Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens. Teilband 2: Zweites und Drittes Buch 9783787319985, 9783787319503

Karl Leonhard Reinholds »Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens« (1789) ist aufgegliedert in

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Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens. Teilband 2: Zweites und Drittes Buch
 9783787319985, 9783787319503

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K A R L LEON H A R D R EI N HOLD

Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens In zwei Teilbänden

FELIX MEINER VERLAG HAMBURG

K A R L LEON H A R D R EI N HOLD

Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens Teilband 2: Zweites und Drittes Buch

Mit Anmerkungen und Registern herausgegeben von

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FELIX MEINER VERLAG HAMBURG

PHILOSOPHISCHE BIBLIOTHEK BAND 599 b

Bibliographische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über < http://dnb.d-nb.de > abrufbar. ISBN 978 - 3 - 7873 - 1950 - 3 E-Book-ISBN 978-3-7873-1998-5

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT © Felix Meiner Verlag 2012. Alle Rechte vorbehalten. Dies betrifft auch die Vervielfältigung und Übertragung einzelner Textabschnitte durch alle Verfahren wie Speicherung und Übertragung auf Papier, Transparente, Filme, Bänder, Platten und andere Medien, soweit es nicht §§ 53 und 54 URG ausdrücklich gestatten. Satz: post scriptum, www.post-scriptum.biz. Druck: Strauss, Mörlenbach. Buchbinderische Verarbeitung: Litges & Dopf, Heppenheim. Werkdruckpapier: alterungsbeständig nach ANSI-Norm resp. DIN-ISO 9706, hergestellt aus 100 % chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Printed in Germany. www.meiner.de

I N HALT

Siglen

......................................

VII

K A R L L EON H A R D R E I N HOL D

Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens Zwei tes Buch: Theorie des Vorstellungsvermögens überhaupt . . . . . . . 211 Theorie des Vorstellungsvermögens überhaupt . . . . . . . . . . . . . . . 213 Dri t tes Buch: Theorie des Erkenntnisvermögens überhaupt . . . . . . . . Theorie des Erkenntnisvermögens überhaupt . . . . . . . . . . . . . . . . Theorie der Sinnlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Theorie des Verstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Theorie der Vernunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

313 315 339 395 454

Anmerkungen des Herausgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 610

SI GLEN

Merkur-Briefe

Versuch

Briefe I

1. Brief : »Bedürfniß einer Kritik der Vernunft«, in: Der Teutsche Merkur, 1786, 3. Bd., S. 99–127; – 2. Brief : »Das Resultat der Kantischen Philosophie, über die Frage vom Daseyn Gottes«, ebd. 1786, 3. Bd., S. 127–141; – 3. Brief : »Das Resultat der Kritik der Vernunft über den nothwendigen Zusammenhang zwischen Moral und Religion«, ebd. 1787, 1. Bd., S. 1–39; – 4. Brief : »Ueber die Elemente, und den bisherigen Gang der Ueberzeugung von den Grundwahrheiten der Religion«, ebd. 1787, 1. Bd., S. 117–142; – 5. Brief : »Das Resultat der Kritik der Vernunft über das zukünftige Leben«, ebd. 1787, 2. Bd., S. 167–185; – 6. Brief : »Fortsetzung des vorigen. Vereinigtes Interesse der Religion und der Moral bey der Hinwegräumung des metaphysischen Erkenntnißgrundes für das zukünftige Leben«, ebd. 1787, 3. Bd., S. 67–88; – 7. Brief : »Skizze einer Geschichte des p[s](h)ychologischen Vernunftbegriffes der einfachen denkenden Substanz«, ebd. 1787, 3. Bd., S. 142–165; – 8. Brief : »Fortsetzung des vorigen. – Hauptschlüssel zur rationalen Psychologie der Griechen«, ebd. 1787, 3. Bd., S. 247–278. Karl Leonhard Reinhold, Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens, Prag und Jena 1789 (zweite, unveränderte Aufl. Jena 1795). Carl Leonhard Reinhold, Briefe über die Kantische Philosophie, erster Band, Leipzig 1790.

VIII

Briefe II Beyträge I

Beyträge II

KA

RL

Akad.-Ausg.

Siglen

Carl Leonhard Reinhold, Briefe über die Kantische Philosophie, zweyter Band, Leipzig 1792. Karl Leonhard Reinhold, Beyträge zur Berichtigung bisheriger Mißverständnisse der Philosophen. Erster Band: Das Fundament der Elementarphilosophie betreffend, Jena 1790. Karl Leonhard Reinhold, Beyträge zur Berichtigung bisheriger Mißverständnisse der Philosophen. Zweyter Band: Die Fundamente des philosophischen Wissens, der Metaphysik, Moral, moralischen Religion und Geschmackslehre betreffend, Jena 1794. Karl Leonhard Reinhold Korrespondenzausgabe der österreichischen Akademie der Wissenschaften, hrsg. von Reinhard Lauth, Kurt Hiller und Wolfgang Schrader, Bd. 1, Korrespondenz 1773–1788, hrsg. von Reinhard Lauth, Eberhard Heller und Kurt Hiller, Stuttgart-Bad Cannstatt 1983 [nach der Sigle wird vor dem Punkt die Bandnummer angegeben, danach die Seitenzahl]. Ernst Reinhold, Karl Leonhard Reinhold’s Leben und litterarisches Wirken, nebst einer Auswahl von Briefen Kant’s, Fichte’s, Jacobi’s und anderer philosophirender Zeitgenossen an ihn, in 2 Bdn., Jena 1825. Kant’s gesammelte Schriften, hrsg. von der preußischen, später deutschen, jetzt Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Abt. I: Werke, Bd. 1–9; Abt. II: Briefwechsel, Bd. 10–13; Abt. III: Handschriftlicher Nachlaß, Bd. 14–23; Abt. IV: Vorlesungen, Bd. 24– 29, Berlin 1902 ff. [nach der Sigle wird vor dem Punkt die durchlaufende Bandnummer angegeben, danach die Seite].

Siglen

KrV KpV Prolegomena

Fichte-GA

IX

Immanuel Kant, Critik der reinen Vernunft, Riga 1781 (A), ²1787 (B) [zit. nach Akad.-Ausg.]. Immanuel Kant, Critik der practischen Vernunft, Riga 1788 [zit. nach Akad.-Ausg.]. Immanuel Kant, Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können, Riga 1783 (A) [zit. nach Akad.-Ausg.]. Johann Gottlieb Fichte-Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, hrsg. von Reinhard Lauth, Erich Fuchs und Hans Gliwitzky, Stuttgart-Bad Cannstatt 1962 ff., Abt. I: Werke; Abt. II: Nachgelassene Werke; Abt. III: Briefe; Abt. IV: Vorlesungsnachschriften [der Sigle folgt die römische Ziffer für die Abt., nach »/« die Nummer des Bandes und nach dem Punkt die Seite].

Abkürzungen im Apparat TMSKP-1

TMSKP-2

ALZ

TM AG-1

TM AG-2

»Ueber das bisherige Schicksal der Kantischen Philosophie«, in: Der Teutsche Merkur, April 1789, 2. Bd., S. 3–37. »Ueber die bisherigen Schicksale der Kantischen Philosophie«, Beschluß, in: Der Teutsche Merkur, Mai 1789, 2. Bd., Forts., S. 113–135. »Neue Entdeck.«, in: Allgemeine Literatur-Zeitung vom 25. September 1788, Nr. 231a, Sp. 831– 832. »Allgemeiner Gesichtspunkt einer bevorstehenden Reformation der Philosophie«, in: Der Teutsche Merkur, 2. Bd., Juni 1789, S. 243–274. »Allgemeiner Gesichtspunkt einer bevorstehenden Reformation der Philosophie«, in: Der Teutsche Merkur, 3. Bd., Juli 1789, Forts., S. 75– 99.

X

BM

NDM1

NDM2

NDM3

TM F

Siglen

»Von welchem Skeptizismus läßt sich eine Reformation der Philosophie hoffen?«, in: Berlinische Monatsschrift, Bd. 14, 7. Stück, Julius 1789, S. 49–72. »Wie ist Reformazion der Philosophie möglich?«, in: Neues deutsches Museum, 1. Bd., 1. Stück, Juli 1789, S. 31–47. »Wie ist Reformazion der Philosophie möglich?«, in: Neues deutsches Museum, 1. Bd., 2. Stück, August 1789, Forts., S. 204–226. »Wie ist Reformazion der Philosophie möglich?«, in: Neues deutsches Museum, 1. Bd., 3. Stück, September 1789, Beschluß, S. 284– 304. »Fragmente über das bisher allgemein verkannte Vorstellungs-Vermögen«, in: Der Teutsche Merkur, Oktober 1789, 3. Bd., S. 3–22.

zweites buch Theorie des Vorstellungsvermögens überhaupt

Since the mind in all its thoughts and reasonings hath no other immediate object but its own I d e a s , which it alone does or can contemplate, it is evident that our Knowledge is only conversant about them. Lockes Essay, B[ook]. IV, Ch. I 145

6 object ] verbessert aus: objet

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§6 Das Wort Vorstellungsvermögen faßt in seiner weiteren Bedeutung alles zusammen, was zunächst zu den Bedingungen der Vorstellung gehört.

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Dieser Paragraph soll nichts als die weitere Bedeutung des Wortes Vorstellungsvermögen ausdrücken, d. i. diejenige, über welche alle philosophischen Parteien nur darum und nur in so ferne einig sind, weil und in wieferne dieselbe alle, jeder Partei und jedem Anhänger derselben, eigentümlichen Bedeutungen umfaßt und auf jede besondere Meinung vom Vorstellungsvermögen paßt. Ich lege hier nicht den bestimmten, sondern nur den bestimmbaren Begriff vor und ziehe die äußerste Grenzlinie um das mir und allen denen, die etwas bei dem Worte Vorstellungsvermögen denken, gemeinschaftliche Feld der Untersuchung. | Dieses Feld schließt also denjenigen ein, der unter Vorstellungsvermögen die Seele selbst oder die vorstellende Kraft oder auch nur das Vermögen dieser Kraft denkt;147 denjenigen, der das Vorstellungsvermögen für ein Resultat von dem Vermögen der Organisation und einer einfachen geistigen Substanz hält148 oder aber für ein Vermögen der Organisation allein149 oder eines unkörperlichen Wesens allein150; denjenigen, der sich die Vorstellung nicht ohne physische Einwirkung der Dinge außer der Seele auf die Seele denken kann und der folglich das Vermögen der Außendinge, auf die Seele zu wirken, in seinen Begriff vom Vorstellungsvermögen mit aufnimmt; 151 mit einem Worte jeden, der sich den Inbegriff desjenigen (sei es was immer) denkt, wodurch die Vorstellung zunächst möglich wird.

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So ausgemacht es auch den meisten meiner Leser scheinen wird, daß zum Vorstellungsvermögen, wenigstens in dieser weiteren Bedeutung, der organische Körper und die sogenannten äußeren und inneren sinnlichen Werkzeuge gezählt werden müssen – welche dem Zeugnisse der Erfahrung gemäß die Kanäle sind, durch die von den Gegenständen außer uns der Stoff zu den Vorstellungen dieser Gegenstände geliefert wird –, so wenig ist man in der philosophischen Welt hierüber einig.152 Es gibt nämlich Idealisten, welche jenes Zeugnis der Erfahrung geradezu für eine Täuschung, und Skeptiker, welche dasselbe für unzuverlässig erklären. Die einen glauben zu wissen, daß es keine Körper geben könne und daß unsre Organisation selbst nur eine bloße Vorstellung sei, die andern aber –, daß man sich durchaus nicht überzeugen | könne, woher unsre Vorstellungen kommen; indem sogar die Übereinstimmung derselben mit ihren Gegenständen unausgemacht sei und ewig unausgemacht bleiben müsse.153 Die Materialisten, welche allen Unterschied zwischen dem vorstellenden Subjekte und der Organisation leugnen, sind

1 So ] hier beginnt TM F, vorher geht die Überschrift: F r a g m e n t e über

das bisher allgemein verkannte Vorstellungs-Vermögen | dieser Überschrift ist die Fußnote angehängt: Aus dem Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens, der in der Michaelismesse im Maukischen Verlage in Jena erscheint; – aber nicht, wie hie und da angekündiget wurde, blosse Erläuterung der Kritik der Vernunft oder eine Paraphrase des kantischen Systems, sondern die bisher noch nirgends aufgestellten eigentlichen Elemente der kritischen Philosophie und in denselben den Schlüssel zur Kritik der Vernunft liefern soll. 2 wird, ] TM F: dürfte 3 Bedeutung, der ] TM F: Bedeutung dieses Wortes, der 5 gemäß ] TM F: zufolge 8 f. man … einig ] TM F: man hierüber in der philosophischen Welt bis auf diesen Augenblick einig geworden 17 f. sei und … bleiben ] TM F: sey und bleiben

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freilich über die Unentbehrlichkeit der letztern zur Vorstellung unter sich einig; denn sie halten das Vorstellungsvermögen für nichts als eine Beschaffenheit, Eigenschaft, Kraft gewisser Organisationen. Wenn im Gegenteile die Dualisten einen wesentlichen Unterschied zwischen dem vorstellenden Subjekte, das sie Seele, und der Organisation, die sie Leib nennen, annehmen und den Leib für ein bloßes Instrument der Seele gelten lassen, so sind sie doch hierüber unter sich uneinig, ob sie dieses Instrument zu allen oder nur zu einer gewissen Art von Vorstellungen, nämlich den sogenannten sinnlichen, allein für unentbehrlich halten und folglich ob sie die Organisation in den Begriff des Vorstellungsvermögens überhaupt oder nur in den Begriff des sinnlichen Vorstellungsvermögens allein aufnehmen sollen.154 Diejenigen, welche die Unsterblichkeit der Seele aus der Natur derselben zu beweisen unternehmen, sehen sich durch die Hinfälligkeit des organischen Körpers genötigt, entweder die Unentbehrlichkeit der Organisation überhaupt zu leugnen oder der Seele einen feineren [und] nach dem Tode fortdaurenden Körper beizulegen.155 Zu einem von beiden müssen sich die Spiritualisten bekennen, welche das Vorstellungsvermögen für eine Kraft eines un | körperlichen einfachen Wesens halten, die nach einigen alle, nach andern aber nur die übersinnlichen Vorstellungen nicht durch Eindruck von außen erhält, sondern aus ihren eigenen Anlagen entwickelt; und nach einigen des Körpers, von dem sie bloße Einschränkung in ihren Handlungen erfährt, gar nicht bedarf, nach andern aber durch ihn nur für die Zeit dieses Lebens den Stoff erhält, den sie zu ihren Vorstellungen verarbeitet. 1 freilich ] fehlt in TM F 3 f. Kraft gewisser Organisationen ] TM F: Kraft einer gewissen Or-

ganisation 25 ihren ] TM F: seinen 26 ihren ] TM F: seinen 28 ihren ] TM F: seinen

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Da es also in der philosophischen Welt noch keineswegs ausgemacht ist, ob und in wieferne die Organisation zu den Bedingungen der Vorstellung überhaupt gehöre, die Theorie des Vorstellungsvermögens aber keine andere als allgemeingeltende Prämissen zuläßt, so darf hier die Unentbehrlichkeit der Organisation zur Vorstellung weder behauptet noch geleugnet werden; sie muß einstweilen dahingestellt bleiben und darf, so wenig als ihr Gegenteil, schlechterdings nicht in denjenigen Begriff des Vorstellungsvermögens hineingezogen werden, der die Grundlage unsrer Theorie ausmachen soll und der in dieser Eigenschaft durchaus nichts enthalten darf, worüber nicht alle denkende Köpfe unter sich einig sind, sobald sie daran erinnert werden. Daß es einen solchen Begriff vom Vorstellungsvermögen wirklich gebe, beweist selbst die Streitfrage, ob die Organisation zum Vorstellungsvermögen gehöre oder nicht.156 Sie wäre an sich unmöglich, wenn die Organisation ein so wesentlicher Bestandteil des bloßen Begriffes vom Vorstellungsvermögen wäre, daß dieser ohne jenes Merkmal gar nicht gedacht werden könnte. Aller Streit würde hier unmöglich sein, wenn nicht die Parteien, | wäre es auch nur durch eine stillschweigende Übereinkunft, auch ohne es selbst bestimmt zu wissen, über etwas einig wären, das sie Vorstellungsvermögen nennen und das sie von dem andern Etwas, worüber sie nicht einig sind, nämlich der Organisation, unterscheiden. Sie mögen das Vorstellungsvermögen in der bloßen Organisation allein oder in einer von der Organisation verschiedenen einfachen Substanz allein oder in beiden zusammengenommen aufsuchen, so ist es doch nur immer ein und ebendasselbe Vermögen, das sie aus verschiedenen Quellen ableiten; ein und ebendasselbe bestimmte logische Subjekt, das sie, weil kein Subjekt anders als durch ein Prädikat bestimmbar ist, durch ein gemeinschaftliches Prädikat denken müssen, wenn sie unter sich ausmachen wollen, ob ein anderes Prädikat (die Unentbehrlichkeit der 12 sie daran ] TM F: sie nur daran

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Organisation) damit verknüpft werden müsse oder nicht. Um dieses gemeinschaftliche Prädikat, oder den Inbegriff solcher Prädikate, ausfi ndig zu machen, müssen wir den oben aufgestellten ziemlich unbestimmten und in seinen Merkmalen vieldeutigen Begriff näher zu bestimmen suchen. Es gibt ä u ß e r e und i n n e r e Bedingungen der Vorstellung. Äußere, die außer der Vorstellung selbst vorkommen, von ihr notwendig unterschieden werden müssen, aber gleichwohl als notwendige Bedingungen mit ihr verknüpft sind. Innere, die in der Vorstellung selbst vorkommen müssen, wesentliche Bestandteile derselben ausmachen und nicht von ihr unterschieden werden können, ohne sie selbst aufzuheben. So sind z. B. die Eltern äußere, Gemüt und Körper aber innere Bedingungen eines Menschen. Doch was bedarf es | hier eines erläuternden Beispiels, da die Unterscheidung zwischen äußern und innern Bedingungen der Vorstellung, wie man bald sehen wird, unter die äußerst wenigen Punkte gehört, worüber alle denkenden Köpfe einverstanden sind. Das Merkmal des Begriffes der Vorstellung, das die Grundlage meiner Theorie abgeben soll, liefert der folgende Paragraph.

§7

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Man ist, durch das Bewußtsein genötigt, darüber einig, daß zu jeder Vorstellung ein vorstellendes Subjekt und ein vorgestelltes Objekt gehöre, welche beide von der Vorstellung, zu der sie gehören, unterschieden werden müssen.157 Ungeachtet beinahe buchstäblich wahr ist, was Cicero von den Liebhabern der Weisheit irgendwo sagt: »Kein Kranker habe etwas so Tolles geträumt, das nicht irgendein Philosoph wachend behauptet hätte«158, so zweifle ich doch, ob es irgend23 Vorstellung ein ] TM F: Vorstellung überhaupt ein 24 gehöre ] TM F: gehören 27 sagt: »Kein ] TM F: sagt: »O kein

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einem Sophisten älterer und neuerer Zeiten je eingefallen ist, eine Vorstellung ohne Subjekt und Objekt anzunehmen und sich der Unterscheidung zwischen diesen drei wesentlich verschiedenen und innigst verknüpften Dingen erwehren zu wollen. Er hätte das Bewußtsein leugnen oder vielmehr verloren haben müssen. Man ist sich seiner Selbst, seines Ichs, nur durch die Vorstellung bewußt, die man von seinem Selbst, dem Subjekte unterscheidet, das man so wenig als die Vorstellung selbst leugnen kann, und man ist sich seiner Vorstellung nur durch dasjenige bewußt, was durch sie vorgestellt wird und was man von ihr selbst unterscheidet, gleichwohl aber so wenig, als sie selbst leugnen kann. | Sollte es je im Ernste Egoisten, d. h. Philosophen gegeben haben, die das Dasein aller Gegenstände außer ihrem Ich geleugnet haben, so wären doch auch diese durch das unleugbare, unwidersprechliche, allen Sophistereien Trotz bietende Bewußtsein gedrungen gewesen, nicht nur ihr vorstellendes Ich von den Vorstellungen desselben, sondern auch von jeder dieser Vorstellungen ein gewisses Etwas, das durch dieselben vorgestellt wird, zu unterscheiden, ein Etwas, das sie mit uns andern Gegenstand nennen oder mit dem Prädikate des Vorgestellten bezeichnen müssen, wenn sie von uns andern verstanden werden wollen.159 Sei es, daß der Egoist dieses Etwas selbst wieder für eine Vorstellung halte, so muß er doch diese vorgestellte Vorstellung von der, in welcher sie vorgestellt wird, unterscheiden und sich selbst eingestehen, daß er zwei sehr verschiedene Vorstellungen habe, wenn er sich den Gegenstand einer Vorstellung und die bloße Vorstellung dieses Gegenstandes denkt, und daß es keineswegs auf ihn ankomme, diesen Unterschied aufzuheben. 4 und … Dingen ] TM: und wesentlichen zusammenhängenden Din-

gen 6 seiner …, nur ] TM F: seines Ichs nur 7 von … Selbst ] TM F: von dem Ich 10 f. wird, und … so wenig ] TM F: wird, durch das Objekt, das man von ihr unterscheidet, und ebenfalls so wenig

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Da hier nicht behauptet wird, daß und wie die Gegenstände außer dem Gemüte vorhanden sind, sondern nur, daß sie von den bloßen Vorstellungen unterschieden werden müssen, so habe ich’s hier ebensowenig mit den Idealisten und den Skeptikern aufzunehmen; und da ich bloß den im Bewußtsein selbst vorkommenden Unterschied zugegeben wissen will, ohne mich auf den außer dem Bewußtsein gelegenen Grund derselben einzulassen, so komme ich mit keiner Partei, was sie auch immer für einen Namen haben mag, ins Gedränge. Keine behauptet, daß das, was vorstellt, und das, | was vorgestellt wird, nichts sei; und daß das Etwas, welches vorstellt, und das Etwas, welches vorgestellt wird, von der bloßen Vorstellung nicht zu unterscheiden sei. Da nun das vorstellende Subjekt und das vorgestellte Objekt von der Vorstellung, zu welcher sie gehören, nicht nur unterschieden werden können, sondern auch müssen, so machen sie keine Bestandteile der Vorstellung selbst aus und gehören bloß zu den äußeren Bedingungen der Vorstellung und müssen aus dem Begriffe der inneren, zur bloßen Vorstellung allein gehörigen und dieselbe ausmachenden Bedingungen sorgfältig weggelassen werden. Und so hätten wir denn durch die bloße Hinwegräumung desjenigen, was nicht hineingehört, den Begriff des Vorstellungsvermögens näher bestimmt und dadurch den Begriff des Vorstellungsvermögens im engeren Sinne oder des bloßen Vorstellungsvermögens überhaupt erhalten.

§8

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Das Wort Vorstellungsvermögen faßt in seiner engeren Bedeutung nur dasjenige zusammen, was zu den inneren Bedingungen der Vorstellung allein gehört, und schließt folglich sowohl die vorgestellten Objekte als das vorstellende Subjekt, als äußere Bedingungen, aus. »Zur bloßen Vorstellung gehört die vorstellende Kraft der einfachen denkenden Substanz«, höre ich hier den Spiritualisten –

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»die vorstellende Kraft | einer gewissen Organisation«, [höre ich] den Materialisten, »die vorstellende Kraft ist das bloße Resultat der Kräfte der einfachen Substanz und der Organisation«, [höre ich] den Dualisten mir in die Rede fallen. Meine Herren! Auch in diesem Paragraphen begehre ich keineswegs zu leugnen, was Sie behaupten. Ich ersuche Sie nur, mit dem Bestehen auf Ihren besondern Meinungen über die Natur der vorstellenden Kraft so lange innezuhalten, bis wir den Versuch miteinander gemacht haben, über den Begriff des bloßen Vorstellungsvermögens einig zu werden. Ich habe meine guten Gründe, warum ich mich des Ausdrucks vorstellender Kraft nicht gerne bediene.160 Ich untersuche hier den Begriff des Vorstellungsvermögens und weiß, daß man sich unter Kraft, wenigstens gemeiniglich, das Vermögen mit dem Subjekte desselben zusammengenommen, die vorstellende Substanz denkt.161 Man hat ja lange genug und allgemein genug versucht, das Vorstellungsvermögen durch die vorstellende Kraft kennenzulernen; warum soll mir nicht einmal der Versuch vergönnt sein, die Kraft durch das Vermögen zu bestimmen; wo ich dann, ohne einen Zirkel zu machen, die Kraft keineswegs in den Begriff des Vermögens aufnehmen darf. Jede Kraft äußert ihr tätiges und leidendes Vermögen nur an ihren Wirkungen; und es ist kein anderer Weg, eine Kraft kennenzulernen, als daß man an den Wirkungen dasjenige ausfi ndig zu machen sucht, wodurch sie zunächst möglich wurden, das heißt, das Vermögen der Kraft.162 Die vorstellende Kraft ist nur durch ihre Wirkung, die Vorstellung erkennbar. Wir wollen also fürs erste nicht sie selbst, sondern nur dasjenige von ihr untersuchen, was in ihrer Wirkung, der bloßen Vor | stellung, selbst vorkommt. Nicht sie selbst, das wirkende Subjekt, sondern nur ihr Vermögen, oder viel5 Paragraphen ] verbessert aus: Paragraph 26 f. die Vorstellung ] TM F: die bloße Vorstellung 28 f. was … vorkommt ] TM F: was sich in ihrer Wirkung, der bloßen

Vorstellung, äußern muß 29 f. selbst, … Subjekt ] TM F: selbst, nicht das Subjekt des Wirkens und seine Substantialität

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mehr Merkmale ihres Vermögens, können in ihrer Wirkung, der Vorstellung, vorkommen. Gelingt es uns, dieses bloße Vermögen aus der Vorstellung zu entwickeln, so haben wir auch die Kraft, inwieweit sie erkennbar ist, kennengelernt. Durch diese Bestimmung des Begriffes vom Vorstellungsvermögen im engern Sinne des Wortes werden aus unsrer Untersuchung, die nunmehr das bloße Vorstellungsvermögen allein betrifft, die Fragen über die Natur des vorstellenden Subjektes oder der Seele und der vorgestellten Objekte oder der Dinge außer uns ausgeschlossen, welche sich bisher immer in jene Untersuchung eingeschlichen und das Ziel derselben verrückt haben. So nahe auch den Philosophen die Unterscheidung zwischen den äußern und innern Bedingungen der Vorstellung durch das Bewußtsein gelegt wurde, so allgemein wurde sie von ihnen bisher vernachlässigt, und es ist ihnen nie eingefallen (den meisten unter ihnen sogar ist es noch unbegreiflich), daß bei der Untersuchung des bloßen Vorstellungsvermögens weder von dem vorstellenden Subjekte noch von den vorgestellten Objekten die Rede sein dürfe. Die Frage: Worin besteht das Vorstellungsvermögen, wurde daher mit den von ihr so ganz verschiedenen Fragen: Worin besteht das Vorstellende in uns, und: Wie wirkt die vorstellende Kraft, verwechselt oder viel2 der Vorstellung ] TM F: der bloßen Vorstellung 2 f. bloße … Vorstellung zu ] TM F: bloße bisher vernachläßigte Vermö-

gen des bisher gar zu eifrig untersuchten Subjektes aus dem richtigen Begriffe der bloßen Vorstellung zu 3 so haben ] TM F: so denk’ ich werden 4 inwieweit ] TM F: in wieferne 4 kennengelernt ] TM F: kennen lernen 5 vom ] verbessert aus: von 5–19 Durch diese Bestimmung … dürfte. ] fehlt in TM F 20 f. wurde … Fragen ] TM F: wurde bisher mit der von ihr ganz so verschiedenen Frage 21 Vorstellende in ] TM F: vorstellende Ding in 22 Kraft, verwechselt ] TM F: Kraft (das Subjekt des Vermögens?« verwechselt

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mehr über dem fruchtlosen Bestreben, die letztere zu beantworten, ganz übergangen. Vorstellen, behauptete der eine Philosoph, ist das Resultat von der Zusammenwirkung einer einfachen Substanz (der Seele) mit | einem organischen Körper; die Seele ist also sowenig ohne Leib, als dieser ohne jene der Vorstellung fähig. Denken, sagte der andere, kann nur die Wirkung eines unkörperlichen Wesens sein, und da bei allen Vorstellungen mehr oder weniger gedacht wird, so ist das Vorstellungsvermögen ein Vermögen eines Geistes. Empfi nden, erwiderte ein Dritter, ist nur einem organischen Körper möglich, und da sich alle Vorstellungen auf Empfi ndungen zurückführen lassen, so ist das Vorstellungsvermögen ein Vermögen einer gewissen Organisation.163 Hierdurch wurden alle Untersuchungen über das Vorstellungsvermögen mehr oder weniger polemisch, und die im Tumulte des Kampfes erregten Staubwolken entzogen den Gegenstand, von dem eigentlich die Frage sein sollte, gewöhnlich aus den Augen der Kämpfer. Man hatte noch nicht unter sich ausgemacht, was man unter vorstellen, empfi nden, denken verstehe und wollte dafür die Ursache des Vorstellens, Empfi ndens, Denkens erforschen. Man erwartete von der Untersuchung der vorstellenden Kraft den Aufschluß darüber, was man sich unter einer Vorstellung zu denken hätte, und suchte von dem vorstellenden Subjekte und zuweilen auch von den vorgestellten Objekten zu lernen, was die bloße Vorstellung sei.164 2 behauptete der ] TM F: behauptete aber der 6 sagte ] nach TM F verbessert aus: sagt 9 eines Geistes ] TM F: eines bloßen Geistes 11 Vorstellungen auf ] TM F: Vorstellungen (selbst die Urtheile und

Schlüsse) auf 12 f. Vermögen … Organisation ] TM F: Vermögen gewisser Organisationen 16 f. gewöhnlich ] fehlt in TM F 19 und wollte dafür die ] TM F: und unternahm es dafür lieber, die 20 Denkens erforschen ] TM F: Denkens zu erforschen 24 Objekten ] verbessert aus: Objekte 22–24 hätte, und suchte … sei. ] TM F: hätte; und da man in allen

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Es bedarf keiner tiefsinnigen Betrachtungen, um die Wichtigkeit der von uns festgesetzten Unterscheidung zwischen dem Vorstellungsvermögen in weiterer und engerer Bedeutung oder, welches ebensoviel heißt, der Unterscheidung zwischen dem Vorstellungsvermögen, wobei die Seele selbst und die auf sie einwirkende Kraft der Außendinge gedacht wird, und dem bloßen Vorstellungsver |mögen, wo beides ausgeschlossen bleibt, in einem auffallenden Lichte gewahr zu werden. Wir kennen die Objekte außer uns und selbst das Vorstellende in uns nur durch die Vorstellungen, die wir von ihnen haben und die wir von ihnen selbst unterscheiden müssen. Die vorgestellten Dinge außer uns und unsre Seele sind nicht die Vorstellungen selbst, die wir von ihnen haben, und unser Bewußtsein muß allen Versuch, das Vorgestellte für die bloße Vorstellung und diese für das Vorstellende zu substituieren, ganz unmöglich machen. Solange wir also nicht bestimmt wissen, was zur Vorstellung, in wieferne sie bloße Vorstellung ist, gehört, so lange müssen wir dasjenige, was nur der bloßen Vorstellung zukömmt, teils auf die vorgestellten Gegenstände, teils auf das vorstellende Subjekt übertragen, die Prädikate, die so verschiedenen Dingen, als da sind, die Vorstellung, das Vorstellende und das Vor-

übrigen Fällen nur aus der Wirkung die Ursache für erkennbar hielt, wollte man hier die äusserst unbekannte Wirkung schlechterdings aus der Ursache kennen lernen. | angeschlossen die Anm.: Oder man nahm sie für so allgemein bekannt an, daß man in Lehrbüchern der Logik behauptete: Was vorstellen, denken, erkennen, heiße, müsse man von selbst wissen. S[iehe]. Feders Lehrbuch.164 a 4 dem ] verbessert aus: den 1–8 Es bedarf keiner … werden. ] fehlt in TM F 9 Vorstellende in ] TM F: vorstellende Subjekt in 11 selbst unterscheiden ] TM F: selbst, die keine Vorstellungen sind, unterscheiden 12 unsre Seele ] TM F: die Seele 14 und ] TM F: oder 18 Vorstellung zukömmt ] TM F: Vorstellung allein zukömmt 19 teils auf ] TM F: theils aber auf

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gestellte, zukommen, untereinander verwirren und folglich Sachen mit Vorstellungen und diese mit jenen verwechseln, woraus notwendig Mißverständnis, Mangel allgemeingültiger Grundsätze und unauflösliche Verwirrung aller philosophischen Notionen entspringen muß. Es wird sich in der Folge immer augenscheinlicher zeigen, wie sehr dies bisher der Fall war. Man mischte in die Untersuchung des Vorstellungsvermögens die derselben fremden Probleme von dem vorstellenden Wesen oder der Seele und den Gegenständen außer der Seele ein, ungeachtet man durch sein Bewußtsein gedrungen war, einzugestehen, daß sich von allen diesen Dingen nur durch die Vorstellungen etwas wissen ließe, die man von ihnen habe, aber von ihnen selbst unterscheiden müsse. Man vergaß dieses Unter | schiedes gerade in demjenigen Momente, wo man ihn am meisten vor Augen haben sollte; indem er allein bei der Untersuchung des Vorstellungsvermögens die Frage hätte veranlassen können und müssen: Was gehört denn zur Vorstellung, in wieferne dieselbe nichts als bloße Vorstellung ist und in dieser Eigenschaft sowohl von den vorgestellten Objekten als dem vorstellenden Subjekte unterschieden werden muß? D. h.: Worin besteht das bloße Vorstellungsvermögen, das Vorstellungsvermögen im engern Sinne? – Das vorstellende Subjekt und seine Kraft und die Mitwirkung der vorgestellten Objekte, welche alle ich nur durch Vorstellungen zu kennen vermag, d. h. das Vorstellungsvermögen im weitern Sinne und was zu ihm gehört, mag bestehen, worin es wolle, die vorstellende Kraft mag ein Geist oder ein Körper oder ein Resultat von beiden sein; dies alles bleibt einstweilen dahingestellt, indem ich die Frage beantworte: Was ist unter dem bloßen Vorstellungsvermögen, durch welches allein Vorstellung von der Seele und von Außendingen möglich ist, zu verstehen? 2 mit Vorstellungen ] TM F: mit bloßen Vorstellungen 10 durch sein ] TM F: durchs 13 selbst … müsse ] TM F: selbst als verschieden annehmen müsse 17 können und müssen: Was ] TM F: können: Was

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Ich erinnere hier den Idealisten und den dogmatischen Skeptiker, daß ich bei meiner Unterscheidung zwischen Vorstellung, dem Vorstellenden und dem Vorgestellten, die sie mir in Kraft ihres Bewußtseins einräumen müssen, keineswegs den Unterschied zwischen Seele und Körper, ja auch sogar den Unterschied zwischen dem vorstellenden Subjekte und allen sogenannten Gegenständen außer uns weder behaupte noch leugne und daß ich hier folglich nichts aufstelle, was mir diese Sekten ihren Systemen zufolge nicht eingestehen könnten. | »Aber wie?« höre ich hier einen unsrer Empiriker mir einwenden, »heißt dies nicht, den Vorstellungen diejenige Wirklichkeit einräumen, die man von den Sachen dahingestellt sein läßt?« Nicht doch! Mein Dahingestelltseinlassen ist kein dogmatischer Zweifel und nimmt keineswegs den Unterschied zwischen Seele und Körper oder auch die Wirklichkeit der Dinge außer uns in Anspruch. – Ich enthalte mich nur so lange alles Behauptens, bis ich mit meinen Lesern über Prinzipien einig geworden bin; wo sich dann zeigen wird, daß ich den sogenannten Sachen ebensowenig bloß ideale als den Vorstellungen reale Wirklichkeit beilege, wie man den mißverstandenen Verfasser der Kritik der Vernunft so oft beschuldigt hat.165 Spinoza hebt den Unterschied zwischen dem Vorstellenden und den vorgestellten Dingen in soferne auf, als er nur eine einzige Substanz zuläßt;166 Leibniz und die Dualisten glaubten diesen Unterschied zu erkennen. Der erste versuchte ihn durch die Annehmung verschiedener Arten einer einzigen Gattung von Substanzen (der einfachen nämlich)167 – die letztern versuchten ihn durch zwei verschiedene Gattungen von Substanzen (einfache und zusammengesetzte) zu erklären. Der Streit dieser drei verschiedenen Parteien, sowohl untereinander als mit den dogmatischen Skeptikern, welche die Behauptungen einer jeden derselben in Anspruch nehmen, ist nichts weniger als entschieden. Es wird sich aber in der Folge ergeben, wie dieser ganze Streit 6 dem ] verbessert aus: den 22 Vorstellenden ] verbessert aus: vorstellenden

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auf immer wegfallen müsse, wenn man die Streitfrage selbst bei der Untersuchung des bloßen Vorstellungsvermögens auf eine Zeitlang beiseite setzt; und man wird dann vielleicht völlig | einsehen, warum man vorher über den Begriff der bloßen Vorstellung einig sein müsse, wenn man von Sachen, über die sich durch Erfahrung nichts ausmachen läßt, nicht – deräsonnieren will. Indem wir nun gegenwärtig das Vorstellungsvermögen im engeren Sinne zu untersuchen haben, müssen wir angeben, worin denn eigentlich die inneren Bedingungen der Vorstellung überhaupt bestehen? Was denn dasjenige sei, welches in jeder Vorstellung, wenn sie Vorstellung sein soll, vorkommen muß? Was denn zur bloßen Vorstellung wesentlich gehöre? Hiezu ist vor allen Dingen unumgänglich notwendig, daß der Begriff einer bloßen Vorstellung aufs genauste bestimmt werde. Auch das Wort bloße Vorstellung kann mehr als eine Bedeutung haben.

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§9 Das Wort Vorstellung faßt in seiner weitern Bedeutung die Empfindung, den Gedanken, die Anschauung, den Begriff, die Idee, mit einem Worte, alles zusammen, was in unsrem Bewußtsein als unmittelbare Wirkung des Empfindens, Denkens, Anschauens, Begreifens vorkömmt. 168

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1. Bei der bisherigen leidigen Unbestimmtheit, in welcher die Philosophen den wichtigen Begriff der Vorstellung gelassen haben, wurde das Wort Vorstellung ohne Unterschied für alles, was im Gemüte vorgeht, für jedes Wirken und Leiden desselben gebraucht; ja, von vielen wurde die Vorstel | lung sogar als eine bloße Veränderung des Gemütes defi niert. Gleichwohl ist die Vor2 Vorstellungsvermögens ] verbessert aus: Vorstellungsvermögen

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stellung von dem Vorstellen wie Wirkung von der Handlung, wie Folge vom Grunde unterschieden; so, daß Vorstellung nie das beim Vorstellen vorgehende Wirken und Leiden des Gemütes, sondern nur das, was aus diesem Wirken und Leiden entstanden ist, das unmittelbare Produkt das Vorstellens, heißen kann. Da man die Worte Gedanken, Begriff, Idee nie für Handlungen, sondern immer für Wirkungen des Vorstellens gebraucht, so ist auch die Bedeutung, in welcher man den Gedanken, den Begriff und die Idee unter dem gemeinschaftlichen Namen der Vorstellung zusammenfaßt, nie zweideutig. Hingegen ist dieses bei der Empfindung und der Anschauung der Fall. Empfindung heißt bald das Affi ziertwerden des Gemütes, die Veränderung, welche ein Eindruck bewirkt, das leidende Verhalten des Gemütes bei demselben und bald die dadurch entstandene Vorstellung; und so heißt Anschauung bald soviel als das Anschauen, bald aber die durchs Anschauen unmittelbar bewirkte Vorstellung. Dieser in ihren Folgen höchst wichtigen Zweideutigkeit der weitern Bedeutung des Wortes Vorstellung wird dadurch vorgebeugt, daß dasselbe nie für irgendein Wirken oder Leiden des Vorstellungsvermögens, sondern immer für die Wirkung, das Produkt derjenigen Veränderung, die vorstellen heißt, gebraucht werde; wie ich denn auch dasselbe in der Folge immer nur in der letztern Bedeutung gebrauchen werde.

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Jede Empfi ndung, jeder Gedanke, jede Anschauung, jeder Begriff, jede Idee ist eine Vorstel | lung; aber nicht jede Vorstellung ist Empfi ndung, nicht jede ist Gedanke usw., oder dies alles zusammengenommen. Ungeachtet das Wort Vorstellung, welches die Gattung bezeichnet, für jede dieser Arten gebraucht wer27 f. nicht jede ist Gedanke usw. … zusammengenommen. ] TM F:

nicht jede Anschauung usw. 29 Arten gebraucht ] TM F: Arten von Vorstellung gebraucht

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den kann, so kann doch keine Benennung einer bloßen Art die Gattung ausdrücken. Aber freilich muß man, um diese Regel befolgen zu können, die Arten sowohl von der Gattung als untereinander selbst zu unterscheiden wissen, welches leider (!) in Rücksicht auf die Vorstellungen bis itzt keineswegs der Fall war. Unsre bisherige Philosophie war in den meisten Fällen weit entfernt, von den Unterschieden z. B. zwischen Empfi ndung, Begriff und Idee, auf welche schon die Sprache durch die bloße Verschiedenheit dieser Worte hätte aufmerksam machen sollen, Gebrauch zu machen. Sie verwirrte gewöhnlich* die (wie sich in der Folge zeigen wird) sehr verschiedenen Bedeutungen dieser Worte durcheinander, während sie durch ihre Sachwalter die Schuld von der Langsamkeit ihrer Fortschritte und [von] den ewigen Streitigkeiten auf ihrem Gebiete so oft auf die Armut der Sprache wälzen ließ. Ungeachtet man es aber bisher mit den Benennungen der verschiedenen Vorstellungen nicht so genau nahm, daß man die Vorstellungen, welche der Sinnlichkeit angehören, Empfi ndungen, die aber, welche man dem Verstande und der Vernunft zueignet, Begriffe und Ideen ausschließend genannt hätte, so war man gleichwohl wenigstens darüber einig, daß nicht alle Vorstellungen ohne | Unterschied Empfi ndungen, Begriffe, Ideen, wohl aber, daß alle Empfi ndungen, Begriffe und Ideen ohne Unterschied Vorstellungen heißen können. Ich habe also insoferne gegen dasjenige, was in § 9 festgesetzt wird, keine Einwendung zu besorgen.

*

Confused Ideas are such as render the use of words incertain, and take away the benefit of distinct names. L o c k e .169 4 selbst ] fehlt in TM F 5 bis itzt ] TM F: bisher 7 zwischen Empfi ndung, ] TM F: zwischen Vorstellung, Anschauung,

Empfi ndung, 10 verwirrte ] TM F: mengte 26 f. Die Anm. fehlt in TM F

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In wieferne Empfindungen, Gedanken, Anschauungen, Begriffe, Ideen Vorstellungen sind, die durch Empfinden, Denken, Begreifen usw. erhalten werden, in soferne gehört das Vermögen, zu empfinden, denken, begreifen usw. zum Vorstellungsvermögen im engern Sinne; oder, welches ebensoviel heißt, das Wort Vorstellungsvermögen faßt in seiner engeren Bedeutung Sinnlichkeit, Verstand und Vernunft zusammen. Hier sollte man denken, wäre ich gegen Mißverständnis und Widerspruch genugsam durch den Sprachgebrauch gesichert, welcher Sinnlichkeit, Verstand und Vernunft als wesentliche Bestandteile in dem Begriffe des menschlichen Vorstellungsvermögens oder Gemütes zusammenfaßt.170 Allein die so gewöhnliche Verwechslung des vorstellenden Subjektes mit dem Vorstellungsvermögen, der Seele mit dem Gemüte, dürfte mir bei manchem Leser, der das Vorstellungsvermögen für die Kraft eines Geistes hält und diesem Geiste entweder geradezu alle Sinnlichkeit abspricht oder nur in soferne einräumt, als derselbe mit einem organischen Körper verbunden ist, harten Widerspruch zuziehen. Es ist also wohl nicht überflüssig zu erinnern, daß hier schlechterdings nicht von der Seele, über | deren Natur ich durchaus wenigstens für itzt nichts auszumachen begehre, sondern nur vom Vorstellungsvermögen die Rede sei, dasselbe mag herkommen, wo es wolle, und angehören, wem es wolle. In wieferne nun zu diesem Vorstellungsvermögen das Vermögen zu empfi nden gehört, welches dem Sprachgebrauch zufolge Sinnlichkeit heißt, in soferne macht Sinnlichkeit einen wesentlichen Bestandteil des Begriffes des Vorstellungsvermögens in der engeren Bedeutung dieses Wortes aus. Unsre empirische Psychologie hat sich bisher mit der Sinnlichkeit und unsre Logik mit dem Verstande und der Vernunft so glücklich beschäftigt, daß es manchem Philosophen von Pro30 f. mit der … und ] TM F: mit dem Empfi ndungsvermögen und der

Phantasie und

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fession, der das Wort Vorstellungsvermögen nur allein in der bisher angegebenen engeren Bedeutung nimmt und sich unter demselben nichts weiter als Sinnlichkeit, Verstand und Vernunft denkt, wohl eine lächerliche Anmaßung scheinen dürfte, über das Vorstellungsvermögen etwas Neues, Merkwürdiges oder gar eine Reformation der Philosophie Veranlassendes sagen zu wollen. Gleichwohl, wenn die Männer, die das nil novi sub sole so oft zur Unzeit im Munde führen,171 bedenken wollten, daß durch alle bisherigen Versuche die Wissenschaft des Vorstellungsvermögens noch nicht so weit vorwärtsgerückt ist, daß man darüber einig wäre, was denn durch unser Gemüt erkannt werden könne, ob z. B. nur sinnliche oder auch übersinnliche Gegenstände, so dürfen sie doch die Vermutung nicht so gar unwahrscheinlich fi nden, daß die Kenntnis des menschlichen Vorstellungsvermögens durch alle Bekanntschaft mit den psychologischen Gesetzen der Sinnlichkeit und den logischen des Verstandes | und der Vernunft noch lange nicht erschöpft sei. Wirklich gibt es eine Bedeutung der Worte Vorstellung und Vorstellungsvermögen, an welche man weder in der Psychologie noch in der Logik bisher gedacht, die man wenigstens in beiden ganz unbestimmt gelassen hat und die der allgemeinen Theorie des Vorstellungsvermögens überhaupt aufbehalten war. 1–4 der das Wort … denkt, wohl ] TM F: der die Worte Vorstellung

und Vorstellungsvermögen in den bisher gewöhnlichen unbestimmten Bedeutungen nimmt, wohl 11 f. was … könne ] TM F: was sich denn durch unser Vorstellungsvermögen erkennen lasse 12 sinnliche ] verbessert aus: Sinnliche 13 doch ] fehlt in TM F 13 f. so gar ] nach TM F verbessert aus: sogar 14 f. menschlichen ] fehlt in TM F 16 der Sinnlichkeit und ] TM F: der Empfi ndung und der Phantasie und 18 f. der Worte … Vorstellungsvermögen ] TM F: des Wortes der Vorstellung 21 und die der ] TM F: und deren Festsetzung der

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Das Wort Vorstellung faßt in seiner engsten Bedeutung nur dasjenige zusammen, was die Empfindung, der Gedanke, die Anschauung, der Begriff und die Idee untereinander Gemeinschaftliches haben. Die Vorstellungen der Sinnlichkeit haben mit den Vorstellungen des Verstandes und der Vernunft bei aller ihrer anerkannten Verschiedenheit das Gemeinschaftliche, daß in ihnen etwas vorgestellt wird. Ich nenne den Begriff, den ich dadurch erhalte, wenn ich dieses Gemeinschaftliche aushebe und für sich allein denke, den Begriff der Vorstellung im strengsten Sinne, in der engsten Bedeutung des Wortes. Das Wort Vorstellung in dieser Bedeutung bezeichnet nur den Inhalt des Begriffes der Vorstellung überhaupt, den man von dem Umfange desselben wohl unterscheiden muß. Dieser Umfang ist sehr groß, denn er befaßt alles, was Vorstellung in weiterer Bedeutung heißt, Empfi ndung, Gedanken usw. Jener Inhalt hingegen ist sehr klein, denn er schließt alles aus, was nicht in den Begriff der Vorstellung überhaupt gehört, und folglich die Merkmale der Sinnlichkeit, des Verstandes, der Vernunft, wodurch sich die Vor | stellungen der Sinnlichkeit, des Verstandes und der Vernunft voneinander unterscheiden. Das Wort Vorstellung im strengsten Sinne bezeichnet also hier lediglich den Gattungsbegriff der Vorstellung, der, wie jeder andere Gattungsbegriff, alle Arten unter sich begreift, ohne eine einzige in sich zu fassen, in seinen Inhalt aufzunehmen, unter seinen wesentlichen Merkmalen zu enthalten. Er ist ein Merkmal, das allen besonderen Arten von Vorstellungen zukömmt, aber keine besondere Art von Vorstellung ist ein Merkmal, das ihm eigentümlich wäre. Man wende hier ja nicht ein, daß es keine Vorstellung in diesem strengen Sinne geben könne, weil doch jede wirkliche Vorstellung entweder eine Empfi ndung oder ein Gedanke oder usw. sein müsse. Dies würde ebensoviel sagen als die bestimmteste Bedeutung des Wortes Mensch, in welcher dasselbe weder irgendeinen einzelnen Menschen noch eine Menschenart oder

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Klasse, sondern nur die Gattung – das vernünftige Tier – allein bezeichnet, verwerfen wollen, weil die Gattung nicht außer den Arten und die Art nur in den Individuen existieren kann. Wenn die Gattungen unmöglich, ohne die größte Verwirrung in unsren Begriffen anzurichten und allem unsren Philosophieren ein Ende zu machen, mit den Arten und Individuen verwechselt werden können und dürfen, so muß auch die Vorstellung überhaupt als Gattung aufs genauste von den besondern Vorstellungen als Arten unterschieden und der Inbegriff der ihr in jener Eigenschaft zukommenden Merkmale mit der größten Bestimmtheit besonders aufgestellt werden. Ich habe für den Gattungsbegriff der Vorstellung darum den Ausdruck Vor|stellung in engster Bedeutung gewählt, weil der Gattungsbegriff den Namen Vorstellung mit keinem andern Begriffe teilt, während der Name Vorstellung, wenn er Arten bezeichnet, mehreren, nämlich der Empfi ndung, dem Gedanken, dem Begriffe usw. zukömmt und folglich als gemeinschaftliche Benennung der Arten weitere Bedeutung hat, d. i., mehr als einen Begriff zu bezeichnen, gebraucht wird.

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Das Wort Vorstellungsvermögen faßt in seiner engsten Bedeutung nur dasjenige zusammen, was zu den innern Bedingungen der bloßen Vorstellung im strengsten Sinne gehört, und bedeutet folglich weder Sinnlichkeit noch Verstand, noch Vernunft. Das Vorstellungsvermögen bloß in engerer (nicht in engster) Bedeutung faßt Sinnlichkeit, Verstand und Vernunft zusammen und besteht daher weder aus der Sinnlichkeit noch aus dem Verstande, noch aus der Vernunft allein, sondern aus allen diesen Vermögen zusammengenommen. Ließe sich also das Vorstellungsvermögen nur in engerer Bedeutung denken, so müßte jede besondere Vorstellung notwendig das Produkt der 15 Name ] verbessert aus: Namen

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Sinnlichkeit des Verstandes und der Vernunft zusammengenommen sein; das Vorstellungsvermögen könnte sich bei gewissen Vorstellungen, z. B. den Empfi ndungen, nicht als Sinnlichkeit ohne Mitwirkung der Vernunft äußeren, und das Vermögen zu schließen müßte auch zur sinnlichsten Vorstellung als unentbehrlich angenommen werden. Nicht | so hingegen, wenn das Vorstellungsvermögen in engster Bedeutung gedacht und darunter Sinnlichkeit, Verstand und Vernunft weder zusammengenommen noch eines dieser Vermögen mit Ausschluß der übrigen verstanden, sondern bloß dasjenige begriffen wird, was allen diesen Vermögen gemeinschaftlich ist. Es wird dann ein Vorstellungsvermögen gedacht, das zwar in den besondern Vorstellungen sich entweder als Sinnlichkeit oder als Verstand oder als Vernunft oder auch in allen dreien Vermögen zugleich äußert, aber durch seine Natur ebensowenig zu Vorstellungen, die das Resultat von allen drei Vermögen sind, als zu bloßen Empfi ndungen, zu bloßen Verstandesbegriffen, zu bloßen Vernunftideen ausschließend bestimmt, sondern aller dieser Arten von Vorstellungen fähig ist. Um die Übersicht der bisher vorgenommenen Bestimmungen des Begriffes des Vorstellungsvermögens zu erleichtern, wollen wir die gefundenen Unterschiede zwischen den drei Bedeutungen des Wortes Vorstellungsvermögen hier nebeneinander aufstellen.

Weitere Bedeutung Wenn man sich unter Vorstellungsvermögen den Inbegriff alles desjenigen denkt, was zunächst und unmittelbar zu den Bedingungen der Vorstellung gehört, so ist in diesem Inbegriffe das vorstellende Subjekt und sind in demselben die vorgestellten Objekte, in wieferne sie zur Vorstellung beitragen, mit enthalten. 17 Verstandesbegriffen ] verbessert aus: Verstandes Begriffen

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Anm. In dieser weitern Bedeutung allein wurde das Vorstellungsvermögen bisher von den | jenigen genommen, welche dasselbe entweder für die Kraft einer einfachen Substanz oder eines organischen Körpers oder für das Resultat einer Verbindung von beiden angesehen haben.172

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Engere Bedeutung Wenn man sich unter Vorstellungsvermögen den Inbegriff desjenigen denkt, was nur zu den inneren Bedingungen der Vorstellung (was nur zur bloßen Vorstellung) in weiterer Bedeutung gehört; so ist: 1.) aus diesem Inbegriffe, welcher nur das bloße Vorstellungsvermögen enthält, das vorstellende Subjekt und das vorgestellte Objekt ausgeschlossen, weil beide nur zu den äußern, d. h. denjenigen Bedingungen gehören, die von der bloßen Vorstellung durch das Bewußtsein unterschieden werden. Es sind aber 2.) in diesem Inbegriffe Sinnlichkeit, Verstand und Vernunft enthalten, weil diese zu den innern Bedingungen der Empfi ndung, des Begriffes und der Idee gehören, welche durch das Wort Vorstellung in weiterer Bedeutung zusammengefaßt werden.

Engste Bedeutung Wenn man sich unter Vorstellungsvermögen den Inbegriff desjenigen denkt, was nur zu den inneren Bedingungen der Vorstellung in engster Bedeutung gehört, so muß aus diesem Inbegriffe nicht nur das vorstellende Subjekt und das vorgestellte Objekt (wie aus dem vorigen), sondern auch noch Sinnlichkeit, Verstand und Vernunft ausge | schlossen werden, und er enthält nur dasjenige, was weder ausschließend zur Vorstellung der Sinnlichkeit noch der Vorstellung des Verstandes, noch der Vorstellung der Vernunft, sondern was zur Vorstellung überhaupt, zur Vorstellung kat' exochn gehört.

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Und so hätten wir dann den bestimmten Umriß für den Begriff des Vorstellungsvermögens kat' exochn und im strengsten Sinne des Wortes. Ich sage den bloßen Umriß, die bloße Grenzbestimmung des Begriffes, wodurch eigentlich nichts gewonnen ist, als daß man bestimmt wisse, was nicht in diesen Begriff hineingehört. Wieviel aber auch schon dadurch für die Philosophie gewonnen sei, wenn eine solche Grenzbestimmung die Probe der Allgemeingültigkeit hält (welches ich von der meinigen nicht behaupten will) und wie sehr diese Grenzbestimmung die Mühe einer trocknen Zergliederung verlohne, muß jedem einleuchten, der die Mißverständnisse und das von denselben unzertrennliche Unheil zu berechnen versteht, welche in der Philosophie dadurch entstehen und unterhalten werden müssen, wenn in einen so äußerst wichtigen, allen übrigen Begriffen entweder zum Grunde liegenden oder doch mit allen verknüpften Begriff, wie der der Vorstellung ist, fremde, überflüssige, widersprechende Merkmale aufgenommen werden. Allein, dieser leere Umriß muß auch noch ausgefüllt werden, zu den bloß negativen Bestimmungen des Begriffes des Vorstellungsvermögens müssen auch noch positive hinzukommen, und da wir nun wissen, was von diesem Begriffe ausgeschlossen wird, muß nun auch angegeben werden, | was denn eigentlich in ihm enthalten ist. Wir wissen, daß sein Inhalt nur aus den inneren Bedingungen der bloßen Vorstellung überhaupt bestehen könne; aber wir wissen nicht, welche denn eigentlich diese inneren Bedingungen sind. Haben wir diese gefunden, so haben wir uns in den Besitz des positiven Begriffes gesetzt, der durch das Wort Vorstellungsvermögen im strengsten Sinne bezeichnet wird. Dieser Begriff muß schlechterdings allgemeingültig bestimmt und festgesetzt werden, wenn die Begriffe der Sinnlichkeit, des Verstandes, der Vernunft, des Erkenntnisvermögens und der Grenzen desselben genauer wie bisher bestimmt, d. h. gegen alle Vieldeutigkeit gesichert werden sollen. Denn, wie soll man mit Gewißheit angeben können, wie sich 9 meinigen ] verbessert aus: Meinigen

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die Vorstellung der Sinnlichkeit von der Vorstellung des Verstandes und der Vernunft unterscheidet und was zu jeder Art von Vorstellung gehöre, wenn man nicht weiß, was zur Vorstellung überhaupt, zur Gattung, gehört und was unter Vorstellungsvermögen überhaupt gedacht werden muß? Wie soll sich befriedigend bestimmen lassen, was durch Sinnlichkeit, durch Verstand, durch Vernunft vorgestellt werden könne, solange nicht ausgemacht ist, was sich überhaupt vorstellen lasse? Und wie soll sich dies letztere wissen, allgemeingültig festsetzen lassen, solange man nicht mit sich selbst und andern über die Bedingungen einig ist, die zu jeder Vorstellung überhaupt als Vorstellung, zur bloßen Vorstellung, gehören?

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§ 13 Der Inbegriff desjenigen, was nur zu den inneren Bedingungen der Vorstellung über | haupt gehört, oder das Vorstellungsvermögen in engster Bedeutung, läßt sich seiner Beschaffenheit nach weder von dem vorstellenden Subjekte, oder der Seele, noch von den vorgestellten Objekten, sondern nur allein aus dem richtigen Begriffe der bloßen Vorstellung ableiten. Wenn das Vorstellungsvermögen aus der Natur der Seele abgeleitet werden sollte, so müßte man unter Seele nicht das Vorstellungsvermögen, sondern das Subjekt desselben, die vorstellende Substanz, verstehen, in wieferne dieselbe unter die möglichen Gegenstände unsrer Vorstellungen gehört [und] vorgestellt werden kann. Dies gilt auch in Rücksicht auf die außer unsrem Gemüte befi ndlichen Gegenstände. Die Ableitung des ganzen Vorstellungsvermögens, oder auch nur eines Teils desselben, könnte nur in soferne von diesen Gegenständen vorgenommen werden, als dieselben vorgestellt werden können. Es müßten also entweder aus einer besondern Vorstellung, nämlich der Seele, oder aus mehreren besonderen Vorstellungen, nämlich der Gegenstände außer uns, die Bedingungen abgeleitet werden, die nicht zu diesen besondern Vorstellungen (denn von denen

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ist hier nicht die Frage), sondern zur Vorstellung überhaupt gehören. Es kann aber wohl keinem Zweifel unterworfen sein, daß nicht alles, was Bedingung gewisser besonderer Vorstellung ist, auch Bedingung jeder Vorstellung, d. h. der Vorstellung überhaupt sei. Es müßten also diese beiden verschiedenen Arten von Bedingungen voneinander unterschieden werden; welches schlechterdings unmöglich ist, ohne nicht den Unterschied zwischen den | besondern Vorstellungen und der Vorstellung überhaupt angegeben zu haben. Der bestimmte Begriff der Vorstellung überhaupt ist also die einzig mögliche Quelle, aus welcher sich die Bedingungen, die den Begriff des Vorstellungsvermögens ausmachen, schöpfen lassen. »Aber die Vorstellung hängt ja selbst wieder von dem vorstellenden Subjekte und den vorgestellten Objekten ab.« – Freilich, aber nur als von äußern Bedingungen, die zum Vorstellungsvermögen gehören, aber nicht dasselbe selbst sind. Es ist hier nicht die Frage, woraus das Vorstellungsvermögen entstehe, sondern worin es bestehe, nicht um den Ursprung, sondern lediglich um die Beschaffenheit des Vorstellungsvermögens; nicht woher das Vorstellungsvermögen seine Bestandteile erhalte, sondern, was es für Bestandteile habe; nicht wie sich das Vorstellungsvermögen genetisch erklären lasse, sondern was man denn unter Vorstellungsvermögen zu verstehen habe. Der Unterschied zwischen diesen beiden Fragen ist so allgemein verkannt worden, daß er nicht oft genug eingeschärft werden kann. Man vernachlässigte immer diejenige, über deren Beantwortung man durchaus vorher hätte einig sein müssen, wenn über die andere, welche alle Köpfe beschäftigte, eine befriedigende Auskunft möglich sein sollte. Das Vorstellungsvermögen kann unmöglich von seiner Ursache (diese liege nun in dem Subjekte, in den Objekten oder in beiden) abgeleitet werden, bevor man noch nicht weiß, was man darunter verstehe, d. h. bevor man dasselbe nicht aus seiner Wirkung der bloßen Vorstellung kennt. | Es muß also ge11 welcher ] verbessert aus: welchen

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genwärtig die Frage beantwortet werden: Worin besteht die Vorstellung selbst oder was kann und muß in dem Begriffe der Vorstellung gedacht werden? Indem wir nun zu dieser wichtigen Frage hinübergehen, scheint sich unsren weiteren Fortschritten ein ganz unübersteigliches Hindernis entgegenzutürmen, welches in nichts geringerem besteht, als daß es schlechterdings unmöglich ist, von der Vorstellung im strengsten Sinne des Wortes eine eigentliche Defi nition oder sogenannte Sacherklärung zu geben. Eine solche Erklärung versuchen würde ebensoviel sein, als einen Begriff von der Vorstellung aufstellen wollen, der nicht selbst wieder eine Vorstellung wäre. Man prüfe sorgfältig alle Erklärungen, welche von der Vorstellung, in was immer für einer Bedeutung des Wortes, von was immer für Philosophen gegeben sind, und man wird fi nden, daß sie den Begriff der bloßen Vorstellung nicht erklären, sondern als bekannt voraussetzen.* Allein, diese völlig ausgemachte Unmöglichkeit einer Definition der Vorstellung kann nur so lange ein Hindernis unsrer weiteren Untersuchungen scheinen, als man nicht von der ebenso ausgemachten Entbehrlichkeit einer solchen Defi nition überzeugt ist. Da die Vorstellung dasjenige ist, worauf sich alles, was Objekt des Bewußtseins ist | und sein kann, beziehen muß, so ist sie aus allem, was im Bewußtsein vorkommen kann, das Bekannteste, aber auch das Unerklärbarste. Sie geht allem Bewußtsein vorher, das nur durch sie möglich ist,** und *

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Wer versteht z. B. die alte, auch in einer anderen oben angegebenen Rücksicht fehlerhafte Defi nition: Vorstellung ist eine Veränderung des Gemütes, wenn er sich nicht unter Gemüt das Vermögen der Vorstellungen denkt? 173 ** Und das daher seiner Möglichkeit nach nicht in der Theorie des 30 Vorstellungsvermögens überhaupt, die sich mit der bloßen Vorstellung beschäftigt, sondern erst nach derselben untersucht, in derselben aber seiner unbezweifelten Wirklichkeit nach angenommen werden muß. 6 f. geringerem ] nach TM F verbessert aus: geringeren

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ist, da sie bei jeder Erklärung vorausgesetzt werden muß, einer Erklärung ebensowenig bedürftig als fähig. Ihr Begriff hingegen hat zwar auch keinen höheren über sich, von dem er abgeleitet werden könnte; denn er wird selbst bei dem Begriffe eines Dinges in weitester Bedeutung (d. h. des Vo r s t e l l baren oder, wie man es gewöhnlich ausdrückt, des Denkbaren) vorausgesetzt. Aber eben darum bedarf dieser Begriff um so mehr der Erörterung, je weniger sein Gegenstand eine Erklärung zuläßt. Da die Vorstellung selbst bei jeder Erklärung vorausgesetzt werden muß, so kann nur durch den völlig erörterten und durchgängig bestimmten Begriff der unerklärbaren Vorstellung verhindert werden, daß nicht mehr und nicht weniger von der Vorstellung vorausgesetzt werde als schlechterdings vorausgesetzt werden muß, wenn die Voraussetzung, die allen möglichen Erklärungen zur Prämisse dient, nicht verfälscht werden soll. Da endlich der Begriff der Vorstellung bei dem Begriff eines Dinges vorausgesetzt wird, so ist es offenbar, daß dieser letztere wichtige Begriff, der aller Metaphysik zum Grunde liegt, so lange vieldeutig und schwankend bleiben mußte, | solange der erstere nicht durchgängig bestimmt und festgesetzt war; daß die Philosophie ihre Untersuchungen keineswegs, wie man bis itzt dafür hielt, entweder mit dem Individuellsten der uns vorstellbaren Dinge, unsrem vorstellenden Ich, oder mit dem Allgemeinsten, dem Dinge überhaupt, sondern mit der Vorstellung beginnen müsse; und daß daher der ganze Gang, den alles Philosophieren bisher genommen hat, gleich von dem ersten Punkte, wovon er ausging, eine schiefe Richtung hatte. In beiden, sowohl in der Klarheit als in der Unerklärbarkeit des Begriffes der Vorstellung liegt der Grund, warum man diesen Begriff bisher nicht nur, wie man wohl mußte, undefi niert, sondern auch, wie man nicht sollte, unerörtert gelassen hat. Wir haben ganz vortreffliche Versuche über das Denken und Empfi nden, aber meines Wissens keinen einzigen, der das Vorstellen im strengsten Sinne, das, was dem Denken und Empfi n23 unsrem ] verbessert aus: unsren

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den gemeinschaftlich ist, untersucht hätte. Ob jene Versuche nicht noch ungleich mehr geleistet hätten, als sie wirklich geleistet haben, wenn diese Untersuchung vorhergeschickt worden wäre, wird sich in der Folge bestimmter zeigen lassen. Itzt nur ein paar Worte hierüber, die, sosehr sie uns dem ersten Anblick nach von unsrem Pfade zu entfernen scheinen, gleichwohl in der Sache selbst uns um eine gute Strecke auf demselben weiterbringen dürften. Man hat zwar das Denken in weiterer Bedeutung, in welcher es für ebensoviel als vorstellen galt, vom Denken in engerer Bedeutung, in welcher es soviel als urteilen und schließen heißt, unterschieden, obgleich nicht immer von diesem | Unterschiede Gebrauch gemacht.* Aber jene weitere Bedeutung des Wortes denken war gewöhnlich ein leidiges Spiel der Gedankenlosigkeit und des Zufalls. Bald sollte sie dasjenige angeben, was man dem Empfi nden e n t g e g e n s e t z t e , bald etwas, worunter man das Empfi nden zugleich m i t b e g r i f f e n wissen wollte. Im ersten Sinne sollte denken soviel heißen als Vorstellungen hervorbringen, die Handlung der vorstellenden Kraft, wobei sich das Gemüt bloß tätig verhalten sollte. Im zweiten sollte es ebensoviel heißen als Vorstellungen h a b e n , wobei das Empfi nden, das sich leidend Verhalten des Gemütes keineswegs ausgeschlossen sein sollte. Denken im weitesten Sinne des Wortes wurde daher ohne Unterschied bald für Vorstellungen haben, bald für hervorbringen, bald für empfangen, bald für dies alles zusammengenommen gebraucht.175 So wie dieser unphilosophische Gebrauch des Wortes denken die Untersuchung des Vorstellungsvermögens einerseits erschwerte, so wurde er selbst auf der andern Seite durch die Unterlassung dieser Untersuchung erleichtert. Ob und in wiefern zu eben derselben Veränderung des Gemütes, die man Vorstellungen empfangen nannte, auch ein Hervorbrin*

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Gerade dort nicht, wo man am meisten gesollt hätte, in der Logik, die man nicht etwa auf die Gesetze des Denkens im strengsten Sinne eingeschränkt, sondern auf die psychologischen Gesetze der Vorstellungen überhaupt ausgedehnt hat.174 35

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gen; ob zu dem, was man Vorstellungen hervorbringen nannte, auch ein Empfangen gehörte, bekümmerte die meisten Philosophen sehr wenig, welche die unbestimmten Bedeutungen der Ausdrücke Vorstellungen empfan |gen und Vorstellungen hervorbringen in dem unbestimmten Ausdrucke Vo r s t e l l e n zusammenfaßten, den die, wenn es die Not oder die Bequemlichkeit heischte, bald mit dem Worte denken, bald mit Empfi nden nahe genug bestimmt zu haben glaubten.

§ 14 10

Ungeachtet sich in keiner Definition angeben läßt, was die Vorstellung an sich sei, so können und müssen sich doch die Merkmale angeben lassen, durch welche sie gedacht wird und welche, in wieferne sich ohne dieselben die Vorstellung nicht denken läßt, unter die innern Bedingungen der Vorstellung gehören.

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Daß die Unmöglichkeit einer Defi nition keineswegs die Unmöglichkeit einer befriedigenden Erörterung nach sich ziehe, wissen die Logiker und wird in der Naturwissenschaft durch tausend auffallende Beispiele bestätigt. Man weiß nicht, was ein Körper, was die Bewegung usw. an sich sei, aber man weiß doch, was man sich bei diesen Worten zu denken habe, was den Begriff dieser Gegenstände ausmache, was in denselben wesentlich aufgenommen und aus demselben wesentlich weggelassen werden müsse. Uns ist es hier gar nicht darum zu tun, was die Vorstellung sei, sondern nur darum, was in dem uns möglichen und notwendigen Begriffe der Vorstellung gedacht werden müsse. Wir untersuchen die Vorstellung nicht um ihrer selbst willen, sondern um über den Begriff des Vorstellungsvermögens, d. h. desjenigen, was zu den innern Bedingungen der | bloßen Vorstellung gehört, endlich einmal einig zu werden. Nun gehört aber (nicht die unerklärbare Vorstellung selbst, sondern) dasjenige, ohne welches sich die bloße Vorstellung nicht denken läßt und welches daher auch im Begriffe der bloßen Vorstellung wirklich gedacht wird, zu den inneren Bedingungen der Vorstellung

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und macht diese innern Bedingungen, in wieferne sie denkbar sind, aus. Bei aller Unmöglichkeit einer Defi nition der Vorstellung ist also gleichwohl eine Erörterung des Begriffes der Vorstellung möglich, die vollkommen hinreicht, um uns den gesuchten Aufschluß über das Vorstellungsvermögen zu geben. »Aber ist denn nicht jeder Begriff von Vorstellung selbst wieder eine Vorstellung, und wird uns also die versprochene Erörterung nicht gleichwohl im Zirkel herumtreiben?« Der Begriff der Vorstellung (man muß hier hinzusetzen, der Vorstellung im strengsten Sinne, kat' exochn) ist freilich Vorstellung, aber er ist nicht selbst die Vorstellung im strengsten Sinne, kat' exochn; er ist Vorstellung, aber nicht die Vorstellung, er ist Vorstellung, die ein Begriff ist, und gehört folglich unter eine Art von Vorstellung, während sein Gegenstand, die Vorstellung im strengsten Sinne, Gattung ist. Die Vorstellung im letztern Sinne kommt Menschen und Tieren gemeinschaftlich zu; aber der Begriff von Vorstellung ist ein ausschließendes Vorrecht der Vernunft. Wie wenig hier Gefahr des Zirkels sein könne, wird in der Folge noch mehr einleuchten. Wenn die Erörterung dieses Begriffes allem Mißverständnisse vorbeugen und selbst gegen alles | Mißverständnis gesichert sein und wenn sie, wie von der allgemeinen Theorie des Vorstellungsvermögens, die dieses Namens wert sein soll, gefordert wird, den Grund zu allgemeingeltenden Prinzipien der Philosophie legen soll, so muß durch sie der Begriff der Vorstellung völlig erschöpft, das heißt, es muß alles, was in diesem Begriffe vorstellbar ist und so weit als es vorstellbar ist, angegeben sein. Die Zergliederung des in ihm Vorstellbaren muß bis an die eigentliche Grenze der Vorstellbarkeit vorgenommen und diese Grenze selbst deutlich bestimmt, allgemeingültig gezeigt werden. Man kann mit Grund behaupten, daß die Philosophie bisher noch keinen einzigen Begriff im eigentlichen Verstande erschöpft habe und erschöpfen konnte, da bei jedem der bisher unentwickelte Begriff der Vorstellung vorausgesetzt werden mußte. Gleichwohl wird man die Erschöpfung des von mir im vorhergehenden bestimmten Begriffes der bloßen Vorstellung

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überhaupt nicht nur nicht unmöglich, sondern nicht einmal von besonderer Schwierigkeit fi nden, wenn man bedenkt: 1.) daß dieser Begriff seiner Allgemeinheit wegen nur sehr wenige Merkmale in sich fassen könne. Man weiß aus der Logik, daß der Inhalt eines Begriffes in eben dem Verhältnisse kleiner als sein Umfang größer ist. Der Begriff der Vorstellung aber wird selbst bei dem Allgemeinsten, nämlich dem des Vorstellbaren oder des Dinges, vorausgesetzt und hat mit demselben wenigstens gleichen Umfang. 2.) Daß beim Erschöpfen dieses Begriffes nur von wesentlichen Merkmalen, mit Ausschluß alles Zufälligen, die Rede sein könne und dürfe. 3.) Daß diese wenigen wesentlichen Merkmale, sobald man sie gefunden | hat, das Kriterium der Vorstellbarkeit abgeben, in dem dasjenige, was ihnen widerspricht, nicht vorstellbar sein kann; ein Kriterium, durch welches sich sogleich bestimmt angeben läßt, was denn eigentlich an der Vorstellung selbst vorstellbar ist und was an ihr als unvorstellbar vorausgesetzt werden muß.

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Zu jeder Vorstellung gehört als innere Bedingung (als wesentlicher Bestandteil der bloßen Vorstellung) etwas, welches dem Vorgestellten (dem von der Vorstellung durchs Bewußtsein unterschiedenen Gegenstande) entspricht; und dies nenne ich den Stoff der Vorstellung. Indem man bisher alles, was vorgestellt wird und vorgestellt werden kann, Stoff einer Vorstellung nannte, lief dabei eine 19–23 Zu jeder … Vorstellung. ] TM F: Zu jeder Vorstellung gehört er-

stens als innere Bedingung, als wesentlicher Bestandtheil derselben etwas, welches dem Vorgestellten, das heißt dem im Bewußtseyn von der Vorstellung unterschiedenen Gegenstande, in der Vorstellung entspricht, und dieß nenne ich den Stoff der Vorstellung. TM F verfolgt in stark gekürzter Fassung dieses Paragraphen: Man hat bisher den Stoff der Vorstellung mit dem Gegenstande der Vorstellung verwechselt. – Der

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in ihren Folgen äußerst wichtige Zweideutigkeit mit unter, welche durch die Vieldeutigkeit des Wortes Vorstellung veranlaßt wurde und die hier aus der eigentlichen Bedeutung des Ausdruckes Stoff der Vorstellung hinweggeschafft werden muß. Stoff einer Vorstellung sein kann zweierlei heißen, entweder in der bloßen Vorstellung, als dem von ihr unterschiedenen Gegenstande entsprechend, vorkommen oder der von der bloßen Vorstellung selbst verschiedene Gegenstand einer Vorstellung sein. Eben dadurch, daß ich durch mein Bewußtsein genötigt bin, den Baum, den ich mir vorstelle, von der bloßen Vorstellung desselben zu unterscheiden, bin ich genötigt, dasjenige, was in der bloßen Vorstellung dem Baume entspricht und wodurch | sich die Vorstellung des Baumes von anderen Vorstellungen unterscheidet, von dem Baume selbst, von dem Gegenstande, der nicht bloße Vorstellung ist, zu unterscheiden. Nur das erstere ist der eigentliche Stoff der Vorstellung; das letztere kann nur uneigentlich, nur in weiterer Bedeutung Stoff heißen und soll, um der Verwirrung wesentlich verschiedener Begriffe vorzubeugen, von mir immer bei seinem eigentlichen Namen Gegenstand genannt werden. Wer sich den Unterschied zwischen Stoff und Gegenstand einer Vorstellung recht anschaulich machen will, denke sich einen Baum in einer Entfernung, die es ihm unmöglich macht, die Gattung, Art, eigentliche Größe und nähere Beschaffenheit desselben gewahr zu Stoff ist Bestandtheil der Vorstellung, nicht aber der Gegenstand; und der Stoff muß im Gemüthe manche Modification annehmen, die der Gegenstand, zumal wenn er etwas ausser dem Gemüthe befi ndliches ist, nicht an sich haben kann. Durch den Gegenstand wird zwar der Stoff einer Vorstellung bestimmt, aber nur als bloßer Stoff, als Repräsentant des von der Vorstellung verschiedenen Gegenstandes; der aber nur dann den Gegenstand dem Bewußtseyn wirklich repräsentiert, wenn er aufgehört hat bloßer Stoff zu seyn, wenn er Vorstellung geworden ist, das heißt, wenn er die Form der Vorstellung angenommen hat, die er nicht vom Gegenstande sondern nur vom Gemüthe und im Gemüthe erhalten kann. 10 den ] verbessert aus: dem

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werden. Er nähere sich dann allmählich dem Baume, so wird seine Vorstellung in eben dem Verhältnisse mehreren Stoff erhalten; der Stoff seiner Vorstellung wird sich verändern, zunehmen, während der Gegenstand an sich immer derselbe bleibt. Die notwendige Folge der bisherigen Verwechslung des Stoffes einer Vorstellung mit dem Gegenstande war, daß man die jedem eigentümlichen Prädikate verwechselte; daß man dasjenige, was dem Stoffe in der Vorstellung, und in wieferne derselbe ein Bestandteil der Vorstellung ist (der Vorstellung selbst zukömmt), dem Gegenstande außer der Vorstellung, und was diesem eigentümlich ist, jenem zueignete und in soferne den Unterschied zwischen Vorstellung und Gegenstand aufhob. Der Stoff oder dasjenige, was in der Vorstellung dem von der Vorstellung verschiedenen Gegenstande entspricht, wird zwar durch den letztern, dessen Stelle er in der Vorstellung vertritt | (den er repräsentiert) bestimmt, aber er muß auch in der Vorstellung gewisse Modifi kationen annehmen, durch die er aufhört, bloßer Stoff einer Vorstellung zu sein, und wirkliche Vorstellung und in soferne Eigentum des Vorstellenden wird; Modifi kationen, die er durch das Vorstellungsvermögen erhält, und die keineswegs auf den Gegenstand, der von der bloßen Vorstellung verschieden ist und dem sie nicht angehören, übertragen werden dürfen, wenn der Philosoph nicht in einen weit ungereimtern und bedenklicheren Irrtum geraten soll als der Gelbsüchtige, der allen Gegenständen die Farbe seines Gesichtswerkzeuges beilegt. Es wird in der Folge sichtbar genug werden, welchen Einfluß dieser Irrtum auf das Mißverständnis des Erkenntnisvermögens, das die philosophische Welt in streitende Parteien trennte und getrennt erhielt, gehabt habe. Jede Vorstellung ohne Ausnahme muß einen Stoff in der bisher bestimmten Bedeutung des Wortes haben; und die Vorstellung überhaupt läßt sich so wenig ohne einen solchen Stoff denken, als was immer für eine Form eines wirklichen Dinges ohne Stoff. Eine Vorstellung ohne Stoff wäre eine Vorstellung, 23 einen ] verbessert aus: einem

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in der nichts vorgestellt wird, ein Zirkel, der nicht rund ist. Der Stoff ist derjenige Bestandteil der Vorstellung, von dem sich ihr Name (repraesentatio) eigentlich herschreibt, durch den die Sprache etwas im Bewußtsein Vorkommendes bezeichnet, wodurch ein anderes außer dem Bewußtsein vertreten, repräsentiert, dem Bewußtsein vorgehalten wird.176 »Aber gibt es nicht leere Vorstellungen?« O ja! Wenn darunter Vorstellungen verstanden wer | den, deren Stoff durch einen Gegenstand bestimmt ist, dem das Prädikat der Wirklichkeit mit Unrecht beigelegt ist, weil er entweder nirgends vorhanden ist oder weil er gar einen Widerspruch in sich faßt.177 Aber auch diese Vorstellungen, welche mit Recht leer heißen, haben, in wieferne sie wirkliche Vorstellungen sind, auch wirklich einen Stoff, etwas, das in ihnen ihrem für wirklich gehaltenen Gegenstande entspricht und ohne welches sie gar keine Vorstellungen sein würden. Leere Vorstellung kann also nie Vorstellung ohne allen Stoff bedeuten; welches freilich in der bisherigen Philosophie nicht immer der Fall gewesen ist. Eine weit bedenklichere Zweideutigkeit liegt im Ausdrucke bloße Vorstellung, welche wohl manchen meiner Leser zu folgendem Einwurfe gegen die Behauptung: daß jede Vorstellung einen Stoff haben müsse verleiten konnte. »Es gibt bloße Vorstellungen, das heißt solche, die keine Gegenstände haben. In Vorstellungen aber, die keine Gegenstände haben, kann nichts vorhanden sein, was einem außer der Vorstellung befi ndlichen Gegenstande entspräche, also gibt es auch Vorstellungen ohne Stoff.« Die Behauptung: »Es gibt Vorstellungen, die keine Gegenstände haben«, kann ebensoviel heißen als: Es gibt Vorstellungen, deren Gegenstände nichts Wirkliches sind oder deren Gegenständen das Prädikat der Wirklichkeit nur durch einen Irrtum beigelegt werden kann; – und dann ist freilich nichts gegen diese Behauptung einzuwenden. Sie würde aber offenbaren Unsinn enthalten, wenn sie ebensoviel heißen sollte als: es gibt Vorstellungen, die überhaupt gar keinen im 3 repraesentatio ] verbessert aus: repräsentatio

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Bewußtsein vorkommenden | Gegenstand haben, denn dies hieße ebensoviel als, es gibt Vorstellungen, in denen nichts vorgestellt wird, Vorstellungen, die keine Vorstellungen sind. Diese Undinge können dann aber auch nicht bloße Vorstellungen heißen, so wenig ein Zirkel, der nicht rund sein soll, ein bloßer Zirkel heißen kann. Wirkliche Vorstellungen hingegen, denen (folglich auch wirklich ein Gegenstand aber:) kein wirklicher Gegenstand entspricht und die man sehr oft mit dem Namen bloßer Vorstellungen (Vorstellungen, deren Wirklichkeit b l o ß im Vorstellenden allein gegründet ist) belegt, würden weit eigentlicher mit dem Ausdrucke leerer Vorstellungen bezeichnet werden, damit der Ausdruck bloße Vorstellung der durch das Bewußtsein von ihrem Gegenstande unterschiedenen und für sich allein gedachten Vorstellung, für die er weit eigentlicher paßt, aufbehalten werden könne.178 Eine Vorstellung hat Realität (ist nicht leer), wenn ihrem Gegenstande das Prädikat der Wirklichkeit zukömmt, welches nur in der Theorie des Erkenntnisvermögens untersucht werden kann. Die Theorie des bloßen Vorstellungsvermögens überhaupt würde ihre Grenzen überschreiten und ihren Zweck verfehlen, wenn sie etwas, das zu den äußern Bedingungen der Vorstellung gehört, zu ihrem Objekte machte. Sie hat ihr Amt verrichtet, wenn sie gezeigt hat, daß eine Vorstellung nicht ohne Stoff, das heißt ohne etwas in ihr Enthaltenes sein könne, dem ein von der Vorstellung unterschiedenes Etwas, welches Gegenstand heißt (er sei außer dem Bewußtsein wirklich oder nicht) entspricht. Es steht also folgender Grundsatz als Axiom fest:| Dasjenige, dem kein Stoff in einer Vorstellung entsprechen kann, ist schlechterdings nicht vorstellbar.

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§ 16 Zur Vorstellung überhaupt gehört als innere Bedingung (als wesentlicher Bestandteil der bloßen Vorstellung) etwas, wodurch der bloße Stoff zur Vorstellung wird, und dieses Etwas nenne ich die Form der Vorstellung. Dasjenige an der Bildsäule, durch welches die Materie derselben nicht mehr bloße Materie, sondern Bildsäule ist, heißt die Form der Bildsäule; und so nenne ich dasjenige, was in der Vorstellung überhaupt und folglich auch in jeder Vorstellung ohne Ausnahme vorhanden sein muß und wodurch der Stoff derselben Vorstellung ist, die Form der Vorstellung, ohne zu befürchten, daß ich meinen Lesern etwas Unverständliches sage. Beides, Stoff und Form, machen zwar nur durch ihre Vereinigung die Vorstellung aus und lassen sich nicht voneinander trennen, ohne daß die Vorstellung selbst dadurch aufgehoben würde. Gleichwohl sind sie wesentlich verschiedene Bestandteile der Vorstellung und können nicht miteinander verwechselt werden, ohne ein Mißverständnis zu verursachen, das in der Philosophie von äußerst wichtigen Folgen sein muß und bisher wirklich gewesen ist. Die logische Grundregel: Alles, was einem wesentlichen Merkmale eines Dinges zukömmt, kömmt dem Dinge selbst zu, kann nur dann nicht irreführen, wenn der Begriff des Dinges, von dem die Rede ist, durch Unterscheidung seiner Merkmale bestimmt ist.179 So kann ich von | einer Statue, deren Stoff weißer salzburgischer Marmor ist, ohne Gefahr, mißverstanden zu werden, behaupten: die Statue ist marmorn und sie ist weiß; weil ich von jedem, der mich hört, voraussetzen kann, daß er das Prädikat marmorn und weiß der Statue nur in Rücksicht des Stoffes beilegen werde. Aber ich kann nicht behaupten: die Statue ist aus Salzburg, 2–5 Zur … Vorstellung. ] TM F: Zur Vorstellung gehört daher zweytens

als innere Bedingung, als wesentlicher Bestandtheil der bloßen Vorstellung, etwas, wodurch der bloße Stoff zur Vorstellung wird, und dieses nenne ich die Form der Vorstellung.

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wenn nur der Marmor (der Stoff) [und] nicht die Statue (die Form) aus Salzburg ist; sondern, wenn ich nicht mißverstanden werden will, muß ich in meiner Behauptung den Unterschied zwischen Stoff und Form ausdrücklich angeben und sagen, der Stoff der Statue ist aus Salzburg oder auch: die Statue ist salzburgischer Marmor; gleichwie ich nicht sagen kann, die Statue ist durch den Steinmetz von dem Felsen durch Pulver losgesprengt usw. Ebenso darf ich von der Vorstellung überhaupt keineswegs etwas behaupten, was von ihr nur in Rücksicht auf die Form oder nur in Rücksicht auf den Stoff gilt, wenn ich nicht voraussetzen kann, daß meine Leser oder Zuhörer über den Unterschied zwischen Stoff und Form mit mir einig sind. Es läßt sich leicht begreifen und es wird sich in der Folge deutlich genug zeigen, daß gewisse Prädikate der Vorstellung nur in Rücksicht ihres Stoffes, andere [ihr] nur in Rücksicht ihrer Form zukommen und daß die Verwechslung derselben auf alle spekulativen Streitigkeiten der Philosophie großen Einfluß hatte. Folgende Betrachtungen werden dazu dienen, dem Begriffe der Form einer Vorstellung das Fremde und Unbestimmte zu benehmen, das er für meine Leser haben muß. 1.) Man ist hoffentlich mit mir darüber einig, daß jede Vorstellung (1) aus etwas bestehen müs | se, was sich auf das von ihr im Bewußtsein unterschiedene Objekt bezieht. Dies habe ich den Stoff genannt; und es ist dasjenige, wodurch das Vorgestellte (der Gegenstand) der Vorstellung angehört und welches in der Vorstellung dem Gegenstande angehört; (2) aus etwas [bestehen müsse], was sich auf das von der Vorstellung im Bewußtsein ebenfalls unterschiedene Subjekt (das Vorstellende) bezieht. Es ist dieses dasjenige, wodurch die Vorstellung dem Gemüt angehört und was an der Vorstellung dem Gemüte angehört; und kann nichts anderes sein als dasjenige, wodurch der sonst bloße Stoff einer Vorstellung wirkliche Vorstellung ist; das heißt, die Form der Vorstellung, welche der Stoff nur im Gemüte und nur durch das Vorstellungsvermögen erhalten konnte. Solange noch nicht ausgemacht ist, worin diese Form bestehe, muß bald dasjenige, was in der Vorstellung dem Ge-

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müte eigentümlich ist, den Gegenständen, bald dasjenige, was in der Vorstellung den Gegenständen gehört, dem Gemüte beigemessen werden. »Was den Stoff einer Vorstellung zur Vorstellung macht, ist die Seele oder das Gemüt selbst und kann also nicht Form der Vorstellung heißen«.* Zur Vorstellung machen kann zweierlei | heißen: entweder die von der Vorstellung selbst unterschiedene Ursache der Vorstellung sein oder der in der Vorstellung selbst vorkommende konstitutive Bestandteil, die innere Bedingung der Vorstellung selbst sein, durch welche der bloße Stoff Vorstellung ist. Das erste ist die (worin immer bestehende) vorstellende Kraft, deren Untersuchung nicht hieher gehört, – das zweite aber ist die Form der Vorstellung überhaupt, von der hier die Rede ist und die zwar auch dem Gemüte angehört, aber nicht als Akzidenz der Substanz, sondern als Wirkung der Ursache. 2.) Die gegenwärtige Untersuchung betrifft die Form der Vorstellung überhaupt, die allgemeine Form aller Vorstellungen, der Gattung Vorstellung. Die Arten der Vorstellungen, z. B. die Empfi ndung, der Begriff, die Idee unterscheiden sich untereinander durch ihre eigentümlichen Formen, die in den Theorien der Sinnlichkeit, des Verstandes und der Vernunft betrachtet werden müssen.180 Da sie in allen diesen Theorien als Vorstellungen angenommen und vorausgesetzt werden müssen, so wird auch die glücklichste Entwicklung, die von ihren Eigentümlichkeiten gegeben werden kann, z. B. die Kantische, so lange *

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So sophistisch und seicht in den Ohren mancher Leser dieser und andere in der Folge vorkommenden Einwürfe klingen werden, so natürlich müssen sie in der Vorstellungsart der meisten aus dem bisherigen allgemeinen Mißverständnisse des Vorstellungsvermögens erfolgen. Aber auch schärfern und konsequenteren Denkern, die 30 sich selbst solche Einwürfe zu ersparen oder zu beantworten wissen, dürfte die Auflösung wenigstens dazu dienen, um | ihnen eine neue Vorstellungsart geläufiger zu machen. In zwanzig Jahren wird sich eine kürzere Theorie des Vorstellungsvermögens schreiben lassen. 29 allgemeinen ] verbessert aus: allgemeinem 29 Vorstellungsvermögens ] verbessert aus: Vorstellungsvermögen

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mißverstanden werden müssen, bis man nicht über dasjenige, was ihnen in der gemeinschaftlichen Eigenschaft als Vorstellungen überhaupt zukommt, einig geworden ist. | 3.) Die Form der Vorstellung muß genau von der Form des Vorgestellten, oder des Gegenstandes, unterschieden werden; und ungeachtet vom letztern eigentlich nur in der Theorie des Erkenntnisvermögens die Rede sein darf, so muß hier doch eine Zweideutigkeit in dem Ausdrucke Form des Vorgestellten angemerkt werden, welche dem richtigen Begriffe von der Form der Vorstellung nachteilig sein könnte. »Da jede Vorstellung«, könnte mir sonst eingewendet werden, »mit ihrem (wirklichen oder nicht wirklichen) Gegenstand, dem Vorgestellten, übereinstimmen muß, so muß ja die Form der Vorstellung von der Form des Vorgestellten abhängen und von derselben bestimmt werden«. – Ich antworte: In den besonderen einzelnen Vorstellungen (nicht in der Vorstellung überhaupt, die keinen bestimmten Gegenstand hat) muß zwar die besondere Beschaffenheit oder, wenn man es so nennen will, die eigentümliche Form des bloßen Stoffes von dem Gegenstande, den er in der Vorstellung repräsentiert, bestimmt sein, und in diesem Sinne wäre gegen die Behauptung, daß die Form jeder einzelnen Vorstellung von der Form des Vorgestellten abhänge, nicht anders einzuwenden, als daß es, anstatt Form der Vorstellung, Form des Stoffes von jeder einzelnen Vorstellung heißen sollte. Die Form der Vorstellung aber kann dem vom Gegenstande bestimmten Stoffe nicht durch das Vorgestellte, sondern nur durchs Vorstellende, nicht durch das Objekt, sondern nur durch das Subjekt erteilt werden. Die eigentümliche Form des bloßen Stoffes, die man die objektive nennen könnte, um sie von der Form der Vorstellung, die der durch den Gegenstand bestimmte Stoff im Gemüte anneh | men muß und welche füglich die subjektive heißen kann, zu unterscheiden, kann durchaus nicht von der letztern getrennt, d. h. ohne die Form der Vorstellung im Bewußtsein vorkommen. Der Gegenstand einer Vorstellung gelangt nur durch die Vorstellung, das heißt nur dadurch ins Bewußtsein, daß der ihm entsprechende Stoff aufhört, bloßer Stoff zu sein und die

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Form der Vorstellung annimmt. Daher kann kein Vorgestelltes, kein Gegenstand, in seiner von der Form der Vorstellung unabhängigen Form, wie er an sich ist, sondern nur durch die Form der Vorstellung modifiziert im Bewußtsein vorkommen, vorgestellt werden. Es verdient aber diese Bemerkung eine bestimmtere Ausführung, da sie eines der ältesten, allgemeinsten und am tiefsten eingewurzelten Vorurteile betrifft, welche die Prinzipien aller spekulativen Philosophie bis auf diesen Augenblick verwirrt haben; ein Vorurteil, das sich auch demjenigen, der sich noch so sorgfältig davon loszumachen sucht, immer unvermerkt aufdringt, und welches an dem bisherigen Schicksale der Kritik der Vernunft, beinahe allgemein mißverstanden zu sein, einen äußerst beträchtlichen Anteil hat. Ich spreche hier von dem Vorurteile, daß die Vorstellungen B i l d e r der Dinge wären,181 daß zwischen den Vorstellungen und den Dingen an sich Ä h n l i c h k e i t stattfinden müsse und daß die Wahrheit oder die Übereinstimmung unsrer Vorstellungen mit den Gegenständen in dieser Ähnlichkeit bestehen müsse. Man sieht, daß dieses Vorurteil, wenn es wirklich Vorurteil ist, selbst den Begriff von Wahrheit verfälschen und auf die Anwendung der logischen Gesetze den entschiedensten Einfluß haben müsse. | Schon in seinem Entstehungsgrunde zeigt es sich als Vorurteil.182 Dieser liegt in der freilich unverkennbaren Analogie, die zwischen der Beschaffenheit der in unsren Organen hervorgebrachten Eindrücke und der Beschaffenheit der Gegenstände außer uns, durch welche die Eindrücke hervorgebracht werden, wahrgenommen wird; eine Analogie, die bei dem vornehmsten Organe, dem wir den Stoff unsrer meisten und kläresten sinnlichen Vorstellungen verdanken, nämlich dem Auge, in der wirklichen Ähnlichkeit des Bildes auf der Netzhaut 9–14 verwirrt haben … daß die ] TM F: verwirrt haben, ist die Mey-

nung: daß die 22 zeigt … als ] TM F: zeigt sich diese Meynung als 25–27 Beschaffenheit … werden ] TM F: Beschaffenheit derjenigen Gegenstände durch welche die Eindrücke hervorgebracht sind

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mit dem sichtbaren Gegenstande besteht. Es war schon sehr frühzeitig unter den Philosophen eine unbestimmte Analogie zwischen Sehen und Vorstellen angenommen, die immer weiter getrieben wurde, je mehr man bei zunehmender Kultur der empirischen Psychologie für die neuentdeckten Unterschiede unter den Verrichtungen des Vorstellungsvermögens mehrere Ausdrücke von den Verrichtungen des Auges zu entlehnen genötigt war. Der innere Sinn wurde immer mehr als ein Auge des Geistes und die sogenannte vorstellende Kraft als die Sehkraft desselben gedacht; und so wurde vieles, was nur vom Auge und vom Sehen gelten konnte, auf das Gemüt und das Vorstellen übertragen und in den bisher unbestimmt gebliebenen Begriff der Vorstellung aufgenommen. Die Unbestimmtheit dieses wichtigen Begriffes machte allein die Verwechslung des sinnlichen Eindruckes mit der sinnlichen Vorstellung möglich, welche eine zweite Verwechslung der zwischen Eindruck und Gegenstand unstreitigen Ähnlichkeit mit einer offenbar unmöglichen Ähnlichkeit | zwischen Vorstellung und Gegenstand zur Folge haben mußte. Der Eindruck auf das sinnliche Werkzeug ist keine Vorstellung und seine Form keine Form der Vorstellung. Er kann, als bloßer Eindruck, so wenig die Vorstellung selbst sein, als der durch ihn gelieferte Stoff ohne die Form der Vorstellung Vorstellung sein kann. Der Eindruck kann nichts weiter als der Empfänglichkeit des Gemütes (das Subjekt desselben mag 6 Verrichtungen ] TM F: Operationen 6 Vorstellungsvermögens ] nach TM F verbessert aus: Vorstellungsver-

mögen 7 Verrichtungen ] TM F: Operationen 8 mehr als ] TM F: mehr und mehr als 10 vieles ] TM F: manches 11 vom ] verbessert aus: von 12 den … unbestimmt ] TM F: den bis auf diesen Augenblick völlig unbestimmt 15 Verwechslung … mit ] TM F: Verwechslung des Eindruckes auf die Organe mit

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Geist oder Körper sein) den Stoff liefern, der dann erst im Gemüte die Form der Vorstellung erhält und durch dieselbe Vorstellung wird. Diese Vorstellung hält dem Subjekte des Bewußtseins den Gegenstand vor, auf den sie bezogen wird, aber nur unter der Form, die der dem Gegenstande entsprechende Stoff im Gemüte erhalten hat und die sich von ihm nicht trennen läßt, ohne die Vorstellung und mit ihr das Bewußtsein des Gegenstandes aufzuheben. Man kann hieraus beurteilen, mit welchem Rechte man bisher die in den Organen vorhandenen Eindrücke materielle Vorstellungen genannt hat. Keine unsrer Vorstellungen kann in irgendeinem Verstande Bild ihres Gegenstandes heißen. Jedes Bild setzt Ähnlichkeit mit seinem Originale voraus und ist nur in soferne Bild, als diese Ähnlichkeit stattfi ndet. Es muß also, wenn wir berechtigt sein sollen, unsre Vorstellungen für Bilder der Dinge zu halten, irgendeine Ähnlichkeit zwischen der Vorstellung und ihrem Gegenstande erweislich sein. Allein dies ist schlechterdings unmöglich. Ich kann die Vorstellung der Rose | als Bild mit der Rose selbst als Original nie vergleichen. Denn wenn ich die Rose als einen von meiner Vorstellung derselben verschiedenen Gegenstand denke, so kann ich dies nur dadurch, daß ich die bloße Vorstellung der Rose auf etwas außer mir beziehe, welches ich nur durch dieses Beziehen kenne und das unabhängig von der Vorstellung, in welcher alle seine Prädikate vorkommen, für mich ein bloßes Subjekt = x ist. Ich kann also nicht von dem angeblichen Bilde zum Original übergehen, ohne daß ich ebendasselbe Bild zum Original mache, das heißt: Das Bild hat kein Original für mich; es ist also kein Bild, sondern selbst Original. »Man gibt zu, daß die Vorstellung, in wieferne sie Wirkung des Gemütes ist und durch das bloße Vorstellungsvermögen bestimmt wird, keine Ähnlichkeit mit Dingen außer dem Gemüte habe. Aber sie kann und muß diese Ähnlichkeit ihrem 24 dieses ] verbessert aus: diese

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Inhalte nach haben, in wieferne derselbe von einem außer dem Gemüte befi ndlichen Gegenstande abhängt und durch denselben bestimmt wird.« – Wenn dieser Inhalt (Stoff der Vorstellung) nicht mit dem Gegenstande selbst (das in der Vorstellung Vorkommende und sie Ausmachende, nicht mit dem von ihr Unterschiedenen) verwechselt werden soll, so muß bei aller vorausgesetzten Ähnlichkeit zwischen dem bloßen Stoff und dem Gegenstande doch zugegeben werden, daß dieser Stoff nicht der Gegenstand selbst sei und daß nur der Stoff, nicht der Gegenstand an sich, die Form der Vorstellung erhalte. Der Stoff verliert also in soferne seine Ähnlichkeit mit dem Gegenstande an sich, als er die Form der Vorstellung annimmt. Und da sich bei der Beziehung der Vorstellung | auf den Gegenstand, durch welche dieser allein vorgestellt werden kann, der bloße Stoff von der Form der Vorstellung nicht trennen läßt, da nicht der bloße Stoff, sondern die Vorstellung (Stoff und Form) in Rücksicht des Stoffes die vorstellbaren Prädikate, die dem Gegenstande beigelegt werden, dem Bewußtsein vorhält, so mag der Inhalt einer Vorstellung dem Gegenstande noch so ähnlich sein, und derselbe wird gleichwohl dem Bewußtsein kein Bild des Gegenstandes vorhalten. Die Vorstellung wird kein Bild sein, weil dasjenige in ihr, was allenfalls Bild heißen könnte, dem Subjekte des Bewußtseins nicht in seiner eigentümlichen Form vorgehalten wird. 3–24 Wenn dieser Inhalt (Stoff der Vorstellung) … wird. ] TM F:

Wenn der Inhalt, der Stoff der Vorstellung nicht mit dem Gegenstande, das in der Vorstellung Vorkommende und sie als Bestandtheil mit Ausmachende nicht mit dem von der Vorstellung verschiedenen Objekte verwechselt werden soll, so muß bey aller angenommenen Aehnlichkeit zwischen dem Stoffe der Vorstellung und dem Gegenstande, doch zugegeben werden, daß dieser Stoff nicht der Gegenstand, oder welches hier wenigstens eins ist, nicht das Ding an sich sey; und daß nur der Stoff der Vorstellung, nicht das Ding an sich die Form der Vorstellung erhalte, die das Ding an sich, nicht haben kann, weil es keine Vorstellung sondern von der Vorstellung wesentlich verschieden ist; und diese nicht ausser dem Gemüthe

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§ 17 Dem Begriffe einer Vorstellung überhaupt widerspricht die Vorstellung eines Gegenstandes in seiner eigentümlichen, von der Form der Vorstellung unabhängigen Form oder des sogenannten Dinges an sich; d. h. kein Ding an sich ist vorstellbar.183 Keine Vorstellung ist ohne Stoff und Form denkbar, welche beide in der Vorstellung unzertrennlich sind, weil sie nur durch ihre Vereinigung die Vorstellung ausmachen. Nur durch diese unzertrennliche Vereinigung bei einem wesentlichen Unterschied ist die Natur einer Vorstellung, d. h. die notwendige Beziehung derselben auf ein von ihr unterschiedenes Subjekt und Objekt möglich. Dasjenige in der Vorstellung, wodurch sie sich auf den von ihr unterschiedenen Gegenstand bezieht (der Stoff), kann unmöglich ebendasselbe | sein, wodurch sie sich auf das von ihr unterschiedene Subjekt bezieht, die Form. Sie bezieht sich auf beide dadurch, daß sie von beiden etwas in sich aufzuweisen hat, welches unmöglich ebendasselbe sein kann, wenn nicht alle Möglichkeit aufhören soll, das vorstellende Subjekt und vorgestellte Objekt von der Vorstellung zu unterscheiden. Da der Stoff in ihr dem Gegenstande angehört, so würde sie ganz allein auf den Gegenstand bezogen werden müssen und nicht von demselben unterschieden werden können, wenn sie nicht die Form der Vorstellung erhalten hatte, die dem Gegenstande mangelt, wodurch sie sich vom Gegenstande auszeichnet und die sie nicht dem Vorgestellten, sondern dem Vorstellenden verdankt. Ungeachtet aber einerseits

möglich ist. Der Stoff verliert also insoferne seine Aehnlichkeit mit dem Gegenstande als er die Form der Vorstellung annimmt. Die Vorstellung kann also nie ein Bild des Dinges an sich sein; weil dasjenige was in ihr allenfalls ein solches Bild heissen könnte, was aber nicht die Vorstellung sondern der bloße Stoff derselben ist, die Form der Vorstellung annehmen muß, die der Stoff weder an sich hatte, noch durch den Gegenstand, sondern lediglich durch das Gemüth erhalten konnte.

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nur durch diesen wesentlichen Unterschied zwischen Stoff und Form das Bewußtsein und die Vorstellung selbst möglich ist, so ist andererseits nur durch die Unzertrennlichkeit von Stoff und Form eben dieses Bewußtsein und die Vorstellung möglich, die sich nur dadurch denken läßt, daß der Stoff aufhöre, bloßer Stoff zu sein und die Form der Vorstellung erhalten habe, welche von ihm nicht abgesondert werden kann, ohne die Vorstellung und mit ihr das Bewußtsein und selbst die Unterscheidung zwischen Subjekt und Objekt aufzuheben. Daher läßt sich weder der bloße Stoff, abgesondert von der Form, noch die bloße Form, abgesondert von allem Stoffe, vors Bewußtsein bringen, sondern nur beides zusammengenommen in seiner unzertrennlichen Vereinigung; und bei der Unterscheidung zwischen Objekt und Subjekt im Bewußtsein wird nicht die Form der Vorstellung abgetrennt vom Stoffe, sondern die ganze Vorstellung durch ihre Form | auf das Subjekt, und nicht der Stoff abgetrennt von der Form, sondern die ganze Vorstellung durch ihren Stoff auf den Gegenstand bezogen. Der von der Vorstellung unterschiedene Gegenstand kann daher nur unter der Form der Vorstellung, die der ihm entsprechende Stoff im Gemüte annehmen mußte, im Bewußtsein vorkommen, d. h. vorgestellt werden; und folglich keineswegs als Ding an sich, d. h. unter derjenigen Form, die ihm außer aller Vorstellung zukäme, durch den bloßen Stoff der Vorstellung bezeichnet würde und von der Form der Vorstellung verschieden sein müßte. »Aber ist denn der Begriff, der hier von dem Dinge an sich aufgestellt wird, nicht willkürlich, indem darunter ein Ding verstanden wird, dessen Form von der Form der Vorstellung verschieden ist. Warum soll nicht dem Dinge an sich ebendieselbe Form zukommen, die dasselbe in der bloßen Vorstellung hat?« Nichts ist leichter, als den von uns aufgestellten Begriff des Dinges an sich zu rechtfertigen. Die Form der Vorstellung ist dasjenige, wodurch sich die Vorstellung von allem, was nicht Vorstellung ist, auszeichnet. Wenn also die Verteidiger der Vor3 von ] verbessert aus: vom

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stellbarkeit des Dinges an sich zugeben, daß das Ding an sich keine Vorstellung ist, so müssen sie auch zugeben, daß ihm die Form der Vorstellung nicht zukomme. – »Aber so kömmt ihm doch dieselbe Form zu, die es i n der Vorstellung hat?« – Ob auch diejenigen, die diese Sprache führen, sich selbst recht verstehen? Ihr vorstellbares Ding an sich ist doch der von der Vorstellung unterschiedene Gegenstand, der also weder selbst Vorstellung noch ein Bestandteil der bloßen Vorstellung ist und also | nicht selbst, sondern nur durch seinen Repräsentanten, den Stoff der Vorstellung, in der Vorstellung vorkömmt. Sei es, daß dieser Stoff, in wieferne er bloßer Stoff ist, das heißt in wieferne er bloß den Gegenstand vertritt, ebendieselbe Form habe, die dem Gegenstande zukömmt, so kann er ja eben darum in dieser Eigenschaft nicht die Form der bloßen Vorstellung haben; ja! diese seine objektive Form muß von der subjektiven der Vorstellung wesentlich verschieden sein, weil er sonst zugleich Stoff und nicht Stoff wäre. Er muß aber die von ihm als bloßer Stoff unterschiedene und dem Gegenstand nicht zukommende Form der Vorstellung annehmen, wenn er Vorstellung werden und der Gegenstand durch ihn vorgestellt werden soll. Die Form, unter welcher der Gegenstand durch den ihm entsprechenden Stoff im Bewußtsein vorkömmt, ist also wesentlich von der Form verschieden, die ihm außer dem Gemüte (an sich) zukommen muß; und diese letztere Form, durch welche er als Ding an sich gedacht wird, ist schlechterdings nicht anders vorstellbar, als daß man von ihr die Form der Vorstellung leugnet. Und hieraus ergibt sich die Antwort auf den sophistischen Einwurf: »Es müsse gleichwohl eine Vorstellung des Dinges an sich möglich sein, da doch der hier von mir bestimmte Begriff des Dinges an sich eine Vorstellung sei, die das Ding an sich zum Gegenstand hätte«. Dieser Einwurf spielt mit [der] Vorstellung des Dinges an sich durch eine Zweideutigkeit dieses Ausdruckes. Er nennt den Begriff des Dinges an sich überhaupt mit Unrecht Vorstellung des Dinges an sich (eines bestimmten Dinges). Jener Begriff ist freilich auch eine Vor | stellung; aber

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eine Vorstellung, deren Gegenstand das Ding an sich nicht als Sache, sondern als der bloße Verstandesbegriff eines Gegenstandes überhaupt ist. Diese Vorstellung eines bloß logischen Wesens wird in jenem Einwurfe mit der Vorstellung einer Sache verwechselt. Denn die Verteidiger der Vorstellbarkeit der Dinge an sich glauben dadurch allein unsrem Verstande Sachkenntnis einzuräumen und zu retten, daß sie unter Vorstellung des Dinges an sich, Vorstellung der Sache, Vorstellung desjenigen außer dem Gemüte befi ndlichen Dinges, dem der Stoff und die Form der Vorstellung zukomme, verstehen. Das, was ich Begriff des Dinges an sich nenne und dessen Möglichkeit und Ursprung in der Theorie des Erkenntnisvermögens entwickelt wird, ist die Vorstellung eines Dinges überhaupt, das keine Vorstellung ist; [d. h.] keines bestimmten, individuellen, existierenden Dinges. Das aber, was ich Vorstellung des Dinges an sich nenne und dessen Unmöglichkeit ich hier gezeigt habe, ist Vorstellung eines bestimmten, individuellen, existierenden Dinges, das keine Vorstellung ist, aber gleichwohl die Form der Vorstellung hat, dem außer dem Gemüte ebendieselbe Form zukömmt, die es durch den Stoff der Vorstellung im Gemüte angenommen hat und das folglich dem Subjekte des Bewußtseins nicht unter einer dem Gemüte eigentümlichen Form erscheint, sondern sich demselben in seiner eigenen, von der Beschaffenheit des Gemütes unabhängigen Gestalt darstellt. Die Dinge an sich können sowenig geleugnet werden, als die vorstellbaren Gegenstände selbst. Sie sind diese Gegenstände selbst, in wieferne diesel | ben nicht vorstellbar sind. Sie sind dasjenige Etwas, welches dem bloßen Stoffe einer Vorstellung außer der Vorstellung zum Grunde liegen muß, von dem aber, weil sein Repräsentant, der Stoff, die Form der Vorstellung annehmen muß, nichts, was ihm von dieser Form unabhängig zukömmt, vorstellbar ist, als die Negation der Form der Vorstellung, d. h. dem kein anderes Prädikat beigelegt werden kann, als daß es keine Vorstellung ist. Alle seine positiven Prädikate müssen, in wieferne sie vorstellbar sein sollen, durch den ihnen in der Vorstellung entsprechenden Stoff die Form der Vorstel-

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lung, die ihnen an sich nicht zukommen kann, angenommen haben. Das Ding an sich und seine von der Form der Vorstellung verschiedenen Beschaffenheiten sind nicht nur nichts Unmögliches, sondern sogar etwas zur bloßen Vorstellung Unentbehrliches, weil keine bloße Vorstellung ohne Stoff, und kein Stoff ohne etwas außer der Vorstellung, das nicht die Form der Vorstellung hat, d. h. ohne das Ding an sich denkbar ist. Aber in dieser Eigenschaft ist das Ding an sich selbst keineswegs als eine Sache, sondern nur als Begriff von einem Etwas, das nicht vorstellbar ist, vorstellbar;* und die Vorstellung davon ist nicht Vorstellung des wirklichen Dinges, wie es an sich ist, sondern Vorstellung eines von allen seinen Prädikaten entblößten Subjektes, das doch wohl keine Sache, sondern der abgezogenste unter allen Begriffen ist. Der notwendige und richtige Begriff des Dinges an sich ist also Vorstellung eines Begriffes, während | die unmögliche und unrichtige Vorstellung des Dinges an sich Vorstellung einer Sache sein würde, der aber alle vorstellbaren Prädikate vorher abgesprochen werden müßten, ehe man ihr den Namen eines Dinges an sich beilegen könnte. Denn wird das angeblich vorstellbare Ding an sich nicht als ein von allen vorstellbaren Prädikaten entblößtes Subjekt gedacht, wird ihm ein einziges in der Vorstellung vorkommendes Prädikat außer dem leeren Titel eines Subjektes zugeteilt, so hört es auf, Ding an sich zu sein, so wird es nicht mehr als Ding an sich gedacht, sondern durch einen Stoff der Vorstellung, der die Form der Vorstellung angenommen und folglich aufgehört hat, dem Dinge an sich allein eigentümlich zu sein, vorgestellt. Es steht also folgender Grundsatz als Axiom fest: Dasjenige, was sich nicht unter der Form der Vorstellung vorstellen läßt, ist schlechterdings nicht vorstellbar. Und hier zeigte sich ein neuer höchst wichtiger Grund, warum ich die Untersuchung des vorstellenden Subjektes und der vorgestellten Objekte so sorgfältig von der Untersuchung des *

Ich sage nicht: In dieser Eigenschaft i s t (existiert) das Ding an sich ein bloßer Begriff, sondern ist es nur als bloßer Begriff vorstellbar.

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Vorstellungsvermögens ausgeschlossen habe. Von dem, was sie an sich selbst sind, ist alle Vorstellung unmöglich, und von dem, was sie in der von ihnen möglichen Vorstellung sind, ist nur dann ein völlig bestimmter Begriff möglich, wenn man sie von der bloßen Vorstellung zu unterscheiden weiß, welches wieder unmöglich ist, wenn nicht allgemeingültig ausgemacht ist, was der bloßen Vorstellung, in wieferne sie nichts als bloße Vorstellung ist, zukömmt. | Das vorstellende Subjekt an sich, unabhängig von der Form der von ihm selbst unterschiedenen Vorstellung, unter welcher es in seinem eigenen Bewußtsein vorkömmt, ist also für sich selbst = x (welches von = 0 wohl zu unterscheiden ist), ist sich nur als ein unbekanntes Etwas, als ein Subjekt ohne alle Prädikate vorstellbar.184 Nur das große Prädikat dieses an sich nicht vorstellbaren Subjektes, durch welches es wirklich vorstellbar ist, das heißt das Vorstellungsvermögen, ist der Gegenstand unsrer Untersuchung. Der Unterschied zwischen dem vorstellenden Subjekte und den vorgestellten Objekten wurde auch von denjenigen, die ihn bisher zu erkennen glaubten, nur durch gewisse beiden zukommende verschiedene Prädikate für erkennbar gehalten. Die Subjekte an sich galten allen Selbstdenkern immer für natürliche Geheimnisse. Ich behaupte ebendasselbe, nur mit dem Unterschiede, daß ich die Vorstellbarkeit überhaupt, und durch sie die Erkennbarkeit, nur auf solche Prädikate einschränke, die der Seele und den Dingen außer uns, nicht an sich, d. h. unabhängig von der bloßen Vorstellung, sondern nur in soferne zukommen, als diese Prädikate die Form der Vorstellung, die den Dingen an sich nicht zukommen kann, annehmen können, d. h. in wieferne diese Prädikate vorstellbar sind. Dadurch werden diese Prädikate keineswegs bloße Vorstellungen, denn der Stoff, der ihnen in der Vorstellung entspricht, gehört allerdings den Dingen an sich an, aber da dieser Stoff Vorstellung werden, die Form der Vorstellung im Gemüte erhalten muß, wenn er zu unsrem Bewußtsein gelangen soll, und diese Form von | ihm nur durch die Vernichtung der Vorstellung trennbar wäre, so kann

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er jene Prädikate nicht, wie sie an sich selbst sind, sondern nur, in wieferne sie die Form der Vorstellung angenommen haben, dem Bewußtsein vorhalten. Die vorstellbaren Prädikate sind also nicht Prädikate der Dinge an sich, sondern Prädikate der Dinge, welche die den Dingen an sich nicht angehörige Form der Vorstellung angenommen haben. Übrigens ist die unmögliche Vorstellbarkeit der Seele und der Dinge außer uns als Dinge an sich ganz entbehrlich, um die vorstellbaren Prädikate von beiden in unsrem Bewußtsein voneinander zu unterscheiden. Denn die Unterscheidung zwischen dem Subjekte und den Objekten unsrer Vorstellungen geschieht durch die zweifache (objektive und subjektive) Beziehung der ganzen Vorstellung, durch ihre wesentlich verschiedenen, aber auch wesentlich vereinigten Bestandteile, welche die Natur der Vorstellung ausmachen.185 Durch diesen im Bewußtsein gegründeten und durch dasselbe jedem denkenden Kopfe einleuchtenden Unterschied ist es, wie sich in der Folge zeigen wird, eben nicht schwer, den Inbegriff vorstellbarer Prädikate, die aufs vorstellende Subjekt bezogen werden müssen und zusammengenommen das Vorstellungsvermögen ausmachen, von dem Inbegriffe der vorstellbaren Prädikate, die auf Gegenstände außer uns bezogen werden müssen und welche zusammengenommen das Gebiet der Erfahrung ausmachen, zu unterscheiden. Der unrichtig aufgefaßte Begriff des Dinges an sich, der eine natürliche Folge des unentwickelten Begriffes vom Vorstellungsvermögen ist, kann als der Hauptsitz der Krankheit der bisherigen Phi | losophie angesehen werden. Von ihm geht aller Dogmatismus und aller dogmatische Skeptizismus aus. Beide setzen die Unentbehrlichkeit einer Vorstellung des Dinges an sich zur eigentlichen Erkenntnis voraus; dies ist ihr gemeinschaftlicher, nur durch einen unrichtigen Begriff von dem Dinge an sich möglicher Irrtum. Die einen glauben sich im wirklichen Besitze von Vorstellungen der Dinge an sich und bauen auf dieselben ihre einander widersprechenden Lehrgebäude über die Natur der Dinge, die andern sehen die Unmöglichkeit der Vorstellung vom Ding an sich ein, aber da sie sich

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den Grund dieser Unmöglichkeit aus der Natur des Vorstellungsvermögens und dem richtigen Begriffe des Dinges an sich nicht zu erklären wissen, schließen sie aus derselben auf die Unmöglichkeit jeder eigentlichen Erkenntnis. Ich kann hier nur durch Winke anzeigen, was ich in der Folge deutlich entwickeln werde, wie jedes System der Dogmatiker durch die Übertragung der Merkmale der bloßen Vorstellung auf das Ding an sich und durch Verwechslung der inneren Bedingung der bloßen Vorstellung mit der innern Bedingung der Dinge an sich (der Natur der Dinge) entstanden ist. Da es nämlich zwei verschiedene innere Bedingungen der bloßen Vorstellung gibt, wovon die eine zur Materie, die andere zur Form der Vorstellung gehört, so mußten notwendig drei verschiedene Meinungen über das Wesen der Dinge entstehen, je nachdem der Dogmatiker die eine oder die andere oder beide dem Dinge an sich beigelegte (realisierte) Bedingungen der bloßen Vorstellung seinen Untersuchungen zum Grunde legte. Es wird sich in der Theorie der Sinnlichkeit 186 ohne Mühe begreifen lassen, wie der Mate | rialist sein Lehrgebäude auf ein der bloßen sinnlichen Vorstellung eigentümliches, aber von ihm auf das Ding an sich übertragenes Merkmal; und in der Theorie des Verstandes,187 – wie der Spiritualist das seinige auf ein dem bloßen Verstandesbegriffe eigentümliches, aber von ihm auf das Ding an sich übertragenes Merkmal gründete; und aus beiden Theorien zusammengenommen, – wie das konsequenteste aus allen dogmatischen Systemen, das Spinozistische, nur dadurch zustande kommen mußte, daß der große Urheber desselben die Hauptmerkmale der sinnlichen Vorstellung und des Verstandesbegriffes zusammengenommen auf das Ding an sich übertrug und aus dem Raume und der objektiven Einheit seine einzige ausgedehnte Substanz erschuf. Kant hat in der Kritik der Vernunft die Unmöglichkeit der Erkenntnis der Dinge an sich mit unerreichbarem Tiefsinne und höchster Evidenz erwiesen und gezeigt, daß nur Dinge unter der Form sinnlicher Vorstellungen oder, wie er es nennt, Erscheinungen erkennbar wären. Allein noch sind weder seine Nachbeter

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noch seine Widerleger unter sich einig, was der große Denker damit gewollt haben mochte. Indessen wird er gemeiniglich von den dogmatischen Kennern der Dinge an sich für einen dogmatischen Skeptiker und von den dogmatisch-skeptischen Nichtkennern der Dinge an sich für einen Idealisten erklärt.188 Wenn ich hoffen dürfte, von meinen Lesern verstanden zu werden, eine Hoffnung, die ich auf nichts als auf den Umstand gründen kann, daß mein Problem leichter aufzulösen ist als das Kantische, so wird man die von Kant erwiesene Unmög | lich keit der Erkenntnis des Dinges an sich auf einem kürzeren Wege zu begreifen anfangen. Das Ding an sich ist nicht vorstellbar; wie sollte es erkennbar sein? Der ganze Beweis von der Unmöglichkeit einer Vorstellung des Dinges an sich würde zu nichts nützen, als etwa den dogmatischen Skeptizismus zu begründen, wenn es mir nicht gelänge, die inneren Bedingungen der bloßen Vorstellung noch näher zu bestimmen, als es in dieser Theorie bis itzt geschehen ist. Es müssen die der bloßen Vorstellung eigentümlichen und dieselbe von dem, was nicht Vorstellung ist, auszeichnenden Merkmale bestimmt angegeben werden, wenn die Warnung, die Prädikate der Vorstellung nicht auf Dinge an sich zu übertragen, nicht ganz vergeblich sein soll. Bisher wissen wir aber von den der Vorstellung eigentümlichen Merkmalen nur so viel, daß sie im Stoffe und in der Form bestehen und daß die Form der Vorstellung den Dingen an sich nicht beigelegt werden dürfe. Sie wird aber, wie bisher, den Dingen an sich beigelegt werden müssen, solange wir nicht wissen, wodurch sie sich von demjenigen, was in der Vorstellung den Dingen an sich angehört, d. h. dem bloßen Stoffe der Vorstellung, unterscheide. Wir haben also hier das allgemeinste Merkmal anzugeben, wodurch sich der Stoff der Vorstellung von der Form derselben auszeichnet. Dies geschieht im

8 f. Kantische, ] verbessert aus: Kantische)

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§ 18 In jeder Vorstellung muß der bloße Stoff gegeben sein und die bloße Form an demselben hervorgebracht werden. | 5

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Die Vorstellung entsteht in und mit dem Bewußtsein. Das Bewußtsein ist nur durch Vorstellung möglich, in wieferne eine Vorstellung vorhanden sein muß, wenn sie auf ein von ihr unterschiedenes Objekt und Subjekt bezogen werden soll. Aber die Vorstellung ist ebenfalls nicht ohne Bewußtsein möglich, weil die Natur der Vorstellung eigentlich in jener Beziehung des Subjektes und Objektes aufeinander vermittelst des in der Vorstellung vereinigten Stoffes und der Form besteht. Eine Vorstellung ohne alles Bewußtsein müßte eine Vorstellung sein, die nichts und die nicht vorstellt – weder auf einen Gegenstand noch auf ein Subjekt bezogen wird –, d. h. keine Vorstellung; wie in der nach der Theorie des Vorstellungsvermögens vorkommenden Erörterung des Bewußtseins ausführlicher gezeigt werden soll.189 Hier verlange ich nichts weiter zugegeben, als daß jede menschliche Vorstellung entstanden, nicht immer da gewesen, nicht immer in unsrem Bewußtsein vorgekommen sei. Die Vorstellung ist nur dadurch im Bewußtsein möglich, daß in demselben ein Stoff unter der Form der Vorstellung, das heißt, daß zwei verschiedene Etwas vereinigt vorkommen, wovon das eine dem von dem vereinigten selbst unterschiedenen Subjekte und das andere dem von ihm unterschiedenen Objekte angehört. Die Vorstellung kann daher in Rücksicht auf diese zwei wesentlich verschiedenen Bestandteile keineswegs auf ebendieselbe Art entstanden sein, und diese Bestandteile können unmöglich einerlei Ursprung haben. Nur die bloße Form, d. h. dasjenige, wodurch sich die Vorstellung auf das Subjekt bezieht, was an | ihr dem Subjekte angehört, kann durch das Vermögen des Subjektes entstanden sein; der Stoff hingegen, dasjenige, wodurch sich die Vorstellung auf das Objekt bezieht, was an ihr dem Objekte eigentümlich ist, kann nicht durch das Vermögen des Subjektes entstanden, muß demsel-

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ben gegeben sein. Wäre an der Vorstellung nicht nur die Form, sondern auch der Stoff durch das Gemüt hervorgebracht, so würde alles Bewußtsein, alle Unterscheidung der bloßen Vorstellung vom Subjekte und Objekte unmöglich sein, die sich nur dadurch denken läßt, daß in der bloßen Vorstellung etwas enthalten ist, das nicht durch die Handlung des Gemütes entstanden, d. i. keine bloße Wirkung seiner Handlung ist, sondern etwas, das bei der Handlung des Subjekts vorausgesetzt wird und dem Objekte eigen ist. Die Vorstellung kann nur dadurch nicht ganz auf das Subjekt allein bezogen werden, weil und in wieferne etwas in ihr vorkömmt, das nicht durch eine Handlung des Gemütes entstanden, das gegeben ist; und das Gegebensein des Stoffes und das Hervorbringen der Form an dem gegebenen Stoffe müssen zusammengenommen die eigentliche Erzeugungsgeschichte jeder Vorstellung ausmachen. »Aber wie? wenn das vorstellende Subjekt sich selbst vorstellt und folglich zugleich Subjekt und Objekt seiner Vorstellung ist?« – Auch diese Vorstellung ist nur dadurch möglich, daß das vorstellende Subjekt sich, in wieferne es Subjekt dieser Vorstellung ist, von sich selbst als Objekt unterscheidet; und in der einen Rücksicht sich als vorstellend, in der andern aber als vorgestellt, in beider Rücksicht aber als von der bloßen Vorstel | lung unterschieden denkt. Als vorstellend kann es sich nur durch dasjenige denken, was in der Vorstellung Wirkung seiner Handlung, – als vorgestellt aber nur durch dasjenige, was in der Vorstellung nicht Wirkung seiner Handlung, sondern gegeben ist, denn sonst müßte es sich in seiner Vorstellung und durch seine Vorstellung selbst hervorgebracht haben. Nachdem ich meinen Satz aus der in der Theorie des Vorstellungsvermögens einzig gültigen Prämisse, nämlich dem Bewußtsein, erwiesen habe, mag folgendes zur Bestätigung und Erläuterung desselben gelten. Jede endliche Vorstellung, jede Vorstellung, die in und mit dem Bewußtsein entsteht, muß erzeugt werden. Zu jeder Erzeugung gehört zweierlei: etwas, das durch sie erst zur Wirklichkeit kömmt, hervorgebracht wird, und etwas, das in der Erzeugung

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nicht hervorgebracht wird, sondern als gegeben vorhanden sein muß. Dieses ist der Stoff, jenes die Form des Erzeugten. Das Gemüt müßte seine Vorstellungen erschaffen, d. h. aus Nichts hervorbringen, wenn es den Stoff derselben hervorzubringen hätte. Es würde ihm aber nicht bloß der Stoff, sondern auch die Form und folglich die Vorstellung selbst gegeben werden müssen, wenn die Hervorbringung der Form an dem Gegebenen nicht sein eigentümliches Geschäft wäre. Im letztern Falle würden die Vorstellungen außer dem Gemüte vorhanden sein müssen, bevor sie dem Gemüte gegeben würden, Vorstellungen sein, bevor durch sie etwas vorgestellt wird; das Gemüt würde nicht das Vorstellende sein, mit einem Wort: Wäre die Form der Vorstellung an | dem gegebenen Stoffe nicht durch das Gemüt hervorgebracht, so müßte dasselbe als Gemüt nichts sein; so wie es unendlich sein müßte, wenn es auch den Stoff seiner Vorstellung hervorbringen sollte. »Allein, in wie vielen Vorstellungen ist nicht der Stoff offenbar etwas vom Gemüte Hervorgebrachtes? Z. B. gleich in der Vorstellung eines von uns gefällten Urteils; einer jeden Wirkung unsres Gemütes überhaupt? In solchen Vorstellungen wenigstens ist doch Stoff und Form vom Gemüte hervorgebracht?« – Keineswegs! Denn fürs erste ist eine solche vorgestellte Wirkung des Gemütes in der Vorstellung, zu der sie den Stoff oder vielmehr den Gegenstand abgibt, nicht hervorgebracht, sondern muß vor der Vorstellung vorhanden sein, und der ihr entsprechende Stoff, aus welchem die Vorstellung entsteht, ist folglich in derselben Vorstellung gegeben. Zweitens mußte die Wirkung selbst, wie sie im Gemüte hervorgebracht war, etwas Gegebenes enthalten, woran sich die Handlung des Gemütes äußerte. So kömmt z. B. in der Vorstellung ein gefälltes Urteil nicht als bloße Wirkung des Gemütes, sondern als Wirkung des Gemütes an dem Stoffe eines Urteils, der gegeben sein muß, vor. Drittens ist die Weise zu handeln, wie sich in der Folge zeigen wird, keineswegs vom Gemüte hervorgebracht, 34 vom ] verbessert aus: von

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sondern demselben gegeben und nur in dieser Eigenschaft möglicher Stoff von besondern Vorstellungen. Wir wüßten also nun, was wir von den unter den Philosophen so gewöhnlichen Redensarten, dem Gemüte Vorstellungen geben, Vorstellungen | empfangen und Vorstellungen hervorbringen, zu denken haben; wie wohl der letztere Ausdruck viel weniger auffallend klingt, da er die Unentbehrlichkeit eines gegebenen Stoffes beim Erzeugen der Vorstellung nicht so offenbar ausschließt als der Ausdruck Vorstellung geben das Hervorbringen der Form, durch welche eigentlich aus dem bloßen Stoff, der allein sich geben läßt, Vorstellung wird. Vorstellung kann weder gegeben noch empfangen, noch hervorgebracht, sie muß erzeugt werden. Sowohl der Lockeschen als der Leibnizischen Lehre vom Ursprung der Vorstellungen liegt der verworrene Begriff der Vorstellung, in welchem der wesentliche Unterschied zwischen Stoff und Form verkannt ist, zum Grunde; und das Wahre, was die beiden großen Männer bei ihren einander entgegengesetzten Systemen vor Augen gehabt haben, kömmt erst durch die Entwicklung jenes Begriffes im vollen Lichte zum Vorschein und fl ießt in ein einziges System zusammen. Locke hatte die unstreitige Unentbehrlichkeit des Gegebenseins beim Vorstellen überhaupt vor Augen; aber da er in seinem unbestimmten Begriffe von der Vorstellung überhaupt den Stoff teils mit der Vorstellung selbst, teils mit den von der Vorstellung verschiedenen Gegenständen verwechselte, so ließ er seine einfachen Vorstellungen, unter denen er die letzten Bestandteile, aus welchen alle übrigen (die zusammengesetzten) Vorstellungen entstünden, verstand, dem Gemüte von den Gegenständen gegeben werden und erklärte sich bei jeder Gelegenheit, daß sich das Gemüt in Rücksicht auf diese einfachen Vorstellungen schlechterdings leidend | verhielte.* Leibniz hingegen hatte die ebenso unstreitige Unentbehrlichkeit des Hervorbringens beim Vorstel*

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len überhaupt vor Augen, und da er ebenfalls den Stoff teils mit der Vorstellung selbst, teils mit den Gegenständen verwechselte, so ließ er die Vorstellung überhaupt durch die vorstellende Kraft hervorbringen. Da er es aber ebenso ungereimt fi nden mußte, daß eine endliche Kraft ihre Vorstellungen aus nichts hervorbringen, als daß sie ihr von außen und durch die von ihr verschiedenen Gegenstände gegeben sein sollten, so suchte er sich durch die sinnreiche Hypothese der prästabilierten Harmonie zwischen diesen beiden Klippen durchzuhelfen.191 Wir haben nun das Wesen der bloßen Vorstellung insoweit näher kennengelernt, daß wir nicht nur überhaupt wissen, daß dasselbe aus zwei wesentlich verschiedenen Bestandteilen, nämlich Stoff und Form bestehe, sondern daß wir sogar die eigentümlichen Merkmale, wodurch sich diese beiden Bestandteile voneinander unterscheiden, angeben können; und wir verstehen nunmehr unter der Vorstellung einen gegebenen Stoff, an dem die Form der Vorstellung hervorgebracht wird. Hieraus muß nun das Vermögen der Ursache der Vorstellung als aus einer bekannten Wirkung angegeben, das heißt, der oben angegebene Begriff des Vorstellungsvermögens bestimmt werden. »So bestünde also das Vorstellungsvermögen zum Teil aus demjenigen, was zum Gegebensein | des Stoffes gehört; und folglich, wo nicht gar aus dem Schöpfer des Stoffes (der Gottheit), doch wenigstens aus dem Vermögen der Objekte, durch ihre Einwirkung auf das Subjekt demselben Stoff zu Vorstellungen zu geben?« Keineswegs! Wenn man anders nicht die dem Begriffe des bloßen Vorstellungsvermögens vorgezeichneten und als richtig anerkannten Grenzlinien überschreiten und durch unphilosophische Inkonsequenz von den innern Bedingungen der Vorstellung zu den äußern, von der Frage: worin besteht das Vorstellungsvermögen? zur Frage: woraus entsteht dasselbe? hinübergehen will, eben da man im Begriffe ist, die erstern zu beantworten.192 Nur dasjenige kann hier zum Vorstellungsvermögen gezählt werden, was zum Gegebensein des Stoffes, in wieferne dasselbe bloß innere Bedingung der blo-

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ßen Vorstellung ist, gehört. Es ist nicht meine Schuld, wenn die folgende kurze Erörterung subtil ausfällt; aber es würde meine Schuld sein, wenn sie aufmerksamen, des Denkens gewohnten Lesern unverständlich bliebe.193 Der Stoff ist nur in soferne Bestandteil der bloßen Vorstellung, in wieferne er gegeben i s t , nicht in wieferne er gegeben w i r d ;194 in wieferne er in der Vorstellung vorkömmt, nicht in wieferne er in etwas von der bloßen Vorstellung Verschiedenem, sei es was immer, gegründet ist. Das Gegeben-Werden und das Geben des Stoffes muß also von dem Gegeben-Sein in der wirklichen bloßen Vorstellung unterschieden und aus dem Begriffe derselben als etwas, das nicht innere Bedingung der Vorstellung ist, weggelassen werden. Das Gegeben-Werden und Geben des Stoffes ist also (obzwar eine ganz unumgängliche, aber doch nur) | äußere Bedingung, und alles, was zu demselben gehört, kann nur zum Vorstellungsvermögen in weiterer Bedeutung gezählt werden. Selbst das Gegebensein des Stoffes in der Vorstellung muß in Rücksicht auf seine Wirklichkeit, die vom Gegeben-Werden und Geben abhängt, aus dem Inbegriffe desjenigen, was bloß allein innere Bedingung der Vorstellung ist, ausgeschlossen werden.* Hingegen ist dies Gegebensein in der Vorstellung seiner Möglichkeit nach eine innere Bedingung der Vorstellung; denn die bloße Vorstellung ist nur dadurch möglich (denkbar), daß der gegebene Stoff i n der Vorstellung vorkommen kann. Dasjenige, wodurch sich diese Möglichkeit des Gegebenseins in der Vorstellung denken läßt, der Grund, durch welchen das Gegebensein in der Vorstellung möglich wird, ist nun dasjenige, was zum Stoff der Vorstellung, in wieferne der*

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In wieferne keine endliche Kraft völlig unabhängig von äußern Bedingungen handeln, keine sich den Stoff ihrer Wirksamkeit er- 30 schaffen kann, in soferne hängt die Wirklichkeit ihrer Produkte keineswegs von ihr selbst ab. So ist auch die Wirklichkeit der Vorstellung, in wieferne zu derselben Stoff gehört, der dem Gemüte gegeben sein muß, und den es sich nicht geben kann, ganz vom Vorstellungsvermögen unabhängig. 35

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selbe bloß innere Bedingung der Vorstellung ist, gehört, ist in soferne Bestandteil des Vorstellungsvermögens und heißt in dieser Eigenschaft Empfänglichkeit für den Stoff einer Vorstellung und mit einem einzigen Worte ausgedrückt: Rezeptivität. Die Möglichkeit und Wirklichkeit des Stoffes an sich, und die Gründe von beiden, gehören | durchaus nicht in den Begriff des Vorstellungsvermögens. Desto wesentlicher aber ist diesem Begriffe der Grund, aus welchem sich die Möglichkeit des gegebenen Stoffes i n der Vorstellung begreifen läßt; die Rezeptivität, die sich zum Vorstellungsvermögen wie das Empfangen des Stoffes zum Vorstellen verhält. Diese Rezeptivität gehört zum Stoffe der Vorstellung, in wieferne derselbe innere Bedingung allein, bloßer Bestandteil der Vorstellung ist, nicht in wieferne derselbe von einer äußern Bedingung abhängt;195 sie gehört zum Stoffe, der nur der Vorstellung angehört, in wieferne er empfangen, nicht in wieferne er durch etwas außer der Vorstellung und dem Vorstellungsvermögen gegeben wird. Das Gebende kann nie das Vorstellungsvermögen selbst sein; weil in der Wirkung des Vorstellungsvermögens, in der Vorstellung, der Stoff nie als hervorgebracht, sondern immer als gegeben allein vorkommen kann. Vorstellen heißt daher, einen Stoff zur Vorstellung empfangen (nicht geben) und ihm die Form der Vorstellung erteilen.

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Das Vorstellungsvermögen besteht erstens aus der Rezeptivität oder der Empfänglichkeit für den Stoff einer Vorstellung, worunter ein bloß sich leidend verhaltendes Vermögen verstanden wird. Es sollte wohl kaum einer besondern Erinnerung bedürfen, daß unter Rezeptivität nur ein sich leidend verhaltendes Vermögen des Gemütes verstanden werde. Denn der kurz vorher bestimm | ten Bedeutung dieses Wortes zufolge bezeichnet das21 gegeben ] verbessert aus: Gegeben

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selbe nichts als den im Vorstellungsvermögen vorhandenen und einen Bestandteil desselben ausmachenden Grund des bloßen Gegebensein-Könnens in der Vorstellung; oder, welches ebensoviel heißt, das Vorstellungsvermögen selbst, in wieferne dasselbe bei der Vorstellung nicht selbst tätig ist, [d. h.] ein Gegebensein, fremdes Wirken auf dasselbe voraussetzt und folglich, in wieferne es sich beim wirklichen Vorstellen bloß leidend verhält. Allein, da man bei der bisherigen unbestimmten Vorstellungsart vom Gemüte, wenn ja von einer Empfänglichkeit der sogenannten Seele die Rede war, alles ohne Unterschied in diesen Ausdruck zusammenfaßte, was zur Vorstellung, die man Empfi ndung nannte, oder zum sogenannten Empfangen der Vorstellung gehört und folglich auch das zur Vorstellung überhaupt unentbehrliche Hervorbringen in den verworrenen Begriff der Empfänglichkeit mit aufnahm, so ist es keineswegs überflüssig, hier auf die reine Bedeutung des Wortes Rezeptivität aufmerksam zu machen und gegen die Einmischung alles Merkmals von Tätigkeit in den Begriff von Rezeptivität zu warnen.196 Diese Einmischung war bisher um so unvermeidlicher, da man sich noch über kein bestimmtes, der Empfänglichkeit des Vorstellungsvermögens eigentümliches und das leidende Vermögen von dem tätigen auszeichnendes Merkmal vereinigen konnte. Man gab wohl bei Gelegenheiten, wo man durchaus dazu genötigt war, zu, daß dem Gemüte Empfänglichkeit zukommen müßte, und selbst Spiritualisten konnten sich nicht ganz erwehren, ihrer tätigen Kraft ein leidendes Ver | mögen beizugesellen, sowenig sie auch in ihren Theorien über die Natur der Seele darauf Rücksicht nahmen; nur ließen sie die Frage unbeantwortet: worin denn dieses leidende Vermögen bestehe? Es blieb ihnen durch diese Unbekanntschaft mit einem wesentlichen Grundvermögen des Gemütes unmöglich, die Materialisten, welche das leidende Vermögen des Gemütes im organischen Körper entdeckt haben wollten und dadurch den Körper 18 den ] verbessert aus: dem

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zum Subjekt des Vorstellungsvermögens erheben zu müssen glaubten, zurechtzuweisen. Materialisten und Spiritualisten bekümmerten sich bisher immer nur um den Sitz und die Quelle der Empfänglichkeit des Gemütes, ohne sich’s einfallen zu lassen, daß vor allen untersucht werden müsse, was unter dieser Empfänglichkeit zu verstehen wäre und worin sie, in wieferne sie zu einer der inneren Bedingungen (dem Stoffe) der bloßen Vorstellung unentbehrlich ist, bestehe, mit einem Worte, was das Vermögen, welches Empfänglichkeit heißt, beim bloßen Vorstellen für eine eigentümliche Rolle habe. Durch die Beantwortung dieser Frage wäre, wie sich’s in der Folge zeigen wird, das ganze Mißverständnis, welches die Materialisten und Spiritualisten entzweit, sowie der Materialismus und Spiritualismus selbst auf immer aufgehoben gewesen, ohne daß die gewesenen Anhänger dieser beiden Sekten, wie bisher, in die leidige Notwendigkeit versetzt worden wären, entweder den Supernaturalismus oder den dogmatischen Skeptizismus zu ergreifen, wenn sie ihr voriges System gegen ein besseres vertauschen wollten. |

§ 20 Das Vorstellungsvermögen besteht zweitens aus der Spontaneität oder dem tätigen Vermögen, welches an dem gegebenen Stoffe die Form der Vorstellung hervorbringt.

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Die Vorstellung ist nur dadurch im Bewußtsein möglich, daß der Stoff gegeben, die Form hervorgebracht werde (§ 18), und das Hervorbringen gehört schlechterdings zur inneren Bedingung (der Form) der bloßen Vorstellung. Ich sage das Hervorbringen. Der Stoff muß in der Vorstellung durchs Gegebensein, wobei sich das Gemüt leidend, die Form durchs Hervorbringen, wobei sich das Gemüt tätig verhält, entstehen. Gleichwie die Beziehung der Vorstellung auf den Gegenstand nur dadurch möglich ist, daß der Stoff in der Vorstellung durch ein Gegebensein entsteht, wobei sich das Vorstellende leidend verhält;

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so ist die Beziehung der Vorstellung auf das Vorstellende nur dadurch möglich, daß sich das Vorstellende bei der Entstehung der Form tätig verhält; daß es die Form hervorbringe, die dadurch, daß sie das Werk des Vorstellenden ist, ebenso ausschließend demselben angehört als der Stoff dem Gegenstande, von dem er gegeben ist. »Aber das vorstellende Subjekt gehört ja ebenso wie das vorgestellte Objekt nur zu den äußern Bedingungen der Vorstellung, zu welchen sogar die Wirklichkeit des Stoffes in der bloßen Vorstellung gezählt wurde, in wieferne sie von einer äußern Bedingung abhängt. Nun hängt ja die Tätigkeit, das Hervorbringen der Form, vom Subjekte und folglich ebenfalls von einer äußern Bedin | gung ab und gehört folglich auch zu den äußern Bedingungen.« Die Tätigkeit des Gemüts muß aus zwei sehr verschiedenen Gesichtspunkten angesehen werden. Einmal, wieferne sie im Vorstellenden gegründet ist, und das andere Mal, in wieferne die Vorstellung durch sie gegründet wird. Freilich muß auch die Tätigkeit zu den äußern Bedingungen der Vorstellung gezählt werden; in wieferne sie in dem von der bloßen Vorstellung verschiedenen Subjekte vorhanden ist und entweder allein oder mit anderen Eigenschaften verbunden seine Natur ausmacht, mit einem Worte, in wieferne sie dasjenige ist, was insgemein durch vorstellende Kraft ausgedrückt wird. In dieser Eigenschaft liegt die Tätigkeit des Vorstellungsvermögens freilich außer dem Inbegriffe desjenigen, was bloß zu den inneren Bedingungen der bloßen Vorstellung gehört; und es kann von ihr in dieser Rücksicht ohne Verwirrung wesentlich verschiedener Begriffe gar nicht die Rede sein, wenn um das Vorstellungsvermögen im strengsten Sinne gefragt wird. Allein gleichwie diese Tätigkeit, in wieferne sie Eigenschaft des Subjektes ist, bloß unter dem Vorstellungsvermögen in weiterer Bedeutung begriffen sein kann, so macht sie hingegen einen Bestandteil des Vorstellungsvermögens im strengsten Sinne aus, in wieferne sie Ursache der bloßen Vorstellung oder vielmehr der Form derselben ist. In diesem Sinne wird sie nicht als Kraft, sondern als bloßes Vermögen betrachtet, in wieferne

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sich dasselbe zunächst an einem Bestandteile der bloßen Vorstellung als an seiner Wirkung äußert. Sie gehört allein zur innern Bedingung, in wieferne sie zur Form der vom vorstellenden Subjekte unterschiedenen bloßen Vor | stellung gehört. In dieser Rücksicht ist nicht die Frage: Woher und wie entsteht dieses Vermögen, durch welches die Form der Vorstellung entsteht, sondern worin besteht es, welches ist sein eigentümliches Merkmal? Die Antwort auf diese letztere Frage kann daher nie heißen, dieses Vermögen ist einfach oder zusammengesetzt; sondern sie muß heißen – dieses Vermögen ist hervorbringend – ist Tätigkeit; es unterscheidet sich von dem Vermögen des Stoffes in der Vorstellung, dem sich leidend verhaltenden, dadurch, daß es sich nicht anders als tätig verhalten kann. Dasjenige also, was zur einen innern Bedingung der bloßen Vorstellung gehört, ist Tätigkeit, so wie das, was zur andern gehört, Empfänglichkeit ist; beide zusammengenommen machen das bloße Vorstellungsvermögen aus, in dessen Begriffe das Vermögen, den Stoff zu empfangen und an ihm die Form der Vorstellung hervorzubringen, ebenso wesentlich enthalten ist, als das Vermögen, den Stoff zu geben, aus demselben ausgeschlossen bleiben muß. Jedes tätige Vermögen hat Spontaneität, in wieferne dasselbe den Grund seiner Tätigkeit in sich selbst hat und derselbe nicht wieder in einem andern Vermögen aufgesucht werden muß. So kömmt sogar einer gespannten Uhrfeder Spontaneität zu, wieferne der Grund, warum sie der Spannung entgegenwirkt, in ihr selbst liegt. Das Vorstellungsvermögen besitzt in soferne Spontaneität im strengsten Sinne, in wieferne der Grund des bei der bloßen Vorstellung vorkommenden Wirkens nicht außer dem Vorstellungsvermögen aufgesucht werden darf. Das Hervorbringen der Form muß ebenso notwendig seinen Grund im | Vorstellungsvermögen haben, als das Geben des Stoffes außer demselben ; das eine muß ebenso notwendig Wirkung der bloßen Spontaneität im Gemüte, als das andere eines wirkenden außer dem Gemüte sein. Diese Spontaneität gehört dem Subjekte nur mittelbar, d. h. nur in soferne an, in wieferne dasselbe ein Vorstellungsvermögen hat. Sie gehört unmittelbar dem Vor-

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stellungsvermögen und vermittelst desselben dem Subjekte an, dessen Prädikat das ganze Vorstellungsvermögen ist. Ich bedarf wohl nach allem, was bisher über das Vorstellungsvermögen von mir gesagt wurde, keiner Rechtfertigung, warum ich die Tätigkeit, in wieferne sie zum Vorstellungsvermögen im strengsten Sinne gehört, durchaus nicht Kraft genannt wissen will. Das Merkmal des Substantiellen, des für sich bestehenden Subjektes, das in der eigentlichen Bedeutung des Wortes Kraft enthalten ist, würde uns auf einmal auf den alten Kampfplatz der Demonstrationen und der Zänkereien über die Natur der Seele zurücksetzen, dem wir bisher so sorgfältig ausgewichen sind. Man kann (zumal geübtere Metaphysiker) nicht zu oft und nicht unter zu mancherlei Gesichtspunkten vor der leidigen Verwechslung des vorstellenden Subjektes mit dem bloßen Vorstellungsvermögen warnen. So fuhr z. B. Herr Platner in der neuen Ausgabe seiner Aphorismen noch immer fort, die Einfachheit der vorstellenden Substanz zu beweisen, und fand es sogar für nötig, dieselbe gegen die von ihm mißverstandene Kritik der Vernunft zu rechtfertigen.197 Gewarnt, die Kraft ja nicht mit dem Vermögen zu verwechseln, widerlegte er | diese Warnung dadurch, daß er sich diese Verwechslung wirklich erlaubte und glaubte, die Einfachheit der Kraft erwiesen zu haben, da er nichts weiter als die zum Vorstellungsvermögen gehörige und in demselben gegründete Einheit des Bewußtseins, wovon gar nicht die Rede sein konnte, erwiesen hatte.198 Der Begriff der Spontaneität des Vorstellungsvermögens hat bisher mit dem Begriffe der Rezeptivität völlig einerlei Schicksal gehabt. Bald wurde er demselben entgegengesetzt, wo er mit ihm zusammengenommen, bald wurde er mit demselben zusammengenommen, wo er von ihm hätte getrennt werden sollen. So wurde das Erzeugen der Vorstellung, dieses Produktes der Rezeptivität und Spontaneität zusammengenommen, von den Spiritualisten gewöhnlich ganz auf Rechnung der Tätigkeit des Vorstellungsvermögens oder, wie sie es nannten, der Kraft gesetzt; während diese Philosophen auf der andern Seite die Einheit in und den Zusammenhang unter den Vorstellun-

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gen, das bloße Produkt der Spontaneität (wie sich in der Folge ergeben wird), durch den Stoff gegeben sein ließen und folglich hier Rezeptivität und Spontaneität zur Unzeit zusammennahmen. Von den Materialisten hingegen wurde die Spontaneität gänzlich verkannt und das Vorstellungsvermögen für eine bloße Rezeptivität angesehen. Worin besteht denn nun aber diese Rezeptivität und Spontaneität, welche das bloße Vorstellungsvermögen ausmachen? Wer die Antwort auf diese Frage in dem vorstellenden Subjekte aufsuchen wollte, würde abermals den eigentlichen Gegenstand unsrer Untersuchung, das bloße Vorstellungs | vermögen, aus den Augen verloren haben und sich außer der Grenzlinie desjenigen, was allein zur bloßen Vorstellung gehört und was allein sich aus dem Bewußtsein allgemeingültig entwickeln läßt, auf dem alten Tummelplatz der Metaphysik befi nden. Er würde aber durch den Versuch einer solchen Antwort nicht nur beweisen, daß er den Sinn unsrer Frage gänzlich verfehlt habe, sondern er würde sich auch der unphilosophischen Arbeit unterziehen müssen, eine Vorstellung des Nichtvorstellbaren zu erkünsteln; denn

§ 21

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In wieferne die Rezeptivität und Spontaneität des Vorstellungsvermögens im vorstellenden Subjekte an sich gegründet sind, in soferne sind sie schlechterdings nicht vorstellbar. 25

Die in der bisherigen Philosophie teils verkannte, teils vernachlässigte Grenze der Vorstellbarkeit* darf wohl nie weni*

Der bisher für diese Grenzbestimmung angesehene Satz des Widerspruchs setzt, wenn er nicht mißverstanden und mißbraucht werden soll, den völlig bestimmten Begriff des Denkens und der Vorstellung überhaupt voraus. Man wird in der Folge einsehen, daß dieser 30 logische, für metaphysisch gehaltene Satz ganz verkannt wurde. 10 abermals ] verbessert aus: abermal 14 dem ] verbessert aus: den

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ger aus dem Auge verloren werden, als wenn man sich derselben so nahe befi ndet, als wir bei der gegenwärtigen Untersuchung, und man folglich alle Augenblick Gefahr läuft, sich in den leeren Raum des Nichtvor | stellbaren zu verirren und in demselben mit zwecklosen Spitzfi ndigkeiten herumzutreiben. Diese Grenzen müssen vor allen Dingen für das Vorstellungsvermögen selbst bestimmt, d. h., es muß angegeben werden, was denn vom Vorstellungsvermögen selbst diesseits und jenseits der Grenze der Vorstellbarkeit liegt, wenn sich aus dem Vorstellungsvermögen die Vorstellbarkeit anderer Dinge in der Folge ergeben soll. Von dem vorstellenden Subjekte a n s i c h , d. h. in seiner eigentümlichen, von der Form der bloßen Vorstellung verschiedenen Form, ist alle Vorstellung unmöglich (§ 17).199 Die Vorstellung der Rezeptivität und Spontaneität, in wieferne sie im Subjekte an sich gegründet sind, setzt also etwas Unmögliches voraus und ist folglich selbst unmöglich. Die Vorstellung der im Subjekte gegründeten Rezeptivität und Spontaneität ist nur insoweit möglich, als das Subjekt selbst vorstellbar ist. In wieferne nun Rezeptivität und Spontaneität das Vorstellungsvermögen ausmachen, in soferne sind sie der Grund aller Vorstellbarkeit und folglich auch der Vorstellbarkeit des Subjektes selbst. In wieferne freilich auf der andern Seite jedes Subjekt der Grund des Prädikates ist, Rezeptivität und Spontaneität aber zusammengenommen als Vorstellungsvermögen das Prädikat des vorstellenden Subjektes sind, in soferne muß freilich das Subjekt als der Grund der Rezeptivität und Spontaneität angesehen werden. Allein vorstellbar bleibt es darum gleichwohl immer nur als logischer Grund des Vorstellungsvermögens; d. h. als ein Subjekt, das hier das bloße logische Substratum des Prädi | kates abgibt und das, wenn es von seinem Prädikate getrennt wird, nichts als den leeren Begriff eines Subjektes überhaupt übrig behält. Das Subjekt wird nur durch das Prädikat: Vorstellungsvermögen zum Vorstellenden, und nur durchs Vorstellungsvermögen vorstellbar. Es kann also das vom Vorstellungsvermögen unterschiedene Subjekt

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nie als reeller Grund des Vorstellungsvermögens vorgestellt werden. Rezeptivität und Spontaneität, in wieferne sie in dem von der Vorstellung unterschiedenen Subjekte an sich vorhanden sind, müssen bei allem Empfangen des Stoffes und bei allem Hervorbringen der Form sich lediglich als das Empfangende und Hervorbringende verhalten; sie müssen bei jeder Vorstellung Subjekt sein und können in soferne nie Objekt werden. Das Vorstellende, in wieferne es das Subjekt alles Vorstellens ist, kann nie das Vorgestellte sein; sowenig als ein Auge sich selbst zu sehen vermag.200 Und dies ist der eigentliche Grund der Vergeblichkeit aller bisherigen und künftigen Versuche, die Natur der Seele, in wieferne unter derselben nicht das bloße Vorstellungsvermögen, sondern die Substanz verstanden wird, kennenzulernen, – einer Vergeblichkeit, die den Spiritualisten sowohl als den Materialisten unter meinen Lesern freilich noch so lange paradox scheinen muß, bis ihnen durch eine aus der Natur des Bewußtseins geschöpfte Erörterung der Vorstellung des Ichs gezeigt sein wird, daß diese Vorstellung nichts weniger als die Vorstellung einer Substanz sein könne. | Die Frage: »Worin besteht die Rezeptivität und Spontaneität des Vorstellungsvermögens?«, auf welche uns der Gang unserer Untersuchung geführt hat, läßt sich also keineswegs durch was immer für eine Betrachtung des vorstellenden Subjektes beantworten. Wir müssen daher wiederum zu der bloßen Vorstellung zurückgehen, an der als an ihrer Wirkung sich das dabei beschäftigte Vermögen der Ursache, welches wir allein hier kennenlernen wollen, äußern muß. Wir müssen also gegenwärtig an dem bisher bestimmten Begriffe der bloßen Vorstellung diejenigen Merkmale der Rezeptivität und Spontaneität ausfi ndig machen, wodurch sich diese beiden Vermögen voneinander unterscheiden, worin ihre eigentliche Beschaffenheit bestehen muß und welche daher im strengsten Sinne des Wortes die Formen dieser Vermögen heißen können. Ich verstehe also in der Folge jedesmal unter

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Form der Rezeptivität die im Vorstellungsvermögen bestimmte Beschaffenheit der Empfänglichkeit für den Stoff und unter Form der Spontaneität die im Vorstellungsvermögen bestimmte Beschaffenheit derjenigen Tätigkeit, durch welche die bloße Form an dem Stoffe hervorgebracht wird. Indem wir nun diese Formen, in welchen die gesuchte Beschaffenheit des Vorstellungsvermögens bestehen und an welchen dasjenige, was bei jeder Vorstellung dem Gemüt allein angehört, sich ergeben muß, aus den Merkmalen des Begriffes der bloßen Vorstellung zu entwickeln haben, scheinen uns diese Merkmale selbst ein unübersteigliches Hindernis entgegenzusetzen: denn |

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§ 22 Der bloße Stoff und die bloße Form der Vorstellung überhaupt sind schlechterdings nicht vorstellbar.

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1. Dasjenige, was nicht unter der Form der Vorstellung vorgestellt werden kann (das Ding an sich), kann auch kein Gegenstand einer möglichen Vorstellung sein; nun kann aber der bloße Stoff an sich und als bloßer Stoff nicht unter der Form der Vorstellung vorgestellt werden, denn sonst würde er zugleich Stoff an sich und Stoff unter der Form der Vorstellung sein müssen.

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2. Dasjenige, dem kein von der bloßen Form verschiedener Stoff in einer Vorstellung entsprechen kann, ist auch kein Gegenstand einer möglichen Vorstellung; nun kann aber der bloßen Form der Vorstellung in jeder möglichen Vorstellung nichts anderes entsprechen als die bloße Form; es kann ihr also in keiner

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Vorstellung ein Stoff entsprechen, d. h., sie kann nicht vorgestellt werden. Die Vorstellung überhaupt ist nur dadurch möglich, daß in ihr das Hervorgebrachte von dem Gegebenen, durch welches sich die Vorstellung allein auf einen Gegenstand beziehen kann, unterschieden ist. In wieferne also unter der bloßen Form lediglich das Hervorgebrachte verstanden wird, in soferne kann ihr in keiner möglichen Vorstellung ein Gegebenes, ein Stoff, entsprechen. Mit einem Worte, dasjenige, was in jeder möglichen Vorstellung bloßer Stoff und bloße Form | ist, kann kein Gegenstand einer möglichen Vorstellung sein, weil es zugleich bloßer Stoff und nicht bloßer Stoff, bloße Form und nicht bloße Form sein müßte, wenn es zugleich bloßer Stoff und Gegenstand, bloße Form und Gegenstand sein sollte. Soviel ist also hier ausgemacht, daß sich die aufzusuchenden Formen der Rezeptivität und Spontaneität aus den in dem Begriffe der bloßen Vorstellung gehörigen Merkmalen des bloßen Stoffes und der bloßen Form an sich, von denen keine Vorstellung möglich ist, nicht ableiten lassen. Allein, wenn sich in dem Begriffe der bloßen Vorstellung andere vorstellbare Merkmale befi nden, aus welchen die Beschaffenheiten jener Formen sich ableiten lassen, so haben wir durch die entdeckte Nichtvorstellbarkeit des bloßen Stoffes und der bloßen Form nicht nur nichts verloren, sondern vielmehr an der Grenzbestimmung der Vorstellbarkeit beträchtlich gewonnen. Es ist uns hier nicht um Vorstellung von der bloßen Form und dem bloßen Stoff in Rücksicht ihrer selbst zu tun, sondern wir wollen nur wissen, wodurch die an sich nicht vorstellbaren Bestandteile der bloßen Vorstellung in dem Begriffe der Vorstellung unterschieden sein müssen, um aus diesem Unterschiede den Unterschied der Formen der Rezeptivität und Spontaneität, um den uns allein zu tun ist, bestimmen zu können. Wirklich haben wir bereits Prädikate gefunden, wodurch sich Stoff und Form im Begriffe der Vorstellung wesentlich auszeichnen 16 dem ] verbessert aus: den

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müssen; für den Stoff nämlich das Prädikat des Gegebenen oder vielmehr, | da das Geben nicht in den Begriff der Vorstellung gehört, des Empfangenen; und für die Form das Prädikat des Hervorgebrachten. Sei das, was in der Vorstellung empfangen wird, das, was in derselben hervorgebracht wird, einzeln und für sich allein immer nicht vorstellbar, so wissen wir doch wenigstens so viel von ihnen, daß beides zusammengenommen die bloße Vorstellung ausmacht; und wir wollen hier nur wissen, was wir unter demjenigen Empfangen und Hervorbringen, welches zur Vorstellung gehört, zu denken haben, worin beides beim Vorstellen bestehe, wie sich beides in der Vorstellung äußere, mit einem Worte, welche Formen der Rezeptivität und Spontaneität das Vorstellungsvermögen ausmachen. Da der Rezeptivität aller Stoff gegeben werden muß und sie ihn folglich nur empfangen kann, so entsteht keine Vorstellung durchs bloße Hervorbringen, sondern zu jeder gehört in Rücksicht ihres Stoffes ein wirkliches Empfangen; so gehört zu jeder Vorstellung ein Wirken auf die Rezeptivität, wobei sich diese bloß leidend verhält und wodurch ihr der Stoff der Vorstellung gegeben wird. Ich nenne die Veränderung, welche in der Rezeptivität durch dieses Auf-sie-gewirkt-Werden entsteht, das Affiziertsein. Ohne dieses Affiziertsein läßt sich die Vorstellung überhaupt nicht denken; man müßte denn die unbegreifliche Vorstellung eines Wesens denken wollen, dem der Stoff seiner Vorstellungen nicht gegeben werden darf, weil es sich denselben erschafft. Aber dies würde auch keine Vorstellung in eigentlicher Bedeutung des Wortes sein. Das wirkliche Affiziertwerden gehört freilich nur zur Wirklichkeit der Vorstel | lung; aber die im Vorstellungsvermögen gegründete und von demselben unzertrennliche bestimmte Möglichkeit des Affi ziertwerdens gehört zur Vorstellung überhaupt und ist wesentlicher Bestandteil des Vorstellungsvermögens.

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§ 23 Unter der Rezeptivität des Vorstellungsvermögens muß das Vermögen, affiziert zu werden, verstanden werden. 5

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Das Vermögen, affiziert zu werden, macht nur dann und nur in soferne einen wesentlichen Bestandteil des Vorstellungsvermögens aus, wann und in wieferne dasselbe zur Vorstellung überhaupt unentbehrlich ist. Solange der unbestimmte Begriff der Vorstellung alle spekulative Philosophie verwirren wird, so lange muß auch dieses wesentliche Vermögen des Gemütes verkannt werden. Es wird von den Materialisten mit der Reizbarkeit der Organisation verwechselt und von mehr als einer spiritualistischen Sekte dem mit der Seele verwechselten Vorstellungsvermögen nur in Rücksicht auf den von der vorstellenden Substanz verschiedenen und mit derselben vereinigten Körper beigelegt werden, wodurch denn für die vorstellende Kraft nichts als das tätige Vermögen übrig bleibt, welches auch wirklich gewisse Vorstellungen (die intellektuellen) ganz allein und ohne Beihülfe der auf die Organisation übertragenen Empfänglichkeit hervorbringen soll. Nur das Vorurteil von der Entbehrlichkeit eines von der bloßen Form der Vorstellung verschiedenen und durchs Affiziertwerden gegebenen Stoffes zur Vorstellung | überhaupt oder vielmehr nur der gänzliche Mangel eines bestimmten Begriffes von Vorstellung konnte eine so unphilosophische Vorstellungsart begünstigen, die nur dann Wahrheit haben könnte, wenn das Vorstellungsvermögen auch seinen Stoff hervorbringen, erschaffen, sollte. »Aber es kann ja im Vorstellungsvermögen selbst ein gegebener Stoff gelegen sein, wo dann wenigstens gewisse Vorstellungen lediglich dadurch entstünden, daß die Spontaneität dem im Vorstellungsvermögen bereits vorhandenen Stoffe die Form gebe.«* – Wenn man nicht wieder das Vorstellungsvermögen *

So müßten sich z. B. die Leibnizianer erklären, wenn sie ihren angebornen Vorstellungen eine einigermaßen scheinbare Bedeutung geben wollten.

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mit der vorstellenden Substanz vermengen will, sondern unter demselben das bloße Vermögen versteht, so kann in demselben nichts anderes gegeben gedacht werden als dasjenige, worin das bloße Vorstellungsvermögen besteht, nämlich die Art und Weise seiner Empfänglichkeit und Tätigkeit, die Formen der Rezeptivität und Spontaneität. Diese können freilich, wie sich in der Folge ergeben wird, vorgestellt werden; d. h. Gegenstände besonderer Vorstellungen abgeben, in denen ihnen ein Stoff entsprechen muß, der, wie ebenfalls gezeigt werden wird, dem Vorstellungsvermögen nicht von außen gegeben sein kann. Aber dieser Stoff ist als Stoff n u r in den besonderen Vorstellungen, deren Gegenstände jene Formen sind, gegeben. In wieferne aber diese Gegenstände im bloßen Vorstellungsvermögen vorhanden sind, sind sie in keiner wirkli | chen Vorstellung als Stoff derselben gegeben. Sie sind freilich dem vorstellenden Subjekte, das sich sein Vermögen nicht selbst erschaffen konnte, in und durch dieses Vermögen gegeben; aber nur als Beschaffenheiten dieses Vermögens, nicht als Stoff in einer wirklichen Vorstellung. Im Vermögen sind sie nur in soferne gegeben, als sie in demselben vorhanden sind, ohne von dem Subjekte hervorgebracht zu sein. Wenn sie aber vorgestellt werden, so ist es nicht genug, daß sie im bloßen Vermögen gegeben sind, sondern es muß der ihnen entsprechende Stoff der Vorstellung durch dasjenige Wirken auf die Empfänglichkeit gegeben sein, welches derselben, die sich in Rücksicht auf jeden möglichen Stoff gleichgültig verhält, einen gewissen Stoff, den sie sich nicht selbst geben kann, bestimmt; durch das Affiziertwerden der Rezeptivität. Wir haben also nun zu untersuchen, worin dieses Vermögen, durch Affiziertwerden einen Stoff zu Vorstellungen zu erhalten, bestehe und wie es sich von dem tätigen Vermögen, wodurch der Stoff die bloße Form der Vorstellung erhält, unterscheidet. Wir müssen die eigentümlichen Formen dieser beiden Vermögen zu bestimmen suchen; wenn wir uns in Stand setzen 8 Vorstellungen ] verbessert aus: Vorstellung

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wollen, das Vorstellungsvermögen von allem, was nur bloßer Gegenstand desselben sein kann, zu unterscheiden. – Wie muß also (denn wir müssen wieder in dem Begriffe der bloßen Vorstellung unsre Antwort aufsuchen), wie muß der bloße Stoff, in wieferne er durch ein Affiziertwerden gegeben sein soll, in der Vorstellung beschaffen sein? Ich antworte: Er muß in der Vorstellung so beschaffen sein, daß durch ihn die Unterscheidung der bloßen Vorstel | lung von dem Subjekte möglich sei. Gleichwie nämlich die Vorstellung nur durch ihre Form auf das vorstellende Subjekt und nur durch ihren Stoff auf das vorgestellte Objekt bezogen wird, gleichwie sie dem Subjekte nur durch dasjenige angehört, was dasselbe daran hervorgebracht hat, und dem Objekte durch das, was von demselben gegeben und im Subjekte empfangen ist; so kann auch die Vorstellung von ihrem Subjekte, dem vorstellenden, nur durch dasjenige unterschieden werden, was in ihr dem Objekte, dem Vorgestellten entspricht, d. h. durch ihren Stoff, von dessen Gegebensein selbst die Realität der Form in der Vorstellung, die nur an dem Gegebenen hervorgebracht werden kann, abhängt. In der von dem Subjekte zu unterscheidenden Vorstellung also muß sich etwas unterscheiden lassen, und dasjenige in ihr, woran sich etwas unterscheiden läßt, kann nur der Stoff sein und alles, was in der Vorstellung Stoff ist, muß sich unterscheiden lassen, d. h. m a n n i g f a l t i g sein.201 In wieferne aber der Stoff in der Vorstellung notwendig ein Mannigfaltiges sein muß, in soferne kann die von allem Stoffe, d. h. von allem Mannigfaltigen unterschiedene Form der Vorstellung nichts anderes als E i n h e i t sein. Mannig faltigkeit ist also das wesentliche Merkmal, das dem Stoffe, und Einheit das wesentliche Merkmal, das der Form i n jeder Vorstellung zukommen muß; sie müssen die Beschaffenheit des Stoffes und der Form ausmachen, wenn Bewußtsein und Vorstellung möglich sein sollen; und es steht folgendes Naturgesetz der Vorstellung fest: |

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§ 24 Wenn das wirkliche Bewußtsein möglich sein soll, so muß der Stoff, das Gegebene, in der Vorstellung ein Mannigfaltiges und die Form, das Hervorgebrachte, Einheit sein. Das Gegebene unterscheidet sich in der Vorstellung durch Mannigfaltigkeit, das Hervorgebrachte durch Einheit. Das gegebene Mannigfaltige wird dadurch Vorstellung, daß an ihm Einheit hervorgebracht wird; und die Einheit wird dadurch Form einer Vorstellung, daß ein Mannigfaltiges gegeben ist, an dem sie hervorgebracht wird. Das Gemüt, auf welches die Vorstellung nur in Rücksicht ihrer Form bezogen werden kann, unterscheidet die Vorstellung vom Gegenstande durch die Einheit, die es durch seine Handlung an dem gegebenen Mannigfaltigen hervorgebracht hat, und es unterscheidet die Vorstellung von sich selbst nur durch das, was es an derselben nicht hervorgebracht hat, was nicht Einheit ist: das gegebene Mannigfaltige. Wir haben schon vor dieser näheren Bestimmung des Stoffes und der Form herausgebracht und erwiesen, daß der bloße Stoff und die bloße Form der Vorstellung nicht vorstellbar sind und daß sie nur in ihrer Beziehung aufeinander in der Vorstellung, die sie ausmachen, dem Subjekt des Bewußtseins vorgehalten werden können.202 Dies wird uns nun durch die gefundene Form, welche das Gegebene sowohl als das Hervorgebrachte in der Vorstellung haben müssen, noch einleuchtender. Die Einheit kann nur am Mannigfaltigen | hervorgebracht werden; und das gegebene Mannigfaltige kann nur durch hervorgebrachte Einheit Vorstellung werden, und so wie Einheit ohne Bezug auf ein Mannigfaltiges und Mannigfaltiges ohne Bezug auf Einheit nicht denkbar ist, so ist auch der bloße Stoff, das Mannigfaltige an sich und ohne Bezug auf Einheit, und die bloße Form, die Einheit an sich und ohne Bezug aufs Mannigfaltige, nicht vorstellbar. Alle Erkenntnis läßt sich auf Unterscheidung der Gegenstände unsrer Vorstellung zurückführen. Wir erkennen eine

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bestimmte Tulpe auf dem Blumenbeete nur in soferne, als wir sie von den übrigen Arten von Blumen und den übrigen Tulpen auf demselben Beete unterscheiden. Alle Unterschiede aber, die wir an den Gegenständen wahrnehmen, müssen auch in den Vorstellungen derselben vorkommen und zwar als gegeben vorkommen, wenn sie ihren Grund in den Gegenständen haben und nicht willkürlich sein sollen. Das Unterscheiden ist freilich Handlung des Gemütes; aber die Verschiedenheit an Objekten, die nicht unser Werk sind, kann nicht Wirkung des Gemütes, sie kann nicht hervorgebracht, sie muß gefunden werden und folglich gegeben sein. Das Mannigfaltige kann nur Stoff der Vorstellung sein. Wir sind uns einer Vorstellung nur in soferne bewußt, als durch sie etwas vorgestellt wird, d. h., als sie einen Gegenstand hat, und wir können also unsre Vorstellungen untereinander nur durch ihre Gegenstände und folglich nur, in wieferne in ihnen etwas diesen Gegenständen entspricht, durch den Stoff, unterscheiden. Die Gegenstände sind | nur in soferne voneinander unterschieden, als jeder von ihnen mehrere Merkmale, ein Mannig faltiges enthält, welchem in der Vorstellung Stoff entsprechen muß, wenn es an den Gegenständen wahrgenommen werden soll. Der Stoff muß also ein Mannigfaltiges sein. »Aber werden nicht auch besondere Vorstellungen durch ihre Formen unterschieden, z. B. die Empfi ndung von dem Begriff und dieser von der Idee?« Ja! wenn sie selbst vorgestellt, d. h. Gegenstände werden, wo die Verschiedenheit ihrer Formen, die nicht von unsrem Gemüt hervorgebracht, sondern demselben gegeben ist, nur durch den ihnen entsprechenden Stoff in besondern Vorstellungen vorkömmt. In wieferne aber die Empfi ndung, der Begriff etc. nicht selbst wieder vorgestellt werden, sondern nichts als Vorstellungen sind, in wieferne sie dem Gemüt einen von ihnen verschiedenen Gegenstand vorhalten, können sie nur durch diesen Gegenstand und das, was ihm in ihnen entspricht, den Stoff, voneinander unterschieden werden.

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§ 25 Die Form der Rezeptivität besteht in der Mannigfaltigkeit überhaupt, in wieferne dieselbe die im Vorstellungsvermögen gegründete und bestimmte Bedingung des Stoffes in der Vorstellung ist. Bewußtsein und Vorstellung sind nur dadurch möglich, daß das in der Vorstellung Gegebene ein Mannigfaltiges sei. Die Rezeptivität oder das Vermögen, einen Stoff zu empfangen, muß also | das Vermögen, ein Mannigfaltiges zu empfangen sein; und ungeachtet die Wirklichkeit des Stoffes und also des gegebenen Mannigfaltigen vom Geben desselben und folglich von etwas außer dem Vorstellungsvermögen abhängt, so muß doch die Möglichkeit des Mannigfaltigen i n der Vorstellung im Vorstellungsvermögen bestimmt vorhanden sein, weil sich die Rezeptivität, ohne für das Mannigfaltige bestimmt zu sein, keineswegs als Vermögen, den Stoff einer Vorstellung zu empfangen, denken läßt und nur dadurch, daß sie nicht Empfänglichkeit überhaupt, sondern Empfänglichkeit fürs Mannigfaltige ist, Bestandteil des Vorstellungsvermögens sein kann. Die Mannigfaltigkeit des Stoffes in der Vorstellung hat ihren Grund in der bestimmten Möglichkeit der Vorstellung, und man kann sich kein Vorstellungsvermögen denken, ohne nicht unter demselben den Grund der Möglichkeit des Mannigfaltigen in der Vorstellung zu denken, welcher die Beschaffenheit der Empfänglichkeit desselben, die Form der Rezeptivität ausmacht. Diese bestimmte Mannigfaltigkeit des in der Vorstellung möglichen Stoffes ist hier n u r als Form der Rezeptivität erwiesen worden und ist in der Theorie des Vorstellungsvermögens auch nur als solche erweislich. Wir erkennen sie nur als eine Beschaffenheit des bloßen Vorstellungsvermögens; keineswegs als Eigenschaft der vorstellenden Substanz an sich und unabhängig vom bloßen Vorstellungsvermögen derselben. Die Seele, als Substanz gedacht, ist Gegenstand einer besondern Vorstellung und folglich einer Vorstellung, die einen ihrem von ihr verschiedenen Gegenstand entsprechenden Stoff enthält, welcher in derselben | gegeben sein muß und daher ebendieselbe

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Empfänglichkeit und ihre bestimmte Form, als im Vermögen vorhanden, voraussetzt, die erst durch und mit dem Stoff einer besondern Vorstellung gegeben sein müßte, wenn sie nicht dem bloßen Vorstellungsvermögen, sondern der vorgestellten und vom bloßen Vorstellungsvermögen unterschiedenen Substanz der Seele beigelegt werden sollte. Es kann also diese Form der Empfänglichkeit dem vorstellenden Subjekte nur in soferne beigelegt werden, als demselben das bloße Vorstellungsvermögen beigelegt werden muß, zu dessen Beschaffenheit jene Form gehört. Der Materialist würde daher sehr voreilig urteilen, wenn er in der von uns aufgestellten Form der Empfänglichkeit einen Grund für die Körperlichkeit der Seele gefunden zu haben glaubte, indem er die bestimmte Mannigfaltigkeit des in der Vorstellung möglichen Stoffes in der Ausdehnung oder Zusammensetzung des vorstellenden Subjektes antreffen [wollte] oder auch nur mit manchem Spiritualisten behaupten wollte, das Vorstellungsvermögen wäre durch die Organisation auf bloße Mannigfaltigkeit seines Stoffes eingeschränkt. Er würde dabei die von uns sorgfältig unterschiedenen Fragen über die Natur des Gemütes und der Seele, die sorgfältig unterschiedenen Fragen: worin besteht das Vorstellungsvermögen und woraus entsteht dasselbe? wieder verwechseln. Jene bestimmte Mannigfaltigkeit kann nur Prädikat des bloßen Vorstellungsvermögens sein und nur in der Form seiner Empfänglichkeit bestehn; denn wir haben ihre Unentbehrlichkeit nur im Begriffe der bloßen Vorstellung und in der Möglichkeit des Bewußtseins gefunden; und wir kennen sie nur als einen bloßen Bestandteil des bloßen Vorstel | lungsvermögens. Die Fragen hingegen: wie sie außer dem bloßen Vorstellungsvermögen vorhanden sei, was sie sei, in wieferne in ihr noch etwas anders als bloße Form der Empfänglichkeit gedacht werden müßte, in welcher Eigenschaft der vorstellenden Substanz sie gegründet sei, mit einem Worte: woraus sie entstehe, betreffen alle nicht das bloße Vorstellungsvermögen, sondern einen Gegenstand, der das Vorstellungsvermögen 32 sei, ] verbessert aus: sein,

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voraussetzt, wenn er selbst vorgestellt werden soll; betreffen nicht das bloße Vorstellungsvermögen, sondern von demselben verschiedene Gegenstände, um deren Eigenschaften dann erst gefragt werden kann, wenn man in der Theorie des Erkenntnisvermögens über den Begriff der Erkennbarkeit und die Grenzbestimmung des Erkenntnisvermögens einig geworden ist.

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§ 26 Die Form der Spontaneität besteht in der Verbindung (der Synthesis) des gegebenen Mannigfaltigen überhaupt. Da die Form der Vorstellung, in wieferne sie das an dem Stoffe Hervorgebrachte ist, nichts anders als Einheit sein kann, so muß das Hervorbringen dieser Form im Hervorbringen der Einheit am Mannigfaltigen, im Verbinden desselben, und die Handlungsweise der Tätigkeit des Vorstellungsvermögens, die Form der Spontaneität, in der Verbindung des Mannigfaltigen in der Vorstellung überhaupt bestehen, die man, um sie mit einem einzigen Worte auszudrücken, Synthesis nennen kann. | Die Mannigfaltigkeit setzt den gegebenen Stoff nur in Stand, Stoff in einer Vorstellung zu sein, ohne ihn zur wirklichen Vorstellung zu erheben. Es muß zu dieser Mannigfaltigkeit etwas von ihr Verschiedenes hinzukommen, wenn aus dem bloßen Stoffe Vorstellung werden soll; dieses Hinzukommende muß von aller Mannigfaltigkeit verschieden, folglich Einheit sein und durch die Tätigkeit des Gemütes hervorgebracht werden, die daher im Vermögen, dem Mannigfaltigen Einheit zu geben, bestehen muß. Die Einheit also gehört nur der Spontaneität des Gemütes allein an, durch welche sie in der Vorstellung allein möglich ist; sie kann nie dem Gemüte als Stoff gegeben werden, weil alles, was sich dem Gemüte als Stoff geben läßt, mannigfaltig sein muß. Sie wird aber auch von dem Gemüte nicht aus nichts, sondern aus einem Mannigfaltigen hervorgebracht, welches dem Gemüt immer nur gegeben sein muß, nie von demselben hervorgebracht werden kann.

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Verbindung kann sowohl die Handlung des Verbindens als die Wirkung dieser Handlung heißen. In der letztern Bedeutung ist die Verbindung des Mannigfaltigen soviel als Einheit des Mannigfaltigen oder Form der Vorstellung selbst; in der ersten Bedeutung aber, wo sie soviel als verbinden sagen will, muß einer möglichen Zweideutigkeit des Wortsinnes durch eine nähere Bestimmung desselben zuvorgekommen werden. Im Begriffe des Verbindens wird erstens eine bloße Handlung überhaupt (tätige Veränderung) und zweitens die Form dieser Handlung, dasjenige, wodurch sich die Handlung des Verbindens von anderen Handlungen unterscheidet und um dessen willen sie ver | binden heißt, gedacht. Der Satz: die Form der Spontaneität besteht im Verbinden, heißt nicht, sie besteht in der tätigen Veränderung, welche beim Verbinden vorgeht, sondern in der Form dieser tätigen Veränderung, in der Art und Weise der Handlung, nicht in der Handlung selbst. Man wird die Absicht dieser vielleicht zu subtil scheinenden Distinktion bald einsehen, wenn man bedenkt, daß das Verbinden als bloße Handlung überhaupt lediglich vom handelnden Subjekte oder [von] der Kraft abhängt, welche dem Verbinden die Wirklichkeit der Handlung, aber auch nur die bloße Wirklichkeit der Handlung, nicht die Form derselben, wodurch die Handlung verbinden heißt, gibt. Diese Form kann nicht vom handelnden Subjekte hervorgebracht, sondern sie muß demselben selbst gegeben sein; und sie ist ihm in dem bloßen Vermögen, das sich das Subjekt nicht selbst beilegen oder erschaffen konnte, gegeben. Die bloße Form der Vorstellung, die Einheit des Mannigfaltigen ist, in wieferne sie hervorgebracht, zur Wirklichkeit gelangt ist, Wirkung des vorstellenden Subjektes und folglich von der Kraft, dem Subjekte des tätigen Vermögens, hervorgebracht. Aber die Form der Spontaneität, die im Verbinden bestehende Handlungsweise der Spontaneität, in wiefern sie den Grund enthält, daß das in der Vorstellung Hervorgebrachte Einheit und nichts anders als Einheit ist, ist nicht von der Spontaneität des Subjektes hervorgebracht, sondern mit und in derselben dem Subjekte gegeben.

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Das Vorstellungsvermögen ist, seinen bloßen Formen nach, so wenig durch das Dasein des vorstellenden Subjektes an sich bestimmt, als das Da | sein dieses Subjektes durch jene bloßen Formen bestimmt sein kann. Gleichwohl will ich hier ebensowenig leugnen als behaupten, daß sich von der gegebenen Form des bloßen Vorstellungsvermögens mit Recht auf die Form des vorstellenden Subjektes als Substanz schließen lasse; will [ich] hier nicht untersuchen, ob daraus, daß die Spontaneität nichts als Einheit hervorbringen könne, gefolgert werden dürfe, daß sie nur als Einheit existieren, nichts als Einheit sein und nicht bloß als ein einziges, sondern auch als ein einfaches Subjekt gedacht werden müsse. Ich begnüge mich nur, die Spiritualisten zu erinnern, daß in der Theorie des Vorstellungsvermögens nur von der Form des Vermögens der Tätigkeit, nicht von der Form der Kraft des handelnden Subjektes die Rede sei, von der Handlungsweise der Spontaneität, nicht von der Art zu sein ihres Subjektes, von der in der bloßen Form der Vorstellung vorkommenden, sich äußernden Beschaffenheit des Wirkens, nicht von der Beschaffenheit des von der Vorstellung unterschiedenen wirkenden Subjektes. Als Ding an sich läßt sich die Substanz der Seele schlechterdings nicht vorstellen; ob aber als Ding unter der Form der Vorstellung, läßt sich erst dann ausmachen, wenn dasjenige, was zu den Bedingungen besonderer Vorstellungen gehört, entwickelt und insbesondere die Vorstellung der Substanz aus der Natur des Erkenntnisvermögens bestimmt sein wird.

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§ 27 Die Formen der Rezeptivität und Spontaneität sind dem vorstellenden Subjekte in und mit dem Vorstellungsvermögen gegeben | und in demselben vor aller Vorstellung bestimmt vorhanden. Die Formen der Rezeptivität und Spontaneität sind die wesentlichen Beschaffenheiten des bloßen Vorstellungsvermögens. In wieferne also in dem vorstellenden Subjekte ein Vorstellungs-

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vermögen vorhanden ist, in soferne müssen in demselben auch die Formen der Rezeptivität und Spontaneität vorhanden sein. Nun muß das Vermögen der Vorstellung aller wirklichen Vorstellung, von der es vorausgesetzt wird, vorhergehen; also müssen auch die Formen der Rezeptivität und Spontaneität vor aller Vorstellung im vorstellenden Subjekte bestimmt sein. Diese Formen machen also die dem vorstellenden Subjekte eigentümliche, demselben vor aller Vorstellung zukommende Natur aus. Man ist in der philosophischen Welt bis auf diesen Augenblick über die Natur des vorstellenden Subjektes in wesentlich verschiedene Parteien geteilt, weil man unter dieser Natur mehr die Substantialität des vorstellenden Subjektes als das Vorstellungsvermögen verstanden hat, welches man vor allen Dingen hätte untersuchen müssen, um sich endlich auch über die Substantialität verstehen zu können. Allein, man hat die Natur des vorstellenden Subjektes, in wieferne dasselbe vorstellend ist, das bloße Vorstellungsvermögen, noch nie dort aufgesucht, wo sie allein anzutreffen war, in der bloßen Vorstellung, an der als der Wirkung sich die Ursache allein offenbaren kann; und so wurden auch die eigentümlichen Merkmale des bloßen Vorstellungsvermögens, welche die Natur des Vorstellenden ausmachen, bisher ganz verkannt. Da sich aber alle Gegenstände unsrer Vorstellungen | und folglich auch die Dinge außer uns nicht als Dinge an sich, sondern nur unter der Form der Vorstellung vorstellen lassen, so ist die im gemeinen Leben ganz gleichgültige, aber alle Philosophie verwirrende Täuschung, welche uns wähnen macht, daß wir uns an den Dingen außer uns unter der Form der Vorstellung Dinge an sich vorstellen, und die uns nötigt, dasjenige, was in unsren Vorstellungen dem Vorstellungsvermögen eigentümlich ist, mit dem, was den Dingen außer uns angehört, zu verwechseln, so lange unvermeidlich, bis nicht durch die entdeckten Formen der Rezeptivität und Spontaneität die eigentümlichen Merkmale des bloßen Vorstellungsvermögens gefunden sind, welche uns in Stand setzen, 8 vor ] verbessert aus: von

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das dem vorstellenden Subjekte eigentümlich Angehörige von allem den Dingen außer uns Eigentümlichen zu unterscheiden. »Diese Unterscheidung ist schlechterdings unmöglich, denn um das, was in unsren Vorstellungen den Dingen außer uns eigentümlich ist, zu entdecken, müßte Vorstellung dieses Eigentümlichen möglich sein. Allein, der von den Außendingen gegebene Stoff ist in keinem Bewußtsein von der bloßen Form trennbar.« – Zu dieser Unterscheidung wird freilich Vorstellung des den Dingen außer uns Eigentümlichen erfordert; aber keineswegs Vorstellung dieses Eigentümlichen an sich, sondern es reicht die Vorstellung desselben unter der Form der Vorstellung vollkommen hin, sobald einmal die bloßen Formen der Rezeptivität und Spontaneität bekannt sind. Sobald man von diesen Formen bestimmte Vorstellungen hat, so mag das den Außendingen Angehörige immer nur unter | der Form der Vorstellung vorgestellt werden; so wird gleichwohl der wesentliche Unterschied zwischen dem, was Form der Rezeptivität und Spontaneität ist und was sie nicht ist, in wirklichen Vorstellungen vorkommen. Denn die reine Vorstellung, diejenige, die keinen andern Gegenstand als die Formen der Rezeptivität und Spontaneität hat, wird sich von den nicht reinen, die sich auf andere Gegenstände beziehen, bestimmt genug unterscheiden lassen. Alles kommt hierbei darauf an, daß die Formen der Rezeptivität und Spontaneität abgesondert von allem, was nicht notwendig in ihnen gedacht werden muß, d. h. rein vorgestellt werden. Geschieht dies, so wird an ihnen schlechterdings nichts den von dem vorstellenden Subjekte verschiedenen Dingen, den Dingen außer uns, Angehöriges vorgestellt. Auch muß der Stoff, der den Vorstellungen der Formen der Rezeptivität und Spontaneität entspricht, von dem Stoffe, der den Vorstellungen der Dinge außer uns entspricht, deutlich genug unterschieden werden können. Die Vorstellungen jener Form haben keinen vom Gemüte verschiedenen [und] außer demselben befi ndlichen Gegenstand, ihr Stoff ist also etwas, dem nichts vom bloßen Vorstellungsvermögen Verschiedenes entspricht. Er ist in seinen Gegenständen, welche

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bloße Beschaffenheiten des Vorstellungsvermögens sind, dem vorstellenden Subjekte in und mit dem Vorstellungsvermögen und folglich vor aller Vorstellung gegeben, obwohl nur in seinen Gegenständen, d. h. nur als Form des Gemütes. Wenn er also in besondern Vorstellungen, die keinen andern Gegenstand als jene Form haben, Stoff der Vorstellung wird, so ist er wenigstens kein dem Vorstellungsvermögen von außen her gegebener, | sondern ein in demselben vor aller Vorstellung, durch seinen Gegenstand bestimmter, in der Vorstellung aber durch Handlung des Gemüts gegebener Stoff. Wir wollen ihn daher den subjektiven Stoff nennen, um ihn von demjenigen, der dem Gemüte schlechterdings nur als bloßer Stoff und von außen her gegeben sein muß und den wir daher den objektiven Stoff nennen wollen, zu unterscheiden. Dieser objektive Stoff ist dasjenige, was den von aller Vorstellung nicht nur, sondern auch [den] von dem vorstellenden Subjekte unterschiedenen Gegenständen angehört und was, in wieferne es in unsren Vorstellungen vorkömmt, den Grund der Unterscheidung unsres Subjektes von Dingen außer uns, sowie den einzig möglichen Grund unsrer Überzeugung vom Dasein der Dinge außer uns enthält. Wir wollen uns hier vor allen Dingen der Unentbehrlichkeit eines solchen objektiven Stoffes für jedes Vorstellungsvermögen überhaupt zu versichern suchen. Zur reinen, das heißt, bestimmten Vorstellung der Formen der Rezeptivität und Spontaneität als solcher läßt sich nur durch Zergliederung des Begriffes der bloßen Vorstellung überhaupt gelangen. Allein der Begriff der Vorstellung überhaupt ist nur von besondern Vorstellungen abgezogen, und sein Gegenstand, die Vorstellung überhaupt, existiert als Gattung nur in den Arten und durch diese nur in besondern einzelnen Vorstellungen. Nun können die Vorstellungen der Formen der Rezeptivität und Spontaneität keineswegs diejenigen besondern Vorstellungen sein, aus welchen der Begriff der Vorstellung überhaupt abgezogen ist, denn sie sind nur durch die Zergliederung dieses Begriffes gefunden, und ihre Gegenstände sind nur | von diesem Begriffe abgezogen; also muß der

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Begriff der Vorstellung überhaupt von solchen besondern Vorstellungen abgezogen sein, welche von den bloßen Formen der Rezeptivität und Spontaneität verschiedene Gegenstände haben, von Vorstellungen, die einen anderen Stoff haben als einen solchen, dem die Formen der Rezeptivität und Spontaneität entsprechen, mit einem Worte aus Vorstellungen, die einen objektiven Stoff haben müssen. Ohne einen von dem bloßen Vorstellungsvermögen, von dem, was den Formen der Rezeptivität und Spontaneität in den Vorstellungen derselben entspricht, d. h. von dem subjektiven Stoffe verschiedenen und folglich dem Gemüte von außen her gegebenen Stoff würde keine Vorstellung überhaupt zur Wirklichkeit gelangen können. Denn in dem bloßen Vorstellungsvermögen ist dem Subjekte desselben nichts als die bestimmte Möglichkeit, ein Mannigfaltiges zu empfangen, und demselben, vorausgesetzt, daß es gegeben sei, durch Verbindung Einheit zu erteilen, gegeben. Diese Vermögen können sich ihrer Wirklichkeit nach nur an wirklichen Vorstellungen äußern; und sie können sich zuerst nur an solchen wirklichen Vorstellungen äußern, durch welche sie nicht selbst vorgestellt werden, deren Gegenstände nicht sie selbst sind, sondern die vom Gemüte und seiner Beschaffenheit verschiedene Dinge sind. Denn sie können nur dann vorgestellt werden, wenn sie sich als das, was sie sind, in der Eigenschaft bloßer Formen vom Wirken und Leiden des Gemütes an wirklichen Vorstellungen wirklich bewiesen haben, welches nur an einem von ihnen selbst verschiedenen und von außen her gegebenen Stoff möglich | sein konnte. Die Vorstellungen, durch welche das vorstellende Subjekt zum Bewußtsein der Beschaffenheiten seines Vermögens gelangt, können unmöglich die Vorstellungen dieses Vermögens selbst sein. Die Beschaffenheiten des Vorstellungsvermögens können nur aus der bloßen Wirkung des Vorstellungsvermögens erkannt werden, in wieferne dieses Vermögen seine Funktion an der Wirkung äußert. Nun kömmt in der Vorstellung überhaupt die Form der Rezeptivität nur in soferne vor, als durch sie die bloße Möglichkeit des Stoffes in der Vorstellung, die

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Form der Spontaneität nur in soferne, als durch sie die Einheit des gegebenen Mannigfaltigen bestimmt ist. Durch sie beide ist also für die wirkliche Vorstellung überhaupt noch kein Stoff gegeben, sondern dieser muß, wenn eine Vorstellung überhaupt zur Wirklichkeit gelangen soll, durch etwas vom vorstellenden Subjekte und seinem Vermögen Verschiedenes gegeben werden.

§ 28 10

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Zur Wirklichkeit der Vorstellung überhaupt gehört ein von den Formen der Rezeptivität und Spontaneität verschiedener, dem Subjekte nicht im Vorstellungsvermögen, sondern von außen her gegebener Stoff, welcher der objektive Stoff heißt. Zur Wirklichkeit der Vorstellung überhaupt gehört ein objektiver Stoff, heißt keineswegs ebensoviel als: jede Vorstellung muß objektiven Stoff haben; sowenig als die Sätze: zur Vorstellung überhaupt gehört ein vorstellendes Wesen, und: in jeder Vorstellung wird das vorstellende Wesen | vorgestellt, einerlei bedeuten. Es wird nicht behauptet, daß der objektive Stoff in jeder Vorstellung als Inhalt derselben vorkommen müsse; sondern nur, daß ohne ihn die Vorstellung überhaupt und folglich auch die reinen Vorstellungen von den Formen der Rezeptivität und Spontaneität selbst nicht zur Wirklichkeit gelangen könnten; weil in dem bloßen Vorstellungsvermögen nur die Formen desselben bestimmt sind, die, bevor sie an einem von ihnen selbst verschiedenen Stoff in einer wirklichen Vorstellung vorgekommen sind, ebensowenig sich vorstellen lassen können als die Form der Mediceischen Venus203, wenn sie nicht an irgendeinem Stoffe vorher vorgekommen wäre. Gleichwie aber die Form dieser Bildsäule, nachdem sie einmal an einem Stoffe realisiert ist, sich auch abgesondert von diesem Stoffe denken und untersuchen läßt; weil sie zwar an dem Stoffe, aber nicht durch den Stoff gegeben und mit ihm zwar vereinzelt, aber gleichwohl von ihm wesentlich verschieden ist;

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ebenso können die Formen der Rezeptivität und Spontaneität, nachdem sie einmal an einem von ihnen verschiedenen Stoffe in wirklichen Vorstellungen vorgekommen sind, auch ohne diesen Stoff vorgestellt werden, mit dem sie zwar in jenen wirklichen Vorstellungen vereinigt vorkamen, durch den sie aber so wenig gegeben sind, daß sie vielmehr von ihm als Bedingungen, unter denen er allein in einer Vorstellung vorkommen kann und die im vorstellenden Subjekt, bevor er gegeben sein kann, vorhanden sein müssen, vorausgesetzt werden. |

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§ 29

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Das Dasein der Gegenstände außer uns ist also ebenso gewiß als das Dasein einer Vorstellung überhaupt. 204 Da der Stoff in einer Vorstellung dasjenige ist, was dem von der Vorstellung verschiedenen Gegenstande entspricht, so muß die Vorstellung, die einen objektiven, einen von außen her gegebenen Stoff hat, auch einen außer dem Gemüte befi ndlichen Gegenstand haben. In wieferne nun der objektive Stoff zur Wirklichkeit der Vorstellung überhaupt unentbehrlich ist, in soferne ist aus dem Dasein einer Vorstellung überhaupt das Dasein der Dinge außer uns ebenso erwiesen als das Dasein eines Vorstellungsvermögens und eines von jenen Dingen verschiedenen Subjektes, dem das bloße Vorstellungsvermögen angehört und das wir unser Ich nennen. Nur das bisherige Verkennen des bloßen Vorstellungsvermögens konnte in der philosophischen Welt Sekten veranlassen und erhalten, welche den im gegenwärtigen Paragraphen aufgestellten Satz entweder leugneten oder bezweifelten. Wird der Stoff der Vorstellungen mit den bloßen Vorstellungen verwechselt, so entsteht ein Idealism, der außer den Vorstellungen und dem vorstellenden Subjekte (oder aufs höchste mehreren vorstellenden Subjekten) alles Wirkliche geradezu leugnet. 26 Paragraphen ] verbessert aus: Paragraph

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Wird hingegen der von der Vorstellung unterschiedene Gegenstand mit dem bloßen Stoffe der Vorstellung verwechselt, so entsteht ein Skeptizism, welcher die Übereinstimmung der Vorstellungen mit ihren Gegenständen und in soferne auch das | Dasein der vorgestellten Dinge außer uns bezweifelt. Allein hat bei der bisherigen allgemeinherrschenden Unbestimmtheit in dem Begriffe der Vorstellung der Idealist auch wohl bedacht, daß der bloße Stoff der Vorstellung keine Vorstellung sein könne und daß der Stoff, der nicht im bloßen Vermögen der Vorstellung gegeben ist und folglich nicht die bloße Beschaffenheit des Vermögens zum Gegenstande hat, sich notwendig auf Gegenstände außer dem vorstellenden Subjekte beziehen müsse? – Hat auch dem Skeptiker bisher wohl gezeigt werden können, daß seine Forderung, die Dinge an sich müßten den bloßen Vorstellungen ähnlich sein oder die Übereinstimmung der Vorstellungen mit ihren Gegenständen müsse in der Ähnlichkeit zwischen beiden bestehn, durchaus keinen Sinn habe, sobald er seinen Begriff von Vorstellung und Gegenstand berichtigt? ________________ Aller Stoff in was immer für einer Vorstellung muß durch ein Affiziertwerden der Empfänglichkeit gegeben sein, also auch der subjektive Stoff, der in den reinen Vorstellungen der Formen der Rezeptivität und Spontaneität enthalten ist. Die hierzu erforderliche Handlung des Affi zierens kann hier unmöglich durch etwas außer dem Gemüte geschehen, sondern ist lediglich dadurch denkbar, daß die Spontaneität auf ihre eigene Rezeptivität jenen Formen gemäß wirkt und dadurch dasjenige, was vorher als bloße Form im bloßen Vorstellungsvermögen vor aller wirklichen Vorstellung bestimmt war, in einer wirklichen besondern Vorstellung als Stoff bestimmt. Der Stoff der reinen | Vorstellungen der Formen der Rezeptivität und Spontaneität ist also in Rücksicht auf seinen Gegenstand (von dem er seine Form als bestimmter Stoff hat) im bloßen Vorstellungsvermögen und also im Gemüte vor aller Vorstellung; in Rücksicht aber auf sein wirkliches Vorhandensein in besondern

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(den reinen) Vorstellungen [ist er] durch eine Handlung des vorstellenden Subjektes bestimmt; während aller objektive Stoff sowohl in Rücksicht auf seine eigentümliche Form, die er als bestimmter Stoff hat und die in einem außer dem Gemüt befi ndlichen von demselben verschiedenen Gegenstande gegründet ist, als auch in Rücksicht auf sein Vorhandensein in einer Vorstellung durch die fremde Handlung auf die Rezeptivität, welche denselben vermittelst des Affizierens dem Gemüte gibt, bestimmt werden muß. Ich nenne den Stoff, in wieferne er im bloßen Vorstellungsvermögen und also im Gemüte vor aller Vorstellung bestimmt ist, Stoff a priori; in wieferne er aber erst in und mit einer wirklichen Vorstellung durchs Affi ziertwerden bestimmt werden muß, Stoff a posteriori oder den empirischen Stoff. Der Stoff, der den reinen Vorstellungen der Formen der Rezeptivität und Spontaneität entspricht, kann allein ein solcher Stoff a priori heißen, weil außer diesen Formen im bloßen Vorstellungsvermögen nichts vorhanden sein kann und weil er seinem Gegenstande nach vor aller Vorstellung im Gemüte bestimmt sein muß. Man muß aber hier nicht vergessen, daß dieser Stoff nur in Rücksicht auf sein Bestimmtsein im bloßen Vermögen a priori heißt, nicht in Rücksicht auf seine bloße Subjektivität; und daß man nicht ohne | Unterschied allen subjektiven Stoff a priori nennen dürfe. Denn auch der subjektive Stoff muß a posteriori heißen, in wieferne er nicht durch das bloße Vorstellungsvermögen, sondern durch Handlung des vorstellenden Subjektes in besondern Vorstellungen bestimmt ist. So würde zum Beispiel der Stoff, der in der Vorstellung einer bloßen Veränderung, welche die Spontaneität in der Rezeptivität bewirkt hat, enthalten wäre und der folglich nichts als die Veränderung selbst zum Gegenstande hätte, ein subjektiver Stoff a posteriori sein; denn er würde seinem Gegenstande nach nicht im bloßen Vermögen vor aller Vorstellung, sondern erst mit und in der Vorstellung durch die Handlung des vorstellenden Subjektes bestimmt sein. W i e aber Vorstellungen, die einen Stoff a priori enthalten, im Gemüte zur Wirklichkeit gelangen,

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läßt sich in der Theorie des Vorstellungsvermögens überhaupt allein nicht bestimmen. In Rücksicht auf den entweder a priori oder a posteriori gegebenen Stoff nenne ich die Vorstellungen, deren Inhalt er ausmacht, entweder a priori oder a posteriori, reine oder empirische Vorstellungen. § 30 Alle Vorstellungen, die einen objektiven Stoff enthalten, sind Vorstellungen a posteriori oder empirische Vorstellungen.

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Aller objektive Stoff ist Stoff a posteriori, weil er keineswegs im bloßen Vorstellungsvermögen und folglich nicht vor aller Vorstellung im Gemüte bestimmt ist, sondern durch etwas von dem Vor | stellenden Verschiedenes dann erst im Gemüte bestimmt wird, wenn das Gemüt affiziert wird und nur dadurch auch seiner eigentümlichen Beschaffenheit nach (als Stoff) im Gemüte bestimmt wird, daß das Gemüt von außen so und nicht anders affiziert wird. Er ist also nichts, was im Gemüte nicht durch das bloße Affiziertsein von außen her und folglich nicht erst mit und in der Vorstellung, nicht erst dann entstünde, wenn im Gemüte das Vorstellungsvermögen mit seinen Formen (der Stoff a priori) vorausgesetzt würde. Aller Stoff jeder möglichen Vorstellung (sie sei a priori oder a posteriori) ist zwar, in wieferne er nicht vom Gemüt hervorgebracht werden kann, sondern demselben gegeben werden muß, schon vor aller Vorstellung in seinem Grunde bestimmt. Aber nicht aller Stoff kann als vor aller Vorstellung im Gemüte bestimmt gedacht werden, sondern nur derjenige allein, dem kein anderer Gegenstand außer der bloßen Beschaffenheit des Vorstellungsvermögens (die Form der Rezeptivität und Spontaneität) entspricht. Der objektive Stoff ist zwar auch vor aller Vorstellung, aber nur in seinem vom Gemüte verschiedenen Grunde bestimmt. In wieferne er im Gemüte vorkommen soll, muß er nicht nur in Rücksicht auf sein wirkliches Vorhandensein in der Vorstellung, sondern auch in Rücksicht auf seine eigentümliche dem

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Gegenstande entsprechende Form durch das bloße Von-außenAffiziertsein und folglich erst in und mit der Vorstellung selbst, d. h. a posteriori bestimmt sein; während der Stoff, der den reinen Vorstellungen der Formen der Rezeptivität und Spontaneität entspricht, durch diese seine Gegenstände, die nicht außer dem Ge | müt vorhanden sind, im Gemüte a priori bestimmt ist.

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§ 31 Die Vorstellungen der bloßen Formen der Rezeptivität und der Spontaneität enthalten einen im Vorstellungsvermögen a priori bestimmten Stoff und heißen darum Vorstellungen a priori. Wir sind schon genug gewarnt, um nicht aus dem von uns aufgestellten und erwiesenen Satze: Ohne objektiven Stoff (und folglich ohne die sogenannten Gegenstände der äußern Erfahrung) kann keine Vorstellung überhaupt zur Wirklichkeit gelangen, etwa den übereilten Schluß zu ziehen: Also gibt es keinen andern Stoff der Vorstellung überhaupt als den objektiven; und alle Vorstellungen entspringen aus der äußern Erfahrung. Dies hat wenigstens Locke, auf den sich die Anhänger dieser Meinung berufen, nicht gemeint, wenn er den Stoff aller Vorstellungen aus der Erfahrung ableitete.* Denn er schließt die innere Erfahrung (das Gegebensein eines Stoffes in dem Gemüte selbst) so wenig aus, daß er sie vielmehr bei jeder Gelegenheit als eine besondere Quelle der Vorstellungen, die er freilich nicht genug vom Stoffe unterscheidet, angibt. »Diejenigen Eindrücke«, sagt er z. B., »welche auf unsre Sinne | durch Gegenstände geschehen, die außer dem Gemüte vorhanden sind, und die eigenen Handlungen des Gemütes, welche aus der inneren *

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Whence has the mind all the materials of reason and Knowledge? To this I answer in one word: From Experience. In this all our Knowledge is founded, and from that it ultimately derives itself, Essay. 30 B[ook]. ii. Ch. 1.205 25 Sinne ] verbessert aus: Sinnen

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und dem Gemüte eigentümlichen Kraft entspringen, und welche durch das Reflektieren über dieselben selbst Gegenstände seiner Betrachtungen werden, sind, wie ich bereits gesagt habe, die Urquellen aller Erkenntnis«.206* – Wenn dem Gemüte ein Stoff, der einem vom Gemüte verschiedenen Gegenstande entspricht, gegeben ist, so entsteht Vorstellung, aber nicht das Gemüt selbst, nicht die bestimmte Empfänglichkeit, die vorhanden sein muß, wenn der gegebene Stoff vom Gemüte empfangen [werden soll]; nicht die Art und Weise der Tätigkeit, die im Gemüte bestimmt gegeben sein muß, wenn dem Stoffe die Form der Vorstellung erteilt werden soll; nicht diese im Gemüt vor allem äußern Stoff notwendig bestimmten Formen, die, wenn sie einmal vorgestellt werden, als Gegenstände besonderer Vorstellungen im Gemüte durch keinen von außen gegebenen Stoff repräsentiert, auf nichts außer dem Gemüt Befi ndliches bezogen werden können. Die Vorstellung a priori muß keineswegs mit dem Stoffe a priori, der bloß ihren Inhalt ausmacht, verwechselt werden, wenn nicht Verwirrung und Mißverständnis entstehen soll. Nur der Stoff a priori, nicht die Vorstellung a priori ist im Gemü | te vor aller Vorstellung vorhanden und demselben im bloßen Vermögen gegeben. Die Vorstellung a priori kann dem Gemüte nicht gegeben sein, sondern muß von demselben erzeugt werden und kann daher dem Stoffe a posteriori so wenig als dem a priori vorhergehen, sondern setzt beide, den a priori in Rücksicht auf ihren Gegenstand, den a posteriori in Rücksicht auf die Unentbehrlichkeit desselben, zur Wirklichkeit einer Vorstellung (von der sich die Formen der Rezeptivität und Spontaneität abstrahieren lassen) voraus. Man kann die Vorstellungen a priori als anatomische Präparate des menschlichen Gemütes ansehen. Sie haben, so wie die wirklichen anatomi*

Vorher hatte er sich folgendermaßen hierüber ausgedrückt: »External objects furnish the mind with Ideas of sensible qualities, and the mind furnishes the understanding with Ideas o f its own operati35 ons«.207

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schen Präparata, in soferne nur ein künstliches Dasein, als sie ihren Gegenständen nach nur zum Behufe der Wissenschaft von dem Ganzen, der Vorstellung a posteriori, woran die Formen der Rezeptivität und Spontaneität sich allein zuerst in ihrer natürlichen Bestimmung äußern, abgesondert vorhanden sind. Ihre Gegenstände sind freilich vor aller Zergliederung der Vorstellung a posteriori in derselben durch das Vorstellungsvermögen vorhanden; aber nur als subjektive Bestimmungen eines objektiven von außen her gegebenen Stoffes, ohne den sie zur Wirklichkeit in einer solchen Vorstellung sowenig hätten gelangen können als z. B. das Nervensystem ohne Beine, Muskeln und die übrigen wesentlichen Teile des menschlichen Körpers; obwohl sie durch jenen objektiven Stoff sowenig gegeben sind als das Nervensystem durch die Beine, Muskeln usw., nachdem sie aber mit dem objektiven Stoffe in Vorstellungen a posteriori zur Wirklichkeit gelangt sind, so gut wie die Nerven | abgesondert von Muskeln usw. aufbehalten werden können. Die Formen der Rezeptivität und Spontaneität sind keineswegs Vorstellungen, sondern, in wieferne sie im Gemüte gegeben sind, Beschaffenheiten des Vorstellungsvermögens; in wieferne sie sich aber an der bloßen Vorstellung überhaupt äußern, Merkmale der Vorstellung überhaupt, und zwar notwendige und allgemeine Merkmale derselben.

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§ 32 Die Vorstellungen a priori sind, in wieferne durch sie notwendige und allgemeine Merkmale der Vorstellung überhaupt vorgestellt werden, notwendige und allgemeine und in dieser Rücksicht von aller Erfahrung unabhängige Vorstellungen. Der Stoff der Vorstellungen a priori repräsentiert im Bewußtsein notwendige Merkmale der Vorstellung überhaupt, das heißt solche Merkmale, ohne welche sich keine Vorstellung überhaupt denken läßt. Denn ohne die bestimmte Empfänglichkeit, und zwar ohne die zur Mannigfaltigkeit bestimmte Empfäng-

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lichkeit, ist kein Stoff in der Vorstellung, und ohne die durch Verbindung des Mannigfaltigen hervorgebrachte Einheit [ist] keine Form der Vorstellung, und folglich [ist] ohne beide im Vorstellungsvermögen vorhandenen und dasselbe ausmachenden Bedingungen keine Vorstellung überhaupt möglich. Mannig faltigkeit des Gegebenen und hervorgebrachte Einheit m ü s s e n daher | in jeder Vorstellung vorkommen*, und die Vorstellungen dieser notwendigen Merkmale jeder Vorstellung sind ihren Gegenständen nach schlechterdings notwendig. Dieses Müssen würde von ihnen keineswegs behauptet werden können, wenn sie dem Gemüte durch das bloße Affizieren der Empfänglichkeit erst in und mit der Vorstellung gegeben und nicht vor aller Vorstellung im bloßen Vorstellungsvermögen bestimmt, d. h., wenn sie aus der Erfahrung allein abgezogen wären. Denn könnte von den Formen der Rezeptivität und Spontaneität nur behauptet werden, das Gemüt habe sich bei den bisherigen Vorstellungen ihnen gemäß geäußert, keineswegs aber, es habe sich ihnen gemäß äußern müssen, es habe sich nicht anders als so äußern können. Nichts Wirkliches kann als notwendig erkannt werden, wenn es sich nicht durch seine vor der Wirklichkeit bestimmte Möglichkeit als das einzig Mögliche erkennen läßt. Der Stoff der Vorstellungen a priori repräsentiert allgemeine, das heißt allen wirklichen und möglichen Vorstellungen ohne Ausnahme zukommende Merkmale. Da sich die Vorstellung überhaupt nicht ohne die Formen der Rezeptivität und Spontaneität denken läßt, so sind diese Formen vor aller wirklichen Vorstellung durch die Natur des Vorstellungsvermögens vorhinein allen möglichen und wirklichen Vorstellungen bestimmt und | zugeteilt und erhalten dadurch eine Allgemeinheit, die weiter reicht als alles mögliche Zeugnis der Erfahrung, das sich nur auf die bisher wirklichen, nicht auf alle möglichen Fälle erstrecken kann, zu erhärten vermag. Ohne die Priorität der Formen der Rezeptivität und Spontaneität würde ihre Allge*

Vorkommen als subjektive Bestimmungen, nicht als Stoff jeder Vor35 stellung, daher sie auch nicht in jeder Vorstellung vorgestellt werden.

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meinheit sowenig als ihre Möglichkeit aus der Erfahrung, der innern sowenig als der äußern, begreiflich und erweislich sein. Sie sind also von der Erfahrung unabhängig; und dieses würde allein schon aus ihrer Notwendigkeit und Allgemeinheit erweislich sein, ungeachtet wir es gegenwärtig keineswegs daraus zu erweisen begehren. Eine Vorstellung von der Erfahrung ableiten, kann doch wohl nichts anderes heißen, als sie von einem äußern oder inneren Eindrucke, dem von dem affizierenden Dinge bestimmten Affizieren der Rezeptivität ableiten. Der Stoff, der den Vorstellungen a priori entspricht, muß freilich in diesen Vorstellungen durch ein Affiziertwerden der Rezeptivität gegeben und als Stoff der Vorstellungen, in denen er Stoff ist, bestimmt werden; und in soferne hängen auch die Vorstellungen a priori von der (inneren) Erfahrung ab. Allein dieses Affi ziertwerden bestimmt von jenem Stoffe nichts als seine Wirklichkeit in jenen Vorstellungen, nicht aber seine eigentümliche Beschaffenheit, dasjenige, was ihn als bestimmten Stoff auszeichnet, was an ihm seinen Gegenständen entspricht. Dieses kann nur in und mit seinen Gegenständen, den Formen der Rezeptivität und Spontaneität bestimmt sein; und wird | also nicht erst durch das Wirken der Spontaneität, sondern ist vor demselben im bloßen Vorstellungsvermögen als dessen Beschaffenheit bestimmt. Wie sich denn weder die Rezeptivität ihre Art affiziert zu werden, noch die Spontaneität ihre Art zu affi zieren selbst bestimmen können, sondern beides, als bestimmt in ihrem Vermögen gegeben, bei jedem Affiziertwerden und Affizieren voraussetzen. Die Formen der Rezeptivität und Spontaneität sind also Gegenstände, durch welche das Affiziertwerden der Rezeptivität von außen und von innen und folglich auch alle äußere und innere Erfahrung allein möglich ist; ihre reinen Vorstellungen hängen also ihren Gegenständen nach schlechterdings von keiner Erfahrung ab; obwohl sie als wirkliche Vorstellungen in Rücksicht auf das Affiziertwerden 8 dem ] verbessert aus: den 17 ihn ] verbessert aus: ihm

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durch die Spontaneität, das zu ihrem Entstehen als Vorstellungen a priori von der inneren und in Rücksicht auf den objektiven Stoff, der zur Wirklichkeit der Vorstellungen a posteriori, die ihnen vorhergegangen sein müssen (siehe § 28), unentbehrlich ist, auch von der äußern Erfahrung abhängen. Der scharfsinnige Platner hat (§ 82 der ä. A. der Aphor.) 208 über die Art, wie sich das Leibnizische und das Lockesche System über den Ursprung der Vorstellungen vereinigen ließe, etwas sehr Treffendes gesagt.* »Locke gesteht Grundbestim | mungen in der Seele zu, welche die Seele fähig machen, die notwendigen Wahrheiten zu empfi nden« (soll doch wohl heißen, sich der Notwendigkeit gewisser Urteile bewußt zu werden?). »Leibniz will Ideen, aber doch ohne Ideenbilder«. – »Vielleicht sind Leibnizens Ideen, ohne Ideenbilder, nichts anderes als Lockes Grundbestimmungen.«210 Ich unterschreibe sehr gerne diese Vermutung, die für mich noch mehr als Vermutung ist. Denn zuverlässig haben die beiden genannten großen Männer Wahrheit nur aus verschiedenen Gesichtspunkten gesehen. Aber ebenso gewiß haben beide diese Wahrheit jeder n u r aus verschiedenen Gesichtspunkten und folglich jeder einseitig gesehen. Leibniz bestand darauf, daß jene a priori im Gemüte vorhandenen Grundbestimmungen Vorstellungen wären, weil er in der Vorstellung überhaupt den Stoff nicht genug von der Form unterschied und alles, was im Gemüt vorgeht, Vorstellung nannte. Locke hingegen bestand darauf, daß die Erkenntnis jener Grundbestimmungen schlechterdings von der Erfahrung, dem äußern und inneren Affiziertsein abhinge, weil er den Stoff in der Vorstellung nicht genug von den von der Vorstellung unterschiedenen Gegenständen unterschied und sich daher nicht denken konnte, wie der Stoff von den Vorstellungen jener Grund*

Aber in der neuen Ausgabe aus der Abhandlung, Von der Streitigkeit über die angebornen Begriffe, wir wissen nicht warum, weggelassen.209 1 ihrem ] verbessert aus: ihren 17 f. Wahrheit nur ] verbessert aus: Wahrheit und nur

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bestimmungen vor aller Vorstellung und folglich vor seinen in der wirklichen Vorstellung vorkommenden Gegenständen, das heißt, bevor jene Grundbestimmungen die Rezeptivität affiziert hätten, im Gemüte bestimmt vorhanden sein konnte. Beide Philosophen konnten sich, da sie ihren Begriff von Vorstellung | nicht aufs reine gebracht haben, über die unstreitige Wahrheit, die jeder von ihnen im Auge hatte, [unter]einander nicht verständigen. In der Vorstellung überhaupt ist etwas von aller Erfahrung Unabhängiges, wofür Leibniz, und etwas von derselben Abhängiges, wofür Locke sich erklärte; aber wie hätten sie darüber einig werden sollen, worin das von der Erfahrung Abhängige und das Unabhängige bestünde, da sie beide zu untersuchen vernachlässigten, was zur bloßen Vorstellung überhaupt, von der sie keinen bestimmten Begriff hatten, gehörte. Aus dem von mir bestimmten und bisher entwickelten Begriff der Vorstellung und des Vorstellungsvermögens ergibt sich’s einleuchtend genug: Daß es weder angeborne Vorstellungen gebe, noch daß alle Vorstellungen ohne Unterschied in dem Sinne Erfahrung voraussetzen, als ob der Stoff von allen lediglich durchs Affiziertsein überhaupt oder gar durchs Affiziertsein von außen bestimmt sein müßte. ________________ So wie sich die Beschaffenheit des Vorstellungsvermögens überhaupt nur durch den durchgängig bestimmten Begriff der bloßen Vorstellung überhaupt entdecken läßt, so können das sinnliche, das verständige und das vernünftige Vorstellungsvermögen oder Sinnlichkeit, Verstand und Vernunft nur aus den bloßen Vorstellungen der Sinnlichkeit, des Verstandes und der Vernunft erkannt werden. Wir werden also in den Theorien der besondern Vorstellungsvermögen die Bedeutungen | der Worte Empfi ndung, Gedanken, Anschauung, Begriff und Idee im strengsten Sinne zu bestimmen haben. Da aber alle diese Benennungen auch der Vorstellung überhaupt in gewissen Rücksichten, obzwar nur in weiterer Bedeutung, beigelegt werden, so müssen in der Theorie des Vorstellungsvermögens überhaupt diese Rücksichten angegeben und, durch eine be-

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stimmte Aufstellung der weiteren Bedeutungen jener Worte, die Gründe sowohl als die Grenzen jenes Sprachgebrauches erörtert werden. § 33 5

In wieferne in der Vorstellung überhaupt ein Affiziertwerden der Rezeptivität vorkommen muß, das Affiziertwerden überhaupt aber (die Veränderung, bei der sich das Gemüt leidend verhält) Empfindung heißt, in soferne heißt die Vorstellung überhaupt Empfindung in weiterer Bedeutung des Wortes.

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Bei dem unentwickelten Begriffe von der Vorstellung überhaupt blieb zwar der Anteil des Affiziertwerdens an der Vorstellung überhaupt nicht ganz verkannt, aber er wurde von den Sensualphilosophen, welchen alle Vorstellungen bloße Empfi ndungen waren, viel zu groß und von den Intellektualphilosophen, welche das Affiziertwerden für bloße Gelegenheitsursache der von der Kraft der Seele hervorgebrachten Vorstellungen ansahen, viel zu klein angegeben. | In wieferne das Vermögen des Empfi ndens (affiziert zu werden) Sinnlichkeit in weiterer Bedeutung des Wortes heißt, in soferne kömmt jedem Vorstellungsvermögen überhaupt Sinnlichkeit zu; und die Sinnlichkeit in diesem Verstande erniedrigt den Menschen so wenig zum Tiere herab, daß sie ihm vielmehr mit dem höchsten aller erschaffenen Geister gemein sein muß.

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In wieferne in der Vorstellung überhaupt eine Handlung der Spontaneität vorkommen muß, die Handlung des Gemüts aber ein Denken und ihre Wirkung Gedanke in weiterer Bedeutung heißt, in soferne heißt die Vorstellung überhaupt Gedanke in weiterer Bedeutung.

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Bei dem unentwickelten Begriffe von der Vorstellung überhaupt blieb zwar der Anteil der Spontaneität an der Vorstel-

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lung nicht ganz verkannt; aber er wurde von den Intellektualphilosophen zu groß und von den Sensualphilosophen viel zu klein angegeben, indem die einen das ganze Vorstellungsvermögen, in wieferne es im Subjekte gegründet ist, in lauter Tätigkeit, die andern aber seine Tätigkeit in einer bloßen Reaktion auf den Eindruck bestehen ließen. In wieferne das tätige Vermögen von dem sich leidend verhaltenden und mit dem Namen der Sinnlichkeit bezeichneten Vermögen unter | schieden wird, heißt es auch das intellektuelle Vermögen oder der Verstand in weiterer Bedeutung; der also in jedem Vorstellungsvermögen, auch dem Tierischen vorhanden sein muß. Der Stoff jeder Vorstellung wird empfunden, die Form gedacht.

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§ 35 In wieferne die Vorstellung überhaupt ihrem Stoffe nach ein Mannigfaltiges enthalten muß und durch dieses Mannigfaltige in ihr das Objekt dem Subjekte repräsentiert wird, in soferne heißt sie Anschauung in weiterer Bedeutung. Das Auge schaut an, wenn es von der Gestalt eines sichtbaren Gegenstandes affi ziert, dieselbe dem Gemüte vergegenwärtigt. Auf ähnliche Weise wird durch das die Rezeptivität affizierende und dem Gegenstande entsprechende Mannigfaltige der Vorstellung der Gegenstand oder vielmehr dasjenige vom Gegenstande, was dem Gemüte durchs Affizieren gegeben ist und die Form der Vorstellung annehmen konnte, und durch dasselbe der Gegenstand vergegenwärtigt.

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In wieferne die Vorstellung überhaupt ihrer Form nach ein Mannigfaltiges in sich begriffen (zusammengenommen, auf Einheit | gebracht) enthält, in soferne heißt sie Begriff in weiterer Bedeutung. Das Wort Begriff charakterisiert die Veränderung im Gemüte, wodurch eine Vorstellung ihrer Form nach entsteht, so bestimmt, daß man dasselbe unter die auffallendsten Beispiele der vielen lehrreichen und von den Philosophen bisher vernachlässigten Winke ansehen kann, welche der menschliche Geist über die wahre Beschaffenheit seines Wirkens auch schon an dem bloßen Gepräge seiner Gedankenzeichen gegeben hat. Aber keines der verschiedenen für die Vorstellung überhaupt (in wieferne dieselbe aus verschiedenen Gesichtspunkten angesehen wird) durch den Sprachgebrauch bestimmten Worte wurde zumal von den Leibnizianern mehr gemißbraucht als das Wort Begriff, welches von ihnen gemeiniglich für Vorstellung überhaupt ohne alle Einschränkung gebraucht wurde, wie sich auch wohl nicht anders von Philosophen vermuten läßt, welche das Vorstellen als eine bloße Handlung einer Kraft und die Vorstellung als Wirkung derselben anzusehen gewohnt waren.

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In wieferne die Vorstellung überhaupt als bloße Vorstellung von allem, was Gegenstand derselben ist, verschieden und nicht außer dem Vorstellenden vorhanden ist, in | soferne heißt die Vorstellung überhaupt Idee in weiterer Bedeutung. Das Wort Idee wird so sehr ohne alle Einschränkung für Vorstellung überhaupt gebraucht, daß es mir wohl nicht an Lesern fehlen wird, welche die eben von mir angegebene Bestimmung seiner weitern Bedeutung für willkürlich erklären dürften. 13 keines ] verbessert aus: keiner

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Allein, diese belieben zu bedenken, daß es für den Philosophen durchaus keine völlig gleichbedeutenden Worte (Synonyma) geben könne und daß sich der eigentliche Sinn, in welchem das Wort Idee, die Vorstellung überhaupt zu bezeichnen, durch den Sprachgebrauch bestimmt ist, bei aller Vernachlässigung, die derselbe auch von unsren besten Schriftstellern erfahren hat, gleichwohl bis auf den heutigen Tag erhalten habe und bei vielen Gelegenheiten sich deutlich genug offenbare. Das Wort Idee wird vorzugsweise dann gebraucht, wenn man die bloße Vorstellung den Sachen entgegensetzt und damit etwas bloß im Gemüte Befi ndliches andeuten will. So sagt man: »Dies ist nur noch Idee«, »eine Idee realisieren«, »die Ideenwelt« usw. Endlich wird die von mir hier aufgestellte weitere Bedeutung des Wortes Idee durch die in der Folge zu bestimmende engere (mit welcher bei jedem Worte die weitere übereinstimmen muß) gegen alle Bedenklichkeiten gesichert werden. Und so wäre dann der Sprachgebrauch, der die Worte Empfi ndung, Gedanke, Anschauung, Begriff und Idee nicht selten für die Vorstellung | überhaupt zu gebrauchen erlaubt, ja zuweilen dazu genötigt ist, einerseits gerechtfertigt, andererseits aber in die Grenzen zurückgewiesen, die nicht überschritten werden dürfen, wenn nicht Verwirrung der Begriffe und Vieldeutigkeit des Ausdrucks entstehen soll. Wenn z. B. das Wort Idee in seiner weitern Bedeutung die bloße Vorstellung überhaupt sehr richtig bezeichnet, so wird es nicht, ohne dem philosophischen Sprachgebrauch Gewalt anzutun, bei einer sinnlichen Vorstellung, z. B. der roten Farbe, gebraucht werden können. | __________________

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The extent of our Knowledge comes not only short of the reality of things, but even of the extent of our own Ideas; though our Knowledge be limited to our Ideas, and cannot exceed them either in extent or perfection. Lockes Essay B[ook]. i v. Ch. 3.211

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§ 38 Das Bewußtsein überhaupt besteht aus dem Bezogenwerden der bloßen Vorstellung auf das Objekt und Subjekt und ist von jeder Vorstellung überhaupt unzertrennlich.

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Wenn man aus dem bisher entwickelten Begriffe der bloßen Vorstellung zu demjenigen herausgeht, was zwar nicht als innere Bedingung der bloßen Vorstellung in ihm selbst enthalten, aber doch als äußere Bedingung der Vorstellung mit ihm notwendig verknüpft ist, so gelangt man auf das von der Vorstellung unterschiedene Objekt und Subjekt, mit deren einem die Vorstellung durch ihren Stoff und dem andern durch ihre Form in einem notwendigen Verhältnisse steht. Gleichwie nun der bloße Stoff und die bloße Form zu | sammengenommen die inneren Bedingungen der bloßen Vorstellung ausmachen, so machen die Beziehungen der bloßen Vorstellung aufs Objekt und Subjekt zusammengenommen die inneren Bedingungen des Bewußtseins aus. Man kann die bloße Vorstellung, das Objekt und das Subjekt den Inhalt, ihre Beziehung aber aufeinander und die Art und Weise wie sie zusammen im Bewußtsein vorkommen und dasselbe ausmachen, die Form des Bewußtseins nennen. Ich habe hier nur die Form des Bewußtseins zu entwickeln. Man hat bisher über das Bewußtsein überhaupt ebensowenig und ebenso schief philosophiert als über die bloße Vorstellung überhaupt. »Was das Bewußtsein heiße, versteht sich von selbst, muß jeder von selbst wissen, lehrt das Selbstgefühl«, waren die Ausflüchte, womit sich unsre Empiriker das Denken über

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das Bewußtsein zu erleichtern oder gar zu ersparen wußten. Aus ängstlicher Besorgnis vor Spitzfi ndigkeit und Grübelei verschlossen andere bei der Untersuchung dieses wichtigen Gegenstands das Auge des Geistes, um ihn durch das Betasten mit dem Gefühle desto besser kennenzulernen. Auch die wenigen, die über das Bewußtsein wirklich gedacht haben, blieben nur bei gewissen einzelnen Arten des Bewußtseins stehen, deren Eigentümlichkeiten sie nur sehr schwankend und unbestimmt angeben konnten, da sie das Bewußtsein überhaupt, die Gattung, bei ihren Untersuchungen ganz vorbeigegangen waren. So hat z. B. auch der schärfere Blick eines Platners keineswegs bis zum Bewußtsein überhaupt durchgedrungen. Alles, was dieser Philosoph in den ersten Abschnitten seiner | Aphorismen über das Bewußtsein der Existenz und der Personalität sagt,212 ist zwar reichhaltig an psychologischen Aufschlüssen über diese beiden Arten des Bewußtseins, aber beantwortet so wenig die Frage: worin besteht das Bewußtsein überhaupt, daß es vielmehr dieselbe als schon beantwortet voraussetzt. Allein, da diese Beantwortung nur eine Frucht einer vorhergegangenen, bisher ganz vernachlässigten Untersuchung sein konnte, so ist es sehr natürlich, daß Hr. Platner, so wie andere, einen sehr unrichtigen Begriff vom Bewußtsein überhaupt voraussetzte. Bei der bisher allgemeinherrschenden Verworrenheit des Begriffes der bloßen Vorstellung fand man nichts Widersprechendes darin, daß man jede Veränderung des Gemütes Vorstellung nannte und folglich auch das Bewußtsein für eine Vorstellung, und zwar für die Vorstellung der Vorstellung erklärte; oder, wenn man ja tiefer in die Natur des Bewußtseins eindrang, dasselbe für die Vorstellung der Beziehung einer Vorstellung aufs vorstellende Subjekt ausgab. Allein das Bewußtsein überhaupt ist von der Vorstellung überhaupt so wesentlich verschieden, daß keine Art des Bewußtseins, als Bewußtsein, Vorstellung sein kann. Zu jedem Bewußtsein gehört Vorstellung, aber auch noch mehr als Vor21 Hr. ] Abk. für: Herr

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stellung, nämlich das Subjekt und Objekt, die von der Vorstellung im Bewußtsein unterschieden sind. Das Beziehen der bloßen Vorstellung auf Objekt und Subjekt aber Vorstellung nennen, wäre eine sehr unphilosophische Verwirrung des Sprachgebrauches, der dieses Wort demjenigen, was beim Be | wußtsein auf das Subjekt und Objekt bezogen wird, bestimmt hat. Auch ist das doppelte Bezogenwerden der Vorstellung nicht nur keine Vorstellung, sondern wird auch in dem Bewußtsein überhaupt, dessen Form dasselbe ist, keineswegs vorgestellt. Das Vorstellen dieses Bezogenwerdens ist nicht das Bezogenwerden selbst, nicht das Bewußtsein, sondern ein Vorstellen des Bewußtseins; und die Vorstellung dieses Bezogenwerdens ist nicht Bewußtsein, sondern Vorstellung des Bewußtseins, welche auf das Bewußtsein als Gegenstand und auf das Subjekt bezogen, das Bewußtsein des Bewußtseins abgibt. Noch weniger endlich kann das Bewußtsein Vorstellung des gegenseitigen Verhältnisses zwischen dem Subjekte an sich und der bloßen Form, dem Objekte an sich und dem bloßen Stoffe der Vorstellung sein, da alle diese vier Dinge nicht vorstellbar sind. Es kann also unter dem Bewußtsein überhaupt keine Vorstellung, sondern nur diejenige Veränderung des Gemütes verstanden werden, durch welche die bloße Vorstellung aufs Objekt und Subjekt bezogen wird; eine doppelte Handlung des Subjektes, durch welche die Vorstellung in Rücksicht ihres Stoffes dem Gegenstande und in Rücksicht ihrer Form dem Subjekte zugeeignet wird; eine Handlung der Spontaneität, durch welche die Vorstellung mit dem von ihr verschiedenen Objekte und Subjekte verbunden wird. Dieses Verbinden (die eigentümliche Handlungsweise der Spontaneität) äußert sich beim Bewußtsein auch als ein Trennen; (ein Unterscheiden) in wieferne die Vorstellung dadurch, daß sie mit dem Objekte verbunden vom Subjekte getrennt, und | dadurch, daß sie mit diesem verbunden, von jenem getrennt wird. Das, was sich bewußt ist, heißt das Subjekt des Bewußtseins; wessen es sich bewußt ist, der Gegenstand des Bewußtseins.

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Durch das Beziehen der Vorstellung auf den Gegenstand ist sich das Subjekt etwas bewußt, durch das Beziehen auf das Subjekt, ist es sich etwas bewußt. Dieses Etwas ist in jedem Bewußtsein der Gegenstand des Bewußtseins, aber auch zugleich in jedem der Gegenstand der bloßen Vorstellung, die mit ihm und dem Subjekte den Inhalt des Bewußtseins ausmacht. Das Subjekt und Objekt sind in einem und ebendemselben Bewußtsein so wesentlich verschieden, daß keines für das andere substituiert werden kann, ohne nicht den Unterschied zwischen dem doppelten Beziehen der Vorstellung und mit demselben das Bewußtsein selbst aufzuheben. Was also in einem Bewußtsein bloßes Subjekt desselben ist, kann in soferne in ebendemselben Bewußtsein nicht ein Objekt des Bewußtseins und folglich auch nicht der Vorstellung sein; das heißt: das Subjekt des Bewußtseins kann als bloßes Subjekt des Bewußtseins nicht vorgestellt werden. Das Bewußtsein der Vorstellung, das Bewußtsein des Vorstellenden (das Selbstbewußtsein) und das Bewußtsein des Vorgestellten verhalten sich zum Bewußtsein überhaupt wie Arten zur Gattung. Sie sind untereinander bloß durch ihre Gegenstände unterschieden und was ihnen gemeinschaftlich zukömmt, heißt das Bewußtsein überhaupt. 1.) Das Bewußtsein der Vorstellung hat die Vorstellung selbst zum Gegenstande, die also dabei vorgestellt, d. h. Gegenstand einer andern, | von ihr unterschiedenen bloßen Vorstellung werden muß, deren doppeltes Bezogenwerden das Bewußtsein der Vorstellung ausmacht. Bei dieser Art des Bewußtseins kömmt also Vorstellung der Vorstellung vor, die man bisher gemeiniglich auf das Bewußtsein überhaupt ausgedehnt hat. 2.) Das Bewußtsein des Vorstellenden als eines solchen, das Selbstbewußtsein, hat das Vorstellende selbst zum Gegenstande, das also dabei vorgestellt, das heißt Objekt einer von ihm als Subjekt und als Objekt verschiedenen bloßen Vorstellung werden muß, die durch ihr Bezogenwerden das Selbstbewußtsein, dessen Gegenstand durch das Wort Ich bezeichnet wird, ausmacht. 3.) Das Bewußtsein des Gegenstandes hat den von der Vorstellung unterschiede-

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nen Gegenstand zum Objekte, der also mit den ihn von der bloßen Vorstellung unterscheidenden Merkmalen vorgestellt, das heißt, in dieser Eigenschaft Objekt einer besondern (von derjenigen, durch welche er zuerst im Bewußtsein vorkam, verschiedenen) Vorstellung werden muß, deren doppeltes Bezogenwerden dann das Bewußtsein des Gegenstandes ausmacht. Dieses Bewußtsein des Gegenstandes muß von dem Bewußtsein überhaupt sorgfältig unterschieden werden. Ungeachtet man sich in jedem Bewußtsein, und folglich im Bewußtsein überhaupt, nur des Gegenstandes der bloßen Vorstellung bewußt ist, so ist doch nicht jeder Gegenstand jedes Bewußtseins ein von seiner bloßen Vorstellung als unterschieden vorgestellter, durch eine besondere Vorstellung in diesem Unterschiede gedachter Gegenstand, d. h. nicht jedes Bewußtsein ist Bewußtsein des Gegenstandes kat' exochn, obwohl man sich in jedem Bewußtsein überhaupt eines Gegenstandes bewußt | sein muß, der aber ebensogut auch eine Vorstellung und das Vorstellende als der von beiden unterschiedene Gegenstand (der Gegenstand im strengsten Sinne) sein kann. In allen diesen drei Arten des Bewußtseins (die in der Folge näher erörtert werden) ist das, was ihnen gemeinschaftlich ist, was das Bewußtsein überhaupt ausmacht und ihnen den Namen des Bewußtseins zuwege bringt, das Bezogenwerden der bloßen Vorstellung aufs Objekt und Subjekt, welches wir daher für die eigentliche Natur des Bewußtseins überhaupt annehmen müssen. Dieses Bewußtsein überhaupt ist von der Vorstellung überhaupt unzertrennlich, und es gibt also keine Vorstellungen ohne Bewußtsein. Die bloße Vorstellung, d. h. das der Rezeptivität gegebene und durch Spontaneität auf Einheit gebrachte Mannigfaltige führt nur darum und nur in soferne den Namen Vorstellung, weil und in wieferne durch dasselbe etwas vorgestellt wird. Es wird aber durch dasselbe nur in soferne etwas 1 den ] verbessert aus: dem 2 Merkmalen ] verbessert aus: Merkmale

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vorgestellt, als dieses Produkt der affi zierten Rezeptivität und der handelnden Spontaneität auf dasjenige, dem sein Stoff entspricht, d. h. den Gegenstand, und auf dasjenige, dem seine Form angehört, d. h. das Subjekt, bezogen wird. Der Stoff in der bloßen Vorstellung tritt seine eigentümliche Funktion als Repräsentant des Gegenstandes nur dann erst an, wenn er dem Subjekte das Objekt durch das Bezogenwerden der Vorstellung auf beide vergegenwärtigt. Die bloße Vorstellung ist freilich nicht das Bewußtsein selbst, aber sie stellt nur im Bewußtsein etwas vor, und durch sie | wird nur im Bewußtsein vorgestellt. Denn durch sie wird nur dann etwas vorgestellt, wenn sie mit diesem Etwas, dem Gegenstande [verbunden wird] – sie stellt nur dann vor, wenn sie mit dem vorstellenden Subjekte verbunden wird. Unabhängig von dieser Verknüpfung (diesem wirklichen Zusammenhang mit Objekt und Subjekt) heißt sie nur in soferne bloße Vorstellung, in wieferne sie etwas vom Subjekt und Objekt Verschiedenes ist, in welchem gleichwohl die Möglichkeit des doppelten Bezogenwerdens, durch welches eigentlich etwas vorgestellt wird, bestimmt vorhanden ist; ein Etwas, das als bloße Vorstellung, das heißt, in wieferne es von Objekt und Subjekt unterschieden wird, in der Theorie des Vorstellungsvermögens überhaupt [untersucht wird]; in wieferne es aber mehr als bloße Vorstellung ist, in seiner Beziehung aufs Objekt und Subjekt in der Theorie des Erkenntnisvermögens untersucht wird. Ich will hier nicht die Gründe wiederholen, mit welchen Locke die bewußtseinlosen Vorstellungen so glücklich bestritten hat und unter welchen freilich auch manche zu viel beweisen dürften.213 Allein ich gestehe, daß ich mir mit ihm so wenig eine Vorstellung ohne alles Bewußtsein als einen Hungrigen ohne Empfi ndung des Hungers denken kann. Ich habe nur dann eine Vorstellung, wenn mir etwas vorgestellt wird, oder eigentlicher, wenn Ich mir etwas vorstelle, d. h. wenn Ich (das vorstellende Subjekt) eine Vorstellung (das Produkt einer Einwirkung auf mich und meiner Gegenwirkung) auf etwas (den Gegenstand) und dieses Etwas durch jenes Produkt auf mich

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beziehe. Eine Vorstellung, die ich nicht habe und die mir nichts vorstellt, ist keine Vorstellung. | Die Gründe, die man bisher für die Möglichkeit und Wirklichkeit bewußtseinloser Vorstellungen anführte, sind alle aus dem unbestimmten Begriffe der Vorstellung überhaupt und dem mit demselben zusammenhängenden unrichtigen Begriff der vorstellenden Kraft hergenommen. »Kraft«, sagen z. B. die Leibnizianer, »kann nie ohne Wirkung sein, und die Wirkung der vorstellenden Kraft ist Vorstellung; nun ist die Seele öfters ohne Bewußtsein, sie muß also Vorstellungen ohne Bewußtsein haben«.214 Allein, wie schon öfter gezeigt worden, wird in dem Begriffe der Kraft das Subjekt des Vorstellungsvermögens mit der Substanz dieses Subjektes verwechselt. Die Tätigkeit des vorstellenden Subjektes (worin auch immer die Substanz desselben bestehen mag) macht nur mit der Empfänglichkeit zusammengenommen das Wesen des Vorstellungsvermögens (nicht der Substanz, welche vorstellt) aus. Die Tätigkeit des Vorstellungsvermögens aber, die nicht unabhängig von der Empfänglichkeit handeln kann, äußert sich nur dann, wenn die Empfänglichkeit affiziert wird. Wenn man, wie bisher oft der Fall war, alles, was im Gemüte vorgeht, ohne Unterschied Vorstellung nennen will, so gibt es freilich mehr Vorstellungen ohne als mit Bewußtsein. Man hat alles, was im Gemüte vor einer Vorstellung vorhergeht, alles, was auf sie folgt, Vorstellung genannt. Als ob die Anstalten zu einem Werke und die Folgen desselben das Werk selbst heißen könnten? Oder müssen die Anstalten und Wirkungen der Vorstellung darum Vorstellungen heißen, weil sie selbst wieder zum Teil vorgestellt werden? Aber ist dann das, was vorgestellt werden kann, | vorgestellt wird (der Gegenstand einer Vorstellung), darum eine Vorstellung? Ist das Affiziertwerden, das Verbinden des Mannigfaltigen bei der Vorstellung überhaupt, beim Urteile, beim Vernunftschlusse eine Vorstellung, weil es auch vorgestellt werden kann? O, so ist es nicht das Gemüt, sondern die Vorstellung ist es, die aus Vorstellungen Vorstellungen erzeugt.

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Herr Platner, welcher die bewußtseinlosen Vorstellungen ausdrücklich behauptet*, findet hierin nichts Ungereimtes; denn er lehrt sogar nach Leibnizen, »daß die bewußtseinlosen Vorstellungen auf der einen Seite Wirkungen, auf der andern Ursachen der bewußten Vorstellungen wären«216. [In] § 36 meint er zwar, daß »bewußtseinlose Vorstellungen der gemeinsten Erfahrung entgegen scheinen«217. Allein [in] § 49 glaubt er, »daß die allerersten sinnlichen Ideen (Vorstellungen) des neugebornen Kindes ohne Bewußtsein wären«218, und [in] § 59, »das Bewußtsein der Person verliere sich öfters beim tiefen Nachdenken«219. In Rücksicht auf die letztere Erscheinung glaube ich sogar, daß sich auch das Bewußtsein der Existenz dabei verlieren könne. Aber ich kann aus den oben angegebenen Gründen weder das bewußtseinlose Affiziertwerden des Kindes noch das bewußtseinlose Anstrengen des in seinen Spekulationen sich verlierenden Forschers ein Vorstellen nennen, ohne die Bedeutung eines so wichtigen Wortes zu verwirren. Aus dem Affiziertwerden des Kindes und aus der Anstrengung des Denkers entsteht nur dann wirkliche Vorstellung, wenn der der Rezeptivi | tät des einen gegebene Stoff aufgefaßt und der von dem andern zu einer neuen Vorstellung aufgesuchte Stoff gefunden und die bloße Vorstellung beider auf ihren Gegenstand bezogen wird. Endlich mußten sich die bewußtseinlosen Vorstellungen bei der bisherigen Art zu philosophieren auch darum so sehr anhäufen, weil man das Bewußtsein überhaupt, das man nie untersucht hatte, mit dem klaren, oft auch sogar mit dem deutlichen Bewußtsein verwechselte. Es gibt Vorstellungen ohne klares Bewußtsein. Ist es nun nicht ausgemacht, wodurch sich das klare Bewußtsein von dem Bewußtsein überhaupt unterscheide, so ist nichts natürlicher, als daß man den Mangel des klaren Bewußtseins für Mangel des Bewußtseins überhaupt ansehe. Ein auffallender Beweis, daß diese Verwechslung *

Philosophische Aphorismen, n[eue]. A[usgabe]. §. 63. 65.215

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wirklich bisher gewöhnlich war, liegt in dem Umstande, daß man das Bewußtsein entweder für nichts als eine bloße Vorstellung der Vorstellung hielt oder doch wenigstens die Vorstellung der Vorstellung für einen jedem Bewußtsein wesentlichen Bestandteil ansah; welches, wie sich bald genug ergeben wird, nur von dem klaren Bewußtsein gelten kann.

§ 39 Das Bewußtsein überhaupt ist klar, in wieferne dasselbe Bewußtsein der Vorstellung ist. 10

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Die drei Arten des Bewußtseins überhaupt sind Bewußtsein der Vorstellung, des Subjektes und des Objektes. Wir wollen also die Klarheit | des Bewußtseins überhaupt in der Klarheit dieser drei Arten aufsuchen. Das Bewußtsein der Vorstellung ist klar, in wieferne sich das Gemüt bei demselben keines andern Gegenstandes als seiner eigenen Vorstellung bewußt ist. Das Bewußtsein des Subjektes (das Selbstbewußtsein) ist klar, in wieferne sich das Gemüt außer seiner Selbst auch noch der Vorstellung bewußt ist, durch welche es sich selbst vorstellt. Das Bewußtsein des Objektes ist klar, in wieferne sich das Gemüt außer dem Bewußtsein des Gegenstandes auch noch der bloßen Vorstellung desselben bewußt ist. In allen diesen Fällen besteht die Klarheit des Bewußtseins überhaupt lediglich im Bewußtsein der Vorstellung. Da nun jedes Bewußtsein im Beziehen der bloßen Vorstellung aufs Objekt und Subjekt besteht, so muß beim klaren Bewußtsein überhaupt, dessen Objekt immer eine Vorstellung ist, diese Vorstellung selbst durch eine andere von ihr (als dem Gegenstande) unterschiedene Vorstellung vorgestellt werden. Beim klaren Bewußtsein kommt also notwendig Vorstellung der Vorstellung vor. Dies ist der Grund, warum bei der Art von Bewußtsein, die klares Bewußtsein des Gegenstandes heißt, die Unterscheidung zwischen bloßer Vorstellung und Objekt 4 jedem ] verbessert aus: jeden

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nicht bloß vom Gemüte vorgenommen (denn dies geschieht bei jedem Bewußtsein überhaupt), sondern die bloße vom Gegenstande unterschiedene Vorstellung auch vorgestellt wird und man also bei diesem Bewußtsein nicht nur die Vorstellung vom Gegenstand unterscheidet, sondern auch beide in besondern Vorstellungen unterschieden vorstellt. In wieferne eine Vorstellung Objekt des Bewußtseins und folglich selbst vorgestellt wird, d. | h. einer von ihr verschiedenen Vorstellung als bloßer Gegenstand entsprechen muß, in soferne fällt ihr Bezogenwerden aufs Objekt, durch welches sie dem Gemüte etwas von ihr Verschiedenes, ihren Gegenstand, vorhielt, ganz weg, und es bleibt von ihr nichts übrig als das Affiziertsein der Rezeptivität und das Produkt der Spontaneität, d. h. dasjenige, was an ihr bloße Veränderung des Gemütes ist. Sie stellt nichts mehr dem Gemüte vor, sondern wird nun selbst vorgestellt. Sie wird nicht mehr auf ihren Gegenstand bezogen, hört in soferne auf, wirkliche Vorstellung zu sein, und ist bloß diejenige Veränderung im Gemüte, die den Namen der bloßen Vorstellung nur in Rücksicht auf die durch sie mögliche Vergegenwärtigung des Gegenstandes führt. Das Bewußtsein der bloßen Vorstellung ist also im strengsten Sinne Bewußtsein der bei einer Vorstellung vorgehenden Veränderung des Gemütes.

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§ 40 Das Bewußtsein überhaupt ist deutlich, in wieferne es Bewußtsein des vorstellenden Subjektes als des Vorstellenden, d. h. Selbstbewußtsein ist.

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Das Bewußtsein der Vorstellung ist deutlich, in wieferne das Gemüt sich neben der Vorstellung auch noch seiner selbst als des Vorstellenden, – das Bewußtsein des Gegenstandes, in wieferne das Gemüt neben dem Gegenstand auch noch seiner selbst, – und das Selbstbewußtsein ist deutlich, in wiefern das Gemüt dabei sich keines andern Gegenstandes außer seiner selbst bewußt ist. |

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In allen diesen Fällen, unter welchen alle möglichen Arten des Bewußtseins begriffen sind, besteht die Deutlichkeit des Bewußtseins überhaupt im Selbstbewußtsein.220 Beim Selbstbewußtsein wird das vorstellende Subjekt als das Vorstellende vorgestellt; das heißt, das Vorstellende wird Objekt einer Vorstellung, die in Rücksicht ihres Stoffes auf dasselbe als Objekt, in Rücksicht ihrer Form aber auf ebendasselbe als Subjekt bezogen wird. Das Objekt dieses Bewußtseins ist also zwar das vorstellende Subjekt, aber nur in der Eigenschaft des Vorstellenden. Das bloße, von dem Prädikat des Vorstellenden unterschiedene Subjekt ist in diesem Bewußtsein auch nur Subjekt desselben, und es wird folglich zwar ihm vorgestellt, aber dasselbe a n s i c h kann nicht vorgestellt, es kann nicht sich selbst Objekt werden. Alles, was von ihm und wodurch es sich selbst Objekt werden kann, ist bloß sein Vorstellen, um dessenwillen es das Vorstellende heißt. Das vorstellende Subjekt kann also nur in soferne Objekt einer seiner Vorstellungen werden, als es sich als vorstellend vorstellen kann. Dies ist ihm aber nur in soferne möglich, als es sich das bloße Vorstellen selbst wieder vorzustellen vermag, d. h. als es sich die Merkmale, wodurch sich das bloße Vorstellen von allem, was nicht Vorstellen ist, auszeichnet, als es sich dasjenige, was dem bloßen Vorstellen eigentümlich ist, die Prädikate des bloßen Vorstellungsvermögens, die Formen der Rezeptivität und der Spontaneität, vorstellen kann. Die Möglichkeit des Selbstbewußtseins hängt also in soferne von der Möglichkeit der Vorstellungen | jener beiden Formen ab, deren Stoff a priori im Gemüte bestimmt ist. Allein das Selbstbewußtsein enthält nicht bloß die Vorstellung des Vorstellenden, sondern des Vorstellenden, welches in demselben vorstellt, d. h. beim Selbstbewußtsein wird das Objekt des Bewußtseins als identisch mit dem Subjekte vorgestellt. Wie ist diese Identität bei dem Unterschiede zwischen Objekt und Subjekt, der dem Bewußtsein wesentlich ist, in einem und ebendemselben Bewußtsein, möglich? Ich denke auf folgende Weise. Der Stoff der bloßen Vorstellung, deren Objekt

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das Vorstellende ist, kann und muß in zweierlei Rücksichten angesehen werden, erstens in wieferne er (seiner eigentümlichen Beschaffenheit nach) in seinen Gegenständen, den Formen der Rezeptivität und Spontaneität, a priori im Vorstellungsvermögen bestimmt ist; und zweitens in wieferne er in der Vorstellung, deren Inhalt er ausmacht, durch das Affi ziertwerden der Rezeptivität, welches zu jeder Vorstellung gehört, bestimmt werden muß. Dieses Affiziertwerden kann bei einer Vorstellung, die nur die a priori im Gemüt vorhandnen Formen vorstellt, durch nichts außer dem Vorstellungsvermögen, sondern muß durch die Tätigkeit des Vorstellungsvermögens selbst geschehen. In wieferne nun der Stoff zur Vorstellung des Vorstellenden in den Formen der Rezeptivität und Spontaneität a priori im Gemüte bestimmt, und zwar demselben gegeben und nicht von ihm hervorgebracht ist, in soferne wird das Gemüt durch dieses Gegebene (den Stoff) sich selbst Objekt. In wieferne aber dieser a priori im Vermögen bestimmte Stoff durch eine Handlung | der Spontaneität als wirklicher Stoff in einer besondern Vorstellung bestimmt (die Wirklichkeit dieses Stoffes in der Vorstellung durch die Handlung des Subjektes hervorgebracht) wird, in soferne stellt diese Vorstellung an dem als vorstellend vorgestellten Objekte auch das Subjekt in der Eigenschaft als Objekt vor; das Subjekt, sage ich, dem der Stoff der Vorstellung, sowohl in wieferne er a priori im Vorstellungsvermögen als auch in wieferne er a posteriori in der wirklichen Vorstellung bestimmt ist, einzig angehört. Und hier glaube ich die Grundlinien zur eigentlichen Entstehungsgeschichte der wichtigen Vorstellung des Ichs angegeben zu haben. Unter dem Ich wird das vorstellende Subjekt, in wieferne es Objekt des Bewußtseins ist, verstanden. Der Weg vom dunkeln Bewußtsein eines Gegenstandes, von welchem alles Bewußtsein ausgeht, zum deutlichen Selbstbewußtsein geht durch das klare Bewußtsein der Vorstellung, die vorher in ihrem Unterschiede vom Gegenstande vorgestellt werden muß, 16 den ] verbessert aus: dem

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bevor das Vorstellende in seinem Unterschiede von der Vorstellung vorgestellt werden kann. Das Gemüt muß sich vorher das bloße Vorstellen vorgestellt haben, bevor es sich selbst unter dem Prädikate des Vorstellenden denken kann. Das Gemüt unterscheidet sich als das Empfangende des Stoffes und das Hervorbringende der Form von der Vorstellung, d. h. von dem, woran sich dieses Empfangen und Hervorbringen äußert, und aus welchem es die Prädikate entlehnt, unter welchem allein es sich selbst Objekt werden kann, Prädikate, die ihm nur in seinem bloßen Vorstellungsvermögen gegeben sein und | nur a priori vorgestellt werden können. Folgender Paragraph bedarf also wohl keines weitern Beweises.

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Die Vorstellung des Ichs und das Selbstbewußtsein ist nur durch die Vorstellungen a priori von den Formen der Rezeptivität und Spontaneität möglich. Ich sollte wohl kaum den Einwurf von irgendeinem meiner Leser vermuten: »das Selbstbewußtsein müsse dieser Behauptung zufolge vor meiner Theorie, die diese Vorstellungen zuerst bestimmt aufgestellt hat, unmöglich gewesen sein«. Allein von manchem unsrer berühmtesten Philosophen sind gegen manche weit weniger auffallende Behauptungen des Verf. der Kritik der Vernunft 221 noch weit weniger zu erwartende Einwürfe vorgebracht worden. Ich frage also den Leser, der mir wirklich diese Bedenklichkeit entgegensetzen sollte, ob er die Vorstellung von was immer für einem Individuum ohne das in ihr enthaltene und durch sie nebst andern vorgestellte Merkmal der Substanz für möglich halte? Gleichwohl streiten die Philosophen bis auf den heutigen Tag über den bestimmten Begriff dieses Merkmals, das der gemeine Mann und jeder Philosoph bei den wenigsten ihrer wirklichen Vorstellungen entbehren 22 Verf. ] Abk. für: Verfasser(s)

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können. So haben die Lichtstrahlen immer den Grund der Farben enthalten, auch bevor sie Newton in seiner Theorie des Lichtes in dieser Eigenschaft aufgestellt hat.222 Oder begreift irgendeiner meiner Leser, wie das Subjekt des Gemütes sich als das Vorstellende vorstellen könne, ohne von | demjenigen, was zur bloßen Vorstellung als Vorstellung gehört, was dem Subjekte bei jeder Vorstellung allein eigentümlich ist und dasselbe von dem außer ihm Befi ndlichen unterscheidet, Vorstellungen zu besitzen? Da das Subjekt sich nicht als bloßes Subjekt, sondern nur als Objekt vorstellen kann und es hierzu kein anderes Prädikat als das des Vorstellenden hat, so begreift es sich leicht, daß das Subjekt, in wieferne es außer dem logischen Substratum des Prädikates vorstellend noch etwas anders sein soll (als Substanz), sich selbst ewig unbegreiflich bleiben müsse. Das Ich ist sich, in wieferne darunter mehr als das bloße Vorstellende gedacht werden soll, in den Eigenschaften, die ihm als Substanz zukommen, ein natürliches Geheimnis. Aber desto begreiflicher ist es sich in seinem großen Prädikate, dem Vorstellungsvermögen, das den Schlüssel zur ganzen Erkenntnis seiner selbst und alles außer ihm Erkennbaren enthält; aber freilich bisher soviel als ganz verkannt war. In wieferne sich in der Theorie der Vernunft zeigen wird,223 daß jede reine Vorstellung a priori als solche nur durch Vernunft möglich ist, in soferne wird sich’s dann deutlich begreifen lassen, daß und warum die Vorstellung des Ichs, von der das Bewußtsein der Persönlichkeit abhängt, ein ausschließender Vorzug der vernünftigen Wesen ist. Man hat bisher das hier erörterte deutliche Bewußtsein sowie das klare mit dem Bewußtsein überhaupt verwechselt und, wo man das erstere nicht antraf, auch das letztere nicht anerkennen wollen. Man leugnete die Unterscheidung der Vorstellung | vom Objekte und Subjekte, so oft Objekt und Subjekt nicht in besondern Vorstellungen vorgestellt wurden, und damit auch für alle diese Fälle das Bewußtsein. Als ob jene Unterscheidung nicht wirklich im Gemüte vor sich gehen könnte, ohne

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immer vorgestellt zu werden? Als ob sie nicht sogar jeder ihrer Vorstellungen vorhergehen müßte? Als ob jedes Bewußtsein klar, jedes deutlich sein müßte, um den Namen Bewußtsein zu verdienen? Gleichwohl wußte man so gut und wiederholte sich’s so oft, daß im Gemüte so manches vorginge, wovon man keine Vorstellung hätte. Allein, die bestellten Lehrer der Philosophie waren einmal gewohnt, die Seele für eine Substanz anzusehen, in der jede Veränderung eine Vorstellung heißen müßte. Und man fand in diesem vielbedeutenden Mißbrauch dieses Wortes um so weniger etwas Ungereimtes, je weniger man sich um den Begriff der bloßen Vorstellung bekümmerte. Fragte man sich: Was ist Vorstellung? So hieß es, eine Veränderung im Gemüte. Was ist das Gemüt? – Die vorstellende Substanz. – Was ist die vorstellende Substanz? – Ein einfaches vorstellendes Wesen? Und kam man endlich wieder auf die Vorstellung zurück, so wurde die erste Antwort wieder hervorgesucht. Ohne die wohltätige Dazwischenkunft der Materialisten und Skeptiker, welche von Zeit zu Zeit darauf aufmerksam machten, daß zu einer Vorstellung wohl noch etwas von der unbekannten vorstellenden Kraft Verschiedenes gehören dürfte, würden die Schulphilosophen wohl nie aus dem unphilosophischen Zirkel, in welchem sich ihre Kenntnis des Vorstellungsvermögens so bequem herumdrehte, herausgekommen sein. Allein, da man sich mit den | Materialisten und Skeptikern, weit entfernt von ihnen etwas lernen zu wollen, nur in soferne abgab, als man sie widerlegen zu müssen glaubte, so blieb es im Ganzen genommen immer beim Alten; und man verteidigte seine vorstellende Substanz in dem Besitze ihrer nicht vorstellbaren Substantialität und ihrer bewußtseinlosen Vorstellungen bis auf den heutigen Tag; in dem Besitze von Vorstellungen, die nichts vorstellen, oder welche zwar vorstellen, aber nicht dem Gemüte; [welche zwar] vorstellen, aber keinen Gegenstand!!

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§ 42224 Das Bewußtsein des Gegenstandes heißt Erkenntnis überhaupt, in wieferne bei demselben die Vorstellung auf den bestimmten Gegenstand bezogen wird. 225 Alles Erkennen ist ein Vorstellen, aber nicht alles Vorstellen ist Erkennen; sondern nur dasjenige, bei welchem die Vorstellung auf den bestimmten Gegenstand bezogen wird. Ich sage bezogen wird, nicht sich bezieht. Jede Vorstellung bezieht sich ihrem Inhalt nach auf einen durch diesen Inhalt bestimmten Gegenstand; aber sie wird nicht immer auf denselben, in wieferne er bestimmt ist, bezogen. Dies kann nur beim Bewußtsein des Gegenstandes geschehen; und in soferne ist Erkenntnis ohne Bewußtsein unmöglich. Der bereits oben angedeutete Unterschied zwischen dem Bewußtsein überhaupt (als Gattung) und dem Bewußtsein des Gegenstandes (einer Art des Bewußtseins) muß hier genau erwogen | werden. Auch beim Bewußtsein überhaupt wird der Gegenstand von der bloßen Vorstellung unterschieden. Aber die Handlung dieses Unterscheidens, die eigentlich in dem Verbinden der Vorstellung mit dem Subjekte besteht, ist keine Vorstellung. Aber beim Bewußtsein des Gegenstandes wird der Gegenstand nicht nur von der bloßen Vorstellung unterschieden, sondern auch als unterschieden vorgestellt. Beim Bewußtsein überhaupt wird die Vorstellung auf den Gegenstand bezogen, der noch nicht vorgestellt ist, aber eben dadurch vorgestellt wird; beim Bewußtsein des Gegenstandes wird die Vorstellung auf den Gegenstand als Gegenstand bezogen, der eben darum schon vorher vorgestellt, das heißt Gegenstand sein mußte, bevor er in dieser Eigenschaft vorgestellt werden konnte. Ich nenne den von der bloßen Vorstellung unterschiedenen und in der Eigenschaft als Gegenstand vorgestellten (gedachten) Gegenstand den im Bewußtsein bestimmten Gegenstand und das Bezogenwerden der Vorstellung auf 8 ihrem ] verbessert aus: ihren

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den im Bewußtsein bestimmten Gegenstand Erkenntnis * überhaupt. Der Ausdruck bestimmter Gegenstand führte bisher eine leidige Vieldeutigkeit mit sich, die nur durch den bestimmten Begriff der bloßen Vorstel | lung gehoben werden konnte. Bestimmter Gegenstand kann erstens das Ding an sich heißen, in wieferne es außer aller Vorstellung und folglich weder durch eine Handlung des Gemütes im Bewußtsein, sondern ganz unabhängig vom Vorstellungsvermögen an sich selbst durch seine Eigenschaften und Beschaffenheiten zu dem gemacht wird, was es ist. Da die Vorstellung des Dinges an sich unmöglich ist, so ist auch alle Vorstellung des bestimmten Dinges an sich unmöglich, ungeachtet sie bisher für die eigentliche Erkenntnis galt. Bestimmter Gegenstand kann zweitens der im Bewußtsein bestimmte Gegenstand heißen; und in dieser Bedeutung habe ich diesen Ausdruck in der von mir aufgestellten Erklärung der Erkenntnis genommen. Ich unterscheide diese Bedeutung, welche ich die engere nenne, von einer weiteren, in welcher dieser Ausdruck, drittens, den durch das Affiziertsein in der bloßen Vorstellung bestimmten Gegenstand bezeichnet. Das Wort Gegenstand ist, wie alle Worte, welche allgemeine Begriffe bezeichnen, ursprünglich ein metaphorischer Ausdruck und ist von der Analogie zwischen Vorstellen und Sehen abgeleitet. Er bedeutet eigentlich dasjenige, was dem Auge beim Sehen gegen (über) steht; was demselben vorgehalten werden, sich demselben vorwerfen muß, wenn es etwas sehen soll, den Vorwurf, das Objectum.226 In dem richtig bestimmten Begriffe der Vorstellung muß dies Wort aufhören, Metapher zu sein, und folglich von seinen ursprünglichen Nebenbegriffen *

Das Bewußtsein des Gegenstandes heißt also auch nur in Rücksicht auf das Bezogenwerden der Vorstellung auf den Gegenstand Erkenntnis. In Rücksicht des Bezogenwerdens auf das Subjekt heißt das Erkenntnis Bewußtsein. Das klare oder deutliche Bewußtsein des Gegenstandes ist daher von der Klarheit und Deutlichkeit der 35 Erkenntnis wohl zu unterscheiden. 30

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geläutert werden. Es bezeichnet dann dasjenige von der bloßen Vorstellung Verschiedene, dem der | Stoff in der Vorstellung entspricht und worauf die Vorstellung in Rücksicht auf ihren Stoff bezogen wird. Da nun der Stoff einer jeden Vorstellung nur durch das Affiziertwerden in der Vorstellung vorkommen kann, so kann auch nichts vorgestellt (d. h. Gegenstand einer Vorstellung) werden, dem nicht ein durchs Affi ziertwerden gegebener Stoff entspricht; und jeder Gegenstand muß in soferne in der ihm entsprechenden Vorstellung durchs Affiziertwerden bestimmt sein. Diese Bestimmung des Gegenstandes hängt also erstens von demjenigen ab, wodurch die Rezeptivität affiziert wird, von der Handlung des Affizierenden; und zwar in Rücksicht des objektiven Stoffes von den Dingen außer uns, in Rücksicht des subjektiven [Stoffes] aber von der Handlung der Spontaneität, in wieferne durch sie auf die Rezeptivität gewirkt wird; zweitens von der Beschaffenheit des Stoffes in der Vorstellung oder der Art und Weise, wie die Rezeptivität affiziert wird, die beim objektiven Stoffe durch die Beschaffenheit der Dinge außer uns, beim subjektiven aber durch die Beschaffenheit des Vorstellungsvermögens, nämlich die Formen der Rezeptivität und Spontaneität bestimmt ist. In wieferne nun der Stoff jeder Vorstellung auf eine dieser beiden Arten oder auf beide zugleich bestimmt sein, jede Vorstellung aber einen Stoff haben muß, in soferne kann jede Vorstellung in weiterer Bedeutung Vorstellung eines bestimmten Gegenstandes heißen. Allein die Vorstellung, in welcher der Gegenstand nur durch den ihm entsprechenden Stoff bestimmt ist, wird dann erst Vorstellung des bestimmten Gegenstandes in engerer Bedeutung, wenn sie | auf den als bestimmt vorgestellten Gegenstand bezogen wird; und dieser, in wieferne er Gegenstand, d. h. das von der bloßen Vorstellung unterschiedene Vorgestellte ist, Gegenstand des Bewußtseins wird. Nur in diesem Sinne heißt er der im Bewußtsein bestimmte Gegenstand, der Gegenstand, dessen man sich als des vorgestellten bewußt wird. Bei diesem Bewußtsein muß eine besondere Vorstellung vorhanden sein, durch die er als vorgestellt vorgestellt wird; d. h. die sich auf

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ihn nicht unmittelbar, sondern in wieferne er bereits (durch eine andere Vorstellung) vorgestellt ist, bezieht. Diese Vorstellung des Gegenstandes, in welcher derselbe als das Vorgestellte vorgestellt (gedacht) wird, setzt eine andere Vorstellung voraus, in welcher er zuerst vorgestellt wird, und die sich auf ihn unmittelbar und nicht, in wieferne er bereits (in einer andern Vorstellung) vorgestellt ist, bezieht (durch welche er angeschaut wird). Eine Vorstellung, die zwar auch auf den von der bloßen Vorstellung unterschiedenen, aber nicht als unterschieden vorgestellten Gegenstand bezogen wird. Denn die bloße Vorstellung, von welcher der vorgestellte Gegenstand unterschieden werden soll, muß vorher im Gemüte vorhanden sein, wenn die Vorstellung des Vorgestellten möglich sein soll. Sie muß als die bloße Vorstellung des Gegenstandes der Vorstellung des von ihr unterschiedenen, des bestimmten Gegenstandes zum Grunde liegen. In ihr muß der Gegenstand lediglich durch den gegebenen Stoff bestimmt sein, ohne welchen keine Vorstellung entstehen und keine sich auf einen Gegenstand beziehen kann. Sie muß sich unmittelbar auf den Gegenstand be | ziehen und unmittelbar auf ihn bezogen werden, weil sie sich durch keine andere Vorstellung, sondern nur durch den gegebenen Stoff auf ihn bezieht, der nur durch sie erst das Vorgestellte werden konnte; und weil folglich der Gegenstand durch sie zwar im Bewußtsein vorgestellt, aber nicht in wieferne er von ihr unterschieden ist, sondern unmittelbar durch sie vorgestellt wird. Sie muß daher auch durch die Art und Weise, wie die Rezeptivität affiziert worden ist, unmittelbar entstanden sein, so daß die Spontaneität an ihr keinen andern Anteil hatte, als daß durch sie an dem Gegebenen die Form der Vorstellung hervorgebracht wurde. Denn da in dieser Vorstellung der Gegenstand lediglich durch den Stoff bestimmt sein muß, so kann die Vorstellung selbst nur durch dasjenige entstehen, wodurch der Stoff in der Vorstellung bestimmt ist, das heißt durch die Art wie die Rezeptivität affiziert ist. Denn ein Stoff kann sich von dem andern in der Vorstellung nur dadurch unterscheiden, daß die Rezeptivität bei dem einen so, bei dem andern anders

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affi ziert ist; das heißt durch die verschiedene Beschaffenheit des Affiziertseins. § 43 Zur Erkenntnis überhaupt gehört erstens eine besondere Art von Vorstellung, die durch die Art, wie die Rezeptivität affiziert ist, entsteht, sich unmittelbar auf den Gegenstand bezieht und Anschauung in engerer Bedeutung heißt. Die Anschauung in engerer Bedeutung verhält sich also zur Vorstellung überhaupt wie eine Art | zu ihrer Gattung; jede Anschauung ist Vorstellung, aber nicht jede Vorstellung ist Anschauung. Im Begriffe der bloßen Vorstellung überhaupt ist zwar bestimmt, daß zu jeder Vorstellung in Rücksicht auf ihren Stoff ein Affiziertwerden gehöre, aber nicht daß jede Vorstellung unmittelbar durch die Art des Affiziertwerdens entstehe, wie im Begriffe der Anschauung. Im Begriffe der Vorstellung überhaupt ist zwar bestimmt, daß jede Vorstellung sich auf den Gegenstand, aber nicht daß sie sich unmittelbar, wie die Anschauung auf denselben beziehen müsse. Und soviel einstweilen von der einer jeden Erkenntnis wesentlichen Art von Vorstellung, die Anschauung heißt. Bei der Anschauung wird der Gegenstand nicht von der Vorstellung unterschieden vorgestellt (nicht gedacht), daher auch jedes Bewußtsein überhaupt, in wieferne bei demselben keine andere Vorstellung als eine Anschauung vorkömmt, mit Recht dunkel heißen kann. Denn beim bloßen Anschauen wird nichts vorgestellt als der Gegenstand, und zwar nur durch die unmittelbar auf ihn bezogene und also nicht selbst wieder vorgestellte Vorstellung; in welchem Falle kein klares Bewußtsein (§ 39) stattfi nden kann. Man ist sich bei der bloßen Anschauung weder der Vorstellung noch des Gegenstands besonders bewußt. Es wird durch sie der Gegenstand vorgestellt, in wieferne er im Stoffe der Vorstellung bestimmt, aber nicht der Gegenstand, in wiefern er als das Vorgestellte im Bewußtsein bestimmt (gedacht) wird. Man ist sich auch bei der Anschau-

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ung des Gegenstandes bewußt, aber nicht in wieferne er der von der Vorstellung unterschiedene Gegenstand ist. Zu diesem | letztern Bewußtsein gehört also außer der Anschauung noch eine von der Anschauung verschiedene Vorstellung. Diese Vorstellung muß den von der bloßen Anschauung unterschiedenen Gegenstand, und zwar in wieferne er bereits vorgestellt ist, zum Gegenstand haben. Sie kann also nicht unmittelbar durchs Affi ziertsein, sie kann nicht aus dem gegebenen Stoff, sondern sie muß aus der A n s c h a u u n g entstanden sein. Ihr unmittelbarer Stoff ist nicht das Gegebene selbst, sondern das Gegebene, das die Form der Vorstellung erhalten hat. Sie kann also nur dadurch entstehen, daß die Spontaneität das durch die Anschauung vorhandene und folglich vorgestellte Mannigfaltige abermals verbindet und dadurch eine neue Vorstellung erzeugt, die ihrem Stoffe nach ein vorgestelltes Mannigfaltiges enthält, welches durch ihre Form Einheit des Vorgestellten, objektive Einheit erhalten hat; eine Vorstellung, die, weil sie das vorgestellte Mannigfaltige (die Merkmale des Gegenstandes) in einer von der Verbindung des bloßen Stoffes (der Einheit der Vorstellung) verschiedenen Einheit des Vorgestellten (Einheit des Gegenstandes) zusammenfaßt, Begriff in engerer Bedeutung heißt. Der Begriff bezieht sich nun nicht wie die Anschauung unmittelbar auf den Gegenstand, sondern nur vermittelst des nicht nur durchs Affiziertsein gegebenen, sondern bereits zur Vorstellung gewordenen Stoffes, vermittelst der durch die Anschauung vorgestellten Merkmale des Gegenstandes und also durch eine von ihm selbst verschiedene Vorstellung, die Anschauung. Und so ergibt es sich, wie der Begriff Vorstellung des | bestimmten Gegenstandes in engerer Bedeutung ist. Er ist eine Vorstellung, welche das Mannigfaltige, wodurch der Gegenstand durch das Affi ziertwerden in einer andern Vorstellung bestimmt war und welches in dieser Vorstellung die Form der Vorstellung angenommen hat, das vorgestellte Mannig faltige, in einer besondern von der Einheit der 8 dem ] verbessert aus: den

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bloßen Vorstellung, welche der Anschauung zukommt, unterschiedenen Einheit begreift und dem Bewußtsein vorhält.

§ 44 Zur Erkenntnis überhaupt gehört zweitens eine besondere Art von Vorstellung, die vermittelst einer Handlung der Spontaneität entsteht, sich nur mittelbar, durch eine andere Vorstellung, auf den Gegenstand bezieht und Begriff in engerer Bedeutung heißt. Auch der Begriff ist nur eine Art von der Vorstellung als Gattung. Jeder Begriff ist eine Vorstellung, aber nicht jede Vorstellung ist ein Begriff. Der Begriff und die Anschauung, deren Natur in der Folge noch näher beleuchtet werden soll, müssen in einem Bewußtsein vorkommen, wenn Erkenntnis entstehen soll. Sie machen die Erkenntnis, das Bewußtsein des bestimmten Gegenstandes aus und sind folglich die inneren Bedingungen jeder Erkenntnis überhaupt. Soll ein Bewußtsein des bestimmten Gegenstandes vorhanden sein, so muß der Gegenstand erstens in der bloßen Vorstellung und zweitens im Bewußtsein bestimmt sein. In der bloßen Vorstellung, vermöge | des durchs Affiziertsein gegebenen Stoffes, der, in wieferne er durch die Spontaneität die bloße Form der Vorstellung erhalten hat, eine Vorstellung geworden ist, die sich nicht auf eine andere Vorstellung, sondern unmittelbar auf den Gegenstand bezieht und Anschauung heißt. Ohne diese Vorstellung würde nichts im Bewußtsein vorhanden sein, das sich auf etwas, das nicht Vorstellung ist, auf den Gegenstand bezieht. Aber auch durch diese Vorstellung allein würde der Gegenstand zwar vorgestellt (angeschaut), aber nicht als bestimmt vorgestellt (gedacht) werden. Es muß also zu dieser Vorstellung noch eine zweite andere Art hinzukommen, in welcher der Gegenstand in seinem Unterschiede von der einen und als bestimmt, als das Vorgestellte, vorgestellt wird, ein Begriff. Der Stoff dieser Vorstellung ist nicht der rohe Stoff, der Stoff der Anschauung, sondern der durch die Spontanei-

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tät bereits zur Vorstellung erhobene Stoff oder die Vorstellung selbst, welche in Rücksicht des durch sie auf den Gegenstand bezogenen, des Vorgestellten, Mannigfaltigen, der Merkmale des Gegenstandes, durch ein Verbinden dieser Merkmale zu einer neuen Vorstellung erhoben wird, die das vorgestellte Mannigfaltige begreift und sich vermittelst desselben auf den durch diese Merkmale bestimmten Gegenstand bezieht.

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Das Erkenntnisvermögen überhaupt besteht aus dem Vermögen der Anschauungen und der Begriffe. Wir haben also hier den bestimmten Unterschied zwischen dem Vorstellungsvermögen über | haupt und dem Vorstellungsvermögen, in wieferne dasselbe Erkenntnisvermögen ist, gefunden; und gleichwie wir das Vorstellungsvermögen in seinen beiden wesentlichen Bestandteilen durch die in seiner Natur bestimmten Formen der Rezeptivität und der Spontaneität kennen gelernt haben, so werden wir gegenwärtig das Erkenntnisvermögen durch die in seiner Natur bestimmte Form seiner Bestandteile kennenlernen, nachdem wir diese Form aus den Wirkungen der beim Erkennen beschäftigten Vermögen, den Anschauungen und den Begriffen, werden entwickelt haben. Nichts kann den Lesern, die mich bisher verstanden haben, begreiflicher sein, als daß und warum das Erkenntnisvermögen bisher so gut als ganz verkannt werden mußte. Man hat bisher freilich allgemein eingesehen, daß der Verstand (das Vermögen der Begriffe in engerer Bedeutung) zur Erkenntnis notwendig sei. Allein, da man den Begriff der Vorstellung völlig unbestimmt gelassen hat und folglich auch den Begriff des Begriffes überhaupt wohl unbestimmt lassen mußte, so war es auch unmöglich bestimmt anzugeben, worin denn eigentlich das Geschäft des Verstandes beim Erkennen bestünde. Man verwechselte daher den Verstand mit dem Erkenntnisvermögen und schrieb das Erkennen ohne Unterschied dem Verstande zu, worin man

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um so weniger etwas Ungereimtes fi nden konnte, da man den wesentlichen Unterschied zwischen Anschauung und Begriff ganz verkannte und dem Verstande Anschauungen sowohl als Begriffe zuschrieb. Die Täuschung war um so unvermeidlicher, da bei jeder Erkenntnis zwei verschiedene Vorstellungen | vorkommen, die in einem Bewußtsein verbunden werden, welches Verbinden zweier Vorstellungen eine Handlung des Verstandes ist und Urteilen in weiterer Bedeutung heißt. Wir werden in der unmittelbar folgenden Untersuchung an dem Vermögen der Anschauungen ein besonderes vom Verstande wesentlich verschiedenes, aber mit ihm zur Erkenntnis überhaupt gleich unentbehrliches Vorstellungsvermögen kennenlernen, dem der Name Sinnlichkeit in der eigentlichsten Bedeutung zukömmt.227 ____________

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Der Grundbegriff der Sinnlichkeit mußte bisher notwendig verfehlt werden, in wieferne man in denselben Merkmale, die nicht dem bloßen Vorstellungsvermögen, sondern dem Subjekte desselben (als Substanz) angeblich oder wirklich zukommen, aufgenommen hat. So verschieden die Fragen sind: Wie muß die vorstellende Substanz beschaffen sein, wenn sie sinnlicher Vorstellungen fähig sein soll? Und: Wie muß das Vorstellungsvermögen beschaffen sein, wenn es sinnlicher Vorstellungen fähig sein soll? – Woraus entsteht – und worin besteht die Sinnlichkeit des Vorstellungsvermögens? – So sehr | wurden sie bisher vermengt und verwechselt. So, wie man z. B. durch die Unterscheidung des Ichs von der vorgestellten Organisation veranlaßt wurde, das Ich für eine von der Organisation ganz verschiedene, für sich bestehende Substanz zu halten, ebenso glaubte man sich durch die Erfahrung, welche an den fünf Werkzeugen der Organisation 228 ebenso viele Kanäle gewahr werden läßt, durch welche das vorstellende Subjekt mit dem Stoffe der Vorstellungen von Dingen außer uns versehen wird, berechtigt, die Empfänglichkeit des vorstellenden Subjektes ohne bestimmten Unterschied von der Organisation abhängen zu lassen. Man war daher auch mit der Antwort auf die Frage: Worin besteht die Sinnlichkeit? bald fertig. »Sie besteht«, hieß es, »in dem Vermögen, vermittelst der Organe affi ziert zu werden« oder »in der Einschränkung der vorstellenden Kraft, durch die derselben beigesellte Organisation«, und jede dieser Antworten nahm den organischen Körper mehr oder weniger unter die Erklärungsgründe der Sinnlichkeit, unter die Merkmale ihres Begriffes auf. Dadurch aber war nun keineswegs die vorge-

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legte, sondern eine von derselben ganz verschiedene Frage beantwortet; nämlich die Frage: Wie ist die Sinnlichkeit in dem vorstellenden Subjekte vorhanden? Eine Frage, die, wenn sie überhaupt einer Antwort fähig ist, nur dann erst beantwortet werden kann, wenn die von ihr verschiedene: Was hat man sich denn unter der Sinnlichkeit zu denken? beantwortet ist. Denn wie kann davon, ob Eine oder zwei Substanzen, ob Ein Geist allein oder ein Geist in Verbindung mit einem Körper das Subjekt der Sinnlichkeit ausmachen, die Rede sein, wenn man noch nicht mit sich selbst und mit seinen Gegnern | darüber einig ist, was man unter Sinnlichkeit zu verstehen habe. »Jeder Schulknabe«, höre ich hier einen unsrer Popularphilosophen mir in die Rede fallen, »weiß, was er sich unter Sinnlichkeit zu denken habe; und Philosophen sollten sich bisher darüber nicht verstanden haben?« – Ja freilich jeder Schulknabe und vielleicht auch der Popularphilosoph, solange er nur Schulknaben vor sich hat. Allein, man lasse ihn auf dem Kampfplatze gegen die leidigen Materialisten auftreten, so wird er auf einmal vergessen haben, daß er unter Sinnlichkeit nichts verstehen wolle, als was die ganze Welt darunter versteht. Es wird sich dem aufmerksamen Beobachter, der freilich kein Popularphilosoph sein darf, bald genug zeigen, daß der Spiritualist so wenig als der Materialist einen allen Menschen gemeinschaftlichen Begriff vom sinnlichen Vorstellungsvermögen habe. Denn der eine wird in seinen Begriff von der Sinnlichkeit neben dem Merkmale der Organisation auch noch die unkörperliche Substanz, der andere aber nur die Organisation allein aufnehmen; und es wird sichtbar genug werden, daß beide streitenden Parteien gerade über dasjenige, worüber sie als etwas Ausgemachtes nicht streiten, über den Begriff der bloßen Sinnlichkeit, ebensosehr verschieden denken als über den eigentlichen Streitpunkt selbst (die Natur der Seele), den sie unvermerkt in ihre gemeinschaftlichen Prämissen aufgenommen haben. Man ist in der philosophischen Welt über die Bedeutung des Wortes Sinnlichkeit nur so lange einig, als man nicht genötigt

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ist, sich ausdrücklich über dieselbe zu erklären; so wie über die Be | deutungen der Worte Kraft, Natur, Gott u. d. m. Solange nun in dem entwickelten Begriffe der Sinnlichkeit ein Merkmal vorkömmt, worüber die philosophische Welt uneinig ist, solange die vorstellende Substanz und der organische Körper unter die Merkmale dieses Begriffes gezählt werden, so lange ist zwischen den Materialisten und Spiritualisten, ich will nicht sagen auf einen Frieden, sondern nicht einmal darauf zu rechnen, daß sie selbst jemals recht wissen, worüber sie streiten. Sie haben wesentlich verschiedene Begriffe von der Natur des vorstellenden Subjektes, in wieferne dasselbe Substanz ist, indem es der Materialist für eine zusammengesetzte, der Spiritualist aber für eine einfache Substanz hält. Sobald sie sich also die Sinnlichkeit als Beschaffenheit der vorstellenden Substanz und nicht als bloße Beschaffenheit des Vorstellungsvermögens denken, so denken sie von der Sinnlichkeit wesentlich verschieden. Und doch müßten sie bei dem Worte Sinnlichkeit genau ebendasselbe denken, wenn sie sich über die Frage: Wie muß das Subjekt der Sinnlichkeit beschaffen sein? einander verstehen, das heißt, wenn sie auch nur wissen sollten, worüber sie denn eigentlich streiten. Es muß also einen Begriff der Sinnlichkeit geben, der ebenderselbe bleibt, man mag das Subjekt der Sinnlichkeit im Körper oder in einem Geiste oder in Geist und Körper zugleich aufsuchen; und dieser ist der Begriff vom bloßen sinnlichen Vorstellungsvermögen. Dieser Begriff wird verfälscht, sobald man das Subjekt der Sinnlichkeit unter seine Merkmale aufnimmt; denn er hört dann sogleich auf, Begriff des bloßen Vermögens zu | sein. Alle Festsetzung seiner eigentümlichen Merkmale wird in dem Augenblicke unmöglich, wo man ihm ein fremdes Merkmal aufgedrungen hat. Ja, auch sogar die Frage: Welches ist das Subjekt des Prädikates Sinnlichkeit? hat keinen Sinn mehr, sobald das gesuchte Subjekt unter die Merkmale des Prädikates aufgenommen wird. Die Frage: Ist der Geist 2 u. d. m. ] Abk. für: und dergleichen mehr

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allein oder Geist und Körper zugleich oder der Körper allein das Subjekt der Sinnlichkeit? wird barer Unsinn, wenn man unter Sinnlichkeit schon das Vermögen eines Körpers allein, wie die Materialisten, oder eines mit einem Körper verbundenen Geistes, wie die Spiritualisten, oder auch gar eines Geistes allein, wie die Idealisten, versteht. Indessen, solange die eigentümlichen Merkmale des bloßen sinnlichen Vorstellungsvermögens noch nicht gefunden waren, war auch nichts natürlicher als diese leidige Verwechslung der Beschaffenheit des Vermögens mit der Beschaffenheit der Substanz. Denn man mußte doch gewisse Merkmale haben, wenn man sich die Sinnlichkeit bestimmt denken wollte. Man nahm sie daher, wo man sie zu fi nden glaubte; und sie wurden jedem denkenden Kopfe durch dasjenige, was er (ohne Untersuchung des Vorstellungsvermögens) von seinem vorstellenden Subjekte teils aus der Erfahrung, teils aus seinem metaphysischen Systeme zu wissen glaubte, aufgedrungen. Sie waren daher keine andern als die angeblichen Merkmale der Substanz oder der Substanzen, welche vorstellen; und indem man an ihnen die Merkmale des sinnlichen Vorstellungsvermögens bereits gefunden zu haben glaubte, wurde die Aufsuchung und Entdeckung der eigentlichen Merkmale des bloßen | Vorstellungsvermögens dadurch ebensosehr gehindert, als die Unbekanntschaft mit den wahren die Anhänglichkeit an den falschen [Merkmalen] beförderte. Indem ich aber hier erkläre, daß ich den organischen Körper und jede der ihm eigentümlichen Beschaffenheiten für kein Merkmal des bloßen sinnlichen Vorstellungsvermögens halten könne, so erkläre ich dadurch das Subjekt des Vorstellungsvermögens ebensowenig für einen Geist als für einen Körper und glaube damit ebensowenig, den Spiritualismus zu unterstützen als den Materialismus zu widerlegen. Ich schränke meine Behauptung auf das bloße sinnliche Vorstellungsvermögen ein, aus welchem ich das durchaus nicht in ihn hineingehörige 34 ihn ] verbessert aus: ihm

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Merkmal der Organisation entfernt wissen will; das Subjekt des Vorstellungsvermögens mag an sich bloß Geist oder bloß Körper oder Geist und Körper zugleich sein. So wie wir den Begriff des bloßen Vorstellungsvermögens überhaupt, nachdem wir die nicht in ihn gehörigen heterogenen Merkmale entfernt haben, aus dem Begriff der Vorstellung überhaupt bestimmt haben, so muß sich auch der Begriff des bloßen sinnlichen Vorstellungsvermögens, nachdem er von den ihn verwirrenden Merkmalen der Organisation gereinigt ist, aus dem Begriffe der bloßen sinnlichen Vorstellung bestimmen lassen.

§ 47 Die bloße Vorstellung heißt sinnlich, in wieferne sie durch die Art, wie die Rezeptivität affiziert wird, unmittelbar entstanden ist. | 15

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Dieser Erklärung zufolge ist der Stoff der sinnlichen Vorstellung unmittelbar das durch das Affiziertwerden Gegebene und folglich nicht, wie beim Begriffe, das bereits durch eine andere Vorstellung Vorgestellte. Die Form dieser Vorstellung kann daher nur in der Verbindung des Gegebenen, in wieferne es gegeben ist, bestehen; während die Form eines Begriffes in der Verbindung des Vorgestellten und folglich bereits in einer Vorstellung Verbundenen besteht. Bei der sinnlichen Vorstellung ist also die Spontaneität weniger beschäftigt als beim Begriffe. Bei diesem erzeugt sie aus einer bereits vorhandenen Vorstellung eine neue, die ihre Entstehung unmittelbar der bloßen Handlung der Spontaneität verdankt; bei der sinnlichen Vorstellung aber bringt sie nur die bloße Form an dem gegebenen Stoffe einer Vorstellung hervor, die ihre Entstehung unmittelbar dem bloßen Affiziertsein der Rezeptivität verdankt. 5 ihn ] verbessert aus: ihm 9 Merkmalen ] verbessert aus: Merkmale 27 dem ] verbessert aus: den

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Bei der sinnlichen Vorstellung verbindet sie den bloßen Stoff, wodurch nur eine einzige Vorstellung Einheit erhält. Beim Begriffe verbindet sie das schon vorgestellte Mannigfaltige und gibt dadurch zweien Vorstellungen Einheit. Ich will die Spontaneität, in wieferne sie sich bei der sinnlichen Vorstellung tätig erzeugt, den ersten Grad der Spontaneität, und ihre Handlung, die im bloßen Zusammenfassen des Gegebenen besteht, die Apprehension nennen.229 Bei der sinnlichen Vorstellung verhält sich das Vorstellungsvermögen mehr leidend als tätig. Die Spontaneität hat hier an dem Stoffe nicht den geringsten Anteil (wie beim Begriffe, dessen Stoff, die Anschauung, von der Spontaneität bearbeitet ist), und das Hervorbringen der Form ist hier keine | ungezwungene Handlung, sondern ein durch Einwirkung auf die Rezeptivität abgedrungenes Entgegenwirken. Diese Vorstellung entsteht also mehr durch ein Leiden als [durch] ein Wirken des Gemütes. Diese Bemerkung ist sehr alt in der philosophischen Welt, hat aber bei aller ihrer Richtigkeit zu manchem philosophischen Vorurteile Veranlassung gegeben. Indem man nämlich die Tätigkeit des Vorstellungsvermögens mit dem Verstande verwechselte und nur dort Tätigkeit annahm, wo man den Verstand wirksam glaubte, so schrieb man dem Verstande diejenigen Vorstellungen zu, an denen er durch Verbindung der zusammengehörigen und folglich Trennung der nicht zusammengehörigen Merkmale eines Gegenstandes seine Urteilskraft beweist – die deutlichen. Und so blieben der Sinnlichkeit allein diejenigen übrig, die der Verstand nicht bearbeitet hatte, die undeutlichen, welche man auch oft ohne Unterschied die verworrenen nannte. Man glaubte daher Sinnlichkeit und Verstand sehr richtig charakterisiert zu haben, wenn man die eine für das Vermögen undeutlicher, den andern für das Vermögen deutlicher Vorstellungen erklärte. Durch die Unbestimmtheit des Begriffes der Vorstellung überhaupt war man gehindert wahrzunehmen, daß alle Vorstellungen, die deutlichen sowohl als die undeutlichen, in wieferne sie einen gegebenen Stoff vor-

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aussetzen, von dem sich leidend verhaltenden und in Rücksicht ihrer Form vom tätigen Vermögen abhingen und daß das sich leidend verhaltende Vermögen, die Rezeptivität, keine Einschränkung der Tätigkeit, kein verwirrendes Unvermögen, sondern ein wesentlicher Bestandteil des Vorstel | lungsvermögens sein müsse, ohne welche sich selbst die Spontaneität desselben nicht denken ließe. Man wird in der Folge einsehen, welche Verwirrungen aus jener mißlungenen Erklärung der Sinnlichkeit in der Philosophie erfolgen mußten.

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§ 48 Die sinnliche Vorstellung heißt Empfindung im engeren Sinne, in wieferne sie auf das Subjekt, Anschauung, in wieferne sie auf das Objekt bezogen wird.

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In wieferne die sinnliche Vorstellung aufs Subjekt bezogen wird, ist sie nichts als eine durchs Affiziertwerden der Rezeptivität und [durch] die Gegenwirkung der Spontaneität bewirkte Veränderung im Zustande des Subjektes, bei der sich dasselbe mehr leidend als wirkend verhält; – dasjenige, was man mit dem Worte Empfi ndung in eigentlichster Bedeutung bezeichnet. Man hat oft, aber jedesmal sehr unrichtig, die Empfi ndung für Bewußtsein der Veränderung des Zustandes erklärt. Die Empfi ndung ist die Veränderung des Zustandes selbst, nicht das Bewußtsein derselben.230 Dieses setzt Vorstellung der Veränderung des Zustandes, Vorstellung der Empfi ndung voraus und ist dann Bewußtsein der Empfi ndung, ein klares Bewußtsein. Zu jeder Empfi ndung im engeren Sinne gehört freilich Bewußtsein, in dem die Empfi ndung in der aufs Subjekt bezogenen sinnlichen Vorstellung besteht, aber nicht zu jeder Empfindung gehört Bewußtsein der Empfi ndung, sowenig als zu jeder Vorstellung Bewußtsein der Vorstellung. Die sinnliche Vorstellung ist nur in sofern bloße | Veränderung des Zustandes, als sie aufs Subjekt bezogen wird. Dies Bezogenwerden ist ihr also als Empfi ndung wesentlich. In wieferne nun das Bezogenwerden

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einer bloßen Vorstellung aufs Subjekt ohne Bezogenwerden derselben aufs Objekt unmöglich ist und in wieferne das Bezogenwerden der sinnlichen Vorstellung aufs Objekt Anschauung heißt, in so ferne ist keine Empfi ndung ohne Anschauung und keine Anschauung ohne Empfi nden möglich. Das Bezogenwerden der sinnlichen Vorstellung aufs Objekt, eine der beiden Handlungen, woraus das Bewußtsein besteht, macht die sinnliche Vorstellung zur Anschauung. Daher haben diejenigen, welche die Tätigkeit des Gemütes mit dem Verstande verwechselten, dem Verstande das Vermögen der Anschauung eingeräumt. Allein, nicht die bloße Tätigkeit, so wenig als die bloße Empfänglichkeit, sondern beide zusammengenommen sind beim Anschauen beschäftigt; obgleich weit mehr diese als jene, da sich das Gemüt beim Anschauen mehr leidend als tätig verhält. Der Verstand, das Vermögen der Begriffe, denkt und vermag nicht anzuschauen, dies kömmt lediglich dem sinnlichen Vorstellungsvermögen zu, das aber freilich, solange der Begriff der Vorstellung in seiner Unbestimmtheit blieb, nie genau genug vom Verstande unterschieden werden konnte. In dem der Anschauung wesentlichen, unmittelbaren Bezogenwerden der sinnlichen Vorstellung auf den Gegenstand liegt auch zum Teil der Grund der o p t i s c h e n Tä u s c h u n g des Gemütes, durch welche wir die Dinge an sich vorzustellen meinen. Die Vorstellung, die unmit | telbar durch das, was dem Gegenstande entspricht, den Stoff, entstanden ist, die unmittelbar dasjenige enthält, was dem Gegenstande zukommt, sich unmittelbar auf ihn bezieht, wird beim Anschauen dem Gegenstande, der nur durch sie, nicht an sich selbst dem Gemüte gegenwärtig ist, beigelegt. Die Anschauung wird also mit dem Gegenstande verwechselt; und dies um so mehr, da beim bloßen Anschauen, auf welches auch der Begriff und alle diskursive Erkenntnis zurückgeführt werden muß, der Gegenstand keineswegs als von der Anschauung verschieden vorgestellt wird. Wenn also nicht eine vollständige Untersuchung desjenigen, was der bloßen Vorstellung, in wieferne sie von den Gegenständen verschieden ist,

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und was der Anschauung als bloßer Vorstellung ausschließend zukömmt, vorhergegangen ist, so müssen alle Prädikate, die bei der Zergliederung der besondern Anschauungen, z. B. der Körper, entdeckt werden, den Gegenständen an sich (z. B. demjenigen, was der Anschauung des Körpers außer dem Gemüte entspricht) ohne Unterschied beigelegt werden. Man war bisher darüber einig, die Vorstellungen individueller Dinge Anschauungen zu nennen und sie von den Vorstellungen der Geschlechter (mehreren Dingen gemeinschaftlicher Merkmale) zu unterscheiden, ohne sich durch diese Unterscheidung auffordern zu lassen, der Sinnlichkeit ihre ausschließenden Ansprüche auf die Anschauungen einzuräumen, da man doch die Vorstellungen der Geschlechter dem Verstande zueignete. Gleichwie aber jede Vorstellung eines abgesonderten Merkmals aus der unmittelbaren Vorstellung des Gegenstandes durch Handlung des Verstandes und | nicht aus dem unmittelbaren Affiziertwerden entstanden sein muß, so kann hingegen eine unmittelbare Vorstellung des Gegenstandes nur aus dem unmittelbaren Affiziertsein, aus dem Eindrucke auf die Rezeptivität entstehen, indem sie dem Gemüte den Gegenstand vorhält, wie er bloß allein durch dasjenige, was unmittelbar ihm allein angehört, d. h. [durch] den Stoff der Vorstellung bestimmt ist, ohne daß der Verstand die einzelnen Merkmale, welche den Inhalt der Anschauung ausmachen, nach seinen Gesetzen geordnet, verbunden und getrennt hätte. Das unmittelbare Entstehen durch die Art des Affiziertseins ist der gemeinschaftliche Charakter der Empfi ndung, der Anschauung und der sinnlichen Vorstellung überhaupt; und das Vorstellungsvermögen hat in soferne Sinnlichkeit, als es das bestimmte Vermögen hat, durch die Art, wie die Rezeptivität affi ziert wird, zu Vorstellungen zu gelangen.

1 bloßer ] verbessert aus: bloßen 11 f. ausschließenden ] verbessert aus: ausschließende 16 dem ] verbessert aus: den

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§ 49 Das Vermögen, durch die Art und Weise, wie die Rezeptivität affiziert wird, zu Vorstellungen zu gelangen, heißt Sinnlichkeit im engeren Verstande. Ich sage im engeren Verstande, um dieses näher bestimmte Vermögen der sinnlichen Vorstellungen von der Rezeptivität, in wieferne dieselbe zum Vorstellungsvermögen überhaupt gehört, und die, in wieferne unter ihr das sich beim Vorstellen überhaupt leidend verhaltende Vermögen verstanden wird, Sinnlichkeit in weiterer Bedeutung heißen kann, zu unterscheiden. Unter der Rezepti | vität überhaupt wird ein wesentlicher Bestandteil des Vorstellungsvermögens überhaupt, unter der Sinnlichkeit in engerer Bedeutung aber ein wesentlicher Bestandteil des Erkenntnisvermögens verstanden. Rezeptivität ist die bestimmte Empfänglichkeit für den Stoff zur Vorstellung überhaupt, Sinnlichkeit in engerer Bedeutung das bestimmte Vermögen für solche Vorstellungen, welche unmittelbar durch die Art des Affi ziertwerdens entstehen. In dieser Erklärung wird die Sinnlichkeit als eine bestimmte Beschaffenheit des Vorstellungsvermögens angegeben, die demselben in soferne zukommt, als es Vorstellungen erzeugen kann, die unmittelbar durch die Art des Affiziertwerdens entstehen. Die Sinnlichkeit kommt also dem vorstellenden Subjekte zu, in wieferne dasselbe ein auf diese Art bestimmtes Vorstellungsvermögen, nicht in wieferne dasselbe einen organischen Körper hat oder selbst organischer Körper ist. Ob und wie die Sinnlichkeit durch die Organisation entstehe, wird hier weder behauptet noch geleugnet. Es wird hingegen behauptet, daß sie in einem bestimmten Vermögen des vorstellenden Subjektes [bestehe], und zwar in einer bestimmten Beschaffenheit seines Vorstellungsvermögens – und folglich verneint, daß sie in der Organisation, die kein bloßes Vorstellungsvermögen ist, bestehe, ohne übrigens zu bestimmen, ob das Vorstellungsvermögen der Organisation oder einem von ihr unterschiedenen Wesen angehöre. 34 einem von ihr ] verbessert aus: einen von ihn

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»Aber sind nicht allen sinnlichen Vorstellungen gewisse Veränderungen in der Organisation wesentlich?« Es ist nicht zu leugnen, daß gewisse Vor | stellungen, und zwar alle diejenigen, deren Stoff durch die sogenannten fünf Sinne geliefert wird, von den Veränderungen in der Organisation und in soferne auch von der Beschaffenheit der Organisation abhängen, daß diese Vorstellungen [als] die ersten in unsrem Gemüte zur Wirklichkeit kommen und daß aller objektive Stoff in ihnen zuerst vorkomme. Aber so unentbehrlich sie zu den sinnlichen empirischen Vorstellungen, und in wieferne sinnliche empirische Vorstellungen allen übrigen vorhergehen müssen, zur Wirklichkeit jeder Vorstellung überhaupt sein mögen, so gehören sie gleichwohl nur zu den äußern Bedingungen der sinnlichen Vorstellungen, nicht zu den innern, das heißt zu denjenigen, welche Bestandteile der bloßen sinnlichen Vorstellung überhaupt sind. Sie machen keineswegs das sinnliche Vorstellungsvermögen aus. Die Organisation kann selbst nur dadurch Gegenstand unsrer Vorstellungen werden, daß eine Anschauung auf sie bezogen wird, das heißt eine Vorstellung, welche durch die Art des Affi ziertwerdens entstanden ist und folglich Sinnlichkeit des Vorstellungsvermögens voraussetzt. Auch die Veränderungen in der Organisation, in wieferne sie selbst vorstellbar sind, setzen Sinnlichkeit im Vorstellungsvermögen voraus, die folglich in soferne unmöglich aus dem Vermögen dieser Veränderungen bestehen kann. In wieferne sie aber nicht vorstellbar sind, läßt sich auch ihr Zusammenhang mit dem, was im vorstellenden Subjekte an sich, das ebenfalls nicht vorstellbar ist, vorgehen mag, unmöglich angeben. Die Materialisten und Spiritualisten erklären also, in wieferne sie den organischen Körper und seine Veränderungen in den Grundbegriff der Sinnlichkeit aufnehmen, die | Sinnlichkeit durch etwas, was selbst Sinnlichkeit voraussetzt, indem sie Objekte, die nur durch Sinnlichkeit vorstellbar sind, zur innern Bedingung der bloßen sinnlichen Vorstellung machen. Sie mögen selbst darüber urteilen, ob sie dabei weiser zu Werke gehn, als wenn sie die Sichtbarkeit der Gegen-

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stände lieber von den Gegenständen als vom Auge ableiten wollten. Die Rezeptivität des Vorstellungsvermögens muß auf zweierlei sehr verschiedene Arten affiziert werden: von außen, d. h. durch etwas vom bloßen Vorstellungsvermögen Verschiedenes, und von innen durch ihre eigene Spontaneität.

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§ 50 In wieferne die sinnliche Vorstellung durch die Art, wie die Rezeptivität von außen affiziert wird, entsteht, heißt sie in ihrer Beziehung aufs Subjekt äußere Empfindung, in Beziehung aufs Objekt äußere Anschauung; die bestimmte Fähigkeit der Rezeptivität aber, von außen affiziert zu werden, [heißt] der äußere Sinn. Dieser dem Gemüte angehörige äußere Sinn wurde gewöhnlich mit der Reizbarkeit oder Empfänglichkeit der Organisation verwechselt. Man müßte von dem vorstellenden Subjekte an sich und als Substanz Vorstellung haben, wenn es ausgemacht werden sollte, w i e der äußere Sinn in demselben vorhanden sei, d. h., ob und in wieferne derselbe aus der Organisation und ihren Beschaffenheiten entstehe und ob das vorstellende Subjekt | ohne Organisation keinen äußern Sinn haben würde. Aber um zu wissen, daß man unter dem äußern Sinne nicht die Reizbarkeit der Organisation denken dürfe, dazu braucht man nur einen bestimmten Begriff vom Vorstellungsvermögen zu haben, der ganz vom Subjekte abstrahiert, die bloße Form des Vorstellungsvermögens enthält und nur, worin sie bestehe, nicht, woraus sie entstehe, aussagt. Der äußere Sinn, das ist die bestimmte Empfänglichkeit für den objektiven Stoff, muß selbst der Organisation und ihrer Reizbarkeit, in wieferne diese empfi ndbar und anschaulich sein sollen, im Gemüte vorhergehen. Ich weiß aus der Erfahrung, daß aller Stoff, der den Vorstellungen außer mir befi ndlicher Gegenstände entspricht, durch die sogenannten fünf sinnlichen Werkzeuge modifi ziert werde; aber ich bin mir auch dieser fünf sinnlichen

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Werkzeuge als Gegenstände bewußt, die ich in dem deutlichen Bewußtsein derselben von mir als vorstellendem Subjekte unterscheiden und unter die Gegenstände außer mir zählen muß. Das Affiziertsein dieser Werkzeuge, in wieferne mir dasselbe vorstellbar ist, muß von dem zur bloßen Vorstellung gehörigen Affiziertsein der Rezeptivität unterschieden sein und setzt folglich selbst wieder Rezeptivität des Vorstellungsvermögens als a priori im Gemüte vorhanden voraus. Die Empfänglichkeit also der fünf sinnlichen Werkzeuge gehört zwar zu meinem sinnlichen Vorstellungsvermögen, aber nicht als ein a priori in demselben vorhandener Bestandteil, sondern als eine Modifikation desselben, die den äußern Sinn als bestimmt gegeben voraussetzt; mit einem Worte, die fünf Sinne gehören dem äußern Sinne des Gemütes bloß als fünf empirische, nur | aus der Erfahrung bekannte, durch äußeren Eindruck in der Vorstellung gegebene Modifikationen an. Sie gehören nicht zur Form der sinnlichen Vorstellung überhaupt, sondern nur zu den Bestimmungen des Stoffes gewisser sinnlicher Vorstellungen von Dingen außer uns. Sie selbst können nur durch Vorstellungen a posteriori, in welchen ihnen ein dem Vorstellungsvermögen von außen gegebener Stoff entspricht, vorgestellt werden. Aller Stoff, der durch und an dem organischen Körper gegeben ist, ist dem Gemüte von außen her gegeben und wird in soferne auf einen außer dem Gemüte befindlichen Gegenstand, dergleichen die Organisation, so weit wir dieselbe vorstellen können, selbst ist, bezogen. Die Vorstellung, welche durch die Art des Affi ziertwerdens und zwar vermittelst eines der Beschaffenheit der sinnlichen Werkzeuge gemäß modifi zierten Eindrucks entsteht, ist, in wieferne sie auf das Subjekt bezogen wird, nichts als eine Veränderung des vermittelst der Organe affizierten Gemütes, äußere Empfi ndung, und [ist,] in wieferne sie auf ihren Gegenstand bezogen wird, äußere Anschauung. Bei den sogenannten Vorstellungen des Gesichtes ist dies einleuchtend genug, wo der Gegenstand, welcher dem durch die 24 einen ] verbessert aus: einem

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Veränderung des Organes erhaltnen Stoffe entspricht, mit der größten Bestimmtheit als außer uns befi ndlich vorgestellt wird. Bei den Vorstellungen der verworreneren, gröberen Sinne, zum Beispiel bei den Empfi ndungen der durch keinen bestimmten Gegenstand gereizten Geschlechtslust, wird freilich dem Gemüte durch die Veränderung im Organe kein von der Veränderung des Gemütes unterschiedener Gegenstand | vorgehalten; allein das Organ selbst, in welchem der objektive Grund der Veränderung liegt, ist wenigstens im deutlichen Bewußtsein ein außer dem Gemüte vorgestellter Gegenstand. Bestünde nun die Sinnlichkeit jeder Vorstellung überhaupt in den Veränderungen der Organisation, so würde es keine anderen als äußere, das heißt solche sinnlichen Vorstellungen geben können, die auf etwas außer dem Gemüte bezogen werden; und es würde keine sinnlichen Vorstellungen geben können, die im deutlichen Bewußtsein derselben auf nichts außer dem Gemüte Befi ndliches bezogen werden; [es würde] keine inneren Empfi ndungen und inneren Anschauungen [geben können].

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§ 51 In wieferne die sinnliche Vorstellung durch die Art, wie die Rezeptivität von innen affiziert wird, entsteht, heißt sie in ihrer Beziehung aufs Subjekt innere Empfindung, aufs Objekt innere Anschauung; die bestimmte Fähigkeit der Rezeptivität aber, von innen affiziert zu werden, der innere Sinn.

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Dadurch, daß die Spontaneität das der Rezeptivität von außenher gegebene Mannigfaltige verbindet (ihm die Form der Vorstellung gibt), wird die von außen affi zierte Rezeptivität bei jeder Vorstellung des äußern Sinnes auch von innen durch die Spontaneität affiziert; und jede äußere Empfi ndung heißt nur in Rücksicht ihres von außen her gegebenen Stoffes eine

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äußere, ist aber zugleich, in wieferne beim Auffassen dieses Stoffes die Rezeptivität auch von innen affiziert werden mußte, | wodurch jener Stoff zu etwas dem Gemüte angehörigen ward, innere Empfi ndung. Auch gibt es bloße innere Empfi ndungen, das heißt solche, die unmittelbar bloß durch die von der Spontaneität affizierte Rezeptivität entstanden sind. Das deutliche Bewußtsein der Empfi ndung ist vom deutlichen Bewußtsein des Gedankens, oder des Begriffes, wesentlich verschieden. Bei dem letztern stellt das Gemüt sich selbst durch das Prädikat der vorstellbaren Form der Spontaneität als verbindend des Mannigfaltigen, als denkend [vor]; beim erstern hingegen durch das Prädikat der vorstellbaren Form der Rezeptivität als empfangend des Mannigfaltigen, als empfi ndend dadurch vor, daß es die Art und Weise, die Form des Empfangens (die Form der Rezeptivität) als etwas seinem Vermögen Eigentümliches in einer Vorstellung a priori vorstellt. Dies ist aber nur dadurch möglich, daß die Spontaneität, die im bloßen Vermögen a priori bestimmte Form der Rezeptivität in einer derselben entsprechenden Vorstellung durch ein jener Form gemäßes Affizieren der Rezeptivität als bloßen Stoff der Vorstellung bestimmt. Die durch dieses Affiziertwerden entstandene Vorstellung ist nun in Rücksicht ihrer Beziehung aufs Subjekt bloße innere Empfi ndung, in Rücksicht des Objektes aber (der Form der Rezeptivität) innere Anschauung. Der innere Sinn ist zwar mit dem äußern in einer und ebenderselben Rezeptivität vorhanden, aber als ein von dem äußern wesentlich verschiedenes Vermögen. Der äußere Sinn ist die bestimmte Empfänglichkeit für Eindrücke von Ge | genständen, die außer dem vorstellenden Subjekte vorhanden sind; der innere [Sinn ist] die bestimmte Empfänglichkeit für Eindrücke der dem vorstellenden Subjekte eigentümlichen Spontaneität. Der dem äußeren Sinne gegebene Stoff bezieht sich auf Gegenstände außer dem Vorstellenden; der dem innern 24 aber (der ] verbessert aus: aber der

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Sinne gegebene Stoff hingegen teils auf bloße Veränderungen im vorstellenden Subjekte, teils (in der Vorstellung a priori ) auf die Formen des Vorstellungsvermögens und folglich auf eigentümliche Beschaffenheiten des vorstellenden Subjektes, in wieferne es vorstellend ist. Da die Sinnlichkeit wesentlich aus dem inneren und äußeren Sinne besteht, die Organisation aber und die fünf Sinne, in wieferne sie vorstellbar sind, zum Vorstellungsvermögen nur als empirische Modifi kationen des äußeren Sinnes gehören, so raubt jede Defi nition der Sinnlichkeit überhaupt, welche die Organisation unter die Merkmale der Sinnlichkeit aufnimmt, der Sinnlichkeit die eine wesentliche Hälfte ihres Vermögens, nämlich den inneren Sinn, und ist folglich für den Grundbegriff der Sinnlichkeit zu enge. Eine Folge dieser unrichtigen Defi nition der Sinnlichkeit war, daß man den inneren Sinn gewöhnlich mit dem Bewußtsein verwechselte und die demselben eigentümlichen Vorstellungen teils dem äußern Sinne, teils dem Verstande zueignete. Dies letztere gilt insonderheit von den Spiritualisten, welche die deutlichen Vorstellungen ohne Unterschied dem Verstande zuschrieben und denselben für das Vermögen hielten, das, was an den sinnlichen (ihrem Systeme zufolge durch die | Organisation modifizierten Vorstellungen) reell, den Dingen an sich angemessen wäre, anzuschauen. Es ist schwer, im allgemeinen anzugeben, was irgendeine ganze philosophische Sekte, selbst in Rücksicht auf ihre Hauptsätze, über welche sie gegen andere Sekten gemeine Sache macht, eigentlich festgesetzt habe. Denn meistens besteht die Übereinstimmung der einzelnen Köpfe einer Sekte mehr in gemeinschaftlichen Ausdrücken und Formeln, die jeder denkende Kopf auf seine eigene Weise bestimmt, als in allgemeingültig bestimmten Grundbegriffen und Grundsätzen. Mancher Spiritualist wird mir daher widersprechen, wenn ich behaupte, seine Sekte schränke die sinnlichen Vorstellungen 31 in ] verbessert aus: im

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auf diejenigen ein, die von der Organisation abhängen. Er wird mich vielleicht auf Baumgartens Metaphysik verweisen, in welcher es [auf] S. 182 der neusten von Hrn. Eberhard veranstalteten Ausgabe231 heißt: »Ich habe ein Vermögen zu empfi nden, das ist, den Sinn, welcher entweder ein innerlicher ist, das Vermögen innerlicher Empfi ndungen, oder der Vorstellungen des gegenwärtigen Zustandes meiner Seele; oder ein äußerlicher, das Vermögen äußerlicher Empfi ndungen, oder der Vorstellungen von dem gegenwärtigen Zustande meines Körpers«.232 – »Und Baumgarten sollte also keinen Unterschied zwischen dem inneren und äußeren Sinn zulassen, sollte die ganze Sinnlichkeit auf den äußeren Sinn eingeschränkt haben?« – Alles wird hier darauf ankommen, was Baumgarten unter dem Vermögen zu empfi nden oder unter dem Sinne verstehe; und das ist freilich schwer auszumachen. Versteht er unter diesem Sinne die Sinnlichkeit, das Vermögen sinnlicher | Vorstellungen? So kann er den Sinn und folglich den inneren und äußeren Sinn für nichts als für das Vermögen undeutlicher oder verworrener Vorstellungen gelten lassen; denn so werden von ihm [in] § 383 die sinnlichen Vorstellungen definiert.233 Er muß dann dasjenige, ohne welches er sich die undeutlichen Vorstellungen nicht denken kann, als einen wesentlichen Bestandteil seines sogenannten Sinnes annehmen. Nun lehrt er [in] § 376: »Aus der Stellung meines Körpers in dieser Welt kann erkannt werden, warum ich mir diese Dinge dunkler, jene klärer und andere deutlicher vorstelle«234. Indem er aber unter Verstand das Vermögen deutlicher Begriffe versteht, so kann diese Stelle doch wohl keinen andern Sinn haben als: daß der Grund der Undeutlichkeit in der Lage des Körpers, welche den Verstand in gewissen Fällen in seiner Ausübung, der Hervorbringung deutlicher Begriffe, hindert; und [daß] der Grund der Deutlichkeit im Verstande, der in andern Fällen von der Lage des Körpers nicht gehindert ist, aufzusuchen sei. – Oder versteht Baumgarten unter dem, was er Vermögen zu empfi nden oder Sinn nennt, nicht die 10 dem ] verbessert aus: den

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Sinnlichkeit? Freilich versteht er auch oft mehr als die Sinnlichkeit darunter. So sagt er z. B.: »Die Vorstellungen meines gegenwärtigen Zustandes oder die Empfi ndungen sind Vorstellungen des gegenwärtigen Zustandes der Welt, und sie werden durch die Kraft der Seele gewirkt, wodurch sie sich die Welt nach der Lage ihres Körpers vorstellt«235, – denn (§ 377) »die Seele ist die Kraft, diese Welt nach der Stellung des Körpers vorzustellen«236. Und hier wäre also Sinn (das Vermögen zu empfi nden) und Seele ein und ebendasselbe Ding und die Vorstellung meines Zustandes (innerliche | Empfi ndung) zugleich Vorstellung des Zustandes der Welt (oder, wie es oben hieß, des Körpers) äußerliche Empfi ndung!!! Bilfi nger, ein gewiß nicht weniger scharfsinniger und glücklicher Kommentator des großen Leibniz, spricht von dem Vermögen zu empfi nden etwas bestimmter. Ihm ist dasselbe: »Ein Vermögen der Seele, sich die Dinge außer ihr als außer ihr befi ndlich, denjenigen Veränderungen gemäß vorzustellen, welche von diesen Dingen in einem gewissen Teile des organischen Körpers verursacht werden«*. Wenn man nun bedenkt, daß sowohl Bilfi nger als Baumgarten **, und wer sonst nicht, den innern Sinn mit dem Bewußtsein verwechseln, das doch wohl für keinen bloßen Bestandteil des Vermögens, affiziert zu werden, gelten kann, so kann man es nur der Inkonsequenz, die in unsrer bisherigen Philosophie so natürlich war, der Spiritualisten zuschreiben, wenn sie entweder dem vorstellenden Subjekte nicht alles Vermögen, affiziert zu werden, geradezu abstreiten (wie sie unter dem Schutze der Hypothese von der prästabilierten Harmonie wohl gekonnt haben) 239 oder dieses Vermögen für etwas mehr als den bloßen äußern Sinn halten. *

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Potentia animae repräsentandi res ut extra se positas secundum mutationes, 30 quas in certa corporis parte organica faciunt. V. Dilucidationes De Deo Mundo et Anima § 252.237 ** Jene sind die innerlichen Empfi ndungen (sensatio interna Conscientia strictius dicta), Baumgarten (§ 369).238 29 den ] verbessert aus: dem

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Unsere neueren Spiritualisten, von denen der größte Teil das hyperhypothetische System der vorherbestimmten Harmonie bereits für das aner | kennt, was es wirklich ist, haben sich freilich über ihren Begriff von der Sinnlichkeit noch weniger strenge Rechenschaft abgefordert. Aber darüber sind sie noch immer ziemlich unter sich einig, daß sie den äußeren Sinn für das Vermögen, vermittelst der Organe affi ziert zu werden, und den innern Sinn für das Bewußtsein erklären. Da also, ihrer Meinung nach, die Sinnlichkeit auf den äußeren Sinn und dessen Modifi kationen eingeschränkt ist, so bleibt ihnen nichts anderes übrig, als denjenigen Stoff zu Vorstellungen, der dem äußern Sinne nicht gegeben werden kann, durch den Verstand empfangen zu lassen, und so mit dem Aristoteles dem Verstande auch ein leidendes Vermögen zuzuschreiben.240 In wieferne sie nun den Verstand sowie die Sinnlichkeit für ein Vermögen halten, dem der Inhalt zu Vorstellungen gegeben werden muß, in soferne müssen sie freilich die Art, wie dem Verstande gegeben wird, von der Art, wie der Sinnlichkeit gegeben wird, verschieden sein lassen. Sie meinen daher, noch immer nach Leibnizens Anleitung, daß dem Verstande die Gegenstände genau so und nicht anders gegeben wären, wie er sie nach vorhergegangener von ihm unternommener Zergliederung der Merkmale, das heißt in der deutlichen Vorstellung fände; daß aber eben diese Gegenstände der Sinnlichkeit in einer gänzlichen Verwirrung der Merkmale, das heißt, genauso gegeben wären, wie sie in der undeutlichen Vorstellung, die sie daher die sinnliche nennen, vorkommen. In beiden Vorstellungsarten wähnen sie, die Vorstellung eines und ebendesselben Dinges an sich zu besitzen; nur mit dem Unterschied, daß sie durch den Verstand das Ding an sich, wie es an sich selbst beschaffen ist, durch die Sinnlichkeit aber, | wie es durch das Medium der (der Seele fremden) Organisation erscheint, zu erkennen glauben.

32 fremden) Organisation erscheint ] verbessert aus: fremden Organi-

sation) erscheint

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Für diese Herabwürdigung wäre die Sinnlichkeit durch die Materialisten genugsam gerächt, wenn der Grundbegriff, den diese Sekte von der Sinnlichkeit voraussetzt, richtiger wäre. Während die Spiritualisten die Sinnlichkeit für eine bloße durch Organisation bewirkte Modifi kation der vorstellenden, mit dem Verstande verwechselten, unkörperlichen Kraft ansehen, erklären die Materialisten den Verstand selbst für eine bloße Modifi kation der Sinnlichkeit und die Sinnlichkeit für eine der tierischen Organisation eigentümliche Reizbarkeit, die in der vollkommenern Organisation der Menschen sich auch als Verstand äußert. Allerdings hat der Hauptartikel ihres philosophischen Glaubensbekenntnisses, »daß das Wesen aller Dinge in der Körperlichkeit bestünde«, an ihrer Erklärungsart der Sinnlichkeit, und des Vorstellungsvermögens überhaupt, beträchtlichen Anteil. Allein ihr ganzes System ist gewiß nicht weniger eine sehr natürliche Folge des unbestimmten Begriffes von Sinnlichkeit und von der Unentbehrlichkeit der Organisation zum Vorstellungsvermögen und muß durch die bloße Berichtigung jenes Begriffes auf immer einstürzen. Aus den von mir bisher angestellten Betrachtungen über die Sinnlichkeit ergibt sich, 1.) daß die bisher ganz verkannten eigentümlichen Merkmale, durch welche der [in] § 49 aufgestellte Grundbegriff der Sinnlichkeit überhaupt näher bestimmt werden muß, schlechterdings aus keinen Beschaffenheiten des vorstellenden Subjektes, dasselbe mag | Geist oder Körper oder Geist und Körper zugleich sein, sondern aus bloßen Beschaffenheiten des bloßen Vorstellungsvermögens bestehen und die Sinnlichkeit nur, wie sie im Vorstellungsvermögen bestimmt ist, angeben dürfen. 2.) Daß die Sinnlichkeit durch diese Merkmale auf das genauste sowohl von der Rezeptivität des Vorstellungsvermögens überhaupt als auch von dem Verstande ausgezeichnet sein müsse. 3.) Daß sich aus diesen Merkmalen bestimmt erklären lassen müsse, wie die Sinnlichkeit überhaupt als Gattung den äußeren und inneren Sinn als Arten unter sich begreife, und wodurch diese beiden Arten im sinnlichen Vorstellungsvermögen voneinander un-

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terschieden sind. Diesen Bedingungen gemäß dürfen also die aufzusuchenden Merkmale nichts anderes bezeichnen als die Art und Weise, wie die Sinnlichkeit a priori im bloßen Vorstellungsvermögen und zwar als innerer und äußerer Sinn bestimmt ist. Sie müssen die im Vorstellungsvermögen, oder vielmehr in der Rezeptivität desselben, bestimmte Art enthalten, wie diese Rezeptivität affiziert werden muß, wenn Vorstellungen des äußern und inneren Sinnes möglich sein sollen. Ich sage, die im Vorstellungsvermögen bestimmte Art des Affi ziertseins, und unterscheide dieselbe von der außer dem Vorstellungsvermögen in den Dingen an sich bestimmten Art, wie diese Dinge durch den objektiven Stoff die Rezeptivität affi zieren. Durch diese in den Beschaffenheiten der Dinge außer uns gegründeten Art des Affi ziertwerdens wird aber in den sinnlichen Vorstellungen nichts als der Stoff, durch den sie gewissen Dingen außer dem Gemüte entsprechen, bestimmt; nicht | aber die Form derselben als bloße sinnliche Vorstellungen überhaupt, noch auch als Vorstellungen des äußeren Sinnes. Diese letztere kann nur in demjenigen bestimmt sein, wodurch sie sinnliche Vorstellungen überhaupt und sinnliche Vorstellungen des äußern Sinnes werden, d. h. im sinnlichen Vorstellungsvermögen, inwiefern in demselben die Möglichkeit, von außen affi ziert zu werden, bestimmt vorhanden ist. Die Sinnlichkeit des Vorstellungsvermögens muß sich von der bloßen Rezeptivität des Vorstellungsvermögens dadurch unterscheiden, daß während diese letztere nichts als die bestimmte Möglichkeit des Affiziertwerdens überhaupt in Rücksicht auf die Vorstellung überhaupt enthält, die erstere die bestimmte Möglichkeit, von außen und von innen affiziert zu werden, in Rücksicht auf die sinnlichen Vorstellungen begreift. So, wie ich das der Rezeptivität eigentümliche Merkmal darum die Form der Rezeptivität nannte, weil es die Art und Weise, wie die Empfänglichkeit des Gemüts überhaupt affi ziert werden 17 bloße sinnliche ] verbessert aus: bloßer sinnlicher

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muß, darstellt, so werde ich die der Sinnlichkeit eigentümlichen Merkmale die Formen des äußern und inneren Sinnes nennen, weil sie die Art und Weise angeben müssen, wie die Empfänglichkeit bei den sinnlichen Vorstellungen, die entweder dem äußern oder dem innern Sinne oder beiden zugleich angehören, affi ziert werden muß. Wir können also folgendes ohne weitere Erörterung festsetzen:

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§ 52 Die eigentümlichen Merkmale der Sinnlichkeit des bloßen Vorstellungsvermögens | bestehen in der a priori bestimmten Art und Weise, wie die Rezeptivität affiziert werden muß, wenn bloße Vorstellung des äußern und des inneren Sinnes möglich sein soll, oder in den Formen des äußern und inneren Sinnes. Die Form der Rezeptivität besteht in der a priori bestimmten Mannigfaltigkeit des Stoffes überhaupt oder in der nur für ein Mannigfaltiges überhaupt bestimmten Empfänglichkeit des Vorstellungsvermögens; die Formen des äußern und innern Sinnes müssen also in der bestimmten Mannigfaltigkeit des äußern und inneren Stoffes bestehen, in der für ein von außen und von innen gegebenes Mannigfaltiges bestimmten Empfänglichkeit, in der im Gemüt bestimmten Art und Weise, wie das Mannigfaltige von außen und von innen gegeben sein muß, wenn sinnliche Vorstellung möglich sein soll.

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Die a priori bestimmte Form des äußeren Sinnes besteht in der an der Rezeptivität bestimmten Möglichkeit des Außereinanderseins des Mannigfaltigen in der Vorstellung; und der äußere Sinn besteht in dem Vermögen, durch ein Mannigfaltiges, in wieferne dasselbe als ein bloßes Mannigfaltiges in außereinander befindlichen Teilen gegeben ist, zu Vorstellungen zu gelangen. Die Rezeptivität des Vorstellungsvermögens besteht in einer doppelten und folglich auch verschiedenen Empfänglichkeit, deren Unterschied in | der Natur des Gemütes gegründet ist; aus der Empfänglichkeit für den objektiven Stoff, ohne welchen keine Vorstellung eines Gegenstandes außer uns, ja nicht einmal die Wirklichkeit der Vorstellung überhaupt möglich ist; und aus der Empfänglichkeit für den subjektiven Stoff, der nur durch das Affi ziertwerden von der Spontaneität des Gemütes in der Vorstellung gegeben werden kann. Die eine ist Empfänglichkeit für ein Affiziertwerden von außen durch die Handlung eines von dem Vorstellenden verschiedenen Gegenstandes; die andere [ist] Empfänglichkeit für ein Affiziertwerden von innen durch Handlung des Vorstellenden. Da nun jede Handlung der Spontaneität im Verbinden besteht, so muß die Empfänglichkeit für das Affiziertwerden von innen Empfänglichkeit für ein Mannigfaltiges überhaupt sein, in wieferne dasselbe durch Spontaneität, d. h. als verbunden gegeben wird; und folglich muß die Empfänglichkeit für das Affiziertwerden von außen Empfänglichkeit für ein Mannigfaltiges sein, in wieferne dasselbe der Rezeptivität ohne Mitwirkung der Spontaneität und also nicht verbunden, sondern schlechterdings als ein Mannigfaltiges in seinen außereinander befi ndlichen Teilen gegeben werden kann. Die Rezeptivität des äußeren Sinnes besteht also in der bestimmten Möglichkeit, durch ein Mannigfaltiges, in wieferne dasselbe bloßes Mannigfaltiges ist, in nichts als außereinander befi ndlichen Teilen besteht, affiziert zu werden, und der äußere Sinn selbst ist das Vermögen, durch ein außereinander gegebenes Mannigfaltiges zu Vorstellungen

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zu gelangen. Die bloße Vorstellung des äußern Sinnes entsteht dann durch diejenige im Gemüte bestimmte Art des Affiziertwerdens, vermöge welcher der objek | tive Stoff als Stoff, d. i. in Rücksicht auf seine Mannigfaltigkeit in der bloßen Vorstellung nur als ein außereinander befi ndliches Mannigfaltiges bestimmt sein kann; und die Form des äußeren Sinnes, d. h. dasjenige, worin die äußere Sinnlichkeit des Vorstellungsvermögens besteht, ist nichts anders als die in der Rezeptivität vor aller Vorstellung bestimmt vorhandene Möglichkeit des Außereinanderseins des Mannigfaltigen in der Vorstellung.

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§ 54 Die a priori bestimmte Form der Vorstellung des äußeren Sinnes besteht in der Einheit des außereinander befindlichen Mannigfaltigen, die, in wieferne sie mit der Vorstellung auf den Gegenstand bezogen wird, Form der äußern Anschauung heißt. Sinnlich ist eine Vorstellung, in wieferne sie durch die Art des Affiziertwerdens entsteht; und eine sinnlich-äußere ist sie, in wieferne sie durch diejenige Art des Affiziertwerdens entsteht, welche in dem a priori bestimmten Außereinandergegebensein des Mannigfaltigen besteht. So, wie der Stoff überhaupt nur als ein a priori bestimmtes Mannigfaltiges überhaupt in der Vorstellung vorkommen kann, so kann der Stoff der Vorstellung des äußeren Sinnes nur als ein a priori bestimmtes außereinander befi ndliches Mannigfaltiges in derselben Vorstellung vorkommen. Die in der Rezeptivität des Vorstellungsvermögens überhaupt bestimmte Form des bloßen Stoffes als Stoff ist Mannigfaltigkeit überhaupt; die in der sinnlichen Rezeptivität bestimmte Form des bloßen äußeren | Stoffes als äußerer Stoff ist das bloße Außereinandersein des Mannigfaltigen überhaupt. So, wie also die durch das Vorstellungsvermögen überhaupt (Rezeptivität und Spontaneität zusammengenommen) bestimmte Form jeder Vorstellung überhaupt Einheit des Mannigfaltigen ist, so ist die durch das Vorstellungsvermögen,

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das einen äußern Sinn hat, bestimmte Form der Vorstellung Einheit des außereinander befi ndlichen Mannigfaltigen, die, in wieferne die Vorstellung auf den Gegenstand bezogen wird und Anschauung heißt, Form der Anschauung heißen muß.

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Die a priori bestimmte Form des inneren Sinnes besteht in der an der Rezeptivität bestimmten Möglichkeit des Nacheinanderseins des Mannigfaltigen in der Vorstellung, und der innere Sinn besteht in dem Vermögen, durch ein Mannigfaltiges, in wieferne dasselbe in verbundenen, nacheinanderfolgenden Teilen gegeben ist, zu Vorstellungen zu gelangen. Als Rezeptivität überhaupt kann die Empfänglichkeit des inneren Sinnes nur unter der Form des Mannigfaltigen, – als Empfänglichkeit des inneren Sinnes aber kann sie nur durch die Spontaneität, deren Handlungsweise im Verbinden besteht, affiziert werden. Das Mannigfaltige kann also den inneren Sinn nur in soferne affizieren, als es in seiner Mannig faltigkeit durch die Synthesis aufgefaßt wird, das heißt durch sukzessive Apprehension der Teile des Mannigfaltigen, oder, welches ebensoviel ist, als es durch die Spontaneität, die beim | Verbinden jeden Teil des Mannigfaltigen auffassen muß, nacheinander gegeben wird. Die Verbindung des Mannigfaltigen muß beim Affiziertwerden der inneren Empfänglichkeit i n der Rezeptivität vorgehen, und diese muß durch die Handlung der Synthesis affiziert werden, um zu ihrem Mannigfaltigen (dem Stoff) zu gelangen. Dieses kann ihr also nur in soferne gegeben werden, als die Spontaneität durch eine Handlung, die durch die Mannigfaltigkeit des Aufzufassenden bestimmt wird, dem Mannigfaltigen durch ein jedem Teile desselben korrespondierendes Affi zieren der Rezeptivität (sukzessive) Einheit gibt. 25 ihrem ] verbessert aus: ihren 25 dem ] verbessert aus: den

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§ 56 Die a priori bestimmte Form der Vorstellung des inneren Sinnes besteht in der Einheit des nacheinander gegebenen Mannigfaltigen, die, in wieferne sie mit der Vorstellung auf den Gegenstand bezogen wird, Form der inneren Anschauung heißt. Da die Erörterung dieses Paragraphen den § 54 wiederholen müßte, so will ich mich bei derselben nicht aufhalten. Es ist der Vorstellung des inneren Sinnes wesentlich, daß ihr Gegenstand nichts außer dem Gemüte Befi ndliches, sondern entweder eine bloße Veränderung des Gemütes oder eine Beschaffenheit des Vorstellungsvermögens sei. Hierzu ist eine im Gemüte gegründete Verschiedenheit zwischen dem Empfangen des von außen her gegebenen Stoffes, durch welchen Vorstellungen auf Dinge außer dem Gemüte bezogen werden, | und dem Empfangen des von innen gegebenen Stoffes, durch den sie auf etwas im Gemüte bezogen werden, schlechterdings notwendig. Die Art, wie das Gemüt von außen affiziert wird, muß von der Art, wie es von innen affi ziert wird oder sich selbst affi ziert, wesentlich verschieden sein. In wieferne die Rezeptivität von außen affiziert wird, verhält sie sich bloß leidend, verbindet sie nichts, ist ihr der Stoff in seiner bloßen in der Natur der Rezeptivität gegründeten Mannigfaltigkeit gegeben. Ihr bestimmtes Vermögen, von außen affiziert zu werden, muß also in dem bestimmten Außereinandersein des nicht nacheinander und folglich (in Rücksicht auf die innere Empfänglichkeit) zugleich gegebenen Mannigfaltigen bestehen. In wieferne sie aber von innen affiziert wird und ihr bestimmtes Mannigfaltiges durch Handlung der Spontaneität empfängt, ist sie nur in soferne für das Mannigfaltige empfänglich, als ihr dasselbe durch Auffassen seiner Teile und folglich nicht zugleich, sondern nacheinander gegeben wird. Das Merkmal des Zugleichgegebenen kömmt dem objektiven Stoffe nur in soferne zu, als er nicht durch inneres Affizieren, welches nacheinander geschieht, gegeben ist.

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In wieferne auch zur Vorstellung des äußeren Sinnes ein Affiziertwerden von innen wesentlich gehört, in soferne ist die Einheit das nacheinander gegebenen Mannigfaltigen die allgemeine Form jeder sinnlichen Vorstellung und folglich auch jeder Anschauung überhaupt, und die Sinnlichkeit überhaupt besteht in dem a priori bestimmten Vermögen, | durch ein der Rezeptivität nacheinander gegebenes Mannigfaltiges zu Vorstellungen zu gelangen. Der von außen her gegebene Stoff kann nur in soferne Vorstellung werden, als sein Mannigfaltiges in der Rezeptivität verbunden und folglich die von außen affizierte Rezeptivität auch von innen, durch die Synthesis der Spontaneität affiziert wird. Dadurch wird das von außen gegebene Mannigfaltige in den inneren Sinn aufgenommen und zu einem in der Rezeptivität des Vorstellungsvermögens verbundenen Mannigfaltigen, zur bloßen Vorstellung. Auch die Vorstellung des äußern Sinnes muß also, in wieferne sie zugleich dem inneren Sinne angehört, aus einem nacheinander gegebenen und durch Spontaneität verbundenen Mannigfaltigen bestehen; und die Form der Vorstellung des innern Sinnes ist zugleich die allgemeine Form aller sinnlichen Vorstellungen; die unmittelbare Form der Vorstellungen des innern Sinnes und die mittelbare der Vorstellungen des äußern. Die a priori bestimmte Art, wie die Rezeptivität von innen affiziert werden muß, oder das im Gemüte bestimmte Nacheinandergegebensein des Mannigfaltigen, ist also in soferne die Form der Sinnlichkeit überhaupt, d. h. nicht nur des innern, sondern vermittelst des innern auch des äußern Sinnes; die unmittelbare Form des innern Sinnes und durch diesen die mittelbare des äußern. Das charakteristische Merkmal der sinnlichen Vorstellung überhaupt, das jeder Vorstellung, in wieferne sie sinnlich sein soll, a priori bestimmte Kennzeichen, besteht aus dem Entstehen der Vorstellung durch das Nacheinandergegebensein des | Mannigfaltigen. Jede sinnliche Vorstellung, in wieferne sie auf

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das Subjekt bezogen wird und Empfi ndung heißt, ist also ein Affiziertwerden der Rezeptivität durch die bloße Spontaneität bei der bloßen inneren Empfi ndung, ein Affiziertwerden von außen her, durch etwas vom Vorstellungsvermögen Verschiedenes, bei der äußeren Empfindung. Bei der letztern muß das Von-außen-Affiziertwerden immer durch ein Affiziertsein von innen, das Einwirken immer von einem Entgegenwirken auf die Rezeptivität begleitet sein, wenn Empfi ndung, d. h. eine Vorstellung, die Veränderung des Gemütes und nicht bloßer Eindruck auf die Rezeptivität allein ist, entstehen soll.

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§ 58 Die Vorstellungen von den a priori bestimmten Formen der sinnlichen Vorstellung, der äußern und der innern Anschauung, sind Vorstellungen a priori. Der Stoff aller Vorstellungen a posteriori (aller empirischen) Vorstellungen setzt im Vorstellungsvermögen, in wieferne er objektiv, von außen her gegeben sein und Gegenständen außer dem Gemüte entsprechen soll, die bestimmte Empfänglichkeit für ein außereinander gegebenes Mannigfaltiges, und in wieferne er durch Handlung der Spontaneität in der Rezeptivität bestimmt werden soll, bestimmte Empfänglichkeit für ein nacheinander gegebenes Mannigfaltiges voraus. Dasjenige aber, was von allem empirischen Stoffe zur Möglichkeit der Vorstellung, als im Vorstellungsvermögen vorhanden, vorausgesetzt wird, kann dem | Gemüte nicht mit [dem] und durch den empirischen Stoff und das Affiziertwerden von außen gegeben sein. Wenn es also vorgestellt wird, so wird es durch einen Stoff vorgestellt, der nur seiner Wirklichkeit nach in der Vorstellung durch die Handlung der Spontaneität bestimmt, seiner eigentümlichen Beschaffenheit nach aber durch seinen 23 allem ] verbessert aus: allen 26 den ] verbessert aus: dem

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im Vorstellungsvermögen vorhandenen Gegenstand (der bestimmten Art des äußern und innern Affi ziertwerdens) vor aller Vorstellung im Gemüte bestimmt ist, d. h., es wird durch eine Vorstellung a priori vorgestellt. Was zur bloßen sinnlichen Vorstellung allein gehört, nicht zur sinnlichen Vorstellung dieses oder jenes durch einen objektiven Stoff bestimmten Gegenstandes, kann allein durch das vorstellende Subjekt und zwar durch das bloße Vorstellungsvermögen desselben in der Vorstellung vorhanden sein. Man müßte die Unterscheidung zwischen dem Gemüte und den als außer dem Gemüte befindlich vorgestellten Gegenständen und mit demselben das deutliche Bewußtsein dieser Gegenstände ganz aufheben, wenn man dasjenige, was zur bloßen Vorstellung gehört und folglich durchs Vorstellungsvermögen in die Vorstellung kommt, von den Dingen außer uns ableiten wollte. Denn der Grund der Möglichkeit der Unterscheidung des Gemütes von den sogenannten Außendingen kann nur darin liegen, daß in der Vorstellung der Außendinge etwas dem Gemüte und etwas den Außendingen eigentümlich angehört, welches das Gemüt im deutlichen Bewußtsein sich vorstellt, indem es nämlich durch die Prädikate der Formen des äußern und innern Sinnes sich als das Vorstel | lende, durch die Prädikate des objektiven Stoffes (der die Form der sinnlichen Vorstellung angenommen hat) aber das vom Vorstellenden Unterschiedene, außer ihm Vorhandene vorstellt. Bei diesem Bewußtsein, wobei sowohl das Ich als auch das Außending besonders vorgestellt wird, muß das Gemüt dasjenige, was an ihm affiziert ist, den äußern und innern Sinn besonders vorstellen, und zwar lediglich als sein Eigentum vorstellen, um es von demjenigen, wodurch es affiziert ist, dem Außendinge, das in einer besondern Vorstellung dabei vorgestellt wird, zu unterscheiden. Wenn also die Formen der Sinnlichkeit nicht a priori bestimmt und die Vorstellungen derselben nicht Vorstellungen a priori wären, so müßte auch dies deutliche Bewußtsein schlechterdings unmöglich sein. »Wenn die beiden Formen der Sinnlichkeit nichts als Beschaffenheiten des bloßen Vorstellungsvermögens sind, die

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a priori vor aller Erfahrung im Gemüte vorhanden sein müssen, so ist nicht abzusehen, warum nicht auch noch viele andere Beschaffenheiten der bloßen sinnlichen Vorstellungen, z. B. Gerüche, Farben, Töne usw. in der bloßen Beschaffenheit des Gemütes gegründet und folglich nicht auch a priori vorgestellt sein sollen«. Diesem Einwurfe, der dem Verfasser der Kritik der Vernunft öfters gemacht worden ist, liegt eine Zweideutigkeit im Begriffe eines Vermögens zum Grunde.241 Man denkt sich unter Vermögen zuweilen nichts als eine unbestimmte Möglichkeit (die bloße Nichtunmöglichkeit). In diesem Verstande ist in meinem Gemüte a priori das Vermögen vorhanden, zu einer anschauenden Vorstellung vom chinesischen Kaiser zu gelangen. | Wer diese unbestimmte Möglichkeit durchaus ein Vorstellungsvermögen nennen will, dem muß freilich eingeräumt werden, daß wir so viele verschiedene Vorstellungsvermögen besitzen, als einzelne sinnliche Vorstellungen möglich sind. Die bestimmte Möglichkeit aber, die das Vermögen eines Subjektes ausmacht, ist entweder durch die Beschaffenheit des Subjektes selbst oder durch etwas vom Subjekte Verschiedenes bestimmt, d. h. ist im Subjekte entweder ein ursprüngliches oder abgeleitetes Vermögen. Das Vorstellungsvermögen nun, welches dem vorstellenden Subjekte allein eigentümlich ist, kann unmöglich aus einer im Subjekte bloß unbestimmten und in demselben nur durch etwas außer demselben bestimmten, abgeleiteten Fähigkeit bestehen, wenn deutliches Bewußtsein von Außendingen möglich sein soll. Wie sollte überhaupt eine Vorstellung in Rücksicht ihres Stoffes auf etwas vom Gemüte Verschiedenes, auf ein Ding außer dem Gemüte bezogen werden können, wenn nicht alles, was in dieser Vorstellung Stoff ist, dem Dinge außer dem Gemüte, und alles, was nicht Stoff ist, sondern zur Form der Vorstellung als Vorstellung gehört, dem Gemüte angehörte und folglich nicht durch den Stoff, sondern in der Form des Vorstellungsvermögens bestimmt wäre und dem von außen gegebenen Stoff nicht durch das Gemüt erst erteilt würde. Alles also, was nur zur Form der bloßen Vorstellung, sie mag sinnlich sein oder nicht, gehört, muß in der Beschaf-

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fenheit des Gemütes gegründet, a priori im Vorstellungsvermögen bestimmt sein, und die im Subjekte bestimmte Möglichkeit vorzustellen, das eigentliche Vorstellungsvermögen ausmachen. Aber auch nur allein alles, was zur | bloßen Form der bloßen Vorstellung allein gehört. Denn alles, was dem von außen gegebenen Stoffe eigentümlich und dem Vorstellungsvermögen durch diesen Stoff gegeben ist, gehört nicht zum vorstellenden Subjekte, dessen Prädikat das bloße Vorstellungsvermögen ist; seine Möglichkeit ist nicht bestimmt im bloßen Vorstellungsvermögen vorhanden, sondern wird erst in dem von ihm vorausgesetzten Vorstellungsvermögen von außen her bestimmt und kann folglich nur ein abgeleitetes, empirisches Vermögen ausmachen, wie z. B. das Vermögen, durchs Aug, Ohr etc. zu Vorstellungen zu gelangen. Auch zeichnen sich die das ursprüngliche Vermögen der Vorstellungen ausmachenden Prädikate von denen des abgeleiteten und empirischen genugsam durch die ihnen allein zukommenden Merkmale der Notwendigkeit und Allgemeinheit aus.

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Durch die Form des äußeren Sinnes ist der Stoff der Vorstellung des bloßen Raumes im Gemüte a priori bestimmt; und der bloße Raum, in wieferne er vorgestellt werden kann, ist nichts als die a priori bestimmte Form der äußeren Anschauung. Ich unterscheide die Vorstellung des bloßen Raumes von den Vorstellungen des erfüllten und des leeren Raumes. Diese letztern sind gemischte und abgeleitete Vorstellungen, jene ist die reine und ursprüngliche Vorstellung vom Raume. Die Vorstellungen des leeren sowohl als des erfüllten Raumes enthalten Merkmale, die keineswegs dem bloßen Raume wesentlich sind; denn der Raum | muß Raum bleiben, er mag erfüllt oder leer sein. – »Aber ist ihm denn nicht wenigstens eines dieser Merkmale wesentlich? Ist nicht der Raum eben dadurch, daß er nicht erfüllt ist, leer; und daß er nicht leer ist, erfüllt?« – Das

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Leersein folgt freilich notwendig aus dem Nichterfülltsein und das Erfülltsein aus dem Nichtleersein; aber keines von beiden erfolgt aus dem bloßen Raume, so wenig als das Gelehrtsein und Nichtgelehrtsein aus der bloßen Menschheit erfolgt, ungeachtet eines dieser beiden Prädikate jedem Menschen zukommen muß. Das wesentliche Merkmal des Raumes muß dem Raume unveränderlich zukommen; nun ist aber das Erfülltund Leersein des Raumes etwas sehr Veränderliches und also im Begriffe des bloßen Raumes ein bloß zufälliges Merkmal. Die Vorstellung des erfüllten Raumes hat den Raum und nebst dem Raume das Erfülltsein des Raumes zum Gegenstande; die Vorstellung des leeren hat den Raum und die Leerheit desselben zum Gegenstande, entsteht daraus, daß man aus dem erfüllten Raume das, was ihn erfüllt, wegdenkt, und hat folglich außer dem Merkmal des bloßen Raumes auch noch das Merkmal der Negation des Erfüllten zum Inhalt, welches keineswegs in den Begriff des bloßen Raumes gehört. Allein nicht bloß die gemeine Vorstellungsart verwechselt den leeren Raum mit dem bloßen. Auch berühmte Philosophen haben sich bei der Beurteilung der Kantischen Theorie des Raumes fast immer dieser Verwechslung schuldig gemacht; 242 und dadurch, daß sie den empirischen Ursprung der Vorstellung des leeren Raumes gezeigt haben, den schlechterdings empirischen Ursprung der Vorstellung des bloßen Raumes erwiesen zu haben geglaubt. | Auch sind die Vorstellungen des erfüllten und leeren Raumes keineswegs die ursprüngliche Vorstellung des Raumes, das heißt diejenige, die sich unmittelbar auf den bloßen Raum allein als ihren Gegenstand bezieht und aus dem bloßen Stoff, der dem Raum als dem von der Vorstellung desselben verschiedenen Gegenstande entspricht, entstanden ist. Denn sowohl das Prädikat des erfüllten als des leeren Raumes setzt die Vorstellung des Raumes als Subjekt dieser Prädikate voraus. Man muß die soeben bestimmte ursprüngliche Vorstellung des bloßen Raumes nicht mit der empirisch ursprünglichen Vorstellung 5 Prädikate ] verbessert aus: Prädikaten

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des Raumes überhaupt, das heißt mit derjenigen Vorstellung verwechseln, in welcher der Raum zuerst unter den Merkmalen empirischer Vorstellungen im Bewußtsein vorgekommen ist. Jeder Vorstellung a priori muß eine empirische Vorstellung vorhergehen, in welcher der Gegenstand der erstern sich als Form der bloßen Vorstellung an einem objektiven Stoffe bewiesen hat. Die empirisch ursprüngliche Vorstellung des Raumes ist offenbar die des erfüllten Raumes, aus welcher sich nach und nach die Vorstellung des leeren ergab, wo dann endlich durch Absonderung dessen, was beiden gemeinschaftlich ist, die Vorstellung des bloßen Raumes zum Bewußtsein gelangte. Dieser unleugbar empirische Ursprung der Vorstellung des Raumes hat die Einwürfe gegen die Priorität des Stoffes dieser Vorstellung veranlaßt, die unter allerlei Wendungen den von Kant nie angestrittenen Satz verteidigten, daß die wirkliche Vorstellung des Raumes empirischen Ursprungs sei.243 Allein die empirische Ableitung des Raums kann uns den Ursprung der Vorstellung desselben nur in soferne erläutern, als der | Stoff dieser Vorstellung als gegeben vorausgesetzt wird. Woher er gegeben sei, kann durch die Erfahrung, in welcher dieser Stoff als bereits gegeben vorkommen muß, nicht ausgemacht werden. Die Frage: woher ist der Stoff, aus welchem die Vorstellung des Raums entsteht, [woher ist] dasjenige, was in der bloßen Vorstellung des Raums, dem von ihr unterschiedenen Gegenstande entspricht, gegeben? Gehört es zum objektiven oder zum subjektiven Stoffe? Ist es im Gemüte a priori oder a posteriori bestimmt? 244 kann nur aus dem bestimmten Begriffe des Vorstellungsvermögens beantwortet werden. Von der Vorstellung des bloßen Raumes behaupte ich nun, daß der ihr eigentümliche Stoff seiner Beschaffenheit nach durch die Form des äußern Sinnes a priori im Gemüte bestimmt sei. Durch diese Form nämlich, die in der bestimmten Art, durch ein außereinander gegebenes Mannigfaltiges affiziert zu werden, besteht, ist allem objektiven Stoffe im Gemüte die Form 2 den ] verbessert aus: dem

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bestimmt, unter welcher allein er in einer Vorstellung des äußeren Sinnes als Stoff vorkommen kann, nämlich das Außereinandersein seines Mannigfaltigen. Nun kann aber dem bloßen Raume in der Vorstellung desselben kein anderer Stoff entsprechen als das Mannig faltige überhaupt unter der bloßen Form des Außereinanderseins. Denn an dem bloßen Raume kann 1.) nur ein Mannigfaltiges überhaupt, nicht dieses oder jenes Mannigfaltige, nichts, das einem bestimmten Eindruck entspräche, keine Sache im Raume gedacht werden. 2.) Das Außereinandersein des Mannigfaltigen, das dem bloßen Raume als Gegenstand wesentlich ist, muß in der Vorstellung desselben nur an dem Stoff und durch | den Stoff bestimmt sein, weil es eine bloße Form des bloßen Mannigfaltigen, das heißt des Stoffes allein ist. Indem nun aber an dem unter der Form des Außereinanderseins bestimmten Mannigfaltigen überhaupt durch die Spontaneität mit der Form der Vorstellung Einheit hervorgebracht wird (durch das Verbinden nämlich dieses als außereinander bestimmten Mannigfaltigen), entsteht eine Vorstellung, die, unmittelbar auf ihren Gegenstand bezogen, Anschauung des bloßen Raumes ist. Der vorgestellte bloße Raum ist also nichts anders als die Form der äußeren Anschauung selbst; und alle Merkmale des bloßen Raumes müssen sich von der Form der äußern Anschauung und ihrer unmittelbaren Vorstellung ableiten lassen. Die Form der äußeren Anschauung besteht erstens aus der bestimmten Form, die der objektive, d. i. durch ein Affiziertsein von außen gegebene Stoff als ein solcher in der bloßen Vorstellung des äußern Sinnes annehmen muß, im Außereinandersein des Mannigfaltigen. Zweitens aus der Einheit, durch welche diese Form des bloßen Stoffes zur Form der bloßen Vorstellung wird. Diese beiden Bestandteile der Form der äußern Anschauung sind die wesentlichen Merkmale des bloßen Raumes, der im bloßen Außereinandersein des Mannigfaltigen überhaupt, und zwar im verbundenen, zusammenhängenden, einzigen Außereinandersein besteht. Aus der Form der Vorstellung des äußern Sinnes läßt sich daher vollkommen begreifen, warum der Raum

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aus lauter verbundenen Teilen bestehe, wovon jeder wieder als Raum, als ein außereinander befi ndliches Mannigfaltiges gedacht werden muß; die Kontinuität des Raumes und die Teilbarkeit | desselben ins Unendliche. – Hieraus begreift sich auch das Nebeneinandersein der Teile im Raume und das Zugleichsein derselben, das eine notwendige Folge des Unterschiedes zwischen der Form der äußern und der innern Anschauung ist. Letztere besteht allein im Nacheinandersein; die erstere also im Nicht-Nacheinandersein – im Zugleichsein. Die Vorstellung, die unmittelbar aus dem der Form der äußern Anschauung entsprechenden Stoffe entsteht, ist eine wirkliche Anschauung; denn sie entsteht unmittelbar aus der (a priori) bestimmten Art des Affi ziertwerdens, indem ihr Stoff selbst nichts anderes als die Art des Affiziertwerdens von außen ist. In wieferne nun jede Anschauung Vorstellung eines individuellen Gegenstandes ist und es nur eine einzige Form der äußern Anschauung gibt, in soferne läßt sich auch die Eigentümlichkeit des Raumes, daß er nur ein einziger ist und alle verschiedenen Räume nur Teile eines und ebendesselben Raumes sind, befriedigend erklären. So, wie der bloße Raum nur durch eine Anschauung sich vorstellen läßt, so können die Teile des Raumes nur durch Begriffe vorgestellt werden. Da durch das bloße Anschauen allein an einem Gegenstande nichts unterschieden werden kann, so wird auch am Raume, in wieferne er bloß angeschaut wird, kein besonderer Teil unterschieden. Teile des Raumes müssen entweder durch den im Raum gegebenen Stoff oder durch bloße Handlung der Spontaneität bestimmt werden. In beiden Fällen aber setzen sie, in wieferne sie als Teile des Raumes vorgestellt werden sollen, Begriffe voraus, d. h. von der Anschauung ver | schiedene Vorstellungen, die sich nur mittelbar, d. h. durch die Anschauung auf den Raum beziehen. Die unmittelbare Vorstellung der Form der äußern Anschauung, oder des bloßen Raumes, ist Vorstellung des äußern 8 erstere ] verbessert aus: erstern

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Sinnes und zwar äußere Anschauung. Sie entsteht durch die bestimmte Art des Von-außen-Affiziertwerdens; und obwohl ihr Stoff nicht durch ein Affiziertwerden, durch einen Gegenstand außer uns, sondern seiner Beschaffenheit nach im bloßen Vorstellungsvermögen, seiner Wirklichkeit nach, in der Vorstellung aber durch die Handlung der Spontaneität, welche ihre eigene Rezeptivität der Form des äußern Sinnes gemäß affiziert, bestimmt wird, so ist doch dieser Stoff selbst nichts anderes als das Mannig faltige, welches der Form, unter welcher Gegenstände außer uns angeschaut werden, entspricht. Die Vorstellung der Form der äußeren Anschauung ist in soferne die Vorstellung des allgemeinsten Merkmals, welches allen Gegenständen, in wieferne sie außer uns angeschaut werden können, zukommen muß; und eben darum selbst eine Vorstellung, die sich auf etwas außer uns bezieht. Die Form der äußeren Anschauung ist die im Gemüte bestimmte Bedingung, unter welcher allein der objektive Stoff in einer Vorstellung vorkommen und durch ihn ein Gegenstand außer uns vorgestellt werden kann. Die Anschauung dieser Form bezieht sich also zwar auf keinen wirklichen, aber doch auf den im Gemüte möglichen objektiven Stoff und durch ihn auf den möglichen Gegenstand außer uns. Der bloße Raum enthält daher auch nichts außer uns Wirkliches und ist in soferne ein bloßes Nichts, verglichen mit den in ihm befi ndlichen Dingen | und abgesondert von der Form ihrer Anschauung. Allein nichtsdestoweniger begreift er in der letztern Eigenschaft die Möglichkeit des in ihm Wirklichen, des Ausgedehnten in sich. Man nehme dem Raume das Ausgedehnte und er wird Raum bleiben; aber man nehme dann dem Ausgedehnten den Raum und es wird dadurch unmöglich werden. Die Form der äußern Anschauung bezieht sich notwendig vermittelst des objektiven Stoffes, den sie zur Vorstellung macht, auf Gegenstände außer uns, und der Raum bezieht sich so notwendig aufs Ausgedehnte, daß er sich gar nicht anders als nur mit der Möglichkeit der Ausdehnung denken läßt. Die Vorstellung des Raums ist die anschauende Vorstellung von der Möglichkeit der Ausdehnung.

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Der Schein der Paradoxie, den die Behauptung, daß die Vorstellung der Form der äußern Anschauung und folglich die Vorstellung eines nicht außer dem Gemüte vorhandenen Gegenstandes gleichwohl selbst eine äußere Anschauung sei, mit sich führt, verliert sich vollends, wenn man bedenkt, daß diese im Gemüte vorhandene Form gerade dasjenige ist, wodurch sich das Gemüt oder was sich im Gemüte vor aller Vorstellung auf Dinge außer demselben bezieht. Wird also diese Form vorgestellt, so wird etwas, was sich im Gemüte auf etwas außer dem Gemüte bezieht, vorgestellt. Die Form der äußeren Anschauung hat eine doppelte Beziehung: auf das Gemüt nämlich, in wieferne sie in der Beschaffenheit der Rezeptivität des Vorstellungsvermögens gegründet ist; und auf etwas außer dem Gemüte, in wieferne sie die Form ist, die aller objektive (von außenher gegebene) Stoff im Gemüte an | nehmen muß. Sie ist hierdurch gleichsam das Medium der Kommunikation zwischen dem Gemüte und den Dingen außer dem Gemüte. Der von diesen letztern gelieferte objektive Stoff und die vom Gemüte gelieferte Form der äußern Anschauung in der Vorstellung, welche sie ausmachen, vereinigt und auf den Gegenstand bezogen, machen jede (empirische) Anschauung der Dinge außer uns aus. Die vorgestellte bloße Form der äußern Anschauung muß also dahin bezogen werden, wohin die Vorstellung, deren Form sie ist, bezogen werden muß: auf etwas außer uns; und eben darum muß sie auch als etwas außer uns Befindliches, und zwar als dasjenige, worin alles außer uns Befi ndliche vorkommen muß, vorgestellt werden. Hierdurch wird es völlig begreiflich, warum der Raum, ungeachtet wir ihn weder für eine Substanz noch für ein Akzidenz einer Substanz, noch für ein Verhältnis zwischen mehreren Körpern (denn auch dort muß Raum gedacht werden, wo kein Körper ist) halten können, ungeachtet wir ihn unmöglich in die Reihe der wirklichen Dinge und ihrer Beschaffenheiten versetzen können, gleichwohl für kein bloßes Nichts angesehen werden kann, ja allen Einwendungen der Spekulation zum Trotze sich uns gleichwohl als etwas außer uns, ohne alle Eigenschaften wirklicher Dinge aufdringt.

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Endlich ist, welches wohl keines weiteren Beweises bedarf, die Form der äußern Anschauung kein außer unsrem Gemüte befindlicher Gegenstand. Ihre Vorstellung ist daher auch keine Vorstellung eines außer uns befi ndlichen Gegenstandes, sondern die Anschauung der Form, welche alle Ge | genstände außer uns durch den ihnen in der Vorstellung entsprechenden objektiven Stoff annehmen müssen, in wieferne sie anschaulich sein sollen. Die Vorstellung dieser bloßen Form ist Vorstellung des bloßen Mannigfaltigen unter der Form des Außereinanderseins auf Einheit gebracht; und folglich keines weder durch einen objektiven Stoff in einer empirischen Anschauung noch durch den Verstand in einem Begriffe bestimmten und damit begrenzten Außereinanderseins. Daher kann auch in der Anschauung dieser bloßen Form keine bestimmte Grenze des außereinander befi ndlichen Mannigfaltigen vorkommen; und es begreift sich, warum und in wieferne der bloße Raum unendlich ist.

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§ 60 Die unmittelbare Vorstellung der Form der äußern Anschauung oder des bloßen Raumes ist Anschauung a priori, der Raum ist in soferne ein notwendiger Gegenstand für uns, und durch ihn ist die Ausdehnung ein allgemeines Merkmal aller anschaulichen Gegenstände außer uns. Nach dem, was in der Theorie des Vorstellungsvermögens überhaupt über die Vorstellungen a priori 245 und in den vorigen Paragraphen über die Vorstellung von der Form der äußeren Anschauung oder dem bloßen Raume gesagt ist, bedarf die Behauptung, daß diese Vorstellung, in wieferne sie unmittelbar auf ihren Gegenstand bezogen wird, Anschauung a priori sei, weder eines Beweises noch einer Erörterung. Aber das bisherige Schicksal der Kritik der [reinen] Vernunft, die gerade | über diese freilich auf einem anderen Wege erwiesene Behauptung so gar jämmerlich mißverstanden wurde, nötigt mir die ausdrückliche, obwohl sonst überflüssige Erklärung ab, daß ich nicht den

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Raum selbst, sondern nur die Vorstellung desselben Anschauung a priori nenne; 246 und daß ich auch diese Anschauung keineswegs in dem Sinne a priori nenne, als ob sie der empirischen vorherginge oder als ob sie nicht von der empirischen des erfüllten und der abstrakten des leeren Raumes abgezogen wäre,247 sondern lediglich in soferne als ihr Stoff, der keinem andern Gegenstande als der Form der äußern Anschauung entspricht, seiner Beschaffenheit nach nur durch die Form des äußern Sinnes bestimmt ist, die doch wohl nicht durch den empirischen Eindruck gegeben sein kann, sondern als Bedingung alles äußern Affiziertwerdens a priori im Gemüte vorhanden sein muß. Als Gegenstand einer Vorstellung a priori ist der Raum ein notwendiger Gegenstand für unser Gemüt. Da die bestimmte Möglichkeit, durch etwas außer uns Befi ndliches affi ziert zu werden, notwendig zu unsrem Vorstellungsvermögen gehört, einen wesentlichen Bestandteil desselben ausmacht, der von unsrer Rezeptivität unzertrennliche äußere Sinn ist, und da die durch denselben bestimmte Form der äußern Anschauung die Form ist, welche aller objektive Stoff, wenn durch ihn Vorstellung von Dingen außer uns möglich sein soll, annehmen muß, so ist diese Form unsrem Gemüt ebenso notwendig als die Möglichkeit der Vorstellung äußerer Dinge; und der bloße Raum ist von unsrem Gemüte unzertrennlich. Daher kommt es, daß wir zwar alle Gegenstände | aus dem Raume, aber nie den Raume selbst wegzudenken vermögen, daß wir allezeit, wenn wir etwas außer uns vorstellen wollen, auch den Raum vorstellen müssen; daß wir nicht einmal vom Außer-uns-Vorhandensein eine Vorstellung haben können, ohne den Raum dabei zu Hülfe zu nehmen. Als einem Gegenstande einer Vorstellung a priori kömmt dem Raume bei seiner Notwendigkeit auch Allgemeinheit zu; in wieferne er nämlich in der Eigenschaft der a priori bestimmten Form jeder empirischen äußern Anschauung ein allgemeines Merkmal aller anschaulichen Dinge außer uns ist, auf die er zugleich mit der Vorstellung bezogen wird. Daher kömmt es, 9 den ] verbessert aus: dem

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daß alle Dinge außer uns nicht nur im Raume vorhanden sein, sondern auch einen Teil des Raumes erfüllen, ausgedehnt sein müssen. Der dem Gegenstande außer uns in der Vorstellung entsprechende, durch Affi ziertwerden von außen gegebene Stoff kann nur durch die Form der äußern Anschauung, die er im Gemüte annimmt, Vorstellung werden; und nur in seiner unzertrennlichen Vereinigung mit dieser Form auf seinen Gegenstand bezogen werden, der daher auch nur unter dieser Form und folglich nur als etwas den Raum Erfüllendes, Ausgedehntes vorgestellt werden kann. Als Gegenstand einer Vorstellung a priori ist der Raum von der Erfahrung unabhängig, in wieferne die Erfahrung in dem Gegebensein eines Stoffes a posteriori besteht. Denn er ist die Bedingung, die im Gemüte bestimmt sein muß, wenn der objektive Stoff, der nicht anders als a posteriori gegeben sein kann, im Gemüte vor | kommen und zur Vorstellung werden soll. In dieser Rücksicht ist auch die Vorstellung des Raumes von der Erfahrung unabhängig; nämlich in Rücksicht ihres a priori im Gemüte bestimmten Stoffes; obwohl sie in Rücksicht auf ihre Entstehung als eine wirkliche Vorstellung von dem Gegebensein eines objektiven Stoffes in einer empirischen Vorstellung abhängt. Denn ohne diesen letztern würde der äußere, a priori bestimmte Sinn keine Veranlassung haben, die Form der äußeren Anschauung an einem Stoffe zu bestimmen; und diese würde sowenig auch als bloße Form vorgestellt werden können als jede andere Form, die nicht vorher in concreto an einem Stoffe vorgekommen ist, ungeachtet dieselbe weder mit noch durch den Stoff gegeben ist. – Nichts ist daher begreiflicher als wie alle bisherige Versuche, den Raum ohne diese Einschränkung von der Erfahrung abzuleiten, notwendig mißlingen mußten; und warum derjenige Teil der Philosophen, der den bloßen Raum für etwas Wirkliches und von den Dingen Unabhängiges hielt, an demselben ein notwendiges, unendliches und selbständiges Unding zugeben mußte; der andere Teil aber, der ihn für ein bloßes Verhältnis der Dinge gegeneinander ansah, weder erklären konnte, warum der Raum als

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etwas Unendliches, warum er auch dort, wo keine Dinge sind, gedacht werden müsse, und wie es zuginge, daß die Eigenschaften des bloßen Raumes auch den Dingen, welche den Raum erfüllen, notwendig zukommen müßten.248 Aus der Notwendigkeit des Raumes, die von seiner im Gemüte bestimmten Natur abhängt, ergibt sich die sonst unerklärbare apodiktische | Gewißheit der Geometrie, die nichts als eine Wissenschaft der notwendigen Eigenschaften des Raumes ist, welche in derselben nicht durch bloße, sondern auf Anschauungen sich unmittelbar beziehende Begriffe dargestellt werden. Wenn das Substratum der Geometrie, der bloße Raum, notwendig ist, so muß auch jede seiner Eigenschaften notwendig sein; der Raum kann aber nur in soferne in meinem Bewußtsein als notwendig vorgestellt werden, in wieferne er eine Bedingung des Wirklichen ist. Da der bloße Raum als Form meiner äußern Anschauung kein außer mir befi ndlicher Gegenstand ist, so weiß ich, daß diejenige Eigenschaft des Raumes, welche z. B. Dreieck heißt, und alle Eigenschaften dieses Dreieckes, die dem Raume in meiner Vorstellung zukommen, dem Raume und dem Dreiecke auch an sich zukommen müssen, daß alle möglichen Dreiecke, die mir meine Einbildungskraft vorzeichnen kann, und alle wirklichen, die mir in der Sinnenwelt vorkommen können, ebendieselben Eigenschaften haben müssen; welches ich nicht wissen könnte, wenn mir das Substratum des Dreieckes nur aus der Erfahrung bekannt wäre, deren Zeugnis nicht weiter als die gegebenen Fälle reicht.

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Durch die Form des inneren Sinnes ist der Stoff der Vorstellung der bloßen Zeit im Gemüte a priori bestimmt, und die bloße Zeit, in wieferne sie vorgestellt werden kann, ist nichts als die a priori bestimmte Form der inneren Anschauung. | Auch hier unterscheide ich die erfüllte und die leere von der bloßen Zeit, die allein der Gegenstand der reinen (unvermischten)

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und ursprünglichen (durch ihren bloßen Stoff und folglich unmittelbar auf die Zeit sich beziehenden) Vorstellung der Zeit sein kann. Das Wesen der Zeit kann weder im Erfüllt- noch im Leersein bestehen; und beides sind Prädikate der Zeit, die keineswegs den Begriff der Zeit als Subjekt ausmachen, sondern denselben voraussetzen. Unter der bloßen Zeit kann also weder die Sukzession der wirklichen Dinge noch die Sukzession unsrer Vorstellungen, noch die Ordnung in den Bewegungen der Planeten, noch irgend etwas anderes verstanden werden, wodurch etwas, das die Zeit erfüllt, als ein Bestandteil der Zeit selbst, als innere Bedingung und wesentlicher Inhalt des Begriffes der bloßen Zeit angegeben wird. Ich gebe zu, ja ich behaupte sogar meiner Theorie zufolge, daß die Vorstellung der bloßen Zeit nicht ohne die empirische Vorstellung der erfüllten Zeit, nur nach derselben und, in wieferne bei der allmählichen Entwicklung unsrer Begriffe das Abstrakte vorher im Konkreten vorkommen muß, durch dieselbe entstehen müsse. Aber ich behaupte auch, daß der Stoff, der der bloßen Zeit in der Vorstellung derselben entspricht, keineswegs durch das Affi ziertwerden von außen (das ich selbst zur Wirklichkeit der Vorstellung der bloßen Zeit für unentbehrlich halte) gegeben, sondern seiner Beschaffenheit, seiner eigentümlichen Form nach durch die bloße Form des inneren Sinnes a priori im Gemüt bestimmt sei. Durch die Form des inneren Sinnes, die in der bestimmten Art, durch ein nacheinander gege | benes Mannigfaltiges affiziert zu werden, besteht, ist allem Stoffe überhaupt die Form bestimmt, unter welcher er allein in einer Vorstellung des innern Sinnes als Stoff vorkommen kann, nämlich das Nacheinandersein seines Mannigfaltigen. Nun kann aber der bloßen Zeit in der Vorstellung derselben kein anderer Stoff entsprechen als das Mannig faltige überhaupt unter der bloßen Form des Nacheinanderseins. Denn an der bloßen Zeit kann 1.) nur ein Mannigfaltiges überhaupt, nicht dieses oder jenes Mannigfaltige, nichts, das einem bestimmten Eindrucke entspräche, kein Etwas in der Zeit gedacht werden. 2.) Das Nacheinandersein des Mannig-

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faltigen, das der bloßen Zeit, als Gegenstand gedacht, wesentlich ist, muß in der bloßen Vorstellung derselben nur an dem Stoffe und durch den Stoff bestimmt sein, weil es eine bloße Form des bloßen Mannigfaltigen, d. h. des Stoffes allein ist. Indem nun aber an dem unter der Form des Nacheinanderseins bestimmten Mannigfaltigen überhaupt durch die Spontaneität mit der Form der Vorstellung Einheit hervorgebracht wird, entsteht eine Vorstellung, die unmittelbar auf ihren Gegenstand (dasjenige, welchem ihr Stoff entspricht) bezogen, Anschauung der bloßen Zeit ist. Die vorgestellte bloße Zeit ist also nichts anderes als die Form der inneren Anschauung selbst, und alle Merkmale der bloßen Zeit müssen sich von der Form der inneren Anschauung und ihrer unmittelbaren Vorstellung ableiten lassen. Die Form der innern Anschauung besteht erstens aus der bestimmten Form, die jeder der inneren Rezeptivität gegebene Stoff als Stoff der innern Anschauung in der bloßen Vorstellung annehmen | muß, im Nacheinandersein des Mannigfaltigen. Zweitens aus der Einheit, durch welche diese Form des bloßen Stoffes zur Form der bloßen Vorstellung wird. Diese beiden Bestandteile der Form der innern Anschauung sind aber die wesentlichen Merkmale der bloßen Zeit, die im bloßen Nacheinandersein des Mannigfaltigen überhaupt, und zwar im verbundenen, zusammenhängenden, einzigen Nacheinandersein besteht. Aus der Form der inneren Anschauung läßt sich daher auch vollkommen begreifen, warum die bloße Zeit aus lauter verbundenen Teilen bestehe, wovon jeder wieder als Zeit, als ein nacheinander vorkommendes Mannigfaltiges, gedacht werden muß, die Kontinuität der Zeit sowohl als ihre Teilbarkeit ins Unendliche. Hieraus begreift sich auch, warum in der bloßen Zeit allein nichts zugleich vorkommen kann. Das Zugleichvorkommen setzt die Form des Außereinanderseins, den bloßen Raum voraus und kann nur durch die Verbindung von Raum und Zeit gedacht werden. Die Vorstellung, die unmittelbar aus dem der bloßen Form der inneren Anschauung entsprechenden Stoffe besteht, ist

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eine wirkliche Anschauung; denn sie entsteht unmittelbar aus der (a priori bestimmten) Art des Affiziertwerdens, indem ihr Stoff selbst nichts anders als die Art des Affiziertwerdens von innen ist. In wieferne nun jede Anschauung Vorstellung eines individuellen Gegenstandes ist und es nur eine einzige Form der inneren Anschauung gibt, in soferne läßt sich auch die Eigentümlichkeit der Zeit, daß sie nur eine einzige ist und alle verschiedenen Zeiten nur Teile einer und ebenderselben Zeit sind, befriedigend erklären. | So, wie die bloße Zeit nur durch eine Anschauung sich vorstellen läßt, so können die Teile der Zeit nur durch Begriffe vorgestellt werden. Sie müssen entweder durch den in der Zeit aufgefaßten Stoff oder durch bloße Handlung der Spontaneität bestimmt werden. In beiden Fällen setzen sie, in wieferne sie als Teile der Zeit vorgestellt werden sollen, Begriffe voraus, d. h. von der Anschauung verschiedene Vorstellungen, die sich nur durch Anschauung auf die Zeit beziehen. Die unmittelbare Vorstellung der Form des inneren Sinnes ist selbst eine Vorstellung des inneren Sinnes, und zwar innere Anschauung. Sie entsteht durch die bestimmte Art, von innen affiziert zu werden; und obwohl ihr Stoff nicht in einem von außen gegebenen und in den inneren Sinn aufgenommenen Mannigfaltigen besteht, sondern seiner Beschaffenheit nach im bloßen Vorstellungsvermögen, seiner Wirklichkeit nach in der bloßen Vorstellung durch die ihre eigene Rezeptivität nach der Form des innern Sinnes affizierende Spontaneität bestimmt wird, so ist doch dieser Stoff gleichwohl ein wirkliches und im Gemüte bestimmtes Mannigfaltiges, das in der Form, unter welcher etwas a posteriori in uns angeschaut werden kann, seinen bestimmten Gegenstand hat; aber so wie alles, was sich a posteriori in uns anschauen läßt, nämlich die Veränderung in uns, nur als in uns selbst angeschaut, nur Gegenstand einer inneren Anschauung sein kann. Die Vorstellung der Form des innern Sinnes ist in soferne Vorstellung des allgemeinsten Merkmals, welches al28 welcher ] verbessert aus: welchen

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lem, was a posteriori in uns als in uns befi ndlich vorgestellt werden kann, zukommen muß. Alles, | was als in dem vorstellenden Subjekte befi ndlich vorgestellt werden kann, ist entweder a priori vorgestellte Form des bloßen Vorstellungsvermögens, worunter auch die Form des innern Sinnes selbst gehört, oder die wirkliche Vorstellung selbst, in wieferne sie als etwas a posteriori im Gemüte Befi ndliches vorgestellt werden kann, welches letztere nur der Form der innern Anschauung gemäß, d. h. in der bloßen Zeit geschehen kann; daher auch die Vorstellungen unter dem allgemeinen Prädikate der in uns erfüllten Zeit, der Veränderungen in uns, vorgestellt werden müssen. Die Form der inneren Anschauung ist die im Gemüte bestimmte Bedingung, unter welcher allein ein Mannigfaltiges (als subjektiver Stoff) in einer Vorstellung vorkommen und durch dasselbe ein empirischer Gegenstand in uns, d. h. die Veränderung des Gemütes, vorgestellt werden kann. Die Anschauung dieser bloßen Form allein bezieht sich also zwar auf kein wirkliches, aber doch auf alles mögliche Von-innen-Affiziertsein und durch dasselbe auf die mögliche Veränderung in uns. Die bloße Zeit enthält daher auch keine wirkliche Veränderung und ist in soferne ein bloßes Nichts verglichen mit den in der erfüllten Zeit vorkommenden Veränderungen und abgesondert von der Form der Anschauung derselben. Allein nichtsdestoweniger begreift sie in der letztern Eigenschaft die Möglichkeit des in ihr Wirklichen, d. h. der Veränderung in sich. Man nehme die Veränderung aus der Zeit und es wird immer die bloße Zeit übrig bleiben; aber man nehme dann die Zeit von der Veränderung hinweg und die Veränderung wird unmöglich werden. Die Form der inneren | Anschauung bezieht sich notwendig vermittelst des ihr gemäßen Affiziertseins von innen, das durch sie anschaulich wird, auf die Veränderung in uns als einen vorstellbaren Gegenstand; und die Zeit bezieht sich so notwendig auf Veränderung, daß sie sich gar nicht anders als nur mit der Möglichkeit der Veränderung denken läßt. Die Vorstellung der Zeit ist die anschauende Vorstellung von der Möglichkeit der Veränderung.

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Die Anschauung der bloßen Form des inneren Sinnes ist Anschauung eines bloßen Mannigfaltigen überhaupt, in wieferne dasselbe unter der Form des Nacheinanderseins auf Einheit gebracht ist. Das Mannigfaltige überhaupt, das in dieser Anschauung vorkommt, kann eben darum weder durch einen empirischen Stoff noch durch eine Handlung der Spontaneität bestimmt und folglich auch nicht begrenzt sein. Es kann in der Anschauung der bloßen Zeit keine Grenze des Nacheinanderseins vorkommen, und es begreift sich, wie und inwiefern die bloße Zeit unendlich ist.

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§ 62 Die unmittelbare Vorstellung der Form der inneren Anschauung, oder der bloßen Zeit, ist Anschauung a priori; die bloße Zeit ist in soferne ein notwendiger Gegenstand für uns, und durch sie ist Veränderung in uns das allgemeine Merkmal aller unsrer Vorstellungen, in wieferne sie Gegenstände des innern Sinnes sind. Dieser Paragraph kann nach dem bisher Gesagten keine Schwierigkeit haben, wenn man nicht | etwa die Zeit mit der bloßen Vorstellung der Zeit verwechselt. Der Stoff der Vorstellung der Zeit ist seiner Beschaffenheit nach unmittelbar a priori im Gemüte bestimmt, nicht die Vorstellung der Zeit, auch nicht die Zeit selbst. Die Zeit ist nicht Form des inneren Sinnes, sondern Form der inneren Anschauung und entsteht bloß aus der Form des inneren Sinnes (dem bloßen Nacheinandersein), in wieferne dasselbe durch die Spontaneität die Form der Vorstellung, Einheit des Mannigfaltigen erhalten hat. Als Gegenstand einer Vorstellung a priori ist die Zeit ein notwendiger Gegenstand für unser Gemüt. Da die bestimmte Möglichkeit, durch die Spontaneität affiziert zu werden, notwendig zu unsrem Vorstellungsvermögen gehört, einen wesentlichen Bestandteil desselben ausmacht und der von unsrer Rezeptivität unzertrennliche innere Sinn ist; und da die durch denselben bestimmte Form der inneren Anschauung die Form ist, welche

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aller Stoff, in wieferne durch ihn der innere Sinn affiziert sein soll, annehmen muß, so ist diese Form unsrem Gemüte so wesentlich als die Möglichkeit der Vorstellung überhaupt und insbesondere die Möglichkeit der inneren Anschauung. Die Zeit ist daher von unsrem Gemüte unzertrennlich. Daher kömmt es, daß wir zwar alle Gegenstände aus der Zeit, aber nie die Zeit selbst wegzudenken vermögen, daß wir allzeit, wenn wir uns unsre eigenen Vorstellungen als etwas in uns Wirkliches vorstellen, auch die Zeit vorstellen müssen und daß wir von einem Vorhandensein in uns keine Vorstellung haben können, ohne die Zeit dabei zu Hülfe zu nehmen und ein Entstehen in uns zu denken. | Als einem Gegenstande einer Vorstellung a priori kömmt der Zeit bei ihrer Notwendigkeit auch Allgemeinheit zu, in wieferne sie nämlich in der Eigenschaft der a priori bestimmten Form jeder empirischen inneren Anschauung ein allgemeines und unmittelbares Merkmal aller Gegenstände in uns, jeder Veränderung in uns ist. Hieraus begreift sich’s, warum alles, was Gegenstand einer Vorstellung des inneren Sinnes, einer durch die Art des Affiziertseins von innen entstandenen Vorstellung ist, nicht nur in der Zeit vorhanden, sondern auch einen Teil der Zeit erfüllen, ein der Zeit entsprechendes Mannigfaltiges, Veränderung sein muß. Als Gegenstand einer Vorstellung a priori ist die bloße Zeit von der Erfahrung unabhängig, in wieferne die Erfahrung im Gegebensein eines Stoffes a posteriori besteht. Denn sie ist die Bedingung, die im Gemüte bestimmt vorhanden sein muß, wenn der Stoff a posteriori in den inneren Sinn aufgefaßt werden und Vorstellung aus ihm entstehen soll. In dieser Rücksicht ist auch die Vorstellung der Zeit von der Erfahrung unabhängig, obwohl sie in Rücksicht auf ihre Entstehung als besondere Vorstellung von dem Gegebensein eines objektiven Stoffes sowohl als vom Affiziertsein durch die Spontaneität abhängt. – Jede 22 Mannigfaltiges ] verbessert aus: Mannigfaltige 29 ihm ] verbessert aus: ihn

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Ableitung der Vorstellung Zeit aus der Erfahrung, bei welcher der Umstand, daß die Beschaffenheit des Stoffes, welcher der bloßen Zeit in der Vorstellung entspricht, im Gemüte a priori bestimmt sein müsse, übersehen ist, muß notwendig mißlingen und der Zeit entweder ihre Notwendigkeit absprechen oder sie zu einem selbstständigen, ewigen Undinge machen. |

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§ 63 Die Zeit ist die allgemeine Form aller Anschauungen überhaupt und daher ein wesentliches Merkmal aller Gegenstände, in wieferne sie anschaulich sind. Die Form der inneren Anschauung ist die allgemeine Form aller Anschauung überhaupt, in wieferne der Stoff aller sinnlichen Vorstellung durch die Spontaneität nur unter der Form des inneren Sinnes in der Rezeptivität verbunden oder, welches ebensoviel heißt, nur unter der Form eines nacheinanderseienden Mannigfaltigen in den inneren Sinn aufgenommen werden kann. Die Zeit ist also in soferne auch Form der äußern Anschauung; aber nur mittelbar, vermittelst des innern Sinnes, der auch bei der äußeren Anschauung affiziert sein muß, und die Zeit muß mit der sinnlichen Vorstellung des äußern Sinnes auf den (außer uns befi ndlichen) Gegenstand bezogen werden und unter den Merkmalen desselben vorkommen. Jeder anschauliche Gegenstand muß also in der Zeit angeschaut werden. Allein die Zeit kann kein unmittelbares Merkmal der Gegenstände außer uns, der Gegenstände im Raume sein. Das Mannigfaltige, das dem Gegenstande außer uns entspricht, in wieferne er durch den Verstand als etwas für sich Bestehendes gedacht werden muß, kann nur der Form des äußeren Sinnes gemäß im bloßen Raume, in dem es allein gegeben sein kann, angeschaut werden, und die Zeit kann von demselben nur mittelbar, und zwar nur als ein negatives Merkmal behauptet werden, das heißt, der Gegenstand kann, in wie | ferne er als außer uns bestehend gedacht wird, nur als ein nicht die bloße Zeit

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Erfüllendes und mit derselben Fortlaufendes, sondern als ein Beharrliches im Raume angeschaut werden; so, wie die beharrlichen Merkmale ihm nur im Raume allein und folglich nicht unter der Form des Nacheinanderseins, sondern als zugleichseiende Teile zukommen können. »Allein es kommen auch an den Gegenständen a u ß e r u n s Veränderungen vor, Merkmale, die an den Gegenständen selbst nur in der Zeit wirklich werden und die also offenbare Beweise sind, daß die Zeit auch als etwas außer uns und nicht als die bloße Form unsrer Anschauungen gedacht werden müsse.« Ich antworte: Fürs erste werden diese Veränderungen keineswegs in der bloßen Zeit, sondern im Raume und in der Zeit zusammengenommen angeschaut und ihr allgemeinstes wesentliches Prädikat ist Bewegung, Veränderung im Raum und in der Zeit. Wäre also die Zeit, in der diese Veränderungen angeschaut werden, nicht die bloße Form unsrer Anschauung, so könnte es der Raum ebenfalls nicht sein. Fürs zweite können diese Veränderungen an den von unsren Vorstellungen verschiedenen Gegenständen nur in soferne vorgestellt werden, als sie in der bloßen Vorstellung vorkommen und mit und durch dieselbe auf den Gegenstand bezogen werden. Die Veränderung außer uns kann nur durch eine Veränderung in uns vorgestellt werden; die Vorstellung derselben hängt also von der im Vorstellungsvermögen bestimmten Form ab, unter welcher allein Veränderung in uns vorgehen kann; das heißt von der in der Rezeptivität bestimmten Empfänglichkeit | für ein nacheinander gegebenes Mannigfaltiges, von der in unsrem Gemüte bestimmten bloßen Zeit. Alles Nacheinandersein in der Rezeptivität ist in derselben nur, in wieferne sie innerer, – sowie alles Außereinandersein nur, in wieferne sie äußerer Sinn ist, möglich. Alles wirkliche Nacheinandersein kann in der Rezeptivität nur durch die Spontaneität des Vorstellungsvermögens, sowie alles wirkliche Außereinandersein nur durch fremden Eindruck bestimmt werden [kann]. Denn in wieferne das Mannigfaltige der Rezeptivität

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nacheinander gegeben ist, kann es nur in verbundenen Teilen, nur durch Synthesis, nur durch Handlung der auffassenden oder apprehendierenden Spontaneität gegeben sein. Das Nacheinandersein, das bei der Anschauung der Bewegung mit dem Außereinandersein vorgestellt wird, kann in der bloßen Vorstellung nur in soferne vorkommen, als die Spontaneität etwas zugleich mit dem objektiven Stoff Gegebenes nacheinander, d. h. der Form des innern Sinnes gemäß auffaßt. – »Worin bestünde denn aber der Unterschied zwischen Veränderung in uns und außer uns, wenn beide das Werk der Spontaneität wären?« – Darin, daß beide auf eine verschiedene Art das Werk der Spontaneität sind. Die Veränderung in uns ist als bloße Vorstellung des inneren Sinnes ganz Wirkung der Spontaneität. Nicht so die Veränderung außer uns, die keineswegs eine bloße Vorstellung ist. Die Spontaneität affiziert hier den innern Sinn zwar nach der ihm eigenen Form, aber nicht durch sich selbst, sondern durch dasjenige, wovon der äußere Sinn affiziert wird, zu dieser Handlung bestimmt. Ich versuche es, diese | dunkle Gegend des menschlichen Gemütes durch einige Winke in etwas aufzuhellen. Das Affiziertsein, das im Gemüte unter der Form des nacheinander gegebenen Mannigfaltigen vorgeht, wird entweder nur auf das vorstellende Subjekt oder auch auf ein vorgestelltes Objekt, ein Ding außer uns, bezogen. Das erste geschieht bei der Vorstellung des inneren Sinnes, das zweite bei der Vorstellung der Bewegung. In beiden Fällen muß die Möglichkeit des Nacheinandergegebenseins im bloßen Vorstellungsvermögen bestimmt, das Auffassen aber des Mannigfaltigen, in wieferne dasselbe zum Nacheinandervorkommen in der Vorstellung gehört, das Werk der Spontaneität sein und folglich nur im inneren Sinne vorgehen. Im ersten Falle ist das wirkliche Nacheinandervorkommen Wirkung von der Handlung der bloßen Spontaneität, heißt daher auch Veränderung in uns und ist die Form jeder wirklichen sinnlichen Vorstellung, in wieferne dieselbe auf das Subjekt bezogen wird, Empfi ndung ist. Im zweiten Falle aber ist das wirkliche Nacheinandervorkommen Wir-

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kung nicht der bloßen Spontaneität allein, sondern der durch eine Handlung eines Dinges außer uns zum Nacheinanderauffassen bestimmten Spontaneität, heißt in Rücksicht auf dieses von außen Bestimmtsein Veränderung außer uns und ist Stoff der Vorstellung der wirklichen Bewegung. In wieferne das Nacheinanderauffassen des Stoffes die bloße Wirkung der Spontaneität ist, kommt es zwar bei jeder sinnlichen Vorstellung und folglich auch bei der äußeren Anschauung vor, wird aber nicht vorgestellt, nicht mit dem objektiven Stoff unmittelbar auf den Gegenstand | bezogen, und dieser wird daher auch nur unter der Form des objektiven Stoffes, nur im Raume allein und folglich unter der Form des Zugleichseins seiner Merkmale und des Beharrlichen vorgestellt. Ist aber der Grund, warum ein Mannigfaltiges in der Vorstellung nacheinander aufgefaßt wird, in der Vorstellung von außen her bestimmt, wird die Rezeptivität zwar von außen, aber nicht nach der bloßen Form des äußern Sinnes allein affi ziert, wird an dem objektiven Stoffe selbst etwas der Form des inneren Sinnes gemäß, das heißt so gegeben, daß es zwar im Raume, aber nicht im bloßen Raume aufgefaßt werden kann, so wird die Spontaneität nicht durch sich selbst, sondern durch das Affi ziertsein von außen zum Nacheinanderauffassen bestimmt, und dieses Nacheinanderauffassen, bei dem sich das Gemüt mehr leidend als wirkend verhält und zu welchem das Gemüt durch einen von ihm selbst verschiedenen Gegenstand bestimmt wurde, wird zugleich mit dem objektiven Stoffe auf das Ding außer uns bezogen und in soferne als im Raume und folglich als außer uns befi ndlich, als Veränderung außer uns, vorgestellt. Es wäre also freilich ungereimt, die bloße Zeit, die Form des inneren Sinnes, als die Form der Veränderungen außer uns angeben [zu] wollen, da Raum und Zeit in wesentlicher Verbindung die Form der Bewegung, der Veränderung außer uns sind. Aber es wäre ebenso ungereimt, die bloße Zeit, die bloße im Nacheinandersein des Mannigfaltigen überhaupt (des bloßen Stoffes einer Vorstellung) bestehende Form den Dingen an sich beizulegen, da sie nur in Verbindung mit der Form des Außereinanderseins und

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nur durch dieselbe und folg | lich nur durch die Form der äußern Anschauung auf Dinge außer uns bezogen werden kann. Wenn wir dem Begriffe, den die Theorie des Vorstellungsvermögens überhaupt von dem Dinge an sich festgesetzt hat,249 getreu bleiben, so kann dieser Begriff der Behauptung, daß die bloße Zeit eine bloße Form der Anschauung ist, so wenig widersprechen, daß er sie vielmehr bestätigen muß. Denn wenn alle Vorstellung eines Dinges an sich unmöglich ist, so kann dem Dinge an sich kein einziges vorstellbares Prädikat und folglich weder Raum noch Zeit und überhaupt nichts beigelegt werden, außer dem allgemeinen Prädikate eines bloßen Subjektes ohne alle Prädikate.250 Und selbst durch dieses wird es noch nicht als Ding an sich, sondern durch ein in unsrem Verstande gegründetes Prädikat gedacht. Der vorgestellte bloße Raum und die vorgestellte bloße Zeit können also unmöglich dem Dinge an sich beigelegt werden. Auch der Stoff, der ihnen in ihren reinen Vorstellungen entspricht, kann kein objektiver, durch Affiziertsein von außen gegebener und insofern den Dingen an sich angehöriger Stoff sein; da er seiner Beschaffenheit nach nur durch die wesentliche im Gemüte a priori bestimmte Form gegeben sein kann, unter welcher die Rezeptivität von außen und von innen affiziert werden muß, und als Beschaffenheit des bloßen Vorstellungsvermögens im Gemüt von allem objektiven Stoffe vorausgesetzt wird, nicht durch ihn gegeben sein kann. ______________

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| § 64 Das Bezogenwerden einer empirischen Vorstellung auf ihren bestimmten Gegenstand heißt Erkenntnis a posteriori, einer Vorstellung a priori aber Erkenntnis a priori; und von allen (vom bloßen Vorstellungsvermögen verschiedenen) Gegenständen ist nur Erkenntnis a posteriori oder empirische Erkenntnis möglich. Empirisch heißt jede Vorstellung, in wieferne ihr Stoff nicht im bloßen Vorstellungsvermögen, sondern durch ein Affiziertsein

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im Gemüte bestimmt ist. Alle vom bloßen Vorstellungsvermögen verschiedenen Gegenstände können nur empirisch erkannt werden, denn im bloßen Vorstellungsvermögen kann nichts als die bloße Form desselben bestimmt vorhanden sein. Die vom bloßen Vorstellungsvermögen verschiedenen Gegenstände des inneren Sinnes sind die Veränderungen in uns oder die Vorstellungen selbst, in wieferne sie Empfi ndungen sind, und als innere Empfi ndungen durch ein Affiziertwerden von der Spontaneität allein, als äußere zugleich durch ein Affiziertwerden von außen bestimmt werden. Die vom bloßen Vorstellungsvermögen verschiedenen Gegenstände des äußeren Sinnes hingegen sind die Gegenstände außer uns, denen ein durch ein Affi ziertwerden von außen gegebener Stoff entsprechen muß. Von beiden Arten der von unsrem Vorstellungsvermögen verschiedenen Gegenstände sind also nur empirische Vorstellungen und folglich auch nur empirische Erkenntnisse möglich; und unsre Erkenntnis a priori ist lediglich auf das bloße Vorstellungs- und Erkenntnisvermögen selbst eingeschränkt, in welchem | die Formen der Rezeptivität und Spontaneität, die Formen der Sinnlichkeit und, wie sich in der Folge bestimmter zeigen wird, auch des Verstandes und der Vernunft als Gegenstände von Vorstellungen a priori vor allem Affiziertsein bestimmt sein müssen.

§ 65 25

Der Gegenstand einer empirischen Anschauung, in wieferne er nur unter den a priori im Gemüt bestimmten und folglich dem Gemüte und nicht dem Dinge an sich eigentümlichen Formen der Anschauung vorgestellt werden kann, heißt Erscheinung. Es sind uns daher nichts als Erscheinungen empirisch erkennbar.

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Der wesentliche Unterschied zwischen der hier festgesetzten Bedeutung des Wortes Erscheinung und allem demjenigen, 2 verschiedenen ] verbessert aus: verschiedene

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was man sonst gewöhnlich unter Schein denkt, darf wohl hier nicht erst auseinandergesetzt werden. Anschauung ist ein wesentlicher Bestandteil jeder Erkenntnis und empirische Anschauung jeder empirischen Erkenntnis. Mit der sinnlichen Vorstellung muß die von dem a posteriori bestimmten Stoffe im Bewußtsein unzertrennliche, aber dem Gemüte a priori angehörige Form der sinnlichen Vorstellung auf den Gegenstand bezogen werden, wenn Anschauung entstehen, der Gegenstand angeschaut werden soll; er wird also nicht, wie er an sich ist, sondern unter der dem Gemüte angehörigen Form angeschaut, – er erscheint und ist in soferne Erscheinung; und da er nur, in | wieferne von ihm Anschauung möglich ist, erkannt werden kann, so kann er nur als Erscheinung erkannt werden.

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Raum und Zeit sind wesentliche Bedingungen aller Erscheinungen, aber nicht der Dinge an sich; wesentliche Merkmale alles von unserm Vorstellungsvermögen verschiedenen Erkennbaren, aber nicht aller denkbaren Dinge; die Grenzen unsres Erkenntnisvermögens, aber nicht der Natur der Dinge an sich.

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Erscheinung ist der Gegenstand der empirischen Anschauung; die empirische Anschauung ist nur durch die im Gemüte bestimmte Form der Anschauung, d. h. durch den bloßen Raum und die bloße Zeit möglich; also ist auch die Erscheinung in Rücksicht auf das, was an ihr subjektiv ist (dem Gemüte allein angehören muß), nur durch Raum und Zeit möglich, – die äußere durch Raum und Zeit, die innere durch Zeit allein. Aber eben darum können Raum und Zeit keine Bedingungen des Dinges an sich, das heißt desjenigen sein, was dem bloßen Stoffe einer Vorstellung allein außer der Vorstellung entspricht, und daher von aller Vorstellung wesentlich verschieden sein muß. Dem bloßen Raume und der bloßen Zeit kann in ihrer Vorstellung kein objektiver, den Dingen außer uns an sich an-

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gehöriger Stoff entsprechen, weil sie vor allem objektiven Stoff als Bedingungen der Möglichkeit, denselben zu empfangen, im Gemüte bestimmt sein müssen. Sie sind wesentliche Merkmale alles Erkennbaren. In wieferne einem Gegenstande das Prädikat | des Raumes widerspricht, in soferne kann er unmöglich als ein vom bloßen Vorstellungsvermögen und [von] unsren Vorstellungen verschiedener Gegenstand erkannt werden oder, welches ebensoviel heißt: wenn ein von unsrem bloßen Vorstellungsvermögen und unsren Vorstellungen verschiedener Gegenstand erkennbar sein soll, muß ihm in der Vorstellung ein Stoff unter der Form der äußern Anschauung entsprechen und folglich er selbst unter dem Prädikate des erfüllten Raumes oder der Ausdehnung vorgestellt werden. Unsre Vorstellungen selbst aber können nur in soferne als etwas in uns Wirkliches erkannt werden, als ihnen das Prädikat der erfüllten Zeit zukommt, als sie Veränderungen in uns sind. Raum und Zeit aber sind nur Merkmale des empirisch Erkennbaren, in wieferne es erkennbar ist. Sie zu Merkmalen der Dinge an sich machen wollen, würde ebensoviel sein, als nicht nur das Nichtvorstellbare vorstellen, sondern auch allen Unterschied zwischen dem Gemüte und den Gegenständen außer dem Gemüte aufheben, welcher eigentlich nur darin bestehen kann, daß die Formen des Vorstellungs- und Erkenntnisvermögens nicht die Formen der Dinge an sich sind; so, wie das deutliche Bewußtsein von Gegenständen außer uns nur dadurch möglich ist, daß das Gemüt das ihm Eigentümliche (durch die Anschauungen a priori) von dem den Dingen außer ihm Eigentümlichen (durch die empirischen Anschauungen) zu unterscheiden vermag. Durch die am bloßen Raume und an der bloßen Zeit entdeckten Bedingungen und Merkmale der Erkennbarkeit sind nun die eigentlichen Grenzen unsres Erkenntnisvermögen allgemeingültig an | gegeben, und wir vermögen durch sie das Gebiet der erkennbaren Dinge von dem der nichterkennbaren genau zu unterscheiden. Wir wissen daher zum Beispiel, daß die Seele (als Substanz), in wieferne sie nicht das bloße (a priori

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erkennbare) Vorstellungsvermögen, sondern das Subjekt desselben ist, durchaus nicht erkennbar sei, weil alle vom bloßen Vorstellungsvermögen verschiedene Gegenstände, die nicht bloße Vorstellungen sein sollen, im Raume, d. h. außer uns vorgestellt werden müssen, wenn sie erkennbar sein sollen. Aber das Gebiet des Erkennbaren, welches nicht weiter als die Sinnlichkeit reicht, ist noch nicht das Gebiet des Denkbaren; viel weniger der uns gar nicht vorstellbaren Dinge an sich, welches von beiden genau unterschieden werden muß. Das Gebiet des Denkbaren läßt sich dann erst genau bestimmen, nachdem die Natur des Denkens angegeben ist, wozu uns folgende Untersuchung des Verstandes, oder des zweiten wesentlichen Bestandteils des Erkenntnisvermögens, vorher den Weg bereiten muß. ______________ |

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Die Vorstellung, welche durch die Art, wie die Spontaneität tätig ist, unmittelbar entsteht, heißt Begriff in engerer Bedeutung, und das Vermögen durch die Art, wie die Spontaneität tätig ist, zu Vorstellungen zu gelangen, heißt Verstand in engerer Bedeutung. Wir haben die Vorstellung überhaupt, in wieferne sie durch ein Verbinden des Mannigfaltigen entstehen muß, Begriff und die Spontaneität, in wieferne sie bei dieser allgemeinsten Handlung des Verbindens geschäftig ist, Verstand in weiterer Bedeutung genannt. In dieser Bedeutung kann auch die Anschauung, in wieferne sie eine Art der Gattung Vorstellung überhaupt ist und nicht ohne Verbinden des Mannigfaltigen entstehen kann, ein Begriff heißen. Allein, die Anschauung ist eine Vorstellung, die unmittelbar durch die Art des Affiziertseins und nur mittelbar durch die Handlung der Spontaneität entsteht, in wieferne diese nämlich, aufgefordert durch ein Affi ziertsein der Rezeptivität, verbindet, was gegeben ist, und nur in wieferne es gegeben ist, d. h. der Art des Affiziertseins gemäß. Der unmittelbare Entstehungsgrund der Vorstellung liegt hier im bloßen Affi ziertsein und [in] der Beschaffenheit desselben. – Allein | wir haben bereits oben (S. 347) eine andere Art von Vorstellung kennengelernt, die jeder Erkenntnis sowie der Anschauung unentbehrlich, aber von ganz entgegengesetzter Beschaffenheit ist; eine Vorstellung nämlich, die keineswegs unmittelbar durch die Art, wie die Rezeptivität affiziert wird, sondern – unmittelbar durch die Art, wie die Spontaneität handelt, d. h. durch Verbinden entsteht. Der Stoff dieser Vorstellung 24 der ] verbessert aus: die

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ist nicht der rohe Stoff, das unmittelbar durchs Affi ziertsein Gegebene, sondern ein Stoff, der bereits die Form einer Vorstellung erhalten hat, bereits Vorstellung und folglich durch die Spontaneität schon bearbeitet ist. Durch das nochmalige Verbinden dieses schon verbundenen Mannigfaltigen entsteht nun die neue Vorstellung, welche kein durchs Affiziertsein unmittelbar Gegebenes, sondern ein bereits vorgestelltes Mannigfaltiges begreift, der Begriff in engerer Bedeutung. Der unmittelbare Entstehungsgrund dieser Vorstellung liegt nicht im Affi ziertsein, sondern in der Handlung der Spontaneität, und zwar in der ihr eigentümlichen Handlungsweise, im Verbinden, durch welche in dem vorgestellten Mannigfaltigen eine neue Einheit, Einheit des Vorgestellten, hervorgebracht ist. Die Spontaneität handelt hier in einem weit höheren Grade; ihre Handlung ist keine bloße Entgegenwirkung, ist keine unmittelbare Folge der Einwirkung; sie ist durch kein Affiziertsein erzwungen, sie ist die Handlung des Verstandes in engerer Bedeutung, welche ich Denken in ebenderselben Bedeutung nenne. In jedem Begriffe überhaupt müssen zwei verbundene Vorstellungen vorkommen; die eine, aus | welcher der Begriff entstanden ist, und der Begriff selbst. Die eine vertritt die Stelle des Gegenstandes selbst und heißt in soferne das Subjekt oder der Gegenstand; die andere ist Vorstellung des durch die eine vorgestellten [Gegenstandes] und heißt Prädikat oder das Merkmal des Gegenstandes; und der Begriff ist in soferne eine Vorstellung, die sich durch das Merkmal auf den Gegenstand bezieht. Ein Merkmal auf einen Gegenstand beziehen, ein Prädikat (positiv oder negativ) mit einem Subjekte verbinden, heißt urteilen in weiterer Bedeutung, und das Produkt der Handlung, welche Urteilen heißt, ist eine Vorstellung, die aus zwei verbundenen Vorstellungen besteht und durchs Verbinden entstanden ist, ein Begriff. Der Sprachgebrauch, welcher das Wort Verstand in engerer Bedeutung für das Vermögen zu urteilen bestimmt hat, bestätigt unsre Erklärung, welche den Verstand in engerer Bedeutung als das Vermögen, durch die Handlungsweise der Spontaneität zu Vorstellungen zu gelangen, angibt.

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Allein, es wird sich in der Folge zeigen, daß nicht jede Vorstellung, aus welcher durch die Handlungsweise der Spontaneität eine neue Vorstellung entsteht, eine Anschauung sein darf, und daß die Spontaneität auch aus Begriffen durch ihre Handlungsweise eine neue Art von Vorstellung erzeugt, die wir Idee nennen werden. Wenn also Begriff in engerer Bedeutung jede Vorstellung heißt, die durch die Handlungsweise der Spontaneität entsteht, so ist der Begriff in dieser Bedeutung eine Gattung, welche die Idee oder die Vorstellung, die durch Spontaneität aus Begriffen, und den Begriff oder die Vorstellung, welche durch Spontaneität | aus Anschauung erzeugt wird, den Begriff in e n g s t e r Bedeutung als Arten unter sich enthält.251 Diesem zufolge muß auch die Bedeutung des Wortes Verstand noch näher bestimmt werden.

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Die Vorstellung, welche aus einer Anschauung durch die Handlungsweise der Spontaneität entsteht, heißt Begriff, – und das Vermögen der Spontaneität, durch ihre Handlungsweise aus Anschauungen Begriffe zu erzeugen, heißt Verstand in engster Bedeutung.

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Auch dieser Erklärung wird durch den Sprachgebrauch das Wort geredet, welcher zwar oft genug das Wort Verstand in einer Bedeutung nimmt, in welcher auch die Vernunft mit begriffen ist; noch weit öfter aber und am eigentlichsten nur in der Bedeutung, in welcher der Verstand ein von der Vernunft verschiedenes Vermögen ist. Oft nämlich heißt dem Sprachgebrauche Verstand in einem weniger strengen Sinne soviel als das Vermögen zu denken, in wieferne unter Denken Urteilen und Schließen zusammengenommen wird. Im strengsten Sinne aber bezeichnet er damit das Vermögen des eigentlichen Urteilens.252 Ich sage des eigentlichen Urteilens. Denn auch das Schließen wird nicht selten uneigentlich Urteilen genannt; teils weil der Vernunftschluß aus lauter verbundenen Urteilen besteht, teils

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weil das Resultat des Vernunftschlusses, die Verbindung des Prädikates mit dem Subjekte, im Schlußsatze, ein Urteil ist, das sich von anderen Urteilen nur dadurch unterscheidet, daß das Prädikat in den | Vordersätzen nur vermittelst eines anderen Prädikates auf das Subjekt bezogen werden konnte, während beim Urteile im strengsten Sinne das Prädikat unmittelbar auf das Subjekt bezogen wird. Das Urteil ist vom Vernunftschlusse wie das unmittelbare Urteil von dem mittelbaren unterschieden; und wenn das Vermögen zu schließen, mittelbar zu urteilen, Vernunft ist, so kann der eigentliche Verstand nur im Vermögen, unmittelbar zu urteilen, bestehen. Ein unmittelbares Urteil heißt ein anschauendes (iudicium intuitivum) 253, nicht als ob dasselbe in einer bloßen Anschauung bestünde; denn beim bloßen Anschauen wird nichts geurteilt, sondern weil bei diesem Urteile das Prädikat auf eine bloße Anschauung bezogen wird; auf eine Vorstellung, die sich unmittelbar auf den Gegenstand bezieht, der im Bewußtsein nicht von ihr unterschieden vorgestellt wird, und dessen Stelle sie folglich beim Urteile vertritt. Beim anschauenden Urteile wird das Subjekt nicht gedacht, sondern angeschaut, und das Prädikat wird folglich nicht auf das Gedachte, durch ein Merkmal mittelbar Vorgestellte, sondern auf das unmittelbar Vorgestellte, auf den Gegenstand selbst bezogen. Das Prädikat kann daher auch nur eine Vorstellung sein, die aus der bloßen Anschauung durch die Handlungsweise der Spontaneität entstanden ist, ein Begriff in engster Bedeutung. Wenn man bedenkt, daß aller Stoff aller Vorstellungen, selbst derjenige, der seiner Beschaffenheit nach im bloßen Vorstellungsvermögen bestimmt ist und keinem andern Gegenstande als den bloßen Formen des Vorstellungsvermögens entspricht, durch ein Affiziertsein in der wirklichen | Vorstellung entstehen, gegeben sein muß, so wird es noch einleuchtender, daß jedem eigentlichen Begriffe eine Anschauung vorhergehen muß, eine Vorstellung, in welcher der bloße Stoff durchs Affiziertsein gegeben ist; und daß der eigentliche Verstand das Vermögen sei, welches zwischen der Sinnlichkeit und der Ver-

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nunft das Mittel hält, dem seine Materialien von der Sinnlichkeit geliefert werden und der sie für die Bearbeitung durch Vernunft vorbereitet. Die Sinnlichkeit liefert Anschauungen, d. i. Vorstellungen, die sich unmittelbar auf einen Gegenstand beziehen; der Verstand Begriffe, d. i. Vorstellungen, die sich durch ein Merkmal auf den Gegenstand beziehen; die Vernunft Ideen, d. i. Vorstellungen, die sich durch ein Merkmal des Merkmals (den Mittelbegriff) auf Gegenstände beziehen. Wenn man das in der Vorstellung Wirkliche, die Realität der Vorstellung, das in der Vorstellung durch Vorstellungsvermögen Wirkliche, die subjektive, das durch Affi ziertsein vermittelst des objektiven Stoffes Wirkliche, die objektive Realität der Vorstellung nennt, so kömmt in Rücksicht auf objektive Realität der erste Rang der äußeren Anschauung zu, die sich unmittelbar auf das, was nicht Vorstellung und nicht Gemüt ist, auf den unabhängig von unsrem Gemüt reellen Gegenstand bezieht; der zweite dem Begriffe, einer Vorstellung, die sich unmittelbar nicht auf die Sache selbst, sondern nur auf die Anschauung bezieht; der dritte endlich der Idee, die sich durch ein Merkmal des Begriffes auf die Anschauung, also unmittelbar auf den Begriff bezieht und folglich weder die Sache noch die Anschauung, sondern nur einen Begriff zum nächsten Gegenstand hat. In Rücksicht auf die subjektive Realität ist | diese Rangordnung umgekehrt; und man kann als ein Axiom annehmen: je größer die subjektive Realität unsrer Vorstellungen, desto kleiner die objektive und umgekehrt. Je mehr die Spontaneität an einer Vorstellung Anteil hat, desto mehr ist an derselben Vorstellung subjektive Realität, je kleiner der Anteil der Spontaneität ist, je größer aber der Anteil des von außen Affiziertseins, desto mehr hat die Vorstellung objektive Realität. Dies letztere ist bei der äußeren empirischen Anschauung der Fall. Der Grund der subjektiven Realität einer Vorstellung liegt eigentlich in der Handlung der Spontaneität; so, wie der Grund der objektiven [Realität] in der Handlung des Dinges außer uns liegt. Aber da die Vorstellung nur in der 26 Je mehr ] verbessert aus: Iemehr

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Zeit, nur unter der Form der Veränderung in uns, das Ding außer uns aber nur im Raume, nur unter der Form des Ausgedehnten angeschaut und folglich auch nur unter diesen Formen erkannt werden können, so sind Veränderung in uns und Ausdehnung zugleich wesentliche Merkmale des subjektiven und objektiven Reellen oder Wirklichen, in wieferne dasselbe empirischerkennbar sein soll; jene für alles, was in uns, diese für alles, was außer uns, als etwas im strengsten Sinne Wirkliches und von unserm bloßen Vorstellungsvermögen Verschiedenes erkannt werden soll. Dies hat man auch schon lange her in der philosophischen Welt dunkel geahndet; nur daß der mißverstandene Begriff des Dinges an sich die Philosophen weder untereinander noch mit sich selbst einig werden ließ. Den Materialisten war die Ausdehnung von jeher wesentliche Eigenschaft alles Wirklichen, für sich Bestehenden, im Raume Beharrlichen, wofür | sie freilich die Vorstellungen nicht anerkennen konnten. Den Spiritualisten hingegen war die Veränderung in uns, die Vorstellung, das erste Kriterium aller Wirklichkeit (das cogito, ergo sum) 254. Sie war ihnen das unmittelbare Merkmal alles Wirklichen, wodurch nur mittelbar auf etwas außer dem Vorstellenden Wirkliches geschlossen werden konnte.255 Leibniz, der Spiritualisten Größter und der Vollender ihres Lehrgebäudes, hielt die Vorstellung für ein so ausschließendes Merkmal des Wirklichen, daß er alles für sich bestehende Wirkliche, alle Substanzen als vorstellende Subjekte (Monaden) angab, von der Gottheit bis zum Elemente der Materie, und die Ausdehnung für einen bloßen Schein erklärte.256 Spinoza hingegen machte die Vorstellung und die Ausdehnung zu gleich wesentlichen notwendigen Eigenschaften des für sich Bestehenden, der Substanz; offenbar weil er nicht mit Unrecht Vorstellung und Ausdehnung für wesentliche Merkmale des eigentlich Wirklichen ansah.257

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Die durch das Verbinden des durch die Anschauung vorgestellten Mannigfaltigen hervorgebrachte Einheit heißt die objektive Einheit und ist die allgemeinste Form, unter welcher der Gegenstand (einer Anschauung) gedacht wird, und das allgemeinste Merkmal aller erkennbaren Gegenstände, in wieferne sie denkbar sind. Der Sprachgebrauch bezeichnet durch das Wort Gegenstand kat' exochn den Inbegriff von Eigen | schaften und Beschaffenheiten, die zusammengedacht werden und Merkmale einer und ebenderselben Vorstellung sind, ein Ganzes verknüpfter Bestimmungen, ein Individuum. Das Verbundensein der Merkmale macht also das Wesen desjenigen aus, was hier unter dem Worte Gegenstand gedacht wird, und welches aufhören würde, ein Inbegriff und ein Individuum zu sein, wenn ihm die Verbindung genommen würde. Ich nenne die durch die Verbindung des in der Anschauung vorgestellten Mannigfaltigen hervorgebrachte Einheit die objektive, teils um sie von der Einheit der bloßen Vorstellung, welche der sinnlichen Vorstellung, der Anschauung selbst, angehört, zu unterscheiden, teils weil sie wirklich Einheit des Vorgestellten, d. h. des Gegenstandes ist. In ihr ist nämlich nur dasjenige zusammengefaßt, was durch die sinnliche Vorstellung vorgestellt ist, was in der sinnlichen, auf den Gegenstand bezogenen Vorstellung, der Anschauung, Mannigfaltiges enthalten ist. Ich nenne die objektive Einheit die Form, unter welcher der Gegenstand gedacht wird, um sie von der Form, unter welcher der Gegenstand angeschaut wird, der Form der bloßen Anschauung, der Einheit des gegebenen Mannigfaltigen zu unterscheiden, die aus der Verbindung des Mannigfaltigen, das noch nicht vorgestellt ist, noch nicht die Form der Vorstellung erhalten hat, sondern bloßer Stoff ist, besteht. Durch das Verbinden dieses bloßen Stoffes entsteht bloße Vorstellung des von der bloßen Vorstellung nicht unterschieden vorgestellten Gegenstandes, bloße Anschauung; während durch die Verbindung des in der

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Anschauung | vorgestellten Vorstellung des von der bloßen Vorstellung verschiedenen, Begriff des Gegenstandes entsteht. Ich nenne die objektive Einheit die Form, unter welcher der Gegenstand gedacht wird. Der Gegenstand wird gedacht, in wieferne er durch eine Vorstellung, die von der Anschauung (d. i. der sinnlichen Vorstellung, die auf ihn unmittelbar bezogen wird) verschieden ist, vorgestellt wird. Durch die sinnliche Vorstellung wird er angeschaut, das heißt unter der Form vorgestellt, die er durch den ihm entsprechenden Stoff und durch die Form der Anschauung im Gemüte erhält. Durch den Begriff wird er gedacht, d. h. unter der Form vorgestellt, die ihm der Verstand gibt; nämlich als eine von der bloßen Vorstellung verschiedene Einheit, in welche die Merkmale, die in der Anschauung vorkommen, durch eine besondere Handlung des Gemütes zusammengefaßt sind. Die objektive Einheit ist die Form des Gegenstandes überhaupt, in wieferne er denkbar ist. Dasjenige, worauf die Anschauung in Rücksicht ihres Stoffes bezogen wird, und das folglich nur durch das Mannigfaltige, das ihm in der Vorstellung entspricht, im Bewußtsein vorkömmt, wird erst dann im Bewußtsein zum Gegenstande, wenn und in wieferne dieses Mannigfaltige in einer von der bloßen Vorstellung verschiedenen Einheit verbunden wird. Das Verbinden des in der Anschauung vorkommenden Mannigfaltigen ist der Entstehungsgrund der Vorstellung des Gegenstandes als Gegenstand; und er ist in dieser Eigenschaft selbst nichts anderes als die Einheit des vorgestellten Mannigfaltigen. | Diese Einheit ist eben darum das eigentümliche Merkmal des denkbaren Gegenstandes überhaupt und folglich aller Gegenstände, in wieferne sie als Gegenstände denkbar sind. Sie ist das Prädikat, welches dem Angeschauten beigelegt werden muß, wenn dasselbe als Gegenstand gedacht werden soll, welches nur dadurch möglich ist, daß objektive Einheit als Prädikat mit dem Angeschauten als Subjekt im Bewußtsein verbunden wird. Auch läßt sich ein Gegenstand überhaupt nur dadurch denken, daß man einem Etwas, das nicht Vorstellung, aber doch vor-

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stellbar ist, das Prädikat der objektiven Einheit, der Einheit des in einer Vorstellung vorgestellten Mannigfaltigen beilegt. Da diese Einheit Wirkung der Spontaneität ist, in wieferne dieselbe Verstand heißt, da sie vom Gemüte hervorgebracht und folglich nicht mit dem objektiven Stoffe, durch ein affizierendes Ding außer uns gegeben sein kann, so kann sie unmöglich dem Dinge an sich angehören, in wieferne dasselbe Ding an sich ist. Sie ist daher auch nur die Form des Gegenstandes, in wieferne er denkbar ist, nicht die Form des Dinges an sich, welches man bisher gewöhnlich mit dem bloß denkbaren Dinge (dem Intellektuellen) zum Nachteil alles Philosophierens verwechselt hat. Auch der Verstand vermag den Gegenstand nicht als Ding an sich, sondern nur unter der Form zu denken, die in seiner Natur für die ihm eigentümliche Vorstellung (den Begriff) a priori bestimmt ist, d. h. als objektive, durch Verbindung der anschaulichen Merkmale hervorgebrachte Einheit. Aber wer anders sich selbst recht versteht (welches bei der bisherigen Art zu philosophieren selbst Philosophen | nicht immer möglich war), der wird sich mit der Form des Gegenstandes, in wieferne derselbe sich denken läßt, mit der denkbaren Form begnügen, ohne die Form des Gegenstandes, in wieferne dieser sich nicht denken läßt, das nicht denkbare Ding, denken zu wollen. Das Ding an sich ist dasjenige außer uns, dem der bloße Stoff unsrer Vorstellung allein ohne die Form derselben zukömmt; worauf also keine Form unsrer Vorstellung weder einer Anschauung noch eines Begriffes bezogen werden darf und das sich folglich weder anschauen noch denken läßt. Wer aber unter dem Dinge an sich nichts als die objektive Einheit selbst versteht (wie denn dies allezeit der Fall ist, wenn man unter Ding an sich wirklich etwas denken will), dem ist das Ding an sich freilich denkbar, aber nicht als eine von seiner Vorstellung verschiedene und von seinem Vorstellungsvermögen unabhängige Sache, sondern als ein bloßer Begriff, der nur dann mehr als ein bloßer Begriff sein kann, wenn er sich auf eine Anschauung bezieht, in welcher ein Stoff durchs Affiziertsein bestimmt ist. Dasjenige, dem dieser Stoff außer der Vorstellung entspricht,

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heißt mit Recht der Gegenstand; kann aber nur dadurch als etwas von der Anschauung Verschiedenes vorgestellt werden, daß die Form, unter der allein ein Gegenstand denkbar ist, die objektive Einheit, darauf bezogen wird; also nicht als Ding an sich, sondern als Ding unter der allgemeinsten Form eines Begriffes: Denn

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§ 70 Die Einheit des vorgestellten Mannigfaltigen, oder die objektive Einheit, ist die allge | meinste in der Natur des Verstandes a priori bestimmte Form des Begriffes überhaupt, und die Vorstellung der objektiven Einheit ist Vorstellung und zwar Begriff a priori. Der Begriff ist die Vorstellung, die durch die Handlungsweise der Spontaneität aus einer Anschauung entsteht. Seine Form als Begriff muß also in der Einheit des angeschauten Mannigfaltigen bestehen, wie seine Form als Vorstellung überhaupt in der Einheit des Mannigfaltigen überhaupt und die der Anschauung überhaupt in der Einheit des nacheinander aufgefaßten gegebenen Mannigfaltigen besteht. Als Einheit überhaupt ist diese Form des Begriffes in der Handlungsweise der Spontaneität überhaupt (im Verbinden) und als Einheit des angeschauten Mannigfaltigen in dem Verstande oder demjenigen Vermögen der Spontaneität gegründet, durch welches sie nicht, wie im ersten Grade ihrer Handlungsweise (in ihrer ersten Potenz), den bloßen, sondern den bereits zur Vorstellung gewordnen Stoff neuerdings zu verbinden und an demselben eine Einheit höherer Art, Verstandes-Einheit, hervorzubringen vermag. In wieferne nun die Form des Begriffes durch die bloße Handlungsweise der Spontaneität, welche Verstand heißt, vor aller wirklichen Vorstellung bestimmt ist, in soferne ist die Vorstellung dieser Form eine Vorstellung, der kein a posteriori bestimmter Stoff entspricht, eine Vorstellung a priori. Sie ist aber eine Vorstellung, die nicht unmittelbar aus der a priori bestimmten Art des Affiziertwerdens, sondern aus der a priori bestimmten Handlungsweise der Spontaneität entsteht, folg-

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lich | keine Anschauung, sondern ein Begriff a priori. Wirklich bezieht sich die Vorstellung der Form des Begriffes nicht unmittelbar auf diesen ihren Gegenstand (denn der Einheit kann in der Vorstellung kein Mannigfaltiges entsprechen), sondern nur vermittelst der vorgestellten Form der Anschauung, deren Mannigfaltiges, durch den Verstand verbunden, gedacht wird. Die Form des Begriffes läßt sich nicht anschauen, sondern bloß denken; die Vorstellung derselben ist also auch keine Anschauung, sondern ein bloßer Begriff. Es erhellt hieraus die Notwendigkeit und Allgemeinheit, die der objektiven Einheit als dem Gegenstande eines Begriffes a priori zukömmt. Nichts kann begreiflicher sein, als wie es zuging, daß die objektive Einheit von den Spiritualisten zur Einfachheit der Substanz umgeschaffen wurde, da sie dies notwendige und allgemeine Merkmal aller denkbaren Gegenstände für eine Eigenschaft der Dinge an sich ansahen; so, wie die Materialisten an der Ausdehnung, dem notwendigen und allgemeinen Merkmale aller außer uns anschaulichen Gegenstände, die wesentliche Eigenschaft desjenigen, was mehr als bloße Vorstellung ist, der Dinge an sich, entdeckt zu haben glaubten.

§ 71

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Das Mannigfaltige einer Anschauung in eine objektive Einheit zusammenfassen, heißt Urteilen, die objektive Einheit aus der Anschauung hervorbringen, heißt synthetisch, die hervorgebrachte objektive Einheit mit | der Anschauung verbinden, analytisch urteilen. Man versteht unter einem Urteile diejenige Handlung des Verstandes, durch welche zwei Vorstellungen verbunden werden,*

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Auch negative Urteile entstehen nur durch Verbindung negativer Merkmale. Überhaupt trennt der Verstand nur durch Verbindung des zusammengehörigen Mannigfaltigen.258

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wovon man die eine Subjekt, die andere aber, die mit der einen verbunden wird, Prädikat nennt. Diese Verbindung muß aber unmittelbar zwischen Prädikat und Subjekt geschehen, das heißt, das Prädikat muß mit dem Subjekte nicht vermittelst eines anderen Prädikates verbunden werden, wenn das Urteil kein Vernunftschluß, sondern ein eigentümliches Urteil sein soll. Das Subjekt, mit welchem ein Prädikat durch ein bloßes Urteil verbunden werden soll, muß vor dieser Verbindung nicht gedacht (d. h. nicht durch ein Merkmal), sondern unmittelbar vorgestellt, angeschaut sein. Die Vorstellung also, welche bei einem eigentlichen Urteile Subjekt ist, muß eine Anschauung sein. Das Prädikat hingegen, welches ein Merkmal des Subjektes ist, muß aus der Anschauung entstanden und eine Vorstellung sein, die sich nicht unmittelbar, sondern nur vermittelst der Anschauung auf das, was nicht Vorstellung ist, den Gegenstand, bezieht, ein Begriff. Man hat die Entstehung des Prädikates dadurch genugsam erklärt zu haben geglaubt, daß man dem verworren gedachten Verstande ein besonderes, vom Vermögen zu verbinden unabhängiges Vermögen zu trennen, Abstraktionsvermögen beilegte, durch | welches er eine Anschauung, Totalvorstellung, in ihre Merkmale, die Partialvorstellungen, trennte, welche dann als Prädikate mit der Totalvorstellung als dem Subjekte verbinden urteilen hieße. Allein auch dieses eingeräumt, so entstünde gleichwohl die Vorstellung des Prädikates vor demjenigen Urteile, wodurch sie mit dem Subjekte verknüpft wird, nur durch ein anderes Urteil, wodurch es von dem Subjekte als verschieden vorgestellt, getrennt würde; und folglich ginge die Abstraktion nicht jedem Urteile vorher, sondern wäre ja selbst eine Art von Urteil, und die Vorstellung des Prädikates entstünde auch jener Erklärung zufolge aus einem Urteile, nicht das Urteil aus einer vorhergegangenen Vorstellung des Prädikates. Und wie, wenn das Prädikat aus der Anschauung durch Absonderung hervorgeholt wird, muß es [dann] nicht vorher durch Verbindung in der An4 dem ] verbessert aus: den

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schauung vorhanden gewesen sein, und setzt also nicht selbst jenes Trennen ein vorhergegangenes Verbinden, die Analysis eine Synthesis voraus? Die Vorstellung, welche im Urteile Prädikat heißt, ist ein Begriff und entsteht folglich ursprünglich aus der Anschauung nicht durch Trennen, sondern durch Verbinden des in der Anschauung vorgestellten Mannigfaltigen; wie dann das allgemeinste aller Prädikate, die objektive Einheit oder das Merkmal des denkbaren Gegenstandes überhaupt, nur durch die Verbindung des in der vorgestellten Form der Anschauung überhaupt vorgestellten Mannigfaltigen überhaupt entsteht. Durch ebendieselbe Handlung, durch welche das durch die Anschauung Vorgestellte verbunden wird und Einheit des Vorgestellten im Bewußtsein ent | steht, wird die Einheit des Vorgestellten von der bloßen Vorstellung, der Begriff von der Anschauung, das Prädikat vom Subjekte getrennt vorgestellt. Wenn also die Handlung, durch welche das Prädikat als vom Subjekte unterschieden vorgestellt wird, ein Urteilen heißt, so muß auch das Zusammenfassen des Mannigfaltigen der Anschauung in eine objektive Einheit Urteilen heißen. Durch dieses Zusammenfassen des Mannigfaltigen einer Anschauung in eine objektive Einheit wird die Verbindung eines Subjektes (der Anschauung) mit einem Prädikate (dem Begriffe) bestimmt, d. h. es wird geurteilt. Aber dieses Zusammenfassen kann auf zweierlei Arten geschehen. Entweder wird dadurch die objektive Einheit erst aus der Anschauung hervorgebracht oder die schon hervorgebrachte objektive Einheit wird dadurch mit der Anschauung verbunden. In dem ersten Falle wird das Merkmal des Gegenstandes erst aus der Anschauung erzeugt, das Prädikat vom Subjekte durch die Erzeugung aus demselben abgesondert, durch das Zusammenfassen des vorgestellten Mannigfaltigen eine von der Anschauung verschiedene Vorstellung des bestimmten Gegenstandes hervorgebracht; im zweiten Falle wird das von der Anschauung unterschiedene Merkmal mit der Anschauung wieder verbunden. Ich nenne die erste Verstandeshandlung ein synthetisches

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Urteil, weil die Handlung, durch welche das Prädikat aus dem Subjekte erzeugt oder die von der Anschauung verschiedene Vorstellung des Gegenstandes hervorgebracht wird, in der bloßen Synthesis, [in] dem Verbinden des angeschauten Mannigfaltigen besteht; und die zweite ein analytisches | Urteil, weil die Verbindung des schon erzeugten Prädikates mit dem Subjekte die durch die Erzeugung bewirkte Absonderung des Prädikates vom Subjekte voraussetzt. Beide, das synthetische und das analytische Urteil haben unter sich das Gemeinschaftliche, daß sie Urteile, Handlungen des Verstandes sind, durch welche die Beziehung eines Begriffes auf eine Anschauung bestimmt wird; aber sie unterscheiden sich dadurch voneinander, daß beim synthetischen das Bestimmen der Beziehung im Erzeugen der beziehenden Vorstellung, beim analytischen aber im Verbinden der beziehenden Vorstellung mit der Anschauung besteht; daß das letztere ebendasselbe Prädikat mit dem Subjekte verbindet, welches von dem erstern durch Zusammenfassung des angeschauten Mannigfaltigen, aus dem Subjekte, erzeugt wurde. Jeder Analysis muß eine Synthesis vorhergehen; und jedem analytischen Urteile muß ein vorhergegangenes synthetisches zum Grunde liegen. Wenn durch das analytische Urteil herausgebracht werden soll, daß ein gegebenes Prädikat und Subjekt unter eine objektive Einheit begriffen sind, so müssen diese vorher in eine objektive Einheit begriffen worden sein. Wenn beim Erkennen die Vorstellung auf den bestimmten Gegenstand durch ein analytisches Urteil bezogen werden soll, so muß der Gegenstand vorher durch ein synthetisches Urteil bestimmt worden sein. Wenn man sich der Verknüpfung zweier Vorstellungen bewußt werden soll, so muß diese Verknüpfung vorhergegangen sein, und was der Verstand als verbunden vorstellt, muß er vorher verbunden haben.259 | Die allgemeinste Form aller Urteile, der analytischen und synthetischen, besteht im Zusammenfassen des Mannigfaltigen der Anschauung in objektive Einheit; und eben dies Zusammenfassen ist zugleich die allgemeinste Form des Vorstel-

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lens durch einen Begriff. Die Form des synthetischen Urteilens ist die Form der Handlung, durch welche ein Begriff erzeugt, die Form des analytischen [Urteilens ist] die Form der Handlung, durch welche vermittelst eines erzeugten Begriffes vorgestellt wird. Einen Begriff erzeugen heißt, durch Zusammenfassung des Mannigfaltigen der Anschauung objektive Einheit erzeugen, synthetisch urteilen. – Durch einen Begriff vorstellen heißt, eine Vorstellung haben, die sich durch ein Merkmal (objektive Einheit) auf den Gegenstand (die Anschauung) bezieht, analytisch urteilen. Die allgemeinste Form des Begriffes, als Produkt des Verstandes, ist also durch die allgemeinste Form des Urteils als die Handlungsweise des Verstandes bestimmt, welche für die analytischen und synthetischen Urteile ebendieselbe ist; nur mit dem Unterschiede, daß das analytische Urteil nur durch ein Vorhergegangenes synthetisches, nicht dieses durch jenes möglich ist und daß folglich alle dem Verstande angehörigen näheren Bestimmungen eines analytischen Urteils im synthetischen vorhergegangen sein müssen. Wie es denn begreiflich genug ist, daß dasjenige, was nach Gesetzen des Verstandes als verbunden vorgestellt werden soll, nach Gesetzen des Verstandes verbunden sein müsse.

§ 72

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Durch die besonderen, in der Natur des Verstandes bestimmten Formen der Urteile | sind gewisse Modifikationen der objektiven Einheit als ebenso viele besondere Formen, unter welchen die Gegenstände gedacht werden müssen, a priori bestimmt, und diese bestimmten Formen der denkbaren Gegenstände heißen Kategorien. Ich nenne Modifikation der objektiven Einheit die näher bestimmte Art und Weise, wie das vorgestellte Mannigfaltige in der Einheit verbunden ist. Durch die Natur des Verstandes muß nämlich nicht nur das Verbundenwerden des vorgestellten Mannigfaltigen, sondern auch die Art und Weise des Verbundenwer-

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dens bestimmt sein; nicht nur die bloße Gattung der objektiven Einheit, sondern auch die Arten derselben; nicht nur die Möglichkeit und die Form des Urteilens überhaupt, sondern auch die Möglichkeit und die Formen besonderer Weisen des Urteilens; nicht nur die Möglichkeit und die Form des Begriffes überhaupt, sondern auch die Möglichkeit und die Formen besonderer Arten von Begriffen. Die Natur des Verstandes kann unmöglich in der allgemeinsten Form der Urteile und Begriffe erschöpft sein, sondern in ihr muß alles, was zu jeder Art des Urteils und des Begriffes, in wieferne dieselbe von der Handlungsweise der Spontaneität abhängt, bestimmt sein. Die durch die Natur des Verstandes bestimmten Modifi kationen der allgemeinsten Form des Urteilens oder des Zusammenfassens in die objektive Einheit sind die besonderen logischen Formen der Urteile; und so, wie sich aus der allgemeinsten Form des Urteilens die allgemeinste Form, Ge | genstände zu denken, ergibt, so müssen sich aus den besondern logischen Formen der Urteile ebenso viele besondere durch die Natur des Verstandes bestimmte Formen, Gegenstände zu denken, oder ebenso viele vom Verstande abhängige Merkmale der Gegenstände überhaupt ergeben. Wir müssen also die logischen Formen der Urteile aufsuchen. Ungeachtet diese Formen zuerst an synthetischen Urteilen, welche allen analytischen zum Grunde liegen, vorkommen müssen, so können sie gleichwohl im Bewußtsein zuerst nur an den analytischen Urteilen erkannt werden. Denn die Vorstellungen der bestimmten Gegenstände kommen nur bei der Erkenntnis (oder dem Bewußtsein der bestimmten Gegenstände) vor, wobei die Gegenstände nicht, wie sie der Verstand erst bestimmt, sondern wie er sie bereits bestimmt hat, nicht wie die Begriffe derselben aus der Anschauung erzeugt werden, sondern wie sie bereits erzeugt sind und auf die Anschauungen bezogen werden, vorkommen müssen. Erkenntnis ist das Bezogenwerden der Vorstellung auf den bestimmten Gegenstand, und zwar ein Bezogenwerden, bei dem man sich des Gegenstandes als bereits bestimmt bewußt ist; das Urteil also,

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welches bei der Erkenntnis das Prädikat (oder den bestimmten Begriff) auf das Subjekt (den in der Anschauung vorkommenden Gegenstand) bezieht, ist ein analytisches Urteil, ein Urteil, wobei der bereits erzeugte Begriff mit der Anschauung verbunden wird. An den analytischen Urteilen also, welche bei der wirklichen Erkenntnis im Bewußtsein vorkommen, und an ihren verschiedenen Formen müssen sich auch die Formen der synthetischen Urteile, die von jenen | nicht verschieden sein können, oder die Formen des Urteilens, in wieferne sie ursprünglich in der Natur des Verstandes bestimmt sind, an [den] Tag legen. Beim analytischen Urteilen kommen ein (bereits synthetisch erzeugtes) Prädikat und ein Subjekt, folglich zwei Vorstellungen vor, deren vorher synthetisch bestimmtes Verhältnis zur objektiven Einheit im Bewußtsein bestimmt wird; und man kann den Unterschied zwischen dem analytischen und synthetischen Urteile auch damit erklären, daß beim analytischen Urteile mit dem Gegenstande dasselbe Merkmal im Bewußtsein verbunden wird, welches durch das synthetische Urteil vermittelst der Zusammenfassung des Mannigfaltigen der Anschauung v o r dem Bewußtsein erzeugt wurde. Wir wollen das jedem Urteile wesentliche Prädikat und Subjekt die logische Materie, die synthetisch bestimmte Beziehung derselben aber zur objektiven Einheit, die Art und Weise, wie das vorgestellte Mannigfaltige in der objektiven Einheit zusammengefaßt ist, die logische Form der Urteile nennen. Die verschiedenen Verhältnisse, welche die logische Materie und die logische Form der Urteile zur objektiven Einheit haben können, müssen von der in der Natur des Verstandes bestimmten Möglichkeit des Zusammenfassens in die objektive Einheit abhängen oder, welches ebensoviel heißt, die verschiedenen Arten dieser Verhältnisse sind nur durch ebenso viele verschiedene Arten des dem Verstande eigentümlichen Zusammenfassens oder durch ebenso vielerlei Funktionen des Verstandes beim Urteilen möglich. | Durch jene Verhältnisse also müssen sich die verschiedenen logischen Formen der Urteile angeben und erschöpfen lassen.

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Wir wollen also hier die möglichen Verhältnisse der logischen Materie und Form zur objektiven Einheit aufsuchen.260

Die logische Materie des Urteils besteht erstens aus dem Subjekte; und dieses verhält sich zur objektiven Einheit des Prädikates oder zum Merkmale entweder wie Einheit oder wie Vielheit * oder wie Vielheit und Einheit zugleich. Im ersten Falle wird ein Subjekt, im zweiten werden mehrere, im dritten alle in die objektive Einheit des Prädikates zusammengefaßt; und das Prädikat gilt entweder von einem Subjekte oder von vielen oder von allen Subjekten; und das Urteil ist entweder ein einzelnes oder ein partikuläres oder ein allgemeines Urteil.262 Die logische Materie besteht zweitens aus dem Prädikate, und dieses verhält sich zur objektiven Einheit des Subjektes oder zum Gegenstande wie Einheit oder wie Vielheit oder wie Einheit und Vielheit zugleich. Im ersten Falle ist das Prädikat in die objektive Einheit des Subjektes aufgenommen, im zweiten von derselben ausgeschlossen, im dritten wird eben dadurch, daß das Prädikat in die objektive Einheit des Subjekts aufgenommen wird, etwas vom Subjekte ausgeschlossen, durch das Prädikat wird etwas im Subjekte gesetzt oder etwas | vom Subjekte genommen oder zugleich etwas gesetzt und genommen, und das Urteil ist entweder bejahend oder verneinend oder unendlich (indefi nitum).263 Die logische Form des Urteils

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besteht aus dem Zusammenfassen in die objektive Einheit und ist bestimmt erstens in Rücksicht des Zusammenzufassenden, zweitens in Rücksicht des Zusammenfassenden selbst, das *

Vielheit soll hier nur soviel als Mannig faltigkeit überhaupt bezeichnen, in wieferne sie der Einheit entgegengesetzt ist.261 30

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heißt, in Rücksicht auf das Prädikat und Subjekt, in wieferne beide zusammengenommen sich auf die Einheit des Objektes beziehen,264 und in Rücksicht auf das zusammenfassende Subjekt (das Denkende), in wieferne das Zusammenfassen auf dasselbe bezogen wird.265 In der ersten Rücksicht verhalten sich das Subjekt und Prädikat in der objektiven Einheit zusammengefaßt wie Einheit oder wie Vielheit oder wie Einheit und Vielheit zugleich. Verhalten sich Subjekt und Prädikat zusammengefaßt zur objektiven Einheit wie Einheit, so machen sie zusammen nur ein einziges Objekt aus, das Prädikat ist mit dem Subjekte innerlich verknüpft als Merkmal mit dem Gegenstande, und das Urteil ist kategorisch. Verhalten sich Subjekt und Prädikat zusammengefaßt zur objektiven Einheit wie Vielheit, so machen sie zusammen zwei verknüpfte Objekte aus, das Prädikat ist mit dem Subjekte äußerlich verknüpft, als Folge mit dem Grunde, und das Urteil ist hypothetisch. | Verhalten sich endlich Subjekt und Prädikat zusammengefaßt zur objektiven Einheit wie Vielheit und Einheit zugleich, so machen sie zusammengenommen Ein aus mehreren Objekten bestehendes Objekt, eine Gemeinschaft aus, und das Prädikat ist mit dem Subjekte innerlich und äußerlich verknüpft als ein Glied, das mit dem andern zusammengenommen ein System ausmacht und folglich das andere, mit dem es zusammengenommen Merkmal des G a n z e n ist, von sich als den anderen Te i l ausschließt, und das Urteil ist disjunktiv. In der zweiten Rücksicht ist das Verhältnis des Zusammenfassenden zum Zusammenfassen in die objektive Einheit bestimmt. Da das Zusammenfassende, das vorstellende Ich als Subjekt des Verstandes nur durch das Bewußtsein des Zusam6 verhalten ] verbessert aus: verhält 9 Verhalten ] verbessert aus: Verhält 14 Verhalten ] verbessert aus: Verhält 19 Verhalten ] verbessert aus: Verhält

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menfassens vorstellbar ist oder durch das Bezogenwerden des Zusammenfassens auf das Subjekt, so kann das Verhältnis zwischen der Handlung des Zusammenfassens und dem Zusammenfassenden, in wieferne dieses vorstellbar ist, nur aus dem Verhältnisse des Zusammenfassens zu dem Bezogenwerden ebendieses Zusammenfassens aufs Subjekt oder, welches ebensoviel heißt, aus dem Verhältnisse zwischen dem Bewußtsein und dem Zusammenfassen bestehen. Das Bewußtsein verhält sich nun zum Zusammenfassen entweder wie Einheit oder wie Vielheit oder wie Einheit und Vielheit zugleich. Im ersten Falle ist das Zusammenfassen mit dem Bewußtsein innerlich verknüpft, geht im Bewußtsein selbst vor; es wird wirklich zusammengefaßt, und das Urteil ist assertorisch. | Im zweiten Falle ist das Zusammenfassen mit dem Bewußtsein äußerlich verknüpft, geht nicht selbst im Bewußtsein vor, sondern wird als etwas vom Bewußtsein Verschiedenes vorgestellt, kommt im Bewußtsein nicht als Handlung, sondern als Handlungsweise, nicht als wirkliche, sondern als bloß mögliche Handlung vor; und das Urteil ist problematisch. Im dritten Falle ist das Zusammenfassen mit dem Bewußtsein innerlich und äußerlich verknüpft, die bloße Vorstellung des Zusammenfassens ist vom wirklichen Zusammenfassen unzertrennlich, das im Bewußtsein vorgestellte Zusammenfassen wird eben darum auch im Bewußtsein vorgenommen; die wirkliche Handlung des Zusammenfassens wird im Bewußtsein durch ihre Möglichkeit bestimmt, und das Urteil ist apodiktisch. Es müssen also bei jedem Urteile v i e r e r l e i Arten des Verhältnisses durch die Natur des Verstandes bestimmt sein; und es sind auch nicht mehr und nicht weniger innere, im Urteile selbst gegründete Verhältnisse möglich.266 1.) Das Verhältnis des Subjektes zur objektiven Einheit oder die Quantität des Urteils. 2.) Das Verhältnis des Prädikates zur objektiven Einheit oder die Qualität des Urteils. 3.) Das Verhältnis des Subjektes und Prädikates zusammengenommen zur objektiven Einheit

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oder die Relation des Urteils; und endlich [4.)] das Verhältnis der in allen drei Rücksichten bestimmten objektiven Einheit, oder des Urteils selbst, zum Bewußtsein oder die Modalität des Urteiles. | Quantität, Qualität, Relation und Modalität sind also logische, durch die Natur des Verstandes bestimmte Modifi kationen jedes Urteils überhaupt. Da aber von jeder derselben drei verschiedene untergeordnete Modifi kationen möglich sind, entstehen durch sie zwölf besondere Formen der Urteile, von denen vier, nämlich aus jedem der vier Arten von Modifi kationen eine der unter ihr enthaltenen drei Formen, jedem Urteile zukommen müssen. Ich nenne diese Formen der Urteile die ursprünglichen, weil sie jedem Urteile, für sich allein betrachtet, zukommen müssen und die innere Natur desselben ausmachen; während alle anderen Beschaffenheiten der Urteile, die einem Urteile nur in Vergleichung mit einem anderen zukommen, bloß äußere Verhältnisse und abgeleitete Formen sind; z. B. die enunciationes identicae, compositae, comparativae, exeptivae, exclusivae usw.,267 die daher von einigen Gegnern der kritischen Philosophie sehr mit Unrecht an der von Kant zuerst aufgestellten,268 aber freilich noch nicht so ganz bestimmt deduzierten Tafel der ursprünglichen Formen der Urteile vermißt worden sind.269 Die Vorstellungen aller zwölf Formen der Urteile bestehen 1.) aus den in der Theorie des Vorstellungsvermögens überhaupt aufgestellten Vorstellungen a priori, nämlich des Mannig faltigen (oder Vielen in weiterer Bedeutung) und der Einheit des Mannig faltigen. 2.) Aus den verschiedenen Verbindungsarten des Mannigfaltigen. – Ihr ganzer Inhalt kann also nur im Vorstellungsvermögen, inwieferne dasselbe Verstand hat, und folglich nur a priori bestimmt sein. | Wie sich die allgemeine Form des Urteilens zu der allgemeinen Form der Begriffe oder der Form, Gegenstände zu denken, verhält, so verhalten sich die besondern Formen des Urteilens zu den besonderen Formen der Begriffe oder den Formen, Gegenstände zu denken, den Kategorien.

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A priori bestimmte Handlungsweise des Verstandes 270 In den Formen der Urteile

In den Kategorien

I Quantität Einzelne Partikuläre Allgemeine Urteile

Einheit Vielheit Allheit der Gegenstände

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II Qualität Bejahende Verneinende Unbestimmte Urteile 271

Realität Negation Limitation der Gegenstände

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Substantialität Kausalität Konkurrenz der Gegenstände |

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Wirklichkeit Möglichkeit Notwendigkeit der Gegenstände

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III Relation Kategorische Hypothetische Disjunktive Urteile IV Modalität272 Assertorische Problematische Apodiktische Urteile

Wie die Formen der Urteile in zwei Hauptklassen zerfallen, in derer einen das Verhältnis zwischen dem logischen Stoffe (dem Subjekte und dem Prädikate) und der objektiven Einheit und in der anderen das Verhältnis zwischen der logischen Form der Urteile und der objektiven Einheit bestimmt ist, so bestehen 22 Gegenstände ] verbessert aus: Gegenst.

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die durch die Formen der Urteile bestimmten Kategorien aus zwei korrespondierenden Hauptklassen, wovon die eine mit gutem Fuge die mathematische, die andere die dynamische heißen kann.273 Die erste betrifft nämlich lauter solche Prädikate, die in der Anschauung und in soferne mathematisch bestimmbar sind; indem nämlich durch sie entweder vermittelst der Quantität bestimmt ist, wie vielmal ein Subjekt in Rücksicht auf ein Prädikat als objektive Einheit; – vermittelst der Qualität aber, ob das Prädikat in der objektiven Einheit des Subjektes positiv oder negativ oder begrenzt gesetzt sei. Die zweite hingegen betrifft lauter solche Prädikate, die den Gegenständen in Rücksicht auf die Existenz derselben beigelegt werden und die nicht an der Materie des Urteilens, sondern an der bloßen Form selbst, nicht an der Anschauung, sondern am bloßen Begriffe, an dem Zusammenfassen, der Kraftäußerung des Gemütes bestimmt sind. |

Die mathematischen Kategorien

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1.) Einem Gegenstande kömmt das Merkmal der Quantität zu, in wieferne sein Verhältnis als Subjekt zur objektiven Einheit eines Prädikates bestimmt ist. Verhält sich das Subjekt wie Einheit, so kommt dem Gegenstand das Prädikat der quantitativen Einheit zu, die von der objektiven Einheit wohl unterschieden werden muß; verhält es sich wie Vielheit, so kömmt dem Gegenstande das Prädikat der quantitativen Vielheit zu, die von dem Mannigfaltigen überhaupt als der Form des Stoffes genau zu unterscheiden ist; verhält es sich aber wie Einheit und Vielheit zugleich, so kommt dem Gegenstande das Prädikat der quantitativen Allheit zu, die ich von der Totalität überhaupt, von der in der Folge die Rede sein wird, nicht weniger sorgfältig [zu] unterschieden wünsche. Einheit des Prädikates ist in dem Begriff der Größe ein ebenso wesentliches Merkmal als die 26 es ] verbessert aus: er

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Vielheit des Subjektes, und ihr zufolge wird die Größe als Vielheit des Gleichartigen dessen, was ein und ebendasselbe Prädikat hat, die numerische Einheit aber als Einheit des Gleichartigen gedacht. Die Quantität kann nur durch alle drei ihr untergeordneten Kategorien als bestimmte Größe gedacht werden; und jede bestimmte Größe hat quantitative Einheit, Vielheit und Allheit. 2.) Einem Gegenstande kömmt das Merkmal der Qualität zu, in wieferne das Verhältnis seines Prädikates zur objektiven Einheit, die ihm als Subjekt zukömmt, bestimmt ist. Verhält sich das Prädikat zur objektiven Einheit des Subjektes wie Einheit, so ist es etwas, das durch die Zusammenfassung, wodurch die objektive Einheit des Subjek | tes entsteht, in den Inbegriff des Mannigfaltigen aufgenommen, d. h. im Subjekte positiv gesetzt wird, und dem Gegenstande kommt dadurch das Prädikat der Realität zu. Verhält sich das Prädikat zur objektiven Einheit des Subjektes wie Vielheit, so ist es etwas, das durch die Zusammenfassung, wodurch die objektive Einheit entsteht, aus dem Inbegriff des Mannigfaltigen ausgeschlossen, d. h. im Subjekte negativ gesetzt wird, und dem Gegenstande kömmt in soferne das Merkmal der Negation zu. Verhält es sich endlich zur objektiven Einheit des Subjektes wie Einheit und Vielheit zugleich, so ist es etwas, das durch die Zusammenfassung, wodurch die objektive Einheit entsteht, in den Inbegriff des Mannigfaltigen so aufgenommen wird, daß das Aufnehmen zugleich ausschließt; im Subjekte wird durch das Positive zugleich etwas negativ gesetzt, und dem Gegenstande kömmt das Merkmal der Limitation zu. Vielheit, d. i. Mannigfaltigkeit des Zusammenfassenden im Subjekte (qualitative Vielheit) ist dem Begriffe der Qualität ebenso wesentlich als die Einheit jedes dieser Prädikate (qualitative Einheit), und demzufolge wird die Qualität eines Gegenstandes als der Inbegriff der in einem Subjekte zusammengefaßten positiven und negativen Merkmale, des qualitativen Vielen, und jedes dieser Merkmale (eine 4 f. untergeordneten ] verbessert aus: untergeordnete

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Qualität des Gegenstandes) entweder als eine positive oder negative qualitative Einheit oder als beides zugleich gedacht. Die bestimmte Qualität des Gegenstandes selbst (nicht die Qualität überhaupt) kann nur durch alle drei dem Begriffe der Qualität untergeordneten Kategorien Realität, Negation und Limitation gedacht werden. |

Die dynamischen Kategorien

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3.) Einem Gegenstande kömmt das Merkmal der Relation zu, in wieferne das Verhältnis, das er als Subjekt mit einem gewissen Prädikate zusammengenommen zu der (gemeinschaftlichen) objektiven Einheit hat, gegenseitig bestimmt ist. Verhalten sich Subjekt und Prädikat zusammengenommen zur objektiven Einheit wie Einheit, so sind sie in der objektiven Einheit innerlich verknüpft; sie gehören dann nicht nur zu Einem Objekte, sondern machen selbst zusammen nur Ein Objekt aus, in welchem das Subjekt als das Objekt selbst, das Prädikat aber als etwas im Subjekte, ein Merkmal, gedacht werden muß. Das Subjekt erhält durch diese Bestimmung in Rücksicht auf das Prädikat den Rang des Subjektes im strengsten Sinne; nämlich des Subjektes, das nicht Prädikat, nicht Merkmal eines Objektes, sondern Objekt ist; und das Prädikat ist in Rücksicht auf dasselbe Subjekt als Prädikat im strengsten Sinne bestimmt, d. h. als etwas, das nur durchs Verknüpftsein mit einem andern (dem Subjekte) als Prädikat objektive Einheit hat, in einem Objekte vorhanden ist. Dem Gegenstande kömmt dadurch in Rücksicht auf das, was an ihm Subjekt ist, das Merkmal des für sich Bestehenden: der Substanz – auf das aber, was an ihm Prädikat ist, das Merkmal des in einem andern Bestehenden, des Akzidenz zu. Verhalten sich Subjekt und Prädikat zusammengenommen zur objektiven Einheit wie Vielheit, so sind sie in der objekti5 untergeordneten ] verbessert aus: untergeordnete

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ven Einheit äußerlich verknüpft; das Prädikat macht dann nicht mit dem Subjekt ein Objekt, sondern ein besonders Objekt, | das aber nur durch das Äußerlichverknüpftsein mit dem Subjekte als ein Objekt gedacht werden kann, aus. Das Subjekt erhält durch diese Bestimmung den Rang eines Objektes, das, wenn es gesetzt wird, ein anderes Objekt als mit ihm verknüpft setzt, welches, obschon es selbst ein Objekt ist, gleichwohl von jenem abhängt und durch dasselbe bestimmt wird. Das eine heißt in dieser Rücksicht Grund, das andere Folge; und dem Gegenstande, in wieferne er als Grund eines andern bestimmt ist, kömmt das Prädikat der Ursache [zu]; so wie dem andern, der durch jenen als Folge bestimmt gedacht wird, das Prädikat der Wirkung zu[kommt]. Verhalten sich Subjekt und Prädikat zusammengenommen zur objektiven Einheit wie Einheit und Vielheit zugleich, so sind sie in der objektiven Einheit äußerlich und innerlich verknüpft und machen Ein aus zwei Objekten bestehendes Objekt aus. Das Subjekt erhält durch diese Bestimmung völlig gleichen Rang mit dem Prädikate, das ohne Unterschied auch die Stelle des Subjektes erhalten kann; beide zusammen erhalten den Rang eines Gegenstandes, der aus mehreren Gegenständen besteht, die als Prädikate gedacht innerlich, als Subjekte aber miteinander äußerlich verknüpft sind, einander ausschließen und wechselseitig bestimmen. Dem Gegenstande kömmt in dieser Rücksicht das Prädikat der Gemeinschaft, seinen Merkmalen aber das Prädikat der Glieder und ihrem gegenseitigen Verhältnisse zur objektiven Einheit das Prädikat der Konkurrenz zu. 4.) Einem Gegenstande kömmt das Merkmal der Modalität zu, in wieferne sein Verhältnis als | objektive Einheit (als Gegenstand) zum Bewußtsein des Vorstellenden bestimmt ist. Verhält sich dasjenige, wodurch er als objektive Einheit gedacht wird, die Handlung des Zusammenfassens, zum Bewußtsein wie Einheit, so kommt das Zusammenfassen im Bewußtsein als nichts vom Bewußtsein Verschiedenes vor, so wird es im Bewußtsein nicht vorgestellt, sondern vorgenommen, die

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Zusammenfassung in objektive Einheit geht wirklich vor, und dem Gegenstande kömmt das Prädikat des Wirklichen zu. Verhält sich die Handlung des Zusammenfassens zum Bewußtsein wie Vielheit, so kömmt das Zusammenfassen im Bewußtsein als etwas von demselben Verschiedenes vor, das heißt wird in demselben bloß vorgestellt, nicht vorgenommen; die Zusammenfassung in objektive Einheit geht nicht wirklich vor, sondern es wird nur ihre Form gedacht; und dem Gegenstand kömmt das Prädikat des Möglichen (des bloß Denkbaren, aber nicht Gedachten) zu. Verhält sich die Handlung des Zusammenfassens zum Bewußtsein wie Einheit und Vielheit zugleich, so wird das Zusammenfassen eben dadurch, daß es im Bewußtsein vorgestellt wird, auch im Bewußtsein vorgenommen; der Gegenstand wird dadurch, daß er als denkbar vorgestellt wird, wirklich gedacht; seine Möglichkeit enthält den Grund seiner Wirklichkeit; und in dieser Rücksicht kömmt ihm das Prädikat der Notwendigkeit zu. Die Prädikate der Modalität bestimmen durchaus nichts an dem Gegenstande als sein Verhält | nis zum Bewußtsein, während die Prädikate der Quantität, Qualität und Relation nähere Bestimmungen der objektiven Einheit selbst sind und in soferne als innerliche Prädikate des Gegenstandes gedacht werden müssen. Man urteile, mit welchem Rechte man diese Prädikate den Dingen an sich bisher beigelegt hat. »So hinge also auch die Wirklichkeit eines Gegenstandes bloß vom wirklichen Gedachtwerden desselben und folglich vom bloßen Denken ab; und dies wäre kein offenbarer grober Idealismus?« – Die Wirklichkeit des Gegenstandes, in wieferne er bloß gedacht wird, nichts als objektive Einheit ist, hängt in der Tat auch nur vom wirklichen Zusammenfassen, vom Denken ab; und es ist hier nur von den Prädikaten die Rede, die durch die Form des Denkens bestimmt sind und deren Wirklichkeit folglich schlechterdings davon abhängt, daß wirklich gedacht werde, daß sich die Form des Denkens wirklich äußere. Aber auch nur die Wirklichkeit des gedachten Gegenstandes hängt

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vom bloßen Denken ab; die Wirklichkeit des (nicht bloß durch einen Begriff gedachten sondern angeschauten) Gegenstandes hängt von dem Affi ziertsein durch den gegebenen Stoff ab. – Von der Wirklichkeit des Dinges an sich aber ist keine andere als eine widersprechende Vorstellung, ein bloßes Blendwerk, möglich. Der Ausdruck wirklich, der von Wirken abstammt, bezeichnet dasjenige, was an der Vorstellung Produkt eines Wirkens ist. Alle Realität, alle Wirklichkeit in unsren Vorstellungen, muß ein Produkt eines Wirkens sein. – Die subjektive [Realität das Produkt] eines Wirkens unsrer Spontaneität, die objektive [Realität das Produkt] eines Wirkens von Dingen außer | uns auf unsere Rezeptivität. In wieferne ein Gegenstand bloß gedacht wird, in soferne ist seine Vorstellung die Vorstellung der objektiven Einheit, ein bloßes Produkt des Verstandes; eine Vorstellung, die in soferne bloß subjektive Realität hat, und die Wirklichkeit, die dem Gegenstande beigelegt wird, ist bloß logische Wirklichkeit, die vom Wirken der Spontaneität abhängt. In wieferne aber der gedachte Gegenstand auch angeschaut wird, die objektive Einheit sich auf ein durch Von-außen-Affiziertsein gegebenes Mannigfaltiges, woraus sie hervorgebracht ist, bezieht, in soferne hat die Vorstellung objektive Realität, und die Wirklichkeit, die ihrem angeschauten Gegenstande beigelegt wird, ist nicht bloß logische Wirklichkeit, sondern reale, die von einem Wirken des Dinges außer uns, das unsre Rezeptivität affi ziert hat, abhängt, ungeachtet sie nur durch das Denken, das Zusammenfassen desjenigen, was in der Anschauung durch fremdes Wirken gegeben ist, als Wirklichkeit gedacht werden kann. Die drei angeführten und bisher nur positiv bestimmten Prädikate der Modalität können aber auch negativ bestimmt sein. Wird nämlich das Prädikat, durch dessen Zusammenfassen mit dem Subjekte die objektive Einheit erzeugt würde, nicht mit dem Subjekte zusammengefaßt, so wird auch das Subjekt nicht als Gegenstand gedacht, und es kömmt ihm in soferne das Prädikat des Nichtwirklichen zu. Läßt sich aber das Prädikat, durch dessen Zusammenfassen mit dem Subjekte die

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objektive Einheit entstehen müßte, nicht mit demselben zusammenfassen, so wird das Subjekt als etwas Nichtdenkbares gedacht; und es kommt ihm in | soferne das Prädikat des Unmöglichen zu. Wird endlich das Prädikat mit dem Subjekte zwar in objektive Einheit zusammengefaßt, doch so, daß dies Zusammenfassen nicht durch die bloße Vorstellung desselben, [daß] das wirkliche Denken nicht durch die Denkbarkeit, [daß] die Wirklichkeit nicht durch die bloße Möglichkeit bestimmt wird, so kömmt dem Subjekte das Prädikat des Zufälligen zu. Es haben also beide dynamischen Klassen der Kategorien Korrelata, das heißt, sie bestehen jede aus zweien sich aufeinander beziehenden Begriffen: Substanz und Akzidenz, Ursache und Wirkung, systematisches Ganzes und Teile, Wirklichkeit und Nichtwirklichkeit, Möglichkeit und Unmöglichkeit, Notwendigkeit und Zufälligkeit. Die mathematischen [Kategorien] hingegen haben keine Korrelata und der Grund davon ist, daß die letztern aus dem einseitigen Verhältnisse entweder des Subjektes oder des Prädikates allein zur objektiven Einheit, die erstern aber aus dem Verhältnisse des in die objektive Einheit zusammengenommenen Subjektes und Prädikates bestehen, welches in Rücksicht auf die objektive Einheit wechselseitig durch Relation, in Rücksicht auf das Bewußtsein aber durch ein positives oder negatives Zusammenfassen, als positive oder negative Modalität bestimmt sein muß. Die Kategorien sind also ursprünglich nichts anderes als bestimmte Formen der Zusammenfassung in objektive Einheit, bestimmte Handlungsweisen des Verstandes und, in wieferne in der Handlungsweise des Verstandes seine274 Natur besteht, eigentümliche Merkmale der Natur des Verstandes, in wieferne dieselbe begreiflich ist. Wer nun wei | ter fragen wollte, wie der Verstand zu dieser bestimmten Handlungsweise gelange, würde sehr ungereimt fragen. Die in den von mir entwickelten Kategorien auf die einfachsten vorstellbaren Elemente zurückgeführte Handlungsweise des Verstandes ist die Grenze alles dessen, was vom Verstande begreiflich, ja auch nur vorstellbar ist, eine Grenze, die man nicht überschreiten

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kann, ohne sich ins grenzenlose Gebiet des Nichtvorstellbaren zu verlieren. Der Verstand, der zu aller Erklärung vorausgesetzt werden muß, kann in soferne nicht selbst erklärt werden; und seine einmal erkannte Handlungsweise, durch welche das Denken bestimmt ist, läßt sich keineswegs ihren äußern Gründen nach durchs Denken bestimmen. Der Versuch, die Handlungsweise des Verstandes von den vorgestellten Gegenständen, und zwar von den als Dinge an sich gedachten Gegenständen, ableiten zu wollen, war freilich bei dem bisher allgemeinen Verkennen des Vorstellungsvermögens unvermeidlich; muß aber wohl mit dem mißverstandenen Begriffe des Dinges an sich von selbst wegfallen. Da die Vorstellung des Gegenstandes als Gegenstand eine Wirkung des Verstandes ist, so müßte die Handlung, durch welche diese Wirkung hervorgebracht wird, eine Wirkung ihrer Wirkung (des Gegenstandes, in wieferne er als Gegenstand gedacht wird) sein, wenn sie durch den gedachten Gegenstand bestimmt würde. Da uns von den Dingen außer uns nicht die Vorstellung selbst, sondern nur Stoff der Vorstellung gegeben sein kann, so kann uns auch nicht die Vorstellung des bestimmten Gegenstandes, sondern nur der rohe Stoff derselben, das bloße empirische | Mannigfaltige gegeben sein, welches aber erst im Gemüte auf Einheit gebracht vorgestellt werden muß, bevor es durch den Verstand in eine Einheit des Vorgestellten zusammengefaßt werden kann. Dasjenige nun, worin dieses bloße Zusammenfassen besteht oder vielmehr die bestimmte Weise dieses bloßen Zusammenfassens, gehört dem Zusammenfassenden, d. i. der Spontaneität an, die dadurch ihren Rang als Verstand erhält. Ob und in wieferne die der Spontaneität eigentümliche Handlungsweise in den Dingen an sich gegründet sei, oder wie sie überhaupt mit denselben zusammenhänge, gehört unter die Fragen, die niemand aufwerfen wird, der ihren Sinn versteht und die Grenzen der Vorstellbarkeit kennt.

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§ 73

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Die reinen Vorstellungen der Kategorien sind Vorstellungen, und zwar Begriffe a priori, und in soferne Vorstellungen notwendiger und allgemeiner Merkmale der durch den Verstand bestimmten Gegenstände. Die Kategorien selbst sind keine Vorstellungen und folglich auch keine Begriffe; aber sie sind Formen der Begriffe und, in wieferne sie vorstellbar sind, Gegenstände von Vorstellungen, und zwar solche Gegenstände, die nicht unmittelbar durch Anschauung, sondern nur durch Begriffe vorgestellt werden können, deren Vorstellungen also Begriffe sind. Wirklich können die Formen der objektiven Einheit nur durch ihre Beziehung auf ein vorgestelltes Mannigfaltiges vorgestellt, d. h. gedacht werden. In wieferne nun die Formen | der objektiven Einheit durch die Handlungsweise des Verstandes bestimmt sind, in soferne sind die Kategorien Gegenstände, die vor aller Vorstellung im bloßen Gemüte bestimmt sind und denen in ihren Vorstellungen kein durchs Affiziertwerden bestimmter Stoff, sondern lediglich die a priori gedachte, das heißt, auf eine Vorstellung a priori (das vorgestellte Mannigfaltige überhaupt) bezogene Handlungsweise der Spontaneität entspricht. Die Kategorien werden rein vorgestellt, wenn man sie von allem Empirischen, durchs Affi ziertsein Gegebenen und von den Formen der Anschauung, [von] dem bloßen Raume und der bloßen Zeit abgesondert vorstellt. Als Gegenstände dieser reinen Vorstellungen sind sie durch den bloßen Verstand und das bloße Vorstellungsvermögen überhaupt, unabhängig von der Sinnlichkeit, a priori bestimmt; obwohl sie sich auf Anschauungen beziehen und folglich auch durch die Sinnlichkeit bestimmt sein müssen, wenn sie Merkmale nicht bloß denkbarer, sondern erkennbarer (d. h. denkbarer und anschaulicher) Gegenstände werden sollen, wie weiter unten bestimmt gezeigt wird. Man kann die reinen Vorstellungen der Kategorien mit Recht die Stammbegriffe des reinen Verstandes nennen,275 vorausgesetzt, daß man unter diesem Ausdrucke keine angebornen Vorstellungen, sondern Begriffe verstehe,

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die unmittelbar aus dem reinen Verstande abstammen, obwohl sie nicht vor der Erfahrung im Bewußtsein entstehen können. Durch objektive Einheit wird der Gegenstand als Gegenstand überhaupt und durch die Kategorien [wird er] als bestimmter Gegenstand gedacht. Jedes Urteil muß Quantität, Qualität, Relation und Mo | dalität haben, das heißt, es ist keine eigentliche Verstandeshandlung möglich, die nicht durch die Handlungsweise des Verstandes aus diesen vier Gesichtspunkten bestimmt sein müßte. Es ist also auch kein Begriff eines bestimmten Gegenstandes, der nur durch ein synthetisches Urteil erzeugt werden kann, möglich, außer daß seine Form aus eben diesen vier Gesichtspunkten bestimmt sei. Jeder bestimmt gedachte Gegenstand muß, in wieferne er bestimmt gedacht wird, durch die Merkmale der Quantität, Qualität, Relation und Modalität gedacht werden. Die Kategorien müssen also allen bestimmten Gegenständen beigelegt werden, weil diese nur durch jene bestimmt gedacht werden können, d. h., die Kategorien sind notwendige und allgemeine Merkmale der bestimmten Gegenstände. Durch diese einleuchtende, bei jeder anderen Ableitung der Kategorien aber unerweisliche Notwendigkeit und Allgemeinheit der allgemeinsten Prädikate der erkennbaren Dinge sollte doch die Kritik der Vernunft,276 die den Ursprung der Kategorien im reinen Verstande zuerst und nur auf einem anderen Wege gezeigt hat, gegen den Einwurf, daß sie die Gewißheit des menschlichen Wissens aufhebe, gesichert gewesen sein. Wie? Bestünde die Gewißheit unsres Wissens nicht im Bewußtsein der Notwendigkeit gewisser Urteile? Und wie soll diese Notwendigkeit einleuchtender erwiesen werden können, außer wenn gezeigt wird, daß sie ihren Grund in der Natur des Verstandes selbst haben. Oder ist ein Urteil nicht notwendig, in wieferne es der Form gemäß ist, unter welcher der Verstand allein urteilen kann? Ist nicht das Merkmal eines Gegenstandes notwendig und allge | mein, wenn es an sich nichts anderes als die Form ist, unter welcher allein ein bestimmter Gegenstand sich denken läßt? Ist nicht jede Notwendigkeit nur als Bedingung des Wirklichen erweislich; aber ist sie auch, wenn sie als Bedingung

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des Wirklichen aufgestellt ist, wirklich erwiesen? Wenn man sich also nur eines einzigen wirklich als bestimmt vorgestellten Gegenstandes bewußt ist, so muß man sich auch der Notwendigkeit und Allgemeinheit der Kategorien bewußt sein, weil durch sie die wirkliche Vorstellung des bestimmten Gegenstandes allein möglich ist. Woher hingegen diese Notwendigkeit und Allgemeinheit, wenn die Kategorien a posteriori durch ein bloßes Affi ziertsein bestimmt wären und als empirische Merkmale den Dingen an sich angehörten? Könnte dann ihre Notwendigkeit im Bewußtsein anders als durch Gewohnheit erklärt und ihre Allgemeinheit für weiterreichend als die Zahl der in der Erfahrung vorgekommenen Fälle angenommen werden?

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Die Kategorien gehören in Beziehung auf das Vorstellungsvermögen überhaupt dem Verstande in engerer, in Beziehung auf die Sinnlichkeit aber dem Verstande in engster Bedeutung an. Die Kategorien sind a priori bestimmte Handlungsweisen der Spontaneität des Vorstellungsvermögens, bestimmte Verbindungsarten des vorgestellten Mannigfaltigen. Sie lassen sich daher ohne ein vorgestelltes Mannigfaltiges so wenig denken als die Form der Vorstellung, die durch Verbin | dung eines Mannigfaltigen hervorgebrachte Einheit ohne ein Mannigfaltiges überhaupt. Aber das vorgestellte Mannigfaltige, das den Kategorien als Stoff untergelegt werden muß, wenn sie vorgestellt werden sollen, ist nur dann ein unter der allgemeinen Form der Anschauung vorgestelltes Mannigfaltiges, wenn sie auf ein durch die Art des Affi ziertwerdens gegebenes Mannigfaltiges bezogen und folglich als Formen der Erkennbarkeit gedacht werden sollen. Werden sie hingegen ihrer ursprünglichen Beschaffenheit nach als Formen der bloßen Denkbarkeit vorgestellt, so darf das Mannigfaltige, das ihnen als Stoff untergelegt wird, nicht das durch die Anschauung a priori in der Zeit, sondern nur das durch die Vorstellung des Mannigfaltigen a priori über-

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haupt vorgestellte Mannigfaltige sein, welches in der Theorie des Vorstellungsvermögens überhaupt aufgestellt ist. Denn in wieferne die Kategorien in der bloßen Spontaneität bestimmt sind, betreffen sie bloß die Handlung der Spontaneität, nicht den Stoff dieser Handlungen, sind sie bloße Merkmale der objektiven Einheit, nicht eines gewissen Stoffes, bloße Formen des Verbindens, nicht Formen des zu verbindenden Mannigfaltigen. Die besondere, durch die Natur der Sinnlichkeit bestimmte Form des Mannigfaltigen gehört also keineswegs unter die Merkmale der bloßen Kategorien, sondern nur das vorgestellte Mannigfaltige überhaupt oder die Vorstellung der allgemeinen Form des Stoffes überhaupt. Die Kategorien sind also nicht bloß unabhängig von der Sinnlichkeit, ohne Beziehung auf die allgemeine Form der Anschauungen, d. h. ohne die bloße Zeit denkbar, sondern müssen auch, wenn sie ohne Beimischung alles Fremdartigen in | ihrer ursprünglichen Reinheit und ihrem eigentlichen Wesen nach gedacht werden sollen, unabhängig von der Sinnlichkeit und abgesondert von der Zeit gedacht werden. Daher die Ewigkeit der logischen Wesen. Die rein-vorgestellten Kategorien beziehen sich also durch das a priori vorgestellte Mannigfaltige überhaupt, dessen durch den Verstand bestimmte Verbindungsarten sie sind, nicht auf die Sinnlichkeit, sondern auf das Vorstellungsvermögen überhaupt. Sie sind Verbindungsarten des vorgestellten Mannigfaltigen überhaupt, ohne Rücksicht, ob dies Mannigfaltige durch Sinnlichkeit vorgestellt sei oder nicht; folglich [sind sie] eigentümliche Handlungsweisen desjenigen Vermögens, welches durch die Verbindung des Vorgestellten Vorstellungen erzeugt oder, welches ebensoviel heißt, sie gehören dem Verstande in engerer Bedeutung an. Der Verstand in engster ist vom Verstande in engerer Bedeutung in nichts unterschieden, als daß dieser nur auf das Vorstellungsvermögen überhaupt, jener aber auf das sinnliche Vorstellungsvermögen sich bezieht. Es ist eine und ebendieselbe Spontaneität, welche nach ebendenselben in ihrer Natur bestimmten Handlungsweisen (den rein-vorgestellten Katego-

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rien) als Verstand in engerer Bedeutung das vorgestellte Mannigfaltige überhaupt, als Verstand in engster [Bedeutung] aber das durch Anschauung vorgestellte Mannigfaltige verknüpft. Ebendieselben Kategorien also, welche in ihrer Beziehung auf das Vorstellungsvermögen überhaupt dem Verstande in engerer Bedeutung angehören, gehören in ihrer Beziehung auf die Sinnlichkeit dem Verstande | in engster Bedeutung an, der sich von jenem nur durch seine bestimmte Beziehung auf die Sinnlichkeit unterscheidet. Wird also den Kategorien die Vorstellung a priori des Mannigfaltigen überhaupt als Stoff unterlegt, so gehören sie dem Verstand in engerer [Bedeutung an], wird ihnen die vorgestellte allgemeine Form der Anschauung überhaupt unterlegt, so gehören sie dem Verstande in engster Bedeutung an, dessen Natur in der Beziehung der Handlungsweise der Spontaneität auf die Form der Anschauung bestehen muß.

§ 75

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Die Kategorien, in ihrer bestimmten Beziehung auf die allgemeine Form der Anschauungen (die bloße Zeit) vorgestellt, heißen Schemate und sind in folgender Tafel erschöpft. 277 1. Quantität in der Zeit, oder Zeitreihe Za h l

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2. Qualität in der Zeit, oder Zeitinhalt G ra d 3. Relation in der Zeit, oder Zeitordnung Beharrlichkeit Bestimmte Sukzession B e st i m m t e s Zug l e i c h se i n |

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4. Modalität in der Zeit, oder Zeitinbegriff Sein zu irgendeiner Sein in einer bestimmten Sein zu aller

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_____________ 1.) Um sich zu überzeugen, daß die reine Vorstellung der Zahl aus der auf die Vorstellung der bloßen Zeit bezogenen Vorstellung der bestimmten Quantität bestehe, darf man nur den Begriff des Zählens bestimmt genug zergliedern. Zählen heißt nämlich, gleichartige Einheiten nacheinander zueinander hinzutun (sukzessive, d. h. in der Zeit verbinden), und das Produkt dieser Operation, die Zahl, ist eine Quantität, welche aus einer in der Zeit vollendeten Zusammenfassung vieler Einheiten besteht; Quantität, welche durch alle drei untergeordnete Kategorien bestimmt ist und in deren Vorstellung Einheit, Vielheit und Allheit, in wieferne sie sich in der Zeit bestimmen lassen, als wesentliche Merkmale enthalten sind. Es ist nur ein einziges Schema der Quantität, nämlich die Zahl, möglich. Da die bloße Zeit nur als ein Mannig faltiges vorgestellt werden kann, so kann die Kategorie der quantitativen Einheit allein unmöglich ein unmittelbares Merkmal der bloßen Zeit sein; und da die bloße Zeit als ein unbegrenztes Nacheinandersein gedacht werden muß, so läßt sich ohne Widerspruch ebensowenig die Kategorie der quantitativen Allheit auf sie beziehen, wodurch sie als alle Zeit, d. h. als ein | vollendetes Ganzes und folglich ohne weitere Folge und folglich begrenzt gedacht werden müßte. Die Zeit läßt sich also eigentlich nur durch die Kategorie der Vielheit bestimmen. In wieferne aber unter quantitativer Vielheit, Vielheit der Subjekte ebendesselben Prädi26 Ganzes ] verbessert aus: Ganze 29 f. quantitativer ] verbessert aus: quantitativen

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kates, gleichartiger Einheiten, und unter bestimmter Vielheit nur Einheit dieses gleichartigen Vielen gedacht werden muß, in soferne kann die Vielheit in der Zeit nur als Einheit des nacheinander bestimmten gleichartigen Vielen, d. h. als Zahl, und durch alle drei Kategorien der Quantität bestimmt vorgestellt werden. Die Quantität ist nur in ihrer bestimmten Beziehung auf die Zeit, d. i. als Zahl erkennbar. Wie denn auch die Quantität im Raume nur durch Messen vermittelst eines als numerische Einheit angenommenen Teiles sich bestimmt erkennen läßt. 2.) Um sich zu überzeugen, daß die reine Vorstellung des Grades aus der Vorstellung der in der Zeit bestimmten Qualität bestehe, darf man sich nur über den bestimmten Begriff eines Grades überhaupt genaue Rechenschaft abfordern. Grad heißt nach der allgemeinsten Übereinstimmung die Quantität der Qualität, Größe der Beschaffenheit, intensive Größe, Vielheit ohne Extension; eine Vielheit also, die nicht im Außereinandersein des Mannigfaltigen besteht, nicht im Raume, sondern in der bloßen Zeit bestimmt ist; nicht durch den äußeren, sondern lediglich durch den inneren Sinn angeschaut werden kann. Was in der Zeit angeschaut werden soll, muß in der Zeit gegeben sein oder in dem inneren Sinne durch ein Affiziertsein vorkommen, es muß ihm eine Empfi ndung | entsprechen. Wenn nun dasjenige, dem eine Empfi ndung entspricht, bestimmt gedacht werden soll, so kann dies nur dadurch geschehen, daß das Mannigfaltige, welches durch den inneren Sinn angeschaut wird (die Veränderung in uns), durch den Verstand den Kategorien der bestimmten Qualität gemäß zusammengefaßt und folglich als eine mit Negation verbundene (limitierte) Realität gedacht, d. h., daß ihm das Prädikat des Grades beigelegt werde. Da nämlich alle Empfi ndung unter der allgemeinen Form aller sinnlichen Vorstellung, der bloßen Zeit, steht, so muß die Realität, die mehr als bloße Kategorie, mehr als leere Gedankenform, mehr als logische Bejahung sein soll, einen durchs Affiziertsein gegebenen Stoff haben; es muß ihr ein Gegebenes

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durch Empfi ndung, eine Veränderung in uns, ein Erfüllen der Zeit entsprechen. Die erkennbare (nicht bloß denkbare, logische) Realität muß also als erfüllte Zeit, als ein Sein in der Zeit [gedacht werden], so wie die Negation, die mehr als eine logische Funktion des Verneinens sein soll, als Negation in der Zeit, leere Zeit, Nichtsein in der Zeit gedacht werden [muß]. Der Unterschied zwischen diesem mehr als logischen Etwas und Nichts besteht dann in dem Unterschiede zwischen der erfüllten und der leeren Zeit. Ein und ebenderselbe Zeitteil kann nämlich durch Empfi ndung mehr oder weniger erfüllt sein, das Etwas in der Zeit kann sich mehr oder weniger dem Nichts in der Zeit nähern, die Realität kann mehr oder weniger durch Negation bestimmt, limitiert sein; sie kann einen größeren oder kleineren Grad haben, aber sie muß jederzeit einen Grad haben, wenn sie in ihrem Unterschiede von bloßer Negation, als bestimmte Rea | lität, erkennbar sein soll. Die Qualität in der Zeit, die erkennbare Qualität, kann daher weder als lauter Realität ohne Negation noch als lauter Negation ohne Realität, sondern sie muß als Realität mit Negation verbunden, als limitiert gedacht werden. Es gibt daher nur ein einziges Schema der Qualität, nämlich des Grades. Die Qualität ist nur in ihrer bestimmten Beziehung auf die Zeit, d. h. nur als Grad erkennbar. Zahl und Grad sind also die Schemate, welche sich aus der bestimmten Beziehung der mathematischen Kategorien auf die allgemeine Form der Anschauung, nämlich die bloße Zeit ergeben und daher selbst die mathematischen Schemate heißen können. 3.) Durch die Schemate der Relation ist die Beziehung der Kategorien der Relation auf die Form der Anschauung überhaupt bestimmt, und durch die Vorstellungen dieser Schemate werden die drei Arten gegenseitiger Verhältnisse zusammengenommener Subjekte und Prädikate zur objektiven Einheit als in der Zeit bestimmbar vorgestellt. a.) Substanz in der Zeit ist das Subjekt, in wieferne es als Subjekt im strengsten Sinne als für sich bestehend in der Zeit be7 logischen ] verbessert aus: logischem

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stimmt ist, das bleibende Subjekt, das Beharrliche. Akzidenz in der Zeit hingegen ist das Prädikat, in wieferne es als Prädikat im strengsten Sinne, als Prädikat, das nicht die Stelle seines Subjektes vertreten kann, als nur im Subjekte bestehend, bestimmt ist; und folglich das nicht Bleibende in der Zeit, das Veränderliche. | Da dasjenige, was in der bloßen Zeit allein gegeben ist und angeschaut werden kann, notwendig Veränderung ist, so muß dasjenige, was in der Zeit als beharrlich und folglich als keine Veränderung gedacht werden soll, wenn es mehr als denkbar, wenn es auch anschaulich sein soll, im Raume angeschaut werden können; der Stoff, der dem Beharrlichen in der Zeit entspricht, muß dem äußern Sinne gegeben sein, und das Beharrliche ist nur im Raume und in der Zeit erkennbar. Was also als Substanz, als beharrlich in der Zeit, erkannt werden soll, muß als etwas außer uns, den Raum Erfüllendes angeschaut werden; es muß ihm das Prädikat der Ausdehnung zukommen können. Das Subjekt unsres Vorstellungsvermögens, das nicht als etwas außer uns anschaulich ist, kann und muß daher zwar als Substanz, als beharrlich in der Zeit gedacht – aber es kann durchaus nicht als Substanz erkannt werden; die Seele gehört nur in das Gebiet der bloß denkbaren, nicht [in das] (der denkbaren und anschaulichen) der erkennbaren Substanzen. b.) Die Sukzession oder die Reihe des in der Zeit Anschaulichen, durch die Kategorie der Ursache und Wirkung bestimmt, gibt das Schema der bestimmten Sukzession, d. h. derjenigen Sukzession, bei welcher notwendig das eine Glied der Reihe als folgend [und] das andere als vorhergehend gedacht werden muß. In wieferne nämlich etwas in der Zeit Gegebenes als Grund eines anderen in der Zeit Gegebenen bestimmt ist, in soferne hängt das Sein in der Zeit dieses letztern vom Sein in der Zeit des erstern als Folge vom Grunde, aber nicht umgekehrt (der Grund von der Folge) ab. Wenn | die Prädikate der Ursache und Wirkung erkennbaren Gegenständen beigelegt werden sollen, so müssen sie durch das Schema der bestimmten Sukzession als Zeitbestimmung vorgestellt werden können

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oder, welches ebensoviel heißt, der erkennbaren Ursache und Wirkung muß ein in der bloßen Zeit angeschautes Mannigfaltiges entsprechen. Die erkennbare Wirkung ist daher dasjenige, dessen Entstehen in der Zeit durch etwas anderes, worauf es notwendig folgt (die Ursache), bestimmt ist, und die erkennbare Ursache ist dasjenige, was in der Zeit Grund der Entstehung eines andern ist. Dasjenige, was an einem Dinge Grund der Entstehung eines andern ist, heißt die Kausalität. Jede erkennbare Kausalität muß daher selbst entstehen, weil sie nur als Grund in der Zeit erkannt werden kann. In wieferne die Kausalität in der Zeit entsteht, heißt sie Veränderung, und in wieferne diese Veränderung Grund des Entstehens der Wirkung (einer anderen Veränderung) ist, heißt sie Handlung; während die Veränderung, welche bloße Wirkung ist, ein Leiden heißt. Da die Kausalität sowohl an der Ursache als an der Wirkung nur als Veränderung, die Substanz aber nur als das Beharrliche, Unveränderliche in der Zeit erkennbar ist, so ist es einleuchtend, daß die Substanz nicht als Substanz, sondern nur in ihren Akzidenzen erkennbare Kausalität und erkennbare Wirkung sein könne. In wieferne jedes Akzidenz nur Prädikat der Substanz sein kann, in soferne muß freilich die Substanz, deren Akzidenz eine Kausalität ist, als die Ursache gedacht werden, aber sie kann nur durch ihr Akzidenz (nicht als Sub | stanz) als erkennbare Ursache gedacht werden; wie dann die Handlung, worin die eigentliche Kausalität einer Wirkung in der Zeit besteht, notwendig nur als Veränderung und daher unmöglich als etwas Beharrliches gedacht werden kann. Wenn man nun unter Kraft die unmittelbar-handelnde Substanz, eine in der Substanz selbst unmittelbar vorhandene Kausalität versteht, so ist es ausgemacht, daß es keine erkennbare Kraft geben könne, weil jede Handlung nur als Veränderung, nur als Akzidenz und folglich als kein substantielles, fortwährendes, nicht entstehendes Handeln erkannt werden kann. Daher auch die einzige Kraft, die wir den uns erkennbaren Substanzen, den Beharrlichen im Raume, beilegen können, die bewegende, keineswegs als in der

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Substanz, welche eine andere zur Bewegung bestimmt, vorhanden, sondern auch dieser wieder von einer andern mitgeteilt gedacht werden muß. Das Bewegende bewegt nur durch Bewegung, verändert nur, in wieferne es selbst verändert wird; ein Akzidenz in der bewegenden Substanz ist der Grund eines Akzidenz in der bewegten. Die Spontaneität unsres Vorstellungsvermögens, in wieferne sie dem vorstellenden Subjekte als dessen eigentümliches Prädikat zukommt, ist Kraft im strengsten Sinne des Wortes; aber erkennbar ist sie nur in ihrer im Vorstellungsvermögen bestimmten Handlungsweise, den Formen der Spontaneität und folglich nicht als Kraft, sondern nur als Vermögen. In ihrem Zusammenhange mit dem Subjekte als Substanz, als eigentliche Kraft gedacht, ist sie bloß denkbar und sowenig als in ihrer Substantialität erkennbar. | So, wie das Merkmal der erkennbaren Kausalität keiner Substanz unmittelbar zukommen kann, so kann auch keiner das Merkmal der erkennbaren Wirkung beigelegt werden. Dasjenige, was durch ein anderes in der Zeit bestimmt wird und folglich entsteht, kann nicht das Beharrliche, nicht die Substanz, sondern nur ein Akzidenz sein. Jede erkennbare Wirkung kann also nur ein Akzidenz sein; und es gibt keine erkennbare Ursache der Substanzen. (Daher unstreitig die alte Meinung von der Ewigkeit der Materie.) 278 c.) Das Zugleichsein oder die Reihe des nur mittelbar in der Zeit, unmittelbar aber im Raume Anschaulichen, durch die Kategorie der Gemeinschaft bestimmt, gibt das Schema des bestimmten Zugleichseins, bei welchem notwendig die Glieder als nicht aufeinander folgend, sondern als zugleich miteinander verknüpft gedacht werden müssen. Der bestimmte Begriff von diesem Schema wird am leichtesten dadurch erhalten, daß man sich dasselbe in seinem Ursprunge aus der Verbindung des Schemas der Substantialität mit dem Schema der Kausalität denkt. Die erkennbare Gemeinschaft besteht nämlich aus der erkennbaren Substantialität, dem Beharrlichen im Raume, und aus der erkennbaren Kausalität, der Handlung in der Zeit zusammengenommen und auf mehr als ein Objekt bezogen;

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und ein Gegenstand ist mit dem anderen in erkennbarer Gemeinschaft, wenn beide als etwas im Raume Beharrliches und in der Zeit wechselseitig aufeinander Wirkendes gedacht werden, so daß die Handlung des einen Grund von gewissen Akzidenzen im andern und die Handlung des andern Grund von gewissen Ak | zidenzen in dem Einen ist. Das als zugleich vorhanden Erkennbare muß im Raume und in der Zeit zugleich bestimmt sein; folglich müssen ihm beide Zeitbestimmungen, die negative des Beharrlichen und die positive der bestimmten Folge zugleich zukommen. Die denkbare Gemeinschaft kann nur in soferne erkennbar, Gemeinschaft erkennbarer Gegenstände sein, als diese erstens als erkennbare Gegenstände durch das Beharrliche im Raume, zweitens als erkennbar verknüpfte Gegenstände durch Kausalität in der Zeit wechselseitig bestimmt sind. Durch die drei Kategorien der Relation wird die Zeit in ihren drei Modi, der Dauer, der Folge und dem Zugleichsein auf Objekte (objektive Einheit) und durch die Zeit selbst werden die Kategorien der Relation auf Anschauungen und folglich auf das in der Anschauung Gegebene anwendbar. 4.) Durch die Schemate der Modalität ist die Beziehung der Kategorien der Modalität auf die allgemeine Form der Anschauung bestimmt als Möglichkeit, Wirklichkeit und Notwendigkeit des in der Zeit Anschaulichen. a.) Die Kategorie der Möglichkeit oder die im Bewußtsein bloß vorgestellte Form des Denkens, die Denkbarkeit, mit der bloß vorgestellten Form der Anschauung verbunden, gibt das Schema des Möglichen, Denkbarkeit des Anschaulichen, und in wieferne die Form der Anschauung, die bloße Zeit, Bedingung der Empfänglichkeit für einen Stoff ist, entsteht aus dieser Verbindung Denkbarkeit dessen, was der Empfänglichkeit gegeben werden, Denkbarkeit desjenigen, dem eine Empfi ndung entspre | chen kann; etwas, das gedacht (im Bewußtsein in 17 Modi ] verbessert aus: Modis 18 Objekte (objektive ] verbessert aus: Objekte objektive

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eine objektive Einheit verbunden) werden kann, in wieferne es sich durch ein Affiziertsein geben läßt oder, welches ebensoviel heißt, der Bedingung dieses Affi ziertseins, der bloßen Zeit, gemäß ist. Durch die bloße Kategorie der Möglichkeit ist nichts als logische Möglichkeit, die bloße Denkbarkeit bestimmt, die wohl hauptsächlich darum mit der reellen, der erkennbaren Möglichkeit verwechselt wurde, weil der Unterschied zwischen Denken und Erkennen bis auf Kant ein so tiefes Geheimnis geblieben war. Die bloße Denkbarkeit wird nur durch ihre Beziehung auf Anschaulichkeit zur Erkennbarkeit; und so, wie die logische Möglichkeit in der Denkbarkeit besteht, so besteht die reelle in der Erkennbarkeit. Einem Gegenstande kömmt also nur in soferne erkennbare Möglichkeit, reelle Möglichkeit zu, als ihm Erkennbarkeit zukömmt. Im Erkenntnisvermögen also und nicht, wie bisher, in dem nichtvorstellbaren Dinge an sich (oder auch gar in der Gottheit) ist der uns begreifliche Grund der reellen Möglichkeit aufzusuchen. b.) Die Kategorie der Wirklichkeit, oder das im Bewußtsein vorgenommene Denken, bezogen auf die wirkliche Anschauung oder [auf] den unter der Form der sinnlichen Vorstellung im Gemüte vorhandenen Stoff, gibt das Schema der Wirklichkeit, das Denken des durchs Affiziertsein Gegebenen und [des] durch die allgemeine Form der Anschauung zur Anschauung gewordenen Stoffes; die objektive Einheit aus dem unter der Form des Nacheinanderseins angeschauten Mannigfaltigen erzeugt, der | gedachte Gegenstand in einer durchs Affiziertsein bestimmten Zeit, das Sein in einer bestimmten Zeit. Durch die bloße Kategorie der Wirklichkeit ist nichts als die logische Wirklichkeit bestimmt. Logisch möglich ist, was sich denken läßt; logisch wirklich, was gedacht wird. Allein das, was gedacht wird, ist keineswegs darum etwas Existierendes; und so, wie die Denkbarkeit eines Gegenstandes sich auf Anschaulichkeit desselben beziehen muß, wenn ihm reelle Möglichkeit zukommen soll, so muß das Gedachtwerden desselben auf wirkliche Anschauung bezogen sein, wenn ihm reelle Existenz

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beigelegt werden soll. Von einem Gegenstande die erkennbare (mehr als denkbare) Existenz behaupten, heißt ihm das Prädikat des Erkanntseins beilegen. Die Existenz heißt Wirklichkeit, weil sie, in wieferne sie vorstellbar ist, nur ein Produkt des Wirkens sein kann. Die logische Existenz kommt durch Denken, die bloße Handlung der Spontaneität, und die reelle [Existenz kommt] durch Denken und Anschauen, Wirken und Affiziertsein in unsrer Vorstellung vor. Die Existenz unsres vorstellenden Ichs ist durch ein Affiziertsein, welches eine unmittelbare Wirkung der bloßen Spontaneität ist, vorstellbar; die Existenz der Gegenstände außer uns aber [ist] durch ein Affiziertsein [vorstellbar], welches unmittelbare Wirkung der Dinge außer uns ist; ungeachtet die erkennbare Existenz unsres vorstellenden Ichs, für das wir kein anderes Prädikat als das bloße Vorstellungsvermögen haben können, ihrer Erkennbarkeit nach mittelbar von einem Affiziertsein von außen (woran sich die Formen der Vorstellungen zuerst äußern) | und die erkennbare Existenz der Dinge außer uns (die nur durch die vom Verstande vorgenommene Verbindung des durchs Affiziertsein gegebenen und in einer Anschauung vorgestellten Mannigfaltigen gedacht werden können) ihrer Erkennbarkeit nach von der Handlung der Spontaneität mittelbar abhängt. Die Existenz heißt Realität, nicht weil sie eine Qualität des Gegenstandes ist (denn durch die Existenz wird nichts im Gegenstande gesetzt), sondern weil sie sich als logische Existenz nur von einem Subjekte behaupten läßt, das als Objekt gedacht wird und folglich durch ein positives Prädikat bestimmt ist, d. i. logische Realität hat – als reelle Existenz aber [läßt sie sich] nur von einem Subjekte [behaupten], dem erkennbare Realität zukömmt, nämlich dem im Gemüte ein Affi ziertsein entspricht. Da man bisher die denkbare Wirklichkeit von der erkennbaren, die logische von der reellen nicht genau zu unterscheiden wußte, so ist es begreiflich genug, warum ein Teil der Philosophen die Vorstellung der Existenz durch auffallend mißlungene Versuche erklärt, der andere [Teil] aber für schlechter-

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dings unerklärbar gehalten hat. Die meisten stimmten darin überein, daß die Existenz eine von unsrem Gemüte ganz unabhängige Beschaffenheit des Dinges an sich wäre, das dem Dinge an sich zukommende Prädikat des Seins, das sie bald vom Vorgestelltwerden und von dem sie unmittelbar darauf das Vorgestelltwerden ableiteten, ohne von beiden einen bestimmten Begriff zu haben. Unter Sein wird etwas von der bloßen Vorstellung Verschiedenes als bestimmt gedacht, das, was von der bloßen Vorstellung als verschieden ge | dacht wird, ist objektive Einheit, die entweder ein bloßes Produkt der Spontaneität aus dem vorgestellten Mannigfaltigen überhaupt ist, logisches Sein – welches im Urteile durch das Wörtchen ist dem Zeichen der Verbindung zwischen Prädikat und Subjekt ausgedruckt wird –, oder aber ein Produkt der Spontaneität und der durch ein Ding außer uns affizierten Rezeptivität, ein reelles, ein erkennbares Sein. c.) Die Kategorie der Notwendigkeit, oder das im Bewußtsein zugleich vorgestellte und vorgenommene Denken, bezogen auf Anschaulichkeit und wirkliche Anschauung zugleich, gibt das Schema der Notwendigkeit, welches aus der Verbindung des Schemas der Möglichkeit mit dem Schema der Wirklichkeit besteht, dem mit der bloßen Erkennbarkeit verknüpften Erkanntsein, dem Sein in irgendeiner Zeit im Zusammenhange mit dem Sein in einer bestimmten Zeit. Einem Gegenstande kömmt nämlich erkennbare Notwendigkeit zu, in wieferne sein Erkanntsein durch die bloße Form des Erkennens bestimmt ist. So kömmt einer erkannten Ursache das Prädikat der Notwendigkeit zu, in wieferne ihr Erkanntsein als Ursache von der im Schema der Kausalität bestimmten Form des Erkennens (der bestimmten Zeitfolge) abhängt. So kömmt den Kategorien und den Formen der Anschauung erkennbare Notwendigkeit zu, weil ihr Zusammenhang mit dem Empirisch-Erkannten durch die bloße Form des Denkens und des Anschauens bestimmt

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ist. In wieferne die in der Natur des Gemütes bestimmten Formen des Denkens, des Anschauens, des Erkennens die wahren und ursprünglichen Gesetze | der Denkbarkeit, Anschaulichkeit und Erkennbarkeit ausmachen, in soferne ist die logische Notwendigkeit der Zusammenhang des Gedachten (des logisch Wirklichen) mit den Gesetzen des Denkens (dem bestimmt logisch Möglichen) und [ist] die reelle, erkennbare Notwendigkeit der Zusammenhang des Erkannten (reell Wirklichen) mit den Gesetzen der Erkennbarkeit (dem bestimmt Reell-Möglichen); und erkennbar notwendig ist alles, was mit dem Wirklichen nach den Gesetzen der Erkennbarkeit zusammenhängt. Der in der Philosophie so äußerst wichtige Begriff der Notwendigkeit hat für die allgemeingültige Auflösung der unsre Rechte und Pflichten in diesem und den Grund unsrer Erwartung für ein zukünftiges Leben betreffenden Probleme, die, ohne diesen Begriff völlig aufs reine gebracht zu haben, unmöglich ist, wenig dadurch gewonnen, daß man bisher die Notwendigkeit für dasjenige, dessen Gegenteil unmöglich ist, für das einzig Mögliche, für die bestimmte Möglichkeit allgemein anerkannt hat.279 Denn alle diese Erklärungen setzen den ganz unbestimmt gebliebenen Begriff der Möglichkeit voraus, bei dem man entweder das unbestimmte Sich-denken-Lassen von dem ebenso unbestimmten Sein-Können im Zirkel ableitete oder die Bestimmung dessen, was sich denken läßt und sein kann, in dem nichtvorstellbaren Dinge an sich aufsuchte. Hier mußte man entweder bei dem Dinge an sich stehenbleiben und die bestimmte Möglichkeit oder die Notwendigkeit hypostasieren, dieselbe zu einer wesentlichen Eigenschaft der Dinge an sich, zur Natur der Dinge machen und die blinde unerklärbare Notwendigkeit für die | Quelle alles Möglichen und Wirklichen und [für] den letzten Bestimmungsgrund aller Gesetze des Denkens und des Seins anerkennen; oder aber man mußte zwischen dem ursprünglichen Dinge an sich und dem abgeleiteten 1 bestimmten ] verbessert aus: bestimmte 25 dem ] verbessert aus: den

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unterscheiden und die Notwendigkeit gewisser, dem letztern zukommenden Prädikate von Gesetzen ableiten, die den erschaffenen Dingen durch die Vernunft des Unerschaffenen vorgeschrieben sind. Diese Lehre, welche nicht die Gesetze auf die Notwendigkeit, sondern die Notwendigkeit auf Gesetze gründet und diese in der Vernunft aufsucht*, ist freilich der Wahrheit näher gekommen. Allein, da der Begriff eines Gesetzes selbst wieder den Begriff der Notwendigkeit voraussetzt und jenes ganze System auf dem unhaltbaren Fundamente des nichtvorstellbaren Dinges an sich erbaut ist, so ist es kein Wunder, daß es nur bei einer Partei der philosophischen Welt Eingang gefunden hat, aber von dreien verworfen wurde. In den rein vorgestellten Kategorien der Modalität können nur die bloße logische Möglichkeit, Wirklichkeit und Notwendigkeit und folglich die bloßen Formen des Denkens gedacht werden. Die Anwendung derselben auf die Zeit allein verschafft diesen Formen des Denkens den Rang von Formen des Erkennens durch die Beziehung auf dasjenige, dem in der Vorstellung ein gegebener Stoff ent | spricht und das daher weder bloße Vorstellung noch Form derselben, sondern ein erkennbarer Gegenstand ist. Auf der anderen Seite aber ist dasjenige, dem ein gegebener Stoff entspricht und was durch die Anschauung unmittelbar vorgestellt wird, nur durch die drei Kategorien der Modalität als möglich, wirklich und notwendig denkbar. Die Schemate der Relation und der Modalität betreffen alle das bloße Verbinden des in der Zeit Anschaulichen; [sie] entstehen aus den dynamischen Kategorien und können folglich mit Recht die dynamischen Schemate heißen.

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Die Anhänger dieses Systems vergessen gemeiniglich, daß die göttliche Vernunft nur in soferne denkbar sein könne, als eine in unsrem Gemüte bestimmte Form des Denkens als menschliche Vernunft vorhanden ist.

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§ 74 Die Schemate sind die in der Natur des Erkenntnisvermögens a priori bestimmten Formen der Erkennbarkeit; die reinen Vorstellungen derselben sind Erkenntnisse a priori; und die Urteile, in welche sie sich unmittelbar auflösen lassen, sind die ursprünglichen Gesetze des Verstandes in engerer Bedeutung und der in der Natur desselben bestimmten möglichen Erfahrung. Das Erkenntnisvermögen besteht aus Sinnlichkeit und Verstand in ihrer Vereinigung und das Erkennen in einem mit Anschauung verknüpften Denken. Die Schemate, die nichts anderes als die verknüpften Formen des Denkens und der Anschauung sind, sind daher die eigentlichen Formen des Erkennens, und in wieferne der Gegenstand einer Vorstellung nur dadurch erkennbar wird, daß die Schemate auf ihn bezogen werden, in soferne | sind sie die eigentlichen Formen der Erkennbarkeit. In ihnen sind die Merkmale, die den erkennbaren Gegenständen sowohl durch die Natur des Verstandes als durch die Sinnlichkeit a priori bestimmt sind, vereinigt, die Kategorien versinnlicht, die Formen der Anschauung durch Verstand bestimmt und Denkbarkeit und Anschaulichkeit durch ihre Vereinigung zur Erkennbarkeit erhoben. Kein Gegenstand also, dem die Schemate widersprechen, ist erkennbar, und jeder ist nur in soferne erkennbar, als ihm die Schemate als Prädikate beigelegt werden können. Die Schemate, die aus den Begriffen a priori und der a priori vorgestellten Form der Anschauung überhaupt bestehen, können nur a priori vorgestellt werden; und ihre Vorstellungen sind eigentliche Erkenntnisse, und zwar Erkenntnisse a priori. Erkenntnisse, denn die Schemate können nicht vorgestellt werden, außer daß man Begriffe mit der Anschauung verknüpfe, die rein vorgestellten Kategorien auf die rein vorgestellte Zeit beziehe, die Anschauung der Zeit durch Begriffe bestimmt denke; das heißt auf die durch die Kategorien bestimmte objektive Einheit beziehe, welches ein eigentliches Erkennen ist; aber ein Erkennen a priori, weil der Gegenstand durch keinen

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a posteriori gegebenen Stoff, sondern vor aller Vorstellung im Erkenntnisvermögen, an den Formen desselben bestimmt ist. Als Gegenständen von Erkenntnissen a priori kömmt den Schematen Notwendigkeit und Allgemeinheit zu, indem sie die Formen sind, die jeder a posteriori gegebener Stoff im Gemüte anneh | men muß, wenn aus ihm Erkenntnis werden soll, und indem sie mit diesem Stoffe auf das, was demselben entspricht, oder auf die Gegenstände bezogen allgemeine Merkmale der erkennbaren Gegenstände sind, der Gegenstände, die nur in soferne erkennbar sind, als ihnen diese Merkmale beigelegt werden können. Da jede Erkenntnis im Bezogenwerden der Vorstellung auf den bestimmten Gegenstand und folglich in einem Urteile besteht, so müssen sich die Vorstellungen der Schemate als Erkenntnisse a priori in ebenso viele Urteile auflösen lassen, als es Schemate gibt; Urteile, die, inwieferne sie sowohl ihrem Inhalt als ihrer Form nach in der Natur des Erkenntnisvermögens bestimmt sind, notwendige und, inwieferne ihre Prädikate allen erkennbaren Gegenständen überhaupt zukommen müssen, allgemeine Urteile und als notwendige und allgemeine Urteile wirkliche Gesetze sind. Ich nenne sie Gesetze des Verstandes in engerer Bedeutung, weil sie durch den auf die Sinnlichkeit bezogenen Verstand bestimmt sind; und Gesetze der möglichen Erfahrung, in wieferne sie der Ausdruck der in der Natur des Gemütes bestimmten Bedingungen sind, unter welchen die empirische Erkenntnis, welche nach der allgemeinsten Übereinstimmung Erfahrung heißt, möglich ist. Diese Urteile sind Grundsätze im eigentlichsten Verstande des Wortes, ursprüngliche Urteile des Verstandes, und eines Beweises ebensowenig bedürftig als fähig. Ursprüngliche Urteile, weil sie unmittelbar aus Vorstellungen bestehen, die keinen andern Gegenstand als die Form des Den | kens und der Anschauung, wie sie im Gemüt bestimmt ist, haben, und weil sie daher auch nicht aus anderen höheren Urteilen abgeleitet sind. Keines Beweises fähig, weil dieser aus höheren Grundsätzen als sie selbst und folglich aus Urteilen, von denen sie abgeleitet würden, ge-

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führt werden müßte. Aber auch keines Beweises bedürftig, weil sie den Grund ihrer Notwendigkeit und Allgemeinheit in ihrer Priorität mit sich führen oder, welches ebensoviel ist, weil durch sie nichts anderes vorgestellt wird, als was im Erkenntnisvermögen bestimmt ist, und folglich nicht anders als so erkannt werden kann, wie es erkannt wird. Auch bedürfen diese Urteile, nachdem die Erkenntnisse, deren Ausdruck sie sind, in den Schematen bereits bestimmt entwickelt sind, keiner weiteren Erörterung, und ich kann mich begnügen, sie hier bloß aufzuzählen. Das rein-vorgestellte Schema der Quantität gibt folgendes Urteil: Der erkennbare Gegenstand, die Erscheinung (der Gegenstand unter der Form der Anschauung), hat eine durch Zahl bestimmbare, d. i. extensive Größe. Das Schema der Qualität: Das Reale der Erscheinung (das, was an der Erscheinung der Empfi ndung entspricht) hat eine in der Zeit bestimmte Größe der Qualität, intensive Größe, Grad. Der Substantialität: Am Realen der Erscheinung wird etwas als Substanz in der Zeit, als beharrlich, und etwas als Akzidenz in der Zeit, als wandelbar vorgestellt. | Der Kausalität: Was am Realen der Erscheinung entsteht (folglich ein bloßes Akzidenz ist), hat eine Ursache in der Zeit (setzt etwas von ihm selbst Verschiedenes in der Zeit voraus, worauf es notwendig erfolgt). Der Gemeinschaft: Was an dem Realen der Erscheinungen zugleich vorhanden ist, steht in wechselseitiger Verknüpfung. Der Möglichkeit: Was an der Erscheinung denkbar und anschaulich (erkennbar) ist, ist möglich (kann existieren). Der Wirklichkeit: Was an der Erscheinung erkannt ist, ist (existiert) wirklich. Der Notwendigkeit: Was an der Erscheinung mit dem Erkannten nach den Gesetzen der Erkennbarkeit verknüpft ist, ist (existiert) notwendig. Wenn die a priori bestimmte Notwendigkeit und Allgemeinheit dieser Urteile durch die Worte jede Erscheinung und muß in den angeführten Formeln ausgedrückt wird, so entstehen dar-

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aus die Formeln der Gesetze des Verstandes und der möglichen Erfahrung, deren fernere Entwicklung sowie die Ableitung der zusammengesetzten Prädikate des Denkbaren und Erkennbaren aus den ursprünglichen [Prädikaten] den Inhalt der Theorie der a priori bestimmten Gegenstände oder der Metaphysik ausmacht. Ich habe die empirische Erkenntnis Erfahrung genannt; und die bisherige Unbestimmtheit des Begriffes der Erfahrung nötigt mich, hier bestimmt anzugeben, in welchem Sinne ich der empirischen Erkenntnis den Namen der Erfahrung beilege. Die bisherigen philosophischen Schrift | steller haben es gewöhnlich für überflüssig gehalten, sich über das, was sie unter Erfahrung verstanden wissen wollten, zu erklären. Man würde sich nur sehr vergebliche Mühe machen, wenn man auch nur aus dem Zusammenhang der Behauptungen mancher der berühmtesten Denker einen bestimmten Begriff der Erfahrung hervorsuchen wollte. Locke scheint mir indessen hierin, wie in sehr vielen anderen Rücksichten, eine Ausnahme zu machen. Ungeachtet er meines Wissens keine ausdrückliche förmliche Defi nition der Erfahrung aufstellt, so ist es doch aus dem ganzen Gange seiner Untersuchungen, durch welche er den Ursprung der Vorstellungen aus der Erfahrung abzuleiten bemüht war, einleuchtend genug, daß er mit dem Worte Erfahrung das Gegebenwerden des Stoffes unsrer Vorstellungen durchs Affiziertsein verstanden habe. »Woher«, schreibt er [im] ii. B[uch]. K[ap]. 1., »erhält das Gemüt alle Materialien der Vernunft und der Erkenntnis? Hierauf antworte ich: von der Erfahrung … Unsre Beobachtung, die sich entweder mit äußeren empfi ndbaren Gegenständen oder mit innerlichen Handlungen des Gemütes beschäftigt …, ist dasjenige, was unsren Verstand mit den Materialien des Denkens versieht … Unsre Sinne nämlich, die es mit einzelnen empfi ndbaren Gegenständen zu tun haben, überliefern dem Gemüte verschiedene bestimmte Wahrnehmungen von Dingen nach der verschiedenen Weise, wie sie von 14 dem ] verbessert aus: den 30 Sinne ] verbessert aus: Sinnen

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denselben affiziert werden … Die andere Quelle, durch welche die Erfahrung das Gemüt mit Vorstellungen versieht, ist die Wahrnehmung von den Handlungen des Gemütes selbst oder die Weise, wie sich das Gemüt mit | den erhaltenen Vorstellungen beschäftigt … Indem wir uns nämlich dieser Handlungen bewußt werden und sie an uns selbst bemerken, erhält das Gemüt ebenso bestimmte Vorstellungen von ihnen als von den Körpern, die unsre äußeren Sinne affizieren. Diese Quelle von Vorstellungen hat jeder Mensch einzig in sich selbst, und obwohl sie kein eigentlicher Sinn ist (indem sie mit äußeren Gegenständen nichts zu tun hat), so ist sie doch der Sinnlichkeit sehr ähnlich und kann mit gutem Fuge der innere Sinn genannt werden.«280 – Man sieht hieraus, daß Locke zwar nach der Weise aller seiner Vorgänger und Nachfolger bis auf Kant den Stoff und die Form der Vorstellung untereinander sowohl als mit der Vorstellung selbst verwechselt habe und daß er nicht den bloßen Stoff, sondern die Vorstellung selbst durchs Affiziertsein gegeben sein läßt. Aber man sieht auch, daß er keine anderen Gegenstände der Erfahrung zuläßt als Körper außer uns und Veränderungen in uns und folglich genau dasjenige, was wir für die einzig erkennbaren Gegenstände, die Erscheinungen des äußern und inneren Sinnes, erkennen. Und ungeachtet er die Handlung des Gemütes (die durch inneres Affiziertsein in der Vorstellung derselben vorkömmt) mit der vor aller Handlung im bloßen Vermögen bestimmten Handlungsweise verwechselt, so leitet er doch wenigstens die Erkenntnis der wirklichen Veränderungen unsres Gemütes (die empirische Erkenntnis des inneren Sinnes) von dem Affiziertsein des innern Sinnes ab, welches ihm, mit dem Affiziertsein des äußern zusammengenommen, Erfahrung ist. Locke hält also das Affiziertsein, die Empfi ndung, für eine wesentliche Bedingung der Erfahrung, und hierüber | hat er den Sprachgebrauch für sich, der das Wort Erfahrung nicht für jede Erkenntnis überhaupt, auch nicht für jede Erkenntnis wirklicher Dinge, sondern nur für die Erkenntnis, in 8 äußeren ] verbessert aus: äußere

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wieferne sie von Empfi ndung abhängt, bestimmt hat.* Allein eben dieser Sprachgebrauch unterscheidet die Erfahrung von der Empfi ndung. Erfahrung ist ihm Erkenntnis, die durch den in der Empfi ndung gegebnen Stoff entsteht (Erkenntnis a posteriori, empirische Erkenntnis), und Empfi ndung ist ihm nur der wesentliche Bestandteil des Erkennens, von dem der bloße Stoff einer empirischen Erkenntnis abhängt. Es gibt also zweierlei innere Bedingungen (konstitutive Bestandteile) der Erfahrung, wovon die einen die Form, die andern die Materie der Erfahrung ausmachen; nämlich erstens die Schemate oder die in der Natur des Erkenntnisvermögens bestimmten Formen der Erkennbarkeit und zweitens die Empfi ndung, welche den diesen Formen entsprechenden Stoff der empirischen Erkenntnis liefert. Dieser Erörterung zufolge wird der oberste Grundsatz des eigentlichen (empirischen) Erkennens, der zugleich das erste Gesetz des Verstandes in engerer Bedeutung und der möglichen Erfahrung ist, folgendermaßen ausgedrückt werden müssen. | Jeder erkennbare v o m bloßen Vorstellungsvermögen verschiedene Gegenstand steht unter den formalen und materialen Bedingungen der möglichen Erfahrung.282 Dieser Grundsatz ist der bloße bestimmte Begriff eines erkennbaren eigentlichen Gegenstandes (der nicht eine a priori vorgestellte bloße Form des Vorstellungsvermögens ist) in das Urteil aufgelöst, durch welches er gedacht wird. Der erkennbare empirische Gegenstand nämlich ist die objektive Einheit des in einer Anschauung vorgestellten und durchs Affi ziertsein (bei der äußern Erfahrung von außen) gegebenen Mannigfaltigen durch die auf die allgemeine Form der Anschauung bezogenen Kategorien (die Schemate) bestimmt. Da nun dieser Begriff der allgemeinste Begriff des Erkennbaren, der Be*

»Empfi ndung des Wirklichen gibt ein klares Erkenntnis einzelner Dinge und Fälle, welches man Erfahrung nennt.« Reimarus, Vernunftlehre, ii. Th[eil]., 1. K[ap]. § 212, und § 213: »Die Erfahrung 35 ist das Erkenntnis der empfundenen wirklichen Dinge.«281

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griff des erkennbaren Gegenstandes überhaupt ist, so kann der Grundsatz, der nichts anderes als der Ausdruck dieses Begriffes durch ein Urteil ist, keinen höheren über sich haben. Er ist daher der oberste in der Natur des Erkenntnisvermögens gegründete Grundsatz der Wissenschaft der erkennbaren Gegenstände im strengsten Sinne oder desjenigen Teils der Metaphysik, der sich mit diesen Gegenständen beschäftigt und Ontologie kat' exochn zu heißen verdient. An die Stelle dieses bisher verkannten ersten Grundsatzes wurde in der bisherigen Metaphysik der sogenannte Satz des Widerspruches (das principium contradictionis) gesetzt, dessen eigentlicher bisher völlig verfehlter Sinn hier festgesetzt werden muß. Alles Erkennbare muß denkbar sein, das heißt, das angeschaute Mannigfaltige | muß sich in eine objektive Einheit verbinden lassen, wenn durch dasselbe ein Gegenstand erkannt werden soll. Der Begriff der Erkennbarkeit setzt also den Begriff der Denkbarkeit voraus; und wie jener, in ein Urteil aufgelöst, den Grundsatz der Erkennbarkeit gibt, so wird aus dem in ein Urteil aufgelösten Begriffe der Denkbarkeit der Grundsatz der Denkbarkeit überhaupt erhalten, der folgendermaßen ausgedrückt wird: Wenn ein Gegenstand denkbar sein soll, so muß sich das vorgestellte Mannigfaltige verbinden lassen; oder, ebenderselbe Satz verneinend ausgedrückt: Ein Gegenstand, dessen vorgestelltes Mannigfaltige sich nicht verbinden läßt, ist nicht denkbar; woraus sich als unmittelbare Folge der Satz ergibt: Keinem denkbaren und folglich auch keinem gedachten Gegenstand kommen widersprechende Merkmale zu. Dieser Satz, der in allen diesen Formeln offenbar nichts als die vorgestellte Kategorie, den a priori bestimmten Begriff der logischen Möglichkeit, der Denkbarkeit überhaupt ausdrückt, wurde bisher in einer Formel vorgetragen, die dem allgemeinherrschenden verworrenen Begriff vom Denken und Erkennen ganz angemessen war und die Ungereimtheit, die in der Verwechslung der logischen mit der reellen Möglichkeit liegt, zu verbergen geschickt genug war; nämlich: Kein Ding kann zugleich sein und nicht sein (impossibile est idem simul esse et non esse).283

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Die bloße Vieldeutigkeit des unbestimmten Ausdrucks des Sein-Könnens machte diese Formel für jedes Bedürfnis der Spekulation brauchbar. Bald galt sie logisch, wenn vom bloßen Gedachtsein und Gedacht-werden-Können, dem logischen Sein und Sein-Können, bald aber metaphysisch, wenn von eigentlicher | Existenz und Fähigkeit zu existieren die Rede war, und die täuschende Vorstellung des Dinges an sich, mit der man den Begriff einer vom bloßen Vorstellungsvermögen unabhängigen und unsre Vorstellungen bestimmenden Wirklichkeit, Realität, Existenz verband, verbarg den unphilosophischen Zirkel, womit man das Gedacht-werden-Können von Existieren-Können und dieses von jenem ableitete. Der Satz des Widerspruches, der, nachdem der Begriff des Denkens und des logischen Seins einmal aufs reine gebracht ist,284 unmöglich mehr durch jene Formel ausgedrückt werden kann, – dieser Satz, der seine bisherige Stelle in der Metaphysik verlieren und dafür den Rang des ersten Grundsatzes der Logik annehmen muß, ist das oberste Gesetz der Denkbarkeit und gehört dem Verstande in engerer Bedeutung an; während der Grundsatz der Erkennbarkeit dem Verstande in engster Bedeutung eigentümlich ist. Ich könnte hier die Theorie des Verstandes beschließen, ohne daß ich befürchten dürfte, in derselben irgendeine ursprüngliche in der Form des Verstandes gegründete und dieselbe bezeichnende Vorstellung a priori übergangen zu haben. In der von mir aufgestellten Deduktion der Formen der Urteile sind alle möglichen Verhältnisse, die sowohl in Rücksicht der Materie als der Form eines Urteiles a priori bestimmt sein können, erschöpft; und durch dieselben ist das eigentliche Gebiet des Verstandes in engerer sowie in der Tafel der Schemate das eigentliche Gebiet des Verstandes in engster Bedeutung ausgemessen. Alle übrigen dem Verstande in beiden Bedeutungen | angehörigen Vorstellungen sind aus jenen ursprünglichen der Kategorien und der Schemate zusammengesetzt und abgeleitet, und ihre Entwicklung und Aufzählung liegt ganz außer den Grenzen der Theorie des bloßen Erkenntnisvermögens überhaupt. Wenn

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ich also hier noch die Erörterung von gewissen in der Natur des Verstandes in engerer Bedeutung gegründeten Vorstellungen anhangsweise beifüge, so geschieht dies bloß darum, weil der Ursprung dieser Vorstellungen aus den vier Momenten der Formen zu urteilen etwas schwerer einleuchtet, als es bei allen übrigen aus jenen Quellen abgeleiteten der Fall ist, und weil sie daher auch von mehr als einem Gegner der kritischen Philosophie in der Kantischen Tafel der Kategorien, wohin sie ihm mit ebensoviel Rechte als die in derselben aufgestellten Vorstellungen zu gehören schienen, vermißt worden sind. Das Mannigfaltige, das den rein-vorgestellten Kategorien als Stoff unterlegt werden muß, ist das in der Natur der Rezeptivität des Vorstellungsvermögens überhaupt bestimmte und a priori vorgestellte Mannig faltige überhaupt. Das Mannigfaltige, das den rein-vorgestellten Schematen als Stoff angehört, ist das in der Natur der Sinnlichkeit bestimmte und durch die Vorstellung a priori der Form der Anschauung vorgestellte Mannigfaltige. Von diesem den Stoff der Kategorien und der Schemate ausmachenden Mannigfaltigen muß ein Mannigfaltiges von ganz anderer Natur unterschieden werden, welches durch die bloße Handlungsweise des Verstandes in engerer Bedeutung nach den vier Momenten des Urteilens bestimmt wird und in den Vorstellungen, in welchen dasselbe | vorkommt, durch den bloßen Verstand erzeugt wird. Dieses Mannigfaltige macht, rein vorgestellt, den Stoff der Begriffe der Identität, der Übereinstimmung, des Innern und der Form aus, wie aus folgender Erörterung erhellt. a.) Die durch den bloßen Verstand bestimmte Mannigfaltigkeit im Momente der Quantität besteht aus der Vielheit der Subjekte, die durch die Einheit des Prädikates bestimmt ist. Subjekte heißen identisch, in wieferne sie ihren Prädikaten nach Einheit haben; die Vorstellung der Identität besteht in der Vorstellung der Vielheit der Subjekte eines einzigen Prädikates, und Identität fi ndet nur dann statt, wenn ein und ebenderselbe Gegenstand (oder auch ein und ebendasselbe als Subjekt gedachtes Merkmal mehrerer Gegenstände) mit sich selbst verglichen

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Einheit hat; welche Einheit nur dadurch herausgebracht wird, daß der Gegenstand vorher (in der Reflexion) durch den bloßen Verstand als ein Vieles vorgestellt wird. – Die Vielheit hingegen, die nicht durch den bloßen Verstand, sondern durch das Gegebene bestimmt ist, ist keine Vielheit des bloßen Subjektes, durch die im Verstand gegründete Einheit des Prädikates bestimmt, sondern Vielheit der Subjekte, durch die im Gegebenen gegründete Vielheit der Prädikate bestimmt; und die Vorstellung derselben gibt den Begriff des Unterschiedes (der Diversität). Die Unterschiede können in unsren Vorstellungen nicht hervorgebracht, sondern nur gefunden werden, sie müssen also im Gegebenen und nicht in dem vom Verstande Erzeugten gegründet sein. b.) Die durch den bloßen Verstand bestimmte Mannigfaltigkeit im Momente der Qualität besteht | in der Vielheit der in einem Subjekte zusammengefaßten Prädikate, folglich in einer Vielheit, die durch Einheit des Subjektes bestimmt ist. Prädikate heißen übereinstimmend, in wieferne sie in einem Subjekte Einheit haben. Die Vorstellung der Übereinstimmung besteht in der Vorstellung vieler Prädikate, in wieferne sie in einem Subjekte durch Zusammenfassung verbunden sind; und Übereinstimmung fi ndet nur in soferne statt, als Vieles in Einem zusammengefaßt (positiv gesetzt) und folglich die Vielheit in Einem ihren Grund im Zusammenfassenden hat und als Vielheit nicht des Gegebenen, sondern des Gedachten vorgestellt wird. – In wieferne hingegen die Vielheit der Prädikate in einem Subjekte nicht durch den bloßen Verstand, sondern durch das Gegebene bestimmt ist und gewisse Prädikate durch ihr Zusammenfassen in die objektive Einheit des Subjektes von dem Subjekte ausgeschlossen und folglich in demselben negativ gesetzt werden, in soferne heißt diese nicht durch den bloßen Verstand bestimmte Vielheit der nur durch Negation vereinbarten Prädikate Widerstreit. Die Vorstellung des Widerstreits ist daher zwar nur durch den Verstand, durch das ausschließende 32 f. vereinbarten ] verbessert aus: vereinbaren

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Zusammenfassen möglich, aber der Stoff derselben muß lediglich in dem Gegebenen bestimmt sein, in wieferne dasselbe die durch die Natur des Verstandes bestimmte Form des Mannigfaltigen nicht annimmt. c.) Die durch den bloßen Verstand bestimmte Mannigfaltigkeit im Momente der Relation besteht in dem Unterschiede des in die objektive Einheit zusammengefaßten und wechselseitig bestimmten Subjektes und Prädikates. In wieferne Subjekt und | Prädikat nicht etwa zu einem Objekte gehören, sondern dasselbe ausmachen, in soferne ist ihre Vielheit in diesem Objekte durch den bloßen Verstand in der Einheit des Objektes allein bestimmt. Das Viele in einem Objekte, durch dessen Zusammenfassung das Objekt zu einem einzigen bestimmten Objekte wird, heißt das Innerliche, die Vorstellung des Innerlichen besteht aus der Vorstellung des Vielen im Einem, in wieferne es durch seine Verknüpfung ein für sich bestehendes Objekt ausmacht; und das Innerliche findet nur an dem Vielen statt, dessen Vielheit allein durch den Verstand bestimmt ist, weil sie außer der objektiven Einheit, deren Modifi kation sie ist, nicht vorgestellt werden kann. – Ist hingegen der Unterschied eines in die objektive Einheit zusammengefaßten Prädikates nicht durch den bloßen Verstand, sondern durch das Gegebene bestimmt und machen Subjekt und Prädikat durch ihre Zusammenfassung in die objektive Einheit kein einziges Objekt, sondern viele aus, die zu einem Objekte bloß gehören, so liegt nur der Grund ihres Verknüpftseins allein im Verstande, der Grund aber ihrer Vielheit, als mehr als ein Objekt, liegt im Gegebenen; und die Vorstellung dieser Vielheit des Verknüpften, aber mehr als einem Objekte angehörigen Mannigfaltigen ist die Vorstellung des Äußeren, des gemeinschaftlichen Prädikates solcher Merkmale, die einem Objekte nur durch die Verbindung desselben mit einem von ihm verschiedenen zukommen. Das Äußere kann zwar nur durch den Verstand vorgestellt, aber der Stoff desselben kann kein durch den bloßen Verstand bestimmtes, sondern muß ein im Gegebenen gegründetes Mannigfaltiges sein. |

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d.) Die durch den bloßen Verstand bestimmte Mannigfaltigkeit im Momente der Modalität besteht in dem bloß logischen Unterschiede des Prädikates und Subjektes (in wieferne dieselben ein vorgestelltes Mannigfaltiges, zwei Vorstellungen sein müssen, wenn sie denkbar, d. h. verbindbar sein sollen) und folglich in der durch die bloße Form des Denkens bestimmten Mannigfaltigkeit. Die Vorstellung dieses nicht durch das Gegebene, sondern durch die bloße Art und Weise der Vorstellbarkeit (die Einheit der bloßen Vorstellung) bestimmten Mannigfaltigen ist die Vorstellung der Form, während die Vorstellung des Mannigfaltigen, das durch das Gegebensein bestimmt ist, die Vorstellung des Stoffes, der Materie ist. Diese merkwürdigen Vorstellungen heißen Reflexionsbegriffe, weil die Handlung, durch welche sie im Bewußtsein entstehen, (nicht ein synthetisches Zusammenfassen, sondern) die logische Funktion des analytischen Urteils ist, welche Reflexion oder Vergleichung heißt. Wenn die durch diese Begriffe gedachten Merkmale von den Dingen unter der Form der Vorstellung (den Erscheinungen), wofür sie eigentlich bestimmt sind, auf Dinge an sich übertragen werden, so heißt dies Amphibolie der Reflexionsbegriffe. Die Art und Weise wie Kant aus diesem Mißverständnis den Ursprung des Leibnizischen Systems in allen Teilen desselben herleitet, gehört unter die schönsten Lehrstücke der Kritik der Vernunft und muß daselbst nachgelesen werden.285 _____________ |

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Theorie der Vernunft

§ 77 Die Vorstellung, welche durch das Verbinden des gedachten (durch Begriffe vorgestellten) Mannigfaltigen entsteht, heißt Idee, – und das Vermögen, durchs Verbinden des gedachten Mannigfaltigen zu Vorstellungen zu gelangen, heißt Vernunft – in engerer Bedeutung. Der Begriff in engerer Bedeutung oder die Vorstellung, welche durch die Handlungsweise der Spontaneität aus einem vorgestellten Mannigfaltigen entsteht, begreift als Gattung unter sich erstens den Begriff in engster Bedeutung, d. h. die Vorstellung, die aus dem durch Anschauung – und zweitens die Idee in engerer Bedeutung, d. h. die Vorstellung, die aus dem durch Begriffe vorgestellten Mannigfaltigen entsteht. Der Stoff der Idee ist das gedachte, durch den Verstand verbundene Mannigfaltige, während der Stoff des eigentlichen Begriffes das angeschaute, durch bloße Apprehension verbundene Mannigfaltige, und der Stoff der sinnlichen Vorstellung das durchs Affiziertsein gegebene Mannigfaltige ist. Der Stoff des Begriffes in engster Bedeutung ist zwar auch ein vorgestelltes und folglich bereits durch Spontaneität verbundenes Mannigfaltiges; aber ein Mannigfaltiges, das durch die bloße Art des Affi ziertseins als | Stoff der Vorstellung bestimmt und das durch die Spontaneität im ersten Grade der Form der Sinnlichkeit gemäß verbunden ist. Der Stoff der Idee hingegen ist ein durch den Verstand, durch mehrere Begriffe vorgestelltes Mannigfaltiges, das der Verstand, der zweite Grad der Spontaneität, nach seiner eigentümlichen Form verbunden hat, und das durch den dritten Grad der Spontaneität verbunden zur Einheit des Gedachten (nicht des Angeschauten), zur Einheit des bereits nach der bloßen Form der Spontaneität in Begriffen Verbundenen, zur

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Vernunfteinheit wird. Während sich die Anschauung unmittelbar auf den Gegenstand bezieht, welchem ihr Stoff entspricht, der Begriff aber auf die Anschauung, aus welcher er durch die Spontaneität erzeugt wurde, bezieht sich die Idee auf bloße Begriffe, durch deren Verbindung sie entstanden ist. Das Objekt der Anschauung ist der unmittelbare Gegenstand; das unmittelbare Objekt des Begriffes ist die Anschauung, durch welche der Gegenstand mittelbares Objekt des Begriffes ist; das unmittelbare Objekt der Idee sind Begriffe, durch welche die Anschauung ein mittelbares Objekt der Idee sein kann. Durch die Idee wird daher weder ein empirischer Gegenstand, der nur angeschaut werden, noch ein unmittelbares Merkmal desselben, das nur durch den Verstand gedacht werden kann, sondern nur ein Merkmal des Merkmals, das die Vernunft durch Verbindung der durch den Verstand gedachten Merkmale erzeugt hat, vorgestellt. Die Handlung der Spontaneität, durch welche die Idee erzeugt wird, ist ebendieselbe Handlung, die man in der Logik mit dem Namen Schließen | bezeichnet und der Vernunft in engerer Bedeutung beilegt; 286 nämlich die Handlung des mittelbaren Urteilens, wobei ein Merkmal nur durch ein anderes Merkmal (den Mittelbegriff) auf den Gegenstand bezogen wird, nachdem aus dem durch den Verstand (aus der Anschauung) erzeugten Prädikate (dem Merkmale des Gegenstandes) durch Vernunft ein Prädikat des Prädikates (das Merkmal des Merkmales) erzeugt ist. Die Idee ist also eine der Vernunft eigentümliche Vorstellung, und das Vermögen, durch die Handlung des Schließens oder durch Verknüpfung der Begriffe zu Vorstellungen zu gelangen, heißt Vernunft in engerer Bedeutung. Ich sage in engerer Bedeutung, um die von mir hier bestimmte Bedeutung von zweien anderen zu unterscheiden; der weiteren, in welcher das Wort Vernunft ohne Unterschied auch von dem Verstande gebraucht wird, und der engsten, die im folgenden Paragraphen bestimmt wird. 1 Vernunfteinheit ] verbessert aus: Vernunftheit 33 Paragraphen ] verbessert aus: Paragraph

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§ 78 Die Vorstellung, welche durch das Verbinden des a priori Gedachten entsteht, heißt Idee – und das Vermögen, durchs Verbinden des a priori Gedachten zu Vorstellungen zu gelangen, heißt Vernunft – in engster Bedeutung des Wortes. Jede Vorstellung, die durch Verbindung des durch Begriffe Vorgestellten entsteht, ist Idee in engerer Bedeutung, sie mag aus Begriffen a posteriori oder aus Begriffen a priori entstanden sein. | Da aber die Ideen, die aus diesen verschiedenen Quellen entspringen, in Rücksicht ihres Stoffes wesentlich verschieden sind und es uns hier an einem besonderen Ausdruck für diesen Unterschied fehlt, so wollen wir die Vorstellungen, die durch Vernunft aus Begriffen a posteriori (aus Begriffen, die sich durch die Schemate auf einen empirischen Stoff beziehen) erzeugt sind, vorzugsweise Ideen in engerer – die Vorstellungen aber, die aus bloßen Begriffen a priori (den rein-vorgestellten Kategorien) hervorgebracht sind, vorzugsweise Ideen in engster Bedeutung nennen. Und so hätten wir dreierlei Bedeutungen des Wortes Idee zu unterscheiden. Die weitere (§ 37) bezeichnet die Vorstellung überhaupt, in wieferne sie bloße Vorstellung ist und nur in Rücksicht auf ihre subjektive Realität, d. h. nur als etwas im vorstellenden Subjekte durch Wirken und Leiden desselben Wirkliches betrachtet wird. Die engere begreift diejenigen Vorstellungen, welche aus Verknüpfung von Begriffen entstehen, die zwar ihrer Form nach bloße Produkte des Verstandes sind, aber auf einen Stoff (die Anschauungen) bezogen werden, der das Produkt des Affiziertseins und der den Formen der Sinnlichkeit gemäß wirkenden Spontaneität (im ersten Grade) ist. Die Idee in engerer Bedeutung hat also zwar vermöge ihres unmittelbaren Stoffes (der Begriffe), an dem die Vernunft nur 24 Wirkliches ] verbessert aus: Wirklichen 24 diejenigen ] verbessert aus: diejenige 29 im ] verbessert aus: in

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dasjenige verbindet, was bloßes Produkt des Verstandes ist, nur subjektive Realität, ist aber durch die Beziehung dieser Begriffe auf Anschauungen einer mittelbaren objektiven Realität fähig. Die engste Bedeutung endlich schränkt das Wort Idee auf diejenigen Vorstellungen ein, | die durch Verbindung von Begriffen a priori, das heißt von Begriffen, die sich auf ein bloß a priori vorgestelltes Mannig faltiges überhaupt beziehen, erzeugt werden. In den Begriffen a priori ist das vorgestellte Mannigfaltige überhaupt durch den Verstand verknüpft; in den Ideen in engster Bedeutung aber sind die Begriffe a priori selbst, in wieferne sie ein durch den Verstand bestimmtes Mannigfaltiges sind, auf eine Einheit gebracht, die nicht das Werk des Verstandes, sondern eines höheren Grades von Spontaneität (der Vernunft) ist und die darum Vernunfteinheit heißt. Diese Vernunfteinheit macht die Form der Ideen überhaupt, d. h. die Form aus, welche den Ideen in engerer und in engster Bedeutung gemeinschaftlich und denselben durch die Natur der Vernunft a priori bestimmt ist.287

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Die in der ursprünglichen Handlungsweise der Vernunft bestimmte Form der Idee überhaupt besteht in der Einheit des den Formen der Anschauung widersprechenden und an den bloßen Formen der Urteile bestimmten und folglich von den Bedingungen des empirischen Stoffes unbedingten Mannigfaltigen, die darum auch die unbedingte oder absolute Einheit heißt. 288 Der Stoff der Ideen sind Begriffe, in wieferne sie bloße Begriffe, d. h. Produkte des Verstandes sind. Als bloße Produkte des Verstandes sind die Begriffe nur durch ihre Formen voneinander un | terschieden, das heißt, durch die in den mannigfaltigen Formen der Urteile bestimmte mannigfaltige Handlungsweise des Verstandes. Diese in der Form des Verstandes bestimmte 14 Vernunft) ist und ] verbessert aus: Vernunft ist), und

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Mannigfaltigkeit ist gerade das Gegenteil von der in den Formen der Sinnlichkeit bestimmten Mannigfaltigkeit. Während diese letztere im Außereinander- und Nacheinandersein, d. h. in bloßen Modifi kationen des bloßen Mannigfaltigen besteht, besteht die erstere in den verschiedenen Arten des Verknüpftseins, das heißt in bloßen Modifi kationen der bloßen Einheit. Die Mannigfaltigkeit der Formen der Urteile und folglich auch der Kategorien ist also eine von den Formen der Sinnlichkeit unabhängige, ja denselben widersprechende Mannigfaltigkeit; sie kömmt dem zweiten Grade der Spontaneität lediglich durch die Natur der Spontaneität und nicht durch die Sinnlichkeit zu; sie ist in ihm unabhängig und folglich unbedingt von einem fremden Vermögen vorhanden. In wieferne also die Begriffe bloß durch die Mannigfaltigkeit der Formen der Urteile voneinander unterschieden (ein Vieles) sind, in soferne sind sie ein von den Bedingungen der Sinnlichkeit unbedingtes Mannigfaltiges, und in wieferne die Vernunft nur Begriffe als Begriffe verknüpft, in soferne verknüpft sie nur ein unbedingtes Mannigfaltiges; und die Einheit, die daraus entsteht, ist Einheit des unbedingten Mannigfaltigen, unbedingte, absolute Einheit. Dies wird durch folgende nähere Entwicklung der Handlungsweise der Vernunft bei der Verknüpfung der Begriffe einleuchtender werden. |

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§ 80 Die Handlung, durch welche die Vernunft Begriffe verknüpft, ist das mittelbare Urteil oder der Vernunftschluß, dessen allgemeine Form aus der unbedingten Verknüpfung der beiden ersten Formen der Urteile nach allen vier Momenten, nämlich aus der unbedingten Allheit, Limitation, Konkurrenz und Notwendigkeit besteht. Die Handlung der Spontaneität, durch welche die Verknüpfung zweier durch den Verstand erzeugter Vorstellungen (Begriffe) bestimmt wird, heißt mittelbares Urteil oder Vernunftschluß. In wieferne diese Verknüpfung als bereits geschehen

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im Bewußtsein bestimmt, d. h. vorgestellt wird, heißt der Vernunftschluß analytisch, in wieferne sie aber v o r dem Bewußtsein durch die Handlung der Spontaneität vorgenommen (aus den Begriffen erzeugt) wird, heißt der Vernunftschluß synthetisch (s. P. 438). Beide haben, in wieferne sie aus einer und ebenderselben Verknüpfung bestehen, die synthetisch vorgenommen und analytisch vorgestellt wird, ebendieselbe Form des Verknüpfens, die aber, weil sie nur im analytischen Vernunftschlusse vorgestellt wird, sich auch nur von diesem abstrahieren läßt. Im analytischen Vernunftschlusse nun wird ein Prädikat (das Prädikat des Schlußsatzes) durch ein anderes Prädikat, welches in der Logik der Mittelbegriff heißt, mit einem Subjekte (dem Subjekte des Schlußsatzes) als verknüpft vorgestellt und folglich ein Gegenstand durch das Merkmal seines Merkmals gedacht. Es wird von ihm mittelbar | geurteilt. Das Verknüpftsein des Prädikates und Subjektes mit dem Mittelbegriffe wird durch zwei Urteile, welche die Prämissen heißen, ausgedrückt, während der Schlußsatz das in den Vordersätzen in ihrer Verknüpfung mit dem Mittelbegriffe vorgestellte Subjekt und Prädikat in ihrer Verknüpfung untereinander selbst darstellt. Wir wollen sehen, wie diese analytisch ausgedrückte Verknüpfung synthetisch bestimmt sei. Jedes Urteil ist in der Natur des Verstandes nach den vier Momenten bestimmt oder, welches ebensoviel heißt, jedes Urteil muß Quantität, Qualität, Relation und Modalität haben, folglich auch das mittelbare Urteil oder der Vernunftschluß. Der Vernunftschluß besteht aber aus der Verknüpfung zweier Begriffe, das heißt zweier durch zweierlei Handlungsweisen bestimmter Produkte des Verstandes, die nach allen vier Momenten bestimmt sein müssen. Der Vernunftschluß kann also die zwei Begriffe nur durch eine Handlungsweise verknüpfen, in welcher die Handlungsweisen, durch welche die beiden Begriffe bestimmt werden, verknüpft sind. Wirklich besteht in je5 s. P. ] Abk. für: siehe Pagina

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dem Vernunftschlusse der Obersatz aus einem allgemeinen Satze, zu dem sich der Untersatz wie ein partikulärer, der Schlußsatz aber wie ein einzelner Satz verhält, und es ist insoferne schon sichtbar genug, daß die Form des mittelbaren Urteiles aus den beiden verknüpften ersteren Formen des unmittelbaren besteht. Indem ich aber, um dieses vollends zu beweisen, tiefer als es wohl bisher geschehen sein dürfte, in die Natur des Vernunftschlusses einzudrin | gen genötigt bin, glaube ich die Leser, die im abstrakten Denken weniger geübt sind, erinnern zu müssen, daß sie die nächsten vier nummerierten Absätze, ohne etwas zu verlieren, überschlagen können. Die übrigen aber ersuche ich, das folgende Schema des ordentlichen Vernunftschlusses und die in der Theorie des Verstandes aufgestellte Deduktion der Formen der Urteile genau vor Augen zu haben, ohne welche folgende Absätze schlechterdings unverständlich sein müßten.

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M—P S—M S — P 289 Die hier bezeichnete allgemeine Form des Vernunftschlusses oder des mittelbaren Urteils ist nach allen vier Momenten des Urteils folgendermaßen bestimmt. Erstens ist das Subjekt des mittelbaren Urteils nicht unmittelbar, sondern vermittelst des im Obersatz wie Vielheit und Einheit zugleich (allgemein) bestimmten Mittelbegriffes, in Rücksicht auf sein Prädikat im Untersatze (wo es nicht mit diesem Prädikate, sondern mit dem Mittelbegriff verknüpft wird) als Vielheit; im Schlußsatze aber, wo es unmittelbar mit seinem Prädikate verknüpft wird, als Einheit bestimmt. Die Form des mittelbaren Urteiles ist also durch den als logisches Subjekt* im Vordersatze als Vielheit und Einheit zugleich | bestimmten Mittelbegriff bestimmt und ist daher allgemein. *

Als logisches Subjekt, das heißt hier, als ein solches Subjekt, das selbst wieder (im Untersatze) bloßes Prädikat eines anderen Subjektes ist.

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Zweitens ist das Prädikat des mittelbaren Urteiles nicht unmittelbar, sondern vermittelst des Mittelbegriffes, mit dem es im Obersatze unmittelbar verknüpft ist, als ein Prädikat bestimmt, das sich zu seinem Subjekte im Schlußsatze, wo es mit demselben zusammengenommen wird, wie Einheit, im Untersatze, wo nur das Subjekt und der Mittelbegriff verbunden [sind] und das Prädikat folglich aus dem Mittelbegriff ausgeschlossen ist, wie Vielheit verhält, während es im Obersatze durch seine Verknüpfung mit dem als logisches Subjekt bestimmten Mittelbegriff als Einheit und Vielheit zugleich bestimmt ist. Denn in wieferne der Mittelbegriff daselbst Subjekt ist, ist das Prädikat mit ihm zusammengenommen; in wieferne der Mittelbegriff aber nur ein solches Subjekt ist, das selbst wieder als Prädikat im Subjekte des Schlußsatzes gedacht werden muß, in soferne wird das Prädikat eben dadurch, daß es mit dem Mittelbegriffe verknüpft wird, von der unmittelbaren Einheit des eigentlichen Subjektes ausgeschlossen. Die Form des mittelbaren Urteiles ist also durch ein Prädikat bestimmt, das sich zu seinem Subjekte wie Vieles und Eines verhält und dadurch, daß es durch den Mittelbegriff mit ihm verknüpft wird, nur mittelbar im Subjekte gesetzt, folglich durch den mit dem Subjekte verbundenen Mittelbegriff zugleich vom Subjekte ausgeschlossen und in demselben gesetzt wird. Die Form des mittelbaren Urteiles ist durch Limitation bestimmt.* | Drittens ist das Verhältnis des zusammengefaßten Subjektes und Prädikates im mittelbaren Urteil zur objektiven Einheit nicht *

Die im bloßen reinen Verstande bestimmte Form der Limitation besteht in [einem] bloßen Ausschließen durch | ein Setzen, welches nur dann zur Verneinung im strengsten Sinne wird, wenn das Mannigfal30 tige, das durch das Setzen ausgeschlossen wird, durchs Gegebensein bestimmt ist (s[iehe] P[agina] 494, b), d. h. wo eigentlicher Widerstreit stattfi ndet. Ist aber das Mannigfaltige, das durch Setzen ausgeschlossen wird, nur durch die Form des Denkens bestimmt, so wird durch das Setzen des Ausschließenden ein Mannigfaltiges gesetzt, das bei 35 aller seiner Mannigfaltigkeit übereinstimmend ist. 23 f. mittelbaren ] verbessert aus: unmittelbaren

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unmittelbar, sondern vermittelst des Mittelbegriffes wie Einheit und Vielheit zugleich bestimmt. Im Schlußsatze machen Subjekt und Prädikat ein einziges Objekt aus, dessen Merkmal das Prädikat ist; im Untersatze, wo der Mittelbegriff als Merkmal des Subjektes vorkommt, zwei Objekte, wovon das eine, nämlich das durch den Mittelbegriff bestimmte Subjekt, den Grund des andern, nämlich des durch das Prädikat bestimmten Subjektes enthält; indem in der Verknüpfung des Mittelbegriffes mit dem Subjekte, die im Untersatze vorgeht, der Grund liegt, durch den die Verknüpfung des Prädikates im Schlußsatze mit dem Subjekte bestimmt wird. Im Vordersatze ist der Mittelbegriff zugleich als Subjekt und als Grund des Prädikates bestimmt; als Subjekt, in wieferne mit ihm das Prädikat als sein Merkmal verbunden, und als Grund, in wieferne das Prädikat dadurch, daß es Merkmal des Mittelbegriffes ist, zugleich als Merkmal des Subjektes bestimmt ist. Die Form des mittelbaren Urteiles besteht also darin, daß zwei Vorstellungen durch eine dritte zugleich ausgeschlossen und verbunden | werden, und ist in soferne durch die Form der Disjunktion oder der Konkurrenz bestimmt. Viertens ist das Verhältnis des Zusammenfassens des Subjektes und Prädikates zum Bewußtsein nicht unmittelbar, sondern vermittelst des Mittelbegriffes zugleich wie Einheit und Vielheit bestimmt. Wie Einheit im Schlußsatze, wo das Prädikat mit dem Subjekte wirklich verknüpft wird. Wie Vielheit im Untersatze, wo der Mittelbegriff allein mit dem Subjekt wirklich verknüpft, aber eben dadurch die Verknüpfung des im Obersatze mit dem Mittelbegriff verknüpften Prädikates in Rücksicht auf das Subjekt als möglich gedacht wird. Im Obersatze ist diese Verknüpfung als möglich und wirklich zugleich und folglich als notwendig bestimmt, und die Form des mittelbaren Urteils ist Notwendigkeit. Wir haben zwar in der Tafel der Formen der Urteile bereits Formen angetroffen, die aus der Verknüpfung der beiden erste21 ist ] verbessert aus: Ist

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ren Formen der Urteile aus jedem der vier Momente bestehen; aber die durch diese Verknüpfung bestimmte Form gehört bloß zu den Formen der unmittelbaren Urteile und ist in dem bloßen Vermögen des unmittelbaren Urteilens oder dem bloßen Verstande bestimmt. Die aus ihnen entstehenden Kategorien der Allheit, der Limitation, der Konkurrenz und der Notwendigkeit sind bloße Merkmale der objektiven (nicht der unbedingten) Einheit, lassen sich folglich durch dieselbe auf Anschauungen beziehen und machen alsdann in dieser Beziehung die Prädikate der bedingten, auf die Form der Anschauung beschränkten Allheit, Limitation, Konkurrenz und | Notwendigkeit aus, wobei die Allheit die in der Zeit bestimmte Einheit des Vielen oder die Zahl, die Limitation die in der Zeit bestimmte Realität oder der Grad, die Konkurrenz die in der Zeit und im Raume bestimmte Verknüpfung mehrerer Objekte oder das bestimmte Zugleichsein, die Notwendigkeit endlich die von der in der Zeit bestimmten Wirklichkeit unzertrennliche Möglichkeit in der Zeit ist. So wie die Allheit, die Limitation, die Konkurrenz und die Notwendigkeit k o m p a r a t i v und b e d i n g t werden, in wieferne sie durch den Verstand in engster Bedeutung bestimmt sind und folglich in ihrer Beziehung auf die Form der Sinnlichkeit vorgestellt werden müssen, so werden sie absolut und unbedingt, in wieferne sie durch Vernunft bestimmt sind und folglich als etwas der Form der Sinnlichkeit Widersprechendes vorgestellt werden müssen.290 Sie sind aber durch Vernunft bestimmt, das heißt, die Verknüpfungen der Formen der Urteile haben ihren Grund in der Vernunft, in wieferne sie in der Form der mittelbaren Urteile oder des Vernunftschlusses bestimmt sind, wo die Verknüpfung der Urteilsformen an dem Mittelbegriffe, einem logischen Subjekt, einem bloßen Begriffe, einem durch den bloßen Verstand gedachten Mannigfaltigen, durch einen höheren Grad der Spontaneität vorgenommen wird; während eben diese Verknüpfung, wenn sie in einem unmittelbaren Urteile und folglich durch den Verstand in engster Bedeutung vorkommt (in wieferne z. B. Allheit von der Anschauung der Zahl prädiziert und als unmittelbares Merkmal der Zahl ge-

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dacht wird), an keinem durch den bloßen Ver | stand gedachten, sondern an einem durch die Form der Sinnlichkeit bestimmten Mannigfaltigen vorgenommen wird und folglich eine Handlung nur desjenigen Grades der Spontaneität sein kann, der Anschauungen bearbeitet (das ist des Verstandes), nicht desjenigen, dessen Stoff Begriffe sind, der Vernunft. Die in der Tafel der Kategorien aufgestellten und in der Natur des Verstandes in engerer Bedeutung a priori bestimmten Kategorien der Allheit, Limitation, Konkurrenz und Notwendigkeit sind also ganz entgegengesetzter Bestimmungen fähig, je nachdem sie auf die Form der Sinnlichkeit oder auf die Form der Vernunft bezogen werden. In wieferne sie als bloße Formen der Urteile dem Verstand in engerer Bedeutung angehören, sind sie weder bedingt noch unbedingt. In wieferne sie in den Schematen durch die Zeit bestimmt sind, gehören sie dem Verstande in engster Bedeutung an und sind bedingt. In wieferne sie endlich in der Form des mittelbaren Urteils oder des Vernunftschlusses bestimmt sind, gehören sie der Vernunft an und sind unbedingt.

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§ 81 Die Vorstellung der in der Form des Vernunftschlusses a priori bestimmten unbedingten Einheit ist Idee in engster Bedeutung, und zwar die höchste und allgemeinste Idee; und die in der Natur der Vernunft bestimmten Merkmale des Gegenstandes dieser Idee oder der rein-vorgestellten unbedingten Einheit sind Totalität, Grenzenlosigkeit, das Allbefassende und absolute Notwendigkeit. | Idee im strengsten Sinne ist die Vorstellung, welche aus der Verknüpfung von Begriffen a priori entsteht (§ 78). Die Vorstellung der unbedingten Einheit entsteht aber aus der Verknüpfung der rein-vorgestellten beiden ersten Kategorien nach allen vier Momenten; also ist sie Idee im strengsten Sinne. Indem aber der Gegenstand dieser Vorstellung nichts als die rein-vorgestellte Form der allgemeinsten Handlungsweise der Vernunft und der Form ist, welche alle Gegenstände, in wieferne sie durch

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reine Vernunft vorgestellt werden, annehmen müssen, in soferne kann es keine höhere und allgemeinere Idee geben als die der unbedingten Einheit. Ich habe hier die Idee der unbedingten Einheit aufgestellt, wie sie ursprünglich in der Natur der Vernunft und folglich nach allen vier Momenten des reinen Verstandes, der der reinen Vernunft ihren Stoff vorhält, bestimmt ist. Es ist zu besorgen, daß diese komplizierte und durchgängig bestimmte Vorstellung bei manchem Leser durch eine einfachere und weniger bestimmte Vorstellung von unbedingter Einheit unvermerkt verdrängt werde, wo man sich z. B. nichts als die Einheit des nicht durch Sinnlichkeit bestimmten Mannigfaltigen überhaupt bei diesem Ausdruck zu denken versucht, aber dann auch wirklich nicht die unbedingte Einheit gedacht hat, die keineswegs die Einheit des nicht sinnlich vorgestellten Mannigfaltigen überhaupt ist (welches der Begriff a priori der durch den Verstand in engerer Bedeutung bestimmten objektiven Einheit wäre), sondern die Einheit des durch den bloßen Verstand an den Formen der Begriffe bestimmten und nur durch Vernunft vorstellbaren Mannigfaltigen ist. | Die Vorstellung der bloßen unbedingten Einheit ist allzeit unrichtig und unbestimmt, wenn sie nicht die in der Natur des Vernunftschlusses bestimmte allgemeine Form der Ideen zum Gegenstande hat. In dieser Eigenschaft aber muß sie durch die Verknüpfung der beiden ersten Kategorien nach allen vier Momenten gedacht werden, und zwar durch diejenige Verknüpfung, die auf keine Anschauung, sondern auf bloße Begriffe anwendbar ist, d. h. durch unbedingte Verknüpfung. Ihre wesentlichen Merkmale sind daher unbedingte Allheit oder Totalität, unbedingte Limitation oder Ausschließung der einschränkenden Bedingung, Grenzenlosigkeit, unbedingte Konkurrenz oder das* Allesbefassende und unbedingte Notwendigkeit. *

Unter Grenzenlosigkeit in dem Allbefassenden muß hier weder Raum noch Zeit gedacht, noch die Anschauung derselben diesen beiden 35 Ideen untergelegt werden.

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Als Gegenstand einer Vorstellung a priori ist die unbedingte Einheit ein notwendiger Gegenstand für alle vernünftigen Wesen, der in eben dem Verhältnis, als sich die Vernunft mehr entwickelt, bestimmter gedacht werden muß und ein allgemeines Merkmal aller Gegenstände ist, die durch Vernunft vorgestellt werden. Die unbedingte Einheit muß von jedem, der seine Vernunft gebraucht, nicht nur notwendig gedacht, sondern auch als etwas an sich Notwendiges, alle Grenzen Ausschließendes, Allesbefassendes und Totales (Vollendetes) gedacht werden. Sie hat sich auch wohl allen Philosophierenden unter | diesen Merkmalen aufgedrungen. Aber die einen haben an ihr die Gottheit, die andern die Natur oder das Universum zu erkennen geglaubt, bis sie der Philosoph von Königsberg [als] der Erste in der Natur des Vernunftschlusses entdeckt hat. Da der unbedingten Einheit die Form der Anschauung widerspricht, so kann sie kein Merkmal erkennbarer Gegenstände sein.* Da sie aber zugleich ein wesentliches Merkmal aller durch Vernunft denkbarer Gegenstände ist, so ist es offenbar, daß die Gegenstände, in soferne sie durch Vernunft denkbar sind, durchaus nicht erkennbar sein [können], und daß durch bloße Vernunft nichts erkannt werden könne. Die Totalität, die Grenzenlosigkeit, das Allbefassende und die unbedingte Notwendigkeit sind bloße Merkmale der durch Vernunft erzeugten und in der Natur derselben bestimmten Einheit der Begriffe. Sie sind also eben darum Merkmale, die der Anschauung widersprechen und folglich keinem Gegenstande, in wieferne er anschaulich ist, und daher auch keinem erkennbaren Dinge, in wieferne dasselbe erkennbar ist, beigelegt werden können. Die unbedingte Einheit und ihre eigentümlichen Merkmale sind also auch weder Gegenstand der Erfahrung noch unmittelbare Merkmale der Gegenstände der Erfahrung, deren Inhalt aus lauter Subjekten und Prädi*

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Nicht inwieferne sie erkennbar, aber wohl inwieferne sie denkbar sind. 35

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katen unter der Form der Anschauung bestehen muß, und welcher insoferne alles Unbedingte widerspricht. Dafür aber ist die unbedingte Einheit ein mittelbares Merkmal der erkennbaren Gegenstände, der | Erscheinungen und der Erfahrung; ein Merkmal nämlich, das sich auf dieselben vermittelst der in ihnen vorkommenden und zur Form derselben gehörigen Begriffe bezieht, welche durch Vernunft verknüpft eine Einheit erhalten, die ihnen der die Anschauungen verknüpfende Verstand nicht geben kann, Vernunfteinheit. Die Vernunft verbindet an den erkennbaren Gegenständen das, was an ihnen bloßes Produkt des Verstandes ist, und erzeugt dadurch nicht Einheit des Erkennbaren (in wieferne es erkennbar, denkbar und anschaulich zugleich ist), objektive Einheit, sondern Einheit des Erkennbaren, in wieferne dasselbe bloß denkbar ist, unbedingte Einheit; einen Zusammenhang durch verknüpfte Begriffe, der alle Erfahrung übersteigt, dem aber alle Erfahrung, in wieferne Begriffe in ihr vorkommen, welche der Form der Vernunft unterliegen, vollkommen angemessen sein muß. Die objektive Einheit, welche durch den Verstand bestimmt wird, bezieht sich unmittelbar auf Anschauungen, die durch sie das wesentliche Merkmal bestimmter Objekte erhalten; sie macht in ihrer Verknüpfung mit der Anschauung den erkennbaren Gegenstand aus und ist in soferne ein mit der Anschauung gleich wesentlicher konstitutiver Bestandteil der Erfahrung. Die unbedingte Einheit hingegen, welche durch Vernunft bestimmt wird, bezieht sich unmittelbar auf bloße Begriffe, die durch sie einer höheren Einheit untergeordnet werden, einer Einheit, die aus dem Zusammenhange nicht desjenigen, was an den Erscheinungen anschaulich, sondern nur desjenigen, was an ihnen durch den Verstand gedacht wird, besteht, und welche folglich kein konstitutiver Bestandteil der Erfahrung, sondern ein bloßes Gesetz ist, nach | welchem die gedachten Gegenstände der Erfahrung in einem Ganzen der Erkenntnis, im wissenschaftlichen Zusammenhang, systematisch geordnet werden 28 den ] verbessert aus: dem

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müssen.291 Und dies ist es, was der Verfasser der Kritik der Vernunft durch die sehr passenden Ausdrücke: »die Vernunft hat bei der Erfahrung keinen konstitutiven, sondern bloß einen regulativen Gebrauch« bezeichnen wollte.292 Die unbedingte Einheit bezieht sich mittelbar, nämlich vermittelst der Kategorien auf die Form der Anschauung oder, welches ebensoviel heißt, sie bezieht sich auf die Schemate durch die an demselben bestimmte Form des Verstandes; und dadurch werden die erkennbaren Gegenstände, die Erscheinungen, mittelbar der Form der Vernunft unterworfen. Die unbedingte Einheit wird alsdann mittelbar auf Anschauungen eingeschränkt; die vier Merkmale der unbedingten Einheit werden vermittelst der vier Momente der Kategorien vier denkbare Merkmale des Anschaulichen; und die Urteile, welche die Beziehungen dieser durch Vernunft bestimmten mittelbaren Merkmale der Erscheinungen oder, welches ebensoviel heißt, die Beziehung der Erscheinungen vermittelst der Schemate auf die unbedingte Einheit ausdrücken, sind folgende Vernunftgesetze der systematischen Einheit der Erfahrung: 1.) Alle extensive Größe der Erscheinungen muß als unbedingt gedacht werden. Die Totalität der unbedingten Einheit ist hier durch den Begriff der Quantität auf die Form der Anschauung eingeschränkt und die Form der Anschauung durch den als unbedingt (durch Vernunft) gedachten Be | griff der Quantität zur Totalität erweitert. Die extensive Größe, durch Verstand gedacht, wird als in der Zeit bestimmte, bedingte und begrenzte Größe, als Zahl vorgestellt; durch Vernunft gedacht wird sie als unbestimmte, aber ins Unendliche bestimmbare Größe in der Zeit, als Zahllosigkeit, als Größe vorgestellt, die durch Vielheit in der Zeit allein bestimmt ist, keine Grenze der Vielheit hat, ins Unendliche Größe ist. Die Vernunft schließt in soferne alle absolute, d. i. nicht durch den Verstand in der Zeit bestimmte Grenze der Extension aus der möglichen Erfahrung aus. In der Sinnenwelt läßt sich nichts Unausgedehntes 15 bestimmten mittelbaren ] verbessert aus: bestimmter mittelbarer

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und in der Ausdehnung selbst keine Lücke denken: in mundo non datur h i a t u s .293 2.) Alle intensive Größe der Erscheinungen muß als unbedingt gedacht werden. Die Grenzenlosigkeit der unbedingten Einheit wird hier durch den Begriff der Realität auf die Form der Anschauung eingeschränkt und die Form der Anschauung durch den als unbedingt gedachten Begriff der Qualität zur Grenzenlosigkeit erweitert. Die intensive Größe, durch Verstand gedacht, wird als in der Zeit bestimmte (bedingte) Größe der Qualität, als Grad vorgestellt; durch Vernunft gedacht wird sie als unbestimmte, aber ins Unendliche bestimmbare Größe der Qualität in der Zeit, als Kontinuität in den Graden des Realen vorgestellt. Die Vernunft schließt in soferne alle absolute, d. i. nicht durch Verstand in der Zeit bestimmte Grenze der Intension aus der möglichen Erfahrung aus. In der Sinnenwelt läßt sich nichts Gradloses, weder absolute Realität noch absolute Negation und unter den verschiedenen Graden | selbst kein Sprung denken: in mundo non datur s a l t u s .294 3.) Alle Verknüpfung der Erscheinungen muß als unbedingt gedacht werden. Das Allbefassende, Allesverknüpfende der unbedingten Einheit wird hier durch den Begriff der Relation auf die Form der Anschauung eingeschränkt; und die Form der Anschauung durch den als unbedingt (durch Vernunft) gedachten Begriff der Relation zum Allbefassenden erweitert. Die Relation in der Zeit, durch Verstand gedacht, wird als in der Zeit bestimmte, bedingte und begrenzte Dauer, Folge und Zugleichsein vorgestellt; durch Vernunft gedacht wird sie als in der Zeit unbestimmte, aber ins Unendliche bestimmbare Dauer, Folge und Zugleichsein, als grenzenloser Zusammenhang in der Zeit vorgestellt. Die Vernunft schließt in soferne alle absolute, d. i. nicht durch den Verstand bestimmte Grenze der Verknüpfung aus der möglichen Erfahrung aus. In der Sinnenwelt sind alle Erscheinungen mit Erscheinungen verknüpft; und es läßt sich in der Sinnenwelt nichts Isoliertes und folglich auch nichts absolut Anfangendes denken: in mundo non datur casus purus.295

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4.) Alle Notwendigkeit der Erscheinungen (das Sein der Erscheinungen zu aller Zeit) muß als unbedingt gedacht werden. Die absolute Notwendigkeit der unbedingten Einheit wird hier durch den Begriff der Modalität auf die Form der Anschauung eingeschränkt, und die Form der Anschauung wird durch den als unbedingt (durch Vernunft) gedachten Begriff der Notwendigkeit zum unbedingten Sein in aller Zeit ausgedehnt. Die Modalität in der Zeit, durch Verstand gedacht, | wird in der Verknüpfung ihrer beiden ersten Formen in der Kategorie der Notwendigkeit als eine in der Zeit bestimmte, bedingte, begrenzte Notwendigkeit, als ein bedingtes Sein in aller Zeit vorgestellt. Durch Vernunft gedacht wird sie als unbestimmtes, aber ins Unendliche bestimmbares, ins Grenzenlose von seinen Bestimmungen abhängiges Sein in aller Zeit vorgestellt. Die Vernunft schließt in soferne alle absolute, nicht durch den Verstand bestimmte Grenze der bedingten Notwendigkeit aus der möglichen Erfahrung aus. In der Sinnenwelt läßt sich nichts absolut Notwendiges denken, sondern die Notwendigkeit jeder in aller möglichen Zeit vorkommenden Erscheinung muß als bedingt und folglich das Bedingtsein von allen ins Grenzenlose fortgehend als unbedingt gedacht werden. In der Sinnenwelt ist also jede mögliche Begebenheit durch andere vorwärts, seitwärts und rückwärts nach den Gesetzen der Erfahrung bestimmt: in mundo non datur fatum.296 Diese vier Gesetze der Vernunfteinheit bestehen eigentlich aus ebenso vielen Gesetzen der Verstandeseinheit, die durch Vernunft vorgestellt und folglich zum Unbedingten erweitert sind; aus Gesetzen, die, durch den Verstand gedacht und folglich unmittelbar auf die Form der Anschauung bezogen, konstitutive Gesetze der Erfahrung (der Form nach) [sind], – durch Vernunft hingegen gedacht und folglich nur mittelbar vermittelst der Begriffe auf die Form der Anschauung bezogen, bloß regulative Gesetze der Erfahrung sind; [und] in der ersten Rücksicht die objektive Einheit des in der Erfahrung zugleich denkbaren 34 denkbaren ] verbessert aus: denkbar

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und anschaulichen, des er | kennbaren Mannigfaltigen, in der zweiten aber die unbedingte Einheit des in der Erfahrung bloß denkbaren Mannigfaltigen bestimmen. Als Verstandesgesetze drücken sie die nach den vier Momenten des unmittelbaren Urteilsvermögens bestimmte, durch Sinnlichkeit bedingte Einheit, die Verstandeseinheit der Erscheinungen [aus]; als Vernunftgesetze [drücken sie] die nach den vier Momenten des mittelbaren Urteilsvermögens bestimmte, durch Vernunft unbedingte Einheit, die Vernunfteinheit der Erscheinungen aus. So, wie die konstitutiven Gesetze der Erfahrung unter dem obersten Gesetze begriffen sind: »Jeder in der Erfahrung erkennbare Gegenstand steht, in wieferne er erkennbar ist, unter der objektiven Einheit des durch Anschauung vorgestellten Mannigfaltigen«, so sind die regulativen Gesetze der Erfahrung unter dem obersten Gesetze begriffen: »Jeder in der Erfahrung erkennbare Gegenstand steht, in wieferne er in einem systematischen Zusammenhang denkbar ist, unter der unbedingten Einheit des durch Begriffe vorgestellten Mannigfaltigen« oder, welches ebensoviel heißt, »im Ganzen der Erfahrung, in der systematischen Einheit der Sinnenwelt läßt sich nichts denken, das nicht dem Gesetze der unbedingten Einheit gemäß wäre, d. h. sich nicht nach diesem Gesetze durch Vernunft verknüpfen ließe«. Aus diesem obersten Gesetze, welches die Vernunft der Erfahrung vorschreibt und welches das Gesetz der systematischen Einheit aller empirischen Erkenntnis ist, folgen unmittelbar die drei großen Prinzipien, durch welche die Vernunft den Verstand bei der Natur | forschung leitet und durch welche sie seine Ausbeute im wissenschaftlichen Zusammenhange ordnet.297 1.) Das Prinzip der Homogenität oder das Gesetz der Gattungen: Das durch den bloßen Verstand bestimmte Viele hat unbedingte Einheit. Das durch den bloßen Verstand bestimmte Viele besteht aus der Vielheit der Subjekte eines Prädikates, dem gleichartigen Vielen; die Vernunft erzeugt aus dieser Vielheit Einheit des gleichartigen Vielen, Gattung. 2.) Das Prinzip der Spezifika-

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tion oder das Gesetz der Arten: Die durch den Verstand bestimmte Einheit hat unbedingte Mannig faltigkeit. Die durch den bloßen Verstand bestimmte Einheit besteht in der Einheit des Subjektes, in wieferne sie durch bloße Einheit des Prädikates bestimmt wird. Ist dieses Prädikat eine Anschauung, so ist die Einheit individuell; ist es aber ein bloßer Begriff, so ist die Einheit eine Art, d. i. Einheit, die sich nicht unmittelbar, sondern durch ein mehreren gemeinschaftliches Merkmal auf ein Individuum beziehen kann und folglich nur durch Vernunft vorgestellt werden kann. 3.) Das Gesetz der Kontinuität der logischen Formen, das aus der Verknüpfung der Gesetze der Homogenität und der Spezifi kation besteht und einen stetigen (ununterbrochenen) Übergang von einer jeden Art zur andern, sowohl im Aufsteigen zu höheren Gattungen als auch im Herabsteigen zu niedrigeren Arten, und durch beides den durchgängigen systematischen Zusammenhang notwendig macht. Alle diese drei Prinzipien sind in der Natur des Vorstellungsvermögens, in wieferne dasselbe Vernunft hat, a priori bestimmt als unbedingte Einheit des Mannigfaltigen, | als unbedingte Mannigfaltigkeit und als unbedingte Einheit und Mannigfaltigkeit zugleich.*

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Das Gesetz der Kontinuität gilt von den Anschauungen vermittelst der Begriffe und ist dann eine andere Formel für das allgemeine Gesetz der Vernunfteinheit der Erscheinungen, demzufolge 1.) Kontinuität der Extension, 2.) der Grade, 3.) der Kausalverknüpfung, 4.) der bedingten Notwendigkeit oder der Zufälligkeit als unbedingt 25 (grenzenlos) nicht erkannt werden kann, sondern gedacht werden muß zum Behufe der systematischen Einheit, welche (durch Vernunft) Unbedingtes [und] (durch den Verstand in engster Bedeutung) Bedingtsein von dem Inbegriffe des Erkennbaren fordert.

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Die allgemeine Form der Vernunftschlüsse begreift drei besondere ebenfalls in der Natur der reinen Vernunft bestimmte Formen, nämlich die Form des kategorischen, hypothetischen und disjunktiven Vernunftschlusses unter sich, 298 durch welche die allgemeine Form der Ideen überhaupt, oder die unbedingte Einheit, in drei besondere Formen besonderer Ideen näher bestimmt wird, welche, rein vorgestellt, die Gegenstände von dreien Ideen in engster Bedeutung ausmachen, nämlich von der Idee des absoluten Subjektes, der absoluten Ursache und der absoluten Gemeinschaft. 299 Gleichwie die allgemeine Form des Urteils, oder des Zusammenfassens des vorgestellten Mannigfaltigen in objektive Einheit, besondere in der Natur des reinen Verstandes bestimmte Formen | der Urteile unter sich begreift, so begreift auch die allgemeine Form des Vernunftschlusses, oder des mittelbaren Urteils, besondere in der Natur der reinen Vernunft bestimmte Formen der Vernunftschlüsse unter sich; und gleich wie durch die allgemeine Form der Vernunftschlüsse die Vorstellung der unbedingten Einheit überhaupt als die oberste Idee der reinen Vernunft bestimmt ist, so sind durch die besonderen Formen der Vernunftschlüsse die Vorstellungen von den in der Natur der Vernunft bestimmten Arten der unbedingten Einheit als besondere Ideen in engster Bedeutung bestimmt, wie aus folgender Erörterung erhellt. Es ist zwar schon die allgemeine Form des Vernunftschlusses überhaupt nach allen vier Momenten des mittelbaren Urteils und folglich auch nach dem Momente der Relation bestimmt. (In jedem Vernunftschlusse überhaupt muß sich der Mittelbegriff zum Prädikate des Schlußsatzes zugleich wie Subjekt und wie Grund verhalten.) Allein, da es im Momente der Relation dreierlei verschiedene bestimmte Arten gibt, wie Prä7 besondere ] verbessert aus: besondern 16 mittelbaren ] verbessert aus: unmittelbaren

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dikate und Subjekte miteinander in einer objektiven Einheit verknüpft sein können, nämlich nach der kategorischen, hypothetischen und disjunktiven Form, so läßt sich auch im Obersatze des Vernunftschlusses das Prädikat des Schlußsatzes mit dem daselbst als Subjekt des Urteils bestimmten Mittelbegriff auf dreierlei Art verbinden. Der Mittelbegriff kann sich nämlich zum Prädikate wie Subjekt im strengsten Sinne, d. i. wie Gegenstand zu seinem Merkmale oder wie Grund zur Folge oder wie ein Glied zu dem andern, womit es ein gemeinschaftliches Ganzes ausmacht, verhalten; und | der Vernunftschluß ist im ersten Falle kategorisch, im zweiten hypothetisch, im dritten disjunktiv. Die Gattung Vernunftschluß begreift also drei Arten unter sich, die, in wieferne sie in dem Vermögen des mittelbaren Urteils, im Vermögen durch verknüpfte Urteilsformen, bloße Begriffe zu verbinden, gegründet sind, ebenso viele Formen besonderer mittelbarer Urteile oder Schlüsse, ebenso viele besondere Handlungsweisen der reinen Vernunft ausmachen. Die allgemeine Handlungsweise der Vernunft besteht im Zusammenfassen eines Subjektes und Prädikates in unbedingte Einheit; die besondern Handlungsweisen derselben bestehn im Zusammenfassen in unbedingte Einheit, wobei das Subjekt entweder als Gegenstand und das Prädikat als Merkmal oder das Subjekt als Grund und das Prädikat als Folge oder das Subjekt als das eine Glied eines gemeinschaftlichen Ganzen und das Prädikat als das andere bestimmt ist; und so, wie die Vorstellung der durch die allgemeinste Handlungsweise der Vernunft bestimmten Einheit die Idee der unbedingten Einheit überhaupt ist, so sind die Vorstellungen der durch diese drei Handlungsweisen der Vernunft bestimmten Einheiten die Ideen der unbedingten Einheit des Subjektes, des Grundes und der Gemeinschaft oder, welches ebensoviel heißt, 9 Ganzes ] verbessert aus: Ganze 13 mittelbaren ] verbessert aus: unmittelbaren 15 viele ] verbessert aus: viel 16 mittelbarer ] verbessert aus: unmittelbarer

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des absoluten Subjektes, des absoluten Grundes und der absoluten Gemeinschaft. Die in der Natur des Verstandes in engerer Bedeutung bestimmten Kategorien der Substanz, der Ursache und der Gemeinschaft sind, in wieferne sie im bloßen Verstande in engerer Bedeutung ihren Grund haben, bloße Formen, Gegenstände | überhaupt zu denken, bloße Merkmale der Einheit des Vorgestellten und in dieser Rücksicht sowohl auf das durch Sinnlichkeit als [auf] das durch Vernunft Vorgestellte gleich anwendbar. Durch ihre in der Natur des Gemütes a priori bestimmte Beziehung auf die Form der sinnlichen Anschauung gehen sie ins Gebiet des Verstandes in engster Bedeutung über, ins Gebiet des empirischen Erkenntnisvermögens im strengsten Sinne; wo sie in ihrer unzertrennlichen Verbindung mit Raum und Zeit die Formen der Erkennbarkeit ausmachen und Formen, Merkmale der Einheit des Anschaulichen sind. Durch ihre ebenfalls in der Natur des Gemütes a priori bestimmte Beziehung auf die Form der Vernunft, das unbedingte Zusammenfassen, und die durch dasselbe erzeugte unbedingte Einheit gehen sie ins Gebiet der Vernunft über, wo sie in unzertrennlicher Verbindung mit der unbedingten Einheit (der Einheit jener Merkmale, die im bloßen Verstand ihren Stoff, in der Vernunft aber ihre Form haben) die Form des vollständigen Zusammenhanges unter den empirischen Erkenntnissen ausmachen und Merkmale derjenigen Einheit sind, in welche nicht das Anschauliche durch Verstand, sondern das durch den Verstand in dem Anschaulichen Hervorgebrachte, das Gedachte zusammengefaßt wird, Formen und Merkmale der Vernunfteinheit. Die empirische Erkenntnis, die durch Vernunfteinheit vollständigen Zusammenhang erhält, unterscheidet sich in die Erkenntnis durch den äußern und durch den inneren Sinn. Nur durch den äußeren Sinn sind Gegenstände im strengsten Sinne, Erscheinungen von Dingen außer uns, erkenn | bar; und das durch den inneren Sinn Erkennbare, die Erscheinungen in 26 dem ] verbessert aus: den

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uns, sind nichts als Veränderungen in uns, bloße Vorstellungen. Die Vernunfteinheit der empirischen Erkenntnis unterscheidet sich daher in objektive und subjektive Vernunfteinheit; durch die eine wird das Erkennbare des äußern Sinnes, werden die Gegenstände außer uns, – durch die andere wird das Erkennbare des inneren Sinnes, werden die Vorstellungen in uns in vollständigen Zusammenhang gebracht; und hierdurch erhalten die drei Merkmale der Vernunfteinheit, das absolute Subjekt, der absolute Grund und die absolute Gemeinschaft zweierlei wesentlich verschiedene Gegenstände, in wieferne sie nämlich auf das Erkennbare des inneren oder des äußeren Sinnes bezogen werden und Merkmale der unbedingten Einheit der Vorstellungen in uns oder der Gegenstände außer uns, Bestimmungen der subjektiven oder der objektiven Vernunfteinheit sind.300

§ 83 Das absolute Subjekt, der absolute Grund und die absolute Gemeinschaft bestimmen die objektive Vernunfteinheit der Erfahrung, in wieferne sie auf die in der empirischen Erkenntnis a posteriori vorgestellten Dinge außer uns mittelbar bezogen werden; sie bestimmen die subjektive Vernunfteinheit der Erfahrung, in wieferne sie auf das im deutlichen Bewußtsein a priori vorgestellte vorstellende Subjekt unmittelbar bezogen werden. Nur in der empirischen Erkenntnis der Gegenstände des äußeren Sinnes sind erkennbare Sub | stanzen, erkennbare (wirkende) Ursachen und erkennbare Gemeinschaften (Wechselwirkungen) möglich. Das in der Natur des Verstandes in engerer Bedeutung bestimmte Schema der Substantialität kann nur auf einen dem äußeren Sinne gegebenen Stoff, nur auf das Beharrliche im Raume angewendet werden, da das in der bloßen Zeit Gegebene nichts als Veränderung, nichts Beharrliches sein kann. Das Schema der Kausalität scheint zwar dem ersten Anblicke nach, in wieferne es a priori nur als bestimmte Folge in der Zeit vorgestellt wird, nicht auf Gegenstände im Raume eingeschränkt

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zu sein. Allein, da die Bestimmung der Folge in der Zeit nur durch den Grund in der Zeit bewirkt wird, dieser als Grund in der Zeit selbst wieder Folge und folglich ein bloßes Akzidenz sein muß, das Akzidenz aber nur in soferne erkennbar sein kann, als seine Substanz erkennbar ist, so ergibt es sich, daß das Schema der Kausalität ebenfalls nur auf Akzidenzen erkennbarer Substanzen, das heißt auf Akzidenzen des Beharrlichen im Raume anwendbar ist und daß alle erkennbare Wirkung nichts als Veränderung im Raume, Bewegung, so, wie alle erkennbare Ursache nichts als der Grund der Bewegung, in wieferne er selbst im Raume erkennbar ist, d. h. selbst wieder durch Bewegung entsteht, sein könne. Das Schema der Gemeinschaft endlich oder des bestimmten Zugleichseins setzt offenbar die Form des äußeren Sinnes, d. i. den Raum voraus, indem ohne die Beziehung der Zeit (in der nichts als bloßes Nacheinandersein bestimmt ist) auf den Raum kein Zugleichsein denkbar ist. Die erkennbare Gemeinschaft besteht in der Wechselwirkung erkennbarer, im Raume anschaulicher Substanzen auf | einander. Alle erkennbare Substanz, Ursache, Gemeinschaft ist also objektiv, das heißt, bezieht sich durch einen objektiven a posteriori gegebenen Stoff auf Dinge, die von dem vorstellenden Subjekte, dessen Vorstellungen und den Formen derselben im Bewußtsein unterschieden werden müssen; und die objektive, durch den in der Anschauung gegebenen objektiven Stoff, sich auf Objekte beziehende Substanz, Ursache und Gemeinschaft allein, und nur, in wieferne sie objektiv ist, ist erkennbar. Die Schemate der Substanz, Ursache und Gemeinschaft sind die in der Natur des Erkenntnisvermögens bestimmten Merkmale der objektiven Einheit des durch Anschauung vorgestellten Dinges außer uns und folglich der individuellen Einheit zwischen Substanz und Akzidenz, Ursache und Wirkung und den Gliedern der Gemeinschaft, in wieferne Substanz mit dem Akzidenz ein Individuum ausmachen, Ursache und Wirkung und Gemeinschaft aber Merkmale sind, durch welche zwei 20 einen ] verbessert aus: einem

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Individuen ihre Individualität wechselseitig bestimmen. Die Ideen der absoluten Substanz, Ursache und Gemeinschaft des äußern Sinnes sind die in der Natur der Vernunft bestimmten Merkmale der unbedingten Einheit des durch den Verstand bestimmten Dinges außer uns, des objektiven, in wieferne dasselbe durch den Verstand als mannigfaltig durch die Verschiedenheit der Zusammenfassung in objektive Einheit bestimmt und dann durch Vernunft neuerdings verbunden ist. Sie sind folglich nicht Merkmale der individuellen Einheit, derjenigen Einheit, wodurch ein Individuum als Individuum, sondern der universellen Einheit, wodurch der Zusammenhang aller Individuen untereinander bestimmt wird. Sie bezie | hen sich daher auf die erkennbaren Individuen, die Dinge außer uns, keineswegs wie die Schemate unmittelbar durch Anschauung, die selbst einen Bestandteil der Schemate ausmacht, sondern nur mittelbar durch die Schemate und zwar nur durch denjenigen Bestandteil derselben, welcher im bloßen Verstand bestimmt ist, durch den Begriff, durch die als Substanz oder als Ursache oder als Gemeinschaft bestimmte objektive Einheit, die in den drei Ideen durch Vernunft zur unbedingten Einheit erhoben ist. Das in der Anschauung als bedingt Vorgestellte wird in der Idee als unbedingt gedacht; alles Erkennbare ist nur, in wieferne es als bedingt vorgestellt wird, erkennbar, muß aber, in wieferne es als bloß denkbar, d. h. durch Vernunft vorgestellt wird, als unbedingt vorgestellt werden. Der Verstand erkennt Individuen, die Vernunft denkt den Zusammenhang derselben, das Allgemeine, das aber außer den Individuen nichts als eine Form des Denkens, eine leere Idee ist, nur mittelbar, [das aber] vermittelst des Verstandes in engerer Bedeutung und des Affiziertseins objektive Beziehung hat. Die empirische Erkenntnis des bloßen innern Sinnes hat keine Gegenstände im strengsten Sinne, sondern bloße Vorstellungen zu Objekten, die weder als etwas im Raume Beharrliches, als erkennbare Substanzen, noch als Akzidenzen des im Raume Be33 im ] verbessert aus: in

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harrlichen, [als] erkennbare Akzidenzen, vorgestellt werden können. Das, was an unsren Vorstellungen empirisch erkennbar ist, ist nichts anderes als die durch das Affiziertwerden gegebene und unter der Form des inneren Sinnes vorgestellte Mannigfaltigkeit, – die Veränderung in uns, die nur im klaren Bewußtsein zum Objekte des inneren | Sinnes werden kann. Beim klaren Bewußtsein (s[iehe]. § 39) wird die Vorstellung als bloße Veränderung in uns, folglich unter der Form des inneren Sinnes vorgestellt, d. i. angeschaut, und durch eine Vorstellung, die innere Anschauung ist, auf das vorstellende Subjekt bezogen. Hierdurch erhält die Vorstellung subjektive Einheit, Zusammenhang mit dem Vorstellenden und im Vorstellenden; aber auch nur bedingte Einheit, bedingten Zusammenhang. Sie wird nur, in wieferne sie der Form der Sinnlichkeit gemäß, in wieferne sie in der Zeit bestimmt ist, auf das Vorstellende bezogen. Unbedingte subjektive Einheit der Vorstellungen wird nur durch Vernunft im deutlichen Bewußtsein bestimmt. Im deutlichen Bewußtsein (s[iehe]. §§ 40, 41) werden die Vorstellungen auf das vorstellende Ich bezogen, welches sich nur als absolutes Subjekt des a priori vorgestellten Vorstellungsvermögens vorstellen und folglich nur durch Vernunft denken läßt. Das Subjekt des Vorstellungsvermögens kann, als Subjekt, nur durch Vernunft vorgestellt werden, weil es durch kein in einer möglichen Anschauung vorstellbares Prädikat als Subjekt bestimmt werden oder, welches ebensoviel heißt, weil auf das vorstellende Ich das Merkmal des Subjektes durch keine Anschauung bezogen werden kann; wie im Gegenteile bei den Subjekten des äußeren Sinnes der Fall ist, wo das Merkmal Subjekt, auf das im bloßen Raume Anschauliche bezogen, die Vorstellung des Beharrlichen im Raume, des Denkbaren und Anschaulichen des erkennbaren Subjektes bestimmt. Das durch den inneren Sinn a | posteriori Erkennbare sind die bloßen Vorstellungen und zwar nur, in wieferne sie Erscheinungen in uns, Objekte unter der 19 vorstellende ] verbessert aus: vorgestellte 30 Denkbaren ] verbessert aus: denkbar

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bloßen Form des inneren Sinnes, bloße Veränderungen in uns sind, die, da sie auf keine empirisch-erkennbare im Raume und [in der] Zeit vorstellbare Substanz bezogen werden können, sich auch nicht als empirisch-erkennbare Akzidenzen denken lassen. – Das durch den inneren Sinn a priori Erkennbare ist die bloße Form der inneren empirischen Anschauung, die rein vorgestellte Zeit, welche sowenig als die bloße Form der äußeren empirischen Anschauung, oder der rein vorgestellte Raum, Merkmal des vorstellenden Subjektes sein kann. Weder ein Mannigfaltiges im bloßen Raume (das erkennbare Beharrliche) noch ein Mannigfaltiges in der bloßen Zeit (die Veränderung in uns, die Vorstellung) kann das vorstellende Subjekt ausmachen, eine die Substanz desselben ausmachende Eigenschaft des Subjektes sein, das sowohl von allen Dingen außer uns, den Erscheinungen des äußern, als allen Vorstellungen in uns, den Erscheinungen des inneren Sinnes im Bewußtsein unterschieden sein muß. Der bloße Raum und die bloße Zeit aber sind, in wieferne sie angeschaut werden können, bloße Formen der sinnlichen Vorstellungen und folglich bloße Prädikate von Subjekten, die von dem Vorstellenden wesentlich unterschieden werden müssen, wenn sie vorstellbar sein sollen; Prädikate der bloßen Vorstellungen, in wieferne dieselben vorstellbar und von vorstellenden verschieden sind, der empirischen Anschauungen. Raum und Zeit können also, in wieferne sie angeschaut werden können, unmöglich auf das vorstellende Subjekt bezogen werden. Es wird durch sie weder das vorstellende Subjekt noch ein Merk | mal desselben, sondern ein bloßes Merkmal der vom vorstellenden Subjekte verschiedenen Erscheinungen vorgestellt. Die Einheit, die in dem rein vorgestellten Raume und der rein vorgestellten Zeit vorkömmt, ist ein bloßes Produkt der Spontaneität, und auch sogar das Mannig faltige in denselben ist, in wieferne es a priori vorgestellt wird, folglich in der Vorstellung durch kein Affi ziertwerden von außen, sondern durch die ihre eigene Rezeptivität affizierende Spontaneität bestimmt wird, seiner Wirklichkeit als Stoff der Vorstellung nach ein Produkt der Spontaneität, die

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dabei nach der Form tätig ist, welche in der bloßen Rezeptivität nur ihrer Möglichkeit nach bestimmt ist. Dasjenige also, was an dem rein vorgestellten Raume und der rein vorgestellten Zeit nicht bloßes Produkt der Spontaneität ist, sondern der bloßen Rezeptivität angehört, ist die bloße Möglichkeit der Form des Außereinander- und Nacheinanderseins (nicht an dem vorstellenden Subjekte, sondern) an dem der Rezeptivität zu gebenden Stoffe einer Vorstellung, die bloße Möglichkeit der Form einer sinnlichen Vorstellung a posteriori, das Mögliche, Denkbare, durch bloße Spontaneität Vorstellbare der Anschaulichkeit ; nicht die Anschaulichkeit selbst, nicht die bloße Form des empirischen Stoffes, nicht das bloße Prädikat der Erscheinung, das nicht durch bloße Spontaneität, sondern nur durch Sinnlichkeit a priori vorstellbar ist. In wieferne sich also Raum und Zeit durch Sinnlichkeit vorstellen lassen, können sie nicht als Prädikate des Vorstellenden, sondern nur des sinnlich Vorstellbaren gedacht werden. Sie werden zu Prädikaten des Vorstellenden, in wieferne sie durch die bloße Kategorie der Möglichkeit nicht als anschaulich, son | dern als denkbar im vorstellenden Subjekte gedacht werden. Ihrer Möglichkeit im Vorgestellten nach, als Formen des Außer- und Nacheinanderseins des im Gemüte möglichen Stoffes sind sie anschaulich, und durch ihre Anschauung wird die Möglichkeit des Außer- und Nebeneinanderseins des gegebenen Mannigfaltigen vorgestellt. Ihrer Möglichkeit im Vorstellenden nach sind sie nur durch ihren im Vorstellungsvermögen bestimmten Grund denkbar. Sie sind nicht im Vorstellenden als Formen desselben vorhanden, sondern nur ihre bestimmte Möglichkeit, ihr denkbarer Grund macht eine der Formen des Vorstellungsvermögens, nämlich die Sinnlichkeit aus. Dieser denkbare Grund des bloßen Raumes und der bloßen Zeit, nicht sie selbst, ist also das Prädikat, durch welches das Vorstellende als Subjekt der Sinnlichkeit bestimmt wird und als Subjekt der Sinnlichkeit nur gedacht, nicht aber angeschaut werden kann. Auch sogar die Sinnlichkeit ist also als Prädikat des vorstellenden Subjektes kein anschauliches, sondern ein bloß denkbares Prädikat, und das Subjekt ist durch dasselbe

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keineswegs als ein denkbares und anschauliches, d. i. erkennbares Subjekt bestimmt. Das Subjekt des Vorstellungsvermögens ist daher nicht durch den Verstand, sondern nur durch Vernunft unmittelbar vorstellbar und kann als kein im Raum und in der Zeit bestimmbares, sondern nur als ein absolutes Subjekt gedacht werden. Alles im Raum und in der Zeit Bestimmbare ist in soferne bloßer Stoff einer möglichen Vorstellung, etwas, das sich der Empfänglichkeit des vorstellenden Subjektes geben läßt. Das Subjekt selbst kann nie das Gegebene sein, weil es bei allem | Gegebenwerden als das vom Gegebenen Verschiedene, dem gegeben wird, vorausgesetzt werden muß. Das vorstellende Subjekt kann also nie in einer Anschauung vorkommen und die Vorstellung, durch welche es sich selbst denkt, kann nur ein bloßes Produkt der Selbsttätigkeit dieses Subjektes, der Vernunft sein. Übrigens ist auch aus der Theorie des Erkenntnisvermögens einleuchtend genug, daß alles Erkennbare entweder Erscheinung des äußern oder des inneren Sinnes sein müsse, das Beharrliche im Raum, das Ausgedehnte, der Körper oder das in der bloßen Zeit, nicht außer uns Vorstellbare, die Veränderung in uns, die Vorstellung. Nur durch Unterscheidung des vorstellenden Subjektes von allem im Raume und in der Zeit Anschaulichen ist Bewußtsein und Erkenntnis möglich, und das Vorstellende kann weder als etwas im Raume noch als etwas in der Zeit Anschauliches gedacht werden; seine Vorstellung als Subjekt fällt also der bloßen Vernunft anheim. Das Merkmal des Unbedingten wird also auf das vorgestellte vorstellende Subjekt unmittelbar bezogen, d. h. nicht wie auf die Gegenstände des äußeren Sinnes vermittelst des in dem Schema der Substantialität bestimmten Begriffes der erkennbaren im Raume und [in] der Zeit bestimmten Substanz, und das vorstellende Ich kann nur durch eine Idee in engster Bedeutung, als absolutes Subjekt vorgestellt werden. Das Merkmal des absoluten Grundes kömmt diesem absoluten Subjekte nur in Rücksicht auf dasjenige zu, was durch bloße Vernunft an den Vorstellungen hervorgebracht wird und folg-

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lich | auch nur durch Vernunft in einer Idee als Wirkung vorstellbar ist. Das absolute Subjekt muß als handelnd gedacht werden, in wieferne es das Subjekt der Spontaneität ist, welche die Form der Vorstellung überhaupt oder die Einheit des Mannigfaltigen hervorbringt. Allein die Gattung Vorstellung begreift drei wesentlich verschiedene Arten unter sich: die sinnliche Vorstellung, den Begriff und die Idee, oder die Vorstellung der Sinnlichkeit, des Verstandes und der Vernunft. Jede dieser Arten hat ihre eigentümliche von der anderen verschiedene Form, Einheit der Apprehension, Verstandeseinheit und Vernunfteinheit, bei deren Hervorbringung sich die Spontaneität in drei verschiedenen Graden von Tätigkeit äußert, als Vermögen der Apprehension, als reiner Verstand, als reine Vernunft. Die Handlung der Apprehension besteht in der Synthesis des durch Affiziertsein gegebenen Mannigfaltigen, und die Spontaneität wird zu derselben durch das Affiziertsein bestimmt; sie handelt also dabei im eigentlichsten Verstande gezwungen und zwar schlechterdings gezwungen, in wiefern die Rezeptivität von außen affiziert ist; relativ gezwungen, in wiefern die Spontaneität selbst die Rezeptivität affiziert hat und also in ihrer eigenen Handlung der Grund des Affiziertseins liegt, durch welches sie zur Hervorbringung der Form der Vorstellung genötigt wird. Bei jeder sinnlichen Vorstellung verhält sich also die Handlung der Spontaneität wie Gegenwirkung zur Einwirkung; ist eine notwendige Folge der Einwirkung; und wenn diese durch etwas vom Vorstellenden Verschiedenes geschehen ist, so kann das vorstellende Subjekt nicht einmal als absolute Ursache der Entstehung der Vorstellung gedacht wer | den. Die Handlung des Verstandes besteht in der Verbindung des durch Anschauung vorgestellten Mannigfaltigen, einer Handlung, zu welcher die Spontaneität durch kein Affiziertsein, sondern lediglich durch sich selbst bestimmt wird, wobei sie also ungezwungen handelt. Der Begriff entsteht nicht durch Einwirkung auf die Sinnlichkeit und Gegenwirkung der Spontaneität, sondern durch das Verbinden des bereits zur Vorstellung gewordenen und durch Anschauung dem Verstande vorgehaltenen Mannigfaltigen,

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folglich durch eine Handlung, die ihren Grund weder in etwas außer dem Gemüte und im Gemüte selbst, nicht in der Sinnlichkeit, sondern lediglich im Verstande hat, der durch seine Selbsttätigkeit der Vorstellung ihr Dasein gibt. Allein, da der Verstand (wenn durch ihn nicht etwa die bloßen Kategorien, nichts als seine Denkformen gedacht werden sollen) nur ein durch Anschauung vorgestelltes Mannigfaltiges verbindet, so ist er bei seiner Handlung in soferne an die Form der Anschauung gebunden, als er nur dasjenige verbindet, was ihm unter der Form der sinnlichen Vorstellung vorgehalten wird. Die Einheit, die er hervorbringt, ist nur komparativ, bezieht sich nur auf die Form der Anschauung und reicht nur so weit als das durch diese Form bestimmte Mannigfaltige. Der Verstand, der also bei der Erzeugung des Begriffes zwar ungezwungen, aber an die Form der Sinnlichkeit gebunden handelt, muß daher zwar als absolute Ursache der Entstehung, aber nicht der Form eines Begriffes in engster Bedeutung gedacht werden. Er wirkt als Verstand in engster Bedeutung nur in Vereinigung mit der Sinnlichkeit. – Die Handlung der Vernunft hingegen besteht in der Verbin | dung des in der bloßen Natur des Verstandes und durch die bloße Form der Begriffe bestimmten Mannigfaltigen und folglich der Begriffe, in wieferne sie bloße Produkte der Spontaneität im zweiten Grade sind. Die Idee entsteht dadurch, daß die Spontaneität den mannigfaltigen Formen des Verstandes (einer durch die bloße Spontaneität bestimmten Mannigfaltigkeit) Einheit gibt und folglich einen Stoff verbindet, der ihr nicht durch die Sinnlichkeit vorgehalten wird, wobei sie an keine Bedingung der Sinnlichkeit gebunden ist, sondern nach bloßen Formen der Spontaneität und folglich als unbedingte, durch nichts von ihr selbst Verschiedenes bestimmte und eingeschränkte Spontaneität, als absolute Selbsttätigkeit handelt. In wieferne also das vorstellende Subjekt durch Vernunft handelt, in soferne handelt dasselbe als absolute Ursache, ungezwungen, ungebunden, durch nichts als seine Selbsttätigkeit bestimmt, das heißt f r e i . Das vorstellende Subjekt muß als eine freie Ursache gedacht werden, in wieferne es als absolute Ursache gedacht

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wird, und es muß als absolute Ursache gedacht werden, in wieferne es das Subjekt der Vernunft ist. Vernunfteinheit ist die einzig denkbare absolute Wirkung des vorstellenden Subjektes, die aber auch nicht anders dann als absolute Wirkung desselben denkbar ist. (Im theoretischen Vorstellungsvermögen wird durch diese Vernunfteinheit das Systematische der Erkenntnis, im praktischen das Moralische der Willenshandlungen bestimmt.) Die Handlung der Vernunft ist die einzig mögliche, die sich als frei denken läßt, aber auch nicht anders als frei gedacht werden kann. Aber diese Freiheit, dieses absolute Wirken der Vernunft ist nur durch bloße Vernunft, nur | durch eine Idee denkbar; sie gehört durchaus nicht unter die erkennbaren Handlungen und ist ihrer reellen Möglichkeit nach unbegreiflich oder, welches ebensoviel heißt, hat keine erkennbare (denkbar und anschauliche) Möglichkeit für uns. Das Merkmal der absoluten Gemeinschaft kömmt dem absoluten Subjekte des Vorstellungsvermögens nur in soferne zu, in wieferne dasselbe als Glied eines aus vernünftigen Wesen bestehenden Ganzen gedacht wird; eines Systemes, dessen Glieder nicht durch Erkennbares, d. h. durch Wechselwirkung im Raume und in der Zeit Bestimmbares, Zugleichsein, sondern durch Zusammenstimmung ihrer durch eine und ebendieselbe Handlungsweise der Vernunft bestimmten freien Handlungen zusammenhängen. Dies ist die moralische Welt, der freie Staat der vernünftigen Wesen, deren Verbindung untereinander in der bloßen Harmonie ihres Denkens und Handelns besteht und das Werk ihrer eigenen Vernunft, ihrer freien Wirksamkeit ist; eine Welt, die nach keinen anderen Gesetzen regiert wird als solchen, die jeder Bürger sich selbst vorschreibt, die ihm durch nichts als seine Selbsttätigkeit bestimmt werden und die er ungezwungen, ungebunden und folglich frei befolgt. Die Vernunfteinheit der Erfahrung (der durch die Natur der Vernunft bestimmte Zusammenhang der Erscheinungen sowohl des äußeren als des innern Sinnes) wird also durch sechs Ideen vorgestellt, wovon drei die objektive Einheit der äußeren und drei die subjektive Einheit der inneren Erfahrung betreffen;

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drei durch die Schemate und folglich mittelbar auf Objekte, drei aber unmittelbar durch | Vernunft auf das vorstellende Subjekt bezogen werden; drei, in wieferne sie sich durch die Schemate auf einen objektiven Stoff beziehen, mittelbare objektive Realität haben und in soferne bloß Ideen in engerer Bedeutung sind; drei hingegen, in wieferne sie sich auf das nur durch Vernunft vorstellbare Subjekt des Vorstellungsvermögens unmittelbar beziehen, subjektive in dem bloßen Subjekte und seiner Vernunft gegründete Realität haben und in soferne Ideen in engster Bedeutung sind. Durch die einen werden die erkennbaren Objekte in einem systematischen Zusammenhang gedacht. Durch die anderen werden die bloßen Vorstellungen in systematischen Zusammenhang gebracht ; durch die einen wird dasjenige, was in der Erfahrung bloß objektiv und von uns unabhängig ist, durch die anderen [wird] dasjenige, was in ihr bloß subjektiv und von uns abhängig ist, in durchgängigem Zusammenhang vorgestellt. Da der Ursprung dieser sechs in der Natur der Vernunft gegründeten und eben darum notwendigen Ideen bis auf den Verfasser der Kritik der Vernunft ganz verkannt wurde, so war nichts natürlicher, als daß man die Gegenstände dieser Ideen teils in der Erfahrung unter den erkennbaren Dingen aufsuchte, teils, indem man sie daselbst vergebens gesucht hatte, entweder geradezu leugnete oder in einer von der Sinnenwelt verschiedenen Verstandeswelt gefunden zu haben glaubte; einer Welt, die man der Sinnenwelt entgegensetzte, und in der man durch die Vernunft die Dinge, wie sie an sich sind, zu erkennen glaubte, während in der andern die Dinge, wie sie durch das täuschende Medium der Organisation erschienen, vorgestellt würden. | An den bleibenden Subjekten der äußeren Erfahrung, den Körpern, wurde bald genug das Merkmal des Absoluten vermißt, welches die Vernunft denselben beizulegen genötigt ist. Das in der Anschauung vorkommende Merkmal der körperlichen 16 durchgängigem ] verbessert aus: durchgängigen

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Substanz, die Ausdehnung, zeigte sich als das Gegenteil des Absoluten und Unveränderlichen, als etwas Relatives und Veränderliches; während auf der anderen Seite an dem bleibenden Subjekte der inneren Erfahrung kein in der Anschauung vorkommendes Merkmal seiner Realität aufgebracht werden konnte. An den wirkenden Ursachen der äußeren Erfahrung wurde bald genug das Merkmal des Absoluten vermißt, welches die Vernunft denselben beizulegen genötigt ist. Jede im Raum wirkende Substanz wirkt durch Bewegung, zu der sie von einer andern ebenfalls durch Bewegung bestimmt werden muß. Keine kann daher als absolute Ursache erkannt werden, und im ganzen Inbegriffe der äußeren Erfahrung kann keine erste Ursache der in derselben vorkommenden Wirkung vorkommen; während auf der anderen Seite an der im inneren Sinne vorstellbaren Ursache, dem Willen, das Vermögen, sich selbst zu bestimmen, oder die Freiheit durch keine Anschauung vorgestellt und folglich auch ihrer realen Möglichkeit nach nicht begriffen werden kann. An der Gemeinschaft unter den Objekten des äußeren Sinnes, in der physischen Welt, wurde bald genug das Merkmal des Absoluten vermißt, welches die Vernunft derselben beizulegen genötigt ist. Von einer absoluten Konkurrenz, einer durchgän | gigen systematischen Zusammenordnung aller körperlichen Substanzen läßt sich kein anderes Resultat als der vollkommen regelmäßige Gang der physischen Weltbegebenheiten; von einer absoluten Konkurrenz, einer durchgängigen Zusammenordnung aller vernünftigen Wesen läßt sich kein anderes Resultat als der vollkommen regelmäßige Gang in der moralischen Welt denken, und endlich von der Verbindung der absoluten Gemeinschaft unter den physischen Substanzen und der absoluten Gemeinschaft unter den vernünftigen Wesen, in wieferne diese beiden Gemeinschaften zusammengeordnet sind, läßt sich kein anderes Resultat als Glückseligkeit der endlichen und folglich mit Sinnlichkeit begabten vernünftigen Wesen denken. Diesen Forderungen der Vernunft wird in der Erfahrung durch die physischen und moralischen Übel widersprochen.

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Alle bisherigen philosophischen Systeme sind Versuche, das große Rätsel des Absoluten, das die Vernunft zum Behufe der Erfahrung fordert und das in der Erfahrung vergebens aufgesucht wird, zu lösen. Sie sind aber mißlungene Versuche, in wieferne sie alle samt und sonders die wahre Bedeutung und den Grund dieses Absoluten verfehlt haben, obwohl sie zur Entdekkung desselben als Vorübungen unentbehrlich waren.

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§ 84 Durch die Idee des absoluten Subjektes wird dasjenige, was den Erscheinungen des äußeren Sinnes objektiv und des inneren Sinnes subjektiv zum Grunde liegt, nicht als Ding | an sich, sondern unter der in der Natur der Vernunft bestimmten Form vorgestellt. Das Objektive, welches den Erscheinungen des äußeren Sinnes zum Grunde liegt, ist dasjenige, dem der bloße in der Anschauung gegebene Stoff ohne die Form, die er im Gemüte angenommen hat, angehört; das nicht vorstellbare Ding an sich, das aber dadurch, daß alle an der Erscheinung durch Sinnlichkeit bestimmten Prädikate von ihm hinweggedacht und nur die Prädikate, die der bloße Verstand daran bestimmt hat, durch Vernunft zusammengenommen werden, als ein bloßes Vernunftwesen, d. h. unter der Form der Vernunfteinheit vorstellbar wird. Ohne die Beziehung auf die Erscheinung ist das absolute Subjekt ein bloßes logisches Ding, die leere Form einer Idee ohne Anwendung. Denn nur in der Erscheinung kömmt der gegebene Stoff vor, der durch sein Vorhandensein im Gemüte dem gedachten absoluten Subjekte Anwendung auf etwas verschafft, was keine bloße Vorstellung noch Form der bloßen Vorstellung ist. Der Streit der Philosophen über die Frage, »ob die körperlichen Substanzen als teilbar ins Unendliche oder als Aggregate einfacher, unkörperlicher Substanzen gedacht werden müssen«, ist eine bloße Folge der mißverstandenen Vorstellung des absoluten Subjektes. Die Gegenstände des äußeren Sinnes sind als

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erkennbare, im Raume anschauliche, bedingte Subjekte ausgedehnt, den Raum erfüllend und in soferne, wie der Raum, ins Unendliche teilbar; als bloß denkbare, durch Vernunft vorstellbare, unbedingte Subjekte aber nicht | ausgedehnt, weil ihnen in soferne das Prädikat des Raumes widerspricht und die Form der Idee, unter der sie gedacht werden, absolute Einheit ist. Aber durch diese Einheit des Subjekts wird das Ding an sich sowenig vorgestellt als durch jene Vielheit des Räumlichen, und folglich kann diese absolute Einheit sowenig die Einfachheit als jene absolute Vielheit die Ausdehnung des Dinges an sich bedeuten, das als Ding an sich schlechterdings nicht vorstellbar ist und von dessen Prädikaten daher noch weniger die Rede sein kann als unter Blindgebornen von den Farben des Regenbogens. Was den Erscheinungen des inneren Sinnes, den Vorstellungen, in wieferne sie als Veränderungen in uns vorgestellt werden, subjektiv zum Grunde liegt, ist das Ding an sich, dem das Vorstellungsvermögen angehört, das aber weder als Ding an sich noch als Ding unter der Form der Anschauung, als Erscheinung, sondern nur als Ding unter der Form der Idee vorgestellt werden kann, als Subjekt von Prädikaten, die durch keine Anschauung vorstellbar sind, nämlich von den Formen (nicht der Vorstellungen, sondern) des Vorstellungsvermögens, als Subjekt der nur durch Vernunft vorstellbaren Möglichkeit des Affi ziertwerdens und des Denkens. Der Streit der Philosophen über die Frage, »ob die vorstellende Substanz einfach oder zusammengesetzt, ein Geist oder ein Körper sei«, ist also ebenfalls eine bloße Folge der mißverstandenen Vorstellung des absoluten Subjektes. Das absolute Subjekt des Vorstellungsvermögens ist weder im Raume noch in der Zeit bestimmbar. Es | kann also weder unter der Form des Raumes, als etwas den Raum Erfüllendes, d. h. als ausgedehnt, noch unter der Form der Zeit, als etwas Vorübergehendes, sondern es muß als absolute alles Mannigfaltige ausschließende, unveränderliche Einheit vorgestellt werden. Da aber diese Einheit ein in der bloßen Handlungsweise der Vernunft bestimmtes und durch Handlung der Vernunft erzeugtes Pro-

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dukt der Spontaneität ist, so wird das Ding an sich, das dem Vorstellungsvermögen zum Grunde liegt, keineswegs als Ding an sich, sondern nur unter der Form, welche die Vernunft der Vorstellung desselben bestimmt, vorgestellt; und die absolute Einheit kömmt dem Vorstellenden nur, in wieferne dasselbe (durch Vernunft) vorstellbar ist, zu und kann also schlechterdings nicht die Einfachheit des Vorstellenden als eines Dinges an sich bedeuten; das, inwieferne es Ding an sich ist, weder als einfach noch als zusammengesetzt, sondern gar nicht vorgestellt werden kann. Das absolute Subjekt ist das gemeinschaftliche in der Natur der Vernunft bestimmte Merkmal desjenigen, was den Erscheinungen des inneren Sinnes subjektiv und den Erscheinungen des äußern objektiv zum Grunde liegt und bezeichnet, auf die Erscheinungen des äußern Sinnes bezogen, dasjenige, dem der objektive Stoff der empirischen Anschauungen angehört, das aber durch diesen Stoff nur unter der Form der Anschauung, in der Erscheinung, in seinem Unterschiede aber von der Erscheinung nur durch die Verbindung desjenigen, was an der Erscheinung nicht unter der Form der Anschauung vorhanden ist, der durch den bloßen Verstand bestimmten Merkmale der Erscheinung, | des Mannigfaltigen ihrer intellektuellen Form, das heißt, durch eine Idee vorstellbar ist, die das Ding an sich ohne allen Stoff, der demselben in der Anschauung entspricht, durch die bloße Form der Vernunfteinheit und also nicht als Ding an sich vorstellt. Auf die Erscheinungen des innern Sinnes bezogen bezeichnet das absolute Subjekt dasjenige, dem die Vorstellung als bloße Vorstellung angehört, das Ding an sich, das durch sein Vorstellungsvermögen Grund der möglichen Vorstellung ist; das sich also selbst nur durch sein Vorstellungsvermögen vorstellen, und zwar nur durch dasjenige Vermögen, wodurch es von der Sinnlichkeit unabhängig vorzustellen vermag, das heißt durch Vernunft, sich vorstellen kann. Da die Vorstellung des absoluten Subjektes das nicht vorstellbare Ding an sich, in wieferne es den Erscheinungen zum Grunde liegt, bezeichnet, so begreift es sich leicht genug, wa-

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rum man durch dieselbe das Ding an sich als Ding an sich vorstellen zu können glaubte und ihren Grund in dem Dinge an sich aufsuchte, solange dieser Grund durch keine richtige Zergliederung des Vorstellungsvermögens in der Natur der Vernunft gefunden war. Und da sowohl das Vorstellende als auch die erkennbaren, durch den Verstand im Raume bestimmten Substanzen durch Vernunft als absolute Subjekte gedacht werden müssen, so begreift es sich ebensoleicht, wie es zuging, daß die Vorstellung der erkennbaren (durch Verstand denkbaren und durch Sinnlichkeit anschaulichen) Substanz, die Vorstellung der Substanz in der Erscheinung (substantia phaenomenon), mit der Vorstellung der bloß (durch Vernunft) denkbaren Sub | stanz (substantia noumenon), des absoluten Subjektes verwechselt und sowohl das absolute Subjekt der Prädikate des inneren als auch das des äußeren Sinnes für erkennbar und das Erkennbare an ihnen für das Ding an sich gehalten wurde. Da man bisher den Grund der Vorstellung sowohl der erkennbaren als der absoluten Substanz nicht da, wo er allein zu fi nden war, im Vorstellungsvermögen, sondern dort, wo er ohne Widerspruch nicht gedacht werden konnte, nämlich außer dem Vorstellungsvermögen, in dem nicht vorstellbaren Dinge an sich aufsuchte, so mußten freilich die Antworten, mit denen man sich bisher über die Frage, worin liegt der Grund unsrer Vorstellungen von den Substanzen? beholfen hatte, sehr verschieden und widersprechend ausfallen. 1.) Der Grund unsrer Vorstellung von der Substanz liegt in der bloßen Einbildung, antwortet der dogmatische Skeptiker, und die Notwendigkeit, solche Substanzen zu denken, ist eine bloße Folge der Gewohnheit. Wir können uns nur von der Wirklichkeit unsrer Vorstellungen, keineswegs aber [von der Wirklichkeit] von unsren Vorstellungen unabhängiger selbständiger Dinge überzeugen. Um ein selbständiges Ding als selbständig zu erkennen, müßte es von allem, was an ihm nicht selbständig ist, unterschieden, die Substanz müßte von allen ihren Akzi33 allem ] verbessert aus: allen

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denzen getrennt werden. Geschieht dieses aber, so bleibt für das Selbständige nichts übrig als eine leere Vorstellung, ein bloßes Scheinsubjekt. »Man wende mir nicht ein«, würde der Skeptiker fortfahren, »die Akzidenzen wären nur in der bloßen Vorstellung von der Substanz trennbar; im | Dinge an sich wären sie unzertrennlich«. Eben diese Unzertrennlichkeit ist es, die erwiesen werden müßte, wenn ich die Vorstellung des bleibenden Subjektes nicht für grundlos halten sollte. Allein, eben sie ist dasjenige, was schlechterdings unerweislich ist. Wir können unsre Vorstellungen von den Dingen nicht mit den Dingen an sich zusammenhalten und uns ihrer Übereinstimmung untereinander versichern. Alle Vergleichung zwischen dem Dinge, in wieferne dasselbe vorgestellt wird, und ebendemselben Dinge, in wieferne es nicht vorgestellt wird, ist unmöglich. Wir können also von den Substanzen und Akzidenzen nur in soferne sprechen, als diese in unsren Vorstellungen vorkommen. Alle Akzidenzen aber, die in unsren Vorstellungen vorkommen, lassen sich von ihren Substanzen trennen und müssen von ihnen getrennt werden, wenn wir uns von dem, was wir unter Substanz denken, Rechenschaft geben wollen. Nennt nun der Dogmatiker das von allen seinen Prädikaten getrennte Subjekt ein Scheinsubjekt, so muß er selbst zugeben, daß für uns keine anderen Subjekte erkennbar, ja nicht einmal vorstellbar sind als bloße Scheinsubjekte. 2.) Der Grund unsrer Vorstellung von der Substanz, antwortet der Materialist, liegt in der Ausdehnung der Dinge an sich. Alle von unsrem Gemüt durch das Bewußtsein unterschiedenen eigentlichen Gegenstände, alle Individuen, die wir kennen, sind Körper, etwas den Raum Erfüllendes, etwas Ausgedehntes. Die Ausdehnung ist das Merkmal ihrer Substanz; denn wenn wir alle Akzidenzen von ihnen getrennt haben, so müssen wir ihnen die Ausdehnung lassen, wenn sie nicht in | unsren Gedanken vernichtet, wenn sie noch als etwas gedacht werden sollen. Auch enthält die Ausdehnung den Grund der Möglichkeit aller übrigen Eigenschaften der Individuen, der Undurchdringlichkeit, der Figur usw. Daß wir von der Ausdeh-

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nung in der vorstellenden Substanz keine Vorstellung haben, ist freilich nicht zu leugnen, aber keine Folge der Immaterialität, sondern bloß der Unmöglichkeit, dasjenige vorzustellen, was zu jeder möglichen Vorstellung vorausgesetzt werden muß. Da also die Substanzen, von denen wir Vorstellungen haben, ausgedehnt sind, so können wir nichts anders schließen, als daß auch die, von denen keine Vorstellung möglich ist, ausgedehnt sein müssen. 3.) Der Grund unsrer Vorstellung von der Substanz, antwortet der Dualist, liegt in der Beharrlichkeit der Dinge an sich, die zwar in zwei wesentlich verschiedenen Arten, nämlich als ausgedehnte und unausgedehnte (einfache) Dinge an sich vorhanden sind, aber durch ihr gemeinschaftliches Merkmal der Beharrlichkeit die Gattung Substanz überhaupt ausmachen. Die ausgedehnten Dinge an sich beharren in dem von unsrem Gemüte unabhängigen Raume, in wieferne sie, was auch für eine Veränderung in ihrer Zusammensetzung vorgehen mag, immer ausgedehnt, immer etwas den Raum Erfüllendes bleiben müssen. Die unausgedehnten Dinge an sich beharren nicht im Raume, den sie nicht erfüllen können, sondern in der bloßen Zeit, das heißt, bleiben bei allem Wechsel ihrer Akzidenzen, der Vorstellungen, unverändert, wie jedem sein eigenes Selbstgefühl, durch welches er sich seines fortdaurenden und von | seiner Organisation unterschiedenen Ichs bewußt ist, bezeugt. 4.) Der Grund unsrer Vorstellung von der Substanz, antwortet der Spinozist, liegt in der Notwendigkeit eines einzigen Dinges an sich, welches allein der Gegenstand der Vorstellung eines bleibenden und absoluten Subjektes ist. Das Bleibende, Substantielle an den Körpern ist Ausdehnung, an den vorstellenden Wesen die Denkkraft. Das Bleibende der Ausdehnung und der Denkkraft ist die in dem Dinge an sich befi ndliche Notwendigkeit, das Unveränderliche, in welchem die Ausdehnung und Denkkraft als Attribute im Wesen ihren Grund haben. Alles, was an den Körpern veränderlich ist, ist nicht ihre Substanz, sondern ein bloßes Akzidenz; wenn also alles, was an den Körpern veränderlich ist, von ihnen weggedacht wird, bleibt für das Substan-

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tielle an ihnen nur die Ausdehnung übrig. Die bloße Ausdehnung an dem einen Körper ist von der bloßen Ausdehnung an dem andern durch nichts als ihre verschiedene Größe und den verschiedenen Ort im Raume verschieden. Diese beiden Verschiedenheiten betreffen also nur Prädikate der Ausdehnung, nicht die Ausdehnung selbst; die, wenn sie von allen ihren Akzidenzen unterschieden gedacht wird, nur eine numerisch einzige Ausdehnung ausmacht. Dies ist auch bei den vorstellenden Wesen der Fall. Ihre numerische Vielheit ist nur durch zufällige Verschiedenheiten, durch lauter Akzidenzen bestimmbar und muß hinwegfallen, wenn man das Substantielle von dem Akzidentellen, das Vorübergehende vom Bleibenden unterscheidet. Das Wesentliche in allen ist ebendasselbe, eine und | ebendieselbe Denkkraft, die sich durch mannigfaltige Akzidenzen in mannigfaltigen Erscheinungen äußert. Die einzige Ausdehnung und die einzige Denkkraft sind nun freilich voneinander unterschieden, aber nur in wieferne sie wesentliche Prädikate (Attribute) des Bleibenden, nicht in wieferne sie das Bleibende selbst sind. Was an ihnen Subjekt ist, das, wodurch sie subsistieren, ist das Bleibende, das Unveränderliche, das Notwendige, d. i. ein und ebendasselbe einzige Ding an sich. Oder man gebe den Unterschied zwischen dem Bleibenden der Denkkraft und dem Bleibenden der Ausdehnung an, der das, was an ihnen als Subjekt gedacht werden muß, beträfe und nicht auf die Ausdehnung und Denkkraft als Prädikate eingeschränkt und folglich unabhängig von denselben als etwas für sich Bestehendes bestimmt wäre. Da also zwischen den mehreren sogenannten Substanzen, in wieferne sie mit Recht den Namen der Substanz führen, das heißt an demjenigen, was an ihnen bleibend, unveränderlich, notwendig ist, kein Unterschied denkbar ist, da aller an ihnen vorstellbare Unterschied die bloßen Akzidenzen betrifft, so ist alles, in wieferne es Substanz, Ding an sich ist, Eines. Was an den Dingen Vieles ist, ist bloßes Akzidenz, was an ihnen Eines ist, ist die Substanz; das Viele sind Zufälligkeiten, das Eine das Notwendige; das Viele veränderlich, das Eine beharrlich; das Viele endlich, das Eine unendlich; das Viele in

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der Zeit, das Eine ewig. Allein, das Veränderliche ist nur im Unveränderlichen, das Zeitliche nur im Ewigen, das Zufällige nur im Notwendigen, das Endliche nur im Unendlichen, das Viele nur im Einen, die Akzidenzen nur in der Substanz, welche unveränderlich, not | wendig, ewig, unendlich und Einzig ist; ™n kai pan! 301 5.) Der Grund unsrer Vorstellung von der Substanz, antwortet der Idealist, liegt in dem vorstellenden Dinge an sich. Die Substanz muß etwas von einer bloßen Vorstellung Unterschiedenes sein. Das Vorstellende a l l e i n kömmt im Bewußtsein als ein von allen seinen Vorstellungen unterschiedenes selbständiges Ding vor. Die durch den äußern Sinn im Raume vorgestellten Substanzen hingegen sind auch dann, wenn sie von den Vorstellungen unterschieden und in ihrem Unterschiede von denselben gedacht werden, bloße Vorstellungen. Denn sie können in diesem Unterschiede nur dadurch vorgestellt werden, daß man sie von den bloßen Akzidenzen, unter denen sie in der Anschauung vorkommen, entkleidet oder, welches ebensoviel heißt, die Anschauung von ihnen in eine leere Idee umschafft, die doch nichts außer dem Gemüte Befi ndliches sein kann. Alle Idealisten sind darüber unter sich einig, daß es keine anderen Substanzen geben könne als vorstellende und keine anderen Akzidenzen als bloße Vorstellungen; darin unterscheiden sie sich aber untereinander, daß der Egoist nur ein einziges vorstellendes Individuum, der berkeleysche Idealist nur eine einzige Art, der Leibnizianer aber mehrere Arten vorstellender Dinge an sich für e r w e i s l i c h hält. Der Egoist leugnet keineswegs das wirkliche Dasein, sondern nur die Erweislichkeit anderer Substanzen außer seinem Ich. Im Bewußtsein, behauptet er, kömmt nur das Vorstellende und die Vorstellung und kein von beiden verschiedenes Ding an sich vor. Das vorgestellte Ding außer mir ist, in wieferne ich es zu denken vermag, nur | eine andere Art von Vorstellung, etwas in mir, ein Gedanke, den ich mit demjenigen, was nicht in meinem Gemüte vorkömmt, nicht vergleichen, von dem ich also auch nicht wissen kann, ob ihm etwas außer mir entspricht. Ihm erwidert der berkeleysche Idealist: »Es ist

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ausgemacht, daß es Vorstellungen gebe und Vorstellungen ein Vorstellendes voraussetzen. Nun kommen aber im Bewußtsein Vorstellungen vor, welche wir von unsren eigenen zu unterscheiden genötigt sind und deren Ursprung wir in anderen Vorstellenden aufsuchen müssen. Auch bin ich mir bewußt, daß ich Vorstellungen erzeugen, aber nicht erschaffen kann, daß mir also der Stoff derselben gegeben und folglich andere Substanzen außer mir vorhanden sein müssen, welche ich freilich, da ich keine andere Art von Substanz als eine vorstellende kenne, nur für Substanzen von der Art meines Ichs, d. h. für Geister halten kann.«302 Der Leibnizianer erkennt keine anderen Substanzen als vorstellende und ist in soferne ein wahrer und eigentlicher Idealist. Die Vorstellung der Substanz ist ihm Vorstellung des Dinges an sich, das er durch den bloßen Verstand für vorstellbar und erkennbar hält. Er erklärt daher alle durch Sinnlichkeit bestimmbaren Prädikate für bloßen Schein und dafür alle durch den bloßen Verstand denkbaren Prädikate für Eigenschaften des Dinges an sich. Der bloße Verstand vermag keine Ausdehnung zu denken; Ausdehnung kann also nichts als bloßer sinnlicher Schein und das Ausgedehnte an sich nichts als ein Aggregat unausgedehnter Dinge an sich sein.303 Allein die bloße Einfachheit dieser Dinge an sich kann unmöglich ihre Realität, | das Substantielle an ihnen ausmachen. Dies kann nur in ihrer inneren Kraft bestehen, durch welche jedes Ding an sich als für sich bestehend, von anderen unabhängig, als Substanz wirkt; eine Kraft, die nur die vorstellende sein kann.304 Die Bewegung ist nur eine Veränderung äußerer Verhältnisse; und die bewegende Kraft bewegt nur durch Bewegung und kann in soferne keine Substanz sein.*305 Jede Substanz ist also eine die Welt vorstellende Kraft, aber nicht von einer und ebenderselben Art. Die *

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Es gibt nur zweierlei vorstellbare Prädikate des Subsistierenden: Erfüllen des bloßen Raumes, Ausgedehntsein, und Erfüllen der bloßen Zeit, Vorstellungen haben. Kömmt also das eine dem Dinge an sich nicht zu, 35 so bleibt ihm nur das andere übrig.

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unendliche Monas stellt alles Mögliche und Wirkliche deutlich vor. Die endliche vernünftige nur dasjenige, was sie sich nach der Lage des organischen Körpers, mit dem sie verbunden ist, deutlich vorzustellen vermag. Die unvernünftige, mit einem organischen Körper verbunden, hat demselben (da sie durch ihn auf bestimmte Gegenstände eingeschränkt ist) die Klarheit der Vorstellungen zu danken, die den Vorstellungen derjenigen Monade fehlen muß, welche bloßes Element eines Körpers ist und deren Kraft, die Welt vorzustellen, auf keinen bestimmten Gegenstand in derselben beschränkt wird. In jedem dieser Systeme ist der Grund von der Vorstellung der Substanz aus einem anderen und zwar sehr richtigen Gesichtspunkte betrachtet. Jedes derselben geht von einem Satze aus, der un | widersprechlich ist, von den Anhängern anderer Systeme vergebens angefochten wurde und durch den jedes dieser Systeme bisher unwiderlegbar war. In jedem aber ist der Grund von der Vorstellung der Substanz nur aus einem einzigen Gesichtspunkte und einseitig betrachtet, und die Erklärung, welche in demselben über diesen Grund gegeben wird, gibt, eine einzige Seite ausgenommen, von allen übrigen Blößen, die unaufhörlich zum Angriffe reizen. Unsre Theorie der Vorstellung der Substanz setzt uns in Stand, sowohl das Wahre als das Unrichtige von jedem anderen bisherigen Systeme anzugeben. Es ergibt sich aus derselben: 1.) Daß die dogmatischen Skeptiker vollkommen recht haben, wenn sie behaupten, daß der Vorstellung von der bloßen Substanz kein außer unsrem Gemüt befi ndlicher erweislicher Gegenstand entspreche oder, welches ebensoviel heißt, daß durch die Vorstellung der Substanz das Ding an sich nicht als Ding an sich vorgestellt werde; daß sie aber sehr unrecht haben, wenn sie behaupten, daß es sich nicht erweisen lasse, das nicht vorstellbare Ding an sich m ü s s e als Substanz gedacht werden. 2.) Daß die Materialisten vollkommen recht haben, wenn sie behaupten, daß jede erkennbare Substanz ausgedehnt sein müsse; sehr unrecht aber, wenn sie das den Erscheinungen des äußern Sinnes eigentümliche Prädikat der Ausdehnung

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auf das absolute Subjekt und von diesem auf die Dinge an sich übertragen. 3.) Daß die Dualisten vollkommen recht haben, wenn sie das Beharrliche im Raume von dem nicht | im Raume, in der bloßen Zeit Beharrlichen unterscheiden; sehr unrecht aber, wenn sie diesen die bloßen Erscheinungen des äußern und inneren Sinnes betreffenden Unterschied den absoluten Subjekten und den mit denselben verwechselten Dingen an sich beilegen. 4.) Daß die Spinozisten vollkommen recht haben, wenn sie die absolute Notwendigkeit für ein ausschließendes Merkmal des absoluten Subjektes halten, der Vorstellung des bloßen von allen Akzidenzen unterschiedenen absoluten Subjektes nur einen einzigen Gegenstand anweisen und das absolute Subjekt in Rücksicht sowohl der Prädikate des äußern als auch des innern Sinnes für ebendasselbe (ein gemeinschaftliches Merkmal des Ausgedehnten und des Vorstellenden) halten; daß sie aber sehr unrecht haben, wenn sie diesen einzigen Gegenstand, der nur die Form einer Vorstellung ist, für ein einziges Ding an sich und die Notwendigkeit des Gedachtwerdens für Notwendigkeit der Existenz des Dinges an sich ansehen. 5.) Daß die Idealisten vollkommen recht haben, wenn sie den Grund der Vorstellung von der Substanz nicht außer dem Vorstellenden aufsuchen; sehr unrecht aber, wenn sie ihn außer dem Vorstellungsvermögen und dessen Form, in dem nicht vorstellbaren Dinge an sich annehmen. Daß sie endlich recht haben, wenn sie die Ausdehnung, als Eigenschaft des Dinges an sich genommen, für bloße Täuschung, – aber sehr unrecht, wenn sie die alle Ausdehnung ausschließende Einheit des absoluten Subjektes für Einfachheit des Dinges an sich erklären. | Endlich daß jedes bisherige und künftige System, welches die Vorstellung der Substanz von dem nicht vorstellbaren Dinge an sich ableitet und was immer für Merkmale der Substanz dieses Dinges aufstellt, nur ein mißlungener Versuch des seine Kräfte verkennenden menschlichen Geistes sei. Da die Substanzen der Körper nicht zwar als absolute, aber doch als komparative Subjekte, als bedingte Substanzen, als

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das Beharrliche im Raume erkennbar sind, so ist von ihnen wahre und eigentliche Wissenschaft möglich, die von der nur als absolutes Subjekt durch Vernunft denkbaren Substanz des Gemütes, an der durchaus nichts erkannt werden kann, schlechterdings unmöglich ist. Die vollständige Erörterung der in der Natur des Gemütes bestimmten Form, unter welcher das vorstellende Subjekt gedacht werden muß, tritt an die Stelle der bisherigen rationalen Psychologie und macht einen Teil der höheren Metaphysik aus, welche sich mit den übersinnlichen durch bloße Vernunft denkbaren Gegenständen beschäftigt; 306 und auf welche ich auch in Rücksicht auf die nähere Entwicklung der Idee von der Seele verweisen muß.

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Durch die Idee der absoluten Ursache, durch welche die Vernunft den in der Sinnenwelt erkennbaren Ursachen vollständige Einheit gibt, wird eine erste Ursache überhaupt gedacht, von der sich nichts weiter bestimmen läßt, als daß sie den vollständigen Grund ihrer Wirkung enthält und kein Glied von | der Reihe der erkennbaren Ursachen und Wirkungen sein kann. 307 So, wie durch die bloße in der Natur des Verstandes bestimmte Kategorie der Ursache nichts als die Form eines Begriffes, so wird durch die Idee der absoluten Ursache, in welcher die Kategorie der Ursache durch Vernunft als unbedingt bestimmt ist, nichts als die Form einer Idee gedacht; und so, wie die Kategorie der Ursache im Schema der Kausalität durch Beziehung auf die Form der Anschauung unmittelbare objektive Realität erhält, so erhält die Idee der absoluten Ursache durch Beziehung auf das Schema mittelbare, durch den Verstand bestimmbare objektive Realität, d. h., es muß zu der Reihe der erkennbaren, aber eben darum bedingten und unvollständigen Ursachen eine bloß denkbare, unbedingte, vollständige Ursache gedacht werden, die, in wieferne sie als absolut gedacht wird, keine andere, durch die ihre Kausalität bestimmt würde, über

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sich haben kann und folglich die erste sein muß; aber auch eben darum kein Glied von der Reihe der bedingten, erkennbaren Ursachen sein, auf keinen bestimmten Gegenstand bezogen werden und nichts als die Vernunfteinheit der Kausalverknüpfung bedeuten kann. Ganz anders verhält es sich mit der Idee der absoluten Ursache, in wieferne durch sie ein Merkmal des absoluten vorstellenden Subjektes, und zwar die eigentümliche Handlungsweise des dritten Grades der Spontaneität des Vorstellungsvermögens oder der Vernunft gedacht wird. Es fehlt ihr an der mittelbaren objektiven Realität, indem sie durch kein Schema auf einen objektiven Stoff | bezogen wird. Dafür aber hat sie unmittelbare Beziehung auf das vorstellende Subjekt, hat an der Handlungsweise der Vernunft einen bestimmten Gegenstand und eine subjektive Realität, die der Realität der Vernunft selbst gleich ist.

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§ 86 308 Durch die Idee der absoluten Ursache, in wieferne dieselbe auf die Kausalität der Vernunft bezogen werden muß, wird das vorstellende Subjekt als freie Ursache vorgestellt; und zwar als komparativ-frei, in wieferne die Vernunft beim Denken geschäftig ist und das Begehrungsvermögen a posteriori bestimmt; absolutfrei, in wieferne sie das Begehrungsvermögen a priori bestimmt. Die Vernunft kann nur als ungezwungen und ungebunden handelnde Spontaneität, d. h. als absolute Tätigkeit gedacht werden. In wieferne also das vorstellende Subjekt durch Vernunft handelt, handelt dasselbe durch seine bloße Selbsttätigkeit; enthält es den Grund seines Wirkens in sich selbst, wird es durch kein von ihm verschiedenes Wesen und auch durch keine seiner übrigen, von seiner Tätigkeit verschiedenen Eigenschaften zum Handeln bestimmt und handelt folglich frei. (S. 535 f.) Die Freiheit ist komparativ, wenn nur eine gewisse Art von fremden Ursachen die Handlung nicht notwendig bestimmt; 309

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absolut, wenn schlechterdings keine fremde Ursache bei der Bestimmung der Handlung mitwirkt. Die Vernunft | denkt, in wieferne sie eine Idee erzeugt, das heißt, an dem Mannigfaltigen, das ihr durch den Verstand geliefert wird, Einheit (die bloße Form der Vorstellung) hervorbringt. Dieses Mannigfaltige, welches den Stoff der Ideen ausmacht, ist in der F o r m d e s Ve r s t a n d e s a priori bestimmt und in soferne seiner Beschaffenheit nach weder durch den Verstand noch durch die Vernunft hervorgebracht, sondern im Vorstellungsvermögen gegeben. In wieferne also die Idee aus Form und Stoff besteht, dieser letztere aber der Vernunft gegeben sein muß (nicht ihr eigenes Produkt sein kann), in soferne handelt die Vernunft beim Denken n u r komparativ, das heißt n u r in Rücksicht auf die Form, die bloße Einheit, die ihr Werk ist, frei; in Rücksicht auf den Stoff aber an die gegebene Form desselben gebunden und folglich notwendig. Da aber die Mannigfaltigkeit des Stoffes der Vernunft im bloßen Verstande und folglich nicht außer der Form der Spontaneität bestimmt ist, so handelt das vorstellende Subjekt bei der Erzeugung der Idee zwar nur komparativ frei (in wieferne der Stoff ihrer Handlung, von dem die Wirklichkeit derselben wenigstens ebensosehr als von der Form abhängt, nicht ihr Werk ist), aber darum gleichwohl als absolute Ursache, in wieferne auch die Beschaffenheit des bloßen Stoffes in seiner bloßen Spontaneität (der Form des Verstandes) gegründet ist und die Vorstellung folglich ungezwungen durchs Affiziertsein und ungebunden an die der Spontaneität fremde Form der Sinnlichkeit erzeugt wird. |

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Grundlinien der Theorie des Begehrungsvermögens ________________ Dasjenige im vorstellenden S u b j e k t e , wodurch dasselbe als Grund der bloßen Möglichkeit der Vorstellung gedacht werden muß, das Vorstellungsvermögen, muß von demjenigen, wodurch dasselbe Grund der wirklichen Vorstellung ist und welches vorstellende K r a f t heißt, genau unterschieden werden. Unter dieser Kraft kann keineswegs die bloße Spontaneität gedacht werden, durch welche ohne Rezeptivität keine Vorstellung zur Wirklichkeit käme und durch deren Wirkung allein nur die bloße Form der Vorstellungen und nur das Affi ziertwerden, das zur Anschauung a priori nötig ist, nach den gegebenen Formen der Sinnlichkeit hervorgebracht wird. Unter vorstellender Kraft wird also hier die bloße Spontaneität allein sowenig als die bloß ihrer Möglichkeit nach a priori bestimmten Formen der Rezeptivität und der Spontaneität, sondern der eigentliche Grund der Wirklichkeit der Vorstellung, insoweit derselbe im vorstellenden Subjekt vorhanden sein muß, verstanden.310 Dieser Grund des durch das vorstellende Subjekt Wirklichen ist durch die Form des Vorstellungsvermögens, die a priori gegeben ist, die es sich als ein endliches Wesen nicht selbst geben kann und an die es a priori gebunden ist, | bestimmt und beschränkt; und die vorstellende Kraft kann sich nur dem ihr gegebenen Vermögen gemäß äußern. Das Verhältnis der vorstellenden Kraft zu der in ihrem Vermögen a priori bestimmten Möglichkeit der Vorstellung, das Verhältnis der Kraft zu ihrem Vermögen, des Grundes der Wirklichkeit zum Grunde der Möglichkeit der Vorstellung oder zur Vorstellbarkeit nenne ich den Trieb des vorstellenden Subjektes, der aus der Verknüpfung der Kraft mit dem Vermögen besteht und in jedem endlichen Vorstellenden, bei dem die Kraft vom Vermögen unterschieden ist, vorhanden sein muß. Durch den Trieb zur Erzeugung einer Vorstellung bestimmt werden, heißt Begehren und das Vermö-

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gen, durch den Trieb bestimmt zu werden, das Begehrungsvermögen in weiterer Bedeutung.311 Wie die Vorstellung überhaupt aus zwei wesentlich verschiedenen und wesentlich verknüpften Bestandteilen, Stoff und Form besteht, so läßt sich der Trieb nach Vorstellung überhaupt in zwei wesentlich verschiedene und wesentlich verknüpfte Grundtriebe unterscheiden, den Trieb nach Stoff und den Trieb nach Form der Vorstellung. Der eine hat die Wirklichkeit desjenigen, was an der Vorstellung gegeben, der andere, was an ihr hervorgebracht werden muß, zum Objekte. Der eine entsteht aus dem im vorstellenden Subjekte gegründeten Bedürfnisse eines Stoffes, den dasselbe nicht hervorbringen kann, verbunden mit der in seinem Vermögen bestimmten Form der Rezeptivität; der andere aus der im vorstellenden Subjekte vorhandenen positiven Kraft verbunden mit der in seinem Vermögen bestimmten Form seiner | Spontaneität. Der eine strebt nach dem Affiziertwerden der Rezeptivität und ist insoferne sinnlich in weiterer Bedeutung; der andere [strebt] nach Äußerung der Spontaneität und ist insoferne intellektuell in weiterer Bedeutung.312 Der eine wird nur durchs Gegebenwerden befriedigt und ist in soferne eigennützig, der andere [wird] nur durch bloßes Handeln [befriedigt] und ist in soferne uneigennützig.313 Sinnlich in e n g s t e r Bedeutung heißt der Trieb, in wieferne er durch die Formen der Sinnlichkeit bestimmt ist. Das Objekt dieses Triebes ist die Vorstellung, die durch die Art des Affiziertwerdens entsteht, und zwar in wieferne sie im Bewußtsein auf das vorstellende Subjekt bezogen wird, d. h. Empfi ndung ist. Das Vermögen, durch den Trieb zu wirklichen Empfi ndungen bestimmt zu werden, nenne ich das Begehrungsvermögen in engerer Bedeutung. In wieferne eine sinnliche Vorstellung auf ihr Objekt bezogen wird, Anschauung ist, gehört sie dem Erkenntnisvermögen an und ist kein Gegenstand des Begehrungsvermögens, dem sie nur in Beziehung aufs Subjekt angehören kann. Jede Empfindung ist eine durchs Affiziertwerden bewirkte Veränderung und folglich empirisch (selbst die reinen Vorstellungen des Raumes und der Zeit sind nur in Beziehung auf ihre

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a priori im Vorstellungsvermögen bestimmten Gegenstände Vorstellungen a priori; in ihrer Beziehung aufs Subjekt aber als bloße Veränderungen des Gemütes, die durch das Affi ziertsein der Rezeptivität nach ihren a priori bestimmten Formen entstanden sind, sind sie Empfi ndungen und folglich empirisch), und der Trieb, der die Empfi ndung zum Gegenstande hat, hat das Empirische | zum Gegenstande und heißt in soferne selbst der empirische Trieb. In wieferne der sinnliche Trieb nach äußerer Empfi ndung strebt, kann er nur durchs Affi ziertwerden von außen befriedigt werden, wobei sich das vorstellende Subjekt in Rücksicht des Affi ziertwerdens von außen bloß leidend verhält und die Spontaneität bei Hervorbringung der Form gezwungen handelt. Ich nenne den Trieb nach äußerer Empfi ndung den grobsinnlichen, um ihn von dem Triebe, der die bloß innere Empfi ndung zum Gegenstande hat, zu unterscheiden, den ich den feinsinnlichen nenne, weil er durch ein Affiziertwerden befriedigt wird, das durch die bloße Spontaneität geschieht; und weil er eine Empfi ndung zum Gegenstand hat, bei der sich das Gemüt weder bloß leidend verhält noch gezwungen handelt. Aus eben diesem Grunde kann der Trieb, in wieferne er durch innere Empfindung befriedigt wird, zwar eigennützig heißen, weil seine Befriedigung durchs Gegebenwerden des Stoffes, durchs Affiziertsein bewirkt wird; aber eigennützig nur in engerer Bedeutung, um ihn von dem grobsinnlichen Triebe auch in dieser Rücksicht zu unterscheiden, der in engster Bedeutung eigennützig heißen muß, weil er nur durch einen objektiven, von außen, und durch etwas vom Subjekte und seinen Vermögen ganz Verschiedenes, gegebenen Stoff befriedigt werden kann. Sinnlich in bloß e n g e r e r Bedeutung nenne ich den Trieb, in wieferne er durch Sinnlichkeit in Verbindung mit dem Verstande bestimmt ist. Die Modifi kationen, welche der sinnliche Trieb | durch den ihn nach den vier Momenten seiner Form bestimmenden Verstand erhält, sind folgende. Nach der Quantität: 1 bestimmten ] verbessert aus: bestimmte

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Trieb nach Empfi ndung durch ein vermittelst der Kategorien der Einheit, Vielheit und Allheit bestimmtes Mannigfaltiges, nach dem sinnlich Vollkommenen. Nach der Qualität: Trieb nach Empfi ndung durch das den Kategorien der Realität, Negation und Limitation gemäß bestimmte Affi ziertsein oder nach starker und leichter Beschäftigung, Vergnügen. Nach der Relation: 1.) Trieb nach Beharrlichkeit der sinnlich bestimmbaren Subsistenz, 2.) Trieb nach eigennütziger Tätigkeit, 3.) Trieb nach eigennütziger Geselligkeit.* Nach der Modalität: 1.) Bestimmbarkeit durch den Trieb (im vorstellenden Subjekte bestimmte Anlage), Form des Begehrens, 2.) Bestimmtwerden durch den Trieb, wirkliches Begehren. 3.) Wirkliches Begehren durch die Form des Begehrens bestimmt, notwendiges Begehren, Instinkt. Dieser durch den Verstand bestimmte, sinnliche, eigennützige, empirische Trieb heißt der vernünftig-sinnliche, in wieferne seine sinnliche Form mittelbar, nämlich vermittelst seiner Verstandesform durch die Form der Vernunft modifi ziert wird, die den durch Sinnlichkeit bedingten und durch Verstand bestimmten eigennützigen Trieb zum unbedingten erweitert. Die Grenzen | losigkeit der Forderung dieses Triebes bezieht sich nur vermittelst des durch den Verstand bestimmten sinnlichen Triebes auf nichts als Empfi ndungen und übersteigt in soferne jede mögliche Befriedigung, die immer nur sinnlich und folglich bedingt sein kann. Die Vernunft bestimmt hier das Begehrungsvermögen lediglich empirisch durch die Idee des Unbedingten, die sich nur auf die durch den Verstand bestimmten Gegenstände des sinnlichen Triebes bezieht und die Vorstellung eines vollständigen Ganzen dieser durchaus empirischen Gegenstände ausmacht. Der eigentliche Gegenstand des vernünftigsinnlichen Triebes ist daher keine einzelne durch den Verstand *

In wieferne diese drei Triebe durch den äußern Sinn auf die empirischen Modifikationen desselben, die in der Organisation bestimmt sind, bezogen werden, geben sie den Trieb nach Erhaltung des Körpers, nach Tätigkeit desselben, nach Bewegung und den Geschlechtstrieb. 11 Anlage), Form ] verbessert aus: Anlage, Form

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modifizierte Empfi ndung, sondern ein Zustand, der aus der Befriedigung aller durch den Verstand bestimmten und durch Vernunft aufs Absolute ausgedehnter Triebe entstehen würde, – die Glückseligkeit; ein Objekt, das nur durch eine Idee in engerer Bedeutung vorgestellt werden kann. Ich sage, durch Idee in engerer Bedeutung, das heißt, durch eine Vorstellung des Unbedingten, die nur durch Verbindung empirischer Begriffe entsteht und bei der die Vernunft nur a posteriori wirksam ist, indem das Unbedingte, das der bestimmt gedachten Glückseligkeit wesentlich ist, nur durch Verbindung der Verstandesformen entsteht, durch welche nur Gegenstände des sinnlichen Triebes, Gegenstände der Empfi ndung, empirische Gegenstände vorgestellt werden. Das Unbedingte, Absolute, Vollständige, Unbegrenzte, das der Glückseligkeit wesentlich ist, ist keineswegs unmittelbar Gegenstand des vernünftig-sinnlichen Triebes, wird keineswegs um seiner selbst willen, uneigennützig, begehrt, sondern lediglich um der Gegenstände der Empfi ndung und | des Genusses wegen, den der vernünftig-sinnliche Trieb der Idee des Absoluten immer näherzubringen strebt. Die Glückseligkeit ist in soferne zwar notwendiger Gegenstand des Triebes, aber schlechterdings unmöglicher Gegenstand der Erfahrung; der jedesmalige Zustand des vorstellenden Subjektes kann nur in einer ins Endlose bedingten Befriedigung bestehen; und die wirkliche Glückseligkeit, die mögliche Befriedigung des vernünftig-sinnlichen Triebes, kann nur in einer ins Unendliche fortschreitenden Annäherung des wirklichen Zustandes an das Ideal der Glückseligkeit bestehen. Die Vernunft wirkt beim Triebe nach Glückseligkeit nur komparativ, nur in soferne frei, als die Form des Unbedingten, welche sie dem Triebe erteilt, die Wirkung der absoluten Selbsttätigkeit ist. Der Trieb nach Glückseligkeit selbst aber, in wieferne er das Resultat der durch Sinnlichkeit, Verstand und Vernunft zusammengenommen bestimmten Kraft des Subjektes ist, ist weder frei noch uneigennützig. Seine Urquelle ist das durch Verstand und Vernunft modifizierte Bedürfnis, affiziert zu werden; sein unmittelbarer Gegenstand ist die unbedingte

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Totalität, durch den Verstand ihrem Gegenstande nach, bestimmter Empfi ndungen, und seine Befriedigung hängt vom Gegebenwerden des objektiven Stoffes, vom Affi ziertwerden von außen ab, und ist in soferne wenigstens ebensosehr eine zufällige Wirkung von Dingen, die das vorstellende Wesen nicht in seiner Gewalt hat, als eine Folge des instinktmäßigen und vernünftigen Gebrauches der Fähigkeiten der vorstellenden Kraft. Die Wissenschaft des Gegenstandes dieses Triebes und der Mittel, denselben zu befriedigen, | die Glückseligkeitslehre, muß ebensosehr aus der Erfahrung, die sich nicht erschöpfen läßt, als aus den Formen des Vorstellungsvermögens, die sich erschöpfen lassen, gezogen werden, und das System der Regeln des durch die Idee der Glückseligkeit bestimmten Gebrauchs der Vernunft oder die Klugheitslehre muß von der Moral, mit der sie sowenig als die Glückseligkeitslehre selbst etwas gemein hat, genau unterschieden werden.314 Da die Vernunft beim Triebe nach Glückseligkeit nichts als die Erweiterung des Zustandes der durch den Verstand bestimmten Empfi ndungen, die der Qualität nach angenehm sein müssen, zum Gegenstande hat, so steht sie bei diesem Triebe eigentlich im Dienste der sinnlichen Neigung, des notwendigen Hanges nach Vergnügen, den sie nur in Rücksicht auf die Befriedigung desselben und nur, in wieferne derselbe als bereits wirksam von ihr vorausgesetzt wird, a posteriori bestimmt. Das Vermögen des vorstellenden Subjektes, durch die Selbsttätigkeit des Triebes bestimmt zu werden oder sich selbst zu einer Handlung des Triebes zu bestimmen, heißt der Wille; 315 und die wirkliche und mit Bewußtsein vorgenommene Selbstbestimmung zu einer Handlung des Triebes heißt das Wollen. Das Wollen unterscheidet sich also von dem Begehren in engerer Bedeutung oder von dem Bestimmtwerden durch den sinnli1 f. Totalität, … nach, bestimmter ] verbessert aus: Totalität … nach

bestimmter 11 den ] verbessert aus: dem 27 Wille ] verbessert aus: Willen

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chen Trieb dadurch, daß dasselbe ein Bestimmtwerden durch Vernunft, eine Handlung der Selbsttätigkeit ist. Der Wille heißt empirisch, in wieferne er das Vermögen des Subjektes ist, sich selbst zu ei | ner Handlung zu bestimmen, die von der Vernunft als ein Mittel, den Trieb nach Glückseligkeit zu befriedigen, gedacht und dieser Befriedigung als ihrem Zwecke untergeordnet wird. Beim Wollen, einer auf die Glückseligkeit abzweckenden Handlung, wird das Begehren durch Vernunft lediglich empirisch bestimmt, nämlich unter der Voraussetzung des Triebes nach Vergnügen, dem die Vernunft durch die Willenshandlung diejenige Richtung gibt, die in der Idee der Glückseligkeit bestimmt ist. Die Vernunft wirkt also beim empirischen Willen nur komparativ frei, d. h. nur, in wieferne sie den sinnlichen Trieb empirisch bestimmt und der Handlungsweise desselben eine Regel vorschreibt, die nur durch Vergnügen, vermittelst eines von der Vernunft wesentlich verschiedenen Triebes Sanktion erhält. In wieferne die Idee der Glückseligkeit im vorstellenden Subjekte zum Teil a posteriori durch Empfi ndungen bestimmt wird, diese aber vom Affiziertwerden von außen und folglich von äußeren, vom vorstellenden Subjekte unabhängigen Umständen abhängen, so ist die Idee der Glückseligkeit in verschiedenen vorstellenden Subjekten verschieden und selbst nicht in einem und ebendemselben vorstellenden Subjekte immer ebendieselbe, und die Vernunft sowohl als der Verstand, welche diese Idee zwar ihrer Form gemäß, aber nur nach dem gegebenen Stoffe der Sinnlichkeit bestimmen, müssen durch den grobsinnlichen Trieb getäuscht werden, solange die Selbsttätigkeit nur im Dienste desselben wirkt, das heißt, solange die Vernunft das Begehrungsvermögen nur empirisch, nach den Datis einer ewig unvollständigen Erfah | rung bestimmt. Allein sie vermag dasselbe auch a priori zu bestimmen und auf diese Weise den Täuschungen des grobsinnlichen Triebes zuvorzukommen. 3 Wille ] verbessert aus: Willen 26 dem ] verbessert aus: den

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Rein-vernünftig nenne ich den Trieb, in wieferne er durch nichts als die Selbsttätigkeit der Vernunft bestimmt wird und folglich nichts als die Ausübung der Selbsttätigkeit, die bloße Handlung der Vernunft zum Gegenstande hat. Dieses Handeln der Vernunft, in wieferne es Objekt des rein-vernünftigen Triebes ist, besteht in dem Realisieren der Handlungsweise der Vernunft, der Vernunftform, welche nur ihrer Möglichkeit nach im Subjekte gegeben, ihrer Wirklichkeit nach aber außer dem Subjekte nur durch Handlung des Subjektes hervorgebracht werden kann. Die im Vermögen a priori bestimmte Form der Vernunft ist dem Subjekte gegeben und hängt folglich nicht von seiner Kraft ab; aber das Realisieren derselben als Form einer wirklichen Handlung, die keinen anderen Zweck hat als dieses Realisieren selbst, die Wirklichkeit der Vernunftform als Gegenstand des Triebes, ist etwas, das von der Kraft des Subjektes, und zwar von der bloßen Selbsttätigkeit dieser Kraft allein abhängt. Die Handlung der Vernunft im rein-vernünftigen Triebe ist von der Handlung im vernünftig-sinnlichen wesentlich verschieden. Beim letztern bestimmt die Vernunft das nur a posteriori Vorstellbare der Empfindung und erhält den Stoff ihrer Handlung an dem durch den Verstand bestimmten Empfundenen. Beim erstern wirkt sie durch keine Empfindung aufgefordert, bestimmt den Stoff und die Form ihres Gegenstandes, wirkt ganz unabhängig | vom Affiziertsein, setzt zur Wirklichkeit ihrer Handlung keineswegs den sinnlichen Trieb und das Empfi ndungsvermögen voraus und handelt folglich völlig a priori aus der Fülle ihrer Selbsttätigkeit. Die Vernunft bestimmt das Objekt des rein-vernünftigen Triebes, das bloße Realisieren der Handlungsweise der Vernunft nach den vier Momenten des mittelbaren Urteilens, und der rein-vernünftige Trieb muß diesen Bestimmungen gemäß gedacht werden und wirkt nach der Quantität: als Trieb nach gesetzmäßiger Handlungsweise (die durch absolute Allgemeinheit bestimmte Form des Handelns), nach Realisierung der bloßen Gesetzmäßigkeit; nach der Qualität: als Trieb nach uneigennütziger Handlungsweise (die von der sinnlichen Bedin-

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gung der Qualität, dem Gegebensein des Stoffes, und folglich vom Triebe nach Vergnügen unabhängige Form des Handelns), nach Realisierung der Uneigennützigkeit; nach der Relation: als Trieb nach 1.) unveränderlicher, 2.) selbsttätiger, 3.) mit der Handlungsweise aller Vernünftigen harmonischer Handlungsweise; nach der Modalität: als Trieb nach 1.) erlaubter, 2.) pflichtmäßiger, 3.) vollkommen-verbindlicher Handlungsweise. Das auf diese Weise durchgängig bestimmte Objekt des rein-vernünftigen Triebes heißt Moralität oder Sittlichkeit, welche folglich in der um ihrer selbst willen beabsichtigten Realisierung der Handlungsweise der reinen Vernunft besteht. Der rein-vernünftige Trieb heißt in Rücksicht auf dieses ihm einzig angemessene Objekt der moralische oder sittliche. | Die Vernunft heißt praktisch, in wieferne in ihrer Selbsttätigkeit das Vermögen liegt, das Objekt des rein-vernünftigen Triebes zu realisieren oder, welches ebensoviel heißt, sich selbst a priori zu einer Handlung zu bestimmen, die keinen andern Zweck als die Wirklichkeit der Handlungsweise der Vernunft hat, und das Vermögen des vorstellenden Subjektes, sich durch die Selbsttätigkeit des rein-vernünftigen Triebes zum Handeln zu bestimmen, heißt der reine Wille.316 Der Wille besteht also überhaupt in der Selbstbestimmung zu einer Handlung. Ist diese Handlung von der Vernunft als Mittel der Befriedigung des Triebes nach Glückseligkeit untergeordnet, so handelt der Wille empirisch im Dienste der Sinnlichkeit; ist aber diese Handlung durch das Objekt des rein-vernünftigen Triebes bestimmt, und besteht sie daher in der einzig beabsichtigten Realisierung der Handlungsweise der Vernunft, so wirkt der Wille rein, a priori unabhängig von dem sinnlichen Triebe, nach keinem anderen Gesetze, als das er sich selbst gibt, indem er die bloß ihrer Möglichkeit nach bestimmte Vernunftform durch seine Selbsttätigkeit realisiert.317 Der menschliche Wille ist also f r e i , 1.) in wieferne er als Vermögen der Spontaneität der Vernunft durch kein Affiziert19 Subjektes ] verbessert aus: Objektes

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werden gezwungen werden kann; 2.) als Vermögen eines Subjektes, das außer der Vernunft auch noch Sinnlichkeit besitzt, sich selbst sowohl a priori als a posteriori zu bestimmen vermag und daher keineswegs ausschließend weder an das Gesetz des uneigennützigen noch an das Gesetz des eigennützigen Triebes gebunden ist. Er handelt aber nur komparativ frei, wenn er sich selbst dem Gesetze des eigennützigen | Triebes, einem ihm fremden Gesetze unterwirft; er handelt hingegen absolut frei und ist absolut frei, in wieferne er das Gesetz des uneigennützigen Triebes befolgt; ein Gesetz, das von der theoretischen Vernunft nur verfaßt wird, seine Sanktion aber als wirkliches Gesetz nur durch die bloße Selbsttätigkeit der praktischen [Vernunft] erhält, welche sich dasselbe selbst auflegt. Die Sittlichkeit ist ohne absolute Freiheit unmöglich und die absolute Freiheit ist nur in der Sittlichkeit 318 wirklich, die zwar ihrer Form nach in der Form des Vernunftvermögens notwendig bestimmt, ihrem Stoffe nach aber, d. h. in Rücksicht der Realisierung dieser Form als Objekt des Willens, ein bloßes Produkt der Selbsttätigkeit, der positiven Kraft, des freiwirkenden Subjektes ist. Der Trieb nach Sittlichkeit ist vom Triebe nach Glückseligkeit wesentlich verschieden. Der eine ist in der bloßen positiven Kraft, der andere im bloßen durch Verstand und Vernunft modifizierten Bedürfnisse gegründet; der eine ist folglich ganz uneigennützig, der andere ganz eigennützig. Dem einen ist bloß die mögliche Form seines Gegenstandes im Vernunftvermögen bestimmt, der Stoff hingegen, durch welchen sein Gegenstand zur Wirklichkeit kömmt, die Realisierung der rein-vernünftigen Handlungsweise, ist ganz sein eigenes Werk; dem andern ist der Stoff seines Gegenstandes durch Empfi ndungen gegeben, und zwar der objektive Stoff ganz durchs Affiziertwerden von außen. Er hängt also in Rücksicht auf die Wirklichkeit sei1 2.) ] eingefügt 4 des ] verbessert aus: der 15 Sittlichkeit ] verbessert aus: Sinnlichkeit 24 einen ] verbessert aus: einem

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nes Gegenstandes von Außendingen ab, und die bloße ideale, in keiner möglichen Erfahrung erreichbare Form des | selben, das Absolute der Glückseligkeit, ist das einzige, was bei diesem Triebe der Selbsttätigkeit angehört. Im Triebe nach Glückseligkeit erweitert die Vernunft die Forderungen des sinnlichen Triebes ins Unendliche; im Triebe nach Sittlichkeit läßt sie keine Forderung des sinnlichen Triebes gelten, als in wieferne dieselbe der Forderung des rein-vernünftigen angemessen, gesetzmäßig ist. Durch den Trieb nach Glückseligkeit bestimmt, sieht sich das Subjekt als den Mittelpunkt des Universums an und bezieht alles, was es durch Verstand und Vernunft zu wirken vermag, auf den Zustand seines Empfi ndungsvermögens, auf Vergnügen; durch den Trieb nach Sittlichkeit hingegen sieht sich das Subjekt nur als ein Glied einer Gemeinschaft an, die aus absoluten durch praktische Vernunft handelnden Subjekten besteht, welche keinen anderen Zweck erkennen als die Realisierung der Gesetzmäßigkeit, Uneigennützigkeit usw. Beide Triebe sind im geraden Widerspruche miteinander, wenn sie als koordiniert gedacht werden; der Trieb nach Sittlichkeit wird ganz vernichtet, wenn er dem Triebe nach Glückseligkeit, – dieser aber wird bloß aufs Gesetzmäßige beschränkt, wenn er dem Triebe nach Sittlichkeit subordiniert wird. Die Handlungsweise der reinen Vernunft, in wieferne sie dem sittlichen Triebe eigentümlich ist, heißt Gesetz; in wieferne sie aber dem Triebe nach Glückseligkeit, dem sie fremde ist, aufgedrungen wird – Gebot. Das Bestimmtwerden des sinnlichen Triebes durch die Selbsttätigkeit des Rein-Vernünftigen heißt Nötigung, und die Notwendigkeit, den sinnlichen Trieb dem Gesetze des Reinvernünftigen zu unterwerfen, | heißt Pflicht.319 Diese Notwendigkeit kündigt sich im Bewußtsein durch das Sollen an, das in Rücksicht auf die praktische Vernunft freies Wollen des Gesetzmäßigen, in Rücksicht auf das Begehrungsvermögen aber ein Gebieten ist, dessen Befolgung das durch praktische Vernunft freihandelnde Subjekt von sich selbst nur durch Zwang erhalten kann, den es seinem eigennützigen Triebe antut.

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So, wie Sinnlichkeit und Vernunft in ihrer unzertrennlichen Vereinigung die Natur des menschlichen Gemütes, soweit dasselbe vorstellbar ist, ausmachen, so machen der Trieb nach Glückseligkeit und der Trieb nach Sittlichkeit in ihrer unzertrennlichen Vereinigung den ganzen Trieb des menschlichen Gemütes und Glückseligkeit mit Sittlichkeit verbunden das ganze, vollständige Objekt dieses Triebes, das g a n z e h ö c h s t e G u t des Menschen aus. Verbindung der Glückseligkeit mit der Sittlichkeit ist aber nur dadurch denkbar, daß im Subjekte der Trieb nach Glückseligkeit dem Triebe nach Sittlichkeit untergeordnet [ist]; [daß] im Objekte des ganzen Triebes das Maß der Glückseligkeit durch das Maß der Sittlichkeit bestimmt und die Glückseligkeit nur in soferne begehrt und erworben werde, als sich das Subjekt durch seine Sittlichkeit derselben moralisch fähig, d. h. w ü r d i g gemacht hat. Da die Sittlichkeit die Bedingung ist, unter welcher allein Glückseligkeit Gegenstand des Bestrebens eines mit praktischer Vernunft begabten Subjektes werden kann, so ist sie das höchste, o b e r s t e Gut.320 – Aber da das vernünftige e n d l i c h e Subjekt notwendig nach Glückseligkeit streben muß, so kann die Sittlichkeit nur in Verbindung mit der durch sie bestimmten Glück | seligkeit das g a n z e höchste Gut dieses Subjektes ausmachen; und das ganze höchste Gut kann weder, wie die Epikureer dafürhalten, bloße Glück seligkeit, zu der sich die Tugend wie Mittel zum Zwecke verhielte, noch, wie die Stoiker lehren, bloße Sittlichkeit (Tugend) sein, deren Besitz allein das ganze höchste Gut ausmachte.321 Wie sich aus der näheren Bestimmung und weiteren Ausführung dieser Prämissen der Glaubensgrund für das Dasein einer intelligiblen Welt (in welcher das höchste Gute nur durch eine ins Unendliche fortdauernde Existenz und Personalität des endlichen vernünftigen Wesens erreichbar ist) und für das Dasein einer von der Natur unterschiedenen und der moralischen Gesinnung gemäß wirkenden Ursache der gesamten Natur ergebe, läßt sich nur in der eigentlichen Theorie der praktischen Vernunft und nach einer völlig entwickelten Theorie des Begehrungsvermö-

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gens * einleuchtend genug dartun. Die Theorie der Vernunft überhaupt, in wieferne sie ein Teil der bloßen Theorie des Erkenntnisvermögens überhaupt ist, muß sich begnügen, die bloßen Ideen der intelligiblen Welt und jenes Urwesens, in wieferne dieselben in der Form des Vernunftvermögens gegründet sind, aufzustellen.

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§ 87 Durch die Idee der absoluten Gemeinschaft, bezogen auf die Subjekte der Erscheinungen des äußeren Sinnes, ist die Idee der phy |sischen Welt, – bezogen auf die Subjekte der Erscheinungen des inneren Sinnes (die Vorstellenden), [ist] die Idee der moralischen Welt, – bezogen auf die Ideen dieser beiden Welten, [ist] die Idee der intelligiblen Welt oder des Universums bestimmt. So, wie die Idee der absoluten Gemeinschaft überhaupt, so ist die Beziehung dieser Idee auf alle denkbaren Subjekte in der Natur der Vernunft bestimmt, die alles Viele auf unbedingte Einheit bringt und sich die Allheit der denkbaren Subjekte nicht anderes als im durchgängigen Zusammenhang, in systematischer Gemeinschaft denken kann. In Rücksicht auf die Subjekte des äußeren Sinnes, die als Erscheinungen durch das Schema der Wechselwirkung bereits in erkennbarer Gemeinschaft vorgestellt werden müssen, erhält die Idee der absoluten Gemeinschaft mittelbare objektive Realität, indem sie sich vermittelst des Schemas der Gemeinschaft, dessen Verstandesform sie zum Unbedingten erweitert, auf das in der Anschauung Gegebene bezieht. Die Idee der physischen Welt ist daher auch nur Idee in engerer Bedeutung und enthält in ihrer durchgängigen Bestimmung und mittelbarer Beziehung auf wirklich erkennbare Gegenstände den Plan einer wahren und eigentlichen Wissenschaft. In Rücksicht auf die Subjekte des inneren Sinnes, die kei*

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neswegs als Erscheinungen, sondern unmittelbar durch Vernunft als absolute Subjekte vorgestellt werden müssen, ist die Idee der absoluten Gemeinschaft einer bloßen subjektiven, im bloßen Vorstellungsvermögen gegründeten Reali | tät fähig. Da die Kategorie der Gemeinschaft aus der Verknüpfung der Kategorien der Substanz und der Ursache besteht, so kann auch die absolute Gemeinschaft nur durch Verknüpfung des absoluten Subjektes mit der absoluten Kausalität bestehen; und die absoluten Subjekte des innern Sinnes können nur in soferne in absoluter Gemeinschaft gedacht werden, als sie als absolute Ursachen im strengsten Sinne, d. h. als sie durch praktische Vernunft (moralisch) handeln. Die Idee der moralischen Welt ist daher auch eine Idee in engster Bedeutung und enthält in ihrer durchgängigen Bestimmung nichts, was sich wissen läßt, als die Gesetze der moralischen Welt, die keine andern als die Gesetze der praktischen Vernunft sind. In wieferne nun diese beiden Welten als zwei verschiedene für sich bestehende Subjekte gedacht werden, sieht sich die Vernunft durch ihre Natur genötigt, dieselben neuerdings auf unbedingte Einheit zu bringen und als ein durchgängig verknüpftes Ganzes in absoluter Gemeinschaft zu denken. Während die Gemeinschaft in der physischen Welt durch die Wechselwirkung, [die Gemeinschaft] in der moralischen [Welt] aber durch Gleichförmigkeit der Handlungsweise der Vernünftigen, in beiden also durch Handlung der Substanzen bestimmt ist, läßt sich die Gemeinschaft in der intelligiblen Welt zwischen jenen beiden Welten, welche den Stoff derselben ausmachen, weder durch Wechselwirkung noch durch Gleichförmigkeit bestimmt denken; und der einzige Bestimmungsgrund der Gemeinschaft dieser beiden Welten, der sich als in ihnen selbst enthalten denken läßt, kann nur darin beste | hen, daß die Bestimmungen der physischen Welt ihre Endursachen in der moralischen haben; ein Bestimmungsgrund, der sich nicht denken läßt, ohne aus der Idee der intelligiblen Welt zu einem von ihr 21 Ganzes ] verbessert aus: Ganze

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verschiedenen Subjekte, und zwar einer Intelligenz hinauszugehen, welche als bestimmende und wirkende Ursache der physischen und moralischen Gesetze gedacht würde.

§ 88 Durch die Idee der absoluten Gemeinschaft auf keine Subjekte, sondern auf bloße durch reine Vernunft bestimmte Prädikate (denkbare absolute Realitäten) bezogen, ist die Idee eines Inbegriffes aller denkbaren Realitäten oder des allerrealsten Wesens bestimmt. Die Prädikate, in wieferne sie im reinen Verstand als Prädikate bestimmt sind, werden durch das Moment der Qualität und durch die Kategorien der Realität, Negation und Limitation gedacht. (S. 451) Durch den Verstand in engerer Bedeutung wird die Qualität im Schema derselben als bedingte mit Negation verbundene limitierte Realität, durch Vernunft hingegen als unbedingte, alle Negation ausschließende unbegrenzte Realität vorgestellt. Die durch Vernunft gedachte Vielheit (die absolute Allheit) dieser Realitäten, durch die Idee der absoluten Gemeinschaft bestimmt, gibt die Vorstellung des absoluten Inbegriffes aller Realitäten, in wieferne dieselben als unbe | grenzt (als bloße Realitäten) gedacht werden müssen; durch die Idee des absoluten Subjektes bestimmt, [gibt sie] die Vorstellung des allerrealsten selbstständigen Wesens; durch die Idee der absoluten Ursache endlich [gibt sie] die Vorstellung des allerrealsten Wesens als erster Ursache. Die völlige Entwicklung dieser höchstwichtigen Idee, die vor allem andern in der reinen Vernunft a priori Bestimmten das Eigentümliche hat, daß ihr Gegenstand durchgängig bestimmt und folglich durch sie ein Individuum vorgestellt wird, muß der höheren Metaphysik aufbehalten werden. Ende. 25 allem ] verbessert aus: aller 26 Bestimmten ] verbessert aus: bestimmten

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ANM E R KUNG EN DES HE RAUS GEBERS

John Locke, An Essay Concerning Human Understanding, ed. by Peter Nidditch, Oxford / New York 1975, 4. Buch, Kap. 1,1, S. 525: »Since the Mind, in all its Thoughts and Reasonings, hath no other immediate Object but its own Ideas, which it alone does or can contemplate, it is evident, that our Knowledge is only conversant about them.« 146 Anders eingeteilt und gekürzt, erscheinen die folgenden §§ 6–16 auch als Aufsatz »Fragmente über das bisher allgemein verkannte Vorstellungs-Vermögen« im Teutschen Merkur, Oktober 1789, S. 3–22. Diesen Aufsatz kündigt Reinhold Christoph Martin Wieland als »Auszug« seines Versuchs an, denn dieser schreibt ihm am 26. August: »Ihr versprochener Auszug pp soll mir sehr willkommen seyn« (Wielands Briefwechsel, hrsg. von Siegfried Scheibe, Bd. 10/1, Berlin 1992, S. 251). 147 Die drei Positionen sind nicht sehr präzise bestimmt, lassen sich aber alle auf Positionen innerhalb der wolffischen Schulphilosophie zurückführen. Einen Unterschied zwischen Vermögen und Kraft macht Christian Wolff, Vernünfftige Gedancken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, Halle / Frankfurt 1720, 111751 [ND in: Christian Wolff, Gesammelte Werke, Materialien und Dokumente, hrsg. von J. École, H. W. Arndt, Ch. A. Corr, J. E. Hofmann und M. Thomann, 1. Abt., Bd. 2, Hildesheim 1983], § 117, S. 61: »denn das Vermögen ist nur die Möglichkeit etwas zu thun: hingegen die Kraft eine Quelle der Veränderungen ist.« Alexander Gottlieb Baumgarten beweist, daß die Seele eine Kraft und meine Seele die Vorstellungskraft ist: »Cogitationes sunt repraesentationes. Ergo anima mea est vis repraesentatiua.« (Metaphysica, Halle 71779 [ND Hildesheim 1963], §§ 505 f., S. 174) Daß das Vorstellungsvermögen die Seele selbst ist, behauptet Georg Friedrich Meier, Metaphysik, 4 Bde., Halle 1755–59, 3. Bd., § 489, S. 30: »Da nun die Seele eine Vorstellungskraft ist«. Vgl. auch ebd. § 747, S. 443. Nach Christian Wolff, Psychologia rationalis, Frankfurt / Leipzig 1734, ²1740 [ND in: Gesammelte Werke, ebd., 2. Abt, 145

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Anmerkungen des Herausgebers

Bd. 6, Hildesheim 1972], § 67, S. 45, besteht die »natura animae in eadem vi repraesentativa.« Mit der dritten Position könnte Georg Friedrich Meier gemeint sein, der die Gemütsbewegungen der vorstellenden Kraft zugrunde legt, d. h. daß »die Kraft welche begehrt und verabscheut, auch diejenige Kraft ist, welche Vorstellungen würckt«, mit anderen Worten bestimmen die Begierden »die Kraft der Seele […] neue Vorstellungen zu würcken« (Theoretische Lehre von den Gemüthsbewegungen überhaupt, Halle 1744, ²1759 [ND Frankfurt 1971], § 19, S. 21) oder Ernst Platner, demzufolge »die menschliche Seele eine unabhängig wirkende Vorstellungskraft – ein stets nach Vorstellungen bestrebtes, und stets mit Vorstellungen beschäftigtes Wesen« ist (Philosophische Aphorismen, 1. Theil, neue Ausg., Leipzig 1784, § 66, S. 23). 148 Dies sind etwa die Positionen René Descartes’ (siehe unten Anm. 154) und Gottfried Wilhelm Leibniz’, der mit der Lehre von der prästabilierten Harmonie den Leib-Seele-Dualismus überwinden will, vgl. Monadologie, § 78, in: Die philosophischen Schriften von Gottfried Wilhelm Leibniz, in 7 Bdn., hrsg. von C. I. Gerhardt, Berlin 1875–90 [ND Hildesheim 1960], Bd. 6, S. 620: »Ces principes m’ont donné moyen d’expliquer naturellement l’union, ou bien la conformité de l’Ame et du corps organique. L’ame suit ses propres loix, et le corps aussi les siennes, et ils se rencontrent en vertu de l’ harmonie préétablie entre toutes les substances, puisqu’elles sont toutes des representations d’un même Univers.« 149 Vermutlich denkt Reinhold hier zunächst an Adam Weishaupt, Ueber Materialismus und Idealismus, ein philosophisches Fragment, Nürnberg 1786 (2. überarb. und verm. Aufl. ebd. 1787), dessen Idealismus unter der Voraussetzung steht, »daß wir alle unsre Begriffe bloß allein durch die Sinne erhalten, und daß mit jeder Veränderung und Modification der Sinne uns die Welt samt ihren Theilen ganz anders erscheine« (S. 33, ohne Hvh.), und »die Organisation an und für sich nichts weiter bedeute, als die uns unbekannte Receptivität unserer Vorstellungskraft« (S. 47), so Reinhold in seiner Rezension der ersten Aufl. des Buches in der Allgemeinen Literatur-Zeitung, Nr. 186 b, vom 18. August 1787, Sp. 313– 319, Sp. 314. In der Rezension der zweiten Aufl. ebd., Nr. 15 vom 15. Januar 1789, Sp. 115, heißt es, Weishaupt habe »ganze Grundveste seines Idealistischens Systems bey der Umarbeitung der ge-

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gegnwärtigen Schrift unverrückt stehen zu lassen, ohne auf die in unsrer Anzeige der ersten Auflage (A. L. Z. 1787, No. 186 b) gegen dasselbe gemachten Erinnerungen, die geringste Rücksicht zu nehmen.« 150 Gemeint ist die Position der Spiritualisten, möglicherweise die des Nicolas Malebranche (1638–1715), den Reinhold in Wien genauer studiert hat, vgl. KA 1.160. Malebranche schreibt in De la recherche de la verité, Paris 1674–1678, 4. Aufl., Amsterdam 1687, tome 1, liv. III , chap. 6, 1, S. 347: »Il faut bien prendre garde que je ne dis pas, que nous en ayions en Dieu les sentimens, mais seulement que c’est de Dieu qui agit en nous; car Dieu connoît bien les choses sensibles, mais il ne les sent pas. Lorsque nous appercevons quelque chose de sensible, il se trouve dans nôtre perception, sentiment & idée pure. Le sentiment est une modification de nôtre ame, & c’est Dieu qui la cause en nous: & il la peut causer, quoi qu’il ne l’ait pas, parce qu’il voit dans l’idée qui se trouve jointe avec le sentiment, elle est en Dieu.« – Auch in Frage käme die Position von George Berkeley, Three Dialogues between Hylas and Philonous, in: The Works of George Berkeley Bishop of Cloyne, ed. by A. A. Luce and T. E. Jessop, Bd. 2., Nendeln 1979, S. 215: »I conclude, there is a mind which affects me every moment with all the sensible impressions I perceive. And from the variety, order, and manners of these, I conclude the Author of them to be wise, powerfull, and good, beyond comprehension.« 151 Gemeint ist der Empirismus von John Locke, An Essay Concerning Human Understanding, ed. by Peter Nidditch, Oxford / New York 1975, 2. Buch, Kap. 1,3, S. 105: »Our Senses, conversant about particular sensible Objects, do convey into the Mind, several distinct Perceptions of things, according to those various ways, wherein those Objects do affect them: And thus we come by those Ideas, we have of Yellow, White […] and all those which we call sensible qualities, which when I say the senses convey into the mind, I mean, they from external Objects convey into the mind what produces there those Perception. This great Source, of most of the Ideas we have, depending wholly upon our Senses, and derived by them into the Understanding, I call sensat ion.« Es gibt nach Locke allerdings auch Vorstellungen (Ideas), die sowohl auf Sensationen als auf Reflexion beruhen, wie etwa die Lust oder Unlust,

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vgl. ebd., Kap. 7. Daß äußere Körper auf unseren Körper einwirken und so Vorstellungen erzeugen, legt Locke ausdrücklich dar im 2. Buch, Kap. 8,26, vgl. auch ebd., Kap. 9,3. 152 Mit den äußeren Werkzeugen sind die fünf Sinne gemeint, siehe S. 352 und S. 366. – Daß der menschliche Körper ein System von Kanälen ist und daß durch äußere Einwirkung von Objekten auf den Körper ganz mechanisch Vorstellungen im Gehirn generiert werden, wird dargelegt von Ernst Platner, Anthropologie für Ärzte und Weltweise, erster Teil, Leipzig 1772 [ND mit einem Nachw. hrsg. von Alexander Košenina, Hildesheim 1998], vgl. bes. das 3. Hauptstück: »Von der Erzeugung der Ideen«. Platners Hypothese von den Nervensäften als commercium mentis et corporis wurde übrigens von Johann Georg Heinrich Feder kritisiert. 153 Vgl. etwa David Hume, A Treatise of Human Nature, 2. ed., by L. A. Selby-Bigge, rev. by Peter Nidditch, Oxford: Clarendon Press, 1975, ²1978, 1. Buch, 3,5, S. 84 [dt. Übs.: Philosophische Versuche über die menschliche Erkenntnis, hrsg. von Johann Georg Sulzer, Hamburg-Leipzig 1755], demnach die »ultimate cause« der Sinneseindrücke »is […] perfectly inexplicable by human reason, and ’twill always be impossible to decide with certainty, whether they arise immediately from the object, or are produc’d by the creative power of the mind or are derived from the author of our being, or are deriv’d from the author of our being«. 154 Reinhold meint den modernen Leib-Seele-Dualismus, wie René Descartes diesen erstmals formuliert hat in den Meditationes de prima philosophia, in qua Dei existentia et animae immortalitatis demonstrantur, Paris 1641, Kap. 6,9 in: René Descartes, Œuvres, hg. von Charles Adam und Paul Tannery, Bd. 7 [ND Paris 1964–1974]. 155 Reinhold scheint hier Moses Mendelssohn und Johann Georg Sulzer im Auge zu haben. Ersterer behauptet in seiner Schrift »Abhandlung von der Unkörperlichkeit der menschlichen Seele«, ca. 1760, in: Gesammelte Schriften, Jubiläumsausg., Stuttgart 1929 ff., ND und Forts. 1971 ff., Bd. 2, S. 207–232, daß die Seele »mit der Verwesung des Gehirns, eine neue Organisation annimmt« (S. 218). Nach Johann Georg Sulzer, »Ueber die Unsterblichkeit der Seele, so fern sie physisch betrachtet wird«, in: Magazin für Philosophie und ihre Geschichte, Bd. 1, 1781, S. 7–106, kann die Un sterblichkeit der Seele nur »unter der Voraussetzung be-

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hauptet werden […], daß die Seele nach ihrer Trennung vom Körper aufs neue mit einem andern organisirten Körper vereinigt werde, mitteltst dessen sie sich selbst, und was außer ihr vorgeht, erkennt«. (S. 10) 156 John Locke etwa argumentiert gegen die Auffassung, daß die Organe zum Vorstellungsvermögen gehören: »The Organs themselves, it is plain, do not produce them [the perceptions, Hg.]« (An Essay Concerning Human Understanding, ed. by Peter Nidditch, Oxford / New York 1975, 4. Buch, Kap. 11,4, S. 632). 157 Geringfügig verändert wird Reinhold diesen Satz ein Jahr später den »Satz des Bewußtseins« nennen, vgl. Beyträge zur Berichtigung bisheriger Mißverständnisse der Philosophen, 1. Band: Das Fundament der Elementarphilosophie betreffend, Jena 1790, S. 144 f. In Ueber das Fundament des philosophischen Wissens, Jena 1791, schreibt Reinhold, daß er den Satz des Bewußtseins als Fundament der Elementarphilosophie in seinem »Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens […] mehr angedeutet, als ausführlich dargestellt« habe (S. 108). Weiter unten in vorliegender Schrift (S. 252) scheint Reinhold bereits die spätere Formulierung des »Satzes des Bewußtseins« zu antizipieren. Zur Entstehungsgeschichte dieses Satzes vgl. Alessandro Lazzari, »Zur Genese von K. L. Reinholds ›Satz des Bewußtseins‹«, in: Philosophie ohne Beynamen. System, Freiheit und Geschichte im Denken Karl Leonhard Reinholds, hrsg. von Martin Bondeli und dems., Basel 2004, S. 21–38. Möglicherweise hat auch Johann August Eberhard auf die Entwicklung von Reinholds »Satz des Bewußtseins« gewirkt, vgl. dazu dessen Aufsatz »Weitere Anwendung der Theorie von der logischen Wahrheit oder der transcendentalen Gültigkeit der menschlichen Erkenntniß«, in: Philosophisches Magazin, 1. Bd. (1788), 3. Stück, Nr. 1, S. 243–262, S. 254 f.: »Ich selbst bin ein Objekt, meine Vorstellungen sind Objekte; sie sind die Objekte meiner Betrachtungen, so oft ich sie deutlich zu machen suche. Ich betrachte meine Anlagen, Kräfte, Fertigkeiten, Tugenden und Fehler; ich unterscheide meine Vorstellungen von mir, dem betrachtenden Subjekte.« 158 Das Zitat von Marcus Tullius Cicero (106–43 v. Chr.), römischer Redner, Politiker und Philosoph, stammt aus der 44 v. Chr. verfaßten Schrift De divinatione, 2. Buch, Kap. 119: »Sed nescio

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quo modo nihil tam absurde dici potest, quod non dicatur ab aliquo philosophorum.« (Übers. nach Chr. Stäublin: »Ich weiß mir nicht zu helfen: keine Lehre ist so abwegig, daß sie nicht von irgendeinem Philosophen vertreten werden könnte.«) Insbesondere wegen der Erwähnung des Egoismus im nächsten Absatz liegt es nahe, daß Reinhold dieses Zitat aus Christoph Matthäus Pfaff schöpft. In seiner Oratio de egoismo, nova philosophica haeresi, Tübingen 1722, die zur schnellen Verbreitung des Egoismusbegriffs sehr beigetragen hat, fi ndet sich – ebenfalls ohne genauere Quellen angabe – folgende Bemerkung: »Adeò verum est illud Ciceronis, libro secundo de naturâ Deorum qui ait, nihil tàm absurdum esse, quod non dictum fuerit ab aliquo Philosophorum.« (S. 25) 159 Christian Wolff rechnet Nicolas Malebranche zu den Egoisten, vgl. Psychologia rationalis, Frankfurt / Leipzig 1734, ²1740 [ND in: Gesammelte Werke, Materialien und Dokumente, hrsg. von J. École, H. W. Arndt, Ch. A. Corr, J. E. Hofmann und M. Thomann, 2. Abt, Bd. 6, Hildesheim 1972], § 38, S. 26. Dazu paßt auch Wolffs Bemerkung in Vernünfftige Gedancken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt, Halle / Frankfurt 1720, 111751 [ND a. a. O., 1. Abt., Bd. 2, Hildesheim 1983], § 2, S. 2: »die allerseltsamste Secte der Egoisten, die vor weniger Zeit in Paris entstanden, und von allen Dingen geleugnet, daß sie sind, doch das: Ich bin, zugegeben.« Es ist unwahrscheinlich, daß Reinhold hier den Berkeleyschen Idealismus im Auge hat, da dieser das Bestehen von anderen Bewußtseinen zugibt, welche Position unten (S. 551 f.) vom Egoismus abgegrenzt wird, vgl. dazu auch Martin Knutzen, Systema causarum efficientium, Leipzig 1745, S. 72: »Berkeleio ceteraque Idealistarum, Egoistarum et Pluralistarum cohorte, qui mentem solam existere, corpus vero nullum extra mentem dari sibi vel persuadent, vel saltem prae se ferunt.« Zum Egoismus vgl. auch Moses Mendelssohn, Morgenstunden oder Vorlesungen über das Daseyn Gottes, 1785, in: Gesammelte Schriften, Jubiläumsausg., Stuttgart 1929 ff., ND und Forts. 1971 ff., Bd. 2, S. 315 f.: »Der Egoist, wenn es je einen gegeben, leugnet das Dasein aller Substanzen außer sich […] Ich kann nicht glauben, daß eine von diesen Ungereimtheiten jemals im Ernste behauptet worden ist«. Nach Alexander Gottlieb Baumgarten ist ein Egoist, wer glaubt, allein die Welt zu konstituieren, Metaphysica, Halle 71779 [ND Hil-

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desheim 1963], § 392, S. 123: »Qui hunc mundum se putat ens simplex est egoista«. – Zum Egoismus in der Aufklärungsphilosophie vgl. Wilhelm Halbfaß, Descartes’ Frage nach der Existenz der Welt. Untersuchung über die cartesianische Denkpraxis und Metaphysik, Meisenheim 1968, bes. S. 200–223. 160 Der Ausdruck »vorstellende Kraft« gehört zum festen Bestandteil der leibniz-wolffischen Philosophie. So heißt es bei Gottfried Wilhelm Leibniz, Système nouveau de la nature et de la communication des substances, aussi bien que de l’union qu’il y a entre l’âme et le corps (erscheint Juni 1695 im Journal des Savants), in: Die philosophischen Schriften von Gottfried Wilhelm Leibniz, in 7 Bdn., hrsg. von C. I. Gerhardt, Berlin 1875–90 [ND Hildesheim 1960], Bd. 4, S. 479: »Je trouvay donc que leur [unités reelles, Hg.] nature consiste dans la force, et que de cela s’ensuit quelque chose d’analogique au sentiment et à l’appetit; et qu’ainsi il falloit les concevoir à l’imitation de la notion que nous avons des ames.« Für andere Belege siehe oben Anm. 147. 161 Johann August Eberhard, »Ueber das Gebiet des reinen Verstandes«, in: Philosophisches Magazin, 1. Bd. (1788), 3. Stück, Nr. 2, S. 263–289, S. 281, defi niert vorstellende Kräfte als »einfache Substanzen, deren Accidenzen Vorstellungen sind«. Vgl. auch Alexander Gottlieb Baumgarten, Metaphysica, Halle 71779 [ND Hildesheim 1963], § 216, S. 65: »Omnis substantia existens agit, §. 210, 199. hinc habet posibilitatem agendi seu facultatem (potentiam actiuam, vim, cf. §. 197).« Reinholds Kritik der leibnizwolffischen Philosophie ist insbesondere gegen Eberhard gerichtet, der in seinen Untersuchungen im Philosophischen Magazin die Vorstellung immer aus der vorstellenden Kraft erklärt, weil nur sie einen zureichenden Grund – der hier der entscheidende Begriff ist, vgl. unten Anm. 164 – abgeben kann. 162 Vgl. Alexander Gottlieb Baumgarten, Metaphysica, Halle 71779 [ND Hildesheim 1963], § 220, S. 65: »Posita facultate & recepiuitate quum non ponatur actio vel passio […] ponatur tamen posita vi strictius dicta […] heac erit complementum facultatis ad actum, i. e. quod accedit ad facultatem, vt existat actio.« Vgl. dazu auch Georg Friedrich Meier, Metaphysik, 4 Bde., Halle 1755–59, Bd. 3, § 497, S. 42: »So viele verschiedene Würkungen diese Kraft [die Seele, Hg.] nun wirklich macht, auf so viele verschiedene Ar-

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ten kan sie sich äussern; und es gibt also so viele verschiedene Vermögen, womit diese Kraft ausgerüstet ist.« 163 Sofern hier von Empfi ndungen die Rede ist, liegt vermutlich eine Anspielung auf die schottische Philosophie des Common sense vor, welche Position von großem Einfluß auf die damalige deutsche philosophische Debatte gewesen ist. Fast alle Philosophen, die in dieser Zeit Kant bekämpfen, tun das mit den Mitteln der schottischen Common-sense-Philosophie, vgl. dazu Manfred Kühn, Scottish Common Sense in Germany, 1768–1800. A Contribution to the History of Critical Philosophy, Montreal 1987. Wichtig für die Position der Schotten ist der durch Empfi ndungen (sensations) über die Perzeption vermittelte Objektzugang, ohne daß dazu die äußeren Gegenstände durch irgendwelche mentalen Objekte, wie Vorstellungen oder Ideen, vermittelt würden. Einen besonders starken Nachdruck auf das empfi ndende Organ – ohne freilich dabei von einem Vorstellungsvermögen zu sprechen – fi ndet sich bei Gottlob August Tittel, Erläuterungen der theoretischen und praktischen Philosophie, Frankfurt / M. 1783, ²1787, ³1793, S. 80 ff. 164 Der Ausdruck »bloße Vorstellung« soll nach Günther Baum, »K. L. Reinholds Elementarphilosophie und die Idee des transzendentalen Idealismus«, in: Philosophie aus einem Prinzip. Karl Leonhard Reinhold, hrsg. von Reinhard Lauth, Bonn 1974, S. 86– 107, bes. 104 [auch in: Kant-Studien 64 (1974), S. 213–230], auf Thomas Reids Begriff »bare conception« zurückgehen. Liest man diese Behauptung jedoch vor dem Hintergrund des Textes, wie ihn TM F bringt, ergibt sich ein anderes Bild, weil dann klar wird, daß Reinhold in diesem Zusammenhang Johann August Eberhard kritisiert, der in seinem Aufsatz »Weitere Anwendung der Theorie von der logischen Wahrheit oder der transcendentalen Gültigkeit der menschlichen Erkenntniß«, in: Philosophisches Magazin, 1. Bd. (1788), 3. Stück, Nr. 1, S. 243–262, deshalb nach der Kraft fragt, »die die wirkende Ursach dieser Vorstellungen ist«, weil alles »seinen zureichenden Grund haben« muß (S. 260). Reinholds »bloße Vorstellung« ist keine Kraft oder wirkende Ursache, sie ist Prinzip oder, wie man vielleicht auch sagen könnte, transzendentale Voraussetzung aller Vorstellungen. 164 a Gemeint ist die bereits oben (S. 155) zitierte Passage aus dem Lehrbuch von Johann Georg Heinrich Feder, Logik und Meta-

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physik, 5. verm. Aufl., Frankfurt / Leipzig 1783, vgl. auch oben Anm. 102. 165 Dies ist der Idealismusvorwurf, wie er besonders von Johann Georg Heinrich Feder, Ueber Raum und Caussalität, zur Prüfung der Kantischen Philosophie, Göttingen 1787 [ND Aetas Kantiana, Bruxelles 1968], gegen Kant vorgebracht worden ist: »Es ist überhaupt eine von den idealistischen oder zu dem Idealismus führenden Sonderbarkeiten und Paradoxien, von der Wirklichkeit der Dinge zu sprechen, als ob dieselbe mit der Wahrnehmung erst anfi nge und damit aufhöre, und sodann freylich außer dem wahrnehmenden Subjecte nichts syn könnte« (S. 95, und zwar, wegen Druckversehen, das erste Vorkommen dieser Seitennummer). Friedrich Heinrich Jacobi macht Kant einen ähnlichen Idealismusvorwurf, sofern »unser Verstand sich blos auf eine solche g a r n i c h t s v o n d e n D i n g e n selbst darstellende, objectiv platterdings leere Sinnlichkeit bezieht, um durchaus subjectiven Anschauungen, nach durchaus subjectiven Regeln, durchaus subjective Formen zu verschaffen«; mit einem solchen Verstande lebte ich allerdings »wie eine Auster«, d. h. »Ich bin alles, und außer mir ist im eigentlichen Verstande Nichts.« (David Hume über den Glauben, oder Idealismus und Realismus. Ein Gespräch, Breslau 1787, in: Werke, hrsg. von F. Roth und F. Köppen, Leipzig 1812 ff., Bd. 2., S. 217 f.) 166 Vgl. Moses Mendelssohn, Morgenstunden oder Vorlesungen über das Daseyn Gottes, 1785, XIII . Vorl., in: Gesammelte Schriften, Jubiläumsausg., Stuttgart 1929 ff., ND und Forts. 1971 ff., Bd. 3.2, S. 104: »Die Spinozisten behaupten: Wir selbst und die sinnliche Welt außer uns, seien nichts für sich Bestehendes; sondern bloße Modificationen der unendlichen Substanz […] Eins ist Alles und Alles ist Eins«. – Intellekt und Ausdehnung werden von Spinoza als Ausdruck einer einzigen Substanz verstanden, wobei jedes die Realität oder das Sein der Substanz ausdrückt: »unumquodque realitatem, sive esse substantiae exprimit« (Ethica ordine geomettrico demonstrada, o. O. [Amsterdam] 1677, I . Buch, prop. 10, schol.). Die spinozistisch inspirierte Maxime »Alles in Einem und Eines in Allem zu sehen« erwähnt Reinhold bereits in seiner Anzeige von Johann Gottfried Herders Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit, Riga / Leipzig 1784, im Anzeiger des Teut-

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schen Merkur von 1784, 2. Bd., S. LXXXI–LXXXIX , S. LXXXVI . – Für die hiermit verwandte »hen kai pan«-Spekulation siehe unten Anm. 301. 167 Leibniz’ einfache Substanzen oder Monaden vereinigen in sich ein Prinzip der Aktivität und Passivität: »Enfi n […] il faut dire que […] l’ame a en elle le principe de toutes ses actions, et même de toutes ses passions; et que le même est vray dans toutes les substances simples, repandues par toute la nature« (Essais de Théodicée sur la bonté du dieu, la liberté de l’ home et l’origine du mal, 1. Teil, § 65, in: Die philosophischen Schriften von Gottfried Wilhelm Leibniz, in 7 Bdn., hrsg. von C. I. Gerhardt, Berlin 1875–90 [ND Hildesheim 1960], Bd. 6, S. 138); und daß ferner die »dépendance mutuelle, que nous concevons entre l’ame et le corps«, ein ideelles Verhältnis zwischen beiden ist, »en tant que la raison de ce qui se fait dans l’une, peut être rendue par ce qui est dans l’autre; ce qui a déja eu lieu dans les decrets de Dieu dès-lors que Dieu a reglé par avance l’harmonie qu’il y auroit entre elles« (ebd., § 66, S. 138). 168 Die Vorstellung als Gattungsbegriff geistiger Tätigkeiten ist Reinhold zuerst durch Schütz’ Rezension der Kritik der reinen Vernunft vermittelt, die in der Allgemeinen Literatur-Zeitung vom 12.– 30. Juli 1785, a. a. O., oben Anm. 20, erscheint, vgl. bes. Sp. 55 f., wo die sogenannte Stufenleiter der Vorstellung, anders als in der KrV, auch graphisch dargestellt ist. Kant schreibt zur Stufenleiter in der KrV, A 320 / B 367 f.: »Die Gattung ist Vorstellung überhaupt (repraesentatio). Unter ihr steht die Vorstellung mit Bewußtsein (perceptio). Eine Perception, die sich lediglich auf das Subject als die Modification seines Zustandes bezieht, ist Empfi ndung (sensatio), eine objective Perception ist Erkenntniß (cognitio). Diese ist entweder Anschauung oder Begriff (intuitus vel conceptus). Jene bezieht sich unmittelbar auf den Gegenstand und ist einzeln, dieser mittelbar, vermittelst eines Merkmals, was mehreren Dingen gemein sein kann. Der Begriff ist entweder ein empirischer oder reiner Begriff, und der reine Begriff, so fern er lediglich im Verstande seinen Ursprung hat (nicht im reinen Bilde der Sinnlichkeit), heißt Notio. Ein Begriff aus Notionen, der die Möglichkeit der Erfahrung übersteigt, ist die Idee oder der Vernunftbegriff. Dem, der sich einmal an diese Unterscheidung gewöhnt hat, muß

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es unerträglich fallen, die Vorstellung der rothen Farbe Idee nennen zu hören. Sie ist nicht einmal Notion (Verstandesbegriff) zu nennen.« 169 John Locke, An Essay Concerning Human Understanding, ed. by Peter Nidditch, Oxford / New York 1975, 2. Buch, Kap. 29,7, S. 365: »This is evident, that confused Ideas are such as render the Use of Words uncertain, and take away the benefit of distinct Names.« 170 Kant schreibt am 28. Dezember 1787 an Reinhold über die »Elemente der Erkentnis und der dazu gehorigen Gemüthskräfte«, daß es derer »drey« gäbe, nämlich »Erkentnisvermögen Gefühl der Lust und Unlust und Begehrungsvermögen. Für das erste habe ich in der Critik der reinen (theoretischen) für das dritte in der Critik der practischen Vernunft Principien a priori gefunden. Ich suche sie auch für die zweyte ob ich es zwar sonst für unmöglich hielt, dergleichen zu fi nden.« (Akad.-Ausg., 10.514) Es gibt zu diesem Zeitpunkt für Reinhold nur diesen Brief, aufgrund dessen diese genuin Kantische Einteilung der Gemütskräfte vorgenommen werden könnte. 171 Gemeint ist vermutlich Johann August Eberhard. Dieser schreibt in seinem Beitrag »Ueber die Schranken der menschlichen Erkenntniß«, in: Philosophisches Magazin, 1. Bd. (1788), 1. Stück, Nr. 2, S. 9–29, S. 26: »die Grenzbestimmung der menschlichen Erkenntniß nach der Leibnitzischen Vernunftkritik dürfte noch nicht aufgegeben werden; alles was die Kantische Kritik gründliches enthält, sey in ihrem Umfange enthalten, und außerdem noch vieles, was diese ohne Grund verwirft.« Die Stoßrichtung Eberhards ist immer wieder, daß das Kantische System, sofern es richtig ist, schon von Leibniz gelehrt wurde, und sofern es Neues enthält, nichts taugt. 172 Vgl. für diesen Standpunkt etwa Alexander Gottlieb Baumgarten, Metaphysica, Halle 71779 [ND Hildesheim 1963], § 534, S. 187: »Cogito statum meum praesentem. Ergo repraesento statum meum praesentem, i. e. sen t io [Anm.: ich empfi nde]. Repraesentationes status mei praesentis seu sensat iones [Anm.: Empfi ndungen] (apparitiones) sunt repraesentationes status mundi praesentis […] Ergo sensatio mea actuatur per vim animae repraesentatiuam pro positu corporis mei.«

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Christian Wolff defi niert die Vorstellung als »Veränderungen in der Seele, deren sie sich bewußt ist« (Vernünfftige Gedankken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt, Halle / Frankfurt 1720, 111751 [ND in: Christian Wolff, Gesammelte Werke, Materialien und Dokumente, hrsg. von J. École, H. W. Arndt, Ch. A. Corr, J. E. Hofmann und M. Thomann, 1. Abt., Bd. 2, Hildesheim 1983], § 194, S. 108). – Nach Georg Friedrich Meier enthält jede Vorstellung »allemal einen Grund von gewissen Folgen, Veränderungen und Würkungen, welche sie in der Seele verursacht« (Metaphysik, 4 Bde., Halle 1755–59, 3. Bd., § 493, S. 36). Nach John Locke ist eine Vorstellung »Whatsoever the Mind percieves in it self« (An Essay Concerning Human Understanding, ed. by Peter Nidditch, Oxford / New York 1975, 2. Buch, Kap. 8,8, S. 134). – Reinhold defi niert das »Bewußtsein überhaupt« als »diejenige Veränderung des Gemütes […], durch welche die bloße Vorstellung aufs Objekt und Subjekt bezogen wird« (vgl. S. 324). 174 Die Ansicht, wie Reinhold sie in dieser Fußnote darlegt, ist durchaus richtig, sofern den Schullogiken dieser Zeit in der Regel ein Teil vorhergeht, in der der Gegenstand der Logik entwickelt wird, nämlich die menschliche Erkenntnis. Tatsächlich sind die Logiken dieser Zeit nicht formallogisch, sondern entweder epistemologisch im Sinne Lockes zu verstehen oder ontologisch als »Wissenschaft aller möglichen Dinge«, wie sie Christian Wolff in der »Vorrede« seiner deutschen Logik bestimmt. Georg Friedrich Meier versteht die Logik als Verbalwissenschaft, die sich »mit der Erkentnis und ihrem Vortrag« bzw. mit den »Regeln der Erkentniß« auseinandersetzt (Vernunftlehre, Halle 1752, § 26 S. 27), vgl. auch oben Anm. 128. – Mit der Unterscheidung zwischen Denken in weiterer und engerer Bedeutung im Zusammenhang mit dem unteren und oberen Erkenntnisvermögen führt Reinhold die Terminologie der leibniz-wolffi schen Schulphilosophie ein, vgl. dazu oben Anm. 128, sowie 112. 175 Nach der deutschen Schulphilosophie gehen die Vorstellungen entweder zurück auf die unteren Sinnes- oder Empfi ndungsvermögen, durch welche wir Vorstellungen empfangen und wobei sich das Gemüt wesentlich passiv verhält, oder auf ein aktives Vermögen, das solche Vorstellungen hervorbringt, die vorher 173

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noch nicht zugegen waren, und Einbildungskraft heißt, vgl. Christian Wolff, Vernünfftige Gedancken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt, Halle / Frankfurt 1720, 111751 [ND in: Christian Wolff, Gesammelte Werke, Materialien und Dokumente, hrsg. von J. École, H. W. Arndt, Ch. A. Corr, J. E. Hofmann und M. Thomann, 1. Abt., Bd. 2, Hildesheim 1983], § 235, S. 108. Vgl. dazu auch John Locke: »Percep t ion, as it is he fi rst faculty of the Mind, […] is by some called Thinking in general. Though Thinking […] signifies that sort of operation of the Mind about its Ideas, wherein the Mind is active […] For in bare naked Perception, the Mind is, for the most part, only passive; and what it perceives, it cannot avoid perceiving.« (An Essay Concerning Human Understanding, ed. by Peter Nidditch, Oxford / New York 1975, 2. Buch, Kap. 9,1, S. 143) 176 Anspielung auf die Etymologie von repraesentare, das sich herleitet von praesens (gegenwärtig), eine Zusammenstellung von »prae« (vor, voran) und esse (sein), verbunden mit dem Präfi x »re« (wieder), also »wieder gegenwärtig machen« oder, neutraler, »wieder vorwalten lassen«. Möglich wäre auch, daß Reinhold das Präfi x »re« fälschlicherweise mit res (Ding, Sache) in Verbindung bringt, was dann hieße, durch den Stoff würde die Sache oder das Ding gegenwärtig gemacht bzw. in der Vorstellung vorwaltend. 177 Reinhold bezieht sich hier auf solche Vorstellungen, bei denen der Stoff vom Gegenstand bedingt ist und folglich ein Zusammenhang mit diesem vorliegt. Ist der Gegenstand nicht vorhanden oder unmöglich, d. h. ein Unding, kann es keinen Zusammenhang mit dem Stoff geben und ist die Vorstellung leer, d. h. nicht von einem Gegenstand bedingt. Vielleicht spielt Reinhold hier auch an auf Johann August Eberhard, »Weitere Anwendung der Theorie von der logischen Wahrheit oder der transcendentalen Gültigkeit der menschlichen Erkenntniß«, in: Philosophisches Magazin, 1. Bd. (1788), 3. Stück, Nr. 1, S. 243–262, S. 249: »Er schließt nach einem unerlernten aber untrüglichen Grundsatze, daß eine Vorstellung keine Empfi ndung sey, wenn ihr Gegenstand etwas enthält, das widersprechend und unmöglich ist, oder keinen Grund hat. Die Wahrheit, welche bei diesem Schlusse zum Grunde liegt, ist keine andere, als daß ein Gegenstand nicht außer seiner Vorstellung wirklich seyn könne, wenn nicht alles in

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ihm dem Satze des Widerspruches und des zureichenden Grundes gemäß ist«. Die Pointe Reinholds an dieser Stelle wäre dann, daß Eberhard mit diesem Satz seiner These widerspricht, daß es ebenfalls wirkliche Gegenstände außerhalb unserer Vorstellung geben müsse, und zwar kraft des Satzes vom Grunde, daß jede Folge einen Grund haben müsse. Wie schon Kant in einem Brief vom 12. Mai 1789 an Reinhold gegen Eberhard einwendet, vgl. Akad.-Ausg., 11.35 f., verwechselt Eberhard logischen Grund mit realem Grund. Für letzteren gilt, daß der Grund »immer etwas Anderes als die Folge seyn [muß, Hg.], und wer zum Grunde nichts anders, als die gegebene Folge selbst anführen kann, gesteht, er wisse (oder die Sache habe) keinen Grund!« (Akad.-Ausg., 11.35). – Mit Kant kann man sagen, daß solche Vorstellungen leer sind, die gar keinen Gegenstand haben können, wie die reinen Anschauungen und Begriffe, weshalb es auch »eben so nothwendig« ist, sich »seine Begriffe sinnlich zu machen (d. i. ihnen den Gegenstand in der Anschauung beizufügen), als seine Anschauungen sich verständlich zu machen (d. i. sie unter Begriffe zu bringen).« (KrV, A 51 / B 75) Von Gedankendingen oder Noumena ist in diesem Zusammenhang nicht die Rede, weshalb hier auch nicht an jene leere Vorstellung gedacht wird, die Kant als das transzendentale Ich bezeichnet, siehe dazu unten Anm. 184. Möglich ist auch, daß sich Reinhold hier auf Carl Christian Erhard Schmids Wörterbuch zum leichteren Gebrauch der Kantischen Schriften nebst einer Abhandlung, Jena ²1788, S. 234 f., bezieht, wo »leere Vorstellungen« unter dem Lemma »leer« abgehandelt werden. Siehe ferner unten Anm. 178. 178 Bloße Vorstellungen sind nach Kant ens rationis, leere Begriffe ohne Gegenstand, d. h. Gedankendinge, wie sie auch von Reinhold oben S. 168 defi niert werden. Dies sind freilich durchaus sinnvolle Begriffe, vgl. hierzu auch Kants »Tafel von Nichts«, KrV, A 289–292 / B 347–350. Vgl. auch Anm. 164. 179 Reinhold spricht vom principium identitatis; nach Hermann Samuel Reimarus, Die Vernunftlehre, als eine Anweisung zum richtigen Gebrauche der Vernunft, Hamburg ³1766 [ND München 1979], § 14, S. 8 f., wird dieses Prinzipium »in einem allgemeinen Satze so ausgedruckt: Ein jedes Ding ist das, was es ist. Man könnte auch sagen: Ein jedes Ding ist mit sich selbst einerly, oder sich selbst ähnlich

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und gleich. Diese Regel ist der Grund alles dessen, was man sich als wirklich oder nothwendig gedenkt.« 180 Dies sind die drei Hauptabschnitte des dritten Buches, d. h. der »Theorie des Erkenntnisvermögens«. 181 Die These, daß Vorstellungen Bilder von den Dingen seien, wird von der leibniz-wolffi schen Philosophie in verschiedenen Weisen allgemein vertreten. So Gottfried Wilhelm Leibnitz, Essais de Théodicée sur la bonté du dieu, la liberté de l’ homme et l’origine du mal, 1. Teil, § 62, in: Die philosophischen Schriften von Gottfried Wilhelm Leibniz, in 7 Bdn., hrsg. von C. I. Gerhardt, Berlin 1875–90 [ND Hildesheim 1960], Bd. 6, S. 137: »De sorte que les loix, qui lient les pensées de l’ame dans l’ordre des causes fi nales et suivant l’evolution des perceptions, doivent produire des images qui se rencontrent et s’accordent avec les impressions des corps sur nos organs; et que les loix des mouvements dans le corps, qui s’entresuivent dans l’ordre des causes efficientes, se rencontrent aussi et s’accordent tellement avec les pensées de l’ame, que le corps est porté à agir dans le temps que l’ame le veut.« Ferner Christian Wolff, Psychologia rationalis methodo scientifi ca pertractata, Frankfurt / Leipzig 1734, ²1740 [ND in: Gesammelte Werke, Materialien und Dokumente, hrsg. von J. École, H. W. Arndt, Ch. A. Corr, J. E. Hofmann und M. Thomann, 2. Abt, Bd. 6, Hildesheim 1972], § 86: »Quoniam sensationes sunt repraesentationes compositi, repraesentationes autem rei, quatenus objective consideratur, ideas sunt, & quidem sensuales, quae a sensu in anima producuntur; Ideae sensuales imagines sunt.« Georg Friedrich Meier erweitert den Bildbegriff, sofern jede Vorstellung in der Seele »Abbildung einer möglichen Sache« ist (Metaphysik, 4. Bde., Halle 1755–59, 3. Bd., § 494, S. 37). Ähnlich, obwohl differenzierter Moses Mendelssohn, sofern nur der Sachbezug der Vorstellung »Bild oder Abdruck« des Gegenstandes ist (Rhapsodie oder Zusätze zu den Briefen über die Empfi ndungen, 1761, in: Gesammelte Schriften, Jubiläumsausg., Stuttgart 1929 ff., ND und Forts. 1971 ff., Bd. 1, S. 381–424). – Der Bildcharakter der Vorstellungen wird auch vertreten von David Hume: »By ideas I mean the faint images of these in thinking and reasoning« (A Treatise of Human Nature, 2. ed. by L. A. Selby-Bigge, rev. by Peter Nidditch, Oxford: Clarendon Press, 1975, ²1978, 1. Buch, 3,5, S. 1), und: »An impression fi rst strikes

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upon the senses, and makes us perceive heat or cold, thirst or hunger, pleasure or pain, of some kind or other. Of this impression there is a copy taken by the mind, which remains after the impression ceases; and this we call an idea« (ebd., S. 9). Auch George Berkeley vertritt den Abbildcharakter der Vorstellungen: »The ideas imprinted on the Senses by the Author of nature are called real things; and those excited in the imagination being less regular, vivid, and constant, are more properly termed ideas, or images of things, which they copy and represent.« (A Treatise on the Principles of Human Knowledge, Dublin 1710, § 33, S. 61) Streng abgelehnt haben die schottischen Common-sense-Philosophen die Auffassung, daß wir in uns Bilder von den Dingen hätten. Nach Thomas Reid ist diese Auffassung eine abzuweisende Erfi ndung der Philosophen: »Philosophers have introduced a fourth thing in this process, which they call the idea of the object, which is supposed to be an image, or representative of the object, and is said to be the immediate object. The vulgar know nothing about this idea; it is a creature of philosophy, introduced to account for and explain the manner of our perceiving external objects.« (Essays On The Intellectual Powers Of Man, Edinburgh 1785, in: Philosophical Works, with notes and supplem. diss. ed. by Sir William Hamilton, 2 vols., Edinburgh 1846 [ND der 8. Aufl. in einem Band, Hildesheim 1983], S. 293 b). Reid zufolge haben wir durch die Sinne unmittelbar, also ohne Vermittlung durch Vorstellungen, Zugang zu den Dingen (ebd., S. 263 a f.). – Aller Wahrscheinlichkeit nach bezieht sich Reinhold mit dieser Bemerkung über die Abbildung der Dinge durch die Vorstellung auf Johann August Eberhard, der genau diese Auffassung mit großer Verve vertritt in dem Aufsatz »Ueber den wesentlichen Unterschied der Erkenntniß durch die Sinne und durch den Verstand«, in: Philosophisches Magazin, 1. Bd. (1788), 3. Stück, Nr. 3, S. 290–306, bes. 291 ff. – Kant wird später in der gegen Eberhard gerichteten Schrift Ueber eine Entdeckung, nach der alle neue Critik der reinen Vernunft durch eine ältere entbehrlich gemacht werden soll, Königsberg 1790, 2. Aufl., ebd. 1791, ebenfalls den Abbildcharakter der Vorstellung kritisieren, vgl. bes. Akad.-Ausg., 8.201 ff. und 210 f. Aus dem Briefwechsel zwischen Kant und Reinhold über Eberhard geht nicht hervor, daß Kant Reinhold zu seiner Kritik angeregt haben könnte.

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Auch Johann August Eberhard macht den Entstehungsgrund für die Bildlichkeit unserer Vorstellungen von dem alten Unterschied zwischen »Verstand und Sinnen, nouj und aisqhsis, Intellectus und Sensus« abhängig, weshalb auch ihm zufolge das an sich unbildliche Verstandesvermögen mit dem bildlichen Sinnenvermögen verwechselt wurde; freilich läuft Eberhards Pointe auf das Gegenteil des Reinholdschen hinaus, vgl. »Ueber das Gebiet des reinen Verstandes«, in: Philosophisches Magazin, 1. Bd. (1788), 3. Stück, Nr. 2, S. 263–289, bes. S. 265 ff. 183 Johann August Eberhard, »Ueber das Gebiet des reinen Verstandes«, in: Philosophisches Magazin, 1. Bd. (1788), 3. Stück, Nr. 2, S. 263–289, behauptet, in seinen vorangegangenen Beiträgen (1. Stück, Nr. 2, 2. Stück, Nr. 2 und 3. Stück, Nr. 1) gezeigt zu haben, was Kant leugnet, daß es nämlich »Dinge an sich, oder wahre Dinge, Dinge, die keine Erscheinungen sind, geben müsse. Diese Dinge an sich, die einfachen Substanzen, die endlichen sowol als die unendliche, sind dem reinen Verstande erkennbar.« (S. 263) 184 Gemeint ist die Unvorstellbarkeit des transzendentalen Subjekts, das Kant auch als leere Vorstellung bezeichnet, »von der man nicht einmal sagen kann, daß sie ein Begriff sei«, vielmehr ist es »ein bloßes Bewußtsein, das alle Begriffe begleitet« (KrV, A 346 / B 404). Daß Reinhold das x von 0 unterscheidet, hängt offenbar damit zusammen, daß 0 bei Kant meistens der Negation oder dem Mangel entspricht. Ein vorstellendes Subjekt = 0 entbehrte somit aller Realität, wäre nicht Vorstellendes. Dagegen ist ein vorstellendes Subjekt = x lediglich etwas Unbekanntes. 185 Es hat einigen Anschein, daß hier eine Präzisierung des in § 7 formulierten Satzes im Sinne des späteren sogenannten »Satzes des Bewußtseins« vorliegt, siehe oben Anm. 157. 186 Für die »Theorie der Sinnlichkeit« siehe unten §§ 46–66, S. 351–421. 187 Für die »Theorie des Verstandes« siehe unten §§ 67–76, S. 422–497. 188 Hier ist zunächst Johann Georg Heinrich Feder gemeint, der seit seiner Bearbeitung von Christian Garves Rezension der Kritik der reinen Vernunft (siehe oben Anm. 25) immer an dem Vorwurf festgehalten hat, Kants Philosophie sei idealistisch, skep182

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tisch und abwegig, vgl. Ueber Raum und Caussalität, zur Prüfung der Kantischen Philosophie, Göttingen 1787, und Frankfurt & Leipzig 1788 [ND Bruxelles 1968, Aetas Kantiana 70], passim. 189 Reinhold spielt an auf die Bewußtseinstheorie, die in den ersten §§ 37–45 des dritten Buches des Versuchs zur Darstellung kommt. 190 John Locke, An Essay Concerning Human Understanding, ed. by Peter Nidditch, Oxford / New York 1975, 2. Buch, Kap. 30,3, S. 373: »Though the Mind be wholly passive, in respect of its simple Ideas«; vgl. auch ebd., 2. Buch, Kap. 12,1, S. 163: »But as the Mind is wholly Passive in the reception of all its simple Ideas, so it exerts several acts of its own, whereby out of its simple Ideas, as the Materials and Foundations of the rest, the other are framed.« 191 Vgl. oben Anm. 167 sowie unten 239. 192 Dies ist freilich genau, was Johann August Eberhard macht, d. h. nach dem Entstehen des Vorstellungsvermögens zu fragen, statt es als Vermögen zu untersuchen, vgl. etwa »Ueber die Schranken der menschlichen Erkenntniß«, in: Philosophisches Magazin, 1. Bd. (1788), 1. Stück, Nr. 2, S. 9–29, bes. 18 ff. 193 Hier liegt vielleicht eine Anspielung auf Kant vor, der in seinem Brief an Reinhold vom 12. Mai 1789 schreibt: »Daß Hr. Eberhard […] mich nicht verstanden habe, ist das mindeste, was man sagen kan (denn da könnte doch noch einige Schuld auf mir haften).« (Akad.-Ausg., 11.33). 194 Die Frage, wie der Stoff der Vorstellung gegeben wird, ist für Johann August Eberhard die eigentlich entscheidende, vgl. »Ueber das Gebiet des reinen Verstandes«, in: Philosophisches Magazin, 1. Bd. (1788), 3. Stück, Nr. 2, S. 263–289, S. 274: »[…] es muß also zu dem Vorstellungsvermögen noch ein anderes Vermögen gehören, ein Vermögen afficirt zu werden, eine Empfänglichkeit, eine Receptivität des Gemüthes, welcher der Stoff, den die Thätigkeit bearbeiten soll, erst gegeben werden muß«. 195 Nach Johann August Eberhard sind die Sinne diese äußere Bedingung, vgl. »Ueber das Gebiet des reinen Verstandes«, in: Philosophisches Magazin, 1. Bd. (1788), 3. Stück, Nr. 2, S. 263–289, S. 276. 196 Johann August Eberhard meint, »Ueber das Gebiet des reinen Verstandes«, in: Philosophisches Magazin, 1. Bd. (1788), 3. Stück,

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Nr. 2, S. 263–289, S. 275: »Denn die bloße Empfänglichkeit des Gemüths bringt sie [die Empfi ndungen, Hg.] nicht selbst hervor, sie ist eine bloße Empfänglichkeit, sie empfängt, ihr wird gegeben, sie wird afficirt, sie verhält sich ganz leidend.« 197 Mit »Kritik der Vernunft« ist Kants Kritik der reinen Vernunft gemeint. Mit der »neuen Ausgabe« der Aphorismen ist die zweite »neue durchaus umgearbeitete Ausgabe« des Lehrbuches von Ernst Platner gemeint, Philosophische Aphorismen nebst einigen Anleitungen zur philosophischen Geschichte, 1. Bd., Leipzig 1782, 2. Bd., ebd. 1784. 198 Ernst Platner, Philosophische Aphorismen nebst einigen Anleitungen zur philosophischen Geschichte, 1. Theil, neue, durchaus umgearbeitete Ausgabe, Leipzig 1784, 2. Buch »Metaphysik«, 1. Hauptstück, 2. Abschnitt: »Prüfung der verschiedenen Systeme über das innere Wesen der Welt, oder den Grund unsrer Ideen von wirklichen Dingen, I . Das Humische System«, § 868 Anm., S. 285 f.: »Nach Kants Grundsätzen Kr. d. r. V. S. 182–211 gehört zwar die Voraussetzung selbstständiger Dinge zur subjectiven Möglichkeit aller Erscheinungen, weil das Entstehen und Vergehen nur in sofern von uns wahrgenommen und gehorcht werden könne, wiefern wir dasselbe an etwas Selbstständiges, d. h. an einen Zeitpunkt anhefteten, in welchem es nicht war. Daraus ziehet er also den Schluß, daß der Begriff Substanz, indem er das nothwendig erforderliche Substratum aller Zeitbedingungen, d. h. aller Dinge ist, die wir uns als nach einander folgend denken, eine wesentliche Bedingung sey, unter welcher Erscheinungen, Gegenstände möglicher Erfahrung seyn können. Daß aber der Begriff Thätigkeit oder Zustand, den Begriff, Kraft, oder Substanz in sich schließe, und also aus dem Satze des Widerspruchs bewiesen werden könne, will ihm nicht einleuchten. Mit einem Worte, er fi ndet die Nothwendigkeit des Begriffs Substanz nur in der Phantasie, aber nicht in der reinen Vernunft. Auf dieselbige Weise, d. h. aus den Regeln der Zeit, und aus seiner sogenannten Synthesis der Phantasie, erklärt er den Begriff, von Ursache und Grund überhaupt. – Indessen kann ich dennoch nicht einsehen, wie eine Entstehung aus Nichts, d. h. Thätigkeit ohne Kraft, ohne Widerspruch an sich selbst gedenklich sey. Und was die Beharrlichkeit anlangt, deren Beweis Herr Kant, in dem Begriffe Substanz, mit

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Recht so dringend fodert, so wird es darauf ankommen, ob dieselbe von unsern Seelen, und also von einer Art der Substanzen, behauptet werden könne.« 199 Auch nach Kant ist das vorstellende Subjekt an sich unvorstellbar, siehe oben Anm. 116. 200 Vgl. zu diesem Bild des sich selbst sehenden Auges oben Anm. 124. 201 Der Beweis, daß der Stoff der Vorstellung ein Mannigfaltiges sein müsse, so bemerkt Reinhold später in seinen Beyträgen zur Berichtigung bisheriger Mißverständnisse der Philosophen, 1. Band: Das Fundament der Elementarphilosophie betreffend, Jena 1790, S. 388, »ist mir gänzlich mißlungen«. Auf die Fehlerhaftigkeit dieses Beweises wurde Reinhold durch Friedrich Carl Forberg hingewiesen, vgl. auch dessen Autobiographie Lebenslauf eines Verschollenen, Hildburghausen u. a. 1840, S. 31. 202 Siehe oben § 22, S. 276 f., vgl. ferner § 17, S. 245. 203 Die Mediceische Venus ist eine römische Marmorkopie einer späthellenistischen Statue, vermutlich aus dem 2. Jh. v. Chr. (ca. 1,93 m). Sie war zunächst in der Villa Medici (Rom) aufgestellt und befi ndet sich seit 1770 in Florenz (Uffi zien). Die Statue, von der es viele Kopien gibt, galt um die Jahrhundertwende als Paradigma für Schönheit überhaupt und für weibliche Schönheit insbesondere. – Reinhold spricht in anderem Zusammenhang von ihr in seiner Gegenrezension »Schreiben eines Pfarrers zu *** an den H.[erausgeber] des T.[eutschen] M.[erkur] Ueber eine Recension von Herders Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit«, in: Der Teutsche Merkur, 1. Bd. vom Februar 1785, S. 148–174, S. 151, unter Hinweis auf Yoricks Empfi ndsame Reisen, d. i. Laurence Sterne, A Sentimental Journey through France and Italy, London 1768, chap. 18: In the Street. Calais. 204 Diesen Paragraphen kann man als Pendant zu Kants »Widerlegung des Idealismus« (KrV, B 274–279) lesen. In der »Theorie des Verstandes« (drittes Buch), die in gewisser Hinsicht der »transzendentalen Analytik« der Kritik der reinen Vernunft angelehnt ist, kommen entsprechende Überlegungen gegen den Idealismus jedenfalls nicht vor. 205 John Locke, An Essay Concerning Human Understanding, ed. by Peter Nidditch, Oxford / New York 1975, 2. Buch, Kap. 1,2, S. 104:

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»Whence has it [the mind, Hg.] all the materials of Reason and Knowledge? To this I answer, in one word, From Experience: In that, all our Knowledge is founded; and from that it ultimately derives it self.« 206 John Locke, An Essay Concerning Human Understanding, oben Anm. 205, 2. Buch, Kap. 1,24, S. 118: »These are the Impressions that are made on our Senses by outward Objects, that are extrinsical to the Mind; and its own Operations, proceeding from Powers intrinsical and proper to it self, which when reflected on by it self, become also Objects of its contemplation, are, as I have said, the Original of all Knowledge«. 207 John Locke, An Essay Concerning Human Understanding, oben Anm. 205, 2. Buch, Kap. 1,5, S. 106: »External Objects furnish the Mind with the Ideas of sensible qualities, which are all those different perceptions they produce in us: And the Mind furnishes the Understanding with Ideas of its own Operations«. 208 Gemeint ist die ältere Ausgabe, hier abgekürzt mit »ä. A.«, bzw. erste Ausg. von Ernst Platners Philosophischen Aphorismen nebst einigen Anmerkungen zur philosophischen Geschichte, 1. Theil, Leipzig 1776, 2. Theil, ebd. 1782. 209 Weggelassen ist diese »treffliche« Bemerkung aus Ernst Platner, Philosophische Aphorismen nebst einigen Anleitungen zur philosophischen Geschichte, 1. Theil, neue, durchaus umgearbeitete Ausgabe, Leipzig 1784, 1. Buch, 1. Hauptstück: »Vermischte Untersuchungen zur Bestimmung des innern Wesens der Seele«, Abh. V, §§ 85–95, S. 27–34, mit dem Titel: »Die Streitigkeit über die angebohrnen Vernunftbegriffe, in Beziehung auf das Wesen der Seele«. 210 Reinhold zitiert Ernst Platner, Philosophische Aphorismen nebst einigen Anleitungen zur philosophischen Geschichte, Leipzig 1776, 1. Hauptstück: Ueber das Wesen der Seele, Abh. 5, §§ 69–83, S. 19–29, mit dem Titel: »Etwas von der Streitigkeit über die angebohrnen Ideen, in Beziehung auf das Wesen der Seele«, § 82, S. 28 f.: »Locke gestehet Grundbestimmungen in der Seele zu, welche die Seele fähig machen, diese Wahrheiten zu empfi nden. Leibnitz will Ideen – aber | doch ohne Ideenbilder. Vielleicht sind Leibnitzens Ideen ohne Ideenbilder und ohne Bewußtseyn, nichts anderes, als Lockens Grundbestimmungen.« – Zu Leib-

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niz’ Ideen ohne Ideenbilder vgl. Nouveaux essais sur l’entendement humain, Amsterdam / Leipzig 1765, 2. Buch, Kap. 29, § 15, in: Die philosophischen Schriften von Gottfried Wilhelm Leibniz, in 7 Bdn., hrsg. von C. I. Gerhardt, Berlin 1875–90 [ND Hildesheim 1960], Bd. 5, S. 244: »Nous avons une idée complete ou juste de l’eternité, puisque nous en avons la defi nition, quoyque nous n’en ayions aucune image.« 211 John Locke, An Essay Concerning Human Understanding, oben Anm. 205, 4. Buch, Kap. 3,6, S. 539: »[…] the extent of our Knowledge comes not only short of the reality of Things, but even of the extend of our own Ideas. Though our Knowledge be limited to our Ideas, and cannot exceed them either in extend, or perfection«. 212 Vgl. Ernst Platner, Philosophische Aphorismen nebst einigen Anleitungen zur philosophischen Geschichte, erster Theil, neue, durchaus umgearbeitete Ausgabe, Leipzig 1784, 1. Buch, 1. Hauptstück, Abh. III : »Eingeschaltete Erläuterungen über das Bewußtseyn«, § 38, S. 13 f.: »Man muß unterscheiden das Bewußtseyn der Existenz, vom Bewußtseyn der Person. In | jenem fühlen wir, daß wir sind; in diesem fühlen wir, wer wir sind. Von jenem vornehmlich ist die Rede, in Rücksicht auf die streitige Frage von der unabläßigen Thätigkeit der Seele.« 213 Nach John Locke denkt die Seele zwar nicht immer, mit jedem Denken ist allerdings immer Bewußtsein verbunden, vgl. An Essay Concerning Human Understanding, ed. by Peter Nidditch, Oxford / New York 1975, 2. Buch, Kap. 1.10, S. 108 f. 214 Vgl. Gottfried Wilhelm Leibniz, Nouveaux essais sur l’entendement humain, 2. Buch, Kap. 1, § 15, in: Die philosophischen Schriften von Gottfried Wilhelm Leibniz, in 7 Bdn., hrsg. von C. I. Gerhardt, Berlin 1875–90 [ND Hildesheim 1960], Bd. 5, S. 106: »En un mot, c’est une grande source d’erreurs de croire qu’il n’y a aucune perception dans l’ame que celles dont elle s’apperçoit.« 215 Ernst Platner, Philosophische Aphorismen nebst einigen Anleitungen zur philosophischen Geschichte, a. a. O. oben Anm. 212, § 63, S. 22: »Also giebt es in der menschlichen Seele dunkle, bewußtlose Vorstellungen.« Die dazugehörige Anm. verfolgt: »Ueber die Wirklichkeit und Beschaffenheit derselben muß man vornehmlich Leibnitzen selbst lesen, in den Pr. Monadol. und in den ersten

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Kapiteln der Nouv. Essais. Von welcher Beschaffenheit die Gegengründe der Lockianer sind, kann man unter andern in Merian Mem. sur l’Apperception sehen, die in der Hist. de l’Acad. de Berlin. 1749. stehen.« 216 Ernst Platner, Philosophische Aphorismen, a. a. O., oben Anm. 212, § 65, S. 22 f.: »Die bewußtlosen Vorstellungen […] sind auf der einen Seite Wirkungen, auf der andern, Ursachen der bewußten Vorstellungen; und das ganze Leben der Seele ist eine stetige Reihe, unter dem Wechsel des Bewußtseyns und des Unbewußtseyns zusammenhängender Vorstellungen. Dieses beyläufig, wiefern es gehört zur Bestimmung des Wesens der Seele.« 217 Ernst Platner, Philosophische Aphorismen, a. a. O., oben Anm. 212, 1. Buch, 1. Hauptstück, Abh. II : »Erste Bestimmung des Wesens der Seele«, § 36, S. 13: »Es sind also in der Seele entweder möglich, Vorstellungen ohne Bewußtseyn […], oder die Seele hört zuweilen auf zu wirken, folglich zu seyn […] Das letzte ist unmöglich, und das erste scheint entgegen der gemeinsten Erfahrung«. 218 Ernst Platner, Philosophische Aphorismen, a. a. O., oben Anm. 212, § 49, S. 17: »Hieraus folgt vorläufig: die allerersten sinnlichen Ideen des neugebohrnen Kindes sind ohne Bewußtseyn, weil in dem Gedächtniß nicht vorhanden sind Ideen von Merkmalen, Gattung und Art, welche erweckt werden könnten auf Veranlassung des jetzt vorschwebenden sinnlichen Gegenstandes«. 219 Ernst Platner, Philosophische Aphorismen, a. a. O., oben Anm. 212, § 59, S. 20: »Das Bewußtseyn der Person […] ist selten vollkommen, außer wenn es erweckt und unterhalten wird. Am leichtesten verliert es sich beym tiefen Nachdenken.« 220 Zu Reinholds Theorie des Selbstbewußtseins vgl. Jürgen Stolzenberg, »Selbstbewußtsein. Ein Problem der Philosophie nach Kant«, in: Revue internationale de philosophie 3 (1996), S. 461– 482, bes. 463–472. 221 Gemeint ist der Verfasser der Kritik der reinen Vernunft, Riga 1781, ²1787, Immanuel Kant. 222 Vgl. das Lemma »Farben, Colores, Couleurs« im Physikalischen Wörterbuch oder Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe

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und Kunstwörter der Naturlehre mit kurzen Nachrichten von der Geschichte der Erfi ndungen und Beschreibungen der Werkzeuge, hrsg. von Johann Samuel Traugott Gehler, zweyter Theil von Erd bis Lin mit sechs Kupfertafeln, Taf. VIII . bis XIII . Leipzig 1789, S. 131 f., wonach Farben »Eigenschaften der verschiedenen Theile des Lichts [sind, Hg.], gewisse Empfi ndungen in uns zu erregen, wenn sie durch Brechung oder durch andere Ursachen von einander gesondert oder nach verschiedenen Verhältnissen vermischt, in unser Auge kommen.« Dem der Verf. hinzufügt, daß es »unmöglich« sei, eine bessere »Defi nition« zu geben. – Isaac Newton hat seine Theorie des Lichts bearbeitet in Opticks, or a Treatise of the Refl exions, Refractions, Infl exions and Colours of Light. Also two Treatises of the Species and Magnitude of Curvilinear Figures, London 1704. 223 Siehe unten §§ 77–86, S. 479 ff. 224 Den »Erörterungen zum Versuch«, in: Beyträge zur Berichtigung bisheriger Mißverständnisse der Philosophen, 1. Band: Das Fundament der Elementarphilosophie betreffend, Jena 1790, S. 375– 404, bes. S. 398, zufolge, sollen die folgenden §§ 42–46 durch dasjenige ersetzt angesehen werden, was in dem Kap. »Theorie des Erkenntnisvermögens überhaupt« der »Neuen Darstellung der Hauptmomente der Elementarphilosophie« zur Theorie des Erkenntnisvermögens neu aufgestellt und dargelegt ist. D. h. die §§ 42–46 des Versuchs sollen ersetzt werden durch Beyträge I , S. 223–254, §§ 23–44. 225 In Beyträge I , a. a. O., oben Anm. 224, S. 392, erklärt Reinhold diese Erklärung für untauglich und nimmt sie zurück. 226 Das lateinische Wort »Objectum« ist eine Zusammensetzung aus dem Präfi x »ob« (gegen, vor) mit dem Verb »iacio« (werfen). 227 In Beyträge I , a. a. O., oben Anm. 224, S. 398, bemerkt Reinhold, er habe »übereilt […] das Vermögen der Anschauung als die Sinnlichkeit im eigentlichsten Verstande erklärt«, welchen »sehr beträchtlichen Fehler« er allerdings in seiner »neu aufgestellten Theorie des Erkenntnisvermögens überhaupt zu verbessern gesucht« habe, nämlich ebd., §§ 23–44, S. 223–254. 228 In Georg Friedrich Meiers Übersetzung von Baumgartens Metaphysik ist die Rede von fünf »Werkzeuge[n] der Sinne (aestheteria, organa sensuum)«, und zwar »Gefühl (tactus)«, »Gesicht

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(visus)«, »Gehör (auditus)«, »Geruch (olflatus)« und »Geschmack (gustus)«, kraft dieser fünf Werkzeuge »habe ich ein Vermögen zu empfi nden« (Alexander Gottlieb Baumgartens, Professors der Philosophie, Metaphysik, neue vermehrte Aufl. Halle 1783, § 397, S. 181). Diese Unterscheidung liegt im Grunde genommen auch schon bei Aristoteles vor, vgl. De anima, 418 a 26–424 a 16. 229 Kant versteht »unter der Synthesis der Apprehension die Zusammensetzung des Mannigfaltigen in einer empirischen Anschauung […], dadurch Wahrnehmung, d. i. empirisches Bewußtsein derselben (als Erscheinung), möglich wird.« (KrV, B 160) In der ersten Aufl. der KrV von 1781, wo der Begriff »Apprehension« nur eher sporadisch vorkommt, wird er folgenderweise defi niert: »Damit nun aus diesem Mannigfaltigen Einheit der Anschauung werde (wie etwa in der Vorstellung des Raumes), so ist erstlich das Durchlaufen der Mannigfaltigkeit und dann die Zusammennehmung desselben nothwendig, welche Handlung ich die Synthesis der Apprehension nenne, weil sie gerade zu auf die Anschauung gerichtet ist, die zwar ein Mannigfaltiges darbietet, dieses aber als ein solches und zwar in einer Vorstellung enthalten niemals ohne eine dabei vorkommende Synthesis bewirken kann.« (KrV, A 99). 230 In Georg Friedrich Meiers Übersetzung von Alexander Gottlieb Baumgartens Metaphysik wird das »Gesetz der Empfi ndungen« folgenderweise defi niert: »so wie die Zustände der Welt und die meinigen auf einander folgen, eben so folgen die Empfi ndungen derselben aufeinander.« (Alexander Gottlieb Baumgartens, Professor der Philosophie, Metaphysik, neue vermehrte Aufl., Halle 1783, § 401, S, 184). 231 Johann August Eberhard hat die von Georg Friedrich Meier veranstaltete deutsche Übersetzung der Metaphysica Alexander Gottlieb Baumgartens, die 1766 in Halle erschienen ist (das oft erwähnte Erscheinungsjahr 1776 der Übersetzung ist falsch), erneut herausgegeben unter dem Titel Alexander Gottlieb Baumgartens, Professors der Philosophie, Metaphysik, neue vermehrte Auflage, Halle 1783 (Meiers Übersetzung von 1766 ist unter demselben Titel, allerdings ohne den Zusatz »neue vermehrte Auflage« erschienen). Übersetzt hat Meier vermutlich die 3. Aufl. der Metaphysica Baumgartens (Halle 1750), da er von den deutschen Fachausdrükken abweicht, die Baumgarten erst der 4. Aufl. von 1757 anmer-

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kungsweise den meisten Paragraphen hinzugesetzt hat. Meier hat außerdem die ursprünglich 1000 Paragraphen Baumgartens auf 743 gekürzt. Die Neuausgabe Eberhards enthält einen kurzen eigenen Vorbericht und Anmerkungen zu einigen wenigen Paragraphen. Die wichtigen »Vorreden« Baumgartens sind in Eberhards Neuausgabe nicht übersetzt, wie auch schon nicht in der früheren Ausgabe Meiers. 232 Die Sätze ineinander verschränkend, wird zitiert nach Alexander Gottlieb Baumgartens, Professors der Philosophie, Metaphysik, neue vermehrte Auflage, Halle 1783, 3. Abschnitt: »Von dem Sinne«, § 396, S. 182: »Ich denke meinen gegenwärtigen Zustand, folglich stelle ich mir denselben vor, das ist, ich empfi nde. Die Vorstellungen meines gegenwärtigen Zustandes, oder die Empfi ndungen (sensationes, apparitiones) sind Vorstellungen des gegenwärtigen Zustandes der Welt, und sie werden durch die Kraft der Seele gewürkt, wodurch sie sich die Welt nach der Lage ihres Körpers vorstelt. §. 377. Sie sind entweder Vorstellungen des gegenwärtigen Zustandes meiner Seele, oder meines Körpers. Jene sind die innerlichen Empfi ndungen (sensatio interna, conscientia strictus dicta), diese die äusserlichen (sensatio externa). Ich habe ein Vermögen zu empfi nden, §. 42. 144. das ist, den Sinn (sensus), welcher entweder ein innerlicher ist (sensus internus) das Vermögen innerlicher, oder ein äusserlicher (sensus externus) das Vermögen äusserlicher Empfi ndungen.« 233 Baumgartens Metaphysik, a. a. O., oben Anm. 232, § 383, S. 174: »Eine undeutliche, das ist eine dunkele oder verworrene, Vorstellung ist sinnlich (repraesentatio sensitiua), und dergleichen sind in meiner Seele. §. 375.« 234 Baumgartens Metaphysik, a. a. O., oben Anm. 232, § 376, S. 170: »Aus der Stellung meines Körpers in dieser Welt kan erkannt werden, warum ich mir diese Dinge dunkeler, jene klärer und andere deutlich vorstelle, §. 374. 215. das ist, ich stelle mir diese Dinge vor, nach Maaßgebung der Stellung meines Körpers gegen dieselben in der Welt (repraesento pro positu corporis).« 235 Baumgartens Metaphysik, a. a. O., oben Anm. 232. 236 Baumgartens Metaphysik, a. a. O., oben Anm. 232, § 377, S. 171: »Meine Seele ist eine Kraft §. 371. welche vorstelt §. 372. diese Welt §. 373 nach der Stellung meines Körpers. §. 376.«

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Georg Bernhard Bilfi nger, Dilucidationes philosophicae de deo, anima humana, mundo, et generalibus rerum affectionibus, Tübingen 1725 [ND Christian Wolff, Gesammelte Werke, Materialien und Dokumente, hrsg. von J. École, H. W. Arndt, Ch. A. Corr, J. E. Hofmann und M. Thomann, 3. Abt., Bd. 18, Hildesheim 1982], § 252, S. 243: »Asseruimus Animae potentiam repraesentandi res, ut extra se positas, secundum mutationes, quas in certa corporis parte organica faciunt.« 238 In der Anm. ist Reinhold ein Fehler unterlaufen, denn nicht § 369, sondern § 396 der Eberhardschen Ausgabe von Alexander Gottlieb Baumgartens, Professors der Philosophie, Metaphysik, neue vermehrte Auflage, Halle 1783, wird in dieser Anm. zitiert: »Jene sind die innerlichen Empfi ndungen (sensatio interna conscientia strictus dicta)« (S. 182). 239 Zur prästabilierten Harmonie bei Gottfried Wilhelm Leibniz vgl. Essais de Théodicée sur la bonté du dieu, la liberté de l’ homme et l’origine du mal, 1. Teil, § 18, in: Die philosophischen Schriften von Gottfried Wilhelm Leibniz, in 7 Bdn., hrsg. von C. I. Gerhardt, Berlin 1875–90 [ND Hildesheim 1960], Bd. 6, S. 112 f., und Monadologie, § 78 ff., ebd., Bd. 6, S. 620. Auch Alexander Gottlieb Baumgarten vertritt sie, Metaphysica, Halle 71779 [ND Hildesheim 1963], § 463 ff. Ferner ausführlich Georg Bernhard Bilfi nger, De harmonia animi et corporis humani maxime praestabilita, ex mente illustris Leibnitii, commentatio hypothetica, 3. Aufl., Tübingen 1741 [ND in: Christian Wolff, Gesammelte Werke, Materialien und Dokumente, hrsg. von J. École, H. W. Arndt, Ch. A. Corr, J. E. Hofmann und M. Thomann, 3. Abt., Bd. 21, Hildesheim 1984], S. 73 ff. 240 Aristoteles behauptet nur an einer, zudem schwer zu interpretierenden Stelle, daß der Verstand (noàj) leidend (paqhtikÕj) ist, nämlich De anima III , 5, 430 a 10–25. Hinzugezogen werden könnte auch noch eine Stelle aus Aristoteles’ Metaphysik, wo es heißt, daß der Geist aufnahmefähig (detikÕn) für das Denkbare ist, vgl. XII , 7, 1072 b 22. – Die dem Aristoteles zugeschriebene Lehre von einem »leidenden und wirkenden […] (nouj paqhtikoj und poihtikoj)« Verstand, wobei »[d]er leidende oder empfi ndende, Verstand […] die Einheit des Erkenntnisvermögens« erklären soll, vertritt Reinhold auch im siebten Merkur-Brief, »Skizze einer Geschichte des p[s](h)ychologischen Vernunftbegriffes der 237

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einfachen denkenden Substanz«, in: Der Teutsche Merkur, 3. Bd., 1787, S. 142–165, S. 159, vgl. auch achter Merkur-Brief »Fortsetzung des vorigen. – Hauptschlüssel zur rationalen Psychologie der Griechen«, ebd., 3. Bd., 1787, S. 247–278, S. 259, wonach der wirkende Verstand »das allgemeine denkt« und der leidende »das Besondere oder den Stoff der Sinnlichkeit aufnimmt«. 241 Gemeint ist vermutlich folgender Einwurf gegen die Kritik der reinen Vernunft von Johann August Eberhard, »Ueber das Gebiet des reinen Verstandes«, in: Philosophisches Magazin, 1. Bd. (1788), 3. Stück, Nr. 2, S. 280 f.: »Man kann nicht beweisen, daß eine andere Anschauung, als die sinnliche, deren Form Raum und Zeit ist, möglich sey.« 242 Offenbar meint Reinhold die Schrift von Johann Georg Heinrich Feder, Ueber Raum und Caussalität zur Prüfung der Kantischen Philosophie, Göttingen 1787 [ND Aetas Kantiana, Bruxelles 1968], passim. 243 Die Ableitung des Raumes nimmt Kant in den Prolegomena, § 10, Akad.-Ausg., 4.283, so vor, daß, »wenn man von den empirischen Anschauungen der Körper und ihrer Veränderungen (Bewegung) alles Empirische, nämlich was zur Empfi ndung gehört, wegläßt, so bleiben noch Raum und Zeit übrig«. Vgl. neben KrV, B 38 f. auch KrV, A 28: »Wir behaupten also die empirische Realität des Raumes (in Ansehung aller möglichen äußeren Erfahrung), obzwar zugleich die transscendentale Idealität desselben, d. i. daß er Nichts sei, so bald wir die Bedingung der Möglichkeit aller Erfahrung weglassen und ihn als etwas, was den Dingen an sich selbst zum Grunde liegt, annehmen.« Über den empirischen Raum vgl. auch die Metaphysischen Anfangsgründe der Naturwissenschaft, Riga 1786, bes. die 2. Anm. im Phoronomiekapitel, Akad.Ausg., 4.481 f. 244 Diese Frage stellt etwa Johann August Eberhard, »Ueber das Gebiet des reinen Verstandes«, in: Philosophisches Magazin, 1. Bd. (1788), 3. Stück, Nr. 2, S. 275 f.: »der Sinnlichkeit wird der Stoff gegeben«, wir können »ihn nicht anders erhalten, als in den Empfi ndungen […] Wer gibt aber die Empfi ndungen […], was ist die Ursach unserer Empfi ndungen? Hier bleibt uns keine weitere Wahl, als zwischen den äußern Gegenständen und zwischen der Schöpferkraft, welche die Empfi ndungen durch eine unmittel-

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bare Einwirkung auf das Gemüth hervorbringt. […] Wir mögen wählen, welches von beiden wir wollen, die Schöpferkraft oder die Einwirkung der Kräfte sinnlicher Gegenstände: so kommen wir auf Dinge an sich.« 245 Vgl. das zweite Buch »Theorie des Vorstellungsvermögens überhaupt«, bes. § 32, S. 307–313. 246 Nach KrV, A 24 / B 38 f. ist der Raum »eine nothwendige Vorstellung a priori, die allen äußeren Anschauungen zum Grunde liegt. Man kann sich niemals eine Vorstellung davon machen, daß kein Raum sei […] Er wird also als die Bedingung der Möglichkeit der Erscheinungen und nicht als eine von ihnen abhängende Bestimmung angesehen und ist eine Vorstellung a priori, die nothwendiger Weise äußeren Erscheinungen zum Grunde liegt.« 247 Vgl. KrV, A 23 / B 38: »Der Raum ist kein empirischer Begriff, der von äußeren Erfahrungen abgezogen worden.« 248 Mit der ersten Position ist der leibnizische und mit der zweiten der newtonsche Raumbegriff gemeint. 249 Siehe oben das zweite Buch »Theorie des Vorstellungsvermögens überhaupt«, bes. § 17, S. 244–255. 250 Das heißt, Dinge an sich sind lediglich denkbar. Die Wendung, daß dem Ding an sich keine vorstellbaren Prädikate beigelegt werden können, scheint zumindest terminologisch eine Erfi ndung Reinholds zu sein. 251 Zu der sogenannten Stufenleiter der Vorstellung (KrV, A 320 / B 376 f.) vgl. oben Anm. 168. 252 Zu den Urteilen als Vermögen des Verstandes und den Schlüssen als Vermögen der Vernunft vgl. KrV, A 69 / B 94, A 80 / B 106, A 329 / B 386 und Prolegomena, § 22, Akad.-Ausg., 4.304. Zu dieser Unterscheidung siehe auch oben Anm. 112 und 113. 253 Das anschauende Urteil wird insbesondere erörtert von Georg Friedrich Meier, Auszug aus der Vernunftlehre, Halle 1752. Hier gehört es zu den erweislichen Urteilen, die durch Erfahrung gewiß sind, vgl. § 319, S. 89 (= Akad.-Ausg., 16.674 f.): »Das anschauende Urtheil besteht aus lauter Erfahrungsbegriffen, und ist eine unmittelbare Erfahrung […], und ein einzelnes Urtheil […] Kein anschauendes Urtheil ist unerweislich […], denn ich muss mich

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allemal eines einzeln Falles erinnern, und daher erkennen, wie und ob ich ohne Betrug zu einem solchen Urtheile gelanget bin […]. Alle anschauenden Urtheile sind die ersten Anfänge aller Demonstrationen aus der Erfahrung«. Ferner, § 320, S. 89 f. (= Akad.-Ausg., 16.676): »Wenn man ein anschauendes Urtheil fi nden will, so nehme man 1) die Sache, die man empfi ndet, zum Subjecte an; 2) man zergliedere die Empfi ndung, nach […]; 3) die entdeckten Merkmale bejahe man von dem Subjecte«; und ebd., § 321, S. 90 (= Akad.-Ausg., 16.676) f.: »Die Prädicate anschauender Urtheile können zufällige Beschaffenheiten, Veränderungen, Verhältnisse, Würkungen, Ursachen, Handlungen und Leiden sein; niemals aber das Wesen, die wesentlichen Stücke, die Eigenschaften, und verneinenden Merkmale […] Kein verneinend Urtheil ist ein anschauendes Urtheil, ob es wohl aus einem anschauenden Urtheile kann hergeleitet werden, indem die Merkmale, welche denenjenigen entgegen gesetzt sind, die wir in dem Subjecte empfi nden, mit Wahrheit von demselben verneinet werden können«; und ebd., § 322, S. 90 (= Akad.-Ausg., 16.677): »Aus den anschauenden Urtheilen werden allgemeine hergeleitet: 1) Wenn man von allen Dingen einer Art, nach […], ein anschauendes Urtheil fället, und alsdenn schliesst, dass das Prädicat von der ganzen Art allgemein bejahet werden könne […] 2) Wenn man aus Einem anschauenden Urtheile ein allgemeines herleiten will, so a) suche man den höhern Begriff, unter welchen das Subject gehört, nach […] b) Man suche die Bedingung des anschauenden Urtheils. c) Man untersuche, ob sie in dem höhern Begriffe schlechterdings nothwendig, oder zufällig sei. In dem letzten Falle verbinde man sie mit dem Subjecte, und alsdenn kann man in beiden Fällen das Prädicat allgemein von dem höhern Begriffe bejahen«. 254 René Descartes ist der Vater des Satzes: »Ac proinde haec cognitio, Ego cogito, ergo sum, est omnium prima & certissima, quae cuilibet ordine philosophanti occurat.« (Principia philosophiae, Amsterdam 1644, in: René Descartes, Œuvres, hg. von Charles Adam und Paul Tannery, ND Paris 1964–1974, Bd. 8, S. 6) Dazu die französische Fassung des Satzes »ie pense, donc ie suis« (Discours de la méthode Pur bien conduire sa raison, & chercher la verité dans les sciences, Leiden 1637, in: Œuvres, ebd., Bd. 6, S. 32.

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Nach René Descartes ist das Ausgedehnte nicht durch Sinnlichkeit oder Einbildungskraft, sondern nur durch den Verstand zu erkennen, vgl. Meditationes de prima philosophia, Dei existentia et animae immortalitatis demonstrantur, Amsterdam 1641, ²1642, Meditatio 2, § 16, in: René Descartes, Œuvres, a. a. O. oben Anm. 254, Bd. 7, S. 31: »nam cum mihi nunc notum sit ipsamet corpora non proprie a sensibus vel ab imaginandi facultate, sed a solo intellectu percipi.« 256 Nach Gottfried Wilhelm Leibniz’ Monadologie, in: Die philosophischen Schriften von Gottfried Wilhelm Leibniz, in 7 Bdn., hrsg. von C. I. Gerhardt, Berlin 1875–90 [ND Hildesheim 1960], Bd. 6, § 1, S. 607, sind Monaden einfache Substanzen (»substance simple«), d. h. ohne Teile, aus denen die zusammengesetzten Dinge bestehen. Alles Zusammengesetzte ist ein Aggregat der einfachen Substanzen: »car le composé n’est autre chose, qu’un amas, ou aggregatum des simples« (ebd., § 2). Ohne solche Aggregate von Monaden gibt es keine Ausdehnung: »Or là, où il n’y a point de parties, il n’y a ny étendue, ny figure, ny divisibilité possible. Et ces Monades sont les veritables Atomes de la Nature, et en un mot les Elemens des choses« (ebd., § 3). 257 Nach Spinoza gibt es nur eine schlechthin unendliche Substanz, oder auch Gott, die eine unendliche Menge ihrer Art nach ewiger und unendlicher (infi nitum in suo genere) und wohlunterschiedener Attribute ausdrückt, vgl. Ethica ordine geometrico demonstrara, o. O. [Amsterdam] 1677, 1. Teil, Def. VI : »substantiam constantem infi nitis attributis, quorum unumquodque aeternam, et infi nitam essentiam exprimit«, von welchen Attributen dem Menschen allerdings nur Ausdehnung und Denken zugänglich sind. 258 Daß negative Urteile durch Verbindung negativer Merkmale zustande kämen, ist eine merkwürdige Bestimmung des negativen Urteils, die jedenfalls von Kant nicht auf diese Weise vertreten wird, vgl. etwa die Jaesche-Logik, Akad.-Ausg., 9.104. Auch scheint Reinhold diese Defi nition nicht aus der Logik der wolffi schen Schule zu haben, vgl. etwa Georg Friedrich Meier, Auszug aus der Vernunftlehre, Halle 1752, wo im 9. Absch.: »Von den gelehrten Urtheilen«, § 293 f., S. 81 f. (= Akad.-Ausg., 16.635 ff.), das verneinende Urteil »iudicium negans, negativum« durch die Negation der Kopula defi niert ist, denn werden in einem Urteil 255

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Anmerkungen des Herausgebers

Subjekt und Prädikat verneint, die Kopula jedoch nicht, so geht es um »ein bejahendes Urtheil, welches ein unendliches Urtheil genennet wird (iudicium infi nitum). Man kann also alle verneinende Urtheile in bejahende verwandeln, wenn man die Verneinung von dem Verbindungsbegriffe weg zum Prädicate setzt.« 259 Die Auffassung, daß dem Urteil eine vorreflexive Verbindung oder Synthese vorausliegen muß, oder noch allgemeiner, daß jeder Analysis eine Synthesis vorhergeht, ist grundlegend für Reinholds Philosophie. Dieser Grundgedanke wird einige Jahre später (ca. 1795) auch für Friedrich Hölderlin in dem Fragment »Seyn, Urtheil und Modalität« (Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke und Briefe, hrsg. von Michael Knaupp, 3 Bde., München 1992, Bd. 2, S. 49–50) von großer systematischer Bedeutsamkeit. Wahrscheinlich ist Hölderlin für seine Überlegungen über das Urteil von den Ausführungen Fichtes anläßlich seiner Vorlesung vom WS 1794–95 über Platners Aphorismen (vgl. Fichte-GA II/4 Supplement, S. 182) abhängig, was jedoch nicht ausschließt, daß Reinhold in diesem Zusammenhang ebenfalls eine entscheidende Rolle zukommt, nämlich hinsichtlich Fichtes Überlegungen zum Urteil in seiner Vorlesung. Die Rolle Reinholds für diese Auffassung des Urteils sowohl bei Fichte wie bei Hölderlin ist bislang kaum erforscht. 260 Die folgende Ableitung der Urteilsformen weicht erheblich von der Darstellung in der Kritik der reinen Vernunft ab. Tatsächlich hat sich Reinhold bereits sehr früh, und das offensichtlich auch kritisch, mit Kants Urteils- und Kategoriendeduktion befaßt. In seinem ersten Brief an Kant vom 12. Oktober 1787 bittet er ihn, sich über diese Ableitung genauer zu erklären. Dabei weist er auf zwei seines Erachtens schwierig miteinander in Einklang zu bringende Stellen hin. Die eine fi ndet sich in einer Anmerkung zu den Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft, Riga 1786, nach der das »Hauptfundament« des kritischen »Systemes auch ohne vollständige Deduktion der Categorien feststehe«, dagegen soll die Kritik der reinen Vernunft (sowohl in der A- als der B-Ausgabe) »die unumgängliche Nothwendigkeit jener Deduktion behauptet und erwiesen« haben (vgl. KA 1.276). Reinhold bittet Kant, sich zur Deduktion in einem besonderen Aufsatz für den Teutschen Merkur genauer zu erklären. – Weiter unten fi ndet sich die erste, aller-

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dings noch vorsichtig geäußerte öffentliche Kritik an Kants Deduktion. Hier ist die Rede von der »von Kant zuerst aufgestellten, aber freilich noch nicht so ganz bestimmt deduzierten Tafel der ursprünglichen Formen der Urteile« (§ 72, S. 448). Ausdrücklicher ist Reinholds Kritik in Beyträge zur Berichtigung bisheriger Mißverständnisse der Philosophen, 1. Band: Das Fundament der Elementarphilosophie betreffend, Jena 1790, S. 315 f.: »Um aber die übrigen Categorien als bloße in der Handlungsweise des Verstandes bestimmte Modifi kationen der objektiven Einheit zu entdecken, ist die bloße, (auch an sich richtige und vollständige) Aufstellung der Formen der Urtheile, welche in der Kritik der Vernunft vorgenommen ist, meines Erachtens noch nicht hinreichend. Es muß dabey die Vollständigkeit dieser Formen selbst erwiesen; es muß gezeigt werden, daß nur die angegebenen vier Momente (der Quantität, Qualität, Relation, Modalität) und nicht mehr und nicht weniger; und in jedem derselben nur drey Formen der Urtheile[,] nicht mehr und nicht weniger möglich sind. Dies ist, meines Wissens, in der Kritik der Vernunft nicht geschehen; und | da von dem Beweise dieser Vollständigkeit die Erweislichkeit des wirklich gerechten Anspruchs der Kr. d. r. V., das ganze Feld des Verstandes ausgemessen und die Stammbegriffe dieses Vermögens erschöpft zu haben, abhängt: so dürfte wohl schon in dieser Rücksicht allein der Theorie des V. V. von der Kr. d. r. V. noch etwas mehr als die bloße weitere Erörterung der Kantischen Begriffe übrig gelassen worden seyn.« Außerdem heißt es bei Reinhold hier: »Die Theorie des V. V. hat diesem Bedürfnisse der kritischen Philosophie dadurch abgeholfen, daß sie die Vollständigkeit der von Kant aufgestellten Formen der Urtheile, durch eine vollendete Zergliederung des Begriffs eines Urtheils erwiesen, und diesem Begriffe die vier Momente der Urteile sowohl, als die ihnen untergeordneten Formen durch lauter dichotomische Einteilungen untergeordnet hat. Ich trage um so weniger ein Bedenken zu behaupten, daß diese Deduktion der Formen der Urtheile jeden, der sie verstehen kann und will, durch ihre Augenscheinlichkeit und Neuheit überraschen muß.« (Ebd., S. 316) Zu den historischen Hintergründen der Deduktion vgl. vom Hrsg., »Vorüberlegungen zur Herleitung der Urteilsformen und Kategorien in Reinholds Theorie des Vorstellungsvermögens«, in: Archivio di flilosofi a 83 (2005), S. 93–113.

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Mit dieser Bemerkung will Reinhold offenbar klarstellen, daß der hier verwendete Begriff der Vielheit nicht zu verwechseln sei mit dem der Kategorie »Vielheit«. 262 Bei Kant ist die Reihenfolge der Urteile der Quantität umgekehrt, d. h. er gliedert die Trias nach allgemeines, besonderes und einzelnes Urteil, vgl. KrV, A 70 / B 95. 263 Dies ist die Kantische Einteilung der drei Urteile der Qualität. Reinhold nennt das unendliche Urteil allerdings auch »indefi nitum«, d. h. unbestimmt. Unten in der Tafel der Urteilsformen und Kategorien wird dies dann tatsächlich der Titel für diese Urteilsform, vgl. § 72, S. 449. Kant identifi ziert das unendliche Urteil nicht mit dem unbestimmten Urteil. 264 Dies sind die Urteile der Relation, die unten abgeleitet werden. 265 Dies sind die Urteile der Modalität, die unten nach den Urteilen der Relation abgeleitet werden. 266 Es werden die Titel der vier Urteilsfunktionen näher bestimmt. 267 Reinhold spielt mit diesen Begriffen auf die Urteilslehre der wolffischen Schule an, vgl. dazu besonders das 1. Kap. »De judiciorum differentia« im 1. Teil, Sectio III »De judicio in specie« von Christian Wolffs Philosophia rationalis sive logica, Frankfurt / Leipzig 1728, ³1740 [ND in: Christian Wolff, Gesammelte Werke, Materialien und Dokumente, hrsg. von J. École, H. W. Arndt, Ch. A. Corr, J. E. Hofmann und M. Thomann, 2. Abt., Bd. 1/1–3, Hildesheim 1983], §§ 198–259, S. 216–253. – Was von Reinhold hier als Unterschied zwischen ursprünglichen Formen der Urteile und ihren äußeren Verhältnissen gefaßt wird, ist, was Kant später in Ueber eine Entdeckung, nach der alle neue Kritik der reinen Vernunft durch eine ältere entbehrlich gemacht werden soll, Königsberg 1790, als Unterschied zwischen »Urteil« und »Satz« auf den Punkt bringen wird. Das heißt, in einem Satz werden Behauptungen aufgestellt, während ein Urteil den mentalen Akt mit dem darin ausgedrückten Gehalt darstellt. Sätze sind deshalb assertorisch. Entscheidend ist für Kant nun die hieraus gezogene Konsequenz, daß ein Satz niemals problematisch sein kann, sondern nur Urteile, weil ein problematischer Satz eine Behauptung aufstellen müßte, die er nicht behauptet, was freilich keinen Sinn macht, vgl. 261

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hierzu Akad.-Ausg., 8.193 f. Diese Kritik hatte Kant auch bereits in seinem Brief vom 12. Mai 1789, mit einem Nachtrag vom 19. Mai, an Reinhold geäußert, vgl. Akad.-Ausg., 11.33–48. – Zum Unterschied zwischen Satz und Urteil bei Kant vgl. Gabriel Nuchelmans, Judgement and Proposition. From Descartes to Kant, in der Reihe: Verhandelingen der Koninklijke Nederlandse Akademie van Wetenschappen, Afd. Letterkunde, Nieuwe Reeks, Deel 118, Amsterdam 1983, S. 254. 268 Im Zusammenhang mit dem oben (in Anm. 267) Gesagten ist mit den »Gegnern der kritischen Philosophie« offenbar zunächst Johann August Eberhard gemeint, vgl. dazu besonders dessen Aufsatz »Ueber die Unterscheidung der Urtheile in analytische und synthetische«, in: Philosophisches Magazin, 1. Bd. (1788), 3. Stück, Nr. 4, S. 307–332. 269 Siehe oben Anm. 260. Eine Deduktion der Urteilstafel ist nach Reinhold vermutlich zur Vermeidung des Zirkels notwendig, daß die Urteilstafel das heuristische Mittel ist, um zu den zwölf reinen Verstandesbegriffen zu gelangen; wahrscheinlich denkt Reinhold hier an Passagen wie KrV, A 79 / B 105 f.: »Dieselbe Function, welche den verschiedenen Vorstellungen in einem Urtheile Einheit giebt, die giebt auch der bloßen Synthesis verschiedener Vorstellungen in einer Anschauung Einheit, welche, allgemein ausgedrückt, der reine Verstandesbegriff heißt«, oder KrV, A 69 / B 94: »Die Functionen des Verstandes können also insgesammt gefunden werden, wenn man die Functionen der Einheit in den Urtheilen vollständig darstellen kann.« Dazu die Kritik von Gottlob August Tittel, Kantische Denkformen oder Kategorien, Frankfurt / M. 1787, S. 52: »Es fället wohl jedem in die Augen, daß, wenn Kant jene willkührliche Erklärung von Erkennen (denken) [daß nämlich alles Erkennen im Urteilen besteht, Hg.] voranstellen durfte […], wenn alle Erkenntniß […] nur durch Urtheilen, d. h. durch Zurückführung gewisser Gegenstände auf gewisse Begriffe entstehen konnte – das Spiel nun leicht zu gewinnen war. Ganz natürlich war es nun, daß diese Begriffe die Erfahrung selbst erst möglich machen mußten. Aber das hieße ja doch nichts anderes als idem per idem beweisen.« 270 Nur in den Prolegomena, § 21, Akad.-Ausg., 4.302 f., stellt Kant die Urteils- und Kategorientafel ähnlich wie hier zusam-

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men dar. Systematisch gesehen geht freilich bei Kant die Behandlung der Urteilstafel der der Kategorientafel vorher, vgl. KrV, A 70 / B 95, bzw. KrV, A 80 / B 106. Hinsichtlich Reinholds Behandlung ist allerdings auch festzustellen, daß er, anders als Kant, keine metaphysische und transzendentale Deduktion der Kategorien vornimmt bzw. diese bei Kant systematisch wesentliche Unterscheidung aufgibt. 271 Reinhold führt im Hinblick auf die Kantische Urteilstafel mit dem Ausdruck »unbestimmte Urteile« eine neue Terminologie ein, siehe auch oben Anm. 263. 272 Reinhold vertauscht im Hinblick auf die Kantische Einteilung die ersten beiden Urteilsformen und Kategorien. Nach Kant ist die Modalität des Urteils gegliedert in 1. problematische, 2. assertorische und 3. apodiktische Urteile, vgl. KrV, A 70 / B 95 und Prolegomena, § 21, Akad.-Ausg., 4.302 f., und sind die Modalitätskategorien gegliedert in 1. Möglichkeit / Unmöglichkeit, 2. Dasein / Nichtdasein und 3. Notwendigkeit / Zufälligkeit, vgl. KrV, A 80 / B 106 und Prolegomena, § 21, Akad.-Ausg., 4.302 f. 273 Auch diese Einteilung übernimmt Reinhold von Kant, vgl. KrV, B 110: »daß sich diese Tafel, welche vier Classen von Verstandesbegriffen enthält, zuerst in zwei Abtheilungen zerfällen lasse, deren erstere auf Gegenstände der Anschauung (der reinen sowohl als empirischen), die zweite aber auf die Existenz dieser Gegenstände (entweder in Beziehung auf einander oder auf den Verstand) gerichtet sind. Die erste Classe würde ich die der mathematischen, die zweite der dynamischen Kategorien nennen. Die erste Classe hat, wie man sieht, keine Correlate, die allein in der zweiten Classe angetroffen werden. Dieser Unterschied muß doch einen Grund in der Natur des Verstandes haben.« 274 Statt »seine« ist zu erwägen, »ihre« zu lesen, nämlich die Natur der Kategorien. 275 Auch Kant nennt die Kategorien »die wahren Stammbegriffe des reinen Verstandes«, KrV, A 81 / B 107. 276 Gemeint ist Kants Kritik der reinen Vernunft. 277 Eine Tafel der Schemate hat Kant in der Kritik der reinen Vernunft nicht aufgestellt. Was Reinhold allerdings im folgenden ausführt, fi ndet sich der Sache nach in KrV, A 142–145 / B 183–184. – Eine »Tafel der Schemate« wurde erstmals aufgestellt von Carl

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Christian Erhard Schmid, Critik der reinen Vernunft im Grundrisse, 2., verb. Aufl., Jena 1788, § 108, S. 52 f. 278 Nach der traditionellen Aristoteles-Auffassung ist die Materie (hyle) ein Substrat, das allen Dingen als Material aller möglichen Gestaltung zugrunde liegt und dem Entstehen und Vergehen entzogen ist. Aristoteles nennt es auch erstes Substrat jedes Gegenstandes, vgl. Aristoteles, Physik, I, 9, 192 a 25–34. – Besonders nachdrücklich wird die Ewigkeit der Materie von den französischen Materialisten vertreten, vgl. z. B. Baron Paul-Henri Thiry d’Holbach, Système de la nature, ou, des loix du monde physique et du monde moral, London bzw. Amsterdam 1770 [die erste deutsche Ausgabe erscheint 1783], 1. Buch, Kap. 6, S. 88. 279 Alexander Gottlieb Baumgarten defi niert »notwendig« in der Metaphysica, Halle 71779 [ND Hildesheim 1963], § 101, S. 28: »Necassarium [Anm.: nothwendig] est, cuius oppositum est impossibile«. Bestimmter wird der Unterschied zwischen notwendig und Notwendigkeit angegeben in der Übersetzung Alexander Gottlieb Baumgartens, Professors der Philosophie, Metaphysik, neue vermehrte Auflage, Halle 1783, § 80, S. 31: »Nothwendig (necessarium) ist dasjenige, dessen Gegentheil unmöglich ist, und die Nothwendigkeit (necessitas) ist die Bestimmung eines Dinges, vermöge deren [verbessert aus: dessen] es nothwendig ist.« 280 John Locke, An Essay Concerning Human Understanding, ed. by Peter Nidditch, Oxford / New York 1975, 2. Buch, Kap. 1.2–4, S. 104 f.: »Whence has it [the mind, Hg.] all the materials of Reason and Knowledge? To this I answer, in one word, From Experience […] Our Observation employ’d either about external, sensible Objects; or about the internal Operations of our Minds […] is that, which supplies our Understandings with all the materials of thinking […] Our Senses, conversant about particular sensible Objects, do convey into the Mind, several distinct Perceptions of things, according to those various ways, wherein those Objects do affect them […] The other Fountain, from which Experience furnisheth the Understanding with Ideas, is the Perception of the Operations of our own Minds within us, as it is employ’d about the Ideas it has got; […] which [all the different actings of our own Minds, Hg.] we being conscious of, and observing in our selves, do from these receive into our Understandings, as distinct Ideas, as we do from Bodies affecting our

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Senses. This Source of Ideas, every Man has wholly in himself: And though it be not Sense, as having nothing to do with external Objects; yet it is very like it, and might properly enough be call’d internal Sense.« 281 Hermann Samuel Reimarus, Vernunftlehre, als eine Anweisung zum richtigen Gebrauche der Vernunft in dem Erkenntniß der Wahrheit, aus natürlichen Regeln der Einstimmung und des Widerspruchs, 3. verb. Aufl. Hamburg 1766, § 212, S. 224: »Die Empfi ndung des Wirklichen giebt ein klares Erkenntniß einzelner Dinge und Fälle, welches man Erfahrung nennt«, und ebd.: »Die Erfahrung aber ist das Erkenntniß der empfundenen wirklichen Dinge«. 282 Der Terminologie der Theorie des Vorstellungsvermögens zufolge kann man diesen Satz auch als das »oberste Principium aller synthetischen Urtheile« der Kritik der reinen Vernunft verstehen, nämlich: »ein jeder Gegenstand steht unter den nothwendigen Bedingungen der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen der Anschauung in einer möglichen Erfahrung« (KrV, A 158 / B 197). 283 René Descartes, Principia Philosophiae, Amsterdam 1644, I, 49, in: Œuvres, hrsg. von Charles Adam und Paul Tannery, ND Paris 1964–1974, Bd. 8, S. 23 f., formuliert den ewig wahren Satz: »Cum autem agnoscimus fieri non posse, ut ex nihilo aliquid fiat, tunc propositio haec: Ex nihilo nihil fit, non tanquam res aliqua existens, neque etiam ut rei modus consideratur, sed ut veritas quaedam aeterna, quae in mente nostrâ sedem habet, vocaturque communis notio, sive axioma. Cujus generis sunt: Impossibile est idem simul esse & non esse: Quod factum est, infectum esse nequit: Is qui cogitat, non potest non existere dum cogitat«. Die ersten Formulierungen dieses Satzes gehen auf Aristoteles zurück, vgl. bes. Metaphysik III , 2, 996 b 28 und IV, 3, 1005 b 19 ff. Vgl. dazu Georg Bernhard Bilfi nger, Dilucidationes philosophicae de deo, anima humana, mundo, et generalibus rerum affectionibus, Tübingen 1725 [ND Christian Wolff, Gesammelte Werke, Materialien und Dokumente, hrsg. von J. École, H. W. Arndt, Ch. A. Corr, J. E. Hofmann und M. Thomann, 3. Abt., Bd. 18, Hildesheim 1982], § 67, S. 64: »Principium contradictionis est illud Aristotelicum: Impossibile est, idem simul esse & non esse.« Vgl. ferner Christian Wolff, Philosophia prima sive ontologia, Frankfurt 1730, ²1736 [ND ebd., 2. Abt., Bd. 3, Hildesheim 1977], § 27 und § 28, S. 288: »Quodlibet, dum est, est, hoc

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est, si A est, utique verum est, A esse. – Idem ens est illud ipsum ens, quod ens, seu omne A est A.« Ähnlich Vernünfftige Gedankken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt, Halle / Frankfurt 1720, 111751 [ND ebd., 1. Abt., Bd. 2, Hildesheim 1983], I, § 17, vgl. auch § 10 und Alexander Baumgarten, Metaphysica, Halle 71779 [ND Hildesheim 1963], § 7, S. 3. Auch Kant vertritt den Satz als Grundsatz in seiner vorkritischen Schrift Principiorum primorum cognitionis metaphysicae nova dilucidatio, Königsberg 1755, Akad.-Ausg., 1.391. 284 Kant hatte bereits im Versuch den Begriff der negativen Größen in die Weltweisheit einzuführen, Königsberg 1763, scharf unterschieden zwischen logischer und realer Entgegensetzung, vgl. Akad.Ausg., 2.171 f. Nach der KrV, A 151 f. / B 191 ist der »Satz des Widerspruchs« zwar »das allgemeine und völlig hinreichende Principium aller analytischen Erkenntniß«, allerdings kein hinreichendes »Kriterium der Wahrheit. Denn daß ihm gar keine Erkenntniß zuwider sein könne, ohne sich selbst zu vernichten, das macht diesen Satz wohl zur conditio sine qua non, aber nicht zum Bestimmungsgrunde der Wahrheit unserer Erkenntniß.« 285 Reinhold meint den Abschnitt »Von der Amphibolie der Reflexionsbegriffe durch die Verwechselung des empirischen Verstandesgebrauchs mit dem transscendentalen« (KrV, A 260– 292 / B 316–349). Das über Leibniz Gesagte fi ndet sich in der »Anmerkung zur Amphibolie der Reflexionsbegriffe«, ebd., A 270– 276 / B 326–332. 286 Unklar bleibt, wie die Handlung des Schließens als eine Art des Vorstellens zu verstehen ist, denn als eine solche muß sie erklärt werden, um die Ideen aus dem Vorstellungsvermögen herzuleiten. – Dagegen kann Kant, weil er die Ideen nicht aus der Vorstellung herleitet, behaupten, daß die Form der reinen Vernunftschlüsse, bezogen auf die synthetische Einheit der Anschauungen, der »Ursprung« jener »besonderer Begriffe a priori« ist, »welche wir reine Vernunftbegriffe, oder transscendentale Ideen nennen können« (KrV, A 321 / B 378). 287 Nach Kant ist die Zahl der reinen Vernunftbegriffe durch die Verhältnisse bestimmt, »die der Verstand vermittelst der Kategorien sich vorstellt«, weshalb »e r s t l i c h ein Unbedingtes der kategorischen Synthesis in eine(n)[m] Subject, z w e i t e n s der hypo-

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thetischen Synthesis der Glieder einer Reihe, d r i t t e n s der disjunctiven Synthesis der Theile in einem System zu suchen sein« (KrV, A 32 3 / B 379). 288 Nach Kant »kann ein reiner Vernunftbegriff überhaupt durch den Begriff des Unbedingten, sofern er einen Grund der Synthesis des Bedingten enthält, erklärt werden« (KrV, A 323 / B 379). 289 »M« steht in dieser Tabelle für Mittelbegriff, »P« für Prädikat und »S« für Subjekt. 290 Zu den Termini »absolut« und »komparativ« vgl. KrV, A 326 / B 382: »In dieser erweiterten Bedeutung werde ich mich denn des Worts absolut bedienen und es dem bloß comparativ oder in besonderer Rücksicht Gültigen entgegensetzen; denn dieses letztere ist auf Bedingungen restringirt, jenes aber gilt ohne Restriction.« 291 Reinhold denkt hier an die Grundsätze transzendentalen Ursprungs »in mundo non datur hiatus, non datur saltus, non datur casus, non datur fatum«. (KrV, A 229 / B 282) 292 Vgl. dazu Kant: »Und dieses ist die transscendentale Deduction aller Ideen der speculativen Vernunft, nicht als constitutiver Principien der Erweiterung unserer Erkenntniß über mehr Gegenstände, als Erfahrung geben kann, sondern als regulativer Principien der systematischen Einheit des Mannigfaltigen der empirischen Erkenntniß überhaupt, welche dadurch in ihren eigenen Grenzen mehr angebauet und berichtigt wird, als es ohne solche Ideen, durch den bloßen Gebrauch der Verstandesgrundsätze, geschehen könnte.« (KrV, A 671 / B 699) 293 Vgl. dazu Kant: »Das Princip der Continuität verbot […] in dem Inbegriff aller empirischen Anschauungen im Raume alle Lücke oder Kluft zwischen zwei Erscheinungen (non datur hiatus); denn so kann man den Satz ausdrücken: daß in die Erfahrung nichts hinein kommen kann, was ein vacuum bewiese, oder auch nur als einen Theil der empirischen Synthesis zuließe.« (KrV, A 228 f. / B 281) 294 Vgl. dazu Kant: »Das Princip der Continuität verbot in der Reihe der Erscheinungen (Veränderungen) allen Absprung (in mundo non datur saltus) […] denn so kann man den Satz ausdrücken: daß in die Erfahrung nichts hinein kommen kann, was

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ein vacuum bewiese, oder auch nur als einen Theil der empirischen Synthesis zuließe.« (KrV, A 228 f. / B 281) 295 Nach Kant ist alles Naturgeschehen »hypothetisch nothwendig; das ist ein Grundsatz, welcher die Veränderung in der Welt einem Gesetze unterwirft, d. i. einer Regel des nothwendigen Daseins, ohne welche gar nicht einmal Natur stattfi nden würde. Daher ist der Satz: nichts geschieht durch ein blindes Ungefähr (in mundo non datur casus), ein Naturgesetz a priori.« (KrV, A 228 / B 280) 296 Vgl. KrV, A 228 / B 280: denn »keine Nothwendigkeit in der Natur ist blinde, sondern bedingte, mithin verständliche Nothwendigkeit (non datur fatum)«. 297 Vgl. hierzu und besonders auch zum folgenden Absatz KrV, A 657 f. / B 685 f.: »Die Vernunft bereitet also dem Verstande sein Feld: 1. durch ein Princip der Gleichartigkeit des Mannigfaltigen unter höheren Gattungen; 2. durch einen Grundsatz der Varietät des Gleichartigen unter niederen Arten; und um die systematische Einheit zu vollenden, fügt sie 3. noch ein Gesetz der Affi nität aller Begriffe hinzu, welches einen continuirlichen Übergang von einer jeden Art zu jeder anderen durch stufenartiges Wachsthum der Verschiedenheit gebietet. Wir können sie die Principien der Homogenität, der Specifi cation und der Continuität der Formen nennen. Das letztere entspringt dadurch, daß man die zwei ersteren vereinigt, nachdem man sowohl im Aufsteigen zu höheren Gattungen, als im Herabsteigen zu niederen Arten den systematischen Zusammenhang in der Idee vollendet hat; denn alsdann sind alle Mannigfaltigkeiten unter einander verwandt, weil sie insgesammt durch alle Grade der erweiterten Bestimmung von einer einzigen, obersten Gattung abstammen.« 298 Vgl. KrV, A 304 / B 360 f.: »In jedem Vernunftschlusse denke ich zuerst eine Regel (major) durch den Verstand. Zweitens subsumire ich ein Erkenntniß unter die Bedingung der Regel (minor) vermittelst der Urtheilskraft. Endlich bestimme ich mein Erkenntniß durch das Prädicat der Regel (conclusio), mithin a priori durch die Vernunft. Das Verhältniß also, welches der Obersatz als die Regel zwischen einer Erkenntniß und ihrer Bedingung vorstellt, macht die verschiedenen Arten der Vernunftschlüsse aus. Sie sind also gerade dreifach, so wie alle Urtheile überhaupt, so fern sie

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sich in der Art unterscheiden, wie sie das Verhältniß des Erkenntnisses im Verstande ausdrücken, nämlich: kategorische oder hypothetische oder disjunctive Vernunftschlüsse.« 299 Nach KrV, A 335 / B 392 f., sind die drei transzendentalen Ideen entsprechend der Relationskategorie die »absolute Einheit des denkenden Subjects«, die des »Schlechthin-Unbedingten in einer Reihe gegebener Bedingungen« und schließlich die des »Wesen[s] aller Wesen«. Daß Reinhold die dritte Idee mit Gemeinschaft statt wie Kant mit Konkurrenz (vgl. KrV, A 336 / B 393) in Bezug setzt, hängt freilich mit der unterschiedlichen Terminologie der Kategorientafel zusammen (vgl. KrV, A 80 / B 106). 300 Vgl. hierzu KrV, A 333 f. / B 390 f.: »Nun ist das Allgemeine aller Beziehung, die unsere Vorstellungen haben können: 1) die Beziehung aufs Subject, 2) die Beziehung auf Objecte und zwar entweder erstlich [erstlich: nicht in B] als Erscheinungen, oder als Gegenstände des Denkens überhaupt. Wenn man diese Untereintheilung mit der oberen verbindet, so ist alles Verhältniß der Vorstellungen, davon wir uns entweder einen Begriff oder Idee machen können, dreifach: 1. das Verhältniß zum Subject, 2. zum Mannigfaltigen des Objects in der Erscheinung, 3. zu allen Dingen überhaupt.« 301 Die Lehre vom All-Einen (›n kaˆ p©n) oder, daß das All eines sei (eŒnai tÒ p©n ›n), läßt sich bis auf die vorsokratischen Philosophen Melissos, Xenokrates und Georgias zurückverfolgen, vgl. Die Fragmente der Vorsokratiker, hrsg. von Hermann Diels und Walter Kranz, 61951, 30 A 5. Durch das Buch von Johann Georg Wachter, Der Spinozismus im Jüdenthumb, Amsterdam 1699, wird die Zurückführung des Ausdrucks ›n kaˆ p©n auf Spinoza gebräuchlich, vgl. dazu auch das Lemma »Spinozismus« in Johann Georg Walch, Philosophisches Lexicon, 2 Bde., Leipzig 41775 [ND Hildesheim 1968], wo es heißt, daß mit dem Spinozismus die Meinung derer übereinkomme, »welche gelehret haben, daß alles eines wäre« (S. 951). In Deutschland setzt sich der Ausdruck durch Friedrich Heinrich Jacobi, Ueber die Lehre des Spinoza in Briefen an Herrn Moses Mendessohn, Breslau 1785, ²1789, durch. Er deutet das ›n kaˆ p©n spinozistisch und schreibt es Lessing zu (Friedrich Heinrich Jacobi, Werke, Bd. 1.1, hrsg. von Klaus Hammacher und Walter Jaeschke, Hamburg 1998, S. 16); zum Hintergrund

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des Ausdrucks vgl. auch den »Anhang«, ebd., Bd. 1.2, S. 392 f., wo dargelegt wird, daß das ›n kaˆ p©n um 1784 ein noch relativ unbekannter und unverständlicher Ausdruck gewesen sein soll (allerdings nicht für Mendelssohn, siehe oben Anm. 166). Diesen Ausführungen ist hinzuzufügen, daß Jacobi höchst wahrscheinlich durch die Lektüre von Ralph Cudworth, The True Intellectual System of the Universe (1678), auf diese Thematik gestoßen ist. Cudworth’ Buch hatte er in der lateinischen Übersetzung von Johannes Laurentius Mosheim, Systema intellectuale hvjvs vniversi sev de veris natvrae rervm originibvs commentarii quibus omnis eorum philosophia, qui devm esse negant, fvnditvs evertitur. Accedvnt reliquia eivs opvscvla, Jena 1733, im Besitz, vgl. hierzu auch Jan Assmann, »Hen kai Pan. Ralph Cudworth und die Rehabilitierung der hermetischen Tradition«, in: Aufklärung und Esoterik, hrsg. von Monika Neugebauer-Wölk, in der Reihe: Studien zum achtzehnten Jahrhundert, Bd. 24, Hamburg 1999, S. 38–52. 302 Nach George Berkeley, A Treatise Concerning the Principles of Human Knowledge, Dublin 1710, ed. by E. Rhys, London / New York, § 7: »there is not any other Substance than Spirit, or that which perceives«, d. h. § 139: »What I am myself, that which I denote by the term I, is the same with what is meant by soul or spiritual substance.« 303 Vgl. oben Anm. 256. 304 Vgl. oben Anm. 234–237. 305 Vgl. Johann August Eberhard »Ueber das Gebiet des reinen Verstandes«, in: Philosophisches Magazin, 1. Bd. (1788), 3. Stück, Nr. 2, S. 263–289, bes. 282 ff. 306 Nach Kant ist das »Ich denke […] der alleinige Text der rationalen Psychologie, aus welchem sie ihre ganze Weisheit auswickeln soll.« (KrV, A 434 / B 401) Aus diesem Grunde ist auch die rationale Psychologie keine »Doctrin«, sondern nur »Disziplin« (KrV, B 421). Ähnlich wie Reinhold bestimmt Kant die »Metaphysik der körperlichen Natur« als Physik, die, »weil sie nur die Principien ihrer Erkenntniß a priori enthalten soll, rationale Physik« ist. »Die Metaphysik der denkenden Natur heißt Psychologie«, sie ist rationale Psychologie, wenn nur die »rationale Erkenntniß« der denkenden Natur berücksichtigt wird. Der zweite Teil der Metaphysik, d. h. die rationale Physiologie, d. h. »die Naturlehre

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der reinen Vernunft, enthält zwei Abtheilungen, die physica rationalis und psychologia rationalis.« (KrV, A 846 / B 874 f.) 307 Kant kennt den Ausdruck einer absoluten Ursache nicht. Allerdings meint Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Riga 1785, daß »[d]er speculative Gebrauch der Vernunft in Ansehung der Natur […] auf absolute Nothwendigkeit irgend einer obersten Ursache der Welt« führt; »der praktische Gebrauch der Vernunft in Absicht auf die Freiheit führt auch auf absolute Nothwendigkeit, aber nur der Gesetze der Handlungen eines vernünftigen Wesens als eines solchen. Nun ist es ein wesentliches Princip alles Gebrauchs unserer Vernunft, ihr Erkenntniß bis zum Bewußtsein ihrer Nothwendigkeit zu treiben (denn ohne diese wäre sie nicht Erkenntniß der Vernunft). Es ist aber auch eine eben so wesentliche Einschränkung eben derselben Vernunft, daß sie weder die Nothwendigkeit dessen, was da ist, oder was geschieht, noch dessen, was geschehen soll, einsehen kann, wenn nicht eine Bedingung, unter der es da ist oder geschieht oder geschehen soll, zum Grunde gelegt wird. Auf diese Weise aber wird durch die beständige Nachfrage nach der Bedingung die Befriedigung der Vernunft nur immer weiter aufgeschoben. Daher sucht sie rastlos das Unbedingt-Nothwendige und sieht sich genöthigt, es anzunehmen, ohne irgend ein Mittel, es sich begreiflich zu machen; glücklich gnug, wenn sie nur den Begriff ausfi ndig machen kann, der sich mit dieser Voraussetzung verträgt. Es ist also kein Tadel für unsere Deduction des obersten Princips der Moralität, sondern ein Vorwurf, den man der menschlichen Vernunft überhaupt machen müßte, daß sie ein unbedingtes praktisches Gesetz (dergleichen der kategorische Imperativ sein muß) seiner absoluten Nothwendigkeit nach nicht begreiflich machen kann; denn daß sie dieses nicht durch eine Bedingung, nämlich vermittelst irgend eines zum Grunde gelegten Interesse, thun will, kann ihr nicht verdacht werden, weil es alsdann kein moralisches, d. i. oberstes Gesetz der Freiheit sein würde. Und so begreifen wir zwar nicht die praktische unbedingte Nothwendigkeit des moralischen Imperativs, wir begreifen aber doch seine Unbegreiflichkeit, welches alles ist, was billigermaßen von einer Philosophie, die bis zur Grenze der menschlichen Vernunft in Principien strebt, gefordert werden kann.« (Akad.-Ausg., 4.463)

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Dieser Paragraph zusammen mit den anschließenden »Grund linien der Theorie des Begehrungsvermögens« unterbrechen die Argumentation innerhalb der »Theorie der Vernunft«; es handelt sich um einen Einschub bzw. eine Anomalie im Aufbau der »Theorie der Vernunft«. Das läßt sich insbesondere daran zeigen, daß die Idee einer absoluten Ursache in bezug auf die Kausalität der Vernunft nicht zur Darstellung der Ideen absolutes Subjekt (§ 84), absolute Ursache (§ 85) und absolute Gemeinschaft (§ 87) gehört. Reinhold thematisiert in diesem Paragraphen die freie Ursache als komparativ frei und absolut frei. Ferner ist auch die Rolle des praktischen Begehrungsvermögens ein Novum im bisherigen Argumentationsverlauf. Eine Parallele zum Begehrungsvermögen in diesem Paragraphen fi ndet sich allerdings schon in § 83, wo die Rede ist von einem praktischen Vorstellungsvermögen, das »das Moralische der Willenshandlungen bestimmt«, im Unterscheid zu einem theoretischen Vorstellungsvermögen, durch das »das Systematische der Erkenntnis« bestimmt wird. (S. 537) – Für eine ausführliche Interpretation der »Grundlinien der Theorie des Begehrungsvermögens« vgl. Alessandro Lazzari, »Das Eine, was der Menschheit Noth ist«. Einheit und Freiheit in der Philosophie Karl Leonhard Reinholds (1789–1792), Stuttgart-Bad Cannstatt 2003, Kap. 3. In Kap. 2.2, ebd., erörtert Lazzari die Anomalie des § 86, wobei jedoch nicht ganz klar wird, ob er nur die »Grundlinien der Theorie des Begehrungsvermögens« oder den gesamten § 86 für eine Anomalie im Argumentationsverlauf der »Theorie der Vernunft« hält. 309 Diese Defi nition der komparativen Freiheit scheint Reinhold von Carl Christian Erhard Schmid, Wörterbuch zum leichtern Gebrauch der Kantischen Schriften, Jena ²1788, übernommen zu haben. Dem Wörtberbuch zufolge ist Freiheit »relativ, comparativ; wenn nur eine gewisse Art von Ursachen z. B. äussere, mechanische, die Handlung nicht nothwendig bestimmt. Z. B. die psychologische Freyheit, wie sie in der empirischen Seelenlehre vorkommt.« (S. 178) Kant erörtert den Begriff der komparativen Freiheit kurz in der Kritik der praktischen Vernunft; wie Reinhold hält er ihn für eine ethische Theorie und deshalb für ungeeignet – er spricht von einem »elende(r)[n] Behelf« (KpV, A 171 f., Akad.Ausg., 5.95 f.) –, weil es sich dabei immer um »Bestimmungsgründe 308

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der Causalität eines Wesens [handelt, Hg.], so fern sein Dasein in der Zeit bestimmbar ist« (KpV, A 173, Akad.-Ausg., 5.96). – Wahrscheinlich kritisiert Reinhold hier August Wilhelm Rehberg, der in seiner Rezension von Kants Kritik der praktischen Vernunft in der Allgemeinen Literatur-Zeitung, Nr. 188 vom 6. August 1788, Sp. 345– 360, bes. Sp. 357 [ND in: Materialien zu Kants Kritik der praktischen Vernunft, hrsg. von Rüdiger Bittner und Konrad Cramer, Frankfurt 1975, S. 179–186], darlegt, daß sich die Idee der Moralität nicht, wie bei Kant, »mit dem absoluten Begriffe von Freyheit«, sondern nur »mit einem comparativen Begriffe von Freiheit (der Abhängigkeit von innern Bestimmungsgründen angezeigt)« dartun lasse. In der »Vorrede« zu Briefe II, S. IX, erklärt Reinhold, daß diese Rezension ihm bei seinen »Untersuchungen über die Freyheit fruchtbare Winke geworden sind«. – Allerdings schreibt Reinhold Kant am 14. Juni 1789 auch, Rehberg habe »die Kritik der V. nur halb verstanden« (Akad.-Ausg., 11.61). 310 Diese Interpretation der vorstellenden Kraft weicht nur vordergründig ab von dem, was Reinhold dazu im 2. Buch »Theorie des Vorstellungsvermögens überhaupt«, bes. § 8, S. 115 f., darlegt. Dennoch wird hier keine Wesensbestimmung der vorstellenden Kraft vorgenommen, vielmehr garantiert sie die Wirklichkeit des Begehrungsvermögens, vgl. dazu auch oben § 29. 311 Kants Kritik der praktischen Vernunft zufolge ist das Begehrungsvermögen ein Vermögen eines lebendigen Wesens, »durch seine Vorstellungen Ursache von der Wirklichkeit der Gegenstände dieser Vorstellungen zu sein.« (KpV, A 16 Anm., Akad.-Ausg., 5.9 Anm.) Mit dieser Beschreibung widerlegt Kant die Kritik des Rezensenten (vermutlich Hermann Andreas Pistorius) der Grundlegung der Metaphysik der Sitten in der Allgemeinen deutschen Bibliothek, Bd. 66, Mai 1786, S. 447–463, bes. S. 455 f., daß es die Vorstellung des Gesetzes sei, die ein vernünftiges Wesen an ein Gesetz bindet, was dem Rezensenten zufolge ein »idem per idem« Beweis sei. – Im ersten Teil seiner Abh. »Ueber die Natur des Vergnügens«, in: Der Teutsche Merkur, 4. Bd., November 1788, S. 61–79, bes. S. 63, defi niert Reinhold den »Trieb nach Vorstellungen« als »[d]as Gefühl dieses Bedürfnisses«, d. h., »der Beschäftigung unsres Vorstellungsvermögens«, und deshalb heißt »das Gemüth selbst in so ferne durch sein Vermögen Vorstellungen wirklich werden, vor-

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stellende Kraft.« – Im 6. Brief, Briefe II, S. 181, unterscheidet Reinhold das menschliche Begehrungsvermögen in »zwey ursprüngliche, wesentlich verschiedene und wesentlich vereinigte Triebe […], wovon der Eine, in der Sinnlichkeit gegründet, das Vergnügen überhaupt zum Objekt hat, der Andere, in der persönlichen Selbstthätigkeit vorhanden, ein lediglich durch sich selbst nothwendiges Gesetz aufstellt.« 312 Auch Friedrich Heinrich Jacobi unterscheidet in der »Vorrede« zum 2. Druck von Ueber die Lehre des Spinoza (1789), in: Werke, Bd. 1.1, hrsg. von Klaus Hammacher und Walter Jaeschke, Hamburg 1998, S. 168 – die »Vorrede« ist auf den 18. April 1789 datiert –, zwischen einem Trieb mit »Richtung auf das Endliche«, welches »der sinnliche Trieb oder das Prinzip der Begierde« ist, und einem Trieb mit »Richtung auf das Ewige«, welches der »intellectuelle Trieb, das Prinzip reiner Liebe« ist. – Bedeutsamerweise bedient sich auch Kant dieser Terminologie in seinen Vorarbeiten zu Vorreden und Einleitungen der Tugendlehre, vgl. Akad.-Ausg., 23.378 u. 383. Auch in einem Briefentwurf an Marcus Herz von Ende 1773 klingt das Thema an, sofern nämlich der »oberste Grund der Moralität […] keine blos spekulative Vorstellung sondern […] Bewegkraft haben und daher ob er zwar intellectual ist […] doch eine gerade Beziehung auf die erste Triebfedern des Willens haben« muß (Akad.-Ausg., 10.145). 313 Der eigennützige und uneigennützige Trieb hat eine gewisse Analogie mit dem oberen und unteren Begehrungsvermögen in der Kritik der praktischen Vernunft, vgl. A 41 f., Akad.-Ausg., 5.22 f. 314 Kant bemerkt in der Kritik der praktischen Vernunft, daß das Glückseligkeitsprinzip der Epikureer keine Morallehre zu begründen vermag, sondern nur eine Lehre darüber, was sich »durch menschliche Klugheit […] erwerben lässt« (KpV, A 228, Akad.Ausg., 5.126). In einer, allerdings nicht zu Lebzeiten publizierten Vorarbeit zu den Prolegomena heißt es sehr ähnlich: »Es haben schon längst Moralisten Eingesehen daß das Princip der Glückseeligkeit niemals eine reine Moral sondern nur eine Klugheitslehre die sich auf ihren Vortheil versteht gebe.« (Akad.-Ausg., 23.60) 315 Vgl. hierzu auch Faustino Fabbianelli, »La concezione della libertà del volere nel »Versuch einer neuen Theorie des mensch-

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lichen Vorstellungsvermögens« di Karl Leonhard Reinhold, in: Annali del Dipartimento di Filosofi a dell’ Università di Firenze, Nuova Serie, 1998–1999, S. 39–53, bes. S. 51. 316 Diese Identifi zierung von praktischer Vernunft und Wille wird Reinhold spätestens 1792 in den Briefen II aufgeben, sie wird sogar zum eigentlichen Fehler all jener, die die Kantische Moralphilosophie verteidigen, vgl. 8. Brief, Briefe II, S. 295 f.: »Das Mittel, wodurch einige Freunde der kritischen Philosophie sich die Eintracht der absoluten Nothwendigkeit und der Freyheit bey den sittlichen Handlungen zu denken versucht haben, ist um nichts besser. Um den Willen von der Sklaverey des Instiktes und der theoretischen Vernunft zu retten, machen sie ihn zum Sklaven der praktischen, oder vielmehr sie vernichten denselben ganz, um an seiner Stelle bey dem sogenannten reinen Wollen lediglich die praktische Vernunft handeln zu lassen. Sie fnden in dieser Vernunft die Nothwendigkeit mit der Freyheit vereiniget; – die Nothwendigkeit in dem Gesetze, und die Freyheit in der Selbstthätigkeit der Vernunft.« 317 Ist der Wille, wie Kant schreibt, »aller Antriebe beraubt […], die ihm aus der Befolgung irgend eines Gesetzes entspringen könnten, so bleibt nichts als die allgemeine Gesetzmäßigkeit der Handlungen überhaupt übrig, welche allein dem Willen zum Princip dienen soll, d. i. ich soll niemals anders verfahren als so, daß ich auch wollen könne, meine Maxime solle ein allgemeines Gesetz werden.« (Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Riga 1785, Akad.-Ausg., 4.402) Einen empirischen Willen setzt Reinhold deshalb voraus, weil die Freiheit seiner Ansicht nach auch Voraussetzung unsittlicher Handlungen sein muß, vgl. dazu auch oben S. 89 f. 318 Statt »Sittlichkeit« ist vielleicht doch zu erwägen, »Sinnlichkeit« zu lesen. Auch die zweite Aufl. des Versuchs von 1795 schreibt »Sinnlichkeit«; so auch die lateinische Übersetzung des Versuchs: »et libertas absoluta non exstat nisi in sensualitate«, Pericvlvm Novae Theoriae Facvltatis Repraesentativae Hvmanae, übers. von Friedrich Gottlob Born, Lipsiae 1797, S. 353. 319 Hier spielt Reinhold vermutlich an auf eine Passage in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Riga 1785: »Die Handlung, die mit der Autonomie des Willens zusammen bestehen kann, ist erlaubt; die nicht damit stimmt, ist unerlaubt. Der Wille, dessen Maximen nothwendig mit den Gesetzen der Autonomie zusam-

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menstimmen, ist ein heiliger, schlechterdings guter Wille. Die Abhängigkeit eines nicht schlechterdings guten Willens vom Princip der Autonomie (die moralische Nöthigung) ist Verbindlichkeit. Diese kann also auf ein heiliges Wesen nicht gezogen werden. Die objective Nothwendigkeit einer Handlung aus Verbindlichkeit heißt Pflicht.« (Akad.-Ausg., 4.439) 320 Mit den beiden Begriffen »ganzes höchstes Gut« und »höchstes oberstes Gut« scheint auf jene »Zweideutigkeit« angespielt zu werden, die auch Kant dem »Begriff des Höchsten« unterstellt (KpV, A 198, Akad.-Ausg., 5.110). 321 Einen ähnlichen Vergleich zwischen Epikureern und Stoikern macht auch Kant, vgl. KpV, A 227 f., Akad.-Ausg., 5.126 f. 322 Eine »Theorie des Begehrungsvermögens« hat Reinhold schließlich nicht mehr entwickelt bzw. verfaßt. Das allerdings in diesem Zusammenhang entscheidende Thema von Religion und Moral behandelt Reinhold ausführlich in dem Aufsatz »Ueber Die Grundwahrheit der Moralität und ihr [verbessert aus: ihre] Verhältniß zur Grundwahrheit der Religion«, in: Der neue Teutsche Merkur, März 1791, 1. Bd., S. 225–262 (dieser Aufsatz ist in stark umgearbeiteter Form auch in den 10. Brief der Briefe II eingegangen). Einen »Versuch einer neuen Theo[r]ie des Begehrungsvermögens« kündigt er für den zweiten Band der Beyträge zur Berichtigung bisheriger Mißverständnisse der Philosophen im Intelligenzblatt der Allgemeinen Literatur-Zeitung, Nr. 53 vom 2. Mai 1792, Sp. 425–427, für die Ostermesse 1793 zwar an, schreibt dann aber in der »Vorrede« dieses erst im Frühjahr 1794 erscheinenden Bandes, daß er »die für den gegenwärtigen Zweiten Band angekündigte fortgesetzte Bearbeitung des Systems der Elementarphilosophie vor der Hand noch aufzuschieben« gedenkt »und anstatt das bisher gesagte durch fernere Erörterungen vielleicht noch unverständlicher zu machen, die Quellen der neuen Mißverständnisse« aufzuheben (Beyträge II , S. IV f.). Anläßlich der Übersendung des zweiten Bandes der Briefe über die Kantische Philosophie am 21. Januar 1793 bittet Reinhold Kant, sich über »den Inhalt besonders des siebenten und achten Briefes« zu erklären, da er sich davon einiges verspricht für seinen »Versuch einer Theorie des Begehrungsvermögens, den ich schon seit einigen Jahren in meiner Seele herum trage« (Akad.-Ausg., 11.410).

S AC H REGI S TER

Dieses Sachregister bezieht sich ausschließlich auf Reinholds Text. Es beabsichtigt keine Vollständigkeit, sondern will dem Leser ein Mittel an die Hand geben, sich den Text zu erschließen. Aus diesem Grunde sind im Register oftmals Defi nitionen und wichtige Stellen übernommen. Die Lemmata sind in der Regel alphabetisch geordnet, ansonsten thematisch. Die Seitenangaben beziehen sich auf die dieser Ausgabe. Seitenangaben in Fettdruck beziehen sich auf wichtige Stellen, die Zugabe »n« bezieht sich auf eine Fußnote, die Zugabe »k« bezieht sich auf den kritischen Apparat. Mit dem Pfeil (→) wird auf andere Stellen im Register verwiesen. A Aberglaube 9, 120 Abgötterei 119 Absolute 486–488, 506 | das A.e. der Glückseligkeit 512 absolut → Einheit, → Freiheit, → Gemeinschaft, → Grund, → Notwendigkeit, → Subjekt, → Ursache abstrahieren 23, 303, 350, 459 Abstrakte / abstrakt 6, 19, 83, 377, 380, 460 Abstraktion(sver mögen) 406 Affi ziertsein ist Veränderung, welche in der Rezeptivität durch ein Auf-sie-gewirkt-Werden entsteht 282 | A. und Anschauung / Empfi ndung 334– 335, 347 | und Realität 399, 438 | Art des A.s 334–335, 347, 359

Affi ziertwerden sein Vermögen ist Rezeptivität 283–285 | Art des A.s 343–344, 348, 350–354, 360 | A. und äußere(r) Sinn / Anschauung /Empfi ndung 350–351, 360 | A. und innere(r) Sinn / Anschauung / Empfi ndung 352–354, 360 | A. bestimmt Gegenstand nach ihm entsprechender Vorstellung 332 | A. und Stoff 300–301 | Sensual- und Intellektualphilosophen über A. 309 | A. und Sinnlichkeit /Empfi ndung 227, 309, 343–344, 348 Aggregat 109, 112–113, 138, 488, 496 Ähnlichkeit 252–256, 299, → Bild, → Wahrheit akademisch 6, 13, 26, 28, 29, 62, 64, 65, 87

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Sachregister

Akzidenz 477, 478–480 | und Gesetze des Verstandes 444 | und Kategorien 419, 423, 434– 436 | ihr Schema 433 | und Substanz 250, 375, 492–495. 498 All(es)befassende ist unbedingte Konkurrenz 464–466, 469 allgemeingeltend 10, 5, 49, 50, 51, 52, 53, 54, 73, 91, 121, 130, 216 | a.e Erkenntnis(gründe) 45, 50, 52, 91, 150, Grundsätze / Prinzipien 19, 27, 35, 49–50, 51, 52, 60, 90, 103, 104, 111, 242, Prämissen / Voraussetzungen 45, 50, 216 allgemeingültig / Allgemeingültigkeit 1–151 passim, bes. 91–101, 110–117; weiter 224, 235, 236, 242, 261, 277, 354, 393, 440 | a.er Begriff des Erkenntnis- / Vorstellungsvermögens 149, 151, 235 | a.er Beweis 11, 62, 64, 69, (Erkenntnis)grund 23, 49k, 93, 95, 100, 101, 110, 112, 113, 114, 117 | a.e (erste) Grundsätze 12, 49k, 95, 96, 100, 101, 110, 113, 117, 120, 224 | a.e Prämissen / Voraussetzungen 45, 50, Prinzipien 12, 15, 18–19, 21, 24, 25, 27, 30, 42, 49–50, 51, 67, 90, 101, 110–112, 121, 123, 150 | e.es System 18, 98, 100 Allgemeinheit 9, 102, 133, 243, 305–306, 369, 377, 385, 405, 426–427, 443–444, 509 Allgemeinste (Ding überhaupt) 239, 243

Allheit 430, 514, 516 | bedingte (komparative) A. 463–464 | (Kategorie der) quantitativen A. der Gegenstände 416–418, 430, 505 | unbedingte A. (Totalität) 458, (460) 463–465 Amphibolie 453 Analogie 252–253, 331 Analysis 407, 408 Analytik 15 Anlage 133, 215, 505, Anschauen 139, 226–227, 229, 334, 346, 373, 398, 438–440 Anschaulichkeit 437, 439, 440, 442, 481 Anschauung passim, ist sinnliche Vorstellung, in wieferne sie auf das Objekt bezogen wird 345–347 | in weiterer Bedeutung: Vorstellung überhaupt, in wieferne sie ihrem Stoffe nach ein Mannigfaltiges enthalten muß und durch dieses Mannigfaltige in ihr das Objekt dem Subjekte repräsentiert wird 310 | in engerer Bedeutung: Art Vorstellung, die durch die Art, wie die Rezeptivität affi ziert ist, entsteht und sich unmittelbar auf den Gegenstand bezieht 334–335 | äußere A. (Raum) 362–363, 369–379, ist die sinnliche Vorstellung, in wieferne sie durch die Art, wie die Rezeptivität von außen affi ziert wird, entsteht in Beziehung aufs Objekt 350–351 | innere A. (Zeit) 364, 379–386, ist die sinnliche

Sachregister Vorstellung, in wieferne sie durch die Art, wie die Rezeptivität von innen affi ziert wird, entsteht, in Beziehung aufs Objekt 352–354 | empirische A. 375–377, 385, 391–393, 399, 480, 490 | A. und Begriff 334– 335, 395–399, 404 | A. und objektive Einheit 401–404 | Form der A. 401–402, 405, 407, 442– 444, 450, 463, 466–470, 489, 490, 499 | allgemeine A. (Zeit) 386–390, 427–429, 432, 436, 437, 442, 447 | Formen der A. (Raum und Zeit) 23, 425, 439, 440, 442, 457 | A. und Gegenstand / Objekt 334–335, 345– 347 | A. und Schema 429–441 | A. und Urteil 405–411 | A. und Vorstellung 226–229, 231–232 | → Raum, → Zeit Anthropologie 8 Anticartesianer 26 Antikritik 60n Antiwolffianer 26 Apprehension ist Handlung der Spontaneität, die im Zusammenfassen des Gegebenen besteht 344, 363, 454, 483 Äquilibrist 52, 72 Ästhetik 7 Atheismus 60, 63, 99, 103, 107, 107n, 108, 115, theoretischer A. 60 Atheist / atheistisch 52, 57, 58n, 59, 59n, 60, 61, 99, 114, 117, 129 | dogmatischer A. 58n, 59k

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Auge 142, 252–253, 279 Ausdehnung / Ausgedehnte 374, 376–378, 400, 469, 482, 486–487, ist erfüllter Raum 378, 393, 433, 489, 492 | bisherige Philosophen über A. 138, 141, 289, 400, 492–494, 496– 498 | → Substanz Äußere, Vorstellung des Ä.n (Reflexionsbegriff) 452 Außereinandersein 361, 362, 364, 372, 376, 381, 387, 388, 389, 431 Axiom 247, 260, 399

B Baum 9, 244–245 Bedingung 59, 78, 87, 92–93, 115, 144, 234, 380, 465, 513 | B. des Affi ziertwerdens 377, 437 | B. des Dinges an sich 263, 392 | B. der Erfahrung 443, 446– 447 | B. der Erkenntnis / Erkennbarkeit / des Erkennens 33, 141–142, 146–147, 336, 393 | B. der Erscheinung 392 | B. des Gegenstandes 141 | B. der Sinnlichkeit / sinnlichen Vorstellung 349, 359, 458 | B. des Stoffes 288, 298, 374, 378, 383, 385, 393, 436, 457 | B. der Vorstellung 213, 216–217, 233, 236– 237, 263, 292, 305 | B. der äußeren Vorstellung 217, 219, 221, 234, 237, 247, 269–271, 274, 315 | B. der inneren Vorstellung

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Sachregister

217, 219, 221, 226, 232, 234– 236, 241–243, 248, 250, 263– 264, 269–271, 273–275, 315 | B. des Wirklichen 379, 426– 427 Bedürfnis 12, 26, 37–38, 40, 47, 49, 54, 55, 109, 449, 503, 506, 511 Begehren ist durch den Trieb zur Erzeugung einer Vorstellung bestimmt werden 502 | B. in engerer Bedeutung: das Bestimmtwerden durch den sinnlichen Trieb 507–508 und Modalität des sinnlichen Triebes 505 Begehrungsvermögen 502–514 | B. in engerer Bedeutung: das Vermögen durch den Trieb zu wirklichen Empfi ndungen bestimmt zu werden 503 | B. in weiterer Bedeutung: das Vermögen, durch den Trieb bestimmt zu werden 502–503 | B. und Freiheit 500 Begreifen 226, 229 Begreifl iche 15, 20, 115 Begriff passim | in weiterer Bedeutung: die Vorstellung überhaupt, in wieferne sie durch ein Verbinden des Mannigfaltigen entsteht 311, 395 | B. in engerer Bedeutung: Art Vorstellung, die vermittelst einer Handlung der Spontaneität entsteht und sich nur mittelbar, durch eine andere Vorstellung auf den Gegenstand bezieht 335–337,

395–397 | B. in engster Bedeutung: Vorstellung, welche durch Spontaneität aus Anschauung erzeugt wird 397–398 | angeborener B. 133 | bestimmter / unbestimmter B. 10, 34, 93–94, 96, 100, 151, 237, 239, 242, 258, 261, 268, 277, 279, 283, 308, 321, 327, 331, 350, 354, 358, 371, 411, 431, 435, 439, 445, 447, 448, 482 | deutlicher / undeutlicher / verworrener B. 55, 93–95, 120, 268, 272, 355, 448 | entwickelter / unentwickelter B. 95, 151, 242, 262, 308, 309, 315, 341 | empirischer B. 506, Form des B.es 250, 343, 404–405, 409–410, 415, 425, 457, 465, 484, 499 | Inhalt / Umfang des B.s 231, 243, 380 | B. überhaupt 337, 410, er enthält zwei verbundenen Vorstellungen: Subjekt und Prädikat 396 | Ursprung der B.e 131 | B. und Vorstellung 226–229, 231, 232, 250, 396 Beharrlichkeit / Beharrliche / beharrlich 433, 436, 444, 493–494, 505, im Raume 387, 400, 434–436, 476–480, 482, 498–499 | B. in der Zeit 433, 498 | Form des B.en 389, und (Schema der) Substanz 432– 435, 476, 478 Beobachtung 6, 104, 445 | B. der (moralischen) Gesetze 67, 81, 85 Berg 136

Sachregister Bewegung 17, 71, 241, 380, 387, 388, 389, 435, 477, 487, 496, 505n Beweis 11, 15, 17–18, 20, 26, 28, 56, 59k, 60n, 61–65, 68–70, 87, 94, 96, 104, 113, 117–119, 264, 322, 327, 376, 387, 443– 444, → Vernunftbeweis, → Gottesbeweis Bewußtsein passim | B. überhaupt: besteht aus dem Bezogenwerden der bloßen Vorstellung auf das Objekt und Subjekt und ist von jeder Vorstellung überhaupt unzertrennlich 315–320, ist keine Vorstellung 316–317, bisheriges Philosophieren über B. überhaupt 315–316 | klares und deutliches B. 322–327 | innere Bedingungen des B.s (Form und Inhalt) 315 | Objekt des B.s 238, 318, 323–326 | Subjekt des B.s 254– 255, 259, 286, 317–318, 325 | Gegenstand des B.s 317–319, 332 | B. des B.s 317 | B. des Gegenstandes 254, 318–319, 323, 324, 330, 331n, → Erkenntnis | B. der Empfi ndung 345, 353 | B. des Vorstellenden /Subjektes 318, 323, 324, 420, → Selbstbewußtsein | B. der Vorstellung 318, 323, 324, 326, 345 | Möglichkeit / Wirklichkeit des B.s 286–288n | B. als Grund der Theorie des Vorstellungsvermögens 45, 217–219, 221, 223–226

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Bild 252–256 Bildsäule 248–249, 297 Bildung künstliche 77 Böse / böse 66, 87–88 Briefe über die Kantische Philosophie (Reinhold) 16n, 39–40, 116

D Data 115–116, 127, 133 Deduktion 449, 460 Defi nition 7, 122, 145 | D. der Erfahrung 445 | D. der Erkenntnis 149 | D. der Sinnlichkeit 354 | D. der Vernunft 128 | D. der Vorstellung 238, 241– 242 | künstliche D.en 122 Deist / Deistisch 6k, 59k, 61 Demonstration 56n, 62, 64, 65, 107, 147, 276, → Vernunftbeweis demonstrieren 11, 23, 59, 64, 101, 105, 107 Denkbare 239, 394, 421, 445, 479, 481 Denkbarkeit 423, 427, 436– 437, 442, der Freiheit 69, 71 | Begriff der D. 448 | Gesetz der D. 440, oberstes 449 | Grundsatz der D. (Satz des Widerspruchs) 448 Denken 8, 11, 104, 109, 143n, 144, 222, 223k, 226, 229, 239– 241, 277n, 309, 394, 421–424, 436–442, 445, 448–449, 485, 489, 500–501 | D. im weitesten

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Sachregister

Sinne (= Vorstellungen haben, hervorbringen, empfangen) 240, in weiterer Bedeutung (= vorstellen) 240, in engerer Bedeutung (= urteilen und schließen) 240, 396, 397 | Form des D.s 421, 436, 439–442, 453, 461n, 478 | Gesetze des D.s 11, 240n, 440 Denkkraft 104, 139, 493–494 Despot / Despotismus 90 Determinist 21, 72–73 Deutlichkeit / Undeutlichkeit 146, 325, 331n, 355 deutlich / undeutlich 100–101, 242, 344, 497, -er Begriff 55, 93–94, 95, 355, -es (Selbst-) Bewußtsein 93, 322, 324, 326, 328–329, 331n, 351–353, 367– 368, 393, 476, 479 | d.e Vorstellung 55, 83, 344, 354, 355, 357 Ding passim, Begriff eines D.s 248, in weitester Bedeutung: Begriff des Vorstellba ren oder Denkbaren 239 | D.e außer uns / dem Gemüte / der Seele / äußere D.e / Außending(e) 23, 34, 75, 213, 221, 223–225, 254, 259, 261–262, 293–295, 298–299, 332, 339, 351, 356, 359, 364, 367–368, 375, 377, 378, 388– 390, 392–393, 399–400, 403, 422, 424, 438–439, 475–478, 480, 495, 512 | denkbares D. 69, 260, 392, 403 | D. überhaupt 239, 259 | unendliches D. 127 | Wesen der D.e 137, 138, 263,

358 | wirkliches D. 16n, 141, 245, 260, 375, 380, 446, 447n Ding an sich 23, 72, 252, 255– 256k, 292–293, 299, 331, 346, 354, 357, 359, 400, 449, 453, 486 | D. a. s. ist nicht vorstellbar 256–264, 280 | Raum und Zeit sind keine Prädikate des D.s a. s. 394–398, objektive Einheit gehört ihm nicht an 403–405 | D. a. s. und die Kategorien / Schemate (der Modalität) 421–422, 424, 427, 437, 439–441 | D. a. s. und Idee des absoluten Subjekts 488–498 | Begriff vom D. a. s. 257, 258, 259, 260–263, 400, 424 | Erkenntnis des D.s a. s. 262–264, 331 | Form des D.s a. s. 257, 393, 403 dogmatisch 5, 15, 42, 49k, 70, 73, 263–264, → Skeptizismus / Skeptiker, → Theismus / Theist, → Atheist, → Zweifel Dogmatiker 5, 24, 52, 70, 117, 263 Dogmatismus 6k, 12, 25, 27, 65, 115, 117, 262 Dogma 8, 102, 105, 131, 140 Dualist 215, 220, 225, 493, 498

E Egoist 150, 218, 495 Eigennutz / (un)eigennützig 78, 80–83, 87–88, 503–506, 509–512

Sachregister Einbildung(skraft) 71, 117, 127, 379, 491 Eindruck 138, 227, 253, 310, 347, 351, 353, 366, 372, 377, 380, 387 | äußerer E. / E. von außen 34–35, 215, 306, 351 | innerer E. 306 | in Organen / Organisation vorhandener / hervorgebrachter E. 138, 252, 254 | sinnlicher E. 73, 131, 133–134, 145, 253 | E. auf das sinnliche Werkzeug / unsre Sinne 253, 302 Einheit ist wesentliches Merkmal der Form der Vorstellung 285 | objektive E. ist die durch das Verbinden des durch die Anschauung vorgestellten Mannigfaltigen hervorgebrachte Einheit 263, 335, 401, 485 | objektive E. und Gegenstand 401–403, 447–448 und Urteil 405–415 und Schemate 432, 436–437, 439, 442 und Reflexionsbegriffe 451–452 und unbedingte E. 465, 467, 470–471, 463–474, 477–478, und ihre Modifi kationen (Kategorien) 409–410, 415–428, 458, 463 | subjektive E. 479, 485–486 | unbedingte / absolute E. 457– 458, 463–476, 478, 489–490, 514–515, → Gemeinschaft, → Grund, → Subjekt | → Vernunfteinheit, → Verstandeseinheit Einseitigkeit / Einseitige / einseitig 21, 32, 97, 102, 106, 109, 307, 423, 497

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Einverständnis 33, 42, 111– 112, 125, 143 Eklektiker / eklektisch 5–6, 14, 60, 109, 148 Eldorado 126–127, 136 Element 92, 214k, 400, 423, 497 Empfänglichkeit 271–273, 360–366, → Rezeptivität Empfi nden / empfi nden 222, 226, 229, 239–241, 346 | Vermögen zu e. 229, 309, 355–356 Empfi ndung 138, 222, 226– 234, 250, 272, 287, 312, 320, 388, 431–432, 444, 446–447 | E. in weiterer Bedeutung: Vorstellung überhaupt, in wieferne in derselben ein Affi ziertwerden der Rezeptivität vorkommt 309 | E. im engeren Sinne: sinnliche Vorstellung, in wieferne sie auf das Subjekt bezogen wird 345–347 | äußere E. 34, 350– 352, 355–356, 366, 391, 504 | inner(lich)e E. 352–356, 366, 391, 504 | angenehme E. 80, 83, 507 | peinliche E.en 123 | E. und Begehrungsvermögen 503–509, 511–512 Empfi ndungsvermögen 83, 138, 229k, 509, 512 Empiriker 7, 94, 225, 315 Empirische 8, 425, 504 empirisch 5, 9, 11, 229, 253, 351, 354, 369, 377, 424, 427, 503–505, 508 | e. heißt jede Vorstellung, in wieferne ihr Stoff nicht im bloßen Vorstel-

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Sachregister

lungsvermögen, sondern durch ein Affi ziertsein im Gemüte bestimmt ist 390–391 | e.e Anschauung 375–377, 385, 391– 393, 399, 480, 490 | e.er Begriff 506 | e.e. Erkenntnis 390–393, 400, 439, 443, 445–447, 471, 475–476, 478–480 | e.er Gegenstand 383, 447, 455, 505, 506, Stoff 300, 366, 384, 456, 457, 481 | e.er Trieb 504–505 | e.e. Vorstellung 301–302, 349, 366, 370–371, 378, 380, 390–391 | e.er Wille 508, 510 Empirismus 26 Endursache 515 Epikureer 80, 81, 83, 513 Erfahrung ist empirische Erkenntnis 443 | innere Bedingungen der E. (Schemate und Empfi ndung) 447 | Ableitung aus E. / Gründung auf E. 9, 25, 133, 302–308, 378–379, 385– 386 | äußere E. 79, 302, 306, 307, 447, 485–487 | bisherige Philosophen über E. 445–447 | Gebiet / Feld der E. 25, 34, 112, 262 | Gegenstand der E. 33, 302, 446, 466, 467, 506 | Gesetze der E. 442–445, 447, 468, konstitutive / regulative 470– 471 | innere E. 67, 79, 302, 306, 485–487 | Vernunfteinheit der E. 476, 485–486 Erfahrungsbegriff 6 Erkennbarkeit / Erkennbare / erkennbar passim | Begriff der E. / des E.n 33, 290,

447–448, 482 | Form der E. 427, 442, 447, 475 | E. und Erscheinung 391–394, 482 | E. und Kategorien 425–429 | E. und Schemate 429–449, diese sind Formen der E. 442–443, Grundsatz ihrer E. 448–449 | E. und Vernunft / objektive Einheit / Ideen 466–468, 475–500, 514 | E. und die Gesetze der Erfahrung 471–472 Erkennen ist mit Anschauung verknüpftes Denken 442 | oberster Grundsatz des eigentlichen (empirischen) E.s 447 | E. und Denken 437, 448 | Form(en) des E.s 439–441 | bisherige Philosophen über das E. 141–145, 147–148 | E. und Vorstellen 43–44, 133 Erkenntnis ist Bewußtsein des Gegenstandes, in wieferne bei demselben die Vorstellung auf den bestimmten Gegenstand bezogen wird 330–331 | zur E. gehören Anschauung und Begriff 334–338 | a posteriori / empirische E. ist Bezogenwerden einer empirischen Vorstellung auf ihren bestimmten Gegenstand 390–392, 443–447, 471, 475–476, 478 | E. a priori ist Bezogenwerden einer Vorstellung a priori auf ihren bestimmten Gegenstand 390–391, 442–443 | Begriff der E. 43–44, 146, 148–149 | Defi nition / Erklärung der E. 147–149, 331 |

Sachregister E. des Dinges an sich 262–264, 331 | sinnliche E. 133, 143, 146 | übersinnliche E. / E. übersinnlicher Gegenstände 130–135, 143 | bisherige Uneinigkeit über (die Möglichkeit) der E. 142–150 Erkenntnisgrund 22, 91, 95, 100, 145 | der Grundwahrheiten der Religion und / oder der Moral 38, 49, 52, 53, 56n, 65–66, 69, 93–94, 96, 98, 101, (110), 112–114, 117, 150 | E. des Daseins Gottes 54–57, 59, 65 | E. der Freiheit 69–71 | E. des moralischen Gesetzes 75–76 | E. des künftigen Lebens 93 Erkenntnisvermögen 114, 116, 119–120, 391, 393–394, 437, 444, 448, 475, 503, besteht aus dem Vermögen der Anschauung und der Begriffe 337–338, 442 | Begriff des E.s 34, 145, 149–151, 235 | Grenzen des E.s 114, 116, 121, 141, 150, 235, 290, 392–393 | Natur des E.s 15, 33–34, 141, 143n, 292, 337, 442–443, 447–448, 477 | Theorie des (menschlichen) E.s 12, 43, 45, 247, 251, 259, 290, 313–516 | bisherige Uneinigkeit / Verkennung des E.s 34– 35, 42, 120–125, 123, 140–151, 245, 337–338 | neue / Kantische Untersuchung des E.s 15, 33– 35, 43, 45, 59n, 119, 123 Erklärung 14, 16, 20, 31, 36, 65, 88, 123, 128, 145, 147–148,

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238–239, 331, 343, 345, 348, 376, 396–397, 406, 424, 440, 497, → Defi nition Erklärungsart 62, 358 Erklärungsgrund 339 Erörterung 239, 241–242 Erscheinung ist Gegenstand einer empirischen Anschauung, in wieferne er nur unter den a priori im Gemüt bestimmten und folglich dem Gemüte und nicht dem Dinge an sich eigentümlichen Formen der Anschauung vorgestellt werden kann 23, 391–392, 453, 479– 482, 485, 497–498, 514 | E. und Erkenntnis 263, 391, 444, 446, 475, 482 | E. und Schemate 444, und Vernunft / Ideen 467– 472, 475, 488–491, 514 | E. und Wunder 128 Erweislichkeit / Unerweislichkeit / (un)erweislich 20, 71, 94, 101–102, 104, 254, 288, 306, 426, 492, 495, 497 Erzeugung des Begriffs 455, 458, 484 | E. der objektiven Einheit 407, 422, 437 | E. der Idee / Vernunfteinheit 455–457, 459, 466–467, 471, 475, 489– 490, 501 | E. des Mannigfaltigen 450–451 | E. der Urteile 136 | E. der analytischen / synthetischen Urteile 407–411, 426 | E. der Vorstellung 266–268, 276, 303, 321, 335, 343, 348, 397, 428, 496, 502 Erziehung 8, 77–78

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Sachregister

Etwas, unbekanntes / unerklärbares E. 103 | (als Gegenstand / Objekt) 149, 218–219, 247, 265, 318, 320, 402 | (als Ding an sich) 259–260 | E., das vorstellt (Subjekt) 127, 219, 261, 265 | (als bloße Vorstellung) 320 in der Zeit 380, 432 Evidenz 17–18, 39, 61, 64, 68, 86, 109, 126, 133, 263 Existenz 316, 322, 417, 437– 439, 449, 498, 513

487, 500–501, 506, 508, 511–512 | absolute / komparative F. 500– 501, 508, 511, → Grundwahrheit der Moralität Freiheitssinn 107 Friede unter den Philosophen 18, 108, 111–112, 120, 341 Funktion 124, 143, 147, 296, 320, 411 | logische F. 125–126, 147, 432, 453

G F Falschheit / Falsche 55, 93, 98, 136 | F. in den Grundsätzen / Hauptsätzen 19, 24, 98 Fatalismus / Fatalist 21, 52, 71–72 Folge 413, 420, 430, 433, 436, 469, 474, 476–477 Form passim | philosophische F. 94 | rhapsodische F. 6, 10 | syllogistische F. 147 | unsystematische F. 98 | wissenschaftliche F. 5–6, 11 | Vorstellung der F. (Reflexionsbegriff) 453 Formel 9, 20–21, 35, 88, 94–96, 149, 354, 444, 448–449, 472n | allgemeinverständliche F. 95 | F. der Gesetze des Verstandes und der möglichen Erfahrung 445 Freiheit des Denkens 8 | F. der Handlung / des Willens 61, 66– 73, 79, 124, 133–134, 484–485,

Gattung 231–232 | Gesetz der G.en 471–472 Gattungsbegriff 231–232 Gebot 512 Gedanke in weiterer Bedeutung: die Vorstellung überhaupt, in wieferne in derselben eine Handlung der Spontaneität vorkommt 309–310 | G. und Begriff 353 | G. und Vorstellung 226–227, 229, 231–232, 308, 312 Gedankending 132 Gedankenform 431 Gefühl / fühlen 37, 54–55, 59n, 69, 81, 90, 118, 316 | moralisches und physisches G. 82 Gegebensein (des Stoffes) 136, 265–273, 285, 302, 378, 385, 453, 461n, 510 Gegebenwerden (des Stoffes) 270, 445, 482, 503, 504, 507 Gegenstand passim | G. an sich 244k, 245, 255, 347 | äuße-

Sachregister rer G. 139, 445–446 | G.e außer dem Gemüt 33, 219, 236, 255, 294, 298, 300, 302, 324, 351–352, 366–367, 375–376, 393, 497, außer dem Bewußtsein 247, dem Ich 218, der Seele 224, dem vorstellenden Subjekte 299, 353, der Vorstellung 132, 138, 245–246, der bloßen Beschaffenheit des Vorstellungsvermögens 301, außer uns / mir 214, 225, 236, 252, 262, 298–299, 350–351, 361, 374, 376, 378–379, 386, 391, 393, 438, 476 | anschaulicher G. 376–378, 405 | Begriff des G.es 113, 149, 241, 259, 299, 402, 426, 447 | bestimmter G. 251, 330–333, 334–337, 367, 382, 390, 407–408, 410, 420, 424–427, 436, 443, 445, 497, 500, 504–505, 516 | erkennbarer, eigentlicher G. 143, 393, 401, 425, 433, 436, 441–444, 446–448, 466–468, 471, 514 | von allen G.en ist nur Erkenntnis a posteriori, oder empirische Erkenntnis möglich 390– 391 | Form des G.es / Form, G.e zu denken (Kategorie) 251, 256, 258, 374, 376, 392, 401– 404, 409–410, 415, 426, 464– 465, 475, 509, 511 | sinnlicher G. 126–129, 143, 230, übersinnlicher G. 33, 127–135, 143, 230, 499 | G. überhaupt 259, 402–403, 407, 410, 426, 443, 448, 475

577

Geist 144n, 309, 316, 496, 498 | Auge des G.es 253, 316 | menschlicher G. 9, 27, 75, 117, 120, 131, 135, 311, seine Entwicklung / sein Fortschritt 31– 32, 45, 55, 103, 112, 142, seine Natur 13, 18, 45, 134 | G. der Philosophie 108 | philosophischer G. 7, 10, 63 | Sinnlichkeit als Vermögen eines G.es 340– 342 | Vorstellungsvermögen als Vermögen eines G.es 222, 224, 229, 253–254, 342–343, 358, 489 Geisterwelt 138 Gelbsüchtige 245 Gemeinschaft, absolute G. und objektive / subjektive Vernunfteinheit der Erfahrung 476–478, 485–486 | Idee der absoluten G. 473–476, 486– 487, 514–516 | absolute G. als Merkmal der Gegenstände 420 | Schema der G. ist bestimmtes Zugleichsein 429, 435–436 | erkennbare G. 435–436, 476– 477, 514 Gemüt passim, ist das menschliche Vorstellungsvermögen 229, 238n | G. und Auge 253 Geographie, physische 9 Geometrie 379 Gerichtshof des gesunden Menschenverstandes 106 Geschichte, G. der Erzeugung / Entstehung der Vorstellung 266 | Form der G. 11 | G. der Menschheit 8, der Philo-

578

Sachregister

sophie 5, 26 | Philosophie der G. 8 Gesellschaft, bürgerliche G. 77–79, 81–82, 88 | geheime G. 118 Gesetz 45, 66, 71, 85, 90, 440, 485, 511, 516, ist die Handlungsweise der reinen Vernunft, in wieferne sie dem sittlichen Triebe eigentümlich ist 512 | G. der Erkennbarkeit / des Erkenntnisvermögens 33, 141, 143n, 440, 444 | logisches G. 141–142, 230, 252 | moralisches G. 75–77, 79–81, 84–85, 87, 102, 515–516 | G.e und Notwendigkeit 441 | positive G.e (der Staaten) 63, 77, 90 | G.e der Sinnlichkeit 76, 142 | G.e des (un-) eigennützigen Triebes 511 | G. der praktischen Vernunft 515 | G. der Vorstellung / des Vorstellungsvermögens 135, 240, 285 | G. des Willens 77, 510 Gesetzmäßigkeit / gesetzmäßig 66–67, 509, 512 Gesichtspunkt, neuer, gemeinschaftlicher G. 32, 35, 49k, 102, 106, einseitige / verschiedene G.e 19, 21, 31–32, 102, 109, 274, 276, 307, 311, 426, 497 Gewalt, gesetzgebende und ausübende G. 75 | willkürliche G. 90 Gewißheit 17, 24, 93, 148, 235, 379, 426 Gewohnheit 77–78, 427, 491 Glaube 17, 37, 56n, 57, 72, 79,

86, 106, 110, 115, 119, 129, 358, 513 | moralischer G. 59n Glaubensphilosophie 25 Gleichgültigkeit 12, 113 Glied 413, 433, 435, 474, 477, 485, 499–500, 512 | als Merkmal der Gegenstände 420 Glückseligkeit 80, 81, 85 | Trieb nach G. 80 | G. ist ein Zustand, der aus der Befriedigung aller durch den Verstand bestimmten und durch Vernunft aufs Absolute ausgedehnter Triebe entsteht 37, 79–81, 85, 487, 506–508, 510–513 | Ideal der G. 506 Glückseligkeitslehre 507 Gott / Gottheit 71, 97, 99n, 132–135, 137, 269, 341, 400, 437, 466 | Begriff G.es / der G. 56, 99n, 128, 132 | Dasein G.es 31, 53–65, 99, 107, 144n, → Grundwahrheit der Religion (und der Moral) | Erkenntnis G.es 118 als Grund der moralischen Verbindlichkeit 85–86, 88 | Vernunftidee der G. 128 | Vorstellung der G. 127–128, 133 Gottesbeweis 56–65, ontologischer / physikotheologischer / kosmologischer G. 64 Grad ist Quantität (Schema) der Qualität 431–432 Grenzenlosigkeit ist unbedingte Limitation 464–466, 469 Größe 417–418, 431, 444, 468– 469

Sachregister Grübelei / Grübeln / grübeln 15, 68–69, 94, 103–104, 109, 316 Grund 420 | Idee des absoluten G.s 473–476, 486–487, → Ursache, absolute Grundbegriff 42, 74, 89, 339, 349, 354, 358 Gründlichkeit 6–7, 22, 26, 62, 64, 93, 109 Grundsatz passim 1–151, bes. 49–53, 73–114 | allgemeiner / allgemeingeltender / allgemeingültiger G. 12, 49, 52, 87, 90–91, 95–96, 100–101, 104, 110, 112– 113, 117, 120, 150, 224, 354 | G.e der Metaphysik(er) 21–23, 448 | erster G. der Moral / des Naturrechtes 49, 52, 73–91, 95, 98, 101, 112–113, 117, 150 | erster G. aller unserer Pfl ichten und Rechte 93, 120 | G.e der Materialisten und Spiritualisten 144 | G. der Ontologie 22 | G.e der dogmatischen Skeptiker 129 | G.e der Supernaturalisten 129 | streitige G.e der vier Hauptparteien 135 | wolffische G.e 8 Grundtrieb 81 Grundwahrheit 53 | angeborene G. 34 | G. der Moralität 66–73 | G. der Religion und der Moral 11, 15, 23, 26, 35, 40, 53, 93, 110, 113 | Erkenntnisgrund der G. der Religion 53–65, 73 | allgemeingeltende G. 150 | allgemeingültige G. 101, 112 | Erkenntnisgründe der G. 38, 49,

579

52–53, 91k, 95–96, 98, 113, 117 | praktische G. 20 Gültigkeit 126 Gut / gut 66, 87–88 | höchstes G. ist Glückseligkeit mit Sittlichkeit verbunden 513

H Handlung ist Veränderung, in wieferne sie Grund des Entstehens der Wirkung ist 434 | H. und Sittlichkeit / Freiheit 66–67, 71, 73, 77–78, 81–82, 88, 485, 500–501, 507–512, 515 Harmonie, prästabilierte 269, 356–357 | H. des Denkens und Handelns 485 Hauptpartei(en), vier Theisten, Pantheisten, Supernaturalisten, dogmatische Skeptiker 31–33, 42, 98–103, 109–115, 118–119, 134, 137, 213, 216, 219, 225, 245, 340, 441 und ihr erster Grundsatz der Moral 74–88, ihre Grundwahrheit der Moralität 70–73 und die der Religion 56–65 | vier H. hinsichtlich der Sinnlichkeit 137– 145, der Vernunft 124–136 Hauptsätze (der Parteien) 23, 38, 59n, 60k, 97–98, 129, 354 Hauptsystem → System Herz 9, 37–39, 92 Heterodoxie 120 Homogenität, ihr Prinzip 471–472

580

Sachregister

Hyperphysik 16k, 115–116n Hypothese 140, 269, 356–357 hypothetisch, h.es Urteil 413, 416 | h.er Vernunftschluß 473– 474

I Ich ist vorstellendes Subjekt, in wieferne es Objekt des Bewußtseins ist 218, 298, 318, 320, 326–327, 339, 367, 493, 495– 496 | vorstellendes I. 218, 239, 413, 438, 479, 482 | Vorstellung des I.s 279, 326–328 Idealism(us) / idealistisch 15, 25, 298, 421–422 Idealist 33, 138, 139n, 150, 214, 219, 225, 264, 299, 342, 495–498 Idee 454–516 passim; weiter: 27, 29, 89, 133, 138, 307, 322 | I. in weiterer Bedeutung: Vorstellung überhaupt, in wieferne sie als bloße Vorstellung von allem, was Gegenstand derselben ist, verschieden und nicht außer dem Vorstellenden vorhanden ist 311–312, 456 | I. in engerer Bedeutung: Vorstellung, die aus dem durch Begriffe vorgestellten Mannigfaltigen entsteht 397, 399, 454–455, 456–457 | I. in engster Bedeutung: Vorstellung, die durch das Verbinden des a priori Gedachten entsteht 456–

457, 464, 473 | allgemeinste I.: Vorstellung der in der Form des Vernunftschlusses a priori bestimmten unbedingten Einheit 464–465, Merkmale ihres Gegenstandes sind Totalität, Grenzenlosigkeit, das Allbefassende und absolute Notwendigkeit 464–468 | besondere I.n des absoluten Subjektes, der absoluten Ursache / Grundes und der absoluten Gemeinschaft 473–476 | Form der I. 457, 488–489, 499, 508 ist unbedingte oder absolute Einheit 457–458 | allgemeine Form der I. 465, 473 | besondere Form der I.en des kategorischen, hypothetischen und disjunktiven Vernunftschlusses 473–476 | I. und Vorstellung(sver mögen) (122), 226–234, 250, 287, 308 | → Welt Identität 325, ihr Begriff (Reflexionsbegriff) 450–451 Individu(um) / Individualität 232, 327, 401, 472, 477–478, 492, 495, 516 Inhalt passim | I. der Anschauung 347 | I. eines Begriffes 231, 235, 243, 370, 380, 466 | I. des Bewußtseins 315, 318 | I. eines Urteils 443 | I. eines Vernunftschlusses 125–127 | I. der Vorstellung (Stoff der Vorstellung) 255, 297, 301, 303, 326, 330, 357 Inkonsequenz 102, 269, 356

Sachregister Innerliches, Vorstellung des I.n (Reflexionsbegriff) 452 Instinkt ist notwendiges Begehren 67, 83, 505, 507 Intellektualphilosophen 309– 310 Intelligenz als bestimmende und wirkende Ursache der physischen und moralischen Gesetze 516 Interesse 10 | höchste / heiligste I. der Menschheit 6, 9, 54, 63, 110–111, 113–115 Intuitionssinn 119 Irrtum 21, 51, 97, 145, 245, 246, 262

J Jena 44, 110k, 151k, 214 Jurisprudenz 90

K Kabbalistik 118 Kantianer 122 Kantisch 13, 17–18, 37, 40, 43, 45–46, 59, 122n, 123, 250, 264, 370, 450 | K.e Kritik 45 | K.e Philosophie 15, 19, 40, 46, 122, 123n und ihre Schicksale 5–46 | K.e System 12, 13, 14, 15n, 16n, 17, 36, 39, 43, 214n Kategorie 409–516 und passim | K.n sind die bestimmten Formen der denkbaren Gegen-

581

stände und gewisse Modifi kationen der objektiven Einheit 409, 415, gehören in Beziehung auf das Vorstellungsvermögen überhaupt dem Verstande in engerem Sinn, in Beziehung auf die Sinnlichkeit aber dem Verstande in engster Bedeutung an 427–429 | durch K.n wird der Gegenstand als bestimmter Gegenstand gedacht 426 | dynamische K.n 417, 419–423 betreffen Prädikate, die den Gegenständen in Rücksicht auf die Existenz beigelegt werden und die an der bloßen Form, am bloßen Begriffe, an dem Zusammenfassen, der Kraftäußerung des Gemütes bestimmt sind 417 | mathematische K.n 417–419 betreffen Prädikate, die in der Anschauung mathematisch bestimmbar sind 417 | Kantische Tafel der K.n 450 | reine Vorstellungen der K.n 425–426 Kausalität ist das, was an einem Dinge Grund der Entstehung eines andern ist 434 | absolute K. 515 | erkennbare K. 434–435 | (Kategorie der) K. der Gegenstände 416, 420 | Schema der K. (bestimmte Sukzession) 429, 433–435, 439, 444, 476–477, 499 | K. der Vernunft 500 Kausalverknüpfung 472n, 500 Ketzerei 21, 120

582

Sachregister

Kirche 88, 105 Klarheit / klar 6 | K. des Begriffes 239 | K. des Bewußtseins 322–323, 326, 328–329, 331, 334, 345, 479 | K. der Erkenntnis 331, 447 | K. der Vorstellungen 55, 355, 497 Klugheit 75, 77 Klugheitslehre ist System der Regeln des durch die Idee der Glückseligkeit bestimmten Gebrauchs der Vernunft 507 und unterschieden von der Moral Konkrete / Konkretum / konkret 6, 19, 83, 380 Konkurrenz, bedingte (komparative) K. 463–464 | (Kategorie der) K. der Gegenstände 416, 420 | unbedingte / absolute K. (das Allbefassende) 458, 461–465, 487 Kontinuität, Gesetz der K. der logischen Formen 472 | K. und intensive Größe 469 | K. von Raum / Zeit 373, 381 Kopf (und Herz) 37–39, 92 Körper, Begriff des K.s 241 | (K. im Sinne von Materie) 137–139, 214–215, 241, 254, 283, 340–343, 347, 358, 375, 446, 482, 486, 489, 492–494, 497–498 | (menschlicher) K. 80, 83, 217, 224–225, 304, 355–356, 505n | organischer K. 139–141, 214– 215, 222, 229, 234, 272, 339, 341–342, 348–349, 351, 356, 497 | K. der Seele 215 | K. als Subjekt des Gemütes 253–254

Körperlichkeit / Unkörperlichkeit / (un)körperlich 137–140, 213, 215, 222, 289, 340, 358, 486–488 Körperwelt 25, 137 Kosmologie 155 | rationale K. 9 Kosmopolit 120 Kraft 18, 62, 75, 88, 215, 220, 223, 229, 234, 269–270, 272, 276, 291, 303, 309, 341, 356, 358, 434, 496, 498, 503, 506, 509, 511 | bewegende K. 434, 496, denkbare und erkennbare K. 434–435 | Handlung einer K. 240, 311 | Tätigkeit vs. K. 276 | K. und Organisation / organischer Körper 215, 220, 234 | K. und Vermögen 220, 276, 291–292, 321, 435, 502 | vorstellende K. 213, 219, 220–222, 224, 240, 250, 253, 269, 274, 283, 321, 329, 339, 496–497, 502, 507 | K.e der Vernunft 56, 85, 509 Kritik 116n | K. des Geschmacks 37 Kritik der reinen Vernunft (Kant) / Kritik der (reinen) Vernunft 13–16, 18, 21, 25n, 36, 43, 45, 60k, 98, 119, 121–122, 214k, 225, 327, 368, 426, 453 | und Mißverständnis durch die Parteien 32, 42, 44 | ihre allgemeingültigen Prinzipien 15, 18, 30, 42 | ihre bisherigen Schicksale 30, 35, 252, 376 | ihr Buchstabe 122n ist mißverstanden 12–19, 24–25, 30, 35–36, 41,

Sachregister 43, 123n, 252, 276, 376 | und der Begriff der Vorstellung 43–44 | und bisherige Systeme 24, 32–33 | über das Erkennen / Erkenntnisvermögen / die Erkenntnis 33–34, 44–45 | ihre Erläuterung 214k | ihre Freunde 13, 16, 43, 110, 122n, 263–264 | ihre Gegner 13–16, 19–23, 25–27, 43, 46, 123n, 264, 450 | ihre Grundwahrheiten der Religion und der Moral 38, 40, 110 | ihre Prämissen 151k | sie beginnt die Reformation der Philosophie 33–34, 39 | ihre Resultate 15, 20, 40, 43, 46, 59n, 60k | sie erweist die Unmöglichkeit der Erkenntnis der Dinge an sich und daß nur Erscheinungen erkennbar sind 263 kritisch 29, 115, k.e Philosophen 17, 110 | k.e Philosophie 122n, 151k, 214k, 415, 450, → Skeptizismus, → Zweifel Kultur 12, 104, 253 künftiges Leben → zukünftiges Leben

L Länderkunde 9 Laster 77–79, 88 Leben 20, 55, 59n, 79, 91, 215, → zukünftiges Leben Legalität 66, → Gesetzmäßigkeit

583

Lehrgebäude 10, 22, 30, 131, 262–263, 400 Leib 215, 222 Leibnizianer 31, 131, 138, 283, 311, 321, 495–496 leibnizisch-wolffische Philosophie 5–12, 26 Limitation, bedingte (komparative) L. 463–464 | (Kategorie der) L. der Gegenstände 416, 418–419, 505, 516 | unbedingte L. (Grenzenlosigkeit) 458, 461, 463–465 Lockeaner 31 Logik 11, 51, 125, 223n, 229– 230, 240n, 243, 449 Logiker 148, 241 logisch 18, 128, 141, 143, 248, 277n, 278, 431–432, 453, 488 | l. im strengsten Sinne: was zum Denken gehört 143n | l. im weiteren Sinne: was zu der in der Natur des Erkenntnisvermögens bestimmten Art und Weise des Erkennens gehört 143n | l.e Form 410–416, 472 | l.e Funktion 125–126, 147, 432, 453 | l.es Gesetz 141–142, 230, 252 | l.e Materie / l.er Stoff 411–412, 416 | l.e Möglichkeit 69, 437, 440–441, 448 | l.e Notwendigkeit 440 | l.es Sein 439, 449 | l.es Subjekt 216, 460–461, 463 | l.es Substratum 278, 328 | l.e Wirklichkeit / Realität / Existenz 422, 432, 437–438, 440 | l.es Vermögen der Vernunft zu schließen 128, 130–131, 134,

584

Sachregister

142–143 | l.es Vermögen des Verstandes 136, 142–143 | l.es Wesen 259, 428 Lust / Unlust 74, 76, 83

M Mangel des Bewußtseins 322 | M. allgemeingültiger Erkenntnisgründe 113 | M. allgemeingeltender Grundsätze / Prinzipien / des Allgemeingeltenden 35, 49k, 50–51, 53, 60, 89–91 | M. allgemeingültiger Grundsätze / Prinzipien / des Allgemeingültigen 12, 30, 42, 49k, 91–92, 123, 224 | M. des Einverständnisses über Prinzipien 112 | M. an unstreitigen Prämissen 118 | M. eines bestimmten Begriffes von Vorstellung 283 Mannigfaltige 285–516 passim Mannigfaltigkeit 304–305, 362–364, 412n, 418, 450–453, 458, 461, 472, 479, 484, 501 | M. ist wesentliches Merkmal des Stoffes der Vorstellung 285 | M. überhaupt (des Stoffes) ist die Form der Rezeptivität 288–290, 360 | M. überhaupt ist Form des Stoffes 362 | Verbindung des gegebenen M.n überhaupt ist Form der Spontaneität 290 Materialien des Denkens 445 | M. der Sinnlichkeit / von der Sinnlichkeit geliefert 134, 136,

138, 398–399 | M. der Vernunft und der Erkenntnis 445 | M. für künftige Wissenschaften 113 Materialismus 18, 21, 273, 342 Materialist 21, 25, 27, 33, 52, 71, 80, 137, 139–140, 143–144, 214, 220, 263, 272–273, 277, 279, 283, 289, 329, 340–342, 349, 358, 400, 405, 492, 497 Materie 35, 400, 435 Materie / Form der Bildsäule 248 | M. / F. der Erfahrung 447 | (logische) M. / F. der Urteile 136, 411–412, 449 | M. / F. des Urteilens 417 | M. / F. der Vernunftschlüsse 126 | M. / F. der Vorstellung 263 | Vorstellung der M. / F. (Reflexionsbegriff) 453 Mathematik / Mathematiker / mathematisch 17–18, 36, 51, 86, 95, → Kategorien, → Schemate Merkmal 231–250 passim Metaphysik 5–6, 8–9, 11–12, 15–16, 22, 27, 37–38, 51, 103– 105, 108, 115, 116n, 118, 135, 145, 239, 277, 445, 448–449, höhere M. 499, 516 Metaphysiker 19, 21, 24, 30, 104, 134, 276 metaphysisch 8, 10, 11, 24, 35, 45, 46, 108, 118, 141 | m. vs. logisch 128, 134, 142, 277n, 449 | m.e Systeme 16n, 18, 24, 36, 342 | m.es Vermögen der Vernunft 128–135

Sachregister Metaphysizieren 103, 118 Mißverständnis 5–46, 50, 57–60, 74, 94, 97, 106, 112, 118, 120, 122–124, 150–151, 224– 225, 229, 235, 242, 245, 248– 252, 273, 276–277n, 303, 376, 400, 424, 453, 488–489 Mittel 80, 82, 84, 90, 507–508, 510, 513 Mittelbegriff 399, 455, 459– 463, 473–474 mittelbar 132, 275, 336, 365, 373, 386, 395, 398, 400, 435, 438, 455, 457–464, 467–468, 470–471, 473–474, 476, 478, 486, 499–500, 505, 509, 514 Modalität der Gegenstände / Kategorien der M. 416, 420–423, 426, 441 | einem Gegenstande kommt Merkmal der M. zu, in wieferne sein Verhältnis als objektive Einheit zum Bewußtsein des Vorstellenden bestimmt ist 420–421 | M. des Urteils 416, 459 ist durch das Verhältnis des Bewußtseins des Zusammenfassens bestimmt 413–415 | Schemate der M. 430, 436–441 | Reflexionsbegriffe der M. 453 | M. und Vernunft 470 | M. und Begehrungsvermögen 505, 510 Modifi kation des Mannigfaltigen 458 | der (objektiven) Einheit: die näher bestimmte Art und Weise, wie das vorgestellte Mannigfaltige in der Einheit verbunden ist 409–410, 452,

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458 | M. des sinnlichen Triebes 504 | M. des Stoffes 244k, 245 | M. der Sinnlichkeit / des sinnlichen Vorstellungsvermögens 80, 138, 144, 351, 354, 357–358, 505n | M. des Urteils 410, 415 | M. der vorstellenden Kraft 358 Möglichkeit, (Kategorie der) M. der Gegenstände 416, 421– 423, 437, 440–441 | Verwechselung der logischen mit der reellen M. 448 | Schema der M. ist Sein zu irgendeiner Zeit 430 oder Denkbarkeit des Anschaulichen 436–437, 444 und bestimmt die reelle Möglichkeit (Erkennbarkeit) 437 Monas 497 Moral 6, 9, 11, 15, 23, 26, 35, 38, 40, 49, 52–53, 73, 80, 85–86, 88–89, 91k, 95, 98, 101, 112–113, 117, 150 | M. unterschieden von Klugheitslehre 507, → Grundwahrheiten der Religion und der Moral, → Grundsätze der Moral und des Naturrechtes moralisch 40, 60, 62, 72, 75, 93, 113, 487, 513 | m.es Gefühl 82 | m.es Gesetz 67, 75–77, 79–81, 84–85, 87, 102, 516, → Sittengesetz | m.er Glaube 59 | m.es Handeln 515 | m.er Sinn 79–80 | m.er Trieb 510 | m.e Verbindlichkeit (des moralischen Gesetzes) 75–77, 80–82, 84–86, 88 | m.e Welt 485, 487, 514–515 | m.er Zweck 88 | das

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Sachregister

M.e der Willenshandlungen 485 Moralität 6, 21, 49, 52–53, 55, 63–69, 73, 79, 91k, 96, 98k, 101, 110, 112–113, 117, 150, 510, ist die beabsichtigte Übereinstimmung willkürlicher Handlungen mit den Gesetzen der Vernunft 66 oder durchgängig bestimmtes Objekt des reinvernünftigen Triebes 510 | M. besteht in der um ihrer selbst willen beabsichtigten Realisierung der Handlungsweise der reinen Vernunft 510 | → Sittlichkeit, → Grundwahrheit der Moralität Moralphilosophie 87 Mystik 118

N Natur 6, 31, 78, 99, 138, 341, 466, 513 | N. des Bewußtseins 279, 316, 319 | N. der Dinge (an sich / außer uns) 75, 141, 262– 263, 392, 440 | N. des Erkenntnisvermögens, 15, 33, 141, 143, 292, 337, 442–443, 447–448, 477 | N. des menschlichen Geistes 12–13, 18, 45, 134 | N. des Gemütes, 289, 361, 440, 443, 475, 499, 513 | logische N. 128 | menschliche N. 52, 77–81, 86 | N. der Seele 215, 229, 236, 272, 276, 279, 289, 340 | N. der Sinnlichkeit 137, 139, 142, 428, 450

| N. des (vorstellenden) Subjektes 127, 221, 274, 293, 341 | N. der Vernunft 29, 82, 128, 457, 464–466, 473, 478, 485–486, 488, 490–491, 514–515 | N. des Vernunftschlusses 460, 465– 466 | N. des Verstandes 142, 403–404, 409–411, 414–415, 423, 426, 428–429, 442, 450, 452, 459, 464, 473, 475–476, 484, 499 | N. der Vorstellung 256, 262, 265 | N. des Vorstellungsvermögens 233, 263, 305, 337, 472 | N. des Willens 87–88 | → Prinzip, Physik Naturalist 25, 85, 118–119 Naturforschung 471 Naturgesetz 72, 77, 79, 83, 285 Naturrecht 49, 52, 89–91, 95, 98, 101, 112–113, 117, 150, → Grundsätze der Moral und des Naturrechtes Naturwissenschaft 50–51, 241 Naturzustand 77 Negation, (Kategorie der) N. der Gegenstände 416, 418–419, 505, 516 | Schema der N. ist leere Zeit 431–432 | N. und Reflexionsbegriffe 451 | N. und Vernunft 469 Neigung 9, 37, 53, 84, 507 Newtonianer 17 Newtonsche System 17 Nichts 374–375, 383, 432 Nichtvorstellbare 53, 151, 277, 281, 393, 424 Nötigung / nötigen ist das Bestimmtwerden des sinnlichen

Sachregister Triebes durch die Selbsttätigkeit des Rein-Vernünftigen 124, 512 Notwendigkeit, bedingte (komparative) N. 463–464, 470, 472n | bisherige Erklärungen der N. 440–441 | erkennbare N. ist der Zusammenhang des Erkannten (reell Wirklichen) mit den Gesetzen der Erkennbarkeit (dem bestimmt ReellMöglichen) 440 | einem Gegenstande kommt N. zu, in wieferne sein Erkanntsein durch die bloße Form des Erkennens bestimmt ist 439 | logische N. ist der Zusammenhang des Gedachten (des logisch Wirklichen) mit den Gesetzen des Denkens (dem bestimmt logisch Möglichen) 440 | (Kategorie der) N. der Gegenstände 416, 421, 423, 463–464, 470 | Schema der N. ist Sein zu aller Zeit 430, 436, 439–441, 444 | unbedingte / absolute N. 458, 464–465, 470, sie bestimmt die Form der mittelbaren Urteile 462, 463–464

O Objekt und Anschauung 345– 346, 350, 352–353, 455, 467, 477, 503 | O. außer uns 223 | O. des Begriffes 455 | O. und Bewußtsein 238, 249, 257, 315,

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317–318, 323–326, 346 | O. und Einheit 83, 413, 419, 436, 452, 467 | O. und Idee 455, 485– 487, 506 | O. und Kategorien 419–420 | O. und Reflexionsbegriffe 452 | O. und Schemate 435–436, 438 | O. und Sinnlichkeit 66, 138, 349 | O. und Stoff (der Vorstellung) 251, 265, 269, 310, 317, 325, 326, 477 | O. und Subjekt 257, 261–262, 265–266, 279, 325, 328 | O. des Triebes 503, 509–510, 513 | O. und Vernunft(schluß) 82–84, 462, 485–486, 509–510 | vorgestelltes O. gehört zur Vorstellung und ist von ihr unterschieden 217–219, 221, 222, 224, 233, 234, 236, 237, 256, 260, 261, 274, 285, 326 | von der Vorstellung unterschiedenes O. 249, 255k, 256, 265, 266, 315, 317, 320, 323, 328 | Beziehung der Vorstellung auf das O. 315, 317, 319–320, 323–346, 350, 352, 353, 388, 503 | O. der Vorstellung 262, 266, 318, 319, 320, 325–326 | O. des Willens 82, 511 Objektive / objektiv 488, 490 | o.e Beziehung 262, 478 | o.e Einheit 263, 335, 401–405, 407– 423, 425–426, 428, 432, 436– 437, 439, 442, 447–448, 451– 452, 461, 463, 465, 467, 470– 471, 473–474, 476–478, 485 | o.e Form 251, 258 | o.er Grund 82, 85, 352 | o.e Gültigkeit 126 |

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Sachregister

o.e Realität 399–400, 457, 486, 499–500, 514 | o.er Stoff 295– 298, 300–302, 304, 307, 332, 349–350, 359, 361, 364, 366– 367, 371–372, 374–378, 385, 388–390, 392–393, 399, 403, 477, 486, 490, 500, 504, 507, 511 | o.e Wahrheit 70, 101–102 Offenbarung 57, 59n, 71, 115, 118, 127–128 Ontologie / ontologisch 9, 21, 64 | κατ’ εξοχην (der Teil der Metaphysik, der sich mit dem erkennbaren Gegenstand im strengsten Sinne beschäftigt) 448 Organ 252–254, 351–352, 357 Organisation, Vermögen sinnlicher Vorstellungen / Sinnlichkeit und O. 80, 124, 138–142, 283, 339–340, 343, 348–352, 354–355, 357–358, 486, 505n | Vorstellung(sver mögen) und O. 139–140, 213–217, 220, 222, 289, 348, 358, 493 Orthodoxie / orthodox 25, 90, 107, 120

P Pantheist 31, 61, 71 Partei 13, 16, 22, 25, 94, 96– 98 | drei P.en gegen Popularphilosophen (Supernaturalismus, Atheismus, dogmatischer Skeptizismus) 106–108 | Streit(igkeiten) der P.en 33, 42,

97, 103, 106, 110, 112, 119, 124, 130, 133 Parteilichkeit / Unparteilichkeit 23, 39 parteilos / unparteiisch 23–24, 30, 101, 120 Phantasie 99, 116, 229k, 230k Philosophie / Philosoph passim | bisherige Ph. 20, 228, 246, 262, 277, 356 | eigentliche Ph. 18, 106 | eklektische Ph. 5, 14, 60 | empirische Ph. 5 | Ph. der Erziehungskunst 8 | Geschichte der Ph. 5 | Ph. der Geschichte 8 | Kantische Ph. 5–46, 122, 123n | kritische Ph. 17, 110, 122n, 151k, 214k, 415, 450 | (leibnizisch)-wolffi sche Ph. 5–7 | neue(re) Ph. 21, 24–25, 28, 87, 94 | popularisierte Ph. 105 | Ph.phen von Profession 25–30, 60n, 62, 99n, 123, 229–230 | Reformation der Ph. 25, 33, 49k, 91k, 101, 137k, 230 | spekulative Ph. 15, 18, 27, 30, 34– 37, 39–40, 53, 55, 70, 98, 111, 115, 117, 120, 252, 283 | Ph. der Sprache 8 | Streit / Uneinigkeit der Ph. 35, 74, 89, 111, 249, 327, 400 | bisheriger / gegenwärtiger Zustand der Ph. 18–19, 101, 115 | Zweck der Ph. 52 Philosophieren 8, 10, 19, 50, 67, 85, 110, 130, 142, 232, 239, 315, 322, 403, 466, → Vernunft, philosophierende Pfl icht ist die Notwendigkeit, den sinnlichen Trieb dem Ge-

Sachregister setze des Reinvernünftigen zu unterwerfen 11, 21, 27, 52, 60, 81, 93, 110–111, 113, 120, 440, 512 Pfl ichtmäßigkeit / pfl ichtmäßig 81, 510 Pfl ichtwidrigkeit 81 Pöbel 62, 103 Popularität / populär 6, 106– 108 Popularphilosophie / Popularphilosoph 17, 19–21, 94, 99n, 103–104, 106, 108, 121, 123 Prädikat passim, oder Merkmal des Gegenstandes: eine im Begriff verbundene Vorstellung des durch das Subjekt vorgestellten Gegenstandes 397 | Entstehung des P.s 406–407 Prämissen 30, 33, 40, 45, 50, 52, 118, 151k, 216, 239, 266, 340, 459, 513 Prinzip 7–9, 18, 22–23, 28, 42, 50, 70, 104, 111–113, 140 | allgemeingeltende P.ien 19, 27, 35, 49–50, 60, 103, 111, 242 | allgemeingültige P.ien 12, 18– 19, 21, 24, 27, 30, 42, 49–51, 67, 90, 101, 110–113, 121, 123, 150 | Einigkeit / Einverständnis über P.ien 33, 42, 111–112, 225 | P.ien der Metaphysik(er) 15, 21 | neue P.ien (der Philosophie) 19–21, 24, 29, 39–40 | P.ien der spekulativen Philosophie 27, 30, 252 | P.ien der Physik 17 | → Vernunftprinzipien Prüfung 13, 23–24, 89, 109

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Psychologie 7, 230 | empirische Ps. 11, 229, 253 | rationale Ps. 9, 499 Publikum 21, 36, 40, 104 | philosophisches P. 9, 12, 25, 27, 30, 41, 50, 52, 56, 63, 70, 93, 96, 99, 102

Q Qualität des Urteils 414–415, 426, 459 ist logische, durch die Natur des Verstandes bestimmte Modifi kation jedes Urteils überhaupt 415 oder Verhältnis des Prädikates zur objektiven Einheit 414 | Q. als Merkmal des Gegenstandes (Kategorien) 416–419, 421, 426, 438, 505, 507, 510, 516 kommt dem Gegenstände zu, in wieferne das Verhältnis seines Prädikats zur objektiven Einheit, die ihm als Subjekt zukommt, bestimmt ist 418 | Schema der Q. ist Grad 429, 431–432, 444 | Reflexionsbegriffe der Q. 451 | Q. und Vernunft 469 Quantität des Urteils 414–415, 459 ist logische, durch die Natur des Verstandes bestimmte Modifi kation jedes Urteils überhaupt 415 oder Verhältnis des Subjektes zur objektiven Einheit 414 | Q. als Merkmal des Gegenstandes 416–418, 421, 426, 504–505, 509 kommt

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Sachregister

dem Gegenstand zu, in wieferne sein Verhältnis als Subjekt zur objektiven Einheit eines Prädikates bestimmt ist 417 und kann nur durch alle drei ihr untergeordneten Kategorien als bestimmte Größe gedacht werden 418 | Schema der Q. ist Zahl 429–431, 444 | Reflexionsbegriffe der Q. 450– 451 | Q. und Vernunft 468– 469

R Raum 11, 23, 263, 278, 369– 379, 381, 386–387, 389–390, 465n, 475–482, 485, 487, 489– 496, 498–499, 503 | R. ist notwendiger Gegenstand für uns 376–379 | Anschauung des R.es 372–373 | Vorstellung des R.es 369–376 ist Anschauung a priori 376–377 ihr Stoff ist a priori bestimmt durch die Form des äußeren Sinnes 369– 376 und unterschieden von den Vorstellungen des erfüllten und des leeren Raumes 369–370 | vorgestellter R. ist die a priori bestimmte Form der äußeren Anschauung 369–372 und kann unmöglich dem Dinge an sich beigelegt werden 390 | R. ist wesentliche Bedingung aller Erscheinungen 392–393 | R. ist wesentliches Merkmal alles

Erkennbaren 392–393 | R. ist Grenze unsres Erkenntnisvermögens 392–394 | Merkmale des R.es sind Außereinandersein des Mannigfaltigen und Einheit 372 | Unendlichkeit des R.es 376 | Kontinuität des R.es 373 | Teilbarkeit des R.es ins Unendliche 373 | R. und Kategorien / Schemate (der Relation) 425, 431, 433–436 | R. und Ausdehnung 263, 374, 376–378, 393, 482, 489, 492, 493, 496n | Kantische Theorie des R.es 370–371 Realität 25, 33, 54, 71, 146, 487, 496 | (Kategorie der) R. der Gegenstände 416, 418–419, 463, 505, 516 | Schema der R. 431–432 | R. der Vorstellung 132, 247, 285, 399, 422 | objektive R. der Vorstellung 399, 422, 457 | subjektive R. der Vorstellung 399, 422, 456–457 | objektive R. der Idee 486, 499– 500, 514 | subjektive R. der Idee 500 | R. und Existenz 438, 449 | logische vs. erkennbare R. 438 | denkbare / absolute R. 469, 516 Recht 52, 89–91, 93, 110, 111, 118, 120, 135, 440 Reflexion (Vergleichung) / Reflexionsbegriffe 450–453 | Reflexion ist die logische Funktion des analytischen Urteils 453 | → Amphibolie Reinhold (biographisches) 36–45

Sachregister Relation des Urteils 415, 426, 459, 473–474 ist das Verhältnis des Subjektes und Prädikates zusammengenommen zur objektiven Einheit 415 und logische, durch die Natur des Verstandes bestimmte Modifikation jedes Urteils überhaupt 415 | R. als Merkmal des Gegenstandes (Kategorien) 416, 419–421, 423, 426, 505, 510 | Schemate der R. 429, 432–436, 441 | Reflexionsbegriffe der R. 452 | R. und Vernunft(schlüsse) 469, 473–474 Religion 6, 9, 21, 25, 37, 50, 53, 55, 59n, 63, 118–119, 124 | → Grundwahrheiten der Religion und der Moral Repräsentant / repräsentieren 132, 244k, 245–246, 251, 258– 259, 303–305, 310, 320 Rezeptivität 271–394 passim | R. ist Empfänglichkeit für den Stoff einer Vorstellung 271–273 | R. ist das Vermögen, affi ziert zu werden 283–285 | R. ist das Vermögen, ein Mannigfaltiges zu empfangen 288 | Materialisten und Spiritualisten über R. 276–277, 289 | Gründung der R. im vorstellenden Subjekte 277–280 | Form der R. 280–282, 284, 288–290, 292–298 ist die im Vorstellungsvermögen bestimmte Beschaffenheit derjenigen Tätigkeit, durch welche die bloße Form an dem Stoffe her-

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vorgebracht wird 280 und ist dem vorstellenden Subjekte in und mit dem Vorstellungsvermögens gegeben und in demselben vor aller Vorstellung bestimmt vorhanden 292–296 sie besteht in der Mannigfaltigkeit überhaupt, in wieferne dieselbe die im Vorstellungsvermögen gegründete und bestimmte Bedingung des Stoffes in der Vorstellung ist 288–290 | Vorstellung der R. ist a priori 302–304 und macht Selbstbewußtsein möglich 327–329 | R. und Anschauung 334–336 | R. und Empfi ndung 309 | R. und sinnliche Vorstellung (Empfi ndung / Anschauung) 309, 334– 336, 343–345, 350–353 | R. und Sinnlichkeit 348–350, 360–366 Rhapsodie / rhapsodisch 6, 10, 99n Rose 254

S Sache 122–123, 372, 403 | S.n. vs. Vorstellungen 224–226, 312 | Ding an sich als S. 259–260, 403 Sacherklärung 238 Sachkenntnis 7, 104, 259 Sanktion 74, 77, 508, 511 Schema 429–450, 456 | S. ist die Kategorie in ihrer bestimmten Beziehung auf die allge-

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Sachregister

meine Form der Anschauungen (die bloße Zeit) vorgestellt 429–441, 447, 456, 464 | S.te sind die in der Natur des Erkenntnisvermögens a priori bestimmten Formen der Erkennbarkeit 442, 447, 476–477 | reine Vorstellungen der S.te sind Erkenntnisse a priori 442– 443 | Notwendigkeit und Allgemeinheit der S.te 443 | mathematische S.te 432 | dynamische S.te 441 | S.te der Modalität bestimmen die Beziehung der Kategorien der Modalität auf die allgemeine Form der Anschauung 436–441 | S. der Qualität ist Grad 429, 431–432 | S. der Quantität ist Zahl 429–431, 432 | S.te der Relation sind Beharrlichkeit, bestimmte Sukzession, bestimmtes Zugleichsein 429 bestimmen die Beziehung der Kategorien der Relation auf die Form der Anschauung überhaupt 432–436 | Tafel der S.te 429–430, 449 | Urteile, in welche die S.te sich auflösen lassen 442–445 | Ideen und ihre Beziehung auf S.te 468, 478, 482, 485–486, 499–500, 514, 516 Schicksal 27, 62, 65, 79, 105, 117, 276 | S. der Kantischen Philosophie 5–46, 252, 376 schließen 137, 240, 397, 455 | Vermögen zu s. (Vernunft) 125–126, 128, 131, 233, 398

Schluß 127–128, 132, 222k, 302, 474, → Vernunftschluß Schlußform(el) 18, 127, 131, 147, → Vernunftschluß, → Form Schnellgläubigkeit 107 Schule 94, 121 | S. der Empiriker 7, 94 | S. vs. Welt / gemeines Leben 8, 20 | wolffi sche S. 7, 103 Schulphilosophie 11, 329 Seele 132–134, 250, 307, 309, 321, 357 | S. und Sinn(lichkeit) 138–139, 355–356 | S. und Rezeptivität 272 | S. und Erkenntnisvermögen 140–142 | S. und Vorstellungsvermögen 213–215, 221–225, 229, 236, 283 | Erkennbarkeit der S. 261, 433 | Vorstellung der S. 133, 224, 236, 261– 262 | S. als Substanz 288–289, 292, 329, 393, 433 | Natur der S. 215, 221, 229, 236, 272, 276, 279, 289, 340 | Unkörperlichkeit der S. 138–140, 213, 222 | Unsterblichkeit der S. 215 | Idee von der S. 499 Seelenlehre, empirische 9, → Psychologie, empirische Sehen und die Analogie mit dem Vorstellen 253, 331 Sekte / sektirisch 19, 20, 24, 26– 27, 30, 32, 35, 45, 52, 54, 61, 63, 70, 97, 102, 107–108, 122n, 138, 225, 273, 283, 298, 354 Selbst 218, 323 | S. nur durch Vorstellung bewußt 218 Selbstbewußtsein 318, 323–327

Sachregister Selbstdenker 6, 11, 19, 21, 65, 99, 115, 261 Selbstgefühl 68–70, 315, 493 Selbsttätigkeit 482, 484–485, 500, 506–512 sensus communis 20, 54 Sensualphilosophen 309–310 Sinn, äußerer 350–352, 353– 363, 365, 367, 369, 371–374, 377–378, 386–389, 391, 431, 433, 446, 475–479, 482, 485, 487–488, 490–491, 495, 497– 498, 505n, 514 | inner(lich)er S. 127, 253, 352–360, 363–365, 367, 379–380, 382–386, 388– 389, 391, 431, 446, 475–476, 478–480, 482, 485, 487–491, 498, 514–515 Sinnenwelt 127, 379, 468–471, 486, 499 Sinnenwesen 137, 139 Sinnlichkeit 45, 352, 358–360, 362, 394, 446, 481, 483–484, 487, 488, 496 | S. überhaupt: das a priori bestimmte Vermögen, durch ein der Rezeptivität nacheinander gegebenes Mannigfaltiges zu Vorstellungen zu gelangen 365–366 | S. im engeren Verstande: das Vermögen, durch die Art und Weise, wie die Rezeptivität affi ziert wird, zu Vorstellungen zu gelangen 348 | S. in weiterer Bedeutung (Rezeptivität): das sich beim Vorstellen überhaupt leidend verhaltende Vermögen 309–310, 348 | bisherige Auffas-

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sung der S. 339–343, 347, 354 | S. und das Begehrungsvermögen 502–506, 508, 510–511, 513 | Begriff der S. 143, 235, 339–341, 357–358 | Form(en) der S. 365, 367, 391, 454, 456, 458, 463–464, 479, 484, 501– 503 | S. und bedingte / unbedingte Einheit (Begriff / Idee) 454, 456, 458, 463–465, 471, 475, 484, 490–491, 501 | S. ist Vermögen zu Empfi nden 229, 309 | S. als Teil des Erkenntnisvermögens / Vernunft 124–125, 127, 134, 136 | Gesetze des Verstandes und S. 443 | Beziehung der Kategorien auf die S. 425, 427–429 | Materialisten und Spiritualisten über die S. 137– 145, 340–341, 349–350, 354– 358 | Merkmale der S. (Formen des äußeren und inneren Sinnes) 360 | S. und Moral 66–67, 71–73, 76, 80, 82–83 | Schemate und S. 442, 450 | Theorie der S. 250, 263, 339–394 | S. und Verstand 398–399 | Vorstellung der S. (Empfi ndung) 228, 231–232, 236, 308 | S. kann nur aus den bloßen Vorstellungen der S. erkannt werden 308 | S. ist kein Bestandteil des Vorstellungsvermögens in engster Bedeutung 232–233, 234 | S. ist Bestandteil des Vorstellungsvermögens in engerer Bedeutung 229–230, 234 Sittengesetz 67, 73–75, 77–79,

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Sachregister

81, 85, 88, 230 | Verbindlichkeit des S.es 67, 74–88 | → Gesetz, moralisches Sittlichkeit ist die beabsichtigte Übereinstimmung willkürlicher Handlungen mit den Gesetzen der Vernunft 9, 66, 74, 76n, 78–79, 86, 111, 510–513 | S. ist das durchgängig bestimmte Objekt des rein-vernünftigen Triebes und besteht in der um ihrer selbst willen beabsichtigten Realisierung der Handlungsweise der reinen Vernunft 510 | S. ist das höchste, oberste Gut 513 | → Moralität Skeptiker 24, 58k, 59n, 61, 68, 117, 214, 219, 299, 329 | dogmatische S. 31, 33, 51, 56–58, 70, 78, 99, 101n, 102, 109, 111, 114, 129, 144, 150, 225, 264, 491–492, 497 | kritische S. 102, 110–111, 114–115, 120 | unphilosophische S. 103, 111 Skeptizismus 11, 15, 91k, 117, 299 | dogmatischer S. 12, 18, 21, 27, 63, 70, 99, 101–103, 107– 109, 115, 262, 264, 273 | kritischer S. 12, 58n, 101–102, 115 | S. der Popularphilosophie 103–104 Sophist / sophistisch / Sophisterei 16k, 21, 218, 250, 258 Spekulation / spekulativ 6–7, 15, 21, 37, 42, 53, 55–56, 69, 104–106, 112, 249, 322, 375, 449, → Philosophie, spekulative

Spezifi kation, Prinzip der S. (Gesetz der Arten) 471–472 Spinozismus / Spinozistisch 10n, 263 Spinozist 21, 27, 61, 493, 498 Spiritualismus / spiritualistisch 18, 273, 283, 342 Spiritualisten 21, 25, 33, 52, 138–140, 144, 215, 219, 263, 272–273, 276, 279, 289, 292, 340–342, 349, 354, 356–358, 400, 405 Spitzfi ndigkeit 11, 15, 42, 68, 104, 108–109, 120, 278, 316 | S. der syllogistischen Figuren und Schlußformeln 18 Spontaneität 271–516 passim | S. ist ein tätiges Vermögen, welches an dem gegebenen Stoffe die Form der Vorstellung hervorbringt 273–277 | Materialisten und Spiritualisten über die S. 276–277, 292 | Gründung der S. im vorstellenden Subjekte 277–280 | Form der S. ist die im Vorstellungsvermögen bestimmte Beschaffenheit der Empfänglichkeit für den Stoff 280–282, 284, 290–306, 325–327, 332, 337, 353, 391, 435, 454, 484, 501–503, ist dem vorstellenden Subjekte in und mit dem Vorstellungsvermögens gegeben und in demselben vor aller Vorstellung bestimmt vorhanden 292–296, besteht in der Verbindung (der Synthesis) des gegebenen Mannigfaltigen

Sachregister überhaupt 290–292 | Grade der S.: erster Grad ist die S. in wieferne sie sich bei der sinnlichen Vorstellung tätig erzeugt 344, 454, 456 (483), zweiter Grad (396)(404) 454, 458 (464) (483) 484, dritter Grad 454 (457) (463) (483) 500 | Handlung der S. 309, 317, 326, 332, 336, 343–344, 361, 363–364, 366, 373–374, 382, 384, 388, 395– 396, 399, 428, 438, 455, 458– 459, 464, 483 | Handlungsweise der S. (Form der S.) 291–292, 317, 363, 396–398, 404, 410, 424–425, 427–429, 454, 500 | Vorstellung der S. ist a priori 302–304 und macht Selbstbewußtsein möglich 327–329 | S. und Begriff 336–337, 395–400 | S. und Denken 309–310 Sprache 8, 15, 41, 94, 228, 246, 258 Sprachgebrauch 94–96, 99n, 124, 229, 309, 311–312, 317, 396–397, 401, 446–447 | gemeiner S. 61 | philosophischer S. 61, 312 Staat 63–64, 105 | freier S. der vernünftigen Wesen 485 Stand der Natur → Naturzustand Statue 248–249 Stoff 243–516 passim | S. ist innere Bedingung der Vorstellung, welche dem Vorgestellten entspricht 243–247 | S. wird zur Vorstellung durch Form der

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Vorstellung 248–255 | S. muß in der Vorstellung gegeben sein 265–271 | bloßer S. der Vorstellung ist nicht vorstellbar 280– 282 | wesentliches Merkmal des S.es ist Mannigfaltigkeit 285– 290 | S. a posteriori ist S., in wieferne er erst in und mit einer wirklichen Vorstellung durchs Affi ziertwerden bestimmt werden muß (empirischer S.) 300– 301 | S. a priori ist S., in wieferne er im bloßen Vorstellungsvermögen und also im Gemüte vor aller Vorstellung bestimmt ist 300–304 | empirischer S. → Stoff, a posteriori | objektiver S. ist ein von den Formen der Rezeptivität und Spontaneität verschiedener, dem Subjekte nicht im Vorstellungsvermögen, sondern von außen her gegebener S. 295, 297–298 er gehört zur Wirklichkeit der Vorstellung überhaupt 296–298 und wird im Gemüte bestimmt, wenn das Gemüt von außen affi ziert wird 301 | subjektiver S. 295 ist im Gemüte a priori bestimmt 302 | Körper als Lieferant des S.es 214–215 | S. der Vorstellungen der Vernunft 126–136 | S. der Vorstellungen des bloßen Raumes und der bloßen Zeit 369– 376, 379–384 | Sinnlichkeit als Lieferant des S.es 137–138 | Vorstellung des S.es (Reflexionsbegriff) 453

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Sachregister

Stoiker 513 Stolz / stolz 11–13, 24, 27, 41, 64, 107 Streit / Streitigkeit in der Philosophie 16n, 19, 27, 31, 33, 35, 42, 52, 57, 58k, 70, 72, 74, 76, 79, 82, 92, 101, 103, 106–113, 118–119, 122, 124, 130, 133–135, 142, 144, 216, 225–226, 228, 245, 249, 327, 340–341, 488–489 Subjekt 213–516 passim | bloßes S. = x 254, 261 | Einfachheit des S.s 140–141, 292 | S. und Erkenntnisvermögen 140–142 | S. und Objekt 257, 261–262, 265–266, 279, 325, 328 | handelndes S. 266, 291–292, 300, 317, 326, 483–484, 500–501, 509, 512 | absolutes S. 483–484, 493, 489–500, 512, 515–516 und seine Idee 473–482, 485–491 | logisches S. / logische Materie des Urteils 126, 216, 278, 328, 396, 402, 405–408, 410–414, 416–417, 453, 460–461, 463 Subjekt, vorstellendes kommt nicht in der Erfahrung vor 127 | ist äußere Bedingung der Vorstellung 217–225, 233–234, 236–237, 274–275 | ist unterschieden von der Vorstellung 217–219, 224, 249, 256, 274– 275, 279, 285 | erteilt dem Stoff der Vorstellung seine Form 251, 274 | an sich 261, 277–279, 292, 317, 349–350 | Beziehung der Vorstellung auf das v.e S. 249, 256–257, 265–266, 285 | Form

des v.en S.s 292 | Materialisten und Spiritualisten über das v.e S. 140–141, 272–273, 279, 289, 329 | Natur des v.en S.s 221 besteht aus den Formen der Rezeptivität und Spontaneität 292–296 | Vorstellungsvermögen ist Prädikat des v.en S.s 278–279 | vs. Vorstellungsvermögen 229, 260–261, 276–277, 278–279, 292 | vs. Gegenstände außer uns 225, 262, 295, 298 | vs. Organisation / Körper 214, 272–273 | und (Selbst)Bewußtsein 315–321, 324–328 | und Sinnlichkeit / Empfi ndung 339– 343, 345–346, 350–354 | v.des S. als absolute Ursache, absolute Gemeinschaft, absolute Ursache 479–482, 484–485, 500–501 subjektiv 488–490 | s.e Bestimmung des objektiven Stoffes 304, 305n | s.e Beziehung der Vorstellung 262 | s.e der Erscheinung 392 | s.e Form der Vorstellung 251, 258 | s.er Grund der moralischen Verbindlichkeit 76–82 | s.e Realität 399–400, 422, 456–457, 486, 500, 515 | s.er Stoff 295–296, 299–300, 332, 361, 383 | s.e (Vernunft)Einheit 476, 479, 485 | s.e Wahrheit 70, 78 Substantia noumenon und phaenomenon 491 Substantialität 220k | S. der Gegenstände 416 | S. des vorstellenden Subjektes 293, 329

Sachregister Substanz, absolute S. 478, 491, → Subjekt, absolutes | einfache / zusammengesetzte S. 138, 140, 213, 216, 219–220, 222, 225, 234, 341, 405 | einzige S. (Spinoza) 225, 263 | Ich als S. 279, 328, 339 | (Kategorie der) S. als Merkmal der Gegenstände 416, 419, 423, 475, 515 | körperliche / unkörperliche S. 340, 486–489 | Schema der S. in der Zeit ist Beharrlichkeit 432–435, 444, 476–477, 482 | S. der Seele 142, 222, 279, 288–289, 292, 329, 393 | unausgedehnte S. 138 | vorstellende S. / S. des vorstellenden Subjekts 220, 236, 276, 283–284, 288–289, 292, 321, 327–329, 339, 341–342, 350, 400, 480 und ihre Einfachheit 276, 341, 489–490 | Vorstellung der S. 292, 480 und Streit über den Grund unsrer Vorstellung der S. 491–498 | Wissenschaft von S.en 498–499 Sukzession, bestimmte S. ist Schema der Kausalität 429, 433–435 Supernaturalismus 12, 18, 21, 27, 63, 99, 103, 107–108, 115, 128, 273 Supernaturalist 25, 31, 52, 57– 58, 59n, 61, 71, 85–86, 99, 108, 114, 117–119, 127–129 Syllogismus / syllogistisch / Syllogistik 18, 125, 126, 147 | → Vernunftschluß, → Schluß

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Synthesis / synthetisch des gegebenen Mannigfaltigen ist Form der Spontaneität 290, 363, 365, 388, 483 | jeder Analysis muß eine S. vorhergehen 408 | s.es Urteil 405–411, 426, 453 | s.er Vernunftschluß 459 System, bisherige metaphysische (Haupt-)S.e 5, 10, 15, 18–21, 24–25, 32, 34, 36–38, 42, 61, 98, 100, 102–104, 107, 109, 112, 114, 118, 120, 137, 225, 263, 273, 342, 354, 358, 441, 488, 497–498 | leibnizische(wolffi sche) S. 6, 26, 31, 36, 131, 268, 307, 453 | Lockesche S. 131, 268, 307 | S. der akademischen Sekten 27–30 | S. des Epikur 80 | Newtonsche S. 17 | Kantische / neue S. 12–16, 18, 36, 39, 41, 43, 214k | S. aller S.e, welches alles Richtige der Sekten enthält 13, 15, 18–19, 23–24, 268 | S. der Theologie und der Moral 53 | S. der vorherbestimmten Harmonie 357 | S. der Glieder (Gemeinschaft) 413, 423 | S. vernünftiger Wesen (absolute Gemeinschaft) 485 Systematisch / (un)systematisch 7–9, 43, 98, 112–113 | s.e Einheit der Erfahrung 467–472 | das S.e der Erkenntnis bestimmt durch Vernunfteinheit 485 | s.e Zusammenhang durch Ideen 486–487, 514

598

Sachregister

T Tätigkeit, 88, 505n | absolute T. 500 | eigennütziger T. 505 | T. ist kein Merkmal des Begriffes der Rezeptivität 272 | T. vs. Kraft 276, 292 | T. des Vorstellungsvermögens 274–276, 280, 290, 310, 321, 326, 344–345 und ihre Art und Weise (Form der Spontaneität) 284, 303, 483 | T. vs. Verstand 344, 346 | T. des Willens 53 | → Selbsttätigkeit Tatsache 9, 19, 30, 51, 53, 61, 65, 67, 67, 69 Theismus 103, 107, 115 | dogmatischer T. 99 | popularisierter T. 107 Theist / theistisch 21, 31, 52, 57–58, 61, 63, 99, 114, 129 | dogmatischer T. 56–57, 58n, 59n, 61, 64, 71, 131 Theologe / theologisch 7, 25, 63, 71, 74n, 90, 118, 120 Theologie 7, 53 | natürliche T. 54, 56 | positive T. 9, 54, 90 | rationale T. 9 Theorie des Begehrungsvermögens 502–514 | T. der Sinnlichkeit 339–394, 250, 263 | T. der Vernunft 454–501, 514– 516; 250, 328, | T. der praktischen Vernunft 513 | T. des Verstandes 395–453; 250, 263, 460 | T.en der besonderen Vorstellungsvermögen 308 Theorie des Erkenntnisvermögens 313–338, 12, 43, 45,

247, 251, 259, 290, 320, 449, 482, 514 Theorie des Vorstellungsvermögens (überhaupt) 211– 312, 44–45, 67, 151, 214k, 216– 217, 230, 238n, 242, 247, 250n, 265–266, 288, 292, 301, 308, 320, 376, 390, 415, 428, 514n Tier / tierisch 76, 91, 124, 232, 242, 309–310, 358 Totalität ist unbedingte Allheit 464–466, 468, 507 | T. vs. quantitative Allheit 417 Trieb, eigennütziger / uneigennütziger T. 81, 83, 88, 503–504 | empirischer T. 504, 505n | T. nach Glückseligkeit 80, 506, 511, 513 | intellektueller T. 503 | natürlicher / künstlicher T. 78, 82 | rein-vernünftiger T. 509 | T. zum Vergnügen 74–79, 83, 85–86, 88 | sinnlicher T. 77, 124, 503–505 | T. nach Sittlichkeit 511 | sittlicher / moralischer T. 510 | vernünftig-sinnlicher T. 505 | T. nach (Stoff / Form der) Vorstellung 503 | T. des vorstellenden Subjektes 502 | → Grundtrieb Triebfeder 54–55, 80, 93 Tugend 75, 77–80, 82, 87–88, 513

U Übereinstimmung / Nichtübereinstimmung, Begriff der Ü. / N. (Reflexionsbegriff) 450–451, 461n | Ü. / N. unter den Gegen-

Sachregister ständen der Vorstellungen 125 | Ü. / N. zwischen Philosophen / Parteien 18, 40, 130, 138, 150, 354, 431, 439, 443 | Ü. / N. der Handlungen / des Willens mit den Vernunftgesetzen 66, 84 | Ü. / N. der Vorstellungen mit den Gegenständen 70, 101, 129, 146–147, 214, 251–252, 299, 492 | Ü. / N. zwischen Vorstellungen 125, 146–147 Übersinnliche / übersinnlich 132 | Ableitung des Ü.en aus dem Sinnlichen 134–136 | Dasein / Nichtsein des Ü.n 129, 134 | ü.e Erkenntnis 131, 134–135, 143 | ü.e Gegenstände 33, 127–130, 132, 134–135, 143, 230, 499 | ü.er Stoff 127, 132 | ü.e Vorstellung 128, 131–132, 134, 137, 215 | ü.e Wahrheit 33 Uhrfeder 275 Unding 145, 247, 378, 386 Unerklärbarkeit / unerklärbar 20, 103–104, 128, 238–239, 241, 378, 439–440 Unerweislichkeit / unerweislich 20, 71, 101–102, 104, 426, 492 Ungewißheit / ungewiß 82, 93, 112 Unglaube 9, 120 Universität 25–26, 105, → Jena Unmöglichkeit als Merkmal der Gegenstände 423 Unphilosophie / unphilosophisch 12, 60, 62, 71–72, 90, 101, 106, 109, 111, 240, 269,

599

277, 283, 317, 329, 449 | u.er Zweifel 49, 102, 109 Unterschied, Begriff des U.s (Reflexionsbegriff) 450–451 Unverständlichkeit 17, 42 | U. der KrV 14, 35, 36, 44 Ursache, absolute U. 483–485, 487, 501, 515–516 und ihre Idee 473, 478, 499–500, → Grund, absoluter | erkennbare U. 439, 476–477, 499–500 ist, was in der Zeit Grund der Entstehung eines andern ist 434–435 | Dasein der U. geschlossen aus dem Dasein der Wirkung 135, 223k | erste U. 127, 487, 516 | (Kategorie der) U. als Merkmal der Gegenstände 420, 423, 475, 478, 499, 515 | Schema der U. und Wirkung ist bestimmte Sukzession 433–435, 444, 477 | U. der Welt / der Natur 61, 513 | U. des Vorstellungsvermögens 237 | U. der Vorstellung 250, 269, 274, 279, 293, 309, 322 Urteil ist diejenige Handlung des Verstandes, durch welche zwei Vorstellungen (Subjekt und Prädikat) verbunden werden 405–406 | U. im strengsten Sinne / eigentümliches U. ist ein U., in welches das Prädikat unmittelbar auf das Subjekt bezogen wird 398, 406 | Form des U.s 136, 457–458, 462–463, 473 besteht im Zusammenfassen des Mannigfaltigen der Anschauung in objektive Einheit

600

Sachregister

408, ihre Deduktion 449, 460 | abgeleitete Form des U.s 415 | logische Form des U.s 409–417 ist die synthetisch bestimmte Beziehung der logischen Materie zur objektiven Einheit 411 | logische Materie des U.s 136 ist das jedem Urteile wesentliche Prädikat und Subjekt 411–412 | jedes U. muß Quantität, Qualität, Relation und Modalität haben 426 | logische Funktion des U.s 147, 411 | U.e, in welche die Schemate sich unmittelbar auflösen lassen 442–444, 447–448 | analytisches U. 408– 411, 453 | anschauendes U. 398 | mittelbares U. 398, 455, 458–464, 473–474, 509, → Vernunftschluß | synthetisches U. 408–411, 426 | unmittelbares U. 398, 460 Urteilen / urteilen 137, 240, 396, ist das Mannigfaltige einer Anschauung in eine objektive Einheit zusammenfassen 405–407 | U. in weiterer Bedeutung ist das Verbinden zweier Vorstellungen in einem Bewußtsein 338 und Prädikat mit einem Subjekte verbinden 396 | analytisches U. ist die hervorgebrachte objektive Einheit mit der Anschauung verbinden 405, 407–409 | synthetisches U. ist die objektive Einheit aus der Anschauung hervorbringen 405, 407–409 | Vermögen zu u.

(Verstand) 125, 136, 396–398, 463, 471 Urwesen 514

V Veränderlichkeit / Unveränderlichkeit ist Schema der Akzidenz / Substanz 433–434, 487 Veränderung außer uns / in uns 388–390 | V. in uns ist durch die bloße Zeit das allgemeine Merkmal aller unsrer Vorstellungen, in wieferne sie Gegenstände des innern Sinnes sind 384–385 Verbindlichkeit des Sittengesetzes / moralischen Gesetzes 67, 74–88 Verbindung eines Prädikates mit einem Subjekte 396, 398, 406–408, 439, 474 | V. des angeschauten Mannigfaltigen 403, 405, 407–408, 438, 441, 448, 483–484 | V. des gedachten Mannigfaltigen 454–457, 467, 484, 490, 506 | V. des gegebenen Mannigfaltigen 296, 305, 321, 343–344, 401–402, 415, 427–428 ist Form der Spontaneität 290–292, 317, 353, 361, 363, 372, 395–396, 404 | V. der Seele / des Geistes mit dem Körper 139, 141, 340 | V. der Vorstellung mit dem Subjekte (Bewußtsein) 330 Vergleichung 453 | V. des vor-

Sachregister gestellten mit dem nicht vorgestellten Dinge 492 | V. der vier Hauptsysteme 109, 120 | V. von Urteilen 415 | V. von Vorstellungen 125 | → Reflexion Vergnügen / Mißvergnügen 75–81, 83–86, 88, 505, 507–508, 510, 512 Verknüpfung, der Anschauung mit dem Denken (Schemate) 442, 467 | äußerliche V. 413–414, 420, 452 | V. der Begriffe (in einem Vernunftschluß) 126, 455–456, 458–464, 467 | V. der Erscheinungen / Erfahrung 469, 471 | innerliche V. 413–414, 419–420, 452 | unbedingte V. 465 | V. und Urteilsformen / Kategorien 413–414, 429, 435–436, 439, 444, 457– 460, 462–463, 467, 473–474 | V. von Kategorien 464–465, 470, 515 | → Kausalverknüpfung Vermögen passim | Zweideutigkeit im Begriffe eines V.es 368 Vernunft passim, bes. 454–516 | V. in weiterer Bedeutung: wird auch von dem Verstande gebraucht 455 | V. in engerer Bedeutung: Vermögen, durchs Verbinden des gedachten Mannigfaltigen zu Vorstellungen zu gelangen 454–455 | V. in engster Bedeutung: Vermögen, durchs Verbinden des a priori Gedachten zu Vorstellungen zu gelangen 455–457 | Form der V. 464, 467–468, 475, 505,

601

509–511, 514 | Natur der V. 29, 82, 128, 457, 464–466, 473, 478, 485–486, 488, 490–491, 514– 515 | Wesen der V. 125, 128, 130 | Bedeutung des Wortes V. 124–125, 128, 145, 455–456 | konstitutiver / regulativer Gebrauch der V. 476–468, 470– 471 | logisches Vermögen der V. 128, 130–131, 134, 142–143 | metaphysisches Vermögen der V. 128–135 | philosophierende V. 54–56, 60k, 65, 69–70, 93, 95, 100, 103 | praktische V. ist V., in wieferne in ihrer Selbsttätigkeit das Vermögen liegt, das Objekt des rein-vernünftigen Triebes zu realisieren 76, 510– 513, 515 | räsonierende V. 54 | reine V. 31, 465, 473–474, 483, 510, 512, 516 | schlichte V. 15 | spekulierende / spekulative V. 6k, 56n | theoretische V. 76, 511 | → Idee, → Kraft Vernunftbeweis (Demonstration) 56n, 57, 61–64, 69, 118 Vernunfteinheit ist Einheit des bereits nach der bloßen Form der Spontaneität in Begriffen Verbundenen 454–455 457, 467, 470, 472n, 475, 488, 490, 500 | V. bestimmt im theoretischen Vorstellungsvermögen das Systematische der Erkenntnis, im praktischen das Moralische der Willenshandlungen 485 | Gesetze der V. 468–471 sind bloß regulative Gesetze

602

Sachregister

der Erfahrung 470 | objektive Gesetze der V. 476–478, 485– 485 bringen das Erkennbare des äußern Sinnes in vollständigen Zusammenhang 476 | subjektive Gesetze der V. 476, 478–486 bringen das Erkennbare des inneren Sinnes in vollständigen Zusammenhang 476 Vernunftgesetz / Gesetze der Vernunft 66–67, 72, 75, 83–84, 124, 230, 471, 511–512, 515 | V. der systematischen / unbedingten Einheit der Erfahrung / Erscheinungen 467–472 | V. der Homogenität (der Gattungen) 471–472 | V. der Kontinuität der logischen Formen 472 | V. der Spezifi kation (der Arten) 472 Vernunftprinzipien der Naturforschung (Homogeneität, Spezifi kation und Kontinuität) 471–472 Vernunftschluß ist die Handlung, durch welche die Vernunft Begriffe verknüpft (das mittelbare Urteil) 125–126, 147–148, 321, 397–398, 406, 458–464, 465–466 | Form des V.es 125–126, 129, 147 | allgemeine Form des V.es ist unbedingte Verknüpfung der beiden ersten Formen der Urteile nach Allheit, Limitation, Konkurrenz und Notwendigkeit 458– 464 | besondere Form des V.es bestimmt die allgemeine Form

der Ideen 473–475 | Stoff des V.es 136 | analytischer V. 458– 459 | synthetischer V. 459 Verstand passim, bes. 395–453 | V. in weiterer Bedeutung: die Spontaneität, in wieferne sie bei der allgemeinsten Handlung des Verbindens geschäftig ist 395 | V. in engerer Bedeutung: das Vermögen, durch die Art, wie die Spontaneität tätig ist, zu Vorstellungen zu gelangen 395–397 | V. in engster Bedeutung: das Vermögen der Spontaneität, durch ihre Handlungsweise aus Anschauungen Begriffe zu erzeugen 397–398 | Funktionen des V.es 143, 411 | Gesetz des V.es 409, 442–447, 470–471 und sein logisches Gesetz 142, 230 | Handlung des V.es 142, 338, 347, 395–396, 405, 407–408, 424, 483, → Denken, → Urteilen | Handlungsweise des V.es 409, 416, 423–426, 450, 457 | gemeiner (Menschen-)V. 7, 54–55, 60k, 69, 93 | gesunder Menschenverstand 7, 9, 11, 94, 99n, 103–108, 119 | Natur des V.es 142, 404, 409–411, 414–415, 423, 426, 429, 442, 450, 452, 459, 464, 473, 475–476, 484, 499 | reiner V. 145, 425–426, 461n, 465, 473, 483, 516 | | V. ist Vermögen der Begriffe 337, 346 | V. ist Vermögen (unmittelbar) zu urteilen 125, 136, 396–398, 463,

Sachregister 471 | logisches Vermögen des V.es 136, 143 | → Begriff, → Kategorie, → Urteil Verstandesbegriff 233, 259, 263 Verstandeseinheit 404, 470– 471, 483 Verstandesgesetz / Gesetze des Verstandes 142, 230, 347, 409, 445, 470–471 | V. in engerer Bedeutung 442–443, 447 Verstandeswelt 486 Verwechselung 11, 141, 146– 147, 224, 243k, 245, 259, 263 Verwirrung 140, 224, 228, 317, 343, 345, 357 | V. der Begriffe 122, 141, 232, 244, 274, 312 | V. der (Prädikate der) Vorstellung 223–224, 249, 303, 322 | V. der (Prinzipien der) Philosophie 252, 283, 293 Vieldeutigkeit / vieldeutig 96, 109, 217, 235, 239, 244, 312, 331, 449 Vielheit, (Kategorie der) quantitativen V. der Gegenstände 416–418, 505, ist unterschieden von Totalität 417 | V. und Kategorien 418–421 | numerische V. 494 | V. und Reflexionsbegriffe 450–452 | V. und Schemate 430–431 | V. und Urteil 412– 414 | V. und Vernunft 460–462, 468, 471, 489, 516 Völkerkunde 9 Vollkommenheit 82–88 Voraussetzung / voraussetzen 18, 33, 41, 44–45, 50, 54, 88,

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123, 128–129, 131–132, 136, 147, 238–239, 248–249, 272, 289– 290, 306, 308, 316, 349, 351, 358, 380, 408, 441, 496, 508 Vorgestellte 218, 223, 225, 243, 249, 251–252, 256, 279, 285, 318, 332–337, 343, 396, 398, 401, 407, 424, 428, 456, 475, 478, 481 Vorstellbarkeit 150–151, 242– 243, 247 | V. des Dinges an sich 256–264 | V. des Subjekts an sich 277–280 | V. des bloßen Stoffs und der bloßen Form der Vorstellung 280–282 Vorstellen ist einen Stoff zur Vorstellung empfangen (nicht geben) und ihm die Form der Vorstellung erteilen 44, 222, 227, 239, 253, 268, 271–273, 279, 282, 311, 317, 322, 325, 327, 330, 331, 348 Vorstellende 127, 221, 223, 225, 245, 247, 249, 251, 256, 267, 273–274, 278–279, 293, 311, 318–319, 324–328, 353, 361, 367, 400, 420, 479–483, 490– 491, 495–496, 498, 502, 514, → Kraft, vorstellende Vorstellung passim | V. in weiterer Bedeutung: faßt alles zusammen, was in unsrem Bewußtsein als unmittelbare Wirkung des Empfi ndens, Denkens, Anschauens, Begreifens vorkommt 226–228, 231, 234, 244 | V. in engerer Bedeutung: faßt Sinnlichkeit, Ver-

604

Sachregister

stand und Vernunft zusammen 229–230 | V. in engster Bedeutung / strengsten Sinne: faßt nur dasjenige zusammen, was die Vorstellungen in weiterer Bedeutung untereinander Gemeinschaftliches haben 231–232, 234, 238–239 | angeborene V. 131–133, 283n, 308, 425 | a posteriori / empirische V. ist Vorstellung, deren Inhalt Stoff a posteriori / objektiver Stoff ist 301–302 | a priori V. ist V., deren Inhalt Stoff a priori ist 301–308, sind V.en der bloßen Formen der Rezeptivität und Spontaneität 302–304, → Vorstellung, reine | Arten von V.en 215, 227, 231–233, 236, 242, 250, 295, 334, 336, 395, 397, 483, 495 | Bedingungen der V. 213, 216, 233, 236–237, 292, äußere 217, 219, 221, 234, 247, 269–270, 274, 315, 349 und innere 217, 219, 221, 226, 232, 234–236, 241–243, 248, 250, 263–264, 269–271, 273–275, 315, 349 | Begriff der V. (überhaupt) 43–45, 149–151, 217, 226, 231–232, 235–243, 253, 256, 268, 270, 277n, 279–283, 285, 289, 295–296, 299, 308– 309, 315–316, 321, 329, 331, 334, 337, 343–344, 346 | Beziehung der V. auf einen Gegenstand 126–127, 148, 249, 255, 257, 273, 281, 315–324, 330– 334, 336, 346, 351, 362–364,

372, 376, 390–391, 392, 398– 399, 401, 406, 410, 443, → Bewußtsein, → Erkenntnis | Beziehung der V. auf das Vorstellende (Subjekt) 249, 256, 262, 265, 274, 315–323, 345–346, 353, 388, 479, 486, 490, 503– 504, → Bewußtsein | Defi nition der V. 238, 241–242, besteht aus Stoff und aus Form 249 | Erzeugung der V. 266–268, 276, 321, 343, 348, 397, 408, 411, 428, 456, 458, 496, 502 | Form der V. 243–516, passim, bes. 248–255, durch sie bezieht sich die Vorstellung auf das von ihr unterschiedene Subjekt 256, sie wird hervorgebracht durch die Spontanteität 265–271, 273–277, sie ist Einheit 286–287, die bloße Form der V. ist nicht vorstellbar 280–282 | Realität der V. 132, 247, 399, 422 und ihre objektive / subjektive R. 399–400 | reine V. hat keinen andern Gegenstand als die Formen der Rezeptivität und Spontaneität 294–295, sie ist V., deren Inhalt Stoff a priori ist 301 | sinnliche V. ist V., in wieferne sie durch die Art, wie die Rezeptivität affi ziert wird, unmittelbar entstanden ist 127, 129, 132, 137– 139, 214, 233, 252, 253, 263, 312, 339, 343–344, 347–348, 354–355, 357, 360, 362, 389, 401–402, 481, 484, 503, sie ist Empfi ndung oder Anschauung

Sachregister 345–347, 350, 352, äußere / innere Bedingung der sinnlichen V. 349, ihre Form 263, 351, 359, 388, 392, 481, 484, ihre Formen 366–368, 480, ihre allgemeine Form ist Einheit des nacheinander gegebenen Mannigfaltigen 365–366, 431, 437, ihr Stoff 351, 359, 386, 454 | V. der Sinnlichkeit 228, 231–232, 236, 308 | Stoff der V. 243–516 passim, bes. 243–247, durch ihn bezieht sich die Vorstellung auf den von ihr verschiedenen Gegenstand 256, er muß durch Rezeptivität gegeben sein 265–273 und ist Mannigfaltiges 286–287, bloßer Stoff der V. ist nicht vorstellbar 280–282 | übersinnliche V. 127–129, 131–134, 137, 215 | Ursprung der V. 130–131, 370–371, 450, Leibniz und Locke über Ursprung der V. 268, 307–308, 445 | V. des Verstandes 231, 234, 236, 308, 458, 483 | V. der Vernunft 128, 234, 236, 308 | Wirklichkeit (Existenz) der V. 133, 150, 225, 321, 491 | Wirklichkeit der V. (impliziert objektiven Stoff) 270n, 282, 296–298, 302–304, 307, 349, 361, 380, 422, 502 | wirkliche V. 132, 231, 245–247, 249, 270, 283–284, 290, 293–294, 296–300, 305–306, 308, 322, 324, 326–327, 371, 378, 383, 388, 398, 404, 427, 502 | V. κατ’ εξοχην 235, 242

605

Vorstellungsart 22, 24, 28, 35, 42–43, 78, 94, 109, 250n, 272, 283, 357, 370 Vorstellungsvermögen passim, bes. 211–312 | V. in weiterer Bedeutung: faßt alles zusammen, was zu den Bedingungen der Vorstellung gehört 213, 233–234 und enthält das vorstellende Subjekt und die vorgestellten Objekte 233 | V. in engerer Bedeutung: faßt alles zusammen, was nur zu den inneren Bedingungen der Vorstellung in weiterer Bedeutung gehört 219, 229–234, sie faßt Sinnlichkeit, Verstand und Vernunft zusammen 230–232, 234 und schließt die vorgestellten Objekte und das vorstellende Subjekt aus 219–226, 234 | V. in engster Bedeutung: faßt alles zusammen, was zu den inneren Bedingungen der bloße Vorstellung in engster Bedeutung gehört 232–233, 234–236, sie begreift, was Sinnlichkeit, Vernunft und Verstand gemeinschaftlich ist 233 und bedeutet weder Sinnlichkeit, noch Verstand, noch Vernunft 232–234 | V. besteht aus Rezeptivität und Spontaneität 271–277 | Begriff des V.s 151, 213, 215–217, 219– 221, 229, 233, 235, 237, 241, 262, 269, 271, 308, 343, 350, 371 | Vorstellbarkeit des V.s 277–279 | → Theorie des V.s

606

Sachregister

Vorurteil 16, 23, 50, 90, 252, 283, 344

W Wahl 66–67, 71 Wahre / wahr 18, 27, 32, 50, 54, 80, 92–93, 118, 126, 145, 311, 342, 440, 488, 499, 514 | das W.e der bisherigen Systeme 19–21, 24, 97, 114, 268, 497 Wahrheit / Unwahrheit 11, 16k, 20, 31, 51, 55, 62, 94, 96, 102, 112, 115, 117, 119, 128, 135, 141, 148, 283, 307, 441 | W. / U. als Ähnlichkeit zwischen den Vorstellungen und den Dingen an sich 252 | angeborne W. 33–34, 131 | einseitige W. 32, 97, 102, 307–308 | geoffenbarte W. 52 | formelle / materielle W. 126–128, 136 | objektive W. 70, 101–102 | subjektive W. 70, 78 | → Grundwahrheit Wahrheitsgefühl 119 Weisheit 75, 109, 217 weltlich 90 Welt 8, 61, 86, 106, 120, 131, 340, 355–356, 496–497 | feine / große W. 104–105, 107 | W. der Ideen / Geister 138, 312 | intelligible / Gemeinschaft / Idee der W. 513–516 | moralische W. 485, 487, 514–515 | philosophische W. 7, 12, 33–34, 51, 55, 76, 86, 135, 143, 146, 150, 344 |

physische W. 487, 514–515, ihre Idee 514 | Uneinigkeit der W. 26, 31, 40, 42, 54, 58n, 62, 65, 68, 70, 73–74, 91, 99, 101, 103, 113, 117, 124, 128–130, 134, 137, 214, 216, 245, 293, 298, 340–341, 400, 441 | → Körperwelt, → Sinnenwelt, → Verstandeswelt Weltweisheit 111 Wesen 348, 500 | allerrealstes selbständiges W. 516 | einfache W. 139, 215, 329 | endliches W. 502, 513 | unkörperliches W. 213, 215, 222 | vernünftiges W. 328, 466, 485, 487–488, 513 | vorstellendes W. 224, 297, 329, 493–494, 507 | → Sinnenwesen, → Urwesen Widersprechende / widersprechend 11, 17, 25, 56, 57k, 71, 77, 94, 99n, 100, 104, 109, 115, 135, 137, 149, 235, 262, 316, 354, 390, 422, 442, 448, 457– 458, 463, 466, 491 Widerspruch 14, 17, 29, 69, 78, 86, 135, 229, 246, 430, 491, 512 | Satz des W.s 227n, 448–449 Widerstreit, Begriff des W.-s (Reflexionsbegriff) 451–452 Wille ist das Vermögen des vorstellenden Subjektes, durch die Selbsttätigkeit des Triebes bestimmt zu werden oder sich selbst zu einer Handlung des Triebes zu bestimmen 53, 124, 485, 507 | bisherige Parteien über den W.n 66–88 | empiri-

Sachregister scher W. 508, 510 | Freiheit des (menschlichen) W.ns 69–70, 124, 510–511 | reale Möglichkeit des W.ns ist unbegreifl ich 487 | reiner W. ist das Vermögen des vorstellenden Subjektes, sich durch die Selbsttätigkeit des rein-vernünftigen Triebes zum Handeln zu bestimmen 510 Willkür / willkürlich 66, 72– 73, 84, 90, 148, 257, 287, 311 Wirklichkeit 449 | logische / reale W. 422, 441 | (Kategorie der) W. als Merkmal der Gegenstände 416, 421–423 | Schema der W. ist Sein in einer bestimmten Zeit 430, 436–439, 444, 463 | → Existenz Wirkung 54–55, 127, 321, 506– 507 | absolute W. 485, 487 | erkennbare W. ist dasjenige, dessen Entstehen in der Zeit durch etwas anderes, worauf es notwendig folgt, bestimmt ist 434– 435, 477, 499 | Erkennbarkeit eines Vermögens aus seiner W. 134–135, 220–221, 223k, 237, 279, 296, 337 | W. als Merkmal der Gegenstände 420, 423 | Schema der Ursache und W. ist bestimmte Sukzession 433–435, 444, 477 | Vorstellung(en) als W. ihres Vermögens 222, 226– 227, 250, 254, 266–267, 269, 271, 275, 291, 293, 309, 311, 321, 388–389, 403, 424, 502 | → Kausalität

607

Wissen 24, 57, 106, 119, 135, 426 Wissenschaft 5, 8, 11, 22, 27, 29, 36, 45, 50–51, 86–87, 89–90, 92–93, 104–105, 110–111, 113, 130, 148, 230, 241, 304, 379, 448, 507 wissenschaftlich 7–8, 40, 53, 87, 105, 112, 147, 467, 471 | w.e Form 5–6, 11 Witz 14, 99, 145, 147 Wolffianer 8 Wollen ist die wirkliche und mit Bewußtsein vorgenommene Selbstbestimmung zu einer Handlung des Triebes 507–508, 512 Wunder 52, 86, 127–128

X x 254, 261

Z Zahl ist eine Quantität, welche aus einer in der Zeit vollendeten Zusammenfassung vieler Einheiten besteht 430 und ist Schema der Quantität 429–432, 444, 463, 468 Zeit 23, 379–390, 400, 427– 444, 463, 464, 465n, 468–470, 475–477, 479–482, 485, 489, 493, 495, 496n, 498, 503 | Anschauung der Z. 381–382 | Z.

608

Sachregister

ist die allgemeine Form aller Anschauungen überhaupt 386– 387 | Z. ist wesentliches Merkmal alles Erkennbaren 392–393 | Z. ist Grenze unsres Erkenntnisvermögens 392–394 | Z. ist wesentliche Bedingung aller Erscheinungen 392–393 | Z. ist notwendiger Gegenstand für uns 384–385 | Z. und Kategorien / Schemate 425, 427–442, 444 | Kontinuität der Z. 381 | Z. ist ein wesentliches Merkmal aller Gegenstände, in wieferne sie anschaulich sind 386–387 | Merkmale der Z. sind Nacheinandersein des Mannigfaltigen und Einheit desselben 381 | Unendlichkeit der Z. 384 | Z. begreift die Möglichkeit der Veränderung in sich 383 | durch die Z. ist Veränderung in uns das allgemeine Merkmal aller unsrer Vorstellungen, in wieferne sie Gegenstände des innern Sinnes sind 384–385 | Vorstellung der Z. ist Anschauung a priori 384 und ihr Stoff ist a priori bestimmt durch die Form des inneren Sinnes 379–384, die Vorstellung der Z. ist unterschieden von den Vorstellungen der erfüllten und der leeren Zeit 379–380 | Vorgestellte Z. ist die a priori bestimmte Form der inneren Anschauung 379–381 und kann

unmöglich dem Dinge an sich beigelegt werden 390 | Teilbarkeit der Z. ins Unendliche 381–382 Zergliederung 151, 347, 357 | Z. des Erkenntnisvermögens 33, 34, 43 | Z. des menschlichen Gemütes 95 | Z. (des Begriffs) der Vorstellung 242, 295, 304 | Z. des Vorstellungsvermögens 235, 491 Zirkel, (im Argumentieren) 84, 220, 242, 329, 440, 449 | Z., der nicht rund ist 246–247 Zufall / Zufälligkeit / zufällig 7, 44, 67, 112, 138–139, 141, 240, 243, 370, 423, 472n, 494– 495, 507 Zugleichsein, bestimmtes Z., ist Schema der Gemeinschaft 429, 435–436, 463, 469, 477, 485 | Z. der Teile im Raum 373, 389 Zugleichvorkommen setzt die Form des Außereinanderseins voraus, kann nur durch Verbindung von Raum und Zeit gedacht werden 381 zukünftiges Leben 65, 93, 110, 120, 440, → Leben, → Seele Zusammenfassende (eines Urteils, d. i. das Bewußtsein) 412– 415, 418, 424, 451 Zusammenzufassende (eines Urteils, d. i. Subjekt und Prädikat zusammengenommen) 412–415

Sachregister Zusammenhang, der durchgängige / systematische / wissenschaftliche Z. 471–472, 486, 514 | Notwendigkeit der / notwendige Z.e 72–73, 440 | Z. der Vernunft 467–472, 475–476, 478, 485–486, 514 | vollständiger Z. 475–476 Zwang 60, 67, 72, 77, 79, 88, 124, 512

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Zweck 52, 73, 80–82, 84, 88, 90, 508–510, 512–513 Zweifel / zweifeln 11–12, 16k, 19–21, 34, 37, 49k, 60, 64, 68– 69, 104, 113, 118, 123n, 129, 298–299 | dogmatischer Z. 101– 102, 109, 225 | kritischer Z. 91, 101, 102, 109–110 | philosophischer Z. 39 | unphilosophischer Z. 49k, 101, 102–109

P ERS ONEN RE GIST ER

Das Personenregister bezieht sich auf das gesamte Werk. Fettgedruckte Seitenangaben enthalten biographische Angaben zur Person, besonders im Zusammenhang mit Reinhold. Seiten angaben mit nachgestelltem »n« beziehen sich auf eine Fußnote im Text Reinholds, Angaben mit nachgestelltem »k« beziehen sich auf den kritischen Apparat.

Achenwall, Gottfried 183, 185 Adelung, Johann Christoph 174 Ameriks, Karl XIII Anaxagoras 56, 172 Aristoteles 130, 180, 186, 203, 357, 541, 543, 553, 554 Arnold, Günter XLII , LXXX Assmann, Jan LX , 559 Bach, Thomas XXXIII , 168 Baggesen, Jens XXXI , CXIII– CXVI Batscha, Zwi XXVII Baum, Günther 524 Baumgarten, Alexander Gottlieb XXV, 8–9, 145–146, 154–155, 202, 205, 208, 355– 356, 517, 522–523, 527, 540– 543, 553, 555 Baumgarten, Siegmund Jacob 154 Beattie, James 200

Beck, Jacob Sigismund LXXV, CXIII –CXIV, CXVI , CXXII Beiser, Frederick C. XL , LXXV Berens, Johann Christoph LXXIII –LXXIV Bergmann, Ernst XXX– LXXIV Bering, Johann 196 Berkeley, George 192, 495, 519, 522, 532, 559 Bertuch, Friedrich Justin XXXIV, 168 Beyer, Georg 185 Biester, Johann Erich 200 Bilfi nger, Georg Bernhard 145, 207, 356, 543, 554 Blumauer, Aloys XXVI– XXVII , LXXXVI , XCIX Blumenbach, Johann Friedrich XLIV Böhr, Christoph XXXVI , XLVIII , 164

Personenregister Bondeli, Martin XLIII–XLIV, XCII , XCIV, CXXIII Born, Ignaz von XXXII– XXXIII , 3 Böttiger, Karl August XXIX Brandt, Reinhard 192 Breazeale, Daniel XXI Brecht, Martin XXXVIII Brucker, Jacob XXXI , XLIX Buhle, Johann Gottlieb CXXXVIII Carl August, Herzog XLV, XLVII , LXXX , 168 Carl Eugen, Herzog 207 Catana, Leo XXXI Cicero, Marcus Tullius 521– 522 Clemens XIV, Papst XXIII Corrodi, Heinrich 15–16k, 161–162 Cudworth, Ralph 559 Danovius, Ernst Jakob LXXVI –LXXVII Descartes, René 9, 26, 155, 165–166, 518, 520, 546–547, 554 Diez, Immanuel Carl XVII– XX , XCVI , C, CXII , CXV, CXVII Eberhard, Johann August XVII , LXXIV, LXXXI , CXXXIV–CXXXV, CXL , 87n, 122, 159–160, 169, 182, 194–196, 199–200, 204, 208, 355, 521, 523–524, 527,

611

529–530, 532–534, 541–544, 551, 559 École, Jean 206 Ehlers, Martin 185 Elkana der Jude 201 Epikur 80, 145, 179–181, 205 Erhard, Johann Benjamin XIX–XX , XCIII , XCV, CXII –CXVII Ernesti, Johann August LXXX , 164 Ernst II ., Herzog LXXX , 199 Ewald, Schack Hermann XCVIII –XCIX , C, 152 Fabbianelli, Faustino XCVII , CXXIX , CXXXVII– CXXXVIII , 177, 563 Feder, Johann Georg Heinrich XLVII , CXXXIX , 121–122, 158, 160–161, 174, 184–185, 191–192, 197, 200, 204, 223k, 520, 524–525, 533, 544 Ferguson, Adam 185 Fichte, Johann Gottlieb XIV– XVI , XX–XXII , XXX , LXII , CIX , CXVI , CXXI , 548 Fichte, Johanna (geb. Rahn) XX Flatt, Johann Friedrich XVI –XIX , CXXXVIII – CXXXIX , 89n, 123n, 183, 184–185, 199 Forberg, Friedrich Carl LXII , 536 Forster, Johann Georg Adam 196

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Personenregister

Francke, August Hermann 153 Frank, Manfred XCVI , CXII Franz, Michael XVII , 184, 199 Friedrich Christian von Schleswig-Holstein-Augustenburg, Prinz LXXIII Friedrich II . der Große 153, 198 Fuchs, Erich CXXXVI– CXXXVII Fuchs, Gerhard W. XXVII , XXIX , XL , LXVII , CXXXIV–CXXXV Fürstenau, Carl Gottfried CXXXIX Garve, Christian 158, 160, 185, 192, 533 Gassendi, Pierre 180 Gawlina, Manfred 196 Gehler, Johann Samuel Traugott 540 Georgias 558 Giovanni, George di XXXVI Gliwitzky, Hans XXIII , XXVII Gloyna, Tanja LI Goethe, Johann Wolfgang von XLVII , LXVII , LXXX , 168, 176 Goodricke, Henry 185 Göschen, Georg Joachim XCIX Griesbach, Johann Jakob LXXVI Gros, Karl Heinrich XVIII Grosch, Johann Andreas LXXVII

Gurlitt, Johannes LXXXI , CXXXV Halem, Gerhard Anton von 198 Halbfaß, Wilhelm 523 Hamann, Johann Georg XLI , 201 Hausius, Karl Gottlieb LVIII Hegel, Georg Wilhelm XV, XXII , XXXVII–XXXVIII , CXXII Heinz, Marion XXXII Helvétius, Claude Adrien LXXXVII , 180 Hennings, Justus Christian LXXVII Henrich, Dieter XIX , LXVI , XCVI , C, CXII Herder, Johann Gottfried XXXIII , XLI –XLIX , LIX , LXVIII , LXXIX , XCII , 10n, 156, 168, 525, 536 Herz, Marcus 198, 563 Heydenreich, Karl Heinrich XCVII , CXXXVIII – CXXXIX Hinske, Norbert LXVI– LXXVII Holbach, Baron Paul-Henri Thiry d’ 553 Hölderlin, Friedrich 548 Holzhey, Helmut 153 Höpfner, Ludwig Julius Friedrich 185 Hösle, Vittorio CXXI Hufeland, Gottlieb XCVII , C , 89n, 171, 183

Personenregister Hume, David 12, 157, 520, 531 Hutcheson, Francis 180, 185, 197 Irmen, Hans-Joseph XXVI Jacobi, Friedrich Heinrich XLI , LX , LXXXVII , XCVII , 10n, 63, 155, 167, 170, 175, 190, 199, 525, 558– 559, 563 Jacobs, Wilhelm G. XVII , XXXII , 199 Jakob, Ludwig Heinrich LXXV, 159, 172, 197 Jenisch, Daniel XIV, LXXII Jesus Christus 74n, 172 Joseph II , Kaiser XXVII , XXXIII , XXXVII Juvenal 105, 186 Kalmann, Wilhelm Josef CXXXVII Kant, Immanuel passim; 3, 5, 12–15, 16k, 17–19, 36–37, 39–40, 43–46, 59n, 60k, 74n, 87, [110], 122–123, 128, 157, 214k, 250, 263–264, 370–371, 415, 437, 446, 450, 453, 524– 527, 530, 532–536, 539, 541, 544, 547–552, 555–565 Karamsin, Nikolai Michailowitsch C –CI , 170–171 Keil, Robert XXV Kelley, Donald 153 Kiesewetter, Johann Gottfried Carl Christian 172 Kimmich, Dorothee 180

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Klemmt, Alfred XLIII Klüpfel, August Friedrich XVIII Knutzen, Martin 522 Köhler, Alexander 185 Körner, Christian Gottfried XXIX , LIX Košenia, Alexander XXXI , 193 Kosmas, Johann Heinrich 166 Kraus, Christian Jakob CI–CII Krause, Karl Christian Friedrich CXXXVII Kühn, Manfred 524 Lazzari, Alessandro L , LXXXV, LXXXVII , XC , CV, CXI –CXII , CXXV, 521, 561 Leibniz, Gottfried Wilhelm XXV, LXXXI , LXXXVII , 5, 8–9, 26, 33–34, 36, 130– 131, 133, 145, 152–153, 156, 166, 173, 195, 203, 206–207, 225, 268, 307–308, 322, 356– 357, 400, 453, 518, 523, 526– 527, 531, 537–539, 543, 545, 547, 555 Lessing, Gotthold Ephraim 175, 558 Locke, John XXV, LXXXI , LXXXVII , 5k, 9, 33, 35–36, 47, 130–131, 133, 144n, 146– 148, 155, 165–166, 170, 180, 197, 202–204, 209–211, 228, 268, 302, 307–308, 313, 320, 445–446, 517, 519–521, 527– 529, 534, 536–538, 553

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Personenregister

Luther, Martin 171 Maaß, Johann Gebhard Ehrenreich 123n, 184, 200 Malebranche, Nicolas 519, 522 Mandeville, Bernhard (de) 77, 179 Martinus, Don XXV Marx, Karianne XXVII , CXXV Marx, Karl XXVIII Mau[c]ke, Johann Michael XCIX , CXXVIII Mbuyi, Mukendi 199 Meier, Georg Friedrich 169, 202, 205, 207–208, 210, 517– 518, 523, 528, 531, 540–542, 545, 547 Meiners, Christoph CXXXIX , 122–123, 153, 158, 180, 192, 197, 200 Melissos 558 Mendelssohn, Moses XXXIV, 10n, 56, 83, 155, 159, 173, 175, 181, 185, 190, 520, 522, 525, 531, 559 Mensen, Bernhard XCI Meumann, Markus LX Montaigne, Michel de 77, 179 Mosheim, Johannes Laurentius 559 Munegato, Christina Bonelli LI Münster, Friedrich XXVI Newton, Isaac 16–18, 50, 164– 165, 328, 540, 545

Nicolai, Christoph Friedrich LIX–LX , LXXIX , XCVI , 168, 173 Niethammer, Friedrich Immanuel XIX , LXXX Nuchelmans, Gabriel 551 Onnasch, Ernst-Otto XXVII n, CXI n Pascal, Blaise 12, 157 Paulus, Heinrich Eberhard Gottlob LXXVIII Pepermann, Paulus XXV– XXVI , 155 Pezold, Christian Friedrich XXX Pfaff, Christoph Matthäus 522 Pistorius, Hermann Andreas CXL , 562 Pius (Ordensname Reinholds) XXIV Platner, Ernst XXX–XXXII , XLIX–L , LXIII –LXIV, LXXIII , LXXXI , XC , CXXXIV, 122, 148, 159, 193–194, 276, 307, 316, 322, 518, 520, 535, 537–539, 548 Platon 130, 133, 145, 203, 205 Plessing, Friedrich Victor Leberecht 201 Rapp, Gottlob Christian XXXVIII , CXLI Rehberg, August Wilhelm LVI , XCVII , CXXV– CXXVII , CXXXVIII –

Personenregister CXXXIX , 10n, 156–157, 173, 175, 178, 562 Reichlin-Meldegg, Karl Alexander von LXXVIII Reid, Thomas 524, 532 Reimarus, Hermann Samuel 197, 207, 210, 447n, 530, 554 Reimarus, Johann Albert Heinrich 122, 148, 197, 210 Reinhold, Ägidius Karl Johannes Nepomuk XXIII– XXIV Reinhold (geb. Briedl), Franziska XXIII Reinhold, Karl Leonhard passim Reinhold (geb. Wieland), Sophie Katharina Susanne XXIX , XXXIV, LIX , 167 Röhr, Sabine LXVII Röttgers, Kurt XLII , XLIV, LXVIII

Saint-Pierre, Charles Irénée Castel de 190 Sauer, Werner XXV, XXXIV, XXXVII Schelling, Wilhelm Joseph XV, XIX , XXII , XXXVIII Schiller, Friedrich XXIX , LIX , LXVII Schlosser, Johann Georg 63, 176 Schmid, Carl Christian Erhard LXXV–LXXVII , CXXXIV–CXXXV, 159, 198, 530, 553, 561

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Schmid, Johann Wilhelm LXXVI Schneiders, Werner 154 Schönborn, Alexander von XXVII , XXXI Schrader, Wolfgang XCI Schröpfer, Horst XIII , XLI , L , LXXV, LXXVII , LXXIX Schulte, Monika M. CXXXVI–CXXXVII Schultz, Johann XVII , XXI , L –LI , LII –LV, LXI –LXXII , LXXVI –LXXVII , 158–159 Schulz, Eberhard Günter LV Schulz, Günter 161 Schulze, Gottlob Ernst XXI Schütz, Christian Gottfried XXIX , XXXVI , XL , XLV– XLVI , L –LV, LXI , LXVIII , LXXII , LXXVI –LXXIX , LXXXIX , 158–159, 183, 196, 201, 526 Selle, Christian Gottlieb 122, 198 Semler, Salomo 154 Shaftesbury, Anthony Ashley Cooper, third Lord of 197 Smidt, Johann CXXXVI Snoek, Jan A. M. LX Sokrates 105, 186, 203 Sömmerring, Samuel Thomas 196 Spinoza, Baruch de LXXVIII , 12, 60, 156–157, 175, 225, 400, 525, 547, 558 Stark, Werner XLVI Stattler, Benedikt 123n, 173, 174, 200

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Personenregister

Sterne, Laurence 536 Stolberg, Graf XCVII Stolzenberg, Jürgen 539 Storr, Gottlob Christian 184 Sulzer, Johann Georg 185, 520 Tetens, Johannes Nikolaus LXXXIII , 159 Therese (unbekannt) XXIX Thomas von Aquino 186 Tiedemann, Dieterich 122, 196–197 Tieftrunk, Johann Heinrich CXIII Tilling, Christian Gottfried 183 Tittel, Gottlob August 123n, 200, 204, 524, 551 Ulrich, Johann August Heinrich LXXIV–LXXVI , LXXIX , 185 Voigt, Christian Gottlob von XL , XLIX , LXI , LXIV, LXVII –LXIX , LXXII , LXXVI , LXXIX–LXXX , CVIII , 157, 166, 192–193, 196 Wachter, Johann Georg 558 Wahl, Hans XXXIII , XXXIV, 168

Walch, Johann Georg 558 Weishaupt, Adam 123n, 198– 199, 518 Widtmann, Caspar XCIX , CXXVIII Wieland, Christoph Martin XXIX , XXXIII –XXXIV, XLII , XLV, LI , LIX , LXI , LXVII , LXXXII , XCVIII , XCIX , C –CII , CXXXIV, 3, 152, 167–168, 170–171, 190–191, 517 Wolff, Christian XXV, LXXXVII , 5–9, 26, 103, 145, 152–153, 154–155, 174, 181, 206–208, 210, 517, 522, 528–529, 531, 543, 550, 554 Woodeson, Richard 185 Wundt, Max XXXVI Wurthmann, Nicola CXXXVII Wurzbach, Constant von XXIII Xenokrates 558 Zande, Johan van der 176 Zedlitz, Freiherr von 182 Zöller, Günter XXXII Zöllner, Johann Friedrich XXXIV, 185