Top im Job - Wie Sie leben, arbeiten und Ihr Potenzial entfalten: 10 Schritte zum Erfolg [1. Aufl.] 9783662613771, 9783662613788

Einen tollen Job zu haben ist das stärkste Bedürfnis unserer Zeit. Dieses Buch hilft Ihnen Ihr Potenzial auf ein völlig

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German Pages IX, 114 [118] Year 2020

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Top im Job - Wie Sie leben, arbeiten und Ihr Potenzial entfalten: 10 Schritte zum Erfolg [1. Aufl.]
 9783662613771, 9783662613788

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-IX
Machen statt träumen (Diana von Kopp)....Pages 1-10
Zweifel überwinden (Diana von Kopp)....Pages 11-20
Erfolgreich wirken (Diana von Kopp)....Pages 21-37
Kompetenz zeigen (Diana von Kopp)....Pages 39-48
Inspirierend sein (Diana von Kopp)....Pages 49-61
Adé Perfektionismus (Diana von Kopp)....Pages 63-72
Bedürfnisse achten (Diana von Kopp)....Pages 73-84
Mutig sein (Diana von Kopp)....Pages 85-91
Smartes Networking (Diana von Kopp)....Pages 93-102
Klug verhandeln (Diana von Kopp)....Pages 105-114

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Diana von Kopp

Top im Job 10 Schritte zum Erfolg – Wie Sie leben, arbeiten und Ihr Potenzial entfalten

Inklusive SN Flashcards Lern-App

Top im Job – Wie Sie leben, arbeiten und Ihr Potenzial entfalten

Diana von Kopp

Top im Job – Wie Sie leben, arbeiten und Ihr Potenzial entfalten 10 Schritte zum Erfolg Mit Illustrationen von Sonja Hansen

Diana von Kopp Heidelberg, Deutschland Illustrationen von Sonja Hansen Heidelberg, Deutschland

ISBN 978-3-662-61377-1    ISBN 978-3-662-61378-8 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-61378-8 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http:// dnb.d-nb.de abrufbar. Springer © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-­ Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Ver­ wertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. stock.adobe.com/de/214619131 Springer ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

Vorwort Top im Job

Einen tollen Job zu haben, ist das stärkste Bedürfnis unserer Zeit. Genauer, einen Job zu haben, der als sinnvoll und erfüllend betrachtet wird und dabei das eigene Potenzial fördert. Doch Hand auf´s Herz, glauben Sie nicht auch, dass mehr in Ihnen steckt? Sie unter bestimmten Bedingungen erfolgreicher sein könnten? Damit sind Sie nicht allein. Die internationale Studie eines renommierten Beratungsunternehmens kam zu dem Ergebnis, dass nur etwa 15 Prozent aller Arbeitnehmer einen Job haben, der es ihnen gestattet das eigene Potenzial auch wirklich zu entfalten. Dieses Buch wird Sie darin unterstützen, Ihr Potenzial zu entfalten und erfolgreich zu sein. Es hilft Ihnen, Ihre Stärken zu entdecken und zeigt, worauf es im Job wirklich ankommt. Basierend auf aktuellen Forschungsergebnissen aus der Psychologie und Verhaltensforschung finden Sie darin wertvolle Tools und Tipps zum Selbstmanagement. Als Diplompsychologin mit den Schwerpunkten Wirtschaft, Organisationsentwicklung und Human Ressource Management begleite ich seit Jahren Führungskräfte auf ihrem Karriereweg. Dabei begegnen mir regelmäßig wiederkehrende Persönlichkeitsmerkmale: den unbedingten Willen etwas zu erreichen, die Fähigkeit sich zu fokussieren, andere und sich V

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Vorwort Top im Job

selbst zu begeistern, taktisch klug zu verhandeln, an den Erfolg als Prozess zu glauben. Der Gedanke, Leser zu motivieren, die eigene Karriere mit einer neuen Leichtigkeit voranzutreiben, ist Grundlage des Buchs. Es besteht aus zehn Kapiteln, die nicht zwingend aufeinander aufbauen, sodass Sie auch mittendrin zu lesen beginnen oder es immer mal wieder in die Hand nehmen und darin blättern können. Die genannten Methoden sind gewiss nicht die einzig möglichen, wohl aber in hunderten Trainings erprobt und bewährt. Ihnen viel Spaß mit dem Buch und der Anwendung der darin beschriebenen Erfolgsstrategien. Ihre Diana von Kopp. Heidelberg

Mai 2020

Diana von Kopp

Inhaltsverzeichnis

1 Machen statt träumen  1 Wie Ihre Stärken Ihnen den Weg zeigen    2 Umkehren oder Weitermachen?   8 Literatur  10 2 Zweifel überwinden 11 Wie Sie Selbstvertrauen gewinnen   12 Wie Sie Misserfolge zum Positiven wenden   18 Literatur  19 3 Erfolgreich wirken 21 Welche Rolle Status spielt   22 Wie Sie dafür sorgen, dass man sich Ihren Namen merkt  29 Was passiert, wenn Sie sich unpassend kleiden   31 Literatur  37 4 Kompetenz zeigen 39 Wie Sie Erfolge sichtbar machen   40 Wie Sie Ihr persönliches Image ausbauen   42 Literatur  48 VII

VIII Inhaltsverzeichnis

5 Inspirierend sein 49 Wie Sie überzeugend wirken   50 Wie Sie Ihre Gedanken auf den Punkt bringen   58 Literatur  60 6 Adé Perfektionismus 63 Wie Sie mit Ihren Stärken effizienter werden   64 Wie Sie sich von Ihrem Perfektionismus verabschieden  70 Literatur  72 7 Bedürfnisse achten 73 Wie Sie bekommen, was Ihnen wichtig ist   74 Wie Sie Ihre Bedürfnisse wahrnehmen   80 Literatur  84 8 Mutig sein 85 Wie Sie sich aus schwierigen Situationen befreien  86 Wie Sie das eigene Handeln hinterfragen   89 Literatur  91 9 Smartes Networking 93 Wie Kooperation Karrieren fördert   94 Vom Flirten am Arbeitsplatz   100 Literatur 102 10 Klug verhandeln105 Warum Sie mehr verdienen, als Sie verlangen  106 Wie Sie Ihr Gehalt neu und angemessen verhandeln 109

Über die Autorin

© von Kopp

Diana von Kopp  ist Diplompsychologin, Autorin, Unternehmerin und Coach. Sie berät Firmen bei der Entwicklung von Führungskräften. Unter anderem lehrt sie Verhandlungstechniken, Rhetorik, Wirkung, Führungspräsenz und Content Marketing. Als Autorin hat sie Beiträge für die Frankfurter Allgemeine Zeitung sowie wissenschaftliche Sachbücher im Carl Hanser Verlag, Piper Verlag und bei Springer Science veröffentlicht. Mit Pragmatismus und Leidenschaft fördert die einstige Leistungssportlerin Talente und hilft, in gemeinsamer Absprache optimale Bedingungen für deren erfolgreiche Entfaltung zu gestalten. Im vorliegenden Buch verrät sie effektive Techniken und praxisnahe Tools aus dem Top-­Management und angewandter Psychologie zur täglichen Umsetzung im Job. IX

1 Machen statt träumen

Inhaltsverzeichnis

Wie Ihre Stärken Ihnen den Weg zeigen  Umkehren oder Weitermachen?  Literatur

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 D. von Kopp, Top im Job – Wie Sie leben, arbeiten und Ihr Potenzial entfalten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61378-8_1

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Wie Ihre Stärken Ihnen den Weg zeigen Vom Erfolg träumen Viele. Aber macht Träumen auch erfolgreich? Leonardo da Vinci träumte vom Fliegen. Er konnte es nicht. Und obwohl er wiederholt Fluggeräte entwarf, blieb sein Traum unerfüllt. Die Zeit war einfach noch nicht reif. Als Künstler brachte er es hingegen zu grandiosem Erfolg. Das Malen, vor allem das anatomisch detailgetreue Zeichnen, war seine große Leidenschaft, gleichzeitig war es auch seine große Stärke, heute würde man sagen: seine Kernkompetenz. Gib niemals auf. Halte an deinen Träumen fest. Motivationssprüche dieser Art sind gewagt. Sie lassen Rahmenbedingungen außer Acht. Und das kann teuer werden. Leben können von Träumen nur die, die sie anderen verkaufen. Etwa den Traum von jugendlicher Frische in Form einer sündhaft teuren Augencréme. Den eigenen Stärken zu folgen, vergrößert die Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs immens. Wie gut kennen Sie Ihre Stärken? Womit beschäftigen Sie sich häufig und gern? Wie waren Sie als Kind? Haben Sie musiziert? Waren Sie sportlich? Haben Sie viel gebastelt? Knobelaufgaben gelöst? Standen Sie im Mittelpunkt, waren Klassensprecher, Jugendtrainer – oder eher das Kind, das stundenlang las, sich mit Dingen beschäftigte? Haben Sie Interesse an Menschen, Mode, Umweltthemen, Technik und engagieren sich tatkräftig in dieser Richtung? Sind Sie vielleicht besonders geduldig oder detailverliebt, reaktionsschnell? Was würden andere sagen? Ihr enges Umfeld? Holen Sie sich Feedback. Feedback ist ein Geschenk, auch wenn es sich manchmal anders anfühlt. Sogar dann, wenn es in Ihren Ohren ver-

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nichtend klingt, steckt darin ein wertvolles Körnchen Wahrheit.

»träumen, Es gibt viele Menschen, die davon erfolgreich zu sein. Nur wenige kennen ihre Stärken und Talente. Und noch seltener sind Menschen, die eigenständig dafür sorgen, dass ihre Stärken das bestmögliche Setting zur Entfaltung erhalten.

Einer, der seinen Erfolg selbst in die Hand nahm, war Karl Lagerfeld. Der Sohn eines Dosenmilchfabrikanten aus Bad Bramstedt hatte eine große Leidenschaft: das Zeichnen. „Zeichnen ist für mich wie Atmen.“ Für den modebewussten Schüler, der unentwegt Skizzen anfertigte, gab es nur einen Ort: Paris! Die Stadt, in der Mode als Kunstwerk gilt, als Haute Couture. Wo es das beste Netzwerk aus Mode- und Kunstschaffenden gibt, war der ideale Nährboden für sein Talent. Hier entfaltete er seine Stärken. Zunächst als Zeichenschüler, dann als Modeassistent, später als Designer. Oft ist es nicht nur eine Stärke, sondern die geschickte Kombination zwei oder mehrerer Stärken, die zum Erfolg führt. Ein junger Betriebswirtschaftler, der sich für Managementtheorien begeisterte, gründete im Jahr 1999 einen Verlag für Buchzusammenfassungen. Das komprimierte Wissen, das seine Mitarbeiter aus Dutzenden Bestsellern zusammentrugen, verarbeitete er dank seines Schreibtalents zu unterhaltsamen Artikeln, die unter anderem in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienen. Mittlerweile ist Rolf Dobelli beides: erfolgreicher Unternehmer und Bestsellerautor. Seine Stärken haben sich gegenseitig genährt

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und in der Summe potenziert. In einem seiner Bücher (Dobelli 2019) schreibt er sinngemäß: Überschreiten Sie niemals Ihren Kompetenzkreis. Was innerhalb dieses Kreises liegt, beherrscht man mit Meisterschaft, was außerhalb liegt, versteht man nicht, oder nur zum Teil. Planen Sie Ihre Karriere rigoros innerhalb ihres Kompetenzkreises. Es wird sich bezahlt machen, emotional und finanziell. Und Sie werden automatisch die richtigen Schritte unternehmen.

»Setting, Alle Erfolgreichen erschaffen sich ein das zu ihren Stärken passt. Top-Sportler sorgen für ideale Trainingsbedingungen, das beste Trainingsgerät, den idealen Trainingsplan, Förderer und Coaches. Top-Unternehmer haben ein erstklassiges Netzwerk aus Beratern, Anwälten und Strategen und Mitarbeitern, die wissen was zu tun ist, die kompetent sind und hoch motiviert an einem gemeinsamen Ziel arbeiten. Träume und Ziele werden leicht verwechselt. Träumen ist eine Art mentale Hängematte, die Gedanken schweifen mal hierhin mal dorthin, man idealisiert einen Zustand und das alles aus einer sehr bequemen Position heraus. Sobald allerdings die Realisierung ansteht, hat man ein konkretes Ziel und muss sich spätestens dann mit den Rahmenbedingungen beschäftigen.

»einTräume wahr werden zu lassen, ist Job, der damit anfängt, sich selbst gesund und leistungsfähig zu halten, Aufgaben sorgfältig zu planen, Ressourcen zu beschaffen, Unterstützer zu finden, aus Tiefschlägen zu lernen,

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Widerständen zu trotzen und mentale Stärke zu bewahren. Das soll Sie auf keinen Fall entmutigen, halten Sie an Ihren Träumen fest, aber bleiben Sie gleichzeitig auf dem Boden der Tatsachen, wenn Ihnen Erfolg wichtig ist. Andernfalls werden Sie bestenfalls als Visionär in Erinnerung bleiben, wie im übrigen Leonardo da Vinci in Bezug auf das Fliegen. Pauschal an die Macht der Träume zu appellieren, zeugt jedoch eher von  Gleichgültigkeit. Es vernachlässigt Talent und Rahmenbedingungen.

»erfüllen, Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Träume steigt mit vorhandenem

Talent, Kompetenz und den ­i dealen Rahmenbedingungen.

Wer Ihnen ehrliches Feedback gibt, konstruktives wohlgemerkt, zeigt immerhin Interesse an Ihrem Talent, jemand, der tatkräftige Unterstützung anbietet, Stärken kontinuierlich zu entwickeln, hat ein echtes Interesse an Ihrem Potenzial! Für das Gebiet, auf dem Sie beabsichtigen erfolgreich zu sein, sollten Sie eine Begabung mitbringen. Ideal ist Begabung und eine exzellente Förderung. Sprich eine gute Ausstattung, mentale und finanzielle Unterstützung, ein Entwicklungsplan und so weiter. Aus einem Sprinter wird selten ein Langstreckenläufer. Was an der Veranlagung liegt, nicht an der fehlenden Vision. Jeder kann nahezu alles bis zu einem gewissen Grad erlernen. Exzellenz beschränkt sich allerdings auf einen sehr kleinen Bereich. Erfolgreiche bewegen sich im Bereich der Exzellenz, sie wissen, worin sie wirklich gut sind. Die Goo-

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gle-Gründer Larry Page und Sergey Brin hatten keine Ahnung, wie man ein Produkt auf den Markt bringt, aber sie kannten sich mit Internetsuche aus wie kein anderer. Page selbst formuliert es so: „Wir haben wirklich davon profitiert, Experten zu sein […] Wir verstanden alle Aspekte der Internetsuche. Wir hatten Gespräche mit allen großen Unternehmen in diesem Bereich. Wir wussten sehr gut, was in der Branche vorging“ (Coleman und Von den Lernen 2012). Sie träumten nicht davon, erfolgreich zu sein, sondern sie wurden erfolgreich, weil sie rigoros ihren Stärken folgten. Etwas, für das Sie begabt sind und hoch motiviert, sollten Sie immer priorisieren. Sie haben eine realistische Chance es zu einem Experten zu bringen. Überlegen Sie sich Innovationen, die Sie auf Ihrem Gebiet entwickeln können. Und helfen Sie damit einem Unternehmen erfolgreicher zu sein oder gründen Sie ein eigenes. Was weiter übersehen wird: Träume sind verschwindend gering mit eigenen Mitteln zu beeinflussen. Wer an ihnen festhält, ohne sich mit den Gesetzen des Markts zu beschäftigen, Wettbewerber zu analysieren und die Machbarkeit zu durchdringen, begeht Denkfehler. Beispielsweise die „sunk cost fallacy“ (Dobelli 2014), die die Tendenz beschreibt, trotz Verlusten an einer Entscheidung (oder einem Traum) festzuhalten. Wie geschehen beim Projekt Concorde, einem Überschallflugzeug, das in weniger als vier Stunden zwischen Europa und New  York pendelte und dessen Kosten-Nutzen-Plan niemals aufging – weshalb die „sunk cost fallacy“ auch Concorde-Effekt genannt wird.

»Traums Je mehr Aufwand zur Erreichung eines betrieben wurde, desto härter wird es, sich einzugestehen, dass ein Projekt gescheitert ist.

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Nirgends zeigt sich das eindrücklicher als im Gebirge. Bergsteiger sprechen von einer regelrechten Gipfelsucht, wenn sie sich, am Ende ihrer Kräfte und ungeachtet der Konsequenzen, dem Gipfel entgegenquälen. Ihre Wahrnehmung verengt sich vollständig auf das Erreichen des Ziels. Risiken werden wissentlich oder unwissentlich ausgeblendet. Wer Kälte, Schmerz und Anstrengung auf sich nimmt, will die Belohnung am Ende. Abbruch würde bedeuten, auf die Möglichkeit eines Erfolgs zu verzichten. „Das größte Hindernis für den Erfolg ist die Angst vorm Scheitern“, weiß Sven-Goran Eriksson, einer der erfolgreichsten Fußballtrainer. Die Angst vorm Scheitern wird umso größer, je weiter man gegangen ist. Auch wenn das Ziel in weite Ferne rückt, die Motivation, nicht aufzugeben, ist stärker als die Vernunft. Das liegt an einem psychologischen Motivwandel  – vom Streben nach Gewinn zur Verlustminimierung. Verlust an Prestige, Geld, Zukunftschancen, Selbstvertrauen.

»Menschen Bei drohendem Verlust hängen sich doppelt rein. Besser wäre sich rauszunehmen. Auch oder gerade weil die Stimme im Kopf sagt: „Gib nicht auf“.

Es ist vollkommen richtig, sich Ziele zu setzen und wenn es darauf ankommt hart dafür zu arbeiten. Notfalls Tag und Nacht. Aber manchmal wandeln sich eben die Umstände und die Möglichkeiten des Einflusses schwinden. Und dann ist es notwendig zu erkennen, dass ein Absprung nicht nur jederzeit möglich, sondern einzig sinnvoll ist. Im Fall der Concorde zogen übrigens die Passagiere die Reißleine. Nach einem Absturz brachten schlicht zu wenige das nötige Ver-

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trauen auf. Damit war das Projekt beendet. Zuvor flossen allerdings weitere Millionen in neue Sicherheitsmaßnahmen. Als der Betrieb der Concorde im Jahr 2003 endgültig eingestellt wurde, nannte es  Denis Healey (Elliott 2003), ehemals britischer Finanzminister, eine „einzige riesengroße Geldverschwendung“. Denken Sie daran, wenn Sie in einer Situation feststecken, die in Geld-, Gefühls- oder Zeitverschwendung zu münden droht. „Wer A sagt, muss nicht B sagen, er kann auch erkennen das A falsch war“, sagte einst der Dramatiker Bertolt Brecht und er hatte Recht. Fazit Scheitern gehört zum Erfolg. Und wer davon träumt erfolgreich zu sein, sollte die Rechnung nicht ohne die eigenen Stärken machen, aber auch ein wachsames Auge auf die Umgebungsbedingungen werfen. Gehen Sie dorthin, wo Ihr Talent gefragt ist und die besten Bedingungen vorliegen für die Entfaltung Ihrer Stärken.

Umkehren oder Weitermachen? Ein hilfreiches Analysetool ist die Strength-Weakness-­ Opportunities-­Threats(SWOT)-Analyse (SWOT-Analyse 2005; Tab. 1.1). Das Tool wurde Anfang der 1960er-Jahre an der Harvard Business School entwickelt. Es ist eine Technik, die eigene Stärken und Schwächen in Bezug zu von außen gegebenen Chancen und Risiken setzt, beispielsweise im Vorfeld einer wichtigen Entscheidung. Aus der Analyse lassen sich unterschiedliche Strategien ableiten und die Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs bestimmen. • SO-Strategie: Stärken und Chancen zusammenbringen (generell erfolgsversprechend)

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Tab. 1.1 SWOT-Analyse Wettbewerbsvorteil

Wettbewerbsnachteil

Schwächen Interne Einfluss- Stärken (Strengths) (Weaknesses) Talente, Qualifikation, faktoren Erfahrung, Netzwerk, Fehlende (steuerbar) finanzielle Ressourcen, Qualifikation, mangelnde Fitness, Willensstärke, Erfahrung, fehlende Resilienz, Kompetenz Ressourcen, wenig usw. Talent, gesundheitliche Einschränkung, fehlendes Netzwerk, Zweifel usw. Was sind meine: Ihre Notizen Was sind meine: Externe Einfluss- Chancen (Opportunities) Risiken (Threats) faktoren (kaum Gute Wettbewerbsbe- Unvorhergesehene dingungen, unterstüt- Bedrohungen, steuerbar) Konkurrenz, zende Faktoren, innovative Standortvorteil, schwache Konkurrenz, Wettbewerber, politische Konflikte, gesellschaftliche Entwicklungen, lokale Klimawandel, Gesetzesänderungen Ereignisse Was sind meine: Ihre Notizen Was sind meine: -

• ST-Strategie: mithilfe von Stärken auf Bedrohungen reagieren und Lösungen finden (mittlere Erfolgsaussichten; Gefahr, dass Risiken unterschätzt werden) • WT-Strategie: Fokus auf das Minimieren von Schwächen, um auf Risiken zu reagieren (riskant, wenig erfolgsversprechend, verlustminimierend) • WO-Strategie: Fokus auf das Minimieren von Schwächen, um externe Chancen zu nutzen (mittlere Erfolgs-

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aussichten, Chancen können eventuell aus Mangel an internen Ressourcen nicht ausreichend genutzt werden.)

Ein Beispiel Ein Bergsteiger, der die Strategien der SWOT-Analyse wie folgt anwendet: • SO-Strategie: mit den besten körperlichen Voraussetzungen bei idealen äußeren Bedingungen aufbrechen; bestmögliche Route, beste Ausrüstung, erfahrende Tour-­ Guides, ideale Wetterbedingungen • ST-Strategie: sich auf Fitness verlassen und trotz Risiken (z. B. Wetterumschwung) loslaufen • WT-Strategie: Schwächen ausgleichen (z. B. durch zusätzlichen Tag Akklimatisierung) und trotz Risiken loslaufen (z.  B. zusätzlichen Sauerstoff mitnehmen und Extraproviant) • WO-Strategie: Schwächen beseitigen und Chancen ergreifen (z.  B. ausreichend akklimatisieren und nur bei idealen Bedingungen loslaufen)

Literatur Coleman J, Von den Lernen B (2012) Harvard Business Manager, 6. Juli. Besten Dobelli R (2014) Die Kunst de klaren Denkens. dtv, München, S 21 Dobelli R (2019) Die Kunst des guten Lebens. Piper, München, S 93 ff Elliott L (2003) How concorde went off the rails. The Guardian, 27. Oct SWOT Analysis (2005) Harvard Business Press Chapters, Jun 16. https://hbsp.harvard.edu/product/5535BC-PDF-ENG?itemFindingMethod=Other. Zugegriffen am 20.02.2020

2 Zweifel überwinden

Inhaltsverzeichnis

Wie Sie Selbstvertrauen gewinnen  Wie Sie Misserfolge zum Positiven wenden  Literatur 

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 D. von Kopp, Top im Job – Wie Sie leben, arbeiten und Ihr Potenzial entfalten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61378-8_2

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Wie Sie Selbstvertrauen gewinnen „Wir haben das Finale gespielt, wir haben das Finale gewonnen. Das ist etwas, wonach man süchtig werden kann“, weiß Jürgen Klopp. Zumindest aus neurobiologischer Sicht ist Erfolgssucht keine wirkliche Überraschung. Solange Menschen ein attraktives Ziel vor Augen haben, fühlen sie sich hochmotiviert und zuversichtlich. Unterstützt werden sie dabei vom Antriebshormon Dopamin. Es wirkt anregend, hebt die Stimmung und hilft Kräfte zu mobilisieren. Dopamin kann regelrecht süchtig machen. Der Trainer des FC Liverpool räumt gleichzeitig ein: „Es ist nicht so, dass wir jetzt endlich zufrieden, glücklich oder am Ziel unserer Karrieren wären, nur weil wir die Champions League gewonnen haben“. Auch das ist wenig überraschend. Mit eintretendem Erfolg sinkt der Hormonlevel im Blut rapide ab, zudem machen sich Erschöpfung und Müdigkeit breit, mitunter sogar Antriebslosigkeit. Manche berichten von einer regelrechten Leere. Statt Erfolge zu feiern, was der Stimmung durchaus gut täte, beginnt das große Grübeln. Flugkapitän Chesley B. Sullenberger (2009), der im Janu­ar 2009 mit einer beispiellosen Notwasserung auf dem New Yorker Hudson River 154 Passagieren das Leben rettete, sah sich selbst, anders als die breite Öffentlichkeit, nicht als Held. „Ich habe meinen Job gemacht“, spielte er seine Meisterleistung herunter. Noch Monate nach dem Ereignis haderte er mit seiner Entscheidung, auf dem Fluss zu landen. Ihn quälte die Frage, ob es nicht vernünftiger gewesen wäre, eine andere Lösung zu finden (Wäre es nicht, wie spätere Untersuchungen ergaben). „I was constantly re-­ living, second guessing, what if-ing“, gestand er im Interview mit dem Esquire-Magazin. Ob ihm bewusst war, dass er eine ganz typische Entwicklung durchmachte?

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»keit Wenn ein Gefühl der Unzulänglichtrotz offensichtlichen Erfolgs besteht, ist auch die Rede vom Impostorphänomen.

Betroffene leiden unter chronischen Selbstzweifeln. Sie fürchten, als „Hochstapler“ enttarnt zu werden. Im Erfolgsfall fühlen sie sich zu Unrecht gefeiert. Derart Erfolgsblinde sehen nicht ein, warum man ihnen gratuliert, warum sie als Experte gelten oder als Held. „Ich habe das Gefühl, den Applaus nicht zu verdienen“, heißt es dann im Coaching. Es mag für Außenstehende seltsam anmuten, wenn Selbstzweifel ausgerechnet jene plagen, die von außen betrachtet Überflieger sind, die von Kindesbeinen an ehrgeizige Ziele verfolgen, zeitig in ihrer Karriere erfolgreich sind, einem Unternehmen vorstehen, akademische Titel mit Bravour erlangen. „Es ist verwirrend, denn man muss alles unter einen Hut bringen, wie man sich selbst fühlt und wie der Rest der Welt einen sieht“, beklagt sich die Schauspielerin Emma Watson. Sie machte die Erfahrung: „Je erfolgreicher ich bin, desto stärker wird dieses Gefühl der Unzulänglichkeit“.

»nen, Erfolgsdruck liegt besonders auf jedie in jungen Jahren bereits als vielversprechende Talente galten.

Die New  Yorker Psychoanalytikerin Phyllis Greenacre (2011) machte in den 1960er-Jahren die Entdeckung, dass Kreative, insbesondere in jungen Jahren und Genies, unter ihnen der junge Thomas Mann, an der Rechtmäßigkeit ihrer Erfolge zweifelten. Mit ihren Zweitbüchern tun sich Er-

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folgsautoren oft schwer. Statt frei aus ihrer Kreativität zu schöpfen, beginnen sie an ihren Fähigkeiten zu zweifeln.

»auf Kaum etwas wirkt sich so nachhaltig Leistungen aus, wie die Selbstein-

schätzung. Selbstkritik zählt zu den größten Hindernissen. Man nennt sie auch den „stillen Killer“ (Cabane 2019), weil viele leitende Angestellte darunter leiden und so wenige es wagen, darüber zu sprechen.

Bei einer bevorstehenden Beförderung fällt Ihnen zuerst ein, dass Ihnen Sachkenntnis für den Job fehlt? Sie glauben, dass andere Ihre Kompetenz überschätzen, Sie fühlen sich zu jung, zu alt, zu wenig flexibel? Sie Sind von dem Gedanken besessen, nicht scheitern zu dürfen, und überzeugt, Ihr Erfolg beruhe auf Zufällen? Das klingt verdächtig nach einem Impostor-Mindset. Dazu gehört, Erfolg glücklichen Umständen, der leichten Aufgabenstellung, dem richtigen Timing oder gar dem Zufall zu verdanken – statt in ihm die Konsequenz eigenen Könnens zu sehen. Es handelt sich dabei um eine kognitive Fehleinschätzung, bekannt als fundamentaler Attributionsfehler (Jones und Harris 1967; Attribution bedeutet Ursachenzuschreibung). Selbstwertdienlich (Greenberg et  al. 1982)  sprich gut fürs Ego, ist eine Attribution, die Erfolge auf interne Faktoren wie Intelligenz, Talent, Können, Fleiß, Sorgfalt, Gewissenhaftigkeit und Erfahrung zurückführt und Misserfolge auf äußere Umstände, wie eine schwierige Aufgabenstellung oder unfairen Wettbewerb.

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Selbstwertmindernd ist eine Attribution, die Erfolge auf externe, begünstigende Faktoren und Zufälle zurückführt und Misserfolge auf interne Faktoren, wie mangelnde Kompetenz. Zweifler werden seltener CEO. In Vorstandsgremien findet sich mitunter sogar das exakte Gegenteil eines Zweiflers. Verhaltensökonom Alexander Sebald (2015) schreibt dazu im Manager Magazin: „In leistungsbezogenen Umfeldern wird ein hohes Selbstvertrauen oft als sehr positive Eigenschaft angesehen, die durch Erfolg entsteht und zukünftige Erfolge fördert. Insbesondere Menschen, die viele große Herausforderungen gemeistert haben, wie Führungskräfte und Politiker, besitzen oft ein starkes Selbstvertrauen und sind sich ihrer überdurchschnittlichen Fähigkeiten sicher“. Auch wenn der Grad schmal ist zwischen Selbstvertrauen und gefährlicher Selbstüberschätzung kann es von Nutzen sein, weniger zu zweifeln. Den Sprung ins kalte Wasser zu wagen, statt ihn hundert Mal abzuwägen. Das Impostorphänomen geht oft einher mit übergroßem Pflichtgefühl und Perfektionismus. Dass tendenziell eher erfolgreiche Frauen betroffen sind als Männer, mag schlicht an der Tatsache liegen, dass Frauen im Vergleich zwanzig Mal häufiger Schwächen statt Stärken kommunizieren (https://www.zeit.de/karriere/beruf/2015-06/selbstmarketing-frauen-karriere, Seitenaufruf vom 12.02.2020).

»auch Wo eine Gefahr ist zu scheitern, ist eine große Chance zu wachsen. Statt über Fehler nachzugrübeln, überlegen Sie besser, was Sie daraus gelernt haben. Statt warum ich, fragen Sie besser: wofür ist es gut? Das nennt sich „reframing“ (https://

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wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/reframing-46658/ version-269936) und ist eine psychologische Methode, die dabei hilft, Dinge in einem neuen Licht zu sehen.

»neue „Reframing“ bedeutet gedanklich eine Positionen einzunehmen, auch wenn es schwerfällt – eine Art Yogaübung für den Verstand.

Anstatt zu glauben, dass der eigene Erfolg auf einem riesengroßen Zufall beruht, kann man Erfolge nutzen, um herauszufinden, welche Kompetenzen dafür verantwortlich sind und diese zukünftig fördern, sowie Misserfolge, um herauszufinden, welche Rahmenbedingungen verbessert werden könnten. Eine Mitarbeiterin, die aus Taktgefühl Schwierigkeiten hat, andere zu kritisieren, kann mit eben diesem Taktgefühl eine hervorragende Kundenmanagerin sein. Umgekehrt kann jemand, der überall Schwachstellen findet und damit Mitarbeiter verärgert, in der Prozessanalyse wertvolle Dienste leisten.

»Selbstvertrauen. „Reframing“ schafft Lösungen und Schließlich braucht es das, um eine Beförderung anzunehmen, eine Familie zu gründen, sich selbstständig zu machen. Es ist ganz normal und eine gesunde Reaktion, sich unwohl zu fühlen. Das bringt die ungewohnte Situation mit sich. Wohlgemerkt: Das Unwohlsein hat mit äußeren Faktoren zu tun, selten mit vorhandener Inkompetenz. Ohne eigenes Können kommt man nun mal nicht weit. Wer dem misstraut, sollte ein Erfolgstagebuch führen

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(Tab. 2.1). Dahinein gehören tägliche Erfolge, auch noch so kleine. Wenn Sie mögen, legen Sie eine Tabelle mit zwei Spalten an: A) eigene Kompetenzen und B) äußere Bedingungen. In der ersten Spalte notieren Sie im Fall eines Erfolgs, was Sie Ihrem Können, Ihrer Erfahrung und Ihrem Wissen verdanken. In die zweite was oder wer Ihnen geholfen hat, Ihren Erfolg umzusetzen. Falls Sie darunter den Begriff Teamwork finden, vergessen Sie nicht, dass es auch ein Talent ist, andere zu Leistung und Mitarbeit anzuspornen oder sie von der eigenen Loyalität zu überzeugen.

»und Bitten Sie Ihr Umfeld um Feedback lassen Sie es unkommentiert gelten, vor allem wenn es positiv ist!

Sofern Sie „reframing“ regelmäßig anwenden, programmieren Sie Ihr Denken über kurz oder lang neu. Trainieren Sie es darauf, Stärken und Kompetenzen in den Vordergrund zu stellen. Bei einem Misserfolg fangen Sie bloß nicht gleich wieder an zu zweifeln. Sie sind aus eigener Kraft und mit eigenem Können bis hierhin gekommen. Und das ist doch ein schöner Erfolg! Tab. 2.1  Erfolgstagebuch: Wem verdanken Sie Ihre Erfolge? Externe Faktoren: Interne Faktoren: Eigene Kompetenzen, Gutes Timing, Glück, leichte Aufgabe, Erfahrung, Sorgfalt, Ausdauer, Fachwissen, Wettbewerbsvorteil, Verhandlungsgeschick, gute Rahmenbedingungen, Anstrengung, Unterstützung von Zeitmanagement, Networking Skills usw. außen usw. Erfolg/Datum Was dazu führte …

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 ie Sie Misserfolge zum Positiven W wenden Abschlussnoten sind übrigens zweitrangig und zur langfristigen Prognose des Berufserfolgs nur bedingt geeignet (Gasser 2014). Hierzu bedarf es weitaus mehr: die richtige Berufswahl, den passenden Job, Mentoren und Vorbilder und Resilienz – jene Fähigkeit, nach Misserfolgen immer wieder aufzustehen und weiterzumachen. Mit Misserfolgen kennt sich Jürgen Klopp aus wie kein Zweiter: „Ich stand bereits sechsmal mit einem Team im Endspiel und habe sechsmal verloren. Aber das macht mich nicht zu einer gebrochenen Person. Für mich bedeutet das Leben, es immer wieder zu versuchen. Wenn nur Gewinner überleben dürfen, können wir alle einpacken. Aber man muss immer alles geben“. Und dann darf man auch gern feiern! Gegenstrategien im Fall von 1. Zweifeln: Schauen Sie auf die Ursache Ihrer Zweifel. Zweifeln Sie an Ihrer Kompetenz? Zweifeln Sie eher an der Richtigkeit der eigenen Aussagen als an der anderer? Ziehen Sie in Betracht, dass ein anderer falsch liegen könnte oder nur Sie selbst? Fühlen Sie sich manchmal eingeschüchtert? Finden Sie die Arbeit anderer bedeut­samer? Hören Sie sofort auf damit. Fokussieren Sie auf Ihre eigene Kernkompetenz. Halten Sie sich vor Augen, dass sich andere Menschen auch hilflos und überfordert fühlen. Möglicherweise sogar Angst davor haben, von Newcomern überrannt zu werden. Erkennen Sie die Leistungen anderer an. Und erlauben sich selbst Ihre Kompetenz unter Beweis zu stellen. Schaffen Sie dafür den richtigen Rahmen. Wechseln Sie gegebenenfalls den Job zur optimalen Entfaltung Ihrer Stärken. 2. dem Gefühl mehr leisten zu müssen: Sie fühlen sich zu langsam, halten andere für besser, kompetenter? Komplimente klingen in Ihren Ohren nach einem versteckten

2  Zweifel überwinden 

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Vorwurf? Sie misstrauen Ihren eigenen Ergebnissen? Entspannen Sie sich. Das Leben ist kein Wettkampf. Und niemand erwartet von Ihnen Wunder. Jedem was er kann und jeder in seinem Tempo. Schauen Sie auf das, was Ihnen bereits gelungen ist. Öffnen Sie Ihr Ohr für Nettigkeiten und Zuspruch. Erklären Sie einem Kind, was sie tun und was Sie an Ihrem Job lieben. 3. Schwäche: Ihr Selbstbewusstsein ist im Keller. Sie fühlen sich unsicher, ohnmächtig, langsam, unerwünscht, unbeliebt? Machen Sie einen Schritt nach vorn. Sorgen Sie dafür, dass Ihr Anteil an einem Projekt sichtbar wird. Inspirieren Sie andere mit Ihrer Offenheit. Fokussieren Sie auf Ihre Stärken. Finden Sie den geeigneten Aufgabenbereich für Ihre Stärken. 4. Misserfolg: Ist es wirklich Misserfolg? Waren Sie gut vorbereitet? Oder weniger gut als sonst? Hatten Sie negative Erwartungen? Wussten Sie schon vorher, dass es so kommen würde? Abgehakt, wenn es wirklich ein Reinfall war. Dass es hingegen ein Scheitern mit Ansage war, erkennen Sie, wenn Sie aufgrund Ihrer Misserfolgserwartung tatsächlich schlechter als sonst performt, weniger Zeit investiert, extra Fehler eingebaut, Fehler nicht korrigiert, Abgabetermine hinausgezögert haben. In Zukunft schalten Sie von vornherein auf Erfolg. Mit einer Erfolgserwartung werden Sie konzentrierter, fehlerfreier, inspirierter arbeiten. Halten Sie sich immer vor Augen, was Sie bereits erreicht haben. Dazu gehört eine Menge Talent.

Literatur Cabane OF (2019) Das Charisma-Geheimnis. mvg, München, S 57 Gasser A (2014) Noten als Prädiktor des Berufserfolgs. Dissertation veröffentlich im Konstanzer Online-Publikations-System Greenacre P (2011) The impostor. Psychoanal Q LXXX(4): 1025–1046 Greenberg J et al (1982) The self-serving attributional bias: Beyond self-presentation. J Exp Soc Psychol 18:56–67

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Jones E, Harris VA (1967) The attribution of attitudes. J Exp Soc Psychol 3:1–24 Sebald A (2015) Selbstüberschätzung von Top-Managern – die große Gefahr. Manager Magazin, 30.11.2015 Sullenberger CB (2009) Highest duty: My search for what really matters. Harper Collins Publishers, New York

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Inhaltsverzeichnis

Welche Rolle Status spielt  Wie Sie dafür sorgen, dass man sich Ihren Namen merkt  Was passiert, wenn Sie sich unpassend kleiden  Literatur 

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 D. von Kopp, Top im Job – Wie Sie leben, arbeiten und Ihr Potenzial entfalten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61378-8_3

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Welche Rolle Status spielt Sie betreten einen Fahrstuhl. Außer Ihnen sind vier weitere Personen anwesend. Sie alle schweigen. Und doch wissen Sie, ohne ein Wort zu wechseln, beinahe alles voneinander. Wie kann das sein? Körpersprache ist ein offenes Fenster, sie gibt Ausblick auf Status, Emotionen, Handlungsabsichten, Sympathien und Werte eines Menschen. Die soziale Interaktion ist so mächtig wie alt. Bereits Primaten bedienten sich ihrer. Wenn wir diesen uralten Kommunikationskanal verstehen, sagt Alex Pentland (2008), ein Professor am Massachusetts Institute of Technology (MIT), können wir den Ausgang von Situationen, beispielsweise von Vorstellungsgesprächen oder Verhandlungen, genau vorhersagen. Exakt das hat er getan, als er auf einer Konferenz Führungskräfte mit einem digitalen Sensor ausstattete, der u. a. räumlichen Abstand, Gestik, Geschwindigkeit und Häufigkeit von Bewegungen aufzeichnete. Und mit dem er vorhersagte, wessen Präsentation am darauffolgenden Tag vor einer unabhängigen Jury gewinnen würde. Und dabei richtig lag! Was Pentland als Bestätigung sah: Auf die Körpersprache kommt es an. Dieser zweite Kommunikationskanal also, bei dem es nicht um Worte, sondern um nonverbale Interaktion geht, beeinflusst unser Denken und Handeln grundlegend. Auch wenn wir uns dessen nicht bewusst sind. Um auf die Situation im Fahrstuhl zurückzukommen: Für Sie bedeutet das: Sie wissen instinktiv, wer die Person mit dem höchsten Status im Raum ist, wer Ihnen sympathisch ist und wessen Nähe sie aus diesem Grund bevorzugen, wer mit wem bekannt ist, wer Unterstützung anbieten würde, falls jemand auf Hilfe angewiesen wäre, wer gestresst ist und wer gut gelaunt. Im Umkehrschluss bedeutet das: Auch Sie sind für andere ein offenes Buch. Nehmen wir den Status. An dem Status, den Sie aussenden, orientiert sich

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das Verhalten anderer. Das ließe sich im Übrigen sehr leicht feststellen, sobald Sie eine Uniform mit vier Streifen auf der Schulter tragen. Doch auch ohne Uniform können Sie im Hochstatus sein und zwar durch typische raumfordernde Gestik und Mimik. Ebenso ist der Tiefstatus leicht zu erkennen. Nur, Understatement ist eine zwiespältige Angelegenheit. Einerseits kann es Sympathiepunkte bringen, sich selbst etwas herabzusetzen. Andererseits wird man Sie im Zweifel schlicht übersehen. Defensive Körpersprache – zur Seite geneigter Kopf, ausweichende, hektische Bewegungen, nach oben gezogene Schultern, gesenkter Blick – lässt Unsicherheit oder sogar einen niedrigen sozialen Status vermuten. Ratsam ist allenfalls ein zur Seite geneigter Kopf, zumindest von Zeit zu Zeit, er signalisiert nämlich einen guten Zuhörer. Doch auch übertriebenes Gestikulieren im Hochstatus, Aufplustern würde man im Tierreich sagen, ist wenig souverän. Wer den Konferenzraum wie einen Westernsalon betritt, hat das Statusspiel missverstanden. Und wer ihn stürmt wie eine Amazone leider auch. Übertrieben raumgreifende Gestik wirkt im Businessumfeld ähnlich deplatziert wie Unterwürfigkeit. Souverän ist irgendwo die Mitte aus beidem. Doch wie funktioniert der souveräne Auftritt im Detail? Fakt ist:

»ren, Um Ihre Körpersprache zu kontrolliebrauchen Sie die Kontrolle über Ihre Gedanken.

Körper und Geist bilden eine Einheit, im Guten wie im Schlechten. Das Ganze nennt sich Embodiment. Der Körper reagiert, bevor ein Gedanke auch nur ausgesprochen werden kann (Spies 2010). Denken Sie an den Schlag vor

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die Stirn, wenn Ihnen klar wird, dass der Wohnungsschlüssel in der Wohnung ist und Sie sind draußen. Haltung, Gestik, insbesondere aber die Mikromimik (Paul et  al. 1992; Ekman Eilert 2013), das sind minimale Reaktionen der Gesichtsmuskulatur, sind emotionsgeleitet und gedankengesteuert. Bedeutet für Sie: Ihre Emotionen und Gedanken veranlassen Ihren Körper zum Handeln.

»slav „Du machst das Ding“, raunte MiroKlose dem eingewechselten Mario Götze ins Ohr.

Der stürmte auf den Platz und schoss Minuten später das entscheidende Siegestor. Aktivsätze wirken wie ein Energieschub, sie straffen die Haltung und leiten zielgerichtete Handlungen ein. Legen auch Sie sich ein paar Aktivsätze zurecht, für entscheidende Situationen.

»gen Wenn wir uns Erfolgreiche vor Auführen, sehen wir in erster Linie deren Status.

Und den erkennen wir wiederum an typischen Statusges­ ten: eher große und sichere Schritte, eine Hand in der Hosentasche, die andere auf der Schulter des Gegenübers, ­fließende Bewegungen, zielgerichtetes Handeln, direkter Blickkontakt. Der springende Punkt sind aber die Reaktionen der Umstehenden. Die anderen machen den König, heißt es im Schauspiel.

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»kommt Wer einen hohen Status hat, bemehr Aufmerksamkeit und weniger Kritik.

Und dies wirkt sich wiederum auf das Mindset aus, es stärkt die Selbstsicherheit über die Zeit ungemein. Für Sie bedeutet das: Nehmen Sie jede Chance einer Beförderung wahr. Sie werden mit der Zeit und Ihren Aufgaben wachsen. Allein Ihre Position wird Ihren Status heben. Man spricht auch von Positionsmacht. Ähnliches passiert, wenn Sie für ein renommiertes Unternehmen arbeiten (oder dort ein Praktikum absolvieren) und dann zu einem kleineren Unternehmen wechseln. Man traut Ihnen automatisch mehr zu. Umgekehrt müssen Sie sich Ihren Status erst erarbeiten, indem Sie Ihre Kompetenz wiederholt unter Beweis stellen, sobald Sie von einem kleineren Betrieb in ein großes Unternehmen wechseln. Was die Kompetenz be­trifft:

»zeichen Es gibt kaum körpersprachliche Anfür Kompetenz. Dennoch nei-

gen viele Menschen dazu, aus dem Status Kompetenz abzuleiten.

Sie erliegen damit dem Barkeeper-Effekt, der die Annahme erzeugt, das effektvolle Hantieren erzeuge automatisch die besten Cocktails. Was natürlich nicht der Fall ist. Nur weil jemand so tut, als sei er kompetent, muss er es nicht sein. Was regelrecht fatal wird, wenn Menschen aufgrund Ihres Status Verantwortung übertragen bekommen, für die sie keinerlei Kompetenz mitbringen.

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»auf Übertragen heißt das für Sie, dass Sie Ihre Kompetenz aufmerksam machen müssen! Sorgen Sie dafür, dass man die Ergebnisse Ihrer Arbeit sieht.

(Vgl. Kap. 4 und 5) Wenn Sie sich trotz Kompetenz und guter Vorbereitung unwohl fühlen, Ihr Projekt zu vermarkten: Denken Sie an die Macht Ihrer Gedanken. Denken Sie an etwas Schönes, etwas worauf Sie sich freuen  – Sie werden deutlich gelassener wirken und sich nach einer Weile auch so fühlen (Cuddy 2015). Sportler, die im Wettkampf unter extremem Druck stehen, nutzen regelmäßig Visualisierungen, um mentale Stärke zu erlangen. Sie stellen sich vor, wie sie Bewegungen präzise ausführen, welche Muskelgruppen dabei aktiv werden, wie sie Leichtigkeit und Schnelligkeit bewahren und hinterher die Medaille entgegennehmen. Auch in Hollywood wendet man Visualisierungen an. Schauspieler stellen sich die Person, die sie verkörpern, in allen Einzelheiten vor, tauchen sogar vollständig in deren Gefühls- und Gedankenwelt ein. Automatisch übernehmen sie dann auch deren Bewegungen. Das „method acting“ hat einen weitaus größeren Einfluss auf die Körpersprache, als bewusst einstudierte Gesten und Mimik.  Ein Körpersprachetrainer, der seinem Klienten rät, tu dies, lass das, wird mit seiner Methode nur kurzfristig  Erfolg erzielen. Vielversprechender ist die Aufforderung an den Handelnden, sich in eine Situation hineinzuversetzen, und sich vorzustellen, wie er sie erfolgreich meistert. Je besser die Unterstützung bei dieser Visualisierung ist, desto tiefer können sich die Veränderungen auch auf neurologischer Ebene verankern und zum gewünschtem Verhalten führen.

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Negative Gedanken in positive umzuwandeln, ist eine Möglichkeit Selbstsicherheit zu gewinnen und diese nach außen zu strahlen. Über den Status hinaus können Sie einen weiteren Faktor steuern und zwar Ihre Durchlässigkeit. Das ist der Grad an Intensität, mit der Emotionen nach außen dringen. Beim Pokern ist die Durchlässigkeit gleich Null. Bei sichtbarer Aufregung ist sie maximal. Souverän wirkt eine mittlere Durchlässigkeit. Einerseits emphatisch und offen für  Andere, gleichzeitig eher zurückhaltend mit den eigenen Emotionen.  Letztendlich bestimmen Sie, wie durchlässig Sie für Gedanken und Gefühle sein wollen.

»abriegeln Manchmal muss man nach außen hin und seine Strategie für sich behalten, wie der Elfmeter Schütze.

Stellen Sie sich vor, dass Sie von einer gläsernen Kapsel umgeben sind. Es gibt ein Innen und Außen, Privat und Öffentlich. Ihre Kompetenz ist öffentlich, Ihre Empfindungen bleiben privat. Sie können die Kapsel jederzeit öffnen und bei Bedarf wieder schließen. In Verhandlungen kann diese Taktik durchaus helfen. Wer seine Mimik nicht unter Kontrolle hat, verliert leicht an Status. Das gilt im unmittelbaren Gespräch, aber auch für Videokonferenzen, bei denen es oft noch schwerer ist, eine persönliche Verbindung herzustellen. Hier schauen Sie bitte in die Kamera. Zeigen Sie mit einem Kopfnicken, dass Sie Ihrem Gegenüber folgen. Bleiben Sie ruhig, verhindern Sie, dass Emotionen ungefiltert nach außen dringen. Atmen Sie lieber einmal tief durch und lassen sich im Zweifel noch einmal erklären, worauf der andere hinaus will. Im Videostream kann es leicht

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zu Missverständnissen kommen. Nur wirken Gefühlsausbrüche selten souverän. Sie führen zu einem Verlust an Status. Vielleicht haben Sie schon einmal von Powerposen ghört. Das sind Körperhaltungen, die sich positiv auf die innere Einstellung auswirken und die  gleichzeitig helfen, Anspannung zu verringern. Richten Sie sich vollständig auf.  (funktioniert auch im Sitzen) Lockern und strecken Sie sich. Nehmen Sie die Schultern zurück. Wer den Kopf hoch trägt, denkt positiver. Wer festen Grund unter den Fußsohlen spürt, verspürt auch innerlich Halt. Wer lächelt, fühlt sich nach einer Weile glücklich. Wer die Pose eines Siegers einnimmt, fühlt sich nach einer Weile heroisch. Sehen Sie Powerposen als eine Art Notfallequipment. Allerdings machen wir uns nichts vor: Es gibt diese Situationen, in denen der Wunsch, im Erdboden zu versinken, mächtig wird. Ein Freund und Kollege mit einem Schauspieldi­ plom verriet, dass er sich während seiner Ausbildung wie ein Schwein  grunzend an anderen Schauspielern reiben musste. Seine Erkenntnis? Wer das eine Weile gemacht hat, dem ist fast gar nichts mehr peinlich. Trauen Sie sich, peinlich zu sein! Was immer Ihnen die Schamesröte ins Gesicht treibt, das peinliche Gefühl verschwindet, je häufiger Sie sich der Situation aussetzen. Gehen Sie nicht davon aus, dass jemand eine größere Scham empfindet als sie selbst. Jeder hat sein eigenes kleines Drama, um das er sich zu kümmern hat. Wer weiß schon, was in Ihrem Kopf vor sich geht. Atmen Sie einmal tief durch, falls Sie in Hektik verfallen, schalten Sie einen Gang runter  – Gelassenheit wirkt unglaublich souverän. Und was das Understatement betrifft – im Zweifel halten Sie es wie Thomas Müller: „Auf die Knie geht man nur beim Torjubel“. Und beim Heiratsantrag.

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Fazit Wer sich versteckt, bleibt unentdeckt. Für alle, die noch daran arbeiten, erfolgreich zu sein, gehört hier und da ein wenig geschicktes Selbstmarketing dazu  – inklusive dem branchenüblichen Statusgebaren.

 ie Sie dafür sorgen, dass man sich W Ihren Namen merkt Folgendes Szenario: Sie sind auf einer Top-im-Job-­ Ve­ ranstaltung. Die Teilnehmer sind aufgefordert, sich gegenseitig vorzustellen, dabei ihren vollständigen Namen und die Qualifikation zu nennen. Eine attraktive, jungendlich aussehende  Frau nennt  verlegen kichernd  ihren Namen und fügt hinzu, sie arbeite für das zahnmedizinische Institut einer Universität. Sie trägt eine Brille, sieht intelligent aus,  es könnte sich um eine wissenschaftliche Assistentin handeln, vielleicht sogar eine Doktorandin. Auf Ihre Nachfrage hin stellt sich schnell heraus: Sie ist Professorin. Jeder kennt die Situation, in der man sich unter dem Wert verkauft, in Vergessenheit gerät, bevor man überhaupt angefangen hat zu sprechen, oder schlichte Ignoranz erfährt. Was weniger an den Manieren des Gegenübers liegt, als an einem selbst. Einen guten ersten Satz zu finden, der einen gewissen Wow-Effekt hat und die Kompetenzerwartung nach oben steigen lässt, kann zeitaufwendig sein, ist den Einsatz aber allemal wert. Wenn man bedenkt, dass Gelegenheiten für ein persönliches Gespräch häufig unverhofft und äußerst kurz sind (Siemens Chef Joe Kaeser soll Kanzlerin Merkel in Davos im schmalen Gang vor den Toilettentüren abgepasst haben, als sie bereits auf dem Weg zur Podiumsdiskus-

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sion war [https://www.welt.de/wirtschaft/plus205350999/ Davos-Als-Joe-Kaeser-der-Kanzlerin-vor-der-Toilette-auflauert.html, Seitenaufruf am 12.02.2020]), ist es schon fast töricht, Zeit zur Wortfindung verstreichen zu lassen.

»formulieren, Sorgen Sie dafür, Ihren Namen so zu dass er für Jahre im Ge-

dächtnis bleibt oder zumindest für den Moment Interesse weckt.

In Situationen, in denen Sie es übertrieben finden, auf Ihre Qualifikation hinzuweisen, gehen Sie spielerisch vor. So ist es in den Vereinigten Staaten in Vorstellungsrunden längst üblich, einen Fun Fact über sich zu erzählen. Was zumindest aus Sicht der Gedächtnisforschung Sinn macht – die Kombination aus Name und Bild haftet länger im Gedächtnis, Dass der Name, wie die Qualifikation und der Rang, eine Art Visitenkarte ist, ist hinlänglich bekannt. ­Erzeugt er doch unweigerlich Assoziationen und ent­ sprechende Kompetenzerwartungen – im Guten wie im Schlechten. In Großbritannien, wo Bürger ihren Namen ganz ohne Angabe von Gründen offiziell ändern dürfen, häufen sich entsprechend royale Vornamen: Harry, Charlie, Catherine und Lilly (Kurzform von Elisabeth). Da es hierzulande schwieriger ist, den eigenen Namen zu ändern, empfiehlt sich das Kürzen. Kurze Namen sind einfacher zu merken, im internationalen Umfeld auch leichter auszusprechen. Die Kurzform wirkt zudem zeitgemäßer und dynamischer. Etliche Prominente haben zu dieser Maßnahme gegriffen, auch auf Vorstandsebene (draten Sie mal, wer gebürtig Josef Käser heißt). In formalen Situationen, auf einem Empfang oder bei einem Vorstellungsgespräch, verzichtet man besser auf Zu-

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sätze und nennt einfach seinen Namen – und das hoffentlich klar verständlich. Legen Sie hier besonderes Augenmerk auf Blickkontakt und sofern das in postpandemischen Zeiten wieder möglich ist, den Händedruck. Das Händeschütteln ist nicht nur eine, im übrigen schon seit der Antike ausgeübte, Vertrauensgeste, Ihr Handschlag gibt auch Auskunft über Ihr Energieniveau. Kaum spürbar wird man Sie für schwach und wenig belastbar halten. Drücken Sie dagegen bis zur Schmerzgrenze zu, wirkt das angespannt und dominant. Idealerweise ergreifen Sie die ganze Handfläche des Gegenübers und nicht nur den vorderen Teil und drücken anpackend, aber nicht zu fest zu. Die Mächtigen der Welt stellen Ihren Status übrigens schon beim Händeschütteln sicher, wessen Hand oben liegt, ist im Hochstatus. Auch beliebt, aber als sehr unangenehm empfunden, ist das übermäßig lange Händeschütteln und Dirigieren des Gegenübers. Es soll Ausdruck von Status sein. Darauf zu reagieren, ist kaum möglich, außer Sie legen Ihre freie Hand auf die Schulter des Gegenübers, er wird sofort loslassen. Denn das ist eine weitere Hochstatusgeste. Wenn Sie Ihren  Gegenüber kontaktlos begrüßen wollen oder müssen, deuten Sie eine leichte Verbeugung an, oder ein kurzes Kopfnicken bei gleichzeitigem Blickkontakt. Begrüßungsgesten mit dem Fuß oder Anrempeln mit dem Ellenbogen sind schon allein aus ästhetischen Gründen fragwürdig.

 as passiert, wenn Sie sich W unpassend kleiden Sie sind in einem Einkaufszentrum und jemand kommt auf Sie zu mit der Bitte, an einer Umfrage teilzunehmen. Wie verhalten Sie sich? Es kommt darauf an, werden Sie sagen. Aber worauf? Ob Ihr Gegenüber Markenkleidung trägt. Es klingt oberflächlich, ist aber wohl ein Fakt. Wissenschaftler,

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die dieses Experiment (Nelissen und Meijers 2011) durchführten, beobachteten, dass dieselbe Person deutlich mehr Zustimmung gewann, sobald sie Markenkleidung trug, als in identischer Kleidung ohne sichtbarem Logo. Das Experiment wurde in sieben unterschiedlichen Szenarien wiederholt, unter anderem, ob Passanten an einer roten Ampel eher einem Fußgänger im Anzug oder einem in Freizeitkleidung folgten, die Straße zu überqueren. In diesem und in allen anderen Fällen gewann die Kleidung mit dem höheren Status. Die Beteiligten gingen allesamt dem Halo-Effekt (Kahnemann 2016) auf den Leim. Diese psychologisch motivierte  Urteilsverzerrung greift sich ein sichtbares Detail im Erscheinungsbild heraus, in dem Fall die Markenkleidung, und leitet daraus den sozialen Status ab. Möglicherweise sogar das Vorhandensein von Kompetenz. Halo aus dem Englischen übersetzt bedeutet Heiligenschein, sprich ein alles andere  überstrahlendes  Merkmal. Sogar scheinbar Nebensächliches  wie eine Brille kann den  Halo-Effekt auslösen, namentlich dann, wenn der Urteilende aus ihr Intelligenz ableitet.  Gewiss, Kleidung, wie das äußere Erscheinungsbild überhaupt, sollte man nicht überbewerten. Aber auch nicht gänzlich ignorieren, wenn man vorhat, in der Gunst seines Gegenübers zu  steigen, beispielsweise im Bewerbungsgespräch. Auch interessant: Videokonferenzen. Vielen scheint hier nicht bewusst zu sein, dass auch der Hintergrund einen Halo-Effekt auslösen kann. Im Zweifel wirkt  eine weiße Wand aufgeräumter als ein überfrachtetes Regal. Und ein weißes Hemd sachlicher als ein Ringelshirt. Ein gepflegtes Erscheinungsbild  und  klassische Business-Basics werten den ersten Eindruck sofort auf.     In Turnschuhen, Jeans und weitem Pullover lässt sich ungestört einkaufen gehen und hinterher eine Runde Fußball

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mit dem Nachbarskind kicken. Aber eine Präsentation halten? Hinter dem Kapuzenshirt verschwindet nicht nur das Gesicht, sondern die für andere wahrnehmbare Kompetenz gleich mit. Kleidung und Umgebung bestimmen, in welche Schublade wir einen Menschen stecken. Dem Geigenspieler, der in Turnschuhen vor einer U-Bahn-Station fiedelt, trauen wir weniger zu,. als dem Smoking tragenden in einer ausverkauften Festhalle (Weingarten 2007). Joshua Bell, ein Ausnahmegeiger – und Sohn eines Psychologen – spielte in Straßenkleidung eine Dreiviertelstunde lang klassische Musik auf seiner Stradivari, in einer U-Bahn-Station in Washington, D.C. Von rund 1000 Personen, die vorbeigingen, blieben lediglich sieben stehen, nur eine hat ihn erkannt (Bell 2020). Offensichtlich erwartete niemand in diesem Setting und in dem Aufzug eine großartige Leistung – was jedoch noch verheerender war: Die geringe Kompetenzerwartung trübte offensichtlich auch die Urteilskraft. Bells Konzerte sind normalerweise ausverkauft, das Publikum gibt ihm beim Kauf eines Tickets einen großen Vertrauensvorschuss. Tun wir das nicht alle, wenn wir einem Arzt im weißen Kittel begegnen? Sympathischer mag er ja in Freizeitkleidung erscheinen – nur wer stellt in dem Fall schon Sympathie über Kompetenz? Tatsächlich hätten wir gern beides, Professionalität und Sympathie, aber wenn wir wählen müssten, dann entscheiden wir uns für Professionalität. Genau aus diesem Grund gibt es übrigens Uniformen. Damit keine Missverständnisse aufkommen, Kompetenzen und Zuständigkeiten klar umrissen sind und sich der Träger seiner zugewiesenen Rolle entsprechend verhält. Gleichzeitig vermittelt eine Uniform einen gewissen Status.  Nicht zuletzt  erleichtert sie  die morgendliche Entscheidung für das passende Outfit. 

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»man Wie will ich wirken, ist die Frage, die sich morgens vor dem Kleiderschrank stellen sollte.

Zwischen Auftritt und Wirkung können nur sehr wenige trennen. Unweigerlich schließen sie vom Outfit auf den Charakter. Wer sich salopp kleidet, könnte wenig schmeichelhafte Reaktionen hervorrufen. Als Fränzi Kühne (Fränzi Kühne über Vorbilder 2020) in Turnschuhen und Jeans im verspäteten ICE nach Hamburg reiste, soll sich ein Geschäftsmann geweigert haben, ein Taxi mit ihr zu teilen. Ungefähr eine Stunde später wurde sie in den Aufsichtsrat von Freenet gewählt – als jüngste Aufsichtsrätin eines Dax-­ Unternehmens. Der Mann hatte ihren Status wohl unterschätzt und ihre Kompetenz gleich mit. Doch wie kleidet man sich im Business?

»SieGroboptisch gesagt: Kleiden Sie sich so, dass ins Unternehmen passen. Bedeutet: experimentierfreudig in kreativen Berufen, „casual“ im Start-up, im klassischen Unternehmen eher formell. Traditionell sind dort Anzug oder Kostüm eine sichere Ausgangsbasis, bevorzugt in den Farben blau, grau oder anthrazit. Anthrazit steht für Verhandlungsgeschick, Grau für Neutralität und Zurückhaltung, zumindest behauptet das Max Lüscher. Der Schweizer Psychologe entwickelte ein Farbdiagnosesystem, das unter anderem der BILD Zeitung zu ihrem Logo verhalf. Classic Blue steht in der Lüscher-Farbdiagnostik (Lüscher 1969) für geistige Klarheit und Sympathie.

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Erinnern Sie sich an den dunkelblauen Anzug des Bundestrainers Joachim Löw während der Weltmeisterschaft 2014?  Ein smartes Business Outfit für das es Komplimente regnete und das, da es zahlreiche Nachahmer fand, die Absatzzahlen des Herstellers in traumhafte Höhen schnellen ließ. Und wer weiß, vielleicht hatte es ja sogar Einfluss auf den Mannschaftssieg?  In kreativen Kreisen ist Schwarz das Dunkelblau der Wirtschaft. Im Sport gewinnen Mannschaften in Rot häufiger als solche in anderen Trikotfarben (http://community. dur.ac.uk/red.advantage/index.html/wordpress/research/, Seitenaufruf am 12.02.2020). Sie werden als aktiver und energischer wahrgenommen. Angela Merkel trug einen roten Blazer, als sie am Rand des G7-Gipfels vor dem auf einer Holzbank sitzenden Barack Obama die Arme ausbreitete. Das Motiv nahmen Zeitungen weltweit auf die Titelseite. Sofern die Qualität der Materialien stimmt, lässt sich mit Farben experimentieren. Sind die Outfits allerdings zu sexy, lenkt das von Inhalten ab. Andererseits kann ein dezentes Unterstreichen gewisser Reize die Sichtbarkeit erhöhen, im Zweifel – das sollte man sich vorher klar machen – auch das Stresslevel. Neutrale Business-Kleidung ist wie der neutrale Stand in der Körpersprache: Eine gute Basis, von der aus man mühelos in den Hochstatus oder Tiefstatus wechseln kann – beispielsweise durch Variieren der Absatzhöhe oder durch Weglassen oder Hinzufügen einer Krawatte. Dezenter Schmuck, hochwertige Schreibutensilien und technische Gadgets können den Status ebenfalls anheben. Doch vergessen Sie nie, Statussymbole können lediglich den ersten Eindruck steuern, für Inhalte und deren Präsentation zählt die Kompetenz.

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»Einstieg. Kleidung vereinfacht allenfalls den Oder erschwert ihn. Ein amerikanisches Sprichwort rät: „Kleide dich nicht für den Job, den du hast, sondern für den, den du haben willst“. Es leuchtet ein, sich nicht wie ein Teenager zu kleiden oder wie ein Freizeitsportler. Mit Funktionskleidung lässt sich kein Staat machen, insbesondere nicht vor modebewusstem, internationalem Publikum, außer man bewegt sich in Fachkreisen der Sportartikelhersteller und Wanderausrüster. Dann ist das Outfit eine kluge Wahl – als Werbemaßnahme.    Eine  raffinierte Auslegung des Halo-­Effekts betreiben indess New Yorker Maklerinnen für Luxusappartements. Ihre Arbeitskleidung stammt aus den Boutiquen der 5th  Avenue und dürfte  den  Preis  des Verkaufsgegenstandes in die Höhe treiben, vor allem aber die Provision. Offenbar will man mit einer von Kopf bis Fuß in Chanel gekleideten Maklerin nicht gerne um den Preis feilschen. Hochwertige Kleidung kann eben auch ein recht lukratives Investment sein. 

Fazit Es gibt keinen ersichtlichen Grund, kostbare Lebenszeit in die Auswahl von Kleidung zu investieren, um darin gut auszusehen. Andererseits kann Kleidung den Status heben. Im Business-Umfeld sind die Farben Weiß und Dunkelblau statusfördernd. Im Sport führt eher Rot zum Erfolg.

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Literatur Bell J (2020) Metro-Szene mit Stradivari. https://www.youtube. com/watch?v=hnOPu0_YWhw. Zugegriffen am 09.02.2020 Cuddy A (2015) Presence: bringing your boldest self to your biggest challenges. Little Brown and Company, New York Ekman Eilert D (2013) Mimikresonanz. Jungferman, Paderborn, S 79 Fränzi Kühne über Vorbilder (2020) https://www.youtube.com/ watch?v=_wIk1lfokhU. Zugegriffen am 19.02.2020 Kahneman D (2016) Thinking, fast and slow. Allen Lane Paperback, London. Halo Effekt, S 82 Lüscher M (1969) The Lüscher color test (Hrsg. Ian Scott). Random House, New York Nelissen R, Meijers M (2011) Social benefits of luxury brands as costly signals of wealth and status. Evolution and Human Behaviour 32(5):343–355 Paul E et al (1992) Facial expressions of emotion: an old controversy and new findings. Philosophical Transactions, Biological Sciences 335(1273):63–69 Pentland A (2008) Honest signals: How they shape our world. MIT Press, Cambridge Spies S (2010) Der Gedanke lenkt den Körper. Hoffmann und Campe, Hamburg Weingarten G (2007) Pearls for breakfast. Can one of the nation’s great musicians cut through the fog of the D.C. rush hour? Washington Post, 08. April

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Wie Sie Erfolge sichtbar machen Wie Sie Ihr persönliches Image ausbauen Literatur

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 D. von Kopp, Top im Job – Wie Sie leben, arbeiten und Ihr Potenzial entfalten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61378-8_4

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Wie Sie Erfolge sichtbar machen Natürlich wissen Sie, wer das Smartphone erfunden hat. Aber haben Sie eine Idee, wer den ersten Computer (Center of Computing History 2020) der Welt programmierte? Der ENIAC war so groß wie ein Vorstandsbüro, wog siebenundzwanzig Tonnen und bestand aus zahllosen Elektro­ nikröhren. Jede Programmänderung erforderte manuelle Neuverkabelungen, denen komplizierte mathematische Berechnungen vorausgingen. Eine Mammutaufgabe, über die Jane Jennings, die jüngste von insgesamt sechs Programmiererinnen sagte, um sie zu lösen, müsse man arbeiten wie ein Hund, wenngleich sich verhalten wie eine Lady. Die Öffentlichkeit sollte erstmals im Februar 1946 von der neuartigen Maschine erfahren. Dazu sollte die Flugbahn einer eigens dafür gestarteten Granate berechnet werden, wohlgemerkt im Flug. Die Programmiererinnen schufteten 14  Tage lang 24/7. Dafür gerieten sie umso schneller in Vergessenheit. Sie verschwanden von der Bildfläche, im selben Atemzug wie der ENIAC darin auftauchte. Für das Pressedinner erhielten sie keine Einladung, in Zeitungsberichten blieben sie unerwähnt und auf den Pressefotos präsentierte man sie als „Refrigerator Ladies“, so nannte man damals Mannequins, die dafür sorgten, technische Geräte gut aussehen zu lassen. Studien belegen, dass Männer sich gern mit sichtbaren Tätigkeiten beschäftigen, während Frauen weitestgehend hinter den Kulissen werkeln. Nur, die Fleißaufgaben sind leider oft die, die kaum jemand registriert.

»Zum Erfolg gehört Eigenmarketing.

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Jack Nasher (2017), ein Professor an der Munich Business School, empfiehlt Selbstmarketing. Im Fall eines Misserfolgs rät er, sich möglichst klein zu halten und in eine Reihe mit anderen zu stellen, besser noch an den äußeren Rand. Im Fall eines Erfolgs rät er zu maximaler Präsenz, denn „Kompetenz ist der entscheidende Faktor, wenn es darum geht, Menschen von sich zu überzeugen“. Doch Nasher räumt auch ein: „Für den Erfolg zählt weniger die tatsächliche, sondern die wahrgenommene Kompetenz“. Wer sich mit einer Leistung in den Vordergrund drängt, wird unweigerlich mit ihr in Verbindung gebracht, sogar dann, wenn es nicht die eigene ist. Nur, den eigenen Erfolg sollte man aus genanntem Grund besser nicht aus der Hand geben, sprich Wert darauf legen, das eigene Projekt selbst zu präsentieren (wie es geht steht in Kap. 5). Stichwort Ideenklau. Wenn ein anderer die Lorbeeren für ein erfolgreiches Projekt kassiert, ist das zugegeben ärgerlich, aber kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken, es gibt ja Gegenstrategien. Manchmal hilft ein Gang in die Öffentlichkeit. Jenny Frankart (2019), eine Marketingfachfrau, dokumentierte auf Twitter ein über Monate dauerndes Bewerbungsverfahren bei einer Brauerei namens BrewDog, in dessen Verlauf sie auf diverse Aufforderungen hin unzählige Aufgaben löste. Viermal flog sie zum Interview, galt als Top-Kandidatin, eingestellt wurde sie nicht. Dafür übernahm man ihre Ideen für die laufende Marketingkampagne. Die Zwillingsbrüder und Harvard-Studenten Winkelvoss (2011) gründeten im Dezember 2002 das soziale Netzwerk ConnectU.  Im Jahr 2004 verklagten beide ihren Kommilitonen Mark Zuckerberg unter dem Vorwurf, dieser habe ihre Idee gestohlen und unter dem Namen Facebook vermarktet. Ihnen wurden 65 Mio $ Schadensersatz zugesprochen.

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Ach ja und Steve Jobs verwandelte Xerox’ unvollendete Vision einer mausgesteuerten grafischen Benutzerober­ fläche in den Macintosh, Apples ersten Mikrocomputer. Xerox reichte Klage ein, verpasste allerdings die Drei-Jahres-­ Frist. Das sollte Ihnen nicht passieren.

»IhrReagieren Sie unmittelbar, wenn Sie Lebenswerk bedroht sehen. Wie Sie Ihr persönliches Image ausbauen Erfolgreiche Start-ups sind nicht unbedingt die mit den besten Ideen, sondern die mit sichtbarem Marketing. Nicht selten existiert eine Idee bereits, nur wird sie in leicht abgewandelter Form von jemand anderem schlicht besser vermarktet. Marketing, insbesondere Eigenmarketing, klingt in vielen Ohren anrüchig. Nur ist es eben oft auch die einzige Möglichkeit, auf Leistungen aufmerksam zu machen. Die Unternehmerin Lea Sophie Cramer (https://www.linkedin.com/in/lea-sophie-cramer-b6869326/, Seitenaufruf vom 09.01.2020) gesteht auf der Social-Media-­Plattform LinkedIn: „Früher habe ich mich für meine Werbe- und Verkaufsfähigkeit geschämt, da es etwas Anrüchiges hatte – gerade in Deutschland. Dabei ist es ein Talent, gut vermarkten und verkaufen zu können, und ich schätze das in anderen sehr: Die Zukunftstrends erkennen, den Zeitgeist aufnehmen und herausfordern, dem Kunden wirklich zuhören und ihn sehen und verstehen, den Status quo aufzubrechen mit neuen Marken, Messages oder Medien“.

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Noch halten sich Frauen im beruflichen Selbstmarketing zurück. Beispielsweise in der Wissenschaft. Hier gelten Zitate als wichtiger Indikator für Erfolg. Universitäten messen, wie oft ein Forscher zitiert wird, was Auskunft gibt über sei­ nen Status und Beliebtheitswert in der akademischen Welt. Verweise gelten als Bestätigung für die Relevanz und ­Glaubwürdigkeit des Verfassers. Eigenreferenzen sind eine Möglichkeit, eigene Veröffentlichungen weiterzuverbreiten. Forscher der Cornell-Universität (King et al. 2016) werteten Millionen Zitate aus wissenschaftlichen Arbeiten auf Eigenreferenzen hin aus. Sie stellten fest, dass sich ein Großteil der Wissenschaftler selbst zitierte und zwar 70 % häufiger als Wissenschaftlerinnen. Gründe dafür sahen die Forscher darin, dass Männer zum einen einfach eine höhere Meinung von sich haben, gleichzeitig legen sie mehr Selbstbewusstsein an den Tag und tun sich leichter, die eigene akademischen Leistungen hervorzuheben.

»schwindend Fachkompetenz hat nur einen vergeringen Anteil von etwa

10 % daran, wie eine Karriere verläuft.  Wenngleich Fachkomepetenz natürlich eine Grundvoraussetzung ist, um überhaupt eine Karriere zu starten. Der Verlauf jener Karriere hängt ­jedoch von weitaus mehr Faktoren ab. 

Zu diesem Schluss kam eine internationale Studie des Softwareunternehmens IBM aus den 1990er-Jahren, die im Jahr 2010 von der Universität Klagenfurt als Umfrage unter Headhuntern (Nessmann 2010) wiederholt wurde.

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»dieDasKarriere persönliche Image beeinflusst zu 30 % und die Bekannt-

heit sogar zu 60 %. Wer nicht sichtbar ist, wird bei einer Beförderung leicht übersehen.

Wenn das kein Grund ist, den Netflix-Abend sausen zu lassen und sich auf einem Networking-Event zu tummeln! Wer sich bereits einen Namen außerhalb seiner Abteilung oder seines Unternehmens gemacht hat, kommt leichter an die guten Aufträge und Projekte; ebenso, wer einen einflussreichen Förderer vorzuweisen hat und für ein renommiertes Unternehmen arbeitet oder gearbeitet hat!

»­BUnverhoffte Chancen, die eigene ekanntheit zu steigern, bieten sich

häufiger als gedacht, nur sollten sie auch genutzt werden.

Angela Merkel zögerte vermutlich keine Sekunde, ihren ehemaligen Vorgesetzten Matthias Gehler, der Flugangst hatte, auf Außenterminen zu vertreten. Sie nahm seine Termine in Moskau und Bonn wahr, wo Helmut Kohl auf sie aufmerksam wurde. Der Rest ist Geschichte. Der deutsche Politikstudent Juri Schnöller (https://www. unicum.de/de/archiv/ein-deutscher-student-als-helfer-imus-wahlkampf, Seitenaufruf vom 14.02.2020) verbrachte ein Auslandssemester in Washington, wo er im Rahmen eines Praktikums eher zufällig im Wahlkampfteam des späteren US-Präsidenten Barack Obama landete. Er bekam den Job, als er erwähnte, dass er als Freiwilliger für Angela Merkel Wahlkampf gemacht hatte (macht man das im

4  Kompetenz zeigen 

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Grunde genommen nicht schon, indem man Plakate klebt?). Heute leitet er ein erfolgreiches Internet-Start-up für politische Kommunikation und kann damit werben, für zwei mächtige Politiker gearbeitet zu haben. Wer denkt schon, dass er letztendlich einer von Tausenden freiwilligen Helfern war, die im US-Wahlkampf von Tür zu Tür zogen, um Wähler zu überzeugen. Wenn Sie in Ihrer Arbeit oder Ihrem Projekt mehr sehen und Sie wirklich etwas erreichen wollen, sollte spätestens jetzt klar sein:

»Reden Präsentieren Sie sich und Ihr Projekt! Sie darüber. Teilen Sie interes-

sante Inhalte auf LinkedIn, nehmen Sie an Ausschreibungen teil, besuchen Sie Veranstaltungen, halten Sie Vorträge, auch, wenn Sie glauben, dass Sie das erst in ein paar Jahren tun sollten.

Horizonterweiterungen verlangen Einsatz und die Überwindung persönlicher Hemmschwellen, wert sind sie es allemal. Als ideale Gelegenheiten, Kontakte zu knüpfen und berufliche Chancen zu vergrößern. Sogar wenn Sie sich nur mittelmäßig präsentieren, können Sie später noch mitreden, Sie waren dabei. Und beim nächsten Mal, wenn es darum geht, jemanden auf dasselbe Event zu schicken, wird man automatisch an Sie denken. Oder der Gastgeber wird Ihnen eine direkte Einladung schicken, sofern Sie in seinem Verteiler sind. Was leicht zu bewerkstelligen ist, zum Beispiel indem man sich persönlich für das gelungene Event bedankt.

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Was immer Ihr Business ist, suchen Sie nach einer Möglichkeit zur Teilnahme an einem Branchen-Event. Manchmal muss man „outside the box“ denken, um ein Ticket zu ergattern. Der Designer Stuart Vevers (Kaiser 2020) wollte als Modestudent unbedingt eine Modenschau des Desi­ gners Alexander McQueeen besuchen. Er fragte eine wartende Fernsehreporterin, ob sie zufällig eine Eintrittskarte zu viel habe. Sie hatte! Sie werden durch die Teilnahme an Events nicht nur wertvolle Kontakte knüpfen, man wird Sie auch automatisch in eine andere Schublade stecken. Doch das Wichtigste: Sie lernen eine Menge Dinge hinzu und erlangen Kompetenzen, von denen Sie ein Leben lang profitieren. Es macht Spaß, sich weiterzuentwickeln und das kann man, indem man sich selbst immer wieder auf´s Neue herausfordert und auf seine Leistungen aufmerksam macht; am Ende macht es sonst keiner. Beispiel

Tipp: Nutzen Sie die kurze Zeit im Fahrstuhl oder beim Treppensteigen, über Ihr aktuelles Projekt nachzudenken. Was ist das Besondere daran? Wo liegt Ihr unverwechselbarer persönlicher Anteil? Wie können Sie anderen mit Ihrem Projekt helfen? Worin liegt der konkrete Nutzen, den Sie mit Ihren Fähigkeiten und Ihrer Erfahrung beisteuern? Der Tag wird kommen, an dem sich jemand dafür interessiert, im Fahrstuhl oder im Konferenzraum.

4  Kompetenz zeigen 

Regeln für erfolgreiches Kompetenzmarketing 1. Stellen Sie sich in die erste Reihe. 2. Verschwenden Sie keine Zeit, das Projekt eines anderen gut aussehen zu lassen. 3. Pochen Sie auf Nennung Ihres Namens, auch wenn sie nur Assistent oder Assistentin sind. 4. Legen Sie bei eigenen Erfindungen oder Projekten Wert darauf, als Erste bzw. Erster genannt zu werden, einschließlich Ihres Verdiensts. 5. Geben Sie keine sensiblen, von Ihnen entwickelten Daten leichtfertig aus der Hand. 6. Holen Sie niemanden aus Nettigkeit in Ihr Projekt. 7. Behalten Sie die Konkurrenz im Augen. Stellen Sie Dinge richtig. Geben Sie sich nicht mit Beschwichtigungen zufrieden. Stellen Sie eine Gegenfrage, klären Sie die Absichten des Gegenübers. 8. Holen Sie den Ball zurück, wenn ein anderer Ihre Idee vorstellt! Bedanken Sie sich mit: „Gut, dass sie das Thema ansprechen!“ und bieten Sie dem Ranghöchsten in der Runde an zu erläutern, was Sie zu der Idee bewogen hat und was Sie sich im Detail darunter vorstellen. 9. Der beste Schutz vorm Ideenklau ist immer noch der, sich selbst unverzichtbar zu machen. Bieten Sie an, die E-Mail-Kommunikation zum oberen Management zu übernehmen oder in der Konferenz einschlägige Fragen zu beantworten. Positionieren Sie sich bei freier Platzwahl an der Stirnseite des Tischs oder in der Mitte. (gegenüber des Entscheidungsträgers) 10.   Sorgen Sie dafür, dass Ihr Vorgesetzter von Ihren Leistungen erfährt, z.  B. im Feedbackgespräch, durch Status-Updates auf LinkedIn nach absolvierten Fortbildungen, indem Sie zu verstehen geben, dass Sie an einer Beförderung interessiert sind, bereit sind Verantwortung zu übernehmen. Gehen Sie vorbereitet in Meetings, an denen das Top-Management teilnimmt und leisten Sie einen Redebeitrag.

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Literatur Center of Computing History (2020) Cambridge, Archiv. http:// www.computinghistory.org.uk/det/2928/Jean-Bartik/. Zugegriffen am 14.02.2020 Frankart J (2019) https://twitter.com/jennyfrankart/status/1 127056914519658498?lang=de. Zugegriffen am 12.12.2019 Kaiser A (2020) Portrait über Stuart Ververs „Er holt die Mode aus der Tasche“. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.01.2020 King M et al (2016) Men set their own cites high: gender and self-citation across fields and over time, physics and Soc-ph. Cornell University, New York, 30. Jun 2016 Nasher J (2017) Überzeugt. Campus, Frankfurt am Main Nessmann K (2010) Personal branding and the role of public relations. In: Terlutter et al (Hrsg) Advances in advertising research (Bd. 1). Cutting edge international research. Gabler, Wiesbaden, S 377–395 Winkelvoss (2011) Vergleich, entnommen aus Zeit. https:// www.zeit.de/digital/internet/2011-06/facebook-winklevoss-vergleich. Zugegriffen am 23.06.2011

5 Inspirierend sein

Inhaltsverzeichnis

Wie Sie überzeugend wirken Wie Sie Ihre Gedanken auf den Punkt bringen Literatur

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 D. von Kopp, Top im Job – Wie Sie leben, arbeiten und Ihr Potenzial entfalten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61378-8_5

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Wie Sie überzeugend wirken Folgendes Gedankenexperiment:  Sie sind Schauspieler/in und  erhalten eine Einladung zu einem Casting. Für eine Filmrolle, die sich mehr als vielversprechend anhört. Sie lernen Ihren Text auswendig, machen sich ein paar Gedanken um Ihr Outfit, ein paar weniger schöne Gedanken um etwaige Mitbewerber und machen sich auf den Weg. Sie haben nur wenige Minuten, den Regisseur zu überzeugen. Doch schon der Ort des Castings verunsichert Sie, es handelt sich um eine vollkommen leere, riesige, noch dazu abgedunkelte Fabrikhalle. Die einzige Lichtquelle befindet sich in der hintersten Ecke des Raumes. Dort steht ein Schreibtisch, an dem sitzt der Regisseur persönlich und erwartet Sie. Der Legende nach veranstaltete Jean-Pierre Melville (Bernhardt 2019) tatsächlich ein Casting unter genannten Bedingungen. Alles, was ihn interessierte, war, wie die Bewerber auf diese ungewöhnliche Situation reagierten, ob es ihnen gelingen würde, den Raum auszufüllen, präsent zu sein. Nur tappten die meisten darüber buchstäblich im Dunkeln. Nicht wenige schlichen an der Wand entlang und knipsten ihr inneres Licht erst an, als sie den Tisch erreichten. Nicht Jean-Paul Belmondo und Alain Delon: Die Ausnahmeschauspieler steuerten direkt und zielsicher auf den Tisch zu. Sie strahlten vollkommene Ruhe und tiefe Selbstsicherheit aus, nahmen den Raum wie er war und machten ihn zu ihrer Bühne. Sie wirkten offen, fokussiert, präsent – kurzum charismatisch (Geoghegan 2005). Und sie bekamen die Rolle. Wohlgemerkt, man scherte sich weder um ihre Zeugnisse, Abschlussnoten, auswendig gelernte Texte, Empfehlungsschreiben und sonstige Referenzen, sondern einzig und allein um ihre nach außen wahrnehmbare Präsenz.

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»welche Schleicher oder Charismatiker  – in Kategorie hätte man Sie wohl gesteckt?

Oft bleiben im Job nur Minuten, sich selbst oder eine Idee vorzustellen, ein Projekt zu vermarkten oder einen Auftrag an Land zu ziehen. Wer im entscheidenden Moment überzeugt, gewinnt den Deal. Wer über sich und seine Wirkung nachgrübelt oder um Worte ringt, hat das Nachsehen. Möglichst überzeugend zu wirken, darum geht es in jedem Fall. Die Frage ist nur, wie stellt man es richtig an? Sei einfach du selbst, raten die einen, die anderen empfehlen, sich „richtig zu verkaufen“ und verweisen prompt auf zig Dinge, die tunlichst zu unterlassen sind, wie auf der Stuhlkante sitzen, mit dem Fuß wippen, die Hände verstecken, nicht zu viel und auch nicht zu wenig Blickkontakt halten, die Gesten des Gegenübers spiegeln, Lächeln oder nicht Lächeln. Unterm Strich steigern diese Strategien das Unbehagen eher, aber verbessern sie auch die Wirkung und führen wie beabsichtigt zum Ziel? Wie machen es die Profis, die Schauspieler oder Moderatoren? Wie schaffen sie es, trotz spürbarer Aufregung gelassen im Rampenlicht zu stehen? Die Sache ist: Den allerwenigsten behagt der Gedanke, öffentlich aufzutreten. Das erfordert bekanntlich Fähigkeiten und Techniken, die deutlich über die Inhaltsebene hi­ nausgehen. Nur kommt auch kaum jemand auf die Idee, Präsentationstraining zu nehmen. „Entweder man kann es oder wird es niemals können“, so der Mythos (Man stellesich ähnliche Überzeugung beim Autofahren vor, die Straßen wären leer gefegt). Dabei ist es mit dem Präsentieren wie mit dem Autofahren, wer es einmal gelernt hat, beherrscht es für immer. Klar gibt es manchmal Startschwie-

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rigkeiten. Aber dann hält man für einen Moment inne, atmet durch und legt von vorn los. Sobald es läuft, schaltet sich der mentale Autopilot ein. Mythos Nummer zwei: „Ich brauch das nicht, ich bin lieber authentisch“. Waren Delon und Belmondo wahrhaft authentisch oder wirkten sie nur so? Weil sie verstanden mit Unsicherheit und Verlegenheit umzugehen, Aufregung im Zaum zu halten? Zutreffend ist: Ein professioneller Auftritt wirkt bestenfalls authentisch, ohne durchlässig zu sein für Zweifel, Scham, Versagensängste. Ein ehrlicher Hinweis auf die eigene Aufregung angesichts der Situation ist vollkommen in Ordnung. Ansonsten beschränken Sie Ihre Authentizität lieber darauf, zu halten, was Sie versprechen, und natürlich kompetent in den Inhalten zu sein. Und was das Technische angeht:

»gnadete Nahezu jeder CEO, Politiker und be­ Redner nutzt Präsentations­ techniken. Je spontaner und freier eine Rede wirkt, desto mehr Arbeit steckt in ihr.

Das mag beruhigend klingen, wäre da nicht der enorme Zeitaufwand. Versuchen Sie es daher mal damit: Wechseln Sie die Perspektive. Schauen Sie nicht aus Ihrer Sicht auf einen Sachverhalt. Schauen Sie aus Sicht des Gegenübers darauf. Versuchen Sie folgende Fragen zu beantworten. 

»Gegenüber Wären Sie ein Unternehmer und Ihr ihr Kunde, welches Pro­ blem sollten Sie für ihn lösen?

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Was ist das Bedürfnis Ihres Gegenübers? Welches sind seine Erwartungen?  Im Gespräch gewinnen Sie maximale Präsenz, indem Sie aufmerksam zuhören. Ihrem Gegenüber Gewissheit geben, dass seine Überlegungen auf Ihr waches Interesse stoßen. Ungeteilte Aufmerksamkeit ist ein starkes Präsenz-Tool. Charisma verbinden viele mit dem Gedanken an eine übernatürliche Fähigkeit. In Wahrheit ist es die Fokussiertheit, die Charisma verleiht. Oben beschriebener Regisseur suchte einen Darsteller, der ein achtminütiges Schweigen mit Spannung aufzuladen versteht. Er fand ihn in Alain Delon. Was finden Menschen an Ihnen? Was ist Ihr Fachgebiet? Was haben Sie schon hunderte Male gemacht? Welches Wissen haben Sie anderen voraus?

»Gebiet Teilen Sie Ihre Expertise, auf welchem auch immer. Wenn Sie einen Vortrag halten, formulieren Sie so, dass ein Kind Ihnen folgen kann, insbesondere wenn es sich um ein hochkomplexes Thema handelt. Denken Sie an Sachbücher, ob über Bäume, Bienen oder Business, – Bestseller sind oft  die mit den kurzen Sätzen, der einfachen Sprache, den einprägsamen Bildern. Begeistern Sie, indem Sie eine Geschichte teilen, die Zuhörer zu ihrer eigenen machen wollen. Lassen Sie Verbundenheit zu. In meinen Präsentationskursen sind immer wieder Teilnehmer, die ihre Präsentationen mit Fachbegriffen und komplizierten Sachverhalten ausschmücken. Und die dann ratlos sind,  sobald  Zuhörer  in der Feedbackrunde gestehen, nicht verstanden zu haben, worauf derjenige hinaus wollte. Auf die Frage, was der Vortragende denn eigentlich sagen wollte,  kommt  dann  fast immer ein druckreife Antwort.

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Viele scheinen schon beim Gedanken an eine Präsentation in ein kompliziertes Muster zu fallen. Man muss es wirklich mehrfach üben, in möglichst einfachen Sätzen auszudrücken, was man eigentlich sagen will.  Dazu zählt, einzubeziehen, was der  Zuhörer denn  überhaupt verstehen kann. Es macht einen großen Unterschied ob man vor Fachpublikum oder Laien auftritt. Für Laien  sollte man praktische Vergleiche aus der täglichen Lebenswelt finden. Ein Pilot verglich einmal Luftlöcher mit Schlaglöchern. Jeder wusste sofort was gemeint ist, obwohl es Luftlöcher im eigentlichen Sinne gar nicht gibt. Aber die Passagiere über Strömungsverhältnisse aufzuklären, hätte sein Zeitpensum deutlich überschritten.  Und sein Ziel, dass sich jeder anschnallt, erreichte er auch so. 

»punkt, Stellen Sie die Zuhörer in den Mittel­ nicht sich selbst. Grundsätzlich gibt es nichts Leichteres als andere zu inspirieren. Sind wir nicht alle permanent auf der Suche nach Inspiration, besuchen aus diesem Grund Konzerte, Ausstellungen, lesen Bücher, unternehmen Reisen? Naturgemäß stößt das Neue immer auf Interesse, wenn es ansprechend dargestellt wird. Dann braucht es auch keine 100  Power-­Point-­ Folien, höchstens einzelne, wohl dosierte Visualisierungen.

»schaft Legen Sie fest.

sich auf eine Kernbot­

Notieren Sie, was der Zuhörer unbedingt im Gedächtnis behalten soll. Widerstehen Sie der Versuchung, besonders

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viel in Ihren Vortrag hineinzupacken, Geben Sie Ihrem Thema eine Schlagzeile, ein starkes Wort oder Bild, kurz einen Aufhänger, der sich einprägt. Sie erinnern sich an Kennedys „Ich bin ein Berliner“ oder an das „I have a dream“ von Martin Luther King. Nehmen Sie sich ausreichend Zeit, über  die Kernbotschaft nachzudenken, es ist wichtig. Gehen sie damit spazieren, halten Sie das Thema lose in Ihrem Unterbewusstsein, bis sie den entscheidenden Einfall haben.  Vielleicht hilft Ihnen auch die Vorstellung aus Ihrem Thema ein Buch zu machen. Welchen aussagekräftigen  Titel würden Sie wählen? Würden sich die Leser daran erinnern, es sogar aufgrund des interessanten Titels weiterempfehlen? Sobald Sie für Ihren Vortrag einen Titel gefunden haben, werden Sie merken, wie leicht sich die Inhalte strukturieren lassen. Sie haben gewissermaßen das Ziel abgesteckt und jetzt arbeiten Sie sich etappenweise dorthin vor. Sobald Sie Aufmerksamkeit haben, brauchen Sie sich um Ihre Präsenz nicht zu kümmern. Grundsätzlich gilt: Solange man Ihnen Aufmerksamkeit schenkt, sind Sie präsent (Güssow 2013). Es gibt diese nahezu magischen Momente, in denen man eine Stecknadel fallen hören kann. 

»bald Präsenz im besten Sinn entsteht, so­ der Zuhörer gebannt auf die Ausführungen des Redners wartet, während dieser fokussiert, konzen­ triert und dem Publikum mit allen Sinnen zugewandt ist.

Entscheidend ist was bei den anderen ankommt, nicht was Sie fühlen.  Sie können sich innerlich ganz aufgeregt fühlen und nach außen vollkommen ruhig wirken.

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In Kursen zum Präsentationstraining arbeite ich gern mit Videofeedback. Das ist insofern hilfreich, dass sich die Teilnehmer im Nachhinein noch einmal von außen beobachten. Die allermeisten sind überrascht, wie ruhig sie trotz der inneren Aufregung nach außen hin wirken (Einige fühlen sich auch ruhig und selbstsicher und sind dann überrascht von dem Arm, der pausenlos wie ein Pendel hin und her schwingt).  Spannung und Entspannung sind körperliche Zustände, auf die man Einfluss nehmen kann. Der Körperspracheexperte Mark Bowden (2010) beschreibt folgende Spannungszustände: 1. Unterspannt: erschöpft, schlaff. 2. Entspannt: cool, bequem. 3. Neutral: ökonomisch, roboterhaft. 4. Achtsam: einfach so sein, offen. 5.  Alarmiert: wach, alarmiert, neugierig, forschend. 6.  Aufgeregt: ausweichend, fahrig, 7.  Verzückt: hin und weg, beseelt. 8. Verkrampft: Vollspannung, unter Schock. Das vierte ist ideales Vortragslevel: achtsam, offen und überzeugend. Man kann freilich auch mit Spannung spielen, aber vielleicht nicht in der ganzen Bandbreite und schon gar nicht beim ersten Mal. Fazit Für sichtbar positive Präsenz bewegen Sie sich zielsicher, fokussiert und achtsam. Darüber hinaus gilt: Verschwenden Sie nicht zu viele Gedanken an sich selbst, sondern wenden sich Ihrem Gegenüber zu. 

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So betreten Sie einen Raum und wirken von Anfang an präsent:

1. Wenden Sie sich Ihrem Publikum zu. Drehen Sie Anwesenden möglichst nie den Rücken zu. Schließen Sie Türen hinter Ihrem Rücken, stellen Sie sich seitlich neben Bildschirme und Flipcharts. 2. Spüren Sie in den Raum hinein. Nehmen Sie die Größe, die Höhe bewusst wahr. Versuchen Sie mental jeden Winkel zu erreichen. Stellen Sie sich hilfsweise vor, von Ihnen würden Lichtstrahlen ausgehen und in jeden Winkel ausstrahlen. 3. Atmen Sie aus! Anspannung führt zu flacher Atmung oder sogar zum Anhalten des Atems, mit dem Ergebnis, dass sich die Schultern nach oben ziehen und verkrampfen. Ausatmen führt zur Lockerung. 4. Lösen Sie Blockaden im Körper, etwa durchgedrückte Knie, verkrampfte Hände, gespannte Schultern. Blockaden verringern die Empathiefähigkeit und wirken sich ungünstig auf die Präsenz aus. Befreien Sie sich von der Last, perfekt sein zu müssen. Bleiben Sie locker, entspannt und dem Publikum zugewandt. 5. Gehen Sie aktiv einen Schritt nach vorn. Auch wenn Sie die Tendenz verspüren, sich zurückziehen zu wollen. Nehmen Sie Blickkontakt auf, halten Sie Ihre Hände sichtbar vor dem Körper, bewegen Sie sich ruhig und achtsam.

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6. Seien Sie sympathisch, indem Sie Ihrem Gegenüber vermitteln, dass Sie Ihrerseits Sympathie hegen. Konzentrieren Sie sich darauf, was Sie am Gegenüber sympathisch finden, nicht auf vermeintliche Mängel. Zeigen Sie sich respektvoll. Eine in Vertriebskreisen bekannte goldene  Regel  des Autoverkäufers Joe Girard lautet: „Nichts funktioniert besser, als einen Kunden glauben zu machen, dass man ihn wirklich mag“. Oder einen zukünftigen Chef.

Wie Sie Ihre Gedanken auf den Punkt bringen Nehmen wir Edmund Stoiber. Unter Rhetorikfachleuten ist seine Rede über die Transrapidfahrt vom Münchner Hauptbahnhof zum Flughafen längst ein Klassiker (Stoiber 2019), wie man’s nicht macht. Charmant gesagt, verlor er ein wenig den Faden. Die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden, über die Heinrich von Kleist (1986) schrieb, sie helfe ihm, unfertige Gedanken zu präzisieren, mag hilfreich sein, solange man über einem Thema brütet, während eines Vortrags strapaziert sie nur die Geduld des Publikums. Dabei ist Rhetorik im Grunde genommen ein wunderbares Tool. Wer sich damit auskennt, gewinnt in Sekundenschnelle Aufmerksamkeit und erreicht, dass eigene Inhalte von anderen geteilt werden. Die Regeln sind denkbar einfach.

»einem Grundsätzlich startet klaren Ziel.

Rhetorik mit

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Für Sie bedeutet das, der Zweck Ihrer Rede sollte Ihnen klar sein. Was beabsichtigen Sie? Wollen Sie jemanden warnen, informieren, amüsieren, belehren, unterhalten? Im zweiten Schritt fragen Sie sich, wie Sie das Ziel erreichen wollen. Strukturieren Sie Ihre Inhalte so, dass sie zielführend sind. Auch hier empfiehlt sich Einfachheit. Trennen Sie zwischen relevant und nicht relevant. Letzteres kann weggelassen werden. Sie brauchen nicht bis ins Detail vordringen, sollten im Kern aber wissen, worum es geht. Und sich pro Satz auf einen Gedanken beschränken (Mit der Ein-Gedanke-Ein-Satz-Regel vermeiden Sie endlose Nebensätze und kommen leichter auf den Punkt.).

»schlüssig. Fassen Sie sich kurz, prägnant und Falls Sie mit Power Point arbeiten gilt: Je klarer Sie Inhalte strukturieren, desto klarer und strukturierter wirken Sie als Person. Legen Sie im Vorfeld fest, was im Gedächtnis der Zuhörer hängen bleiben soll. „Beginne mit einem Erdbeben und steigere dich dann langsam“, rät Filmproduzent Samuel Goldwyn. Im Film zählen die ersten zehn Minuten und der Schluss, da sie Einfluss darauf nehmen, was in Erinnerung bleibt  und ob der  Film positiv oder negativ bewertet wird. Dem zugrunde liegt der Primacy-Recency-­Effekt (Kahneman 2011), ein Phänomen aus der Gedächtnisforschung,  das im auch  Marketing oft angewandt  wird. Die Pointe sollte eine überraschende Wendung und einen positiven Ausblick beinhalten.

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»lage, Auch die Wortwahl und die Stimm­ sogar das Vorhandensein eines

Dialekts    nimmt Einfluss auf die Er­ wartungen des Publikums.

Ist Ihnen je aufgefallen, wie ausnehmend positiv die Wortwahl in vielen Werbespots ist? Das Ziel dahinter ist natürlich sonnenklar: Das Produkt soll seine Fans finden. Nach einem positiven ersten Eindruck  werden kon­ träre Informationen mitunter regelrecht ausgeblendet. Und zwar nicht nur, wenn man sich vom ersten Foto an für ein Ferienhaus am Meer begeistert. Ein Recruiter verriet mir einmal, dass er in der ersten Minute „weiß“, ob er sich für einen Bewerber entscheidet. Der Rest sei dann Formsache. Wie sagte Warren Buffet so schön: „Das größte Talent eines Menschen besteht darin, neue Informationen so zu interpretieren, dass seine bisherigen Schlüsse nicht angetastet werden.“

Fazit Es braucht relativ wenig, manchmal nur einen Schreibtisch und etwas Licht, um eine Bühne zu erschaffen. Um darauf zu überzeugen, zählt die wahrgenommene Kompetenz. Und natürlich ein positiver erster Eindruck.  

Literatur Bernhardt C (2019) Nonverbale Kommunikation im Recruitung: Wie Sie passende Berwerber erkennen. Springer Gabler, Wiesbaden, S 107

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Bowden M (2010) Winning bodylanguage. Mc Graw Hill, New York, S 142–151 Geoghegan T (2005) A step-by-step guide to charisma. BBC news, 26. Mai 2005 Güssow V (2013) Die Präsenz des Schauspielers. Alexander, Berlin Kahneman D (2011) Thinking, fast and slow. Allen Lane Paperback, London, S 55 f Stoiber E (2019) Transrapid Rede. https://www.youtube.com/ watch?v=f7TboWvVERU. Zugegriffen am 04.12.2019 Kleist v H (1986) Werke und Briefe in vier Bänden (Hrsg Siegfried Streller, Anmerkungen von Peter Goldammer), Bd  3. Insel, Frankfurt, S 722–723

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Adé Perfektionismus

Inhaltsverzeichnis

Wie Sie mit Ihren Stärken effizienter werden Wie Sie sich von Ihrem Perfektionismus verabschieden Literatur

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 D. von Kopp, Top im Job – Wie Sie leben, arbeiten und Ihr Potenzial entfalten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61378-8_6

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 ie Sie mit Ihren Stärken W effizienter werden Als Patrick McGinnis, der in einer Kleinstadt aufwuchs, nach Harvard umsiedelte, erlebte er erstmals die Freiheit grenzenloser Wahlmöglichkeiten. Nach anfänglicher Euphorie quälte ihn allerdings die Furcht vor Entscheidungen, genauer, vor einer verpassten vermeintlich besseren Option. Und zwar so sehr, dass es seine Entschlusskraft lähmte. Er bemerkte, dass es vielen seiner Kommilitonen ähnlich erging. Sie wollten die bestmögliche, ja perfekte Wahl treffen  – und konnten sich nicht entscheiden! McGinnis nannte es sinngemäß die Angst vor der verpassten Chance (F.O.B.O. – „fear of better options“ [Herrera 2018]). Sich für etwas zu entscheiden, heißt nun mal auch gegen etwas anderes.  Indem man Entscheidungen ständig hinterfragt, kommt man letztendlich keinen Schritt weiter. Es gibt nie den einen perfekten Weg; ihn zu suchen, ist reine Energieverschwendung. Sinnvoller ist es, den eingeschlagenen Weg bestmöglich zu managen. Nach vorn zu schauen, Unterstützung zu organisieren, Ressourcen zu aktivieren, Fehler zu akzeptieren und nie die Bereitschaft zu verlieren, Neues zu lernen.  Perfektionismus  lässt sich durchaus  Positives abgewinnen. Es ist ein Ansporn zur Höchstleistung und Fortschritt. Viele Innovationen hätte es ohne Perfektionismus nie gegeben. Künstler und Schriftsteller sind auf ihre Weise Perfektionisten. Sie feilen an ihrem Werk, mitunter lebenslang, bis sie das Gefühl haben, dass es endlich vollendet ist.  Wenn der Wunsch nach steter Verbesserung und Optimierung allerdings zur Sucht ausartet, ist die Rede von dysfunktionalem Perfektionismus.  Zumal, wenn die Optimierung sämtliche Lebensbereiche durchdringt, Fehler als Katastrophe wahrgenommen

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werden und obendrein der Selbstwert vom Erfolg abhängt. Entscheidungen können unter diesen Umständen zur regelrechten Obsession werden.  Generalisierter, dysfunktionaler Perfektionismus geht oft mit dem Gefühl einher, nicht gut genug zu sein, nicht schnell genug. Am Ende scheint nie die Zeit zu reichen, all die Dinge zu tun, für man sich verantwortlich fühlt. Das führt zu Ohnmachtserfahrungen, und immer wieder neuen Versuchen, eine optimierte Version der aktuellen Situation zu erschaffen.  Perfektionismus ist nicht immer selbst auferlegt. Es gibt auch den fremdgesteuerten Perfektionismus, sprich durch die Außenwelt herangetragenen. Wenn Eltern, Vorgesetzte oder Partner Höchstleistungen erwarten oder das Gefühl vermitteln, diese Erwartung zu haben. „Eislaufmutter“ ist ein Synonym schlechthin für übertriebenen Ehrgeiz, der sich auf einen anderen Menschen richtet. Dabei muss das von Betroffenen nicht einmal negativ wahrgenommen werden. Es gibt auch Fälle, in denen Lob und Anerkennung den Wunsch wecken, die eigene Unzulänglichkeit zu beseitigen, perfekt sein zu wollen.   „Ich bin der glücklichste Mann im Universum. Ich bin verheiratet mit einer Frau, die schlau ist, einfühlsam, die anderen Menschen hilft, lustig ist, geduldig und die weiß, zu verzeihen, die eine gute Köchin ist und die besten Salate der Welt zubereitet […] eine großartige Mutter und ein bisschen wie ein Engel […]. Etwas Besseres gibt es nicht!“, versichert Richard Gere dem Hello!Magazine (https://www. hellomagazine.com/brides/2019031370808/richard-gere-alejandra-silva-wedding/). Klingt ganz danach, als sei die 33 Jahre jüngere Frau und Mutter zweier Kinder eine Perfektionistin. Und nicht zu beneiden. Perfektionismus Forscher Gordon Flett (2012) sieht im „unrealistic approach to life“ (Flett und Hewitt 2002) eine Quelle für chronischen Stress.

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»Neigung „Hohe Maßstäbe, gepaart mit der sich und andere dauernd zu bewerten, führen zu einer Art anhaltenden Prüfungssituation, inklusive einhergehender Daueranspannung.“

Dazu passt eine Meldung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), wonach  auffallend viele  junge Menschen an mentalen Erkrankungen leiden, die durch Perfektionismus und damit zusammenhängenden Begleiterscheinungen hervorgerufen werden (World Health Organisation o. J.). Der Wunsch, vollkommen zu sein, um anderen zu gefallen, führt zu dauerhafter Unzufriedenheit, zu Stress und Schamempfinden. Soziale Netzwerke scheinen in diesem Zusammenhang eine fatale Rolle zu spielen. Dem eigenen Leben,  in noch so gewöhnlichen Situationen, Glamour zu verleihen kann extrem stressig sein. Zumal wenn man sich dem Netzwerk gegenüber  zur Information  verpflichtet fühlt.  Diese Form des  sozial induzierten Perfektionismus ist ein völlig neues Phänomen, dass es so vor zwei Jahrzehnten so noch gar nicht gab. Damals erwartete man nicht, dass völlig Unbeteiligte die eigenen Leistungen kommentieren würden. Was den Vorteil hatte, dass auch Fehler und Misserfolge im Verborgenen bleiben durften und nicht öffentlich kommentiert wurden.   Eine britisch-kanadische Langzeitstudie (York St. John University o.  J.) erfasste im Zeitraum 1989 bis 2016 die Daten von 41.461 amerikanischen, kanadischen und britischen Collegestudenten in Bezug auf folgende drei Ausprägungen des Perfektionismus: • dem selbstauferlegten, • dem sozial erwünschten (Instagram & Co. induzierten) und

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• dem fremdgesteuerten (Anforderungen der Arbeitswelt, des Elternhauses, des Partners). Durchweg stiegen sämtliche Werte kontinuierlich an. Besonders auffällig war jedoch die 33%ige Steigerung des sozial induzierten Perfektionismus. Es liegt nahe, dass soziale Netzwerke Perfektionismustendenzen weiterhin verstärken. Wer meint, eine optimierte, mit Photoshop bearbeitete  Version des eigenen Selbst auf Instagram fördert die Karriere, unterliegt einem Irrtum. Stattdessen könnte man  es  als einen Akt der  Selbstfürsorge betrachten, sich dem Wettstreit um Likes gar nicht erst auszusetzen. Eine betriebswirtschaftliche Grundregel lautet:

»20Für%,Erfolg konzentriere Dich auf die die wirklich wichtig sind und investiere dahinein 80 % deiner Anstrengung.

Übertragen heißt das: Rufen Sie sich Ihren Kompetenzkreis ins Gedächtnis (vgl. Kap. 1) und konzentrieren sich auf Ihre Kernkompetenz. Versuchen Sie gar nicht erst, ein Alleskönner zu sein, es wird nicht gelingen. Schlimmer noch, Ihnen fehlen Zeit und Energie für das Wesentliche. Die Theorie dahinter nennt sich Pareto-Prinzip, benannt nach dem italienischen Ökonom Vilfredo Pareto. Er riet Unternehmern, sich auf ihre Bestseller zu fokussieren und Posten zu streichen, die keinen oder nur wenige Gewinne abwerfen, dafür aber kostenintensiv in der Herstellung sind. Für Sie bedeutet das:

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»und Setzen Sie Ihre Aufmerksamkeit, Zeit Energie dort ein, wo Sie die größten Chancen für sich sehen. Bleiben Sie in jedem Fall in Ihrem Kompetenzkreis und streben ausschließlich hier nach Höchstleistung. 

Ein Comedian käme gar nicht auf die Idee an mittelmäßigen Gags zu feilen. Lieber erzählt er 100 Mal den einen richtig guten und das mit Erfolg! Ähnlich verhält es sich im Job. Machen Sie lieber ein Projekt richtig gut, als mehrere parallel mit mäßigem Erfolg. Versuchen Sie nicht, die breite Masse zu begeistern, sondern finden Sie einen echten Fan (Und lassen ihn die Masse begeistern).

»ein, Setzen Sie sich als Angestellter dafür dass man Ihnen den bestmögli-

chen Job für Ihre Stärken bietet. Wechseln Sie gegebenenfalls in den Vertrieb oder in die Buchhaltung, wenn dort Ihre Stärken gefragt sind. Es gibt dieses eine Talent, für das Sie gar nicht so hart arbeiten zu brauchen, es wird sich unter günstigen Bedingungen ganz von selbst entfalten, einfach weil es Ihnen Spaß macht und täglich neue Motivation verschafft.

6  Adé Perfektionismus 

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Die kleine Schwester des Perfektionismus ist im Übrigen die Gewissenhaftigkeit. Einer Studie der Universität Koblenz-­Landau (Rudert et al. 2019) zufolge sorgt Gewissenhaftigkeit gepaart mit Extraversion für Anerkennung und hohe Akzeptanz am Arbeitsplatz. Zur Gewissenhaftigkeit gehören Pflichtbewusstsein, Zuverlässigkeit, Ordnungsliebe, Leistungsstreben und die Fähigkeit zum Belohnungsaufschub. Gewissenhaftigkeit ist ein universelles Persönlichkeitsmerkmal, das zu den Big Five gehört, den fünf grundlegenden Wesensmerkmalen eines Menschen. Gemessen werden kann sie mit Persönlichkeitstest wie dem NEO-FFI. Gewissenhafte Menschen arbeiten konzentriert und diszipliniert. Auch sie setzen sich hohe Maßstäbe, sind aber sicherer im eigenen Tun und können mit Fehlern konstruktiv umgehen. Von Ausbildern und Mitarbeitern werden sie geschätzt: Ein Effekt, der sich selbst zu verstärken scheint, denn Gewissenhaftigkeit steigert sich mit dem Eintritt ins Berufsleben. Gewissenhafte sind gute Vorgesetzte. Dass Frauen im Durchschnitt bessere Schulabschlüsse und Studienergebnisse erzielen, liegt laut Forschern der University of California an deren Gewissenhaftigkeit. Auch wenn standardisierte Tests zur Vorhersage des Studienerfolgs niedrigere Ergebnisse voraussagten, führte Gewissenhaftigkeit schlussendlich zu besseren Ergebnissen. Bekannt ist das Phänomen als Female-Underprediction-Effekt (Klink et al. 2013). Gewissenhafte machen weniger Fehler. Daher sind sie besonders in Berufen willkommen, die sorgfältiges und planvolles Arbeiten erfordern. Weil Fehler allerdings nicht ausgeschlossen werden können und Menschen je nach Tagesform unterschiedlich gut konzentriert sind, ar-

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beiten dort, wo Fehler unbedingt vermieden werden müssen, immer zwei. Im Cockpit eines Passagierflugzeugs sitzen mindestens zwei, manchmal sogar drei Piloten und passen aufeinander auf. Wenn einer ausfällt, springt der andere automatisch ein. Bei Systemfehlern oder Abweichungen vom Normalzustand erarbeiten sie zusammen Lösungen. Ab einem festgelegten Punkt muss eine gemeinsame Entscheidung getroffen werden. Ein Back-up zu haben, ist allemal sicherer als Perfektionismus im Alleingang. In einer guten Partnerschaft, beruflich oder privat, springt man füreinander ein. Wie das im Detail geschieht, ist Nebensache. Hauptsache ist, das System läuft weiter und alle haben überlebt. Und wenn Sie sich wieder einmal partout nicht entscheiden können, hören Sie auf Ihr Bauchgefühl. So alt der Trick auch ist, aber probieren Sie den Münzwurf. Vergeben Sie für zwei Alternativen jeweils Kopf oder Zahl. Werfen Sie die Münze. Wenn Sie mit dem Ergebnis zufrieden sind: perfekt; wenn sie es bedauern: wählen Sie die Alternative.

Fazit Wenn Sie unbedingt perfekt sein wollen, nur zu. Doch nicht überall im Leben und nicht um jeden Preis.

 ie Sie sich von Ihrem W Perfektionismus verabschieden

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Sollten Sie nicht sicher sein, ob sie einfach nur gewissenhaft sind oder schon zu Perfektionismus neigen, sind hier ein paar Kontrollfragen. Schauen Sie sich Ihre Frustrationstoleranz an: Verzweifeln Sie, wenn Dinge nicht wie geplant laufen? Ärgern Sie sich über Fehler? Möchten Sie dann am liebsten das Handtuch werfen? Fällt es Ihnen schwer, eine Entscheidung zu treffen? Reden Sie Erfolge oft klein? Und denken Sie, dass die Aufgabe zu leicht war? Sagen Ihnen Außenstehende, dass Sie zu übertriebenem Ehrgeiz neigen? Stellen Sie bei Fehlern zuerst Ihre Kompetenz infrage? Fühlen Sie sich erst anerkannt, wenn Sie erfolgreich sind? Legen Sie großen Wert darauf, besser zu sein als andere? Möchten Sie in mehr als in einem Bereich perfekt sein? Fällt es Ihnen schwer, eine Arbeit zu unterbrechen? Fühlen Sie sich oft gehetzt? Bei mehrfacher Zustimmung gehen Sie folgendermaßen vor: 1. Merke: „Perfect is the enemy of good.“ 2. Geben Sie sich mit guten Lösungen zufrieden. Verzichten Sie darauf, nach der bestmöglichen zu suchen. Sie werden sie nicht finden, je mehr Alternativen Sie haben. 3. Fertigen Sie Not-to-do-Listen an. Streichen Sie Dinge, die Sie Ihrem Ziel nicht näher bringen. 4. Legen Sie sich auf weniger als drei Bereiche im Leben fest, die Sie richtig gut machen wollen und können! 5. Gehen Sie systematisch vor. Notieren Sie neben Zielen und Zwischenzielen, wer Sie unterstützen kann und wie. Nehmen Sie sich Zeit. Lernen Sie Dinge ruhen zu lassen und mit frischer Energie wieder aufzunehmen. Sorgen Sie für Pausen und kreativen Input. 6. Ersetzen Sie virtuelle Vorbilder durch reale Mentoren, holen Sie sich regelmäßig Feedback. 7. Achten Sie auf innere Kritiker. Diese erkennen Sie an typischen, sich wiederholenden Einwänden wie: Du bist nicht gut genug; das geht viel besser; du schaffst das nie; andere sind einfach viel besser; du wirst dich blamieren; du musst besser sein; du wirst nur gemocht, wenn du perfekt bist.

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8. Setzen Sie inneren Kritikern inneren Zuspruch entgegen. Ich schaffe das, ich weiß was ich kann. Ich bin unabhängig von meinen Leistungen liebenswert. Ich bin schon weit gekommen. Ich nehme mir Zeit, meine Fähigkeiten weiter zu entwickeln. Anstatt mich mit anderen zu vergleichen, orientiere ich mich an eigenen vorangegangen Leistungen. Fehler sind gut, sie helfen mir meine Leistungen zu verbessern. 9. Im Fall von Misserfolgen geht das Leben trotzdem weiter, mitunter sogar besser. 10. Vom Dalai Lama ist überliefert: „Nicht zu bekommen was man will, ist manchmal ein großer Glücksfall“.

Literatur Flett G (2012) The price of perfectionism, Association for Psychological Science. Observer Magazin, 29. Feb. 2012 Flett GL, Hewitt PL (Hrsg) (2002) Perfectionism: theory, research, and treatment. APA, Washington DC, S 259 Herrera T (2018) How to beat F.O.B.O.  New  York Times, 30. July 2018 Klink K et al (2013) Why do standardized tests underpredict women’s academic performance? The role of conscientiousness. Soc Psychol Personal Sci 4(5):600. Sage Journals Rudert S et al (2019) Who gets ostracized? A personality perspective on risk and protective factors of ostracism. J Pers Soc Psychol. https://doi.org/10.1037/pspp0000271 World Health Organisation (o. J.) https://www.who.int/news-room/ fact-sheets/detail/mental-disorders. Zugegriffen am 12.02.2020 York St John University (o.  J.) https://www.yorksj.ac.uk/ news/2018/rise-in-perfectionism-among-young-people/. Zugegriffen am 12.02.2020

7 Bedürfnisse achten

Inhaltsverzeichnis

Wie Sie bekommen, was Ihnen wichtig ist Wie Sie Ihre Bedürfnisse wahrnehmen Literatur

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 D. von Kopp, Top im Job – Wie Sie leben, arbeiten und Ihr Potenzial entfalten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61378-8_7

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Wie Sie bekommen, was Ihnen wichtig ist Der Fuchs schlendert über einen grünen Hügel und entdeckt saftige Trauben. Doch so sehr er sich auch streckt, er kann sie nicht erreichen. Die süßen Früchte hängen zu hoch. So beginnt eine Fabel des griechischen Dichters Äsop (1983). Der Fuchs gibt seine Versuche irgendwann auf. Um seinen Ärger darüber zu mindern, redet er sich ein: „Die Trauben sind ja herb und taugen nicht“. Psychologisch betrachtet, vermindert er die kognitive Dissonanz (Festinger et al. 1959) – auf gut Deutsch: den unerträglichen Widerspruch zwischen wollen und nicht können. Menschen ertragen diesen Widerspruch nur schwer. Etwas nicht haben zu können, zum Beispiel die ersehnte Beförderung, nagt am Selbstwert. Daher das Relativieren.  Dissonanzreduktion findet ungefähr hundert Mal am Tag statt. Beobachten wir es an Anderen, nennen wir es faule Ausreden.  An uns selbst bemerken wir sie gar nicht erst. Doch was wir nicht erkennen, können wir auch nicht ändern.

»mit Ausreden und Rechtfertigungen sind Vorsicht zu genießen, vor allem solche gegenüber sich selbst.

Es gibt mehrere Möglichkeiten, Dissonanz zu reduzieren. Der Fuchs relativierte kurzerhand das Objekt der Begierde, er schmälerte die Qualität der Trauben. Aber wäre das auch einer Füchsin in den Sinn gekommen?  Vielleicht nicht zuerst. Möglicherweise hätte sie zuerst das ei-

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gene Bedürfnis relativiert. Behauptet, dass ihr die Trauben nicht so wichtig  wären. Es gibt schließlich Wichtigeres. Wozu  sich wegen eines  scheinbar  aussichtslosen Ziels  in Rage  bringen?  Historisch wurden Männer mit Anerkennung belohnt, wenn sie bekamen was sie wollten und ihre Interessen durchsetzten. Wenn das nicht glückte, relativierten sie kurzerhand das Objekt der Begierde, auch um einem Gesichtsverlust vorzubeugen. Frauen wurden belohnt, wenn sie eigene Bedürfnisse zurückstellten, sich aufopferten. Was dazu führte, dass sie eigene Bedürfnisse kleinredeten. Diese Muster wirken bis heute nach. Es gibt noch eine weitere Strategie – und zwar sich einzugestehen, dass die eigenen Fähigkeiten nicht ausreichen. Alle drei Strategien haben gemeinsam, dass sie weder zufrieden noch erfolgreich machen, allenfalls machen sie eine Situation erträglich. Wären die Trauben Ihr Traumjob, womit würden Sie Ihre kognitive Dissonanz verringern? Die Antwort lässt tief blicken. Ob Sie sich nun einreden, dass Sie nur Ihren Marktwert testen wollten oder dass Ihnen der Job nicht so wichtig war – Sie machen sich in jedem Fall etwas vor. Sie verleugnen Ihr Bedürfnis. Das stärkste Bedürfnis unserer Zeit ist ein guter Job. Zu diesem Schluss kam das Beratungsunternehmen Gallup (Clifton 2015; Gallup 2016), nachdem es eine weltweit durchgeführte Studie ausgewertet hatte. Ein guter Job ist einer, in dem „die Arbeit als sinnvoll und erfüllend wahrgenommen wird; Mitarbeiter das Gefühl haben, persönlich zu wachsen und sich beruflich weiterzuentwickeln.“ Die Psychologie definiert ein Bedürfnis als Empfinden eines Mangels (https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/beduerfnis-30856, Seitenaufruf am 17.02.2020; nur dann beeinflusst es das Handeln) und unterscheidet dabei zwischen natürlichen und gesellschaftlichen Bedürfnissen.

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Natürliche Bedürfnisse  sind solche, die ein Mensch von sich aus, als tiefsten inneren Wunsch, empfindet, sogenannte Grundbedürfnisse. Dazu zählen Schlaf, Nahrung, körperliche und seelische Sicherheit, Anerkennung, Liebe und Sexualität, darüber hinaus die Entfaltung des eigenen Potenzials. Gegenstände zu besitzen, ist hingegen kein natürliches Bedürfnis. Einen guten Job zu haben sehr wohl, da er sowohl der materiellen Grundsicherung dient als auch der Selbstentfaltung. Gesellschaftliche Bedürfnisse werden indes von außen geweckt, sie sind maßgeblich beeinflusst von aktuellen ­ Trends – sich bestimmte Dinge zu leisten, Reisen zu unternehmen, einen Lifestyle zu pflegen. Auch von Arbeitsbedingungen. In der modernen Leistungsgesellschaft werden natürliche Bedürfnisse schon mal hinter gesellschaftliche Bedürfnisse gestellt  – der Ökonom und Philosoph Karl Marx spricht in diesem Zusammenhang gar von der „Entfremdung des Menschen vom Menschen“. Der Mensch, der seinen Rhythmus Maschinen oder Arbeitszeiten anpasst, der über Geräte kommuniziert, auf Handlungsaufforderungen reagiert und Rollenerwartungen erfüllt, läuft Gefahr natürliche Bedürfnisse zu verleugnen und sogar das Gespür dafür zu verlieren. Was passiert, wenn ein Mensch hinter  Rollenerwar­ tungen regelrecht verschwindet, beschreibt die Journalistin Hanna Rosin (2013) anhand der Situation einer jungen New Yorker Rechtsanwältin, Mutter eines Kleinkindes, die erneut im siebten Monat schwanger ist und ganztags in einer Kanzlei arbeitet, während Steven, der Ehemann, das Kind tagsüber betreut. „Kurz vor sechs Uhr abends kam Sarah von der Arbeit zurück, setzte sich hin, um ihre Turnschuhe auszuziehen, und stand wieder auf [...] in Minutenschnelle saß Xavier mit eingecremten Hintern in seinem Kinderstuhl und aß Blaubeeren. Erdbeeren kamen auf den Tisch, um für einen Kuchen geschnitten zu werden, dazu

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Butter und Mehl. Gleich waren auch verschiedene Gemüse, Hackfleisch und Mais auf dem Tisch. Das Bier hatte Steven besorgt, aber den Rest der Zeit saß er auf seinem Stuhl und sah Sarah bei der Arbeit zu. Sie machte Kuchenteig und holte eine Schale getrocknete Erbsen, um Xavier zu beschäftigen. Nebenher machte sie ein paar Sprachübungen mit ihm. Sie deckte den Tisch, badete das Kind, machte Burger und Kuchen. Wir bekamen das Gefühl, als hätten wir das Haus nur besetzt und die ganze Zeit gefaulenzt und als sei jetzt die rechtmäßige Besitzerin zurückgekehrt und brächte alles wieder in Ordnung.“ Ein Großteil der Hausarbeit, 72 %, wird auch im Jahr 2018 noch von Frauen erledigt (https://www.deutschlandfunkkultur.de/familienleben-die-unsichtbare-schwerstarbeit-der-muetter.1005.de.html?dram:article_id=469414). Unberücksichtigt sind dabei all die Gedanken rund um bevorstehende Termine, Pflichten und Besorgungen, kurz die mentale Belastung, das Daran-denken-Müssen. Mental Load nannte es eine französische Illustratorin, die unter dem Pseudonym Emma (2017) zeichnet.

»fürMental Load überlagert das Gespür natürliche Bedürfnisse. Wie soll man sich auf eigene Bedürfnisse konzentrieren, wenn der Kopf voll ist mit Terminen, unerledigten Auf­ gaben, Unterbrechungen und von außen gesteuerten Erwartungen.

»Arbeitsplatz Mental Load schleppt man auch am mit sich herum. Es sind vor allem die unerledigten Dinge, auf­

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geschobenen Termine, Gefälligkeiten und bevorstehenden Dienstreisen, die den Kopf besetzen. Die Reiseplanung, das Hotelzimmer, in dem man nachts sinngemäß im Dunkeln tappt, weil der Weg ins Badezimmer ein anderer ist als zu Hause, die unbekannten Gesichter im Frühstücksraum und im Besprechungszimmer. Nach einer Reise oder einem kräftezehrenden Arbeitstag verlangt der Geist nach Ruhe (natürliches Bedürfnis), auch oder erst Recht, wenn man noch aufgekratzt von den vielen Eindrücken ist. Tatsächlich passiert aber oft das genaue Gegenteil. Digitale Geräte werden eingeschaltet, Hochintensitätsstimulation nennt es die moderne Medizin. Dass die Nutzung digitaler Geräte das Einschlafen hinauszögert, ist bekannt, sie beeinträchtigt aber auch die Qualität des Schlafs. Insbesondere wenn man doch wieder, entgegen dem Plan früh zu schlafen, an der Power-Point-­Präsentation hängenbleibt, Podcasts hört, Instagram-Bilder anschaut und Serien guckt, womöglich noch parallel – namentlich das Gehirn mit Reizen flutet.

»gen Gedanken rund um die Arbeit brin­ beinahe jeden Zweiten gelegent­

l­ich um den Nachtschlaf, ergab eine Studie der Kaufmännischen Kran­ kenkasse (https://www.kkh.de/presse/ pressemeldungen/stress-im-beruf-ist-groesster-schlafraeuber-Seitenaufruf am 13.02.2020).

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Wird der Schlaf gestört, hat das Auswirkungen auf den gesamten Organismus. Schlafmangel kann zu Kopfschmerzen, Antriebslosigkeit und Konzentrationsschwäche führen und nachweisbar zu nachlassender Gedächtnisleistung. Einen klaren Gedanken zu fassen, fällt am nächsten Morgen umso schwerer, je weniger erquickend der Nachtschlaf ausfiel. Wer unter Schlafmangel leidet, neigt verstärkt zu emotionalem Denken statt zu logischem. Albert Einstein soll viel Wert auf Schlafen gelegt haben. Angeblich schlief er nachts zwölf Stunden und hielt zudem noch regelmäßig Mittagsschlaf. Dessen Wirksamkeit ist mittlerweile auch wissenschaftlich belegt. Wer regelmäßig ein Nickerchen hält, kann das Risiko für Herzerkrankungen um 37 % senken. Im Schlaf verstärken sich zudem die Alpha-Wellen im Gehirn, die bei einer gelösten und entspannten Grundhaltung auftreten und daher auch das „Tor zur Meditation“ genannt werden. Die gute Nachricht: Im Alltag kann man einiges dafür tun, dass sich gar nicht erst so viel Mental Load anhäuft – durch geschicktes Aufgabenmanagement zum Beispiel. David D. Eisenhower, der 34. Präsident der Vereinigten Staaten, legte sich ein System zu, das zwischen Wichtigem und Unwichtigem, Dringendem und Nichtdringendem unterscheidet. „I have two kinds of problems, the urgent and the important. The urgent are not important, and the important are never urgent“, zitierte er in einer öffentlichen Rede. Die Eisenhower-Methode ist ein guter Filter, mit dem man rasch herausfindet, was wirklich zählt (Tab. 7.1).

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Tab. 7.1  Aufgabenmanagement nach der Eisenhower-Methode Dringend

Nicht dringend

B-Aufgaben: W A-Aufgaben: Terminieren und selbst erledigen: I Sofort und selbst Vorsorgetermine, Qualifikation erledigen C und Fortbildung, H Gefahrenabwehr, Brand löschen, Abgabetermine Gehaltsverhandlung, Networking, T Rechnungen bezahlen, und Fristen einhalten, I Finanzplanung, Rentenkonto spontane günstige G Gelegenheiten, z. B. zum anlegen, Familienzeit, Sport, Freunde, Inspiration Networking, und Chancen ergreifen D-Aufgaben (Mental Load) U C-Aufgaben entfernen N An kompetente 90 % aller E-Mails, WhatsAppW Menschen delegieren Gruppen, überflüssige Apps, I Steuererklärung, Online-­Shopping, Nachrichten, Fahrdienste, C Serien zur Ablenkung, ungelöste Pflegedienste, H Konflikt, Warteschlangen, lange Haushaltsdienste, T Einkaufen, Reparaturen, Arbeitswege, über die Arbeit I reden, Unterbrechungen, Reiseplanung G Dienstreisen, die durch Videokonferenzen oder Telefonate ersetzbar sind

»figDie Eisenhower-Methode ist eine häu­ praktizierte Managementme­

thode (Covey 2012). Sie kann helfen, Ordnung und Struktur in Aufgaben zu bringen.

 ie Sie Ihre Bedürfnisse W wahrnehmen Was die Bedürfnisse angeht – es sind vor allem die Grundbedürfnisse, die im modernen Arbeitsleben zu kurz kommen. Schlaf, Bewegung und Beziehungen.

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»Bedürfnisses Die Wahrnehmung eines natürlichen erfordert körperliche und seelische Achtsamkeit.

Meditation, Yoga und Entspannungstechniken helfen abzuschalten und auf körperliche Signale zu achten. Man kann die Sache aber auch analytisch angehen. Steve de Shazer (Schlippe und Schweitzer 2016) entwickelte hierzu die Wunderfrage. Sie lässt sich in unterschiedlichem Kontext anwenden. Im Kern geht es darum, zu erkennen, was oder wer eine nachteilig empfundene Situation aufrechterhält. Und was sich ändern würde, wenn über Nacht ein Wunder geschähe und die negativen Verstärker einfach verschwunden wären. Fragen Sie sich also: „Wenn über Nacht ein Wunder geschähe, woran würde ich merken, dass sich die Situation zum Positiven verändert hat?“ Die Wunderfrage lenkt den Blick gezielt auf Lösungen. Es liegt auf der Hand, diese Lösungen in die Tat umsetzt (statt sie zu relativieren). Zuletzt noch ein rhetorischer Kunstgriff: Formulieren Sie an Außenstehende Wünsche statt Forderungen. Das steigert die Wahrscheinlichkeit, dass man Ihnen Gehör schenkt. Fragen Sie umgekehrt Menschen in Ihrem Umfeld nach ihren Bedürfnissen. Helfen Sie sich gegenseitig, Bedürfnisse zu erfüllen. Oder – um auf die süßen Trauben zurückzukommen  – gemeinsam ist es einfacher, sie zu erreichen. Stichwort Räuberleiter. Und was den Traumjob angeht: Versuchen Sie es weiter, mit Unterstützung durch Fürsprecher, durch Aneignung notwendiger Qualifikationen, geschicktes Verhandeln, überzeugendes Auftreten. Sie schaffen das!

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Fazit Top im Job zu sein und es auf lange Sicht zu bleiben, erfordert Bedürfnismanagement. Pflegen Sie ein gutes Verhältnis zu Ihrer inneren Stimme und zu den Menschen in Ihrem nächsten Umfeld. Bauen Sie möglichst viele Routinen in Ihren Alltag ein und verabschieden sich von überflüssigem Mental Load, indem sie Wichtiges von Unwichtigem trennen, Aufgaben delegieren, Zeitpläne und Checklisten erstellen. Erfolgreiche haben Notfallpläne und fleißige Helfer.

Folgende Maßnahmen helfen, Mental Load zu verringern 1. Routine. Das Gehirn liebt Routine. Während alles  Neue zu verstärkter Wachsamkeit führt und Aufmerksamkeit kosten, lässt Routine Dinge einfach geschehen. Identische Handlungsabläufe und Rituale, vertraute Einrichtungen und gleichbleibende Wege sparen mentale Energie. Buchen Sie auf Geschäftsreisen Hotels derselben Kette, legen Sie Rituale fest, z. B. die Dusche nach dem Ankommen oder die Runde Sport im Fitnessstudio am frühen Morgen. Je ähnlicher der Tagesablauf auf Reisen dem von zu Hause ist, umso besser für die mentale Frische.  Wenn Sie im Homeoffice arbeiten, gehören auch hier Rituale zur festen Alltagsstruktur. Legen Sie Arbeitszeiten fest und ebenso Pausen, die Sie ausschließlich für private Dinge nutzen. Besprechen Sie sich mit anderen Familienmitgliedern, wer welche Aufgaben übernehmen kann. Finden Sie eine für sich optimale Uhrzeit in der sie ungestört arbeiten können. Halten Sie Ihren Schreibtisch aufgeräumt.  2. Mittagsschlaf. Der Mittagsschlaf erfrischt den Geist und schützt das  Herz-Kreislauf-System. Wissenschaftler der Harvard School of Public Health (Siestas and your heart 2008) und der University of Athens Medical School haben im Zuge ihrer Forschung die Profile von 23.700 Teilnehmern ausgewertet. Das Ergebnis: Wer regelmäßig ein Ni-

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ckerchen hält, kann das Risiko für Herzerkrankungen um 37 % senken. Im Schlaf verstärken sich zudem die Alpha-­ Wellen im Gehirn, die bei einer gelösten und entspannten Grundhaltung auftreten und daher auch das „Tor zur Meditation“ genannt werden. 3. Ernährung. Sogenanntes Brainfood sorgt für eine verbesserte Funktion der Hirnzellen. Jene bestehen zu einem Großteil aus Omega-3-Fettsäuren. Ideal ist eine Ernährung, die davon reichlich enthält, zum Beispiel die mediterrane Ernährung mit Fisch, Olivenöl, gedünstetem Gemüse und Nüssen. Zitrusfrüchte sorgen zusätzlich für den nötigen Zellschutz in Form von Vitamin C. 4. Bewegung. Nicht nur Sport, auch Spazierengehen im Grünen lässt das Gehirn entspannen. In Japan wird das Shinrin yoku, das Waldbaden, schon seit den 1980er-­ Jahren als Therapieform praktiziert. Dabei wird jeder Sinneseindruck bewusst aufgenommen. Farben, Düfte und sensorische Empfindungen durch Luftbewegungen. Dieses Eintauchen in eine natürliche Umgebung senkt den Stresslevel, die Adrenalinkonzentration verringert sich und die Anzahl von immunfördernden Botenstoffen steigt. Außerdem synchronisieren sich beim Waldbaden, ähnlich wie während der Meditation, die Gehirnwellen und der Geist kommt zur Ruhe. 5. Loslassen. Nicht alles was wichtig erscheint, ist es auch. Die Eisenhower-Methode, benannt nach gleichnami­ gem US-amerikanischen General, unterscheidet Aufgaben zwischen wichtig und unwichtig, sowie dringend und nicht dringend. Wichtiges und zugleich Dringendes muss tatsächlich sofort und selbst erledigt werden. Wichtiges und weniger Dringendes kann verschoben oder delegiert werden, Unwichtiges wird gelöscht. Unerledigte Dinge blockieren nämlich den Geist. Für Aufgaben, die delegiert werden, aber auch für alle anderen sich wiederholenden Tätigkeiten eignen sich einmalig angefertigte ­Checklisten, Zeitpläne und kalendarische Erinnerungen. Wer Loslassen kann, erleichtert sich das Denken.

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Übung Klinken Sie sich öfter mal aus, um in sich hinein zu spüren. Geübte können das binnen Sekunden. Schließen Sie die Augen und atmen tief durch. Lassen Sie, während Sie tief und gleichmäßig atmen, die Aufmerksamkeit durch den Körper wandern. Wo fühlt es sich locker an, wo verkrampft? Geben Sie dieser Stelle besondere Aufmerksamkeit  und Fürsor­ge. Beziehen Sie das Körpergefühl in Entscheidungen ein.

Literatur Clifton J (2015) What the whole world wants. Blog GALLUP News, 17. Dec 2015 Covey S (2012) Focus. Achieving your highest priorities. Brilliance Audio, Grand Haven Elster J (1983) Sour grapes: studies in the subversion of rationality. Cambridge University Press, Cambridge, S 123 ff Emma (2017) The mental load, a feminist comic. Massot Edition, New York Festinger L et al (1959) Cognitive consequences of forced compliance. J Abnorm Soc Psychol 58:203 Gallup (2016) How millenials want to work and live. https:// www.gallup.com/workplace/238073/millenialas-work-live. aspx. Zugegriffen am 02.02.2020 Rosin H (2013) The end of men and the rise of women. Penguin Group, New York Schlippe A, Schweitzer J (2016) Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung I.  Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, S 249 ff Simon HB (2008) Siestas and your heart: can you nap your way to health? Harv Mens Health Watch 12(6):7–8

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 ie Sie sich aus schwierigen Situationen befreien  W Wie Sie das eigene Handeln hinterfragen  Literatur 

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 D. von Kopp, Top im Job – Wie Sie leben, arbeiten und Ihr Potenzial entfalten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61378-8_8

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 ie Sie sich aus schwierigen W Situationen befreien Es gibt diese Situationen am Arbeitsplatz, die ähneln einer Geiselhaft. Vorweggenommen: Die Rede ist nicht von üblichen Streitigkeiten und Missverständnissen, zu denen es am Arbeitsplatz gelegentlich kommt und die sich durch ein klärendes Gespräch oder klare Regeln in den Griff kriegen lassen, sondern vom Gefühl der Ohnmacht, wenn andere nach Regeln spielen, die einem selbst äußerst suspekt erscheinen, wenn Vertuschen, Verschleiern, Korruption, Drohungen und Machtausübung an der Tagesordnung stehen. Finanzkrise, Diesel-Gate, Bluttestaffäre, Hygieneskandal:

»behindert Was im Großen für Schlagzeilen sorgt, erfolgreiches Arbeiten im Kleinen.

Schlimmer noch, es bedroht Arbeitsplätze. Es gibt keinen Grund, das hinzunehmen. Denn, um erfolgreich im Job zu sein, gehört überhaupt einen zu haben. Eines eint nämlich all diese Skandale: Ihnen folgen zuverlässig Entlassungen. Auch wenn Entscheidungen im Vorstand getroffen werden, gibt es doch Manager, die sie umsetzen, und Mitarbeiter, die nach deren Vorgaben handeln. Nicht immer im Wissen, dass es sich um Verstöße handelt, gelegentlich aber doch. Ein Beispiel zum besseren Verständnis: In einem Klinikum (SWR Aktuell 2018) wurde jahrelang Operationsbesteck sichtbar mangelhaft sterilisiert, die Prüfplaketten an entsprechenden Spezialspülmaschinen waren abgelaufen. Immer wieder reichten Ärzte Beschwerden ein, aus Kostengründen wurden die Spülmaschinen nicht ge-

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wartet, bis zu einer anonymen Anzeige im Jahr 2014. Der Fall führte zu einem massiven Imageverlust und dem Abbau von 180 Vollzeitstellen. Der leidige Abgasskandal hatte weitaus größere Dimensionen: Hier verloren mehrere Tausend Angestellte ihren Job. Die Zahl der Entlassungen im Zuge der Finanzkrise ging weltweit in die Millionen.

»ationen Was bewegt Menschen dazu, in Situmitzuspielen, die gegen alle Regeln verstoßen und die ihnen eigentlich zuwider sind?

Warum kam das verunreinigte Operationsbesteck wiederholt zum Einsatz? Wieso reichten manche der diensthabenden Ärzte Beschwerde ein und andere nicht? Warum sagten die Operationsassistenten nichts? Was hinderte sie am Handeln? „Es gehört zu den Spielregeln“, schreibt Edo Reents (2020) in der FAZ, „dass gerade diejenigen, die es am meisten wollen, dies am wenigsten beziehungsweise überhaupt nicht sagen, sondern erst einmal abwarten, was passiert und wer so alles aus der Deckung kommt, um dann natürlich augenblicklich schlechtgeredet zu werden, woraufhin es auch die noch still Haltenden mit der Angst zu tun kriegen, bis es irgendwann gar keiner mehr machen (ansprechen) will, jedenfalls nicht alleine, und nur noch alle von ‚Team‘ sprechen.“ Wie rechtfertigt man in solchen Fällen das eigene Handeln? Wegsehen und Verharmlosen sind sicherlich verbreitete Abwehrmechanismen, aber auch Rechtfertigen und Solidarisieren spielen eine Rolle, um Inkohärenz erträglicher zu machen.

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Der härteste Fall einer Solidarisierung tritt bei Geiselnahmen auf. Psychoanalytiker, die den Fall in Stockholm (https://www.spiegel.de/geschichte/stockholm-syndrom-so-entstand-die-bezeichnung-a-1109897.html, Seitenaufruf am 03.01.2020) 1973 nachträglich auswerteten, kamen zu dem Schluss, dass sich Betroffene in dieser für sie extremen Situation einem Überlebensinstinkt folgend mit den Machthabern, in dem Fall Geiselnehmern, solidarisieren und sogar versuchen, deren Beweggründe zu verstehen und zu übernehmen. Die Daueranspannung führt zu einer Wahrnehmungsverzerrung, in der geringfügig positive Gesten und Zuwendungen überproportional aufgewertet werden. Der Traumatologe Frank Ochberg (2020) glaubt, dass durch den erzwungenen Aufenthalt im selben Raum Nähe entsteht, ja sogar Vertrauen und Zuneigung wachsen kann, durchaus beidseitige. Er hält das Verhalten für einen unbewussten Verteidigungsmechanismus. Durch die Annäherung glaubt das Opfer weniger in Gefahr zu sein, es will dem Täter gefallen, damit sein Leben verschont bleibt. Im Job geht es freilich nicht um Leib und Leben, wohl aber um den Arbeitsplatz und damit einhergehend die Sicherung der eigenen Existenz. Daher neigt auch am Arbeitsplatz der ein oder andere zu maladaptivem Verhalten, wie folgende Fälle zeigen: Eine Pilotin berichtet von einem Routine-Checkflug mit einem bekanntermaßen schwierigen Prüfer. Ihr Adrenalinlevel schnellte schon Stunden vor dem Ereignis in die Höhe. Eine Handbewegung, die mehrfaches Streicheln über den Scheitel andeuten soll, unterstreicht den erklärten Versuch, das Ego des Prüfers mit einer Reihe von Komplimenten zu besänftigten. Was tatsächlich Wirkung zeigte: Er hielt seine unschicklichen Kommentare zurück. Sie bestand den Check. Nur legte sich ihre Erleichterung ganz offensichtlich wie ein Filter auf ihre Wahrnehmung. „Eigentlich ist der ja ganz in

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Ordnung. Man muss halt wissen, wie man ihn zu nehmen hat. Am Ende hat er sich sogar ein Kompliment für meine Landung abgerungen“, verklärt sie die Situation im Nachhinein. „Bei einem Menschen, dessen Nervensystem einem ständigen Druck ausgesetzt ist, kann eine paradoxe Gehirnaktivität auftreten – das Böse wird zum Guten und das Gute zum Bösen“, schreibt der britische Psychiater William Sargant (Stockholm Syndrom 2006). Der Feind wird zum Freund, der Helfer zum Feind. Tatsächlich gibt es das häufiger als gedacht. Eine Stationsschwester weiß seit Längerem, dass ihr Chef ein Alkoholproblem hat. Als ihm ein Fehler unterläuft und Kollegen sie darauf ansprechen, rechtfertigt sie ihn: „Bei dem Arbeitspensum kein Wunder. Und: Er hat das im Griff“. Die Kollegen fühlen sich vor den Kopf gestoßen. Sie hält dennoch zu ihrem Chef und achtet umso mehr da­ rauf, ihn vor den aufmerksamen Blicken der anderen zu schützen. Ein Vertriebsmitarbeiter, der von seiner Vorgesetzten wiederholt, auch vor Kollegen, für seine Persönlichkeit kritisiert wird, nimmt diese in Schutz: „Sie meint das nicht so. Sie steht dafür gerade, dass die Zahlen stimmen“. Um die Lage nicht zu eskalieren, hält er sich auch dann zurück, als sie ihn spät abends und am Wochenende mit Anrufen und Forderungen bombardiert. Seinem Kollegen, der ihm helfen will, weicht er aus. Ja, am Ende ärgert er sich sogar mehr über den Kollegen als über die Chefin.

 ie Sie das eigene Handeln W hinterfragen Wann immer Sie eine Tendenz an sich selbst bemerken, einen Unhold, der durchaus auch ein weiblicher sein kann, in Schutz zu nehmen, werfen Sie einen Blick auf Ihre Motive.

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Verfolgen Sie ein inhaltliches Ziel und werden darin unterstützt? Oder wehren Sie auf persönlicher Ebene Schaden ab, in einer für Sie unangenehmen Situation?

»Ihnen, Es gibt keinen Grund, Verhalten, das Ihrer Arbeit oder einem Dritten schadet, zu rechtfertigen.

Vermeintliches Mitspielen wird Fehlverhalten nur verstärken. Es gibt hundert gute Gründe, sich nicht aus dem Fenster zu lehnen. Und genau einen, es zu tun: Vertrauen. Mitspielen zerstört Vertrauen. Aufseiten der Mitarbeiter, Vorgesetzten und betroffenen Kunden. Alles, was erforderlich ist, dient der Wiederherstellung von Vertrauen. Formulieren Sie gesunde Grenzen. Wenn das nichts hilft, wenden Sie sich an eine Vertrauensperson im Unternehmen, und wenn das keine Wirkung zeigt an einen Fachanwalt für Arbeitsrecht. Wer einmal Vertrauen verspielt hat, gewinnt es nur schwer zurück. Viele kostspielige Rettungsmaßnahmen und Kündigungen können vermieden werden, wenn es mehr Mutige gibt, die positive Ziele vorgeben, sich ethischen Richtlinien entsprechend verhalten und mit gutem Beispiel vorangehen. Angst lähmt, Mut tut gut.

Fazit Thematisieren Sie ruhig das Thema Vertrauen und was Sie dafür als notwendig empfinden. Handeln Sie Ihrerseits vertrauenswürdig und verantwortungsvoll.

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Literatur Ochberg F (2020) A gift from within gives trauma survivors support. The Oklahoma, 20. Feb 2009. Seitenaufruf 02.01.2020 Reents E (2020) Erst der Erste. Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 43, 20.02.2020 Stockholm Syndrom (2006) Die Zuneigung des Opfers zum Täter. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.08.2006 SWR Aktuell (2018) https://www.swr.de/swraktuell/bw/mannheim/skandal-an-mannheimer-uniklinik-chronologie-der-ereignisse/-/id=1582/did=14427222/nid=1582/1peqf8s/index. html. Zugegriffen am 19.01.2018

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Inhaltsverzeichnis

 ie Kooperation Karrieren fördert  W Vom Flirten am Arbeitsplatz  Literatur 

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© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 D. von Kopp, Top im Job – Wie Sie leben, arbeiten und Ihr Potenzial entfalten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61378-8_9

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Wie Kooperation Karrieren fördert Allein die Vorstellung, eine Freundin für einen Job oder einen lukrativen Auftrag zu vermitteln, dürfte  in vielen Frauen ein flaues Gefühl auslösen. Was, wenn die einen Fehler macht und der Fehler dann auf einen selbst zurückfällt? Und überhaupt arbeiten Frauen lieber mit einem Mann zusammen – bestätigte eine Metastudie (Balliet et al. 2011) der Universität Amsterdam mit mehr als 31.000 Teilnehmern. Unterstützung bekommt die These von der German Consulting Group (German Consulting Group Studie 2020), die in einer repräsentative Umfrage herausfand, dass sich 70 % aller weiblichen Führungskräfte noch nie als Mentorin für eine weibliche Nachwuchskraft betätigt haben (umgekehrt hatten sich 73 % der männlichen Führungskräfte als Mentor eingesetzt – davon 91 % ausschließlich für einen Mann.) Bienenkönigin-Falle nennt es die US-Investment Bankerin Sallie Krawcheck (Krawcheck 2017), wenn eine höhergestellte Frau gegen Nachfolgerinnen stichelt. Die Harvard Business Review schreibt dazu: „[…] während Männer eher laut aufbegehren, sabotieren sich Frauen auf subtile Weise“. Freilich nicht alle, es gibt auch Ausnahmen. Angela Merkel beispielsweise hat einige ihrer engsten Vertrauten im Kanzleramt, in ihrer unmittelbaren Nähe arbeiten seit Jahren zwei Frauen. Und von Meghan Markle weiß man, dass sie Jobs bevorzugt an Freundinnen vergibt, und auch, dass sie öffentlich Werbung macht für die Produkte befreundeter Designerinnen. Robert Axelrod, Autor des Buchs Die Evolution der Kooperation (Axelrod 2006) erprobte an verschiedenen Computerprogrammen unterschiedliche Erfolgsstrategien, beispielsweise zu kooperieren, sich eigennützig zu verhalten, zu betrügen und nachzugeben. Die vielversprechendste war

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die Kooperation, gemäß dem Prinzip, ich tue dir einen Gefallen und du mir. Axelrod nannte es „Tit for Tat“ oder das Prinzip der Reziprozität. So gesehen war es schon rein mathematisch betrachtet ein klug kalkulierter Schachzug, als Meghan Markle in ihrer Rolle als Gast-Chefredakteurin der britischen Vogue einflussreiche Frauen aufs Cover der Septemberausgabe 2019 brachte (­https://www.vogue.de/lifestyle/artikel/news-­annawintour-herzogin-meghan-women-summit, Seitenaufruf vom 20.01.2020). Sie vergrößerte damit nicht nur deren Sichtbarkeit, sondern auch ihre eigene. Wer anderen hilft, bekommt selbst früher oder später Unterstützung. Und wer langfristig denkt, ist ohnehin im Vorteil. Zumal eine Karriere kein Sprint, sondern ein Ausdauerlauf ist, bei dem mal der eine, mal der andere an der Spitze ist. Im Radsport, bei dem es historisch nur einen Kapitän gab, erlebt derzeit die Doppelspitze Konjunktur  – aus gutem Grund. Radprofi Patrick Konrad (https://www.tagesspiegel.de/sport/tour-de-francewarum-die-topteams-auf-eine-doppelspitze-setzen/ 24590258.html, Seitenaufruf am 09.02.2020) erklärt gegenüber dem Tagesspiegel: „Wir sind Rennfahrer, wir wollen gewinnen. Wir wissen aber auch, dass wir dabei Unterstützung brauchen. Und deshalb fährt man mal für den anderen. Man weiß aber auch, dass alles wieder zurückkommt“. Das Konzept Co-CEO etabliert sich zunehmend auch in Unternehmen. Eine Win-Win-Situation lebt von Transparenz und davon, dass man für einander einspringt. Kooperationen bilden damit das Gegenteil von Grabenkämpfen. Wer überdies Streithähne dazu bringt zu kooperieren, gewinnt an Ansehen. Man kann gemeinsam wachsen, ohne sich dabei in die Quere zu kommen.

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»abhaben Wenn jeder ein Stück vom Kuchen will, muss man eben gemein­

sam dafür sorgen, dass der Kuchen größer wird, anstatt den Mitbewer­ ber vom Teller zu drängen.

Strategische Partnerschaften fördern Karrieren und vergrößern den Einfluss. Innerhalb eines Unternehmens wirken sie stabilisierend, sie schützen vor Jobverlusten, bieten Aufstiegschancen. Eine noch größere Bedeutung hat allerdings das Netzwerken außerhalb des eigenen Unternehmens (von Kopp 2014).

»betrieben Jede dritte Neueinstellung, in Klein­ sogar fast jede zweite, kommt durch das persönliche Netz­ werk des Chefs oder eines Mitarbei­ ters zustande (Quelle: Bundesagentur für Arbeit).

Dabei muss es sich nicht ausschließlich um gute Freunde handeln, lose Bekanntschaften sind in diesem Fall sogar von Vorteil. Anders als Freunde bewegen die sich nämlich nicht im selben Netzwerk, sondern in erweiterten Kreisen mit vergrößerter Reichweite. Mark Granovetter (1995), US-amerikanischer Soziologe, erkannte schon 1973, dass lose Beziehungen zwischen Bekannten bei der Suche nach einer neuen Stelle helfen. Ihnen stünden ganz andere Informationsquellen offen. Dank eines breit aufgestellten und

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vielfältigen Netzwerks erhält man frühzeitig Einblicke in Trends und Entwicklungen, geplante Veränderungen wie Zusammenschlüsse zweier Unternehmen oder neue Niederlassungen im Ausland. Für Selbstständige ist branchenübergreifendes Netzwerken besonders wichtig, es liefert Ideen für neue Trends, Projekte, Förderquellen, Vertriebswege und Kunden. Je größer und vielschichtiger der Informationsradius, der sich aus strategischer Netzwerkpflege ergibt, desto rascher kann man auf plötzliche Veränderungen reagieren. Angestellte dürfen insbesondere im Homeoffice nicht vergessen, dass es außerhalb der eigenen Wände informelle Kommunikationskanäle gibt und dass diejenigen, die häufiger in der Firmenzentrale auftauchen, sämtliche Gelegenheiten nutzen werden, auf sich aufmerksam zu machen. Sichtbarkeit ist ein wichtiger Karrierebeschleuniger, sie entscheidet sogar über die Vergabe von Jobs und Projekten. Schon allein aus diesem Grund sollte man regelmäßige Netzwerkpflege betreiben. Sich ab und zu in Erinnerung zu rufen, hat rein gar nichts mit Anbiedern zu tun, sondern ist schlichtweg eine übliche Geschäftspraxis. Überdies ist es ein positives Signal an Vorgesetzte und Auftraggeber, mit dem man Bereitschaft zeigt, Aufgaben zu übernehmen.

»inNetzwerken ist eine Art Investment die Zukunft. Und sollte auch so behandelt werden. Wer von einem kleinen Gefallen zwischendurch Wunder erwartet, hat das Prinzip nicht verstanden. Nicht immer kommt etwas zurück und schon gar nicht gleich, aber auf lange Sicht kann der eine oder andere Kontakt hilfreich sein. Lassen Sie andere unaufdringlich wissen, was Sie können und in Zu-

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kunft gern tun würden. Setzen Sie beim Netzwerken auf Diversität. Im Alltag berühren sich viele Kreise, auch außerhalb der Firma – im Sportstudio, auf Veranstaltungen, in Vereinen – hier bieten sich ideale Anknüpfungspunkte. Und was ist mit Social Media? Wer einen Job sucht, setzt seine Hoffnungen besser nicht nur auf Social Media. Personaler bevorzugen nach wie vor persönliche Kontakte, Menschen denen sie persönlich begegnet sind und denen sie vertrauen.

»Nürnberger Lediglich 1 % der Jobs werden dem Institut für Arbeitsmarkt-

und Berufsforschung ­(Pressemittelung der IAB 2020) zufolge über Social-­ Media-­Kontakte besetzt.

Social Media eignet sich eher zur Netzwerkpflege. Man kann sich in Erinnerung bringen, interessante Inhalte teilen und anderen zur Beförderung gratulieren. Die eigene Beförderung dürfte allerdings in den meisten Fällen noch immer außerhalb von Social Media besiegelt werden. Gleiches gilt für Aufträge. Es gab Zeiten, da war es üblich, für einen Business-Lunch mehrere Stunden einzuplanen. Man aß mit Lust, trank Martini, rauchte Zigarre und genoss. Am Ende des Nachmittags stand ein Gentlemen’s Agreement, der Rest war Formsache. Vielleicht hilft es, in einer Zeit, da Aufträge und Jobs via Microsoft Teams oder Zoom ausgehandelt werden, an jene Zeiten zurückzudenken. Vertrauen findet auf einer zutiefst persönlichen Ebene statt. Und wer langfristig miteinander Geschäftsbeziehungen eingeht, sollte sich mit seinen Geschäftspartnern, wie im übrigen auch mit seinen Kollegen, persönlich bekannt machen.   

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Das Einmaleins des Netzwerkens 1. Von Konkurrenz zur Kooperation. Programmieren Sie Ihr Mindset um. 2. Öffnen Sie Ihren Wahrnehmungsradius für strategische Partner. 3. Besuchen Sie Events, auf denen sich Menschen mit unterschiedlichem Background tummeln. Kommen Sie ins Gespräch, fragen Sie aktiv nach. 4. Überlegen Sie, was Sie in eine Kooperation einbringen können. Welchen Mehrwert bieten Sie Ihrem Gegenüber? 5. Steigern Sie Ihren Mehrwert. Was können Sie besonders gut? Was ist Ihre persönliche Stärke? Wie haben Sie in der Vergangenheit anderen mit Ihren Qualitäten helfen können? 6. Bauen Sie Vertrauen auf. Signalisieren Sie Interesse und Zuverlässigkeit. Geben Sie Persönliches von sich preis  – das allerdings im Rahmen und nur wenn es für das Gegenüber interessant ist, zum Beispiel, weil Sie ein gemeinsames Hobby entdeckt haben oder beruflich dieselbe Entwicklung anstreben. 7. Signalisieren Sie Interesse an einer langfristigen WinWin-­Situation, auch wo Sie den jeweiligen Gewinn auf beiden Seiten sehen. 8. Kommunizieren Sie offen Interessen und Wünsche. Geben Sie einem anderen die Chance, sich für einen Support zu revanchieren (aber gehen Sie nie zu offensichtlich mit Ihren Erwartungen um). 9. Gehen Sie dankbar darauf ein, wenn man Ihnen Unterstützung anbietet. 10. Geben Sie persönlichen Kontakten den Vorzug. Pflegen Sie Ihr LinkedIn Profil als eine Art Visitenkarte. Bleiben Sie über Social Media in Kontakt, teilen Sie interessante Links, gratulieren Sie zum Geburtstag, zur Beförderung. Bieten Sie ruhig mal Hilfe an, vermitteln Sie Kontakte oder Erfahrungsberichte. 11. Integrieren Sie Netzwerken in Ihren Alltag. Treffen Sie wöchentlich einen Netzwerkkontakt persönlich oder besuchen Sie monatlich ein Event, auf dem Sie  mehrere gleichzeitig treffen (erinnern Sie sich: Zu 60 % sorgt die Bekanntheit für den Aufstieg).

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Vom Flirten am Arbeitsplatz Networking und Flirten sind bekanntermaßen  zwei verschiede Baustellen. Ein Flirt ist ein Flirt – und damit naturgemäß eine kurzfristige Angelegenheit. Networking ist langfristig. Dass man einem Flirt einen Job verdankt, ist unwahrscheinlich, wenngleich nicht ausgeschlossen. Gehen wir zurück ins Jahr 1998. Eine schöne, relativ unbekannte junge Frau im schulterfreien Cocktailkleid ist zu Gast in der Harald Schmidt Show (Schöneberger und Schmidt 2019). Sie macht das, wofür einst der Begriff Schäkern erfunden wurde. Für alle Spätgeborenen, Schäkern ist ein gewitztes, eloquentes Flirten unter Einbeziehung körperlicher Reize. Nach acht Minuten, so kurz war der Auftritt, prophezeit ihr Schmidt  eine große Fernsehkarriere. Er sollte Recht behalten, aus Barbara Schöneberger wurde die erfolgreichste Entertainerin im deutschen Fernsehen.

»befeuert Ein kometenhafter Aufstieg, zudem mit Anziehungskraft und Charme – Hand aufs Herz, wer hat da­ von nicht schon einmal geträumt?

Was in dem Fall leicht übersehen wird: Es handelte sich um Showbusiness. Im Business ohne Show ist Flirten ein Minenfeld. In Amerika ist Flirten sogar ein Kündigungsgrund, aus Furcht vor möglichen Klagen und hohen Schadenssummen. Wer u. a. bei Google unter Vertrag steht, darf Kollegen ein einziges Mal um ein Date zu bitten, wer es ein zweites Mal wagt, riskiert den Job. In Japan steht es um den Flirt schon deutlich besser. Der Autohersteller Toyota stellt seinen neu eingestellten Mitarbeitern einen Rendez-

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vous-Ratgeber zur Verfügung, mit hilfreichen Tipps zur Date-Vorbereitung inklusive Hygiene- und Bekleidungsempfehlungen. Sicher, Flirten hat seinen Reiz, aber deswegen nach Japan auszuwandern ginge zu weit. Buchautor Phillip von Senftleben (von Senftleben 2008) rät hierzulande jedoch dringend zu Diskretion. Und zwar aus folgenden Gründen: „Es ist eine fixe Idee aller Verliebten, dass ihr Umfeld nichts davon merkt. Dem ist aber nicht so. Die Menschen, mit denen man jeden Tag zusammenarbeitet, kennen einen oft besser als man denkt und bemerken Verhaltensänderungen schnell.“ Auch das vermeintlich harmlose Flirten per E-Mail ist gefährlich; die E-Mails können gespeichert werden oder versehentlich im falschen Postfach landen. Und SMS seien auf eine Art sowieso immer öffentlich, da sie in der Kennenlernphase gern Außenstehenden gezeigt werden, beispielsweise dem besten Freund. Wer bereits ein Paar ist, soll Küsse und Kosenamen nicht am Arbeitsplatz austauschen, es könnte den Anschein erwecken, nicht zwischen Job und Liebe trennen zu können. Und eine Assistentin, die sich in den Vorgesetzten verliebt, büßt das Vertrauen der Kollegen ein. Sobald die Affäre beendet ist, kann sie ohnehin einpacken und sich einen neuen Job suchen, wenn es nach ihrem Ex geht. Überhaupt, sobald eine Jobbeziehung auseinanderfällt, trifft man möglicherweise die falsche Entscheidung, indem man dem wichtigen, karrierefördernden Meeting fernbleibt, nur weil man der oder dem Ex nicht begegnen will. Ja, Liebeskummer kann arbeitsunfähig machen. Jeder Sechste gab in einer Studie der ElitePartner-Agentur zu, aufgrund von Liebeskummer nicht zur Arbeit gegangen zu sein (Bartsch 2019). So unromantisch es klingt: Eine gescheiterte Liebe am Arbeitsplatz kann der Karriere einen empfindlichen Stoß ver­setzen. Zwar darf der Arbeitgeber nach deutscher Rechtsprechung, sofern der Betriebsfrieden nicht empfindlich gestört ist, keine unmittelbare Kündigung aussprechen, aber eine

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­ ersetzung anordnen. Allen, die sich den Spaß trotzdem V nicht nehmen lassen wollen, sei geraten: Behalten Sie eine gewisse Lockerheit, besonders wenn die heiße Phase vorüber ist. Allen in höheren Positionen, die von einer deutlich jüngeren attraktiven Person umgarnt werden, sei empfohlen, es wie Harald Schmidt zu halten und ihr zu geben, was sie will: eine Aufstiegsmöglichkeit.

Literatur Axelrod R (2006) The evolution of cooperation. Basic Books, New York Balliet D et  al (2011) Sex differences in cooperation: a meta-­ analytic review of social dilemmas. Psychol Bull 137(6):881–909 Bartsch B (2019) Liebe und Karriere: Jeder Sechste geht wegen gebrochenem Herzen nicht zur Arbeit. Elite Magazin, 20. Mai 2019 German Consulting Group Studie (2020) http://www.gcg.ag/ uploads/media/aktuelles_20060400_neid_pressemeldung. pdf. Zugegriffen am 08.02.2020 Granovetter M (1995) Getting a job: study of contracts and carreers. University of Chicaco Press, Chicaco von Kopp D (2014) Führungskraft-Und was jetzt? Springer, Berlin, S 135 ff Krawcheck S (2017) Own it: the power of women at work. Crown Publishing, New York Pressemittelung der IAB (2020) https://www.iab.de/de/informationsservice/presse/presseinformationen/kb1817.aspx. Zugegriffen am 09.02.2020 Schöneberger B, Schmidt H (2019) https://www.youtube.com/ watch?v=OKylhZV292M. Zugegriffen am 14.12.2019 von Senftleben P (2008) Das Geheimnis des perfekten Flirts. Rowohlt, Hamburg

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Warum Sie mehr verdienen, als Sie verlangen  Wie Sie Ihr Gehalt neu und angemessen verhandeln 

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© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch 105 Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 D. von Kopp, Top im Job – Wie Sie leben, arbeiten und Ihr Potenzial entfalten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61378-8_10

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 arum Sie mehr verdienen, als W Sie verlangen Taxis sind ja so eine Art fahrende Lebenshilfeinstitute. Man erfährt allerhand nützliche Dinge. Beispielsweise Verhandlungstechniken. Am Fernbahnhof des Frankfurter Flughafens gibt es einen Direktausstieg zum Taxistand. Eine Fahrt zum Business District Gateway Gardens, wo die Autorin regelmäßig Führungskräfte trainiert, dauert ungefähr fünf Minuten. Die Taxifahrer stehen dafür schon mal 30  Minuten in der Warteschlange. Weil das bekannt ist, fragt man nicht den Ersten, sondern den Letzten und den davor, und landet schließlich doch beim Ersten – so wollen es die Regeln. Das Reiseziel löst nicht gerade Jubel aus, ist ja auch verständlich. Dafür Fragen über Fragen. Ob man nicht wisse, wie lange so eine Taxi-Warteschleife dauert. Oder den Bus nehmen könne, (der fünf Minuten vor Eintreffen des ICE’s abfährt) oder gleich laufen (zu Fuß über ein Autobahndreieck?) Am Ende gibt man Trinkgeld, viel Trinkgeld. Wurde bereits erwähnt, dass diese Diskussionen ausschließlich mit Fahrern stattfinden, nie mit einer Fahrerin? Die winken bloß ab. So sind nun mal die Regeln. Und natürlich ist es Blödsinn, deswegen einen  früheren Zug zu nehmen. Dafür gibt es doch Taxis, damit sie das Leben erleichtern! Als das Thema bei einem Business-Lunch gestreift wird, fühlt sich ein Manager lebhaft an Gehaltsverhandlungen mit seinen Mitarbeitern erinnert. Hier sei doch augenscheinlich: „Männer vertreten ihre Interessen rigoroser. Sie nerven so lange, bis sie die Gehaltserhöhung bekommen. Egal was man sagt, sie finden einen Weg. Eine Frau lässt sich da viel leichter vertrösten. Sie hat Verständnis, wenn man ihr verdeutlicht, wie angespannt die finanzielle Lage des Unternehmens ist. Und murrt auch nicht, wenn man sie aus diesem Grund auffordert, in einem halben Jahr noch mal nachzufragen. Wo man sie natürlich

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wieder nur vertröstet oder mit einem geringen Aufschlag für Jahre ruhig stellt.“ Womit wir beim Thema wären. Verhandeln Sie Ihr Gehalt neu. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird man Sie zuallererst bitten, das zu vertagen (Sie wissen schon, die angespannte finanzielle Lage des Unternehmens lässt es nicht zu, neue Investitionen stehen an, die Konkurrenz drückt die Preise usw.) Das Vertagen ist eine kluge Taktik, denn sie bringt Geld. Aber nicht Ihnen.

»hung Je länger Sie auf eine Gehaltserhö­ verzichten, desto größer ist der Gewinn auf der Gegenseite durch Zin­ sen und Zinseszinsen.

Das nennt sich exponentielles Wachstum. Dasselbe passiert bei einer Gehaltserhöhung. Mit jedem Mal steigert sich der Betrag nicht nur um die aktuelle Erhöhung, sondern auch um diejenigen davor. Aus fünf Euro können über die Jahre mehrere Tausend werden. Im Durchschnitt verdient eine Frau ein Fünftel weniger als ein Mann, für die gleiche Leistung. Aus einem Gehaltsunterschied von 10.000 Euro – zum Beispiel bei einem Einstiegsgehalt von 40.000 Euro das einem von 50.000 Euro gegenübersteht – werden bei einer jährlichen Gehaltssteigerung von 2 % in nur 30 Jahren 400.000 Euro. Das ist eine hübsche Summe. Davon könnte man ein Eigentumswohnungs kaufen,  bei einer Steigerung von 3 oder sogar 5 % sogar eine Villa. ­Obwohl sie darauf notgedrungen verzichten, empfinden Frauen ihr Einkommen seltener als ungerecht. Einer ­Umfrage zufolge, die das Deutsche Institut für Wirtschaftsförderung (https://www.diw.de/de/diw_01.c.580340.de/ themen_nachrichten/trotz_des_gender_pay_gaps_empfin-

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den_frauen_ihren_verdienst_haeufig_als_gerechter_als_ dies_maenner_tun_der_grund_dafuer_liegt_auch_in_einer_in_typische_maenner_und_frauenberufe_unterteilten_arbeitswelt.html, Seitenaufruf am 17.02.2020) in Auftrag gab, lagen die Vorstellungen von einem gerechten Lohn bei männlichen Befragten signifikant höher. Eine weitere Falle ist die Gehaltsvariante flexibler, gewinnabhängiger Bonus bei niedrigem Festgehalt. Das liegt am Risiko. Wer sagt, dass Sie das Jahresziel tatsächlich erreichen? Selbst wenn Sie gute Arbeit leisten, kann es immer noch tausend Gründe geben, warum ein Geschäft nicht zustande kommt. Wettbewerber können mit einem vergleichbaren, günstigeren Produkt auf den Markt kommen. Lieferengpässe können eintreten, die Nachfrage könnte sinken. Ebenso fragwürdig ist Teilzeit. Zumindest aus finanzieller Sicht. Es ist ja nicht zwingend so, dass man in Teilzeit weniger arbeitet, unterm Strich vielleicht sogar mehr. Vor allem wenn Teilzeit genommen wird, um Zeit für unbezahlte Hausarbeit zu gewinnen. Dann schon besser Zeit gewinnen für eine Weiterbildung, die den persönlichen Wert am Arbeitsmarkt steigert.

»chen Teilzeit oder unbezahlter Urlaub ma­ aus finanzieller Sicht nur Sinn, wenn in der freien Zeit Zusatzqualifi­ kationen erworben werden, vor allem solche, die für Führungsaufgaben quali­ fizieren oder die einen Branchen­ wechsel ermöglichen.

Führungskräfte mit Personalverantwortung verdienen etwa doppelt soviel wie Fachkräfte (https://cdn.gehalt.de/ cms/Gehaltsbiografie-2019.pdf, Seitenaufruf am 17.02.2020).

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In der Softwareindustrie und im Bankwesen werden die höchsten Gehälter bezahlt. Ein Wechsel des Arbeitgebers kann einen Gehaltssprung bedeuten, ist aber auch mit Mehraufwand verbunden, möglicherweise sogar mit einem Ortswechsel. Will daher gut überlegt sein. Wer mit seinem Job zufrieden ist, in Vollzeit arbeitet und regelmäßige Gehaltserhöhungen bekommt, vielleicht sogar ab und zu einen Bonus und Gewinnbeteiligungen, fährt am Besten. Mit etwas Geschick lässt sich aus dem Verdienst sogar ein zusätzliches passives Einkommen generieren, etwa aus der Vermietung einer Immobilie  oder Aktienfonds. Hinzu kommt der steuerliche Vorteil bei verheirateten Paaren, sobald der Mehrverdiener die niedrigere Steuerklasse wählt und der gering verdienende Ehepartner die hohe. Höchstwahrscheinlich ist die Person, die über Ihr Gehalt entscheidet, in beschriebener Lage. Die Gehaltsverhandlung dürfen Sie somit nicht nur ruhigen Gewissens in Angriff nehmen, sie müssen es sogar. Notfalls laufen Sie einen Pfad in den Teppich, aber lassen Sie nicht locker.

»Kompetenz Mit jeder Verhandlung stellen Sie Ihre unter Beweis.  ie Sie Ihr Gehalt neu und W angemessen verhandeln Legen Sie sich gute Argumente zurecht. Und das ist garantiert nicht der Hinweis auf eine Ungerechtigkeit, sondern der auf Ihre Ergebnisse in den letzten Wochen, Ihre Qualifikationen und Ihre Ziele für das kommende Jahr.

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»Ihrem Legen Sie frühzeitig gemeinsam mit Chef fest, woran man Ihren Er­ folg messen wird.

(Und fragen dann im selben Atemzug Kollegen, woran der Erfolg tatsächlich gemessen wird.) Der oder diejenige, die über Ihr Gehalt entscheidet, sollte auf Ihrer Seite sein. Wie Sie das erreichen, ist Ihre Sache. Aber stellen Sie sich gut mit dieser Person, denken Sie an das Eigenheim. Aus ein paar hundert Euro werden rasch Tausende, dann Zehntausende. Kleiner Tipp am Rande: Menschen schreiben Dingen (oder Menschen), in die sie bereits Zeit und Geld investiert haben, einen höheren Wert zu. Hat derjenige, der die Gehaltsverhandlung leitet, bereits in einer Weise in Sie investiert, wird er eine größere Bereitschaft zeigen, sich zu einigen. Geben Sie aus diesem Grund auch nicht sofort beim kleinsten Zugeständnis nach. Sie sind kein Bittsteller, sondern ein Verhandlungspartner. Legen Sie die besseren Argumente auf den Tisch. Bevor es zur eigentlichen Verhandlung kommt, warten Sie auf eine gute Gelegenheit. Die könnte im Anschluss an ein positiv verlaufenes Personalgespräch sein oder nach einem erfolgreich abgeschlossenem Projekt. Es ist wichtig, dass Sie aus einer guten Position heraus starten, bei der die Gegenseite erkannt hat, was Sie für das Unternehmen leisten. Eine Gehaltsverhandlung besteht grob gesagt aus drei Teilen: 1. Heben Sie Ihren persönlichen Beitrag für das Unternehmen hervor. 2. Nennen Sie einen Richtwert für Ihre Gehaltsvorstellung. 3. Einigen Sie sich auf einen für beide Seiten annehmbaren Konsens. 

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Zum Punkt Eins Wenn es darum geht, Ihren Mehrwert zu schildern, betonen Sie, an welcher Stelle Sie dem Unternehmen Vorteile verschaffen. Haben Sie Kosten gespart, einen Auftrag an Land gezogen, den Marketingauftritt des Unternehmens verbessert, Produkten zu besserer Sichtbarkeit verholfen, haben Sie Konferenzen besucht, strategische Partnerschaften geknüpft? Irgendetwas wird Ihnen schon einfallen. Jeder leistet einen Mehrwert und sei es der, Geburtstage und Betriebsfeiern zu organisieren. Die Frage ist, wie Sie diesen Wert verkaufen. Sollte Ihr Talent, Events zu planen nicht längst im Kundenmarketing gefragt sein? Zum Punkt Zwei Werden Sie nach konkreten Gehaltsvorstellungen gefragt, greifen Sie ruhig etwas höher. Damit nutzen Sie den Ankereffekt. Der Begriff Anker stammt aus der Verhaltensökonomie. In Experimenten hat man festgestellt, dass ein hoher Einstiegswert der Referenzpunkt für weitere Verhandlungen ist. Ein hoher Anker, besonders, wenn die Zahl am Ende eine Neun beinhaltet, lässt den Betrag, auf den man sich schlussendlich einigt, höher ausfallen (Nur sollten Sie bei Ihrer Vorstellung nicht übertreiben, 20 % über dem jetzigen Gehalt sollten in Ordnung sein.). In anderen Kulturen ist Handeln ohnehin Grundvoraussetzung für einen Deal. Absichtlich wird ein völlig überzogener Preis genannt (ein hoher Anker gesetzt). Wenn man sich dann einigt, hat der Verkäufer bekommen, was er will, und der Käufer immer noch ein gutes Gefühl. Gleichzeitig hat der Händler eine absolute Untergrenze, unter die er nicht bereit ist zu gehen. Auch Sie sollten sich diese Untergrenze setzen. Ohne Wenn und Aber.

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Zum Punkt Drei Menschen handeln generell risikoavers. Das Bestreben eines Menschen, einem Verlust zu entgehen, ist ungleich höher als die Motivation, einen Gewinn in gleicher Höhe und mit gleicher Wahrscheinlichkeit zu erzielen. Bedeutet für Sie: Haben Sie einen Plan B. Vielleicht gibt es ja ein Unternehmen, dass Ihre Arbeit mehr zu schätzen weiß? Ohne den Schritt in letzter Konsequenz zu gehen, kann allein die Existenz eines Plans B Ihre Verhandlungsposition stärken. Immerhin müsste Ihre Stelle neu besetzt werden, die Einarbeitung eines neuen Mitarbeiters wäre zeit- und kostenintensiv. Möglicherweise blieben wichtige Projekte liegen, können Aufträge nicht rechtzeitig fertiggestellt werden. Sie werden souveräner auftreten, Ihre Forderungen werden weniger zaghaft klingen, wenn Sie sich das bewusst machen und Ihrem Gegenüber. Sie merken rasch an der Reaktion Ihres Gegenübers, ob er sich mit Ihnen einigen will. Wenn es in Ausnahmefällen wirklich nicht möglich ist, die gewünschte Steigerung zu erhalten, ändern Sie die Strategie. Geld ist nicht alles. Es gibt immer eine Möglichkeit einen Konsens zu erzielen. Die bezahlte Fortbildung, die IT-Ausstattung für´s Homeoffice, die Konferenz mit tollen Möglichkeiten zum Networking, das Jahres-Abo im Fitnessstudio, der Dienstwagen oder das Dienstfahrrad, ein Platz im Betriebskindergarten, auf den Sie ohne Unterstützung lang warten müssten, ein prestigeträchtiges Projekt, bei dem Sie unbedingt dabei sein wollen – es gibt eine Reihe von Dingen, die einen Mehrwert haben. Suchen Sie sich etwas aus, das Ihnen wirklich etwas bringt. Wenn man Ihnen damit entgegenkommt, sehr gut. Bis zur nächsten Verhandlung, bei der es sich dann von selbst versteht, dass Sie auf die Steigerung von 1 oder 2 % diesmal wirklich bestehen.

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»Win, Ihr Verhandlungsprinzip lautet  Win-­ das sollten Sie zu jedem Zeit­ punkt deutlich herausstellen.

Bleiben Sie freundlich, aber bestimmt. Für alle Beteiligten soll sich der Deal nach einem Erfolg anfühlen. Übrigens, ist eine Familie zu managen nicht auch ein Job? Dafür ein Gehalt zu beziehen ist nicht so abwegig, wie es auf den ersten Blick scheint. Strategien für die nächste Gehaltsverhandlung 1. Finden Sie heraus, was Ihre Kollegen verdienen. 2. Legen Sie eine absolute Untergrenze für Ihr eigenes Einkommen fest. 3. Schreiben Sie das bestmögliche Ergebnis einer Verhandlung auf einen Zettel. Visualisieren Sie diesen Wert. 4. Schreiben Sie daneben Ihre Stärken; auch solche, die nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind. Qualifikationen, Netzwerk, Insider-Wissen. 5. Notieren Sie den Mehrwert, den Sie dem Unternehmen generieren. 6. Machen Sie einen Plan B. Hören Sie sich um, ob Sie in einem anderen Unternehmen bzw. in einer anderen Branche mehr Gehalt bekommen. 7. Wählen Sie für die Verhandlung einen günstigen Zeitpunkt, zum Beispiel nachdem Sie gerade für ein Projekt gelobt wurden. Nutzen Sie diesen Rückenwind! Betonen Sie, wie außerordentlich gern Sie sich für das Unternehmen engagieren und das gern auch in Zukunft tun werden. 8. Holen Sie sich die Zahl auf Ihrem Zettel vor Augen. Bleiben Sie bei diesem Wert. Sie beweisen gerade Verhandlungsgeschick.

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9. Unterstützen Sie sich selbst mental. (das Ferienhaus, die Urlaubsreise, Ihre Rente … Sie wissen schon) Bleiben Sie souverän, höflich und unbeeindruckt von Gegenargumenten. Liefern Sie das bessere Argument. Signalisieren Sie, dass Sie am Ball bleiben! 10.   Sie verhelfen Ihrem Unternehmen zum Erfolg, verhandeln Sie im Gegenzug das Gehalt, das Ihnen zusteht, oder einen vergleichbaren persönlichen Mehrwert, wie eine Fortbildung oder Beförderung. Ziel ihrer Verhandlung ist ein Ergebnis im Sinn von beidseitigem Gewinn (Win-Win).