Stils wichtig, der straff im Inhalt, aber locker in der Form ist. Dazu gehört, nicht flapsig oder distanziert oder besserwisserisch aufzutreten, sondern sympathisch, kooperativ und kom­ petent. Alle Teilnehmer sollen in das Gespräch einbezogen werden. Dazu gehören die Suche von Augenkontakt und die Beobachtung von Mimik und Gestik der jeweiligen Teilnehmer. Die Lautstärke sollte nicht zu aufdringlich, aber deutlich vernehmbar sein. Gerade bei wichtigen Passagen bietet es sich an, die Aufmerksamkeit der Zuhörer durch stärkeren Tonlevel zu provozieren. Bei der Wortwahl ist auf erklärte Fremdwörter und den Einsatz stimmiger Fachbegriffe zu achten. Oft wird versucht, durch komplizierte Ausdrucksweise zu beeindrucken, ein Unterfangen, das regelmäßig ins Gegenteil umschlägt. Sätze sollten wegen der besseren Verständlichkeit eher kurz gewählt werden. Verschachtelte Sätze führen dazu, dass am Satzende vergessen ist, worum es am Satzanfang

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6. Die Durchführung des Verkaufs

eigentlich ging. Dies ist ein verheerender Effekt. Der Auftritt sollte bescheiden, aber selbstbewusst sein (Luther hatte hier die Weisheit: „Tritt keck auf, mach’s Maul auf, hör’ bald auf!“ Dem ist nichts hinzuzufügen). Der Einsatz unterstützender Gestik und Mimik lässt eher den „Funken überspringen“. Verständnisfragen sollten sofort, alle anderen Fragen erst in der Diskussion gestellt werden. Dies ist sinnvoll, um einerseits den Präsentationsfluss nicht allzu häufig zu unterbrechen, andererseits aber sicher zu stellen, dass alle Beteiligten ihm folgen können. Bei der Aufteilung zwischen Vortrag zu Diskussion ist es wichtig, genügend Zeit für die Diskussion einzuplanen, denn sie ist der eigentlich gewinnende Teil des Gesprächs und dient dem Ausräumen verbliebener Bedenken, ohne die ein Abschluss letztlich nicht erreichbar ist. Dabei ist Zuhören und Hinterfragen wichtig, um Einwände hinter Vorwänden zu entschlüsseln. Diese stehen ansonsten einem Erfolg unverrückbar im Wege. Die Diskussionsbeiträge sollten einen Kompromiss aus Nachgiebigkeit und Entschlossenheit darstellen, d. h., es gilt, nicht durch Bockigkeit negativ aufzufallen, doch flexibel den eigenen Standpunkt zu verteidigen. Bei Meinungsverschiedenheiten auf Kundenseite gilt strikte Neutralität, Meinungsverschiedenheiten auf Verkäuferseite dürfen nicht vorkommen. Auf Verkäuferseite sollte immer die Fachkompetenz für eine Stellungnahme ausschlaggebend sein. Es darf also nicht geschwafelt werden, wenn doch gerade niemand kompetent ist, kann man die Stellungnahme auf einen späteren Termin zurückstellen oder in einer Pause Informationen dazu im Unternehmen einholen. Das Gespräch wird erst durch die Nachbereitung abgeschlossen. Dazu gehört die Zusammenfassung der Gesprächsergebnisse als Protokoll. Dies stellt sicher, dass die gemeinsam verhandelten Inhalte von den Teilnehmern auch gleicher­ maßen verstanden worden sind. Dies ist allein schon aus Gründen der Rechtssicherheit sinnvoll. Außerdem ist das Timing für Entscheidungen und nächste Schritte festzulegen. Die Interaktion darf nicht auslaufen, denn „nach dem Kauf ist vor dem Kauf“.

7. Die Planung und Kontrolle des Verkaufs 7.1 Marktverantwortung Hinsichtlich der Marktverantwortung sind aufbauorganisatorische Einteilungen nach vertretenen Produkten, abgedeckten Gebieten, betreuten Kunden oder bearbeiteten Branchen sowie Mischformen möglich.

7.1.1 Produktorientierte Vertriebsorganisation Bei der produktorientierten Arbeitsfeldeinteilung im Vertrieb bilden Produktgruppen oder einzelne Produkte die strukturelle Basis der Organisation. Nachfragern werden diese, gebietsübergreifend und unabhängig von der jeweiligen Kundenwertigkeit, angeboten. Daraus resultieren wichtige Vorteile. Dies ermöglicht eine weitgehende Anpassung der Vermarktungsaktivitäten an Produktbesonderheiten. Dadurch wird der Verkäufer zum Produktspezialisten, was ihm eine hohe Akzeptanz bei Nachfragern verleiht. Nachfragetrends und daraus abzuleitende Bedarfsveränderungen können frühzeitig erkannt werden. Da Einkäufer häufig produktspezialisiert eingesetzt werden, kann damit eine passende Zuordnung erreicht werden. Allerdings gibt es auch eine Reihe von Nachteilen. So entstehen bei räumlich weit verteiltem Bedarf lange Wegstrecken zwischen den einzelnen Nachfragern. Es ist keine Spezialisierung des Verkäufers auf einzelne Branchen möglich, so dass in vielen Fällen der Support von Spezialisten hinzu gezogen werden muss, was störende Interaktionseffekte bewirken kann. Es kann nur eingeschränktes Cross selling betrieben werden, es sei denn, Kollegenprämien werden weitergegeben. Nur bei A-Produkten kann vorausgesetzt werden, dass die Overheads produktspezialisierter Verkäufer tragbar sind. Es kann vorkommen, dass bei einem Kunden mehrere Verkäufer eines Lieferanten auftauchen, was keinen gut organisierten Eindruck hinterlässt. Das Programminteresse des Unternehmens gerät womöglich aus den Augen. Und Kunden denken verstärkt in Angebotssystemen statt in Einzelprodukten.

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7. Die Planung und Kontrolle des Verkaufs

Abbildung 92: Übersicht Planung und Kontrolle des Verkaufs (I)

Abbildung 93: Übersicht Planung und Kontrolle des Verkaufs (II)

7.1 Marktverantwortung

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Abbildung 94: Produktorientierter Vertrieb (Prinzip)

7.1.2 Gebietsorientierte Vertriebsorganisation Nahe liegend ist die Arbeitsfeldeinteilung im Vertrieb nach bearbeiteten Verkaufsgebieten, wobei jeweils verschiedene Branchen und abweichende Kundenwertigkeiten angesprochen werden. Dabei dienen meist Bundesländer, Postleitzahlzonen, Nielsen-Gebiete und deren Unterteilungen o. Ä. als Basis.

Abbildung 95: Gebietsorientierter Vertrieb (Prinzip)

Daraus ergeben sich eine Reihe von Vorteilen. Am Vordergründigsten leuchtet der Vorteil der kurzen Wegstrecken ein, so dass Reisezeiten und damit -kosten eingespart werden können. Auch ist eine klare Zuständigkeit gegeben, da der Standort des Kunden eindeutige Auskunft über die Zuständigkeit im Verkauf gibt. Allerdings ergeben sich bereits Probleme bei Unternehmen mit verschiedenen Betriebsstandorten oder Holdings mit verschiedenen Unternehmensstandorten. Da in einem Gebiet meist Abnehmer aus verschiedenen Branchen vertreten sind, kommt es zu einem guten Risikoausgleich zwischen Branchenentwicklungen und damit

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7. Die Planung und Kontrolle des Verkaufs

zu einer Stabilisierung des Einkommens. Die Neukundenakquisition wird begünstigt, da von einem Erfahrungsaustausch von Abnehmern innerhalb einer Region auszugehen ist, welche die Identifizierung und Erschließung dieser Nachfrager erleichtert. Zugleich wird auch die Nachbetreuung erleichtert, da am Reiseweg liegende Bestandskunden anlassbezogen mitbesucht werden können. Allerdings gibt es auch eine Reihe von Nachteilen. So ist zumindest a priori keine Spezialisierung der Verkäufer auf einzelne Branchen oder Kundenwertigkeiten möglich. Dies erschwert die Argumentation und Betreuung und kann auch durch fallweises Hinzuziehen von Branchenspezialisten oder Großkundenbetreuern nicht kompensiert werden. Die Produktsteuerung ist schwierig, da aufgrund der abweichenden Abnehmerstrukturen in verschiedenen Gebieten individuelle geldliche Bevorzugungen oder Benachteiligungen von Verkäufern entstehen, die durch komplizierte Vorgabesysteme wieder ausgeglichen werden müssen. Der Verkäufer trägt ein erhebliches Einkommensrisiko aus der wirtschaftlichen Entwicklung des von ihm bearbeiteten Gebiets. Dies gilt nicht nur für strukturschwache Gebiete, deren Effekt durch Absatzpotenzialberechnungen ausgeglichen werden kann, sondern auch für Monostrukturen nach Branchen. Im Zuge der zunehmenden Internationalisierung der Abnehmerstandorte wird auch der Vertrieb internationalisiert. Dies bedeutet, dass heute z. B. globale Zuständigkeiten (Verticals) für einen Großabnehmer üblich sind (z. B. in der Automobilzulieferindustrie). Probleme entstehen dabei im Verhältnis zu den Mitarbeitern der nationalen Vertriebsorganisation, die dann ihre größten Umsatzträger an ein Global key account-Management abtreten müssen. Wenn man noch bedenkt, dass es sowohl Spannungen zwischen Landesgesellschaften und Konzernführung bei Abnehmern als auch solche bei Lieferanten gibt, entsteht ein Eindruck der Komplexität der Vertriebsbezüge, obgleich gute Beziehungen im Verkauf von alles entscheidender Bedeutung sind.

7.1.3 Kundenwertorientierte Vertriebsorganisation Die Einteilung des Arbeitsfelds im Vertrieb nach Kundenwertigkeiten ist eine sehr nahe liegende, kann doch vereinfachend unterstellt werden, dass 20 % der Kunden (die A-Kunden/Preferred accounts) für 80 % der Erlöse stehen (nicht unbedingt der Erträge, da nachfragemächtige Großkunden regelmäßig bessere Konditionen erreichen und damit je Absatzeinheit weniger profitabel sind). Dabei werden Kunden über alle Verwenderbranchen und Verkaufsgebiete hinweg einheitlich angesprochen. Dafür sprechen noch weitere Vorteile. Wenn eine hohe wirtschaftliche Abhängigkeit von wenigen großen Abnehmern gegeben ist, ist es nahe liegend, diese durch besonders qualifizierte Mitarbeiter (Key account manager) betreuen zu lassen und nicht durch mehr oder minder zufällig zugeordnete Verkäufer. Großab-

7.1 Marktverantwortung

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Abbildung 96: Kundenwertorientierter Vertrieb (Prinzip)

nehmer haben oft über ihre reine Umsatzbedeutung hinaus auch einen Multiplikatoreffekt als Referenzkunden oder können in die Entwicklung neuer Produkte als Lead user eingebunden werden, was eine besonders kenntnisreiche Betreuung erfordert. Dagegen sprechen jedoch folgende Nachteile. Häufig entwickelt sich unter den Verkaufsaußendienstmitarbeitern ein Neid „normaler“ Verkäufer auf die Schlüsselkundenbetreuer, die oft deutlich besser bezahlt werden und vermeintlich leicht akquirierte Aufträge erzeugen. Bei Wachstum oder Schrumpfung eines Kundenunternehmens ist zumeist ein Wechsel des betreuenden Verkäufers erforderlich, wodurch die Kundenbindung nicht unbedingt erhöht wird. Gerade im Bereich um die vorgegebene Größenordnungsgrenze, die zudem dynamisch ist und häufig in ihrer Setzung einer gewissen Willkür nicht entbehrt, sind Zuständigkeitsprobleme unvermeidlich. Schlüsselkundenbetreuer sind von der wirtschaftlichen Entwicklung meist eines oder weniger Großabnehmer abhängig, so dass ihr individuelles Arbeitsplatz- und Einkommensrisiko deutlich erhöht ist, weil ein Risikostreuungseffekt fehlt. Es ist schwierig, Verkäufer mit gutem Standing bei wichtigen Kunden auszutauschen, da dabei die Geschäftsbasis in Gefahr gerät. Zugleich sind solche Mitarbeiter vom Mitbewerb stark gesucht, so dass eine hohe Abwerbungsgefahr besteht.

7.1.4 Branchenorientierte Vertriebsorganisation Eine weitere Möglichkeit stellt die Gliederung der Marktverantwortung nach bearbeiteten Verwenderbranchen, also unabhängig von Produkten, Gebieten und Kundenwertigkeiten, dar. Dies bietet einige gravierende Vorteile. So ist eine Spezialisierung auf die Bedürfnisse einer bestimmten Branche möglich, was die Akzeptanz dort erhöht. Durch gute Kenntnis der Branche erschließen sich vielfältige Neugeschäftspoten-

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7. Die Planung und Kontrolle des Verkaufs

Abbildung 97: Branchenorientierter Vertrieb (Prinzip)

ziale. Auch können frühzeitig Branchentrends erkannt werden, auf die sich das Unternehmen durch Feedback einstellen kann. Als Nachteile sind jedoch folgende zu nennen. Da Nachfragern bekannt ist, dass der Branchenverkäufer nicht nur das eigene Unternehmen, sondern auch die unmittelbaren Konkurrenten in der selben Branche betreut, ist ein immanentes Vertrauensproblem gegeben. Dies betrifft vor allem die kooperative Entwicklung neuer Produkte oder Anwendungen, die einem Abnehmer einen Wettbewerbsvorsprung verschaffen sollen, von dem dieser aber nicht sicher sein kann, ob dieses Knowhow auch seinen Mitbewerbern zugute kommt. Es ist eine starke Abhängigkeit von der Branchenkonjunktur gegeben. Dies verursacht schwankende Einkommen bei Verkaufsaußendienstmitarbeitern. Der Verkäufer ist regelmäßig nur innerhalb einer Branche einsetzbar, woraus eine gewisse Inflexibilität entsteht, vor allem, wenn es sich um Branchen am Ende ihres Lebenszyklus handelt. Dem Unternehmen entsteht aufgrund der Branchenspezialisierung seiner Mitarbeiter die große Gefahr der Abwerbung, vor allem wenn es sich um aufstrebende Branchen handelt.

7.1.5 Organisationale Mischformen Da jede dieser Arbeitsfeldeinteilungen ernst zu nehmende Nachteile birgt, wird in der Praxis meist eine Overlay-Struktur (mehrstufige Arbeitsfeldeinteilung) umgesetzt. Dabei handelt es sich typischerweise um eine Kombination der Ausrichtung nach Verwenderbranchen, Verkaufsgebieten und Kundenwertigkeiten. Denkbar sind dabei zwei Prinzipien. Innerhalb der Ausrichtung nach Verkaufsgebieten auf der obersten Ebene (z. B. internationale Vertriebsleitung, kontinentale Vertriebsleitung, nationale Vertriebsleitung, regionale Vertriebsleitung) ist eine Spezialisierung nach Verwenderbranchen möglich (z. B. nationale Vertriebsleitung für die Finanzdienstleistungsbranche). Meist werden Key accounts als Besonderheit getrennt davon organisiert.

7.1 Marktverantwortung

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Abbildung 98: Organisationale Mischformen (I)

Abbildung 99: Organisationale Mischformen (II)

Innerhalb der Ausrichtung nach Verwenderbranchen auf der obersten Ebene (z. B. direkt belieferter Einzelhandel, Großhandel, Versender/C & C, industrielle Abnehmer) wird eine Spezialisierung nach Verkaufsgebieten vorgenommen (z. B. industrielle Abnehmer in Nielsen IV). Meist werden auch hier die Key accounts getrennt organisiert. Eine reine Einteilung nach Kundenwertigkeiten ist praktisch kaum anzutreffen. Aus den genannten Beispielen wird deutlich, dass die Verantwortung der Verkaufsaußendienstmitarbeiter für einen Kunden schwierig zu organisieren ist. Dies gilt erst recht, wenn ein Kundenunternehmen in einem belieferten Produktbereich ein Großabnehmer ist, daher durch den Key account manager betreut wird, in einem anderen belieferten Produktbereich aber Kleinabnehmer. Zu fragen ist dann, ob dieser Kunde in beiden Produktbereichen durch den Key account manager betreut wird, obgleich der eine Produktbereich dies vom Volumen her nicht rechtfertigt, oder ob der Kunde durch zwei Verkäufer betreut wird, einen Key accounter und einen „normalen“ Verkäufer, was womöglich zu Friktionen führt.

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7. Die Planung und Kontrolle des Verkaufs

Ein anderer Problemfall entsteht, wenn ein Unternehmen in vielen belieferten Produktbereichen nur Kleinabnehmer ist, in der Summe dieser Lieferungen aber einen Großabnehmer des Lieferanten darstellt. Dann können branchenspezialisierte Verkäufer eingesetzt werden oder aber ein „kundenspezialisierter“ Key ­accounter. Gegen eine produktorientierte Organisation spricht zumeist die Beschaffungsstruktur des Abnehmerunternehmens. Werden alle Aufträge dort gebündelt erteilt, macht es wenig Sinn, beim Einkäufer verschiedene Verkaufsmitarbeiter für ihre jeweiligen Produkte auftreten zu lassen. Werden die Aufträge hingegen dezentral, vielleicht sogar international in einem Konzern, vergeben, ist ein Key accounter ebenso rasch überfordert. Im Zuge zunehmender Internationalisierung der Abnehmer wird auch der Vertrieb zunehmend internationalisiert. Dies gilt vor allem für Key accounts, bei denen durchaus globale Zuständigkeiten für einen Großabnehmer üblich sind (z. B. in der Automobilzulieferindustrie). Probleme entstehen dabei im Verhältnis zu nationalen Vertriebsorganisationen, die dann ihre bedeutendsten Kunden an einen Global key account abtreten müssen. Wenn man noch Spannungen sowohl zwischen Landesgesellschaften und Konzernführung bei Abnehmern als auch bei Lieferanten bedenkt, entsteht ein Bild ungehöriger Komplexität.

7.2 Kundencontrolling 7.2.1 Auftragswert Ausgangspunkt zur Ermittlung der Kundenprofitabilität ist der Auftragswert. Dieser ergibt sich wie folgt: •• Preis je Auftragseinheit × Menge der Auftragseinheiten = Bruttoerlös − Erlösschmälerungen (Rabatt, Gewährleistung, Skonto, Bonus etc.) = Netto-Erlös − Kosten (alle außer Vermarktungskosten und Sondereinzelkosten der Fertigung) = Deckungsbeitrag I − alle nicht kundendirekten Vermarktungskosten und Sondereinzelkosten der Fertigung = Deckungsbeitrag II − alle kundendirekten Vermarktungskosten = Gewinn je Auftrag

7.2 Kundencontrolling

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Abbildung 100: Vertriebs-Deckungsbeitragsrechnung mit stufenweiser Fixkostendeckung

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7. Die Planung und Kontrolle des Verkaufs

Abbildung 101: Kostenträgerzeitrechnung (Erfolgsrechnung)

Abbildung 102: Kostenträgerstückrechnung (Beispiel Auftrag E)

7.2 Kundencontrolling

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Wird der Gewinn je Auftrag über alle Aufträge eines Kunden für ein Produkt im Geschäftsjahr kumuliert, ergibt sich dessen produktbezogener Auftragswert, kumuliert über alle Aufträge eines Kunden für alle Produkte im Geschäftsjahr ergibt sich dessen geschäftsjahresbezogener Kundenwert, kumuliert über alle Kunden schließlich das operative Ergebnis.

7.2.2 Kundenwert Unter Kundenwert versteht man den Nettonutzen (Überschuss des Bruttonutzens über den zu seiner Erreichung erforderlichen Ressourceneinsatz), den ein Kunde einem Anbieter in ökonomischer und vorökonomischer Form stiftet. Der statische Kundenwert (Customer equity) kann auf mindestens drei ökonomischen Bezugsgrößen aufbauen. Der Umsatz ist der kumulierte Nettoerlös (Bruttoumsatz nach MwSt. abzgl. aller Preisnachlässe und Erlösschmälerungen zzgl. aller Preiszuschläge) aus allen Aufträgen eines Anbieters mit einem Kunden. Dieser Wert ist vergleichsweise leicht zu ermitteln, sagt allerdings noch nichts über die Ertragshaltigkeit eines Kunden aus. Im Gegenteil, häufig sind umsatzstarke Kunden wegen ihrer Nachfragemacht vergleichsweise wenig gewinnhaltig. Die Größen Liquidität und Bonität des Kunden berücksichtigen ergänzend, dass Umsätze mit Kunden nur so gut sind wie deren Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit (also nach Zahlungsausfällen). Der Gewinn ist die Differenz aus dem kumulierten Nettoerlös aus allen Aufträgen eines Anbieters mit einem Kunden abzgl. der kumulierten Selbstkosten für die Ausführung dieser Aufträge. Dieser Wert ist schwierig auszuweisen, weil er erstens eine kunden- bzw. auftragsbezogene Kostenträgerrechnung erfordert, die praktisch häufig nicht vorhanden ist, und zweitens die Problematik der Schlüsselung des Fixkostenblocks enthält. Daher sind Verfahren der Vollkostenrechnung (z. B. Prozesskostenrechnung) erforderlich, die den exakten Gewinn auszuweisen in der Lage sind. Der Deckungsbeitrag ist die Differenz aus dem kumulierten Nettoerlös aus allen Aufträgen eines Anbieters mit einem Kunden und den direkt zurechenbaren, variablen Kosten für die Ausführung dieser Aufträge. Der Deckungsbeitrag dient dann zur Abdeckung des Fixkostenblocks und zur Erzielung eines Residualgewinns. Dieser Wert ist entscheidungsbezogen zweckmäßig, setzt jedoch möglichst eine Deckungsbeitragsrechnung mit relativen Einzelkosten voraus, die praktisch häufig nicht vorhanden ist. Dabei wird eine Bezugsgrößenhierarchie entwickelt, bei der auch Gemeinkosten zu Einzelkosten einer höheren Ebene werden. Weitere Messgrößen können der Umsatzanteil des Kunden, der Lieferanteil des Lieferanten, die Lieferantenposition, der Deckungsbeitragsanteil des Kunden, der Cash-flow bzw. der Cash-flow-Anteil des Kunden oder die Kapazitätsauslastung

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7. Die Planung und Kontrolle des Verkaufs

sein. Die Kostenerfassung erfolgt sukzessiv durch den Buchhaltungskontenrahmen als Kostenartenrechnung, den Betriebsabrechnungsbogen als Kostenstellenrechnung, die Erfolgsrechnung als Kostenträgerzeitrechnung und die Kalkulation als Kostenträgerstückrechnung. Hat man sich für eine dieser Größen entschieden, empfiehlt es sich, ein Ranking der Werte der betreuten oder zur Betreuung vorgesehenen Kunden vorzunehmen. Dafür werden, neben hier nicht weiter zu diskutierenden intuitiven Rankings, einund zweidimensionale Einteilungsverfahren vorgeschlagen. Zu den bekanntesten eindimensionalen Einteilungsverfahren gehören folgende: •• RFMR (Recency, Frequency, Monetary, Ratio) ist ein Scoring-Verfahren. Die einzelnen Begriffe bedeuten Folgendes: •• Recency steht dabei für die Zeitspanne seit der letzten Bestellung eines Kunden bei einem Anbieter, gemessen seit dem Tag der Auswertung. Je weniger Zeit seit der letzten Bestellung vergangen ist, als desto werthaltiger wird eine Kundenbeziehung angesehen. •• Frequency steht für die Häufigkeit der Bestellungen, die ein Kunde innerhalb eines definierten Zeitraums bei einem Anbieter getätigt hat. Je häufiger die Zahl der Bestellungen, als desto werthaltiger wird eine Kundenbeziehung angesehen. •• Monetary steht für den kumulierten Bestellwert, den ein Kunde innerhalb eines definierten Zeitraums mit einem Anbieter getätigt hat. Je höher der Bestellwert, als desto werthaltiger wird eine Kundenbeziehung angesehen. Ziel der RFMR-Kennzahl ist eine Klassifizierung aller Kunden eines Unternehmens nach ihrer jeweiligen Werthaltigkeit, um daran orientiert differenzierte Betreuungsstandards zu planen und vorzunehmen. Dazu werden zunächst alle Kunden hinsichtlich der Kriterien Zeitspanne seit der letzten Bestellung, Häufigkeit der Bestellungen im Erhebungszeitraum und Wert der kumulierten Bestellungen im Erhebungszeitraum erfasst. Sinnvoll ist dabei eine Klassenbildung und die Zuordnung von Punktzahlen zu jeder Klasse. Die Punktzahl ist umso höher, je werthaltiger die Klasse ist. Damit wird jedem Kunden eine Punktzahl je Bewertungskriterium zugeordnet und die Punktzahlen werden anschließend addiert. Denkbar, wenngleich nicht unbedingt empfehlenswert, ist auch eine zusätzliche Gewichtung der Kriterien. Es ergibt sich für jeden Kunden eine Kennzahl, die über seine Werthaltigkeit in Bezug auf die genannten Kriterien Auskunft gibt. •• FRAT (Frequency, Recency, Amount of purchase, Type of merchandise). Dabei wird ein Kunde als umso werthaltiger betrachtet, je häufiger er in einem gegebenen Zeitraum bestellt hat, je weniger Zeit seit seiner letzten Auftragserteilung vergangen ist, je höher der Rechnungsbetrag im gegebenen Zeitraum und je ertragsstärker das dabei gekaufte Produkt war.

7.2 Kundencontrolling

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Abbildung 103: RFMR-Modell (Schema)

•• FRAC (Frequency, Recency, Amount of purchase, Category). Dabei wird ein Kunde als umso werthaltiger betrachtet, je häufiger er in einem gegebenen Zeitraum bestellt hat, je weniger Zeit seit seiner letzten Auftragserteilung vergangen ist, je höher der Rechnungsbetrag im gegebenen Zeitraum und je ertragsattraktiver die dabei gekaufte Produktgruppe war. •• AFRA (Affinity, Frequency, Recency, Amount of purchase). Dabei wird ein Kunde als umso werthaltiger betrachtet, je häufiger er das bestellte Produkt bereits gekauft hat, je häufiger er in einem gegebenen Zeitraum bestellt hat, je weniger Zeit seit seiner letzten Auftragserteilung vergangen ist und je höher der Rechnungsbetrag im gegebenen Zeitraum war. Auf Basis dieser und ähnlicher Einteilungen lassen sich Schlussfolgerungen für die Kundenbetreuung in Form von zweidimensionalen Einteilungsverfahren ­ziehen.

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7. Die Planung und Kontrolle des Verkaufs

Abbildung 104: FRAC-Modell (Schema)

Bei der ABCD-Analyse werden die Kunden nach ihrer Werthaltigkeit (alter­nativ kundenspezifischer Umsatz, Gewinn, Deckungsbeitrag) absteigend gerangreiht. Jedem Kunden wird sein Wertanteil im Rahmen eines Quadranten gegenüber gestellt. Bei Kundenanteilen von 20 %, 40 % und 80 % werden Schnitte gelegt. Relativ wenige Kunden (ca. 20 %) machen erfahrungsgemäß kumuliert den höchsten Kundenwertanteil aus, diese werden als A-Kunden bezeichnet (sie stellen regelmäßig ca. 80 % des Kundenwerts dar/Pareto-Regel). Relativ viele weitere Kunden (20 %) machen kumuliert einen geringen weiteren Kundenwertanteil aus (ca. 10 %), diese werden als B-Kunden bezeichnet, und die restlichen Kunden

7.2 Kundencontrolling

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(ca. 40 %), welche die restlichen ca. 10 % des gesamten Kundenwerts ausmachen, als C-Kunden. Entsprechend werden abgestufte Betreuungslevels definiert, am Höchsten für A-Kunden, am Niedrigsten für C-Kunden und für B-Kunden dazwischen liegend. Außerdem werden D-Kunden (20 %) mit negativem Kundenwert ausgewiesen, für die spezielle Aktivitäten der Profitabilitätssteigerung oder Ausgrenzung vorzusehen sind.

Abbildung 105: ABCD-Analyse

Nunmehr kann jeder Kundenklasse ein Niveau an Betreuungsmaßnahmen zugeordnet werden. Die A-Kunden erhalten das höchste Betreuungsniveau, die DKunden das niedrigste (hier ist zu überlegen, sich von den D-Kunden zu trennen, wenn deren Werthaltigkeit nicht gesteigert werden kann). Vereinfachend wird häufig auch die ABC-Analyse zugrunde gelegt. Problematisch ist, dass es sich bei diesem Verfahren lediglich um eine Vergangenheitssicht handelt, die Maßnahmen aber planerisch in die Zukunft weisen. Daher sind dynamische Kundenlebenszeitwert-Kennzahlen zu bevorzugen. Außerdem ist fraglich, ob gerade die genannten Kriterien ausschlaggebend für die Kundenwertigkeit sind oder aber andere. Insofern entbehren diese Verfahren nicht einer gewissen Beliebigkeit. Fraglich ist auch, ob und wie die einzelnen Beurteilungskriterien gewichtet werden sollen. Zudem fehlt es häufig einfach auch an der Grundlage der Rechnung, nämlich den auf einzelne Kunden bzw. Aufträge bezogenen buchhalterischen Werten.

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7. Die Planung und Kontrolle des Verkaufs

Abbildung 106: ABC-Analyse nach Kundenanteilen

Beim Kundenwert-Portfolio werden die Kunden hinsichtlich einer unternehmensbezogenen Größe (z. B. Kundenattraktivität, formalisiert durch Profitabilität, Deckungsbeitrag etc.) sowie einer marktbezogenen Größe (z. B. Konkurrenzfähigkeit, formalisiert durch kundenbezogenes Absatzvolumen, kundenbezogenen Beschaffungsanteil insgesamt oder je Category etc.) im Rahmen einer Matrix zusammengefasst. Bei ordinaler Einteilung beider Dimensionen jeweils in niedrig und hoch ergeben sich vier Felder. Starkunden sind solche mit sowohl hoher Kundenattraktivität und als auch eigener Konkurrenzfähigkeit, Potenzialkunden sind solche mit hoher Kundenattraktivität bei niedriger eigener Konkurrenzfähigkeit, Mitnahmekunden sind solche mit niedriger Kundenattraktivität bei hoher eigener Konkurrenzfähigkeit und Auslaufkunden solche mit sowohl niedriger Kundenattraktivität als auch eigener Konkurrenzfähigkeit. Die Betreuungsintensität soll in dieser Reihenfolge abnehmen.

7.2 Kundencontrolling

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Abbildung 107: Kundenwert-Portfolio (I)

Abbildung 108: Kundenwert-Portfolio (II)

Auch hier ergeben sich wesentliche Unwägbarkeiten durch die Wahl der Port­ folio-Dimensionen, durch die letztlich subjektive Einteilung in die jeweiligen Felder und die entsprechende Abstufung der Kontaktstandards. Bei diesen Betrachtungen stellt sich die nicht unwesentliche Frage, wer eigentlich Kunde ist. Denkbar sind: •• die Person des Einkäufers. Dabei ist allerdings unklar, ob der Einkäufer selbst entscheidet, mit welchem Anbieter er in Transaktion tritt, oder er nur nach Vorgabe kaufmännisch handelt. •• die Abteilung des Unternehmens (Sekundärorganisation). Dafür werden häufig formelle oder informelle Einkaufsgremien tätig, die sich aus verschiedenen

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7. Die Planung und Kontrolle des Verkaufs

Funktionen zusammensetzen (Entscheider, Beeinflusser, Nutzer, Informationsselektierer und Einkäufer). •• die Division des Unternehmens. Dabei wird unterstellt, dass Divisions eigenständig über die Wahl der Anbieter, mit denen sie in Transaktion treten, entscheiden können, was aus übergeordneten Gründen nicht so sein muss. •• das Unternehmen. Dem liegt die Erfahrung zugrunde, dass der Einkauf häufig im Unternehmen zentralisiert organisiert ist, um dort Degressions- und Nachfragemachteffekte zu erreichen und das Einkaufsvolumen (Cash drain) bei zunehmendem Outsourcing besser kontrollieren zu können. •• die (internationale) Holding. Dabei kauft eine Dachgesellschaft für die ihr angeschlossenen operativen Einheiten ein. Viele kleine Kunden können somit auf Holding-Ebene betrachtet durchaus einen Großkunden ergeben, der ein höheres Betreuungsniveau rechtfertigt. Betrachtungen des statischen Kundenwerts kranken jedoch an der ­Tatsache, dass die Kundenbeziehung sich im Zeitablauf entwickelt, also eine dynamische Kundenwertbetrachtung erfordert. Diese erbringt neue Erkenntnisse insofern, als sie Erträge differenziert nach dem Zeitpunkt ihres Geldmittelflusses bewertet. So sind Erlöse (Auszahlungen von Kunden) umso werthaltiger, je weiter sie vom Betrachtungszeitpunkt aus zurück liegen bzw. je näher sie voraus liegen. Und Investitionen (Einzahlungen an Kunden) sind umso weniger werthaltig, je näher sie vom Betrachtungszeitpunkt aus zurück liegen bzw. je ferner sie voraus liegen.

7.2.3 Kundenlebenszeitwert Unter dem dynamischen Kundenlebenszeitwert (Customer lifetime value) versteht man die zusätzliche Zeitbasierung des Kundenwerts auf einen gemeinsamen Betrachtungszeitpunkt. Dies bedarf einer Rechenbasis. Dafür kann das Investitions­rechnungsverfahren der Kapitalwertmethode eingesetzt werden. Denn zweifelsfrei lässt sich die Beziehung zu einem Kunden als Investitionsbeziehung interpretieren, bei der am Anfang und laufend Einzahlungen getätigt werden, um dadurch zu laufenden Auszahlungen zu gelangen, ganz so wie bei der Investition in eine maschinelle Anlage. Sie nimmt eine Aufzinsung aller Ein- und Auszahlungen der Vergangenheit sowie eine Abzinsung aller Ein- und Auszahlungen der Zukunft jeweils auf den Betrachtungszeitpunkt vor. Ein positiver Kapitalwert bedeutet also, dass der Saldo der aufgezinsten Einzahlungen der Vergangenheit und der abgezinsten Einzahlungen der Zukunft in einen Kunden geringer ist als der Saldo der aufgezinsten Auszahlungen der Vergangenheit und der abgezinsten Auszahlungen der Zukunft von einem Kunden.

7.2 Kundencontrolling

433

Für die Anwendung dieses Rechenverfahrens sind allerdings einige Festlegungen zu treffen, so die Wahl des kalkulatorischen Zinssatzes, des anzunehmenden Prognosezeitraums, des zugrunde zu legenden Prognoseverfahrens und der vermuteten, realen Preisniveauentwicklung.

Abbildung 109: Kundenerfolgsgrößen

Der primäre Kundenlebenszeitwert ergibt sich aus dem Überschuss der auf den Betrachtungszeitpunkt diskontierten Einzahlungen für einen Kunden zu seinen diskontierten Auszahlungen aus Transaktionen für das Produkt, das der Kunde ursprünglich gekauft hat. Eine Werterhöhung kann hier sowohl durch Absatzmengensteigerung als auch durch Effektivpreissteigerung erreicht werden. Der sekundäre Kundenlebenszeitwert ergibt sich durch Addition des primären Werts eines Kunden und des Überschusses der auf den Betrachtungszeitpunkt diskontierten Einzahlungen für einen Kunden zu seinen diskontierten Auszahlungen aus Transaktionen in- oder außerhalb der Produktgruppe. Bei Ersterem handelt es um eine Erhöhung des Kundenlieferanteils beim Kunden innerhalb der angestammten Produktgruppe (Share of wallet). Bei Letzterem um die Initiierung zusätzlicher Transaktionen außerhalb der Produktgruppe mit anderen Produkten (Cross selling). Der tertiäre Kundenlebenszeitwert ergibt sich durch Addition des sekundären Werts eines Kunden und des Zuwachses von Aufträgen von anderen Kunden infolge der Tätigkeit für diesen spezifischen Kunden. Dabei kann es sich um eine Akquisitionserhöhung durch Nennung des Kunden als Aktivreferenz (Referenzierung) handeln oder um eine solche durch Weiterempfehlung des Kunden selbst an Dritte.

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7. Die Planung und Kontrolle des Verkaufs

Der quartäre Kundenlebenszeitwert ergibt sich durch Addition des tertiären Werts und des Nutzens aus der laufenden Zusammenarbeit mit dem Kunden (Running business). Dabei kann es sich sowohl um die Anregung neuer Produkte handeln, die erst durch Anstoß des Kunden entstehen (Informationsnutzen) als auch um die Erhöhung der Kundenbindung durch verstärkte Einbeziehung in die Wertkette des Kunden (Kooperationsnutzen). Daraus ergeben sich zwei Beziehungskennzahlen, die zur evaluierenden Beurteilung eines Kunden dienen: •• Die Kundenprofitabilität ergibt sich als zum Betrachtungszeitpunkt durch Einund Auszahlungen der Vergangenheit bereits realisierter, absoluter Kundenwert. Ihm kann der durch Ein- und Auszahlungen der Zukunft noch zu realisierende, potenzielle Kundenwert gegenübergestellt werden. Dabei kann auf die zwei abgestuften Kundenerfolgsgrößen (ökonomischer/vorökonomischer Kundenwert) Bezug genommen werden. Beispiel: Kunde A: •• Auf den Gegenwartszeitpunkt diskontierte Einzahlungen in den Kunden:

393.000 €

•• Auf den Gegenwartszeitpunkt diskontierte Auszahlungen vom Kunden:

425.000 €

• Kundenprofitabilität =

32.000 €

Kunde B: •• Auf den Gegenwartszeitpunkt diskontierte Einzahlungen in den Kunden:

133.000 €

•• Auf den Gegenwartszeitpunkt diskontierte Auszahlungen vom Kunden:

177.000 €

•• Kundenprofitabilität =

44.000 €

•• Die Kundenrentabilität ergibt sich als relativer Wert, d. h. als Differenz der Auszahlungen von und der Einzahlungen in einen Kunden bezogen auf die Einzahlungen in einen Kunden. Diejenige Kundenbeziehung ist c.p. die rentablere, die den gleichen Kundenwert mit weniger Einzahlungen realisiert bzw. bei gleichen Einzahlungen den höheren Kundenwert realisiert. Beispiel: Kunde A: •• Dynamischer Kundenwert: •• Diskontierte Einzahlungen in den Kunden: •• Kundenrentabilität:

32.000 € 393.000 € 8,1 %

Kunde B: •• Dynamischer Kundenwert: •• Diskontierte Einzahlungen in den Kunden: •• Kundenrentabilität:

44.000 € 133.000 € 33,0 %

7.2 Kundencontrolling

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Abbildung 110: Einflussgrößen auf den Kundenlebenszeitwert

Als Einflussgrößen auf den Kundenlebenszeitwert wirken die Einzahlungen der Vergangenheit, die Auszahlungen der Vergangenheit, die Einzahlungen der Zukunft und die Auszahlungen der Zukunft ein. Diese Zahlungsströme entstehen im Einzelnen aus verschiedenen Größen. Die Einzahlungen der Vergangenheit setzen sich aus folgenden Größen zusammen: •• Erstakquisition. Dazu gehören alle Aufwendungen, die erforderlich waren, die erste Transaktion mit einem Kunden zu generieren. •• Laufende Betreuung. Dazu gehören alle Aufwendungen, die laufend erforderlich sind, um die Geschäftsbeziehung zu einem Kunden aufrecht zu erhalten und zu pflegen. •• Kundenreaktivierung. Dazu gehört der Aufwand für die Aktualisierung einer passiv gewordenen Kundenbeziehung. •• Kundenrückgewinnung. Dazu gehört der Aufwand für die Erneuerung einer bereits aufgekündigten Kundenbeziehung. Die Auszahlungen der Vergangenheit setzen sich aus folgenden Größen zusammen: •• Erstauftrag. Dazu gehören alle Erträge, die aus der Erstakquisition eines Kunden erzielt worden sind. •• Folgeaufträge. Dazu gehören alle Erträge, die aus der laufenden Geschäftsbeziehung zu einem Kunden erzielt worden sind. •• Kundenreaktivierung. Dazu gehört der Ertrag aus der erfolgreichen Aktualisierung einer passiv gewordenen Kundenbeziehung. Die Einzahlungen der Zukunft setzen sich aus folgenden Größen zusammen: •• Laufende Betreuung. Dazu gehören alle Aufwendungen, die laufend erforderlich werden, um die Geschäftsbeziehung zu einem Kunden aufrecht zu erhalten und zu pflegen. •• Kundenreaktivierung. Dazu gehört der Aufwand für die mögliche Aktualisierung einer passiv werdenden Kundenbeziehung. •• Kundenrückgewinnung. Dazu gehört der Aufwand für die mögliche Erneuerung einer bereits aufgekündigten Kundenbeziehung.

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7. Die Planung und Kontrolle des Verkaufs

Die Auszahlungen der Zukunft setzen sich aus folgenden Größen zusammen: •• Folgeaufträge. Dazu gehören alle Erträge, die aus der laufenden Geschäftsbeziehung zu einem Kunden erzielt werden. •• Kundenreaktivierung. Dazu gehört der Ertrag aus der erfolgreichen Aktualisierung einer passiv werdenden Kundenbeziehung. Diese Beträge sind noch um einen Migrationsfaktor zu korrigieren, der die wohl unvermeidliche Minderung der Werthaltigkeit eines Kunden durch dessen Abwanderung zu anderen Anbietern (ohne die Chance der Rückgewinnung), durch Aufgabe des Geschäftsfelds (z. B. verschmelzende Fusion), durch Aufgabe der Geschäftstätigkeit (z. B. Liquidation) oder durch Standortwechsel berücksichtigt. Praktisch kann dies als Multiplikator