Unsterblichkeitsglaube in den griechischen Versinschriften 3110281775, 9783110281774

Grabinschriften erlauben einen einmaligen Einblick in die Glaubenswelt desMenschen. Anhand von 64 Inschriften aus dem Mi

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Unsterblichkeitsglaube in den griechischen Versinschriften
 3110281775, 9783110281774

Table of contents :
Einleitung
1 Stand der Forschung
2 Sammlung
3 Aufbau der Arbeit
I Epigrammsammlung (Text, Übersetzung und Kommentar)
1 Feststellung der Dualität des menschlichen Wesens
2 Mythische Bilder als Träger des Unsterblichkeitsglaubens
2.1 Unter den Göttern
2.2 Mythische Jenseitsorte
2.3 Weitere Inschriften
3 Konditionale Unvergänglichkeit
4 Katasterismos und das Firmament als Zufluchtsort
5 Einflüsse der Kulte und der Philosophie
5.1 Das kalte Wasser des Lebens
5.2 Dionysische Tänze
5.3 Philosophie als Trost
6 Leugnung der Unsterblichkeit
II Analyse des Unsterblichkeitsglaubens
1 Einführende Bemerkungen
2 Mittler der Unsterblichkeit
2.1 Populäre Seelenlehre
2.2 Mittler der Unsterblichkeit ohne Bezug zur Seele
2.3 Konklusion
3 Qualitäten der Unsterblichkeit
3.1 Orte des ewigen Daseins
3.2 Ewige Beschäftigung
3.3 Konklusion
Schlußbilanz
Bibliographie
Indices
Index locorum
Index graecitatis
Index nominum
Index originum
Index rerum
Comparatio numerorum
Herkunfts- und Datierungstabelle

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Matylda Obryk Unsterblichkeitsglaube in den griechischen Versinschriften

Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte Herausgegeben von Heinz-Günther Nesselrath, Peter Scholz und Otto Zwierlein

Band 108

De Gruyter

Unsterblichkeitsglaube in den griechischen Versinschriften

von

Matylda Obryk

De Gruyter

ISBN 978-3-11-028177-4 e-ISBN 978-3-11-028196-5 ISSN 1862-1112 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2012 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/Boston Satz: Dörlemann Satz GmbH & Co. KG, Lemförde Druck: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ÜGedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

V

Danksagung Die vorliegende Arbeit ist eine stellenweise überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im Januar 2010 von der Philologischen Fakultät der Universität zu Köln angenommen wurde. Mein Dank gilt in erster Linie meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Jürgen Hammerstaedt, der die Entstehung der Arbeit nicht nur ermöglicht und inspiriert, sondern auch geduldig betreut hat. Herrn Prof. Dr. Jan Opsomer möchte ich an dieser Stelle für die Übernahme des Koreferats danken. Ein überaus großer Dank gebührt Herrn Prof. Dr. Rudolf Kassel für die zahlreichen und erhellenden Gespräche und seine unermüdliche Bereitschaft, sich meiner Dissertation anzunehmen. Nicht genug danken kann ich Herrn Dr. Klaus Maresch, der die Arbeit mit unzähligen Anregungen bereichert und sie vor etlichen Fehlern bewahrt hat. Für seinen Scharfsinn und seine geduldige Aufmerksamkeit möchte ich mich ganz besonders bedanken (selbstverständlich bin ich für die übriggebliebenen Mängel der Arbeit allein verantwortlich). Großer Dank gilt auch Herrn Dr. Gregor Staab, der mit seinen Vorschlägen, Korrekturen und eindringlichen Fragen die Entstehung der Dissertation ebenfalls verfolgte. Ohne Frau Dr. Charikleia Armoni wäre die Arbeit wahrscheinlich gar nicht zu ihrem Abschluß gekommen. Für ihren Rat, die Bereitschaft, ihre Erfahrungen mit mir zu teilen, und ihre stets aufmunternden Worte kann ich nicht gebührend danken. An dieser Stelle möchte ich mich auch bei allen Kölner Kollegen bedanken. Die Zeit in Köln war eine bereichernde Erfahrung für mich. Stellvertretend für alle möchte ich hier Herrn Dr. Philip Schmitz herzlichst danken. Während der Promotionszeit wurde ich erst von der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste und dann von der Studienstiftung des Deutschen Volkes gefördert, wofür ich mich an dieser Stelle herzlichst bedanken möchte. Herrn Prof. Nesselrath danke ich für wichtige Hinweise und die Aufnahme der Arbeit in die Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte.

VI

Danksagung

Mit besonderem Dank möchte ich meine Freunde und Familie bedenken, die mich durch diese Zeit mit Geduld und Wohlwollen begleitet haben. Nach guter Tradition widme ich dieses Buch meinen Eltern und Lehrern, ohne die ich nicht zu diesem Punkt gekommen wäre. Bochum, im Januar 2012

Matylda Obryk

VII

Inhalt

Inhalt Einleitung . . . . . . . . . 1 Stand der Forschung 2 Sammlung . . . . . 3 Aufbau der Arbeit .

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Feststellung der Dualität des menschlichen Wesens . . . . .

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I Epigrammsammlung (Text, Übersetzung und Kommentar) 1

Ewigkeit im Äther – Dank  erlangte Unsterblichkeit – Gewaltsame Spaltung – Seele bei den Göttern – Biblische Einflüsse – Mannigfaltigkeit der Zufluchtsorte – Jüdische Diaspora – Weihung einer Seele im Olymp – Heroinengleiche Seele

2

Mythische Bilder als Träger des Unsterblichkeitsglaubens .

38

2.1 Unter den Göttern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

Der neue Ganymed – Neuer Mundschenk – Dienerin dreier Göttinnen – Asklepiosschüler – Zehnte Muse – Neue Nymphen und Naiaden – Raub einer Ärztin – Jugendliche Götterlieblinge

2.2 Mythische Jenseitsorte . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

Auf der Wiese der Frommen – Im Elysium – Gaben der Göttinnen bescheren Glück – Vor Gericht – Übergang zur Stätte der Heroen – Persephone Psychopompos – Ewiger Frühling

3

2.3 Weitere Inschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

Konditionale Unvergänglichkeit . . . . . . . . . . . . . . .

78

Ruhm des Kriegers – Sterblicher gewährt Unsterblichkeit – Vereinigt mit dem Ehegatten – Zwei Arten des Nachlebens – Hoffnung auf Wiederkehr – Schlaf der Guten – Der Eros besiegt die Moira

4

Katasterismos und das Firmament als Zufluchtsort . . . . . Arateische Spuren in Milet – Ein junger Abendstern – Körperraub und Gottesrat – Unsterbliche Seele am Himmel – Gemeinschaft der Sterne im Olymp – Am Marstag in den Sternenhimmel gelangt – Astrologe unter Sternen – Priesterliche Himmelfahrt

94

VIII

5

Inhalt

Einflüsse der Kulte und der Philosophie . . . . . . . . . . . 116 5.1 Das kalte Wasser des Lebens . . . . . . . . . . . . . . 117 Der ergebene Diener – Das kalte Wasser des Osiris – Isis spendet reines Wasser – Blumengebendes Wasser für einen Wirt – Diener des abydenischen Osiris – Beinahe trostlose Liebe

5.2 Dionysische Tänze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Reine Priesterin des Dionysos – Ewiger Tänzer

5.3 Philosophie als Trost . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Mantel der Seele – Im Kerker des Körpers – Kurzer oder ewiger Schlaf? – Ein Philosoph am Firmament

6

Leugnung der Unsterblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 147 Leere Gunst – Grab als ewiger Zufluchtsort

II Analyse des Unsterblichkeitsglaubens 1

Einführende Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

2

Mittler der Unsterblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 2.1 Populäre Seelenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Seele als Lebenskraft (A1; A3; D7; B2; A11; A7; B16) – Die göttliche Seele wohnt bei den Seligen (A10; A2; A4; A6; A5; C5; B5; D4; A9; B13) – Seele als das Selbst (D5; E12; E9; E10) – Zwischenfazit

2.2 Mittler der Unsterblichkeit ohne Bezug zur Seele . . . 175 Entführung und Vergöttlichung (B7; B6; E8; B9; B10) – Leugnung des Todes. Schlaf (B6; B18; D6; B16; E1; D8; E11; C8) – Weitere Aspekte (B17; B2) – Materielle Mittler (C2; C1; C9; B19) – Zwischenfazit

2.3 Konklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 3

Qualitäten der Unsterblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 188 3.1 Orte des ewigen Daseins . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Grab als Ort des ewigen Daseins (C8; C9; B20) – Hades (B15; C7; E6) – Inseln der Seligen und das Elysium (B18; B12; D4; B8) – Äther (A1; A7; B2; B6; C4; A8; E2) – Sternenhimmel (D9; D6; E12) – Jenseits wird in der Gemeinschaft erfahren (A11; B7; B5) – Gedenken als Zufluchtsort (C2) – Zwischenfazit

3.2 Ewige Beschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Das Leben geht weiter (B4; A2; C9; C8) – Neues Leben (A5; B1; B2; B3; E8; E5; B7; B18) – Zwischenfazit

3.3 Konklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206

IX

Inhalt

Schlußbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 Indices . . . . . . . Index locorum . Index graecitatis Index nominum . Index originum . Index rerum . . .

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Comparatio numerorum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Herkunfts- und Datierungstabelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254

X

Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis Abkürzungen der Zeitschriften nach L’ Année philologique. Abkürzungen der griechischen Autoren nach LSJ und der lateinischen Autoren nach DNP. ALA ANRW BSAA Bull. épigr. CCL CEG CIG CIL DNP Epigr. Gr. FGE FGrHist G/P G/P Garl. GVI Hist. Wört. d. Phil. IAph2007 IG

Ch. Roueché, Aphrodisias in Late Antiquity: The Late Roman and Byzantine Inscriptions 2004 (http://insaph. kcl.ac.uk/ala2004). H. Temporini/W. Haase (edd.), Aufstieg und Niedergang der römischen Welt. Geschichte und Kultur Roms im Spiegel der neueren Forschung, Berlin/New York 1972ff. Bulletin de la Société archéologique d’Alexandrie Bulletin épigraphique, J. Robert/L. Robert et alii, Paris 1938ff. Corpus Christianorum Series Latina, Turnhout 1954ff. P. A. Hansen, Carmina Epigraphica Graeca I, Berlin 1983. Corpus Inscriptionum Graecarum, Berlin 1828ff. Corpus Inscriptionum Latinarum, Berlin 1893ff. Der Neue Pauly, Enzyklopädie der Antike, ed. H. Cancik/H. Schneider et alii, Stuttgart 1996–2003. G. Kaibel, Epigrammata Graeca ex lapidibus conlecta, Berlin 1878. D. L. Page, Further Greek Epigrams, Cambridge 1981. F. Jacoby, Die Fragmente der griechischen Historiker, Berlin 1923–1930. A. S. F. Gow/D. L. Page, The Greek Anthology. Hellenistic Epigrams I–II, Cambridge 1965. A. S. F. Gow/D. L. Page, The Greek Anthology. The Garland of Philip I–I I, Cambridge 1968. W. Peek, Griechische Versinschriften I: Grabepigramme, Berlin 1955. Historisches Wörterbuch der Philosophie, edd. J. Ritter/ K. Gründer/ G. Gabriel, Darmstadt 1971–2007. J. Reynolds/Ch. Roueché/G. Bodard, Inscriptions of Aphrodisias 2007 (http://insaph.kcl.ac.uk/iaph2007). Inscriptiones Graecae, Berlin 1873ff.

Abkürzungsverzeichnis

IGUR

XI

L. Moretti, Inscriptiones Graecae Urbis Romae I–I V, Rom 1968–90. IK Inschriften griechischer Städte aus Kleinasien (Öster. Akad. Wiss./ Nordrhein-Westfälische Akad. Wiss.), Bonn 1972ff. IMEG É. Bernand, Inscriptions métriques de l’ Égypte grécoromaine, Paris 1969. IMT KyzProp M. Barth/J. Stauber (edd.), Inschriften Mysia und Troas, Leopold-Wenger-Institut, Universität München, Version of 25. 8. 1993 (Ibycus). Packard Humanities Institute CD #7, 1996, Mysia, „Kyzikene, Propontisküste“, nos. 1860–2010. K.-A. R. Kassel/C. Austin, Poetae Comici Graeci, Berlin/New York 1983ff. KST Kazi Sonuçlari Toplantisi, Ankara. LfÄ W. Helck/W. Westendorf, Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975–92. LThK Lexikon für Theologie und Kirche, Freiburg 1993–2001. LSAM F. Sokołowski, Lois sacrées de l’Asie Mineure, Paris 1955. LSJ H. G. Liddell/R. Scott/H. S. Jones, A Greek-English Lexicon, Oxford 19409. LSJ Suppl. H. G. Liddell/R. Scott/H. S. Jones, A Greek-English Lexicon, Revised Supplement, ed. P. G. W. Glare/A. A. Thompson, Oxford 1996. PEG A. Bernabé, Poetae Epici Graeci I–II, München/Leipzig 1996–2007. PG Patrologia Graeca, ed. J. Migne, Paris 1857–66. PMG D. L. Page, Poetae Melici Graeci, Oxford 1962. RAC Reallexikon für Antike und Christentum, Stuttgart 1950ff. RE Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, ed. G. Wissowa et al., Stuttgart 1894–1980. SEG Supplementum epigraphicum Graecum, Leiden/Amsterdam 1923ff. SGO R. Merkelbach/J. Stauber, Steinepigramme aus dem griechischen Osten I–V , Leipzig 1998–2004. SVF Stoicorum Veterum Fragmenta, ed. H. von Arnim, Stuttgart, 1903–1924. Sylloge L. Vidman, Sylloge Inscriptionum Religionis Isiacae et Sarapiacae, Berlin 1969. TAM Tituli Asiae Minoris, Ed. Öster. Akademie der Wissenschaften, Wien 1901ff.

XII

ThGrFr VS

Abkürzungsverzeichnis

Theosophorum Graecorum Fragmenta, ed. Erbse, Stuttgart 1995. H. Diels/W. Kranz, Die Fragmente der Vorsokratiker I–III, 1951–526.

Kritische Zeichen In den antiken Texten bezeichnen: [ ] Lücken durch Beschädigung des Steines, ggfs. durch Konjektur ergänzt < > ergänzte Auslassungen des überlieferten Textes { } aus dem überlieferten Text Auszuschließendes (Athetese) ( ) Auflösung von Abkürzungen des überlieferten Textes  (Unterpunkt) unsichere Lesung eines Zeichens * (Asteriskus) vom Editor korrigierte Lesung eines einzelnen Buchstabens | Zeilenumbruch in der Inschrift / Versgrenze † Textfehler ohne plausible Verbesserungsmöglichkeit (crux desperationis). In C4 Bezeichnung für christliche Herkunft

Einleitung

1

Einleitung Die Grundfrage dieser Studie betrifft die Glaubenswelt der griechischen Grabinschriften. In ihrem Zusammenhang erscheint der Unsterblichkeitsglaube als ein signifikantes Phänomen, das für das Erfassen des Selbstverständnisses und der Mentalität der Griechen unentbehrlich ist. Als Grundlage für diese Untersuchung wurden metrische Inschriften gewählt. Inschriften gewähren einen Einblick in diesen Bereich der griechischen Kultur, der von den gestalterischen Prozessen der überlieferten Literatur weitestgehend verschont blieb, und somit ermöglichen sie, die Gedankenwelt der Menschen, ihre Vorstellungen und Vorlieben in divergierenden sozialen Zusammenhängen zu erspüren.1 Das Metrum der Inschriften transportiert zugleich die in diesen Zusammenhängen wirksame Konstanz sprachlicher und geistiger Traditionen. Es beweist und garantiert eine gewisse Bildung sowohl der Auftraggeber als auch der Dichter.2 Die Versinschriften scheinen zudem ebenfalls die Erkenntnisse der Philosophie und die Tradition der Literatur miteinzubeziehen. Auch zahlreiche kulturelle Erscheinungen und Entwicklungen, wie z.B. das Hervorsprießen neuer Kulte, wirken sich prägend auf die Grabepigramme aus. Die dichterische Form konserviert zudem Ansichten und Formeln, die nicht zwangsläufig der realen Glaubenswelt der unmittelbaren Rezipienten entsprachen. Da die Inschriften einen wichtigen Bestandteil des öffentlichen Stadtbildes darstellten,3 mußten die Inhalte mit den Erwar1

2 3

Die Literatur liefert nämlich ein nicht unbedingt maßgebliches Bild der Vorstellungen, da sie gewissen Umwandlungen und Bearbeitungen seitens der Dichter unterliegen. Die Wahl der Grabinschriften ist ein Versuch, die unklaren und veränderlichen Konzepte der populären Auffassung festzuhalten. Zu dem Unterschied in der Erfassung der Vorstellungen vgl. Solmsen: „Greek literature as far as it is preserved may not be a reliable and it certainly is not a complete mirror of beliefs regarding man’s fate after death that were current at any given time. A poet when recording such a belief is almost bound to make it more articulate, filling it with details and giving firm outlines to conceptions which in the minds of his countrymen were vague and fluctuating“ (p. 412). Obgleich man zahlreiche Unvollkommenheiten sowohl im dichterischen Ausdruck als auch im Metrum konstatieren muß, ist die Bemühung um eine solche Form maßgeblich für die Auswahl der dieser Studie zugrundeliegenden Inschriften. Es ist eine bekannte Tatsache, daß die griechischen Nekropolen am Rande der Ausfallstraßen plaziert waren (vgl. Bruss, pp. 38f.). Humphreys vermutet, daß je begangener die Straße, desto höher der Wert der Grabstelle war (1983, pp. 91f.).

2

Einleitung

tungen der Leser in gewissem Grade konform bleiben.4 Für diese Studie ist nicht entscheidend, ob die Auftraggeber der Inschriften die in den Epigrammen dargestellten Ansichten und Vorstellungen teilten. Maßgeblich ist vielmehr die Präsenz gewisser Denkmuster und Formulierungen, da sie das kollektive Bewußtsein beeinflussen und somit einen Ausschnitt des Gesamtbildes der griechischen Mentalität darstellen. Ähnliche Muster und Ideen treten über Jahrhunderte hinweg in unterschiedlichen Gegenden immer wieder hervor. In der Forschung wird heutzutage die Theorie vertreten, daß es in der Antike Dichterhandbücher gegeben haben muß, aus denen nach Geschmack und Überzeugung Motive für die Grabgedichte geschöpft werden konnten.5 Wenn sich die Dichter bzw. die Auftraggeber bestimmter dichterischer Muster bedienten, steht dies der Untersuchung der Glaubenswelt der Grabinschriften nicht im Wege, da anzunehmen ist, daß die benutzten Motive der Gedankenwelt der Rezipienten entsprachen (vgl. oben adn. 4). Die Vorstellungswelt der griechischen Inschriften erscheint als ein heterogenes und von Pluralität geprägtes Phänomen. Divergierende Ansätze scheinen zu jeder Zeit und ortsunabhängig gleichberechtigt nebeneinander präsent gewesen zu sein. Somit wird in den Inschriften die Vielfalt der griechischen Kultur gespiegelt, die mehrfach von Forschern betont wurde.6 Demzufolge kann keine lineare Entwicklung der Vorstellungen beobachtet werden. Gewisse Muster scheinen mit geringfügigen Abwandlungen stets ihre Präsenz zu zeigen.7 4

5

6 7

Dazu vgl. Lougovaya, p. 2: „Verse epitaphs can be expected to follow certain patterns, primarily because their subject matter is limited to the purpose of sepulchral inscriptions (identification of the burial and commemoration of the deceased) and because they are designed to be consumed by a fairly wide circle of literate people (and thus to conform to these people’s expectations)“. Das, was in großem Ausmaß für die Privatinschriften galt, ist noch relevanter für die staatlich finanzierten Denkmäler (z.B. die Polyandria A1 und C1). Bei dem Phänomen des Einflusses der Grabinschriften auf das kollektive Bewußtsein ergibt sich natürlich die Frage nach der Schriftlichkeit in der Antike. Ohne daß die an den Gräbern vorbeiziehenden Wanderer die Inschriften verstehen konnten, ist jeglicher Einfluß der Epigramme auf die Gedankenwelt undenkbar. Dies ist jedoch eine strittige Angelegenheit, und somit sei nur auf das Buch von Harris verwiesen (passim). Diese These stellte zuerst Cagnat auf. Ihm folgen u.a. Lattimore (pp.18–20) und Griessmair (p. 27). Drew-Bear führt zu ihrer Bekräftigung die Fallstudie einer phrygischen Inschrift an (passim). Häusle referiert breit die diesbezügliche Diskussion und sammelt die Literatur zu diesem Thema bis 1980 (pp. 15–28). Bing und Bruss behaupten, daß solche Handbücher bzw. Musterbücher den Ursprung der ersten Epigrammanthologien darstellten (pp. 6f. adn. 26). Vgl. z.B. Armstrong (1987, p. 14); Humphreys (1978, p. 188). Selbst wenn dieses Phänomen auf die Existenz der Dichterhandbücher zurückgeführt werden sollte, gilt stets die Prämisse, daß auch in diesem Fall die Präsenz gewisser Vorstellungen von den unmittelbaren Rezipienten akzeptiert und gebilligt werden mußte (vgl. oben adn. 4). Selbstverständlich kann der Gebrauch solcher Vorlagen als eine Konvention bzw. Tradition verstanden werden und auf diese Weise keine objektive Aktualität tragen. Er markiert jedoch die Vorlieben und Entscheidungen der Auftraggeber und Dichter.

Einleitung

3

Daneben muß ausdrücklich betont werden, daß die Inschriften, die jenseitsbezogene Aussagen enthalten, in weitaus geringerer Zahl vorkommen als solche Inschriften, die derartiger Reflexionen entbehren. Nach dem Grund für das Schweigen der meisten Inschriften gegenüber der eigentlich naheliegenden Frage nach dem Jenseits, welche sich bei einem Todesfall stellt, wird hier jedoch nicht gesucht, da jede Aussage in diesem Zusammenhang spekulativ sein müßte.8 Man muß sich jedoch bei der Untersuchung des Unsterblichkeitsglaubens des Phänomens der bloß marginalen Präsenz derartiger Gedanken stets bewußt sein. Die Jenseitsvorstellungen der griechischen Inschriften erfuhren im Laufe der Zeit einige Aufmerksamkeit (vgl. 1 Stand der Forschung). Bei der Untersuchung des Unsterblichkeitsglaubens stellen die Motive der Jenseitsdarstellungen jedoch lediglich einen Teilaspekt dar. In dieser Studie wurde der Versuch unternommen, ein ganzheitliches Bild der Unsterblichkeitsvorstellungen zu liefern.9 Dazu gehören neben der Untersuchung der Jenseitsbilder auch Überlegungen zum Mitter der Unsterblichkeit10 und über die Beschaffenheit der Ewigkeit, ihrer Orte und der dort verrichteten Tätigkeiten. Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Aspekte ist ein tieferer Einblick in die Glaubenswelt der griechischen Inschriften zu erhoffen.

1 Stand der Forschung Das Interesse der Gelehrten haben die griechischen Grabinschriften immer wieder geweckt. Ihrer Vorstellungswelt und der Topik der Jenseitshoffnungen wurde dabei schon manche Bemerkung gewidmet, die Glaubenswelt der Grabepigramme dagegen, besonders das Phänomen des Unsterblichkeitsglaubens, erfuhr erstaunlich wenig Aufmerksamkeit. In diesem Zusammenhang wurden die Grabinschriften selten eigens betrachtet, sondern fanden eine Erwähnung meist im Rahmen allgemeiner Untersuchungen. 8

9

10

Um dies zu erklären, werden grundsätzlich zwei Argumente angeführt. Das eine betont, daß der Unsterblichkeitsglaube weithin präsent war, und daher nicht immer verbalisiert werden mußte. Das andere besagt, daß den meisten Griechen solche Überlegungen fremd waren, da sie von Natur aus stark im Leben verankert waren (Rohde II, pp. 380f). Die Vorstellungen, die hier pauschal Unsterblichkeitsglaube genannt werden, können in einigen Fällen weiter differenziert werden. Unter gewissen Umständen wird nämlich im Gegensatz zur ewigen Unsterblichkeit von einem Weiterleben berichtet, das als befristet gilt. Dieses Phänomen wird an Ort und Stelle eigens hervorgehoben. Um die Darstellung einfach zu halten, wird im Folgenden grundsätzlich von einem Unsterblichkeitsglauben gesprochen. Unter „Mittler“ wird im Folgenden das Objekt verstanden, dem die Unsterblichkeit bzw. das Nachleben zukommt.

4

Einleitung

Auf diese Weise behandelt die Grabepigramme bereits Rohde in seinem grundlegenden Werk über den Seelenkult und den Unsterblichkeitsglauben der Griechen. Die Grabinschriften dienen dort der Untersuchung des Volksglaubens, ohne daß sie jedoch eine explizite Aufmerksamkeit erfahren und in ihrer Gesamtheit untersucht werden.11 Auch die bedeutenden Abhandlungen über die griechische Religion und über den Glauben beachten die Inschriften nur am Rande.12 Einige Autoren widmeten ihre Aufmerksamkeit im Zusammenhang der Jenseitsuntersuchungen ausschließlich den Grabinschriften. Den tour d’ horizon der grabinschriftlichen Jenseitsvorstellungen eröffnet Carl Maria Kaufmann mit seinem Beitrag zur monumentalen Eschatologie aus dem Jahre 1897. Er behandelt sowohl die griechischen als auch die lateinischen Inschriften in chronologischer Reihenfolge. Diese Vorgehensweise erlaubte ihm nicht, Muster und Topoi der griechischen Inschriften deutlich zu erfassen, da mehrere Jenseitsbilder in ähnlicher Form immer wieder beobachtet werden können und oftmals kaum einem Wandel im Laufe der Zeit unterliegen. Franz Cumont widmete den Grabinschriften ebenfalls viele seiner Werke und untersuchte vorwiegend ihre Jenseitsvorstellungen im Zusammenhang der Literatur, Mythologie und Religionsgeschichte.13 Den ersten großen Versuch, die Inschriften dem Inhalt nach zu ordnen, unternahm Richmond Lattimore in seinem bedeutenden Werk Themes in Greek and Latin Epitaphs. Er erkennt acht große Themenbereiche und führt mehrere Tausende Inschriften an, die jedoch nicht in ihrer Gesamtheit präsentiert werden. Es werden lediglich die für den jeweiligen Topos relevanten Zeilen exemplarisch zitiert. Fast ein halbes Jahrhundert später befaßte sich Anne Le Bris mit einer ähnlichen Aufgabe. Sie untersuchte die Jenseitsvorstellungen in den Grabinschriften, die in dem ersten Band der Steinepigramme aus dem griechischen Osten (SGO) gesammelt wurden. Auch sie führt lediglich die für die Fragestellung zentralen Zeilen der jeweiligen Inschriften an und liefert somit dem Leser nicht den für die Interpretation oft nützlichen Kontext. Mit den Fragen der Jenseitsvorstellungen der Grabepigramme beschäftigte sich auch Imre Peres in seinem Werk, das die griechischen Grabinschriften in den Zusammenhang der neutestamentlichen Eschato11 12

13

Rohde II pp. 336–404. Wilamowitz-Moellendorff behandelt die Grabinschriften in seinem Werk über den Glauben der Hellenen lediglich am Rande und pauschal (z.B. II 1931–32, p. 516); Burkert benutzte die Grabinschriften als Quelle in seiner Untersuchung der griechischen Religion (1977, bes. pp. 291–297); Nilsson widmet den Inschriften einige wenige Seiten (II 19612, pp. 232f.). Vgl. Cumont 1922, 1942, 1949, 1959.

Einleitung

5

logie stellt. Als Theologe ist er vor allem daran interessiert, den Hintergrund des christlichen Glaubens zu erspüren. Seine Untersuchung stützt sich auf eine Sammlung von ca. 1000 Inschriften, die zwar in ihrer Gesamtheit zitiert werden, dennoch fehlt ihnen eine philologische Untersuchung. Sie werden unmittelbar in den Zusammenhang der eschatologischen Überlegungen des Neuen Testaments gestellt. Die griechischen Grabinschriften erfuhren im letzten Jahrzehnt auch in anderen Zusammenhängen beträchtliche Aufmerksamkeit. Hervorgehoben seien die Untersuchungen von Julia Lougovaya und Christos Tsagalis. Lougovaya untersucht die attischen Grabinschriften des sechsten bis hin zum vierten Jahrhundert v. Chr. in ihrem historischen Kontext, um ihren sozialhistorischen Wert aufzuzeigen.14 Tsagalis behandelt die attischen Grabepigramme des vierten Jahrhunderts und untersucht sie unter Aspekten wie Metrum, Grammatik, Stil und Gebrauch von gnomischen Wendungen etc. Das neu erschienene Band herausgegeben von Baumbach et al. behandelt das archaische und klassische Epigramm, wobei die Grabinschriften als eine Untergruppe aller Epigrammarten vertreten sind. Das Phänomen des Unsterblichkeitsglaubens in den Grabinschriften, das die zentrale Frage dieser Untersuchung darstellt, ist von Forschern bis jetzt kaum berücksichtigt worden. Dieses Thema umfaßt nämlich neben der Problematik der eschatologischen Vorstellungen auch die Frage nach dem Mittler der Unsterblichkeit und nach der Beschaffenheit der Ewigkeitsorte (vgl. den zweiten Teil der vorliegenden Untersuchung). Demzufolge war es auch nötig, sich auf einige Studien zu stützen, die sich auf die Philosophie und Literatur beschränken.15 Besonders ergiebig für das Verständnis des Unsterblichkeitsglaubens der Grabepigramme, vor allem der grabinschriftlichen Seelenlehre, erwiesen sich dabei Untersuchungen der frühen griechischen jenseitsbezogenen Konzepte, da diese sich am deutlichsten in dem inschriftlichen Material zu spiegeln scheinen. Eine explizite Untersuchung des Unsterblichkeitsglaubens der griechischen Inschriften blieb bis jetzt jedoch aus. Armstrong bemängelte schon 1986 das unzureichende Wissen über die Spiritualität des ‚normalen‘ Menschen,16 und auch Imre Peres betonte das schon von älteren Gelehrten erwähnte Forschungsdesiderat im Bereich der Erforschung der griechischen Glaubenswelt.17 14 15 16 17

An dieser Stelle muß ein besonderer Dank Julia Lougovaya zukommen, die bereitwillig Einsicht in ihre bis jetzt unveröffentlichte Dissertation gewährt hat. Die Literatur zur Seelenlehre der griechischen Philosophie ist unüberschaubar. Hier zu nennen sind vor allem die Untersuchungen der homerischen Seelenlehre von Bickel, aber auch die Werke von Rüsche, Bremmer, Claus, Kalogerakos. Vgl. auch II 1. Armstrong 1986, p. XIX. Peres, p. 18.

6

Einleitung

2 Sammlung Die Grundlage der vorliegenden Untersuchung bildet ein Katalog von 64 Grabepigrammen, die aus der großen Zahl der metrischen griechischen Inschriften ausgewählt wurden.18 In der vorliegenden Sammlung wurde das Kriterium des Metrums bis auf eine einzige Ausnahme stringent durchgehalten.19 In Anbetracht des großen Materialumfangs wurde eine exemplarische Auswahl getroffen, wobei das inhaltliche Kriterium entscheidend war. Bei der Sichtung des Materials konnten fünf Haupttopoi des Nachlebens herauskristallisiert werden. Die ausgewählten Inschriften dienen als Exempel für den jeweiligen Topos. Demzufolge wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Die Grabepigramme stammen aus dem griechischsprachigen Raum des Mittelmeergebietes (die meisten Inschriften kommen aus Kleinasien, Ägypten und Rom). Sie umfassen sowohl ein weites geographisches als auch zeitliches Spektrum, denn die älteste Inschrift ist 432 v. Chr., die jüngste ca. 480 n. Chr. zu datieren. Da die christlichen Inschriften eine vollkommen neue Kategorie bilden, obgleich sie oftmals in großem Umfang aus der Topik der paganen Inschriften zu schöpfen scheinen, wurden sie in dieser Sammlung nicht erfaßt.20 Da es sich in dieser Studie um die historische Erfassung des Unsterblichkeitsglaubens handelt, wurden ausschließlich inschriftlich überlie18

McLean betont, daß die Grabinschriften zu den zahlreichsten Inschriftengruppen gehören (p. 260). Peres schätzt die Zahl der griechischen nichtchristlichen Grabepigramme auf etwa 5000 (p. 5). Unter ihnen bringt erstaunlicherweise lediglich ein kleiner Teil eine Reflexion über das Nachleben zum Ausdruck. Als Ausgangsbasis für die Auswahl dienten die Sammlungen von Kaibel (Ep. Gr.), Peek (GVI), Bernand (IMEG) und Merkelbach/ Stauber (SGO). Am Rande wurden auch Einzelpublikationen und kleinere Sammlungen berücksichtigt (vgl. Fontes in der Bibliographie). 19 Eine Ausnahme bildet die Inschrift E2, die in stilisierter Prosa verfaßt worden ist. Aufgrund des Formulars und der sichtlichen Bemühung des Dichters, den Anforderungen der dichterischen Sprache nahezukommen, wurde sie in diese Sammlung aufgenommen. 20 Die einzige Inschrift, die aufgrund des vor dem Text plazierten Kreuzes als christlich zu bestimmen ist, ist C4. Sie fügt sich jedoch sonst nahtlos in den Zusammenhang der paganen Topik. Da sie das Schicksal nach dem Tode von äußeren Umständen abhängig macht und somit das Phänomen der Konditionalität treffend illustriert, wurde sie in die Sammlung aufgenommen. In den Epigrammen A6 und A7 ist höchstwahrscheinlich von einem jüdisch-christlichen Einfluß zu sprechen, da der Verfasser sich an Septuaginta-Passagen anzulehnen scheint. Dieser Bezug ist jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach als eine sprachliche Anlehnung zu deuten. Das Epigramm A9 trägt in Bezug auf den Inhalt, obgleich eindeutig als jüdisch zu kennzeichnen, keine Spuren eines anderen als hellenischen Einflusses. Lediglich in B20 ist an eine Anlehnung an die christliche Topik zu denken, wobei christliches Weltbild in weiterem Ausmaß nicht vorhanden ist.

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ferte Epigramme berücksichtigt, um den Bezug zur Wirklichkeit sicherzustellen.21 Die Inschriften werden vollständig angeführt und nach ihrer neuesten Edition zitiert.22 Im kritischen Apparat werden Abweichungen von der zitierten Edition und bedenkenswerte Alternativen vorgeschlagen, aus denen sich für die Interpretation des Gedichtes relevante Gegenvorschläge ergeben. In den meisten Fällen wird die in der Edition vorgeschlagene Datierung übernommen. Neben der Datierung wird auch der Fundort genannt, um die Erfassung der geographischen Streuung der jeweiligen Motive und Vorstellungen zu ermöglichen. Jeder Inschrift werden eine eigene Übersetzung sowie ein Kommentar beigefügt, der sich oft aus zwei Teilen zusammensetzt. In Petit werden eventuelle Angaben über das begleitende Relief sowie Grammatik, Stilistik, Metrik und über die Überlegungen des Editors gemacht. Dieser Kommentar beschränkt sich darauf, die für die gegenstandsbezogene Interpretation unabdingbaren Informationen zu liefern. Danach folgt der interpretatorische Kommentar. Dort werden die für die Fragestellung relevanten Zusammenhänge angeführt und schwierige Passagen beleuchtet, die für die Gesamtinterpretation und das Verständnis des Epigramms unentbehrlich erscheinen.

3 Aufbau der Arbeit Die vorliegende Untersuchung setzt sich aus zwei Großabschnitten zusammen. Der erste umfaßt den Katalog der 64 Grabinschriften (vgl. 2 Sammlung). Die gesammelten Epigramme wurden dort dem Inhalt nach in fünf Kapitel gegliedert und mit einer zweistufigen Numerierung versehen. Der Buchstabe entspricht dem Kapitel, die Zahl dem Epigramm innerhalb des Kapitels (z.B. E2 befindet sich im Kapitel I 5 an der zweiten Stelle). Das erste Kapitel umschließt die Inschriften, die die Dualität des menschlichen Wesens konstatieren, indem sie die Seele und den Körper im Moment des Todes scharf voneinander trennen und ihnen jeweils ein anderes Schicksal zuteilen. Bisweilen muß es sich nicht explizit um die Seele handeln, sondern z.B. bloß um das Lebensprinzip oder den Atem. Die Spaltung des Menschen im Tode stellt das entscheidende Kriterium für die Zuordnung zu diesem Kapitel dar.

21 22

Anders geht in seiner Untersuchung Peres vor, der ebenfalls die in den Anthologien erfaßten literarischen Epigramme berücksichtigt. Dabei wurden jedoch die älteren Editionen konsultiert und in Auswahl Textvorschläge in den Apparat aufgenommen.

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Das nächste Kapitel sammelt Epigramme, die sich eines mythischen Bildes bedienen, um bestimmten Jenseitsvorstellungen einen Rahmen zu schaffen. In diesem Kapitel sind einerseits personenbezogene mythische Vorstellungen zu finden, in denen der Verstorbene eine zentrale Rolle im Geschehen spielt (z.B. als ein neuer Ganymed), andererseits die aus den Mythen geschöpften Jenseitsvorstellungen. Im Anschluß werden Inschriften mit ungewöhnlichen und auffälligen Bezügen zu den Mythen gesammelt (z.B. eine Blumenmetamorphose). Im dritten Kapitel wird ein weiteres Phänomen der griechischen Vorstellungen vom Nachleben untersucht. Die Unsterblichkeit bzw. das Nachleben wird in den Zusammenhang der Verdienste gestellt, die der Mensch zeit seines Lebens erwirbt, und wird somit an Bedingungen gebunden. Die Unsterblichkeit wird demzufolge nicht als ein Grundmerkmal des Menschen betrachtet, sondern erfordert ihrerseits das Erfüllen gewisser Bedingungen. Solch ein Weiterleben wird im folgenden als konditionale Unvergänglichkeit definiert. In einer bedeutenden Anzahl der in diesem Kapitel betrachteten Epigramme wird von einem befristeten Weiterleben ausgegangen, das im Gegensatz zu einer ewigen Unsterblichkeit steht (vgl. oben p. 3 adn. 9). Das anschließende Kapitel sammelt Inschriften, die den Menschen entweder als einen Stern nach dem Tode verstehen (Katasterismos) oder ihn unter die Sterne versetzen. Im fünften Kapitel finden sich Epigramme, die von religiösen bzw. philosophischen Bewegungen der Antike stark beeinflußt sind. Es handelt sich dabei aber nur in den seltensten Fällen um Zeugnisse einer tiefen philosophischen Überzeugung. Im sechsten Kapitel finden sich schließlich Beispiele einer expliziten Leugnung der Unsterblichkeit und der Verneinung jeglicher Existenz nach dem Tode. Auffällig erscheint jedoch, daß solche Epigramme gleichfalls eine trostspendende Funktion haben. Aufgrund der Ähnlichkeit ihrer Funktion wurden auch diese wenigen Epigramme der Arbeit beigefügt. Einige Inschriften hätten auch in mehreren Kapiteln gleichzeitig erscheinen können, da sie unterschiedliche Motive aufweisen und die Zuordnung nicht immer eindeutig ist. Das im Vordergrund stehende Motiv spielte bei der Zuweisung eine entscheidende Rolle. In einem solchen Fall wurde an der anderen möglichen Stelle auf die Erwähnung desselben Epigramms verzichtet.23 Der zweite Großabschnitt der Arbeit geht auf die einzelnen Bestandteile des Unsterblichkeitsglaubens ein. Im ersten Kapitel wird der Mittler der vermeintlichen Unsterblichkeit behandelt. Dabei kristallisiert sich 23

Z.B. könnte das Epigramm D9 auch im Kapitel I 5 erscheinen.

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eine Seelenlehre populärer Auffassung heraus. Die Betrachtung der außerseelischen Mittler der Unsterblichkeit ergab einen interessanten Einblick in das Verständnis des menschlichen Wesens, das ausschließlich diesseitig aufgefasst wurde. Zuweilen wird sogar von der Erhebung der Person in toto berichtet. Das anschließende Kapitel befaßt sich mit der Beschaffenheit der Ewigkeit, ihren Orten und den dort verrichteten Aktivitäten. Die Diskussion dieser Phänomene verhilft zum weiteren Verständnis der Beschaffenheit der Unsterblichkeit.

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I Epigrammsammlung (Text, Übersetzung und Kommentar)

1 Feststellung der Dualität des menschlichen Wesens

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1 Feststellung der Dualität des menschlichen Wesens Die Beobachtung des Sterbeprozesses führt zu der Feststellung, daß das menschliche Wesen von zwei grundsätzlich verschiedenen Elementen geprägt ist. Das Entschwinden des Atems verursacht den Tod bzw. ist als erstes Merkmal des Todes zu beobachten. Somit ist der Atem als das Lebensprinzip schlechthin aufgefaßt worden.   bezeichnet ihrer Grundbedeutung nach etwas Luftartiges, Hauchartiges, im Atem des Lebenden sich Zeigendes (vgl.   ). Da die Seele anfänglich als Hauch empfunden wurde, war ihre Verwandtschaft mit den Winden und Lüften naheliegend. Rüsche sammelte Indizien für die Vorstellung, daß die Seele mit dem Atem bzw. durch die Öffnung einer Wunde aus dem Körper weicht.1 Platon bezeugt im Phaidon diese Vorstellung, nach der die Seele sich im Wind auflöst oder sogar zerstückelt wird, wenn sie während eines starken Sturmes entschwindet (77d 6–e 1). Spuren eines solchen Glaubens treten auch in den unten gesammelten Inschriften auf. Schon Homer deutet die eben skizzierte dualistische Auffassung des Menschen an. Wenn die Seele den Körper verläßt, erfährt der Mensch eine Spaltung im Tode. Die Seele wird als ein schattenhaftes Wesen betrachtet, das nach dem Tode eine erbärmliche Existenz führen muß; sie ist nur ein Phantom des Körpers (vgl. Vernant, pp. 186–89). Bemerkenswert ist, daß die Dualität des Menschen bei den ersten griechischen Anthropogonien keine Rolle spielt. Nach der bekannten Sage erschuf Prometheus den Menschen aus Lehm (vgl. Philemon, fr. 93 K.-A.; Aristoph. Av. 686).2 Eine Seele wird ihm in dieser Mythenversion jedoch erst sehr viel später zugesprochen. Nach der Vermutung von Lentz ist es Aelius Herodianus, ein kaiserzeitlicher Grammatiker, der in seinem Traktat über Orthographie eine dualistische Konzeption der Schöpfung durch Prometheus bezeugt, indem er sagt, daß Menschen auf Zeus’ Befehl hin erschaffen worden sind und daß ihnen das Leben eingehaucht wurde.3 1 2 3

Rüsche 1930, p. 47: z.B. Hom. Il. XXII 475f. Eine weitere Erwähnung findet Prometheus als Menschenbildner im 4. Jh. v. Chr. bei Herakleides Pontikos (nach Schol. Arat. 102). Vgl. W. Kraus/L. Eckhart, Art. Prometheus, RE XXIII 1, 1957, 696–698. Das Zitat stammt aus dem Lexikon von Stephanos von Byzanz s.v. #I  und wurde von Lentz Aelius Herodianus zugeschrieben (Hdn. Gr. III 2, 499, 8, FGrHist 800 F3):

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I Epigrammsammlung (Text, Übersetzung und Kommentar)

Daß dieser Aspekt des menschlichen Wesens in literarischen Kontexten verschwiegen bzw. nicht behandelt wird, wirkt gegenüber der oftmals in den folgenden Inschriften erwähnten Dualität erstaunlich. Die Beschaffenheit der Seele variiert in den Vorstellungen, die Trennung der zwei Hauptbestandteile des Menschen nach dem Tode tritt jedoch häufig zutage. Ewigkeit im Äther In der Schlacht von Poteidaia, die unmittelbar vor dem Ausbruch des peloponnesischen Krieges stattfand, fielen, wie Thukydides bezeugt, 150 Athener.4 Die berühmte Inschrift, die den Gefallenen von Poteidaia gewidmet wurde, verdient es, an erster Stelle aufgeführt zu werden. Sie krönte ein Polyandrion auf dem athenischen Kerameikos.5 A1 CEG I 10; Athen; 432 v. Chr.

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5

$  [ vvcvvcvvcv] c   $ [ξ  Λ λ cc c] λ POONOCENEC[ cvvcvvcvvcv]   !  Λ # "!% &[  ]. 'ξ ξ &c (c ) c, c[ ξ μ]  Λ , P c # $&λ  !c "[  ]. Λ  # ξ "c & c, h[ ξ & * c]  +c  c  h !# "  [%].

10

4 5

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$- cc *( .c *.c ² Z /c ! c ω P + λ . 9 #A» ) 23! $!c  4 !4 λ c! c c /c $ c & c.c »c  ! c λ 56 $ !c . Thuc. I 63, 3: #A3 ξ 6    λ 7μ ($) λ K!!c ² c*c.

Als Pendant dazu erscheint eine Inschrift ebenfalls vom athenischen Kerameikos, in der die unsterbliche Seele eines verstorbenen Dionysios von dem „allen gemeinsamen Gebieter“ aufgenommen wird, der Körper jedoch in der Erde verborgen bleibt (CEG II 593 V.6–7). Die Inschrift wird von Hansen zwischen 346/5 und 338 v. Chr. datiert.

1 Feststellung der Dualität des menschlichen Wesens

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V.3 suppl. Kaibel – statt λ cc c:  * * c Wilhelm. V.4 zur Diskussion zu POONOCENEC vgl. Hansen. V.8 #  lapidarius V.9 h !# lapidarius

In Poteidaia [fielen diese Athener]: – – – – – – – – mich den Gefallenen als ein unsterbliches – – – – – –, um [ihre] Tapferkeit [auch den Nachkommen] zu bezeugen, und die (Vorväter) – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – [als Gefallene] erlangten sie den Sieg im geglückten Krieg als Denkmal. 5

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Der Äther nahm die Seelen auf, [die Erde aber] die Körper dieser Männer. Sie wurden aufgelöst an den Toren von Poteidaia. Von den Feinden ist den einen das Grab zuteil geworden, die anderen haben in der Flucht die Mauer zu ihrer verläßlichsten Hoffnung auf Leben gemacht. Diese Stadt und [des Erechtheus] Volk vermißt die Männer, die in der vordersten Reihe vor Poteidaia fielen, Söhne der Athener; sie aber [legten] ihre Seelen auf die Waage und tauschten die Vortrefflichkeit ein und rühmten ihre Stadt.

"[  ] in V.7 ist als 3. pl. pass. zu deuten (vgl. Kühner/Blass II, pp. 54f.).

Dieses Epigramm ist ein Zeugnis besonderer Art, da es – anders als bei den Privatinschriften – ein öffentliches Denkmal schmückte, das den Helden der Stadt gewidmet wurde. Die hier präsentierten Ansichten können demzufolge einen Einblick in die Vorstellungswelt eines breiteren Publikums gewähren, da das Denkmal offenbar von der Öffentlichkeit gebilligt wurde. Oberhalb dieser Inschrift befand sich eine Liste mit den Namen der Gefallenen, die leider schon in der Antike als verschollen galt. Obwohl die Inschrift stoichedon eingemeißelt wurde, teilt Hansen sie in drei separate Gedichte. Er beweist, daß jedes Distichonpaar in sich geschlossen ist. Jedes Paar gab nämlich die Umstände und den Anlaß für das Verfassen dieser Inschrift wider.6 Das erste und das dritte Gedicht sind in ihrer Form recht konventionell. Ein Denkmal wird für die Helden der Stadt aufgestellt; im ersten Gedicht verschafft der Krieg Ruhm den Gefallenen;7 im dritten Gedicht wird erwähnt, unter welchen Umständen die Soldaten fielen; in beiden 6 7

Dies kann allerdings nur für die beiden am besten erhaltenen Epigramme mit Sicherheit konstatiert werden. Das erinnert stark an den Panegyrikos des Isokrates, in dem der Perserkrieg als von den Göttern geschickt aufgefaßt wird, um den Menschen zur Unsterblichkeit zu verhelfen (84).

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I Epigrammsammlung (Text, Übersetzung und Kommentar)

wird die Tapferkeit der Krieger und der dadurch erlangte Ruhm thematisiert (dazu vgl. auch unten C1).8 Dagegen stellt das mittlere Gedicht eine Neuerung dar. Neben dem Ausdruck des Lobes ist in diesem Epigramm eine Reflexion über das menschliche Schicksal nach dem Tode erkennbar. Die Unsterblichkeit wird nun nicht mehr in den Bereich des ewigen Gedenkens (vgl. II 2.2 Materielle Mittler) verlagert, sondern erlangt eine neue Dimension im Zusammenhang der hier erwähnten Seelen.9 Die Seelen werden nämlich vom Äther aufgenommen. Die hier vorausgesetzte Stellung und Bedeutung des Äthers ist nicht klar zu fassen. Schon bei Homer ist er als der Sitz der Götter verstanden (vgl. Hom. Il. II 412: Z /c ' 3). Die vorplatonische Auffassung plazierte die Seelen in den feurigen Äther.10 Der Äther befand sich über der Luftschicht und wurde als eine reine, feurige Materie betrachtet.11 Ein unbekannter Pythagoreer des 4. Jh. v. Chr., den Diogenes Laertius in einem doxographischen Exzerpt überliefert, gibt Zeugnis von einem theologischen Verständnis des Äthers. Ihm zufolge nimmt der warme Äther – auch einfach μ   genannt – im Gegensatz zu dem kühlen, der die Erde umgibt, die oberen Schichten des Himmels ein.12 Er ist unsterblich und göttlich. Als Beweis werden die als Götter aufgefaßten Gestirne herangezogen, in denen die Wärme überwiegt.13 Da von der 8

9 10

11 12 13

Das Motiv der dank der Taten erlangten Unsterblichkeit in Form von Ruhm ist ein wichtiger Topos der griechischen Literatur. Die simonideische Elegie auf die Plataiai-Gefallenen eröffnet eine ganze Reihe von Beispielen. Das Fragment 11 (bes. V.13–28) gibt Aufschluß über dieses Verständnis des Ruhmes (Boedeker/Sider). So wie Homer den kurzlebigen Heroen von Troja dank der Hilfe der Pieriden zum ewigen Ruhm verhalf, so soll auch die Gefallenen von Plataiai langanhaltender Ruhm für das kurze Leben entschädigen (vgl. I. Rutherford, The New Simonides, in: Boedeker/Sider, p. 44). Das Motiv der Waage aus der potidaiischen Inschrift (V.12–13) gewinnt dadurch an Gewicht, da es offenbar in den Einflußbereich der simonideischen Elegie gerät (dies erinnert jedoch auch an die bekannte Entscheidung des Achill, der lieber ein kurzes, aber ruhmreiches statt eines langen und in Vergessenheit geratenden Lebens in Hom. Il. IX 410–23 wählt). Den Weg zur Heroisierung der Gefallenen bei Plataiai bespricht ausführlich Boedeker (Paths to Heroisation at Plataiai, in: Boedeker/Sider, pp. 148–63). Daß Erwähnung in Dichtung Unsterblichkeit gewähren konnte, ist seitdem ein fester Topos der Literatur (zuletzt dazu vgl. A. Hardie, Sappho, The Muses and Life After Death, ZPE 154, 2005, pp. 13–32). Zur Spaltung des menschlichen Wesens im Tode vgl. Schröder, p. 212. „The hope of the mystic was to lose his individuality by being caught up into the one allpervading spirit, and this absorption was probably the expectation of all, mystics or natural philosophers, who believed in the airy (and ultimately aetherial) nature of the psyche and in the aither as a living and ‚governing‘ element in the universe“ (Guthrie 1969 III p. 476). Vgl. J. H. Waszink, Art. Äther, RAC 1, 1950, 150. Dagegen Platon im Kratylos: (…) Ρ $ λ  +  λ μ $ :3 $  κ  3c c +c c ξ λ μc, ^c $ , ! 3, κ  κ # $ "!α  *9  ξ c6 μ c ** c,  c ξ

C!   π  κ 6 #  & α  + ξ *9  &  c, π ξ < >+c 10     J#   α ) $c  κ ( ξ '‹› 6  #O! 3 3, c6 # μ *+ & & . 7 ξ )# $*!c  &  7 [] E3 ) , Ρc c c ] ²# " ‹ ›  cα 15  ccc [ξ] μc μ $c    c6# μ  . C! ,  *9 4# EΚc %+c »c  6. . 9  . 9  μc !α  " c; λ μ %  &. 9 *c, 20 'Ωc ν %. 9c c 6 h c 41

Vgl. D4 im Zusammenhang mit dem auch hier angedeuteten Raub. Das Schicksal garantiert jedem Lebewesen den Tod (vgl. Diogenian. Epicur. apud Eus. PE VI 8, 2).

1 Feststellung der Dualität des menschlichen Wesens

29

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5

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20

Unsterbliche Daimonen gibt es viele auf dem olympischen Wohnsitz, Gott ist aber ihr großer Vater, der die Welt einrichtete, indem er dem Mond der Nacht und der Sonne den Reizen des Tages zu folgen befohlen hat; dem folgend lasse ich den Körper auf der Erde, aus der ich entstand, zurück, meine Seele aber habe ich als unsterbliche erlangt. In der Erde ist der ihr verwandte Körper, doch als himmlische stieg die Seele zu dem unsterblichen Hause empor. Der verstorbene Leib liegt in der Erde, die Seele, die mir verliehen wurde, bewohnt die himmlischen Gemächer. Als unsterbliche Seele bewohne ich die Paläste der Bewohner des Olymps, die Erde aber trägt meinen verstorbenen Körper. Ich trage mit mir das elfjährige Kind, das einzige auf den Armen zu Euodos, der mein Gatte war, als er das Haus bewohnte, Als vierzigjährige begab ich mich zu dem bestirnten Himmel, nachdem ich meinen Körper in der Erde niedergelegt habe. Dies empfehle ich, Euodos, allen Menschen. Laß der Seele etwas Gutes zukommen, was haßt Du sie? Und tu deinem Leben ein Gefallen mit Schwelgerei. Da du weißt, daß du, wenn du zu dem Trank der Lethe heruntergehst, nichts mehr von den Dingen hier oben unten wohl sehen wirst, da die Seele den Gliedern entflogen ist.

Vor dem ersten Vers muß der Name der Verstorbenen gestanden haben. Dittenberger trennte in IG 9[2], 1024 (in der alten Ausgabe) die elegischen Distichen voneinander und betrachtete sie als Aneinanderreihung zusammenhangloser Verse. Die Aussage jedes einzelnen Distichons scheint jedoch ähnlich zu sein. Daher handelt es sich hierbei möglicherweise um Parallelgedichte (vgl. B10). Otto Kern wies darauf hin, daß diese Distichen miteinander korrespondieren (Hermes 52, 1917, pp. 147f.).42 Von Vers 5 an wird nämlich jeweils immer ein Wort aufgenommen: $  und c ** c in Vers 5 und 7 (dem Sinne nach); &  und &  in Vers 8 und 9;  und 3 in Vers 10 und 12; &3 und & in Vers 12 und 13. Im zweiten phaläkeischen Gedicht läßt der Dichter Euodos, den Gatten, sprechen (eine ausführliche Diskussion des Metrums bei Wilamowitz 1921, pp. 146f. und bei West, p. 167). In der planudeischen Sammlung ist ein kaiserzeitlicher Dichter Euodos in zwei kurzen dichterischen Spielereien bezeugt: AG XVI 116 und 155. Kern ist der Meinung, es könne sich um den Verfasser dieser Verse handeln.

Die Dichotomie von Körper und Seele nimmt hier immer wieder neue Formen an. Das Gedicht beginnt mit der Feststellung, daß es unter den vielen Daimonen, die das Reich der Unsterblichen bewohnen, einen Gott, den Vater der Welt und den Schöpfer der weltlichen Ordnung gebe.43 In 42 43

So auch bei Kaibel (Epigr. Gr. 261). Die in V.3 gebrauchte Wendung (χc c  - ) lässt an den platonischen Timaios denken: 'c -  μ C**   .c $-c (Pl. Tim. 30a4).

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I Epigrammsammlung (Text, Übersetzung und Kommentar)

dieser knappen Formulierung birgt sich der Ansatz einer monotheistisch geprägten Weltsicht. Ähnliche Aussagen sind jedoch auch in der platonisch geprägten Tradition in einem polytheistischen Zusammenhang zu finden.44 In den darauf folgenden Distichen wird die Dualität von Körper und Seele weitergeführt. Die Erde ist für das Vergängliche zuständig, in den Himmel aber gelangt das ihm Verwandte (vgl. A6). Das Verflechten und Aufgreifen der Motive und sogar einzelner Wörter ist bemerkenswert. Der Dichter spielt mit den geläufigen Formulierungen und unterzieht sie weitgehenden Variationen. Die den Körper aufnehmende Erde bleibt in den divergierenden Ausführungen eine gewisse Konstante, der Bestimmungsort der Seele variiert dagegen. Anfangs wird sie nur mit der Qualität der Unsterblichkeit versehen, um in den folgenden Distichen einmal im Hause der Unsterblichen, einmal in den himmlischen Gemächern oder in den Palästen des Olymp plaziert zu werden. Somit wird eine gewisse Unschlüssigkeit des Dichters in Bezug auf den Zufluchtsort der Seele deutlich. In der Schlußpassage des Gedichtes wird wieder dasselbe Motiv aufgegriffen, indem erneut der Körper als der Erde zugehörig bezeichnet und die Seele diesmal in den bestirnten Himmel geschickt wird.45 Unterhalb befindet sich ein phaläkeisches Gedicht.46 Euodos, der Gatte der Verstorbenen, ist der Sprecher dieses Gedichtes. Da in den Versen 13–14 berichtet wird, daß die Verstorbene das einzige Kind mit sich zu Euodos trägt und dieser bereits nicht mehr in seinem Haus wohnte, ist 44

45 46

Das berühmte klarische Orakel, das auf der hellenistischen Stadtmauer in Oinoanda eingemeißelt worden ist, bezeugt eine parallele Auffassung des Götterwesens, in dem ein Gott die herrschende Stellung einnimmt und alle anderen Götter ihm als Angeloi dienen (vgl. SGO 17/06/01). Sheppard bespricht die Tradition der Erwähnung solcher übernatürlicher Wesen im westlichen Kleinasien. Daß aber im klarischen Orakel Apoll sich als Angelos des Höchsten Gottes bezeichnet, ist gegenüber den von Sheppard zitierten Inschriften eine Neuerung, da es ausdrücklich in den Bereich der nachplatonischen Daimonologie fällt. Nach Platon sind die Daimonen Zwischenwesen, die mit der Schöpfung der Lebewesen betraut worden sind (Tim. 41a–d) und die Opfer und Bitten der Menschen den Göttern und wiederum deren Befehle und Belohnungen den Menschen bringen (Symp. 202d – e, vgl. C. Zintzen, Art. Geister [Dämonen] B III, RAC 9, 1976, 640–644). In der vorliegenden Inschrift wird der eine Gott erwähnt, dem alle anderen Götter als Daimonen untergeordnet werden. Daß heidnische Götter im Christentum als Daimonen bezeichnet werden, bezeugt Tertullian (apol. 23, CCL 1, pp. 130f.; vgl. Hammerstaedt 2002, pp. 27f.). Die Verbreitung dieser Auffassung ist somit in unterschiedlichen Zusammenhängen bezeugt. Da die daimonologische Auffassung der Götter auch im paganen Milieu präsent ist, ist die Annahme eines jüdisch-christlichen Einflusses auf diese Inschrift nicht zwangsläufig notwendig. Bemerkenswert erscheint die Formulierung in V.5, in dem berichtet wird, daß die Unsterblichkeit der Seele durch Gefolgschaft und Gehorsam gegenüber Gott erreicht werden kann. Phaläkeer sind ein ungewöhnliches Metrum für eine Grabinschrift.

1 Feststellung der Dualität des menschlichen Wesens

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anzunehmen, daß Euodos vor seiner Gattin starb. Er gab dem Vorbeiziehenden jedoch noch eine Weisung. Die Art des sonst häufigen Aufrufes zum Genuß in Anbetracht des im Tode erfahrenen Vergessens wirkt hier recht ungewöhnlich. Das Jenseits wird lediglich als Warnung angekündigt. Es wird als fremd und fernab der irdischen Wirklichkeit verstanden. Nichts, womit man im Nachleben konfrontiert wird, wird an das Leben erinnern. Wenn die Seele nämlich aus dem Fluß des Vergessens (Lethe) getrunken hat, wird ihr die Erinnerung an das vorangegangene Leben genommen. Sie wendet somit ihren Blick vom Weltlichen ab.47 Dies wird als Bekräftigung des Genussaufrufes verwendet. Bemerkenswert ist der Gegensatz in der Aussage dieser beiden Gedichte. In den vorangegangen Versen schien nämlich sogar eine Spur mono- bzw. henotheistischen Glaubens verankert zu sein.48 Die unterschiedlichen Methoden, sich mit dem Ableben auseinanderzusetzen, werden dadurch sichtbar. Diese Widersprüchlickeit führt dann zu einem Kontrast, der gewollt zu sein scheint (vgl. C4 und D8). Das erste, stilistisch raffinierte Gedicht bezeugt eine tiefere Reflexion der condicio humana (vgl. V.5–6). Das phaläkeische Gedicht dagegen scheint eher ein Spiel mit den bekannten Motiven des Letheflusses zu sein und benutzt sie, um einen Genußaufruf zu bekräftigen. Die Widersprüchlichkeit der beiden Gedichte scheint erwünscht zu sein. Dadurch wird der Leser mit zwei Arten der Auseinandersetzung mit dem Tode konfrontiert. Der Stil dieses knappen Genußaufrufes kann durchaus für die Identifizierung des Euodos mit dem Autor der zwei Spielereien (AG XVI 116 u. 155) sprechen. Natürlich sind die kurzen Verse, die die Anthologia überliefert, nicht aussagekräftig genug, um stilistische Untersuchungen durchzuführen, jedoch kann man ihnen grob den Charakter ablesen, den dieser Dichter seinen Versen verleiht. Die Leichtigkeit sogar einer Grabinschrift samt dem freien Umgang mit bekannten Motiven ist ein bedenkenswertes Indiz für diese Identifizierung. Jüdische Diaspora In Tell el Yehudieh, in der Nähe der antiken Stadt Leontopolis, gab es – wie es die Inschriften des Friedhofes bezeugen – eine lebhafte jüdische Diaspora. Das folgende Epigramm ist ein Zeuge der weitgehenden Hellenisierung dieser Gemeinde. 47 48

Eventuelle Parallelen und ausführliche Beleuchtung der Thematik des Flusses des Vergessens in I 5.1. Newton spricht vom verblüffenden Gegensatz zwischen den Grabepigrammen des Ehemanns und seiner Frau (pp. 94f.).

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I Epigrammsammlung (Text, Übersetzung und Kommentar)

A9 GVI 643 = Horbury/Noy, 33; Leontopolis; 2./1. Jh. v. Chr.

#Ac c &c Vc, | ²  α !4c  c(|c κ (  $  , | c, '. X& κ ! |& *( *Ω     4c |  μcα  λ  # $.c Νc | & , 5 "5 -  ?% + | , i + ξ M+  |   μc !c ]* % . λ |  μ ξ 6 "!  |!, $!!(  c  ! c  | c  !!c  3α * |λ &c  ! c   μ |   c Vc 10 4*|&c,  κ # 'c ²c c "  . #Ac c    c |α " c  , M  λ %. V.7 6 Wilhelm V.8   c 

5

10

O Wanderer, dies ist hier das Grab der Arsinoe Halte inne und beweine die über alles unglückliche, unglückselige, von einem schweren Schicksal betroffene. Ich wurde nämlich als Waise von der Mutter zurückgelassen, als ich noch ein kleines Kind war. Als mich die Blüte der Jugend als Braut schmückte, hat mich mein Vater mit Phabeis verheiratet, aber Moira führte mich in den Wehen meines ersten Kindes zum Ende des Lebens. Ein kleiner Lebenskreis der Jahre kam mir zuteil, aber der Reiz erblühte mir in der größten Schönheit des Verstandes. Und dieses Grab birgt in seinem Innern meinen reinen Körper, die Seele aber flog zu den Heiligen. Epitaph der Arsinoe, Jahr 25, 2. Mecheir.

Zur Akkusativbildung $   in V.2 vgl. Mayser, I 2 pp. 56f.; Meyer, pp. 428f.; Reinhold, pp. 56f. In V.3 u. 7 *Ω (V.4  c; V.8  c ) ist ein zusätzliches , wie oft in Papyri zu vermerken (vgl. Mayser I, I pp. 106–11).   in V.9 wahrscheinlich metri causa für  nach dem Hiat. Aufgrund der möglichen Annahme, daß diese Inschrift aus der von Onias unter Ptolemaios VI. Philometor gegründeten jüdischen Kolonie stammt, kann man die Datierung als 7. März 180, 1. März 156, 27. Februar 145, 13. Februar 89 oder 4. Februar 56 v. Chr. deuten.

Form und Sprache dieses Gedichtes weisen keine markanten jüdischen Merkmale auf.49 Horbury und Noy erklären jedoch die jüdische Herkunft

49

Hengel betont, daß sowohl die Sprache als auch die Namengebung in den jüdischen Gemeinden dieser Zeit eine weitgehende Hellenisierung bezeugt (vgl. p. 191 und pp. 108–143).

1 Feststellung der Dualität des menschlichen Wesens

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aufgrund des Fundortes in Tell el Yehudieh und der Ähnlichkeit des Monuments mit den unmißverständlich jüdischen Grabsteinen aus Leontopolis für sicher. Der Name der Verstorbenen bezeugt eine weitgehende Hellenisierung. Höchstwahrscheinlich ist die Vergabe dieses Namens auf die zurückliegende Apotheose der ägyptischen Herrscherin Arsinoe II., die im Jahre 270 v. Chr. starb, zurückzuführen. Auch der ägyptische Name des Mannes (?% +c) ist kein positives Indiz für jüdische Herkunft (vgl. Preisigke; Spiegelberg).50 Das erste Distichon ist eine Ansprache an den Vorbeiziehenden, dann läßt der Dichter die Verstorbene selbst sprechen und ihre Biographie in Kürze skizzieren. Bei der Geburt ihres ersten Kindes schied Arsinoe aus dem Leben.51 In diesem Epigramm ist Moira für den Tod verantwortlich (vgl. D4 etc.). Nach den knappen Versen des Lobes wird abschließend die Dichotomie von Körper und Seele angedeutet. Der Körper bleibt im Grabe, wohingegen die Seele zu den Heiligen fliegt. Die Spaltung des menschlichen Wesens nach dem Tode in Staub und Atem ist auch der jüdischen Tradition nicht fremd (LXX, Koh. 12, 7), wobei es nicht sicher ist, ob dieser Parallelismus mit der hellenischen Gedankenwelt nicht gerade griechischem Einfluß zu verdanken ist.52 Diese Stelle läßt vermuten, daß die Formulierung sich einer Tradition von Grabinschriften anschließt. Diese Verse heben sich nämlich deutlich vom Kontext der gesamten Inschrift ab und scheinen dem übrigen Duktus der Inschrift angeschlossen zu sein. Lediglich das hapax legomenon 4*& c kann die Aufmerksamkeit des Lesers auf jüdischen Hintergrund lenken. Im wörtlichen Sinne bezieht sich dieser Ausdruck auf die reine Ernährung bzw. Erziehung des Menschen.53 Man kann ihn mit den Ernährungsvorschriften der Juden in Verbindung bringen.54 Dieses Epitheton würde dann also bezeugen, daß 50

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Es ist bereits aus den Papyri bekannt, daß Juden im ptolemäischen Ägypten vorwiegend griechische Namen trugen. Tcherikover und Fuchs (CPIud I, pp. XVII–XIX) hoben die bevorzugten Namen hervor. Clarysse (1992, pp. 195–196) nennt vier Gruppen, in die sie aufgeteilt werden können: phonetische Äquivalenzen der jüdischen Namen, Übersetzungen der jüdischen Namen, monotheistische und dynastische Namen. In die letzte Gruppe gehört auch der Name der Arsinoe aus der Grabinschrift. Clarysse betont, daß solche Namen von den Juden bevorzugt wurden, da sie den Vorteil hatten, nicht allzu pagan zu klingen, und zur selben Zeit dem Träger die Möglichkeit boten, seine Loyalität gegenüber dem Herrscherhaus zu zeigen (vgl. ibidem, p. 200). Der Name ?% +c jedoch gehört zu den ägyptischen Namen, deren sich unter Umständen die Juden ebenfalls bedienten (vgl. Cowey/Maresch 2, 3; 5, 11). Zur Lebenserwartung der Frau und Sterblichkeit bei der Geburt vgl. Treggiari, pp. 398–403. Vgl. K. Hoheisel, Art. Jenseits VIII. a., RAC 17, 1996, 332–334. Vgl. Reinach, p. 34: „Les règles de l’4*  grecque consistent en purifications, en lavages, en aspersions, à s’abstenir de porter deuil des morts, à se refuser certaines nourritures, etc.“ (vgl. Diog. Laert. VIII 33). Für Informationen zu koscherer Nahrung vgl. Maier 1973.

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I Epigrammsammlung (Text, Übersetzung und Kommentar)

Arsinoe eine orthodoxe Jüdin war, die sich an die Ernährungsvorschriften hielt. Wäre das jedoch der Fall, könnte man sicherlich mehr jüdische Spuren erwarten. Frey denkt an die moralische Reinheit in diesem Zusammenhang (p. 388). Frey (ibidem) faßt die erwähnten Heiligen als Patriarchen der jüdischen Gemeinde auf, da Ρc c offenbar bewußt statt der an der Stelle üblichen Bezeichnungen für die Seligen verwendet wird (z.B.  c). Weihung einer Seele im Olymp Weitere Variationen dieses Dichotomiemotivs sind in der folgenden Inschrift zu beachten. Die Seele nimmt hier ungeklärte Eigenschaften an. A10 GVI 1773; Hermione/Peloponnes; 3. Jh. n. Chr.

5

c6 ξ 'c '6 | ! ,  κ ξ c 5O! []| $  !κc $[4c] | !   ' +c  | h  ,  c λ c3|&c c * Ν*!, Ρc # " ¹ c λ $*[3]|c Ϊ # Ν3, | χ c.c  & ! c * [κ] | &c % !.c.

5

Der Körper des Lukios wurde auf ewig aufgelöst, seine Seele hinterließ, indem sie neu eingeweiht in den Olymp hinauf flog, der Familie Sehnsucht, [Lukios ist] ein prächtiges Prunkstück der Tapferkeit und Besonnenheit; er war einst ein Priester, Kampfrichter und zugleich auch Archon; diese (Statue) stellte die liebende Frau auf den Beschluß des Rates hin auf.

Das χ in V.5 scheint sich auf ein Ν*! zu beziehen, unter dem die Inschrift eingemeißelt worden ist.

Durch die Feststellung, daß der Körper für immer aufgelöst ist, wird die Endgültigkeit des Todes betont. Die Seele dagegen gelangt auf den Olymp, da Lukios ein prächtiges Denkmal der Besonnenheit und Tapferkeit war. Die Bezeichnung der Seele als $  ! c ist bedeutsam. Im platonischen Phaidros (251a) wird dieses Wort im Sinne von „neu eingeweiht“ verwendet. Nach Peek bestand die Weihe gerade darin, daß die Seele in den Olymp erhoben wurde (MDAI[A] 66, 1941, pp. 68f.).55 Das Privileg dieser Einweihung erlangt man durch ausgeprägte Tapferkeit und Besonnenheit. Anders als in D9 verhilft hier der Priesterrang dem Verstorbenen zu keiner einem Normalsterblichen unzugänglichen Gunst. 55

Vgl. dazu E12, wo es sich um den Philosophen Syrianos handelt.

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Heroinengleiche Seele Die Götter üben hier gleichfalls Macht über die Seele aus: Kore erscheint als Psychopompos, um die Verstorbene in den Hades zu führen. A11 SGO 03/02/67; Ephesos; ca. 3. Jh. n. Chr. Fundort unbekannt.

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5

Relief

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