Unternehmensschutz und Haftungsbeschränkung im Deliktsrecht [1 ed.] 9783428431083, 9783428031085

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Unternehmensschutz und Haftungsbeschränkung im Deliktsrecht [1 ed.]
 9783428431083, 9783428031085

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RAINER PREUSCHE

Unternehmensschutz und Haftungsbeschränkung im Deliktsrecht

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 13

Unternehmensschutz und Haftungs· heschränkung im Deliktsrecht

Von

Dr. Rainer Preusche

DUNCKER & HUMBLOT I BERLIN

Alle Rechte vorbehalten Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1974 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Prlnted in Germany

© 1974 Duncker &

ISBN 3 428 03108 3

Vorwort Nachdem das Recht am Unternehmen fast ein halbes Jahrhundert lang zwar im Prinzip unangefochten, dafür jedoch nur in ganz engen Grenzen als "sonstiges" absolutes Recht im Sinne des§ 823 I BGB anerkannt worden war, wurde sein Anwendungsbereich seit Anfang der fünfziger Jahre durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs außerordentlich erweitert. Gleichzeitig löste dies aber in der Literatur auch die Besorgnis vor einer immer stärkeren Ausuferung und Konturenverwischung aus, die das Recht am Unternehmen in die Nähe einer- dem Prinzip des§ 823 I BGB widersprechenden- Generalklausel zu rücken drohte. Heute sind deshalb in Umkehrung des Pendelschlags Ansichten im Vordringen, die dem Rechtsinstitut die Existenzberechtigung völlig absprechen wollen. Die Wahrheit scheint mir in der Mitte zu liegen. Die hiermit vorgelegte Arbeit versucht deshalb, den Schutzbereich des Rechts am Unternehmen, das sie im übrigen bejaht, durch deutliche Abgrenzung auf den sachgerechten Kern, der in unserem Rechtssystem unentbehrlich ist, zurückzuführen. Die Untersuchung, die der juristischen Fakultät der Ruprecht-KarlUniversität Heidelberg Ende 1972 als Dissertation vorgelegen hat, wäre sicherlich nicht möglich gewesen ohne die Förderung durch meinen Doktorvater Dr. Hermann Weitnauer, der mir viele hilfreiche Hinweise und Anregungen gegeben hat. Hierfür will ich ihm an dieser Stelle recht herzlich danken. Mein Dank gilt auch Herrn Ministerialrat a. D. Dr. J. Broermann für die bereitwillige Aufnahme der Arbeit in sein Verlagsprogramm sowie meinem Freund Dr. Friedemann Würmlin für seine Unterstützung bei der Drucklegung. Heidelberg, im Mai 1974

Rainer Preusche

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Erster Teil

Der bisherige Rechtszustand nach Rechtsprechung und Literatur 1. Kapitel

Allgemeiner Überblick I. Die Entwicklung des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

II. Die Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

III. Die Wahrnehmung berechtigter Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

IV. Konkurrenz und Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

2. Kapitel

Die Korrektur des Rechts I. Die Korrekturbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

II. Die kritischen Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

1. Verletzungen im Bereich des Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stromkabelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Arbeitnehmerverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ausstellung unrichtiger Zeugnisse und Abwerbung von Arbeitnehmern ....................................................... 5. Unberechtigte Verfahrenseinleitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28 29 31

III. Verschiedene Korrekturversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

1. Abkehr von "alles oder nichts"-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36 40 41 45

2. 3. 4. 5.

Tatadäquanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Direkte Anwendung des § 242 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Sozialadäquanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unrechtstypen und Verhaltenspflichten nach v. Caemmerer, Stoll, Larenz, Deutsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32 33

50

Inhaltsverzeichnis

8

6. "Gelegenheitsursache" und "allgemeines Lebensrisiko" . . . . . . . . . 7. Die Theol'ie Löwischs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53 55

8. Die Meinung von Fabricius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

9. Die Meinung Giesekes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Die Meinung Völps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60 61

3. Kapitel

Die Unmittelbarkeit I. Die Problematik des Unmittelbarkeitskriteriums im allgemeinen . .

63

II. Die Stellungnahme der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

III. Die Bezugnahme auf die Unmittelbarkeit im Sinne des Reichsgerichts 72 IV. Die einzelnen Bedeutungen der Unmittelbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

1. Die Abgrenzung zu Vermögensschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76 79 80 83 85

2. 3. 4. 5.

Die objektive Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die subjektive Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der unmittelbare Kausalzusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Unmittelbarkeit als Rechtswidrigkeitsmoment . . . . . . . . . . . . . . Zweiter Teil

Die eigene Lösung . 87

Vorbemerkung 4. Kapitel

Der Schadenserfolg; das Unternehmen als absolutes Recht I. Der Zweck des Deliktsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

II. Die Voraussetzungen des absoluten Rechts im Sinne des § 823 I BGB 91 91 95 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konturiertheit Die Die besondere soziale Wichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Die einfache Erfaßbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Der Zuweisungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

1. Die Schutzrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2. 3. 4. 5.

III. Die Dynamik des § 823 I BGB ....... .. ..................... . . . ... 104 IV. Das Recht am Unternehmen als absolutes Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

Inhaltsverzeichnis

9

5. Kapitel

Die Essentialia des Rechts am Unternehmen I. Das Wesen des Rechts .......................................... . . 114 li. Die Produktionsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

III. Die Absatzfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 IV. Der unlautere Wettbewerb .......... . ....... . ..................... 122 124

V. Das "Medium" 6. Kapitel

Schadenshandlung und Normzweck I. Die Bedeutung der Handlung im objektiven Tatbestand des § 823 I BGB ............................... . ............... . . . .. . . 131 li. Die Normzwecktheorie ................... .. ....................... 139

III. Stellungnahme in Literatur und Rechtsprechung zur Normzwecktheorie . . .............. .. .. . ......... . ... ....... ....... .. . .. ...... 144 IV. Der Standort der Normzwecktheor·ie im Schema des§ 823 I BGB .... 152 153

V. Die Aufgabenstellung 7. Kapitel

Der Inhalt des Normzwecks in§ 823 I BGB I. Die Lehre v. Caemmerers ..... . ... . .... . . . ... . . ..... . .. .. ......... 155 II. Der Normzweck bei Folgeschäden und negativen Ansprüchen . . . . . . 166 1. Der Normzweck bei Folgeschäden ....... .. ............. ... . .. .. 167

2. Der Normzweck der§§ 858, 1004 BGB ... ... .. . . ......... ... . . . . . . 169 III. Das Prinzip der typischen Gefahr als Inhalt des Normzwecks des § 823 I BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 1. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 2. Die Lehre J. G. Wolfs .... .............. . .. . ............ ........ 172

3. Wertende Auswahl der näheren Handlungsumstände .... . . .... .. 173 4. Die richterliche Wertung der Handlungs-Erfolgs-Beziehung . . . . . 175 5. Positive Tendenzen in Literatur und Rechtsprechung ... . . ... . . .. 177 IV. Eine Modifizierung des Prinzips der typischen Gefahr: final-v orsätzliche Verursachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 V. Das Verhältnis der Adäquanztheorie in ihrer ursprünglichen F or m zur Normzwecktheorie in Gestalt der typischen Gefahr . . . . . . . . . . . . 181 VI. Die Auswirkungen des Prinzips der typischen Gefahr auf die "kritischen Fälle" des Rechts am Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186

Zusammenfassung der aufgestellten Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 Literaturverzeichnis .... .. . ...... . .... .. . . . . . . ......... . ... . . . . . . ..... 193

Einleitung Die vorliegende Arbeit hat das Recht am Unternehmen - am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb1 - zum Gegenstand, obwohl gerade dieses Thema in der Literatur ab 1900 bis in die jüngste Zeit2 in einer kaum noch überschaubaren Vielzahl von Veröffentlichungen detailliert behandelt worden ist. Die nochmalige Betrachtung rechtfertigt sich dadurch, daß es bis heute nicht ausreichend gelungen zu sein scheint, dogmatisch hinreichend zu klären, ob dieses Recht dem§ 823 I BGB quasi nur "aufgepfropft" worden ist und sich seiner als einer im Grunde verzichtbaren "Krücke" 3 bedient, oder ob es ein dem in § 823 I BGB benannten Recht "Eigentum" gleichwertiges absolutes Recht ist. Diese Frage kann m. E. endgültig nur beantwortet werden, wenn man -unter besonderer Berücksichtigung des Prinzips der sog. "Unmittelbarkeit des Eingriffs" als einer dem Unternehmensschutzrecht spezifischen Haftungseinschränkung- gleichzeitig das Problem aufwirft, ob und inwieweit bereits dem objektiven Tatbestand des § 823 I BGB eine generelle Funktion zur Haftungsbeschränkung im Handlungsbereich innewohnt, die - sicherlich mit erheblichen quantitativen Unterschieden - notwendig Auswirkungen auf alle dem § 823 I BGB unterfallenden absoluten Rechte zeitigt. Das Recht am Unternehmen kann seinen bisherigen Platz in § 823 I BGB nur behalten, wenn es mit den allgemeinen dogmatischen Anforderungen dieser Norm in Einklang steht. Der Ansatzpunkt dieser Untersuchung ist also ein zweifacher: Einmal soll das Rechtsgut "Unternehmen" als solches analysiert und -gegebenenfalls- sein im Sinne des § 823 I BGB "harter" Kern herausgearbeitet werden. Zum anderen ist die generelle haftungsbeschränkende Funktion der Handlungsseite im objektiven Tatbestand des § 823 I BGB zu entwickeln 1 Beide Bezeichnungen werden in dieser Arbeit synonym verwandt; bevorzugt wird der Ausdruck "Recht am Unternehmen" gebraucht. 2 Vgl. z. B. Katzenberger, Das Recht am Unternehmen und unlauterer Wettbewerb 1967; Schrauder, Wettbewerbsverstöße als Eingriffe in das Recht am Gewerbebetrieb 1970; Wiethölter, Zur politischen Funktion des Rechtsam Gewerbebetrieb, Kritische Justiz 1970, Heft 2; Buchner, Die Bedeutung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb für den deliktsrechtlichen Unternehmensschutz 1971. 3 So v. Caemmerer, Gesammelte Schriften, S. 277.

12

Einleitung

und auf ihre speziellen Auswirkungen im Unternehmensschutzrecht hin zu untersuchen. Deshalb wird sich diese Arbeit, abgesehen vom 1. Kapitel, in dem ein kurzer historischer Überblick über das Recht am Unternehmen gegeben und einige für die Kenntnis des Rechts wesentliche, in den weiteren Darlegungen systematisch jedoch nicht mehr erfaßbare Sonderprobleme behandelt werden sollen, ausschließlich im Bereich des objektiven Tatbestands bewegen.

Erster TeH

Der bisherige Rechtszustand nach Rechtsprechung und Literatur 1. Kapitel

Allgemeiner Überblick I. Die Entwicklung des Rechts In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts setzten Bemühungen ein, der immer mehr anwachsenden Bedeutung der Unternehmen für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung einen adäquaten Schutz gegenüber zu stellen und sie in die rechtliche Ordnung einzufügen. Jedoch fehlten die gesetzlichen Grundlagen hierfür, da weder brauchbare Generalklauseln noch ausreichende wettbewerbliehe Sondervorschriften existierten. Die Gerichte suchten Auswege. In einem 1. Urteil äußerte sich das Reichsgericht1 im Jahre 1888; aus Anlaß einer Feststellungsklage gegen eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung bemerkte es in einem obiter dictum, daß "das ungerechtfertigte Verhalten des Verwarners an sich auch zur Herbeiführung von Vermögensschäden" geeignet sei. Es wurde zeitweilig versucht, mit § 1 Gew02 Abhilfe zu schaffen, jedoch wurde diese Rechtsprechung bald nach lokrafttreten des BGB im Jahre 1900 wieder aufgegeben und durch die Subsumtion unter § 823 I BGB ersetzt3 • Die Berechtigung hierfür entlehnte man zeitweise dem UWG4 • 1901 sprach das Reichsgericht5 vom "subjektiven Recht auf freie Erwerbstätigkeit", und schon 1902 war der Ausdruck "Recht am Gewerbebetrieb" gebräuchlich6•7 • 1 RG 22, 93 = Bolze Bd. VII Nr. 167; RG Bolze Bd. VIII Nr.147; RG 28, 238, RG Bolze Bd. XI Nr. 112, RG 35, 166 = Bolze Bd. 20 Nr. 112; RG JW 99, 749; RG 45, 59; besonders instruktiv ist das Börsenvereinsurteil RG 28, 238. 2 RG 22, 93; vgl. auch RG 45, 61; weitere Nachweise bei Schippel, Recht am Gewerbebetrieb, S. 38 fi. 3 Vgl. hierzu noch Schippel, S. 40 Anm. 38. 4 Genaueres bei Katzenberger, S. 33 f. 5 RG48,114. 6 JW 1902, Beilage S. 227 Nr. 88; vorübergehend lehnte RG 56, 271, 275 den Schutz durch§ 823 I BGB noch einmal ab. 7 Zur Terminologie vgl. Fikentscher, Festschrift für Kronstein, 1967, S. 287.

14

1. Kap. : Allgemeiner Überblick

Die endgültige Anerkennung erfolgte durch RG 58, 24 ff.B. Seit dieser Zeit sind über 130 Entscheidungen des RG ergangen9 , von denen aber nur knapp ein Drittel positiv entschieden wurde. Diese Tatsache beruht auf den vielfachen engen Grenzen, die sich die Rechtsprechung selbst zog und erst allmählich abbaute. Im folgenden soll in kurzen Zügen der Weg der Ausweitung des Schutzes durch die Rechtsprechung bis zum heutigen Stand10 geschildert werden. In der Periode der sog. "alten" Rechtsprechung wurden Ansprüche nur anerkannt, wenn der "Bestand" des Gewerbebetriebes angetastet worden war11 • Es mußten "entweder tatsächliche Verhinderungen von Betriebshandlungen oder Verneinung der rechtlichen Zulässigkeit des Betriebs oder das Verlangen der Schließung bzw. Einschränkung" vorliegen12, wobei es bezüglich der ersten Alternative jedoch nicht ausreichte, wenn nur sächliche Grundlagen verletzt wurden, obwohl hierdurch doch regelmäßig auch Betriebshandlungen kausal verhindert werden13. Dagegen wurde einer Beeinträchtigung von Gewinnmöglichkeiten und sonstigen Chancen kein Verletzungscharakter zuerkannt14 • Zwar ergingen auch vereinzelt Urteile, die den Schutzbereich weiter zogen15, und vor allem die Rechtslehre stand dieser engen Auslegung ablehnend gegenüber. Das Reichsgericht beharrte jedoch 30 Jahre lang auf seinem Standpunkt, obwohl der bloße Bestandsschutz nur ganz geringe praktische Bedeutung erlangt hatte1e. s Wiethölter, Kritische Justiz 1970, Heft 2, S. 121 f., meint allerdings, das RG habe sich hier als reiner "Märchenerzähler" betätigt und auch die im 58. Band zitierten Vorentscheidungen zu Unrecht benutzt. Dies versucht er wenig überzeugend durch Vermutungen (im Fall von RG 51, 66, zitiert bei RG 51, 369, 374) und durch die Rüge von- m. E. am Anfang einer Rechtsentwicklung unvermeidbaren - terminologischen Unklarheiten (bzgl. RG 28, 238) und Auslassungen (bzgl. RG 56, 271, wo zwar die Normbezeichnung § 823 I BGB nicht verwendet, dieser aber unzweifelhaft inhaltlich behandelt wird) zu untermauern. 9 Darstellung bei Suppes, Anhang. 10 Vor allem BGH 3, 272,279 (Constanze-Urteil). 11 RG 48, 121; 51, 374; 56, 271; 58, 24; 60, 4; 65, 210; 73, 111; JW 1902, 227; 1905, 174; MuW 1935, 26; 1938, 341; weitere Nachweise bei Nipperdey, Gutachten S. 34 und Suppes, Anhang; v. Caemmerer, DJT-Festschrift S. 85, bemerkt zu dieser Rechtsprechung, "im Grunde (sei) in den ersten drei Jahrzehnten der reichsgerichtliehen Rechtsprechung nur in dem Urfall unberechtigter Patentverwarnungen und sonstiger Anmaßung von Ausschlußrechten Schutz gewährt worden, in dem die Möglichkeit, die Rechtslage durch Unterlassungsklage zu. klären und schon bei Fahrlässigkeit Ersatz für die u. U. sehr erheblichen Schäden gewähren zu können, offenbar besonders dringlich erschien." 12 Vgl. u. a. RG 102, 225. 13 Vgl. RG JW 09,493 (Brunnenvergiftung). 14 RG 65, 213; 73, 256; 77, 219; weitere Nachweise bei Nipper dey, GutachtenS. 36; Baumbach- Hefermehl, allg. Einl. A 107 ff. 15 RG 109, 52, 276; MuW 29, 378; RG JW 1910, 120 Nr. 31. 16 Gieseke, GRUR 50, 302.

I. Die Entwicklung des Rechts

15

In neuester Zeit findet sich die Bestandslehre noch bei Gieseke, Palandt und Pawlowski11• Letzterer meint, wohl zurückgehend auf Schulz-Schäffer18 und Isay 19 , nur ein besitzähnlicher Tatbestand, ein

"besessenes Recht"- im Bereich der Immaterialgüte rrechte sei dies der "rechtmäßig verwirklichte Wille" 20 - könne ein subjektives Recht i. S. des § 823 I BGB darstellen, weshalb es ratsam sei, zu der "älteren Rechtsprechung des RG zurückzukehren " 21 • 22 • Aus dieser Beschränkung ergaben sich manchmal zwangsläufig seltsame Konsequenzen, wenn ein Eingriff, der ohne weiteres deliktischen Charakter hatte, nicht gegen den "Bestand" gerichtet war. Im "Apothekenfall" entschied das Reichsgericht z. B.23, daß das Verlangen einer Krankenkasse, die Apotheker sollten nur Ersatzmedikam ente billigerer Art anstelle der vom Arzt verschriebenen Markenmedika mente abgeben, weil letztere nicht vergütet werden könnten, den Bestand einer solche Markenmedikam ente herstellende Arzneimittelfir ma angreife, "weil bei voller Auswirkung der Drohung der Inhaber zu Betriebseinschr änkun17

Gieseke, GRUR 50,298 ff.; Palandt, § 823 A 6g; Pawlowski, Diss. S. 33 ff.

ts Schulz-Schäffer, S. 221 f. 18

20 21

22

Isay, Das Recht am Unternehmen, S. 77 ff., 140 f. Pawlowski, Diss. S. 39. Pawlowski, Diss. S. 119. Pawlowskis Ableitungen sind generell bedenklich. Einmal hält er (nur)

subjektive und (qualifizierte) subjektiv-absolu te Rechte - wie sich aus seiner Bemerkung S. 42 zum Forderungsrecht ergibt, das er nicht als subjektives Recht anerkennt - nicht genügend auseinander. Es ist unerfindlich, wieso die allerdings nicht "absoluten" Forderungsrecht e keine subjektiven Rechte sein sollten; vgl. hier richtig Lehmann, AT S. 69 ff., 76. Zum anderen ist das subjektive Recht weitgehend nicht eine der Rechtsordnung vorgehende "verwirklichte Willensfreiheit", sondern vielmehr, abgesehen von den wenigen vor- und übergesetzlichen Menschenrechten, umgekehrt abhängig von einer gesetzlichen Anerkennung. Vor einer solchen gesetzlichen Anerkennung verfolgt zwar jeder "Rechtsinhaber" seine subjektiven Interessen, diese sind aber eben noch keine Rechte im eigentlichen Sinne. Subjektive Rechte sind vielmehr, wie Ihering klar herausgearbeitet hat, "rechtlich geschützte Interessen" (Ihering, Geist des röm. Rechts III 1, 327 ff.); nicht der subjektive Wille, das subjektive Interesse ist entscheidend, sondern allein, ob die jeweilige Rechtsordnung dem Interessenträger die Macht gibt, sich selbst gegen Angriffe auf sein Interesse durch Klage vor dem Gericht zu schützen. An einem subjektiven Recht fehlt es deshalb auch dann, wenn ein Gesetz bestimmte Interessen ausdrücklich schützt, ohne dem Interessenträger die Macht zu geben, bei Beeinträchtigung desselben die Gerichte anzurufen (Beispiel: Schutzzölle). Nicht der Wille, sondern die Rechtsmacht ist deshalb Kern und Ursprung eines subjektiven Rechts; str., vgl. die Zusammenstellu ng der verschiedenen Ansichten bei Schulz-Schäffer, S. 83 ff. mit vielen weiteren Zitaten aus älterer Zeit; wie hier bereits Donellus, commentarii de jure civili, Kap. 3, 1. Buch "facultas et potestas jure tributa". Schließlich bleibt Pawlowski- was er selbst S. 44 als Vorteil bezeichnet - in bloßer Begriffsjurisprud enz stecken, anstatt zur zeitgemäßen Weiterentwicklu ng des Rechts durch Fragen nach dem Sinn und Zweck der Normen und der heute von ihnen erfaßten relevanten Interessen beizutragen. ~ 3 RG MuW 29, 380; vgl. auch RG 76, 35 f.

1. Kap.: Allgemeiner Überblick

16

gen" gezwungen sei. Es ist offensichtlich , daß man Angriffe auf den "Bestand" hier nur bejahte, um kein ungerechtes Urteil fällen zu müssen. Denn zu Betriebseins chränkungen zwingen kann schon jede Abwerbung von Kunden, jede Anschwärzu ng u. ä.24 • Diese Unterscheidu ng von "Bestand" und "Bereich" des Betriebes, nach HefermehF5 eine "unlogische Halbheit", wurde schließlich doch zugunsten einer anderen Beurteilung in der "neuen" Rechtsprech ung 26 aufgegeben. Im Jahre 1931 entschied der II. Senat des Reichsgerich ts , Bedes "Bereich" den in nur Eingriff ein auch BGB I 823 § daß unter triebes genüge, präzisierte jedoch schon bald27 einschränken d, daß dies nur auf dem Gebiet des Wettbewerb s- und Warenzeiche nrechts gelten könne. An dieser Beschränkun g wurde bis zum Ende der Tätigkeit des RG festgehalten 28 • 29 , allerdings ohne irgendeine dogmatisch auch nur in etwa überzeugend e Begründung zu geben. Nach dem 2. Weltkrieg fiel, nicht zuletzt aufgrundlan gjähriger Intervention der Rechtslehre30 , auch diese Einschränku ng weg31 • Wegweisend war hierfür das berühmte Constanze-U rteil des BGH32 , das über Ansprüche gegen ein Kirchenblatt , welches die Frauenzeitsc hrift C. als "Blüte aus dem Sumpf der deutschen Illustrierten nach Art der Magazine" tituliert hatte, zu entscheiden hatte. Der Bundesgeric htshof führte aus: "Es besteht kein sachlicher Grund, den Gedanken des Schutzes der gewerbliche n Betätigung auf das Gebiet des Wettbewerb s und der gewerbliche n Schutzrechte zu beschränken . Vor allem schädigende Werturteile, die nicht unter§ 14 UWG oder§ 824 BGB fallen, müssen durch § 823 I BGB erfaßt werden. Wie das Eigentum nicht nur in seinem Bestand, sondern auch in den einzelnen Ausstrahlungen - z. B. der unbeschränk ten Verfügungsm acht (RG 156, 400) durch § 823 I BGB vor unmittelbare n Eingriffen geschützt ist, muß nach dieser Schutzvorsc hrift auch das Recht am eingerichtete n und ausgeübten 24

14.

Ebenso Baumbach- Hefermehl, Allg. Einl. A 114; vgl. außerdem RG 60,

26

Baumbach- Hefermehl, Allg. Einl. A 79 (7. Aufl.). MuW 31, 276; die anderen Senate folgten dem II. Senat längere Zeit

32

BGH 3, 271 ff.

25

nicht, dennoch wurden die Vereinigten Zivilsenate aber nie angerufen. 21 MuW 35, 26, 30 mit Nachweisen. 28 RG GRUR 39, 397; JW 39, 484 Nr. 11; vgl. weiter die instruktive Entscheidung RG 163, 21, 32. 29 Schon 1910 hatte das RG in JW 1910, 120 Nr. 31 (S. 122) diesen Gedanken vertreten; dieses Urteil hatte jedoch keine Nachahmung gefunden. 3° Callmann, Komm. Vorbemerkun g; Nipperdey, Beiträge, S. 451 ff.; Baumbach, Komm., S. 91; Lobe, LZ 1931, Spalte 664, usw. 31 Allerdings urteilte das OLG Freiburg 1952 (JZ 52, 231) noch ähnlich wie die alte Rechtsprechung.

Il. Tatbestandsmerkmale

17

Gewerbebetrieb nicht nur in seinem eigentlichen Bestand, sondern auch in seinen einzelnen Erscheinungsformen, wozu der gesamte gewerbliche Tätigkeitskreis zu rechnen ist, vor unmittelbaren Störungen bewahrt bleiben." Seit der Entscheidung BGH3, 271, kann also jeder störende Eingriff in den Gewerbebetrieb prinzipiell tatbestandsmäßig sein33•

II. Die Tatbestandsmerkmale Träger des Rechts am Gewerbebetrieb sind nur die oder der Unternehmer, bei Kapitalgesellschaften die juristische Person selbst. Angestellte Geschäftsführer oder sogar der Vorstand eines Unternehmens sind niemals selbst Rechtsträger, sondern nur Organe desselben. Der Unternehmer ist jedoch nicht immer identisch mit dem Eigentümer der Produktionsmittel. Grund und Boden, ja selbst der ganze Betrieb3\ können gepachtet sein, Rohstoffe, Maschinen usw. können im Eigentum anderer stehen - dies ist nicht von Bedeutung für die Unternehmereigenschaft. Entscheidend ist nur, daß der Unternehmer die wirtschaftlichen Geschicke des Unternehmens nach eigenem Ermessen leiten kann. Dies trifft selbstverständlich auch dann zu, wenn er die W eisungsbefugnis an Angestellte delegiert hat. Die Unternehmereigenschaft fehlt aber z. B. demjenigen, der den Betrieb als ganzes verpachtet hat35• Das Merkmal "eingerichtet" bedeutet, daß eine auf Dauer angelegte Organisation vorhanden sein muß. Wagner16 definiert richtig: "Eingerichtet bedeutet, daß ein Gewerbebetrieb in seinen körperlichen und materiellen Grundlagen zur Erscheinung kommt." Hieraus folgt, daß ein erst im Aufbau begriffenes Unternehmen keinen Anspruch auf Schutz aus dem Gesichtspunkt des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs hat37• Ob sich hierüber hinaus aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht auch ein Schutz der freien wirtschaftlichen Betätigung ergibt, kann hier unerörtert bleiben38• Allerdings kann aus der Einschränkung auf "eingerichtete" Unternehmen nicht der Schluß gezogen werden, daß jeglicher Aufbauschutz eines Betriebes abzulehnen sei. Wenn es sich nur 33 Ausführliche, allerdings weitgehend kritisch ablehnende Darstellung der Entwicklung bis BGH 3, 271 bei Gieseke, GRUR 1950, 299 ff. 34 Vgl. hierzu ausführlich, wenn auch mit bedenklichem Ansatz, Pawlowski, Diss. S. 113 ff. 35 Bei Pawlowski, S. 113 ff. bleibt unklar, ob auch der Verpächter über die Figur des mittelbaren Rechtsbesitzes - als Unternehmer angesehen werden soll. aa Wagner, Diss., S. 37. 37 Baumbach- Hefermehl, Allg. Einl. S. 116; Puttfarcken, GRUR 62, 503; a. A. jedoch Fikentscher, Wettbewerb und gewerblicher Rechtsschutz S. 238 ; ders. neuerdings ausführlich auch in Festschrift für Kronstein, S. 281 ff. 38 Vgl. hierzu z. B. Schippet, S. 53 f.

2 Preusche

1. Kap.: Allgemeiner überblick

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um den Ausbau eines schon bestehenden Betriebes handelt, z. B. um Erweiterung vorhandener Produktionszweige, dann tritt der Schutz des § 823 I BGB immer ein. Dies ist so selbstverständlich, daß es der BGH39 für nicht weiter erwähnenswert gehalten hat. Das Merkmal "ausgeübt" will tote Betriebe, also bloße Gewerbebetriebsfassaden, ausscheiden40 • Ausübung ist Erhaltung bisher errungener Werte. Aber auch das dynamische Vorwärtsschreiten ist hierunter zu verstehen. Daher hat die Rechtsprechung immer nur verlangt, daß die Tätigkeit innerhalb eines bestehenden Unternehmens vonstatten gehen müsse, nicht aber unterschieden, ob werterhaltende oder wertschaffende Tätigkeit vorliege41 • Allerdings meint Schippel zu Recht, daß ein nur vorübergehend eingestellter Betrieb mit der Aussicht auf baldige Wiedereröffnung noch als "ausgeübt" zu werten sei, was besonders in der Nachkriegszeit bezüglich vieler vom Osten nach dem Westen verlagerter Betriebe von Bedeutung wurde42 • Eine allgemein gültige Aussage im Gesetz dafür, was unter "Unternehmen" bzw. "Gewerbebetrieb" zu verstehen ist, gibt es niche 3 , obwohl einzelne Definitionen in der GewO, dem GewStG und im HGB zu finden sind. Schon das RG hat sich weitgehendamBegriff des § 1 HGB orientiert. Nach RG 66, 51 ist "Gewerbe" deshalb jede erlaubte, auf Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeit. Der Gewerbebetrieb bzw. das Unternehmen ist dann ein "auf die Dauer unternommener Kreis von Geschäften wirtschaftlicher Art innerhalb einer bestimmten Organisation, angelegt als dauernde Einnahmequelle." Nicht unter den Begriff des Unternehmens fielen nach dieser Definition Arztpraxen, Anwaltskanzleien, freischaffende Künstler, usw., also diejenigen freien Berufe44 , die nach landläufiger Ansicht nicht direkt auf Warenumsatz o. ä. und Gewinnerzielung angelegt sind. Gerechtfertigt wurde diese Beschränkung vor allem damit, daß es eines Rechtsanwalts, Künstlers oder Arztes, die vor allem dem Recht oder der Kunst bzw. Heilkunst als Institution dienten, unwürdig sei, mit einem Gewerbetreibenden gleichgestellt zu werden45• 4~. Selbst CaUmann, der schon BGH NJW 54, 1239. BGH LM § 839 (c) Nr. 5; Kröner, S. 42. 41 RG 73, 253, 256; RG JW 32, 1881 u. a. 42 Genaueres hierzu bei Pawlowski, Diss. S. 111. 43 Vgl. Puttfarcken, GRUR 1962, 500. 44 RG 66,143; 73, 107; 144, 5; 153,284 u. a. 45 RG 66, 143 wollte zwar der Privatklinik, nicht aber der Praxis eines Arztes den Schutz aus § 823 I BGB zuerkennen. Schulz-Schäffer hält dies zu Recht für unhaltbar (S. 223). 46 Auch den Personenvereinigungen wurde der Schutz verwehrt, vgl. RG 73, 107; jedoch kann im Rahmen dieser Arbeit hierauf nicht näher eingegangen werden; Problemstellung: Vereine haben zwar meist eine ausgebaute 39

40

II. Tatbestandsmerkmaie

19

früh47 die Ausweitung des Schutzes auf Ärzte usw. verlangte, unterschied noch prinzipiell zwischen dem homo oeconomicus, der zwar notwendige, aber doch banale Interessen vertritt und dem homo ethicus, der "sein Wirken dem Wohl der Allgemeinheit widmet". An dieser, von Callmann später übrigens aufgegebenen48 Unterscheidung soll hier nicht weiter gedeutelt werden, obwohl die Motivation der Berufswahl heute hier doch zu ganz erheblichen Zweifeln Anlaß geben könnte; denn jedenfalls kann diese Unterscheidung, selbst wenn sie in sich berechtigt wäre, dem Schutz der freien Berufe aus § 823 I BGB nicht entgegenstehen. Müßte denn nicht gerade der, der Aufgaben des Gemeinwohls erfüllt, den verstärkten Schutz der Gesetze genießen? Soll man dem, der einen "ethischen" Beruf wählt, nur einen Schutz minderer Art zubilligen, indem man ihm die Möglichkeit der Berufung auf§ 823 I BGB nimmt49 ? Als nach Inkrafttreten des UWG im Jahre 1909 die Rechtsprechung einhellig erklärte, auch Ärzte usw. ständen im Wettbewerb50, meinten zwar manche51 vorschnell, endlich sei die ärztliche Praxis als Gewerbebetrieb generell anerkannt. Das Reichsgericht52 entschied jedoch, daß der Gesetzgeber nur solche ärztliche und andere Leistungen, die gerade durch eine Wettbewerbshandlung beeinträchtigt worden seien, als Gewerbetätigkeit ansehen wolle. Praxis und Kanzlei sollten also einmal als Gewerbebetrieb gelten, das andere Mal nicht. Derart willkürlich erscheinende Abgrenzungen fanden in der Literatur zu Recht massiven Widerspruch. Hefermehl53 z. B. wies richtig darauf hin, daß auch "der freiberuflich Tätige . .. das Recht haben (müsse), vor widerrechtlichen Störungen bewahrt zu bleiben, die sein Unternehmen nicht zur vollen, in der Gesamtheit seiner materiellen und immateriellen Bestandteile begründeten Entfaltung kommen lassen" 54 • Richtig ist allerdings auch, wie Puttfarcken55 ergänzend bemerkt, daß keinesfalls jeder freiberuflich Tätige einen "Betrieb" - Callmann56 Organisation; es wird aber in aller Regel wohl das Merkmal der Erwerbstätigkeit fehlen, was sich aus der gesetzlichen Grundkonzeption des Idealvereins erklärt. 47 Vgl. seinen Komm. zum UWG aus dem Jahre 1932. 48 CaUmann NJW 56, 1909 f. 49 Allerdings wäre notfalls noch daran zu denken, die freien Berufe dem APR zu unterstellen; das Recht am Gewerbebetrieb erscheint jedoch als geeigneterer Ansatzpunkt, da der Unterschied zu sonstigen Dienstleistungsbetrieben nur noch in der Qualifikation der angebotenen Dienste besteht. 50 RG 74, 196; JW 1908, 243; 1925, 1488; RG 99, 192. 51 z. B. Rosenthal, 4. Autl., S. 8. G2 RG JW 1908, 249. 53 Baumbach - Hejermehl, Allg. Einl. A 115; Schippet, S. 13 Anm. 13. 54 In jüngster Zeit ebenso Glückert, AcP 166, 320; Hopt, S. 226. 5s 56

Puttjarcken, S. 500 ff. CaUmann NJW 56, 1909, 1910.

20

1. Kap.: Allgemeiner Oberblick

nennt dies "Berufsbetrieb" - sein eigen nennen könne, weil es bei diesen Berufen nicht selten an den hierfür notwendigen Organisationsformen fehlen wird. Dies ist aber eine Frage des Einzelfalls. In späterer Zeit sind zu diesem Fragenkreis nur wenige Urteile ergangen. Es ist in diesen aber schon, möglicherweise unter dem Einfluß der opponierenden Rechtslehre, die Tendenz zur Aufgabe der Einschränkung andeutungsweise zu erkennen. Bereits RG 155, 234, und RG GRUR 39, 404, wollten sich in dieser Frage nicht mehr festlegen, und auch der Bundesgerichtshof57 läßt erkennen, daß er geneigt ist, die bisherige Position der Rechtsprechung neu zu überdenken: "Zwar ist der Arztberuf nach wie vor nicht als Gewerbe anzusehen, jedoch kann nicht an der Tatsache vorbeigegangen werden, daß der Arzt in Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit ausübt." Demgemäß erkennt die jüngste Gerichtspraxis nunmehr zumindest teilweise Arztpraxen als Gewerbebetriebe im Sinne des§ 823 I BGB an58 .

111. Die Wahrnehmung berechtigter Interessen Der für den Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb maßgebliche Rechtfertigungsgrund ist die "Wahrnehmung berechtigter Interessen". "Interesse" ist nach Hubmann5v "das Streben nach Dingen80 , die subjektiv als wertvoll empfunden werden, und die Sorge um ihre Erhaltung". Sobald die Rechtsordnung solche Interessen als schutzwürdig ansieht, werden sie zu Gegenrechten, die auf andere rechtlich geschützte Interessen prallen. Die relative Schutzpriorität, also die Einzelfallentscheidung über den Vorrang des einen oder anderen beteiligten geschützten Interesses, erfordert immer eine Güterahwägung dahingehend, welches dieser Interessen sich jeweils als höherwertiges darstellt61 • Dieses Prinzip der Güterahwägung hat seinen klarsten Ausdruck in§ 193 StGB gefunden. Im Zivilrecht ist dieser Hechtfertigungsgrund jedoch bisher auf erheblichen Widerstand gestoßen. Einmal ist der Standort des Merkmals der Interessenwahrnehmung im Gesamttatbestand im Streit: manche wollen es - anstatt zur Rechtswidrigkeit - als Kriterium einer positiven Rechtswidrigkeitsprüfung zur "Verbotsmaterie" ziehen, also quasi zu einem den Rechtswidrigkeits57 BGH 16, 79 hinsichtlich der Veräußerungsfähigkeit einer Praxis. 58 LG Köln, VersR 71,215. 59 Hubmann, AcP 153, 302. 60 "Ding" ist bei Hubmann wohl nicht im engen juristischen Sinn der Sache, auch nicht rein materiell, sondern als "Gegenstand", "Wert", "Ziel" zu verstehen. 61 BGH 3, 271 ff.

III. Die Wahrnehmung berechtigter Interessen

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hereich bereits mitberücksichtigenden Element des objektiven Tatbestands machen62 ; andere stellen entsprechende Prüfungen sogar erst im Schuldbereich an63 , während die wohl noch h. L. die Rechtswidrigkeit als maßgeblichen Standort ansieht. Ein zweites Problem ist, ob die Wahrnehmung berechtigter Interessen - entsprechend der eingeschränkten Geltung des § 193 StGB im Strafrecht- lediglich ein Spezialrechtfertigungsgrund des Ehrenschutzrechts oder aber von generellerer Bedeutung ist64 • Hinter diesem Argument steht die Befürchtung, mit der Anerkennung dieses Rechtfertigungsgrundes nach dem objektiven Tatbestand des § 823 I BGB nun auch dessen Rechtswidrigkeitsbereich in Richtung einer Generalklausel zu verfälschen. Richtig ist hieran sicherlich, daß selbst die Notwehr als bloßer Unterfall eines allgemeinen Interessenwahrnehmungs- und -abwägungsprinzips verstanden werden könnte und daß eine völlig grenzenlose Anerkennung des Rechtfertigungsgrundes der Wahrnehmung berechtigter Interessen die Gefahr mit sich bringen könnte, unser System von speziellen benannten Rechtfertigungsgründen zugunsten einer allgemeinen und undifferenzierten Korrekturklausel aufzugeben. Wer diese Gefahr für ausschlaggebend für die Ablehnung des "neuen" Rechtfertigungsgrundes hält, übersieht jedoch, daß dieser vornehmlich Fälle ergreifen will, die anders strukturiert sind, als die Anwendungsfälle der herkömmlichen positiv normierten Rechtfertigungsgründe. Aus diesen Strukturunterschieden können sich zwar indirekte Beschränkungen in der Anwendungsbreite ergeben, aber keine solchen gerade auf den Bereich des Ehrenschutzes. Es ist richtig, daß bei Erlaß des Gesetzes die Wahrnehmung der berechtigten Interessen nicht generell als zivilistischer Rechtfertigungsgrund konzipiert war, sondern ihr lediglich partielle Geltung in § 823 II BGB über das StGB und ausdrücklich in § 824 II BGB zukam. Ein derartiger genereller Rechtfertigungsgrund war aber auch nicht vonnöten, solange die wichtigste Norm unseres Deliktrechts, § 823 I BGB, prinzipiell nur "körperliche" Rechtsgüter wie das Eigentum, den menschlichen Körper, dessen Bewegungsfreiheit usw. kannte, die ihrerseits naturgemäß nur "handfesten" körperlichen Angriffen ausgesetzt waren. Gegenüber solch "körperlichen" Angriffszielen im weiteren Sinne erschien es ausreichend, sich auf im Grundsatz - nicht im Einzelfall- ebenso klar umrissene, handfeste körperliche Verteidi62 Wiethölter, Rechtfertigungsgrund, S. 10 f., 56 f.; Nipperdey, NJW 67, 1985, 1992. 63 So Westermann, JZ 60,692 ff.; vgl. auch Erdsiek, JZ 69,311. 64 Vgl. z. B. Nipperdey, Gutachten S. 47, der allerdings über die Sozialadäquanz zu vergleichbaren Ergebnissen kommt; Enneccerus- Lehmann, S. 879; Ballerstedt, JZ 51, 228; kritisch auch Deutsch, Fahrlässigkeit S. 224,

der gerade beim APR und Recht am GB de facto eine Beweislastumkehr fürchtet.

1. Kap.: Allgemeiner Oberblick

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gungs- bzw. sonstige Notstandsakte als Rechtfertigungsgrün de zu beschränken. Darüber hinaus bestand kein Bedürfnis, für nichtkörperliche Verteidigungshandlu ngen zusätzlich Rechtfertigungsgrün de zu schaffen. Mit der endgültigen Anerkennung der Immaterialgüterrech te des Allgemeinen Persönlichkeitsrecht s sowie des Rechts am Unternehmen änderte sich dies jedoch grundlegend. Diese "neuen" Rechte werden vorwiegend durch "unkörperliche" Angriffe gefährdet, gegen die die herkömmlichen "körperlichen" Rechtfertigungsgrün de nichts auszurichten imstande sind. Die Zulässigkeit der Abwerbung eines betriebswichtigen Arbeitnehmers kann z. B. ebensowenig wie Angriffe auf den persönlichen oder geschäftlichen Ruf eines Dritten mit den Prinzipien von Notwehr oder Notstand erklärt und gerechtfertigt werden. Es liegt auf der Hand, daß die "neuen" immateriellen Rechtsgüter auch zur Anerkennung neuer, adäquater Rechtfertigungsmögl ichkeiten von ebenfalls eher immateriellem Charakter beitragen. Hier bietet sich die Theorie von der rechtfertigenden Kraft der "Wahrnehmung berechtigter Interessen" in idealer Weise an, ideal deshalb, weil dieses Prinzip, wie erwähnt, bereits ansatzweise im Gesetz vorgesehen ist und außerdem einerseits genügend Elastizität aufweist, um mit der Weiterentwicklung der sozialen Umwelt Schritt zu halten, andererseits aber durch eine umfangreiche Kasuistik bereits so genügend geklärt und verfestigt ist, daß die Gefahr der Unbestimmtheit und Willkür weitgehend gebannt scheint. Für einen derart elastischen Rechtfertigungsgrun d im Gegensatz zu den herkömmlichen engen und starren Gegenrechten wie Notwehr usw. spricht weiter, daß auch die "neuen" immateriellen Rechtsgüter als Bezugspunkte jedes möglichen Rechtfertigungsgrun des viel weiter sind- wenn auch, soweit es sich um das Recht am Unternehmen handelt, genügend konturiert65 als die herkömmlichen benannten absoluten Rechtsgüter. Die Aufgabe, ein solchermaßen elastischeres Rechtsgut zu schützen, erfordert im Gegenzug auch notwendigerweise die Zuhilfenahme "adäquater", elastischer Rechtfertigungsgrün de. Bedenkt man schließlich noch, daß der Verletzungshandlun g in rein objektiver Hinsicht in Zukunft bereits im objektiven Tatbestand des § 823 I BGB größere Bedeutung zugemessen werden muß als bisher auch dies wird unten66 nachzuweisen sein - mit der Folge, daß die Rechtswidrigkeit nicht schon von dem Verletzungserfolg, sondern erst von einer die Verursachungshandl ung miteinbeziehenden, mithin weiter angelegten Schau des objektiven Tatbestands indiziert werden kann, erweist sich nunmehr die Anerkennung der Wahrnehmung berechtigter Interessen als genereller Rechtfertigungsgrun d unabdingbar notwenVgl. unten 5. Kap. I - III. o& Vgl. unten 6. Kap.

65

III. Die Wahrnehmung berechtigter Interessen

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dig67 : unkörperliche Verletzungshandlungen können nur durch Umstände ebensolchen Charakters gerechtfertigt werden, denn herkömmliche Rechtfertigungsprinzipien bewegen sich auf anderer, auf körperlich-tätlicher Ebene. Vereinfacht formuliert haben die herkömmlichen Rechtfertigungsgründe ihren Platz vor allem bei körperlichen Angriffen auf körperliche Rechtsgüter, während die Aufgabe des immateriellen Rechtfertigungsgrundes der berechtigten Interessen vorzugsweise auf dem Gebiet der unkörperlichen Angriffshandlungen gegen die "neuen" sonstigen immateriellen Rechte des § 823 I BGB liegt. Mit dieser groben Unterscheidung sollen allerdings Überschneidungen nicht ausgeschlossen werden: unkörperliche "Angriffe" auf körperliche Rechtsgüter, z. B. körperlicher Kollaps eines Menschen aufgrund bloßer Drohungen Dritter, sind ebenso denkbar wie körperliche Angriffe auf ein Immaterialgüterrechtsgut, z. B. die Stillegung eines Gewerbebetriebes durch Stromunterbrechung. Die Anwendungsbereiche der verschiedenen Rechtfertigungsgründe werden hier unter Umständen fließend. Da sich die vorliegende Arbeit vorwiegend mit der Tatbestandsebene des § 823 I BGB zu befassen hat, ist hier kein Raum für eine ausführlichere Darlegung der Bedingungen und Grenzen des Rechtfertigungsgrundes der berechtigten lnteressenwahrnehmung. In der gebotenen Kürze sei nur folgendes angemerkt: Es muß ein rechtlich gebilligtes Interesse vorliegen, zu dessen Wahrnehmung der Handelnde selbst berechtigt ist68 • Speziell für Interessenverbände ist es von Wichtigkeit, daß auch das Interesse von Dritten genügt, wenn die Dritten dem Handelnden nahestehen69 ; der Handelnde muß zum Zweck der Interessendurchsetzung tätig werden, also nicht dem anderen primär schaden oder ihn kränken wollen; jedoch schadet die Verfolgung persönlicher Nebenziele nicht. Weiter muß geprüft werden, welches der einander widerstreitenden Interessen oder Güter generell schutzwürdiger ist7°, ob die Schwere des Angriffs vertretbar und wie hoch der individuelle bzw. relative Schutzwert des angegriffenen Gutes ist. Wer z. B. vorher den- unrichtigen - Anschein der Unlauterkeit 67 Mit anderen Begründungen bejahend: Wei tnauer, DB 59, 1187 ff.; NJW 62, 1190 f.; AcP 170, 448; Katzenberger, a. a. 0 ., S. 173 f.; Lehmann in Festschrift für Hedemann S. 188; zweifelnd dagegen wegen angeblicher Beweislastumkehr Deutsch, FahrlässigkeitS. 224; ähnlich auch Schrauder, S. 165, der

allerdings das Prinzip der Interessenwahrnehmung und die Sozialadäquanzlehre für weitgehend synonym hält. 68 BVerfG 7, 198 (Lüth); 12, 113 ~Schmid/Spiegel); BGH 3, 270 (Constanze I); 29, 65 (Kabelbruch I); 45, 296 (Höllenfeuer) u. v. a. m. so BGH 3, 272 ff.; OLG Stgt., NJW 55, 389. 10 BGH 31, 308; allerdings meint Fikentscher, Festschrift für Kronstein, S. 299, daß den juristischen Betrachter nahezu alle Maßstäbe verließen, wenn es außerwirtschaftliche Werte mit dem Wert des Rechts am Gewerbebetrieb zu vergleichen gelte. Diese Bedenken können nicht geteilt werden.

1. Kap.: Allgemeiner Ober.blick

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selbst erweckt hat, muß sich nachher auch scharfe Angriffe gefallen lassen71. Scharfe Angriffe können aber auch gerechtfertigt sein, wenn sich jemand besonders positiver Eigenschaften oder Verhaltsweisen berühmt und er bei der Überprüfung erhebliche Abstriche hinnehmen muß. Als Beispiel mag der Fall des bayerischen Verlegers Kapfinger dienen, der gern als Moralist auftrat und dadurch die Überprüfung und öffentliche Darlegung seines tatsächlichen privaten und geschäftlichen Verhaltens provozierte. Nicht unbedingt notwendig ist, daß der Angreifer objektiv immer im Recht ist, daß z. B. der beeinträchtigende Zeitungsartikel von den richtigen Voraussetzungen ausgeht oder daß der vermeintliche Anspruch des Schutzrechtsverwarners tatsächlich existiert. Allerdings ist in diesen Fällen zumindest zu verlangen, daß der Verletzer alle verfügbaren Informationsquellen, soweit zumutbar, ausgeschöpft hat; anderenfalls muß die Rechtfertigung wegen seines leichtfertigen Verhaltens scheitern72 • Bei der Schwere des Angriffs ist einmal zu beachten, daß das Mittel notwendig sein muß zur Erreichung des rechtlich gebilligten Zwecks; also z. B. keine Bloßstellung, die nicht erforderlich ist73, oder keine öffentliche Kundgabe, wenn ein privates Gespräch genügt. Es kann aber notwendig sein, gegen ein Filmtheater für die Zeit eines bestimmten Films eine weltanschaulich motivierte Boykottaufforderung zu richten74 • Weiterhin muß das Mittel- und zwar ganz besonders bei Presseangriffen wegen deren oft tiefgreifender und nachhaltiger Wirkung75- sachlich sein. Sachlich ist z. B. auch die Kritik einer kirchlichen Organisation an einer Zeitung, wenn die Kritik weder ehrenkränkend ist noch von falschen Voraussetzungen ausgeht noch persönliche wettbewerbliehe Ziele verfolgt, und wenn sie nur einem begrenzten Kreis von Interessenten zugänglich ist76 • Endlich muß das Mittel i. d. Regel möglichst schonend sein; bloße Angemessenheit genügt meist nicht77• Dies bedeutet jedoch nicht, daß man auf Schärfe verzichten muß, wenn nur ein scharfes Mittel den gewünschten Erfolg bringen kann. Deshalb akzeptierte das Bundesverfassungsgericht im Fall Schmid/SpiegeF8 die scharfe Reaktion eines hohen Richters, der in einem Artikel einer vielgelesenen Zeitschrift kommunistischer Sympathien beschuldigt worden war; eine schwächere Reaktion hätte nicht ausgereicht, den Eindruck dieses Artikels zu korri71 72

1a 74

75 76

77 78

BGH GRUR 57, 360 (Erdstrahlen).

Schänke - Schröder, § 193 A 11.

BGH 8, 142 (schwarze Listen). OLG Düsseldorf, WuW 53, 232. BGH 3, 280. OLG Hamburg, GRUR 60, 147 (Stern). BGH 3, 281. BVerfG 12, 113 und NJW 61, 819.

IV. Konkurrenz und Verjährung

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gieren. Auch der Bundesgerichtshof ließ im Höllenfeuerurteil79 schwere Angriffe zu: "Wenn Fragen ganz allgemeiner Bedeutung vorgetragen werden, können sie, auch wenn sie geeignet sind, Personen zu verletzen, temperamentvoller vertreten werden als sonst, wenn es sich um eng lokalisierte Individualinteressen handelt." Das Angriffsziel entscheidet also über die zulässige Form des Mittels. Zu beachten ist noch, daß Druckausübung auf völlig unbeteiligte Dritte- man denke an den politischen Streik- regelmäßig nicht mehr als Wahrnehmung berechtigter Interessen angesehen werden kann80 • 81 •

IV. Konkurrenz82 und Verjährung 1. Häufig fallen Sachverhalte sowohl in den Bereich des § 823 I BGB

als auch in den anderer, vor allem der UWG-Normen83 • Die hierbei auftauchende Frage nach der Konkurrenz wurde bisher weitgehend im Sinne von Anspruchskonkurren z entschieden84 • Nur soweit Sandertatbestände in Frage kamen, soll Gesetzeskonkurrenz bestehen, so daß in diesen Fällen nur die Sondernorm, z. B. § 16 UWG, zur Entscheidung heranzuziehen ist. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof85 die Frage der Zulässigkeit täuschend ähnlicher Telefonnummern zweier konkurrierender Taxiunternehmen nur aus § 16 UWG beantwortet. Im übrigen hat die Rechtsprechung jedoch beide Anspruchsgrundlage n weitgehend nebeneinander zugelassen86 • Neuerdings verstärkt sich in der Literatur wieder die Tendenz, möglichst weitgehend Gesetzeskonkurrenz zugunsten der UWG-Normen anzunehmen 87 sowie § 824 BGB den Vorzug vor dem Recht am Unternehmen zu geben87". 2. Aus diesem Nebeneinander ergeben sich in dem Augenblick Verjährungsprobleme, in welchem ein Handeln zu "Zwecken des Wettbewerbs" erfolgt, was regelmäßig auch dann schon anzunehmen ist, wenn zwar nicht der eigene, wohl aber der Absatz eines fremden Betriebes geför79

BGH 45, 296.

So schon RG 76, 35. 81 Vgl. zum ganzen Baumbach - Hefermehl, Allg. Ein!. A 130 ff. 82 Die Konkurrenzfrage hat kürzlich Katzenberger, S. 132 ff. ausführlich behandelt, weshalb auf diese Darlegungen hier verwiesen werden darf. 83 RG JW 36, 936. 84 Vgl. z. B. Hefermehl, Festschrift für Nipperdey, 1955, S. 288 f.; a. A. jüngst 80

Katzenberger, S. 144 ff. 85 BGH 8, 387. 86 RG GRUR 42,364 u. v. a. m. 87 Vgl. z. B. Baumbach - Hefermehl, Allg. Ein!. A 125. 87 " BGH NJW 66, 2010 (Teppichkehrmaschine); 72, 1658.

26

1. Kap. : Allgemeiner Überblick

dert werden soll88 • § 21 UWG sieht nur eine 6monatige Frist, § 852 BGB dagegen eine 3jährige Frist vor. Reichsgericht und Bundesgerichtshof89 ließen verschiedene Male die beiden Ansprüche nach ihren jeweiligen Verjährungsbestimmungen verjähren, so daß nach 6 Monaten nur der UWG-Anspruch keine Erfolgsaussicht mehr hatte. Andere Entscheidungen wendeten nur § 852 BGB an, was aber praktisch zu dem gleichen Ergebnis führte. Dem schlossen sich Reimer und die damals h. L. 00 an. Baumbach, in der Folge auch HefermehL91 , wollen im Gegensatz hierzu jedoch nur § 21 UWG anwenden, weil es sich hierbei um einen Spezialtatbestand handle92 • Auch SchippeL93 bejaht die Exklusivität des § 21 UWG, weil Wettbewerbsstreitigkeiten möglichst schnell aus der Welt geschafft werden sollten. Dem ist zuzustimmen. Schon Reimer gibt zu, daß durch die alleinige Anwendung von § 852 BGB der § 21 UWG weitgehend wertlos würde, und verlangt deshalb eine Anpassung des § 21 UWG an§ 852 BGB. Dies erscheint aber nicht zweckmäßig. Sinn des § 21 UWG kann nur sein, den betroffenen Unternehmer zu schnellen Reaktionen auf Verletzungen zu veranlassen, um den Wettbewerb flüssig zu halten. Diese Zielsetzung hebt § 852 BGB praktisch auf. Schließlich ist noch zu beachten, daß das UWG erst 1909 in Kraft trat, also zu einer Zeit, in der das Recht am Gewerbebetrieb schon längst praktiziert wurde. Hätte der - was ihm wohl unterstellt werden kann- ganzheitlich denkende Gesetzgeber noch 1909 dem § 852 BGB auf jeden Fall Vorrang geben wollen, wäre § 21 UWG damals sicherlich anders konzipiert worden. Geht man davon aus, daß sich der Gesetzgeber möglicher Überschneidungen bewußt war, kann aus der Regelung des § 21 UWG nur der Schluß gezogen werden, daß § 852 BGB aus Rücksicht auf die besonderen Bedingungen des Wettbewerbs eingeschränkt werden sollte. Für außerwettbewerbliehe Schädigungen des Rechts am Gewerbebetrieb jedoch war und ist die Normalfrist des § 852 BGB berechtigt, denn hier besteht nicht das oben als maßgeblich benannte Interesse, den Wettbewerb flüssig zu halten.

BGH NJW 64, 29. RG GRUR 42, 364; 36, 994; 39, 557; BGH GRUR 59, 31, 34. 9o Reimer, Komm. Kap. 115. 91 Baumbach - Hefermehl, § 21 UWG, A 4 ff. 92 Sprengler, GRUR 50, 546 f ., wendet ein, den meisten Normen des UWG sei keine Spezialität eigen. - Letzteres ist zwar richtig, trifft aber aus den oben genannten Gründen gerade nicht den§ 21 UWG. oa Schippel, S. 85. 88 89

2. Kapitel

Die Korrektur des Rechts I. Korrekturbedür ftigkeit Wir haben im 1. Kapitel die Entwicklung verfolgt, die das Recht am Unternehmen seit Anfang des 20. Jahrhunderts genommen hat. Diese Entwicklung war und ist bis heute geprägt von einem tiefgehenden Unbehagen, welches immer einmal wieder durch die eine oder andere Argumentationsweis e von Rechtsprechung und Literatur hindurchleuchte t, zum Teil sogar offen zutage liegt. Es geht im wesentlichen um folgendes: Schon vor Inkrafttreten des BGB war eine wissenschaftlich e Diskussion im Gange, ob und inwieweit der Gewerbebetrieb , dessen erhebliche soziale und wirtschaftliche Bedeutung- aber auch seine Verletzbarkei t- den an der Kodifikation beteiligten Persönlichkeite n jedoch bedauerlicherw eise noch nicht in genügendem Umfang bewußt war, schutzfähig sein könnte. Schließlich wurde das Problem zurückgestellt, d. h. in der Kodifikation nicht berücksichtigt und somit an Rechtsprechung und Literatur abgegeben. Die Rechtsprechung , die sich schon vor 19001 vereinzelt gezwungen gesehen hatte, über Verletzungen von Unternehmen zu befinden, sah sich ohne jegliche gesetzgeberisch e Direktive vor die Aufgabe gestellt, in relativ kurzer Zeit innerhalb der Institute des Bürgerlichen Gesetzbuchs dogmatisch wie praktisch einigermaßen brauchbare Anhaltspunkte zu finden, um die nun in rascher Folge zur Entscheidung kommenden Fälle sachgerecht zu lösen. Da Schutzgesetze fehlten und es auch nicht befriedigend erschien, derartige Schadensfälle in das "Prokrustesbett der Sittenwidrigkei t" des § 826 BGB2 zu pressen, bot sich als dogmatischer Ansatzpunkt lediglich noch § 823 I BGB an, obwohl dieser nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers keine reinen Vermögensschä den erfassen konnte. Das Unternehmen, ein Konglomerat von Sachen und Unwägbarkeite n wie good will, Kundenstamm, Absatzchancen usw., schien sich aber, da Anfang des Jahrhunderts die Struktur der Immaterialgüte rrechte noch unzureichend Vgl. 1. Kap. I. Vgl. Baumbach- Hefermehl, Allg. Ein!. A 113 (im Hinblick auf die Sittenwidrigkeit nach§ 1 UWG). 1 2

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2. Kap.: Die Korrektur des Rechts

bekannt war, lediglich dem allgemeinen Vermögensbegriff unterordnen zulassen. Andererseits verkannte man nicht, daß ein Unternehmen für seinen Inhaber Eigentumsfunktion hat. Dementsprechend lehnte sich das Reichsgericht schließlich an die eigentumsähnlichen Bestandteile des Unternehmens an und schützte wenigstens den "Bestand" des Betriebs. Das späte Reichsgericht und der Bundesgerichtshof sind hiervon zwar abgekommen. Aber auch sie fürchteten, daß ein dem Eigentumsschutz ähnlicher Totalschutz des Unternehmens die Grenzen des § 823 I BGB sprengen würde; sie suchten und fanden neue Einschränkungen. Die neuen Schranken, die nunmehr unter der vom älteren Reichsgericht übernommenen, aber inhaltlich veränderten Bezeichnung "Unmittelbarkeit" aufgestellt wurden, und die zum Teil zwar sachlich, jedoch nicht dogmatisch, gerechtfertigt waren, werden im übernächsten Kapitel ausführlich besprochen. Hier sei jedoch festgehalten, daß die neuere Rechtsprechung gegen die Schutzfähigkeit des Gewerbebetriebs in verschiedenen Punkten, auf die weiter unten noch einzugehen sein wird, durchaus zu Recht Bedenken angemeldet hat. Wenn auch die Rechtsprechung zum Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dogmatisch oftmals bedenklich erscheint, so ist ihr doch zu konzedieren, daß sie sich meist "des rechten Weges wohl bewußt" war, soweit es sich um ihre Ergebnisse handelt. Die meisten - nicht alle - Entscheidungen der Rechtsprechung finden deshalb auch von den im folgenden zu entwickelnden Ansichten her ihre Bestätigung. Die Summe sachgerechter Ergebnisse trotz bedenklicher Konstruktion verdient Bewunderung. Im folgenden werde ich einige Fallgruppen darstellen, die vor allem dazu Anlaß gegeben haben, das "Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb" einer dogmatischen Überprüfung und neuen Grundlegung zu unterziehen.

II. Die kritischen Fälle

1. Verletzungen im Bereich des Wettbewerbs Zu den Fällen, die deutlich machen können, daß das Recht am Unternehmen erhebliche Schwierigkeiten aufwirft, gehören in erster Linie die Wettbewerbshandlung en. Gerade an dieser Fallgruppe hat sich allenthalben der Widerspruch gegen die Anerkennung des Unternehmens als gendes Verhalten begrifflich keine Rechtsverletzung i. S. des§ 823 I BGB vorgetragen, daß ein sich in den Grenzen erlaubten Wettbewerbs bewesein könne. Vorwiegend deshalb lehnen viele Autoren ein absolutes Recht absolutes Recht immer wieder am heftigsten entzündet. Zu Recht wird am Unternehmen ab. Dieser Schluß ist jedoch ungerechtfertigt, wie sich

II. Die kritischen Fälle

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weiter unten zeigen wird. Denn bei richtiger Rechtsgutsbestimmung fallen alle Fälle, in denen bloße Absatzförderungsmaßnahmen Dritter die Interessen des betroffenen Mitbewerbers berühren, aus dem absolut geschützten Rechtsbereich heraus3 • 2. Stromkabelfälle Die zweite kritische Gruppe bilden die Fälle, in denen der Schädiger eine im Eigentum eines Dritten stehende Sache beschädigt hat, deren Ausfall in der Folge zum zeitweiligen Stillstand des Betriebes führt. Hierher gehören vor allem die Stromkabelfälle4 • Im Fall BGH 29, 65 hatte der Baggerführer eines Tiefbauunternehmens bei Aushubarbeiten auf einem anscheinend entfernteren Nachbargrundstück der Klägerin ein Stromkabel, das den Betrieb der Klägerin versorgte, ihr aber nicht gehörte, fahrlässig beschädigt. Der Betrieb der Klägerin stand daraufhin einen Tag lang still. Im Kükenfall5 gingen aufgrundähnlicher Vorkommnisse während des Stromausfalls mehrere tausend Küken im Brutofen ein. Der Bundesgerichtshof gewährte nur im zweiten Fall Schadenersatz, weil zusätzlich zu der Betriebsstillegung das Eigentum an den Küken verletzt worden war, während er im ersten Falllediglich den Stromlieferungsanspruch des Unternehmens gegen das Elektrizitätswerk, somit nur einen Bestandteil des allgemeinen Vermögens, als beschädigt ansah6 • Die Entscheidung beruhte im Kern, wenn sie sich auch vorwiegend mit dem Unmittelbarkeitserfordernis beschäftigte, auf der Erwägung, daß "eine übermäßige Ausweitung des Schutzes des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, die dem deutschen Rechtssystem mit seinen in kasuistischer Art geregelten s Vgl. unten 5. Kap. 111. BGH 29, 65; OLG Mü BB 64, 661 (Baustellenkabel); BGH NJW 56, 1720 (Freileitung); BGH 41, 123 (Küken); LG Wuppertal NJW 65, 304 (Ausfall von Lacktrockenöfen); BGH NJW 68, 1279 (Schutzgesetz); BGH VersR 69, 542 (Schutzgesetz); Bay ObiG NJW 67, 354; 72, 1085 (Schutzgesetz); LG Karlsruhe VersR 72, 1060 (Wasserzufuhr); BVerwG MDR 71, 163 (Wasserzufuhr). s BGH 41, 123. 6 Eine frappierende Parallele finden die genannten Entscheidungen im nordamerikanischen Recht. Im Champignon-Fall (Newlin v. New England Telephone and Telegraph Co. (1944) 54 N. E. 2nd 929, 316 Mass. 234) verdarb - wie im Fall BGH 41, 123 die Küken - eine Champignon-Zucht durch Kabelbeschädigung. Das Gericht gab der Klage mit der Erwägung statt, daß die Möglichkeit, einem bestimmten Personenkreis (den Stromabnehmern) Schaden zuzufügen, stets die Verpflichtung schaffe, sich so zu verhalten, daß kein Schaden eintrete. Im wesentlich älteren Fall Byrd v. English (1903) 117 Ga 191, 43, S. E. 419, in dem es um die Stillegung eines Druckereibetriebs durch Kabelverletzung ging, wurde die Haftung abgelehnt. Glückert, AcP 166, 314 merkt deshalb an, daß die Gerichte beider Länder einen ähnlichen Modiftzierungsprozeß durchgemacht haben. 4

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2. Kap.: Die Korrektur des Rechts

Deliktstatbeständen zuwiderlaufen würde", vermieden werden müsse. Die weiteren dogmatischen Begründungen interessieren an dieser Stelle nicht. Jedenfalls billigt das Rechtsgefühl wohl in diesem Falle die abschlägige Entscheidung, wohingegen sich sofort Bedenken anmelden, wenn man den Fall um ein geringes umbildet: wäre die Klageabweisung auch noch zu begrüßen, wenn das dem Kläger nicht gehörende Stromkabel auf seinem Grundstück oder in unmittelbarer Nähe desselben, nicht aber auf einem weiter entfernten anderen Grundstück beschädigt worden wäre, wenn also die tatsächliche Beziehung zwischen Betrieb und Kabel schon erheblich enger gewesen wäre 7 ? Läge dann nicht einer jener "besonderen Fälle" 8 vor, in denen der Bundesgerichtshof anders zu entscheiden geneigt wäre? Jedenfalls hat das Oberlandesgericht München9 in einem derartigen Fall, in dem sich das beschädigte Kabel auf der Baustelle der Klägerin selbst befand und nur ihre Maschinen versorgte, die Ansicht vertreten, dies seien solche besonderen Umstände und der Klage sei deshalb stattzugeben, ohne daß insoweit auf Eigentum oder Besitz am Kabel abgehoben worden wäre. Zutreffend hat Glückert 10 angemerkt, daß es jedenfalls nicht ganz unproblematisch sei, die betroffenen Stromabnehmer in jedem Fall auf ihrem Schaden sitzen zu lassen. Dies vor allem deshalb, weil nicht jeder Gewerbetreibende das Glück habe, Küken oder Champignons zu züchten, deren Beeinträchtigung durch Stromausfall im Gegensatz zu anderen Produkten wie z. B. Stahl oder Kunststoff echte Eigentumsschäden verursache. Auf ähnlicher Ebene wie BGH 29, 65 liegt der Gasdruckfall des Reichsgerichts11. Infolge von Ungleichmäßigkeiten des Gasdrucks lag der klägerischeBetrieb teilweise still. Es wurden dadurch jedoch keine Maschinen oder Halbfertigprodukte beschädigt, sondern eben "nur" der gesamte Betrieb stillgelegt. Konsequent - aber wirtschaftlich uneinsichtig wurde die Anspruchsgrundlage § 823 I BGB abgelehnt. Schließlich gehört in diesen Zusammenhang auch noch der Mühlenfall12, wenn es sich hierbei auch nicht um Stromkabelbeschädigungen handelte. Der Bruch eines Staudamms bewirkte die Schwächung der Wasserkraft und damit die zeitweilige Stillegung einer Mühle. Das RG wies Schadensersatzansprüche wegen Verletzung des Gewerbebetriebs 7 Vgl. hierzu unten 7. Kap. III 3; allerdings sind die Angaben zur räumlichen Entfernung zwischen dem Verletzungsort und dem Gewerbebetrieb im vom BGH mitgeteilten Sachverhalt dürftig. 8 BGH29, 75. 9 OLG München, BB 64, 661. 1o AcP 162, 311 ff. u nG 117,315 ff. 12 RG, DR 40, 723.

Il. Die kritischen Fälle

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des Müllers auf der Grundlage seiner alten Bestandsrechtsprechung zurück. Es hob hierbei nur auf die Ertragsminderung des Betriebs ab, ohne zu beachten, daß der Betrieb als solcher lahmgelegt worden war.

3. Arbeitnehmerverletzungen Als weitere wesentliche Gruppe, die nach einer Korrektur des § 823 I BGB zu verlangen scheint, sind die Fälle der Verletzung von Arbeitnehmern mit der Folge des Ausfalls ihrer Arbeitskraft für den Betrieb zu nennen13• Fälle dieser Art sind seltener zur Entscheidung gelangt, wohl wegen des größeren Prozeßrisikos. Im siebten Band14 hatte der Bundesgerichtshof Gelegenheit, Stellung zu nehmen. Zwei Wachpolizisten waren infolge ungenügender baulicher Sicherung des zu kontrollierenden Betriebes gestürzt und mehrere Wochen lang arbeitsunfähig. Der Bundesgerichtshof wies - im Ergebnis zu Recht - ab. Es handle sich nicht um einen Eingriff in ein geschütztes absolutes Recht. Hergeleitet wurde diese Rechtsauffassung im Ende aber wiederum aus dem Unbehagen, durch zu weite Öffnung des Deliktsrechts den § 823 I BGB möglicherweise in eine Generalklausel umzumünzen: Die Ansicht, daß § 823 I BGB erfüllt ist, "läuft auf eine Umgestaltung der gesetzlichen Haftungsgrundlagen des Rechts der unerlaubten Handlung anstelle des vom Gesetzgeber angenommenen Systems der spezialisierten Haftungstatbestände hinaus . . . . Damit wären die Grundlagen unseres deliktischen Schadensersatzrechts verlassen und eine umstürzende Entwicklung gegen das Gesetz ohne zwingende Gründe eingeleitet, zu welcher richterliche Rechtschöpfung nicht berufen ist" 15 • Hiergegen war Dersch 16 , der im geschilderten Fall eine rechtsgutachtliche Stellungnahme abgab, der Meinung, daß die Rechtsprechung im Deliktrecht rechtsschöpferisch eine wesentliche Weiterentwicklung gerade im Hinblick auf das Arbeitsrecht vollzogen habe und daß es nach diesen Entwicklungsanfängen kaum noch schwerfallen werde, aber auch unvermeidbar sei, in dem hier in Frage stehenden Zusammenhang den Eingriff in den Betrieb, wozu ohne weiteres auch jede Verwaltung rechne, als Eingriff in einen absoluten Rechtskreis im Sinne des§ 823 I BGB anzusehen17 • Diese Meinung Derschs kann m. E. jedoch ebensowenig überzeugen wie die von BGH 7, 30, 36; jede Verwaltungsbeeinträchtigung als VerIa 14 15 16 17

BGH 7, 30 ff.; OLG Celle, BB 60,117. BGH 7, 30 ff. ; OLG Celle, BB 60, 117. BGH7,36. Dersch, BB 52, 891.

Zur Regelung im französischen und schweizerischen Recht vgl. unten

S. 127 Anm. 53.

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2. Kap.: Die Korrektur des Rechts

letzung eines absoluten Rechts anzusehen, geht sicherlich zu weit, wenn man die mannigfachen Fallgestaltungsmöglichkeiten bedenkt. Kann es nicht - z. B. schon im Rahmen der Anspruchsbegründung, nicht erst beim Schadensumfang- erhebliche Unterschiede ausmachen, ob ein betriebswichtiger Arbeitnehmer oder nur eine leicht ersetzbare bzw. verzichtbare Arbeitskraft ausfällt? Weiter, ob sich die Verletzungen der fraglichen Personen im Straßenverkehr oder aber auf dem Betriebsgelände18, ob sie sich unbewußt fahrlässig oder in der Absicht, den Betrieb um einen wichtigen Mitarbeiter zu bringen, ereignen.

4. Ausstellung unrichtiger Zeugnisse und Abwerbung von Arbeitnehmern Verwandt mit der Beeinträchtigung von Unternehmen durch Arbeitnehmerverletzungen sind die Fälle unrichtiger, d . h. zu positiver Zeugnisausstellung - der neue Arbeitgeber vertraut auf die Richtigkeit des Zeugnisses und stellt den Arbeitnehmer auf einen zu qualifizierten Posten, den dieser unzulänglich ausfüllt, weshalb entweder Vermögensschäden eintreten oder sogar der Betriebsablauf gehemmt wird - sowie die Abwerbung betriebswichtiger Arbeitskräfte durch die Konkurrenz. Bezüglich der erstgenannten Gruppe bemerkt v. Caemmerer im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zwar, die Unmittelbarkeit im Sinne der Betriebsbezogenheit könne nur schwerlich verneint werden19, glaubt aber dennoch in Übereinstimmung mit der h. L.20, man könne hier nur mit§ 826 BGB Abhilfe schaffen. NeumannDuesberg21 bejaht einen Eingriff in den Gewerbebetrieb, allerdings aufgrund des unrichtigen Ausgangspunktes, § 823 I BGB schütze jetzt ohne weitere Voraussetzungen "das Recht auf ungeschmälerten Gewinn" 22. In der zweiten Gruppe ist m. E. wieder zu fragen, ob es nicht wesentlich sein könnte, um welche Art Arbeitnehmer es sich jeweils handelt, welche Berufsqualifikation er hat und vor allem, ob nur Vermögensschäden die Folge sind oder aber ob der Betriebsablauf in Mitleidenschaft gezogen wird. 18 Wobei es wiederum auf die Bedeutung des einzelnen Ortes im Betrieb ankommen kann. 19 v . Caemmerer, DJT-Festschrift 96 f. 20 So z. B. Hueck- Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts I, 1959, S. 425, 430; Nikisch, Lehrbuch des Arbeitsrechts I, 1955, S. 704; vgl. auch v. Caemmerer, DJT-Festschrüt, S. 96 A 214. 21 Anmerkung zu OLG Hamburg, NJW 56, 348 f. 22 Diese Auffassung gerade bei Neumann-Duesberg befremdet, da er noch in SJZ 50, 483 den § 823 I BGB lediglich den sog. totalen Herrschaftsrechten wie dem Eigentum vorbehalten wollte und jede "Aufweichung" strikt ablehnte.

li. Die kritischen Fälle

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Die Ansicht, daß die Abwerbung wichtiger Arbeitnehmer einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellen könne, hat schon 1914 Schulz-Schäffer23 vertreten: "Es ist aber (vom Fall der Verleitung zum Vertragsbruch abgesehen) auch der Fall denkbar, daß sich dem A, der sich infolge des plötzlichen Abganges des Werkmeisters in Verlegenheit befindet, jener ihm unbekannte Werkmeister des B anbietet, und A engagiert ihn, ohne sich um seine derzeitigen Verhältnisse zu bekümmern, obwohl die Umstände gegen die Annahme sprechen, daß der Werkmeister z. Z. stellungslos ist. Hier führt nur das absolute Recht des B an seinem Gewerbebetrieb, welches für A auch die Sorgfaltspflicht involviert, in dessen Funktion nicht fahrlässig störend einzugreifen, zu einem Schadensersatzanspruch gegen A." 5. Unberechtigte Verfahrenseinleitungen

Schließlich ist noch eine weitere Fallgruppe erwähnenswert, die Anlaß zu einer jüngst erschienenen Monographie24 gegeben und auch früher schon Einlaß in v. Caemmerers Ausführungen in der Festschrift zum Hundertjährigen Jubiläum des Deutschen Juristentages 25 gefunden hat. Angesprochen sind die Fälle unberechtigter Klageerhebung und unberechtigter Einleitung eines staatlichen Verfahrens; richtigerweise lösen sie sich durch Heranziehung des Rechtfertigungsgrunds der Wahrnehmung berechtigter Interessen. Da der Bundesgerichtshof jedoch teilweise, z. B. im RückerstattungsfalP 8, aufgrundangeblich fehlender "Unmittelbarkeit" abgewiesen hat, ist auf diese Fallgruppe im vorliegenden Zusammenhang näher einzugehen. Die Rechtsprechung hat hier nur zurückhaltend Schadensersatz gewährt, genauer gesagt nur in Fällen, in denen der Klage eine ebenso unberechtigte außergerichtliche Schutzrechtsverwarnung vorausgegangen war27 • In dieser Unterfallgruppe war die Rechtsprechung schon deshalb festgelegt, weil sie regelmäßig gegenüber der ungerechtfertigten außergerichtlichen Schutzrechtsverwarnung Schadensersatzansprüche zuerkannt hatte 28 • Dies waren gerade die Fälle, 23 Schulz-Schä:(fer, Das subjektive Recht im Gebiet der unerlaubten Handlung, S. 223. 24 Hopt, Haftung aus unberechtigter Verfahrenseinleitung. 25 v. Caemmerer, DJT-Festschrift S. 97 f. 26 BGH LM Nr. 4 zu § 823 (Da) = Geltendmachung eines unberechtigten Rückerstattungsanspruchs mit der Folge, daß Vermögensverwaltung gern. MilRegG angeordnet wurde. 27 Vgl. BGH 38, 200. Diese Beschränkung wurde von Hopt, S. 241 kritisiert. 28 Allerdings ist die Rechtsprechung nicht einheitlich. RG GRUR 39, 787 ff. z. B. sah über eine leichte Fahrlässigkeit offensichtlich hinweg, während RG GRUR 42, 54 die Konsequenz der bisherigen Rechtsprechung durch Anwendung des § 254 BGB abzumildern versuchte. BGH 13, 210, 216 läßt die Wahrnehmung berechtigter Interessen zu. Sind diese Entscheidungen noch ohne

3 Preusche

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2. Kap.: Die Korrektur des Rechts

die in erster Linie dazu Anlaß gegeben hatten, das Recht am Gewerbebetrieb zu entwickeln29 • Der Schaden war hier in der Regel dadurch entstanden, daß der verwarnte Unternehmer aus Furcht vor dem Unterliegen in einem etwa nachfolgenden Prozeß vorsorglich und "freiwillig" seine Produktion einstellte. Im Falle des Unterliegens hätte er, wie der BGH30 ausführt, nicht nur den normalen entgangenen Gewinn, sondern -"via" Schadensersatz- auch solchen Gewinn "herausgeben" müssen, den er in seinem Betrieb möglicherweise niemals hätte erzielen können. Die Folge wäre in vielen Fällen der Ruin. Möglicherweise hat der Bundesgerichtshof auch mitberücksichtigt, daß der beklagte Unternehmer, aus Furcht vor dem evtl. Unterliegen in einer Instanz, die für diesen Fall drohende vorläufige Vollstreckung mit der "freiwilligen" Betriebseinstellung im Grunde vorwegnahm. Da dem vorläufig Unterlegenen bei endgültigem Obsiegen jedoch aus einer vorläufigen Vollstreckung Schadensersatzanspr üche erwachsen, scheint es berechtigt, ihm auch bei "freiwilliger" Betriebsstillegung solche Ansprüche zuzuerkennen. Andeutungsweise finden sich diese Überlegungen auch in Bemerkungen von v. Caemmerer und Nipperdey wieder 31 • Im übrigen lehnte der Bundesgerichtshof Schadensersatz wegen unberechtigter Klagen und sonstiger unberechtigter staatlicher Verfahrenseinleitung bis zur Grenze des § 826 BGB mit der Begründung ab, wer sich eines staatlichen gesetzlichen Verfahrens bediene, brauche die Voraussetzungen und Erfolgsaussichten nicht sorgfältig zu prüfen32 • Dies gelte sowohl bei fahrlässig gestelltem Konkursantrag als auch dann, wenn ein unberechtigter Rückerstattungsanspruch in der Folge dazu führe, daß der Betrieb unter Vermögensverwaltung nach MilRegG 52 gestellt werde 33 • Dieser Argumentation folgt uneingeschränkt v. Caemmerer 3\ während Hopt35 ergänzt, weiteres vertretbar, so befremdet jedoch BGH 2, 387, 393 um so mehr: obwohl der Verwarner vorher das Gutachten eines Patentanwaltes, also eines ausgesprochenen Fachmanns, eingeholt hatte, hielt das Gericht sein Vorgehen dennoch für fahrlässig - a. A. noch RG MuW 30, 441 ff., sowie später BGH 17,266,295 f. 29 Das erste RG-Urteil erging 1888; vgl. RG 22, 93 (Warenzeichen), RG 58, 24 (Gebrauchsmuster), RG 94, 248 (Gebrauchsmuster) u. a. m. 30 BGH 38, 300. 31 v. Caemmerer, S. 98; Enneccerus- Nipperdey, § 218 II. 32 BGH 36, 18; hiergegen Baur, JZ 62, 95 f., der darauf hinweist, daß eine Klage i. d. R. den Beklagten auch zu einem dem Kläger günstigeren vorläufigen außerprozessualen Verhalten bewegen solle; vgl. auch Weitnauer, DB 62, 461 ff. 33 BGH LM Nr. 4 zu § 823 BGB (Da). Die Entscheidung wurde hauptsächlich auf fehlende Unmittelbarkeit gegründet. Zustimmend Hopt, S. 237, ablehnend v. Caemmerer, DJT-Festschrift S. 98 ("leuchtet nicht ein"). 3 4 v. Caemmerer, DJT-Festschrift S. 98. 35 Hopt, S. 239.

li. Die kritischen Fälle

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die Aufgabe des Schutzes der Interessen des Beklagteu/Antragsgegners müsse zwangsläufig deshalb auf den Staat übergehen und der Kläger/ Antragsteller hiervon entlastet werden, weil diesem jegliche Selbsthilfe verboten sei. Das staatliche Verfahren sehe im Zulassungs- und Prüfungsverfahren z. B. des § 105 KO den entsprechenden Schutz auch vor. Hiergegen gebe ich jedoch zu bedenken, daß sich die Stellung eines Konkursantrags schnell herumspricht und somit eine erhebliche Schadensquelle für den Antragsgegner eröffnet wird. Gerade unter Berücksichtigung dieses Umstandes mutet der Versuch des Bundesgerichtshofs, die harte Konsequenz seiner Ansicht durch die Einschränkung abzumildern, zwar nicht die Stellung des Konkursantrags, aber seine Mitteilung an Dritte könne schadensersatzpflichtig machen, seltsam an. Die maßgeblichen Dritten, also Banken und Kaufleute, benötigen keine solche private Mitteilung, da sie auf die Stellung von Konkursanträgen und ähnlichem peinliehst achten. Die geschilderten Fallgruppen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vom Dogmatischen her gehören unter die kritischen Fälle z. B. auch die sog. Taxifälle96, bei denen ein mangelhaftes Auto, als Taxi eingesetzt, einen Unfall verursachte, und der Betrieb als Folge der gegen ihn gerichteten Schadensersatzklagen der Taxiinsassen und sonstigen beteiligten Verkehrsteilnehmer eingestellt werden mußte. Praktisch fallen diese Fälle jedoch nicht ins Gewicht. Die aufgezeigten Bedenken haben in der Literatur zu mannigfachen Versuchen geführt, des Problems der Haftungsbegrenzung, das sowohl im Rahmen der haftungsbegründenden wie der haftungsausfüllenden Kausalität auftaucht, praktisch wie dogmatisch zufriedensttllend Herr zu werden. Diese Aufgabenstellung ist indes schon alt. Bereits die römischen Juristen erkannten die Notwendigkeit, die Grenze, bis zu der dem Schuldner billigerweise die Haftung noch zuzumuten ist, festzulegen. In diesem Zusammenhang sei daher an die berühmte Digestenstelle Ulpian D 19, 1, 13 pr. erinnert: Der Verkäufer einer Kuh liefert eine kranke Kuh, das übrige Vieh des Käufers wird angesteckt und geht ein. Er kann seine Felder nicht mehr bestellen und kommt in Zahlungsschwierigkeiten, in deren Verlauf er seinen Hof verliert. Inwieweit muß der Verkäufer haften37? Im folgenden Abschnitt werde ich die wichtigeren dieser Meinungen darlegen und kritisch dazu Stellung nehmen. Hierbei werden auch solche neuen oder wiederaufgegriffenen Gedanken zu § 823 I BGB dargestellt, RG 163, 21 ff. Allerdings ist in der Digestenstelle der Fall nicht so weit ausgesponnen. Die Erweiterung stammt möglicherweise von Pothier, vgl. Motulsky, Rabels z 25,248. 38 37

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2. Kap.: Die Korrektur des Rechts

die zwar nicht gerade durch das Recht am Gewerbebetrieb initiiert worden sind, sondern allgemeineren Charakter tragen, mit deren Hilfe es aber - zumindest auf den ersten Blick - ebenfalls gelingen könnte, auch auf dem Spezialbereich des Unternehmensschutzrechtes zu befriedigenden Lösungen zu gelangen38• Allen in der Folge dargestellten Auffassungen ist das Bestreben gemeinsam, auf irgendeine Art und Weise abzurücken von dem harten überkommenen Prinzip des § 823 I BGB, welcher in jedem Fall tatbestandsmäßiger, rechtswidriger und schuldhafter Verwirklichung ohne Ansehung der sonstigen Umstände, insbesondere ohne Ansehung des Verschuldensgrades, uneingeschränkten Schadensersatz gewährt. Es handelt sich um die Frage, inwieweit direkter und entfernter Erfolg einer Handlung dem "Täter" zurechenbar sind bzw. die Haftung noch zurnutbar ist. Das oben aufgezeigte tiefgehende Unbehagen der Rechtsprechung, Gewerbebetriebsverletzungen ohne weiteres unter § 823 I BGB fallen zu lassen, die mißglückten Versuche des Bundesgerichtshofs, einen Rechtfertigungsgrund des verkehrsrichtigen Verhaltens 39 einzuführen, die seit langem andauernde Diskussion um die Frage, ob "lege artis" durchgeführte ärztliche Heilbehandlungen Körperverletzungen darstellen, alldies sind im Kern Ausprägungen des Wunsches nach geeigneten Haftungsbeschränkungen außerhalb des Verschuldens bereiches. Diese Problemstellung kennt auch das ausländische Recht. In Amerika wurde die "substantial factor theory" entwickelt, das englische Recht grenzt die haftungsrelevanten Kausalbeziehungen durch die Beschränkung auf "proximate causes" und die weiteren Folgen durch die "remoteness" ein, während Frankreich die Auffindung geeigneter Haftungsbeschränkungskriterien mehr dem gesunden Menschenverstand denn der juristischen Wissenschaft anvertraut40 .

III. Verschiedene Korrekturversuche

1. Abkehr vom "alles oder nichts" -Prinzip An erster Stelle zu nennen ist das Abrücken vom "Alles oder Nichts"Prinzip42, dem Prinzip der "einäugigen Gerechtigkeitcc43• Heinrich Lange 38 Ein Teil der Meinungen ist allerdings nicht geeignet, alle angeschnittenen Problemkreise zu erfassen und war auch von seinen Vertretern für die Lösung einer so umfassenden Aufgabe nicht bestimmt. Die Darstellung ganzheitlicher, d. h. zur Erfassung aller Zweifelsfragen des Deliktsrechts fähiger und somit notwendig komplexer Theorien, wie sie z. B. von Wilburg, Verhandlungen des 43. DJT, mit seiner These von der "elastischen Gestaltung" vorgeschlagen werden, ist nicht die Aufgabe der vorliegenden Arbeit und würde den selbstgesteckten Rahmen sprengen. 39 BGH 24, 21 ff. (Großer Senat). 40 Vgl. Weitnauer, Ehrenrettung S. 324; zum Common law siehe auch

Luer, S. 33.

III. Verschiedene Korrekturversuc he

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hat uns die Problematik in einer Schrift aus dem Jahre 193444 in wenigen temperamentvo llen und eindringlichen Worten vor Augen gestellt: "Ist ein Haftungsgrund vorhanden, so ist stets der volle Schaden zu ersetzen. Gleichgültig ist, ob den Täter Vorsatz oder nur leichtes Verschulden trifft, ob die Ersatzpflicht ihn vernichtet oder ihn kaum berührt, ob der Verletzte den Schaden selbst tragen könnte. Eine Abwägung findet nicht statt. Verschuldeosgr ad wie Tragbarkeit spielen keine Rolle. Die Zufälligkeit des Schadensumfan gs bestimmt allein die starre Pflicht. Der Schade ist der Götze, dem die Beteiligten unterworfen sind. Die Berechenbarkeit, nicht die Billigkeit herrscht." 1960 hat sich der 43. Deutsche Juristentag45 hauptsächlich mit diesem einer modernen Rechtsprechung so hinderlichen Prinzip der Totalreparation, das bislang ein Eckpfeiler unseres Deliktsrechts war, befaßt und schließlich folgende rechtspolitische Empfehlung ausgesprochen: "Der Deutsche Juristentag empfiehlt, das Prinzip der Totalhaftung im Schadensrecht dadurch aufzulockern, daß dem Richter für bestimmte Fälle die Möglichkeit einer Minderung des Umfangs der Ersatzpflicht eingeräumt wird. Dabei soll insbesondere die Schwere des Verschuldeos berücksichtigt werden." Diesen Vorschlag hat der Referentenentw urf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung schadensrechtli cher Vorschriften aufgegriffen und in einem§ 255 a BGB niedergelegt: § 255 a BGB Referentenentw urf 1967: I. Ist der Schaden im Hinblick auf die die Ersatzpflicht begründenden Umstände außergewöhnlich hoch, so kann das Gericht die Ersatzpflicht insoweit einschränken, als sie für den Ersatzpflichtigen auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Gläubigers zu einer schweren Unbilligkeit führen würde. II. Eine Einschränkung der Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, soweit der Ersatzpflichtige oder ein verfassungsmäßi g berufener Vertreter des Ersatzpflichtigen oder im Falle des § 839 (BGB) derjenige, der die Amtspflicht verletzt hat, den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat. 41 Nicht berücksichtigt werden sollen diejenigen Theorien, die in das deutsche Recht keinen direkten Eingang gefunden haben, also z. B. "liability beyond the risk", "direct consequences", "foreseeable consequences", "duty approach". Vgl. zu diesen Haftungsbeschränkungsmöglichkeiten die aus jüngster Zeit stammenden ausführlichen Untersuchungen von Luer, Die Begrenzung der Haftung bei fahrlässig begangenen unerlaubten Handlungen, 1969. 42 Vgl. umfassend die Verhandlungen des 43. DJT, weiterhin schon 1937 Möller, Summen- und Einzelschaden, S. 135 ff. 4 3 Degenkolb, Der spezielle Inhalt des Schadensersatzes , AcP 76, 1 ff. 44 Heinrich Lange, Vom alten zum neuen Schuldrecht, 1934, S. 32. 45 Vgl. vor allem das Gutachten von Hermann Lange und das Referat von Hauss, Verhandlungen des 43. DJT. Weiterhin zu diesem Problemkreis vgl. Luer, S. 100- 104 und Deutsch, NJW 66, 705 ff.

2. Kap.: Die Korrektur des Rechts

38

III. Im übrigen ist das Verschulden von Personen, für die der Ersatzpflichtige einzustehen hat, bei Anwendung des Abs. 1 angemessen zu berücksichtigen. Der BGB-Gesetzgeber entschied sich erst nach umfangreicher Diskussion gegen eine Haftungsabstufung nach Verschuldensgraden, nachdem das Problem die Juristen schon lange beschäftigt hatte. Noch im Preuß. ALR war diese Abstufung geltendes Recht und auch in den romanischen Rechten spielte die Frage eine gewisse Rolle46 • Ihering 41 meinte, daß "das Gleichgewicht herzustellen zwischen dem Maß des Übels und der Schuld die wichtigste Aufgabe der Gerechtigkeit" sei und Dernburg 48 präzisierte "es liegt nahe und ist gerechtfertigt, bei dolosem Handeln und grober Schuld die Verantwortlichkeit weiter auszudehnen als bei geringer Fahrlässigkeit" 49 • Auch in den Beratungen der II. Kommission zum BGB wurde ein Unterantrag zu§ 218 a, der dann als§ 215 zur Lesung kam50 , eingebracht, wonach der Schuldner bei leichter Fahrlässigkeit für unwahrscheinliche Schäden nicht haften sollte. Schließlich entschied man sich jedoch für die Totalreparation aufgrund der Überlegung, es sei nicht Aufgabe des Zivilrechts, über den von den Vertretern der Verschuldenstheorie als maßgeblich angesehenen Begriff "Vorwerfbarkeit" das Schadensersatzrecht zu pönalisieren51 • Die Schöpfer des BGB begründeten ihre Entscheidung einmal mit dem Gläubigerinteresse und weiter damit, daß die Heranziehung moralisierender oder strafrechtlicher Gesichtspunkte, worauf die Abstufung nach dem Verschuldeusgrad beruhe, von der zivilrechtliehen Beurteilung fernzuhalten sei, und zwar schon deshalb, weil "eine solche weitgehende Befugnis des Richters die vom deutschen Recht abgelehnte besondere autoritäre Stellung des Richters zur Voraussetzung" habe 52 • Hiergegen wäre aber zu sagen, daß andererseits auch das Interesse des Schuldners nicht einfach übergangen werden darf und daß vor allem das grundsätzliche Mißtrauen gegen richterliche Ermessensentscheidungen - der Gesetzgeber wollte klare, logisch vollziehbare und nicht vom Vgl. Rabel, S. 481. Ihering, Vermischte Schriften, S. 163; vgl. weiter S. 215 ff.; ders., Das Schuldmoment im römischen Privatrecht, 1867, S. 54 ff. 48 Dernburg, Schuldverhältnisse§ 302, 2, S. 642. 49 Ähnlich auch Höniger, Die gemischten Verträge in ihren Grundformen; Otto v. Gierke, Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches und das deutsche Recht, 1889, S. 198, 266 ff.; Degenkolb, AcP 76, 78 ff.; Dölle, DJZ 1934, 2021; Gierke, Schollers Jahrbuch 13, 253 ff.; Rümelin, AcP 90, 301 ff.; v. Tuhr, 46

47

Grünhuts Z. 25, 545 u. v. a. so Mugdan, S. III und S. 510. 51 Vgl. Luer, S.101; ablehnend schon Friedrich Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht, 2. Abtlg., Zur Lehre vom Interesse, 1855, S. 164 ff. 52 Motive Il, S. 17 f.; vgl. hierzu die informative Zusammenstellung von Hauss, Referat zum 43. DJT C 33 f.

III. Verschiedene Korrekturversuche

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subjektiven Urteil des einzelnen Richters abhängige Entscheidungendem heutigen Rechtsgenossen weitgehend fremd ist. Insofern hat uns das Verfassungsrecht geeignetere Mittel gegen autoritäre Richter anhand gegeben53• Auch die zusätzlichen modernen Erwägungen von Hauss, das "Alles oder Nichts"-Prinzip erlaube eine bessere Risikokalkulation, fördere die Vergleichsbereitschaft der Parteien5\ führe zu einheitlicherer Rechtsprechung und hindere den Richter am frühzeitigen Ausweichen auf Billigkeitserwägungen, scheinen mir nicht ausschlaggebend55 • Strikt abzulehnen ist jedenfalls die Ansicht von Flume 56 , der eine Norm wie § 255 a BGB E 67 für überflüssig und gefährlich hält. Er schlägt vor, man solle besser den§ 254 BGB dahingehend anwenden, "daß die Gefahr, die ein jeder selbst in den mannigfaltigsten Situationen, insbesondere im Verkehr, für sich begründet, gegen das Verschulden des Verletzers abgewogen wird." Diese Ansicht ist mit§ 254 BGB nicht zu vereinbaren. Sie berücksichtigt ausschließlich die Verursachungskomponente in§ 254 BGB, "vergißt" jedoch das weiterhin erforderliche Mitverschulden. Soll dies etwa darin bestehen, daß der Verletzte überhaupt am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl er wußte, daß Kollisionen und Verletzungen hier niemals auszuschließen sind? Die rechtspolitische Empfehlung des 43. Deutschen Juristentages ist zu begrüßen. Besonders Hermann Lange hat in seinem Gutachten den ausschlaggebenden Punkt genannt57 : die abgestufte Haftung wird keineswegs nur verständlich vor einem pönalen Hintergrund. Vielmehr ist sie Ausprägung der allgemeinen Funktion des Schadensrechts, für einen gerechteren Ausgleich der Vermögenseinbußen zu sorgen. Denn in jedem nicht vorsätzlich verursachten Schadensfall sind, wie Michaelis bereits 1934 vortrug58 , Verschulden und Unglück miteinander verflochten. Diesen Gedanken finden wir in glänzender Formulierung nochmals bei Hauss59 : " • • • den Geschädigten hat nicht nur Unrecht, sondern auch Unglück getroffen." Ähnlich auch Hauss, C 34. Wegen der Unsicherheit des jeweiligen Prozeßausgangs wäre dies allerdings wohl eher bei der Aufgabe des "Alles oder Nichts"-Prinzips richtig. 53

54

ss Vgl. 56

Hauss, C 38.

F tume, Diskussion 43. DJT C 83. H ermann Lange, S. 33; grundlegend

57 gegen Lange jedoch Lue1·, S. 131 ff., der meint, die Abstufung der Haftung nach dem Verschuldensgrad eigne sich deshalb nicht, weil sie nicht berücksichtigen könne, daß auch aus kleinem Verschulden oft ungeahnt große Schadensfolgen entstehen können. 58 Kurt Michaelis, Beiträge zur Gliederung und Weiterbildung des Schadensrechts, Leipziger Rechtswissenschaftliche Studien, Heft 124; vgl. auch

Hermann Lange, S . 34. 59 Hauss, C 41; Hauss,

C 35 ff. bekräftigt seinen Standpunkt, daß das "Alles oder Nichts"-Prinzip schleunigst aufgegeben werden müsse, allerdings

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2. Kap.: Die Korrektur des Rechts

2. Tatadäquanz Nahe verwandt mit dem rechtspolitischen Gedanken der Abkehr vom "Alles- oder Nichts"-Prinzip sind die Versuche Heinrich Langes und Lehmanns, der geschilderten Problematik mit Hilfe der sog. "Tatadäquanz" zu begegnen. Lange60 weist richtig darauf hin, daß das Rechtsgefühl zwar die Verantwortlichkeit des Verbrechers auch für die entferntesten Folgen seiner Tat fordere, daß es dagegen denjenigen, den nur ein geringer Vorwurf treffe, nur für näherliegende Schäden haften lassen wolle. Im Unterschied zu § 255 a BGB E 67 will Lange also nicht eine bloße Summenbegrenzung erreichen, sondern einzelne Schadenskomplexe, die als "too remote" erscheinen, aus dem Gesamtschaden ausklammern61 • Nicht ganz klar ist deshalb sein Fazit62 : "Sind durch das schädigende Ereignis Schadensfolgen entstanden, die ungewöhnlich groß sind oder ungewöhnlich fern liegen, und steht die Pflicht zum Ersatz dieser Schäden deshalb in einem unerträglichen Mißverhältnis zu der Art und den Umständen des schädigenden Ereignisses und der Verantwortlichkeit des Ersatzpflichtigen für dessen Folgen, so kann der Umfang der Ersatzpflicht angemessen gemildert werden ... ". Letzteres ist identisch mit § 255 a BGB E 67 und deutet wieder auf Summenbegrenzung, ersteres dagegen auf Komplexbegrenzung hin. Lehmann~ 3 schließt sich diesen Gedanken an und verweist zusätzlich auf die entsprechende Regelung des Art. 43 I Schweiz. OR6' , den er als

nicht zugunsten einer allgemeinen Generalklausel nach der Art des Art. 43 I Schweiz. Obligationenrecht (C 38), mit folgenden Argumenten: 1. Fälle der ganz geringen Fahrlässigkeit im Straßenverkehr. Hierbei wird Verschuldensfeststellung häufig nur durch großzügige Handhabung des prima facie-Beweises erreicht (C 35). 2. Unfälle unter spielenden Kindern, deren Einsichtsfähigkeit und damit auch Fahrlässigkeit sehr schwer abzuschätzen sind (C 36). 3. Fälle, in denen sich die fahrlässige Handlung nur deshalb so schwer auswirkt, weil als unglücklicher Zufall eine besonders auffällige Konstitution, ein Naturereignis, überraschendes Verhalten Dritter usw. hinzukommt (C 37). 4. Neuroseschäden Dagegen lehnt er den von Hermann Lange zur Begründung herangezogenen Gedanken, es sei auch darauf abzustellen, ob es im Einzelfall dem Schädiger oder dem Verletzten leichter zurnutbar sei, das Wagnis zu versichern (Lange, S. 36 f.), mit der Begründung der Sachfremdheit sowie der Haftungshöchstgrenzen der Versicherungen ab (C 35). 80 Heinrich Lange, Herrschaft und Verfall AcP 156, 133. 61 Luer, S. 131, der generell jede Abstufung nach dem Verschuldensgrad ablehnt (vgl. S. 30 Anm. 2), würde dagegen noch eher eine Summenbegrenzung für möglich halten. 62 Heinrich Lange, KausalzusammenhangS. 134. 63 Heinrich Lehmann, Festschrift für Hedemann, S. 186 f. 6 ' Art. 43 I Schweiz. OR: "Art und Größe des Ersatzes für den eingetretenen Schaden bestimmt der Richter, der hierbei sowohl die Umstände als die Größe des Verschuldens zu würdigen hat."

111. Verschiedene Korrekturversuche

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vorbildlich ansieht. Wie Lange meint auch Lehmann, die "Tatadäquanz" schon im geltenden Rechtssystem anwenden zu können. Wenn das Gesetz dem Richter überlassen habe, die Ursächlichkeit im Hinblick auf die Zurechenbarkeit vernünftig zu begrenzen, und wenn man bereits gewisse Tatsachen trotz ihrer natürlichen Kausalität, weil nicht adäquat, nicht als Zurechnungsgrund anerkannt habe, dürfe man auch die Tragweite der adäquaten Kausalität im einzelnen Fall angemessen berücksichtigen. Dieser Schluß ist jedoch für das geltende Recht unrichtig, da er ohne weiteres gegen den eindeutigen Wortlaut des § 249 BGB verstößt. Wie oben betont, ist der Versuch, über die Verschuldeosgrade zur Haftungsbeschränkung zu kommen, vom BGB-Gesetzgeber erwogen, schließlich aber verworfen worden85 • Diese Entscheidung dürfen wir nicht ignorieren, sondern können sie allenfalls durch Gesetzesänderung revidieren.

3. Direkte Anwendung des§ 242 BGB Im Ansatz erfolgversprechender als die "Tatadäquanz" Heinrich Langes und Lehmanns und vor allem dogmatisch leichter einzuordnen ist der Versuch Lindenmaiers66 , über § 242 BGB den oben aufgezeigten Schwierigkeiten und den zum Teil dem Rechtsgefühl widersprechenden Einzelfallentscheidungen zu entgehen. Die Adäquanz soll dem § 242 BGB unterstellt werden. Der Bundesgerichtshof67 anerkannte Lindenmaiers Lösung schon bald als geeignetes Korrektiv, das den Kreis der zu weitgehenden Folgen der Adäquanztheorie im Traeger'schen Sinne68 im Interesse billiger Ergebnisse auf die zurechenbaren Folgen einzuschränken imstande war68 • Lindenmaier entwickelte seine Auffassung im Anschluß an eine umfassende Kritik der herrschenden Kausalitätslehre, die ihm aufgrund ihrer Inelastizität der eigentliche Anlaß für die unbefriedigende heutige Rechtssituation zu sein scheint. Demgemäß unterstellte er auch die adäquate Kausalität dem weite Teile des Zivilrechts beeinflussenden§ 242 BGB. Er resümiert: "Die Haftung wird nur deshalb auf die adäquaten Folgen beschränkt, weil man der Meinung ist, damit ein allgemeines Prinzip gefunden zu haben, das die Folgen Zur weiteren Kritik vgl. Rot her, S. 9 f. I indenmaier, ZHR 113, 207 ff. ß 7 BGH 3, 267. 68 Traeger, Der Kausalbegriff im Zivil- und Strafrecht, 1904, S. 252. 69 Allerdings sind Versuche, die Adäquanzformel in Richtung des § 242 BGB abzuwandeln, schon früher unternommen worden. Dies veranlaßte Heinrich Lange, Schuldrecht, S. 82, bereits 1934 zu der Bemerkung, daß die Adäquanz vielfach nichts anderes als ein Deckmantel für Billigkeitsentscheidungen sei. Und Wilburg, Die Elemente des Schadensrechts, S. 242, meinte 1941, die Rechtsprechung gehe über den theoretischen Maßstab der Adäquanz oftmals "in freier Schätzung souverän hinweg". 65

66

2. Kap.: Die Korrektur des Rechts

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eines Ereignisses, für welche die Haftung zuzulassen nach Billigkeitsgefühl tragbar erscheint, von denjenigen Folgen abgrenzt, bei denen dieses Gefühl widersprechen würde. Der innere Grund für die Art der Abgrenzung ist dabei die Erwägung, daß man eine Haftung für die Folgen eines Ereignisses einem anderen keinesfalls darüber hinaus aufbürden dürfte, als für einen Idealbeurteiler eine generelle Erfolgstendenz in der eingetretenen Richtung als möglich voraussehbar ist. Eine Haftungsbegrenzung, die auf diese Vorstellung zurückgeht, ist gewonnen aus der Erwägung, daß der Ausübung des Rechts, für die Folgen einer Begebenheit die Haftung einer Person beanspruchen zu können, Schranken gesetzt sein müssen, soweit rechtspolitische und rechtsethische Grundsätze diese Haftung als unzumutbar erscheinen lassen. Es handelt sich danach um nichts anderes als um die Auslegung des in neutraler Tarnung auf die verursachte Folge abstellenden Gesetzes, oder der entsprechenden Vertragsnorm nach Gesichtspunkten, denen schon Otto v. Gierke10 1889 in dem Satz Ausdruck gegeben hat, daß dem Mißbrauch eines Vermögensrechts Schranken gesetzt sein müßten, die sich aus dem in ihm geschützten vernünftigen Interesse und den Lebensbedingungen der Gesellschaft ergäben. Im BGB ist dies nach heutiger Auffassung mit allgemeiner Gültigkeit für alle sachlich-rechtlichen Vorschriften in§ 242 BGB ausgesprochen. Das Prinzip der adäquaten Verursachung ist daher, soweit es eine Beurteilung vorsieht, die über die in der Bedingungstheorie geforderten Voraussetzungen herausgeht, eine in§ 242 BGB ihre Grundlage findende Haftungsbegrenzung" 71 . Der Bundesgerichtshof wandelte Lindenmaiers Theorie schon bald in eine brauchbare Arbeitsformel um. Veranlaßt wurde er hierzu durch zwei Fälle, in denen er nach der Traeger'schen Formel hätte verurteilen müssen. Es handelte sich einmal um den berühmt gewordenen Schleusenfall72. Während der Schleusung wurde eines von zwei nebeneinanderliegenden Schiffen unter Wasser gedrückt. Die Breite des anderen Schiffes war falsch angegeben worden, wodurch die Schiffe sich in der konisch gebauten Schleusenkammer bei sinkendem Wasserspiegel ineinander verklemmten und dachartig aufstellten. Beim Versuch, wieder zu fluten, sank eines der Schiffe infolge falscher Maßnahmen des Schleusenpersonals. Die Klage richtete sich gegen den Eigner des anderen Schiffes. Im zweiten Fall73 verlangten die Kläger Schadensersatz wegen Tötung des Ehemanns bzw. Vaters. Der Getötete hatte aufgrundeines vom Beklag70 11

72

Otto v. Gierke, Die soziale Aufgabe des Privatrechts, S. 18, 20. Lindenmaier, ZHR 113, 239 f. BGH 3, 261 ff.

1a BGH, NJW 52, 1010.

111. Verschiedene Korrekturversuche

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ten im Jahr 1937 verschuldeten Unfalls ein Bein verloren. 1945 kam er während eines Bombenangriffs ums Leben, weil er aufgrund der Genbehinderung nicht so schnell wie seine Angehörigen den Bunker erreichen konnte74 • Beide Entscheidungen führten aus, es handle sich bei der Frage, ob die "Adäquanz" gegeben sei, nicht eigentlich um eine Frage der Kausalität, sondern um die Ermittlung der Grenze, bis zu der dem Urheber einer Bedingung eine Haftung für ihre Folgen billigerweise zugemutet werden könne. Der Gedanke der adäquaten Verursachung könne lediglich eine allgemeine Richtlinie abgeben. "Die Frage, ob und in welchem Umfang ein haftungsauslösender Ursachenzusammenhang gegeben ist, wird sich durch abstrakte Regeln nie völlig erschöpfend beantworten lassen, sondern wird in Zweifelsfällen nur unter Würdigung aller Umstände durch den Richter nach freiem Ermessen entschieden werden können; und nur wenn berücksichtigt wird, daß die Lehre von der adäquaten Verursachung eine in § 242 BGB ihre Grundlage findende Haftungsbegrenzung zum Gegenstand hat, wird die Gefahr einer Schematisierung der Formel vermieden und die Ermittlung richtiger Ergebnisse gewährleistet." Dieser Korrekturversuch ist in der Literatur weitgehend auf Widerstand gestoßen75. Man wirft dem Bundesgerichtshof vor, mit dieser "Eskapade"78 die Grundlagen unseres Haftungsrechts über Bord geworfen zu haben77 • Demgegenüber hat zwar der Bundesgerichtshof immer wieder versichert, daß die von Traeger festgelegten Beurteilungsgrundlagen beibehalten würden78. Traeger selbst jedoch wollte mit Hilfe der Adäquanztheorie Billigkeitserwägungen über § 242 BGB gerade ausschließen78, so daß die Versicherung des Bundesgerichtshofs insoweit einigermaßen unglaubwürdig ist80. Die kritischen Stimmen weisen vor allem darauf hin, daß die Unterstellung auch der Kausaladäquanz unter § 242 BGB in unvertretbarem Maße zu verbreiteter Rechtsunsicher74 Vgl. weiter noch BGH LM § 249 BGB (Bb.) Nr. 3; § 249 BGB (Ba.) Nr. 8; § 281 BGB Nr. 1; § 823 BGB (Ec.) Nr. 8; BGH 18, 286; NJW 55, 1876; LlVI § 828 BGB Nr. 1; § 1 BEG Nr. 7; § 1 BEG Nr. 15; § 126 HGB Nr. 1. 75 Kirchberger, NJW 52, 1000 ff.; Esser, JZ 56, 557; Larenz, NJW 55, 1009, 10ll; Lehmann, Festschrift für Hedemann, S. 186; Raiser, JZ 63, 463; J. G. Wolf,

Der Normzweck im Deliktsrecht, S. 8; Hauss, C 33, Rother, S. 8; K irchberger, NJW 52, 1000 ff. meint zudem, der BGH hätte besser - mit gleichbleibendem Ergebnis - daran getan, mit Traeger dem alten Gedanken des RG 42, 291 ff. von der sog. bloßen Gelegenheitsursache zu folgen. 1a Esser, JZ 56, 557. 77 Trotz gewisser Bedenken jedoch grundsätzlich bejahend Kii.hlewein, NJW 55, 1581 ff. 78 BGH3,267. 79 Traeger, S. 165. 80 Ähnlich Kirchberger, NJW 52, 1002.

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2.

Kap.: Die Korrektur des Rechts

heit führen müsse81 • Ob dieses Bedenken wirklich ausschlaggebend ist, bezweifle ich allerdings. Man sollte nicht vergessen, daß die Rechtsprechung gerade zu § 242 BGB in relativ kurzer Zeit ein System überschaubarer und klarer Kasuistik entwickelt hat. Darüber hinaus dürfte es heute nicht mehr zeitgemäß sein, dem richterlichen Ermessensspielraum mit abgrundtiefem Mißtr·a uen zu begegnen. Andere Rechte geben ihren Richtern schon lange ein ungleichgrößeresMaß an "pouvoir souverain" 82• Im deutschsprachigen Rechtskreis wäre nur an Art. 43 Schweiz. OR zu erinnern. Die von der Literatur geltend gemachte Rechtsunsicherheit würde nach den unvermeidlichen Anfangsschwierigkeiten wohl bald einer vernünftigen Kausuistik Platz machen. Ein anderes Argument jedoch, das Hauss anscheinend mit seiner Nebenbemerkung, gegen die § 242 BGB-Konstruktionen sprächen noch grundsätzlichere Erwägungen, im Auge hatte, ist m. E. geeignet, die BGH-Anschauungen ernstlich zu erschüttern. In § 249 BGB wurde für einen bestimmten Rechtsbereich, nämlich den Umfang der Schadensersatzpflicht, entgegen der Vorschrift des§ 242 BGB, die Spezialregel normiert, daß jeder mit dem Verletzungsvorgang in Kausalzusammenhang stehende Schaden zu ersetzen sei. Sogar die Verwendung des strengen Adäquanzgedankens in§ 249 BGB bedeutet eine- allerdings noch vertretbare - Aufweichung dieses Prinzips. Diese Aufweichungstendenz darf nicht erweitert werden, will man nicht Gefahr laufen, sich extret legem zu stellen. Gäbe es den § 249 BGB nicht, wäre sicherlich § 242 BGB auch für den Schadensumfang maßgebend. So aber stellt § 249 BGB eine Spezialregel zu § 242 BGB dar. Daraus folgt aufgrund der allgemeinen Regel, daß bei Existenz und Eingreifen einer Spezialnorm die Generalnorm auszuscheiden habe, im Falle des § 249 BGB also, daß § 242 BGB nicht mehr herangezogen werden darf83 • Beeindruckt von der Flut der Kritik hat der Bundesgerichtshof schließlich seine Theorie dahin abgeschwächt8' , "daß die Rechtsprechung die herkömmliche Adäquanzformel nur in kritischen Zweifelsfällen einengend empfunden hat. Die Verweisung auf Treu und Glauben und auf den Gedanken der Zumutbarkeit darf nicht so verstanden werden, als hätten die in der Rechtsprechung einheitlich entschiedenen Fallgruppen und die so entwickelten Grundsätze keine Bedeutung mehr und dürfe 81 Schwarz, JZ 66, 162 f. will im Anschluß an Esser den § 242 BGB überhaupt nur auf vertragliche Rechtsbeziehungen anwenden. Hiergegen Soergel - Siebert, A 53 zu§ 242 BGB. s2 So Hauss, C. 33. 83 Ebenso ist die amtliche Begründung des § 255 a BGB E 67, S. 35 zu verstehen. 8t BGH JZ 64, 179.

III. Verschiedene Korrekturversuche

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der Richter fortan über die rechtliche Erheblichkeit des Ursachenzusammenhangs frei nach "billigem Ermessen" befinden" 85 •

4. Sozialadäquanz Anfang der fünfzigerJahremachte Nipperdey in seinem berühmt gewordenen Zeitungsstreik-Gutachten86 den Versuch, dem Recht am Unternehmen- wie auch den anderen absoluten Rechten des § 823 I BGBdurch Zuhilfenahme der aus dem Strafrecht übernommenen sog. Sozialadäquanz die kompromißlose Härte zu nehmen. Entwickelt wurde die Lehre von der Sozialadäquanz in der heutigen Form ursprünglich nur für das Strafrecht von W elzel, der den Begriff erstmals in einem Aufsatz aus dem Jahr 193987 und später in vielen weiteren Schriften darlegte88• Ich kann mich hier auf eine kurze Darstellung dieses Prinzips beschränken, da es in der Literatur der letzten 15 Jahre häufig und detailliert dargestellt worden ist89 • Die Sozialadäquanz wird in zwei Bedeutungen verwendet. Einmal sind sozial-adäquate Handlungen solche, die sich "im Rahmen der allgemeinen Ordnung des menschlichen Zusammenlebens halten" 90 , erfassen also meist leichte, aber nach der Entwicklung unseres Soziallebens weitgehend unvermeidbare und deshalb hinzunehmende Beeinträchtigungen. Hierunter sollen vor allem der erlaubte Leistungswettbewerb, der die Grundlage unseres Wirtschaftslebens bildet und bis zur Vernichtung des Gegners führen kann, der gewerkschaftlich organisierte Streik, aber auch die lege artis durchgeführte ärztliche Heilmaßnahme fallen. Sozialadäquat sind weiter Freiheitsbeschränkungen als normale Begleiterscheinungen des modernen Verkehrslebens und Drohungen mit verkehrsgemäßen Übeln91 • Solche Handlungen sind niemals tatbestandsmäßig, denn "die methodische Funktion der Sozialadäquanz besteht darin, daß sie aus dem formalen Wortlaut diejenigen Lebensvorgänge herausschneidet, die sachlich überhaupt nicht mehr unter die Norm gehören" 92 • Darüber hinaus bedeutet Sozialadäquanz auch "Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt" in solchen Lebensbereichen, die schon von ihrer Anlage her notwendigerweise und unvermeidbar ein Mindestmaß von Als interessante Parallele hierzu vgl. § 287 ZPO. s& Nipperdey, GutachtenS. 39. 87 Welzel, Studien zum System des Strafrechts, ZStW 58,491, 516 f., 557 fi. 88 Welzel baut seinerseits auf den früheren Studien von Fischer (Die Rechtswidrigkeit mit besonderer Berücksichtigung des Privatrechts, 1911) auf. 89 Vgl. ausführ!. G. Bernert, Zur Lehre von der "sozialen Adäquanz" und den "sozial-adäquaten Handlungen", 1966. 9o Vgl. Schippel, S. 70. 91 Schippel, S. 70. 9 2 Nipperdey, GutachtenS. 40 f . 85

2. Kap.: Die Korrektur des Rechts

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Gefährdungen Dritter mit sich bringen. Hierunter fallen vor allem der Straßenverkehr, dem immer die Gefahr von Körperverletzungen oder Sachschäden innewohnt, sowie Verletzungen im Gefolge des ordnungsmäßigen Betriebs riskanter Unternehmungen und Sportverletzungen. In derartigen Bereichen "erlaubter" Gefährdung eingetretene Verletzungen sind nur dann sozialadäquat, wenn die Verletzungsgefahr durch unbesonnene und unsorgfältige Verhaltensweisen erhöht worden ist oder umgekehrt: "Sorgfaltswidrig ist eine solche Gefährdung, die über das "verkehrsnormale" oder "sozialadäquate" Maß hinausgeht"us. Sozialadäquate Handlungen sind nicht als zwar tatbestandsmäßig aber rechtmäßig anzusehen, sondern von vornherein schon als nicht tatbestandsmäßig. Auf die an diese Behauptung sich anschließende Streitfrage, ob mit der Sozialadäquanz nicht eher ein allgemeiner, neuer Rechtfertigungsgrund entwickelt worden sei94, möchte ich hier nicht eingehen, weil es Argumente allgemeiner Art sind, die vorrangig gegen diese Konstruktion sprechen.

Nipperdey übertrug mit dieser Theorie Erkenntnisse der neueren Strafrechtswissenschaft95 auf das Zivilrecht. Veranlaßt sah er sich hierzu durch die vielen kritischen Stimmen, die behaupteten, entweder habe die Widerrechtlichkeit der Gewerbebetriebsverletzung eine andere Bedeutung als sonst oder aber dieses Institut sei im Rahmen des § 823 I BGB verfehlt. Allerdings waren seine Überlegungen inhaltlich nicht ganz neu. Schon das Reichsgericht entschied mit ihnen verschiedene Fälle des "too remote", ohne allerdings den Begriff "Sozialadäquanz" als solchen zu gebrauchen. Dieser wurde erst später gefunden. Das Reichsgericht sprach vielmehr von der "erlaubten gewerblichen Handlungsfreiheit", von "ordnungsgemäßen Wettbewerb" usw. 96 . In der sonstigen Literatur wurden jedoch zu Recht erhebliche Bedenken97 angemeldet. Nikisch98 hat u. a. darauf hingewiesen, daß schon die Vgl. Welzel, LehrbuchS. 132. Vgl. hierzu Schippel, S. 71 ff.; Weitnauer, DB 70, 1687 f.; die Einordnung ist bis heute unklar geblieben. Nipperdey selbst scheint in der Festschrift für Sitzler, S. 95 A 50, von seiner ursprünglichen Konstruktion abrücken zu wollen und anzudeuten, daß Sozialadäquanz ein Rechtfertigungsgrund sei. Hafterburg, NJW 59, 1398 f., rechnet die Sozialadäquanz anscheinend sogar zur Schuld, ebenso Radke, RdA 64, 67. Meines Erachtens nimmt die Sozialadäquanz eine - auf der Grundlage des geltenden Rechts allerdings kaum zu rechtfertigende - Sonderstellung ein. Sie gehört nicht positiv zum Tatbestand - ein Tatbestandsmerkmal der sozialen Inadäquanz hat selbst Nipperdey nicht behauptet - verhindert jedoch andererseits die Indizierung der Rechtswidrigkeit. Man müßte also als Standort der Sozialadäquanz zwischen Tatbestand und Rechtswidrigkeit eine weitere Prüfungsstation einschieben. Da

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95 98

Vgl. vor allem Welzel, Lehrbuch 11. Aufl., S . 55 ff., 2. Aufl., S. 36 f. RG 56,275 f .; 58; 64, 56; MuW 29, 65.

97 Im Gegensatz zu der Mehrzahl ablehnender Stimmen meint Löwisch,

III. Verschiedene Korrekturversuche

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Anwendung der Sozialadäquanz z. B. auf Streikfälle ihrem Grundgedanken widerspreche, Vorfälle von "völliger Harmlosigkeit", die den Gedanken an eine Rechtsgutverletzung kaum aufkommen ließen, von vornherein auszuschließen. Gedacht war ursprünglich z. B. an das "Eingesperrtsein" des Reisenden in der fahrenden Bahn, wenn er sein Reiseziel verschlafen hatte. Oder an die Drohung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer zu entlassen, wenn seine Leistungen in Zukunft nicht besser würden. Sollte hiermit aber der Streik als bewußt schädigendes Handeln und außerdem anerkanntermaßen schwerste Waffe der Arbeitnehmer im Arbeitskampf, auf eine Stufe zu stellen sein? Rüthers99 meint nicht unrichtig, es sei unerfindlich, wie sozialethische Anschauungen zur "Rechtfertigung" von Gesetzesverstößen führen könnten. Hier entwickle sich eine gefährliche Verwischung der Grenzen zwischen sozialethischen Ansichten und gesetzlichen Regelungen. Weiterhin müsse die Theorie zwangsläufig versagen, wenn es sich um die Beurteilung neu auftretender sozialer Interessenkonflikte handle. Auf keinen Fall gefolgt werden kann dagegen dem Einwand Lehes sei nicht einzusehen, daß die Sozialadäquanz die Rechtmäßigkeit besser begründe als die Einwilligung. "Wer sich die Haare nach einem außer Mode gekommenen mittelalterlichen Vorbild schneiden lassen will, erlaubt diesen Eingriff und macht ihn rechtmäßig, auch wenn man die Sozialadäquanz des Haarschnitts bezweifeln kann. Der Friseur, der wider die Anweisung des Kunden gleichwohl eine sozialadäquate Frisur herstellt, muß zweifellos wegen widerrechtlichen Eingriffs Ersatz leisten und Schmerzensgeld zahlen." - Als ob die Sozialadäquanz etwas mit Durchschnitts- oder Zeitgeschmack - nur hierzu zählt die jeweilige Haartracht - zu tun hätte! SchippeP01 merkt deshalb an, daß "sozialadäquate Handlungen" und "sozialübliche Handlungen" keinesfalls ohne weiteres gleichgesetzt werden dürfen. Denn was üblich sei und von vielen gebilligt werde oder was mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erwartet werden müsse, brauche nicht notwendigerweise durch das Recht gebilligt werden. manns100:

Wesentlich scheint mir jedoch ein anderes von Ramm102 vorgebrachtes Argument zu sein, durch die Sozialadäquanz werde die eine Generalklausel, nämlich die der "Sittenwidrigkeit", lediglich durch eine andere ersetzt. Die Sozialadäquanz ist nämlich zu unbestimmt, inhalts- und S. 88 ff., 90, 94, die Sozialadäquanz finde vor allem bei "mittelbaren" Deliktsfällen einen weiten Anwendungsbereich. 98 Nikisch 11, 2. Auft., S. 118. 99

100 101

102

Rüthers, AuR 67, 129 ff., 132. H. Lehmann in Festschrift f. Hedemann, S. 190. Schippel, S. 71. Ramm, AuR 1964, 321, 324.

2. Kap.: Die Korrektur des Rechts

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konturlos. Zudem ist sie für den Richter gefährlich. Denn bei Kollisionen auf Lebensbereichen, für die sich noch keine so eingehenden Spielregeln wie z. B. für den Straßenverkehr herausgebildet haben, begünstigt und fordert sogar die Verwendung der Sozialadäquanz das Arbeiten mit juristisch noch nicht hinreichend abgeklärten Werturteilen103. Allgemeiner gesagt fehlt es deshalb an Kriterien, die geeignet wären, den Begriff "Sozialadäquanz" auszufüllen. Denn der Begriff als solcher gibt nichts her. Man kann ihm nur solche Maßstäbe entnehmen, die man vorher in ihn hineingelegt hat104 ; ein juristischer Freiherr von Münchhausen also, der sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf der Unbestimmtheit zieht. Abstriche von diesem Urteil sind nur in den seltenen Ausnahmefällen angezeigt, in denen das Gesetz selbst Regelungen trifft, die auch mit dem Prinzip der Sozialadäquanz zu erreichen wären. Zu denken ist hier in erster Linie an das Nachbarrecht des§ 906 BGB, dessen zentraler Gesichtspunkt die "Ortsüblichkeit" ist. Soweit solche Normen zur Verfügung stehen, benötigt man jedoch keine zusätzliche Theorie. Auch als Ausprägung eines allgemeinen Gesetzesprinzips können derartige Vorschriften wegen ihres spezifischen Ausnahmecharakters nicht dienen. Gegen die erste Bedeutung der Sozialadäquanz spricht weiter, daß die ursprüngliche Stufe "hinnehmbarer Harmlosigkeit des Eingriffs" durch die Einbeziehung der Streikfälle weit überschritten worden ist. Hierdurch wurden nicht nur die Kriterien noch stärker verwischt, sondern der Inhalt des Problems selbst verändert. Es geht nun teilweise nicht mehr um die Erfassung absoluter Geringfügigkeit der Beeinträchtigung, sondern um ihre nur relative Hinnehmbarkeit im sozialen Bereich und somit um schwierige Güterabwägungsprobleme. Entscheidungen hierüber bedürfen aber diffizilerer Abgrenzungen. Allgemeinverbindliche Grenzziehungen auf diesem Gebiet sind fast undenkbar; zu groß ist der Einfluß von Alter der Beurteiler, von Intelligenzgrad, Beruf, Stand, wirtschaftlicher Stellung, politischer Überzeugung usw. Als Beispiel mag gelten, daß einerseits Nipperdey nur dem gewerkschaftlich organisierten Streik - und auch dies geht schon bedenklich weit - das Prädikat "sozialadäquat" geben wollte, Ramm und andere dagegen auch noch die sog. wilden oder spontanen Streiks für tolerabel, in der Nipperdeyschen Sprache somit für "sozialadäquat" halten. Der generalisierende Begriff der Sozialadäquanz, der primär davon ausgeht, daß auch der Bürger derartige Beeinträchtigung nicht als echte Verletzungen auffaßt, kann keine geeigneten Abgrenzungskriterien liefern. Auch die oben genannte zweite Bedeutung ·der Sozialadäquanz, die Beachtung der im toa to4

Vgl. Lehmann, Festschrift S. 190. So Rüthers, AuR 67, 132.

III. Verschiedene Korrekturversuche

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Verkehr erforderlichen Sorgfalt in generell gefahrengeneigten Lebensbereichen, kann nicht überzeugen, weil sie ungerechtfertigt und unnötigerweise Unrechts- und Schuldurteil miteinander zu vermischen genötigt ist105• Im Zusammenhang mit der Frage der Sozialadäquanz muß auch in kurzen Zügen auf das inhaltlich damit eng zusammenhängende Problem der positiven Rechtswidrigkeitsprüfung eingegangen werden. Nipperdey wurde, wie oben schon erwähnt, durch die in der Literatur weitverbreitete Behauptung, der Unternehmensschutz erfordere im Rahmen des § 823 I BGB eine positive Rechtswidrigkeitsprüfung, veranlaßt, die Sozialadäquanz als Gegengewicht zu der positiven Rechtswidrigkeit in die Diskussion einzubringen. Die Ansicht, daß sowohl das Recht am Unternehmen wie auch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht ohne weiteres den sog. "klassischen" Rechten gleich behandelt werden könnten, daß der tatbestandsmäßige Eingriff in eines dieser "neuen" Rechte nicht in jedem Falle geeignet sei, die Rechtswidrigkeit zu indizieren, wird sowohl in der Rechtsprechung108 als auch in der Literatur vertreten107• Man stützt sich vornehmlich darauf, daß die neuen Rechte den klassischen in bezug auf Klarheit und Umgrenztheit keineswegs adäquat, sondern daß sie eher generalklauselartigen Charakters seien108• Ich werde dagegen unten zu zeigen versuchen, daß diese Behauptung nicht unbedingt stichhaltig ist. Zumindest das Recht am Gewerbebetrieb ist bei genauerer Betrachtung ausreichend konturiert109, während mir umgekehrt das Eigentum nicht unbedingt so absolut konturiert zu sein scheint, wie immer behauptet wird110 • HefermehP 11 begründet die heute noch herrschende Lehre zusätzlich mit der Überlegung, daß es sinnwidrig sei, die Rechtswidrigkeit des § 823 I BGB im Unternehmensschutzrecht gerade mit Rücksicht auf die Sittenwidrigkeit des § 1 UWG zu bestimmen. Da sich aber ansonsten kein indizierungsgeeignetes Kriterium anbiete, müsse die Rechtswidrigkeit eben positiv bestimmt werden.

Über die Frage, welchen Inhalt die positive Rechtswidrigkeitsprüfung haben soll, haben sich zwei- allerdings eng zusammengehörige- Mei105 108

Vgl. ausführlicher hierzu Weitnauer, VersR 70, 585, 588 f.

BGH 3, 270; 8, 142, 140; 45,296.

107 Larenz II S. 400; Baumbach- Hefermehl, Allg. Einl. A 113; Hefermehl, Festschrift für Nipperdey 1955, S. 286; v. Caemmerer, DJT-Festschrift S. 127 ff.; Lorenz, JZ 61, 435; Münzberg, S. 190 u. v. a. mehr. 1os Vgl. z. B. Baumbach - Hefermehl, Allg. Einl. A 113. 109 Vgl. unten 5. Kap. 110 Es sei nur an§ 906 BGB erinnert. 111 HefermehZ, Festschrift für Nipperdey 1955 S. 286.

4 Preusche

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2. Kap.: Die Korrektur des Rechts

nungen gebildet. Die eine Richtung führt v. Caemmerer an112 • Ihm kommt es darauf an, die Schädigungshandlung zu bewerten, sie daraufhin zu untersuchen, ob sie pflichtgemäß oder pflichtwidrig sei113• Im Rahmen der Normzweckuntersuchungen werde ich auf die Meinung v. Caemmerers ausführlich eingehen. Schippel114 dagegen setzt den Akzent stärker auf die Erfolgskomponente. Es kommt ihm auf die einander gegenüberstehenden Interessen an, die er im Einzelfall aufgrund einer Güter- und Pfiichtenabwägung bewertet. Da Schippel diese Interessen- und Güterahwägung in jedem einzelnen Fall durchgeführt wissen will, prüft auch er die Hechtswidrigkeit im Grunde positiv. Inkonsequent erscheint es mir von dieser Ausgangsbasis aus deshalb, daß Schippel diese Güterahwägung in der Folge als normalen Rechtfertigungsgrund behandelt. Dieser dogmatischen Inkonsequenz Schippels entgeht Lorenzm, indem er bereits für ·die Feststellung einer tatbestandsmäßigen Handlung "auf die in casu geschützten Interessen" abhebt. Im Gegensatz zu Schippellokalisiert er also die Interessenahwägung in den Tatbestand, was es ihm ermöglicht, die jeweils zu schützenden Interessen - durch die Heranziehung konkreter Verhaltensnormen-zu bestimmen. Hier berührt sich Lorenz wieder mit der erstgenannten Ansicht v. Caemmerers. Mit den hiermit angeschnittenen Problemen will ich mich an dieser Stelle jedoch nicht weiter beschäftigen, da sie unten ausführlich behandelt werden. Stichwortartig gesagt wird es vor allem darauf ankommen, ob der objektive Tatbestand des § 823 I BGB auch eine relevante Handlungskomponente aufweist und wenn ja, in welcher Art und in welchem Maße diese für die Fall-Lösung von Bedeutung sein kann118• 5. Unrechtstypen und Verhaltenspflichten nach

v. Caemmerer, StolZ, Larenz, Deutsch

Eine neuere Richtung in der Literatur versucht, zwar unter grundsätzlicher Beibehaltung des Erfolgsunrechts, jedoch unter Mitberücksichtigung der Handlung, eine Reihe von sog. "Unrechtstypen" 117, die jeweils verschiedener Behandlung bedürfen, aufzustellen. Es handelt sich um den Versuch, herauszukristallisieren, "welche Handlungen im natürm v. Caemmerer, DJT-Festschrift S. 127 ff. ua Lediglich bei den sog. unmittelbaren Verletzungen soll diese Prüfung überflüssig sein; vgl. hierzu auch Hefermehl (Baumbach- Hefermehl, 9. Aufi.

Allg. Einl. A 118), der das RW-Urteil abhängig wissen will von einer Gebotsund Verbotswidrigkeit. 114 Schippel, S . 65 ff. u. 105 f . m Lorenz, JZ 61, 435 ff. m Vgl. unten 6. Kap. I u . 7. Kap. m StoU, AcP 162, 228.

III. Verschiedene Korrekturversuche

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liehen Sinne nach der im Gesetz zum Ausdruck gekommenen Wertung als Einbruch in das Rechts anzusehen sind". Die hauptsächlichen Vertreter dieser Theorie, v. Caemmerer, StolZ, Larenz und Deutsch118, wollen die hergebracht starre Form der Unrechtsindikation nur bei "unmittelbaren Eingriffen" in absolute Rechte und diesen gleichgestellte Rechtsgüter beibehalten. Solche "per se" und "evident" rechtswidrigen Eingriffe sind einmal finale Verletzungshandlung en, Handlungen also, die den eingetretenen Erfolg zielgerichtet und planmäßig herbeigeführt haben. Eingriffe der zweiten Gruppe stehen bei Vereitelung des Besitzrechts eines Eigentümers, Sachbeschädigung- und zerstörung, sowie bei Personenverletzunge n in Frage und liegen nach StolZ dann vor, wenn die Einwirkung "nach den bei Vornahme der Handlung gegebenen objektiven Umständen die notwendige Folge der Handlung ist und nicht erst durch das Dazwischentreten weiterer, vom Täter nicht beherrschter Ereignisse zustande kommt" 119 • Diesen beiden die Rechtswidrigkeit indizierenden Unrechtstypen steht als 3. Typus die Masse derjenigen Verletzungen gegenüber, die nicht schon unter die Gruppen 1 und 2 fallen und bei denen sich Verletzungshandlung und Verletzungserfolg oftmals erst durch eine mehr oder weniger lange, von Willen und Eingriffsmöglichkeiten des Verletzers weitgehend unabhängige Kausalkette zusammenfügen120 • In diesen Fällen muß die Rechtswidrigkeit positiv anhand evtl. verletzter Verhaltenspflichten festgestellt werden121 • Diese Unterscheidungen sollen sich aus dem Wesen des absoluten Rechts ergeben, aus dem weiterhin folge, daß die "neuen" Rechte des § 823 I BGB, das generalklauselartige Allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht am Gewerbebetrieb, denen die notwendige Konturierung der 2. Gruppe eben fehle, nur dem oben genannten 3. Typus angehören könnten, und daß deshalb die Rechtswidrigkeit hier auch immer positiv geprüft werdenmüssem. 118 v. Caemmerer, DJT-Festschrift 49 ff.; ders., Karlsruher Forum 61, 19 ff.; Stoll, AcP 162, 203 ff.; Larenz, Festschrift f. Dölle S. 184 ff., 193; Deutsch, Fahrlässigkeit, S. 228 ff., 282. 119 Stoll, AcP 162, 205, 212 ff., 228. 120 Die genannten Autoren fassen die Unrechtstypen bzw. die Unmittelbarkeit z. T. verschieden auf. Die ob. Darstellung geht vornehmlich auf StolZ zurück, während Larenz auf die "zeitlich-räumliche Distanz", und v. Caemmerer auf den "ausschließlichen Zuweisungsbereich des jeweiligen absoluten Rechts" abhebt, vgl. hierzu genauer Münzberg, S. 331 - 378. 121 Die Verletzung von Verhaltenspflichten verlangen alle vier genannten Autoren. Ganz neu sind diese Gedanken allerdings nicht. Die Rspr. hatte sie in etwa bereits in Entscheidungen zum Recht am Gew. Betrieb unter dem Stichwort "Unmittelbarkeit" -womit allerdings nur die spezielle Unmittelbarkeit des Rechtsam GBetr. ausgesprochen werden sollte- verwendet. Vgl. hierzu unten genauer die Ausführungen zur subjekt. Bedeutung der Unmittelbarkeit, 3. Kap. III 3. 122 Larenz, Schuldr. II, S. 400; v. Caemmerer, Forum 61, 19 ff., der d. Lehre

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2. Kap.: Die Korrektur des Rechts Deutsch, der allerdings die Gefahren der Einbeziehung des Pflicht-

verletzungskriterium s in die Tatbestandsprüfung erkennt123, rechtfertigt die "Unmittelbarkeit"m im eben geschildeten Sinne mit Erwägungen, die er aus der Notwehrregelung entnimmt. Bezugsmoment der Rechtswidrigkeit ist für ihn nicht erst der eingetretene Erfolg, sondern bereits der bevorstehende Eingriff, die gefährliche Annäherung an das Rechtsgut125• Sobald man aus der Sicht des § 227 BGB dem Angegriffenen ein Notwehrrecht zugestehe, sei die Rechtswidrigkeit gegeben. Diese Konstellation aber sei der eigentliche Bedeutungsinhalt des Merkmals "Unmittelbarkeit" 128, während in den Fällen der mittelbaren Verletzung Notwehr schon von vornherein praktisch ausgeschlossen sei127 • Auch diese Meinung ist nicht frei von Bedenken. Einmal ist es nicht befriedigend, daß für die klassischen und die neuen Rechte verschiedene Regeln und Maßstäbe gelten sollen128 • Weiterhin gelangt man auf diese Weise im Rahmen des § 823 I BGB zu zwei verschieden strukturierten Rechtswidrigkeitsbeg riffen, nämlich zu einer indizierten Erfolgsrechtswidrigkeit, die nur einer negativen Überprüfung zugänglich ist, und zu der positiv zu bestimmenden Handlungsrechtswid rigkeitm. Ohne vom schlechthin rechtswidrigen, also "unmittelbaren" Eingriff allerdings auch für Leben, Körper, Gesundheit u. Freiheit nicht mehr anwenden will; hiergegen Stoll, AcP 162, 227. 123 Deutsch, Fahrlässigkeit, S. 222. 124 Der Bezeichnung als solcher steht er wegen ihrer geringen Aussagekraft jedoch skeptisch gegenüber, vgl. S. 282. 1 25 Deutsch, Fahrlässigkeit, S. 216 ff., 228 und 230. 128 Deutsch, Fahrlässigkeit, S. 282. 1 27 Deutsch, Fahrlässigkeit, S. 230. 128 Vgl. zu diesem Einwand auch eingehend Münzberg, S. 333 A 670. 129 Daß man es im Bereich der mittelbaren Verletzungen mit positiver Handlungsrechtswidri gkeit zu tun habe, gesteht Deutsch, Fahrlässigkeit, S. 230 zu. Nipperdey, NJW 67, 1990 meint sogar, in Wirklichkeit hätten sich die Vertreter der Unrechtstypen-Theori e bereits völlig auf die Seite derjenigen geschlagen, die ein reines Handlungsunrecht propagieren: "Die Ansicht, nur eine unmittelbare Rechtsgüterverletzung bzw. nur ein Eingriff (im Gegensatz zur unmittelbaren Verletzung) indiziere die Rechtswidrigkeit der Verletzungshandlung, hat zur Konsequenz, daß in jedem Fall (zumindest implicite) eine positive Feststellung der Rechtswidrigkeit erfolgen muß, weil, um die Unrechtsindikationsform el anzuwenden, nach dieser Ansicht erst ermittelt werden muß, ob die Rechtsgutsverletzung auf einem Eingriff beruht bzw. unmittelbar ist oder nicht." Hiermit geht Nipperdey zu weit. Die Lehre von Stoll, Larenz und v. Caemmerer verlangt - abgesehen von der Verletzung der "neuen" Rechte APR und Recht am Gewerbebetrieb - im einzelnen Fall eine genaue Untersuchung des Verhältnisses von Handlung zum - bereits festgestellten -Erfolg nach dem Grad der Entfernung voneinander bzw. nach der unmittelbaren Kausalität. Ziel dieser Prüfung ist, eine Entscheidung darüber treffen zu können, ob der Eingriff nur "mittelbar" sei und ob somit die Hechtswidrigkeit positiv geprüft werden müsse oder nicht. Demnach kann nicht schon diese Prüfung selbst, auch nicht implicite, eine positive Rechtswidrigkeitsprüf ung darstellen. Anscheinend hält Nipperdey alles, was über die bloße Erfolgsfest~ stellung hinausgeht, schon für positive Rechtswidrigkeitsprüf ung.

III. Verschiedene Korrekturversuche

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irgendwelchen positiven Anhaltspunkt im Gesetz wäre dann also das Verhältnis von Regel und Ausnahme im Rechtswidrigkeitsbereich jeweils entgegengesetzt aufzufassen, ganz abgesehen davon, daß im Falle der Handlungsrechtswidrigkeit Elemente zum Tragen kämen, die die vom Gesetz vorgesehene gesonderte Schuldprüfung überflüssig machen würden. Auf diese Problematik werde ich weiter unten noch genauer eingehen130 ; im vorliegenden Zusammenhang reicht es aus, das dort gefundene Ergebnis vorwegzunehmen, daß nämlich de lege lata § 823 I BGB einen einheitlichen Rechtswidrigkeitsbegriff erfordert und daß den von StolZ, Deutsch u. a. vorgeschlagenen Differenzierungen nur de lege ferenda Gewicht zukommen kann. In bezugauf das geltende Recht spaltet also diese neue Lehre die Unrechtsfeststellung alles in allem doch ziemlich willkürlich in verschiedene und unzusammenhängende Teilbereiche auf. Außerdem sind die Abgrenzungskriterien der Vertreter der neuen Lehre untereinander kaum koordinierungsfähig. Darüber hinaus zeitigt zumindest die Version Stolls in vielen Fällen keine akzeptablen Ergebnisse. Dies zwingt ihn zu einem ebenso unverbindlichen wie dogmatisch unpraktikablen Ausweg. Die Frage, ob z. B. der Namensrechtsinhaber, dessen Namen ein Dritter auf Briefbogen usw. nachdrucken läßt, nicht nur gegen die Druckerei und den Dritten, sondern auch gegen den Papier- und Stromlieferanten der Druckerei einen Unterlassungsanspruch hat, kann er nämlich nur mit folgender Überlegung lösen: der Papier- und Stromlieferant setze zwar eine Ursache für die Verletzung des Namensrechts, gefährde dieses aber nicht rechtswidrig. Denn: "Sein Handeln liegt außerhalb der geschützten Rechtssphäre, auch außerhalb der peripheren Verteidigungszone, die man in rechtspolitischer Wertung analog den gewerblichen Schutzrechten zur Ergänzung des gesetzlichen Schutzes wird anerkennen können" 131 • Speziell gegen StolZ spricht weiterhin noch, daß er mit seinem Unmittelbarkeitskriterium der längst überholten Theorie vom "unmittelbaren Kausalzusammenhang" zu neuem Leben verhilft. Allgemein bedenklich hingegen erscheint mir im Gegensatz zu Nipperdey 182 - das Kriterium der Pflichtverletzung für die nur "mittelbaren" Eingriffe. Ausführlicher werde ich hierzu unten im Rahmen des Kapitels "Normzweck-Inhalt" Stellung nehmen.

6. "GeZegenheitsursache" und "allgemeines Lebensrisiko" Bereits 1898 hat das Reichsgericht133 einen interessanten Versuch zur Haftungsbegrenzung unternommen, wonach die wahren haftungserheb1ao 131 132 133

Vgl. unten S. 162 f. StolZ, AcP 162,217. Nipperdey, NJW 67, 1991. RG 42, 291.

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2. Kap.: Die Korrektur des Rechts

liehen Ursachen von den bloßen Gelegenheits- oder Zufallsursachen, deren Kausalität im Sinne der conditio sine qua non jedoch kaum zu leugnen ist, getrennt wurden. Im Reichsgerichtsfall hatte eine Speditionsfirma äußerst witterungsempfindliche Krempelbeschläge mit der Zusage, sie völlig trocken aufzubewahren, auf Lager genommen. Sie lagerte diese Güter in einem offenen Schuppen zu ebener Erde. Dieser Schuppen wurde durch ein infolge Dammbruchs plötzlich auftretendes Hochwasser überflutet, die Beschläge wurden beschädigt. Das Gericht war der Ansicht, daß die Sorgfaltspflichtverletzung des Spediteurs zwar kausal im natürlichen Sinne für den Schaden geworden sei. Andererseits aber habe sie sich doch nicht in relevanter Weise ausgewirkt. Zwischen Hochwasser und feuchter Witterung bestehe ein grundsätzlicher Unterschied, der den eingetretenen Schaden trotz der Sorgfaltswidrigkeit als Zufall, als Unglück erscheinen lasse. Die Sorgfaltswidrigkeit "erscheint als bloße Gelegenheitsursache, deren Bedeutung sich darin erschöpft, einem bestimmten anderen Ereignisse, der wirklichen Schadensursache, die Wege geebnet zu haben". Dieser Lösungsweg erscheint vertretbar; der Entscheidung des RG kann deshalb zugestimmt werden, wenn auch darauf hinzuweisen ist, daß das Erfinden einer besonderen "Gelegenheitsursache" nicht notwendig gewesen wäre, um den Fall befriedigend zu lösen. Denn im Grunde handelt es sich lediglich um eine conditio sine qua non, der das Element relevanter Gefahrerhöhung, als der Adäquität, fehlt. Insoweit stellt dieses Urteil nur eine frühe und den wesentlichen Kern noch nicht klar genug darstellende Anerkennung der v. Kries'schen Adäquanztheorie im haftungsbegründenden Bereich dar. Jedenfalls ist auf diese Entscheidung aber hier deshalb hinzuweisen, weil jüngst wieder der Bundesgerichtshof diesen Kerngedanken der Adäquanztheorie übersehen und noch nicht einmal den brauchbaren Ausweg des RG gefunden hat, sondern seinerseits nunmehr in vergleichbaren Fällen mit einer neuen Abgrenzung, dem "allgemeinen Lebensrisiko", operieren will. Hierzu wäre vor allem der Sklerose-Fall zu nennen134. Nach einem Verkehrsunfall behandelten die Ärzte eine leichte Gehirnerschütterung des Geschädigten und entdeckten hierbei eine bisher nicht zutage getretene Hirngefäß-Sklerose. Dies führte zur sofortigen und vorzeitigen Pensionierung des Verletzten. Die Pension war erheblich niedriger als das bisherige Gehalt. Der so "Geschädigte" verlangte Ersatz der Differenz, wurde aber im Ergebnis zu Recht abgewiesen, weil derartiges in sein "allgemeines Lebensrisiko" falle. Hier fehlte die Adäquanz sogar noch eindeutiger als im Reichsgerichtsfall, weil der Verkehrsunfall der wirklichen Ursache, der vorzeitigen Pensionierung, der 134 Vgl. BGH NJW 68, 2287; vgl. auch 71, 1982.

III. Verschiedene Korrekturversuche

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Gehirnerkrankung, noch nicht einmal den Weg geebnet, sondern lediglich ihre Erkennungsmöglichkeit gefördert hatte135• 7. Die Theorie Löwischs136 Neue Wege zum Verständnis des Deliktsrechts und des Problems der Haftungsbegrenzung versucht auch Löwisch in seiner Habilitationsschrift aufzuzeigen, indem er die möglichen Eingriffsarten näher analysiert131. Löwisch geht einerseits von der finalen Handlungslehre und zum anderen von der Unterscheidung der subjektiven Rechte in körperliche und unkörperliche aus. Unter die körperlichen Rechte fallen Eigentum, Körper usw., während er zu den unkörperlichen, den immateriellen Rechten, auch "bloße" Forderungsrechte zählt. Er verzichtet damit auf den Begriff "absolutes Recht" in der Form, wie er bisher vor allem als Gegensatz zu nur "relativen Rechten" gesehen worden war138• Für die beiden genannten Gruppen von Rechten stellt Löwisch völlig verschiedene Prinzipien mit der Begründung auf, die körperlichen und damit offenkundigen139 - Rechte hätten gegenüber den unkörperlichen die Besonderheit, in ihrer Substanz verletzt werden zu können. Während er für die immateriellen Rechte entsprechend der finalen Handlungslehre einen gegen das Recht zielgerichteten Eingriff verlangt, bleibt er bzgl. der körperlichen Rechte bei der überkommenen Dogmatik stehen140 : Es sei nämlich klar, "daß der Unrechtstyp der gegen ein Recht gerichteten Handlung den Anwendungsbereich des § 823 I BGB nicht erschöpfen kann. Um die plastischsten Beispiele zu nehmen: wird ein Mensch verletzt oder eine Sache beschädigt, so muß die bloße Verursachung der Verletzung oder Beschädigung, sofern sie fahrlässig geschieht, genügen, um der verletzten Person oder dem Eigentümer der Sache einen Anspruch aus§ 823 I BGB zu geben. Eine auf das-fremdeRecht zielgerichtete Handlung kann nicht verlangt werden'1141 • Denn Vgl. genauer unten S. 150 f. Löwisch, Der Deliktsschutz der relativen Rechte 1970. 137 Löwisch, S. 40. 1as Näheres hierzu Löwisch, S. 17 ff. 139 Löwisch selbst lehnt das Kriterium der Offenkundigkeit jedoch ab (S. 40), da er auf der Handlungsseite differenzieren will. Auf die vor allem von Fabricius vertretene Offenkundigkeitstheorie werde ich im nächsten Abschnitt eingehen. 1a5

138

140

Löwisch, S. 95.

Dies im Gegensatz zu den sonstigen Vertretern der finalen Handlungslehre, die objektive Zielrichtung für die Rechtswidrigkeitsindizierung in jedem Falle o. w. ausreichen lassen, aber auch fordern. Gegen diese Ansicht wendet Stall, AcP 162, 207 ein, daß dann der Heizer, der ohne Sorgfaltswidrigkeit gestohlene Kohlen verheize - wie sollte er ihnen auch die Eigentumsverhältnisse ansehen können! - nicht rechtswidrig handle, was sicher nicht 141

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2. Kap.: Die Korrektur des Rechts

"im Unterschied zu den Immaterialgütern, zu denen man im jetzigen Zusammenhang auch die Leistungserwartung eines Gläubigers rechnen kann, ist bei den körperlichen Rechten eine Verletzung der Substanz möglich und sogar die im Vordergrund stehende Verletzungsform. Daß aber Körper- und Gesundheitsschäden stets, und daß Verletzungen der Substanz einer Sache in der Regel repariert werden müssen, leuchtet schon wegen der Unsubstituierbarkeit jener und der immerhin regelmäßig gegebenen Knappheit dieser Güter unmittelbar ein. Die Kosten dafür dann dem auch nur fahrlässigen Verursacher der Beschädigung aufzuerlegen, erscheint billiger als sie den Rechtsinhaber tragen zu lassen"142. Für alle Immaterialgüterverletzungen verlangt Löwisch dagegen ein gegen das Recht zielgerichtetes Handeln. Die Zielrichtung kann sich hierbei aus objektiven oder subjektiven Kriterien ergeben. Unvorsätzliche Begehungsweise erkennt er nur bei echter objektiver Zielrichtung an. In allen anderen Fällen jedoch verlangt er Vorsatz. Um die vorsätzliche Begehungsweise erfordernden Eingriffe von denen mit objektiver Zielrichtung unterscheiden zu können, hat Löwisch die Verletzungshandlungen in drei wertmäßig differenzierte Verletzungsarten aufgegliedert: die Fälle "unbefugter Rechtsausübung" 143, "rein negative Eingriffe" 144 und "mittelbare Verletzungen" 145. Erstere sind unproblematisch, da die unbefugte Ausübung eines fremden Rechts immer "dem objektiven Sinne nach" als Ziel das Recht des anderen hat. Bei den beiden anderen Fallgruppen jedoch, denen diese in der Sache selbst liegende Zielrichtung fehlt, ist Vorsatz notwendig. Wo sich der Verletzer selbst als Rechtsinhaber geriert, bewegt er sich stets im Schutzbereich des wahren Berechtigten. Wo er nur negativ einwirkt, kann dies auch nur scheinbar ein Eingriff in den Schutzbereich des Rechts sein, in Wahrheit aber eine Beeinträchtigung der aus dem Schutzbereich des Rechts fallenden Handlungsfreiheit des Rechtsinhabers148• Löwisch resümiert daher147 : "eine Fahrlässigkeitshaftung läßt sich nur begründen, soweit die Verletzungshandlung in einer unbefugten Rechtsausübung besteht, da nur diese sich auch ihrem objektiven Sinn nach gegen das Recht des Betroffenen richtet. Bei rein negativen Eingriffen muß meist erst die subjektive Zielrichtung richtig sein könne. Löwisch könnte den Angriff Stolls mit dem Hinweis auf seine Ausnahme bei körperlichen Gütern parieren, die anderen Finalisten dagegen nicht. Hier zeigt sich ein deutlicher Vorteil der abgeschwächten finalen Handlungslehre i. S. von Löwisch. u2 Löwisch, S. 98 ff. 143 Löwisch, S. 77 ff. tu Löwisch, S. 84 ff. us Löwisch, S. 88 ff. 148 147

Löwisch, S . 86. Löwisch, S. 87.

III. Verschiedene Korrekturversuche

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gegen das Recht, und das heißt (sieht man von der Frage des Rechtswidrigkeitsbewußtseins ab): der Vorsatz, diese unmittelbare Beziehung der Handlung zum betroffenen Recht herstellen."

Löwischs Theorie kann in vielem nicht überzeugen. Abgesehen von den allgemeinen Einwänden gegen die finale Handlungslehre148, auf die ich hier nicht weiter eingehen will, erscheint es mir nämlich vom Grundsätzlichen her doch fraglich, ob diese Theorie dem Wesen des§ 823 I BGB noch gerecht werden kann. § 823 I BGB soll den ihm unterfallenden Rechtsgütern einen einheitlichen und klar faßbaren Schutz geben. Wenn man auch infolge der Mannigfaltigkeit der Fallkonstellationen im Rahmen des § 823 I BGB immer zu Differenzierungen genötigt bleiben wird, so darf doch das Prinzip des § 823 I BGB nicht leichthin über Bord geworfen werden, solange man sich auf der Grundlage des geltenden Rechts und das will Löwisch nach seinem Vorwort - zu bewegen vorgibt149 • Löwisch stellt, je nach Art des verletzten Rechtsguts, nach Art der Verletzungshandlung und nach der seiner Ansicht nach hierzu jeweils gehörenden Schuldform, völlig verschiedene tatbestandliehe Voraussetzungen auf. Hiermit wird jedoch § 823 I BGB zu stark relativiert. Außerdem ist Löwisch m. E. insoweit einem Irrtum zum Opfer gefallen, als er meint, nur körperliche Rechte könnten in der Substanz verletzt werden. Der Begriff "Substanz" schließt keinesfalls denkgesetzlich notwendig die Bezugnahme auf immaterielle Rechte aus. Abgesehen davon, daß es sich insoweit immer um eine Definitionsfrage handelt, steht zumindest der "Substanz" die "Existenz" der unkörperlichen Rechte wertmäßig gleich. Die Substanz der unkörperlichen Rechte ist im Endeffekt jedenfalls ihre Existenz als solche. Die Existenz z. B. einer Forderung kann aber nicht nur durch ihre Einziehung - somit zielgerichtet - beseitigt werden, sondern auch ungezielt, z. B. durch Zerstörung des körperlichen Gegenstands, auf den sich die Forderung richtet, durch irgendwelche Dritte150 • Ein Pfandrecht kann irgendwie zum Erlöschen gebracht, ein Unternehmen im Wettbewerb vernichtet werden. Alle derartigen Fälle kann 148 Ein wesentliches Bedenken gegen die Obernahme der finalen Handlungslehre in das Zivilrecht hat Weitnauer, Jur. Jahrb. 4, S. 237 f . folgendermaßen formuliert: "Das BGB versteht unter ,Vorsatz' nur eine innere Einstellung, die außer der bewußten Verwirklichung des Tatbestandes auch das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit der Verletzung einschließt." - Bei der finalen Handlungslehre dagegen wäre Vorsatz auch bei Irrtum über die Rechtswidrigkeit gegeben (so auch Esser, Lehrbuch 2. Aufl., S. lg.7). Weiterhin bleibt zu bedenken, was auch in der strafrechtlichen Diskussion immer wieder betont worden ist, daß der finalen Handlungslehre die - bei weitem überwiegenden - Fahrlässigkeitsfälle immer noch erhebliche dogmatische Schwierigkeiten bereiten. 149 Grundsätzlich positiv gegenüber den Vorschlägen Löwischs äußert sich dagegen Konzen, AcP 171, 536 in einer Besprechung der Monographie. 150 Mit der Folge der nicht zu vertretenden Unmöglichkeit zur Leistung des Vertragsgegners.

2. Kap.: Die Korrektur des Rechts

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Löwisch bestenfalls unter seine "rein negativen Verletzungen" einordnen, die seiner Meinung nach Vorsatz verlangen. Dies würde aber- geht man von der Gleichwertigkeit von Substanz und Existenz aus - mit seiner Begründung151 für die bevorzugte Behandlung der körperlichen Güter, diese seien unsubstituierbar oder doch regelmäßig knapp, und deshalb verlange es schon die Billigkeit, daß ihr Verlust immer ersetzt würde, in Widerspruch stehen. Denn wieso sollte die Möglichkeit, einen gleich günstigen Vertrag abzuschließen, einen Gewerbebetrieb aufzubauen oder ein Pfandrecht zu erwerben, weniger knapp sein152 ? 8. Die Meinung von Fabricius Während Löwisch versucht, durch Differenzierungen auf der Verletzerseite zu billigenswerten Ergebnissen zu kommen, beschreitet Fabricius153 den entgegengesetzten Weg. Er setzt am Rechtsgut an, indem er den Begriff des "absoluten Rechts" sowie dessen Anwendungsfälle mit Hilfe des objektiv-subjektiven Merkmals der "Offenkundigkeit" zu bestimmen sucht. Sozialtypische Offenkundigkeit eines Rechtsguts liegt nach Fabricius154 dann vor, "wenn von einem für den Durchschnittstypus des Rechtsgenossen allgemein sinnlich wahrnehmbaren Gegenstand aufgrund unserer Sozial- und Kulturauffassung selbstverständlich, d. h. durch einfache, überwiegend auf Erfahrung und Gewohnheit beruhende Gedankenreflexion, auf das Rechtsgut geschlossen wird." So löse z. B. der Anblick einer verkehrsfähigen Sache sozialtypischerweise die Gedankenreflexion aus, daß sie im Eigentum einer Person stehe, die sinnliche Wahrnehmung eines Menschen diejenige, daß dieser ein geschütztes Interesse an seinem Körper, seiner Gesundheit, Freiheit und Ehre habe. Für den "komplexen Begriff" des Gewerbebetriebs ergäbe sich dann folgendes: wenn auch die Eingriffe in die Substrate zwar immer eine Verletzung des Unternehmens darstellten, so ginge der Schutzbereich des § 823 I BGB für den Gewerbebetrieb dennoch nur soweit, als das Unternehmen als Einheit durch die verletzten Substrate sozialtypisch offenkundig sei. Es sei jeweils zu fragen, ob von dem im Einzelfall verletzten Betriebsbestandteil bzw. -zubehör sozialtypischerweise auf die Verletzung der organisatorischen Einheit geschlossen werden könne, ob mit anderen Worten ein Gegenstand beim Durchschnittstypus der Rechts151 Löwisch, S. 98.

152 Abgesehen davon, daß es insgesamt eine seltsame Begründung ist, wegen der Knappheit eines Gutes seinen Rechtsträger stärker schützen zu wollen als den Inhaber eines weniger knappen Gutes. 15 3 Fabricius, AcP 160, 273 ff. und JuS 61, 151 ff. 154 Fabricius, JuS 61, 151, 153.

III. Verschiedene Korrekturversuche

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genossen die Gedankenreflexion auslöse, dieser gehöre zur Organisation eines Gewerbebetriebs. Löwisch155 wendet gegen Fabricius' Theorie ein, man müsse, wenn man mit dem Kriterium der Offenkundigkeit ernst machen wolle, einen Großteil bislang anerkannter absoluter Rechte wegen mangelnder Offenkundigkeit aus dem § 823 I BGB ausgliedern. Vor allem gelte dies für dingliche Verwaltungs- und Nutzungsrechte156• Dieser Einwand ist nicht unrichtig. Auch wenn man - was zweifelhaft erscheint - annehmen könnte, daß die dinglichen Rechte lediglich inhaltliche Abspaltungen des Eigentumsrechts sind und daß sie deshalb immer dadurch potentiell "miterkannt" werden, daß das Eigentum erkannt wird, käme man dennoch nicht darüber hinweg, daß man insoweit diese Rechte doch niemals für sich, also als abgespaltene Sonderrechte eines mit dem Eigentümer nicht identischen Dritten erkennen kann. Dennoch scheint mir dieser Einwand für eine definitive Ablehnung allein noch nicht ausschlaggebend zu sein. Bedenklicher sind aber die Folgerungen, die Fabricius aus seiner Theorie für das besondere Recht am Unternehmen zieht157• Er glaubt nämlich, das Korrektiv des Bundesgerichtshofs, die Unmittelbarkeit, dadurch ersetzen zu können, daß er in jedem konkreten Falle, in dem ein Gewerbebetrieb als solcher - indirekt - durch die Verletzung eines Bestandteils betroffen worden ist, feststellt, ob der verletzte Bestandteil den dahinterstehenden Gewerbebetrieb sozialtypisch offenkundig zu machen geeignet ist. Einmal widerspricht er hier wohl seiner anderen Orts geäußerten These158, es käme nicht auf den konkreten Einzelfall an, ob das Rechtsgut erkennbar sei oder nicht, sondern nur auf die typische regelmäßige Offenkundigkeit. Zum anderen aber ist es schwerlich möglich, die Vielzahl der anstehenden Probleme lediglich mit einer kleinen Differenzierung im Rechtsgutbereich zu lösen. Jedenfalls aber hat Fabricius einen wertvollen Gedanken entwickelt, der, wie weiter unten noch nachzuweisen sein wird159, unter anderem Vorzeichen für das Verständnis des objektiven Tatbestands des § 823 I BGB von erheblicher Bedeutung sein kann.

1s;;

Löwisch, S. 41 ff., 44.

Aber auch z. B. für die Ehe, denn diese sei äußerlich nur am Ehering erkennbar, den jedoch auch nicht Verheiratete, z. B. Verlobte, tragen würden, während viele Eheleute auf dieses äußerliche Symbol verzichteten. Hiergegen bemerkt Fabricius (AcP 160, 320) allerdings mit Recht, daß es nach seiner Theorie nicht auf die Off·enkundigkeit im Einzelfalle, sondern auf die durchschnittliche, regelmäßige, ankäme. 157 Fabricius, JuS 61, 151 ff. 158 Fabricius, AcP 160, 292 A 74. t5u Vgl. unten 4. Kap. II 4. 156

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2. Kap.: Die Korrektur des Rechts

9. Die Meinung Giesekes

Gieseke versucht, die Problematik des Rechtsam Unternehmen sowie der diesbezüglichen Haftungsbeschränkung dadurch zu lösen, daß er § 823 I BGB für unanwendbar erklärt und auf Absatz II übergeht166 • Im Rahmen des § 823 II BGB ist es natürlich wenig problematisch, alle unbilligen Entscheidungen durch entsprechende Interpretation der erforderlichen Normzweckverbindung von Pflichtverletzung und Erfolg zu vermeiden161 • Die Schwierigkeit dieser Lösung besteht in den fehlenden Schutzgesetzen auf außerwettbewerblichem Bereich. Gieseke sucht dem dadurch Rechnung zu tragen, daß er die "allgemeinen Grundsätze, die unser soziales Leben beherrschen, als Schutzgesetze" ansieht162, "selbst wenn sie nicht durch Bestimmungen des Grundgesetzes oder in anderer Weise fixiert sind, vielmehr erst erschlossen werden müssen." Als positivrechtliche Stütze zieht er Art. 2 EGBGB heran, "der jede Rechtsnorm unter den Begriff des Gesetzes fallen läßt, ... - vorausgesetzt, daß man sich nicht durch eine positivistische Einstellung von vornherein diese Möglichkeit verbaut." Dieser Versuch, jeden, der diese kühne Schutzgesetzkonstruktion ablehnt, vorsorglich als "Positivisten" abzuqualifizieren, macht die Theorie jedoch nicht überzeugender. Sicherlich erfaßt Art. 2 EGBGB mit der Formulierung "Gesetze" sämtliche Rechtsnormen, aber eben auch nur diese. Allgemeine soziale Grundsätze sind keine Rechtsnormen. Mit der gleichen Berechtigung müßten anderenfalls auch die jeweils herrschenden Moralprinzipien als "Gesetze" angesehen werden. Respice finem! Allgemeine soziale und moralische Grundsätze sind - solange sie der Gesetzgeber nicht zu echten Rechtsnormen erhoben hat, was er sicherlich könnte - nichts anderes als aus der Erfahrung zu entnehmende, das Zusammenleben tatsächlich beherrschende Übungen oder Maximen, denen nur im Bereich von Generalklauseln wie§ 242 BGB usw. rechtliche Bedeutung zukommen kann. In § 823 II BGB ist für sie kein Raum. Eher könnte man noch daran denken, die einzelnen von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Recht am Unternehmen als Gewohnheitsrecht anzusehen163• Aber auch dies wäre nicht bedenkenfrei, weil die Rechtsprechung des ausgehenden Reichsgerichts und die des Bundesgerichtshofs die früher entwickelten Grundsätze bekanntlich wieder weitgehend in Frage gestellt hat, so daß es insoweit bereits an der für gewohnheitsrechtliche Geltung erforderlichen Tradition und Kontinuität mangelt. 160 1 61

162 163

Gieseke, GRUR 1950, 298 ff., 310 f.

So auch Reinhardt, Karls. Forum 61, 11.

Zustimmend Reinhardt, Karls. Forum 61, 11. Das Recht selbst ist zweifellos gewohnheitsrechtlich anerkannt.

III. Verschiedene Korrekturversuche

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10. Die Meinung Völps

Wieder anderen Vorstellungen folgt V ölp16\ der sich im Ausgangs:punktmit Gieseke in der Ablehnung des Rechtsam Gewerbebetrieb als eines absoluten Rechts einig weiß. Er meint, daß man bei der Frage des Schutzes des Unternehmens zu einer befriedigenden Abgrenzung nur kommen könne durch eine sog. "qualitative Methode", d. h. durch eine Bewertung der beanstandeten Handlungen ohne Rücksicht auf ihre Wirkung165. Die Meinung Giesekes, die Rechtsprechung solle die allgemeinen Grundsätze des sozialen Zusammenlebens erforschen und aus ihnen entsprechende Normen entwickeln, hält er für überflüssig, weil es angebrachter sei, auf außerwettbewerblichem Gebiet mit Analogien zu § 14 UWG und § 824 BGB zu arbeiten und im übrigen § 823 li BGB, evtl. in Verbindung mit§§ 185 ff. StGB, anzuwenden166. Völp sieht somit das Recht am Gewerbebetrieb betont von der Wettbewerbsseite her und faßt die außerwettbewerbliehen Schädigungsmöglichkeiten deshalb anscheinend nur als mehr oder weniger unbedeutendes Anhängsel auf. Gerade hierin liegt aber sein entscheidender Fehler, denn auch und gerade im außerwettbewerbliehen Bereich hat das Recht am Unternehmen immer mehr an Bedeutung gewonnen. Durch die einseitige Herausstellung der Wettbewerbskollisionen wird die Bedeutung des Unternehmensschutzrechts verzerrt. Hierauf soll im Augenblick jedoch nicht näher eingegangen werden, da weiter unten167 zu zeigen sein wird, daß man, verzichtet man auf die ungerechtfertigte Dominanz des Wettbewerbsrechts bei der dogmatischen Untersuchung188, kaum umhin kann, das Recht am Gewerbebetrieb bei genauerer Betrachtung der Aufgaben des Deliktsrechts und speziell des § 823 I BGB als echten, legitimen und sogar notwendigen Schutzgegenstand desselben anzuerkennen.

Nicht eingegangen wurde bisher auf diejenige Theorie, die bereits seit 1900 von Rechtsprechung und Literatur zur Haftungsbegrenzung beim

1M Völp, WuW 56, 31 ff. 165 Völp, S. 43; zustimmend, allerdings ohne eigene Begründung, Reuß, AcP 156, 103; gerade umgekehrt meint Hefermehl (Komm. z. UWG, ausdrücklich schon in der 7. Auf!.. Allg. Einl. A 53, sinngemäß desgleichen in den neueren Auflagen), daß es vornehmlich auf die "Wirkung des Eingriffs auf den Tätigkeitsbereich" ankomme. Dies heißt im Grunde jedoch nichts anderes, als daß die Essentialia des Gewerbebetriebs betroffen sein müssen. Die Verletzung abziehbarer Einzelgüter reicht nicht aus, es sei denn, der dahinterstehende Betrieb, das "Fonctionnement", sei mitverletzt. Eine echte Haftungsbeschränkung folgt hieraus nicht. Diese will Hefermehl vielmehr durch positive Rechtswidrigkeitsprüfung erreichen. t6s

Völp, S. 35, 36, 39.

167 Vgl. unten 4. Kap. II u. IV. 168 Diese sollte sich im übrigen nicht zu stark an der statistischen Häufigkeit der Fälle oder Fallgruppen orientieren.

62

2. Kap.: Die Korrektur des Rechts

Recht am Gewerbebetrieb herangezogen wurde: Das Kriterium der sog. "Unmittelbarkeit". Deren Untersuchung ist dem nächsten Kapitel vorbehalten.

3. Kapitel

Die Unmittelbarkeit I. Die Problematik des Unmittelbarkeitskriteriums im allgemeinen Die Rechtsprechung hat sich keinen der vorstehend dargestellten Korrekturversuche zu eigen gemacht. Vielmehr hat sie schon früh für das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ein spezielles Korrektiv, die sog. "Unmittelbarkeit", entwickelt. Bei diesem Begrenzungsversuch handelt es sich ausschließlich um eine Einschränkung im Rahmen der sog. haftungsbegründend en Kausalität\ also im objektiven Tatbestand. Die heute gültige Bedeutung des Unmittelbarkeitskrit eriums hat der Bundesgerichtshof erstmals im berühmten Constanze-UrteiP fixiert. Als unmittelbar soll danach nur der Eingriff anzusehen sein, der sich "irgendwie gegen den Betrieb als solchen richtet, der betriebsbezogen" ist. Die Betriebsbezogenheit verlangt, daß Betriebsbestandteile betroffen worden sind, die vom Betrieb nicht - zumindest nicht ohne weiteres - ablösbar erscheinen3 • 4 • Mit Hilfe dieser Definition wurden vor allem die Stromkabelfälle abschlägig entschieden, während der Bundesgerichtshof die- im weitesten Sinne zu verstehende- Trennung des Betriebs von seiner Kundschaft in aller Regel als betriebsbezogen ansah5 • Dies ist nicht o. w. verständlich, 1 Zum Unterschied zwischen haftungsbegründender und haftungsausfüllender Kausalität vgl. z. B. Esser, Schuldrecht § 60, 1; Enneccerus- Nipperdey,

§ 280 A li a; Soergel- Siebert, zu§§ 249- 253 A 14, 16. 2 BGH 3, 272 ff. (Constanze I) 3 BGH LM § 823 (Da.) Nr. 4 (Rückerstattung); BGH 8, 394 (Fernsprechnummer); 24, 200 (Spätheimkehrer); 29, 65 (Kabelbruch I); 41, 123 (Küken); 52, 393 (Photowettbewel'b); NJW 70, 378 (Sportkommission); GRUR 71 , 46 (Bubi Scholz); OLG Düss GRUR 70,248 (Fabrikationsnummer). 4 Hieraus ergibt sich, daß die Unmittelbarkeit im Sinne der Rechtspr. nichts mit der Unmittelbarkeit im Sinne von StolZ, Larenz und v. Caemmerer zu

tun hat. StoU nennt "unmittelbar" solche Eingriffe, die ohne weitere Zwischenursache den Erfolg herbeiführen. Larenz grenzt nach der "zeitlich-räumlichen Distanz" ab und v. Caemmerer hat den "unmittelbaren Zuweisungsbereich des Rechtsguts" im Auge; vgl. oben 2. Kap. III 5, sowie Todt, S. 119. Diese Unterschiede verkennt anscheinend Glückert, AcP 166, 319 A 25. 5 BGH 23, 157 ff.

3. Kap.: Die Unmittelbarkeit

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wenn man die eben zitierten Abgrenzungen wortwörtlich nimmt. Sicherlich ist die "Kundschaft" als solche ein integrierter Bestandteil eines jeden Unternehmens. Ein nicht werbendes Unternehmen würde das Merkmal "ausgeübt" nicht mehr erfüllen. Aber sind auch die einzelnen Kunden oder eine Mehrzahl von ihnen unabziehbare Betriebsbestandteile? Sicherlich nicht. Denn kein Gewerbetreibender hat im Grunde ein Recht auf bestimmte Abnehmer seiner Waren oder Dienstleistungen. Deutlich wird dies im Fall von BGH 23, 157 ff: Einer Gaststätte war die "Laufkundschaft" dadurch "entzogen" worden, daß sie durch vor ihrer Front aufgeschlagene Bauhütten dem direkten Blick der Passanten entzogen worden war. Die Gaststätte lag zwar verkehrsgünstig, war jedoch auf Laufkundschaft nicht angewiesen, weil sie "überwiegend", wie die Entscheidung sagt, Stammkundschaft mit Mahlzeiten versorgte. Entzogen wurde ihr also nur der Teil der Kundschaft, bezüglich dessen sie keineswegs eine bereits gesicherte Absatzbasis hatte, auf den sie vielmehr nur wegen ihrer verkehrsgünstigen Lage und aufgrundstatistischer Wahrscheinlichkeit rechnen konnte. Ist dieser Teil der Kundschaft wirklich ein "unabziehbarer Betriebsbestandteil"? Der Bundesgerichtshof führt aus: "Die Beeinträchtigung des vorüberflutenden Personenverkehrs kann bereits eine Beeinträchtigung der gewerblichen Tätigkeit bedeuten. . .. Zum Gewerbebetrieb gehören nach heutiger Auffassung nicht nur die Betriebsgrundstücke und -räume, sowie die Einrichtungsgegenstände, die Warenvorräte und die Außenstände; dazu gehören auch geschäftliche Verbindungen, Beziehungen, der Kundenstamm, kurz alles, was in seiner Gesamtheit den wirtschaftlichen Wert des konkreten Betriebes ausmacht . . . Bei wirtschaftlich wertender Betrachtungsweise umfaßt der Gewerbebetrieb auch den durch die (besonders verkehrsgünstige) Lage entstandenen Kontakt "nach außen" ... , wenn der Betriebsinhaber sich darauf verlassen kann, daß der Zustand, der die Möglichkeit bietet, Laufkundschaft zu gewinnen, auf die Dauer erhalten bleibt." An diesen Ausführungen fällt zunächst auf, daß der Bundesgerichtshof hier anscheinend solche Betriebsbestandteile, die er an anderer Stelle als "ohne weiteres abziehbar" bezeichnet', wie z. B. Einrichtungsgegenstände, Gebäude usw. mit den ansonsten als unabziehbar bezeichneten "geschäftlichen Beziehungen und Verbindungen" gleichstellt. Des weiteren zeigt sich, daß es dem Gericht vor allem auf die "verkehrsgünstige Lage" ankommt, da nur aufgrund dieser Erwägung der angebliche "Anspruch auf die Laufkundschaft" verständlich wird. Gemessen an den anläßlich der Stromkabelfälle aufgestellten Prinzipien ist aber auch die verkehrsgünstige Lage kein ausreichender "unabziehbarer Bestandteil". 6

BGH 29, 65 ff.

I.

Das Unmittelbarkeitskriterium im allgemeinen

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Denn "Lage" bedeutet Standort der Betriebsstätte, mithin des Betriebsgebäudes. Das Gebäude selbst aber wurde bisher nicht als unabziehbar anerkannt. Es scheint deshalb bei derartiger Argumentation durchaus möglich, daß der Bundesgerichtshof aus dem rechtlichen Gesichtspunkt des Rechtsam Gewerbebetrieb abschlägig entschieden hätte7 , wenn das Haus als solches irgendwie beschädigt worden und dadurch zeitweilig gänzlich unbenutzbar gewesen wäre. Eine ungereimte Unterscheidung! Das an sich richtige und billigenswerte Ergebnis von BGH 23, 157 macht daher allein schon in der Gegenüberstellung mit BGH 29, 65 deutlich, daß das Unmittelbarkeitsmerkmal in der von der Rechtsprechung gewählten Form - konsequent angewandt - kein geeignetes Abgrenzungskriterium sein kann. Hinzu kommt aber noch, daß der Bundesgerichtshof in einer späteren Entscheidung8 die Haftung wegen fehlender Unmittelbarkeit abgelehnt hat, als einer Gaststätte durch Bau einer neuen Bundesstraße wiederum die Laufkundschaft entzogen worden war. Zwar blieb die alte Straße bestehen, jedoch war die Zufahrt zu ihr von der neuen Bundesstraße aus kompliziert und anscheinend auch gefährlich. Diesmal erwähnte der Bundesgerichtshof die "wirtschaftlich wertende Betrachtungsweise" mit keinem Wort, sondern bezeichnete ohne weitere Erörterung die Laufkundschaft - der in diesem Falle sogar keine nennenswerte Stammkundschaft gegenüberstand - schlicht als nichtgeschützte Gewinnchance. Den Hinweis des Landgerichts in erster Instanz9 , wenn bereits vorübergehende tatsächliche Entziehung der Kundschaft ausreiche, dann jedenfalls auch endgültige, tat der Bundesgerichtshof mit der Bemerkung ab, in den vom Landgericht zitierten Fällen habe es sich um "rechtswidrige" Entziehung gehandelt, hier jedoch um rechtmäßige. In letzterem wäre dem Bundesgerichtshof wohl zu folgen. Was aber hat die Frage der Rechtswidrigkeit mit der Frage der Unmittelbarkeit zu schaffen? Soll "unmittelbar" danach nur der rechtswidrige Eingriff sein? Wo wäre die Unmittelbarkeit demgemäß zu prüfen? Wenn im Bereiche der Rechtswidrigkeit, würde dies der sonstigen Prüfungsfolge des Bundesgerichtshofs, wonach die Unmittelbarkeit ein Problem des objektiven Tatbestands ist, eindeutig widersprechen; wenn im objektiven Tatbestand, würden dieser und die Rechtswidrigkeit unentwirrbar miteinander vermischt. Was steckt in Wahrheit hinter dem Begriff "Unmittelbarkeit"? An welcher Stelle im dreiteiligen Deliktsaufbau soll das Merkmal schließlich eingesetzt werden? Eine Abfolge von Unklarheiten! Dies soll an einem anderen Beispiel verdeutlicht werden: Ein Arbeitgeber 7 8 9

Nicht natürlich aus den Gesichtspunkten Eigentum oder Besitz. BGH NJW 67, 1752 f. Es handelte sich um Sprungrevision.

5 Preusche

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3. Kap.: Die Unmittelbarkeit

stellte einem ausscheidenden Arbeitnehmer ein viel zu positives Zeugnis aus. Im Vertrauen auf die Richtigkeit der Zeugnisangaben wurde dieser vom neuen Arbeitgeber mit einer viel zu qualifizierten Position betraut, versagte dort und verursachte erheblichen Schaden. Das Oberlandesgericht Hamburg10 hat den Schadensersatzanspruch des neuen Arbeitgebers gegen den alten abschlägig entschieden. Dennoch ist gerade hier, wie auch v. Caemmerer zugibt1\ kaum zu leugnen, daß ein derartiges Verhalten des alten Arbeitgebers jedenfalls "betriebsbezogen" ist. Noch klarer wird die Ungeeignetheit des Unmittelbarkeitskriteriums durch einen Vergleich des eben schon erwähnten Urteils des Bundesgerichtshofs im 29. Band und einer Entscheidung des Oberlandesgerichts München12 • Beide Urteile befaßten sich mit "Stromkabelfällen". Der Bundesgerichtshof hatte über den Ersatzanspruch eines Betriebs zu befinden, der dadurch für einige Zeit lahmgelegt worden war, daß ein Baggerunternehmen beim Baggern ein unterirdisches Stromkabel, das den Betrieb des Klägers versorgte, beschädigt hatte. Im Fall des Oberlandesgerichts hatte ein LKW ein Kabel, das Baumaschinen den Strom zuführte, beim Verlassen der Baustelle heruntergerissen. Während der Bundesgerichtshof wegen fehlender Unmittelbarkeit abwies, gab das Oberlandesgericht München statt, weil hier durch die räumliche Nähe von Kabel und Baustelle ein "besonderer Fall" vorläge, der die Abweichung von der sonstigen Rechtsprechung rechtfertige. Kann diese räumliche Nähe aber einen unwesentlichen, o. w. abziehbaren Bestandteil zum unabziehbaren machen? Hat die "Unmittelbarkeit" einen klaren, abstrakt bestimmbaren oder nur einen unbestimmten generalklauselartigen Inhalt, der durch Kasuistik ausgefüllt werden muß? Schließlich hat der Bundesgerichtshof in einem dritten Stromkabelurteil, dem Geflügelzuchtfall" 13 durch die Leitungsbeschädigung wurde der Brutprozess der Öfen einer angeschlossenen Geflügelzüchterei zeitweise unterbrochen, die Küken gingen ein - einen Ersatzanspruch nur wegen Eigentumsverletzung anerkannt. Tatsächlich unterschieden sich BGH 29, 65 und BGH 41, 123 also lediglich dadurch, daß im letzteren Fall Eigentum mitbeschädigt wurde, im ersteren dagegen "nur" die Produktion ausfiel. Abgesehen davon, daß der Fall BGH 29, 65 für sich betrachtet auch aufgrund der hier vertretenen Meinung14 als richtig entschieden angesehen werden muß, wird hier ein weiterer Mangel der Un10 11

OLG Harnburg NJW 56, 348 f.

v. Caemmerer, DJT-Festschrift S. 97.

12 OLG Mü. BB 64, 661; das OLG anerkannte die Anspruchsgrundlage "Recht am Gewerbebetrieb" ausdrücklich neben der ebenfalls bejahten Anspruchsgrundlage "Besitz". 13 BGH 41, 123. 14 Vgl. unten 7. Kap. III 3.

I. Das Unmittelbarkeitskriterium im allgemeinen

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mittelbarkeitstheorie offenbar: "bloße" Produktionsstillegungen müßten -soweit sich das Gericht im Einzelfall nicht dazu durchringt, ausnahmsweise einen "besonderen Fall" anzuerkennen - immer als mittelbar qualifiziert und die Ersatzverpflichtung somit abgelehnt werden, falls nicht zufällig Eigentumsgegenstände mit betroffen würden15• Hat also der Schädiger Glück, dann legt er "nur" eine Maschinenfabrik still, die mit ihrem Produktionsausfall selbst fertig werden muß. Hat er Pech, dann versorgte das unterbrochene Kabel eine Champignon-Zucht oder das Treibhaus einer Gärtnerei. Daß der Schaden absolut wie auch relativ bei der Maschinenfabrik wahrscheinlich wesentlich höher ist, liegt auf der Hand. Im Zeitalter der voll- oder zumindest halbautomatischen Anlagen, die nach einem Stillstand erst in komplizierten Arbeitsgängen wieder synchron geschaltet werden müssen, sowie unter Berücksichtigung nicht mehr einhaltbarer Liefertermine usw. kann schon bei kurzen Stromausfällen immenser Schaden entstehen. Es mutet einigermaßen weltfremd an, wenn der Bundesgerichtshof beschwichtigend meint, der Produktionsausfall sei halb so schlimm, "nach Wiederherstellung der Stromzufuhr könne die Produktion am alten Punkte wiederaufgenommen werden und- wenn auch nach Zeitverlust - zu Ende geführt werden" 1~. Wo bleibt hier die "wirtschaftlich wertende Betrachtungsweise"17? Mit derartigen Begründungen kann die Rechtsprechung ihrer vielleicht wichtigsten Aufgabe, das positive Recht an die Veränderungen der Umwelt zweckgerecht anzupassen, sicherlich nicht gerecht werden. Der Vorwurf WiethöLters 18, hier würde reine "Scholastik" betrieben, ist vollauf gerechtfertigt und findet erneut seine Bestätigung durch die jüngste Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Um nicht zugeben zu müssen, daß die Unmittelbarkeitsformel bei den Stromkabelfällen zum Scheitern verurteilt ist, und um diesen plakativen Begriff nicht aufgeben zu müssen19, ergreift der Bundesgerichtshof nunmehr nämlich dankbar den vom Landesgesetzgeber (!) gereichten Strohhalm eines landesgesetzlichen Schutzgesetzes und erklärt sofort bedenkenlos Betriebsstillegungen durch Stromkabelbeschädigungen aus dem Gesichtspunkt des § 823 II BGB heraus für ersatzfähig20 • Dies nimmt um so mehr Wunder, als •• Diesen Widersinn geißelt auch Schrauder, S. 222, der - im Gegensatz zu Neumann-Duesberg, NJW 68, 1990- derartige Unterschiede bereits vom Konstruktiven her ablehnt. 16 BGH 41, 123 ff. 17 BGH 23, 157 ff. 18 Wiethölter, Kritische Justiz 1970 Heft 2, S. 130. 19 Baumbach - Hefermehl, Allg. Einl. A 118 hält den Begriff zumindest für überflüssig. 20 BGH BB 68, 485 = NJW 68, 1280; vgl. hierzu Neumann-Duesberg, NJW 68, 1990 sowie bestätigend weiter BGH VersR 69, 542, ablehnend das BayOLG

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3. Kap.: Die Unmittelbarkeit

die Ausführungen des Bundesgerichtshofs zum Schutzzweck, der in § 823 II BGB immer zu beachten ist, dürftig sind. Das Urteil kommt über die bloße Behauptung, der als Schutzgesetz herangezogene § 13 II BauO NW schütze "naturgemäß" nicht nur die Allgemeinheit, sondern auch den einzelnen Stromabnehmer vor den typischen Gefahren einer Stromleitungsbeschädigung, nicht hinaus. Es sei deshalb "nicht einzusehen, daß ein verständiger Gesetzgeber (diese) günstige Folge für den einzelnen nicht auch- zumindest nebenbei- gewollt haben sollte." Auch die sonstigen vagen Versuche, einen Notausgang aus der Unmittelbarkeitsdok trin zu eröffnen2 \ können als gescheitert angesehen werden. Es wurden zwar immer wieder Klauseln wie "falls nicht besondere Umstände vorliegen"22, "im allgemeinen" 23 , "in der hier vorliegenden besonderen Situation" 2\ "allenfalls denkbare Ausnahmefälle" 25 in die Entscheidungen eingefügt. Bis heute blieb uns das höchste Zivilgericht jedoch die Antwort auf die Frage, wann denn nun ein besonderer Fall angenommen werden könne, schuldig. Der unten folgende Versuch einer Analyse der verschiedenartigen Momente, die je nach Lage des Falles dazu führten, die Unmittelbarkeit zu bejahen oder abzulehnen, wird erweisen, daß dieser Begriff nichts anderes ist als ein Bündel von Einzelerwägungen, das sich aus den verschiedensten Gesichtspunkten zusammensetzt. All diese Einzelerwägungen sind wiederum nichts anderes als Ausdruckformen des Unbehagens gegenüber unserem Deliktsrecht, das durch seine Starrheit fallangemessene Lösungen oft zu verhindern scheint. Die Rechtsprechung fürchtet die praktischen Auswirkungen der Anerkennung des Rechtsam Unternehmen als absolutes Recht unter Berücksichtigung der Rechtswidrigkeitsindizierung ebenso wie die Folgen einer völligen Ablehnung dieses Rechtsinstituts und bringt dies immer wieder zum Ausdruck, wenn sie die Notwendigkeit der Beibehaltung des Unmittelbarkeits-Kr iteriumsbegründet: "Diese Entscheidungen, nach denen zu fordern ist, daß ein unter § 823 I fallender Angriff gegen den Gewerbebetrieb selbst gerichtet sein muß, zeigen die Grundhaltung der herrschenden Rechtsprechung auf, eine übermäßige Ausweitung26 des Schutzes des Rechts am eingeNJW 67, 354 u. NJW 72, 1085, offenlassend LG Mannheim NJW 69, 2204 mit Anm. Schmalzl; ablehnend jetzt wieder OLG Hamm NJW 73, 760. 21 Vgl. den v. OLG München BB 64, 661 gewählten Ausweg. 22 BGH 29, 65, 75. 2a BGH 29, 65 (Leitsatz). 24 BGH 23, 157, 164. 2 5 BGH 41, 123, 127. 26 Palandt wollte das Recht am Gewerbebetrieb noch in der 11. Autl. § 823 Anm. 6 f. u. a. deshalb ablehnen, weil dann eine Lawine von Unterlassungsklagen auf uns zukäme. Hiergegen richtig Hubmann, ZHR 117, 76, der meint, bei Wiederholungsgefahr - und nur diese rechtfertigt eine Unterlassungs-

I.

Das Unmittelbarkeitskriterium im allgemeinen

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richteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu vermeiden, die dem deutschen Rechtssystem der in kasuistischer Art geregelten Deliktstatbestände zuwiderlaufen würde'127• "Die Ausdehnung des Schutzes des § 823 I auch auf mittelbare Eingriffe würde in unzulässiger und untragbarer Weise das gesetzlich begründete, durch Begrenzung genau umrissener Tatbestände gekennzeichnete System des Schadensrechts der unerlaubten Handlung umstürzen" 28• 29 • StoH30 resümiert daher richtig: "Das bekannte Stromkabelurteil des Bundesgerichtshofs erklärt sich weniger aus logischen Folgerungen als aus der Furcht, das Deliktssystem in Richtung auf eine Generalklausel zu öffnen" 31 • Im Grunde dient die Unmittelbarkeit vor allem dazu, in den Fällen, in denen das Gericht aus irgendeinem Grunde nicht zur Schadensersatzpflicht kommen will, den Anspruch zu verweigern32 • Ihre mit diesen Ausführungen umrissene Zielsetzung hat die Rechtsprechung bisher zwar praktisch einigermaßen erfüllt. Es wird sich auch im Fortgang der vorliegenden Untersuchung zeigen, daß die einzelnen Entscheidungen in der Mehrzahl durchaus fallrichtig sind und nur in seltenen Fällen nicht befriedigen. Der angebliche Schlüssel zur Fallrichtigkeit jedoch, die Unmittelbarkeit, ist in Wirklichkeit nichts anderes als ein Symbol geblieben. Einen verifizierbaren dogmatischen Eigenwert hat sie schon deshalb nicht, weil sie so "vage" 33 ist, daß ihr in Zweifelsfällen meist irgendwelche sonstigen Erwägungen unterschoben werden mußten. Eine echte "genau umrissene Begrenzung" 34 hat die Rechtsprechung bisher nicht geben können, sondern sich darauf beschränkt, mehr gefühlsmäßig zu entscheiden, ob eine Schadensersatzpflicht jeweils angemessen sei. Zwischen der Unmittelbarkeit und der Angemessenheit der Gewährung von Schadensersatz im Einzelfall besteht deshalb eine direkte Relation35. klage - sei auch rechtspolitisch nichts gegen eine Klagemöglichkeit einzuwenden. 27 BGH 29, 65, 73. 28 OLG Mü. NJW 56, 1720; BGH 7, 36. 29 Wagner, NJW 66, 569 ff. kommt daher zu dem Schluß, dem BGH komme es nur darauf an, "ob dieser Schaden in Kauf genommen werden muß". 30 StoH, Staat u. Recht, Heft 364/365, S. 16. 31 Aus dieser immer wieder geäußerten Furcht zieht Hauss, selbst Richter am BGH, in 43. DJT C 30 den Schluß, daß der eigentliche dogmatische Grund für die Entscheidungen des BGH über die Begrenzung der Haftung für gewisse gewerbliche Ausfälle, vor allem im Fahrlässigkeitsbereich, in der Überschreitung des Schutzbereichs der Norm zu sehen sei. 3 2 So jüngst auch (1971) Buchner, S. 82. 33 Baumbach - Hefermehl, Allg. Einl. A 118 f. 3 4 OLG Mü. NJW 56, 1920. 35 So auch Buchner, S. 82.

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3. Kap.: Die Unmittelbarkeit

II. Die Stellungnahme der Literatur Es verwundert daher nicht weiter, daß die Unmittelbarkeitsdoktrin vielerorten auf Widerspruch gestoßen ist36• 37• Die Kritik entzündet sich zu Recht bereits an der mangelnden Unterscheidungsfähigkeit des Begriffs selbst38 • Am temperamentvollsten kommt dies bei Nipperdey zum Ausdruck39 : "Das BGB weiß von der Unterscheidung zwischen unmittelbaren und mittelbaren Eingriffen in fremde Rechtsgüter nichts. Der Begriff der Unmittelbarkeit ist auch kein rechtlich-technisierter Begriff mit präzise angehbarem Inhalt. Er ist vielmehr überall da, wo er auftaucht, z. B. im Schadensersatzrecht, im Enteignungsrecht, im Polizeirecht, nur Ausdruck der dogmatischen und sachlichen Verlegenheit, (noch) nicht ganz präzise angeben zu können, was überhaupt gemeint ist. Unter seinem Deckmantel müssen erst konkrete Fallgruppen herausgearbeitet werden, bis einigermaßen vorhersehbar ist, welches Verhalten in dem jeweiligen rechtlichen Problemzusammenhang erfaßt werden soll. Im Deliktsrecht verweist das Unmittelbarkeitskriterium als Maßstab zur Bestimmung der Rechtswidrigkeit des Verhaltens auf die zeitliche, räumliche oder personelle Nähe des Verletzers zum verletzten Rechtsgut, ohne daß geklärt ist, ob dieses auf bloße Faktizität verweisende, außergesetzliche Kriterium zur Feststellung mutmaßlicher Rechtswidrigkeit dogmatisch zureichend geeignet ist, diese Aufgabe zu lösen" 40 • In ähnlicher Weise greift Hefermehl 41 den Präzisierungsversuch des Bundesgerichtshofs an, Unmittelbarkeit bedeutete "Betriebsbezogenheit". Auch diese Definition sei zu vage, um Umfang und Grenzen, innerhalb deren das Recht am Unternehmen zu schützen sei, für jeden Fall zu bestimmen42 • Hefermehl will daher auf die Unmittelbarkeit verzichten und nur die Wirkung des Eingriffs auf das Recht maßgeblich sein lassen. Glückert48 bemerkt ergänzend, "dieser neugeschaffene Begriff 38 Eindringlich ist die Kritik Giesekes in GRUR 1950, 298 ff., 303 ff., der das unsichere Tasten der Rechtsprechung durch einfaches Aneinanderreihen der Unmittelbarkeitsentscheidungen deutlich macht. 37 Manche nehmen die Unmittelbarkeit quasi als notwendiges Übel in Kauf. Soweit ersichtlich, billigt nur Lehmann, NJW 59, 671 die BGH-Doktrin in vollem Umfang. Überraschenderweise hält er sie sogar für "glücklich formuliert". 38 Baumbach- Hefermehl, Allg. Einl. A 118. 39 Nipperdey, NJW 67, 1990. 40 Insoweit bezieht sich Nipperdeys Kritik inhaltlich also vor allem auf die "Unmittelbarkeit" im Sinne von Stoll, Larenz, Deutsch und v. Caemmerer, vgl. hierzu oben 2. Kap. III 5. Nipperdeys terminologische Kritik trifft jedoch gleichermaßen die Unmittelbarkeit im Sinne des BGH. 41 Siehe oben 3. Kap. Anm. 38. 42 Vgl. auch v. Caemmerer, DJT-Festschrift S. 96 f. 43 Glückert, AcP 166, 322.

li.

Die Stellungnahme der Literatur

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(sei) schon deshalb nicht gerade durch besondere Klarheit ausgezeichnet", weil der Bundesgerichtshof sogar das Unterbrechen der Stromzufuhr durch Zerreißen des Kabels nicht als betriebsbezogen angesehen habe, obwohl dies unter den heutigen Verhältnissen fast stets den völligen Stillstand des Betriebs zur Folge habe und man sich vom Erfolg her wohl kaum eine stärkere Einwirkung vorstellen könne44 • Glückert schlägt deshalb die Ersetzung der Unmittelbarkeit durch die v. Caemmerer'sche Theorie der Verhaltenspflichtverletzung vor. Auch für Völp 45 , dem sich Reuß46 , wenn auch ohne eigene Begründung, anschließt, ist das Unmittelbarkeitskriterium schlicht unbrauchbar. Hauss 41 meint, daß der eigentliche dogmatische Grund für die Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die Begrenzung der Haftung für gewisse gewerbliche Ausfälle bei fahrlässiger Sachbeschädigung in der Überschreitung des Schutzbereichs der Norm zu sehen sei. Obwohl der Bundesgerichtshof den Schutzzweckgedanken immer wieder heranzog48, ist dem jedoch nur begrenzt zuzustimmen. Schutzzwecküberlegungen sind zwar in die Unmittelbarkeit eingeflossen, sie dominieren dort jedoch nicht49 • Auch Larenz5° steht der Unmittelbarkeit in Form der Betriebsbezogenheit skeptisch gegenüber, versucht jedoch, sie teleologisch zu erklären: "Die ,Richtung' auf einen bestimmten Erfolg vermag eine Handlung nur aus ihrer Zweckbestimmung zu gewinnen. Was die Rechtsprechung mit der Unmittelbarkeit des Eingriffs meint, liegt also nicht auf der Ebene der reinen Verursachung, sondern auf der der Zweckrichtung, die einer Handlung nach dem Willen ihres Urhebers innewohnt. Denkbar wäre es auch, hierbei nicht allein auf das subjektive Bewußtsein des Handelnden, sondern auch auf die objektive Möglichkeit einer derartigen Zwecksetzung abzustellen". Mit letzterem will Larenz auch die 44 Allerdings erkennt Glückert nicht, daß der BGH insoweit unter dem bequemen Mantel der Unmittelbarkeit - eher daran dachte, es fehle an einer echten Rechtsgutverletzung, weil nur abziehbare Bestandteile beschädigt worden seien; vgl. hierzu unten 3. Kap. IV 2. 45 Völp, WuW 56, 31 ff. Seine Ablehnung resultiert allerdings wohl in 1. Linie aus seiner strikten Verneinung des Rechts selbst. Bedauerlicherweise erwähnt Völp an keiner Stelle, in welchem Sinne er die "Unmittelbarkeit" verwendet; er beschränkt sich vielmehr darauf, das direkte Verbot einer Patentausnutzung ausnahmsweise als unmittelbar zu bezeichnen. 46 Reuß, AcP 156, 89 ff.; sonderbarerweise leitet Reuß aus einigen Beispielen auf S. 103 die Unbrauchbarkeit des Unmittelbarkeitskriteriums ab, während er noch auf der Vorseite (S. 102) die Unterscheidung "mittelbar" "unmittelbar" ein "Grundprinzip unserer Rechtsordnung" nennt. Ob er insoweit von versch. Begriffen handelt u. was er jeweils unter der "Unmittelbarkeit" versteht, bleibt dunkel. 47 Hauss (Bundesrichter!) 43, DJT C 30. 48 z. B. BGH 29, 65; 41, 123. •9 Vgl. hierzu unten S. 149 f. ao Larenz, NJW 56, 1719 f.

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3. Kap.: Die Unmittelbarkeit

Fälle der fahrlässigen Verletzung erfassen. Jedoch paßt die ungezielte, mehr zufällige Begehungsweise der Fahrlässigkeitstat prinzipiell nicht zu einer teleologischen Sicht51 • Zu erwähnen sind schließlich aus jüngster Zeit noch die eingehenden Darstellungen Todtssz und Buchners53• Letzterer lehnt die Unmittelbarkeit deshalb strikt ab, weil sie im Ende nichts anderes als eine Umschreibung für das undefinierbare Gefühl des jeweiligen Gerichts sei, ob eine Schadensersatzpflicht angemessen sei oder nicht". Ein eindeutig bestimmbarer Inhalt sei auch unter Zuhilfenahme des Merkmals der Betriebsbezogenheit nicht zu erkennen55 •

m.

Die Bezugnahme auf die Unmittelbarkeit im Sinne des Reichsgerichts

Der Bundesgerichtshof hat es selten verabsäumt, seine Unmittelbarkeitsdoktrin auf die Tradition des Reichsgerichts zu stützen58• Wenn auch erkannt worden sei, daß der enge Bestandsschutz des Reichsgerichts nicht ausgereicht habe, so würde "das Erfordernis der Unmittelbarkeit des Eingriffs aber (dennoch) nicht angetastet" 57• Es wird sich im folgenden jedoch erweisen, daß die einzige Tradition zum Reichsgericht, auf die sich die heutige Rechtsprechung noch berufen kann, lediglich der Ausdruck "Unmittelbarkeit" ist. Inhalt und Bedeutung des Begriffs haben sich zwischenzeitlich derart gewandelt, daß die Traditionshinweise des Bundesgerichtshofs weithin fehl gehen. Das Reichsgericht definierte in mannigfaltigen Entscheidungen58 die Unmittelbarkeit als "tatsächliche oder rechtliche Verhinderungen von Betriebshandlungen, die den Bestand des Gewerbebetriebs beeinträchtigen". Es mußte ein "unmittelbarer Eingriff in den Bestand" 59 vorliegen. Die letztgenannte Definition hatte indes eher den Charakter eines 51 Larenz erwähnt am Ende seiner Anmerkung noch die Möglichkeit, wegen der Freizeichnungsklauseln des Elektrizitätswerks die Konstruktion der Drittschadensliquidation anzuwenden. Es ist aber nicht ersichtlich, wie die vorliegenden Probleme hiermit gelöst werden könnten, da ja keine echte Schadensüberwälzung stattfindet. Der Schaden des Gewerbebetriebs ist originär und konnte beim E-Werk schon gedanklich niemals eintreten. 52 Todt, Die Schadensersatzansprüche des Käufers, Mieters und Werkbestellers 1969 S. 117 ff. 53 Buchner, Die Bedeutung des Rechts am e. u. a. Gewerbebetrieb 1971,

s. 75 ff. 5' 55

Buchner, S. 82. Buchner, S. 80.

ss z. B. BGH 3, 272; 29, 71; 41, 123 usw. 57 58

59

BGH 29, 71. Vgl. hierzu oben 1. Kap. RG JW 1911, 713.

III. Die Unmittelbarkeit im Sinne des Reichsgerichts

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Hendiadyoin, denn der "unmittelbare Eingriff" wurde damals als Synonym für den "Bestandseingriff" verwendet; mit anderen Worten war nur derjenige Eingriff unmittelbar, der den Bestand des Gewerbebetriebs beeinträchtigte. Dies ergibt sich klar aus vielen älteren Entscheidungen des Reichsgerichts60 sowie nochmals ausdrücklich aus einer Entscheidung des Jahres 193981, in welcher das Reichsgericht dem "unmittelbaren Bestandseingriff" den "mittelbaren Bereichseingriff" gegenüberstellte. Schippel82 merkt deshalb richtig an, daß man "unter dem "unmittelbaren" Eingriff eben den den Bestand des Betriebs gefährdenden oder eine Betriebshandlung hemmenden Eingriff" verstand. Ob der Bestandseingriff sich aus tatsächlichen Beeinträchtigungen von Betriebshandlungen oder aus rechtlichen Verbotsdrohungen ergab, war nebensächlich. Somit hatte das Reichsgericht schon frühzeitig eine klare, allerdings, wie sich schon bald herausstellte, nur sporadisch praktizierte Formel entwickelt. Denn - und auch insoweit kann sich der Bundesgerichtshof heute auf die Tradition zum Reichsgericht berufen - diese Formel wurde im Einzelfall immer wieder willkürlich und stillschweigend abgeändert oder mit Hilfe schwerverständlicher Ausnahmen beiseite geschoben. Im Brunnenvergiftungsfall83 meinte z. B. das Reichsgericht, die Vergiftung des Brunnens eines Wasserwerks sei nicht als Bestandseingriff anzusehen. Es sei nur eine "körperliche Grundlage" des Gewerbebetriebs verletzt, was nicht ausreiche. Dies kann kaum überzeugen, denn schließlich war hier gerade die Zerstörung der körperlichen Betriebsgrundlagen gleichbedeutend mit der "tatsächlichen Verhinderung von Betriebshandlungen". Das Reichsgericht bediente sich hier-anstatt auf die unmittelbar ersichtliche Wirkung der Brunnenvergiftung, also auf die Unmöglichkeit weiterer Entnahme von Betriebswasser8\ abzuheben - des Kunstgriffs, die "körperliche Grundlage Brunnen" isoliert von ihrer Betriebsfunktion zu betrachten. Es sei in diesem Zusammenhang an die Boykottentscheidung des Reichsgerichts erinnert. Sozialdemokratische Posten hatten Gäste gehindert, eine Gaststätte zu betreten, weil ihnen in dieser kein Versammlungssaal zur Verfügung gestellt worden war. Dies sei, so das Reichsgericht, "unzweifelhaft ein unmittelbarer Eingriff in den Gewerbebetrieb"M. Es läßt sich jedoch m. E. kein essentieller Unterschied zum Wasserwerk-Fall erkennen. Abgesehen davon, daß der Brunnen dem 8o Vgl. z. B. RG MuW 1929, 378; 1935, 26; 1938, 341. RG JW 1939, 485. 6 z Schippel, S. 55 mit zahlreichen anderen Nachweisen. 63 RG JW 1909, 493. 81

04 05

Unzweifelhaft eine "Betriebshandlung"! RG 76, 35, 46.

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3. Kap.: Die Unmittelbarkeit

Produktionsbereich des Wasserwerks und die Gäste dem Absatzbereich der Gaststätte angehörten, handelte es sich doch in beiden Fällen um "körperliche Grundlagen des Gewerbebetriebs" im weiteren Sinne; der Eingriff in sie verursachte zwangsläufig in beiden Fällen die tatsächliche Hinderung von Betriebshandlungen. Es ist anzunehmen, daß das Reichsgericht die Gäste hier nur deshalb in ihrer Betriebsfunktion berücksichtigt hat, weil in diesem Fall die Absicht der Boykottierer, den Betrieb stillzulegen, klar auf der Hand lag. Auch im Mühlenfall 66 hat das Reichsgericht die Unmittelbarkeit verneint. Der Müller, dem das für den Betrieb seiner Mühle notwendige Stauwasser durch fahrlässig verursachten Deichbruch entzogen worden war, sollte Schadensersatz nur dann verlangen können, wenn er eine Staugerechtigkeit in Form eines absoluten Rechts vorweisen konnte, da es ansonsten an der Unmittelbarkeit fehle. Das Reichsgericht war also der Meinung, daß der Müller die körperliche Betriebsgrundlage "Stauwasser" in deliktsrechtlich relevanter Form erst durch eine Staugerechtigkeit seinem Gewerbebetrieb eingliedern könne. Aber abgesehen davon, daß die Anspruchsgrundlage "Gewerbebetrieb" bei Vorliegen eines gesonderten absoluten Rechts "Staugerechtigkeit" überflüssig wäre, so daß sich die Frage nach der Unmittelbarkeit dann nicht mehr stellen könnte, blieb das Gericht auch die Erklärung schuldig, wieso eine besondere Staugerechtigkeit an der Feststellung der tatsächlichen Hinderung von Betriebshandlungen etwas ändern könnte. Es kann davon ausgegangen werden, daß im Brunnenvergiftungsfall das Wasserwerk auch ein Brunnennutzungs- und Wasserentnahmerecht besaß - dennoch wurde dort die Haftung aus Verletzung des Rechts am Unternehmen wegen fehlender Unmittelbarkeit abgelehnt. Im sog. Deichbruchfall- aufgrund eines Deichbruchs lagen die Schiffe eines Transportschiff-Unternehmers längere Zeit fest- kümmerte sich denn auch das Reichsgericht nicht um das Vorliegen irgendwelcher anderweitiger absoluter Rechte67• 68 • Hier zögerte es nicht, eine schadensersatzrelevante tatsächliche Verhinderung von Betriebshandlungen anzunehmen, obwohl weder der Schiffsunternehmer ein "absolutes Recht" auf Befahren des Stroms hatte noch ein entsprechender zielgerichteter Verletzungsvorsatz des Schädigers gegeben war. Der Bundesgerichtshof müßte heute-aufgrundseines Urteils vom 21.12. 7069 - den Fall wohl RG DR 1940, 723. RG Gruch, Beitr. 68, 78. 68 Im übrigen wird auf Gieseke, GRUR 1950, 298 ff., 303 ff., verwiesen, der die Wankelmütigkeit des RG lediglich durch Nebeneinanderstellen einiger Entscheidungen instruktiv darstellt. 69 BGH NJW 71, 886, 888 Schiffbarkeit des Flusses gehört nicht zum Bereich des Schiffahrtgew erbebetriebs. o6

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111. Die Unmittelbarkeit im Sinne des Reichsgerichts

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anders als das Reichsgericht entscheiden. Die Entscheidung im Deiehbruchfall ist übrigens von erheblichem Interesse für die Betrachtung der Stromkabelfälle des Bundesgerichtshofs. Was für den Transportschiffer der Fluß, kann für die Maschinenfabrik u. U. der elektrische Strom bedeuten. Der Bundesgerichtshof müßte also, will er sich auch hier auf die Reichsgerichtstradition berufen, die Schadensersatzpflicht bei den Stromkabelfällen bejahen. Erklärtes Ziel der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war immer die Ausdehnung des vom Reichsgericht gewährten Bestandsschutzes auf den gewerblichen "Bereich", niemals jedoch eine Einschränkung des reichsgerichtliehen Schutzes. Es sei in diesem Zusammenhang noch erwähnt, daß auch nach Hueck70 die Unmittelbarkeit zumindest dann bejaht werden muß, wenn der Betrieb - z. B. durch Streik - stillgelegt wird. Die Betriebsstillegung jedoch ist nichts anderes als die schwerste Form tatsächlicher Hinderung von Betriebshandlungen. Auf die Tradition kann sich der Bundesgerichtshof auch nicht insoweit berufen, als er verlangt, der unmittelbare Eingriff müsse "betriebsbezogen", "auf den Gewerbebetrieb zielgerichtet" sein71 • Zwar findet sich in den Motiven zum BGB72 die Bemerkung: "Diese Auffassung rechtfertigt sich durch die unmittelbare Richtung der Handlung gegen das Recht des Beschädigten und den einem solchen zu gewährenden Schutz", und auch das Reichsgericht verlangte hin und wieder einen gegen das Recht selbst gerichteten Eingriff; hiermit aber sollte lediglich klargestellt werden, daß ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Rechtsinhabers mit der Folge, daß er sein besonderes absolutes Recht zeitweise nicht ausnützen kann, keinen Eingriff in das Sonderrecht selbst darstellt. Die Unmittelbarkeits-Rechtsprechung von Reichsgericht und Bundesgerichtshof kann im Grunde auf keinen gemeinsamen Nenner gebracht werden. Die Ausgangsbasis des Reichsgerichts ist, wie schon dargelegt, durch die synonyme Verwendung von "unmittelbar" und "Bestand" bestimmt. Das Reichsgericht hatte aus den möglicherweise schutzfähigen Interessen lediglich den- dem Eigentum äußerlich ähnlichen- sinnlich wahrnehmbaren "Bestand" herausgegriffen. Rechtsgut im Sinne des § 823 I BGB war nicht der Gewerbebetrieb als solcher, sondern sein greifbares äußeres Erscheinungsbild. Die Bezeichnung "unmittelbar" besaß keinen eigenen Aussagegehalt, sondern diente ausschließlich der Betonung und Verdeutlichung der Rechtsgutsbeschränkung auf den Bestand 70 Hueck, Gutachten S. 36 ; möglicherweise kam Hueck zu diesem Ergebnis aber nur wegen der Verletzungsfinalität des Streiks. 71 z. B . BGH 29, 65, 69. 72 Mugdan, Materialien II, S. 406.

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3. Kap.: Die Unmittelbarkeit

-im Grunde war sie damals, wie auch Fabricius richtig erkannt hat, überftüssig73• Der Bundesgerichtshof jedoch dehnt den Bestandsschutz auf den "Bereich", somit auf das gesamte Spektrum des Gewerbebetriebes, aus. Er geht im Gegensatz zum Reichsgericht vom Gewerbebetrieb als solchem aus, nicht nur von einzelnen tatsächlichen greifbaren Teilen. Wenn er dennoch mit Hilfe der Unmittelbarkeit die Haftung beschränkt, setzt er nicht mehr primär an der Bestimmung und der Art des Rechtsguts, also an der Erfolgskomponente des objektiven Tatbestands an, sondern hauptsächlich an der Art der Verursachung des Erfolgs, somit an der Verletzungshandlung74 • 75 • Aus diesen regelmäßig verschiedenartigen dogmatischen Ansatzpunkten - Verletzungserfolg einerseits und vorwiegend Verletzungshandlung andererseits - ergibt sich, daß weder Bedeutung noch Zielrichtung der Unmittelbarkeitsdoktrin des Bundesgerichtshofs irgend etwas mit der des Reichsgerichts zu schaffen haben, und daß die Berufung des Bundesgerichtshofs auf die Tradition deshalb insoweit ins Leere geht.

IV. Die einzelnen Bedeutungen der Unmittelbarkeit 1. Die Abgrenzung zu Vermögensschäden

Der Begriff der Unmittelbarkeit ist uns im allgemeinen Deliktsrecht im Zusammenhang mit der Frage des Schutzes des Vermögens im allgemeinen, sowie der damit zusammenhängenden Problemkreise der §§ 844, 845 BGB vertraut. Hier bedeutet "Mittelbarkeit", daß einem Dritten durch die Verletzung eines absoluten Rechts des Erstgeschädigten ein Vermögensschaden erwächst, ohne daß auch gegenüber diesem Dritten die Voraussetzungen der unerlaubten Handlung gegeben wären. An diese bekannte Terminologie lehnt sich die Rechtsprechung zum Recht am Gewerbebetrieb teilweise an. Sie argumentiert - so z. B. das GeftügelzuchturteiF8 - , daß nur die Verletzung wesenseigentümlicher, nicht 73 Fabricius, JuS 61, 152: "Dem RG kam es also auf die feste Beschränkung des Rechtsguts an ... es ändert sich nichts an den Rechtsfolgen, wenn als Voraussetzung lediglich ein Eingriff in den Bestand i. o. S. verlangt wird. Das Merkmal der Unmittelbarkeit war daher entbehrlich." 74 Wobei im Augenblick nicht darauf einzugehen ist, ob die "Handlung" in § 823 I überhaupt in diesem Maße berücksichtigt werden darf; vgl. hierzu unten 6. Kap. I. 75 Der BGH setzt jedoch insoweit am Erfolg an, als er die Unmittelbarkeit als Abgrenzung zu reinen Vermögensschäden Dritter anläßlich der Verletzung des absoluten Rechts des eigentlich Betroffenen versteht, vgl. genauer unten 3. Kap. IV 1. Außerdem finden sich Entscheidungen des BGH, die Unmittelbarkeitsargumente aus einer an angeblich unabziehbaren Elemente des GB orientierten Modifikation im Rechtsgutsbereich beziehen, vgl. unten 3. Kap. IV 2. Selbst diese Modifikationen aber haben mit der Bestandsrechtsprechung des RG nichts zu tun. 70 BGH 41, 123.

IV. Die einzelnen Bedeutungen der Unmittelbarkeit

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o. w. abziehbarer Betriebsbestandteile unmittelbar sei und den Schluß auf die Verletzung des Gewerbebetriebs als solchen rechtfertige. Der Produktionsausfall durch Stromunterbrechung z. B. sei nicht unmittelbar in diesem Sinne, sondern bewirke lediglich einen Vermögensschaden, weil hier lediglich das in seinem Eigentum geschädigte Elektrizitätswerk seiner Stromlieferungsverpflichtung nicht nachkommen könne und dem Unternehmer wegen der üblichen Freizeichnungsklausel des Elektrizitätswerks eine vertragliche Einbuße und somit ein bloßer Vermögensschaden entstehe. So besehen, deckt sich die Gewerbebetriebsunmittelbarkeit mit dem herkömmlichen und allgemein anerkannten Ausschluß nur mittelbarer Schäden im Rahmen des § 823 I BGB, was besonders deutlich aus der Ausnahmeregelung der §§ 844, 845 BGB hervorgeht. Sicherlich wären die dogmatischen Bedenken gegenüber der Unmittelbarkeit im Recht am Unternehmen ausgeräumt, wenn dieser Herleitung gefolgt werden könnte. Dies ist aber nicht möglich. Man muß sich hierzu vor Augen halten, daß die Unmittelbarkeit im obigen Sinne ein nur erklärendes, im Grunde aber überflüssiges Kriterium ist, dessen Inhalt sich ohne weiteres bereits aus dem objektiven Tatbestand des § 823 I BGB ergibt. § 823 I BGB schützt bestimmte benannte und "sonstige" Rechtsgüter, zu denen Vermögen als solches nicht gehört. Andererseits schützt es jeden Inhaber eines dieser Rechtsgüter unabhängig davon, ob sein Rechtsgut durch die Handlung des Schädigers direkt oder erst über mehrere Zwischenstufen betroffen worden ist. So handelt es sich z. B. um eine unmittelbare, wenn auch indirekte Verletzung, wenn A auf der Autobahn auf den Wagen des B auffährt, der seinerseits gegen den Wagen des C und dieser wiederum gegen den des D usw. gedrückt wird. B erleidet Sachschäden, C wird verletzt, ein Mitfahrer des ebenfalls verletzten D wird getötet. Dessen Angehörige erleiden einen Nervenschock, als sie von dem Unglück erfahren. Die Kette kann endlos fortgesetzt werden. AbC ist die Verletzung eines § 823 I-Gutes indirekt. Mittelbar dagegen wäre der Schaden eines X, der durch den Unfall seine Vertragsansprüche etwa gegen den verletzten Handwerker D verliert77 • X verliert seine Ansprüche also nur deshalb ersatzlos, weil sein Schaden ausschließlich auf der Verletzung eines nur obligatorischen Rechts beruht. Wäre X dagegen Autovermieter und D Mieter gewesen, könnte er von A zwar nicht wegen Vertragsbeeinträchtigung, wohl aber wegen Eigentumsbeschädigung des von D gemieteten W ages Schadensersatz - unter Einbeziehung aller Folgeschäden, also auch des dadurch verursachten Verdienstausfalls- verlangen. Das Problem der Mittelbarkeit bzw. Unmittelbarkeit im herkömmlichen Sinne betrifft also lediglich die Frage, ob ein über eine Reihe von 77

So ganz klar auch BGH 41, 123, 125.

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3. Kap.: Die Unmittelbarkeit

Kausalverläufen Geschädigter ein verletztes Rechtsgut im Sinne des § 823 I BGB vorweisen oder sich auf eine sonstige Deliktsnorm berufen kann. Unerheblich ist es dagegen, ob das geltend gemachte Schadensersatzvolumen sich hauptsächlich aus "bloßen Vermögens"-Folgeschäden ergibt, wenn diese nur auf einer echten Rechtsgutverletzung beruhen. Die ins Auge springende Verletzung des obligatorischen Rechts darf somit nicht dazu verleiten, o. w. den Mechanismus: "Vertragsschaden = Vermögensschaden = nur "mittelbarer" Schaden - kein § 823 I BGBSchutz", in Gang zu setzen. Vielmehr muß vorrangig in jedem Fall geprüft werden, ob eventuell gleichzeitig mit dem Vertragsanspruch ein echtes absolutes Recht verletzt ist. Vertragsanspruchsbeschädigungen und sonstige Vermögensschäden können dann als Folgeschäden mitliquidiert werden. Bezogen auf den Gegenstand dieser Untersuchung bedeutet das, daß in 1. Linie über die Qualifikation des Rechts am Gewerbebetrieb als absolutes Recht Klarheit geschaffen werden muß. Wird dieses bejaht, kommt man nicht umhin, sämtliche "angehängten" Vermögensschäden mitersetzen zu lassen. Es wäre ein unzulässiger Kunstgriff, zwar von einem nebulösen absoluten Recht "Gewerbebetrieb" zu sprechen, für die Frage der hieraus resultierenden Schadensersatzpflicht aber o. w. an einer Parallelverletzung oder einem Punkt in der Folgeschadenkette wie z. B. der Vereitelung des Stromlieferungsanspruchs anzusetzen. Allerdings muß die geringfügige Besonderheit des Falles erkannt werden, daß möglicherweise eine direkte bloße Vermögensverletzung Vorstufe der Verletzung des absoluten Rechtsguts sein kann. Dieser Besonderheit wird der Bundesgerichtshof nicht gerecht, wenn er im 41. Band ausführt: " ... , die Produktionsunterbrechung (ist) ein nichtersatzfähiger Vermögensschaden eines lediglich mittelbar geschädigten Dritten, der deshalb Ausfälle erleidet, weil das unmittelbar geschädigte E-Werk die vertraglich zugesagte Stromlieferung vorübergehend nicht erbringen kann" 78 • Wegen der ins Auge springenden Tatsache, daß der Unternehmer seines obligatorischen Stromlieferungsanspruchs vorerst notwendigerweise verlustig geht, wird behauptet, hier handle es sich lediglich um die Verletzung eines obligatorischen Rechts. Gänzlich vergessen wird hingegen die doch vordringliche Frage, ob nicht die durch den Stromausfall verursachte Produktionsunterbrechung als solche eine unter § 823 I BGB fallende Rechtsgutverletzung - Verletzung des möglichen Essentials "Produktionsfähigkeit" des Unternehmens79 - darstellt. 78 Hierin steckt natürlich noch eine 2. fehlerhafte Gleichsetzung: Die Produktionsunterbrechung als Verletzungserfolg wird gleichgesetzt mit dem aus ihr resultierenden finanziellen Schaden, obwohl diese beiden Faktoren dogmatisch streng getrennt werden müssen. 79 Vgl. hierzu unten ausführlich 5. Kap. II.

IV. Die einzelnen Bedeutungen der Unmittelbarkeit

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Für den Deliktsschutz des Rechts am Unternehmen ist nicht der Stromlieferungsvertrag, sondern lediglich das Faktum des Stromausfalls von Interesse. Diesen Aspekt übergeht der Bundesgerichtshof kurzerhand. Er kann sich insoweit nicht darauf berufen, er habe bereits im gleichgelagerten Stromkabel-Urteil im 29. Band untersucht, ob durch die Kabelbeschädigung ein nicht o. w. abziehbarer Bestandteil des Betriebs -mithin ein Essentiale des Unternehmens - verletzt worden sei. Dort wurde die Verletzung dieses Essentiale nämlich ausschließlich deshalb abgelehnt, weil die Stromversorgung keine Wesenseigentümlich keit gerade eines Gewerbebetriebs sei. Auch nicht gewerbliche Haushalte benötigten Strom und verlören ihre Lieferungsansprüche ersatzlos. Dieser Vergleich hinkt jedoch. Denn während der Gewerbebetrieb auch nach dem Bundesgerichtshof als absolutes Recht anzusehen ist, trifft dies auf den privaten Haushalt keinesfalls zu. Es ist deshalb unerheblich, ob der Stromlieferungsanspruch bzw. die Stromversorgung abziehbare Bestandteile des Gewerbebetriebs darstellen: Maßgeblich ist nur, daß die Stromkabelverletzung Kausalfaktor für die Produktionsunterbre chung war, und daß beziehungsweise ob die derart beeinträchtigte Produktionsfähigkei t ihrerseits unabziehbares Essential des anerkannten Rechts am Gewerbebetrieb ist. Auf diese Frage ging der Bundesgerichtshof aber weder im 29. noch im 41. Band ein. Die Verwendung der Unmittelbarkeit im Sinne der dargestellten Abgrenzung von bloßen Vermögensschäden und der Verletzung absoluter Rechte in der Rechtsprechung zum Gewerbebetriebsschutz muß daher solange als Fehlgriff angesehen werden, wie zu der eigentlich entscheidenden Frage des Rechtsgutsinhalts selbst nicht ausreichend Stellung genommen wird.

2. Die objektive Bedeutung Der eben erhobene Vorwurf soll nicht bedeuten, daß es die Rechtsprechung allgemein verabsäumt habe, das Rechtsgut "Gewerbebetrieb" inhaltlich genauer abzugrenzen. Wie die obigen Bemerkungen zu BGH 29, 65 und 41, 123, zeigen, hat sie bisher jedoch einmal mit ungeeigneten Kriterien gearbeitet und zum anderen ihre diesbezüglichen Bemühungen wider alle Dogmatik in Unmittelbarkeitserw ägungen versteckt. Die Unmittelbarkeit des Eingriffs, so heißt es öfters, sei nur zu bejahen, wenn "wesenseigentümlich e, nicht o. w. abziehbare Betriebsbestandteile " verletzt worden seien80• Neben BGH 29, 65 und 41, 123 ist diesbezüglich 80 So auch Katzenberger, S. 63 ff. Darüber hinaus hält KatzenbergeT auch solche Beeinträchtigungen für nur mittelbare, die sich völlig im Rahmen des Betriebs des illoyalen Wettbewerbers abspielen oder nur unlautere Beeinflussung der Abnehmerkreise ohne jeden Bezug auf einen Mitbewerber darstellten. Er stützt sich hierbei auf d. "Bestand"-Entscheidungen RG 119, 435; 126, 93; GRUR 1916, 95, sowie auf einigeneuere Entscheidungen, deren jewei-

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3. Kap.: Die Unmittelbarkeit

vor allem die oben bereits erwähnte Verkaufsbuden-Entscheidung im 23. Band zu nennen81 • Hier führt das Gericht aus: "Diese Beeinträchtigung (des gewerblichen Tätigkeitskreises durch Ablenkung der Laufkundschaft) greift unmittelbar in den Gewerbebetrieb ein, weil auch die Laufkundschaft und die Möglichkeit, auf die vorüberflutenden Fußgänger einzuwirken, nach der hier vorliegenden besonderen Situation zum Gewerbebetrieb des Klägers gehören" 82 • Treffend hat Glückert 83 hierzu angemerkt, daß der Bundesgerichtshof im Grunde gemeint habe, das Unternehmen als Gesamtorganismus müsse betroffen sein, während die Beschädigung von Einzelwerten, die das "Fonctionnement" 84 des Betriebs nicht berühren, keinen echten Eingriff in das Recht am Gewerbebetrieb darstellten. Was sollen aber diese Überlegungen im Rahmen der Unmittelbarkeit, die bekanntlich als zusätzliches Tatbestandsmerkmal entwickelt wurde, welches erst nach der Feststellung der Rechtsgutsverletzung zu prüfen ist? Würde diese gegenüber der Unmittelbarkeit als Vorfrage anzusehende Überlegung nach dem konkreten Umfang des Rechtsguts bereits zu einem negativen Ergebnis führen, so bestünde kein Anlaß mehr, die gleiche materielle Prüfung nochmals unter dem Stichwort der Unmittelbarkeit vorzunehmen. Umgekehrt darf die Rechtsgutsfixierung wegen der gültigen Normkonstruktion nicht erst unter dem Stichwort "Unmittelbarkeit" geprüft werden, mag dieser Standort auch wegen des verwaschenen Inhalts der Unmittelbarkeit bequemer sein85 • Soweit die Rechtsprechung die Unmittelbarkeit also derart "objektiv" im Sinne einer Rechtsgutsfixierung verwendet, muß sie sich entgegenhalten lassen, daß für die "Unmittelbarkeit" insoweit weder Bedürfnis noch Raum ist88 •

3. Die subjektive Bedeutung Von besonderer Bedeutung ist das Kriterium der "Zielgerichtetheit", mit der die Rechtsprechung unter dem Deckmantel der Unmittelbarkeit ligen besonderen Hintergrund er jedoch nicht erkennt. Im übrigen paßt diese Unmittelbarkeitsauffassung nicht in die sonstige Dogmatik Katzenbergers, der bei Wettbewerbsverstößen § 823 I BGB eo ipso für unanwendbar hält. 8t BGH 23, 157, 164. 82 Wie problematisch diese Entscheidung des BGH von seiner Maxime aus ist, die Verletzung, sachlicher Grundlagen, die sämtlich ersetzbar sind, sei niemals "unmittelbar", zeigen meine Ausführungen oben S. 64 f. Anscheinend entscheidet der BGH über die Frage, ob wesenseigentümliche Bestandteile des Betriebs und damit der Betrieb selbst tangiert sind, nach der Billigkeit im Einzelfall. 83 Glückert, S. 323. 84 Baumbach - Hefermehl, Allg. Einl. A 117. 85 Ähnlich auch Schrauder, S. 223 f., der insoweit allerdings mehr am Rechtsgutsträger ansetzt. 86 Ebenso Fabricius, JuS 61, 152.

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in den ansonsten streng objektiv gefaßten Bereich der haftungsbegr~n­ denden Kausalität subjektive Komponenten hat einfließen lassen. Das Unmittelbarkeitskriterium ist für die genannten Zwecke deshalb so vor-, züglich geeignet, weil es als Teil des objektiven Tatbestands prima facie objektiven Charakters zu sein scheint und somit den Verdacht eines subjektiven Inhalts nicht ohne weiteres aufkommen läßt. Im Grunde wird hier subjektiven Elementen, die im dreiteiligen Deliktsaufbau des § 823 I BGB vom hier vertretenen Standpunkt der kausalen Lehre aus ihren Platz ausschließlich in der Schuld haben, ein objektives Mäntelchen umgehängt. Wie bei der Diskussion des Alles- oder Nichtsprinzips, so dienen auch hier die Fälle unbewußter oder leichter Fahrlässigkeit87 , die eine Vollhaftung des Verletzers unerträglich erscheinen lassen, als Anlaß. Im Verein mit der allgemeinen Furcht, den Schutz des Rechtsam Gewerbebetrieb vielleicht doch zu weit getrieben zu haben, führt die Unmittelbarkeit im Kleide der "Zielgerichtetheit" hier sogar zur völligen Ablehnung des Anspruchs. Ein nur unbewußt fahrlässiger Eingriff ist eben anscheinend nicht betriebsbezogen. Expressis verbis kommt diese unzulässige Verquickung eigenständiger und deshalb streng zu trennender Tatbestandskomplexe in den Ausführungen des Oberlandesgerichts Hamm als Berufungsgericht von BGH 29, 65 ff. 88 zum Ausdruck. Das Oberlandesgericht setzt Unmittelbarkeit mit Zielgerichtetheit gleich und meint, daraus ergäbe sich für vorsätzliche Handlungen eine brauchbare Abgrenzung; bei fahrlässig begangenen Eingriffen hingegen in den Gewerbebetrieb sei es erforderlich und ausreichend, wenn die Handlung die Beeinträchtigung des Gewerbebetriebs unter den gegebenen Umständen zum Ziel gehabt haben könnte und der Handelnde diese Richtung seines Tuns zwar in seine Vorstellung aufgenommen, dennoch aber darauf vertraut habe, daß der Erfolg nicht eintrete89 • E contrario heißt dies, daß dann, wenn der Handelnde die objektive Richtung seines Tuns auf den Gewerbebetrieb nicht in seine Vorstellung mit aufgenommen, wenn er also bezüglich der Gewerbebetriebsverletzung unbewußt fahrlässig gehandelt habe, nur eine mittelbare Verletzung anzunehmen sei. Auf ähnlicher Ebene lag schon die Begründung des späten Reichsgerichts für die Ausweitung des Schutzes des Unternehmens auf Bereichseingriffe im Rahmen des Wettbewerbs. 87 Unbewußte und leichte Fahrlässigkeit sind zwar nicht identisch, werden aber häufig zusammentreffen; gemeinsam ist ihnen jedenfalls, daß sie eine Vollhaftung oft unbillig erscheinen lassen. 88 Der BGH gibt die Ausführungen des Berufungsgerichts auf S. 72 kurz gefaßt wieder. 89 Der BGH definiert nach dieser Darstellung nochmals seinerseits den Begriff der Unmittelbarkeit i. S. der oben dargestellten objektiven Bedeutung, ohne allerdings die OLG-Meinung eindeutig abzulehnen.

6 Preusche

3. Kap.: Die Unmittelbarkeit

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Wenn das Reichsgerichteo hier lapidar erklärte, jedenfalls sei bei Wettbewerbshandlungen das Erfordernis eines unmittelbaren Eingriffs in den Bereich des Gewerbebetriebs "ohne weiteres" erfüllt, dann kann diese incidenter auch vom Bundesgerichtshofe1 gebilligte Begründung der Ausweitung mangels anderweitig erkennbarer Argumente nur dahin verstanden werden, daß Wettbewerbshandlungen eo ipso immer vorsätzlich, immer gegen die Mitbewerber "gezielt" seien, da gerade diese Zielrichtung dem Wesen des Wettbewerbs entspreche. In der Literatur sind diese Bestrebungen der Rechtsprechung soweit ersichtlich nur bei einem Schriftsteller, bei diesem aber auf begeisterte Zustimmung gestoßen: Lehmann92 bezeichnet die Vermischung von innerer Tatseite und objektivem Tatbestand als "glücklich formuliert". "Diese Zielbezogenheit kann dem Angriff zunächst der Vorsatz93 des Täters geben, der sich gleichzeitig auf die Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebs selbst richtet. Bei einem fahrlässigen Eingriff in Unternehmensbestandteile, die von dem betreffenden Gewerbebetrieb o. w. ablösbar, also ihm nicht wesenseigentümlich sind, wird man dagegen eine solche Zielsetzung verneinen dürfen94." Offen läßt Lehmann hier die Frage, inwieweit die Rechtsprechung mit stillschweigenden Identitäten oder zumindest Interdependenzen zwischen Fahrlässigkeit und wesenseigentümlichen Unternehmensbestandteilen arbeitet. Sein geflissentliches Übersehen dieses Kardinalproblems macht die dogmatische Sackgasse, in die die Rechtsprechung geraten ist, nur noch deutlicher. Sogar von der praktischen Handhabung her kann die subjektive Bedeutung der Unmittelbarkeit nicht immer überzeugen. Reinhardte5 z. B. kritisiert, daß die Rechtsprechung in vielen Fällen, vor allem bei der Verletzung eines nicht o. w. ersetzbaren leitenden Angestellten, die Unmittelbarkeit kategorisch ablehne, obwohl sie diese "immer angenommen hat, wenn es sich entweder um einen vorsätzlichen Eingriff handelte, oder, bei fahrlässiger Beeinträchtigung, wenn diese zu Zwecken des Wettbewerbs erfolgte". Hierin liegt nicht nur der Vorwurf der Inkonsequenz, sondern auch eine klare Rüge dieser Hilfskonstruktion der Rechtsprechung, die anscheinend entweder keinen ausreichenden Anhaltspunkt zur sachgerechten Einordnung der von Reinhardt herange90 91

RG 163, 32. BGH 3, 272 ff.

n Lehmann, NJW 59, 671. es Schon hier sei darauf hingewiesen, daß der Vorsatz auf dem Wege der finalen "Überdetermination" - s. unten 7. Kap. IV- tatsächlich auch außerhalb der Schuld von Bedeutung sein kann. Im übrigen aber darf er innerhalb eines Merkmals des streng objektiven Tatbestands i. e. S. keine Verwendung finden. u Vgl. auch Larenz, NJW 56, 1719 ff., sowie meine Bemerkungen zu seinen Ausführungen oben 3. Kap. II. 95 Reinhardt, Forum 1961, 11.

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zogenen Fallgruppe bietet oder aber von der Rechtsprechung stillschweigend als hier unpassend beiseite geschoben wird. Abgesehen von diesen Einwänden kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, daß die Gerichte bei dem Versuch, das Unmittelbarkeitskriterium mit juristischem Leben zu erfüllen, unerlaubterweise bei einem zwar ebenfalls Schadensersatzziele verfolgenden, aber dogmatisch doch ganz anders gearteten Rechtsprinzip, der Aufopferung, Anleihen aufgenommen haben. Auch im Recht der Aufopferung wird nicht nur mit dem Begriff der Unmittelbarkeit gearbeitet, sondern auch mit dem der Zielgerichtetheit. Gemeint ist hiermit zweierlei: Einmal darf der eingetretene Schaden nicht durch sog. Zwischenursachen herbeigeführt worden sein96 ; als ausreichend wird de facto also nur der unmittelbare Kausalzusammenhang angesehen. Hierauf wird unten zurückzukommen sein97 • Die zweite, im vorliegenden Fall interessantere Bedeutung geht dahin, daß der Erfolg gewollt gewesen sein, daß die Verwaltung diesen Erfolg ins Auge gefaßt haben muß98 • Die Gleichartigkeit der Argumentation frappiert. Hier wie dort wird zum Zwecke der Anspruchsbegrenzung ein "unmittelbarer" Eingriff verlangt, der "zielbezogen" sein muß, wobei sich die Zielbezogenheit in 1. Linie aus dem Wollen des Täters ergibt99 • Und hier wie dort stellt der Bundesgerichtshof100 im Grunde doch nur die Wertungsfrage, ob dieser Schadenserfolg in Kauf genommen werden muß oder nicht. Jegliche Gleichbehandlung der beiden Rechtsgebiete ist jedoch ungerechtfertigt. § 823 I BGB und das Aufopferungsrecht haben weder von der Interessenlage, noch von der Grundkonstruktion her etwas miteinander gemein. Die "Zielbezogenheit" des staatlichen Eingriffs - unabhängig davon, ob sie hier ein berechtigtes Kriterium darstellt oder nicht101 - ist jedenfalls deshalb notwendigerweise Tatbestandsvoraussetzung, weil das Verschulden beim Aufopferungsanspruch keinen Platz hat. Im § 823 I BGB dagegen ist - mit ganz geringen Ausnahmen - allen subjektiven Überlegungen der Prüfungsstandort "Schuld" angewiesen. Eine Rechtfertigung der subjektiven Unmittelbarkeitsrechtsprechun g läßt sich somit auch aus dem Aufopferungsrecht nicht entnehmen.

4. Der unmittelbare Kausalzusammenhang Die Rechtsprechung hat immer wieder102 nachdrücklich versichert, daß ihre Unmittelbarkeit keinesfalls als unmittelbarer Kausalzusammenhang Vgl. Wagner, NJW 66, 568 ff., 572. Vgl. unten die folgenden Seiten. os Wagner, S . 572. 99 Zuweilen gibt der BGH auch nur "mittelbar" Geschädigten Ersatzansprüche, vgl. BGH 23, 157 ff. 1oo Vgl. im Aufopferungsrecht BGH 37, 44. 1o1 Kritisch Wagner, S. 572. 102 z. B. BGH 29, 65, 71. so

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3. Kap.: Die Unmittelbarkeit

aufzufassen sei. Diese Versicherung wird jedoch unglaubwürdig, wenn man sich die Begründung des Stromkabelurteils des Oberlandesgerichts München aus dem Jahre 1956103 vor Augen hält: "Unmittelbar richtete sich der Eingriff nur gegen die der Energieversorgung 0. gehörende Stromleitung. Erst die mittelbare Folge(!) dieses Eingriffs war, daß hier.., durch die Energieversorgung 0. zeitweilig gehindert war, ihre vertragliche Verpflichtung zur Lieferung von Strom . . . zu erfüllen. Hiervon war wiederum die mittelbare Folge (!) die wirtschaftliche Schädigung der Klägerin in ihrem Betrieb." Daß hier mit der Verneinung des unmittelbaren Kausalzusammenhangs gearbeitet wurde, wie auch Hefermehl feststellt 10\ läßt sich schwerlich ableugnen. Noch deutlicher führte das Reichsgericht105 , das ebenfalls offiziell der Lehre vom unmittelbaren Kausalzusammenhang längst abgeschworen hatte, aus: "Der Konstruktionsfehler des Kraftfahrzeugs hat unmittelbar nur die Personen und Sachen gefährdet, die bei einem infolge des Konstruktionsfehlers sich ereignenden Verkehrsunfall verletzt oder beschädigt werden. Um den Gewerbebetrieb der Klägerin zu beeinflussen, bedurfte es der Zwischenschaltung(!) sowohl des Unfalls als auch der Inanspruchnahme des Erstklägers durch den unfallgeschädigten Fahrgast108 ." Interessant ist es in diesem Zusammenhang wiederum, daß die Argumentations- und Ausdrucksweise der Rechtsprechung zur Unmittelbarkeit im Aufopferungsrecht107 eine enge Verwandtschaft mit der Rechtsprechung zur Unmittelbarkeit im Rahmen der Gewerbebetriebsverletzung aufweist. Im Aufopferungsrecht wurde unter den Begriff "Unmittelbarkeit" nicht nur- wie eben besprochen- der gewollte Eingriff, sondern auch der unmittelbare Kausalzusammenhang gebracht und die Ersatzfähigkeit eines durch Zwischenursachen verursachten Schadens immer abgelehnt. Wenn die Rechtsprechung das Recht am Gewerbebetrieb als Recht im Sinne des § 823 I BGB anerkennt, dann muß sie dieses Recht aber den anderen Rechtsgütern des § 823 I BGB auch insoweit gleichstellen, als es allgemein bedeutungslos ist, ob eine Rechtsverletzung unmittelbar oder über eine Kettenreaktion herbeigeführt wird. So wenig es in den "normalen" Fernwirkungsfällen108 , oder im Gefiügelzuchtfall109, eine Rolle spielte, daß z. B. der Kükeneigentümer erst 1o3 OLG Mü. NJW 56,1719 f. 104 Baumbach - Hefermehl, Allg. Einl. A 118. 105 RG 163, 21, 32. 106 Am Taxi-Fall zeigt auch Schrauder, S. 21, die teilweise streng kausale Bedeutung des Unmittelbarkeitskriteriums. 107 Vgl. oben S. 83. 108 z. B. RG 133, 270; 157, 11; OLG Freib. JZ 53, 704: BGH Vers. R 61, 272 (obiter dictum). 109 BGH 41, 123.

IV. Die einzelnen Bedeutungen der Unmittelbarkeit

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Zweitbetroffener des Schadensereignisses war, so wenig darf es eine Rolle spielen, wenn einem Unternehmer über verschiedene Zwischenstationen Produktionsausfälle verursacht werden110 • Die Unmittelbarkeit, als Fehlen von Zwischenursachen verstanden, ist als Abgrenzungskriterium willkürlich und unbrauchbar111 • 5. Die Unmittelbarkeit als Rechtswidrigkeitsmoment Schließlich darf nicht übersehen werden, daß der Unmittelbarkeitsbegriff auf einem bestimmten Teilgebiet, nämlich bei der Überziehung des Unternehmers mit unberechtigten Klagen sowie bei sonstigen gesetzlich eröffneten und staatlich kontrollierten Verfahren, mit Rechtswidrigkeitsgedanken vermischt wird. Am deutlichsten kommt diese Unmittelbarkeitskomponente in einer Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1961 112 zum Ausdruck: "Wer sich zum Vorgehen gegen seinen Schuldner eines staatlichen, gesetzlich eingerichteten und geregelten Verfahrensbedient, greift . . . nicht unmittelbar und rechtswidrig in den geschützten Rechtskreis des Schuldners ein . . . Die Prüfung, ob der Konkursantrag zulässig und begründet ist, findet von Amts wegen mit der Möglichkeit einer objektiven Klärung statt. Diese zu veranlassen ist weder rechtswidrig noch der Sache nach ein unmittelbarer Eingriff des Gläubigers in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Schuldners." Ohne an dieser Stelle die Frage der Haftung für unberechtigte Verfahrenseinleitung näher untersuchen zu wollen113, kann hier doch festgestellt werden, daß es in keiner Weise ersichtlich ist, wieso ein derartiger Konkursantrag nicht "unmittelbar" sein sollte, wenn man die offizielle Definition der Rechtsprechung - Betriebsbezogenheit - zugrunde legt. Denn einmal wird hier oftmals der Bestand des Unternehmens bedroht; ein durchgeführtes Konkursverfahren könnte z. B. zur Zerschlagung des Unternehmens führen. In anderen Fällen läuft die Verfahrenseinleitung praktisch- der betroffene Unternehmer muß damit rechnen, zu unterliegen - auf eine zumindest zeitweise Produktions- oder Werbungsvereitelung, vor allem aber regelmäßig auf die Beeinträchtigung der Kreditwürdigkeit, hinaus. Zum anderen wird hier die Beeinträchtigung des Betriebs auch gewollt; eine Klage wegen angeblicher Patentverletzung oder ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens ist ohne das Bewußtsein des Klägers, daß der Unternehmer hierdurch schwer beeinträchtigt werden könnte, kaum denkbar. So Glückert, S. 319. So auch Buchner, S. 78 f. mit weiteren Belegen aus der Rechtsprechung für diese Bedeutung der Unmittelbarkeit. 112 BGH JZ 62, 94 = BGH 36, 1. 113 Hierzu vgl. oben 2. Kap. II 5 und unten 7. Kap. VI, sowie ausführlich die Monographie von Hopt, Haftung aus unberechtigter Verfahrenseinleitung. 110

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3. Kap.:

Die Unmittelbarkeit

Wenn der Bundesgerichtshof hier die Unmittelbarkeit dennoch ableugnet, kann dies nur bedeuten, daß er das prinzipielle Erlaubtsein einer derartigen Verfahrenseinleitung- ein Rechtswidrigkeitsproblem- als weiteren Unmittelbarkeitsinhalt verstanden wissen will. Diese neuerliche Inhaltsauswechselung ist jedoch nicht nur höchst bedenklich, sondern auch unnötig. Genau die gleichen Ergebnisse könnte der Bundesgerichtshof nämlich erzielen, wenn er die Unmittelbarkeit des Eingriffs bejahen und die Haftung aufbaumäßig korrekt erst über die Rechtswidrigkeit ausschließen würde. Es hat sich gezeigt, daß die Unmittelbarkeit im Sinne des Bundesgerichtshofs nur ein Wort ist, hinter dem sich mannigfaltige Gedanken verschiedenster Herkunft verbergen, ein Ventil für Einzelfallgerechtigkeit114, und daß die Einzelinhalte teils mit unserer allgemeinen Deliktsdogmatik unvereinbar, teils überflüssig sind. Mit dieser vagen115 "Leerformel"118 können die Grenzen des Rechts am Gewerbebetrieb daher nicht überzeugend bestimmt werden117 • Es wird nun die Aufgabe der nachfolgenden Kapitel sein, die wesensmäßigen Strukturen des Deliktsrechts und des Unternehmensschutzrechts herauszuarbeiten und dieses Recht sodann - wenn möglich - von neuem in unserer Deliktssystem einzuordnen.

114 Oder auch für Einzelfall-Willkür; vgl. ähnlich jüngst BuchneT, S. 82: "Das Erfordernis der Unmittelbarkeit dient den Gerichten allein dazu, in den Fällen, in denen sie nicht zu einer Schadensersatzpflicht kommen wollten, Ansprüche zu verweigern." 115 Baumbach- HefeTmehl, Allg. Einl. A 119. 118 WiethölteT, Kritische Justiz 1970, Heft 2, S. 130. m Zu diesem Ergebnis gelangt auch GlückeTt, S. 322.

Zweiter Teil

Die eigene Lösung Vorbemerkung Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, daß sich die Rechtsprechung und Literatur - von wenigen Ausnahmen abgesehen - inzwischen mit der Einordnung des Rechts am Gewerbebetrieb in § 823 I BGB abgefunden haben. Dessen ungeachtet wird immer wieder betont, dieses Recht sei "generalklauselartig" angelegt1 • § 823 I BGB schützt indes nur echte absolute Rechte. Die These, es handle sich um ein durch § 823 I BGB geschütztes generalklauselartiges Recht, nimmt deshalb dem Gewerbebetrieb im Grunde mit der einen Hand den Schutz, den sie mit oder anderen gegeben hatte. Von Caemmerer erkennt dieses Problem, wenn er meint2 , man könne wohl eines Tages, wenn sich die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weiter gefestigt habe, den als Krücke benutzten § 823 I BGB beiseite werfen und die Fiktion eines absoluten Rechts aufgeben. Es sei "durchaus sinnvoll, anzunehmen, daß Güter und Interessen durch Schadensersatzansprüche und Abwehrklagen gegen rechtswidriges Verhalten geschützt sind, ohne daß man deshalb von einem subjektiven Recht sprechen müßte" 3 • Dem kann nicht gefolgt werden. Anders als im Schweizerischen und Französischen Recht, die beide mit deliktsrechtlichen Generalklauseln arbeiten, hat diese Denkweise im Deutschen Deliktssystem streng normierter und begrenzter Einzelansprüche keinen Platz. Hier können Rechtsgüter nur geschützt werden, wenn sie die jeweiligen Normvoraussetzungen eindeutig erfüllen. Wäre der Meinung von Caemmerers und einiger anderer Autoren zu folgen, daß das Recht am Gewerbebetrieb ein unbestimmtes und unbestimmbares, mithin generalklauselhaftes Gebilde sei, würde das bedeuten, daß dieses Rechtsgut bislang contra Iegern geschützt worden wäre. Jeder Versuch, mit Hilfe des § 823 I BGB als bloßer Krücke eine langjährige Schutztradition mit dem Ziel zu begründen, das Recht am Gewerbebetrieb schließlich wieder von § 823 I 1 2

So statt vieler v. Cammerer, DJT-Festschrüt S. 89. v. Caemmerer, Bereicherung und unerlaubte Handlung (Festschrift für

E. Rabel) Gesammelte Schriften S. 277. 3 v. Caemmerer, DJT-Festschrift S. 55.

Die eigene Lösung

88

BGB zu trennen und als eigenstän diges Gewohnh eitsrecht weiterge lten zu lassen, ist dogmatis ch nicht vertretba r, sondern beinhalte t eine klare Umgehun g und Mißachtu ng grundleg ender, gesetzlich er Struktur en. Sollte das Recht am Gewerbe betrieb tatsächlic h kein absolutes Recht im Sinne des § 823 I BGB sein, wäre diese "Krücke" eher heute als morgen fortzuwe rfen. Denn Aufgabe von Rechtspr echung und Wissensc haft ist zwar die Fortbildu ng des geltenden Rechts, nicht aber die Umgehun g seiner grundleg enden Prinzipie n Den ablehnen den Stimmen ist zuzugebe n, daß die Qualifika tion des Rechts am Gewerbe betrieb als absolutes Recht keineswe gs so o. w. eindeutig und überzeug end zu begründe n ist, wie z. B. beim ausdrück lich benannte n Rechtsgu t "Eigentu m". Zur genauere n Untersuc hung müssen deshalb - dieses Ziel verfolgen die nachsteh enden Kapitel - nicht nur nochmals die Wesensm erkmale des Begriffs "absolute s Recht" mit dem Recht am Gewerbe betrieb in Relation gesetzt werden; noch bedeutsa mer ist vielmehr , nachzupr üfen, ob ein absolutes Recht "Gewerb ebetrieb" auch dann zu sachgere chten Ergebnis sen führt, wenn man hierauf ausschließlic h die allgemein en, für alle Rechte des § 823 I BGB gleichmä ßig geltenden Regeln anwende t. Erst wenn sich diese Regeln als nicht ausreichend erweisen würden, wenn man also gezwung en wäre, ausschlie ßlich für das Recht am Gewerbe betrieb wiederum so schillern de und konturlose Hilfserw ägungen wie die oben abgelehn te Unmittel barkeit zu Hilfe zu nehmen, wäre umgekeh rt der endgültig e Schluß erlaubt, daß es sich bei dieser Rechtsfig ur eben doch nicht um ein echtes absolutes Recht handelt. Denn es geht keinesfal ls an, die Anerken nung des Rechts am Gewerbe betrieb von einer besonder en Art des Eingriffs, nämlich von dessen Unmittel barkeit abhängig zu machen\ wenn dieses Kriterium nicht gleichzei tig auch für die anderen Rechte des§ 823 I BGB gilt. Die Einordnu ng des Rechtsam Unterneh men in die sonstigen Rechte des § 823 I BGB kann nur dann vertretba r und von Dauer sein, wenn man, wie auch Nipperde y einmal festgeste llt hat5 , der auftreten den Probleme allein mit den allgemein en, d. h. für alle absoluten Rechte geltenden Prinzipie n des§ 823 I BGB Herr werden kann. Vorweg ist allerding s sogleich anzumerk en, daß mit dem bislang noch herrschen den Verständ nis der Erfordern isse des durch § 823 I BGB gewährten Rechtssch utzes: adäquat- kausaler Erfolg- indizierte Rechtswidrigk eit- Verschul den, diese Probe nur schwer ein positives Ergebnis für das Recht am Unterneh men zeitigen könnte. Es wird jedoch weiter unten nachzuw eisen sein, daß die dogmatis chen Prinzipie n des § 823 I BGB - vor allem im Hinblick auf die Beschrän 4 5

So Nipperdey , Beiträge zum Wirtschaftsrecht II, S. 470. Nipperdey , Beiträge S. 479.

Vorbemerkung

89

kung der Haftung- bisher nicht ganz lückenlos erkannt worden sind. Dies gilt sowohl für den Tatbestands- wie für den Rechtswidrigkeitsbereich. Zu letzterem wurde bereits im 1. Kapitel kurz Stellung genommen, so daß im folgenden nur der Tatbestandsbereich, und zwar einmal die Einreihung des Rechtsam Unternehmen in die absoluten "sonstigen" Rechte8 und zum anderen das Verhältnis von Verletzungserfolg und Verursachungshandlung7 , untersucht werden sollen.

6 7

S. unten Kapitel 4 und 5. S. unten Kapitel5 -7.

4. Kapitel

Der Schadenserfolg; das Unternehmen als absolutes Recht I. Der Zweck des Deliktsrechts Bevor der Begriff "absolutes Recht" analysiert wird, sind einige kurze Ausführungen zum Zweck unseres Deliktsrechts zu machen. Notwendig ist dies deshalb, weil gerade die Interpretation des objektiven Tatbestandes des § 823 I BGB von der Zielrichtung, vom generellen Zweck des Deliktsrechts her bedeutsame Impulse erhalten kann. Es ist in der Vergangenheit immer wieder darauf hingewiesen worden, daß Sinn und Zweck des Deliktsrechts der gerechte Schadensausgleich sei1 • Dem ist sicher - als einem Teilaspekt - zuzustimmen. Man sollte hierbei aber nicht stehenbleiben, sondern vielmehr die zweite, m. E. gleichwertige Komponente, die der Gesetzgeber bei der Aufstellung eines Deliktsrechtssystems zu beachten hatte, mit einbeziehen: gerade im Deliktsrecht geht es darum, vernünftige Trennungslinien zwischen der Verteidigung erworbener Rechtsgüter und -interessen des einzelnen einerseits und der prinzipiellen Handlungsfreiheit der Rechtsgenossen andererseits zu ziehen2 • Auf der einen Seite steht der Inhaber eines speziellen persönlichen oder wirtschaftlichen Wertes: Er hat ein Interesse daran, daß kein Dritter schädigend in diesen besonderen Lebensbereich eingreift. In unserem freiheitlichen Gesellschaftsgefüge muß die Rechtsordnung aber auch die Interessen der anderen Rechtsgenossen, sich frei und ohne übermäßige Rücksicht auf Dritte bewegen und betätigen zu können3 , beachten. Die Rechtsordnung muß also sowohl den statischen, bewahrenden Interessen des Inhabers besonderer Rechtsgüter wie auch den insoweit dynamischen Interessen der übrigen Rechtsgenossen an einer allgemeinen, durch Sonderrechtspositionen einzelner möglichst ungehinderten Handlungsfreiheit dienen und Rechnung tragen, wobei sie sich jeweils an der politischen und sozialen Ausrichtung des Staates orientieren wird. Hieraus folgt zwingend, daß der Gesetzgeber, will er seiner Aufgabe gerecht werden, niemals nur die eine oder andere Interessenseite der 1 2 3

Vgl. z. B. H. Lehmann, Festschr. f. Hedemann, S. 189. Deutsch, JZ 71, 244 nennt als zweiten Zweck nur die Prävention.

Ahnlieh auch Luer, S. 117.

li. Die Voraussetzungen des absoluten Rechts

91

Norm zugrunde legen wird. Eine zutreffende Umschreibung des Problems findet sich bereits in den Protokollen zum BGB4 : "Der Entwurf und die sämtlichen Anträge gehen davon aus, daß die Vorschriften über die Schadensersatzpflicht aus unerlaubter Handlung zu denjenigen Vorschriften gehören, welche dazu bestimmt sind, die Rechtskreise der einzelnen, innerhalb deren sie ihre individuelle Freiheit entfalten und ihre Interessen verfolgen dürfen, voneinander abzugrenzen." Deshalb ist davon auszugehen, daß der Gesetzgeber selbst dann, wenn er scheinbar nur der einen Seite Raum gibt- wie es z. B. der Wortlaut des§ 823 I BGB nahelegt- das soeben aufgezeigte Spannungsverhältnis gegensätzlicher Interessen durch immanente Schranken des geschützten Rechts berücksichtigt und gelöst wissen wilJ5. Richtig meint insoweit Krüger-Nieland6 : "Da die Rechtsordnung eine Gemeinschaftsordnung ist, ist jedes Recht, das sie einem anderen zuweist, grundsätzlich durch die Erfordernisse des menschlichen Zusammenlebens begrenzt." Und Schultz1 merkt hierzu an, in eben unserer freiheitlichen Struktur liege es begründet, daß nicht derjenige, der etwas unternimmt, ein Recht dazu haben müsse, sondern eigentlich derjenige eine besondere Legimitation der Rechtsordnung darzulegen habe, der einem anderen aufgrund einer Exklusivposition etwas verbieten will8 •

II. Die Voraussetzungen des absoluten Rechts im Sinne des § 823 I BGB

1. Die Schutzrichtung Die früher h. L. ging kompromißlos von einem starren Begriff des absoluten Rechts aus9 , der beinhaltete, das jeweilige Recht müsse nicht nur personell absolut, also gegen jeden Dritten geschützt sein, sondern es müsse auch einen inhaltlich generellen, d. h. umfassenden Schutz gegen jeden denkbaren Eingriffsakt genießen. Diese Auffassung kumu-

4

Mugdan li S. 1073.

Seltsamerweise sprechen auch orthodoxe Vertreter in der Literatur von immanenten Schranken, von Schranken also, die jedes absolute Recht, auch das Eigentum, in sich selbst trage. Geprüft wird jegliche Art von Schranken dann aber doch nur im Rahmen der - besonderen Gegenrechten vorbehaltenen - Rechtswidrigkeit, obwohl es bei der Tangierung des Rechts im Bereich seiner immanenten Beschränktheit bereits an der Tatbestandsmäßigkeit fehlt. 8 Krüger-Nieland, Karls. Forum 61, 18. 5

7

Schultz, NJW 63, 1802.

Hiergegen gibt allerdings Münzberg, S. 334 richtig zu bedenken, daß zumindest im Rahmen des § 823 I BGB der Gedanke des Güterschutzes auf Kosten der Handlungsfreiheit stärker hervortrete. 9 Schulz - Schäffer, S. 112 f . nennt es "Imperativpotenz". 8

4. Kap.: Der Schadenserfolg

92

lierte in Neumann-Duesbergs Behauptung10, daß unter § 823 I BGB überhaupt nur totale, nicht aber nur partielle Herrschaftsrechte fielen 11 • Richtig ist, daß ein absolutes Recht- im Gegensatz zum nur relativen, aus einer obligatorischen Verbindung entspringenden - gegen jeden möglichen Verletzer geschützt sein muß. Unterschiede in Ansehung der Person oder Eigenschaft des Schädigers sind unzulässig. Hierin liegt einer der beiden Gründe, bloße Forderungen nicht unter § 823 I BGB fallen zu lassen12• Im übrigen aber kann einem obligatorischen Recht, wie Löwisch jüngst nachgewiesen hat13, ebenso ein Zuweisungsgehalt innewohnen wie den echten absoluten Rechten. Im Zusammenhang mit der Frage des Schutzes gegen jeden Dritten soll kurz auf das Spezialproblem des Streiks, welches gerade durch das Recht am Gewerbebetrieb aktuell geworden ist, eingegangen werden: wenn eine Sache sich selbst, z. B. durch Kurzschluß, zerstört, können wir begrifflich nicht von einer "Verletzung" im Sinne des § 823 I sprechen, weil dieser Begriff immer einen Dritten als Verletzer voraussetzt. Nun ist die Arbeitnehmerschaft als solche einerseits unzweifelhaft in wirtschaftlicher Sicht ein integrierter Produktionsfaktor des Unternehmens und somit ein unlösbarer Bestandteil des Betriebs. Kann dieser Betriebsbestandteil den Gesamtbetrieb durch Streik begrifflich überhaupt "verletzen"? Löwisch14 hält dies für unmöglich, weil § 823 I BGB nur einen Schutz nach außen, nicht aber nach innen gewähre. Ebenso ablehnend äußert sich Hoeniger15, weil es sich beim Arbeitskampf lediglich um eine interne Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Produktionsfaktoren handle. Ramm16 schließt sich dem mit der Erwägung an, nicht der Arbeitgeber, sondern die aus Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehende Betriebsgemeinschaft könne bestenfalls Inhaber des Rechts am Gewerbebetrieb sein, der Inhaber selbst könne aber sein Rechtsgut tatbestandsmäßig nicht verletzen. Dem ist m . E. schon deshalb nicht zu folgen, weil eine derart entpersönlichte Auffassung vom Arbeitnehmer - er würde ausschließlich als Neumann-Duesberg, SJZ 50, 483 ff. Hiergegen allerdings die herrschende Meinung, z. B. Nipperdey, GutachtenS. 38 f.; Baumbach- Hefermehl, Allg. Einl. A 113; Körner, Der Rechtsschutz des Unternehmens nach§ 823 I BGB, Diss. Frankfurt 1959, S. 33. 12 Zum zweiten fehlt es an der erforderlichen leichten "Erfaßbarkeit" des Rechts. Zwar ist zu bedenken, daß jeder Dritte ebensogut das gegenständliche Objekt einer Forderung wie das des Eigentumsrechts verletzen und damit das Recht selbst beeinträchtigen kann. Dennoch fehlt es hier an der für ein echtes absolutes Recht notwendigen leichten Erfaßbarkeit und Offenkundigkeit des Rechtsguts, vgl. hierzu unten 4. Kap. II 4. 13 Löwisch, der Deliktsschutz der relativen Rechte, 1970. 10

11

u 15

1s

Löwisch, S. 24 f. Hoeniger, RdA 1953, 211. Ramm, AuR 64, 129, 132.

II. Die Voraussetzungen des absoluten Rechts

93

Produktionsfaktor, nicht als Mensch mit eigenen Rechten in die Betrachtung einbezogen- dem heute gültigen Menschenbild, an dem sich das Recht zu orientieren hat, eindeutig entgegensteht. Die menschliche Arbeit ist natürlich aus dem Produktionsprozeß nicht wegzudenken und stellt deshalb in wirtschaftlicher Hinsicht einen entpersönlichten Produktionsfaktor dar; andererseits besteht die Arbeitnehmerschaft aber aus freien Menschen, die sowohl als Einzelpersonen wie auch im Rahmen kollektiver Interessenorganisati onen dem Unternehmen als "Dritte" gegenüberstehen - und die deshalb dieses auch im Sinne des § 823 I BGB verletzen können 17 • Aber auch vom rein zivilrechtliehen Denken her lassen sich die Auffassungen Löwischs usw., wie Weitnauer 18 zutreffend gezeigt hat, nicht halten. Denn einmal steht das Rechtsgut "Gewerbebetrieb" entgegen Ramm ausschließlich dem Unternehmer und nicht einer imaginären Betriebsgemeinschaf t von Unternehmer und Arbeitnehmern zu letzteres ist zwar eine politische Forderung, nicht aber aktuelle Rechtswirklichkeit'". Zum anderen stellen sich die Arbeitnehmer durch den Streik gerade außerhalb des Betriebs, sie werden - und verstehen sich auch so- als kollektiver Gegner des Unternehmensinhabe rs, nicht aber in ihrer Funktion als "Produktionsfaktor" tätig. Unrichtig an der geschilderten früher h. L. zum absoluten Recht ist die Ansicht, daß auch jeglicher Eingriffsakt eine die Ersatzpflicht auslösende Verletzung im Sinne des § 823 I BGB darstellen müsse - ein Argument, das gerade in der Diskussion um das Recht am Gewerbebetrieb wegen der mannigfaltigen Verletzungsmöglichk eiten im freien aber lauteren Wettbewerb immer wieder als Ablehnungsgrund dieses Rechts vorgetragen worden ist20 • Ausgangspunkt dieser noch h. L. ist der scheinbar uneingeschränkte Eigentumsschutz, gegen den allerdings bereits 1919 Martin Wolfj2', vorwiegend aus nachbarrechtlichen Ge17 Mit derart inhumaner Begründung die Freiheitsbasis für das wirtschaftlich-soziologische Phänomen "Streik" zu erweitern, grenzt somit an Sophismus. 18 Weitnauer, DB 1970, 1689. 19 Selbst wenn aber die Betriebsgemeinschaft Rechtsinhaber wäre, ginge Ramms Argument fehl. Denn diese Betriebsgemeinschaft stellte jedenfalls ein eigenständiges Gebilde im juristischen Sinne dar, welches nicht mehr rechtlich identisch mit der Summe seiner Träger wäre. Die einzelnen Träger als solche könnten mithin wiederum o. w. das Rechtsgut Gewerbebetrieb der eigenständigen "Betriebsgemeinschaft " deliktisch verletzen, wie das auch jeder oHG-Gesellschafter bzgl. der oHG oder ihrer Einzelfaktoren kann. 20 Gieseke, GRUR 1950, 298 ff.; Palandt, § 823 A 6 i; Esser, Schuldrecht II,

S. 468; Völp, WuW 56,31 ff.

21 Enneccerus- Wolf!, Sachenrecht 3. Aufl. 1919, S. 143, im Gegensatz zu Thon, Rechtsnorm und subjektives Recht, 1878, S. 161, Windscheid Lehrbuch des Pandektenrechts 5. Aufl. Bd. I, S. 519: "das Eigentum als solches ist schrankenlos".

94

4. Kap.: Der Schadenserfolg

sichspunkten, Bedenken erhob. Wolf! hat damit schon frühzeitig den maßgeblichen Ansatzpunkt, der zur Ablehnung des angeblichen Erfordernisses "Verletzung des Rechts durch jeden Eingriff" führt, gesehen. Aus dem Nachbarrecht ergeben sich nämlich für das Eigentum bereits im Rahmen des objektiven Tatbestands, nicht erst in der Rechtswidrigkeit, immanente Schranken22• Ebenso verhält es sich mit dem Recht am Unternehmen und Verletzungen im Rahmen des erlaubten Wettbewerbs. Zu beachten ist lediglich, daß die tatbestandliehen Beschränkungen des Unternehmensrechts erheblicher als die des Eigentums sein müssen23 • Diese Andeutungen müssen an dieser Stelle, genügen, da zu der hier vertretenen Ansicht, daß nicht jeder Eingriff eine die Ersatzpflicht auslösende Tatbestandsverwirklichung darstelle, weiter unten in einem gesonderten Kapitel Näheres zu sagen sein wird. Im vorliegenden Zusammenhang soll auf das Ergebnis dieser Untersuchungen nur kurz Bezug genommen werden: Zwar kann jeder Eingriff in ein Rechtsgut des § 823 I BGB zum Schadensersatz führen. Dies gilt jedoch nur für wirklich tatbestandsrelevante Eingriffe. Es wurde oben darauf hingewiesen, daß das Deliktsrecht allgemein aus dem Spannungsverhältnis zwischen Rechtsgüterschutz des einzelnen und der allgemeinen Handlungsfreiheit der Rechtsgenossen heraus verstanden werden muß; auch§ 823 I BGB ist ausschließlich eine Norm des deliktischen Güterschutzes, seine Aufgabenstellung und Inhalt können nur - neben der Schadensverlagerungsfunktion- aus dem eben genannten Spannungsverhältnis heraus betrachtet werden. Dies bedingt, daß im objektiven Tatbestand dem Element der Verletzungshandlung, der konkreten Ausprägung in Anspruch genommener allgemeiner Handlungsfreiheit, welche schon bisher im Rahmen der Kausaladäquanz berücksichtigt wurde, erhöhte Bedeutung zugemessen werden muß24 • Es wird sich zeigen, daß die Analyse des Handlungselements im objektiven Tatbestand zur Lösung dieses Spannungsverhältnisses durch Unterscheidung von echten, tatbestandsrelevanten Verletzungen und irrelevanten bloßen Tangierungen des Rechtsguts führt 25• Erst die Zusammenschau 22 Vgl. Siebert, Verwirkung S. 161, 164; interessant auch die Rechtsprechung des RG zum Bergwerkseigentum, RG 161, 203, 208 sowie Weitnauer, Bergbau und öffentliche Verkehrsanstalten S. 15 ff. 23 Hefermehl sieht deshalb hierin auch kein allein durchschlagendes Argument gegen die Anerkennung des Rechts am Unternehmen als absolutes sonstiges Recht; es handle sich insoweit lediglich um einen graduellen Unterschied zum Eigentum, vgl. Baumbach- Hefermehl, Allg. Einl. A 113. 24 Hiermit ist ausschließlich die objektive Handlung, das sichtbare "was" der Handlung angesprochen. Mit der Theorie v. Caemmerers, der im objektiven Tatbestand prüft, ob der Handelnde mit seiner Handlung eine Verhaltenspflicht verletzt habe, hat dies in keiner Weise etwas zu tun; v. Caemmerer prüft nur das "wie" der Handlung, nämlich ob der Handelnde diese unter Verletzung von Verhaltenspflichten vorgenommen habe. 2s Vgl. unten 7. Kap. III.

li. Die Voraussetzungen des absoluten Rechts

95

von Erfolg urid Handlung kann im Einzelfall ergeben, ob eine schadensersatzpflichtige Delikts-Situation26 vorliegt. Daß nicht jeder Verletzungsakt eine Eigentumsbeschädigung im Rechtssinne darstellt, gesteht auch v. Caemmerer21 - allerdings im Hinblick auf seine Verhaltenspflichtenlehre, der hier nicht gefolgt wird28 - zu: "Der früher oft erhobene Einwand, ein absolutes Recht müsse umfassend gegen jeden denkbaren Angriffsakt und nicht nur gegen bestimmte Verhaltensweisen geschützt sein, greift zu weit. Auch beim Grundstückseigentum beispielsweise sind zahlreiche, z. T. schwerwiegende Einwirkungen auf dieses Grundstück und mannigfaltige Beeinträchtigungen etwa aus nachbarrechtlichen oder bergrechtliehen Gründen zulässig. Der Schutz ist also zwar generell, aber von wichtigen Ausnahmen durchbrochen. Von hier aus ergäbe sich also kein Bedenken gegen das Recht am Gewerbebetrieb". Nipperdey 29 weist ergänzend darauf hin, daß sich auch aus der in Art. 14 GG zum Ausdruck gekommenen Sozialgebundenheit des Eigentums ernsthafte Gründe gegen einen Totalschutz des Eigentums ergäben und daß, da dieses zweifellos das ausgeprägteste absolute Recht sei, der Schutz gegen jeden Eingriffsakt somit kein begriffsnotwendiges Merkmal des absoluten Rechts sein könne 30 • Es ist daher festzuhalten, daß ein als "absolut" qualifiziertes Recht begrifflich lediglich generelle Schutzfähigkeit gegenüber jedem in relevanter Weise Eingreifenden, nicht aber gegen jeglichen Eingriffsakt erfordert81 • 2. Die Konturiertheit

Der Begriff des absoluten Rechts wird vielmehr von anderen Faktoren geprägt, vor allem von dem der Bestimmtheit, beziehungsweise Bestimmbarkeit; dieser Grundsatz besagt, daß das Recht sowie seine Grenzen einigermaßen klar konturiert und erkennbar sein müssen. Deshalb muß das absolute Recht gegen bloße Generalklauseln abgegrenzt werden. Hierunter verstehen wir Normen, die so konturlos sind, daß sie aus sich allein heraus nicht interpretationsfähig sind, sondern erst durch anderweitige- fremde- Hilfserwägungen im Wege richterlicher Kasuistik zu juristischem Leben erweckt werden können. Ergeben sich hingegen aus der Norm oder dem Recht selbst - also ohne 28

27 28

2e 30 31

Diese muß fähig sein, die Rechtswidrigkeit zu indizieren.

v. Caemmerer, DJT-Festschrift S. 90, A 181.

Vgl. hierzu ausführlich unten 7. Kap. I. Nipperdey, GutachtenS. 38. So auch Körner, S. 14; a. A. Schrauder, S. 166. Münzberg, S. 334.

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4. Kap.: Der Schadenserfolg

Zuhilfenahme normfremder Erwägungen - genügend Anhaltspunkte zur klaren Bestimmung des Inhalts, dann haben wir es nicht mehr mit einer unbestimmten Generalklausel, sondern mit einem bestimmbaren und deshalb noch ausreichend konturierten Recht zu tun. Es wird unter IV sowie im nächsten Kapitel zu zeigen sein, daß letzteres auch auf das Recht am Gewerbebetrieb zutrifft.

3. Die besondere soziale Wichtigkeit Die bisher genannten Voraussetzungen reichen noch nicht aus, um ein absolutes Recht in seinem vollen Gehalt zu erfassen. Zum Wesen des absoluten Rechts gehören noch zwei weitere Elemente, die bei den genannten Gütern des § 823 I BGB so offensichtlich gegeben sind, daß sie üblicherweise nicht als besondere Voraussetzungen erkannt und benannt werden. Für die Entwicklung neuer "sonstiger Rechte" sind sie jedoch von ausschlaggebender Bedeutung. Ein absolutes Recht muß einmal ein Recht sein, dem im sozialen Leben eine überragende Bedeutung zukommt, also ein besonders wichtiges Recht, und zum anderen muß dieses Recht einigermaßen grob, also leicht erfaßbar sein. Der Gesetzgeber machte es sich bei der Konzipierung des § 823 I BGB nicht schwer. Er benannte Rechts- und Lebensgüter von überragender Bedeutung und überließ die Herausbildung wertgleicher "sonstiger" Rechte im übrigen der Rechtsprechung und Literatur32 • Rechtspolitisch war dieses Verhalten sinnvoll; die DynamikklauseP3 des "sonstigen Rechts" eröffnete nämlich die Möglichkeit, § 823 I immer wieder an neue Entwicklungen anzupassen. Auf dem Gebiet des Vermögensrechts führte dies jedoch vorerst nur dazu, daß außer dem Eigentum und seinen dinglichen Abspaltungen kein Vermögenswertes rechtliches Interesse o. w. anerkannt wurde, weil kein anderes die inhaltliche Klarheit und Präzision dieser Rechte erreichte. Unter den Begriff des "sonstigen Rechts" können jedoch nicht nur solche vermögenswerten Rechte, die einen dem Eigentum usw. adäquaten Bestimmtheitsgrad aufweisen, fallen; denn dieser Bestimmtheitsgrad wird von kaum einem anderen "neuen" Recht mehr erreicht werden können. 32 Das "sonstige Recht" bezieht sich nach allg. Ansicht zwar vorzüglich auf das Eigentum und damit auf Vermögensrechte. Die Neuentwicklung von Persönlichkeitsrechten und ihre Unterordnung unter§ 823 I BGB ist damit jedoch nicht abgeschnitten, das sonstige Recht bezieht sich vielmehr auch hierauf. Dies ergibt sich schon aus einer Bemerkung in den Protokollen (Mugdan II, S. 1078), wo befürchtet wird, daß die textliche Hintereinanderstellung von Eigentum und sonstigem Recht u. U. zu einer unrichtigen und einseitigen Auffassung vom "sonstigen Recht" führen könne. 38 Vgl. hierzu unten 4. Kap. 111.

II. Die Voraussetzungen des absoluten Rechts

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Das Eigentum gibt vielmehr in anderer Beziehung einen Maßstab, welche Anforderungen an ein "sonstiges Recht" zu stellen sind. Privateigentum war um die Jahrhundertwende im sozialen Leben das wichtigste Vermögensrecht, neben dem andere Vermögensbestandteile verblaßten. Es war einer der Eckpfeiler des Staates. Aus der textlichen Beschränkung des § 823 I BGB auf dieses sozial überragend wichtige Recht wird m. E. die Intention des Gesetzgebers bzgl. der "sonstigen Rechte" deutlich: anderweitige Vermögensinteressen, die nicht jeweils einen ähnlichen Grad von allgemeiner sozialer Bedeutung aufweisen können, sollen nicht unter§ 823 I BGB, sondern nur u. U. unter§§ 823 II, 826 BGB usw. fallen. Bei der Untersuchung evtl. "sonstiger Rechte" muß deshalb- soweit es sich um Vermögensrechte handelt- u. a. auch die Frage gestellt werden, ob die jeweiligen Vermögensbestandteile aus dem Kreis der anderen bedeutungsmäßig so hervorragen, daß sie der sozialen Bedeutung des Eigentums in etwa vergleichbar sind34 • Sinngemäß hat bereits das Reichsgericht den Gedanken der besonderen sozialen Wichtigkeit als Kriterium eines absoluten Rechts angewandt, als es die Anerkennung des Geschäftsbetriebs eines Idealvereins als "sonstiges Recht" u. a. mit der Begründung verweigerte, diese "Einrichtungen (seien) nicht für die Allgemeinheit, sondern nur für die Mitglieder geschaffen. Eine Ausdehnung des Begriffs des ,sonstigen Rechts' auf ein solches Vereinsunternehmen würde im Ergebnis dahin führen, daß eine jede menschliche Zwecktätigkeit als ein selbständiges Recht angesehen werden müßte" 35 • Der Grundsatz, es müsse sich um ein besonders wichtiges Rechtsgut handeln, gilt auch für die sog. Lebensgüter. So hat vor allem die besondere Bedeutung, die das GG dem Persönlichkeitsrecht gab, dazu geführt, daß das APR, das früher- im Rahmen der "Freiheit" - schon jahrzehntelang diskutiert, aber immer wieder abgelehnt wurde, endlich die Anerkennung als "sonstiges Recht" fand. Diese Interpretation des absoluten Rechts spiegelt sich in der Aufgabenteilung der beiden Absätze des § 823 BGB wider. § 823 I und II unterscheiden sich auf vermögensrechtlichem Gebiet also funktional dadurch, daß Abs. I die sozial wichtigeren und deshalb gegen jedermann geschützten Rechtsgüter erfaßt, während dem Abs. II die anderweitigen, 34 Ansätze in dieser Richtung finden sich auch bei Reuß, AcP 156, 89 ff., 100 ff., der als absolute sonstige Rechte nur "höherwertige" Rechte anerkennt, ohne allerdings zu zeigen, was er hierunter in concreto versteht. Reuß gelangt

- nicht eben sehr verständlich - mit dieser Theorie zur Ablehnung des Gewerbebetriebs als eines absoluten Rechts; hiergegen Fabricius, AcP 160, 295 A 81, der allerdings zu weit geht, wenn er meint, das Prinzip der Werthöhe sei völlig abzulehnen. Abzulehnen sind nur die Folgerungen, die Reuß aus diesem Prinzip zieht. 35 RG 73, 107, 111. 7 Preusche

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4. Kap.: Der Schadenserfolg

zwar noch durch besondere Schutzgesetze erfaßten, aber eben dem allgemeinen Bewußtsein doch nicht so präsenten, selbstverständlichen und grundlegenden vermögenswerten rechtlichen Interessen zugerechnet werden müssen38 •

4. Die einfache Erfaßbarkeit Ein mit dem Prädikat "absolut" zu versehendes Recht muß aber nicht nur besonders wichtig für das soziale Zusammenleben sein. Weiter erforderlich ist vielmehr, wie eben schon erwähnt, daß es seiner Struktur nach grob, leicht erfaßbar ist. Denn nur dann ist der Inhalt des § 823 I BGB seiner Aufgabe adäquat. Oben wurde bereits ausgeführt, daß wir das geltende Deliktsrecht - und somit auch den § 823 I BGB - immer aus dem Spannungsverhältnis von Rechtsgüterschutz und allgemeiner Handlungsfreiheit heraus verstehen müssen. Wenn unser deutsches Deliktsrecht im Gegensatz zu vielen ausländischen Rechten37 anstelle einer Generalklausel einem ziemlich komplizierten System verschiedener Deliktsnormen den Vorzug gab, hatte dies nicht den Sinn, diese verschiedenen Anspruchstatbestände um ihrer selbst willen zur Verfügung zu stellen. Vielmehr sind den jeweiligen Normen über ihre verschiedenartigen Anspruchsvoraussetzungen hinaus bestimmte primäre rechtspolitische Aufgaben zugewiesen. Ein Bild mag dies verdeutlichen: Man stelle sich die deliktischen Anspruchsnormen als eine Reihe übereinandergestaffelter Siebe mit verschieden großen und verschieden geformten Maschenöffnungen vor, deren Aufgabe es ist, sämtliche Deliktsfälle je nach ihren Besonderheiten einzusortieren. Dem jeweiligen Sieb - der Norm- werden diejenigen Deliktsereignisse zugeordnet, die wegen ihrer Art und Größe die Maschen nicht mehr passieren können. Das grobmaschigste Sieb ist § 823 I BGB; hier bleiben nur größere, gröbere Ereignisse zurück, also diejenigen verletzten Rechtsgüter, die klar konturiert, sozial besonders wichtig und gut erkennbar für den durchschnittlichen Rechtsgenossen sind. Die Verletzung anderer, weniger bedeutender Rechtsgüter bzw. zwar prinzipiell schutzwürdiger, aber erst durch besondere Schutzgesetze konkretisierbarer und anzuerkennender rechtlicher Interessen werden von § 823 II BGB erfaßt38 • 38 Allerdings ist Weitnauer, Jur. Jahrb. 4, S. 214 ff., 217, zuzugeben, daß vom äußeren Schutzumfang her gesehen § 823 I BGB sich insoweit immer mehr dem System einer Generalklausel, dem Totalschutz, annähert, als etliche vom BGB-Gesetzgeber noch nicht als besonders wichtig klassifizierte Rechtsgüter in den letzten Jahrzehnten erheblich an sozialer Bedeutung gewonnen haben und somit in den Bereich des§ 823 I BGB hineingewachsen sind. 37 Vgl. z. B. das Schweizerische u. Französische Recht. 38 Daß § 823 I u. II BGB oftmals in Anspruchskonkurrenz stehen, ändert

II. Die Voraussetzungen des absoluten Rechts

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Schließlich können per se besonders verabscheuungswürdige Handlungen die Maschen des § 826 nicht passieren, wobei die Art des eingetretenen Erfolgs völlig unerheblich ist. Entsprechendes gilt für die übrigen Deliktsnormen. Die für das Sieb des § 823 I BGB erforderliche besondere Wichtigkeit, Konturierung und einfache Erfaßbarkeit besitzen nicht nur körperliche Rechtsgüter, sondern, wie Hubmann31 überzeugend dargetan hat, auch Immaterialgüter: "Es mutet wie ein Rückfall in die Anfänge der Rechtsentwicklung an, wenn man sagt, daß diese Erkennbarkeit nur Körperdinge besäßen. Körper zwingen schon Tiere zu ihrer Beachtung, dagegen gehört es zur Würde des Menschen als eines Geisteswesen, daß ihm auch ideelle Werte ein Gegenstand der Erkenntnis und Achtung sind." Die zur leichten Erfaßbarkeit notwendige Erkennbarkeit ist also nicht "real-naturwissenschaftlich", sondern "geistig-soziologisch" zu verstehen40 • Die Berechtigung meiner These, die dem § 823 I BGB unterfallenden Rechte müßten von "grober", leicht erfaßbarer Struktur sein, ergibt sich aus den in der Norm benannten Rechtsgütern selbst. Diese beispielhaft genannten Lebens- und Rechtsgüter sind Richtungsweiser für die Interpretation des absoluten Rechts. Es ist auffällig, daß sich unter den benannten Rechtsgütern nur im obigen Sinne leicht erfaßbare, aber kein einziges von diffizilerer Natur, befinden. Versuche, Rechte dieser Artwie z. B. die "Freiheit der Willensbetätigung" - nachträglich hineinzuinterpretieren, wurden mit Recht zurückgewiesen41 • Die Freiheit der Willensbetätigung war a priori zu differenziert, zu vielschichtig und - man denke nur an die unzähligen Möglichkeiten indirekter Beeinflussung- zu schwer erkennbar, als daß man sie der körperlichen Bewegungsfreiheit adäquat hätte behandeln können. Aus dem gleichen Grund ist es heute abzulehnen, obligatorische Rechte wie dies Löwisch kürzlich versucht hat42 - dem § 823 I BGB unterzuordnen. Dies wurde zwar auch schon bisher mit der Begründung abgelehnt, ein obligatorisches Recht existiere nur gegenüber dem Vertragspartner und könne daher nicht von jedermann verletzt werden. Indes hat Löwisch nicht unrichtig gezeigt, daß ein obligatorisches Recht daran nichts, weil Schutzgesetze regelmäßig nicht gerade im Hinblick auf BGB aufgestellt werden, sondern aus anderen Gründen auch Materien regeln, die gleichzeitig bereits dem § 823 I unterfallen. 39 Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 130. 4 0 Vgl. Fabricius, AcP 160, 294 Anm. 4. 41 Vgl. Schulz- Schäffer, S. 152 f. mit vielen Nachweisen; neuerdings versucht Ernst Wolf jedoch wieder, die "Freiheit der Entschließung" in § 823 I BGB hineinzuinterpretieren, vgl. unten 4. Kap. IV. 42 Vgl. oben 2. Kap. III7. § 823 II

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4. Kap.: Der Schadenserfolg

zumindest insoweit durch jeden Dritten verletzbar ist, als dieser den Gegenstand des obligatorischen Anspruchs zerstört und damit den Anspruch selbst zum Erlöschen bringt. Folgt man dieser Meinung, kann man die Einordnung in § 823 I BGB auch weder an mangelnder Konturiertheit des Forderungsrechts scheitern lassen - der Anspruch ist in der Regel genau fixiert - noch am Merkmal der besonderen sozialen Bedeutung - denn unsere sozialen Beziehungen sind großenteils auf Verträgen aufgebaut43 • Nur das Erfordernis der "Grobheit", der leichten Erfaßbarkeit, hindert den Einzug der obligatorischen Rechte in den Bereich des "sonstigen Rechts". Denn wenn es auch richtig ist, daß ein Forderungsrecht - wie das Eigentum - durch jeden Dritten dadurch verletzt werden kann, daß der Bezugspunkt der Forderung, der Vertragsgegenstand, vernichtet wird44 , bleibt dennoch folgendes zu beachten: Hinter so gut wie jeder fremden Sache steht - leicht erkennbar oder sogar offenkundig für den Durchschnittsbürger - fremdes Eigentum. Die Sache ist bezüglich des Eigentums an ihr somit transparent. Nicht transparent hingegen ist eine Sache jedoch bezüglich der evtl. auf sie gerichteten Forderungen. Niemand kann einer Sache o. w. ansehen, ob sie verkauft oder verpachtet ist. Beim Anblick einer Sache wird zwar das Eigentum, nicht aber ein evtl. dahinterstehendes Forderungsrecht im Bewußtsein des Durchschnittsbürgers präsent. Ganz im hier vertretenen Sinne hat das Reichsgericht45 bereits frühzeitig und leider unbeachtet auf die leichte Erkennbarkeit des Rechts für jedermann als Merkmal eines absoluten Rechts hingewiesen, als es diese Qualifikation dem Geschäftsbetrieb eines Idealvereins mit der Begründung verweigerte, die Anhäufung gewisser äußerer Einrichtungen allgemeiner Art wie Bücher, Kasse usw. stelle "eine Rechtsähnlichkeit mit dem Eigentum oder einem anderen absoluten, dinglichen oder doch für jedermann erkennbaren und von jedermann zu beachtenden Rechte, wie es unter dem ,sonstigen Recht' des § 823 I BGB zu verstehen ist, nicht her". Dem Prinzip der "leichten Erfaßbarkeit" eines absoluten Rechts i. S. des § 823 I BGB ist vor einiger Zeit auch Fabricius46 auf die Spur gekommen. "Leichte Erfaßbarkeit" heißt in Fabricius' Terminologie "sozialtypische Offenkundigkeit"; sie liegt vor, wenn "von einem für den Durchschnittstypus des Rechtsgenossen regelmäßig sinnlich wahrnehmDies kommt auch in der Maxime "pacta sunt servanda" zum Ausdruck. So auch Fabricius, AcP 160, 280. 45 RG 73, 107, 111; in dieser Entscheidung findet man außerdem bereits das Kriterium der besonderen sozialen Wichtigkeit - sinngemäß - formuliert, vgl. oben S. 97 und Anm. 35 ebenda. 46 Fabricius, AcP 160, 273 f., 295; teils kritisch, teils zustimmend hierzu Koziol, S. 174 ff. 43

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Il. Die Voraussetzungen des absoluten Rechts

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baren Gegenstand aufgrund unserer Sozial- und Kulturauffassung .selbstverständlich, d. h. durch einfache, überwiegend auf Erfahrung und ;Gewohnheit beruhende Gedankenreflexion auf das Rechtsgut als das rechtlich geschützte Interesse eine Berechtigten an einem Gegenstand geschlossen wird" 47 • Nur leicht erfaßbare "grobe" Rechtsgüter können :auch durch einfache Gedankenreflexion vom sinnlich wahrnehmbaren ;c;.egenstand auf das Rechtsgut erschlossen werden.

5. Der Zuweisungsgehalt Gerade im Hinblick auf das Recht am Unternehmen wird immer wieder vorgebracht, jedes echte absolute Recht müsse einen "Zuweisungsgehalt" haben48 • Ein echtes absolutes Recht sei immer ein absolutes Herrschaftsrecht und müsse seinem Inhaber zum ausschließlichen Nutzen und Gebrauchen zugewiesen sein, denn hierin liege der Kern des subjektiven absoluten Rechts. Der Rechtsschutz gegen Eingriffe Dritter habe demgegenüber nur dienende Funktion49 • Dem ist nicht zu folgen. Ausgangspunkt der h. L. ist regelmäßig die Veräußerbarkeit und Verpfändbarkeit des Rechtsguts, also seine Verfügbarkeit, die für die Qualifikation als "echtes" absolutes Recht50 maßgebend sein soll. Abgesehen davon, daß es ziemlich fraglich ist, ob die Verfügbarkeit des Rechtsguts im Deliktsrecht unter Beachtung der dortigen Aufgabenstellung überhaupt relevant sein kann, ist dies ein reichlich vordergründiges Argument und wird deshalb auch von der h. M. keineswegs immer durchgehalten. So ist z. B. das Namensrecht in aller Regel weder veräußerlich noch verpfändbar - dennoch gilt es bereits seit Jahrzehnten51 unangefochten als absolutes Recht. Außerdem sind gerade Forderungsrechte leicht veräußerbar oder verpfändbar und besitzen somit positiven Zuweisungsgehalt. Da die obligatorischen Rechte von vielen geradezu als Gegenpol der absoluten angesehen werden, kann ein derartiger Zuweisungsgehalt wohl kaum als ausschlaggebendes Spezifikum gerade des absoluten Rechts bezeichnet werden. Es handelt sich bestenfalls um ein Hilfskriterium, dessen zwingende Notwendigkeit im Rahmen des Deliktsrechts bisher zwar vielfach behauptet, aber nicht bewiesen worden ist. 47 Schrauder, S. 164 meint zu Unrecht, Fabricius setze "absolut" mit "sozialtypisch offenkundig" gleich. Die sozialtypische Offenkundigkeit ist nämlich für Fabricius nicht das einzige Kriterium eines absoluten Rechts. 48 v. Caemmerer, DJT-Festschrift S. 89; Raiser, JZ 61, 469; Raiser, 39, DJT 1952, Teil B, S . 52 f .; Ballerstedt, JZ 51, 486 f . •19 v. Caemme1·er, DJT-Festschrift S. 55. 50 Statt vieler v. Caemmerer, DJT-Festschrift S. 89; jüngst so auch wieder Schrauder, S. 160 ff. und S. 172 f. st Vgl. schon RG 95,271.

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4. Kap.: Der Schadenserfolg

Neben der Verfügbarkeit als Zuweisungsgehalts-Kriterium wird auch vielfach die Möglichkeit der Fruchtziehung und sonstigen Nutzen herangezogen. Diesbezüglich meinen Franz Böhm, Gieseke und einige weitere Autoren52, bei einem sonstigen Recht müsse sich die Befugnis zur Nutzenziehung - wie beim Eigentum - aus einer Friedensordnung, nicht aber aus einer reinen Kampfordnung wie z. B. der des Wettbewerbs ergeben. Einem Unternehmen seien die aus ihm gezogenen Nutzungen, also seine Erfolge, nicht im eigentlichen Sinne zugewiesen, weil es kein Recht auf einen konkreten Gewinn, sondern nur auf die wirtschaftliche Betätigung als solche habe.

Böhm und Anhänger verstehen unter "Kampfordnung" also, daß nicht das Gesetz, sondern die Kraft des Stärkeren über die Zugehörigkeit der Nutzung entscheidet und daß lediglich der um dieselbe entbrennende Kampf geregelt wird, während in der Friedensordnung die Zuordnung der jeweiligen Nutzung bereits aufgrund gesetzlicher Kriterien feststeht und einklagbar ist. Diese Unterscheidung ist jedoch nicht stichhaltig. Auch die klassischen Rechte wie das Eigentum können u. a. nämlich dadurch genutzt werden, daß ihre Nutzungsmöglichkeit kommerzialisiert wird. In diesem Bereich53 sind aber zwischen Gewerbetreibendem und Eigentümer keine Unterschiede mehr ersichtlich. Die Ausnutzbarkeit des jeweiligen Rechtsguts ist sowohl dem Eigentümer wie auch dem Unternehmer ausschließlich zugewiesen. Die vom Unternehmer hergestellten Produkte können ohne seine Zustimmung nur von ihm angeboten werden. Damit aber das Produkt auch tatsächlich gekauft wird, muß sich der Unternehmer gegen die Konkurrenz durchsetzen, die gleichartige Produkte anbietet. Ist die Ware verkauft, ist ihm auch die entsprechende Nutzung, der Kaufpreis, wiederum endgültig und unentziehbar zugewiesen. Ebenso verhält es sich beim Eigentümer als Vermieter. Auch er befindet sich im Konkurrenzkampf mit anderen Vermietern gleichartiger Mietobjekte und hat keinen Anspruch auf die Realisierung der kommerziellen Nutzungsmöglichkeit, also darauf, daß jemand seine Mietsache tatsächlich mietet. Erst wenn sie vermietet ist, steht ihm die - derart gezogene - Nutzung zu. Hier wie dort besteht also zwar ein Recht auf Ausnutzung des Rechtsguts, nicht aber auf die Realisierung der Nutzungsmöglichkeit. Lediglich die prinzipielle Ausnutzungsmöglichkeit und die später tatsächlich gezogene Nutzung sind dem Rechtsgutsinhaber - unabhängig davon, ob er 52 Franz Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf (1953), insbesondere S. 284 fi.; Gieseke, GRUR 1950, 298 ff.; vgl. weiter auch Mestmäcker, JZ 58, 526 sowie jüngst auch wieder betont Schrauder, S. 106. 53 Im Bereich der nichtkommerziellen Eigennutzung ergäbe sich sicher anderes. Unterschied ist insoweit aber, daß das Recht am Gewerbebetrieb nicht auf außerkommerzielle Eigennutzung angelegt ist.

II. Die Voraussetzungen des absoluten Rechts

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Eigentümer oder Unternehmer ist - "zugewiesen" 54• Dies übersehen sowohl Böhm und Anhänger als auch Raise~5 , der meint die Nutzenziehung des Unternehmers unterscheide sich von der des Eigentümers spezifisch dadurch, daß es im Wirtschaftsleben keine "Monopolstellungen" gäbe; deshalb wohne dem Recht am Unternehmen kein Zuweisungsgehalt inne. Sicherlich wird niemand bestreiten, daß der Unternehmer bezüglich seines Unternehmens ebenso wie der Eigentümer bezüglich seiner Sache das absolute "Monopol" der Ausnutzungsmöglichkeit hat. Eine andere Frage ist, ob sich die Produkte bzw. die zur Miete angebotene Wohnung o. ä. auf dem Markt durchsetzen. Bezüglich der Realisierung der Nutzungsmöglichkeiten besitzen aber weder der Unternehmer noch der Eigentümer absolute Sicherheit. Allerdings soll nicht verkannt werden, daß andere Nutzungsarten, z. B. die Eigennutzung des im Eigentum stehenden Pkw oder des Wohnhauses oder die am Baum gewachsenen Früchte dem Eigentümer in monopolistischer Art zugewiesen sind. Diese Nutzungsarten sind aber eben nur ein- wenn auch nicht unerheblicher - Teilaspekt des Problems der Nutzungszuweisung. Beim Recht am Unternehmen, das von vornherein nicht auf außerkommerzielle Eigennutzung angelegt ist, findet er keine Parallele. Meines Erachtens geht es aber nicht an, den Charakter eines Rechts nur aufgrund dieses Teilaspekts zu bestimmen. Schließlich ist noch zu beachten, daß das Deliktsrecht die Aufgabe hat, zu entscheiden, wem nach der Verletzung von Rechtsgütern bzw. geschützten rechtlichen Interessen die Reparation der Schäden obliegt. Für die Frage, ob das verletzte Rechtsgut seinem Inhaber über den Reparationsanspruch hinaus bestimmte positive Befugnisse gewährt oder nicht, ist bei dieser Aufgabenstellung- abgesehen evtl. von Fragen des Schadensumfangs - kein Raum. Daraus folgt: Ein absolutes Recht kann negativen und positiven Inhalt haben. Der negative Inhalt ist maßgebend für die Abwehr von Angriffen, der positive für die Zulässigkeit des Strebens, mit dem Gut nach Belieben zu verfahren oder mit seiner Hilfe neue Werte zu schaffen56 • Im Deliktsrecht kommt es nur auf ersteres an. Der Begriff "absolutes Recht" ist bezüglich § 823 I BGB somit nur i. S. eines absoluten Ausschlußrechts57 54 Dies übersieht auch Buchner, S. 263 ff., der einen Zuweisungsgehalt des Rechts am Unternehmen leugnet, den Rechtsschutz aus § 823 I BGB daran aber nicht scheitern läßt, da der Zuweisungsgehalt seiner Meinung nach nicht notwendigerweise zum Begriff des subjektiven Rechts gehöre. ss Raiser, JZ 61, 469; nach Raiser setzt ein "absolutes Recht" allgemein einmal eine gewisse "Stabilität" voraus; zum anderen müsse die Monopolisierung des einzelnen. Guts für einen bestimmten Menschen erträglich sein (vgl. s. 467). 56 So auch Hubmann, Persönlichkeitsrecht S. 128. 57 Zur Diktion vgl. Nipperdey, RechtsgutachtenS. 37 f.

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4. Kap.: Der Schadenserfolg

gegenüber jedem Dritten zu verstehen, ein darüber hinausgehender besonderer positiver Zuweisungsgehalt ist nicht erforderlich58 • Zusammenfassend ist festzuhalten, daß ein Recht folgende Voraussetzungen erfüllen muß, um als "absolut" bezeichnet werden zu können: Es muß gegen jeden möglichen Schädiger geschützt sein; weiter bedarf es genügend klarer Konturen, also zumindest der "Bestimmbarkeit", sodann muß es zu den für das soziale Zusammenleben besonders wichtigen Rechten gehören und schließlich "grob", d. h. auch für den Durchschnittsbürger leicht erfaßbar sein. Nicht erforderlich ist, daß es gegen jeden denkbaren Verletzungsakt geschützt ist und einen besonderen positiven Zuweisungsgehalt hat. 111. Die Dynamik des § 823 I BGB

In einem System von Einzeltatbeständen, wie es§ 823 I BGB darstellt, muß die juristische Praxis bestrebt sein, die damit notwendig verbundenen Lücken und Schwierigkeiten durch eine nach den Verkehrsbedürfnissen gestaltete Erweiterung der Haftungstatbestände auszugleichen. Im Rahmen des § 823 I BGB hat jedoch bereits der Gesetzgeber selbst diesen Schwierigkeiten ansatzweise Rechnung getragen und durch das "sonstige Recht" die extensive Weiterbildung des Deliktsrechts durch die Rechtsprechung gleichsam im voraus legalisiert. Der Gesetzgeber hat hiermit, was nicht eindringlich genug betont werden kann, eine dynamische Rechtsfortbildungsklausel geschaffen und für zukünftige Juristengenerationen die Aufgabe der Tatbestandserweiterung bzw. Lückenausfüllung direkt ausgesprochen59• 60 • Hält man sich die grundlegenden Veränderungen der Sozialstruktur in den letzten 80 Jahren vor Augen, wird offenbar, wie segensreich diese "generalklauselartige"61 Dynamisierung - Deutsch nennt sie "Entwicklungsfunktion"62 - des wortlautmäßig ansonsten überaus starren § 823 I BGB heute wirkt. Der seit der Normierung des BGB neu auf58 So schon Kreß, Schuldrecht I S. 10 f.; neuerdings (1971) stellt auch Baumbach - Hefermehl, Allg. Einl. A 113 wieder klar, daß ein fehlender posi-

tiver Zuweisungsgehalt allein nicht geeignet sei, die Qualifizierung als absolutes Recht i. S. des § 823 I BGB abzulehnen; das Recht am Unternehmen ist für Hefermehl allerdings weder ein Herrschafts- noch ein absolutes Ausschlußrecht. 59 So sinngemäß auch Reinhardt, Karlsr. Forum 61, 5. 60 Eben wegen dieser Dynamikklausel ist aber auch jegliche Analogie im technischen Sinne ausgeschlossen; dies verkennt Schrauder, S. 206 ff., vor allem S. 213. st So Katzenberger, S. 12. s2 Deutsch, JZ 63, 385, 388 f.

IV. Das Recht am Unternehmen als absolutes Recht

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getretenen Phänomene könnten wir heute mit den benannten Rechten des § 823 I BGB, die ihre Vorrangstellung gemeinrechtlich geschulten Juristen verdanken, denen das Verständnis für aufkommende soziale und wirtschaftliche Bewegungen noch weitgehend fehlte, nicht mehr Herr werden. Man kann es deshalb nicht hoch genug einstufen, wenn die BGB-Väter dennoch den so wichtigen§ 823 I BGB dadurch dynamisiert haben63 , daß sie mit dem "Begriff des sonstigen Rechts eine Art Generalklausel aufnahmen und so den Weg für die künftige Anerkennung weiterer absoluter Rechte freihielten"~. Hierzu finden wir in den Protokollen65 u. a. die Bemerkung, das Gesetz habe eine selbständige, über die Absichten seines Urhebers hinausgehende Bedeutung und könne auch auf solche Fälle angewendet werden, an welche dieser noch nicht gedacht habe66 • In die Beurteilung von als "sonstige Rechte" in Frage stehenden Rechtsgütern müssen auch diese Intentionen aufgenommen werden. Der Gesetzgeber selbst erkannte, wie seine eben zitierte Bemerkung zeigt, die Möglichkeit, daß zu späterem Zeitpunkt auch neue und im BGB oder Nebengesetzen noch nicht weiter positiv-rechtlich normierte schutzwürdige Interessenkomplexe in den Bereich des § 823 I BGB hineinwachsen könnten. Es ist deshalb nicht einzusehen, daß - vor dem Hintergrund dieser Entscheidung der Väter des BGB und der oben getroffenen Feststellungen zum Wesen des absoluten Rechts- das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht dem § 823 I BGB untergeordnet werden sollte, während andererseits der sozial und wirtschaftlich bei weitem unwichtigere bloße Sachbesitz, nur weil er vom Gesetzgeber in §§ 854 ff. BGB ausführlich geregelt worden ist, allgemein als sonstiges Recht anerkannt wird. IV. Das Recht am Unternehmen als absolutes Recht Es ist erstaunlich, daß sich weite Teile der Literatur zwar mit der Einordnung des Rechts am Gewerbebetrieb in § 823 I BGB einverstanden oa Zustimmend außer den bereits genannten Autoren auch Reinhardt, JZ 61, 713; Deutsch, JuS 67, 152. 64 Hubmann, Persönlichkeitsrecht S. 135 f. os

Mugdan, S. 1075.

Dies bedeutet aber keinesfalls, daß man als ausschlaggebendes Kriterium der aufzufindenden "sonstigen" Rechte - wie dies z. B. auch Schrauder, S. 162 ff. anscheinend vertritt - die Existenz von Verhaltensnormen im v. Caemmerer'schen Sinne ansehen könnte. Wesen und Existenz eines absoluten Rechts sind unabhängig vom möglichen Verhalten des evtl. Verletzers zu beurteilen. Lediglich die delikUsche Schutzfähigkeit kann von irgendwelchen Umständen auf der Handlungsseite abhängen. Was ein absolutes "sonstiges" Recht ist, entscheidet sich auf der Erfolgsseite des objektiven Tatbestands. 66

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4. Kap.: Der Schadenserfolg

erklärt haben, ihm andererseits aber die Qualifikation als absolutes Recht absprechen. Diesen Widerspruch der h. L. offenbart besonders deutlich v. Caemmerer61 , wenn er meint, das Recht am Gewerbebetrieb sei nur eine Krücke, die man eines Tages fortwerfen könne, wenn sich die Rechtsprechung genügend gefestigt habe68 • Teilweise wird das Recht am Gewerbebetrieb als "generalklauselartiges oder Rahmenrecht" 69 teilweise aber sogar auch nur als "tatsächlicher Zustandmo oder als "Sondervermögen"71 bezeichnet. Andere Autoren dagegen erkennen dieses Recht ausdrücklich an72 • Es muß sich anhand der oben erarbeiteten generellen Kriterien des absoluten Rechts nunmehr erweisen, welcher dieser Meinungen zu folgen ise3 • Keiner Ausführungen bedarf es, daß das Unternehmen gegen jeden Eingreifer geschützt ist. Die hier in Frage stehenden Verletzungshandlungen haben Deliktscharakter, da die Verletzungsmöglichkeit nicht auf bestimmte, rechtlich irgendwie qualifizierte Personen beschränkt ist. Wesentliche Bedeutung kommt hingegen der Frage zu, ob das Recht am Gewerbebetrieb genügend fest umrissen und bestimmt ist, um als absolutes Recht gelten zu können. Hierzu meint Hefermehl neuerdings7\ das Recht am Unternehmen sei kein absolutes Recht, denn es besitze keinen Zuweisungsgehalt, sondern sei eine bloße "Denkform" aus Gründen des partiellen Schutzes einer besonderen Vermögensmasse. Im Grunde entbehre das Recht jeder tatbestandliehen Fixierung, so daß 67 v. Caemmerer, Festschrift für Rabe! S. 277. 68 Konsequent ist hingegen Lehmann, wenn er meint, man begehe durch eine begriffliche Einreihung der schutzwürdigen neuen Rechtsgüter in ein im Grunde unpassendes Begriffsschema "Normerschleichung" (Lehmann, NJW 59, 670). Nach Raiser, JZ 61, 470, muß die Anerkennung eines Rechts am Gewerbebetrieb sogar "als eine gefährliche Mißachtung der Grundgedanken der marktwirtschaftliehen Ordnung bedauert werden". Hieran anschließend meint Völp, WuW 56, 37, das Recht am Gewerbebetrieb passe bestenfalls in ein Planwirtschaftssystem. Solange freier Wettbewerb herrsche, bedeutet der Schutz dieses angeblichen absoluten Rechts "eine durch nichts gerechtfertigte Bevorzugung der beati possidentes". 69 v. Caemmerer, DJT-Festschrift S. 89; Baumbach- Hefermehl, Allg. Ein!. A 113; Nipperdey, NJW 67, 1987. 70 z. B. ist nach Würdinger in RGRK zum HGB 1935, § 22 Anm. 2, das Unternehmen nur ein "Tatbestand, mit welchem die Rechtsordnung bestimmte Folgen verbindet". 71 Schönfeld, RG Prax. II S. 265; Julius v. Gierke, ZHR 111, 9. 72 z. B. Hueck, Gutachten S. 36; Reinhardt, Forum 61, 13; Müller-Erzbach, JZ 52, 193, 196, der das "Wertschaffungsvermögen" betont. 73 Auf ganz anderem Wege, nämlich unter Heranziehung der Art. 2 u. 12 GG, versucht Nipperdey ein absolutes Recht zu konstruieren, vgl. Hueck Nipperdey, Bd. II S. 636 u. Nipperdey, Gutachten S. 41; gegen Nipperdey Thilo Ramm, AuR 321 ff., 327. 74 Baumbach- Hefermehl, Allg. Einl. A 113 u. 121 f.; vgl. auch v. Caemmerer, DJT-Festschrift S. 89.

IV. Das Recht am Unternehmen als absolutes Recht

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die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs niemals indiziert werden, sondern immer nur aufgrund einer Güter- und Interessenahwägung im Einzelfall positiv festgestellt werden könne. "Die sich hierbei ergebenden Probleme sind im Grunde keine anderen, als wenn die Rechtsprechung besondere Verhaltensregeln zum Schutze des Unternehmens entwickeln würde, deren schuldhafte Verletzung eine Ersatzpflicht nach§ 823 II BGB begründet." Unter Aufgabe seiner bisherigen Ansicht lehnt Hefermehl deshalb die Qualifizierung des Rechts am Unternehmen als subjektives absolutes Recht nunmehr ab 75 • Ob diese strikte Ablehnung gerechtgertigt ist, erscheint mir fraglich. Es wird deshalb im nächsten Kapitel versucht werden, einen schutzfähigen absoluten Kern des Rechts am Unternehmen herauszuarbeiten. Zuvor ist jedoch noch auf Kritik und Lösungsversuch einer neueren Richtung in der Literatur einzugehen. Hubmann76 hat vor einiger Zeit festgestellt, daß im Gewerbebetrieb

3 Faktoren verletzt werden können: Einmal die Betätigung des Unternehmers selbst; dann das sog. objektivierte Geistesgut, zu dem die Organisation, der good will, Absatzchancen und tatsächliche Beziehungen zu Lieferanten und Kunden gehören; schließlich die selbständigen, in das Unternehmen eingegliederten Gegenstände, wie Büroausrüstung, Maschinen, usw. An dieser Vielschichtigkeit des Unternehmens setzt neuerdings wieder die Kritik Ernst Wolfs 77 an, auf die hier deshalb ausführlicher eingegangen werden soll, weil sie in jüngster Zeit von mehreren Schriftstellern bejahend aufgegriffen worden ist78 • Wolf versucht, die Probleme durch Verlagerung des Rechts am Gewerbebetrieb und ähnlich umstrittener Rechte auf das Gebiet der "Freiheit" zu lösen. Die Freiheit i. S. des § 823 I BGB wird heute nach h. L. nur im Sinne körperlicher Bewegungsfreiheit, nicht als geistige Entschließungsfreiheit verstanden. Zu Anfang des Jahrhunderts war dies noch anders79 • 75 Erhebliche Bedenken hatte Hefermehl diesbezüglich bereits in den Vorauflagen seines Kommentars geäußert, vgl. z. B. 9. Aufl., Allg. Einl. A 106, ohne aber hieraus bereits die jetzige klare Konsequenz zu ziehen. Dies hatte seinen Grund wohl in der damals noch stärkeren Betonung des gewohnheitsrechtlichen Charakters des Rechts. 78 Hubmann, ZHR 117,50 f. 77 Ernst Wolf, Festschrift für Hippel1967, S. 667 ff. 78 Vgl. vor allem Leinemann, AuR 70, 289 ff.; Leinemann, Der Begriff der Freiheit nach § 823 I BGB, 1969; Hoffmann, AuR 70, 33 ff.; Hyung-Bae Kim, Streikpostenstehen 1969, S. 35 ff. 79 Vgl. z. B. v. Liszt, Deliktsobligationen S. 24: "Freiheit i. S. des BGB ist also die ungestörte Willensbestimmung überhaupt und jede Verletzung derselben durch Gewalt oder durch Drohung irgendwelcher Art fällt unter § 823 I BGB und verpflichtet zum Schadensersatz"; Planck, Komm., 3. Aufl. § 823 Anm. II 1d; Dernburg- Raape, § 390 II (S. 784) vgl. noch Weitnauer, JZ 61, 576, 577 a. E.

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4. Kap.: Der Schadenserfolg

Damals versuchte eine weitverbreitete Meinung, mit dem Freiheitsbegriff die Persönlichkeit des einzelnen, sein Recht auf Entscheidungsfreiheit, zu schützen. Auf diese zu Recht bald aufgegebenen Versuche greift nunmehr Ernst Wolj8° zurück, wenn er die "Freiheit" wieder als "Recht auf Entschließungsfreiheit" verstanden wissen will. In Nachfolge Wolfs erklärt Leinemann8 \ daß die neue Theorie sich von der alten vor allem dadurch unterscheide, daß letztere nicht mehr von einer bloßen absoluten Freiheitsidee, die nach objektiven Merkmalen zu begrenzen wäre, ausgehe, sondern als Ansatzpunkt den Menschen in seiner Körperlichkeit wähle. Jedes absolute Recht bedürfe zwar eines individuellen und möglichst greifbaren Gegenstands; diese Voraussetzung sei bezüglich der Entschließungsfreiheit aber dadurch gegeben, daß sie notwendiger Bestandteil der Personen sei, die ihrerseits eine körperliche Einheit darstelle82 • Die Lehre von der Entschließungsfreiheit soll nach Leinemann das Recht am Unternehmen ablösen, denn dieses sei lediglich eine Gesamtheit von Gegenständen, der es an der Voraussetzung eines jeden absoluten Rechts, nämlich an einem "individuellen Einzelgegenstand" mangle83 • Schon sprachlich sei unklar, was Gegenstand des angeblichen Rechts am Unternehmen sein solle. Denn das Merkmal "eingerichtet" könne sich nur auf den gegenständlichen Betrieb beziehen, "ausgeübt" dagegen auf das Betreiben eines Gewerbes: "eingerichtet kann nur ein Gewerbebetrieb sein, ausgeübt werden kann nur eine Tätigkeit" 84 • Schließlich sei das Recht am Unternehmen im Grunde nichts anderes als ein historisches Relikt, ein Nachgesang auf das Gilden- und Zünftewesen, dessen vornehmste Aufgabe es gewesen sei, von den Zunftmitgliedern unerwünschte Konkurrenz fernzuhalten85• Diese Angriffe können nicht überzeugen. Richtig ist zwar, daß ein absolutes Recht einen Individualgegenstand voraussetzt. Dieses Erfordernis aber erfüllt das Recht am Unternehmen. Denn ein Unternehmen stellt nicht nur eine bloß bezeichnungsmäßige, irreale und unselbständige Zusammenfassung vieler Einzelgegenstände dar, sondern es ist eine neue, unkörperliche, aber selbständige Wesenseinheit und bleibt dies auch dann, wenn Einzelteile wieder abgezogen werden. Als Beispiel mag dienen, daß eine Vielzahl von Betrieben aus dem Osten des ehemaligen Deutschen Reichs, die im Verlauf des 2. Weltkrieges ihr gesamtes Arbeitskräfte- und Produktionspotential verloren hatten und deren Betriebsstätten und Organisationen demontiert bzw. vernichtet 80 Ernst Wolf, Festschrift für Hippel1967, S. 667 ff. st Leinemann, AuR 1970, 289, 296 f.

Leinemann, AuR 1970, 297. Hoffmann, AuR 1970, 33, 36; Leinemann, AuR 1970,290. 84 Leinemann, AuR 1970, S. 290. ss Leinemann, AuR 1970, 293. s2

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IV. Das Recht am Unternehmen als absolutes Recht

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waren, sich im Westen nach einiger Zeit ihre tatsächlichen Grundlagen neu beschaffen konnten und ihre Tätigkeit hier wieder aufnahmen. Es waren nicht neue Unternehmen, die so entstanden, sondern noch die ursprünglichen, die lediglich ihre tatsächlichen Grundlagen weitgehend ausgetauscht hatten86 • Sicherlich haben Schriftsteller wie Leinemann, Wolf u. a ., die wohl noch zu sehr am Bild des Eigentums im konservativen Sinne orientiert sind, erhebliche Schwierigkeiten im Erfassen unkörperlicher Wesenseinheiten. Es bedeutet aber m. E. einen Rückfall in die Primitivregionen der Rechtswissenschaft, lediglich in auf materielle Gegenstände bezogenen Begriffen zu denken, sich derart an das Sichtbare, Greifbare, zu halten, die Möglichkeit eines höheren Sachinbegriffs aber, einer eigentümlichen Wesenseinheit, deren Einzelgrundlagen nur eine Art Existenzsprungbrett der Einheit darstellen, die fortan unabhängig über jenen steht, nicht als gleichwertig anzuerkennen. Das Unternehmen als höhere Wesens- bzw. Werteinheit ist weder eine "Konstruktion idealistischer Scheinabsolutheiten" noch "paradox" 87 , sondern ein individueller Gegenstand, der Inhalt eines Rechts i. S. des Deliktsrecht, genauereines Immaterialgüterrechts, sein kann. Unberechtigt ist auch der Vorwurf, im Recht am "eingerichteten und ausgeübten" Gewerbebetrieb werde unzulässigerweise der gegenständliche Betrieb mit dem persönlichen Betreiben eines Gewerbes vermengt. Denn mit den Merkmalen "eingerichtet und ausgeübt" wird lediglich der Begriff selbst präzisiert. Solange der zukünftige Unternehmer nur Vorbereitungen trifft, etwa Büromöbel einkauft, ohne sich bereits gewerblich zu betätigen, existiert noch kein "Betrieb". Andererseits hört er auf, zu existieren, wenn die Tätigkeit nicht nur vorübergehend eingestellt wird und die Betriebseinrichtungen endgültig nicht mehr ihrer Bestimmung gemäß eingesetzt werden. Beides versteht sich von selbst. Im Grunde sind deshalb die Zusatzbegriffe "eingerichtet und ausgeübt" überflüssig, weil ihr Aussagewert bereits im Grundbegriff "Gewerbebetrieb" enthalten ist. Fehl geht auch der Hinweis Leinemanns auf das Zunftrecht. Denn einmal ist es - vorausgesetzt, hier stände tatsächlich die Wiege des Rechtsam Unternehmen- nicht einzusehen, wieso ein bereits vor Jahrhunderten aufgetretenes wirtschaftliches Phänomen, das sich mit der Zeit zum Recht perpetuiert hat, nur deshalb heute nicht mehr als schutzfähig anzuerkennen sein sollte, weil es in früheren Zeiten betont ungleichmäßig zugunsten bestimmter Gruppen von Privilegierten aus86 Geblieben waren in der Regel jedoch unkörperliche Geschäftswerte, wie Patente, good will, Firmenname usw., sowie natürlich die Tatkraft des Unternehmers selbst als Voraussetzung jeder wirtschaftlichen Betätigung. s7 So aber Leinemann, AuR 1970, S. 291.

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4. Kap.: Der Schadenserfolg

genutzt wurde. Zum anderen übersieht Leinemann, wenn er die damalige Zielrichtung unserer gewerbetreibenden Ahnen in kräftigen Farben schildert, daß das Recht am Unternehmen nach unserer heutigen Auffassung nicht mehr den "Schutz vor unliebsamer Konkurrenz" ermöglicht, sondern im Gegenteil immer unter den Vorzeichen des freien Wettbewerbs gesehen werden muß. Schließlich ist der Lösungsversuch der geschilderten Lehre, das Recht am Gewerbebetrieb durch das Recht auf Entscheidungsfreiheit zu ersetzen, ungeeignet, die anhängigen Probleme zu lösen und daher abzulehnen. Würde man sich an der Meinung Wolfs orientieren, daß jede Einwirkung auf Entschließungsmöglichkeiten eines Menschen eine Verletzung des Freiheitsrechts i. S . des§ 823 I BGB bedeutet, könnte dies zwar u. U. ein Fortschritt im humanen Sinne sein. Gleichzeitig wäre aber § 823 I BGB endgültig aus seinen historischen Angeln gehoben, denn streng genommen würde jede Motivation eines anderen, sei es durch Werbung, durch Überreden, durch Drohen, durch Aussetzen von Belohnungen und sonstigen Anreizen - also auch zum Vorteil des Beeinflußten - die inneren88 Bedingungen der Entschließungsfreiheit dieses Menschen verändern. Will man dieses unsinnige Ergebnis vermeiden, müßte man von Fall zu Fall je nach Auswirkungen und Absichten differenzieren und würde sich ganz im Bereich von unwägbaren Billigkeitsvorstellungen bewegen. Daraus folgt: eine weitere, unbestimmtere, unfaßbarere und ausfüllungsbedürftigere Generalklausel als diese "Entschließungsfreiheit" läßt sich kaum mehr finden. Im übrigen ist die Unterstellung des Rechts am Gewerbebetrieb unter den Schutz der Entschließungsfreiheit schon aus praktischen Gründen ungeeignet, weil damit nämlich ein großes und wichtiges Teilgebiet des Unternehmensschutzes notwendig preisgegeben würde: die fahrlässige Schädigung des geschäftlichen Rufes des Unternehmens durch Werturteile. Derartiges kann bekanntlich nur nach § 823 I BGB erfaßt werden, da § 824 BGB und § 14 UWG nur Tatsachenbehauptungen und § 823 II BGB i. V. m. §§ 185 ff. StGB nur vorsätzliche Handlungen betreffen, außerdem ein Schutz über § 1 UWG höchst zweifelhaft wäre. Es ist nämlich kaum vorstellbar, wie die "inneren Bedingungen" der Entschließungsfreiheit sieht man von der deliktsrechtlich unerheblichen Entmutigung des Gewerbetreibenden selbst zu "neuen Taten" ab- durch negative Werturteile überhaupt tangiert werden könnten. Im Grunde geht es aber bei der Frage der Bestimmtheit des Rechts am Gewerbebetrieb nicht mehr darum, ob überhaupt ein Individualgegenstand vorliegt, auf den sich ein Recht beziehen kann. Dies ist m. E. 88 Ganz abgesehen von den "äußeren" Bedingungen! Dieses Problem stellt sich auch dann, wenn man nur die Einwirkung auf "innere" Bedingungen für relevant erklärt, weil letztere auf dem Umweg über erstere ohne weiteres kausal beeinftußt werden können.

IV. Das Recht am Unternehmen als absolutes Recht

111

bereits positiv nachgewiesen. Es geht vielmehr um die Frage, ob der Individualgegenstan d so klar, fest und bestimmbarerfaßt werden kann, daß er schutzfähig i. S. des § 823 I BGB wird89 ; anders ausgedrückt, es müssen intellektuell einfach erfaßbare Essentialia von einigermaßen fester Kontur gesucht werden. Findet man derartige, ohne materiefremde Hilfsmittel im Einzelfall mit Inhalt ausfüllbare und mithin bestimmbare - nicht notwendig also ist völlige Bestimmtheit - Essentialia, so wäre die ausreichende Konturierung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bewiesen. Dies wird die Aufgabe des nächsten Kapitels sein. Zu untersuchen bleibt an dieser Stelle noch, ob das Unternehmen ein sozial besonders wichtiges, und weiter, ob es ein leichterfaßbares Rechtsgut im oben dargelegten Sinne ist. Wenn auch schon einzelne Autoren vor Erlaß des BGB forderten, das wirtschaftliche Unternehmen in einem dem Eigentum angepaßten Maße zu schützen, waren es doch vorwiegend zwei Ursachen, die diesen Forderungen den rechtzeitigen Durchbruch verwehrten. An erster Stelle ist die wirtschaftliche Situation z. Z. der Schaffung des BGB zu nennen. "Die große wirtschaftliche Revolution des 19. Jahrhunderts, die dem Unternehmen seine überragende Bedeutung im Wirtschaftsleben brachte, war noch voll im Gange. Man erkannte damals noch nicht die zentrale wirtschaftliche Stellung des Unternehmens"90 und wurde sich nicht bewußt, daß dieses Unternehmen eines besonderen rechtlichen Schutzes bedürftig sei. Die zweite Ursache für den mangelnden Schutz des Unternehmens im deutschen Deliktsrecht, "ist eine rechtstechnische. Aufgrund des römischrechtlichen Einflusses meidet das Gesetzeswerk des BGB die Erfassung von Sach- und Rechtsgesamtheiten, von komplexen Erscheinungen, wie Vermögen und Unternehmen. Es glaubt, mit der Regelung der einzelnen Bestandteile dieser Güter auszukommen" 91 • In der Zwischenzeit sind die Wirtschaftsunterneh men jedoch zu einem der wichtigsten und bestimmendsten äußeren Faktoren unser aller Leben geworden. Sie umfassen nicht nur erhebliche Kapitalwerte, sondern ihr Wohl und Wehe bestimmt auch weitgehend das Wohl und Wehe der Arbeitnehmer, somit insgesamt das Schicksal des größten Teils der Bevölkerung. Demgegenüber ist überraschenderweise bis in die jüngste Zeit immer wieder zu lesen, "es dürfte anzuerkennen sein, daß das Unternehmen in seiner Wertig89 Dies streitet neuerdings Baumbach- Hejermehl, Allg. Einl. A 113, wieder ganz entschieden ab. 90 So richtig Katzenberger, S. 29. 91 So richtig Katzenberger, S. 29; vgl. auch Gieseke, die rechtliche Bedeutung des Unternehmens, Festschrift für E. Heymann, Bd. II, 1940, S. 112 ff., 117.

112

4. Kap.: Der Schadenserfolg

keit den übrigen in § 823 I BGB genannten Gütern nicht gleichsteht" 92 oder "gerade beim Recht am Gewerbebetrieb" erschiene "das Interesse der Allgemeinheit an der Bewahrung dieser Güter doch recht fraglich" 93 • Im Hintergrund steht hierbei immer wieder der Vorwurf, daß der soziale Gegenpol zum Unternehmen, der gesicherte Arbeitsplatz, noch nicht als schutzfähig i. S. des § 823 I BGB anerkannt sei94 • Wie kurzsichtig ist es aber, aus einem falsch eingesetzten Gerechtigkeits- oder sozialen Solidaritätsgefühl heraus ein unser Leben wesentlich bestimmendes Moment, das Wirtschaftsunternehmen, für nicht schutzfähig zu erklären - nur weil verhindert werden soll, der "Kaste" der Besitzenden einen weiteren Vorteil vor derjenigen der Arbeitnehmer95 zu gewähren. Richtiger wäre es doch wohl, Mittel und Wege zu finden, auch dem Recht am Arbeitsplatz usw. einen größeren- sachadäquaten- Schutz zukommen zu lassen98 • Der Kampf gegen die Perpetuierung des sozialen Abstandes der früheren Gesellschaftsklassen ist eine politische Aufgabe, die nur mit politischen, nicht mit juristischen Mitteln gelöst werden kann. Außerdem dürften konstrukti,_ve Schwierigkeiten auf dem einen Gebiet, dem Recht am Arbeitsplatz, nicht dazu führen, dessen sozialen Gegenpol, das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, in gleichmacherischer Großzügigkeit ebenfalls in totofür nicht schutzfähig zu erklären. 92 Reuß, AcP 156, 89 ff., 100 ff., 104. übrigens gelingt es Reuß nicht, auch nur ein einziges anerkennenswertes Argument für diese Behauptung zu finden. 93 Pawlowski, Rechtsbesitz S. 108. 94 Allerdings meint Nipperdey, NJW 67, 1985 ff., 1987 A 15, das "Recht auf Arbeit" - womit auch das "Recht am Arbeitsplatz" eingeschlossen wäre müsse nunmehr konsequenterweise ebenfalls als absolutes Recht anerkannt werden. 95 Zu dem angeblichen Recht am Arbeitsplatz vgl. z. B. Weitnauer, DB 70, 1691 ; es wird heute noch weitgehend als absolutes Recht abgelehnt, a. A. Nipperdey, NJW 1967, 1985 ff.; positiv neuerdings auch das BAG in NJW 71,480. 06 Im Gegensatz hierzu meint WiethöLter, Kritische Justiz 1970, 126, daß eine derartige Angleichung des Schutzes der Nichtunternehmer an das Unternehmensschutzrecht zwar fortschrittlich klinge, in Wahrheit aber rückschrittlich sei: "Diese Gleichbehandlung . .. sanktioniert vor allem die Zementierung eines umfassenden Schutzes der Unternehmerischen Vermögensinteressen ohne in gleicher Weise ähnlich umfassenden Vermögensschutz anderer Menschen sichern zu können." In diesen Ausführungen zugunsten der Verbesserung der tatsächlichen und rechtlichen Lage der Iohnabhängigen Bevölketungsteile steckt noch der alte Vorwurf kommunistischer Theoretiker, die Massen würden durch Gewährung besserer Lebensbedingungen, durch Hebung ihres sozialen und finanziellen Standards, lediglich auf geschickte Weise korrumpiert; die herrschenden Klassen verstellten ihnen durch Gewährung verschiedener Vorteile und durch offizielle Angleicherei die Möglichkeit, zu erkennen, daß die "Herrschenden" weiterhin den weitaus größten Teil des Profits in die eigenen Taschen fließen lassen würden. Politisch-ideologisch mag man hierüber streiten können; unter dem Vorzeichen unseres z. Z. gültigen Gesellschaftssystems - und hieran hat sich auch die Rechtspolitik zwangsläufig zu orientieren - muß jedenfalls solche, wie Leinemann, AuR 70, 289 Anm. 3, meint, "ideologisch vernebelte", Argumentation unberücksichtigt bleiben.

IV. Das Recht am Unternehmen als absolutes Recht

113

Das Recht am Unternehmen ist auch ein "grobes", ein relativ leicht erfaßbares Rechtsgut. Sicherlich stellt jedes Unternehmen ein komplexes Gebilde mit vielfachen Verletzungsmöglichkeiten dar. Dies ist aber nicht wesentlich. Maßgebend ist vielmehr, daß das Unternehmen an mannigfaltigen äußeren Kennzeichen - vom Firmenauto bis zum Warenzeichen -leicht erkennbar ist. Da sich mit der Wahrnehmung der äußeren Kennzeichen dem Betrachter immer und zwangsläufig der dahinterstehende Betrieb als solcher offenbart, ist das Unternehmen selbst somit leicht erkennbar. Keinesfalls wird die Qualifikation als leicht erfaßbares Rechtsgut dadurch gehindert, daß der Gewerbebetrieb ein Immaterialgüterrecht, ein unkörperliches Recht, ist. Auch hier gilt die oben schon zitierte Bemerkung Hubmanns 91 , es mute wie ein "Rückfall in die Anfänge der Rechtsentwicklung an, wenn man sagt, daß diese Erkennbarkeit nur Körperdinge besäßen. Körper zwingen schon Tiere zu ihrer Beachtung, dagegen gehört es zur Würde des Menschen als eines Geisteswesen, daß ihm auch ideelle Werte ein Gegenstand der Erkenntnis und Achtung sind."

97

Hubmann, Persönlichkeitsrecht S. 130.

8 Preusche

5. Kapitel

Die Essentialia des Rechtsam Unternehmen I. Das Wesen des Rechts Oben wurde dargelegt, daß das Recht am Gewerbebetrieb seine Konturen erst durch die nunmehr genauer zu bestimmenden Essentialia erhält. Unter "Essentialia" sind schutzfähige, unkörperliche Inhalte zu verstehen, die ihrerseits ausreichend bestimmbar sind und den wesensmäßigen Kern und damit den Gegenstand des Rechtsam Unternehmen ausmachen. Die Rechtsprechung hat sich in der RegeP, anstatt den Versuch zu machen, derart den Gegenstand des Rechts zu bestimmen2 , mit der Aufzählung aller Momente begnügte, die bezüglich eines Unternehmens eine Rolle spielen können, und hat sich damit selbst der Möglichkeit begeben, das Rechtsgut sinnvoll inhaltlich abzugrenzen. Nicht zuletzt deshalb mußte sie sich in den vieldeutigen Begriff der Unmittelbarkeit flüchten. Zwar ist der Begriff des Unternehmens komplex und umfaßt alles, was dieses in seiner Gesamtheit zur Entfaltung und Betätigung im Wirtschaftsleben befähigt, also Betriebsräume und -grundstücke, Maschinen und Gerätschaften, Einrichtungsgegenstände und Warenvorräte, Schutzrechte, Geschäftsverbindungen, Kundenkreis, Belegschaft und Außenstände3; selbständige Rechte und Güter, die für sich zudem meist im Rahmen von Eigentum oder Besitz durch § 823 I BGB schutzfähig sind, stellen jedoch keine Essentialia im obigen Sinne dar. Baulichkeiten, Maschinen, Waren sowie die zum Unternehmen gehörigen Personenkreise machen nicht den Inhalt des sie umspannenden immateriellen Rechtsguts aus, sondern tragen dieses nur4 • Essentialia müssen deshalb andere, unabhängig von den genannten Einzelwerten existierende Merkmale sein, die von Müller-Erzbach 5 - allerdings zu global und zu wenig greifbar- mit "Wertschaffungsvermögen" umschrieben werden. Aufgefunden werden können diese wesentlichen Merkmale nur, wenn über das Wesen des Rechts am Unternehmen selbst Klarheit besteht. Denn aus t 2

3 4

5

Vgl. z. B. BGH 29, 70.

So auch Leinemann, AuR 70, 290. So auch BGH 23,157, 163; Hubmann, ZHR 117,49 ff. So Hubmann, ZHR 117,41 ff., 48. MüHer-Erzbach, JZ 52, 193, 196.

I. Das Wesen des Rechts

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dem Wesen des Rechts ergibt sich die Richtung, in welcher die Essentialia gesucht werden müssen. Hierzu wurden bisher hauptsächlich 3 Auffassungen vertreten6 : weitgehend begnügte man sich damit, das Recht am Gewerbebetrieb als "eigentumsähnliches Recht" zu definieren7 • Siebert8 sprach von "Quasi-Eigentum" und das polnische HGB von 1934 erkannte den Gewerbebetrieb gar als Volleigentum9 an. Hiermit ging man aber im Grunde weniger auf das Wesen des Rechts, als auf die Grundsätze ein, nach welchen es in der Praxis zu handhaben war. Schon früh konzentrierte sich das Problem deshalb auf den Dualismus von Persönlichkeitsrecht und Immaterialgüterrecht. Als Indiz für die Qualifikation als Persönlichkeitsrecht wurde vorgebracht, wesentlich sei der Schutz der gewerblichen Betätigung des Unternehmers innerhalb seines Betriebs. Vertreten wurde diese Ansicht vorwiegend von Kahler, 0. v. Gierke, v. Tuhr, Staudinger und Planck10 • In jüngster Zeit hat sich auch Pawlowski hierfür wieder entschieden11 • Gegen die Lehre vom Persönlichkeitsrecht ist jedoch einzuwenden, daß diese Betrachtung die "handgreiflichen Fakten" des Betriebs ver gißt, sowie weiterhin, daß ein echtes Persönlichkeitsrecht im Grunde nicht übertragbar ist- mit wenigen Ausnahmen, z. B. dem Recht am eigenen Bilde, das jedoch im Gegensatz zur Ehre einer gewissen Vergegenständlichung fähig und deshalb kein überzeugendes Gegenbeispiel ist -, wohingegen Betriebe z. B . verkauft oder verpachtet werden können12•

Als überzeugender erwies sich die Theorie vom Immaterialgüterrecht. Unter Immaterialgüterrecht verstehen wir13 ein Recht an einem zwar 6 Eine 4. Möglichkeit vertritt Brecher, Das Unternehmen als Rechtsgegenstand 8. 130: Der Gewerbebetrieb sei ein "Gegenstandsrecht höherer Ordnung". Zwar liege beim Recht am Unternehmen das Schwergewicht auf dem "sachgebundenen" Recht. Dieses wurzle aber im Persönlichkeitsrecht und werde trotz seiner Eigenständigkeit von diesem weiterhin umsponnen, so daß die Bezeichnung als Immaterialgüterrecht nicht richti.g sei. Brechers Begriff erscheint zu unverbindlich, als daß aus ihm konkrete Folgerungen gezogen werden könnten. 7 z. B. J. v. Gierke, ZHR 111, 14; Godin, Nutzungsrecht an Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen 1949, S. 13; Lindenmaier, WuW 53, 592; Ballerstedt, JZ 51, 488. 8 Siebert, Verwirkung S. 161. 9 Vgl. v. Gierke, ZHR 111, 17. 10 v. Tuhr, AT S. 154 ff.; Staudinger, S. 1774; Planck, S. 923. 11 Pawlowski, AcP 160, 209, 213; die Behauptung Pawlowskis, dies sei auch die Ansicht der Rechtsprechung, ist unrichtig. BGH 8, 387, 394 erwähnt lediglich einmal die "gewerbliche Betätigung"; soweit BGH 24, 207, 208 von Persönlichkeitsrecht spricht, ist das APR gemeint; schließlich ist nicht ersichtlich, was z. B. ein Markenname wie "Whipp" - so BGH NJW 58, 300 - mit dem Persönlichkeitsrecht des Betriebsinhabers zu tun haben sollte. 12 Wagner, Dissertation S. 32. 13 Im Anschluß an Kahler, der selbst den Begriff prägte (Kohler, Urheberrecht 1907, S. 1).

a•

116

5. Kap.: Die Essentialia des Rechts am Unternehmen

außerhalb des Menschen stehenden, aber nicht körperlichen und deshalb nicht mit den Sinnen erfaßbaren Rechtsgute. Dies trifft auf den Gewerbebetrieb vor allem deshalb zu, weil er in der Regel gegenüber dem Inhaber so verselbständigt ist, daß die Persönlichkeit nicht mehr als das hauptsächlich geschützte Rechtsgut angesehen werden kann14 • Hauptvertreter dieser Meinung waren früher Martin WoLff, Heck, Isay, und heute HefermehP 5 • Wenn die Lehre vom Immaterialgüterrecht insgesamt auch die überzeugendere ist, darf dennoch nicht übersehen werden, daß mit dem Recht am Gewerbebetrieb - wenn auch nicht an erster Stelle - jedenfalls aber auch die Betätigung des Inhabers in seinem Betrieb geschützt werden soll. Allerdings merkt SchippeP 8 in diesem Zusammenhang richtig an, das Recht am Gewerbebetrieb wolle primär dem Schutz der im Unternehmen verkörperten Unternehmerischen Leistung dienen und nehme sich persönlichkeitsgebundener Interessen nur insoweit an, als dies zum umfassenden Schutz der Unternehmenswerte notwendig sei. Darüber hinaus verblaßt die Persönlichkeitsrechts-Komponente gegenüber dem Immaterialgüterrecht auch aus einem anderen Grund. Gerade die wichtigeren Wirtschaftssubjekte sind heute nämlich juristische Personen, denen als solchen kein volles Persönlichkeitsrecht zukommen kann. Insoweit kommt immer nur die immaterialgüterrechtliehe Komponente in Frage. Nur in kleineren, mehr auf den "Chef" zugeschnittenen Betrieben kann die Betonung ausnahmsweise stärker auf dem persönlichkeitsrechtlichen Aspekt - und auch dann nur i. S. der eben genannten Einschränkung SchippeLs - liegen. Zusammenfassend läßt sich daher mit Hubmann11 und Weitnauer 18 sagen, daß das Recht am Gewerbebetrieb hauptsächlich ein Immaterialgüterrecht ist, dessen - wenn auch geringer - persönlichkeitsrechtlicher Einschlag jedoch nicht übersehen werden sollte. 14 So Siebert, Verwirkung S. 160. Bemerkenswert ist jedoch, daß das schweizerische Zivilrecht gerade umgekehrt das Persönlichkeitsrechtselement als dominant ansieht. Dementsprechend wird in der Schweiz das Unternehmen nicht als solches in seiner gegenständlichen Verkörperung geschützt, sondern lediglich in der Form der "wirtschaftlichen Entfaltungsfreiheit" als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 28 ZBG abgeleitet. Dies hat zur Folge, daß sich die schweizerische Praxis vor allem auf Fälle des Boykotts und der wirtschaftlichen Knebelung beschränkt, aber auch unlautere Praktiken im Bereich des freien Wettbewerbs umfaßt; vgl. genauer Hinder-

Zing, S. 23 ff. 15 Heck, Grundriß S. 481; Isay, das Recht am Unternehmen, S. 9, 27; allerdings ist der Inhalt bei Isay noch zu weit und unklar. Sein Korrekturversuch,

daß nur die Sittenwidrigkeit einen Verstoß begründen könne, kann ebenfalls nicht überzeugen; Baumbach- HefermehZ, Allg. Einl., A 110. SchippeZ, S. 54. Hubmann, ZHR 117,78 f. 1s Weitnauer, DB 62,461 f. t6

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II. Die Produktionsfähigkeit

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Hiermit ist die Richtung, in der die Essentialia zu suchen sind, festgelegt. Von den drei Elementen, die Hubmann 19 als möglicherweise schutzfähige Interesseninhalte des Rechts am Gewerbebetrieb aufgezählt hat, nämlich von der Betätigung der Unternehmerpersönlichkeit, von den selbständig geschützten abziehbaren Gegenständen, wie Maschinen u. ä., sowie vom "objektivierten Geistes gut", bleibt im Grunde als relevantes Schutzgut des § 823 I BGB nur der letztere Bereich - der allerdings, wie sich noch zeigen wird, von Hubmann zu eng formuliert und wohl auch eher in den Symptomen als im Kern erfaßt worden ist übrig. Dieses objektivierte Geistesgut setzt sich nach Hubmann 20 "aus einer Reihe von Gütern zusammen, die der Unternehmer allmählich aufbaut und die einzeln keine Bedeutung im Verkehrsleben besitzen, sondern in ihrer Gesamtheit den hinter den selbständigen Dingen der Umwelt verborgenen und von ihnen getragenen Kern des Unternehmens ausmachen. Es sind dies Produktions- undAbsatzorganisation, die Werbekraft des Unternehmens, der sog. good will, die Geschäftserfahrung, die Chancen und die tatsächlichen Beziehungen zu den Kreisen der Lieferanten, Kunden und Arbeitnehmer." Wesentlich an dieser Aufzählung ist indes nach der hier vertretenen Auffassung nur die Erwähnung der Produktions- und Absatzorganisation. Das typische Unternehmen läßt sich in 2 grundlegende Sektoren einteilen, in den Produktions- und Absatzbereich. Diese einfache und jedem einsichtige Unterscheidung führt direkt zu den gesuchten Essentialia. Wesentlich für die Unternehmung ist nämlich im Prinzip nur zweierlei: sie muß produzieren21 können und sie muß weiterhin die generelle Möglichkeit haben, ihre Produkte auch abzusetzen. Die gesuchten Essentialia sind die Produktionsfähigkeit und die Absatzfähigkeit22 , was im folgenden nachzuweisen ist 23 •

II. Die Produktionsfähigkeit "Produktionsfähigkeit" bedeutet Ausnutzbarkeit der personellen, maschinellen und sonstigen tatsächlichen betrieblichen Grundlagen zur Schaffung oder Herbeischaffung absatzfähiger Produkte und Dienstlei-

19 20

Hubmann, ZHR 117, 50 f. Hubmann, ZHR 117, 49.

21 Dem entspricht bei nichtproduzierenden Unternehmen die Möglichkeit, sich die abzusetzenden Waren bzw. die Voraussetzungen der angebotenen Dienstleistungen zu beschaffen. 22 Ablehnend auch bzgl. der Produktionsfähigkeit Leinemann, AuR 70, 290. 23 Mit diesen Kriterien hätte der BGH NJW 70, 2060 den Boxveranstalterfan überzeugender abschlägig entscheiden können als mit seiner Unmittelbarkeitstheorie.

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5. Kap.: Die Essentialia des Rechts am Unternehmen

stungenu. Bei einem reinen Handelsunternehmen entspricht dem die Möglichkeit, sich Waren zum Weiterverkauf zu beschaffen25 • Beeinträchtigt sein muß diese grundsätzliche Fähigkeit, das Vermögen zum Produzieren oder zum Wareneinkauf. Eine einfache Produktionsunterbrechung, die auf der Stelle durch Wiedereinschalten einer Maschine o. ä. behoben werden kann, reicht nicht aus, wohl aber die zeitweise Stillegung der Produktion oder bei einem reinen Handelsunternehmen die Verhängung einer totalen Liefersperre für bestimmte Markenartikel durch den Warenhersteller26 • Das Recht am Unternehmen weist damit eine gewisse Besonderheit gegenüber den klassischen Rechten des § 823 I BGB, z. B. dem Eigentum, auf. Bei diesem unterscheiden wir nämlich zwischen Beeinträchtigungen der Substanz und der Ausnutzbarkeit, wobei zu beachten ist, daß immer eine Einwirkung auf die Sache selbst vorliegen muß27 , während das bloße Abhalten des Eigentümers vom Benutzen seines Guts bestensfalls eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Inhabers darstellen kann. Beim Recht am Gewerbebetrieb jedoch finden wir keine eigentlich materielle Substanz. Zwar sind die tatsächlichen Grundlagen, wie Maschinen usw. substanzmäßig verletzbar, diese sind aber ihrerseits nicht identisch mit dem Rechtsgut Gewerbebetrieb. Deshalb muß sich der Schutz des § 823 I BGB beim Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb rein formal auf die Ausnutzbarkeit, die Funktionsfähigkeit, beschränken. Allerdings kann man, wenn man wie hier den Gewerbebetrieb als primär dynamisches Gebilde versteht, auf diese Unterscheidung verzichten: im Grunde verbinden sich im Begriff der Produktionsfähigkeit Substanz und Ausnutzbarkeit des Rechtsguts in untrennbarer Symbiose miteinander, da hier die Fähigkeit oder das Vermögen, etwas zu tun,- letzteres allerdings losgelöst von der Person des Handelnden- das Rechtsgut ausmachen. Die schwerste Form der Verletzung der Produktionsfähigkeit ist die Stillegung des Betriebs, die schon die alte Rechtsprechung unter dem Stichwort "Bestandseingriff" erfaßte. Wie oben dargelegt, machte das 24 Mit der gleichen Inhaltsbestimmung anbeitet Hueck, Gutachten S. 36, allerdings dogmatisch nicht ganz einleuchtend unter dem Stichwort "Unmittelbarkeit": "denn im Streik liegt ein unmittelbarer Eingriff in den Gewerbebetrieb selbst, da der Zweck des Streiks unbestrittenermaßen ... die Verhinderung der Ausnutzung der im Unternehmen enthaltenen Werte ist." 25 Aus Gründen der begrifflichen Klarheit wird auch hierfür der Ausdruck "Produktionsfähigkeit" verwendet, obwohl "Beschaffungsfreiheit" sicherlich in diesen Fällen korrekter wäre. 28 Richtig z. B. OLG Stuttgart BB 68, 4: "Die Beklagte greift in die freie Warenbeschaffungsbefugnis der Klägerin ein ... Ein derartiger Eingriff ... ist nicht erlaubt." Allerdings sind bei Liefersperren einige Modifikationen zu beachten, vgl. BGH NJW 66,460 (Saba-Beschluß). 27 Vgl. Erman- Drees, § 823 A 6a; hindert A den B z. B. am Autofahren, ohne seinerseits eine Disposition über das Fahrzeug selbst zu treffen, wäre dies keine Eigentumsverletzung, vgl. auch Reinhardt, JZ 61, 719.

II. Die Produktionsfähigkeit

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RG aber bei der Totalstillegung des Betriebs nicht Halt. Vielmehr wurde als Bestandseingriff auch jede "tatsächliche Verhinderung von Betriebshandlungen" angesehen; gleiches gilt für die Produktionsfähigkeit, d . h., daß jede partielle oder totale Beeinträchtigung derselben als Verletzung eines Essentiale und somit als Rechtsverletzung i. S. des § 823 I BGB anzusehen ist28 • In Wahrheit war mit dem etwas farblosen Begriff "Bestand des Gewerbebetriebs" - soweit er sich nicht auf die Verneinung der rechtlichen Zulässigkeit bezog - vor allem das Essentiale der Produktionsfähigkeit angesprochen. Denn "Betriebshandlungen" können, nachdem die Tätigkeit des Unternehmers selbst als solche und für sich niemals im Rahmen des Rechtsam Unternehmen geschützt werden sollte, nur als mechanische oder menschliche Funktionsprozesse bzw. -handlungen im konkreten Betrieb verstanden werden; werden diese behindert, wird die Funktionsfähigkeit des Betriebs als solche verletzt. Die Produktionsfähigkeit aber ist lediglich eine konkretisierte oder zumindestens konkretisierbare Erscheinungsform dieser - ihrerseits noch zu unbestimmten- Funktionsfähigkeit des Unternehmens. Dies hat der Bundesgerichtshof bisher verkannt. Er betont zwar oft genug, die "alte" Rechtsprechung nicht antasten oder gar abändern zu wollen, sondern sie lediglich durch die Bereichs-Rechtsprechung zu ergänzen, verkennt aber den Sinn der alten Lehre, wenn er im 41. Band29 meint, "von allenfalls denkbaren Ausnahmen abgesehen, ist die Produktionsunterbrechungein nicht ersatzfähiger Vermögensschaden eines lediglich mittelbar geschädigten Dritten, der deshalb Ausfälle erleidet, weil das unmittelbar geschädigte Elektrizitätswerk die vertraglich zugesagte Stromlieferung vorübergehend nicht erbringen kann." In jüngster Zeit findet sich aber auch beim BGH die Erkenntnis, daß die Ausnutzbarkeit des Gewerbebetriebs zu Produktionszwecken ein wesensmäßiges und nicht hinwegdiskutierbares Essentiale des Rechtsam Unternehmen ist. "Die Substanz eines Gewerbebetriebs ist nur berührt, wenn in die den Gewerbebetrieb darstellende Sach- und Rechtsgesamtheit als solche, in den Betrieb als wirtschaftlichen Organismus eingegriffen und damit das ungestörte Funktionieren dieses Organismus unterbunden und beeinträchtigt, wenn mit anderen Worten der ,Eigentümer' gehindert wird, von dem Gewerbebetrieb als der von ihm aufgebauten und aufrechterhaltenen Organisation sachlicher und persönlicher Mittel den bestimmungsgemäßen Gebrauch zu machen30, " Für den Fall des Streiks bestätigend Hueck, Gutachten S. 36. BGH 41, 123, 127. 30 BGH NJW 67, 1857 (zu Art. 14 GG); es handelte sich um die rechtswidrige Versagung der Zulassung von eingeführtem Saatgut als Importsaatgut. Dies könnte man evtl. auch dem Absatzbereich zuordnen. Hieraus ergäbe sich jedoch kein Unterschied, da die Ausführungen des BGH hier nur insoweit wesentlich sind, als er die Substanz des Rechts beschreibt. 28

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5. Kap.: Die Essentialia des Rechtsam Unternehmen

Daß der eigentliche Verletzungsgegenstand eines Betriebs sein "Fonctionnement"31 ist, wird seit einiger Zeit auch von der Literatur32 anerkannt und versteht sich im Grunde von selbst. Denn die abziehbaren Einzelgüter sind im Rahmen des § 823 I BGB bereits selbständig als Eigentum, Besitz, Patent o. ä. geschützt. Der über deren direkte Verletzung hinausgehende Schaden wird über § 249 BGB als Folgeschaden mitliquidiert. Insoweit besteht kein Anlaß für die Suche nach einem besonderen Gegenstand des Rechts am Gewerbebetrieb bzw. für das Recht selbst. Notwendig wird dies deshalb nur, wenn- wie z. B. in den Stromkabelfällen- der Gewerbebetrieb Schaden erleidet, ohne daß dies auf eine Eigentums- oder Besitzverletzung bezüglich besonders geschützter Einzelteile zurückgeführt werden kann. Echte Konsequenzen wurden aber aus der Entdeckung des "Fonctionnement" als tragenden Moments des Rechts am Gewerbebetrieb höchst selten gezogen. Dies zeigt sich besonders gut an den Stromkabelurteilen, die über der Tatsache eines mitverletzten schuldrechtlichen Stromlieferungsanspruchs gänzlich übersahen, daß hier auch die Produktionsfähigkeit des Betriebs selbst zeitweise beeinträchtigt oder unterbrochen war.

m. Die Absatzfähigkeit Das 2. Essentiale eines jeden Gewerbebetriebs ist die "Absatzfähigkeit", also die prinzipielle Fähigkeit, Waren und sonstige Produkte auch abzusetzen. Wird das Unternehmen hieran nachhaltig gehindert, muß es über kurz oder lang zusammenbrechen. "Absatzfähigkeit" in diesem Sinne bedeutet nicht, daß ein irgendwie gearteter Anspruch auf Erfolg der Absatzbemühungen gegeben sein müsse, sondern bezeichnet nur Gleichberechtigung und Gleichbehandlung der Unternehmen bezüglich der durch ihre Produktion gesicherten prinzipiellen Fähigkeit, die Waren anzubieten und abzusetzen. Diese Unternehmenstätigkeit sowie die jeweiligen Voraussetzungen - nicht jedoch der Erfolg selbst - dürfen weder behindert noch unmöglich gemacht werden. Der Gewerbebetrieb darf also nicht - z. B. durch Boykott33 - daran gehindert werden, für seine eigenen Produkte zu werbcn33 •, sie anzubieten und bei Interesse aus der Kundschaft zu verkaufen, Kundenpflege zu betreiben usw. Sein good will, seine Kennzeichen u. ä. dürfen nicht durch unwahre Tatsachenbehauptungen oder negative Werturteile in Frage gestellt werden. Hingegen besteht kein Recht darauf, daß die Konkurrenz sich ihrerseits Allg. Einl. A 117. z. B. Baumbach- HefermehZ, Allg. Einl. A 117; Hubmann, ZHR 117,79. 33 Zum Wesen des Boykotts vgl. ausführlich RG 155, 257,278 ff. 33" deshalb hat die Rspr. z. B. auch zu Recht die Verwässerung der Werbekraft einer berühmten Marke über§ 823 I BGB (Recht am Unternehmen) erfaßt, BGH 28,320 (Quick); OLG Harnburg GRUR 73,94 (Asbach). at Baumbach- HefermehZ,

32

III. Die Absatzfähigkeit

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zurückhält, damit die erwähnten Werbemaßnahmen auch den gewünschten Erfolg zeitigen. Wie beim Eigentümer als Vermieter bleibt die Entscheidung über die Realisierung des Absatzes vielmehr Dritten, nämlich dem Kunden, notwendig vorbehalten. Die bloße Wahrnehmung von eigenen Verkaufschancen durch die Konkurrenz tangiert und beeinträchtigt deshalb schon tatbestandlieh nie das Rechtsgut "Gewerbebetrieb". Weiterhin wird die Absatzfähigkeit regelmäßig auch nicht durch die üblichen Wettbewerbshandlungen im Bereich der allgemeinen Reklame, Kundenwerbung und sonstigen Absatzförderungen tangiert, solange sich der Konkurrent darauf beschränkt, Eigenwerbung und sonstige, nur die eigenen Marktchancen und Gewinnlage betreffenden Absatzförderungsmaßnahmen durchzuführen. Derartige Konkurrenzmaßnahmen betreffen zwar die Interessen der Mitbewerber immer, oftmals empfindlich und manchmal bis zur Existenzvernichtung, verletzen aber dennoch nicht das Recht am Unternehmen. Denn hier bleibt es dem Mitbewerber immer unbenommen, weiterhin seinerseits Eigenwerbung und sonstige Absatzförderung durchzuführen und sich am Markt durchzusetzen. Gelingt ihm dies nicht, liegt es vielleicht an Unfähigkeit, persönlichem Pech, unzureichender Unternehmensgröße oder daran, daß die Kredite nicht mehr ihm, sondern seinem erfolgreicheren Gegner zufließen. Anders ist es hingegen bei Maßnahmen Dritter, die den eigenen Wettbewerb überhaupt nicht oder nur teilweise unmittelbar fördern, sondern diesen Effekt erst - gezielt oder ungezielt - über Angriffe gegen die Absatzgrundlagen des Konkurrenten herbeiführen wollen; hier ist z. B. zu denken an vergleichende Werbung, die geeignet ist, good will und Kundenstamm des Betroffenen bis weit in die Zukunft hinein zu zerstören; weiter an die Benutzung fremder Warenzeichen, Markennamen und Patente; schließlich kommen geschäftliche Verleumdungen, Kreditmanipulationen, Vernichtungskartelle oder Ausschlüsse einzelner von einem bestimmten Markt durch die Konkurrenz- also Wettbewerbsverhinderungen34 - in Betracht. Alle sonstigen Wettbewerbshandlungen aber, die nur den Bereich der Chancenrealisierung des Wettbewerbs tangieren, verletzen nicht dessen absolutes Recht, sondern das nicht schutzfähige Interesse, die angebotenen Produkte auch abzusetzen. Soweit diese Wettbewerbshandlungen die Chancen des Wettbewerbers in unlauterer Weise beeinträchtigen, ist deshalb nicht§ 823 I BGB, sondern nur das UWG anwendbar. Diese Einschränkung des Rechtsguts im Absatzbereich rechtfertigt sich vor allem dadurch, daß die verschiedenen Realisierungsmöglichkeiten 34 Vgl. den kürzlich durch die Tageszeitungen gegangenen Fall, daß die Konkurrenz einen Gastronomen daran zu hindern suchte, auf dem Stuttgarter Volksfest ein Billig-Bierzelt aufzuschlagen.

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5. Kap.: Die Essentialia des Rechts am Unternehmen

der prinzipiellen Absatzfähigkeit zu unvoraussehbar, unberechenbar sind. Der Kundenkreis fluktuiert, die Abnahmebereitschaft wechselt, Produkte sind unvorhersehbaren Schwankungen in der Beliebtheit unterworfen; Werbungen können sich als überraschend positiv oder negativ erweisen; neu entdeckte Produktmängel, Streiks, Betriebsausfälle, die allgemeine Markt- und Wirtschaftslage oder ein plötzliches Auslandsdumping usw. können die Absatzkurve zu unerwarteten Schwankungen verleiten: kurz, die Chancenrealisierung ist zu unbestimmt und auch - als einziger Faktor der gewerblichen Betätigung zu unbestimmbar, um Inhalt eines absoluten Rechts zu werden. Schließlich darf auch nicht vergessen werden, daß selbst die kommerzielle Ausnutzung des Eigentums - man erinnere sich an die obigen Ausführungen zur Vermietung 35 - nur im Prinzip, nicht aber als noch nicht realisierte Chance vom Gesetz geschützt wird. Im weiteren Maße als das Paradepferd der absoluten Rechte, das Eigentum, ist aber sicherlich auch das Unternehmen nicht schutzfähig. Seit RG 163, 21 und dem Constanze-Urteil36 ist das Essentiale der Absatzfähigkeit unter dem allerdings zu verwaschenen Stichwort "Bereichsschutz" im Prinzip erfaßt und anerkannt. Den gleichen Gedanken hat 1920 auch das Oberlandesgericht Stuttgart37 angewendet, wenn es aus der Tatsache, daß "vom gewerblichen und wirtschaftlichen Standpunkt aus die Zuleitung der Ware an den Verbraucher zum Gewerbebetrieb gehört", folgerte, daß dem auch das Recht zu folgen habe. Hierin lag bereits die Anerkennung, daß die Absatzfähigkeit ein schutzwerter Bestandteil des Rechts am Gewerbebetrieb sei. Zurecht aber wurde die Realisierung der prinzipiellen Absatzfähigkeit niemals zum schutzfähigen Rechtsinhalt erhoben.

IV. Der unlautere Wettbewerb Ein drittes selbständiges Wesenselement des Gewerbebetriebs glaubt Katzenberger 38 im Anspruch eines jeden Gewerbetreibenden auf lauteres Wettbewerbsverhalten der Konkurrenz gefunden zu haben. "Das spezifische Interesse an einem fairen Wettbewerb unterscheidet sich dadurch von (den anderen Wesenselementen), daß es völlig außerhalb der tatsächlichen Herrschaftsmacht, des Einflusses des Unternehmens, liegt. Aber der Erfolg der Unternehmenstätigkeit hängt doch in entscheidenss Vgl. oben 4. Kap. II 5. 36 BGH 3, 272 ff. 37 OLG Stuttgart JW 29, 2293; vgl auch RG MuW 29, 380, Apotheken-Urteil,

das - in verkappter Form - ebenfalls schon zur Bereichsrechtsprechung gezählt werden muß. ss Katzenberger, S. 8.

IV. Der unlautere Wettbewerb

123

dem Maße auch davon ab, ob dieses Interesse gewahrt oder verletzt wird." KatzenbergeT kommt zum Ergebnis, daß das "Recht" des Gewerbetreibenden auf lauteres Wettbewerbsverhalten der Wettbewerber ein eigenständiges und echtes subjektives Recht, das mithin auch schutzfähig sei39, darstelle. Als selbständiges Schutzelement kann diese Schöpfung Katzenhergers indes nach obigem nicht anerkannt werden. Die absolut schutzfähigen Interessen eines Unternehmens gehen auf möglichst ungestörte Produktions- und Absatzfähigkeit. Hierin wird ein Unternehmen durch bloße Eigenabsatzförderungshandlungen Dritter, seien diese fair oder unfair, nicht tangiert, weil sein eigenes Recht nur auf die Erhaltung seiner prinzipiellen Absatzfähigkeit geht. Wettbewerbsrechtlich unfaire bloße Absatzförderungshandlungen Dritter sind deshalb niemals unter dem Gesichtspunkt des § 823 I BGB, sondern immer nur im Rahmen des UWG usw. zu würdigen. Insbesondere gilt dies auch dann, wenn in unlauterer Weise auf die eigenen Kunden eingewirkt wird oder wenn gegen Wettbewerbsnormen, die ausschließlich im öffentlichen Interesse aufgestellt worden sind, verstoßen wird. So hat das Reichsgericht40 im Ergebnis völlig zurecht entschieden, daß der Verkauf von apothekenpflichtigen Arzneimitteln durch einen Drogisten zwar unerlaubt sei, weil dem Drogisten die erforderliche gründliche Ausbildung, die die Ausgabe derartiger Medikamente erfordert, fehle, und daß die Allgemeinheit hiervor geschützt werden müsse. Einen schadensersatzpflichtigen Eingriff in den Gewerbebetrieb des benachbarten Apothekers bedeute dies aber nicht. Zwar könne die fortgesetzte vorsätzliche Zuwiderhandlung gegen ein Verbotsgesetz auch als mit dem "Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden" i. S. des§ 1 UWG unvereinbar angesehen werden, jedoch könne im vorliegenden Falle dieses Anstandsgefühl nur bezüglich der gesundheitspolizeilichen, nicht aber bezüglich der wettbewerbliehen Seite verletzt sein41 • Beim wirtschaftlich wesentlichen Interesse an der wettbewerbliehen Fairneß der Konkurrenz geht es also im Grunde nur um die Reinerhaltung des Wettbewerbs zu Zwecken der eigenen Absatzrealisierung, nicht aber um das diesen Bereich überhaupt nicht erfassende Recht am Unternehmen. Ein originäres Interesse hat jeder Rechtsgutinhaber nur an der Erhaltung seines eigenen Rechtsguts. Die Fairneß der Wettbewerbs39 Allerdings soll der Schutz auch nach KatzenbergeT nicht durch § 823 I BGB erfolgen, vgl. die folgenden Ausführungen. 4o RG 77,217,220. 41 Das RG spricht fälschlicherweise von "gewerbepolizeilich". Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß das RG den § 823 I BGB bereits aufgrund der alten Bestands-Rechtsprechung ablehnte, und die oben wiedergegebenen Ausführungen im Rahmen der Prüfung des Abs. 2 gemacht wurden.

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5. Kap.: Die Essentialia des Rechts am Unternehmen

eingriffe auf dem Markt ist insoweit nur Gegenstand des bei § 823 I BGB irrelevanten Interesses des Unternehmers, daß sein tatsächlicher Gewinn nicht durch regelwidrige Wettbewerbshandlungen beeinträchtigt werde. Die Verkennung dieses Unterschieds zwingt schließlich Katzenherger dazu, das dubiose Unmittelbarkeitskriterium sogar über die Maximen des Bundesgerichtshofs hinaus auszudehnen. Wettbewerbsverstöße, die sich ausschließlich im Rahmen des Betriebs des handelnden Unternehmers - in Form von unlauterer Einwirkung lediglich auf die Kunden ohne Bezug auf irgendeinen oder gar den konkret geschädigten Mitbewerber - bewegen, seien als .echte Rechtsverletzungen, denen lediglich die Unmittelbarkeit fehlen soll, einzustufen42. Dieser gezwungene und auch überflüssige Ausweg aus dem selbstgeschaffenen Dilemma ist der eindringliche Beweis für die Unrichtigkeit der These Katzenbergers.

V. Das "Medium" Rechtsprechung und Literatur haben sich bislang, anstatt die eigentlichen Essentialia eines jeden Unternehmens zu suchen, mit der Aufzählung aller nur irgend denkbaren Einzelinteressen begnügt: "Unter dem Begriff des Gewerbebetriebs i. S. des § 823 I BGB ist alles das zu verstehen, was in seiner Gesamtheit den Gewerbebetrieb zur Entfaltung und Betätigung in der Wirtschaft befähigt, also nicht nur Betriebsräumeund Grundstücke, Maschinen und Gerätschaften, Einrichtungsgegenstände und Warenvorräte, sondern auch Geschäftsverbindungen, Kundenkreis und Außenstände" 43 . Daß diese Unzahl von Einzelobjekten schnell zur Befürchtung, man habe dem § 823 I BGB eine Art Generalklausel unterschoben, führen mußte, ist verständlich. In Wirklichkeit sind all diese Einzelrechtsgüter jedoch nicht echte Essentialia des Unternehmens, sondern lediglich deren äußere Substrate44; es handelt sich um Medien, deren Verletzung im weiteren Kausalverlauf zur Verletzung der wahren Essentialia führen kann, aber nicht muß. Auch Hubmann 45 gelangt richtigerweise zu diesem Schluß: "Baulichkeiten, Maschinen und Waren sowie die zum Unternehmen gehörigen Personenkreise sind nicht Bestandteil des sie umspannenden 42 Katzenberger, S. 66 ff. 43 BGH 29, 70. 44 Hubmann, ZHR 117,79. 45 Hubmann, ZHR 117, 41 ff., 48 ; ebenso Siebert, Festschrift für Heinrich Lehmann, S. 673; unklar Katzenberger, S. 4, der zwar bestätigt, daß der Be-

trieb als solcher durch die Verletzung von Einzelgütern verletzt werde, andererseits aber m eint, daß der geschützte Unternehmensbereich nichts anderes als die Summe der verletzbaren Einzelfaktoren sei.

V. Das "Medium"

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geistigen Tätigkeitskreises, sondern sie tragen ihn nur. Allerdings kann durch sie hindurch auf das Geistesgut eingewirkt werden." Nicht zuletzt das Schlagwort der Unmittelbarkeit verstellte bisher bei der Betrachtung des Rechts am Gewerbebetrieb den Blick46 auf eines der grundlegenden Prinzipien des § 823 I BGB, nämlich daß eine tatbestandsmäßige Verletzung niemals unbedingt durch direkte Beziehung der Schädigungshandlung zum Rechtsgut bewirkt werden muß, sondern daß es vollauf ausreicht, daß die Rechtsgutverletzung durch eine beliebig lange Kausalkette vermittelt worden ist. Nicht auf die Anzahl der vermittelnden Kausalkettenglieder kommt es an, sondern darauf, ob sich die Schadenshandlung auch noch in der Verletzung des dahinterstehenden Essentials auswirkt. Es ist keineswegs so, daß jede Verletzung abziehbarer Betriebsbestandteile gleichzeitig die Verletzung eines Essentials bedeutet. "Denn die einzelnen Gegenstände sind grundsätzlich auswechselbar. Ihre Beeinträchtigung bedeutet meist keine Störung des Tätigkeitsbereichs oder des Betätigungsrechts. Nur dann, wenn die wesentlichen materiellen oder personellen Grundlagen beeinträchtigt werden, und nach Sachlage ein Ersatz nicht ohne weiteres möglich ist, wird man annehmen können, daß damit auch eine Verletzung des Unternehmens (selbst) gegeben ist ... Das geistige Gut ist auf die Gegenstände der Umwelt angewiesen und kann als frei schwebendes nicht bestehen, aber es ist nicht von bestimmten einzelnen Objekten abhängig, sondern diese sind austauschbar und können durch andere ähnlicher Art ersetzt werden ... Das Unternehmen kann (jedoch) mit den es tragenden Gegenständen zugleich verletzt werden47 ." Die Verletzung abziehbarer Bestandteile kann also einmal einen reinen Vermögensschaden, andererseits aber auch eine Essentialebeeinträchtigung bewirken. In jedem Fall ist primär zu fragen, ob wirklich ein Essentiale verletzt wurde ; auf die Feststellung, daß ein ins Auge springendes bloßes sachliches Substrat des Gewerbebetriebs direkt beeinträchtigt ist, kommt es dabei nur für die Offenlegung des Kausalzusammenhangs an. An der Verkennung dieser grundsätzlichen Fragestellung krankt die Kritik Reinhardts'8• Reinhardt lehnt die Verletzbarkeit des Gewerbebetriebs durch die Beeinträchtigung abziehbarer Medien ab, weil es zu schwierig sei, "in einem großen Unternehmen diejenigen (Sachen) und 46 So z. B. bei Lehmann, NJW 56, 670; ohne dies zu explizieren, scheinen Lehmann und BGH 7, 35 insoweit- gefühlsmäßig? -noch auf dem alten Standpunkt Piskos (Pisko, das Unternehmen als Gegenstand des Rechtsverkehrs 1907, S. 19) zu stehen, der die Einzelsachen lediglich als Zubehör des

Unternehmens ansah. 47 So Hubmann, ZHR 117, 79 f.; vgl. auch Baumbach- Hefermehl, 10. Aufl. Allg. Einl. A 117 (ebenso schon 7. Aufl. A 53). 49

R einhardt, Forum 61, 12.

126

5. Kap.: Die Essentialia des Rechtsam Unternehmen

Personen zu bezeichnen, deren Ausfall den Produktionsprozeß beeinträchtigt". Demgegenüber kommt es aber eben nicht darauf an, im vornhinein zu entscheiden, welche sachlichen oder persönlichen Substrate möglicherweise im Verletzungsfall die Essentialia des Gewerbebetriebs beeinträchtigen können, sondern es ist immer erst im nachhinein zu prüfen, ob das Essentiale tatsächlich verletzt ist oder nicht. Zur Verdeutlichung sollen einige Beispiele dienen: Es läßt sich schwerlich leugnen, daß die Unterbrechung der Stromzufuhr den Betrieb lahmlegt, somit sein Funktionieren stört: das Essentiale der Produktionsfähigkeit wird verletzt, da der elektrische Strom nicht nur Gegenstand eines obligatorischen Lieferanspruchs, sondern gleichzeitig konkretes Betriebsmittel ist. Anders wäre zu entscheiden, wenn der betroffene Betrieb ein Notstrom-Aggregat besäße und dieses die Funktion des ausgefallenen Elektrizitätswerkes übernehmen würde. Hier wäre dem Gewerbebetrieb lediglich ein nicht unter § 823 I BGB fallender Vermögensschaden in Höhe der zusätzlichen Kosten, die mit dem Betrieb des Not-Aggregats verbunden sind, entstanden49 • Ähnliches gilt für die Verletzung von Arbeitnehmern. Der Bundesgerichtshof50 hat es - in dem von ihm entschiedenen konkreten Fall allerdings zu Recht - abgelehnt, daß der Unternehmer seinen durch den Ausfall des Arbeitnehmers entstandenen Schaden über die Konstruktion des Rechts am Gewerbebetrieb liquidiert. In dieser Allgemeinheit kann dem aber nicht zugestimmt werden. Es ist richtig, daß der Ausfall einzelner Arbeitnehmer in der Regel kein Essentiale des Gewerbebetriebs verletzt. Einmal ist der Ausfall einer gewissen Prozentzahl von Arbeitnehmern von vornherein im Produktionsplan mit eingerechnet. Auch kann der völlige Wegfall einer Arbeitskraft für einige Zeit ohne jede Auswirkung auf den Produktionsprozeß bleiben. Generell läßt sich dies jedoch nicht sagen: Der Ausfall des einzigen Gesellen eines Möbelschreiners kann - in Anbetracht der Arbeitsmarktlage sehr wohl die Produktionsfähigkeit der Schreinerei in Mitleidenschaft ziehen, während dies im Mittel- oder Großbetrieb nicht der Fall ist. In den letztgenannten Betriebsarten kann das Essentiale aber z. B. durch den Ausfall besonders wichtiger Fachkräfte oder Führungspersönlichkeiten mit besonderem Wissen und besonderen Aufgaben beeinträchtigt werden. Allerdings tritt auch hier die Beeinträchtigung keineswegs 49 Falls das vorhandene Notstrom-Aggregat, aus welchen Gründen auch immer, nicht eingeschaltet würde, könnte man allerdings darüber streiten, ob es bereits an der Essentialia-Verletzung fehle oder ob es sich nur um ein Problem des§ 254 BGB handle. Unzweifelhaft unter§ 254 BGB fällt jedenfalls die von Glückert, S. 325 gestreifte Frage, ob der Unternehmer für das Vorhandensein von Notstrom-Aggregaten hätte sorgen müssen. 50 BGH 7, 30 ff.

V. Das "Medium"

127

zwangsläufig ein. Ein Unternehmen ist auf den zeitweiligen Ausfall auch betriebswichtiger Arbeitnehmer schon deshalb vorbereitet, weil jeder Mitarbeiter krank werden oder in Urlaub gehen kann, und sorgt deshalb regelmäßig für informierte Stellvertreter. Wenn die Stellvertreter auf qualifizierter Stufe oft auch nicht den Wirkungsgrad des Verletzten erreichen, sollten sie doch die Aufgaben des Vertretenen zeitweise so mitübernehmen können, daß durch den Ausfall keine Essentialebeeinträchtigung eintritt. Für die Aufrechterhaltung der Produktions- oder Absatzfähigkeit des Betriebs kommt es nicht auf die jeweiligen Personen an, sondern darauf, daß ihr Wissen als solches während der Ausfallzeit dem Betrieb nicht entzogen wird"1 • Kann der verletzte Arbeitnehmer, was allerdings nur in Ausnahmefällen möglich wird, vom Krankenbett aus wenigstens den wichtigeren seiner Aufgaben nachkommen, kann das Unternehmen somit sein Wissen weiter verwerten, tritt also ebenfalls keine Beeinträchtigung des Essentiale ein. Zu beachten ist insoweit aber, daß das Wissen des Arbeitnehmers im täglichen Entscheidungsprozeß des Unternehmens präsent sein, daß der Arbeitnehmer jederzeit erreichbar sein muß, was bei einem Krankenhausaufenthalt schon aus technischen Gründen nicht möglich sein wird. Die vorsorgliche Information potentieller Stellvertreter ist heute in der Wirtschaft schon weithin üblich. Der Industrielle Alfred Krupp hat dieses Vorsorgeprinzip schon 1874 treffend charakterisiert: "Was ich erstreben will, ist, daß nichts abhängig sein soll von dem Leben oder Dasein einer bestimmten Person, daß mit derselben kein Wissen und keine Funktion entweichen . .. , die nicht im Zentrum der Prokura bekannt sind52." Eine Essentialia-Beeinträchtigung durch Verletzung wichtiger Arbeitnehmer wird deshalb in praxi nur in Ausnahmefällen festzustellen sein. Auch hier ist wieder zu betonen, daß die Prüfung des § 823 I BGB nicht vom unmittelbar verletzten Arbeitnehmer ausgehen darf, sondern daß immer gefragt werden muß, ob die Produktionsfähigkeit selbst beeinträchtigt wurde oder nicht53• Diesen Grundsatz verkennt u . a. auch So auch R. Höhn, Die Stellvertretung im Betrieb. Sombart, Der moderne Kapitalismus Bd. II, S. 927. 53 Ganz anders das französische Recht: es gewährt zwar aufgrund der Generalklausel des Art. 1382 CC Arbeitgebern Ersatzansprüche b ei Verletzung ihrer Arbeitnehmer; ersatzfähig ist aber nur der durch die Zahlung von Lohn, Pension oder Krankenkosten verursachte Vermögensschaden des Arbeitgebers, während Entscheidungen, die Ersatz desjenigen Schadens zubilligen, den er durch den Verlust der Dienstleistung in seinem Betrieb erleidet, nicht vorliegen, vgl. genauer Ferid, Bd. I S. 465. Das schweizerische Recht lehnt den Ersatz von bloßen Reflexschäden Dritter hingegen ohne derartige Einschränkungen insgesamt ab, vgl. Oftinger, Bd. I S. 50. Aus diesen Regelungen kann jedoch kein Argument gegen die hier vertretene Auffassung, daß dem Arbeitgeber in Ausnahmefällen ein eigener Ansprur.h zustehen kann, entnommen werden, weil beiden erwähnten Rechtsordnungen die 51

52

128

5. Kap.: Die Essentialia des Rechtsam Unternehmen

Dersch5\ der es bislang als einziger für möglich hält, daß eines Tages auch die Verletzung von Arbeitnehmern ohne weiteres als Gewerbebetriebsverletzung anerkannt werden könnte. Unabhängig von den oben gezeigten Auswirkungsmöglichkeiten der Verletzung von Arbeitnehmern auf die Essentialia des Gewerbebetriebs selbst wird jedenfalls eine "Ausweitung" des § 823 I BGB, wie Dersch sie sich vorstellt, nicht kommen und ist nach dem eben aufgeführten auch nicht vonnöten55• Ähnliches wie für die Verletzung von Arbeitnehmern gilt für die Abwerbung wichtiger Mitarbeiter56• Ob allerdings die Produktionsfähigkeit eines Betriebs jemals ernsthaft dadurch betroffen werden kann, daß ein anderer Arbeitgeber einem scheidenden Arbeitnehmer ein zu wohlwollendes Zeugnis ausstellt, und dieser deshalb vom neuen Arbeitgeber zu hoch eingestuft wird57, ist zu bezweifeln. Diese Fälle dürften sich ausschließlich im Bereich reiner Vermögensschäden, also des § 826 BGB, bewegen. Gleichgelagert wie die Fälle der Verletzung betriebswichtiger Arbeitnehmer- wenn auch wegen der immer gleichzeitig vorliegenden Eigentums- oder Besitzverletzung hier nur von akademischem Interesse ist die Problematik bei der durch Maschinenzerstörung usw. verursachten Essentiale-Beeinträchtigung. Schon Schippel58 weist darauf hin, daß dadurch u. U. die Betriebsorganisation gestört sein kann. "Die Tätigkeit des Unternehmers wäre behindert, weil die Grundlagen für die weitere Tätigkeit fehlen würde. Das Unternehmensprogramm müßte umgestellt werden. Dadurch würde auch die bisherige Organisation ganz oder zum Teil unbrauchbar und ihren Wert verlieren. Hier wäre dann durch die Verletzung eines Unternehmensbestandteils zugleich von mir vorgeschlagene Fragestellung nach der direkten Beeinträchtigung der Produktionsfähigkeit des Unternehmens durch die Verletzung irgendwelcher "Medien" bisher nicht geläufig ist. M Dersch, BB 52, 891. 55 Die Frage, ob es gerechtfertigt sei, auch die "normale" Arbeitnehmerverletzung im allgemeinen Straßenverkehr als rechtswidrige und schuldhafte Verletzung des Rechts am Gewerbebetrieb anzusehen, hat mit der Feststellung, daß u. a . ein Gewerbebetriebs-Essentiale verletzt ist, nichts zu tun. Vielmehr geht es hierbei um die Frage, ob eine derartige Schadenshandlung noch vom Normzweck des § 823 I BGB (Recht am Gewerbebetrieb) erfaßt wird, vgl. hierzu unten S. 174 u. 188 f. 56 Schon Schulz-Schäffer, S. 223 hält es für möglich, daß hier im Einzelfall der um seinen wichtigen Werkmeister gebrachte Betrieb empfindlichen Schaden erleidet. Callmann, Komm. S. 20 A 5, hält diese Fälle sogar für typische Eingriffe in die Leistungsfähigkeit eines Betriebs. 57 Vgl. hierzu oben 2. Kap. II 4. 58 Schippe-t, S. 30; allerdings ist Schippels Essentiale, die "011ganisation", zu nebulös.

V. Das "Medium"

129

das Interesse des Unternehmers an einem spezifischen Wert des Unternehmens, an der Organisation, verletzt59 ."

Schippel meint allerdings zu Recht, dies sei ein Ausnahmefall. Denn oftmals kann der Ausfall einzelner Maschinen aufgefangen werden. Im durchschnittlichen Betrieb werden Maschinen im betriebswirtschaftliehen Sinne nicht "maximal", sondern nur "optimal" ausgenutzt, d. h. sie werden normalerweise nicht bis zur Kapazitätsgrenze beansprucht, sondern entsprechend der günstigeren Relation von Kosten611 und output eingesetzt. Daraus folgt, daß zumindest der Ausfall einer von mehreren gleichartigen Maschinen in der Regel entweder durch Steigerung der Arbeitszeit61 oder durch eine intensitätsmäßige62 Steigerung der übrigen Maschinen ausgeglichen wird. Die hierdurch entstehenden Mehrkosten stellen bloße Vermögensschäden dar, während die Produktionsfähigkeit als solche unangetastet bleibt63 • Für den Bereich der Absatzfähigkeit gilt prinzipiell das gleiche wie für die Produktionsfähigkeit. Good will, Ruf, Geschäftsbeziehungen, gesicherte Absatzchancen, verkehrsgünstige Lage6\ Kundenstamm usw., sind lediglich Substrate der Absatzfähigkeit des Gewerbebetriebs, nicht aber eigenständige Essentialia. Je nach Fallgestaltung kann durch die Vermittlung dieser Medien jedoch das Essentiale der Absatzfähigkeit beeinträchtigt sein. Hierbei muß allerdings noch berücksichtigt werden, daß ein Unternehmen oft einen Überhang, also mehr Absatzchancen als Produktionskapazität hat. Da der Gewerbebetrieb als einheitliches Schutzgut anzusehen ist, kann aber nicht ernsthaft von einer realen Beeinträchtigung der Absatzfähigkeit gesprochen werden, wenn lediglich ein derartiger "Überhang" von Absatzmöglichkeiten geschmälert wird. Dies ist nicht erst ein Problem des Schadens, sondern bereits der Rechtsgutsverletzung. Mit Produktionsfähigkeit und Absatzfähigkeit sind die Essentialia des Rechts am Unternehmen erfaßt65, die Detailaufzählung aller denk59 In einer späteren Anm. zu BGH 29, 65 in GRUR 59, 284 f. widerruft aber Schippel bedauerlicherweise seine eben zitierte bessere frühere Erkenntnis: "Eine mittelbare Schädigung der eigentlichen Unternehmenswerte durch Verletzung selbständiger Rechtsgüter genügt nicht, um den Tatbestand einer Verletzung des Rechtsam Gewerbebetrieb zu erfüllen." 60 Betriebswirtschaftlich korrekter: input. 61 Vgl. zur zeitlichen Steigerung E. Gutenberg, Betriebswirtschaftslehre I, 14. Aufl. 1968, S. 359 ff. 62 Die anderen Maschinen laufen "maximaler" als bisher, vgl. Gutenberg, s. 349 ff. 63 Wenn ein Unternehmer eine solche verstärkte Kapazitätsausnutzung im Einzelfall ablehnt, wird jedoch meist eine Rechtsgutsverletzung vorliegen; die Problematik verlagert sich dann in den Bereich des§ 254 BGB. 64 Vgl. hierzu BGH 23, 157, 163. 65 Eine andere Essentialia-Abgrenzung trifft Reinhardt, Forum 61, 12. Als

9 Preusche

130

5. Kap.: Die Essentialia des Rechts am Unternehmen

baren Interessen des Unternehmers hat sich als irreführend und unnötig erwiesen. Der eigentliche Schutzbereich des Rechtsam Unternehmen ist mit diesen Essentialia klar umrissen und genügt dem oben beschriebenen Erfordernis der Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit eines jeden echten absoluten Rechts. Daß diese Essentialia nicht greifbar, mit den Sinnen erfaßbar sind, liegt zum einen in der Natur des Rechtsgegenstands und schadet zum anderen auch nicht. Es sei hier nochmals an die Worte Hubmanns zur Erkennbarkeit immaterieller Rechtsgüter erinnert~: "Erkennbar sind für den Menschen, der ja als Geisteswesen in der Lage ist, geistige Gegenstände in sich aufzunehmen und zu erkennen, nicht nur körperliche Güter, sondern auch die von ihnen ge·· trageneu geistigen Inhalte." In der Methode, alle denkbaren Einzelinteressen, die häufig nur abziehbare, nicht begriffsnotwendige Substrate zum Gegenstand haben, als Inhalt des Rechts am Unternehmen aufzuzählen, lag einer der grundlegenden Fehlansätze der bisherigen Rechtsprechung und Lehre, die letztlich zu der dogmatisch unhaltbaren Ausflucht in eine verwaschene Unmittelbarkeits-Theorie geführt haben. Wären von vornherein die wesentlichen Essentialia herausgearbeitet und wäre zudem erkannt worden, daß keineswegs jede Verletzung eines der unzähligen und so verschiedenartigen Substrate immer die Verletzung des Essentiale bedeutet, hätte sich die Fama vom generalklauselartigen Recht am Gewerbebetrieb, von der "Normerschleichung", sicherlich nicht bis heute halten können.

generell schutzfähigen Kern des Unternehmens bezeichnet er zum einen die Entscheidungsfreiheit des Unternehmers über das "Was" und "Wie" von Produktion und Werbung, und zum anderen das Bild der Unternehmung in der Umwelt, vergröbert gesagt also die Unternehmerische Dispositionsfreiheit und das Renommee bzw. den good will im weiteren Sinne. Reinhardt kommt ebenfalls zu dem Schluß, daß sich ein Schutzbereich des Rechts am Gewerbebetrieb konkretisieren läßt und wir es somit mit einem echten subjektiven absoluten Recht zu tun haben. 68

Hubmann, ZHR 117, 77.

6. Kapitel

Schadenshandlung und Normzweck Mit der Untersuchung der Frage, ob und in welcher Gestalt das Recht am Unternehmen ein echtes absolutes Recht im Sinne der "sonstigen Rechte" des § 823 I BGB darstellt, ist ein Großteil der Problematik dieses Instituts im Rahmen des objektiven Tatbestands behandelt. Zu prüfen bleibt nunmehr die Frage, inwieweit und in welcher Art über die Rechtsgutspräzisierung hinaus zusätzliche haftungsbeschränkende Elemente im objektiven Tatbestand erforderlich und zu finden sind. Da die Mehrzahl der Lösungsversuche der oben dargestellten Lehren die tatbestandliehe Problematik des § 823 I BGB weniger in der Erfolgskomponente denn in anderen Erwägungen, insbesondere im Bereich der Verursachungshandlung, gesucht hat, und dieser Problemkreis somit zum zweiten Hauptpunkt der vorliegenden Arbeit wurde, ist es erforderlich, im folgenden auf diese Frage ausführlicher einzugehen. Es wird sich hierbei zeigen, daß zwar dem grundlegenden Ansatz der neueren Lehre, nämlich der stärkeren Betonung der Handlungskomponente des objektiven Tatbestands durch die Normzwecktheorie zu folgen ist. Hingegen scheinen mir die bisherigen Versuche der Inhaltsbestimmung des Normzwecks des § 823 I BGB nicht überzeugend. Die richtige Lösung ist m. E. in ähnlichen Überlegungen, wie sie der Adäquanztheorie in ihrer ursprünglichen Form zugrunde lagen, zu finden, wenn auch die Normzwecktheorie zu einer graduell wirksameren Haftungseinschränkung zu führen geeignet ist als die Adäquanztheorie. Dies wird sich auch im Recht am Unternehmen auswirken. Die Normzwecktheorie kann hier zu neuen Abgrenzungen führen, die im Ergebnis die bisherige Rechtsprechung zwar vielfach bestätigen, teilweise aber auch andere Entscheidungen verlangen werden.

I. Die Bedeutung der Handlung im objektiven Tatbestand des § 823 I BGB Es wurde bereits wiederholt darauf hingewiesen, daß § 823 I BGB, wollte man sich streng am Wortlaut orientieren, sicherlich zu weit gefaßt ist, daß er Fälle zu erfassen scheint, die ihrer Wertigkeit nach keine echten Deliktsverwirklichungen darstellen. Es hat sich oben gezeigt, daß die Rechtsordnung mit jedem subjektiven Recht, das sie gewährt, 9•

132

6. Kap.: Schadenshandlung und Normzweck

zwar die Rechtsgenossen des Begünstigten in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit beeinträchtigt, daß sie aber aus ihrer grundlegenden Aufgabe heraus, Gemeinschaftsordnung zu sein, den einzelnen niemals schrankenlos begünstigen darf und will. Vielmehr ist jedes subjektive Recht, das die Rechtsordnung gewährt, durch die Erfordernisse des menschlichen Zusammenlebens im Wechsel der Zeiten immanent begrenzt1. Ganz richtig hat deshalb Mitteis 2 im Hinblick auf das stärkste subjektive Recht, das Eigentum, angemerkt: "Je nach der Art, wie in der einzelnen Gesellschaft Kollektivinteressen und Einzelinteressen gegeneinander abgestimmt sind, bemißt sich die Geltung des Eigentumsbegriffs." Die allgemeine Handlungsfreiheit muß deshalb bereits im objektiven Tatbestand des § 823 I BGB dergestalt Berücksichtigung finden, daß echte tatbestandsrelevante Verletzungen des betroffenen Rechtsguts nur dann anzunehmen sind, wenn die im Rahmen dieser Norm maßgebenden generellen Grenzen der allgemeinen Handlungsfreiheit - diese werden weiter unten zu behandeln sein3 - überschrittensind4. Für die Handhabung des § 823 I BGB bedeutet dies, daß nicht jede Tangierung eines absoluten Rechts, also nicht jede erfolgte Beeinträchtigung eines Rechtsguts, auch eine zum Schadensersatz verpflichtende echte Verletzung i. S. des § 823 I BGB darstellt, sondern daß die Haftpflicht des Verursachers für den jeweiligen Erfolg an seiner allgemeinen Handlungsfreiheit gemessen und somit auf die eigentlich tatbestandsrelevanten Erfolge beschränkt bleiben muß. Immanente Schranken eines Rechts sind solche, die in der Regel nicht besonders erwähnt werden und entweder bereits in der anderweitigen gesetzlichen Normierung des jeweiligen Rechts enthalten sind oder aber, weil der Gesetzgeber insoweit der sozialen Weiterentwicklung nicht vorgreifen wollte und konnte, sich aus dem jeweils andersartigen Verständnis der allgemeinen Handlungsfreiheit ergeben. Die unter § 823 I BGB fallenden Rechte enthalten "alle ohne Ausnahme (über die speziellen Gegenrechte hinaus) jene ungeschriebene innere Begrenzung"5. Diese muß -wie sich aus dem eben gesagten ergibt, notwendigerweise - auf der Tatbestandsebene Berücksichtigung finden. Rein gedanklich können hierzu 2 Wege beschritten werden: man kann einmal eine entsprechende einschränkende Interpretation des Rechtsguts selbst 1 Hubmann, Persönlichkeitsrecht S. 131. 2 Cosack- Mitteis, 7. Auft. Bd. I, S. 121. a Vgl. unten 7. Kap. III. 4 Die allgemeine Handlungsfreiheit ist kein Problem des Rechtswidrigkeitsbereichs. Dort spielt nur die Abwesenheit von speziellen Gegenrechten eine Rolle! 5 Hubmann, Persönlichkeitsrecht S. 134.

I. Die Handlung im objektiven Tatbestand des§ 823 I BGB

133

vornehmen. Logisch abstrakt ist dieser Weg zwar vorzuziehen, nachdem wir es, wie ausgeführt, mit immanenten Beschränkungen des Rechtsguts selbst zu tun haben. Dieses Vorgehen würde jedoch der Tendenz des § 823 I BGB, sich auf klar erkennbare und grob strukturierte Rechtsgüter zu beschränken, zuwiderlaufen, weil eine derartige Rechtsgutsinterpretation - die vornehmlich an der allgemeinen Handlungsfreiheit des konkreten Schädigers orientiert sein muß - in jedem zur Entscheidung kommenden Fall fast notwendigerweise anders ausfallen würde. Richtiger ist es m. E. daher, auch zukünftig für die Feststellung des Schadenserfolgs an der - möglicherweise aber nur scheinbar relevanten - Tangierung des Rechtsguts festzuhalten, sich aber gleichzeitig bewußt zu sein, daß hiermit noch kein endgültiges Urteil darüber, ob der objektive Tatbestand erfüllt ist, gefällt ist. Vielmehr muß nun weiter gefragt werden, ob die Verletzungshandlung im Einzelfall eine echte oder nur scheinbare Tatbestandsverwirklichung zur Folge hatte, es muß also dann das Handlungselement des objektiven Tatbestands des § 823 I BGB noch näher untersucht werden. Hiermit soll jedoch keineswegs einem reinen Handlungsunrecht das Wort geredet werden. Das wesentlichste Merkmal des § 823 I BGB-Tatbestands ist und bleibt der Eintritt bestimmter Verletzungserfolge. Andererseits kann man aber nicht umhin, anzuerkennen, daß neben dem Erfolg auch die Handlung in Zukunft stärkere Beachtung finden muß. Meines Erachtens eröffnet sich gerade mit der Frage nach dem Verhältnis von Erfolg und Handlung im objektiven Tatbestand des § 823 I BGB der zivilrechtliehen Wissenschaft ein weites und fruchtbares Feld neuer Forschungen und die Möglichkeit, das Deliktsrecht sachgemäß weiterzuentwickeln. So hat auch Hefermehl schon vor längerer Zeit vorhergesagt: "Die sinnvolle Erfassung des Tatbestands wird immer mehr auch zu einem wichtigen Problem des Zivilrechts, da nur so der materielle Gehalt des Widerrechtlichen ermittelt werden kann6 ." Die Forderung, der Handlung im Tatbestand des § 823 I BGB größere Bedeutung einzuräumen, ist weniger ketzerisch, als es den Anhängern des reinen Erfolgsunrechts auf den 1. Blick vielleicht scheinen mag. Denn ohne das Handlungskriterium kamen bislang auch sie nicht aus. Vielmehr haben sie selbst schon den entscheidenden Schritt vom reinen Erfolgs - zum gemischten Erfolgs-Handlungs-Unrecht durch Einbeziehung des Kriteriums der adäquaten Kausalität gemacht. Die Kausaladäquanz ist -wie inzwischen allgemein anerkannt - kein Kausalitäts-, sondern ein Zurechenbarkeitsproblem. Dies bedeutet, daß nach Feststellung des Verletzungserfolgs im Sinne der conditio sine qua non weiter gefragt werden muß, ob dieser eingetretene Erfolg dem Ver~

Hefermehl, WuW 53,236.

134

6. Kap.: Schadenshandlung und Normzweck

ursacher auch angelastet werden kann, ob die Beziehung zwischen der Handlung des Verursachers und dem Erfolg so eng ist, daß der Verursacher mit Fug und Recht als "Verletzer" bezeichnet werden kann. Die Adäquanztheorie wertet also die Handlung im Hinblick auf den Erfolg. Hieraus ergibt sich aber eindeutig, daß die Handlung als vom :Erfolg getrenntes Tatbestandskriterium betrachtet wird, daß somit gerade die Adäquanztheorie nicht ohne das Handlungsmoment im objektiven Tatbestand auskommen kann. Wenn diese Tatsache bisher nicht eindeutiger herausgestellt wurde, so liegt dies nur daran, daß das bisher übliche Wertungskriterium der Adäquanztheorie zu weit und verwaschen gefaßt wurde, um im praktischen Einzelfall zu einer sinnvollen Einschränkung der Haftung führen zu können. Normalerweise ist eben die Verursachungshandlung auch adäquat im herkömmlichen Sinne, weil der Erfolg nicht "außer aller Wahrscheinlichkeit" liegt7 • Wäre das Wertungskriterium aber schlagkräftiger, würde mit seiner Hilfe also häufiger die Ersatzverpflichtung des Verursachers bereits auf der Tatbestandsebene abgelehnt werden müssen, so wäre auch die Tatsache, daß der objektive Tatbestand des § 823 I BGB sowohl aus einer Erfolgs- als auch aus einer Handlungskomponente besteht, stärker in unser Bewußtsein gerückt. Den Vertretern eines reinen Erfolgsunrechts ist also in 1. Linie Inkonsequenz entgegenzuhalten: arbeiten sie mit der Adäquanztheorie, müßten sie notwendig auch die Handlungskomponente des objektiven Tatbestands anerkennen. Wollen sie letzteres nicht, müßten sie die Adäquanztheorie - wohl zu Gunsten der Äquivalenztheorie - aufgeben. Denn sobald sie die Adäquanz von Handlung und Erfolg prüfen, bringen sie zum Ausdruck, daß der Handlung eine größere Bedeutung als die bloße äquivalente Verursachung im objektiven Tatbestand des § 823 I BGB zukommt. Wohl um die hier gezogene Folgerung zu vermeiden, wird die Adäquanztheorie häufig damit "entschuldigt" 8 , daß sie eigentlich nur dann echte Relevanz erlange, wenn im konkreten Fall zur Begründung der Haftung kein Verschulden vorausgesetzt sei. Die Adäquanz stelle lediglich "die äußerste Grenze der Verschuldensmöglichkeit"9 dar, so daß im Rahmen des § 823 I BGB, der zusätzliches Verschulden verlange, ein völlig ausreichendes Haftungskorrektiv in Form der Fahrlässigkeit zur Hand sei. Dies geht insoweit fehl, als damit quasi axiomatisch behauptet wird, das Verschuldensprinzip reiche aus, um aus § 823 I BGB die nicht zurechenbaren und deshalb nicht haftungswürdigen Sachverhalte auszusondern. Wäre dem wirklich so, hätten Literatur und Recht-

8

Vgl. z. B . BGH NJW 64, 650. Vgl. z. B. Weitnauer, VersR 70, 587.

9

Traeger, S . 159.

7

I.

Die Handlung im objektiven Tatbestand des § 823 I BGB

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sprechung nicht immer wieder in geradezu artistischer Weise versucht, neue zusätzliche Begrenzungsmaßstäbe in die Norm einzubringen, um den gewandelten sozialen Gegebenheiten Rechnung tragen zu können10 • Festzuhalten ist hier jedenfalls, daß auch die kausale Handlungslehre das Handlungselement nie ganz verleugnet hat. Dies hat auch Wiethölter11 erkannt, wenn er anmerkt, "ohne das Element der menschlichen Handlung (sei) auch bisher noch keine Erfolgsunrechtslehre ausgekommen". Andererseits kann auch die Lehre vom reinen Verhaltensunrecht nicht überzeugen. Nicht stichhaltig erscheinen allerdings die üblicherweise gegen diese Lehre vorgebrachten Bedenken. Zum Beispiel wird behauptet, daß das Verhaltensunrecht keine scharfe Trennung von Rechtswidrigkeit und Schuld gewährleiste12 und daß es - betrachte man Notwehr, verbotene Eigenmacht sowie§ 1004 BGB- zwei verschiedene Rechtswidrigkeitsbegriffe erfordere13• Mit diesen Argumenten hat sich Münzberg 14 ausführlich auseinandergesetzt, den entsche~denden Gesichtspunkt m. E. aber ebenfalls nicht genannt. In der Schuld spielt die Handlung nämlich nur noch insoweit eine Rolle, als es darum geht, ob sie schuldhaft begangen wurde oder nicht. Die Schuld beschäftigt sich mit dem "Wie" der Handlung, nicht mit dem "Was". Oben wurde bereits dargelegt, daß nicht jede Erfolgs-Handlungs-Beziehung notwendig eine tatbestandsrelevante Schädigung darstellt, sondern daß diese Folgerung nur bei einem Teil der möglichen Handlungen - allerdings beim größten - gezogen werden kann. Die entsprechenden Kriterien sind im nächsten Kapitel zu besprechen. Festzuhalten ist hier jedenfalls, daß im Rahmen des objektiven Tatbestands untersucht werden muß, welche Handlungen tatbestandsrelevante Verletzungen bewirken, während in der Schuld geprüft wird, ob den Schädiger persönlich diesbezüglich eben ein Verschulden trifft. Der objektive Tatbestand hat es mit dem "Was" der Verletzungshandlung, das Verschulden dagegen mit dem "Wie" zu tun. Die Verkennung dieses grundlegenden Unterschieds hat bislang viele Autoren, insbesondere die Gegner der finalen Handlungslehre, daran gehindert, anzuerkennen, daß die Verletzungshandlung auch im objektiven Tatbestand insoweit eine Rolle spielen muß, als sie ein von dem subjektiven Verschulden klar unterscheidbares rein objektives und somit dem Erfolgsmoment gleichwertiges und im 10 ••• und es hätte sich niemals das erhebliche, oben im 2. Kapitel geschilderte Unbehagen gegenüber den von der überkommenen Auffassung diktierten Ergebnissen breitmachen können. 11 Wiethölter, Rechtfertigungsgrund S. 16. 12 z. B. Schmidt, NJW 58, 490; Wussow, NJW 58,893. 13 z. B. Deutsch, Fahrlässigkeit S. 252 f., 257 ff. 1 4 Münzberg, S. 341 ff.

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6. Kap.: Schadenshandlung und Normzweck

gleichen dogmatischen Rahmen zu behandelndes Kriterium ist. Von der Feststellung des "Was" im objektiven Tatbestand werden deshalb weder die Schuldfrage- in ihr wäre für das "Was" auch kein Platznoch die negatorischen Schutzvorschriften usw. berührt. Ein verschiedener Rechtswidrigkeitsbegriff für § 823 I BGB und § 1004 BGB, wie ihn beispielsweise die finale Handlungslehre erzwingt, ist bei der hier vertretenen Auffassung nicht vonnöten. Andere Autoren halten eine Haftungseinschränkung bereits im objektiven Tatbestand durch die Betonung der Handlungskomponente schon deshalb für unnötig, weil die Tatbestandsfeststellung noch keinerlei Vorwurf gegen den Handelnden begründe, weil sie haftungsneutral seP5 • Erst Tatbestandsmäßigkeit und Unrechtsurteil zusammen ergäben die haftungsrelevante Rechtsverletzung. Die Worte Körperverletzung, Tötung und Nötigung seien auch nach allgemeinem Sprachgebrauch wertfreP 6. Meines Erachtens hingegen versteht gerade der in juristischen Begriffen und Sprachgebrauch nicht Geschulte diese Worte- insbesondere den Ausdruck "Nötigung" - vorwiegend wertend. Außerdem wird verkannt, daß die angebliche Wertfreiheit des Tatbestands nichts anderes als eine juristische Fiktion ist, ein Hilfsmittel des Juristen für eine übersichtlichere Erfassung des Gesamttatbestands des § 823 I BGB. Da nach weithin h. A. der objektive Tatbestand die Rechtswidrigkeit ohne weiteres indiziert, normiert er in Wahrheit nicht nur wertneutrale Beschreibungen typisierter Lebenssachverhalte, sondern vielmehr bereits vorgetyptes Unrecht17• Wenn die Tatbestandsfeststellung tatsächlich keinerlei Vorwurf enthalten würde, wäre es niemals notwendig, den Täter durch "Rechtfertigung" der Haftung zu entziehen. "Rechtfertigung" bedeutet nämlich schon sprachlich nichts anderes als Zurücknahme eines bereits gemachten Vorwurfs, eines Unwerturteils also. Richtig ist lediglich, daß die mit der Rechtswidrigkeitsindizierung zwangsläufig verbundene Tatbestandsfeststellung noch keine abschließende Wertung erlaubt18; eine solche ist vielmehr erst nach Prüfung und Ausscheidung aller denkbaren Rechtfertigungsgründe möglich. Es kann aber nicht geleugnet werden, daß der Tatbestand vorläufige Wertungen enthält, die ihrerseits u . U. der Einschränkung durch andere, tatbestandliehe Kriterien bedürfen. Eine andere und überraschende Begründung für die Ablehnung des Handlungsunrechts bringt Reinhardt19 • Er geht von 15 Vgl. Schippel, S. 72 f. bzgl. der finalen Handlungslehre. 16 So Schippel, S. 72 f.; ganz entschieden auch Reinhardt, Forum 61, 6; Katzenberger , S. 26 meint, "das Erfolgsunwerturteil im Rahmen des § 823 I BGB (enthält) noch keinerlei Vorwurf gegen den Handelnden". 17 So auch Nipperdey, NJW 67, 1988. 18 Ebenso Deutsch, NJW 65, 1985 f. 1e Rei nhardt, Forum 61, 6.

I.

Die Handlung im objektiven Tatbestand des § 823 I BGB

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der auch hier vertretenen These aus, daß die dem § 823 I BGB zugrundeliegende Güterzuordnung "dem Wesen einer Privatrechtsordnung, die auf der Anerkennung der allgemeinen Handlungsfreiheit basiert", bereits entspreche. Daraus zieht er aber den Schluß, jeglicher Einbruch in solche Schutzbereiche bedeute ohne weiteres eine Störung der Ordnung des Rechts i. S. des § 823 I BGB, diese Norm sei bewußt- gerade und trotz des genannten Ansatzes - als reines Erfolgsdelikt konzipiert worden. Einen anderen Schluß lasse der prägnante Wortlaut nicht zu20 • Läge es hiergegen nicht näher, das Handlungsmoment als beachtenswertes Kriterium des objektiven Tatbestands zu fixieren, wenn bereits erkannt ist, daß auch § 823 I BGB jedenfalls a priori in der Beziehung zur allgemeinen Handlungsfreiheit gesehen werden muß? Können auch diese Bedenken gegen das reine Handlungsunrecht nicht überzeugen, so muß sich diese Lehre jedoch ein anderes Argument entgegenhalten lassen. Zwar kann eine Handlung als solche verboten sein, z. B. an einer bestimmten Stelle zu parken oder eine bestimmte Geschwindigkeit zu überschreiten; wird gegen das Verbot verstoßen, ist die Handlung ohne weiteres rechtswidrig. Im Rahmen des§ 823 I BGB kommt es aber darauf an, ob in der Sphäre eines Dritten ein negativer Erfolg eintritt. Erfolglose Handlungen, also z. B. deliktische Versuchshandlungen, werden von § 823 I BGB weder erfaßt noch als rechtswidrig abgestempelt; sie sind vielmehr tatbestandsneutraL Dies wird von Zippelius bestritten21 • Er geht vom reinen Handlungsunrecht aus und konzediert lediglich, daß die Handlung, um rechtswidrig genannt werden zu können, eine gewisse Gefährlichkeit oder Intention in Bezug auf ein fremdes Rechtsgut haben müsse. Jedenfalls handelten der erfolglose Giftmischer oder Todesschütze rechtswidrig. Letzteres ist zwar nicht zu bezweifeln, aber im auf Schadensausgleich bedachten Deliktsrecht völlig unerheblich. Zippelius übersieht, daß jedes Rechtsgebiet und jedes Rechtsinstitut von seiner Aufgabenstellung her betrachtet werden muß, soll es richtig erfaßt werden. Recht existiert nicht um seiner selbst willen, sondern hat bestimmte Funktionen. Die Funktion des § 823 I BGB ist u. a. der Schadensausgleich nach Verletzungen. Ist es nicht zur Verletzung gekommen, ist der Regelungsbereich des § 823 I BGB nicht berührt, sein Tatbestand nicht erfüllt. Nur der erfüllte Tatbestand aber ist fähig, die Rechtswidrigkeit zu indizieren. Zippelius geht im Grunde dem Begriff der Rechtswidrigkeit als solchem, isoliert vom Deliktsrecht im Zivilistischen Sinne, nach. Dies ist jedoch bestenfalls eine Aufgabenstellung der Strafrechtswissenschaft. 20 Diese Formulierungen verwendet Reinhardt selbst nicht; sie geben lediglich seine Ansicht frei wieder. 21 Zippelius, AcP 157, 390 ff.

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6. Kap.: Schadenshandlung und Normzweck

Da nach Vorstehendem weder der reinen Erfolgs- noch der reinen Handlungs-Unrechtslehre voll beigepflichtet werden kann, ergibt sich, daß nur die Synthese beider Richtungen zukunftsweisend ist. Erst die Verbindung von Erfolg und Handlung entscheidet darüber, ob das jeweilige Rechtsgut tatbestandsrelevant verletzt wurde; erst diese Verbindung kann auch die Rechtswidrigkeit indizieren22 • Münzberg 23 meint richtig: "Das Recht kann lediglich einem Rechtssubjekt gebieten, auf einen Erfolg hinzuwirken oder ihm entgegenzuwirken." Im Rahmen des § 823 I BGB liegt das Schwergewicht dieser Verbindung allerdings sicher auf der Erfolgsseite. Die genauere Verteilung der Gewichte wird weiter unten zu behandeln sein24 • Die gemischte Erfolgs-Handlungs-Unrechtslehre gewinnt in der Literatur seit einiger Zeit an Boden25 , wobei Wiethölter - in Ergänzung der obigen Darlegungen zum Adäquanzprinzip - darauf hinweist, daß eine wirklich konsequente Erfolgs-Unrechtslehre im Grunde sogar noch nicht einmal zwischen Unrecht und dem von menschlicher zurechenbarer Handlung unabhängigen Unglück zwingend unterscheiden könne. Reinhardt als entschiedener Vertreter der Erfolgsunrechtslehre26 versucht, zumindestens dieser Konsequenz dadurch zu entgehen, daß er den Begriff des deliktischen Verletzungserfolgs von vornherein an menschliche Verursachung anknüpft und alle anderen Verursachungsmöglichkeiten als irrelevant ausschließt. Dem kann man zustimmen, wenn man bedenkt, daß das Zivilrecht ausschließlich die Aufgabe hat, die Beziehungen der Rechtsgenossen zu gestalten. Ersatz für echtes, außermenschlicher Verursachung entsprungenes Unglück ist eher Aufgabe des öffentlichen Rechts. Aber auch Reinhardts Einschränkung bewahrt die Erfolgsunrechtslehre nicht vor dem obigen Vorwurf. Wenn Reinhardt meint27 , "daß jedes menschliche Verhalten, das einen Einbruch in den Schutzbereich eines anderen darstellt, eben wegen dieses Erfolgs der Rechtsordnung zuwiderläuft", also bei Fehlen besonderer Rechtfertigungsgründe unbedingt rechtswidrig ist, dann widerspricht dies offensichtlich dem auch von den Vertretern der Erfolgsunrechtslehre angewandten Adäquanzerfordernis. Denn bekanntlich indizieren inadäquate Verletzungserfolge die Rechtswidrigkeit niemals. Da die Adäquanz wie dargelegt ein Wertungskriterium ausschließlich der VerletzungshandJung ist, muß Reinhardt also seine obige Aussage nunmehr Ähnlich Deutsch, FahrlässigkeitS. 215. Münzberg, S. 3. 24 Siehe unten 6. Kap. li. 26 Vgl. z. B. J. G. Wolf!, S. 37; Wiethölter, Rechtfertigungsgrund S. 16; Deutsch, FahrlässigkeitS. 315. 26 Reinhardt, Forum 61, 6. 21 Reinhardt, Forum 61, 6. 22

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II. Die Normzwecktheorie

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doch zugunsten des Handlungsmoments im Tatbestand des § 823 I BGB einschränken oder aber die Adäquanztheorie ersatzlos über Bord werfen. Will er der letztgenannten Konsequenz entgehen, muß er sich zwangsläufig auf den Weg zu einem gemischten Erfolgs-Handlungsunrecht begeben. Daß sich die Auffassung von § 823 I BGB allmählich in Richtung auf eine verstärkte Betonung der Handlungskomponente im objektiven Tatbestand wandelt, zeigt auch die Unmittelbarkeits-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Denn wenn Fälle, in denen der Betrieb lahmgelegt und somit der Bestand des Unternehmens wenigstens vorübergehend angegriffen ist, dennoch nur als "mittelbare" Verletzungen qualifiziert werden, kann dies nicht daran liegen, daß es etwa am Verletzungserfolg mangle, sondern daß - stillschweigend? - auf der Handlungsseite Differenzierungen vorgenommen werden. Im übrigen hat sich der Bundesgerichtshof bereits im 24. Band28 dafür ausgesprochen, künftighin dem Handlungskriterium in§ 823 I BGB mehr Raum zu gewähren. Aufgabe der folgenden Ausführungen wird es deshalb sein, das Spannungsverhältnis von Erfolg und Handlung im objektiven Tatbestand in zweckgerechter Weise zu lösen, also nach Kriterien zu forschen, die aus den jeweils vorliegenden Komponenten Verletzungserfolg und Verletzungshandlung die Synthese der "tatbestandsrelevanten Verletzung" herbeizuführen imstande sind. Derartige Kriterien werden aber jedenfalls, wie sich zeigen wird, nur im Rahmen einer konkreten ex ante-Wertung des Richters28 , die ihrerseits wieder eine exakte Erfassung der Verletzungshandlung und ihrer näheren Umstände im Einzelfall bedingt80 , Wirksamkeit erlangen können. II. DieNormzwecktheorie Die Lösung des Spannungsverhältnisses von Erfolg und Handlung im objektiven Tatbestand muß prinzipiell von einem einheitlichen und auf alle Rechts- und Lebensgüter des § 823 I BGB zutreffenden Prinzip her angegangen werden. Es muß ein grundlegendes Strukturprinzip erar28 BGH 24, 21 ff., stellt diese Forderung im Zusammenhang mit der Entwicklung seines "Rechtfertigungsgrunds des verkehrsrichtigen Verhaltens" auf. Allerdings ist unklar, ob der BGH diese neue Haftungseinschränkung als Indizierungs-Ausschluß, somit mehr im Tatbestand, oder als echten Hechtfertigungsgrund in der Rechtswidrigkeit ansiedeln will. Der anrufende 6. Senat spricht von "Begründung der Rechtswidrigkeit", der Große Senat selbst formuliert, verkehrsrichtiges Verhalten schließe rechtswidrige Schädigungen aus. Da der Standort der Handlungskomponente beim BGH vom Standort der Verkehrsrichtigkeit abhängt, bleibt die Einordnungsfrage hier offen. 2o Vgl. unten 7. Kap. III 4. 30 Vgl. unten 7. Kap. III 3.

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6. Kap.: Schadenshandlung und Normzweck

beitet werden, das einerseits geeignet ist, dem Wandel der sozialen Gegebenheiten Rechnung zu tragen, und das andererseits auch vermeidet, daß die durch das klare Prinzip des§ 823 I BGB vermittelte Rechtssicherheit im Wege einer auf verschiedenartigsten Billigkeitserwägungen beruhenden Kasuistik gefährdet wird. Es muß gezeigt werden, daß ein richtig verstandener § 823 I BGB auch heute noch imstande ist, den ihm unterfallenden verschiedenartigen Lebenssachverhaltentrotz und gerade durch einheitliche Kriterien gerecht zu werden. Ein Prinzip, das diese Erfordernisse erfüllen könnte, ist die Normzwecktheorie. Das Verdienst, erstmals in größerem Umfang auf die Fragen des Normzwecks als allgemeines Haftungsbegrenzungskriterium hingewiesen zu haben, gebührt den Österreichischen Rechtstheoretikern, unter denen diesbezüglich besonders Arnim Ehrenzweig31 Hervorragendes geleistet hat. Der Oberste Gerichtshof32 anerkannte die Theorie schon im Jahre 1906: "Die nötige Unterscheidung ist dahin zu treffen, daß der Schädiger nur demjenigen ersatzpflichtig ist, dessen Schutz die übertretene Norm bezweckt und daß nur jenes Rechtsgut zu schützen ist, dessen Verletzung durch die übertretene Norm hintangehalten werden sollte." Diese Gedanken rezipierte Ernst Rabel 193633 in seinem "Recht des Warenkaufs" für das deutsche Deliktsrecht. Rabel muß als eigentlicher Vater der Normzwecktheorie3 \ so wie sie heute weitgehend verstanden wird, gelten, denn er war es, der erstmals erkannte, daß der Normzweck nicht ein Problem der Rechtswidrigkeit, sondern des Verletzungstatbestandes ist. Ehrenzweig selbst wollte die Theorie noch im Rahmen der Rechtswidrigkeit ansiedeln und kam so folgerichtig zu einer relativen Rechtswidrigkeit. Hiergegen meinte Rabel35 : "Es handelt sich um eine Beschränkung der Norm, nicht der Normwidrigkeit"; denn "wir sind gewohnt, den Widerspruch eines Tuns mit der Rechtsordnung als absolut zu denken". Rabel selbst allerdings tendierte auch dazu, den Normzweck auf Billigkeitserwägungen des Gesetzgebers und innerhalb dieser vor allem auf den Verschuldeosgrad des Täters zurückzuführen36 • Er 3t Arnim Ehrenzweig, System des Österreichischen allgemeinen Privatrechts Bd. II 1, 2. Aufi. 1928, S. 39 ff. 32 Entsch. v. 9. 10. 1906 GLUNF Nr. 3541 (vgl. Esser, Schuldrecht § 61, 5d). 33 Rabel, Das Recht des Warenkaufs, 1936, Bd. 1, S. 495 ff. 34 Als Vorläufer der Normzwecktheorie in Deutschland, damals noch ohne nennenswerte Resonanz, wäre M. L. Müller, Die Bedeutung des Kausalzusammenhangs im Straf- und Schadensersatzrecht, Tübingen 1912, zu nennen, der den Schadensersatz "nach der ratio der Schadenshaftung" abgegrenzt wissen wollte; vgl. S. 68 und 106 ff., vor allem S. 109: "Die durch eine bestimmte haftungsauslösende Tatsache ausgelöste Haftung ist also von vorne herein begrenzt durch die Begrenztheit der Beziehungen, deren Schutz sie bezweckt ..." ss Rabel, S. 496. 36 Rabel, S. 507.

II. Die Normzwecktheorie

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verwies dabei auf die Erschwerungen der älteren Gesetzbücher bei dolus oder grob fahrlässigem Verhalten 37 • Dem kann für das geltende Recht wie oben schon ausführlich dargelegt, allerdings nicht gefolgt werden. Das BGB kennt im Deliktsrecht keine Haftungsunterschiede nach dem Verschuldensgrad. Dann geriet die Normzwecklehre jahrzehntelang in Vergessenheit; es blieb v. Caemmerer vorbehalten, sie in seiner aufsehenerregenden Freiburger Rektoratsrede von 1956 ein 2. Mal zum Leben zu erwecken und sie nunmehr auf breiter Basis nutzbar zu machen38 • Der Sache nach war die Lehre vom Normzweck nämlich bei uns im Rahmen eines Teilgebiets des Deliktsrechts, des § 823 II BGB, schon längst anerkannt. Bei der Prüfung dieser Anspruchsgrundlage begnügen wir uns nicht damit, festzustellen, daß ein Schaden entstanden sei, der in den Bereich eines Schutzgesetzes fällt, sondern prüfen vielmehr dreierlei39 : wer wird durch das Schutzgesetz geschützt; was bzw. welches Rechtsgut wird geschützt; und schließlich: wie, auf welche Art und Weise, muß die Verletzung bewirkt worden sein, um das Schutzgesetz eingreifen zu lassen. Einmal muß der Geschädigte also zum geschützten Personenkreis gehören. Hat ·ein Arzt seine Schweigepflicht aus § 300 StGB bezüglich einer Patientin verletzt und wird dadurch nicht sie, sondern ihr Ehemann z. B. in seiner gesellschaftlichen Geltung und den damit u. U. verbundenen Vermögensinteressen- beeinträchtigt, so entsteht ihm dadurch dennoch kein Ersatzanspruch aus § 823 II BGB, weil § 300 StGB nur den von der Verletzung des Berufsgeheimnisses selbst betroffenen Patienten vor dieser Indiskretion schützen will. Zum anderen muß ein geschütztes Rechtsgut verletzt sein. Sichert z. B. ein Brunnenbesitzer den Brunnen nicht vorschriftsmäßig, so daß ein Haustier seines Nachbarn hineinstürzt, so hat er zwar seine durch§ 367 Ziff. 12 StGB erfaßte Handlungspflicht verletzt; dennoch erwächst dem Nachbarn kein Schadensersatzanspruch aus diesem Verstoß. Denn§ 367 Ziff.l2 StGB will nur Menschen, nicht auch Sachen, wozu die Tiere zählen, schützen. Schließlich mag als Beispiel für das 3. Normzweckmerkmal- die Verletzung muß auf bestimmte Art und Weise geschehen sein - eine alte Entscheidung des Landgerichts Hannover dienen40 : Ein Gastwirt hatte 37 RabeL bezieht sich diesbezüglich auch auf StrohaL, 3. Gutachten über die beantragte Revision des 30. Hauptstücks im II. Teil des ABGB, Wien 1880,

8.163. 38 v. Caemmerer, Freiburger Rektoratsrede, in: Gesammelte Schriften Bd. 1, s. 395 ff. 39 Zum folgenden vgl. eingehend J. G. Wolf], S. 18 ff. 40 LG Hannover Recht 1910, 36.

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6. Kap.: Schadenshandlung und Normzweck

einen Kegeljungen entgegen dem Verbot der Kinderarbeit zur Nachtzeit doch noch nachts Kegel aufsetzen lassen. Der Junge wurde durch einen unglückseligen Wurf eines Keglers verletzt. Das Kinderschutzgesetz von 1903 wollte zwar gerade Körper- und Gesundheitsschäden von Kindern und Jugendlichen vermeiden. Es hatte jedoch hierbei Schäden im Auge, die aus Überanstrengung und Übermüdung resultieren. Eine Verletzung wie die geschilderte fiel nicht unter den Normzweck des Gesetzes. Die Kriterien des "Wer", "Was" und "Wie", die Fragen also nach geschütztem Personenkreis, Rechtsgut sowie Art und Weise der Ausführungshandlung41 bestimmen nach Lange42 nicht nur den Normzweck des§ 823 II BGB, sondern auch den der übrigen Deliktshaftungnormen §§ 823 I, 824, 825, 826 BGB. Auch diese Normen wollen vor bestimmten Risiken bewahren und nicht einen allumfassenden Totalschutz gewähren. Nach Löwisch43 gilt dies in besonderem Maße für § 823 I BGB, "weil sein jede Rechts- und Rechtsgutsverletzung deckender Gesetzestatbestand zu weit ist und deshalb der Eingrenzung durch den Normzweck bedarf. Der Satz vom generellen Schutz der Rechte des § 823 I BGB (ist) von dessen Normzweck her schon auf dem Feld der tatbestandsmäßigen Handlungen relativiert." Allerdings kann im Rahmen des haftungsbegründenden Kausalbereichs" des § 823 I BGB m . E. nur das dritte Moment, die bestimmte Art und Weise der Erfolgsbewirkung, Relevanz erlangen. Denn sowohl der geschützte Personenkreis als auch das geschützte Rechtsgut sind durch den Wortlaut des§ 823 I BGB klar bestimmt. Anspruchsinhaber kann nur der Inhaber bestimmter Rechtsgüter, geschütztes Rechtsgut muß ein absolutes Recht im oben entwickelten Sinne sein. Übrig bleibt somit nur die Frage nach der Wertigkeit der Handlung, also nach der Art und Weise der Ausführungshandlung. Die Normzwecktheorie verpflichtet den Richter im Rahmen des § 823 I BGB nur dazu, "bei der Anwendung des Gesetzes die Übereinstimmung von Normzweck und Schädigungsart zu beachten" 45• Dem ist zu folgen. Auszugehen ist von der Überlegung, daß es Aufgabe des objektiven Tatbestands ist, diejenigen Fälle aus der Vielzahl von möglichen Verletzungshandlungen herauszukristallisieren, die ihren Umständen nach fähig sind, die Rechtswidrigkeit zu indizieren. Daß beileibe nicht jeder Verletzungserfolg vernünftigerweise indizierungsfähig sein kann, haben wir bereits oben gesehen, als festgestellt wurde, daß es auch Aufgabe der Kausaladäquanz ist, indizierungsfähige, So auch schon Endemann, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts 1903, S. 1263. So sinngemäß Hermann Lange, S. 44 f. 43 Löwisch, S. 56. 44 Zum Normzweck im Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität vgl. unten 6. Kap. IV u. 7. Kap. II 1. 4s So J. G. Wolf, S. 44. 41 42

II. Die Normzwecktheorie

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also adäquate, von indizierungsunfähigen inadäquaten Verletzungen zu unterscheiden. Insoweit sind Kausaladäquanz und Normzweck miteinander verwandt und unterscheiden sich - unter Zugrundelegung der neuen, jedoch direkt auf v. Kries zurückgehenden Auffassung Weitnauers von der Tragweite der Adäquanz - nur noch graduell4e. Die Indizierungsfähigkeit von Verletzungen hängt ab von und muß sich orientieren an dem oben eingangs des 4. Kapitels herausgearbeiteten generellen Zweck des Deliktsrechts, der nicht nur in einem gerechten Schadensausgleich, sondern auch in einer vernünftigen Abgrenzung des Schutzes von Rechtsgütern des einzelnen gegenüber der Gewährleistung grundsätzlicher allgemeiner Handlungsfreiheit besteht. In diesem Rahmen verfolgt aber jede Haftungsnorm sicherlich einen verschiedenen Normzweck, wie sich bereits aus den jeweils unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen ergibt. Der jeweilige konkrete Inhalt des Normzwecks muß aus den Eigentümlichkeiten einer jeden Norm entwickelt werden und führt gerade bei § 823 I BGB zu einer inhaltlichen Einschränkung der vom Gesetzestext nur scheinbar nahegelegten Absolutheit und Unbeschränktheit der Haftungsvoraussetzungen47 • Von der eben genannten Basis aus, daß die Normzweckinhalte der einzelnen Deliktsnormen notwendig unterschiedlich seien, ergeben sich grundsätzliche Bedenken gegen die Position Hermann Langes18 , der meint: "Die großen Haftungsnormen sind geschichtlich, aber auch funktionell betrachtet, zusammengesetzte Schutzgesetze, die die Schutzbereiche zahlreicher Einzelnormen zusammenlegen und sie in einer ihrem Gesamtsinn entsprechenden höheren Einheit, aber nicht in einer ihrem ursprünglichen Wesen fremden Totalität, aufgehoben haben. Besonders deutlich wird dies in dem durchaus nicht seltenen Falle, daß eine schädigende Handlung gegen ein Schutzgesetz und gleichzeitig gegen § 823 I BGB verstößt, ohne daß diese Handlung einen über den Verstoß gegen das Schutzgesetz hinausgehenden Unrechtsgehalt erkennen läßt. Es ist dann nicht erfindlich, inwiefern der Schutz über § 823 I BGB weiter reichen soll als über § 823 II BGB. Zuzugeben ist lediglich, daß der Schutzbereich der großen Haftungsnormen weit umfassender ist, die hinter ihnen stehenden Pflichten sich oft schwieriger erkennen lassen und demzufolge größerer Raum zu Zweifelsfragen besteht als bei der Prüfung des Schutzbereichs der Gesetzesbestimmungen, die über § 823 II BGB infrage kommen." Vgl. unten 7. Kap. V. Ähnlich, wenn auch aus umgekehrter Sicht- auch Löwisch, S. 56: "Der im subjektiven Recht gewährte Dispositionsvorbehalt zugunsten des einzelnen (Rechtsinhabers) kann nur substantiiert werden aus der Funktion, die dem jeweiligen Schutzbereich im Rahmen der Sozialordnung zuerkannt wird." 46

47

48

Hermann Lange, S. 45.

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6. Kap.: Schadenshandlung und Normzweck

Dem kann nicht gefolgt werden. Hermann Lange fällt dem gleichen Irrtum wie v. Caemmerer49 zum Opfer: weil bislang § 823 II BGB die einzige Norm war, bei der nach h. M. die Normzwecktheorie eine Rolle spielte, müsse der Normzweckinhalt des§ 823 II BGB auch ohne weiteres Richtschnur für den Normzweckinhalt anderer Deliktsvorschriften sein. Dies kann jedoch schon durch einfache Beispiele widerlegt werden50• Ein Tier fällt in einen nicht vorschriftsmäßig abgedeckten Brunnen. Hier haftet der Brunneninhaber nicht nach § 823 II BGB, wohl aber möglicherweise nach Abs. I. Oder ein Flußschiff fährt in der Fahrrinne des Gegenverkehrs und tötet hierbei einen Schwimmer, der entgegen ausdrücklichen Verboten die Markierungsbojen der Fahrtrinne überschwammen hat. Eine Haftung aus § 823 II BGB deshalb, weil auf der falschen Seite der Fahrrinne gefahren wurde, tritt nicht ein. Das entsprechende Schutzgesetz hatte nämlich nicht das Wohl evtl. Schwimmer im Auge51 • Wohl aber wird, wenn auch unter Berücksichtigung des § 254 BGB aus § 823 I BGB gehaftet.

111. Stellungnahme in Literatur und Rechtsprechung zur Normzwecktheorie Die Normzwecktheorie hat bisher per saldo mehr Widerspruch als Zustimmung erhalten. Allerdings resultieren die meisten Bedenken aus dem von v. Caemmerer für§ 823 I BGB entwickelten Normzweckinhalt, der mit dem des § 823 II BGB fast völlig identisch ist. Da v. Caemmerers Gedanken sowie die gegen ihn erhobenen Einwendungen im nächsten Kapitel ausführlicher dargestellt werden, sollen im vorliegenden Zusammenhang nur einige Bedenken allgemeinerer Art sowie verschiedene positive Stellungnahmen erwähnt werden.

Reinhardt52 z. B. lehnt die Normzwecktheorie deshalb ab, weil er jeglichen Versuch, die Haftung aus§ 823 I BGB durch zusätzliche Korrektive im objektiven Tatbestand zu begrenzen, bereits im Ansatz für verfehlt hält. Er geht davon aus, daß in § 823 I BGB ein bestimmter Zuordnungsgedanke dergestalt ausgeprägt worden ist, daß ungeachtet der grundsätzlichen Geltung der Maxime allgemeiner Handlungsfreiheit jede Verletzung eines absoluten Rechts den Verursacher ohne weiteres -Verschulden vorausgesetzt - ersatzpflichtig mache. Sinngemäß meint Reinhardt, § 823 I BGB wolle gerade jegliche Zweifel an der Haftpflicht ausschließen, deshalb sei der Tatbestand relativ eng gefaßt und deshalb dürfe er auch nicht verwässert werden. Vgl. unten 7. Kap. I. Vgl. auch Heinrich Lange, AcP 156, 129. 51 Natürlich wäre § 823 II BGB i. V. m. § 230 StGB anwendbar. Dies spielt in obigem Zusammenhang jedoch keine Rolle. 49

5o

s2

Reinhardt, JZ 61, 717.

III. Die Normzwecktheorie in Literatur und Rechtsprechung

145

Rother 53 meint, daß die Normzwecktheorie "auch nicht wesentlich weiter führe, als die bekannte Lehre" 54 • Es sei bisher selbst den entschiedensten Verfechtern der neuen Lehre nicht gelungen, nachzuweisen, daß eine nicht unerhebliche Anzahl von Fällen, die aufgrund der herkömmlichen Auffassung falsch und ungerecht entschieden worden seien, mittels der Normzwecktheorie befriedigender gelöst werden könnte55 • Teilweise handle es sich bei den unter dem Vorzeichen "Normzweck" behandelten Fällen auch um einfache Kausalitätsprobleme. Wenn z. B. ein aus Zugwagen mit angekoppeltem Anhänger bestehender gewerblicher Lkw ohne die erforderliche polizeiliche Genehmigung, die er jederzeit erhalten hätte, fahre und einen Unfall verursache58 , handle es sich um die grundsätzliche Frage, was zur Prüfung der Ursächlichkeit hinwegzudenken sei: die Nichteinholung der Erlaubnis oder das erlaubnispflichtige Fahren selbst. In der 1. Alternative würde die Haftung scheitern, da die Genehmigung ohne irgendwelche Schwierigkeiten erteilt worden wäre. Argumentierte man dagegen entsprechend der 2. Alternative, hätte der Unternehmer den Unfall gerade durch die Ankoppelung des Anhängers und den tatsächlichen Einsatz des Lastzugs verursacht. Mit Normzwecküberlegung habe dieser Fall sicherlich nichts zu tun57 • Schließlich rügt Rother neben den einzelnen anderen Punkten vor allem, daß viele im Rahmen des § 823 II BGB von der Rechtsprechung "herausgearbeitete" Normzwecke den Eindruck ausgesprochen willkürlicher Einschränkungen "ex post"- mithin vom gewünschten Ergebnis her- machten. Einem weiteren möglichen Einwand gegen die Normzwecktheorie ist Rabel schon frühzeitig zuvorgekommen58• Er wandte sich gegen den Versuch Ehrenzweigs, den Normzweck als Rechtswidrigkeitsproblem zu konzipieren und somit zu einer "relativen Rechtswidrigkeit" zu kommen. In der Tat wäre eine auf relative Rechtswidrigkeit gestützte Normzwecktheorie nicht ganz zu Unrecht erheblichen Bedenken ausgesetzt, da "das Urteil der Rechtswidrigkeit", wie Münzberg50 formuliert, "unteilbar" ist. Es geht nicht an, die rechtswidrige Verletzung des Körpers oder Eigentums des A dem unbeteiligten B gegenüber als "rechtmäßig" zu bezeichnen. Richtig ist nur, daß die rechtswidrige Verletzung des A 53 54

Rother, S. 7 ff. Rother, S. 29.

ss Rother, S. 13.

Fall des RG LZ 21,303. Rother, S. 16; dies ist richtig; tatsächlich handelt es sich hier um die Auswahlkompetenz des Richters im Vorfeld der eigentlichen NormzweckWertung; s. unten 7. Kap. III 3. ss Rabel, S . 496. 59 Münzberg, 121 und Anm. 241 mit vielen weiteren Nachweisen. 56

57

10 Preusche

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6. Kap.: Schadenshandlung und Normzweck

in bezugauf B deliktsrechtlich unerheblich ist. Die Rechtswidrigkeit als Begriff jedoch kann nicht relativiert werden. Haftungsrechtlich kann diese Tatsache vernünftigerweise allerdings auch nicht ins Feld geführt werden, denn die Rechtswidrigkeit in § 823 I BGB hat immer nur Bedeutung für eine konkrete Erfolgs-Handlungs-Beziehung. Außerhalb dieser konkreten Beziehung wird die Handlung zwar nicht rechtmäßig, wohl aber haftungsneutraL Um derartige Bedenken von vornherein von der Normzwecktheorie fernzuhalten, stellte Rabel1936 klar: bei dieser Theorie "handelt (es) sich um eine Beschränkung der Norm, nicht der Normwidrigkeit". Denn "wir sind gewohnt, den Widerspruch eines Tuns mit der Rechtsordnung als absolut zu denken" 60 • Prinzipiell kritisch äußert sich auch Fikentscher61 : Er wirft Rabel und Nachfolgern vor, daß ihre Theorie in Wahrheit nicht- wie behaupteteine Theorie der Haftungsbegrenzung, sondern der Haftungsbegründung sei 62 • Im übrigen aber bezieht sich Fikentschers Kritik wohl nur auf die oben schon angeschnittene bedenkliche Gleichsetzung des Normzweckinhalts von § 823 I BGB mit dem des § 823 II BGB, denn in der Folge meint auch er, es käme auf den allgemeinen Normzweck an63 ; da auch die Art und Weise der Verursachung normfremd sein könne, hätten bei § 823 I BGB außernormative Herbeiführungsweisen außer Betracht zu bleiben64 • Fikentschers weitere Ausführungen lassen jedoch leider nicht erkennen, was er nun eigentlich unter dem "allgemeinen Normzweck" und unter "außernormativer Herbeiführungsweise" versteht. Anscheinend will er die Normzwecktheorie mit einer neuartigen, aber unklaren Adäquanzbetrachtung anfüllen: "Während in der bisherigen h. L. die Adäquanz auf das im natürlichen Sinne übliche und Wahrscheinliche bezogen wurde, bedeutet Adäquanz in dem hier verwendeten Sinne "der durchschnittlichen Zivilistischen Schadensersatznorm angemessen". Die durchschnittliche zivilistische Verursachung muß nicht etwa "nicht unüblich", sie muß, allgemein beurteilt, normangemessen, normrelevant sein" 65 • Prinzipiell positive Stellungnahmen zur Normzwecktheorie finden wir auch bei anderen Autoren. Allerdings beschränken diese Stimmen Rabel, S. 496. Fikentscher, Das Schuldrecht 1965, S. 237. 62 Fikentscher, Schuldrecht S. 237; dies ist natürlich richtig. Fikentscher übersieht jedoch, daß mit der Klassifizierung "Haftungsbegrenzung" nicht das Wesen der Normzwecktheorie umschrieben, sondern die Auswirkung dieser Lehre auf die Fallentscheidungen im Gegensatz zum formalen Wortlaut des Gesetzes bezeichnet werden soll. 63 Fikentscher, Schuldrecht S. 252. 64 Fikentscher, Schuldrecht S. 249. 65 Fikentscher, Schuldrecht S. 252. co 61

III. Die Normzwecktheorie in Literatur und Rechtsprechung

147

ihr Einverständnis meist ausdrücklich oder stillschweigend auf das Gebiet der sog. haftungsausfüllende n Kausalität. Sie halten die Normzwecktheorie für das geeignete Mittel, um dem starren Prinzip des "versari in re illicita", der Haftung für die unabsehbare Anzahl von entfernten und entferntesten mittelbaren Schadensfolgen°6 , einen Riegel vorzuschieben. So meint z. B. HefermehL61 , "bei Ersatzansprüchen, die aus § 823 I BGB hergeleitet werden, (müsse) weiter stets geprüft werden, ob die Tatfolge, für die Ersatz begehrt wird, in den Schutzbereich der verletzten Norm fällt. Keinesfalls (schütze) also das Eigentum oder ein sonstiges Recht gegen jeden Eingriff""8• Besonders hinzuweisen ist auf neuere Gedanken Laufs'69 zur Frage der Ersatzpflichtigkeit von zwar lege artis, aber ohne Einwilligung ausgeführten Heilbehandlungen. Laufs schließt sich der im Entwurf zum StGB 1962 bereits aufgenommenen und auch im Zivilrecht immer stärker werdenden Meinung70 an, wonach die kunstgerechte ärztliche Heilbehandlung keine Körperverletzung darstellt. Sedes materiae des Problems sei vielmehr das APR, weshalb Laufs meint'\ daß der Arzt, der im Hinblick auf das körperliche Wohl des Patienten sachgerecht gehandelt habe, nicht deshalb zu Schadensersatz verpflichtet sei, weil er ein anderes Rechtsgut des Patienten, das Selbstbestimmungsre cht, mißachtet habe. Der Rechtswidrigkeitszu sammenhang zwischen der Persönlichkeitsverletzungund den der ärztlichen Eigenmacht trotz kunstgerechter Behandlung folgenden Körper- und Vermögensschäden sei regelmäßig zu verneinen7z. Auch Deutsch, Blomeyer, Böhmer, Löwisch und Esser, letzterer unter dem Stichwort "Rechtswidrigkeitszu sammenhang" haben sich für die 66 "Versanti in re illicita imputantur omnia quae sequuntur ex delicto" = wer unerlllubt handelt, dem werden alle Folgen zugerechnet, die aus dem Delikt entstehen; vgl. v. Caemmerer, Rektoratsrede S. 407 u. Münzberg, S. 125 Anm. 248. 67 Baumbach - Hefermehl, Allg. Einl. A 113. 68 Die letzte Bemerkung Hefermehls betrifft allerdings wohl den Bereich der haftungsbegründenden Kausalität. Hefermehl beschränkt die Anwendung der Normzwecktheorie also anscheinend nicht auf Folgeschäden. Ge Laufs, NJW 69, 529 ff. 70 Vgl. Eberhardt, Selbstbestimmungsrec ht des Patienten 1968, S. 201 ff. mit weiteren Nachweisen. 71 Laufs, NJW 69, 532. 72 Ganz allgemein ist die neue Lehre, daß nur noch gegen die ärztliche Kunst verstoßende Heilbehandlungen Körperverletzungen darstellen, die lege artis ausgeführte Behandlung dagegen dem APR unterfällt, aus der Sicht der Normzwecklehre, insbesondere aus dem Blickwinkel einer stärkeren Betonung des Handlungsmoments im objektiven Tatbestand, höchst interessant. Denn nur eine stärker ins Detail gehende Bewertung der Handlung kann Ansatzpunkt für die unterschiedliche Einordnung der Heilbehandlung - je nachdem, ob kunstgerecht ausgeführt oder nicht - entweder in den Bereich der Körperverletzung oder in denjenigen des APR sein.

10°

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6. Kap.: Schadenshandlung und Normzweck

Normzwecktheorie ausgesprochen73 • Nach Deutsch ist die Normzwecktheorie sogar im wesentlichen nichts anderes als die Ausprägung der heutigen juristischen Methode des Zivilrechts74 • "Der Schutzbereich macht die Norm erst für das Zivilrecht geschmeidig'm. Aber nicht nur bei neueren Autoren, sondern auch in der älteren Literatur und Rechtsprechung finden wir Bestätigungen des Normzweckgedankens. Max Ludwig Müller und die Österreichische Rechtsschule wurden oben76 schon erwähnt. Nachzutragen ist hier noch, daß bereits 1928 in Holland der "Hohe Rat", das höchste holländische Gericht, die Normzwecklehre übernahm und sie seitdem ständig anwendet77 • Im deutschen Recht wären noch Merkel mit einer Schrift aus dem Jahre 1895 sowie Endemann18 zu erwähnen, vor allem aber eine ältere Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg79 , die zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist. Ein Schrankenwärter erlitt einen Schock beim Anblick eines Zusammenstoßes zwischen der Eisenbahn und einem Auto. Die Bahnverwaltung verlangte vom Fahrer des Kfz, der den Unfall verschuldet hatte, neben dem Sachschaden im Wege des Folgeschadens auch Ersatz für den Ausfall des Schrankenwärters. Das Oberlandesgericht wies die Klage ab und führte zur Begründung aus, nicht nur § 823 II BGB, sondern auch § 823 I BGB sei einschränkend zu verstehen. Es sei in beiden Fällen "die Aufgabe verständiger Auslegung, nach allgemeiner Lebenserfahrung zu 73 Deutsch, JuS 67, 152; NJW 65, 1987; NJW 66, 705; BZomeyer, Allg. Schuldrecht 3. Aufl. 1964, S. 171 ff.; Boehmer, JZ 58, 743 in Anm. zu BGH 27, 137; Löwisch, S. 56; Esser, Lehrbuch I, 3. Aufl. S. 310 ff.; auch Weitnauer meinte noch in NJW 62, 1190: " ... die richtige Abgrenzung, soweit§ 823 I BGB in Betracht kommt (könnte man) mit Hilfe der Grundsätze vom Rechtswidrigkeitszusammenhang finden." In Jur. Jahrb. Bd. 4, S. 225 findet sich später jedoch eine eher ablehnende Stellungnahme; vgl. auch Weitnauer, VersR 70, 585, 592. Zu erwähnen ist noch, daß sich auch der Referentenentwurf von 1967 - Begründung S. 33 und 45 - mit der Normzwecktheorie bzw. dem Rechtswidrigkeitszusammenhang auseinandersetzt und herausstellt, daß diese Theorie in § 823 II BGB sowie in § 839 BGB bereits positiv-rechtliche Ansätze habe, wenn "sie auch im einzelnen viele Zweifel offen läßt". 74 Deutsch, JuS 67, 154. 1s Deutsch, NJW 65, 1987. 7 6 Vgl. oben S. 140 Anm. 34. 77 H. R. 25. 5. 28, N. J. 1928, 1688; vgl. StolZ, Staat und Recht, Heft 364/365,

s. 7 f .

78 MerkeZ, die Kollision rechtmäßiger Interessen und die Schadensersatzpflicht bei rechtmäßigen Handlungen, 1895 S. 205 - 218; Endemann, Lehrbuch des bürgerl. Rechts, 9. Aufl. 1903, S. 731 ff., 737 ; nicht ganz eindeutig ist, ob auch der BGB-Gesetzgeber derartiges erwogen hat. Jedenfalls läßt sich eine Bemerkung in den Motiven (Mugdan, S. 511) in dieser Richtung verstehen: " ... die Beschränkung der Haftung sich vielmehr aus der richtigen Bestimmung des Inhalts der Obligation ergäbe." Anfangs der zitierten Seite findet sich die Bemerkung, daß die fragliche Problematik nicht nur bei Schadensersatz aus Obligation, sondern auch aus unerlaubter Handlung auftauche. 79 OLG Hamburg, Seuff A 60 Nr. 54 S. 100. ·

111. Die Normzwecktheorie in Literatur und Rechtsprechung

149

ermitteln, inwieweit der Schutzwille des Gesetzes und damit die Schadensersatzpflicht des Täters reicht". Auch der Bundesgerichtshof hat die Normzwecktheorie in etlichen Entscheidungen übernommen. Das 1. Urteil erging bereits im 27. Band80 , bald nach v . Caemmerers richtungsweisender Freiburger Rektoratsrede. Ein an einem Verkehrsunfall Beteiligter, der im Strafverfahren mangels Beweises freigesprochen worden war, verlangte vom Unfallgegner bzw. von dessen Witwe Ersatz der ihm im Strafverfahren entstandenen Verteidigerkosten als Folgeschaden seiner beim Unfall erlittenen Körperund Eigentumsverletzung. Der Bundesgerichtshof wies die Klage im Ergebnis zu Recht ab und begründete dies folgendermaßen: die Verteidigerkosten des Klägers seien ein reiner Vermögensschaden, der durch § 823 I BGB nur gedeckt würde, wenn er sich als Folgeschaden der Verletzung eines absoluten Rechts darstelle. Als solches käme hier nur die Körperverletzung und Eigentumsbeschädigung anläßlich des Unfalls in Betracht. Diese Anspruchsgrundlagen könnten jedoch nur die Wiederherstellungskosten und den entgangenen Arbeitsverdienst ergreifen, die unzweifelhaft innerhalb des Schutzzwecks des § 823 I BGB lägen. Das "jedermann treffende Risiko, in ein Strafverfahren verwickelt zu werden und deshalb Kosten für die Verteidigung aufbringen zu müssen, gehört (jedoch) nicht zu den Gefahren, die das Gesetz abwenden will, indem es in§ 823 I BGB die Unversehrtheit der Gesundheit und des Eigentums unter seinen Schutz stellt"81 • Dieser Normzweckgedanke paßt hier aber schon deshalb nicht, weil der geltend gemachte Anspruch bereits im Bereich der Kausalitätsprüfung scheitert. Die Einleitung des Strafverfahrens war bereits bedingt durch den Unfall als solchen, nicht erst durch die Körperverletzung des Angeklagten. Es wäre im übrigen auch einigermaßen widersinnig, anzunehmen, gegen den Angeklagten sei deshalb ein Verfahren eingeleitet worden, weil er selbst an Körper und Eigentum verletzt worden sei82 ! Der Bundesgerichtshof hätte den Normzweck hier also nicht bemühen müssen.

BGH 27, 137. Vgl. hierzu die Parallelentscheidung BGH 24, 263, die bereits - ohne die Normzwecktheorie beim Namen zu nennen- aufgrund normzweckähnlicher Gedanken ebenfalls zur Abweisung des Anspruchs aus § 823 I BGB kam. 82 Ähnlich die weitaus h. M., vgl. z. B. Rother, S. 22; J. G. Wolf, S. 14 f.; a. A. Deutsch, JuS 67, 155, weil sich das Verbot des§ 823 I BGB nach Deutschs' Lehre bereits gegen das Bevorstehen der Körperverletzung richtet und somit zeitgleich mit dem Unfall Relevanz erlangt. Deutsch verkennt aber, daß das Strafverfahren gegen den Angeklagten nicht wegen der von ihm selbst erlittenen Körperverletzung, sondern wegen des Vorwurfs der Unfallmitverursachung eingeleitet wurde. 80 81

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6. Kap.: Schadenshandlung und Normzweck

Auch die bekannte Stromkabelentscheidung beschäftigte sich mit dem Normzweck des § 823 I BGB83 • Bedauerlicherweise begnügte sich der Bundesgerichtshof jedoch mit wenigen, kaum ergiebigen Sätzen und brach den Gedanken schließlich sogar ohne irgendwelche ersichtliche Konsequenzen ab84 • Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß das Gericht den Normzweck hier nur als Introduktion seiner oben besprochenen bedenklichen Unmittelbarkeits-Ausführungen quasi mißbraucht hat. Wenig später stellte der Bundesgerichtshof85 klar, daß es der Schutzzweck des § 823 I BGB verbiete, den mittelbaren gegen den unmittelbaren Besitzer zu schützen, da insoweit der Inhalt der schuldrechtlichen Beziehungen allein ausschlaggebend sei. Im Kükenfall hat sich der Bundesgerichtshof86 erneut zur Normzwecklehre bekannt. Wenn auch der eingetretene Schaden nicht über dem durch den Stromausfall nur mittelbar geschädigten Gewerbebetrieb liquidiert werden könne, so gehe doch der Ersatz der zugrund€ gegangenen Küken als Eigentumsverletzung nicht über den Schutzzweck des§ 823 I BGB hinaus. Interessant ist eine Entscheidung aus jüngster Zeit87 • Bei einem Verkehrsunfall erlitt der Kläger, ein beamteter Schrankenwärter, u. a. eine leichte Gehirnerschütterung, bei deren Behandlung eine bereits seit langem vorhandene Gehirngefäß-Sklerose entdeckt wurde, die zur sofortigen vorzeitigen Pensionierung des Klägers führte. Dieser verlangte mit der Klage die Differenz zwischen seinen normalen Dienstbezügen und der Pension. Der Bundesgerichtshof wies die Klage ab: "Das Verbot der Körperverletzung soll nicht davon schützen, daß bis dahin verborgen gebliebene Erkrankungen entdeckt werden und dann zur Pensionierung führen. Insoweit sind durch den Unfall keine Gefahren verwirklicht worden, die das Gesetz verhüten will. Daß eine (bestehende) Krankheit erkannt wird, ist das Geschick, das jedem Menschen widerfahren kann. Es gehört zu den allgemeinen Lebensrisiken, fällt aber nicht in den Gefahrenbereich, den§ 823 I BGB schützen will." Weitnauer hält die Anwendung der Normzwecktheorie in diesem Fall nicht für angebracht, da die Entscheidungen richtigerweise auf den alten

BGH 29, 65, 69 f. Der holländische Hohe Rat (H. R. v. 14. 3. 58 N. J. 1961 Nr. 570) dagegen gelangte aufgrundder Normzwecktheorie in einem ähnlichen Fall (ein Düsenjäger streifte und zerstörte eine Hochspannungsleitung, die u. a. die Maschinen einer Weberei mit Strom versorgte) zur Anspruchsbejahung. Die Entscheidung beruhte allerdings auf der Generalklausel des Art. 1401 WB. ss BGH 32, 194. 86 BGH 41, 123; auch hier wurde m. E. die Normzwecktheorie ohne Grund bemüht, da es sich in diesem Fall nur um die in § 823 I BGB bereits klar entscheidene Frage nach dem verletzten Rechtsgut handelte. 87 BGH NJW 68, 2287 = JZ 69, 702 mit Anm. Huber, in JZ 69, 677 ff. 83 84

111. Die Normzwecktheorie in Literatur und Rechtsprechung

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Satz, daß zu Unrecht gemachter Gewinn nicht in Ansatz gebracht werden dürfe, zu gründen gewesen wäre88 • Dieser Einwand erweist sich als berechtigt. Zwar erscheint es auf den ersten Blick fraglich, ob der Gewinn wirklich "zu Unrecht" gemacht worden wäre. Der Beamte hatte wegen der Arteriosklerose zwar kein Recht, weiter aktiv zu bleiben; ohne Dazwischentreten des Unfalls hätte er seine Tätigkeit voraussichtlich aber weiterhin wie bisher ausgeübt und solange auch das reguläre Arbeitsentgelt erhalten. Andererseits darf aber nicht unberücksichtigt bleiben, daß er aus dem Beamtenverhältnis heraus verpflichtet war, jegliche ihm bekannte Gründe, die Auswirkungen auf seine weitere Verwendungsfähigkeit im aktiven Dienst haben könnten, unverzüglich seinem Dienstherrn bekanntzugeben. Hierzu zählt vornehmlich eine Gehirnerkrankung. Bei pflichtwidrigem Verschweigen einer solchen hätte er auch dann keinen Anspruch auf volles Gehalt gehabt, wenn er wie bisher seine Dienstgeschäfte weiter - u . U. sogar ordnungsgemäß und zufriedenstellend - versehen hätte. Dies ergibt sich einmal daraus, daß der Kläger in der Position eines Schrankenwärters eine latente Gefahr für die Umwelt dargestellt hätte, und zum anderen aus der Besonderheit des Beamtenrechts, daß der Beamte im Grunde nicht für seine ordnungsgemäße Dienstleistung selbst bezahlt, sondern daß er vielmehr vom Staat "alimentiert" wird89 • Im übrigen hätte dieser Fall vom Bundesgerichtshof bereits mit der Überlegung, daß der Unfall für die Pensionierung zwar conditio sine qua non war, aber keinerlei Gefahrerhöhung bewirkte, somit mit Adäquanzerwägungen, befriedigend entschieden werden können. Der Unfall ebnete nämlich lediglich einer ärztlichen Untersuchung den Weg, er steigerte somit die Gefahr der Krankheitserkennung, nicht aber erhöhte er die bereits voll gegebene Gefahr, wegen Dienstunfähigkeit jederzeit pensioniert zu werden90 • Für Normzweckerwägungen in der Gestalt des "allgemeinen Lebensrisikos" war mithin auch in diesem Fall kein Anlaß. Dennoch zeigen die zitierten Entscheidungen, daß der Normzweckgedanke in der modernen Rechtsprechung festen Fuß gefaßt hat, wenn auch die betreffenden Urteile oftmals auf andere Erwägungen hätten gestützt werden können. Nach Hauss- selbst Richter am Bundesgerichtshof91 wendet die Rechtsprechung die Normzwecktheorie heute sogar- wenn auch noch "konkludent" - schon in wesentlich größerem Umfang an als obige Beispiele vermuten lassen, so daß "in der Überschreitung des 88

Weitnauer, VersR 70, 585,592.

Die Alimentation stellt die Gegenleistung des Staates dafür dar, daß ihm der Beamte seine Arbeitskraft als solche zur Durchführung seiner hoheitlichen Aufgaben zur Verfügung stellt. 90 Vgl. hierzu auch oben 2. Kap. 111 6. 91 Hauss, Diskussionen des 43. DJT, C. 30. 89

152

6. Kap.: Schadenshandlung und Normzweck

Schutzbereichs der Norm wohl der eigentliche dogmatische Grund für die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs über Begrenzungen der Haftung für gewisse Neuroseschäden bei Körperverletzungen und für gewisse gewerbliche Ausfälle bei fahrlässiger Sachbeschädigung zu sehen sein" wird. IV. Der Standort der Normzwecktheorie im Schema des § 823 I BGB Die Berücksichtigung des Normzwecks muß sowohl im Rahmen der sog. haftungsbegründenden als auch der haftungsausfüllenden Kausalität erfolgen. Dementsprechend muß der Normzweck sowohl im objektiv·en Tatbestand des § 823 I BGB als auch beim Schadensumfang nach §§ 249 ff. BGB geprüft werden. In der Literatur wird diese Auffassung stark bekämpft. Eine Reihe von Autoren behauptet, daß der Normzweck nur im Bereich des Schadensumfangs eine Rolle spielen könne. Esser z. B.92 meint: "damit tritt der RWZ als letzter Zurechnungsfaktor zu den bereits behandelten Merkmalen hinzu: und zwar hinter die Haftungsvoraussetzungen der Tatbestandsmäßigkeit und der Rechtswidrigkeit (sowie) ... des Verschuldens ... " Alle jene Faktoren sind vorab zu prüfen. Erst bei ihrem Vorliegen ist Raum für die Frage nach dem RWZ. Münzberg 93 ergänzt, die Frage nach dem Sinn und Zweck der Norm setze die Rechtswidrigkeit bereits voraus, die gegenteilige Meinung führe zwangsläufig zu einer relativen Rechtswidrigkeit. Diesen Auffassungen hat sich jüngst auch Luer94 angeschlossen. Seine Kritik ist vorwiegend am Kükenurteil des BGH95 orientiert und insoweit nicht unberechtigt. Denn im Rahmen des objektiven Tatbestands des § 823 I BGB kann, wie oben ausgeführt, nur die Frage nach Art und Weise der Verletzungsverursachung mit Normzweckerwägungen beantwortet werden. Gerade diese Fragestellung aber spielte beim Bundesgerichtshof-Fall keine Rolle. Dennoch ist der Meinung der genannten Autoren nicht zu folgen: Sie verkennen sämtlich, daß der Normzwecktheorie im objektiven Tatbestand des § 823 I BGB die Aufgabe zufällt, das Spannungsverhältnis zwischen Erfolg und Handlung zu lösen und daß insoweit bereits im Tatbestand i. e. S. ein Zurechnungsproblem besteht. Den Normzweck erst nach Feststellung von Rechtswidrigkeit und Schuld zu prüfen, hieße, diese Zurechnungsproblematik zu verleugnen und zu übergehen. Das folgende Kapitel wird sich bevorzugt mit dem Inhalt des Normzwecks im Bereich der haftungsbegründenden Kausalität befassen und

9t

Esser, Lehrbuch I S. 312. Münzberg, S. 126 Anm. 251. Luer, S. 55 f.

95

BGH 41, 123.

92 93

V. Die Aufgabenstellung

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den- ganz anders gearteten- Normzweckinhalt der haftungsausfüllenden Kausalität nur in kurzen Zügen darstellen. Denn im Rahmen der Aufgabenstellung, die dogmatischen Grundlagen des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu untersuchen, spielt nur der erstgenannte Kausalitätsbereich eine Rolle. V. Die Aufgabenstellung Mit der letzten Bemerkung ist bereits der nunmehr noch zu behandelnde Aufgabenbereich umrissen. Mit dem bisherigen Ergebnis, daß die Normzwecktheorie auch in § 823 I BGB eine Rolle spiele, ist nämlich noch nichts Endgültiges gewonnen. Die Normzwecktheorie ist keine Zauberformel, sondern l·e diglich ein Arbeitsprogramm96 • Der Begriff "Normzweck" ist als solcher sicherlich nicht allzu aussagekräftig. Erbedarf vielmehr der Ausfüllung. Es muß somit ein der Aufgabenstellung einer jeden Norm, speziell des § 823 I BGB, "adäquater" Normzweckinhalt gefunden werden. Wie sogleich anband der unzutreffenden Bestimmung, die der Inhalt des Normzwecks in§ 823 I BGB durch v. Caemmerer erhalten hat- diese war hauptsächlicher Anlaß für viele Autoren, die Normzwecktheorie in Bausch und Bogen abzulehnen-, nachzuweisen sein wird, kann es keinesfalls richtig sein, den Normzweckinhalt des § 823 II BGB mehr oder minder unkritisch auf völlig anders strukturierte Haftungsnormen auszudehnen. Hermann Lange geht fehl, wenn er meint, der Schutz über§ 823 I BGB solle nicht weiter reichen als der über § 823 II BGB und diesem deshalb angepaßt werden97• Wenn dies richtig wäre, hätten wir nur noch formal Einzelhaftungsnormen, materiell aber eine einzige Generalklausel; derartiges widerspräche jedoch eindeutig den Intentionen des geltenden Gesetzes. So einfach kann die Problematik nicht gelöst werden; wir dürfen nicht § 823 I BGB durch Abs. II begrenzen, sondern müssen vielmehr unabhängig von diesem den Normzweckinhalt bestimmen, der allein den immanenten Grenzen des § 823 I BGB entspricht. Dieser Normzweckinhalt darf nicht nur speziell auf das Recht am Gewerbebetrieb zugeschnitten sein, da ansonsten der Einwand nahe läge und prima facie auch nicht unberechtigt wäre, daß hiermit lediglich die systemfremde "Unmittelbarkeit" des Bundesgerichtshofs durch eine ebenso ungerechtfertigte neue Haftungsbeschränkung ersetzt werden solle98 • Der festzustellende Normzweckinhalt muß vielmehr einheitlich 96

97

Vgl. Hermann Lange, DJT-Gutachten S. 45. Hermann Lange, DJT-Gutachten, S. 45.

98 Ein Argument, das in der Österreichischen Praxis insofern eine Stütze fände, als die dortigen Gerichte zwar terminologisch Unmittelbarkeit (jedoch nicht im Sinne des BGH) und Normzweck unterscheiden, in reinen Deliktsfällen aber diejenigen Eingriffe, die nicht mehr vom Normzweck gedeckt sind, als "mittelbar" bezeichnen; vgl. OHG Zeitschr. f. Verkehrsrecht 60, 39; Evidenzblatt 61, Nr. 480; Edelbacher, Forum 63, 31.

154

6. Kap.: Schadenshandlung und Normzweck

anband sowohl der "klassischen" als auch der "neuen" Rechtsgüter des § 823 I BGB - und weitgehend unabhängig von historischen Erwägungen99, die den heutigen sozialen Umständen nur noch bedingt gerecht werden können - entwickelt werden und muß auf beide Arten von Rechtsgütern, wenn auch mit quantitativen Unterschieden, anwendungsfähig sein100 •

So auch Larenz in der Diskussion des 43. DJT, C 51. Ein Beispiel für den Normzweck des § 823 I BGB auf dem Gebiet der Eigentumsverletzung findet sich bereits im geschriebenen Recht in Gestalt des § 906 BGB: hiernach müssen Nachbarn gewisse Beeinträchtigungen ihres Eigentums hinnehmen, ohne daß es sich bei diesen Eingriffen um bloße Gegenrechte i. S. von Rechtfertigungsgründen handelte. Vielmehr bestimmt § 906, daß derartige Beeinträchtigungen des Eigentums keine ein Rechtswidrigkeitsurteil begründende tatbestandsrelevante Verletzungen seien ; vgl. ähn99

100

lichErman- Hefermehl, § 1004 Anm. 10 a.

7. Kapitel

Der Inhalt des Normzwecks in§ 823 I BGB I. Die Lehre v. Caemmerers Die heute noch weitgehend gültige Inhaltsbestimmung des Normzwecks des § 823 I BGB wurde von v. Caemmerer konzipiert. Da es v. Caemmerer war, der als erster nach RabeZ im Deliktsrecht die Normzwecktheorie wieder als allgemeinen Gesichtspunkt nutzbar machte, werden seine Überlegungen oftmals als die Normzwecktheorie schlechthin verstanden; diese ungerechtfertigte Gleichsetzung des Normzweckgedankens als solchen mit dem ihm von v. Caemmerer unterlegten Inhalt hat, wie oben schon angedeutet, m. E. vor allem dazu beigetragen, daß sich gegen diese Theorie oft vorschnell und auf breiter Front erheblicher Widerspruch erhob.

v. Caemmerers Lehre läßt sich dahin zusammenfassen, daß der Haftpflichtige - mit Ausnahme der sog. unmittelbaren Handlungs-, Erfolgsbeziehungen- "nur für solche Tatfolgen haften solle, die "within the risk", d. h. .im Rahmen der pflichtwidrig herbeigeführten Gefährdung liegen" 1 • Im einzelnen meint v. Caemmerer, daß grundsätzlich zwischen unmittelbaren und nur pflichtwidrigen Eingriffen unterschieden werden müsse. "Unmittelbare" Eingriffe seien alle vorsätzlichen und außerdem solche, die final auf die Verwendung - Gebrauch, Nutzung und Verbrauch- von fremden Gütern bzw. auf die Ausübung fremder Befugnisse abzielten, sowie jegliche Verfügungen über ein fremdes Recht2• 3 • Allerdings müsse sich die Finalität nicht auf die Fremdheit der betreffenden Gegenstände beziehen4 • Naturgemäß könnten die Ietztv . Caemmerer, Rektoratsrede S. 407. Hieraus leitet Deutsch, Fahrlässigkeit S. 220 ab, daß sich nach v. Caemmerer der Zuweisungsgehalt eines Rechtsguts nur auf die Nutzung und Ver1

~

fügung beschränke, nicht aber das Haben selbst erfasse. - Es erscheint aber fraglich, ob v . Caemmerer den Zuweisungsgehalt oder nur den Rechtsschutz derart begrenzen wollte. 3 Wieder andere "Unmittelbarkeits"-Begriffe finden wir bei Stall, Deutsch u . Larenz, vgl. oben 2. Kap. III 5. 4 Nach Stall, AcP 162, 206 ist "die Hinlenkung des Handlungsgeschehens auf das verletzte Recht oder Rechtsgut (als solches angesprochen), ohne daß der Täter tatbestandsmäßig-final zu handeln braucht".

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7. Kap.: Der Inhalt des Normzwecks in§ 823 I BGB

genannten Arten unmittelbarer Eingriffe nur bei der Verletzung des Eigentums und anderer Herrschaftsrechte vorkommen, da man niemals fremde Lebensgüter wie Freiheit, Gesundheit usw. anderer für sich verwenden könne. In allen übrigen Fällen aber, also bei Handlungen, die nicht auf die Verwendung fremden Guts abzielen, sondern zwar andere Zwecke verfolgen - und insoweit sicherlich auch final seien5 aber fremdes Gut irgendwie gefährden und zu seiner Verletzung führen könnten, müsse § 823 I BGB als offener Tatbestand behandelt werden; es komme dann für das Rechtswidrigkeitsurteil darauf an, ob gegen Verhaltens- bzw. Sorgfaltspflichten verstoßen worden sei. Die Rechtswidrigkeit könne deshalb in diesen Fällen nicht indiziert, sondern müsse positiv geprüft werden6• 7 • Den Gedanken der Pflichtwidrigkeit als Voraussetzung des Rechtswidrigkeitsurteils in § 823 I BGB finden wir wenn auch nicht in so ausgeprägter Form - bei einigen anderen Autoren wieder. So meint z. B. Stoll8, der Grundsatz, daß die Zurechnung der haftungsbegründenden Rechtsgutsverletzung im Schutzzweck der vom Täter übertretenen Verhaltensnorm ihre Grenze findet, gelte nicht nur für§ 823 II BGB, sondern für alle Delikte9 , vornehmlich auch für die des § 823 I BGB10 • Und Münzberg 11 begründet seine diesbezügliche Entscheidung damit, daß gerade bei Fahrlässigkeitstaten oftmals keine eindeutige Einordnung der Erfolgsverursachung in Handlung oder Unterlassung erfolgen könne, und daß, wolle man das Ergebnis nicht der Willkür des Einordnenden überlassen, die Pflichtwidrigkeit bei jeder Fahrlässigkeitstat geprüft werden müsse. Auf dem Spezialgebiet der Haftung für unberechtigte Einleitung staatlicher Verfahren greift auch Hopt12 neuerdings auf Verhaltensnormen zurück und versucht, diesen Gedanken durch Entwicklung und Benennung zahlreicher Einzelbefehle zu konkretisieren. Gerade dieser Versuch jedoch macht eine Crux der Theorie besonders deutlich: je spezifizierter die "aufgefundenen" Verhaltensnormen werden, desto mehr wird ihre Trivialität und damit Überflüssigkeit, ihre mangelnde :; Was entgegen StolZ, AcP 162, 206 aber nichts mit finaler Handlungslehre zu tun hat. 6 V.gl. zum ganzen v. Caemmerer, Forum 61, 19 ff. 7 Dem schließt sich- unkritisch- Hopt, S. 229 ff., 231, an. 8 StolZ, Recht und Staat S. 15. 9 Manfred Wolf, NJW 67, 709 ff. wendet diesen Grundsatz auch auf § 826 BGBan. 1o Eindeutige Verfechter dieser Lehre sind auch Esser, Lehrbuch I S. 308 ff., sowie jüngst Schrauder, S. 167 ff. 11 Münzberg, S. 61 A 118 mit weiteren Nachweisen. 12 Hopt, Die Begrenzung der Haftung aus unberechtigter Verfahrenseinleitung, S. 243 ff.

I.

Die Lehre v. Caemmerers

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Abgrenzungsfähigkeit gegenüber dem bisherigen Rechtszustand, deutlich13. Erwähnenswert ist noch, daß Fikentscher neuerdings in den Verhaltensnormen den eigentlichen Kern der Problematik des Rechts am Gewerbebetrieb sieht. In Wahrheit gehe "es nicht um die Erhebung des Gewerbebetriebs zu einem absoluten Recht i. S . des § 823 I BGB, sondern der Sache nach um die Herausarbeitung von Verhaltenspflichten" 14 • Noch vor v. Caemmerers Freiburger Rektoratsrede hat Nipperdey 19401(1 und nochmals 195316 die Normzwecktheorie vertreten, 1940 allerdings nur de lege ferenda. Im Zeitungsstreik-Gutachten 1953 geht Nipperdey jedoch schon von der Maßgeblichkeit des Normzweckgedankens im geltenden Recht aus, wenn er meint: "§ 823 I BGB gewährt einen Anspruch auf Ersatz des Schadens, der durch die rechtswidrige und schuldhafte Verletzung bestimmter in ihm aufgezählter oder ähnlicher Rechtsgüter oder Rechte herbeigeführt worden ist. Allen diesen Rechtsgütern sind in der Bestimmung selbst enthaltene Rechtsnormen korrelativ, die ihren Schutz bezwecken. Rechtswidrig handelt, wer gegen eine solche durch die Rechtsordnung aufgestellte Verhaltenspflicht verstößt, die den Schutz des Geschädigten bezweckt. Es ist daher stets zu prüfen, ob die Rechtsnorm, aus deren Verletzung die Rechtswidrigkeit des Eingriffs gefolgert wird, gerade diese Rechtsgüter mit zu schützen bezweckt. Dieser allgemeine Grundsatz gilt nicht nur für § 823 II BGB ... Er gilt auch für§ 823 I BGB." Nipperdey bezieht sich zur Rechtfertigung seiner Meinung auf zwei Entscheidungen des Reichsgerichts 17 , deren letztere im Leitsatz lautet: "Es ist anerkanntes Recht, daß Abs. 2 des § 823 ebenso wie Abs. 1 nur demjenigen einen Schadensersatzanspruch gibt, dessen durch das verletzte Schutzgesetz geschützte Interessen unmittelbar beeinträchtigt sind." Die fast gleichlautende erstgenannte Entscheidung verweist ohne eigene Begründung ihrerseits auf 4 weitere Entscheidungen des Reichsgerichts18, von denen allerdings nur die erste einschlägig ist. In dieser Entscheidung im 73. Bd. findet sich nun zwar die Behauptung, daß nach § 823 I BGB nur hafte, wer gegen ein Schutzgesetz verstoßen habe; es handelt sich insoweit aber lediglich um einen eindeutigen und aus dem 13 Darüber hinaus fließen in diese Verhaltensnormen Rechtswidrigkeitsund Schuldbestandteile mit ein, wodurch der bisherige klare und leicht faßliche Aufbau zerstört wird ; vgl. zur Kritik Weitnauer, AcP 170,447. 14 Fikentscher, Festschrift für Kronstein, S. 261, 264, 275, 287; ähnlich auch Schrauder, S. 52 f. 15 Nipperdey, Grundfragen der Reform des Schadensersatzrechts, 1940 S. 14 ; vgl. auch Wahl, ebenda, S. 32 und 34. 16 Nipperdey, Rechtsgutachten zum Zeitungsstreik S. 29. 17 RG HRR 1929 Nr. 299; RG Dt. Recht 1940, 1779. 18 RG 73, 30, 32; 82, 189, 190; 92,401, 404; 97, 89.

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7. Kap.: Der Inhalt des Normzwecks in§ 823 I BGB

Kontext ohne weiteres ersichtlichen Druckfehler, dem Nipperdey sowie die beiden späteren HG-Entscheidungen "aufgesessen" sind. Die Textstelle lautet: "Vielmehr haftet, sofern es sich nicht um eine Verletzung der in § 823 I BGB bezeichneten Güter und Rechte handelt, der Täter grundsätzlich, von Einzelbestimmungen abgesehen, nach § 823 P 9 demjenigen, dem aus seiner Handlung ein Schaden entstanden ist, nur dann, wenn der Täter gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz schuldhaftverstoßen hat20." Der Meinung v. Caemmerers stehen erhebliche Bedenken entgegen, die sich schlagwortartig in 3 Hauptpunkten zusammenfassen lassen: Sie erfordert einmal die Aufstellung unzähliger Verhaltensnormen, deren Inhalt außerdem der freien Phantasie eines jeden Richters überlassen bleibt. Dies widerspricht dem gerade in § 823 I BGB besonders ausgeprägten Prinzip der Rechtssicherheit. Zum anderen wird§ 823 I BGB gerade auf seinem Hauptanwendungsgebiet, der Fahrlässigkeitstat, zum Abbild des Abs. II degradiert; und schließlich arbeitet die Theorie v. Caemmerers mit zwei verschiedenen Rechtswidrigkeitsbegriffen, widerspricht hiermit den rechtspolitischen Intentionen der Deliktsvorschriften im weiteren Sinne, was sich vorzüglich aus einer Gegenüberstellung der §§ 1004 und 854 BGB mit § 823 I BGB ergibt, und macht außerdem die Schuldfeststellung in§ 823 I BGB weitgehend überfl.üssig21 • § 823 I BGB verweist weder - anders als § 823 II BGB bezüglich der Schutzgesetze- auf bereits anderweitig fixierte Verhaltensnormen noch ergeben sich aus Entstehungsgeschichte und Wortlaut entsprechende Kriterien. Aus den genannten geschützten Rechts- und Lebensgütern läßt sich bestenfalls eine Verhaltensnorm allgemeiner Art entnehmen, daß nämlich jeder sich so zu verhalten habe, daß er diese Güter nicht verletzt22. "Jeder hat sich unter Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt um die Beachtung eines Verbots zu bemühen", meint insoweit Reinhardt23 • Die Hervorhebung der allgemeinen Pflicht eines jeden Rechtsgenossen, absolute Güter Dritter zu achten, ist jedoch nichts anderes als eine Neuformulierung des Normbefehls des § 823 I BGB und führt deshalb nicht weiter. Zusätzliche Kriterien der HaftungsbestimHier hätte es "Abs. 2" heißen müssen. Die weiter zum Beleg seiner Theorie von Nipperdey herangezogene Entscheidung BGH 7, 30 behandelt diesen Problernkreis überhaupt nicht! 21 a. A. Deutsch, JZ 71, 244, 247 a. E. 22 Dies erkennt v. Caemmerer, Forum 61, 20 selbst: "§ 823 I enthält ... nur das Gebot, die erforoerliche Sorgfalt anzuwenden, damit fremdes Eigentum nicht verletzt werde." Er übersieht aber, daß er hiermit eines der wesentlichsten Bedenken gegen seine Lehre selbst ins Gespräch bringt. Zu den denkbaren Normbefehlen einer Deliktsnorm vgl. Engisch, DJT-Festschrift S. 416 und unten S. 163. 2s Reinhardt, JZ 61, 717. 19

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mung, die nicht schon aus dem tatbestandliehen Schutz der einzelnen Rechtsgüter folgten, ergeben sich aus einer derart allgemeinen "Verhaltensnorm" nicht24 • v. Caemmerer müßte seine Handlungspflichten also ohne jede gesetzliche Rechtsschnur, quasi extra legem, entwickeln. Um der Vielfalt konkreter Vorfälle gerecht zu werden, wäre er nicht nur nicht gehindert, sondern geradezu angehalten, irgendeine für den speziellen einzelnen Fall maßgebliche Verhaltensnorm nach "billigem Ermessen" festzulegen. Dies würde letztlich eine unendliche Zahl von möglichen Verhaltensnormen nicht weiter v·erifizierbaren Inhalts bedingen25 , "das subjektive absolute Recht würde sich in einen Kreis fluktuierender Schutznormen auflösen" 26 • Der Pflichtgedanke v. Caemmerers ist also schon deshalb zurückzuweisen, weil er konkreterweise nur zur Aufstellung der allgemeinen Pflicht, die Rechtsgüter des § 823 I BGB zu achten, führen könnte. Sollte nach den Intentionen v . Caemmerers dennoch spezielle Verhaltenspflichten entwickelt werden, würde § 823 I BGB von einer unbestimmbaren Anzahl derselben überschwemmt werden, für deren Inhalt die Theorie selbst nicht mehr als eben die entsprechend globale Anweisung an den Richter zu leisten imstande wäre27 • Welche Beziehung zwischen Erfolg und Verhaltenspflicht bestehen müßte, um die Tatbestandsmäßigkeit zu bejahen, nach welchen Kriterien also der Richter vorgehen sollte, kann sie diesem nicht aufzeigen, da ihr selbst die entsprechenden weiteren Anhaltspunkte fehlen. Die Entscheidung bleibt dann im Ende dem billigen Ermessen des Richters vorbehalten, wie denn auch v. Caemmerer selbst erkannt hat: "Letzten Endes geht es ... um Zumutbarkeits- und Billligkeitsfragen. Diese sollen ... so (entschieden werden), daß jede Einzelentscheidung dazu beiträgt, die Abgrenzung zu verfeinern28." Gerade dem bezüglich§ 823 I BGB ureigensten Anliegen der Normzwecktheorie, das Spannungsverhältnis von Erfolg und Handlung zu lösen, wird v. Caemmerers Inhaltsbestimmung dieser Theorie nicht gerecht. Es bleibt nunmehr gerade wieder dem Richter überlassen, ohne jeden Anhaltspunkt "gerechte Entscheidungen" zu treffen. Hierfür aber benötigte man keine anspruchsvolle Normzwecktheorie, hierfür reichte es vielmehr, den§ 823 I BGB schlicht der Herrschaft des § 242 BGB zu unterstellen. So auch Luer, S. 97. So auch Weitnauer, AcP 170, 447. 26 Deutsch, Fahrlässigkeit S. 222. 27 Gleiches gilt übrigens auch für den speziell auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ausgerichteten Vorschlag Giesekes in GRUR 50, 310, die Problematik in den§ 823 II BGB zu verlagern und dort als Schutzgesetze die "allgemeinen Grundsätze, die unser soziales Leben beherrschen" gelten zu lassen. 28 v . Caemmerer, Rektoratsrede S. 409 Was nützt es, wenn sich v. Caemmerer im gleichen Atemzug gegen die "Kadijustiz" verwahrt? 24

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7. Kap.: Der Inhalt des Normzwecks in§ 823 I BGB

Im übrigen birgt die Lehre von den Verhaltenspflichten insoweit auch erhebliche Gefahren für die Rechtssicherheit. Die Feststellung der Verhaltensnorm und ihrer Verletzung obliegt dem Ermessen des Richters. Dem Rechtsuchenden wird hierdurch ein nicht zu unterschätzendes materielles wie auch Kostenrisiko aufgelastet. Im angelsächsischen Recht, das ebenfalls die Fragestellung kennt, ob das Verhalten des Schädigers gegen eine "duty" verstoßen habe, wiixl. deshalb eingewandt, der Richter werde die "duty" bejahen oder verneinen, je nachdem, ob ihm die Zuerkennung von Schadensersatz angemessen erscheine oder nicht. v. Caemmerer selbst erwähnt dieses Bedenken29 , das seine Theorie entscheidend trifft, wenn man sich vor Augen hält, daß gerade § 823 I BGB diejenige Deliktsnorm ist, die von der Aufgabenstellung her der Rechtssicherheit am meisten zu dienen verpflichtet ist. Er gibt diesem Bedenken sogar noch zusätzliche Nahrung, wenn er im nächsten Satz ausführt: "Es ist aus den praktischen Bedürfnissen des Rechtslebens und dem Gesamtzusammenhang der Rechtsordnung unter Abwägung der beteiligten Interessen zu entscheiden, ob das betroffene Interesse Schutz gegen das Verhalten des in Anspruch Genommenen verdient und ob diesem die Verantwortung, es zu wahren, aufgebürdet werden kann." Vergleicht man schließlich diese Bemerkung mit einer anderen, wenige Seiten zuvor 30 : "Neue Verhaltensnormen sind wertend herauszuarbeiten, um das, was als rechtswidrige Schädigung angesehen werden soll(!), näher zu konkretisieren", wird man wohl sagen können, daß v. Caemmerer mit derartigen Ausführungen seine Theorie nicht gerade praktikabler und damit überzeugender macht. Für die Fragestellung, ob das Verhalten des Schädigers gegen den Inhalt einer allgemeinen und ungeschriebenen Gebots- oder Verbotsnorm verstoßen hat, ist in § 823 I BGB kein Raum. Vielmehr degradiert sie diesen im Grunde zu einem Unterfall des§ 823 II BGB. Dieser Schluß drängt sich besonders bei der Betrachtung der Ausführungen Hubers 31 auf, der v. Caemmerers Theorie kurz so wiedergibt: "der Schädiger soll nicht einstehen für Schäden, die er zwar durch die Verletzung einer Verkehrspflicht verursacht hat, zu deren Abwendung die Verkehrspflicht aber nicht vorgesehen ist." Dies ist nichts anderes als die klassische Fragestellung des § 823 II BGB. Es sei an dieser Stelle nochmals auf die der Lehre v·. Caemmerers eng verwandte - wenn auch, wie oben nachgewiesen, unzutreffend belegte32 - Auffassung Nipperdeys in seinem Rechtsgutachten zum Zeitungsstreik hingewiesen, wonach es 29 30

a1

a2

v. Caemmerer, DJT-Festschrift S. 96. v. Caemmerer, DJT-Festschrift S. 91. Huber, JZ 69, 677,678. Vgl. oben S. 157 f.

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anerkanntes Recht sei, daß § 823 I BGB ebenso wie Abs. II nur demjenigen Schadensersatzansprüche gebe, dem zusätzlich zur Verletzung des absoluten Rechtsguts besondere, in Abs. I selbst enthaltene und dem jeweiligen Rechtsgut korrelative Schutzgesetze zur Seite stünden33 • Zwar sprechen v. Caemmerer und Huber nicht von Schutzgesetzen, sondern von Verhaltensnormen bzw. Verkehrspflichten. Inhalt einer Verhaltensnorm kann nun aber einmal nur ein - u. U. positiv nicht normiertes Schutz-" Gesetz" im weiteren Sinne sein. Hierbei muß berücksichtigt werden, daß der Begriff des "Schutzgesetzes" ebenfalls im Wandel begriffen ist und daß z. B. Gieseke bereits 195034 unter die Schutzgesetze i. S. des § 823 II BGB auch die "allgemeinen Grundsätze, die unser soziales Leben beherrschen", somit also die Verhaltensnormen, gezählt hat. Diese Auslegung geht noch um einiges weiter, als die Gleichsetzung von Verhaltensnorm und Schutzgesetz. Mag diese Auslegung des§ 823 II BGB auch zu erheblichen Bedenken Anlaß geben- festzuhalten ist jedenfalls, daß die Verhaltensnormen mit absoluten Rechtsgütern überhaupt nichts zu tun haben, sich aber von Schutzgesetzen bestenfalls graduell unterscheiden. Konsequent ist deshalb wenigstens Larenz, wenn er fordert, in Zukunft alle Fälle der Pflichtverletzung, mithin also auch die Fälle der Unterlassenshaftung, aus § 823 I BGB herauszunehmen und in§ 823 II BGB neu einzugliedern35• 36 • Nicht überzeugen kann jedoch der Rechtfertigungsversuch Miinzbergs 31 , der meint, "fahrlässige Taten sind entweder nur mit Mühe oder gar nicht ausschließlich in eine der beiden Kategorien Tun oder Unterlassen einzuordnen. Es mußte deshalb allmählich auffallen, daß es vernünftigerweise nicht von einer solchen fragwürdigen Einordnung abhängen durfte, ob allein der Eintritt des Erfolgs die Hechtswidrigkeit bestimmt oder ob dazu eine Pflichtverletzung notwendig ist". Abgesehen davon, daß im Gegensatz zu Münzbergs Behauptung wohl die Mehrzahl der Fahrlässigkeitstaten ohne größere Schwierigkeit entweder als Tun oder als Unterlassen qualifiziert werden kann, werden wohl auch die diesbezüglichen bedenklicheren Fälle zufriedensteHend in der einen oder anderen Richtung gelöst werden können, wenn man folgendes beachten

Nipperdey, GutachtenS. 29. Gieseke, GRUR 1950, 310. 35 Larenz, Festschrift für Dölle, S. 169 ff., 189; auf jeden Fall zu weit geht Larenz aber, wenn er meint, als Schutzgesetz käme auch die ungeschriebene Generalnorm in Frage, daß jeder sich im Verkehr so zu verhalten habe, daß er die Rechtsgüter anderer nicht über das im Verkehr als zulässig angesehene Maß hinaus gefährdet. 3G Larenz, Lehrbuch I S. 322 und Schickedanz, NJW 71, 916, 918 halten ebenfalls die Erweiterung des Normzwecks des § 823 II auf Abs. I für falsch, allerdings vor allem deshalb, weil ihrer - hier nicht geteilten - Ansicht nach der Normzweck in Abs. II haftungsbegründende Funktion habe, während er in Abs. I nur in der haftungsausfüllenden Kausalität beheimatet sei. 37 Münzberg, S. 60 A 118 mit weiteren Belegen für seine Ansicht. 33 34

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7. Kap.: Der Inhalt des Normzwecks in§ 823 I BGB

würde: Ausgangspunkt sei das altbekannte Beispiel des Schrankenwärters, der seine Schrank€n geöffnet hält; es kommt ein Zug und erfaßt einen gerade über die Gleise fahrenden Pkw. Ist das Offenhalten der Schranken nun Tun oder Unterlassen? Ein gemäß der conditio sine qua non verursachendes Tun liegt hier immer vor, weil irgendwann vor dem Unfall der Wärter die Schranke einmal geöffnet haben mußte; dennoch wird oftmals nur eine Unterlassungshaftung begründet sein. Die Unterscheidung hängt m. E. davon ab, ob der Täter seine frühere positive Handlung bereits in einer für fremde Rechtsgüter gefährlichen Situation oder noch in einer ungefährlichen Situation vorgenommen hat. Beim Schrankenwärter bedeutet dies, daß positives Tun vorliegt, wenn er die Schranken öffnet, obwohl sich bereits wieder ein Zug in kritischer Entfernung38 befindet; die prinzipiell bereits gefährliche Situation wird durch dieses positive Tun noch gefährlicher. Unterlassen läge dagegen vor, wenn der Wärter die Schranke öffnet, solange sich noch kein Zug in kritischer Entfernung befindet, denn hier ist noch keine gefährliche Situation existent, vielmehr tritt diese erst später bei neuerlichem Herannahen eines Zuges ein, weil der Wärter eben nicht handelt, die Schranke nicht wieder schließt. Positives Tun und Unterlassen lassen sich derart recht gut unterscheiden. Auch insoweit ergibt sich keine Rechtfertigung der Theorie von den Verhaltensnormen für alle fahrlässigen Handlungen in§ 823 I BGB. Gegen v. Caemmerer spricht weiterhin, daß er gezwungen ist, mit zwei verschiedenen Rechtswidrigkeitsbegriffen zu arbeiten. Im Bereich der sog. unmittelbaren Eingriffe, also des uti, frui, abuti, kommt es nach v. Caemmerer auf eine Sorgfaltspflichtverletzung deshalb nicht an, weil das Verhalten des Eingreifenden allein dem Rechtsgutsinhaber zustehe. Hier gilt somit offensichtlich, wie auch Wolf3 9 zutreffend bemerkt, in Wahrheit die herkömmliche tatbestandsbezogene Unrechtsbewertung, die einfache Indizierung der Rechtswidrigkeit. In allen übrigen Fällen jedoch verhindert das Erfordernis der Verletzung einer Verhaltensnorm die Rechtswidrigkeitsindizierung und verlangt somit eine positive Rechtswidrigkeitsprüfung, die schon wegen der Vielfalt der möglichen Verhaltensnormen und ihrer Verletzungsarten-gegenüber den wenigen, einfach strukturierten herkömmlichen Rechtfertigungsgründen eine notwendigerweise komplexere und differenziertere Rechtswidrigkeitssystematik als die bisher in § 823 I BGB übliche voraussetzt. Ob dies mit dem geltenden Recht vereinbar ist, ist zumindest sehr fraglich. Nach h. M. beinhaltet das Rechtswidrigkeitsurteil des§ 823 I BGB keinen 38 Die kritische Entfernung wird dem Wärter durch Signale in seine Kanzel gemeldet. 39 J. G. Wolf, S. 38.

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sittlichen Vorwurf gegen den Deliktstäter40 • 41 , weshalb es auch gefällt werden kann, wenn der Verursacher alle zurnutbaren Sorgfalt aufgewendet hat, wenn er also "verkehrsrichtig" gehandelt hat. Die Lehre v. Caemmerers hingegen verlangt für die Rechtswidrigkeit mittelbarer Verletzungen einen Verhaltenspflichtenverstoß. Es ist zuzugeben, daß ein derartiger Verstoß Gegenstand des Rechtswidrigkeitsurteils sein könnte, wie Engisch42 vor einiger Zeit gezeigt hat. Er stellte die möglichen Anforderungen der Rechtsordnung an den Bürger im Deliktsrecht zusammen und fand hierbei vor allem vier denkbare Imperative: a) werde nicht ursächlich für eine Rechtsverletzung I b) setze keine Bedingungen, die adäquat einen rechtsgutsverletzenden Erfolg herbeiführen können! c) halte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt ein! d) handle so sorgfältig, wie du nur irgend kannst! Engisch selbst entschied sich dafür, die Stufe der Adäquität in Richtung der verkehrserforderlichen Sorgfalt zu überschreiten, was für das Strafrecht durchaus richtig sein mag, weil es primär am menschlichen Verhalten orientiert sein muß 43 • Auf das zivilrechtliche Deliktsrecht können die für das Strafrecht gefundenen Prinzipien jedoch nicht o. w. angewendet werden. Im Vordergrund stehen hier vielmehr Interessenausgleich und Rechtsgüterschutz, nicht aber vernünftige Anforderungen an menschliches Handeln. Dies gilt ganz besonders im Rahmen des § 823 I BGB, weshalb schon die Motive anmerken, die Verletzung eines absoluten Rechts eines Dritten sei "zweifellos rechtswidrig" 44 • Deshalb kann in diesem Bereich die Anforderung der Rechtsordnung an den Handelnden höher sein als im Strafrecht und dahin gehen, daß er keine Bedingungen setzen solle, die adäquat einen rechtsgutsverletzenden Erfolg herbeiführen können, nach der hier vertretenen Meinung also, daß sein Verhalten nicht typisch gefährlich für eine Rechtsgutsverletzung sein dürfe. Lediglich als Korrektiv gegen unbillige Ergebnisse ist dann im Rahmen der Schuld nach den objektiven und subjektiven Sargfaltsanforderungen an den Verursacher in jedem konkreten Einzelfall zu fragen. Gerade die bloße Korrektivfunktion dieser Elemente des Schuldbereichs verkennt die Theorie von den Verhaltenspflichten aber. Die - tatbestandlieh vorgeschriebene - Schuldfeststellung wird außer40 Staudinger, Vorbem. 81 vor § 276; Larenz, I § 19; Weitnauer, Forum 61, 31 u. v. a.

41 Allerdings ist es auch nicht völlig wertfrei, sondern enthält m. E. eine gewisse Verwertung. 42 Engisch, DJT-Festschrift S. 416. 43

44

Engisch, S. 417 ff. Motive li S. 726.

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7. Kap.: Der Inhalt des Normzwecks in§ 823 I BGB

dem weitgehend überflüssig, denn es ist nur schwer einzusehen, daß mit dem Verstoß gegen eine allgemein verbindliche und bekannte Verhaltensnorm nicht regelmäßig gleichzeitig ein ausreichender Grad von Fahrlässigkeit i. S. des§ 276 BGB festgestellt sein sollte. Der Verhaltenspflichtverstoß ist zumindest die objektive Komponente der Fahrlässigkeit und somit Gegenstand des Schuldbereichs. Auch eine von Lorenz45 im Anschluß an Essser46 vorgenommene Differenzierung kann nicht überzeugen. Die genannten Autoren meinen, es käme für die Feststellung der Rechtswidrigkeit nur darauf an, was nach objektiver Notwendigkeit, so wie diese sich rückblickend dem Urteil darstellt, erforderlich war. Das Schuldurteil, für das ebenfalls ein normativer Maßstab anzulegen sei, vertrage demgegenüber nur eine situationsgebundene, aber deswegen noch nicht auf die individuelle Täterpersönlichkeit abstellende Beurteilung ex ante. Dagegen ist zu sagen: exakte Verhaltensnormen können, im Gegensatz zu den Schutzgesetzen, die auch außerhalb des § 823 II BGB und der von diesem erfaßten Geschehnisse ein vorbestimmtes Eigenleben führen, immer nur aus der konkreten Situation heraus - mithin ex ante - entwickelt werden, sollen sie nicht unverbindlich Gemeinplätze oder nachträgliche Besserwisserei bleiben47 • Trennt man die Verhaltensnormen von der Situation, wie sie sich vor dem Erfolgseintritt darstellt, beraubt man sie gleichzeitig ihres konkreten Inhalts und begründet damit wieder unverifizierbare Rechtssätze sowie eine uferlose Haftung. Zippelius sagt deshalb ganz richtig: Die Normen "müssen, wenn sie menschliches Verhalten sinnvoll regeln sollen, so beschaffen sein, daß sie einem Menschen im Augenblick seiner Handlung eine Richtschnur sein können" 48 • Mit ihrer Begründung können Esser und Lorenz deshalb der Theorie von der Kausaladäquanz weder zusätzlichen haftungsfreien Raum abgewinnen noch dem Wesen der - nur aus der konkreten Situation heraus verständlichen - Verhaltensnormen gerecht werden. Eine überzeugende Abgrenzung zwischen Verhaltensnormverletzung und Schuld wird daher nicht erreicht. Schließlich harmoniert die Theorie v. Caemmerers auch nicht mit den Vorschriften der §§ 1004 und 858 BGB. Beide Normen gewähren negatorische Ansprüche unabhängig vom Verschulden des Täters. Es geht daher nicht an, ein dem Verschulden so ähnliches Kriterium wie die Verhaltensnormverletzung für die Feststellung der Rechtswidrigkeit heranzuziehen, was v. Caemmerer und seine Anhänger folgerichtig tun

47

Lorenz, JZ 61, 433, 436. Esser, Lehrbuch S. 192, 195 und 200 ff. So auch Engisch, S. 419.

4B

Zippelius, S. 395.

4s

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müßten, um die Einheitlichkeit des Deliktsrechts zu wahren. Daß dies nicht möglich ist- was auch die genannten Autoren einsehen- zeigt bereits klar d€r Wortlaut der genannten Vorschriften, vornehmlich der des § 858 BGB, die eindeutig auf dem Boden der Erfolgsunrechtslehre stehen49 • Wenn Wiethölter 0 und vor allem Münzberg51 den Vorwurf der Inkonsequenz dadurch zu vermeiden suchen, daß sie das Erfolgsunrecht der§§ 858, 1004 BGB in "unterschiedlichen Normmaterien" und in "Rechtsfolge eines Sachverhalts, der dem Inhalt des Eigentums widerspricht" umformulieren, so kann dies nicht überzeugen. Im Grunde und insgeheim berufen sie sich aber- was tatsächlich den Vorwurf der Inkonsequenz und der Zerschlagung der Einheitlichkeit unseres Deliktsrechts zu entkräften geeignet wäre - darauf, daß den §§ 858 und 1004 BGB ein anderer Normzweckinhalt innewohnt als dem§ 823 I BGB; nur fehlt es bei ihnen an der notwendigen Bereitschaft, diesen Gesichtspunkt in der erforderlichen Klarheit herauszustellen. Nach alledem kann v. Caemmerers Normzweck-Inhaltslehre nicht überzeugen. Sie ist mit dem geltenden Gesetz nicht vereinbar52 • Ähnliches gilt für die vom Bundesgerichtshof53 begründete Lehre vom verkehrsrichtigen Verhalten, welche entweder in der Rechtswidrigkeit oder im objektiven Tatbestand54 eine Rolle spielen soll und die ebenfalls einen möglichen Normzweckinhalt darzustellen geeignet sein könnte. Diese nur aus § 831 BGB verständliche Lehre läßt sich zwar nicht mit der Polemik Lehmanns55 ad acta legen, daß "wir ... die Figur der erlaubten Tötung durch verkehrsrichtiges Verhalten (hätten)" 56, wenn So auch Wiethölter, Rechtfertigungsgrund S. 54. Wiethölter, S. 55. 51 Münzberg, S. 377 und 381. 52 Folgerichtig hat daher Nipperdey, NJW 67, 1985, 1994 den Gedankengang v. Caemmerers - beschränkt, allerdings auf APR und berufliche bzw. ge49

5o

werbliche Betätigung- als Inhalt eines neu zu schaffenden§ 825 BGB in einen Gesetzgebungsvorschlag verarbeitet: "Wer vorsätzlich oder fahrlässig einen anderen in sonstiger Weise in seiner Persönlichkeit oder in seiner beruflichen oder gewerblichen Betätigung widerrechtlich verletzt, ist ihm zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Widerrechtlich i. S. des Abs. 1 ist eine Handlung oder Unterlassung dann, wenn sie gegen eine Verhaltenspflicht verstößt ..." 53 BGH 24,21 ff. 54 Die Ausführungen des BGH sind insoweit nicht eindeutig, vgl. Wiethölter, Rechtfertigungsgrund S. 7. 55 Lehmann, Festschrift für Hedemann, S. 189. 56 Wussow, NJW 58, 892, meint sogar, daß dann wohl auch vorsätzliche Handlungen "verkehrsgerecht" genannt werden könnten und müßten. Hier wird jedoch übersehen, daß bei der vorsätzlich-finalen Herbeiführung eines Verletzungserfolgs die Berufung auf Verkehrsrichtigkeit regelmäßig versagt werden muß, es sei denn, es handle sich um notstandsähnliche Situationen. Wussow verkennt die Bedeutung des Vorsatzes; vgl. auch Wiethölter, Hechtfertigungsgrund S. 34 f. A 109.

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z. B. ein bei "Grün" angefahrenes Kfz einen völlig überraschend bei "Rot" die Straße überquerenden Fußgänger "erlegt" und man diesen Erfolg als nicht rechtswidrig einstufen wollte. Denn "erlaubte" Tötung i. S. einer echten Befugnis zum Töten liegt hier genausowenig vor wie in irgendeinem eindeutigen Notwehrfall: der Tötungserfolg als solcher wird hier von der Rechtsordnung lediglich deshalb in Kauf genommen, g·eduldet57 , weil die Handlung als solche positiv erlaubt war. Aber eindeutig verlegt diese Theorie die Schuldfeststellung vor, entweder in den objektiven Tatbestand oder in die Rechtswidrigkeit oder- als "positive" Rechtswidrigkeitsfeststellung - zwischen beide und macht somit das gesetzgeberisch festgelegte besondere Schuldmerkmal als drittes Glied der Tatbestandsverwirklichung überfl.üssig58• Die hier vertretene Auffassung geht zwar ebenso wie die Lehre v. Caemmerers grundsätzlich von der Voraussetzung aus, daß der objektive Tatbestand des§ 823 I BGB zusätzlicher, nicht im Wortlaut des Gesetzes angedeuteter Elemente bedarf, um die Deliktshaftung auch im heutigen Rechtsleben vernünftig im Griff zu halten und auf Sachverhalte zu beschränken, auf die das Rechtswidrigkeitsurteil überzeugend zutrifft. Der von v. Caemmerer eingeschlagene Weg, dieses Ergebnis über zusätzliche Verhaltensnormen zu erreichen, kann j·edoch nicht zum Ziel führen, weil er im wesentlichen nichts anderes macht als Teile des Schuldbereichs in den objektiven Tatbestand vorzuverlegen. Richtiger ist dagegen, in den objektiven Tatbestand zusätzliche, ihrerseits streng objektive Elemente einzufügen, solche also, die zwar an der Schädigungshandlung ansetzen, im Gegensatz zu den subjektivistisch gefärbten Verhaltensnormen jedoch nur die objektive Beschaffenheit des verursachenden Ereignisses ohne Berücksichtigung der an den individuellen Verursacher selbst zu stellenden Anforderungen in Rechnung stellen58• Dies soll im III. Abschnitt dieses Kapitels im einzelnen dargelegt werden.

Il. DerNormzweck bei Folgeschäden und negatorischen Ansprüchen Bevor die eigene Ansicht zum Inhalt des Normzwecks im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität des § 823 I BGB dargelegt wird, 57 So auch Münzberg, S. 330 A 658: Wie der Erfolgsunwert durch einen Rechtfertigungsgrund aufgehoben werden kann, ist mir unverständlich. Sogar bei Notwehr ist und bleibt der Tod des Angreifers ein Unwert. Die Rechtsordnung (nimmt jedoch) auf den Erfolgsunwert der Verletzung des Angreifers wegen der Rechtswidrigkeit des Angriffs keine Rücksicht. ss a. A. Wiethölter, S. 24 ff. 59 Ein bereits im Gesetz benanntes Beispiel für diese objektive Beschaffenheit des verursachenden Ereignisses finden wir in den Bestimmungen des Nachbarrechts (§ 906 BGB).

li. Der Normzweck bei Folgeschäden und negatorischen Ansprüchen

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soll der Vollständigkeit halber auf 2 Punkte eingegangen werden, von denen der erstere in der Literatur ausdrücklich und häufig, der letztere dagegen meist nur im Gewande von Rechtfertigungsversuchen der Erfolgsunrechtslehre diskutiert wird.

1. Der Normzweck bei Folgeschäden Im Rahmen des§ 823 I BGB ist die Normzwecktheorie bei zwei Punkten von Bedeutung: bei der sog. haftungsbegründenden Kausalität, also im Tatbestand im engeren Sinne, und bei der haftungsausfüllenden Kausalität, beim Schadensumfang also. Meist wird nur der Normzweck der haftungsausfüllenden Kausalität behandelt, teilweise sogar wird dieser Teilbereich als einzig relevanter angesehen80 • Im Rahmen der vorliegenden Arbeit ist jedoch nur der Normzweck im Bereich der haftungsbegründenden Kausalität von Bedeutung. Wenn hier dennoch auf den zweiten Anwendungsbereich kurz eingegangen wird, dann nur, um zu zeigen, daß sich die Inhalte des jeweiligen Normzwecks erheblich voneinander unterscheiden.

Esser und mit ihm die meisten Befürworter der Normzwecktheorie wollen die bisher gebräuchliche Unmenge von Folgeschäden durch Anwendung der Formel v. Caemmerers begrenzen. Einen anderen Weg beschritt der Bundesgerichtshof in verschiedenen Entscheidungen. Anstelle der Verhaltensnormen als Normzweckinhalt verwendete er als Inhaltsbestimmung die sog. Gefahrbereichstheorie61 , nach der der Schädiger nicht für Schadensfolgen haftet, die ihrerseits lediglich die Verwirklichung eines allgemeinen Lebensrisikos darstellen, sondern nur für solche Schadenskomplexe, die auf das seiner Handlung immanente besondere Risiko zurückzuführen sind82 • Beide Ansichten können jedoch im Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität nicht überzeugen. Solange nicht nur rechtspolitisch argumentiert wird, sondern die Ausrichtung am geltenden Gesetz erfolgt, kommt man nämlich über § 249 BGB nicht hinweg. § 249 BGB beinhaltet m. E. eine klare Bestimmung des Normzweckinhalts bei Folgeschäden. Der Gesetzgeber hat hier eine positive Entscheidung getroffen, an die wir vorerst ohne weiteres gebunden sind: hat jemand eine tatbestandliehe Schädigung verwirklicht und sind die sonstigen Haftungsvoraussetzungen ebenfalls gegeben, so muß er für alle sich hieraus ergebenden, auch entfernteren, KonseSo z. B. Esser, Lehrbuch I S. 308 ff. Der Ausdruck selbst stammt allerdings von Huber, JZ 69, 677, 682; die Rechtsprechung spricht von "allgemeinem und besonderem Lebensrisiko". 62 Vgl. z. B. BGH JZ 69, 702 ff. (vorzeitige Pensionierung) und BGH 27, 137 (Verteidigerkosten) sowie BGH NJW 71, 1982; ähnlich auch Hermann Lange, DJT-Gutachten S. 51 sowie Luer, S. 125. 60

6l

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7. Kap.: Der Inhalt des Normzwecks in§ 823 I BGB

quenzen haften63 • Er "muß sich in dieser Beziehung Überraschungen gefallen lassen", bemerken diesbezüglich die Protokolle64 • § 249 BGB ist einer weiteren Auslegung durch die Normzwecktheorie nicht mehr fähig. Erinnern wir uns an die oben genannten drei möglichen Fragestellungen der Normzwecktheorie: welches ist das geschützte Rechtsgut, wer ist geschützter Geschädigter und auf welche Art und W€ise ist die Schädigung zustande gekommen, so ergibt sich folgendes: Frage 1 und 2 werden durch § 249 BGB klar beantwortet, Frage 3, bei der die hier bekämpften Ansichten ansetzen, zwar nicht; aber: ist diese 3. Fragestellung hier überhaupt möglich und zulässig? Sie wär·e es nur, wenn auch bei § 249 BGB die Schädigungshandlung noch eine irgendwie geartete Rolle spielen würde, wenn ein Spannungsverhältnis zwischen Erfolg und Handlung vorläge. Es dürfte jedoch unbestritten sein, daß die Handlung sich nur auf die Verursachung des primären Erfolgs beziehen muß. Was danach kommt, sind deliktsrechtlich bloße handlungsabhängige Kausalvorgänge, selbst wenn sie im Einzelfall vorgeplant worden sein sollten; dies ergibt sich im übrigen bereits aus der allgemein anerkannten Prüfungsabfolge: der Schadensumfang wird als 4. Glied, nach Feststellung von Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuld, geprüft. Diese Tatbestandsmerkmale sind nur erheblich bezüglich des primären Schadenserfolgs. Ein positiv rechtlicher Ansatzpunkt, bestimmte entferntere Schadensfolgen wie etwa Vermögensschäden insoweit nochmals - z. B. hinsichtlich eines speziell auf sie bezogenen Verschuldens - zu überprüfen, ist nicht ersichtlich. Geht man hiervon aus, zeigt sich, wie zweifelhaft die Fragestellung nach einer - mit dem Schuldbereich verwandten - Verhaltenspflichtverletzung in diesem Bereich ist. Lediglich in Extremfällen sind u. U. aus Billigkeitsgründen Ausnahmen zu machen, jedoch keinesfalls in größerem Maße als bisher unter der Herrschaft der Adäquanztheorie65• 6 a. Instruktiv hierfür eine Entscheidung des OLG Köln in VersR 71, 574. Protokolle I S. 292 (II. Kommission). Diese Bemerkung fiel zwar im Rahmen des Vertragsschadensrechts, gilt aber ohne weiteres auch bei Delikt. 65 Ähnlich ist wohl auch RabeZ, S. 498 f. zu verstehen. 66 StoH, Staat und Recht Heft 364- 365, S. 30 ff. meint außerdem, daß man für die Einschränkung des Ersatzes von Folgeschäden nicht immer - und m. E. im Widerspruch zu § 249 BGB - auf Normzweck, Billigkeit usw. zurückgreifen müsse, sondern daß es auch etliche Konstellationen gäbe, in denen Schäden zwar durch ein Kausalband oberflächlich verbunden seien, sie aber dennoch keine echten Folgeschäden darstellten. Oft handle es sich um zwei selbständige Erfolge einer Tat desselben Täters bei demselben Opfer. Dies ist nicht von der Hand zu weisen, wenn man z. B. an einen Schuß in ein Fenster denkt, aufgrund dessen sich der die Splitter beseitigende Hauseigentümer an den Scherben schneidet. Hier scheint es in der Tat richtiger, die Körperverletzung auch als 2. Primärverletzung, nicht nur als bloßen Folgeschaden der Eigentumsverletzung aufzufassen. Man sollte jedoch in derartigen Fällen, in denen ein ,.Folgeschaden" gleichzeitig die Verletzung eines anderen absoluten Rechts darstellt, es dem Geschädigten überlassen, durch 63

64

Il. Der Normzweck bei Folgeschäden und negatorischen Ansprüchen

169

Zum gleichen Ergebnis wie hier gelangt Stoll67 : "Während bei der objektiven Zurechnung der Erstverletzungen der jeweilige Zweck der verletzten Verhaltensnorm eine entscheidende Rolle spielt, bemißt sich die Zurechnung der Folgeverletzungen nach der gleichförmigen Ausgleichsnormdes § 249 BGB". 2. Der Normzweck der§§ 858,1004 BGB Der zweite hier zu behandelnde Punkt ist der Normzweckinhalt derjenigen Normen, die wie § 858 und 1004 BGB positiv-rechtlich keine Schuld voraussetzen, um die Rechtsfolge eintreten zu lassen. Vor allem § 1004 dient den Vertretern der Erfolgsunrechtslehre68 als Argument gegen jeglichen Versuch, dem Handlungselement in§ 823 I BGB größeren Raum zu gewähren. Hierzu wurde oben schon Stellung genommen und gezeigt, daß diese Ansicht auf der Verwechslung des "Was" und des "Wie" der Handlung beruht; nur letzteres hat mit der Schuldfrage zu tun. Da aber auch die vorliegende Arbeit von der Prämisse der einheitlichen Konstruktion der Schadensersatznormen und negatorischen Deliktsnormen ausgeht, bleibt hier noch die Bedeutung der Normzwecktheorie für§§ 858, 1004 BGB nachzutragen. § 823 I BGB hat u. a. die Aufgabe, eingetretene Schäden zu überwälzen, § 1004 BGB dagegen will deren Eintritt bzw. ihr Fortwirken verhindern. Es liegt auf der Hand, daß der handelnde Störer sich im Fall des § 1004 BGB nur in ungleich geringerem Maße auf seine allgemeine Handlungsfreiheit berufen darf als im ersten Fall. Niemand kann ohne Not ein anerkennenswertes Interesse daran haben, einem anderen zu schaden bzw. Störungen fortdauern zu lassen, solange es noch an ihm liegt, den Schaden abzuwenden, es sei denn, daß ihm ein echter Rechtfertigungsgrund bzw. eine Duldungspflicht des Betroffenen zur Seite steht. Dies bedeutet, daß zwar auch in Auswechslung der Begründung "2. Rechtsgutsverletzung" durch "Folgeschaden", z. B. aus Gründen der Beweisführung, die für ihn günstigste Möglichkeit zu wählen. Wichtig kann dies vor allem sein, wenn die 1. Primärverletzung verschuldet ist, die 2. dagegen nicht, vgl. den Fall RG 148, 154 ff. Dies gilt auch im Fall der eifersüchtigen Ehefrau, die der Sekretärin ihres Ehemanns verbietet, die eheliche Wohnung nochmals zu betreten, weil sie mit ihm ein Verhältnis unterhalte und hierdurch einen folgeschweren (Selbstmordversuch) Nervenzusammenbruch der Sekretärin bewirkt, vgl. Hopt, S. 220. Der Nervenzusammenbruch stellt sich als selbständige Gesundheitsbeschädigung dar; es ist nicht notwendig, den hieraus entstehenden Schaden nur als Folgeschaden der Ehrverletzung mitliquidieren zu lassen - schon wegen der noch nicht endgültig ausgetragenen Zweifelsfragen im Bereich des Schmerzensgeldes bei Ehrverletzungen empfiehlt sich dies nicht -, sondern die - fahrlässige - Gesundheitsbeschädigung als eigenständige Anspruchsgrundlage anzunehmen und aus dieser zu verurteilen. Die Ehrverletzung ist dann lediglich Kausalstation der Gesundheitsbeschädigung. 67 StoH, Festschrift für Dölle I S. 397. 68 z. B. Baur, AcP 160, 470 f. und 482; StoH, JZ 58, 139 ff.

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7. Kap.: Der Inhalt des Normzwecks in§ 823 I BGB

§ 1004 die Normzwecktheorie eine maßgebliche Rolle spielt, daß sie sich aber hier ausnahmsweise nicht haftungsbeschränkend auswirken kann. Es geht hier allein und ausschließlich um den Schutz des angegriffenen Rechtsguts~9 , hinter den die eventuellen Interessen des Angreifers an der (weiteren) Durchführung der Beeinträchtigung weitgehend zurücktreten müssen70 • Dies ergibt sich schon daraus, daß der Störer im Falle der (vorbeugenden) Unterlassungsklage spätestens dann, wenn er auf Unterlassung in Anspruch genommen wird, weiß, daß er Rechtsgüter eines anderen verletzt. Kommt er dem Verlangen nach Unterlassung (weiterer) Störungen nicht nach, verletzt er nunmehr final und somit auf jeden Fall in tatbestandsrelevanter Weise71 • Allenfalls im Bereich der Duldungspflicht ist dann die Frage aufzuwerfen, ob sich der Störer in Einzelfällen aufgrund besonderer Interessenverteilung einmal darauf beschränken darf, den Verletzungsakt noch auszuführen und die daraufhin eingetretene Störung später nur zu beseitigen. Zu denken wäre hier an den Fall, ob ein Zeitungsverleger eine kurz vor der Auslieferung stehende Tageszeitung wegen einer gerade noch festgestellten leichten ehrkränkenden oder unwahren Behauptung die ganze Auflagetrotz des großen Verlustes zurückhalten muß oder ob er ausliefern darf und es ausreicht, am nächsten Tag einen förmlichen Widerruf einzurücken. Es ergibt sich somit, daß die Normzwecktheorie sowohl für§ 823 I BGB wie auch für die negatorischen Deliktsvorschriften gilt und daß sich nur aus der jeweiligen verschiedenen Aufgabenstellung heraus zwangsläufige Differenzierungen ergeben. Die einheitliche Konstruktion des gesamten Normenkomplexes aber bleibt gewahrt.

m. Das Prinzip der typischen Gefahr als Inhalt des Normzwecks des§ 823 I BGB 1. Begriffsbestimmung

Das Verdienst, erstmals auf die "typische Gefahr" als maßgeblichen Normzweckinhalt des § 823 I BGB hingewiesen zu haben, gebührt J. G. Wolj72 • Wolf meint, eine Rechtsgutsverletzung sei widerrechtlich, wenn der Erfolgseintritt eine Gefährdung realisiere, die typisch mit dem ursächlichen Verhalten verbunden ist73 • Es wird sich zeigen, daß dieser 69

1o 11 72

1a

So auch Mii.nzberg, S. 377. Vgl. auch RG 60, 6. Vgl. hierzu unten genauer 7. Kap. IV.

J . G. Wolf, S. 38 ff. J . G. Wolf, S. 38 f.

111. Typische Gefahr

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Gedanke, entsprechend konkretisiert und in den einzelnen Voraussetzungen fixiert, tatsächlich das maßgebende Haftungseinschränkungskriterium des§ 823 I BGB abzugeben imstande ist. Vorweg soll das Merkmal "typisch" bestimmt werden. Mit typischer Gefahr ist nicht irgendeine Gefahrerhöhung, also z. B. eine lediglich landläufige oder eine besonders schwere Gefährdung gemeint. Vielmehr ist eine Verursachungshandlung dann typisch gefährlich im hier vertretenen Sinne, wenn die Gefahrerhöhung generell besonders gesteigert74 ist und der Eintritt des Verletzungserfolgs deshalb, ex ante betrachtet, besonders naheliege 5 • Nur ein derartiger Eingriff ist tatbestandsrelevant, d. h. erfüllt den objektiven Tatbestand des § 823 I BGB. Es kommt hierbei allein auf die objektive Beschaffenheit des verursachenden Ereignisses an, unabhängig von irgendeiner dabei etwa mitspielenden Schuld oder sonstigen Vorwerfbarkeit des Handelnden76 . Als Beispiel dafür, daß es nur auf die objektive typische Gefährdungstendenz des verursachenden Ereignisses ankommt, mag der Fall dienen, daß Arbeiter eines Abräumkommandos beim Beseitigen eines - sei es durch höhere Gewalt oder durch menschliche Verursachung - auf die Straße gestürzten Baums auf dieser wegen Regenglätte zu Fall kommen und sich verletzen. Die Körperverletzung wäre - im Gegensatz z. B. zu der Körperverletzung und Eigentumsbeschädigung von mit dem Hindernis kollidierenden Autofahrern oder zu den Schürfwunden der den Baum beseitigenden Arbeiter - keine typische Folge des Umstürzens eines Baumes, denn ein derartiges Ereignis weist generell keine besondere Tendenz auf, Verletzungen durch Ausrutschen beim Abtrausport zu verursachen77 • 74 Auch die Adäquanztheorie in ihrer ursprünglichen Form verlangt eine Gefahrerhöhung, vgl. genauer unten 7. Kap. V; wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Theorien ist deshalb der Grad der Gefährdung der bei der Adäquanzbetrachtung "nicht unerheblich" (Weitnauer, Ehrenrettung S. 341), bei der hier vertretenen Meinung dagegen "besonders gesteigert" sein muß. 75 So ist z. B. ein Feuerwerk in aller Regel harmlos. Verursacht es aber dennoch einmal eine Körper- oder Eigentumsbeschädigung, ist der Schluß, das Abbrennen von Feuerwerk sei insoweit typisch gefährlich, sicher nicht zu umgehen. Gleiches gilt für Impfschäden, deren Quote zwar äußerst gering ist; dennoch stellen Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Nebenwirkungen der Impfung die Verwirklichung einer typisch mit dieser verbundenen Gefahr dar. 76 Ein bereits im Gesetz benanntes Beispiel für diese objektive Beschaffenheit finden wir in den Bestimmungen des Nachbarrechts (§ 906 BGB). 77 Die Adäquanztheorie in der heute weithin üblichen verwaschenen Form müßte hier wohl tatbestandserfüllendes Verhalten dessen, der für das Umstürzen des Baumes verantwortlich war, bejahen, weil Ausrutschen beim Abtrausport des Hindernisses sicherlich "nicht außerhalb aller Wahrscheinlichkeit" liegt. Die ursprüngliche Bedeutung des Adäquanzkriteriums bei v. Kries allerdings (vgl. hierzu unten 7. Kap. V) könnte zum gleichen Ergebnis wie die hier vertretene Ansicht führen.

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7. Kap.: Der Inhalt des Normzwecks in§ 823 I BGB

2. Die LehreJ. G. Wolfs Bedauerlicherweise sind die Erläuterungen, die der Entdecker des Prinzips der typischen Gefahr, J. G. Wolf gibt, zum einen unvollständig und zum anderen Teil nicht allzu überzeugend, so daß die Literatur bislang auch über den beachtenswerten Kerngedanken ohne viel Aufhebens hinweggegangen ist. Wolf sind vor allem folgende Punkte vorzuwerfen: Einmal hat er es verabsäumt, überzeugend darzulegen, daß das Prinzip der typischen Gefahr als Normzweckinhalt des § 823 I BGB ein allgemeines, sowohl auf die geschriebenen wie ungeschriebenen Rechts- und Lebensgüter des § 823 I BGB anwendbares Prinzip ist. Er unterschätzt im Gegenteil die Kraft des selbstgefundenen Kriteriums, wenn er sogar meint78 , daß die dem Prinzip der typischen Gefahr widerstreitende Auffassung v. Caemmerers, die auf eine Interessenbewertung hinauslaufe, doch "notwendig und legitim" gegenüber den unklassischen Rechtsgütern des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Rechtsam Gewerbebetrieb bleibe; damit verhindert er die durch seine Theorie eröffnete einheitliche dogmatische Behandlung aller dem § 823 I BGB unterfallenden Rechtsgüter. Zum anderen beweist er seine Theorie damit, daß "wirklich diese Grenze auch in keinem der Fälle, in denen die Gerichte die Adäquanz des Ursachenzusammenhangs verneint haben, erreicht (worden sei)" 79 • Sicher ist dem so. Aber es versteht sich von selbst, daß nichtadäquate Eingriffe gleichzeitig auch nicht typisch gefährlich sind, weil die Adäquanztheorie eben ein geringeres Maß von Gefahrerhöhung verlangt. Umgekehrt sind aber zahlreiche Fälle denkbar, in denen die Haftung nur unter Zuhilfenahme der weiteren, also weniger haftungseinschränkenden Adäquanztheorie begründet werden könnte. Es ist deshalb weder sinnvoll noch überzeugend, das engere Haftungsbeschränkungselement der typischen Gefahr mit Entscheidungen zu begründen, die im Rahmen der weiteren Adäquanztheorie ergangen sind. Weiter überrascht, wenn Wolf, der seine Theorie immerhin im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität entwickelt, schließlich feststellt, sie habe hier dennoch nur akademischen Wert, "weil ... das Zurechnungs- vom Verschuldens-Urteil gleichsam aufgeschluckt wird" 80 , sei aber dafür auf dem Gebiet der Folgeschäden von eminenter Bedeutung81. Gerade bei der Zurechnung von Folgeschäden ist wegen der

78 79

80 81

J . G . Wolf, S. 40. J. G. Wolf, S. 40. J . G. Wolf, S. 44. J. G. Wolf, S. 45.

III. Typische Gefahr

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klaren Normaussage des § 249 BGB kein Raum für eine derart weite Haftungsfolgeneinschränkung, wie sie die Theorie von der typischen Gefahr notwendig mit sich brächte. Endlich ist Wolf vorzuhalten, daß er sich mit kaum einer Zeile um nähere Begründung und um die Untersuchung der Erfordernisse der praktischen Handhabung seiner Lehre bemüht. Denn nur solche Untersuchungen können eine Theorie verifizieren; ohne sie bliebe sie Axiom, und mithin, überspitzt formuliert, eine Glaubensfrage vorwiegend ihres Erfinders. Der "typischen Gefährlichkeit" nach Wolf ständen, legt man die Voraussetzung nicht klar und in der vom § 823 I BGB erforderten leicht erfaßbaren Form fest, ähnliche Bedenken entgegen, wie sie oben gegen v. Caemmerers Theorie vorgetragen worden sind: nämlich es sei lediglich ein neuerlicher generalklauselartiger Einschränkungsversuch neben anderen, der, weil ohne genauere Anhaltspunkte, jeglicher individuellen Auslegung offensteht und damit Gefahr läuft, in unkontrollierbare Billigkeitserwägungen auszuufern. Indes treffen solche Bedenken nicht zu, wenn die im folgenden dargestellten Richtlinien beachtet werden.

3. Wertende Auswahl der näheren Handlungsumstände Wenn auch die festzustellende Typizität der Gefährlichkeit der Verletzungshandlung nur eine generelle sein muß, so müssen doch die konkrete Handlung, die bewertet werden soll, sowie die äußeren Umstände, in deren Rahmen sie eingebettet ist, auf das genaueste erforscht und festgestellt werden. Es reicht z. B. nicht aus, nur festzustellen, daß Jäger oder Soldaten geschossen haben mit der Folge, daß ein hierdurch irritierter Autofahrer aufgrund einer durch die Schüsse ausgelösten Fehlreaktion sich oder andere verletzt habe. Denn das Schießen in Feld und Wald ist isoliert betrachtet nicht typisch gefährlich für Autofahrer, wohl aber dann, wenn es in unmittelbarer Nähe einer Landstraße stattfindet. Das Aufbaggern des Bodens ist als solches nicht typisch gefährlich für fremdes Eigentum oder für einen fremden Gewerbebetrieb; es sieht aber schon anders aus, wenn z. B. in einer Stadt, unter deren Straßen üblicherweise Versorgungsleitungen liegen, oder wenn gar auf dem Grundstück eines Betriebs o. ä. oder in dessen unmittelbarer Nähe gebaggert wird82 • Denn gerade die räumliche Nähe der Schadensursache zum gefährdeten Gegenstand kann ausschlaggebend sein für die richterliche Wertung, daß die Verursachungshandlung hier tatsächlich zu einem solchen Erfolg geführt hat, wie er bereits in der generellen besonders gesteigerten Gefährdungstendenz dieser Handlung in der konkreten Situ82 Ahnliehe Untersuchungen sind z. B. auch anzustellen, wenn durch Dammbrüche einer Mühle das Betriebswasser entzogen wird.

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7. Kap.: Der Inhalt des Normzwecks in§ 823 I BGB

ation, ex ante gesehen, angelegt war. Richtig betont deshalb das Oberlandesgericht München83 , daß gerade die nahe räumliche Beziehung von Stromkabel und Betrieb "ein besonderer Umstand" sei, der es rechtfertige, den Kabelbeschädiger für die Gewerbebetriebsverletzung haften zulassen. Wesentlich ist z. B. auch, ob ein betriebswichtiger Arbeitnehmer etwa ein "unersetzlicher" leitender Angestellter- während der erkennbaren Ausübung seiner beruflichen Aufgaben verletzt wird und seinem Betrieb derart für einige Zeit verloren geht, oder ob er in seinem Auto während der Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr zu Schaden kommt. Denn im letzteren Fall wird die Behauptung, das Verhalten des schuldigen anderen Verkehrsteilnehmers sei typisch gefährlich für die Arbeitsfähigkeit eines Gewerbebetriebs gewesen, schwerlich überzeugend begründet werden können. Von hierher rechtfertigt sich deshalb ein Urteil des OLG Celle84, das die Haftung für Schäden abgelehnt hatte, die einer oHG aus der Verletzung eines geschäftsführenden Gesellschafters bei einem Verkehrsunfall entstanden waren. Derartige Umstände konkretisieren die Handlung und müssen somit in die Handlungsbeschreibung aufgenommen werden. Eine Handlung kann mit ihrer speziellen Deliktswertigkeit nur erfaßt werden, wenn alle wesentlichen Umstände klar beschrieben sind. Nur dann ist ein wertendes Urteil, ob im konkreten Fall eine typische Gefahrbeziehung zwischen Handlung und Erfolg vorlag, möglich. Zuzugeben ist natürlich, daß schon in der Auswahl der maßgeblichen Handlungsumstände eine gewisse Wertung verborgen sein kann, die oftmals eine Vorentscheidung bewirken wird. Dies läßt sich nicht vermeiden und erscheint sogar wünschenswert, wenn man die Vielzahl möglicher Fallvariationen bedenkt, denen es jeweils gerecht zu werden gilt und wenn man weiterhin eine sinnlose Detailbeschreibung vermieden wissen will. Nur die wesentlichen Umstände sollen und müssen erfaßt werden. Ein besonders instruktives Beispiel für diese Auswahlaufgabe des Richters gibt der Fall des Lloyddampfers "Mosel"85 ab. Eine Kiste mit Sprengstoff, die aus Gründen eines Versicherungsbetrugs mit "Kaviar" beschriftet war, fiel einem unachtsamen Arbeiter von der Hieve und explodierte. Hier kann die Handlung des Arbeiters entweder mit "Abstürzenlassen einer mit "Kaviar" beschrifteten Kiste" oder "Abstürzenlassen einer mit Sprengstoff gefüllten Kiste" beschrieben werden. Welche Fassung vorzuziehen ist, welche Handlungs- bzw. Verursachungsumstände bezogen auf den Inanspruchgenommenen hier wesentlich sind, 83 84

85

OLG München BB 64, 661. OLG Celle, BB 60, 117. Vgl. Lindenmaier, ZHR 113, 217.

III. Typische Gefahr

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muß dem Richter überlassen bleiben. Hüten muß sich der Richter allerdings davor, Momente, die ausschließlich in der Sphäre des Geschädigten liegen, und deshalb von der isoliert gesehenen Handlung abziehbar sind, bei der Erforschung und Beschreibung der äußeren Verursachungshandlung mitzuwerten. Auf den Erfolg als solchen darf also nicht "geschielt" werden, die Handlung muß vielmehr erfolgsneutral festgestellt werden. Es wird z. B. gerechtfertigt sein, in den Stromkabelfällen in die Handlungsbeschreibung die Tatsache aufzunehmen, daß auf einem Betriebsgrundstück oder unmittelbar neben einem solchen oder neben einem Wohnhaus gebaggert wird. Von dem Gedanken der erfolgsneutralen Handlungsbeschreibung her wäre es aber m. E. nicht mehr vertretbar, aufzunehmen, daß in einigem räumlichen Abstand auch ein Haus oder eine Fabrik liege, wenn der Bagger, der das Stromkabel beschädigt hat, auf freiem Feld arbeitete. Derartiges kann mit der isolierten Handlung und ihren äußeren Umständen im Grunde nichts mehr zu tun haben, sondern kommt aus der Sphäre des Verletzten und ausschließlich vom Erfolg her. Notwendig erscheint es aber andererseits, in die Handlungsbeschreibung aufzunehmen, daß der Täter, ein Banklehrling, gerade die Kasse des Kassierers, dem er zur Ausbildung beigegeben ist, bestohlen habe. Die Auswirkungen der Aufnahme oder Nichtaufnahme speziell eines diesbezüglichen Moments in die Handlungsbeschreibung schildert - allgemein auf die Normzwecktheorie bezogen - Hermann Lange86 : "Stiehlt jemand eine Sache, und wird daraufhin ein Unschuldiger inhaftiert, so hat der Dieb für diesen Schaden in der Regel nicht einzustehen, obwohl sein Verhalten in adäquater Weise in das absolut geschützte Rechtsgut der Freiheit (des zu Unrecht Verdächtigten) eingreift. Bestiehlt der Dieb jedoch einen Kassierer oder war der Diebstahl so angelegt, daß eine bestimmte Person in Verdacht geraten mußte, so wird man den Dieb für die Inhaftierungsschäden des Kassierers oder der verdächtigten Person verantwortlich halten müssen" 87 •

4. Die richterlicheWertungder Handlungs-Erfolgs-Beziehung An diese genaue Feststellung der wesentlichen Handlungsumstände schließt sich die eigentliche Wertung des Richters an, die Entscheidung über die Frage der typischen Gefährlichkeit, die also neben der obengenannten Wertungskompetenz bezüglich der Auswahl der in casu interessierenden Verhaltensumstände steht. Ob die konkrete Handlung als eine der typischen Gefahrenquellen für einen Verletzungserfolg in 86 87

Hermann Lange, DJT-Gutachten S. 51. Lange meint weiter, es gäbe "hier keine andere Erklärung als . .. den

Normzweck".

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7. Kap.: Der Inhalt des Normzwecks in§ 823 I BGB

der Art des eingetretenen anzusehen ist, kann nur durch richterliche - ex ante- Wertung verbindlich festgelegt werden88 • Die erforderliche Typizität der Gefahr schließt jede andere als die ex ante-Wertung notwendig aus. Eine einfacher Fall ist natürlich z. B. die Verbrennung fremder Kohlen usw., da der Verzehr fremder Sach-en, selbst wenn man sie in bestem Glauben für die eigenen hält, nach der im Tatbestand des § 823 I BGB (i. e. S.) erforderlichen rein objektiven Betrachtungsweise die offensichtlichste Form der typischen Gefährlichkeit einer Handlung für fremde Rechtsgüter ist. Schwieriger wird es aber schon beim Verkauf prinzipiell gefährlicher Gegenstände. Hier wird die Wertung verschieden ausfallen müssen, je nachdem, ob z. B. der Eisenwarenhändler ein normales Messer an irgendeinen beliebigen Kunden, oder ob er ein stehendes Messer an einen jugendlichen "Rocker" verkauft hat89 • Das Überfahren eines Kindes ist sicherlich typisch gefährlich in bezugauf den Nervenzusammenbruch seiner Mutter90 ; erleidet jedoch eine mit dem Kind nicht verwandte Person den Nervenschock, weil sie zufällig Zeuge des Verkehrsunfall geworden ist, kann dies nicht mehr als Verwirklichung einer typischen Gefahr der Unfallverursachung angesehen werden. Dies ergibt sich aus der Erfahrungstatsache, daß unbeteiligte Zuschauer in der Regel auch bei sehr häßlichen Verkehrsunfällen eine erhebliche nervliche Resistenz bewahren91 • Die Adäquanzlehre -im herkömmlichen Sinnehätte hier einige Schwierigkeiten, zu sachgerechten Abgrenzungen zu kommen; es erscheint auch höchst fraglich, ob hier an der Schuld durchschlagende Zweifel möglich wären. Die hier genannten Kriterien rechtfertigen auch die Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf in dem bekannten Grünstreifenfall92 • Die Bundesautobahnverwalt ung verlangte von einem Lastwagenfahrer, der einen Unfall verursacht und sich hierbei quer zur Fahrbahn gestellt hatte, Schadensersatz für die Zerstörung eines ca. 400 m langen Stück Grünstreifens, der dadurch in Mitleidenschaft gezogen worden war, daß viele durch den Unfall aufgehaltene Kraftfahrer ungeduldig den Lkw auf diesem Wege umfahren hatten. Das Landgericht gab der Klage statt und handelte sich damit erhebliche Vorwürfe- vor allem vonseitender Vertreter der Normzwecktheorie - in der Literatur ein. So meinte 88 Ähnlich HefermehZ, GRUR 62, 611, 614, der allerdings von einer Generalklausel ausgeht. 89 Diese Überlegung ist also nicht erst so aber Deutsch, Fahrlässigkeit S. 230 -bei der Frage der Sorgfaltspflicht erheblich. 90 Modifizierend zu den Schock-Fällen neuerdings BGH 56, 163 ff. 91 Ähnlich auch Hermann Lange, DJT-Gutachten S. 52. 92 LG Düsseldorf NJW 55, 1031.

III. Typische Gefahr

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Lange93, daß der Lkw-Fahrer zwar auch die Verpflichtung habe, das Eigentum der BRD an der Autobahn nicht zu beschädigen, daß er diese Verpflichtung aber nicht dadurch verletze, daß er einen anderen Verkehrsteilnehmer schädige. Dieses Ergebnis der h. L. zeigt einmal mehr, wie bedenklich ihre Kriterien sind, denn m. E. fällt die Zerstörung des Grünstreifens - vorzüglich unter Beachtung der Theorie von der typischen Gefährlichkeit- zweifellos in die Verantwortlichkeit des LkwFahrers. Denn mit der hier vorgeschlagenen Inhaltsbestimmung des Normzwecks des § 823 I BGB gelangt man ohne Schwierigkeiten zu diesem sachgerechten Ergebnis : Jedes unfallverursachende Verhalten auf der Bundesautobahn ist m. E. ohne weiteres typisch-gefährlich für das Eigentum der BRD an der Straße und ihren Nebeneinrichtungen wie Leitplanken, Schutzgittern, Grünstreifen, usw., weil es bei den hohen Geschwindigkeiten auf dieser Straßenart in fast jedem Fall unausbleiblich ist, daß Fahrzeuge entweder selbst zur Seite geschleudert werden oder daß sie die nachfolgenden zu Ausweichmanövern zwingen und damit die Beschädigung der Autobahn-Nebenaulagen durch jene verursachen94. Es kann aber keinen Unterschied machen, ob die nachfolgenden Autofahrer zur Beschädigung des Grünstreifens usw. infolge eines plötzlichen Ausweichmanövers zur Vermeidung weiterer Zusammenstöße gezwungen werden oder ob sie sich ohne dringende Not nur aus Gründen des schnelleren Vorankoromens zur Umfahrung des Hindernisses auf dem Grünstreifen entschließen94 •. 5. Positive Tendenzen in Literatur und Rechtsprechung

Ähnliche Ansichten, wie die hier vertretene Auffassung von der Bedeutung des Kriteriums der typischen Gefahr im Deliktsrecht finden sich verschiedentlich- andeutungsweise- in der Literatur95. So sieht z. B. 93 Lange, DJT-Gutachten S. 53, ähnlich auch v. Caemmerer, KausalzusammenhangS. 15; weitere Literaturhinweise bei BGH NJW 72, 904. 94 Gegenteiliger Ansicht ist überraschenderweise, trotz des Ansatzes über die typische Gefahr, die hier zwanglos zur richtigen Lösung führt, auch J. G. Wolf, S . 39. 94' a. A. jedoch nun auch der BGH in NJW 72, 904 mit dem m. E. nicht zwingenden Argument, ei:n nach Beendigung des eigentlichen Unfallgeschehens durch Dritte hervorgerufenes weiteres Schadensereignis könne zwar o. w. adaequat durch den Unfall verursacht sein, falle aber dennoch nicht mehr in den Pflichtenkreis des Unfallverursachers, dieser ende vielmehr mit der Beendigung des Unfallgeschehens; das OLG Bremen als Berufungsgericht hatte dagegen m . E. zu Recht den erforderlichen inneren Zusammenhang noch bejaht. 95 Bedenken finden sich bei Münzberg und Deutsch. Münzberg, S. 335 A 676 weist zu Recht darauf hin, daß man über "typisch" und "atypisch" jeweils geteilter Meinung sein könne - ob man es aber mit Münzberg als typische, 12 P reusche

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7. Kap.: Der Inhalt des Normzwecks in§ 823 I BGB

Larenz96 den wesentlichen Unterschied zwischen§ 823 I BGB und Abs. II

darin, daß sich in § 823 I BGB die Rechtswidrigkeit aus der "objektiven Beschaffenheit der Handlung" ergebe, in § 823 II BGB dagegen aus der Gebotswidrigkeit. Es sei keineswegs so, daß jeder Verletzungserfolg eine die Rechtswidrigkeit indizierende Tatbestandsverwirklichung darstellt; dies sei vielmehr erst dann gegeben, wenn sich der Erfolg im Rahmen des Handlungsablaufs bewege. "Der Erfolg (muß) so nahe bei der Handlung (liegen), daß er für die Anschauung des Lebens nicht von ihr zu trennen ist." Der Erfolg mache lediglich sichtbar, was in der Handlung ihrer objektiven Natur, ihrer Beschaffenheit nach, von Anfang an angelegt war. Auch Zeuner91 kommt- allerdings auf der Grundlage einer verbesserten Theorie vom verkehrsrichtigen Verhalten, zu dem Ergebnis, daß ein Verletzungserfolg nur dann als rechtswidrig angesehen werden kann, wenn der Handlung eine entsprechende "Affinität" zur Herbeiführung eines mißbilligten Erfolgs zukommt. Und Wilburg 98 meint, die Zurechenbarkeit der ursächlichen Eignung zum Verletzen eines fremden Rechtsguts, die auch in der Idee der Adäquität zum Ausdruck kommt, sei irrationaP9 im Rechtsempfinden verwurzelt. Sie beruhe auf der Vorstellung der Gefährlichkeit. Die gelungenste Formulierung finden wir jedoch bei dem Schweizer Oftinger100 : "Die Voraussehbarkeit spielt keine Rolle", sondern nur, "ob der eingetretene Erfolg objektiv geeignet ist, als Wirkung einer bestimmten Ursache betrachtet zu werden ... Ursachen und Wirkungen (müssen) einigermaßen typisch sein" 101 • Auch die Rechtsprechung hat sich den Gedanken der typischen mit der Herstellung und dem Verkauf eingedoster Lebensmittel verbundene Gefahr ansehen kann, daß sich jemand an der geöffneten Dose schneidet, ist wohl einigermaßen zweifelhaft. Dementsprechend löst J. G. Wolf, S. 39 diesen Fall auch gerade umgekehrt. Münzbergs Bedenken kann man teilweise mit einer möglichst exakten Beschreibung der Handlung im obigen Sinne begegnen; im übrigen muß man dem Richter hier - wie auch anderenorts unumgänglich - einen gewissen Bewertungsspielraum und entsprechende Entscheidungsfreiheit zugestehen. Deutsch, S. 227 und 282 rügt, daß die typische Gefahr den gleichen Mangel wie die Adäquanz aufweise, nämlich daß es nicht möglich sei, auch gegen inadäquate und atypische "Angriffe" Notwehr zu üben. 06 Larenz, Festschrift für Dölle, Bd. I S. 169 ff., 193. 97 Zeuner, JZ 61, 43. 98 Wilburg, 43. DJT C 12. 99 Hiermit meint Wilburg wohl, daß eine bloße Äquivalenzbeziehung zwischen Erfolg und Ursache als Haftungsmaßstab nicht nur der ratio, sondern bereits dem unreflektierten Rechtsgefühl widerspricht. Denn weder die Adäquanzidee noch die Normzwecktheorie - in welcher Ausprägung auch immer- sind irrational, sondern beruhen auf rationalen Ableitungen, Erfahrungswerten (Adäquanz, typische Gefahr) oder Rechtsbefehlen (Verhaltenspflichten usw.). 1oo Oftinger, Schweiz. Haftpflichtrecht, S. 60. 101

Oftinger, S. 59.

111. Typische Gefahr

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Gefahr verschiedentlich- wenn auch zum Teil nur ansatzweise- zu eigen gemacht. So sah der Bundesgerichtshof102 im Tonbandurteil nur denjenigen Hersteller eines Tonbandgerätes als Störer an, der ein Gerät in Verkehr bringt, das "auf eine Benutzung zugeschnitten ist und zu einem Gebrauch angeboten wird, der im Regelfall zu einem Eingriff in urheberrechtliche Belange führen muß". Im 41. Band103 umreißt der Bundesgerichtshof den Inhalt des Normzwecks so: "Das Verbot der Beschädigung will vielmehr auch und gerade Schutz vor dem Eintritt der typischen Folgen bieten". Ähnlich begründete das Berufungsgericht im GranatsplitterfalP0' seine Klagabweisung und damit die Abweichung vom sachlich verwandten Urteil des Reichsgerichts im 119. Band105 damit, daß sich im Reichsgerichtsfall im Gegensatz zum Granatsplitterfall eine typische Unfallgefahr der früheren Verletzung manifestiert habe 106 • Das Oberlandesgericht Düsseldorf schließlich rechnete im Drahtmattenfall107 - ein Bauunternehmer hatte Abfallstücke von Drahtmatten liegenlassen, ein Kind verletzte mit einem der Eisenstücke das Auge eines Spielgefährten - den Antragsgegnern den Schaden nicht zu, weil "durch das Umherliegen der Drahtstücke nicht die diesem Vorgang selbst immanente und typische Gefahr realisiert" worden sei. Typisch wäre es vielmehr gewesen, wenn ein Spaziergänger - oder auch ein Haustier- sich an einem der Drahtstücke die Füße aufgeschnitten hätte. Neuerdings erkennt nun auch Neumann-Duesberg das Prinzip der typischen Gefahr an, wenn er meint, nicht nur das E-Werk, sondern auch Dritte, auch Abnehmer, seien vor den typischen Folgen einer Kabelbeschädigung geschützt und dies entspreche im übrige auch - zumindest bei einem grob-fahr lässigen Täter- dem Gerechtigkeitsgefühl108 • M. E. kann eine Verifizierung des Kriteriums der typischen Gefahr als maßgeblicher Normzweckinhalt vor allem durch die Heranziehung 102 BGH 17, 266, 292; vgl. auch BGH VersR 62, 1210 (Wurfpfeile); zustimmend hierzu Weitnauer, Ehrenrettung S. 341 A 58. 1oa BGH 41, 123, 127. 104 Berufungsgericht von BGH NJW 52, 1010, zitiert bei Kirchberger, NJW 52, 1001 in seiner Stellungnahme zum BGH-Urteil. 105 RG 119, 203. 108 Allerdings versuchen die genannten Entscheidungen wie auch die weitere des BGH in BB 64, 3731 teilweise, mit dem Kriterium der typischen Gefahr die Haftung für Folgeschäden einzuschränken, was m. E. (s. o.) nicht richtig ist. Eindeutig nur auf die haftungsbegründende Kausalität bezieht sich der Beschluß des OLG Düss. in NJW 57, 1153 (Drahtmattenfall) und weiterhin gehört auch der Granatsplitterfall bei Licht besehen nicht zu den Folgeschäden der §§ 249 ff. BGB, da es sich dort um haftungsbegründende Verletzung des Rechtsguts "Leben" mit allerdings verwickelter Kausalbeziehung handelte. 107 OLG Düss. NJW 57, 1153 (Drahtmattenfall). 1 08 Neumann-Duesberg, NJW 68, 1990, 1992.

12•

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7. Kap.: Der Inhalt des Normzwecks in§ 823 I BGB

der allgemeinen Voraussetzungen der deliktischen Unterlassungshaftung stattfinden, die regelmäßig an der typischen Gefährlichkeit orientiert ist. Grundlage der Beurteilung eines Unterlassungsanspruchs ist - ausgehend vom eingetretenen Verletzungserfolg und der konkreten Gesamtsituation- die Frage, welche äußeren Umstände zur Beseitigung der dem Erfolg vorausgehenden Gefahrensituation hätten dienlich sein können bzw. welche Umstände den Erfolgseintritt mit einiger Wahrscheinlichkeit verhindert hätten. Gesucht werden also diejenigen Komponenten der Gesamtsituation, deren Fehlen so nahe am Erfolg und mithin so typisch gefährlich für seinen Eintritt war, daß sich die Frage geradezu aufdrängt, ob jemand und wer das Unterbleiben dieser erfolgsverhindernden Umstände rechtlich zu vertreten hat, mit anderen Worten, wer Garant ist. Erst diese letztgenannte Überlegung ergibt die besondere Fragestellung der Unterlassungshaftung, während der erste Schritt, die Suche nach den Umständen, die die Gefahr wahrscheinlich verhindert hätten sowie die Fixierung dieser Umstände, noch zur allgemeinen Fragestellung des § 823 I BGB - wenn auch mit umgekehrten Vorzeichen- gehören. Dieser erste Schritt erscheint uns aber so selbstverständlich, daß uns seine gegenüber der Frage der Garantenstellung und der Person des Garanten prinzipielle Eigenständigkeit kaum noch bewußt wird. Der naheliegende Gedanke, zwischen Handlungs- und Unterlassungshaftung bestünden €rhebliche und grundlegende strukturelle Unterschiede, ist deshalb nicht zu halten. Zwar ist die Handlungsverursachung im Gegensatz zur Verursachung des Unterlassungserfolgs regelmäßig von dynamischem Charakter und sicherlich spielt deshalb bei der Handlungshaftung die Garantenpflicht keine Rolle. Diese Unterschiede haben jedoch keine auch nur entfernte Beziehung zu der vorrangigen Frage, ob für jede Beteiligung am Erfolg oder nur für eine typisch gefährliche gehaftet wird. Wir neigen aber dazu, diese allgemeine Fragestellung nach dem Grad der Nähe des Erfolgs zur Verursachungshandlung bzw. zur Möglichkeit der Erfolgsverhinderung mit der besonderen Problematik der Unterlassungshaftung, der Garantenpfiicht, ungerechtfertigt zu vermengen. Weiterhin ergibt sich das Erfordernis der Typizität aus der Überlegung, daß dem grob strukturierten, absoluten Recht des § 823 I BGB, dessen Verletzung leicht erkennbar sein muß, nur ein ähnlich grobes, leicht erfahrbares Verursachungsmoment gegenüberstehen kann. § 823 I BGB erfaßt nur die "groben" Deliktsvorgänge. Diese Aufgabenstellung würde beeinträchtigt, wenn die erst die tatbestandsrelevante Verletzung herbeiführende Verursachungshandlung nicht ihrerseits ebenfalls hinreichend "grob" strukturiert wäre.

V. Adäquanztheorie und Normzwecktheorie

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IV. Eine Modifizierung des Prinzips der typischen Gefahr: final-vorsätzliche Verursachung Die typische Gefahr ist zwar für alle Deliktsfälle das ausschlaggebende Kriterium zur Feststellung einer tatbestandsrelevanten Verletzung: die eben dargestellten einzelnen Prüfungsstationen müssen aber nicht in jedem Fall eingehalten werden. Eine Modifizierung des Prüfungsablaufs ist im Falle final-vorsätzlicher Erfolgsherbeiführung notwendig. Hier braucht weder die Handlung als solche genau fixiert noch eine besondere Wertung von Handlung und Erfolg vorgenommen zu werden. Wem es darauf ankommt, einen bestimmten Verletzungserfolg zu bewirken, der handelt allein aufgrund dieser Intention immer und a priori typisch-gefährlich. Mag sich der Täter auch noch so versteckte Winkelzüge ausdenken, mag er auch noch so atypische Kausalbeziehungen verwirklichen, seine Stoßrichtung, das zähe Verfolgen seines Ziels oder auch seine detaillierte Vorplanung werden das Rechtsgut immer in höchstem Maße gefährden. Aber auch dann, wenn er keine abwegigen Kausalverbindungen schafft, sondern die Erreichung seines Ziels eher schon von der Gunst des Zufalls abhängig scheint, reicht seine Zielsetzung aus, um sein Verhalten zu einem typisch-gefährlichen zu machen, wenn er den Geschehnisablauf nur zumindest in etwa noch zu steuern fähig ist. Ein Pistolenschütze z. B. ist für die beabsichtigte Tötung eines anderen deshalb auch dann noch verantwortlich, "wenn er aus so großer Entfernung geschossen hat, daß die Trefferwahrscheinlichkeit weniger als 2 zu 1 Million" war 109 • Schon der Begründer der Adäquanztheorie, v. Kries, meinte, daß "eine vom Bedingungssetzer erwartete Folge stets als adäquat zu bezeichnen" seP 10 ; dem schloß sich die Literatur111 unter dem von Welzel treffend formulierten Stichwort "Überdeterminierung durch Finalität" einhellig an112 • V. Das Verhältnis der Adäquanztheorie in ihrer ursprünglichen Form zur Normzwecktheorie in Gestalt der typischen Gefahr Die Normzwecktheorie in der hier konzipierten Form gibt im Grunde den Anhängern der Lehre von der Kausaladäquanz keinen Anlaß, sie allzu heftig anzugreifen oder gar in Bausch und Bogen zu verdammen: Beispiel von Weitnauer, Ehrenrettung, S. 344. v. Kries, S. 60. 111 Vgl. Baur, Entwicklung S. 51; Hermann Lange, DJT-Gutachten S. 36; Michaelis, Beiträge S. 47 ff.; Rabel, Warenkauf I S. 507. 109

110

112 Im common law finden wir die Formel: "intended consequences can never be too remote", vgl. Weitnauer, Ehrenrettung S. 344.

182

7. Kap.: Der Inhalt des Normzwecks in§ 823 I BGB

Denn jene ist weniger - so aber meint noch die h. L. - an dieser "kritisch orientiert" 113 als vielmehr mit ihr relativ nahe verwandt114 • Die Normzwecktheorie ist einmal fähig, weiterhin mit dem überkommenen Deliktsaufbau zu arbeiten, und kann darüber hinaus in diesem Raum die Vorteile der herrschenden Adäquanztheorie als ein streng objektives Zurechnungskriterium115 erhalten, ohne wie die Adäquanzlehre dem Vorwurf der Verwaschenheit und mangelnden sachgerechten Trennschärfe ausgesetzt zu sein. Denn die heute gängigen Formeln, daß der Kausalverlauf dann adäquat sei, wenn er "nicht außerhalb aller Erfahrung liege", "nicht ganz unwahrscheinlich sei", "noch im Rahmen dessen, womit man nach der Lebenserfahrung rechnen muß, liege" 116 , sind inhaltlich viel zu weit, als daß sie noch fähig wären, die Aufgaben der Haftungsbegrenzung im objektiven Tatbestand wahrzunehmen. Kaum ein gerichtlich entschiedener Deliktsanspruch scheiterte daher am Adäquanzerfordernis, obwohl dieses in seiner ursprünglichen Form, die es von v. Kries erhalten hatte, wesentlich einfacher, präziser und deshalb schlagkräftiger im Sinne einer Haftungsbeschränkung gewesen war als die heute gängigen unverbindlichen Definitionen. Nach v. Kries 111 ist eine Verursachung dann adäquat, wenn sie "ganz allgemein geeignet (ist), eine Tendenz (besitzt), einen solchen (Erfolg) eintreten zu lassen, (wenn sie) seine Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit (steigert)" 118 • Diese der hier für die typische Gefährdung gegebenen Definition nahe verwandte Begriffsbestimmung wurde jedoch bereits durch Traeger 119 gefährdet, wenn er das Möglichkeitsurteil am optimalen Beobachter orientiert wissen wollte: "Um das erforderliche Möglichkeitsurteil zu bilden, ist das gesamte Erfahrungswissen zugrunde zu legen, und es sind vorauszusetzen alle zur Zeit der Begehung der Handlung vorhandenen Bedingungen, die zu diesem Zeitpunkt dem einsichtigsten Menschen erkennbar waren ... " In der Folge dieser Erweiterung der Adäquanzbestimmung über v. Kries' Lehre hinaus fand die spezifische Gefahrerhöhung immer weniger und die Einsichtsmöglichkeiten des optimalen 113

J. G. Wolf, S. 23.

Die Verwandtschaft betont auch Schickedanz, NJW 71, 916, 920. Daß die Adäquanztheorie keine Kausaltheorie, sondern eine Zurechenbarkeitslehre mit Haftungsbeschränkungseffekt ist, ist heute h. L., vgl. z. B. Heinrich Lange, AcP 156, 115 mit weiteren Nachweisen (A 7); Graf zu Dohna, Monatsschrift für Kriminalpsychologie und Strafrechtsreform Jahrg. 2 S. 425 f. erkannte bereits 1906 den wahren Charakter der Adäquanztheorie. 118 Vgl. z. B. BGH MDR 63, 398; NJW 64, 650; MDR 64,135. 117 v. Kries, S. 200 ff., vgl. die wörtliche Wiedergabe bei Weitnauer, Ehrenrettung S. 327 f. 11s Vgl. oben 7. Kap. III 1. 119 Traeger, S. 159 ff. 114

115

V. Adäquanztheorie und Normzwecktheorie

183

Beobachters immer stärkere Beachtung, bis schließlich aus der "gesteigerten Gefährdungstendenz" die "nicht außerhalb aller Erfahrung liegende" Kausalbeziehung geworden war. In dieser bisher herrschenden Form ist die Adäquanztheorie sicherlich viel zu weit. Der bestmögliche, mit allem Erfahrungswissen der Zeit versehene Beobachter sowie der Standpunkt der objektiven ex post-Prognose rücken die Adäquanzlehre "in die Nähe der Äquivalenztheorie120 , denn es wird kaum einen Kausalverlauf geben, der vom Standpunkt des optimalen Betrachters aus ... als inadäquat bezeichnet werden könnte" 121 • Da nach dieser Auffassung mithin "so gut wie nichts außerhalb der Wahrscheinlichkeit" liegen kann122, sind auch nur ganz wenige Fälle bekannt geworden123, in denen das RG die Adäquanz verneint und eine Haftung abgelehnt hat. In dieser Form wird die Theorie also ihrer Aufgabe, haftungseinschränkend zu wirken, nicht gerecht. Es ist jedoch zuzugeben, daß die Adäquanzlehre in ihrer ursprünglichen Form auch heute noch von erheblicher Bedeutung sein könnte. Dies wird insbesondere deutlich bei neueren Untersuchungen Weitnauers124, der wieder direkt auf v. Kries zurückgeht. Abgesehen von graduellen Unterschieden im Maß der für tatbestandsrelevante Verletzungen erforderlichen Gefahrerhöhung stimmt diese "ursprünglichmoderne" Adäquanztheorie mit der hier vorgeschlagenen Normzwecktheorie in Gestalt der typischen Gefahr nämlich, wie sogleich zu zeigen sein wird, weitgehend überein125, was neuerdings auch Rother im Ergebnis ganz richtig, wenn auch in der Herleitung bedenklich126, erkennt: "Nach alledem kommen sich wohl die Ergebnisse beider Methoden, der Adäquanzlehre und der Schutzzwecktheorie, bei Beachtung gewisser Modifikationen so nahe, daß von einem dogmatischen Gegensatz kaum noch zu sprechen ist." 120 Den Übergang der RG-Rechtsprechung von der vorher herrschenden Äquivalenztheorie zur Adäquanztheorie stellen Lindenmaier, ZHR 113, 231 ff. sowie Knoche, S. 284 ff. dar. 121 Esser, Lehrbuch I S. 304 (3. Aufl.). 122 v. Caemmerer, Kausalzusammenhang S. 12; Rabel, Warenkauf I s. 488 f. 123 Nur in vier von fünfzig Entscheidungen, die die Frage der Adäquanz prüften, wurde sie verneint, vgl. Rother, S. 13; Rother wendet allerdings ein, daß diese überaus geringe Zahl sich zu einem guten Teil darauf zurückführen lasse, daß "zu weit hergeholte oder über mehrere Zwischenstationen eingetretene Schäden schon dem einfachen Parteiverstande als ungeeignet für die Rechtsverfolgung erscheine"; ähnlich auch Weitnauer, Ehrenrettung, S. 343. 124 Weitnauer, Ehrenrettung S. 326 ff. m Deshalb können hier Bestrebungen, die Adäquanztheorie als solche als insgesamt verfehlt und überflüssig erscheinen lassen zu wollen - vgl. neuerdings z. B. wieder Huber, JZ 69, 677, 683- keine Zustimmung finden. 128 Rother, S. 24 f. glaubt diese Angleichung der beiden Theorien lediglich auf gleichartige Billigkeitserwägungen zurückführen zu können.

184

7. Kap.: Der Inhalt des Normzwecks in§ 823 I BGB

Weitnauer 121 geht im Anschluß an v. Kries von den Begriffen "objektive Möglichkeit" und "Wahrscheinlichkeit" aus, die ebenso präzisierungsbedürftig seien wie die Aussage, daß das als Ursache in Betracht gezogene Ereignis den Eintritt des Erfolgs "generell begünstigt" haben müsse. Da hierbei offenbar ein Vergleich von zwei Wahrscheinlichkeiten erforderlich sei, müsse ferner klargestellt werden, welche Wahrscheinlichkeiten man zum Ausgangspunkt des Vergleichs nehmen könne. Die Wahrscheinlichkeit definiert Weitnauer als eine objektive, empirisch feststellbare und rational quantifizierbare, mithin statistische Größe. Hiervon könne nur gesprochen werden, wenn zum Ausgangspunkt Massenerscheinungen oder Wiederholungsvorgänge genommen würden. Soweit entsprechende Untersuchungen bereits angestellt seien, genüge es für die Adäquität, festzustellen, daß der konkrete Fall der generalisierenden Beschreibung entspreche, anderenfalls müsse dieser Einzelfall zum Ausgangspunkt statistischer Untersuchungen gemacht werden128• Die eigentliche Schwierigkeit liege jedoch in der Auswahl der miteinander zu vergleichenden Größen von Ursache129 und Erfolg. Dies müsse, was aber keineswegs ein Nachteil sei, oftmals dem gesunden Menschenverstand des Richters, seinem wertenden Ermessen überlassen bleiben, denn das Adäquitätsurteil sei im Kern eben ein "ethisches Urteil, was nicht an die Logik, sondern an die praktische Vernunft appelliert" 130• Diese Wertungskompetenz des Richters verschaffe der Adäquanztheorie die nötige Flexibilität. Den "optimalen Beurteiler" der bisherigen Lehre gibt W eitnauer ausdrücklich auf. Zu der nun noch zu beantwortenden Frage, nach welchen Kriterien es sich beurteile, ob ein Ereignis die Wahrscheinlichkeit eines anderen erhöht hat, hiervon hängt letztlich der Wirkungsgrad der Haftungseinschränkungstheorie ab- bemerkt W eitnauer131 : "Dahinter verbirgt sich eine doppelte

127 128

Weitnauer, Ehrenrettung S. 330 ff. Ulrich Klug, AcP 150, 449 ff. meint dagegen, daß die meisten "Sachver-

halte des täglichen Lebens (viel zu komplex seien), um sich einfach in Reihen von beobachtbaren Wiederholungsfällen auflösen zu lassen" (S. 451), erkennt andererseits aber selbst an, daß die Praxis in der Regel über mehr oder weniger rohe Schätzungen von Häufigkeiten nicht hinauskomme. Hierzu ist zu sagen, daß Weitnauer - auch wenn er die Möglichkeit richterlichen Ermessens grundsätzlich bejaht - zu Recht darauf hinweist, daß der Richter sich möglichst an nachprüfbaren, konkret erfaßten Gesichtspunkten orientieren soll, um sich nicht frühzeitig in allgemeinen Billigkeitserwägungen zu verlieren. Er soll mit einem Gerüst von Akten, und nicht von Anfang an mit seiner - doch unvermeidlich subjektiven - intuitiven (Crispin, Kausalitätsprobleme, Diss. 1953, S. 39 f.) Schätzung arbeiten; so auch Larenz, NJW 65, 1, 8 ff.

129 Diese "Ursache" ist mit der oben beschriebenen "objektiven Handlung" weitgehend identisch. 130 Oftinger, Schweiz. Haftpflichtrecht I S. 59. 131 Weitnauer, Ehrenrettung S. 339 ff.

V. Adäquanztheorie und Normzwecktheorie

185

Fragestellung: Einmal nach der für die Beurteilung maßgeblichen Ausgangslage, ferner nach der Größe, die der Unterschied aufweisen muß, um erheblich zu sein. Bezeichnen wir die Wahrscheinlichkeit eines Schadens als "Gefahr" 132 , dann kann man mit dem RG 133 auch darauf abstellen, ob die Sachlage infolge der Handlung in Richtung auf den Schaden "gefährlicher" geworden ist." "Das Ausmaß der geforderten Erhöhung der (Gefahr) muß ... nicht unerheblich sein 134 ." Abgesehen von letzterem, m. E. noch zu unbestimmten Kriterium, das durch das Merkmal "typisch" im oben beschriebenen Sinne ersetzt werden sollte, zeigt sich, daß die in dieser Arbeit vertretene Normzwecktheorie und die Adäquanztheorie in der Ausdeutung W eitnauers in vielen Punkten- objektive Betrachtungsweise, Wegfall des optimalen Beobachters, generalisierender Vergleich von Ursache (Handlung) und Erfolgskomponente sowie Auswahl und Wertungskompetenz des Richters bezüglich der Vergleichsgrößen - übereinstimmen. Der wesentlichste Unterschied liegt also weniger in der Methode als vor allem im Ausmaß der verlangten Gefahrerhöhung und ist somit nur gradueller Natur135 • Alles in allem gesehen schränkt zwar die Normzwecktheorie in der hier vertretenen Form die Deliktshaftung objektiv-tatbestandlieh stärker ein als die Adäquanzlehre und gibt außerdem dem Richter die Möglichkeit anhand, diejenigen vom Gerechtigkeitsgefühl diktierten Ausnahmen dogmatisch korrekt zu begründen, die die meisten bisher vertretenen Lehren nur über mehr oder weniger bedenkliche Hintertürchen gerecht lösen konnten 136 • Beiden Theorien gemeinsam ist jedenfalls aber das Prinzip und Anliegen, im Deliktsrecht eine BeSo schon v. Kries, Objektive MöglichkeitS. 289. RG 81, 356. t34 Weitnauer, Ehrenrettung S. 341. I&> Zur Verwandtschaft von Adäquanztheorie und Normzwecklehre vgl. noch Schickedanz, NJW 71, 916, 920. 136 Heinrich Lange, AcP 156, 119 sagt unter Bezugnahme auf ältere Autoren wie Siber und Planck ganz richtig: "Der optimal erkennbare und mit dem gesamten Erfahrungswissen beurteilte Kausalverlauf ist denkgesetzlich wiederholbar und je nach dem Maße der pessimistischen Phantasie auch generell geeignet, einen Erfolg dieser Art herbeizuführen. Beschränkt man aber die generelle Eignung auf regelmäßige oder nicht ganz außergewöhnliche Folgen, so schweben die Anforderungen an den optimalen Beobachter oder Beurteiler in der Luft. Dann arbeitet man in Wirklichkeit mit Folgen, die, objektiv geförmelt, nicht außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegen, subjektiv geförmelt, von einem durchschnittlichen Beobachter nach Art und Umfang vorausgesehen werden können. Will man darum eine Folge als nicht mehr adäquat ausschalten, so muß man die Anforderungen an die eigene Formel mildern, und in dem Zwischenraum zwischen ihrer strengsten und ihrer mildesten Anwendung liegt der Bereich für Billigkeitsentscheidungen." Den Endpunkt dieser Entwicklung stellt die Unterstellung der Kausaladäquanz unter §242 BGB dar, vgl. BGH NJW 52, 1010f.; J. G. Wolf, S. 8ff.; Esser, JZ 56, 557; vgl. weiterhin oben 2. Kap. III 3. 132

133

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7. Kap.: Der Inhalt des Normzwecks in§ 823 I BGB

schränkung der Haftung gegenüber dem zu weiten Wortlaut des§ 823 I BGB durch Aufzeigen und Lösen des Spannungsverhältnisses zwischen objektivem Erfolg und objektiver Handlung (Ursache) zu bewerkstelligen. So gesehen könnte man die hier vorgeschlagene Form der Normzwecktheorie u. U. sogar als Weiterentwicklung von Grundstrukturen des Kausaladäquanzgedankens ansehen. Dennoch sollte m. E. die Adäquanztheorie durch die Lehre vom Normzweck als haftungsbeschränkendes Kriterium im objektiven Tatbestand des§ 823 I BGB ersetzt werden. Denn die Ausdeutung, die v. K1·ies und heute vor allem Weitnauer der Adäquanztheorie geben, ist keineswegs Gemeingut, absolut herrschend ist vielmehr die verwaschene und zudem durch § 242 BGB bis zur Unkenntlichkeit aufgeweichte und deshalb unbrauchbar gewordene Version. Es erscheint fraglich, ob es heute noch gelingen kann, diese Entwicklung quasi ,.zurückzudrehen" und die Adäquanztheorie - unter Beibehaltung dieses viele Jahrzehnte in anderem Sinne gebrauchten Namens- wieder auf ihre ursprünglichen Inhalte zu beschränken. Meines Erachtens ist es deshalb richtiger, mit der Normzwecktheorie zukünftig einmal deshalb zu arbeiten, weil hier bereits sprachlich eine klare Alternative zur Adäquanztheorie in ihrer heutigen untauglichen Form gegeben ist, und zum anderen, weil die Normzwecktheorie ihrem Inhalt nach- poetisiert gesagt- die Taube des Odysseus darstellt, die Wegweiserin zwischen der Scylla einer unerschütterlich starren, beinahe den Grad der conditio sine qua non erreichenden, im Einzelfall ungerechten Haftungsregel, und der Charybdis uferloser, der Rechtssicherheit widersprechender Billigkeitserwägungen entsprechend § 242 BGB137• Weiter spricht für die Ersetzung der Adäquanzlehre durch die Normzwecktheorie, daß letztere das objektive Handlungs-(Verursachungs)-moment im Tatbestand des § 823 I BGB prinzipiell in höherem Maße als erstere beachtet und deshalb ihrer Aufgabe, haftungsbeschränkend zu wirken, besser gerecht werden kann.

VI. Die Auswirkungen des Prinzips der typischen Gefahr auf die "kritischen Fälle" des Rechts am Unternehmen Wie oben138 schon angemerkt, führt die Theorie von der typischen Gefahr nur in einem Teil der ,.kritischen" Fallgruppen zu anderen Ergebnissen als die Rechtsprechung und bisherige Lehre. Im Rahmen des freien Wettbewerbs zwischen Konkurrenten z. B. - soweit das Essentiale des Rechtsam Unternehmen im oben dargelegten Sinne überhaupt 137 Ähnlich definiert Hauss, 43. DJT C 31 die Aufgabe, die § 823 I BGB heute Wissenschaft und Rechtsprechung stellt. 138 Vgl. oben S. 131.

VI. Typische Gefahr und "kritische Fälle"

187

beeinträchtigt wird139 - ist es kaum vorstellbar, daß die wettbewerbliehe Verletzungshandlung des einen für das Unternehmen des anderen nicht typisch gefährlich sei. Derartige Wettbewerbshandlungen sind notwendig darauf angelegt, sich auf Kosten der Mitbewerber Vorteile zu verschaffen. Ein Vernichtungskartell, ... , (unberechtigte) Schutzrechtsverwarnungen sowie umgekehrt ... die Benutzung fremder Patente, Warenzeichen usw. oder aber Maßnahmen der vergleichenden Werbung- also Essentiale-Verletzungen im obigen Sinne- bedeuten für den Konkurrenzbetrieb regelmäßig eine erhebliche und deshalb ohne weiteres typische Gefährdung. Gleiches gilt für die Einleitung (unberechtigter) Konkursverfahren usw.; die Haftung in dieser Fallgruppe ist häufig erst im Rahmen der Rechtswidrigkeit durch den Hechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen einschränkbar. Im Bereich der Stromkabelfälle und Arbeitnehmerverletzungen oder -abwerbung ist die Normzwecktheorie in der Gestalt der typischen Gefahr, jedoch, wie oben an den einschlägigen Stellen bereits vermerkt, zu Differenzierungen fähig 140• Typisch gefährlich für die Produktionsfähigkeit eines Unternehmens ist es z. B. nicht, wenn in größerer räumlicher Entfernung und ohne jeden äußeren Bezug gerade zu diesem Unternehmen der Boden aufgebaggert und dabei Stromkabel beschädigt werden. Gefährdet könnte hier nur die Stromversorgung einer anonymen Anzahl von Abnehmern als solche sein141 • Die Gefahr ist ex ante gesehen nicht gerade in Richtung des später betroffenen Unternehmens konkretisierbar. Eine "typische", also eine besonders gesteigerte und für den Durchschnittsbetrachter ex ante naheliegende Tendenz zum Lahmlegen eines Betriebs wohnt dagegen dem Aufbaggern einer Straße in mittelbarer Nähe des Unternehmens inne; denn hier liegt es für den Beobachter nahe, daß unter der Straßendecke Versorgungsanlagen zum Betrieb führen, die durch die nur schwer dosierbare Baggerarbeit gefährdet werden, wodurch der angeschlossene Betrieb lahmgelegt würde. Noch offensichtlicher ist die Gefahr bei Freileitungen, die bestimmte Unternehmen versorgen. Deshalb hat das Oberlandesgericht München142 die räumliche Nähe von Kabel und Betrieb auch als "besonderen Umstand" gewertet, der ausnahmsweise die Verletzung als unmittelbar erscheinen lasse. Lediglich der in § 823 I BGB generell irrelevante dogmatische Ansatzpunkt des "besonderen Umstands" war verfehlt. Im 1ae Vgl. oben 5. Kap. III. 14o

Vgl. oben 7. Kap. III 3.

Neumann-Duesberg, NJW 68, 1990 will anscheinend auch hier Anspruche aus Verletzung des Rechtsam Unternehmen geben. 142 OLG Mü. BB 64, 661. 141

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7. Kap.: Der Inhalt des Normzwecks in§ 823 I BGB

Kükenfall 143 kommt man deshalb mit der hier vertretenen Ansicht auch über die Verletzung des Rechts am Unternehmen zur Haftung, da nach dem vom BGH mitgeteilten Sachverhalt beim Bäumefällen zwecks Straßenverbreiterung ein Baum unmittelbar am Grundstück der geschädigten Geflügelzuchtfarm auf die dieses Unternehmen (mit-)versorgende Elektrizitätsfreileitung fiel. Als typisch gefährlich anzusehen ist u. U. auch die gezielte Abwerbung solcher qualifizierter Arbeitskräfte, die ausgesprochene "Mangelware" sind und deren Weggang zumindest kleinere Betriebe deshalb nur schwer verkraften können. Dies kann jedoch nur gelten, wenn sich der Abwerber von vornherein auf bestimmte individualisierte Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf noch laufende Arbeitsverträge derselben beschränkt, nicht aber dann, wenn diese sich bei ihm aus freien Stücken und auf allgemeine Stellungsangebote melden. Außerdem muß m. E. hinzukommen, daß der Abwerber versucht, den bisherigen Arbeitgeber bewußt erheblich zu überbieten; denn das Risiko normaler Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte trägt jeder Arbeitgeber prinzipeil selbst. Nur dann, wenn dem Arbeitnehmer durch überhöhte Angebote, die meist sogar die Übernahme der Konventionalstrafen vorsehen, der Vertragsbruch schmackhaft gemacht und dadurch dem Arbeitnehmer die von jedem Arbeitgeber hinzunehmende Entscheidungsfreiheit, zu bleiben oder zu wechseln, weitgehend genommen wird, übersteigt sein Verhalten die Schwelle der typischen Gefährlichkeit. Diese Fälle werden zwar oftmals mit denen der oben dargestellten finalen Überdetermination oder der Sittenwidrigkeit des § 826 BGB zusammenfallen. Immerhin kann die hier vorgetragene Ansicht aber auch dann noch zur Haftung führen, wenn Finalität oder Sittenwidrigkeit nicht nachweisbar sind, während sie andererseits weniger gravierende Fälle, deren Adäquanz zu bestreiten schwierig wäre, ausscheiden kann. Differenzierungen ergeben sich auch bei den Fällen der Verletzung betriebswichtiger Arbeitnehmer, soweit sie im oben144 präzisierten Sinne im Rechtsgutsbereich des Rechts am Unternehmen einmal Relevanz erlangen. Werden solche Arbeitnehmer z. B. während der erkennbaren Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit - also wiederum in der (hier: geistigen) Nähe zum Unternehmen- verletzt, bedeutet dies für den durchschnittlichen Betrachter, daß der Ausfall dieses Arbeitnehmers eine typische Gefahrensituation für das Funktionieren des Unternehmens darstellt. Die Verletzung desselben Arbeitnehmers infolge eines Autounfalls im normalen Straßenverkehr hingegen ist in keinem Falle geeignet, als typische Gefahrensituation für einen bestimmten Be143 H4

BGH 41, 123.

Vgl. oben 5. Kap. V.

VI. Typische Gefahr und "kritische Fälle"

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trieb angesehen zu werqen145 • Sieht man allerdings die obigen Einschränkungen im Rechtsgutsbereich und die hier zusätzlich vorgenommenen im Handlungsbereich zusammen, ergibt sich, daß die Möglichkeit der Verletzung des Unternehmens selbst durch Ausfall von Arbeitnehmern zwar theoretisch nicht ausgeschlossen werden kann, daß zur Ersatzverpflichtung führende Anwendungsfälle jedoch ziemlich selten sein werden. Alles in allem ändert sich durch die Normzwecktheorie und das Prinzip der typischen Gefahr an den Ergebnissen der Rechtsprechung zum Recht am Unternehmen also nicht allzu viel. Ich habe mir jedoch auch nicht zum Ziel gesetzt, die bisher gefundenen Einzelfallergebnisse der Rechtsprechung in möglichst großem Umfang anzugreifen; wesentliches Anliegen war vielmehr eine neue und gegenüber der unbefriedigenden Unmittelbarkeitsdoktrin des BGH überzeugendere dogmatische Grundlegung der bisherigen, weitgehend billigenswerten Ergebnisse.

145

Richtig deshalb das Urteil des OLG Celle BB 60, 117.

Zusammenfassung der aufgestellten Thesen Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung stellen sich zusammenfassend wie folgt dar: 1. Das noch herrschende Haftungsbeschränkungsmerkmal der "Unmittelbarkeit" des Eingriffs in das Recht am Unternehmen ist lediglich eine plakative Leerformel ohne eindeutig konkretisierbaren Gehalt, hinter der teils dogmatisch bedenkliche, teils überflüssige Kriterien stehen. Unter den Tatbestandsmerkmalen des § 823 I BGB hat diese "Unmittelbarkeit" keinen Platz.

2. Der Ansatz der h. L., das Recht am Unternehmen sei ein generalklauselartiges "sonstiges Recht" i. S. des § 823 I BGB, ist in sich widersprüchlich und schon deshalb verfehlt; ein "sonstiges Recht" muß immer ein absolutes, also u. a. ausreichend konturiertes Recht sein, was mit dem Begriff der Generalklausel jedenfalls unvereinbar ist. Deshalb kann ein absolutes Recht am Unternehmen nur anerkannt werden, wenn es mit den allgemeinen dogmatischen Erfordernissen des § 823 I BGB harmoniert und die auftretenden Detailprobleme aufgrund der Prinzipien, die für alle absoluten Rechte gelten oder zumindest gelten können, befriedigend zu lösen sind. 3. Am dreiteiligen Deliktsaufbau des § 823 I BGB sowie an der Indizierung der Rechtswidrigkeit im herkömmlichen Sinne wird festgehalten. 4. Der Begriff des absoluten Rechts hat sich seit dem Ende des letzten Jahrhunderts durch die gewaltigen sozialen und wirtschaftlichen Entwick:lungen in der Umwelt selbst ebenfalls notwendig gewandelt. Außerdem war und ist das absolute Recht nicht zweckfrei zu verstehen, sondern ausschließlich in seiner Orientiertheit an der Aufgabenstellung des Deliktsrechts. Deshalb ist weder ein positiv-rechtlich fixierter Zuweisungsgehalt noch die Verletzbarkeit des jeweiligen Rechts durch jeden Eingriff vorauszusetzen. Wesentlich ist vielmehr nur, daß ein absolutes Recht gegenüber jedem denkbaren Schädiger geschützt ist, daß seine Konturen bestimmt oder zumindest bestimmbar sind, sowie daß es besonders wichtig für das soziale Zusammenleben und außerdem "grob", also auch für den Durchschnittsmenschen leichterfaßbar ist. 5. Diese Voraussetzungen erfüllt das Recht am Unternehmen dann, wenn man es auf den Schutz der Produktions- und Absatzfähigkeit beschränkt, die ihrerseits klar bestimmbare und somit ausreichend kon-

Zusammenfassung der aufgestellten Thesen

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turierte, schutzfähige Essentialia des Unternehmens darstellen. Nicht unter die Essentialia fällt hingegen der gesamte Bereich der Chancenrealisierung. Gegen wettbewerbswidriges Verhalten, das sich nur in diesem Bereich auswirkt, schützt deshalb nicht § 823 I BGB, sondern nur das UWG. Fixiert man das Recht am Unternehmen auf diesen Kern, stellt es sich entgegen der h. L. als echtes absolutes sonstiges Recht im Sinne des § 823 I BGB dar; auch eine nicht finale, nicht betriebsbezogene Verletzung kann also deliktische Ansprüche auslösen. Daß die EssentiaHa unkörperlicher Natur sind, schadet nicht, da der Durchschnittsmensch ohne weiteres fähig ist, immaterielle Gegenstände und Rechtsgüter zu erkennen. 6. Im objektiven Tatbestand muß zukünftig das Verursachungs- bzw. Handlungselement in seiner objektiven Ausprägung stärker berücksichtigt werden, als dies bisher geschehen ist. Die Notwendigkeit hierzu ergibt sich aus dem zweiten grundlegenden Zweck des Deliktsrechts, nämlich das immer bestehende Spannungsverhältnis zwischen Einzelgüterschutz und allgemeiner Handlungsfreiheit zu lösen. Die Kriterien zur Lösung des Spannungsverhältnisses ergeben sich aus dem Gedankengut der Normzwecktheorie. 7. Der Inhalt der Normzwecktheorie ist in § 823 I BGB ein gänzlich anderer, als der in§ 823 li BGB. Deshalb sind die bisherigen Versuche, diesen Inhalt in einer unbestimmten Anzahl von besonderen Verhaltenspflichten zu sehen, verfehlt. Maßgebend ist vielmehr der streng objektive Maßstab der "typischen Gefahr". Das Erfordernis der Typizität folgt aus der "groben" Struktur des § 823 I BGB, der nur die relativ leicht erkennbaren Verletzungen sozial besonders wichtiger Rechtsgüter erfassen soll. Die typische Gefahr setzt eine exakte Bestimmung und Bewertung der objektiven Schadenshandlung unter Außerachtlassung jeglicher Pflichtverletzungsmomente, die richtigerweise in den Bereich der Schuld zu zählen sind, voraus. Dem Richter wird einmal bei der Auswahl der relevanten Handlungsumstände und zum anderen bei der Beurteilung, ob die so festgestellte objektive Handlung typisch gefährlich in Richtung des eingetretenen Erfolgs ist, ein Wertungsspielraum eingeräumt. Die Normzwecktheorie unterscheidet sich in der hier vertretenen Form in Ergebnis und Grundgedanken nur noch graduell von einer richtig verstandenen Theorie der kausalen Adäquanz. Die in jüngster Zeit massierten Angriffe gegen die Lehre von der Kausaladäquanz erweisen sich deshalb in dieser extremen Form jedenfalls als unberechtigt. 8. Die mit den dargestellten Mittel des objektiven Tatbestands nicht zu beantwortenden Fragen sind im Rahmen der Rechtswidrigkeit, insbesondere mit Hilfe des Rechtfertigungsgrundes der Wahrnehmung

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Zusammenfassung der aufgestellten Thesen

berechtigter Interessen, der nicht unbedingt auf die "sonstigen Rechte" beschränkt ist, sondern allgemein - jedenfalls aber beim Recht am Unternehmen- erhebliche Bedeutung hat, zu lösen.

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